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LTE
3 b105 027 345 002
Forſchuugen
zur
Deutſchen Geſchichte.
Zweiter Band.
AUF VERANLASSUNG HERAUSGEGEBEN
UND MIT DURCH DIE
UNTERSTÜTZUNG HISTORISCHE COMMISSION
SEINER MAJESTAEFT / aA BEI DER
DES KÖNIGS VON BAYERN | 7] KÖNIGL. ACADEMIE DER
MAXIMILIAN II. WISSENSCHAFTEN.
Höttingen,
Berlag der Dieterichſhen Buchhandlung.
1862,
ANFORD UNIVERSITY
LIBRARIES
STACK
MAR 16 i3o,
Inhalt.
Geſchichte des ſchwäbiſchen Städtebundes der Jahre 1376—1389.
Bon Dr. W. Biſcher in Baſleee... 2 0 2 2. 065 1
Geſchichte bed Bundes der Sachſenſtädte bis zum Ende bed Mittel:
alter mit Rüdficht auf die Territorien zwifchen Wefer nnd Elbe.
Bon Dr. ®. J. 8. Bode, weiland Gtabtdirector in Braun:
Ihweg. . . 2 2 200. een. — 203
Beiträge zur Gefchichte des Belt: und Müngwefens in Deutfchland.
Bon Dr. Ab. Soetbeer in Hamburg.
Dritter Abfchnitt. Geld⸗ u. Münzwefen im fränkiſchen Reiche
unter den Merovingen. Schluß. 000. 23
Nachträge zum erflen und zweiten Abfchnitt. - © © 2 2 0 0 — 368
Ueber die principes in ber Germania be Tacitus. Bon Prof. ©.
Maik in Göttingen.. 2 388
Geſchichte des langobardiſchen Herzogthums. Von H. Pen in
Göttingen. © . . . . . . .o . © . . . — 405
Herzog Wilhelm IH. von Bayern, der Protector des Bafeler Goncits
und Statthalter des Kaiferd Sigmund. Nach Urkunden und
Aften des RK. Reichs. und Haus⸗Archivs zu Manqhen. Von Dr.
A Kluckhohn in Münden . . . . . 0. 51)
Geſchichte des ſchwäbiſchen Städtebundes
der Jahre 1376 — 1389.
Bon
Wilhelm viſcher.
u.
Vorwort.
Die Geſqhichte des ſchwäbiſchen Stäbtebundes iſt ſchon von Pfifter
in jeiner Gerichte von Schwaben, namentlich aber in neuefter Zeit
von Stälin in feiner wirtembergifchen Geſchichte auf eine Weife bes
handelt worden, dag man fich nicht beklagen kann, über das Wefen
deflelben im Dunkeln zu fein. Allein er ift eine für die ganze Ges
ftaltımg der Reichöverhältniffe fo wichtige Erfcheinung, daß er wohl
einer eigenen Darſtellung werth ijt, die mit größerer Ausführlichkeit,
vw als Werke von der Art der obenerwähnten fie gejtatten, auf die Art
und Weiſe feiner Entjtehung, auf feine Zuſammenſetzung, auf bie
Zuwecke, welche die Städte durch ihn erreichen wollten, auf die Politik,
die jie unter feinem Schute verfolgten, auf die Urjachen feines Auf-
blühens und feines DVerfalles und den Einfluß, den er auf die Ent-
‘ widlung der Städte und ihre Stellung im Reiche ausgeübt hat, ein-
gehen Tann. Eine folche ‘Darftellung habe ich in der vorliegenden
Arbeit zu geben verfucht; daß ich meinem Zweck nicht in der Weife,
wie ich e8 gewünscht hätte, nachgefommen bin, fühle ich felbft nur
gut, namentlich ift es mir nicht immer gelungen, den vorwiegend
aus Urkunden gejchöpften Stoff feiner Sprödigfeit zu entfleiben und
ihm frifches Leben einzuhaucdhen; doc hoffe ich immerhin für das
beſſere Zerjtändnig mancher Erjcheinungen, die uns in der Gefchichte
des Pundes aufitoßen, einigen Aufichluß gegeben zu Haben.
Meinen Quellen bin id) an der Hand des Stälinfchen Buches,
ımterftügt von den perfönlichen Rathſchlägen des Herrn Verfaſſers,
nachgegangen. Die widjtigfte Ausbeute gewährte das Stuttgarter
Archiv, auf welchem ſich ımter der Rubrik „NReichsitädte insgemein“
die Schriften des Bundes, die früher in Ulm aufbewahrt wurden,
vorfinden. ine wichtige Ergänzung zu denjelben bildet die gleich-
falls im Stuttgarter Archiv befindlide Sammlung des verjtorbenen
Trälaten und Generalfuperintendenten Joh. Chriftoph von Schmid
_ aus Ulm, die eine reiche Fülle von Material für die Gefchichte alfer
ſchwäbiſchen Landfrieden und Bündniſſe von König Rudolf I. bis zur
Auflöfung des ſchwäbiſchen Bundes im J. 1533 enthält, theils in
Originalurkunden, welche Schmid bei der Zerjtreuung der reichöftädti-
ſchen Archive dem Untergang entzog, theils in Abfchriften und Aus—⸗
2%
*
4
zügen. Don ben 46 Nummern der Sammlung war für mid) am
wichtigften der erfte Fascikel, der eine Weberficht über den ganzen
genannten Zeitraum enthält, indem er die betreffenden Actenftüde
entweder in fürzern oder längern Auszügen oder auch in volljtändis
gen Kopien, bisweilen mit Erläuterungen des Sammlers verjehen,
oft auch mit Hinweifung auf gedructe Werke, in chronologifcher Reis
henfolge zuſammenſtellt. Das Meijte, was die übrigen Nummern
enthalten, betrifft fpätere Zeiten als die von mir bearbeitete, einiges
Wenige fand ich in den Fascikeln 2 und 21. Bei all meinen Ar-
beiten auf dem Stuttgarter Archiv, welche den Kern bildeten, an den
fich die übrigen Forfchungen anfchlojfen, hatte id) mid) des freunds
lichiten Entgegenfommens von Seiten des Herrn Directors Archivraths
v. Rausler zu erfreuen, der auch fpäter, fo oft ich über einzelne
Punfte noch weitern Auffchluß zu haben wünfchte, als meine Auszüge
boten, meinen Anfragen immer aufs bereitwilligfte entfprodyen hat,
wofür ich ihm hier meinen wärmjten Dank ausfpreche.
Eine fernere handjchriftliche Duelle von Belang fand ich in dem
fogenannten großen weißen Buche des Basler Staatsardives. In
diefem Buche, das Abjchriften von Verträgen und andern wichtigen
Urkunden enthält, finden fich auch mandye auf den Bund, welchem .
Bafel im %. 1384 beigetreten war, bezügliche Actenftüde, Copien
von Bündnißbriefen und Aehnliches, namentlich) aber einige auf
Städtetagen gefaßte Befchlüffe oder fonftige Notizen, iiber welche keine
befondern Urkunden ausgeftellt wurden, fondern von benen es hieß, die
Städte follten das in ihre Bücher fchreiben. Ich habe mic) auch in meh⸗
rern andern Städten nad) dem Vorhandenfein folder Bücher erkundigt,
jedoch vergebens, bin aber dafür entſchädigt worden durch die Notizen
welde Schmid aus einem Nördlinger Buche mittheilt, jo wie durd)
das, was Lehmann und Fuchs in der Speirer, Gemeiner in feiner
Negensburgifchen Chronik aus ähnlichen Quellen geben!. — Außer
dem großen weißen Buche gab mir auf dem Basler Archiv aud das
Leijtungsbuch einige Ausbeute. Es enthält namentlich Bürgeranfe
nahmen und Strafurtheile. Von den lettern, welche meiftens dahin
lauten, daß der Schuldige eine gewijje Anzahl von Fahren leiften (d. h.
in der Verbannung leben) foll, hat da8 Buch in neuerer Zeit feinen
Namen erhalten. Neben diefen Büchern fand ich aber auch noch ei-
nige nicht unwichtige Driginalurfunden. Dem Herrn Ardivar Krug,
der mich in die Kenntniß des Archivs eingeführt und bei meinen Nady-
forfhungen unterftütt hat, bin ich dadurch zu lebhaften ‘Danke ver- .
pflichtet.
nicht benutzt. Dagegen hat Herr Dr. Freiherr Roth von Schreden-
1 Seit ich dieß gefchrieben, find mir durch die Gefälligfeit de Herrn Dr.
Weizfäcder in München einige Notizen aus einem mit der Jahreszahl 1385
bezeichneten Memminger Coder ‘Copia nova confederacionis civitatum impe-
Andere Archive als das Etuttgarter und das Basler habe ich felber |
— nor PO 24
rialium' (Catal. XX. V.10 ber dortigen Stabtbibliothef im Steuerhaus) zus N
gekommen.
5
fein bie Güte gehabt, mir Abjchriften und Auszüge einiger noch
ia Ulmer Archiv vorhandener Urkunden zu überſchicken; durch die
danfenswerthen Bemühungen der Herren Archivar Herberger in Augs⸗
burg und Nathefchreiber Wartmann in St. Gallen erhielt ich Bei-
träge aus den dortigen Archiven, und durch bie hochlöbl. Direction
bes 8. E. geh. Haus-, Hof» und Staatsarchives in Wien die beglau-
bigte Abfchrift eines in demfelben Liegenden Bimdnißbriefes.
Die gedrucdten Werke, denen ich weitere Urkunden entnahm, fo
wie bie von mir benugten Regeftenfammlungen finden ſich größten-
theils in dem beifolgenden Verzeichniſſe aufgezählt.
Was num die zweite Art von Quellen betrifft, gefchichtliche
Aufzeichnungen, jo habe ich mich in erfter Linie an den wohlunter-
i und klar blickenden Zeitgenoſſen Königshoven und an die
ebenfalls gleichzeitigen Augsburger und Conſtanzer Aufzeichnungen ge⸗
halten, welche Mone im Géten Jahrgang des Anzeigers für Kunde
deutſcher Vorzeit und im erſten Bande der Quellen⸗Sammlung der
badijchen Zandesgefchichte herausgegeben hat, jo wie an das auf gleich»
zeitigen Berichten beruhende Chronicon Noribergense bei Oefele.
Eme Ergänzung zu jenen Augsburger Berichten, die und in etwas
lückenhafter Geftalt überliefert find, bietet die Ueberarbeitung, welche
ifmen Burkart Zengg (geb. 1396) in feiner nad) der Mitte des 15.
Zahrhunderts gefchriebenen Augsburger Chronif hat zu Theil werden
laſſen. Doch iſt er, da die Zeit, in welcher er jchreibt, der Handlung
ſchon etwas ferner liegt, nicht ohme Vorjicht zu gebrauchen. Auch
eriftirt leider noch fein volljtändiger Abdrud feines Werkes, da Defele
im feinen Scriptores rerum Boicarum bloß die mit der bairischen
Geſchichte zufammenhängenden Stücke deſſelben herausgegeben hat.
Unter den Hilfsmitteln, die ich benutt habe, jteht oben an die
wirtembergijche Gefchichte von Stälin, aus der ich immer und immer
wieder die reichite Belehrung gejchöpft. Won folchen Arbeiten, die in
der neueften Zeit fich fpeciell mit der Geſchichte des Städtebundes
befaßt Haben, hat mir der im zwölften Bande des Archivs für
Schweizeriſche Geſchichte abgedrudte Auffag von Hagen „über die
politifchen Verhältniffe zur Zeit der Sempacherſchlacht, namentlich
über die Beziehungen zwiſchen der Eidgenoffenichaft und dem deutichen
großen Städtebunde“ vielfacdhe Anregung gewährt und mich auf mandje
Pumkte aufmerkffam gemacht, obgleich id) mid) den Anſichten des
Verfaſſers in vielen Fällen nicht anfchliegen fann. Eine ältere
Schrift von Feßmaier! hat feit dem Erfcheinen der Arbeiten von
Pfilter und Stälin feinen großen Werth mehr, enthält aber immer
noch einige brauchbare Notizen.
Als Beilagen habe ich meiner Arbeit die Regeſten der von mir
benutsten, auf die Gejchichte des Bundes bezüglichen Urkunden und
dann die Abdrücke einiger der wichtigern Urkunden felbjt beigegeben.
2 Niber das Entfteben und Aufblüben des oberteutſchen Stäbtebundes
und bein Befämpfung und Vernichtung durch Friedrich von Landehut, Mün⸗
sen 1819. 4.
6
Diefe Regeften follten die Ueberficht über das an fo vielen Orten zer-
jtreute Urfundenmaterial erleichtern und dem Leſer möglid) madjen,
das Bild, das id) in meiner Darjtellung von ber Geſchichte des Bun-
des zu geben verſucht, zu vergleichen mit demjenigen, das ſich ihm
jelber beim Durchgehen der in chronologijcher Reihenfolge zufammen-
gejtellten urfuntlichen Belege aufdrängt. Zum vollftändigen Abdrude
habe ich die Bündnigurfunden von 1377 und 1382 gewählt, von
denen die leßtere, fo viel ich weiß, noch gar nicht, die erftere nur
nah einem lückenhaften und nicht ganz correcten Original bei Zell-
weger gedrudt ift, ferner den Landfrieden von 1340, als den wid)-
tigjten der noch ungedrudten Bündnißbriefe früherer Zeit.
Indem id) mich anſchicke, mein Werfchen der Deffentlichkeit zu
übergeben, mit dem Wunfche, e8 möge einen, wenn aud) Fleinen, Bei—
trag zur Geſchichte der Entwidelung des dentſchen Städteweſens Tie-
fern, fühle ich) mich gedrungen, allen denjenigen, welche mir beim
Sammeln des Stoffes hilfreiche Hand geboten, fo wie nicht minder
denen, die mir bei Verarbeitung dejjelben mit ihrem Rathe beigejtan-
den, unter diefen in erfter Linie Herrn Prof. Waitz, meinen aufric)-
tigjten und tief empfundenen Dank auszufprechen.
verzeichniß der mit abgelürztem Titel angeführten Onellen
und Hülfsmittel.
1. Chr. — Augsburger Chronik, bei Mone, Anzeiger für Kunde beutfcher
vegein rqbeter Jahrgang. 1837. Sp. 113—126. 257 - 269,
Basler 5 D — Dad fogenannte „große weiße Buch“ im Staatsarchive zu
dl.
Böhmer, Beg. Lad. — ob. Tr. Böhmer, Regesta Imperli .... Die Ur:
funden Kaifer Ludwigs bed Baiern ..... in Auszügen. Frankf. a. M.
1839. Die Zahlen beziehen fi auf die Nummern ber betreffenden
Urfunden bei Böhmer.
C. Chr. — Gonftanzer Ehronit bei Mone, Duellenfammlung ber babifchen
Landesgeſchichte I, 309 ff.
Chron. Nor. — Chronicon Noribergense, bei Oefelius, rerum boicarum seri-
ptores I, 323 ff. Es ift die urfprünglich deutfch geichriebene Chronik
des Nürnberger Patriciers Ulman Stromer (Stromeyr), mit beren
Urtert Prof. Hegel die auf Veranftalten des Königs von Baiern ber:
auszugebende Sammlung beutfcher Städtechronifen eröffnen wird; f.
Nachrichten von der pift. Comm. II, p. 11.
Datt. — Jo. Phil. Datt, volumen rerum Germanicarum novum sive de pace
imperiü publica.. Ulmae 1698.
Gemeiner. — Regensburgiſche Chronik von Carl Theodor Gemeiner. Regensb.
1800 — 1824.
Glafey. — Adam Frid. Glafey, Anecdotorum 8. R. J. Historiam ac Jus
publicum illustrantium collectio. Dresd. et Lips. 1734.
Hugo, Mebiatifirung. — Die Mediatifirung ber deutſchen Neichäftäbte von
G. W. Hugo. Karlär. 1838.
Jahresber. — Siebenzehnter und achtzehnter combinirter Jahres: Bericht bei
hiſtoriſchen Kreis: Vereind im Negierungsbezirt von Schwaben und
Tenburg für die Jahre 1851 und 1852. Augsb. 1853. Die aus
demſelben angeführten Urkunden bilden eine Beilage zu dem Aufſatze:
Kaifer Ludwig der Bayer und die trene Stadt Augsburg, von Theo:
bor SHerberger.
Anipſchildt. — Phil. Knipschildt, tractatus politico -historico -juridicus de
juribus et privilegiis civitatum imperialium. Ulmae 1687.
Königäbeven. — Deſſen Straßburger Chronik nach der Ausgabe im Code hi-
storique et diplomatique de la ville de Strasbourg. I. Strasb. 1843,
gehmann. — Christophori Lehmanni Chronica ber freyen Reichs Stadt Speier,
Ausgabe von J. M. Fuchs. Frankf. a M. 1711.
*
8
Lichnowsky. — Geſchichte bes Hanfes Habsburg, von bem Fürften E. M.
Lichnowsky. Reg. bezieht ſich auf bie jedem Bande beigefügten Regeften.
Beg. Boica. — Begesta sive rerum Boicarum authographa. Opus cura C.
H. de Lang inceptum, nunc autem cura Maximiliani Bar. de Freyberg
continuatum. Die erfte Zahl bezeichnet den Band, bie zweite die Seite.
Sattler. — Chriſtian Friedrich Sattlerd Geſchichte des Herzogthums Wirten:
berg unter der Regierung ber Graven. Bd. I, bisweilen auch als 11.
Bd. bezeichnet, indem die Beſchreibung bed Herzogthums W. als erfter
Bd. des ganzen Werks gefaßt wird. Die beigefügten Zahlen bezeichnen
die Nummern der Beilagen, welche in ben verſchiedenen Ausgaben des
Werkes biefelben find.
Schaab. ae Deilen aefsiäte bed großen rheiniſchen Städtebundes. Mainz
Schmid. — —8 des Prälaten von Schmid im Stuttgarter Archiv
(S. bie Borrebe), Wo die Nummer bed Fascikels nicht beigefügt ift,
ift immer ber erfte gemeint.
St. A. — Stuttgarter Archiv. Wo Feine weitere Bemerkung fleht, ift immer
die Rubrik „Reichsſtädte indgemein“ verftanden.
Stälin. — Eh. Fr. v. Stälin, Wirtembergifhe Gefchichte. Thl. 1—3. Stuttg.
1841—1856.
Tſchudi. — Aegidii Techudii Chronicon Helveticum. Bafel 1734.
Wegelin. — Gründlid) = Hiftorifher Beriht von ber Kayſerlichen und Reichs:
Landvogtey in Schwaben. 1755. Ohne Angabe des Verfaflerd, Job.
Neinh. Wegelin, erfchienen.
Wender, Apparatus. — Apparatus et instructus archivorum etc. collectore
Jacobo Wenckero. Argentorati 1713.
Zelliweger. — Deſſen Gefchichte bed Appenzelliichen Velkes. Trogen 1830 ff.
Wo „Urt.“ beigefügt ift, find bie Urkunden zn J. C. Zellmegerö Ge:
(dichte u.f.w. Trogen 1831 ff. verflanben.
Zengg. — Burkhard Zenggd Augsburger Chronif, bei Oefelius, rerum boica-
rum scriptores I, 254 ff.
Einleitung.
Das Emporkommen und Aufblühen der Reichsſtädte ift bekanntlich
für die Geſchichte Deutfchlands von der allergrößten Wichtigkeit ge⸗
worden. Als mit der Ausbildung fürftlicher Yandeshoheit die Ver⸗
bindung der einzelnen Neichöglieder immer loderer wurde, waren fie
es, in denen fich hauptfächlich das Bewußtſein von der Einheit des
Reiches und feiner Zufammengehörigfeit unter Einem Oberhaupt erhielt;
fie waren e8 aber hinwiederum auch, die mehr, als von irgend einer
andern Seite gefchehen ift, einer neuen Entwicklung des ſtaatli⸗
chen Lebens vorgearbeitet, indem fie zuerſt bei fich einen geordneten
Haushalt einführten und dadurch auch den fürſtlichen Territorien ein
Zorbild aufftellten, demzufolge biefe fi zu Staaten im modernen
Zinme berangebildet haben. Wie in ihnen, den Ausgangspunften
des Handels, ben Sigen des Gewerbfleißes, die politiiche Gleichbe⸗
rechtigung der verfchiedenen Claſſen der Bevölferung zuerft zur Gel⸗
tung gelangte und diefelben zu Einem Bürgerjtande verband, fo wur⸗
den auch Künfte, Poefie, Wifjenfchaft, die früher von einzelnen bes
porzugten Ständen waren gepflegt worden, ein Gemeingut dieſes ges
fammten Bürgerftandes; das Bürgertum, wie e8 die Grundlage un-
jeres ganzen heutigen politifchen und focialen Lebens geworden ift,
bat fich in ihnen gebildet.
Allein die Erwerbung und die Erhaltung ihrer Unabhängigkeit
ift den Reichsſtädten nicht ohne ſchwere, blutige Kämpfe gelungen, die
fie gegen die wachſende Macht der Landesherren zu bejtehen hatten;
die letzten Jahrhunderte des Meittelalters find voll folcher Kämpfe,
die eigentlihe Entjcheidung aber, durch welche die zufünftige Stellung
der Städte auf immer beftimmt ward, fällt ins Ende des 14ten Jahr⸗
hunderte. Als Vorkämpfer der ftäbtifchen Freiheit treten hier die erft
in verhältnigmäßig fpäter Zeit zur Blüthe gelangten ſchwäbiſchen Städte
auf; fie vereinigen fi) und ihre fränfifchen und bairifchen Nachbarn
zu einem großen Bunde, durch welchen allein ein erfolgreicher Wider:
ftand möglidy) wird, und es ſchließen fich ihnen auch die rheinifchen
Städte an, die mehr als hundert Jahre zuvor, als die am früheſten
10
zu Freiheit und Macht gelangten, an ber Spite der Bewegung ge
jtanden, jett aber diefe Stellung an ihre jüngern, noch frifcheren und
fräftigeren Schweitern, abgetreten haben.
Keine deutfche Landſchaft zählte eine folche Menge von Reiche
ftädten wie Schwaben. Während der langen Zeit, in welcher das
Be der Staufer fowohl den Kaiferthron als aud) das ſchwäbiſche
erzogthum inne gehabt, hatte fich fein beträchtlicher Hausbefig mit
dem Reichögute verfchmolzen, und zu den alten Reichsorten, wie Auge:
burg, Ulm, Heilbronn, Eßlingen, Conftanz u. ſ. w., hatten ſich eine
Menge urfprünglic) welfifcher oder ftaufifcher Yandjtädte gefellt, bie
nun auch als Reichsftädte wollten angefehn fein und von König Ru⸗
dolf großentheils in diefer Cigenfchaft betätigt wurden. Die Ober:
aufficht über die Reichsſtädte, fo wie über die übrigen Güter und
Rechte, welche dem Reiche in Schwaben angehörten, wurde durch
Rudolf an Landvögte übertragen. Diefe hatten im Namen des Kö»
nigs über die Aufrechthaltung der Ordnung zu wachen und die Ein-
fünfte für die Königliche Kammer einzutreiben, wobei auch eine name
bafte Summe für fie abfiel . Das Amt war ein fehr einflußreiches
und auch fehr einträgliches, allein es war nicht erblich, und der König
fonnte jederzeit die damit betrauten ihrer Stelle wieder entheben. In
der zweiten Hälfte des vierzehnten Jahrhunderts, aus welcher wir
genauere Berichte haben, und die auch für unfere Darftellung befon-
ders wichtig ift, finden wir zwei größere Landvogteibezirke, die Yand-
vogteien Oberfchwaben und Niederfchwaben. Die Grenze bildete bie
Alb, jenes Gebirge, das im Anſchluß an die äußerften Ausläufer des
Jura mit dem Heuberg bei Tuttlingen beginnt und in nordöftlicher
Richtung durchs Land ziehend mit dem Härdtfeld bei Nördlingen fein
Ende erreidht. Gegen Nordmweiten fällt es fchroff ab, während es
auf der entgegengefeten Seite fid) nad) der oberfchwäbiichen Ebene
bin fanft abdacht. Nach ihrer Lage auf den beiden Seiten dieſes
Gebirges werden auch die oberfchwäbifchen und die niederfchwäbifchen
Städte bezeichnet als die Städte dieffeits und die Städte jenfeitg der Alb.
Zur Landvogtei Oberſchwaben? gehören die Städte am Boden⸗
fee, Conftanz, Ueberlingen Buchhorn (das heutige Friedrichshafen)
und Lindau, dann zpifchen dem Bodenfee, der Donau und der Iller
Pfullendorf, Ravensburg, Wangen, Jony (das ſich im %. 1365
bon feinem Herrn, dem Truchfeffen von Waldburg, Tosgefauft hatte
und von Karl IV. in den Schutz des Reiches aufgenonunen worden
war), Leutkirch, Biberach), Buchau am Federfee und Kempten, le-
teres am linfen Ufer der Iller felbft gelegen, öſtlich von der Iller
Memmingen und Kaufbeuren, endlich der Mündung diefes Fluſſes in
die Donau gegenüber das mächtige Ulm. — Bon der oberfchwäbifchen
Landvogtei getrennt war die über Augsburg; doch waren häufig beide
in der Hand defjelben Inhabers vereinigt. Die Stadt Giengen, un-
fern von Ulm an den Abhängen der Alb im Brenzthale gelegen, war
2 GStälin II, 43. 327. 2 ©. Reg. 61. 77.
1854-1378 dem Reich entfremdet, fpäter erfcheint fie mit Ober⸗
ſchwaben oder Augsburg vereinigt.
Die niederfchwäbifche Landvogtei? umfaßte die Städte Wimpfen
ud Heilbronn am untern Nedar, fammt dem benachbarten Weins⸗
berg, bie alle urſprünglich fränfifch waren, dann, ebenfalls am Nedar,
dem Hauptfluffe Niederfchwabens, recht im Mittelpunkte dieſer Land»
fhaft gelegen Eßlingen, ferner Reutlingen an ber Echaz, die, aus
einem der ſchönſten Albthäler hervorfommend, fich nad) kurzem Laufe
in den Nedar ergiekt, Rotweil am obern Laufe diefes Fluffes in den
Dergen des Schwarzwaldes, Weil an den Abhängen eben biefeg Ge
birges, weitlih von Stuttgart, Gmünd im Remsthale, am Fuße des
Hohenftaufen, Aalen und Hall am Kocher, Bopfingen und Nördlin«
gen, den Hauptort des fruchtbaren und reichbevölferten Nies, beide
an der Gger, einem Nebenflüßchen der Wörnit, weiter nördlich an
der Wörnis felbft Dinkelsbühl und an der Mündung diefes Fluffes
in die Donau Donauwörth, damals meift fchlehthin Werd, aud
Schwäbiſch Werd genannt, das jedoch in Folge feiner Verpfändung
an die Herzoge von Baiern im %. 1376 auf mehr als 60 Jahre
aus der Zahl der Neichsftädte fchied.
Durchgehen wir die Reihe diefer Städte, fo finden wir neben
einigen großen und mächtigen eine überwiegende Menge von Eleinern
Orten, denen es faum möglich gewefen wäre, ihre Selbjtändigfeit zu
erhalten, geichweige denn zu politifcher Bedeutung zu gelangen, wenn
fie nicht durch die Verbindung mit andern ſich mächtig gefühlt hätten.
In dem Maße aber, in welchen das Reich aus einem einheitlichen
Ganzen zu einer ziemlich lockern Verbindung der mannigfaltigften Bes
jtandtheile ſich umgeftaltete, nehmen wir die Erfcheinung wahr, daß
ſich die gleichartigen unter den lettern an einander fchließen, um durd)
gemeinfames Handeln ihre gemeinfamen Intereſſen zu fördern. Beſon⸗
ders ftark mußte fich der Trieb dazu bei den mindermädhtigen, bei
den in ihrer Entwidlung am meiften angefochtenen, von den meiften
Schwierigkeiten umgebenen Reichsftänden regen. Die Städte waren
es vor Allen, welche das Bedürfniß, fich mit ihresgleichen zu verbin⸗
den, aufs lebhaftefte empfanden, und nirgends hat das Bündnißweſen
eine folche Ausbildung gefunden wie bei ihnen; ihm verdanken fie
auch, Die Erwerbung und die Erhaltung ihrer Selbitändigfeit und Frei⸗
beit. Sobald die Städte auf einem gewiſſen Grad ihrer Entwiclung
angelangt find, treten fie mit ihren Nachbarn zufammen, um das Er⸗
baltene zu fichern und ftörenden Eingriffen mit Nachdrud zu begegnen.
So finden wir nun namentlich feit der Mitte de8 13ten Jahrhun⸗
derts im füdmeltlichen Deutſchland, das uns allein hier befchäftigt,
eine Anzahl von Städtegruppen, deren Glieder, wenn auch ihre Vers
bindungen meift nır auf eine Anzahl von Jahren gefchloffen find,
doch fich als eng zufammengehörig betrachten und immer und immer
wieder zufammentreten. Bis auf die Zeiten Heinrichs IV. gehen die
2 Reg. 79. 123.
12
Bündniſſe der mittelrheinifchen Städte zurück; eine größere Bedeutung
erlangen fie aber erſt während der Stürme bes großen Zwifchenreiches,
wo fie die Grundlage des berühmten rheinifchen Bundes bilden; aber
auch nad) dem Untergange biefes lettern bleiben die Städte, welche
den Kern befjelben ausgemacht, namentlic Mainz, Worms und Speier,
in einem befonders innigen Berhältniffe und erneuern im 14ten Jahr⸗
hundert ihre Bündniffe zu vielen Malen. Eine andere Gruppe bil
ben die Städte der benachbarten Wetterau, Frankfurt, Wetlar, Fried⸗
berg und Gelnhauſen. Das erſte Bündniß derſelben, von dem wir
Kunde haben, wurde im J. 1285 abgeſchloſſen, ſpäter wird es oft
erneuert. Am Oberrheine find es Straßburg, Bafel und Freiburg,
die ſchon zu Ende des 13ten Jahrhunderts einander oft gegenſei
unterſtützen; vom J. 1326 an kennen wir eine fortlaufende Reihe
von Bümdnißurkunden. In den burgundiſchen Landen ſchließen die
zwei Zäringerſtädte Bern und Freiburg im J. 1243 einen ewigen
Bund. Ein ebenſolcher verbindet ſeit dem Jahre 1291 die drei Län⸗
der Uri, Schwyz und Unterwalden, die wir hier auch mitzählen dür⸗
fen, da die Entwidlung ihrer Freiheit ſich ganz analog derjenigen der
Städte vollzog. Eine fernere Gruppe bilden nun endlich die Städte
des füdlichen Schwabens, d. h. die Bodenfeeftädte nebſt St. Gallen
und Zürih. In welche Zeit die erfte Verbindung derfelben zurück⸗
geht, läßt fich nicht genau fagen, ein feſtes Zufammenhalten der drei
Städte Zürich, St. Gallen und Conftanz ift uns ſchon für die Zeit
ummittelbar nad) dem Tode König Rudolfs, diefelbe, in welcher der
Bund der drei Länder gegründet wurde, bezeugt; wir wilfen von
ihnen, daß fie eifrigen Antheil nahmen an dem Kriege, der fid) da-
mals in den dortigen Gegenden zur Bekämpfung der Uebermacht des
Hanfes Habsburg erhob , Der Bund hingegen, der fich im J. 1298
gegen den Grafen Albrecht von Hohenberg, den Anhänger Herzog
Albrechts, zu Gunften König Adolfs bildete und denfelben mit glüds
lihem Erfolge befämpfte, mag wohl großentheil® aus niederfchwäbi-
fchen Städten bejtanden haben . Sonſt befommen wir von diefen,
was Berbindungen unter einander betrifft, in diefer Zeit noch wenig
zu hören, aud) finden wir, daß die füdfchwäbifchen Städte, indem
fie ſich nach Bundesgenofien umfehen, ihre Blicke nicht nach dem in-
nern Schwaben, fondern nad) dem Rhein und den Alpen bin richten.
Den 20. Mai 1327 fchließen Conftanz, Zürich, Lindau, Ueberlingen
und St. Gallen mit den mittelrheinifchen Städten Worms, Mainz,
Speier, den oberrheinifchen Straßburg, Bafel, Freiburg, der Stadt
Bern und dem Grafen Eberhard von Kyburg ein Bündniß, das bie
zum 23. April 1329 dauern ſoll, und den 5. Juni treten demfel-
ben die Landleute von Uri, Schwyz und Unterwalden bei. Später
verlängern dann bie fchwäbifchen Städte, deren Zahl durch Ravens⸗
burg vermehrt erfcheint, und Bern das Bündniß um drei Jahre,
ı Gtälin IH, 77. |
2 Chronicon Colmariense, bei Böhmer, Fontes U, 85.
13
und biejer Verlängerung fchließen fich den 14. Januar 1329 auch
die drei Ränder, der Graf vou Kyburg, Bifchof Rudolf von Eonjtanz
und deſſen Bruder, Graf Ulrih von Montfort, an, während den
16. Den deffelben Jahres die Städte ohne die drei Ränder und
ihr Bündnig mit Straßburg, Baſel und Freiburg
bis um 23. April 1331 verlängern. So haben nun allerdings die
fhwäbifchen Städte von dem Verfuche abftehen müſſen, der uns in
den Bünbdniffen von 1327 -entgegentritt, eine ganze Anzahl fehon be»
ftehender kleinerer Bündniffe zu einem größeren Ganzen zu vereinigen ;
die Verbindung mit den entfernten mittelrheinifchen Städten fcheint
ganz aufgegeben worden zu fein, die oberrheinifchen und die drei
Laͤnder treten nicht mehr in unmittelbare Berührung. Doc, hätte
die Stellung, welche jegt die ſchwäbiſchen Städte und Bern einnah-
men, indem fie nad) der einen Seite mit den Ländern im Gebirge,
nach der andern mit den Städten am heine verbindet waren, die
wichtigften Folgen haben künnen, wenn das Verhältniß länger ge-
dauert hätte; ben drei Ländern, welde damals noch für ſich allein
ftanden , war ein enger Anfchluß an einen Städtebund,, deſſen Glie-
der Züri und Bern waren, ein Gebot ber Nothwendigteit; auch
für Straßburg, Baſel und Freiburg bot dieſer den ſicherſten Rück⸗
halt, und fo hätte nach umd nad, eine innige Vereinigung aller drei
Parteien nicht ausbleiben können. Allein noch ehe die drei Jahre
vorüber waren, auf welche die Städte ihr Bündniß erftredt hatten,
wurden fie in einen großen Bund der Städte ganz Schwabens hin-
eingezogen, der ihre Aufmerkfamfeit vom Weften und Süden weg
nach dem Norden hinlenkte '. Im %. 1330 Hatte ſich Kaifer Lud⸗
wig mit Deftreich verföhnt und wurde nun allgemein anerkannt. Die
Reichsitände, die es bis dahin mit jenem gehalten hatten, und dar=
unter waren aud) mandje rheinifche und ſchwäbiſche Städte, Huldig-
ten ihm jest. Allein durch fein Verhältniß zum Pabfte blieb er fort-
während in einer peinlichen Stellung, in der er ganz befonders einer
zuverläßigen Stüße feiner Macht bedurfte; mit richtigem Blicke er-
fannte er, daß er diefe nirgends beſſer finde al8 in den Städten,
und fuchte jich durch vielfache Begünjtigungen ihre Anhänglichkeit zu
erwerben. Wenn man es ihm aud) mit echt als großen Fehler
en fann, daß er in Geldverlegenheiten fehr oft zur Verpfän⸗
dung von Reichsſtädten fchritt und dadurd die Selbitändigfeit derfel-
ben den Fürften preisgab,, fo hat er doch diejenigen, die er beim
Reiche behielt, in ihren Freiheiten nicht verkürzt, fondern auf alle
mögliche Weife gefördert und mit der nöthigen Macht auszurüjten
geſucht, daß fie den Fürſten gegenüber fich zu halten vermöchten.
Eine befondere Aufmerkfamteit ſchenkte er den feinen Erblanden be-
2 Indem fie die biöherigen Gombinationen ganz aufgaben, fchloffen im
J. 1333 die Städte Zürich, Conſtanz, St. Gallen nebit Bafel, Bern und
Solothurn ein Bündniß auf 5 Jahre mit den vorberöfterreihifchen Landvög⸗
ten, ben Gegnern ber Nöwweigerifgen Fidgenoffen, mit welchen fie früher ver:
kündet geweien. Beg. 1
H
14
nachbarten Städten Schwabens, die er im J. 1331 in ein großes
Bündnig zum Schuge feines Haufes vereinigte. Zweiundzwanzig
berfelben, Augsburg, Ulm, Biberach, Diemmingen, Kempten, Kauf
beuren, Ravensburg, Pfullendorf, Ueberlingen, Lindau, Conftanz, St.
Gallen, Zürich, Reutlingen, Rotweil, Weil, Heilbronn, Wimpfen,
Weinsberg, Hall, Eßlingen und Gmünd vereinigten fich den 20. Nov.
1331 mit den Söhnen des Naifers, dem Markgrafen Ludwig von
Brandenburg und den Herzogen Stephan und Yudwig dem jungen,
ihrem Lande Oberbaiern und dem Biſchof Ulrih von Augsburg.
Das Bindniß follte zwei Jahre über den Tod des Kaiſers hinaus
dauern und namentlic) auch ein feſtes Zufammenhalten der Verbün⸗
beten im Falle des Eintretens einer zwiejpältigen Kaiferwahl bewir-
fen. Außerdem verpflichtete man fi) zu gegenfeitigem Beiltande ges
gen alle widerrechtlichen Angriffe. Zu gemeinfamen Berathungen,
die in der Regel in Ulm jtattfinden follten, hatte nach) Anordnung
des Bündniffes Augsburg zwei, die andern Orte je einen Vertreter
zu fchiden. Die Herzoge von Baiern jandten, im alle fie nicht
felbjt anmwefend waren, zwei aus ihrem Nathe, außerdem ordneten fie
ihren Hauptmann in Baiern dorthin ab. Der Biſchof von Augs-
burg gab Einen Abgeordneten. Die Städte theilten fich in drei Ge-
jellfchaften, von denen jede das Recht hatte, Herren und Reichsdienſt⸗
leute in das Bündniß aufzunehmen, dod) fo, daß diefe Feine Vertre⸗
ter zu den Berathungen ſchicken follten. Bei foldden Aufnahmen
mußte die Gefellfchaft der Städte um Augsburg den Rath der Her-
zoge und des Biſchofs einholen, die beiden andern Gefellichaften (der
Städte jenfeits der Alb und der Städte um Conjtanz) waren von
diefer Verpflichtung frei.
Es ift diefes Bündniß das erfte, welches die Städte ganz
Schwabens umfaßt, und die Bedeutung, welche e8 ihnen verleiht, ift
eine fehr große. ‘Die ganze Einrichtung des Bündniſſes iſt der Art,
daß die Städte gewiljermaßen einen befondern engeren Verein in-
mitten deſſelben bilden; durch den Schlußartifel werden fie förmlich
als ein ſolcher conjtituirt. In demfelben verfpricht der Kaifer, fo
lange da8 Bündniß währe, feine der vorgenannten Städte zu trens
nen, noch zu verfümmern, fondern fie bei allen ihren Rechten zu er-
halten. Wenn fie aber Jemand ihrer Rechte berauben wollte, fagt
er, „jo iſt unjer Gebot und Wille, daß fie einander beholfen feien
gegen allermänniglic), außer gegen uns allein“. Damit war ausge-
ſprochen, daß fie das Recht hätten, fo oft es ihnen gut dünfe, für
fi zufammenzufommen und die Dlaßregeln zu ergreifen, die zur
Aufrechthaltung ihrer Rechte, zur Vertheidigung ihrer Freiheiten bie
geeignetften ſchienen. Solche Zugeftändniffe machte Ludwig den
Städten, damit fie um fo geneigter jeien, wicht nur für ihn ale
Kaifer, fondern auch für das bairifche Haus mit Gut und Blut einzu=
jtehen, und er hat auch erreicht, dag fie ihm bis zu feinem Tode un⸗
verbrüchliche Treue gehalten haben. Durd) das Bündnig wuchs ihr
Anjehn und es wurde jenes den fchwäbifchen Herren mehr und mehr
15
ein Gegenftand des Schreckens und des Hafjes!. Befonderes Auffehen
erregte die Zerftörung der Kaubburgen Erenz und Stoßingen im Frühe
Ing 1340. Um die Kluft zwifchen Herren und Städten, die ſich im⸗
mer mehr zu erweitern drohte, fo viel als möglich zu fchliegen, änderte
der Kaiſer durch einen zu Nördlingen im Juni defjelben Jahres erlafjenen
Prief das Bündniß von 1331 um, indem er mit den 22 fchwäbifchen
Reichsſtädten, feinen Söhnen und dem Biſchof von Augsburg jegt
noch die Grafen von Wirteniberg, vou Oettingen, von Hohenberg,
von Werdenberg, und andere Herren verbiindete, und neun Männer
ernannte, welche über Die gegenfeitig zu leijtende Hilfe entjcheiden
ſollten. Die ganze Verbindung befam mehr den Charakter eines Land⸗
jridens und wurde auch als folcher bezeichnet, mährend die von
1331 immer nur Bündniß geheigen hatte. Zum Hauptmann der
Zerbündeten bejtimmte der König den Herzog Stephan. Ein ganz
ähnliches Bündniß brachte er damals auch in Franken zu Stande 2.
Die Gefahr, dag Schwaben fich in zwei feindliche Heerlager theile,
war jett vorerjt befeitigt, Herren umd Städte waren zu Cinem
Bäündniſſe vereinigt, aber eine befonders enge Verbindung erwuchs
darans nicht. Die Städte fahren fort, für jich ein befonderes Gan⸗
‚es zu bilden, das ſich bisweilen mit dem König und deffen Söhnen
zu gemeinfamen Unternehmungen vereinigt, nachdem die Neune ges
ſprochen und die beiden Theile fich des weitern verjtändigt haben 3.
Damit die Neune den Städten gegenüber ſich nicht etwa Webergriffe
erlauben, thut ihnen der Kaifer fund, er habe den „im Bündniß zu
Schwaben“ befindlichen Reichsftädten die Gnade gethan, daß fie nur
um Rahm, Raub, Brand und unrechtes Widerfagen vor den Land⸗
frieden geladen werden fünnten, um alle andern Sachen dagegen in
ihren Städten felbft richten dürften und follten +. — Nad) dem Tode
des Kaifers, der am 11. Oct. 1347 erfolgt, fällt denn aud) das
weitere Bündniß fofort auseinander, die Städte dagegen oder wenig⸗
ftens die Mehrzahl unter ihnen halten fejt zufammen. In dem neuen,
den 22. et. abgefchlojfenen Bündniſſe fehlen von den 22 des früs-
bern die drei Städte Conftanz, Zürich und St. Gallen, die wieder
ein bejonderes Vündniß für fich eingehen, in welches fie auch die an
Teftreich verpfündete Reichsftadt Schaffhaufen aufnehmen (den 27. Oct.
1347), ferner Kempten ; dagegen treten neu hinzu Nördlingen, Yeut-
ich, Wangen und Buchhorn. Der Bundbrief fchließt fich im Gans
sm dem von 1331 an. Wenn fehon in dieſem der Kaiſer den Städten
namentlich erlaubt hatte, fich gemeinfchaftlic) zu vertheidigen gegen
Alle, die fie von ihren Rechten, Freiheiten und Gewohnheiten drin-
gen wollten, jo fanden fie es nöthig, jett, wo fie noch nicht wuß⸗
ten, weß fie fi) von dem neuen Könige zu verfehn haben wirden,
diefen Satz befonders zu betonen. „Wäre and), fo heißt es am Schluſſe,
da der Städte irgendeine, die in diefer Bündniß find oder nod)
darein kommen, irgend ein König am Weiche verſetzen oder verfiim-
ı Joh. Vitoduranus, ©. 156 ber Ausg. von ©, v. Wyß.
2 Reg. Boica VII, 283. 3 Reg. 25. + Reg. 26.
17
Es iſt natürlich, daß K. Karl an dieſer ſtolzen Haltung der
Städte fein Gefallen fand; er hatte fie anerkennen müſſen, um in den
ſichern Beſitz des Thrones zu gelangen; nachdem er ſich aber. auf
dieſem feſtgeſetzt hatte, befchloß er, Feine ſolche eigenmächtigen VBerbin-
dungen mehr zu dulden. Sie ohne weiteres aufzulöjen, war nicht
möglich, er mußte den Städten, wenn fie dieſe Schugbündniffe auf-
geben follten, an deren Stelle etwas anderes bieten, und dies glaubte
er zu finden, indem er fie unter feiner Leitung in Landfriedensbünd-
niffe vereinigte. _ Stäbtebündniffe, durch Faiferliche Autorität zum
Schutze des Landfriedens errichtet, waren in Schwaben jeit König
Albrecht mehrfach, vorgefommen !. Zwiſchen Schugblindnijfen aber,
welche die einzelnen Reichsſtände eingiengen, um ihre Freiheiten und
isre fpeciellen Intereſſen gemeinfam zu fördern und zu vertheidigen,
dergleichen die zulett befchriebenen Vereinigungen der fchwäbifchen
Etüdte waren, und Bündniſſen, welche zur Handhabung des durch
faiferlide Machtvollkommenheit angeordneten Yandfriedens, zur Durch⸗
führung gemeinſchaftlicher Maßregeln gegen die Störer defjelben, zur
Peitrafung von Mord, Raub, Brand und unrechtem Widerfagen
aruhtet wurden, war ein großer Unterfchied. Jene munterten die
Stände zu einem felbitändigen Auftreten und je nad) Umftänden zu
Biderfetlichkeit dem Kaifer gegenüber auf und mußten zu einer Aufs
fung des NReichsorganismus führen, diefe dagegen ergänzten und
anteritiitsten die faiferliche Strafgewalt. Ein Kaiſer, der, wie Lud⸗
wig, mit ganz außerordentlichen Schwierigkeiten zu kämpfen hatte,
auch zu außerordentlichen Mitteln greifen und, um an den
Städten eine feite Stütze zu haben, ihnen eine Selbftändigfeit geben,
welche über die, Unterthanen gebührende, Stellung hinausgieng, in
gwöhnlichen Zeiten durfte diefelbe nicht geduldet werden. Das er-
tannte Karl gar wohl, und er hat auch den Grundfag, daß feine an=
dern als Landfriedensbiindniffe innerhalb des Reiches durften errichtet
werden, in der goldenen Bulle zum Reichsgefege erhoben. Die Aufe
(jung ber bisherigen Verbindungen unter den fchwäbifchen Städten
mad die Bereinigung der lettern in ein Landfriedensbündniß vollzog
er auf einem Neichstage zu Nürnberg iin %. 1350 ?. Es wurde
des Bündniß in den Jahren 1352 8, 1353 * und 1356 erneuert.
1 ©. Reg. 1. 6. 7. 12.
2 1350. mense Maji rex Rom. Karolus in oppido Nurenberg festum
puthecostes peregit, ibique conjurationem civitatum Suevie dissolvit, man-
dens et volens, ut nobiles et civitates se mutuo defenderent et juvarent con-
tieie invasores. Heinr. a Diessenhoven, kei Stälin III, 251.
5 Graf Albrecht von Dettingen, der ben frühern Lanbfrieden zu Nürn—
berg befchworen hatte, tritt am 13. Dec. 1352 der Verlängerung befielben
ki. Reg. 35. Der Ausdrud „jüngſt“ von einer Begebenbeit gebraucht, die
ser mehreren Jahren ftattgefunden, darf nicht befremden. S. die folgende Anm.
% Heinr. Rebdorf, bei Freher, scriptores rer. Germ. I, 639. Alb.
Agentinensis,, bei Urstisius, German. hist. II, 159. — Auf bdiefen in
Um (Stälin IU, 251 Anm. 5) aufgerihteten Landfrieden beziehen fich bie
Bräbte, wenn fie im Bündnißbriefe v. 1356 fagen: „Wann der Landfrib,
ir unfer gnediger Herre Kayfer Carol von Rome nun nechſt ze Ulme ge-
IL 2
18
Aus dem fetten Jahre ift uns die Fündnigurkunde erhalten. Sie bat
viel ichkeit mit den Bimdniffen von 1347 ımd 1349. Die Ein-
theifung in Gefellfchaften, die Bumdesverfammlungen, die regelmäßi-
gen Zujammenfünfte zweimal im Jahre, alles erimmert Iebhaft an
jene; wir fehen, daß Karl mit großer Sorgfalt zu Werke gieng, um
den Städten den Unterjcjied diefer neuen Bündniffe von den alten
weniger fühlbar zu machen. Auch gewährte er ihnen innerhalb der
Grenzen, die er zu ſtecken für gut fand, einen möglichſt freien Spiel⸗
raum, namentlich), wenn er ihre Hilfe zu feinen Sweden brauchen
fonnte. Dieß war befonders der Fall, als es galt, den Anmaßun⸗
gen und den hochfliegenden Plänen feines Schwiegerfohnes, bes Her⸗
zogs Rudolf von Defterreidh, entgegenzutreten. Diefer Fürſt, der
durch Annahme pruntender Titel fowie kaiſerlicher und königlicher
Zierdben den Kaifer verlette, auch Anfprüce auf Böhmen und be-
nachbarte Landfchaften laut werden ließ, fchloß den 26. Sept. 1359
ein Bündniß mit den wirtembergifchen Grafen Eberhard und Ulrich
ab, in welchem diefe unter anderm verfpraden, wenn er einft zum
König follte erwählt werden, ihm zu Helfen, wofür er ihnen das
Gleiche zufagte!'. Schr gelegen kamen nun dem Kaifer die Hagen,
welche die fchwäbifchen Städte gegen mannigfache Uebergriffe der Gra-
fen erhoben. Als Graf Eberhard im Sommer 1360 auf den Reichs⸗
tag zu Nürnberg vorgeladen nicht erjchien, beſchloß Karl den Krieg
gegen ihn; unter großer Theilnahme der Städte wurde er begonnen,
und bald war Eberhard in Schorndorf von einem zahlreichen Bela»
gerungsheere eingefchloffen. Allein ftatt den Krieg bis zu einer gänz-
lichen Demüthigung des Gegners fortzuführen, wie die Stäbte wohl
mochten gewünfcht haben, nahm ihn jest der Kaifer, als er fich zum
Nachgeben bereit zeigte, unter fehr milden Bedingungen zu Gnabden
auf, und bald finden wir die Grafen wieder in ber engiten Verbin⸗
dung mit ihm. Die Hauptfache war, daß fie dem Bündniß mit
Herzog Rudolf entfagten, woburd e8 dem SKaifer möglich wurde,
biefen wieder in die gebührenden Schranken zurückzuweiſen. Während
ber Seit der Gefahr hatte fich die Verbindung der Stäbte mancher
Gunſtbezeugung von Seiten des Kaifers zu erfreuen gehabt, er Hatte
ihnen im Yan. 1359, wahrfcheinlich bei Gelegenheit einer Erneuerung
bes Yandfriedens die Zuficherung ertheilt, daß fie für alle Thaten,
bie fie von des Reiches und des Landfriedens wegen unter des Reiches
ahnen und Bannier vollführen wilrden, nirgends follten zur Ver⸗
antwortung ftehen als vor ihm und dem Reiche und dem Faiferlichen
Hofe. Ein ähnliches Verjprechen gab er ihnen den 22. Juli 1860,
als er ſich rüftete, gegen Wirtemberg auszuziehen. — Seit dem Juni
bot und fazt, nun uf ben negften Sant Martind Tag ußgat“ u. f. f., fo
felen fie übereinfommen „ben Frid, den der obant. unfer gnediger Herre Kai: '
fer Karl num jüngft gemadt hat, mit allen Studen, Bünden und Artifeln
nun für fi bin ungevorli war und ftet halten und han wellen, ala berfelb
Irid vormalz ift gemacht“ u. f. f.
ı Stälin III, 262 ff.
19
1359 war übrigens ihr Bündniß anders organifirt; 29 Städte und
einige Herren, Biſchof Markward von Augsburg, die beiden Grafen
Kudwig von Dettingen und die beiden Grafen Ulrich von Helfenftein,
waren zufammengetreten bis zum 11. Nov. 1361. Elf Männer,
fünf von den Städten, fünf von den Herren und einer vom Kaifer
ernannt , bildeten die Behörde, welche an ber Spite des Bündniſſes
find. Es follte dajjelbe bis zum 11. Nov. 1361 dauern; wie es
nad) feinem Ablaufe gehalten wurde, ift nicht befannt; erft aus dem
%. 1370 haben wir wieder Nachricht von Auffegung eines Landfrie⸗
dens, der am 6. December auf DVeranftaltung des Taijerlichen Haupt-
manns in Baiern, Boreſch von Riefenburg, zu Stande fam. Er
ſchließt ſich wieder mehr an jene frühern an, jedoch mit der befon-
dern Zuthat, daß die 30 Städte, die ihn abfchliegen, in der Berfon
bes Grafen Ulrich des ältern von Helfenftein einen Hauptmann er-
halten. Der Beitritt weiterer Herren wird al& möglich vorausgefegt.
Diefe und die Städte gruppiren ſich nicht, wie bei den frühern, in
drei, fondern in zwei ©efellfchaften oder Reviere, wie fie hier heißen.
Wer irgend etwas vor den Yandfrieden bringen will, wendet fid) an
ben Hauptmann , und diefer mahnt in Sachen, welche die Herren
und Städte unterhalb der Alb betreffen, diefelben nad) Eßlingen, und
diefe, Herren fowohl als Städte, ſchicken Boten aus ihren Räthen
dorthin; betreffen fie diejenigen oberhalb der Alb oder gehen fie beide
Keviere an, fo mahnt er nad) Ulm. Außerdem finden alle Jahre
zweimal am St. Gallen- und am St. Walpurgtage in Ulm regel-
mäßige Zuſammenkünfte Statt. Dauern foll der Landfriede bis zum
23. April 1375. Er war gewiß recht zweckmäßig und für die Städte
vortbeilhaft eingerichtet, erregte aber dadurch die Erbitterung der ftädte-
feindlichen Herren. Am 6. Januar 1372 famen viele Edelleute und
Kitter in Weißenhorn zufammen und verbanden ſich wider Jeder⸗
mann, ausgenommen wider ben römifchen Kaifer, Baiern und Wir:
temberg. Mußte die fchon die Städte beumruhigen, fo geriethen fie
vollends in Aufruhr, als im Februar der Graf von Helfenftein bei
feinem Heimritt vom Hoflager des Pfalzgrafen Ruprecht durch einige
Edelleute überfallen und gefangen genommen wurde. Allgemein fah
man den Grafen Eberhard von Wirtemberg als den Anftifter dieſes
Friedensbruches an. Ob die Befchuldigung begründet war oder nicht,
iſt fchwer zu fagen ', in jedem Fall aber ward Graf Eberhard der
Greiner, der feit dem Tode feines Bruders Ulrih, 1366, die Re
gerung in Wirtemberg allein führte, die Seele aller jtädtefeindlichen
Beftrebungen.. Daß gerade eine Perfönfichkeit wie er damals den
Etäbten gegenüberftand, ift für den endlichen Ausgang des großen
Kampfes zwifchen diefen und den Herren, der die zwei nächſten Jahr:
zehnte ausfüllt, von den wichtigften Folgen gewefen. Wenn wir an
2 Graf Johann von Helfenftein, ber Sohn Ulrichs, gab am 22, Aug.
1375, zu Urach, Brief und Siegel, „daß er wiber den Grafen Eberhard nichts
edet babe, das wider beffen Ehre wäre, von wegen bed Gefängnifjes und
es Todes ſeines feligen Vaters‘. Stälin II, 309 Anm. 1. Sattler 143.
2%
20
den Wirtembergifchen Grafen im Allgemeinen die Zähigfeit und Aus»
dauer bewundern müſſen, mit welcher fie auch durch die gefährlid;
ften Zeiten hindurd) ihr Haus von Heinen Anfängen zu größter Be-
deutung emporbrachten, während rings um fie her die angefehenjten
Gefchlechter zu Grunde giengen und ein Stüd Yandes nach dem an⸗
dern verlaufen mußten, fo treten uns biefe Cigenfchaften am Grafen
Eberhard in befonders auffallendem Grade entgegen. Er war von
großer perfönlicher Tapferkeit, dabei aber Hug und liftig und felbit
in den fchlimmften Augenblidlen von feiner Geiltesgegenwart nicht
verlaffen. So trogig und hochfahrend er fonft war, fo wußte er ſich
doch zur rechten Zeit nachgiebig zu zeigen. Wegen feines zugreifen-
den zanffüchtigen Wefens war er bei Städten und Fürſten gleicher:
weife verhaßt, aber die legtern fahen in ihm den Fräftigiten Verthei⸗
diger ihrer Intereſſen den Städten gegenüber und fchloffen ſich ihm
willig an, wenn es den Kampf gegen diefe galt !.
Als die Gefangenschaft des Grafen von Helfenftein befannt ge-
worden war, rüfteten fi) die Städte zur Rache. In der Oſterwoche,
Ende Merz, griffen fie zu den Waffen, um ihn zu befriegen. Allein,
als er die Kunde vernahm, ſammelte er rajch ein Heer und rückte ihnen
entgegen. Er traf den 7. April 1372 die ftädtifchen Truppen bei Altheim
auf der Alb, fünf Stunden nördlid) von Ulm. Bevor die Augsburger,
durch die ausgetretene Donau aufgehalten, bei denfelben eintreffen
fonnten, war er herrangerüdt und erfocht einen vollftändigen Sieg.
(Segen 250 der Städter blieben auf dem Kampfplag, unter ihnen
der Hauptmanıt, enrid Beilerer von Ulm. Sehr Viele wurden
auch gefangen ?. iefe Niederlage rief in den Städten große Ent»
muthigung hervor. In Ulm war die Stimmung des Volkes fo, daß
man einen Auflauf befürchtete und Viele aus der Stadt wanderten,
um wicht die Striegsfoften mitbezahlen zu müffen 3. Das Legtere kön⸗
nen wir uns wohl erklären, wenn wir vernehmen, daß die Augsbur-
ner 3. B. dem Grafen 4000 fl. entrichteten, damit er nicht in ihr
(Hebiet einriide +. Der Graf von Helfenftein aber warb in feiner
Sefangenfhaft am Morgen des 5. Mai mit abgefchnittenem Halſe
an feinen Bette gefunden.
Das Betragen des Kaiſers nach diefer fchändlichen Ermordung
feines Yandfriedens- Hauptmanns und der Niederlage der auf feine Ver⸗
anlaffung Hin zufammengetretenen Städte war nun durdaus nicht fo,
wie es ſich bei der Stellung die er cinnahm gebührt hätte. Er brachte
zwar eine Ausföhnung des Grafen von Wirtemmberg mit den Städten
zu Stande, fie mag aber für die Tegtern nachtheilig genug ausgefallen
fein; in jedem alle ſchämte er fich nicht, ihr Unglück auf die ges
ı &o berichtet Alb. Argentinensis 153 aus ben erflen Regierungsjahren
K. Karla: multi episcopi et comites, qui Eberhardum de Wirtenberg habere
vredebantur oxosum, propter ejus virtutes et quia malam timuerunt conse-
quentiam, si adversus illum oppida praevalerant, se mutuo colligarunt etc.
° Die Quellen über diefen Krieg f. bei Stälin III, 308 Anm. 4.
® Rog. 67. + Raul v. Stetten, Geſch. v. Augsburg I, 118,
21
meinfte Weife auszubeuten, indem er im folgenden Jahre, als er mit
der Erwerbung der Dear! Brandenburg befchäftigt war, die fchwerften
Geldſummen von ihnen erpreßte ', was bei der Erſchöpfung, in welche
fie der Krieg gebracht hatte, doppelt drüdend für fie war. Syn
Angsburg, deifen Schakung nad) dringenden Bitten von 45000 auf
37000 fl. gemildert wurde, konnte man das Geld kaum auftreiben,
obgleich die Neichen ihr Silbergefchirr hergaben; man mußte bie
Pflegegüter der Watjen angreifen, doppelte Steuern eintreiben, Leib⸗
renten verlaufen und alle Waaren mit einem neuen Ungelde belajten ?.
Im gleichen Fahre verpfändete er die Städte Donauwörth, Dinkels⸗
bübl und Bopfingen, die er fo eben noch als Reichsſtädte beichatt
hatte, an 09 Dtto von Baiern ®.
Die Taiferlichen Landfrieden hatten ſich den Städten als unge-
nügende Einrichtungen erwiefen, und doppelt ungenügend mußten fie
jegt ericheinen, als die größten Gefahren gerade von Seiten des
Kaiſers felbft herkamen. Ein feites felbjtändiges Zufammenhalten
wurde mehr al8 je zur dringenden Nothwendigkeit. Wir finden num
auch, wie fie gerade in diefer Zeit ber tiefften Demüthigung fich aufs
Rene aufraffen und eine Verbindung fchließen, die fie bald zu einer
nie geahnten Macht emporhebt.
? Reg. 74 fi. Vergünftigungen, die er einigen gewährte, um die Beſcha⸗
tung etwas weniger brüdend zu madhen, f. Reg. 70 ff. — Am flarften drüdt
ab über das Verfahren Karls ein gleichzeitiger Bericht von 1373 bei Riedel,
Cod. dipl. Brandenb. IIC, ©. 2, aus, auf den mich Herr Oberftubient. v. Stäs
Iin aufmerffam gemacht hat. Dort heißt ed, er habe zum Anlauf der Mark
Srandenburg ald Haupitheil der Summe gegeben quasi ducenta milia flore-
Sorum, quam summam quedam civitates imperii in Suevia in emendam ejus,
quod alis in gwerris imperialibus adversus Bavaros operam et eflicaciam
debitas, ut tenebantur, non dederant, vel aliter, persolverunt.
2 Baul v. Stetten 1, 120 ff. 8 Reg. 80. 31.
I.
Gründung des Bundes umd Beielfigung defielben burd
den glüdlichen Krieg gegen Wirtemberg.
Am 10. Zuni 1376 fand in Frankfurt die Wahl Wenzels zum
römifchen Könige Statt, nachdem, wie man allgemein wußte, fein
Bater die Stimmen der Fürften mit ſchwerem Gelde erfauft hatte.
Diefe Thatfache war geeignet, bei den fchwäbifchen Neicheftädten bie
größte Bejorgniß hervorzurufen. Nach Allem, was vorhergegangen,
mußte ihnen die Befürchtung nahe liegen, er werbe für die Sum⸗
men durch welche er die Fürjten und Landesherren zur Anerfennung
Wenzels bewog zur Verpfändung einzelner Städte fchreiten, und in
der That wurde bereits am 27. Juni Donauwörth, das mit Din
felsbühl und Bopfingen erft kürzlich aus bairifhem Pfandbefig ans
Reich zurückgekommen war, aufs Neue an die Herzoge Otto, Ste
phan und Friedrich verpfündet. Es Tieß fich erwarten, daß diefer
Verpfändung bald andere nachfolgen würden. Wollten die Städte
denfelben Einhalt thun, fo war feine Zeit zu verlieren, fie mußten
augenblidlih in ein Bündniß zufanmentreten und gemeinfam aflen
Eingriffen in die Rechte und Freiheiten eines jeden Einzelnen wiber-
ftehen. Es gehörte Muth dazu, im gegenwärtigen Augenblid ben
Schritt zu wagen und dem Kaifer und den Fürften die Spitze zu
bieten. Die Anregung dazu gieng von Ulm aus, ein weifer Bürger-
meifter dafelbjt, beißt e8, habe den Rath gegeben ', und ſchon am
4. Yuli vereinigten fich die 14 Städte Ulm, Conftanz, Ueberlingen,
Ravenfpurg , Lindau, St. Gallen, Wangen, Buhhorn, Reutlingen,
Rotweil, Memmingen, Biberach, Isny und Leutkirch zu einem Bund⸗
niffe, das bis zum 23. April 1380 dauern follte, unter folgenden
Beitimmungen:
1. Wenn irgend ein Herr, Ritter oder Knecht oder eine Ge
fellfchaft, oder wer es fonit wäre, die verbündeten Städte alle zu«
fammen ober eine oder mehrere an ihren Rechten, Freiheiten, Brie-
fen und guten Gewohnheiten, bie fie von Königen oder von Kaifern
haben, befümmern, angreifen oder drängen wollte, e8 wäre mit Scha⸗
I Detmar, Lübed. Ehronif, Ausg. v. Grautoff I, 309.
— ⸗
23
ug, mit Ver ſetzen oder mit andern Sachen, fo leiften die ſämmt⸗
in Städte einander Hilfe, gleich als ob die Sache ihnen allen ge
Kein ſei. Niemand wird ausgenommen, gegen die man nicht hel-
a ſoll; bloß verpflichten fie ſich, dem heil. Reiche fein Recht zu
fa und zu Halten.
2. Ergeht irgend eine Mahnung vom Kaifer, vom Könige oder
w jemand wor ihretwegen an bie Städte, fo darf feine Stadt
az antworten oder ihren Vortheil fuchen, fondern alle follen zu-
muen berufert werden, und nad) dem, was die Mehrheit erfennt,
wdie Antwort ertheilt. Würde aber irgend eine Stadt darüber
axgriffen, fo werfen fid die ſämmtlichen Städte auf die Herren
x deren Diener welde den Angriff machen wollen, um bdenfelben
wenden. Umd wollte ein Diener der betreffenden Herren ftilfe
ka, den joll mar dennod angreifen, es wäre denn, daß er ſchwö⸗
mm Briefe Darüber geben wollte, daß er binnen 4 Jahren nichts
na die Städte unternehmen werde.
3. Wenn ein Ritter oder Knecht Einen beherbergt oder befü-
fit, der den Städten Schaden zufügt, ober es vermehren will, daß
ia leztern Koſt zugeführt werde, fo foll auch er angegriffen ober
gihädigt werden.
4 Wird eine der Stäbte angegriffen von der vorgenannten
Iırtlel wegen, und der, welder den Schaden gethan hat, ift fo gefef-
im, da Die beſchädigte Stadt glaubt, mit Erfolg einen Angriff gegen
ia mternehmen zu fönnen, ſich aber zu ſchwach findet um es allein
atlım, Jo Tann fie von den nächſten Städten fo viele als fie nö«
tig findet zu Hilfe mahnen. Iſt aber der Feind fo geſeſſen, daß
der Angriff beffer von einer andern Stadt ausgeht, fo hat dieſe auf
Anfuhen der befchädigten denfelben zu unternehmen, und Tann dann
ad ihre Nachbarn auffordern, ihr behüfflich zu fein.
5. Wird eine Stadt belagert oder font bedrängt, fo mahnt fie
die nächften drei Städte, daß ihr diefe ohne Verzug au Hilfe kommen
mit ihren Leuten, mit ihrem Zeug, mit Koft und anderem, und ges
nügt das nicht, fo werden auch von den übrigen wieder die nächften
gemahnt. Die Koften der Unternehmung aber tragen die verbindeten
Städte gemeinfam und berichtigen fie binnen zwei Monaten fo, daß
die Verteilung derfelben auf die einzeluen Städte nach dem Verhält-
niß der Reichſſteuer, welche eine jede bezahlt, zu gefchehen hat.
6. Wunſchen andere Städte, Herren, Ritter oder Knechte ber -
Berbindung beizutreten, fo mögen fie e8 bringen an welche Stadt
fie wollen; diefe mahnt, wenn fie es für gut findet, die Städte darum
sufammen, und was dann die Mehrheit über die Aufnahme entſchei⸗
det, dabei bleibt es.
7. Wird Yemand angegriffen einer Sache wegen, welche diefe
Berbindung betrifft, jo helfen ihm die Uebrigen bis zum Austrage
berfelben auch über die Zeit der Verbindung hinaus,
8. Die aufgefeiten Artilel können gebejjert werden nad Er»
24
fenntnig der Mehrheit, gemindert jedoch nur, wenn Alle einhellig
übereinftimmen.
9. Alle Mahnungen (d. h. alle, welche die gefammten Städte
betreffen) gefchehen gen Biberach, e8 wäre denn, daß die Städte ei-
ner andern gelegenen Stadt zu Rathe würden.
10. Zu den gemeinfamen Berathungen fchiden die von Ulm
und die von Conſtanz je zwei, die Übrigen Städte je einen Botfchafe
ter aus ihren Räthen.
11. Als Strafe für das Nichtbefchiden der Verſammlungen,
ohne daß wirkliche Noth gehindert hat, zahlt eine Stadt 20 Gulden;
ausgenommen find St. Gallen, Isny, Leutkirch, Wangen, Buchhorn,
die nur je 10 Gulden zahlen.
12. Wird eine Stadt des Uebertretens ber vorftehenden Artikel
durch die Erfenntniß der Mehrheit überwiefen, fo zahlt fie von je
100 Pfunden ihrer gewöhnlichen Steuer 200 Pfund Strafe, e8 wäre
denn, daß fie eidlid) verficherte, daß wirkliche Noth fie gehindert.
13. Die Verbindung foll dauern bis St. Georgen Tag über
3 Yahre, es wäre denn, daß ein Bund und Landfriede aufgerichtet
würde, für deffen Annahme ſich wenigitens zwei Drittel der Verbüns
deten erklärten.
Betrachten wir dieß Bündniß genau, fo finden wir, daß es, ent»
fprungen aus dem Bemußtfein einer unmittelbar drohenden Seſa
nur zur Abwendung dieſer gegründet worden iſt. Während es z. B.
im Bündniſſe von 1347 ganz allgemein heißt: „Wir ſind auch ge⸗
meinlich übereingekommen, um alle Kriege und Stöße, die uns gemein⸗
lich oder jegliche Stadt beſonders anfallen, welches Wegs uns die
ankommen, daß wir alle gemeinlich mit Leib und mit Gut einander
beholfen ſollen fein, fofern wir fünnen und mögen, ohne Gefährde“,
und weiterhin: „Wäre aud), daß der Städte eine, bie in diefer Bünd⸗
niß find oder noch darein kommen, von Jemand wider Recht ges
fchädigt würden, an Leuten oder an Gütern, fo mag diefelbe Stabt
zu friiher That wohl thun, was fie fann und mag, auch wohl zu
ihr rufen und mahnen, welche fie da in dem Kreis in der Nähe ha⸗
ben mögen“, u. f. w., fo ift da8 von 1376 fpeciell gegen die gerich-
tet, welche die Städte von ihren Rechten, Freiheiten, Briefen und
guten Gewohnheiten drängen wollen. Wenn nun troß biefer Ber
ſchränkung eben diefes Bündnig nad und nad; eine ſolche Bedeutung
erlangt hat, daß es zulegt die Gefammtheit der füddeutfchen Reichs⸗
ftädte zu einem beinahe unabhängigen Staate verbunden, fo liegt ber
Grund darin, daß der Punkt, welchen e8 berührt, gerade ber ift,
der am meiften geeignet war, die Städte zufammenzuhalten. Hatte
man ſich einmal über diefem Punkte zufammengefunden, fo gefchah
es von jelbit, daß man auch in andern zufammenhielt und ſich je
länger je inniger in allen Beziehungen aneinander ſchloß. Wenn in
der Verlängerung von 1382 das Bündniß auch als zum Schu ge-
gen Raub, Mord, Brand ımd unrechtes Widerfagen gegründet erfcheint,
jo haben die Städte wohl ſchwerlich diefen Zufag aufgenommen, um
26
kommen, wodurch diefe fich verpflichteten, in den nächſten Fahren ns
gegen fie zu unternehmen. Als der Tag erfhien, an welchem über
den Frieden folfte berathen werden, fandten fie aber ihre Boten nicht
nad) Nürnberg, indem fie behaupteten, die Amtleute des Grafen von
Wirtemberg hätten den Stillftand gebrochen. Ohne ſich auf die Ber _
mittlungsvorfchläge deſeben einzulaſſen, fielen ſie raubend und bren⸗
nend in fein Land !, Kaifer, getreu feinem Grimdfage, zur Dar⸗
niederhaltung ber —*85 der einen Reichsſtände die Eiferſucht
der andern als die vornehmſte Waffe zu gebrauchen und die Ban
Kräfte für feine Erblande aufzufparen, trat, nachdem der Verſuch, bie
Sache rafch zu beendigen, mißlungen war, vom Scauplage ab; er
begab fich nach der neuerworbenen Mark Brandenburg, wo feine Ges
genwart winfchenswerth war, und ließ die Yürften und Herren, bie
ihm ins Feld gefolgt waren, und denen auf feine Bemühungen bin
jett, nachdem bie bairifchen Vermittlungsverfuche zu Teinem weitern
Erfolge geführt Hatten, auch Herzog Stephan beitrat, ihre Kräfte an
den Städten verfuchen. Die Reichsverweferfchaft in Siüddeutfchland
follte während feiner Abwefenheit der junge König Wenzel führen.
Sobald der Abfagebrief Herzog Stephans nad) Ulm kam, zogen
die Bürger vor das benachbarte, ihm angehörige Weißenhorn, verwü⸗
ſteten die ganze Umgegend und führten viele Leute mit ſich nach Hauſe.
Bald darauf, in der Woche vor Weihnachten, kam der Derzog felbft
nad Alpe zum Grafen Heinrich von Werdenberg, feinem Verbin.
beten. Die Ulmer ſchickten 80 gute wehrliche Gefellen zu Fuß mit
langen Spießen gen Alped, die wurden von den Alpedern itberfal-
len, richteten aber unter denfelben eine Niederlage an, tödteten viele
Ritter, Knechte und Pferde, trieben die Uebrigen in die Flucht und
führten die Beute, die fie gemacht umd die ihmen jene hatten abneh-
men wollen, ſammt dem Barmer des Herzogs mit fi in die Stadt.
Hierauf begannen ber Bifchof von Eichftädt als Diener der Her-
ren don Baiern, Herzog Friedrich von Ted und der von Heideck bie
Belagerung von Kaufbeuren; allein der Sturm, den fie verfuchten,
wurde abgefchlagen, Herzog Friedrich felbjt in den Arm vermundet
und das Dee zum Abzuge genöthigt.
Auf diefe beiden Niederlagen Hin ftand Herzog Stephan vom
fernern Kampfe ab. Er folgte wahrfcheinlich hiebei dem Rathe —
klugen Bruders Friedrich, der es für beſſer hielt, wenn das
Baiern, das im Beſitze der oberſchwäbiſchen Landvogtei war, ſi nit
den Städten in ein gutes Einvernehmen fette, wie er ſchon
der Belagerung von Ulm es fich nicht hatte verbrießen Laffen, perfönlich
zwifchen dem Kaifer und ihnen hin und ber zu reiten ?, um eine Ver⸗
mittlung zu Stande zu bringen. So hielt fich Vaiern vom Kampfe
fern und ſchaute ruhig zu, wie Graf Eberhard, der Landvogt Nie
derfchwabens, feine Kräfte in nutzloſem Kampfe mit den Stüdten
2 Reg. 89. Zengg 2
⸗ Die Städte — ihm dafür 500 Goldgulden. Reg. 92.
27
wfrteb und am Ende genöthigt wurbe, feine Landvogtei aufzugeben,
xeiche dann Herzog Friedrich als den Lohn feiner fchlauen Politik in
Impfang nahın.
Krieg wurde jett hauptſächlich zwifchen Wirtemberg und
ten geführt. Eine wichtige Verftärfung hatten die letztern
ch den Beitritt von Eflingen. Obgleich diefe Stadt ſich
benen befand, welche durch den Verpfändungsbrief des Kaifers
den Grafen bedroht waren, hatte fie doch mit ihrem Eintritt in
Bünduig bis zum 1. Januar 1377 gezögert und ließ ſich bei
elben eine Reihe von Vergünſtigungen zufihern, u. A., daß jie
das Recht habe, zwei Abgeordnete zu den ‚Städtetagen zu fchicken und
daß es ihrem Belieben anheimgeſtellt bleibe, wie viel Spieße ſie zu
dem gemeinſamen Truppenaufgebote ſtellen wolle. Die Stadt mochte
gezögert haben, ſich den im offenen Kriege mit Wirtemberg befind«
lichen Städten anzuſchließen, ba fie durch ihre Lage den feindlichen
Angriffen mehr als jede andere ausgejeßt war; feit Weihnachten bes
fanden fich deshalb auch ftädtifche Hilfstruppen in ihren Mauern.
Durch ihre Aufnahme gewannen die Städte außerordentlich viel, denn
hatte Wirtemberg an ben beiden bedeutendften nieberfchwäbifchen
Neacheftädten, Reutlingen und Eßlingen, zwei fehr gefährliche Feinde,
weiche den Kern feiner Lande bejtändig bedrohten und jeder größern
Unternehmung benmend in den Weg traten. Um Reutlingen in
Zchranken zu halten, beſetzte Graf Ulrich, Eberhards Sohn, mit einer
auserlefenen Schaar von Edelleuten, die in wirtembergifchen Befite
befindliche Burg Achalm unb beläftigte von ihr aus fortwährend die
Buße des Berges gelegene Stadt. Allein die Reutlinger beſchloſ⸗
jen, obgleih ein Theil ihrer Truppen in Gplingen lag, ihm zum
Troge einen Verwüſtungszug ins wirtembergifche Gebiet zu unternebs
men. In der Nadıt nach dem 20. Mai fchidten fie 700 Dann
and, bie kamen am folgenden Morgen früh nach Urach, raubten in
der Umgegend der Stadt bei 200 Stüd Vieh, zogen dann das Thal
Ginab, wo fie noch das Dorf Dettingen verbrannten, und fchlugen
mit ihrer Beute den Heimweg ein. Zu ihrem Schutze rüdten die
Reutlinger mit großer Macht aus, allein, während fie ſich glücklich
mit denfelben vereinigten, rannte Graf Ulrich mit 232 Spießen von
der Achalm herab und wollte die Stadt durd einen Handſtreich neh»
mer. Doc die jtädtiichen Truppen erfchienen noch zur vechten Zeit.
Die Herren fprangen von ben Pferden und ftellten ſich ihnen entges
gun; es entfpann fich ein blutiger Kampf '. Während nun ein Theil
ber Bürger mit den Feinden focht, Tehrte eine Abtheilung derjelben
a die Stadt zurüd und brad) plötzlich zu einem gewöhnlich verſchloſ⸗
* Thore heraus den Herrn in den Rücken. Eine ſchwere Nieder⸗
lage wurde unter dieſen angerichtet, mehr als 78 Ritter und Knechte
lamen um, darunter drei Grafen, von Tübingen, von Zollern, von
Schwarzburg; das wirtembergiſche Banner, das Götz von Windsheim
2 Die Quellen für bie Geſchichte der Schlacht ſ. bei Stälin LIU, 321
® chich chlacht |
28
geführt hatte, fiel in bie Hände der Feinde, Graf Ulrich ſelbſt, ſchwer
verwundet, warf ſich auf feinen Hengft und fam mit Noth von dannen.
Auf Seiten ber Reutlinger aber waren nicht mehr als 13 umgelonmen.
Während fo im Felde blutig um die Entfcheidung gekämpft wurde,
hatte 8. Wenzel fich bemüht, einen Frieden zu Stande zu bringen
und mit den Abgeordneten der Städte darüber unterhandelt; eben
follte er ben ftreitenden Parteien verfündet werden, als die Nachricht
von ber Schlacht bei Reutlingen eintraf '. Graf Eberhard, ergrimmt
über die Schmach diefer Niederlage, wollte von einer Ausföhnmg
nicht8 wiffen und rüftete fi) mit erneuerter Macht zum Kriege; zwi⸗
Then dem König und den Städten hingegen kam jett eine folche zu
Stande, und zwar unter den günftigften Bedingungen für bie letzteren.
Durd einen Brief des Katfers war ihnen fund gethan worden, daß
Wenzel die Vollmacht habe, eine Sühne zwifchen feinen Helfern und
. ihnen zu machen, und daß es fein Wille und Wort fei, daß fie zu
Gnaden aufgenommen würden. in anderer Brief an die Städte des
Bundes, welche zur Landvogtei Nieberfchwaben gehörten, Eßlingen,
Reutlingen, Rotweil und Weil gerichtet, enthielt das Verfprechen, dag
diefelben fürbaß nicht mehr unter der Landvogtei derer von Wirtem⸗
berg noch derer von Hohenlohe oder ihrer Diener fein oder unter
diefelbe kommen follten. — Am 31. Mai wurde bann in Rotenburg
die Sühne anfgerichtet, indem König Wenzel erflärte, daß der Kaifer
und er die 18 genannten Städte aus der Acht getban, fie mögen in
diefelbe gelommen fein von des Kaifers und Königs megen ober durch
die Klage des von Wirtemberg oder von weswegen das gefchehen fel.
Auch wurden alle Klagen aufgehoben, die innerhalb Jahresfriſt gegen
fie anhängig gemacht worden. Ferner verfünbete er, daß er auf Ge⸗
heiß des Kaifers die 18 Städte, bie fich wiber fie beide geſetzt, in
feine Gnade, Hulde und Gunft empfangen, und daß zwifchen ihnen
beiden und ihren Helfern, den Grafen Eberhard und Ulrid) von Wir-
temberg,, bem Grafen Heinrich von Werdenberg genannt von Alpeck,
Herzog Friedrich zu Ted, Kraft und Götz von Hohenlohe u. ſ. f.
einerjeits, und den Städten fammt ihren Helfern und Dienern anderer
feits, eine vechte, ftäte und ganze Sühne fein folle. Die Gefangenen
werden auf gewöhnliche Urfehde Tosgegeben, und kein Theil foll gegen
den andern mehr Tseindfchaft haben. An demſelben Zage ertheilte er
ihnen einen Freiheitsbrief, gleichlautend mit dem, welcher ben ſchwä⸗
bifhen Städten im J. 1348 durch K. Karl war verliehen worden,
umd hob alfo Hiemit die widerrechtliche Verpfändung an den Grafen
Eberharb wieder auf.
Nachdem am 15. Juni Kaifer Karl von Tangermünde aus bie
Beitätigung all diefer Verfügungen ertheilt hatte, ſchickte Wenzel feine
Bevollmächtigten in die Stüdte ab, um die Friedensbriefe auszuwech⸗
feln und zugleich die Huldigung in Empfang zu nehmen, bie fie ihm
früher verweigert hatten ?.
2 C. Chr. 322.
2 Reg. 93 ff. Diefe Ausſöhnung ift e8 offenbar, welche bie A, Chr. meint,
29
Karl bandelte hier den Städten gegenüber ganz ähnlich, wie bei
Regierungsantritt, wo er auch, um ihre Huldigung zu er-
„ ihnen eine Stellung einräumte, die er im Grunde als eine
bliche erfannte und, fobald es ihm möglich wurde, wieder auf-
. Eben diefe Stellung giebt er ihnen jet wieder zurüd, um
ihnen die Huldigung für feinen Sohn zu erhalten, worauf ihm
est fehr viel ankam, nachdem er fich überzeugt hatte, daß ein gewalt-
ſames Erzwingen derfelben allzu große Opfer erfordern würde. Doch
war die Stellung der Städte diesmal eine noch mächtigere als da⸗
mals, da fie fie jegt mit Waffengewalt erkämpft hatten.
Der Krieg war nun zwar keineswegs beendet, da Eberhard ſich
nicht fügen wollte, aber er hatte eine ganz andere Gejtalt angenont-
men. Die Städte erfchienen jetzt nicht mehr als Empörer gegen den
Kaijer, als Neichefeinde, fondern, wenn fie ihren Widerfacher be-
Kinpften, fo gefchah es kraft der ihnen aufs Neue feierlich ertheilten
dreiheiten und um den Beltimmungen des eben aufgerichteten Frie⸗
densvertrages Geltung zu verfchaffen. „Da giengen, jagt Königshoven,
des Reiches Städte in Schwaben auf an Gewalt und an Uebermuth,
and die Herrichaft von Wirtemberg nahm ab an Reichthum und ver⸗
fegte viel Rand und Leute und verkaufte große Gülten und Zinfe* !.
Das Uebergewicht, das fie bis dahin im Felde behauptet hatten, ver-
blieb ihnen während der ganzen Dauer des Krieges. „Unfer Herr gab
4)
E
; men großes Glück, heißt es in einem anderen Berichte ?, wo fie die
wenn fie S. 114 fagt: „In ber jarzal unſers herren M9ccc? unb in bem Lxxvm.
jer, da warb ber von Wirtemberg und all fein diener und belffer verricht mit
ven fetten. Die richtung was alfo: wer ſchaden genommen hätt an leutten,
en guten, der jolt ben haun und folt damit gelegen fein. Die richtung tett
herczog Fridrid von Bairen“. Irrig ift cd, wenn Zengg, der biefe Stelle be:
augt, bie Ausföhnung auf den St. Michaelötag verlegt. Dieſes Datum läßt
ſich vielleicht aus der Urkunde erflären, deren Inhalt wir unter Reg. 92 mit:
getbeilt. Herzog Friedrich befcheinigt den Ulmern die Entrichtung ihres An-
theild an den 500 Gulden, „die ung die fett in Swaben bie ben bunt hal⸗
tm ze Ulm verhießen ze geben uff fant Michels tag von ber zerung wegen, bie
wir 3e Ulm taten, bo wir in tedigen riten zwiſchan unferm berrn dem kayſer
mb in und iren andgenofien”. Das heißt nun, fie verfpraden, bi St. Mi⸗
deistag 1377 die Summe zu entrichten. Wenn wir nicht die beftimmte Nach⸗
richt Hätten, daß bie Belagerung von Ulm erft nah Michaelis 1376 (post
kstam Michaelis. Chronicon Elwacense, bei Pertz, Mon. 38. X, 41) be:
zonnuen , fo fönnte man den Ausdruck auch fo verftehen, daß die Städte am
RichelStag 1376 das Verfprechen gethan. In Ießterem Sinne hat wohl Zengg,
ver eine ähnliche Urkunde, vieleicht die Quittung irgend einer andern Stabt,
ser Augen mag gehabt haben, die Sache verftanden, aber, inben er bie Stelle
aus der A. Chr. von der Vermittlung Herzog Friedrichs im Sinne hatte, un:
genauer Weife fie ind J. 1377 geſetzt. Dieß Mißverſtändniß konnte um fo
eher flattfinden, wenn vielleicht die Urkunde, bie ihm vorlag, nicht wie bie
anfrige, die and dem April ift, vor Michelötag 1377, fondern nad demfelben
auögeftellt war. — Nach Königshoven 167 fieht es aus, ald hätte ber Friede,
ven er ganz richtig gleich nad ber Schlacht bei Reutlingen fegt, eine Zeitlang
wirflich auch zwifchen dem Grafen und ben Städten Kraft gehabt.
ı gKönigöhoven 167. ® C. Chr. 320,
80
Feinde irgend antrafen auf dem Felde, daß fie alfenthalben fiegten
und ihr Viele fingen und erfchlugen*. Als eine glänzende Waffen
that wird befonders die Eroberung von Tuttlingen hervorgehoben, das
Graf Eberhard vor Kurzem an fein Haus gebracht hatte !. Eime
Anzahl von Edelleuten unter dem Befehle des Ritters Martin Dial
terer von Freiburg, eines bewährten Sriegers, deſſen Name in ben
Kämpfen der bamaligen Zeit viel genannt wird, vertheidigte die Stadt.
Allein die Truppen der Neichsftädte, unter denen fi) namentlich bie
Conftanzer mit 60 Spießen zu Roß und vielem Fußvolk hervorthe-
ten, nahmen fie gleih am erften Tage mit Sturm und machten die
Beſatzung zu Gefangenen. Eine große Beute von Roffen, Harnifchen,
viel Vieh und anderes mehr fiel in die Hände der Eroberer, welche
die Stadt in Brand ftedten und die Mauern niederrifien.
Die friegerifchen Erfolge des Bundes und die, wenn nicht förm⸗
liche, doch thatfächliche Anerkennung defjelben durch Kaifer und König
bewogen nun eine Menge von benachbarten Städten, fich an denſel⸗
ben anzuschließen. Im Laufe des Augufts ließen fi nad einander
Nördlingen, Bopfingen, Hall, Heilbronn, Dinkelsbühl, Weinsberg,
Gmünd, Aalen und Winpfen aufnehmen; ja am 26. September er-
Märte das Land Appenzell unter Zuftimmung feines Herrn, des Abtes
von St. Gallen, feinen Beitritt. Die jänmtlichen Theilnehmer ver-
einigten fi) nun am 20. ‘December und febten einen neuen Band»
brief auf, nad) welchem ihre Vereinigung bis zum 23. April 1385
dauern follte. Im Lebrigen ijt der Brief fait gleichlautend mit bem
vom 4. Juli 1376. Den Städten, welche zwei Vertreter zu den Ta-
gen ſchicken, ift Eßlingen beigefügt, denen, die nur halb fo viel Strafe
zu bezahlen haben als die andern, Kaufbeuren, Wimpfen, Weinsberg,
Bopfingen und Aalen.
Bis dahin hatten die Städte für fich allein geftanden, bald follten
fie auch noch mächtige Verbiindete aus dem Kreife der Herren erhalten.
Das mächtigfte unter ben Fürftenhäufern, welche in Schwaben
Beſitzungen hatten, war das Haus Dejterreih; dem König Rudolf
war es nicht gelungen, das ſchwäbiſche Herzogthum wieder herzuftel-
len und einem feiner Söhne zu übergeben; dafür hatte er aber Sorge
getragen, eine Menge neuer Erwerbungen in Schwaben zu machen
und den alten Stammgütern in der heutigen Schweiz aud) reiche Bes
ſitzungen nördlih vom Bodenfee hinzuzufügen, welche dann durch feine
Nachkonmnen eifrig vermehrt wurden. Durch die Erwerbung von Tirol
1363 und Vorarlbergs 1375 wurde die Verbindung der vordern Be⸗
figungen mit Oeſterreich und mit Kärnthen hergeftellt. Der Tettere
Ankauf war durch Herzog Leopold vollzogen worden, der feit 1365
mit feinem Bruder Albrecht fich in die Regierung der öfterreichifchen
tinder theilte. Diefer Fürſt wirkte überhaupt außerordentlich thätig
fiir die Vermehrung der fchwäbifchen Güter, und war nicht nur, wie
er etwa genannt wird, eine Zierde der Nitterfchaft, fondern dabei ein
ı 4, Ehr. 320. 322,
31
mönehmend fchlau berechnender Politifer, der es namentlich gut ver-
fand, fich überall in fremde Händel einzumifchen und Bortheil für
daran zu ziehen. So hatten er und fein Bruber im J. 1368
ohne alle Anftrengung die wichtige Stadt Freiburg im Breisgau zur
Unterwerfung vermocht, indem fte zwiſchen ihr und dem Grafen Egen,
mit welchem fie in biutigem Kampfe lag, einen Frieden vermittelten
en nt en Geld usbaahlten, um bie elhten Gerre Gra⸗
‚ wogegen die Stadt fie als ihre rechten aner⸗
kannte. In ähnlicher Weiſe ſuchte Leopold die durch Kriege mit ihrem
Siſchofe geſchwächte Stadt Baſel nach und nach unter öſterreichiſche
zu bringen. Ebenſo beſchloſſen auch jetzt die Herzoge,
den Streit der ſchwariſchen Bundesſtädte mit Wirtemberg ſich zu
Nutze zu machen. Dem Herzog Leopold, welcher damit umgieng, die
im Herzen Schwabens liegende Grafſchaft Hohenberg anzukaufen, und
der wohl damals ſchon ſich mit Plänen zur Erwerbung der ſchwäbi⸗
ſchen Landvogteien trug, war ſchon deshalb viel daran gelegen, mit
dem mächtig aufblühenden Städtebunde in guten Einvernehmen zu
fteben; außerdem aber mußte man Alles aufbieten, um einer Verbin⸗
bung defjelben mit der fchweizerifchen Eidgenoffenfchaft zuvorzukommen.
Ramentlich der Anfchluß von Appenzell mochte den Herzogen die Be
fürdtung einer ſolchen nahe gelegt haben. “Deshalb beauftragten fie
im December 1377 ihre beiden Landvögte, Ludwig von Hornftein,
— in Schwaben und Gottfried den Müller, Landvogt im Aar⸗
gen, im Thurgau und auf dem Schwarzwalde, „zu thädingen und zu
reden, um einen Bund zwifchen ihnen und ihren Landen Elſaß, Breis-
gau, "Sundgau , Aargau, Thurgau, Kurwalchen und Schwaben, und
allen ihren Städten und Dienern, Herren, Nittern und Knechten in
denfelben ihren Landen und Kreifen einerfeit8, und andererfeits des
Reiches Städten zu Schwaben oder zu Elſaß und fonderlih den
Städten die jett dafelbjt zu Schwaben verbunden find“. Mit den
jhwäbifchen Städten wurde denn auch am 13. Februar eine Vereini⸗
gung abgeſchloſſen, und zwar durch die zwei oben Genannten und mit
ihnen noch die fieben folgenden: Walther von der Dicke, Landvogt im
Breisgau, Eberhard von Lupfen, Landgraf zu Stulingen und Burg«
graf zu Tirol, Conrad Schnewly, Schultheiß zu Freiburg im Breisgau,
Hans von Bonfieten, a zu Kiburg, Heinrich von Randed, Vogt
za Schaffhaufen, Werner den Schenken von Bremgarten und Conrad
von Zainheim, Blrgermeie zu Villingen. — Bis zum 23. April
1382 follte diefer Bund, in welchem 89 Städte vereinigt waren },
fih erftreden, und die Berblindeten verfprachen, einander zu helfen
wider allermänniglich, Niemand ausgenommen , ber fie treiben wollte
von Freiheit und von guten Rechten ?.
Den Städten mußte eine folche Verſtärkung ihrer Macht fehr
2 %. Chr. 114.
® Reg. 115. Zu einer Auswechslung der eigentlichen Bundbriefe, welche
bis zum 23. April des Jahres hätte flattfinben follen, ift e& nicht gelommen,
Beshalb, können wir nicht angeben.
32
erwünfcht fein, um fo mehr, al8 gerade damals durd die Aufnahıne
der Stadt Rotenburg an der Tauber, die in beftändige Kämpfe mit
dem Biſchof von Würzburg verwidelt war, der Krieg eine weitere
Ausdehnung erhielt. Die öfterreichifche Hilfe wurde auch bald zur
Ausführung einer größeren Unternehmung in Anſpruch genommen.
Nachdem im Laufe des Yrühjahres mandje Kleinere Züge von einzelnen
Städten waren unternommen worden, bei welchen den Grafen von
Wirtemberg und ihren Helfern viele Burgen gebrochen und viele Dör⸗
fer verbrannt wurden, beſchloß man mit großer Macht ins Ders bes
feindlichen Landes einzurüden und wo möglich eine Wiederholung des
Krieges von 1311 zu bewerfftelligen, in welchem die Reichsſtädte auf
Befehl K. Heinrichs VII. Graf Eberhard den Erlauchten aus feinem
Lande vertrieben, feine Stammburg verbrannt und feine Hauptitadt
unter ihre Botmäßigfeit genommen hatten. Yünfhundert Spieße aus
den oberfchwäbifchen Städten, verftärft durch 300, welche der öfter
reichifcehe Landvogt ftellte, famen den Eßlingern und Reutlingern zu
Hilfe und zogen vor Stuttgart. Sie fiengen an die Stadt zu be
ſchießen, da fie diefelbe aber gut vertheidigt fanden, begnügten fie fich,
die Umgegend zu verwüſten, namentlid) die Reben abzuhauen, und
fehrten an demfelben Abend nah Eßlingen zurüd. Es wurden dann
noch eine Anzahl von Dörfern verbrannt, und am 14ten Tage fonn-
ten die Oberländer wieder zu Haufe einreiten, „unverfehrt durch die
Gnade Gottes, wie fie auögeritten waren“.
Durch diefen Zug war nun allerdings der eigentliche Zwed nicht
erreicht, unmerhin aber dem Wirtemberger beträchtlider Schaden zu-
gefügt worden. Die Feindfeligkeiten dauerten noch eine Zeitlang fort
unter gegenfeitiger gräßlicher Verwüſtung des Landes. Von den Wir:
tembergern wird erzählt, daß fie fich nicht begnügten, die Aeder ihrer
Feinde zu verwüften, fondern auch noch Senf auf denfelben ausfäe
ten, um fo ein fchwer zu vertilgende® Unfraut hervorzubringen !;
auch wird ihnen vorgeworfen, daß fie felten Gefangene machten, fon-
dern niederftachen, wer ihnen vorlam, wenn es auch Wehrlofe wa-
ren ?. Die Stäbter ihrerfeitS werden nicht viel beifer verfahren fein,
und das ganze Schwabenland wurde aufs Schredlichite verheert. ‘Der
größere Schaden war jedenfalls auf der Seite des Grafen. Die
Städte, die entfchieden in der Uebermadt waren, bejaßen zudem we⸗
niger offenes Gebiet, defjen Verwüftung ihnen empfindlich) wurde, und
trogten hinter ihren Mauern jedem Angriffe So befand fich der
Graf nicht mehr in der Lage, fich länger gegen das Zujtandefommen
eines Friedens zu fperren, und e8 wurde derſelbe endlich im Auguſt
1378 in Nürnberg abgefchloffen. Kaifer Karl war dafelbft einge-
troffen und hatte die ftreitenden Parteien zu jich befchieden. Nachdem
die Stüdteboten etwa 12 Tage bort verweilt hatten, wurden anı 30.
2 SKönigöhoven 166.
2 Schreiben ber Reutlinger an bie andern Städte bei Gapler, Hiflori-
[de Tenkwürbigfeiten der ehemaligen freien Reichſsſtadt Reutlingen bis 1577.
& 81. — 6. Chr. 322.
33
des Monats die Friedensbedingungen feftgeftellt und durch den Kaiſer
eme Richtung zwifchen den beiden Parteien, dem Bifchof Gerhard zu
Birzburg, den Grafen Eberhard und Ulrich von Wirtemberg und
Kraft von Hohenlohe einerfeits, den Neichsftädten in Schwaben und
der Stadt Rotenburg an der Zauber andererfeits, verkündet. Die
Richtung war alfo: „Schaden gegen Schaden, Brand gegen Brand,
Todſchlag gegen Todichlag, Schuld gegen Schuld, und was der von
Birtemberg den Städten vor Jahren genommen hatte, das follte den
Städten ledig und los fein“. Die Pfandbriefe über die Stadt Weil
und die Birſe bei Rotweil mußte er zum Zerfchneiden herausgeben;
auch die Stadt Giengen, welche längere Zeit in helfenfteinifchen Pfand»
befige geweien ', jpäter, vielleicht im %. 1372, von Eberhard befett
worden war, wurde dem Reiche wieder zugeftellt. Zur Schlichtung
der Streitigkeiten, welche ſich über einzelne Rechte zwifchen ihm und
mehreren Städten, namentlich Eßlingen, erhoben hatten, wurden Schieds⸗
gerichte niedergejett, welche die Sachen im Yaufe diefes und des näch-
ften Jahres zum Austrage braten. — Was dem Grafen befonders
ſchwer fallen mußte, das war, daß der Kaijer ihm die Reichsland⸗
bogtei über die 13 niederfchwäbifchen Städte, die jet alle dem Bunde
angehörten, abnahm und fie dem Herzog Friedrich von Baiern übertrug ?.
So war der Bund aus feinem erften Kanıpfe fiegreich hervor:
gegangen. Den Zwed, wofür zunächſt die Städte zufammengetreten
waren, hatten fie erreicht, die Gefahren, die ihnen drohten, waren
befeitigt , ihre Freiheiten gefichert und ihr geführlichjter Widerfacher
gedemüthigt; nach der Aufnahme von Giengen, das feine wiederer-
worbene Reichefreiheit nicht befjer als auf diefe Weile glaubte bewah⸗
ren zu können, umfaßte der Bund, dem bereits auch Buchau und
Pfullendorf beigetreten waren, 31 Reichsſtädte, 30 jchwäbifche und
eine fränkische, Rotenburg an der Zauber.
Die Kräfte der Städte waren durch den Krieg fo wenig ges
ſchwächt worden, daß Ulm, nachdem es eben erjt die Belagerung
hatte aushalten müfjen, im %. 1377 den Grund zum Niefenbau
feines Münſters legte.
Es fragte fi) nun, in was für ein Verhältniß der Bund, der
fih eine Stellung als felbftändige Macht im Reiche erworben hatte,
m den übrigen Gliedern dejjelben treten werde.
2 Hugo, Mebintifirung 70. 2 9. Chr. 116. Reg. 119, 123.
I.
Erweiterung der Bedeutung des Bundes durch ſeine Ver⸗
bindung mit Fürſten und Herren und mit den rheiniſchen
Städten. — Krieg mit den Rittergeſellſchaften.
Durch den Nürnberger Frieden war das Haus Baiern zu den
ihmwäbifhen Städten in fehr nahe Beziehung getreten, da Herzog
Friedrich, der fchon jeit 1374 Landvogt von Oberſchwaben war, jett
auch die niederichwäbiiche Vogtei erhielt. Cine enge Verbindung der
beiden Theile wurde hervorgerufen durch den für den einen wie für
den andern derfelben gefährlichen Verſuch König Wenzels, diefe Land-
vogteien als Reichspfand in die Hände Uejterreichs zu bringen. Am
25. Februar 1379 verfchrieb Wenzel, feit dem am 30. November des
vorigen Jahres eingetretenen Tode feines Vaters Herr des Reiches,
dem Herzog Leopold die Yandvogteien Ober- und Niederſchwaben jo-
wie die Pflegen über Augsburg und Giengen pfandweife um 40000
Goldgulden und forderte die Städte anf demfelben gehorfam zu fein.
Dadurh war ſowohl das feierliche Wort gebrochen, das Wenzel ben
Städten gegeben hatte, fie nie zu verpfänden, als aud dem Herzog
Friedrich großes Unrecht gefchehen. Denn noch wenige Tage vorher,
am 8. Februar hatte demjelben der König die durch den Tod des
Kaifers ihm ledig gewordene Yandvogtei in Ober- und Niederfchwa-
ben auf fernere drei Jahre verfchrieben. Die Folge war ein Bünd⸗
niß, das am 4. Juli 1379 in Baden zwifchen den Städten und ben
erzogen von Baiern, Otto, Stephan, Friedrih und Yohann, zu
Stande kam. Aud) die Fürften von der pfälzifchen Linie, der weiſe
Kurfürft Rupredt fammt feinem gleichnamigen Neffen und deſſen
Eohne Ruprecht dem jüngften, dem nadmaligen Kaifer, ferner Mark:
graf Bernhard von Baden für ſich und feinen nod) unmündigen Bru⸗
der jchloffen fich demfelben an. Gleich am Cingange der Urkunde
nehmen die Herren den König, die Rechte des Reiches, den Stuhl zu
Rom, den König von Ungarn, den Herzog Albrecht von Baiern, den
Burggrafen von Nürnberg und den Grafen von Görz aus, doch alfo,
daß wenn jemand, wer er fei, die Städte von ihren Briefen, Frei-
heiten und guten Gewohnheiten oder fie von einander drängen oder
zertrennen wollte, fie ihnen fammt und fonders zur Abwehr der Ge-
86
fahr berathen und beholfen fein würden. Durch biefen Sat, welchem
de Städte in der von ihnen ausgefertigten Urkunde, die ich nicht
fenne, eine entfprechende Zuficherung werden entgegengeftellt haben,
erhelit gleich der politifche Charakter des Vertrages, ganz verjchie-
den von dem eines bloßen Landfriedensbündniſſes. — Die nähern Be—
ſtimmungen find folgende:
1. In Nothfällen mahnen die Bedrängten die nächſtgeſeſſenen
Amtleute des andern Theiles, diefe helfen dann von einem Mittage
zum andern, in gleicher Weife, als ob ihnen der Schade felbft wibder-
fahren wäre.
2. ft die Sache weitläuftiger, fo werden die drei Ruprechte
md Markgraf Bernhard in Heidelberg gemahnt, die Herzoge Otto
Stephan, Friedrich und Johann in Landsberg; der gemahnte Theil
beitellt innerhalb 8 Zagen 100 Spieße; von diefen ſchickt er dann
in den nädjiten 8 Tagen die eine, und, wenn es nöthig ift, in den
nächitfolgenden 8 Tagen die andere Hälfte dorthin, von wo fie ver-
langt worden find, und zwar auf eigne Koften; nur Holz, Herberge,
Stroh, Heu und Licht giebt der mahnende Theil in feinen Schlöffern,
auch gejtattet derjelbe feilen Kauf. Die Hilfsmannfchaft bleibt dann
daſelbſt, bis die Sache ausgerichtet ift. In gleicher Weife haben die
Städte, wenn fie von der einen oder der andern Abtheilung der Her:
ren gemahnt werden, denfelben je 100 bez. 50 Spieße zu Hilfe zu
a 1
3. Gelingt es aber nicht, auf dieſe Weiſe die Sache zu Ende
zu führen, und iſt weitere Hilfe nöthig, ſo wird neu gemahnt. Der
gemahnte Theil ſitzt zu Rathe und ſchickt in den nächſtfolgenden 14
Zagen die Hilfe, die er bejchlojfen hat.
4. Finden Belagerungen Statt, fo beftreitet der Theil, dem zu
Liebe fie unternommen werden, die Koften, und kann dann aud) mit
dem Groberten und den Gefangenen nad) Gutdünfen verfahren. Dod)
bat er Maßregeln zu treffen, daß aus den eroberten Schlöffern und
von Seiten ber Gefangenen ben andern heilen fein Schade wider:
führt. Jeder Theil ift verpflichtet dem andern feinen Belagerungs-
zeug zu leihen, den diefer aber auf eigene Koften abzuholen und wie-
der zurückzubringen hat.
5. Gefchehen Belagerungen um gemeinen Nußens willen, fo
werben die Unkoſten und der Gewinn getheilt, umd zwar, wenn e8
beide Abtheilungen der Herren und die Städte betrifft, in drei gleiche
Theile, wenn aber nur eine Abtheilung der Herren und die Etädte,
in zwei. Sm erfteren Falle wird im nächſten Monat nad) Becndi-
gung des Feldzuges in Ulın Abrechnung gehalten, ebenjo, wenn bloß
die Herzoge Otto, Stephan, Friedrich und Johann nebjt den Städten
betheiligt find, betrifft es aber die Städte und die andern Herren,
fo tagt man in Eflingen. Binnen Monatsfrift von der Abrechnung
an follen die Koften bezahlt werden.
2 Ich ſchließe dies Tetere aus der Vergleihung mit andern Bündniffen
und aus Reg. 139. 3*
36
6. Haben die Zürften und Herren oder ihre ‘Diener und Un-
terthanen irgend etwas an die Städte oder die Ihrigen zu fordern,
fo wenden fie ſich an die betreffenden Gerichte, ebenfo die Städte
oder die Ihrigen, wenn fie etwas an die Unterthanen der Fürſten
und Herren zu fordern haben.
7. Haben dagegen die Städte oder die Ihrigen Anfprüde an
die Fürften und Herren felbft oder an ihre Diener, fo bringen fie,
wenn es die drei Ruprechte betrifft, ihre Klage an den Vitztum zu
Heidelberg, betrifft e8 den Markgrafen, an den Amtmann zu Pforz⸗
heim, und wenn es die übrigen Herren angeht, an den Bigtum zu
Landsberg. Binnen 14 Tagen nad) Anbringung der Klage fchidt der
beflagte Theil drei aus feinen Räthen, welche die Ankläger bezeichnen,
ab, die drei Ruprechte und Markgraf Bernhard nad) Sinsheim oder
Bretten, je nachdem es den Klägern genehm it, die andern Herren
nach) Donauwörth, Weißenhorn oder Landsberg. Diefe drei Räthe
haben dann in Minne oder mit dem Nechte die Sache zu entfcheiden.
8. Aller Angriff und alle Pfändung ohne Rechtsgang find ver:
boten, doc) werden alle verbrieften Schulden, unleugbaren Gülten u. ſ. f.
vorbehalten.
9. Entjteht ein Krieg, und es dauert derfelbe länger als die
Bet ber Einigung, fo hilft man ſich gegenfeitig bi8 zur Beendigung
beifelben.
N 10. Alte Bögte, Amtleute und Schultheißen der Fürften follen
diefen Vertrag befchwören.
Die vier Herzoge Otto, Stephan, Friedrid) und Johann hatten
am Schluſſe des Vertrages die Grafen Eberhard und Ulrich von Wir-
tenıberg ausgenommen, fo lange das Bündniß dauere, das fie mit
ihnen gejchloffen hätten; in einem bejondern Beibriefe verfprachen nun
aber die fänmutlichen Herren den Städten, daß, fo lange der Vertrag
währe, fie mit den beiden Grafen und mit Kraft von Hohenlohe feine
Einigung und fein Bündnig eingehen wollten.
Diefer Vertrag war für die Städte, auch abgejehen von dem
Punkte, der ihn hervorgerufen hatte, Schon injofern von großem Vor⸗
theile, al8 er eine Anerfennung ihres Bündniſſes von Seiten der
mächtigften benachbarten Fürften in fi) ſchloß und zugleich die Bürg⸗
ichaft enthielt, daß ihre eigentlihen Hauptfeinde von denfelben feine
Unterjtügung zu erwarten hätten. Er hatte aber auch feine gefähr:
lihen Seiten. Die Baiernherzoge waren faſt bejtändig in Streitig-
feiten mit den Städten Augsburg und Regensburg verwidelt: wie
leicht konnten fie auch jeßt wieder in folche yerathen, und die Bun—
desftädte dann genöthigt werden, gegen fie, wie einft gegen Zürich,
Zuzug leiften oder doc wenigftens auf die Möglichkeit, ihre Mit⸗
jtädte zu umterftügen, verzichten zu müſſen. Das erfannten fie aud)
mit richtigem Blide, und, un es zu vermeiden, forderten fie jene beis
den Städte auf, mit in den Bund einzutreten !. Das entfernte Re—
Da für Regensburg eine folde Einladung bezeugt iſt (Gemeiner
37
gensburg wollte fich hierauf nicht einlaffen, obgleich die Verbindung
der Städte mit den Fürften großen Schreden daſelbſt hervorrief,
Augsburg hingegen, das als ſchwäbiſche Stadt den Verbündeten viel
näher ftand und das fich fchon vorher bei mehreren Unternehmungen
derfelben betheiligt hatte, ſäumte nicht mit dem Beitritte und Tieß
id am 27. Juli aufnehmen. Es mußte um fo eher geneigt fein
das zu thun, da die Landvogtei Augsburg ebenfo wie die Ober- und
die Niederfchwäbifche widerrechtlich dem Herzog Friedrich abgenommen
and an Herzog Leopold verpfändet worden war. Das Badener Bilnd-
mp verfehlte feine Wirkung nit. Die königliche Verpfändung blieb
fraftlos, und Herzog Friedrich behielt vor der Hand feine Landvog⸗
tein. Es jcheint, dag er mit dem Könige und mit Leopold eine
Berftändigung traf, wodurd fie ihm für die nächjten drei Jahre, für
weldye fie ihm verſprochen waren, verblieben . Im Herbite 1382
befam dann Leopold die Landvogteien Ober- und Niederfchwaben 5,
aber nicht mehr als Pfand, fondern als bloßes Amt, ebenfo im J.
1383 die Bogtei Augsburg *. Die Regelung feines Verhältniffes zu
Giengen dagegen verzögerte fich länger ımd war nod im Sommer
1384 nicht endgültig feitgefet.
Während fo die Städte durch ihren Bund zu Macht und Ans
fehn emporjtiegen und die Gefahren glücklich abwandten, welche ihre
Selbjtändigfeit bedrohten, bildeten fi unter dem niederern Adel ähn-
liche Vereine, theils um nad) oben fi) den Anmaßungen der Fürften
zu widerfegen, eben fo ſehr aber, um den Städten gegenüber Träfti-
ger auftreten zu Können; die namhafteſte diefer Sefellfchaften war die
mit dem Löwen, bie ſich den 13. October 1379 in der Wetterau
bildete 5, aber raſch durch die Rheinlande und Schwaben hin verbrei-
tete; nächſt diefer find die mit St. Georg, die aus fränkifchem Adel
beftand, und die mit St. Wilhelm zu nennen. Syn diefen Gejellfchaf-
ten vereinigt fuchte der Adel die Städte zu demüthigen, denen gegen-
u, 191), jo wird fie wohl auch bei Augsburg flattgefunden haben, das ja
wirklich gleich darauf dem Bunde beitrat.
2 Mittwoch nach Jacobi giebt die Furze Notiz bei Schmid. Die A. Chr.
120 faat: A. d. 1379. jar vor fant Jakobs tag do Fam bie ftatt Auafpurg
in ben pund zu dez Reichs ftetten. Es läßt fich leicht denfen, baß bie jürm=
liche Urkunde erft einige Tage, nachdem die Stadt ſich zum Beitritt bereit er:
flirt hatte, ausgefertigt wurde,
2 Reg. 146. 152. 5 Reg. 178. 179. 199 fi. 223. 224,
* Bon ber legtern heißt es ganz beutlich, fie werde ihm „bis auf Wider:
ruf” verliehen; Reg. 198. Daß es fich mit ben beiden andern Landvogteien
ebenfo verhielt, beweift ber Umstand, daß er im J. 1385 ohne Weiteres „ab:
gejeßt” werben kann; Reg. 252. Auch fagt 8. Ruprecht im J. 1401 in einer
Inſtruction für die Verhandlungen mit Herzog Leopold dem Diden: Si dux
Lapoldus sit allegaturus, provincialem Sueviae praefecturam sibi oppignoratam
esse, ad hoc respondendum, quod illa Sueviae praefectura sub ‚duce Lu-
poldo bonae memoriae, ducis Lupoldi patre ab oppignorationg ex-
empta fuerit et liberata. Stälin IH, 341 Anm. 4,
5 Reg. 141.
38
über der Einzelne machtlos war !. Am J. 1380 erhob fid) die %-
wengefellichaft gegen die Stadt Frankfurt, welche mehrere Glieder
derfelben gefangen genommen hatte. Sie wurde belagert und gezwun-
gen, jene ohne Xöfegeld herauszugeben ”. Unter diefen Umftänden
geriethen die rheinifchen Städte in große Bejorgniß und beriefen auf
den 3. Merz 1381 eine VBerfammlung nad) Speier, wo angelegentlic)
über ein abzuſchließendes Bündniß follte verhandelt werden ?. Es
fam auch am 20. diefes Monats zwifchen den Städten Mainz, Straß:
burg, Worms, Speier, Frankfurt, Hagenau und Weißenburg ein fol-
ches zu Stande, defjen Dauer bis Weihnachten 1384 feſtgeſetzt wurde.
Bald darauf fchloß ſich auch noch die Stadt Pfeddersheim an.
Es lag nun der Gedanfe nahe, zwifchen den beiden Städtebimd-
niffen, die ji) in zwei benachbarten Landfchaften gebildet hatten, wer
ſentlich diefelben Zwecke verfolgten und aud) durch diefe neu entitan-
denen KRittergejellfchaften gleichmäßig bedroht waren, eine Verbindung
zu bewerfjtelligen. In der That wurde fofort über eine ſolche ver:
handelt. Zwar fand der Gedanke Widerfprudy; die „Weifen“ in
Straßburg wollten nichts davon wifjen, „ſie hätten von ihren Bor:
dern, den Alten und den Weifelten, oft gehört fagen, daß die rheini-
fchen Städte feinen Bund follten machen über Rhein mit den Schwa-
ben oder mit andern, anders jie würden nimmer Ruhe gewinnen“.
Das half aber Alles nidhts *. Die Städteboten famen in Speier
zufammen, und am 17. Yunt fand der Abfchluß des Bündniſſes
Statt. Es follte dauern bis Weihnachten 1384, alfo bis zum Ab-
laufe des rheinifchen Bundes, und enthielt folgende Bejtimmungen:
1. Bedürfen die rheinifchen Städte der Hilfe der fchwäbifchen,
jo berichten fie nah Cplingen in den Rath, worauf ihnen in den
nächſten 14 Zagen 200 Spieße zu Hilfe geſchickt werden; doch haben
jie dafür zu forgen, daß ihre eigenen Spiege drei Tage vorher am
Beitimmungsorte eintreffen, die Hilfsmannjchaft bleibt dann bei ihnen
bis der Krieg vollendet ijt. — Ueber die Hilfe, welche die rheinifchen
den ſchwäbiſchen Städten zu leiften hatten, find wir nicht unterrichtet,
da wir bloß den Brief bejigen, den die letzteren ausjtellten, doch wird
fie wohl aus 100 Spießen bejtanden haben. Bei der Erneuerung
des Bündniſſes im %. 1382, wo fich der rheinifche Bund bereits
durch den Beitritt von Schlettjtadt, Obernheim und Weplar verjtärkt
hatte, betrug jie 104 Spieße 5. Ueber die Art und Weife, wie fpä-
ter die Zahl der Hilfstruppen fejtgefegt wurde, werden wir an ei-
nem andern Orte fprechen.
2. Wünſchen die rheinifchen Städte eine ftärkere Hilfe zn er-
halten, jo melden fie es gleichfalls nach Eßlingen, und fagen einen
Tag an nad) einer bequem gelegenen Stadt, auf welchem dann das
Weitere berathen wird.
3. Dem mahnenden Theile jteht es zu, über die Hilfsmann-
Königshoven 168. 8 Sattler, Dritter Abjchnitt F. 60 am Ende.
Reg. 155. Königshoven a. a. O. Konigshoven a. a. DO.
Reg. 134. u. .
x
8
5
39
daft nach Gutdümken zu verfügen und fie je nach Umftänden Einer
Stadt zu Hilfe zu ſchicken oder fie mehreren zuzutheilen. Die betref-
fende Stadt oder die Stüdte haben dann den ihnen zugefchieten Leu—
tm einen Hauptmann zu geben, dem diefe auch in allen Stücken ge-
horſam fein follen. .
4 Mahnen beide Theile zu gleicher Zeit, fo geht die erfte
vor
5. Der Theil, der gemahnt hat, behält Beute und Eroberungen.
6. Jeder Theil darf feine Feinde in den Städten des andern
Theiles fchädigen, juchen und angreifen; auch werden Burgen und
Städte einander gegenfeitig offen gehalten.
. Kommt der eine Theil in Krieg, indem er einem Herrn oder
Jemand anders dient, der nicht in dem Bunde ift, fo ift der andere
Theil zur Hilfe nicht verpflichtet, wenn er es nicht freiwillig thut.
Doch foll man Niemandem dienen, fofern e8 gegen den Bund lau-
fen würde.
8. An keiner Sade, die ſich in Folge dieſes Bündniſſes erho-
ben bat, fchliegt der eine Theil Frieden ohne des andern Willen und
Wiſſen. Auch nimmt man Niemand in den Bund auf ohne vorher-
gegangene einhelligliche Uebereinftimmung der beiden Theile.
9. Zur Beendigung von Kriegen, die während der Dauer die=
ſes Bündniſſes aus Veranlaſſung deffelben entjtehen, Hilft man ſich
noch ein Fahr lang über deffen Dauer hinaus.
10. Ausgenommen werden der König und das Reich, die Baiern-
berzoge und die Markgrafen von Baden, Herzog Yeopold und eine
Anzahl anderer Herren, mit welchen die Städte im Bündniſſe ftehen,
fo lange dieje betreffenden Bündniffe dauern; doch foll fein neues der
Art mehr abgefchlofjen werden, ohne daß diefer gegenwärtige Bund
darin ausgenommen wird. Sn einem befondern Beibriefe verſprach
man fi) dann noch, daß wenn Giner von den obigen Herrn einen
der verbündeten Theile angreife, man auch gegen ihn diefem zu Hilfe
eilen wolle.
Wie groß das Anfehen war, zu dem die Städte emporgeitiegen,
seigte fich bald aufs deutlichjte. Herzog Friedrich von Baiern und
der Landgraf Johann von Leuchtenberg hatten von Wenzel eine Voll:
macht erhalten, die Juden in Regensburg außerordentlicher Weife zu
beichagen, die Stadt aber widerjete fich, weil es kurz zuvor ertheil-
tem föniglichen Privilegien zuwiderlief . Während fie ſich rüftete, um
ihren Widerſpruch mit gewaffneter Hand zu behaupten, ſchickten die
zoge Stephan und Friedrid ein Schreiben an die ſchwäbiſchen
Städte (3. Yuli 1381), worin fie denfelben anzeigten, daß die Re—
gensburger fie von ihren Rechten dringen wollten, und fie aufforder-
ten, dem Bündniffe gemäß ihnen Hilfe zu leijten, denen von Regens⸗
burg zu widerfagen, und falls diefelben in den Bund treten wollten,
fie nicht aufzunehmen. In ähnlichem Sinne fehrieb der Landgraf
ı &emeiner U, 197.
40
von Leuchtenberg. So drohten die Befürchtungen, welche die fchwä-
bifehen Städte beim Cingehen ihres Bündniſſes mit Baiern in Be
ziehung auf Regensburg gehabt hatten, in Erfüllung zu gehen. —
Allein fofort (6. Juli 1381) ließ die Stadt Ulm, welche eine Art
von vorörtlicher Stellung im Yunde einnahm, einen Brief nad Re
gensburg abgehen, worin fie die beiden angeführten Schreiben mit
theilte, über die Verhandlungen mit den rheinifchen Städten berichtete,
und verſprach, in der nächſten Bundesverſammlung der Stadt zu Lieb
und zu Tienjt zu reden und für diejelbe zu thun, was in ihren Kräf⸗
ten stehe. Zu dem Ende möge man ihnen geheime, vertraute Nad-
richt zufommen lajjen, wie die Sachen geitaltet feien.
Inzwiſchen waren die Herzoge bereits vor Regeneburg gerüdt,
e8 gelang jedod dem Pfalzgrafen Ruprecht dem jüngiten, am 10.
Juli einen Waffenftillftand zu vermitteln, damit die Sache vor den
König gebracht und durch ein von ihm niedergefegte® Gericht von
Fürſten und Herren entjchieden werde. Allein che der ausgefchriebene
Tag zu Stande fam und ein Spruch erfolgte, war die Stadt Re
gensburg in den Ztädtebund aufgenommen worden. Am 2. Cept.
wurde die Aufnahmsurfunde ausgefertigt, und an demjelben Tage er-
ließen die Bundesſtädte ein Schreiben an die Herzoge ſowie an den
Yandgrafen , worin fie diejelben von allen weitern Feindſeligkeiten ges
gen ihre Kidgenofjen von Regenäburg abmahnten. Das hatte num
wirflid auch den Erfolg, dag die Sache zu Gunften der leßteren
ausgetragen wurde .
Mar es gelungen, diefe Angelegenheit beizulegen und einen Krieg
mit den Herzogen zu vermeiden, To brach hingegen bald von anderer
Zeite ein folder aus, der aber für die Ztüdte minder gefährlich war.
Tie Grafen Yudwig und Friedrich von Dettingen, Verbündete derfel-
ben, jowie die Ztüdte Rotenburg an der Tauber und Nördlingen
waren in seindfeligfeit gerathen mit der St. Georgengefellichaft in
Franken. Tiefe fand Helfer an der Löwen- und an der St. Wil-
helmsgeſellſchaft?. Doch nahm an dem Kriege, der jetzt ausbrach,
nicht die ganze Yöwengefellichaft Theil, fondern nur die Gefellfchaft
in Schwaben, während die am Rheine ſich jtill verhielt, wohl aus
Furcht vor den rheinischen Städten, die dann von den ſchwäbiſchen
aufgefordert worden wären, gleichfalis loszufchlagen. Auch von einer
Petheiligung Graf Eberhards vernehmen wir nichtd, was auffüllt, da
jein Sohn Ulrich einer der Hauptieute der Yömengefellfchaft war.
Es ijt anzunehmen, dab er mit den Städten ein Ablommen traf,
durch weldyes er, für feine Perfon und feine Yande eine neutrale Stel⸗
I Reg. 171.
» €. Reg. 172 ben Schiedsſpruch des Herzegs Leopold vom 3. April
1382, ber die beiden Parteien ſammt ihren Heliern nambaft nacht.
Diefe wird als eine beſondere unterichieden in dem Bündniſſe vom
9. April 1382, mo bie Lüwengefelihait in Schwaben fie unter den Nichtzu:
befehbdenten ausnimmt.
41
bag zujicherte und zugefichert erhielt. Klug wie er war, mochte
a8 w Wohl gerne fehen, daß die Städte in einen neuen Krieg ver-
welt wurden, aber die Verhältniffe doch nicht günftig genug finden,
m uad den ſchweren Verluſten, die er erlitten, ſich ſelbſt drein zu
wien. Im Spätherbite 1381 brach der Krieg aus und wurde in
saufen und dem öftlihen Schwaben unter gegenfeitiger Verwüſtung
kt Gebietes geführt. Zu Augsburg ſammelte ſich im November ein
inttliches Bundesheer von 1400 Spießen und 500 Fußfnechten. Es
werde ein Zug ind Nies und nad Franken unternommen und na=
in der Nähe von Rotenburg große Verheerung angerichtet.
Später führten noch die einzelnen Städte, namentlich Augsburg, Ulm,
dell eine Menge glüdlicher Kriegsthaten aus umd brachten ihren
jemden großen Schaden bei?. In einem ſolchen Kriege waren die
Etüdte in großem Vortheile. Denn die Ritter und die im Ganzen
ch minder mächtigen Herren, aus denen jene Gefellfchaften beftanden
md die ohne dieß nicht fehr begütert waren, litten aufs empfindlichfte
urh die Verwüſtung ihrer Dörfer und durd die Einnahme ihrer
Burgen. Don einem großen Heere, das fie etwa zuſammen ausge⸗
rftet hätten, um den Städtern im Felde die Spige zu bieten, erfah-
ren wir nichts; einzeln unternahmen fie Plünderungszüge oder fuch-
ia jie ihre Schlöffer zu vertheidigen, die aber meiſt vor dem fchiwe-
m Geſchütze der Städter zufammenbrechen mußten. Der Bilchof
on Augsburg, Burkart von Ellerbach, der jammt feiner Geijtlichfeit
sit den Augsburgern feit mehreren Jahren im Streite lag, hatte ſich
ah in die Löwengefellichaft aufnehmen laſſen und befriegte jetzt die
Stadt. Das benuste die Bürgerfchaft, um energifch gegen die Geift-
fihleit einzufchreiten. Alle Gebäude, welche der Bifchof oder die Geift-
ken zunächit den Ringmauern befaßen, wurden abgebrochen bis auf
14 Fuß Entfernung, alle Pfaffen und Kloftergeiftlichen mußten Bür-
ger werden umd fteuern. ‘Denen unter ihnen, welche aus der Stadt
gefahren „maren, nahm man Alles weg, was fie in derfelben zurück⸗
en 3.
— gelang es im Jan. 1382 dem Herzog Leopold, einen Wafe
fenftilfitand zu vermitteln, der bis zur Oſterwoche dauern follte, Es
wurde derjelbe zwar durch einige Adliche verlegt, was die Ulmer durch
Enthauptung zweier an diefem Triedensbruche Betheiligter rächten,
allein das hinderte nicht, daß nad) Ablauf der feitgefegten Zeit eine
wirkliche Ausfühnung zu Stande fam. „Den Krieg konnte weder Rai-
fer noch König verrichten, fagt ein Zeitgenoffe aus Augsburg, denn
alfein der edle ‚Herzog Leopold, den Gott lang behüite vor Lehel“ *.
Bährend die Städte in Ulm tagten, begab fich der Herzog nad;
gen, und verkündete dort, al8 von beiden Parteien ermwählter
Schiedsrichter , wie folgt:
* Daß er Übrigens in dem Krieg auch Schaben erlitt, zeigt Reg. 873
Artikel 15.
» 4, Chr. 122. 123. 3A. Chr. 122. *A. Chr. 123.
42
1. Die beiden Parteien follen fürderhin gute Freunde fein.
2. Die Gefangenen werden binnen 8 Tagen losgegeben „auf :
ſchlechte Urfehde*; für Ritter und Edelfnechte werden je 2 Schilfinge, ;
für gemeine Knechte und Banern je 1 Schilling Löjegeld bezahlt. :
3. Eroberte Veſten und Burgen werden gleichfalls binnen 8 .
Tagen zurückgegeben.
4. DBrandfchatungen, die noch nicht entrichtet worden find, were
den nicht nachbezahlt. \
5. Da die beiden Parteien auch um die Uebergriffe, die wäh- -
rend des Waffenftillitandes ftattgefunden, an den Herzog gekommen
find, fo behält er fid) vor, hierüber noch des Weitern zu entfcheiden.
Allein man begnügte fich nicht mit diefer Ausföhnung; die bis:
herigen Gegner follten zu einem Bündniffe vereinigt werden, und ale
dritte Partei fchloß fid) Herzog Leopold mit den vordern Landen an,
die er feit der am 25. Sept. 1379 zwifchen ihm und Herzog Al:
brecht vorgenommenen Theilung allein regierte.
Die Stellung diejes Fürften war damals nad) vielen Seiten hin
eine fehr fchwierige. Allenthalben in feinen Gebieten war entmeder
offener Krieg, oder bedenkliche Verwicklungen drohten bald in folchen
überzugehen. Aus Italien fam ihm eine Botjchaft nach der andern,
welche von den Angriffen des Franz von Carrara auf feine neueriwors
bene Stadt Treviſo meldete, und mit Baiern konnte es nächſter Tage
zu einem Bruce fommen, da die dortigen Herzoge den mit Oeſterreich
verbündeten Erzbifchof von Salzburg zu befriegen begannen. Mit den
Schweizerifchen Eidgenoffen hatte er zwar Frieden, aber die gegenfeitige
Spannung war groß. So mußte e8 dringend nöthig erfcheinen, wes
nigjteng die Befigungen in Schwaben ſicher zu ftellen. Das Bünds
niß, das er und fein Bruder mit den dortigen Städten gefchloffen
hatten, lief in einigen Tagen ab, und die Freundſchaft zwifchen beiden
heilen war in Folge der Begebenheiten von 1379 erlaltet. Als im
vorigen Herbſte der Herzog den Bund gegen die Stadt Colmar
mahnte, zu deren Unterftügung K. Wenzel die Straßburger aufgefor-
dert hatte, fchrieben die Ulmer aus Regensburg: „Man will uns mit
großer Gefcheidigfeit in den Krieg ziehen, felbft gegen Bundesgenoffen,
und uns in des Königes, des Pabftes und der Kurfürften fchwere
Ungnade bringen. Dazu giebt man unſern Söldnern weder Herberge,
Stroh, Licht, noch Heu, wie der Bund weifet“ '. Zum Glüd wur:
den die Streitigkeiten zwijchen dem Herzog und der Stadt bald dar-
auf ausgeglichen und dadurd die fchwäbifchen Städte aus dem miß-
lichen Verhältniſſe, in welches fie diejelben gebracht hatten, erlöft ?. —
Dagegen wurde um eben die Zeit im Detbr. 1381, der Grund zu
jolden gelegt dadurd), daß der Herzog die Herrichaft Hohenberg an-
faufte, weldje den Städten früher theilweife verpfändet worden war 3.
Daher benugte er die Gunft, in welche er fich durch feine Frie—
densvermittlung bei den Städten geſetzt hatte, dazu, fie zum Abjchluffe
2 Reg. 168. 2 Lichnowsky IV, 200, 8Lichnowety IV, 196,
43
een Bündniffes zu bewegen, zu welchem man jet noch die
efellichaften zuzog: Auch Graf Eberhard, dem es darum zu
ar, mit den Städten vor der Hand einen jichern Frieden zu
umd der früher vergebliche Verfuche gemacht zu haben fheint,
t ihmen zu verbinden !, benugte die Gelegenheit und ließ fi)
rbündeter der Löwengefelfichaft mit aufnehmen. Der Inhalt
rtrages, der fofort am 9. April 1382 in Ehingen abgeſchloſ⸗
rde, ift im Wefentlichen folgender:
erzog Leopold von Defterreich ꝛc. mit feinen Landen und Leu⸗
Elſaß, Preisgau, Sundgau, Aargau, Thurgau, Kurwalchen
:chwaben, fonderlih mit der Herrfchaft Hohenberg und mit
was diefen feinen Landen und Senf haften zugehört, es feien
‚ Beten oder Schlöffer, die in denfelben gelegen, auch mit allen
gten und ‘Dienern, die dafelbjt gefeifen und wohnhaft find,
raf Eberhard von Wirtemberg, und die Hauptleute der Gefell-
mit dem Löwen zu Schwaben: Graf Heinrich) von Montfort
ı Zettnang, Graf Ulrich von Wirtemberg und Graf Friedrid)
‚ler von Hohenzollern, die Hauptleute der Gefellichaft mit
ilhelm, die Hauptleute der Gefellfchaft mit St. Georg, und
Herren, Nitter und Knechte, die den drei Gefellfchaften ange
wie fie in den Revieren und Kreifen geſeſſen find von dem
1 Speier jenſeits des Rheins hinauf gen Straßburg, und von
urg vor dem Gebirge hinauf gen Baſel, und-von Bafel jenfeits
eines hinauf gen Bregenz, und von Bregenz vor dem Gebirge
gen München, und von München bis gen Ingolſtadt, und von
adt bis gen Eichjtädt, und von Eichſtädt bis gen Regenſpurg,
Regenſpurg bis gen Amberg, und von Amberg bi® gen Eger,
ı Eger bis gen Koburg, und von Koburg bis gen Schweinfurt,
ı Schweinfurt bis gen Miltenberg, und von Miltenberg gen
rg, und von Heidelberg wider gen Speier in das Urfar,
- freie Stadt Kegensburg und des h. Röm. Reiches Städte
rg, Ulm, Conftanz, Eßlingen und alle andern, die den Bund
vaben mit einander halten,
rbinden jich bis zum 6. Januar 1384.
Wird Jemand aus den Verbündeten wider Recht angegriffen
chädigt, jo Helfen ihm die andern fofort, den Schaden abzu⸗
und zu rächen von einem Mittage zum andern.
Iſt die Sache weitläuftiger, jo wird Herzog Leopold zu
(im Aargau) gemahnt, Graf Eberhard und die Gefellfchaften
tgart, die Städte in Ulm, und der gemahnte Theil fchidt in
hſten 14 Jagen dem mahnenden 50 Spieße zu Hilfe Wird
il zu gleicher Zeit von den beiden andern gemahnt, ſo ſchickt
ı jeden derfelben die genannte Zahl von Spießen, und zwar
ne Kojten, doc fo, daß fie an den Orten, wohin fie zu Hilfe
Feilen auf erhalten.
Kann die Sahe auh fo nicht ausgerichtet werden, fo er-
3. Chr. 320,
44
folgt eine neue Mahnung, und in den nächſten 14 Tagen findet eine
Zuſammenkunft Statt, zu welcher der gemahnte Theil fünf, der Ri
juchende vier Abgeordnete fit. Der Ort der Zufammenkmft
je nachdem der Herzog, der Graf und die Gefellichaften oder bie:
Städte gemahnt werden, Kirchheim, Mengen oder Ulm. Die Yinfe,
die in den betreffenden Fällen jeder Theil entweder alle oder mit Anbei
J
*
laſſung eines derſelben zu ſchicken hat, werden im Voraus bezeichnet; i
von den Fünfen, welche den Grafen von Wirtemberg und die Gele:
Ichaften vertreten, hat der Graf zwei geftellt, jede Gefellfchaft einen. —
Diefe Neune berathen dann über die Hilfe, und nad) ihrem Abe -
jpruche wird gehandelt. Trifft es ſich, daß ein Theil zugleich von den
r
beiden andern gemahnt wird, fo wird nad) einander berathen, indem .
der gemahnte jedesinal fünf Mann zu den vier des andern ftellt, do -
fünnen die drei Theile auch übereinfommen, die Sade in
haft mit einander vorzunehmen.
4. Wenn zu gleicher Zeit zwei Theile einander gegenfeitig mah⸗
nen, ſo geht die erſte Mahnung vor, es ſei denn daß die Neune er⸗
kennten, beide Sachen könnten zugleich abgethan werden.
. jeder Theil bleibt bei feiner ftillen ruhiglich nuglichen Gewere,
wie er dieſelbe bis auf dieſen Tag hergebracht, genoſſen und beſeſſen hat.
6. In Beziehung auf das gegenſeitige Rechtsverfahren werden
eine Anzahl von Verfügungen getroffen, von welchen wir die hervor⸗
heben welche die Städte betreffen:
a. Haben diefe oder die Fhrigen etwas an Diener und Ange .
hörige des. Grafen von Wirtemberg oder der Mitglieder der Gefell⸗
ſchaften zu fordern, betrifft es folche Leute, die in „gemauerten Ge⸗
richten“ geſeſſen find, fo follen fie ihnen dorthin nachfahren, da Recht
vor den dortigen Amtleuten und Schultheißen fuchen und fi mit .
dem was ertheilt wird, begnügen. Betrifft es aber folche die in .
Märkten, in Dörfern, in Weilern oder in Höfen geſeſſen find, fo
jollen fie fich gegen denfelben halten, wie das jede Stadt gegen i
* — —
Nachbarn oder gegen die, denen fie oder die Ihren zuzuſprechen haben,
von Alters oder Gewohnheit hergebracht hat. — Bon dieſen Beltim-
mungen ijt jedod) Rotenburg ausgenommen, das, ohne von dieſem
Rechte berührt zu werden, bei feiner Stadtfreiheit bleiben joll. Diefe
Bemerkung bezicht ſich wohl auf das Landgericht dafelbit, vor weiches
die Bürger ihre Nachbaren zu laden fich für berechtigt hielten; es
war die Veranlaffung zu vielfachen Streitigkeiten mit dem umliegen-
hs hd .».
den Adel fowohl als mit dem Pifchof von Würzburg; auch durd die |
eben vollzogene Ausföhnung war nichts Beftimmtes darüber feſtgeſetzt
worden; die Rotenburger wollten von ihren Anfprüchen nicht abgehen, '
ihre Gegner diefelben nicht in ihrem vollen Umfang anerkennen, des⸗
halb feßte man in den Vertrag bloß diefe allgemeine Formel, welde .
verschieden konnte gedeutet werden, freilich auch beſtändig zu neuen
Zänkereien führen mußte!.
U Reg. 338; Benſen, Hiſtoriſche Unterugunge über die ehemalige
Reichsſtadt Rotenburg 142 ff. Vergl. unten.
- — 22
45
b. Haben aber die Städte oder die Yhrigen mit einem Diener
8 Grafen von Wirtemberg oder mit einer aus feiner oder feiner
Diener Städten in einer Sache, welche die ganze Stadt betrifft, zu
qheffen, oder mit einem der Mitglieder der Gefellfchaften, oder einem
rer Diener, oder einem aus ihren oder ihrer Diener Städten, fo
irb die Sache jchiedsrichterlich ansgetragen, fo, daß die Städte, je
ahdem jie es mit dem Grafen oder mit den Gefellfchaften zu thun
ben, aus den oben bezeichneten fünf Vertretern derfelben einen her-
suehmen und ald gemeinen Mann aufftellen. (Die Stadt Roten⸗
ag macht auch hier wieder eine Ausnahme bei Streitigfeiten, die fie
# den Gliedern der St. Georgengejellfchaft Hat). Zu dieſem ge-
men Manne, der den Ort beftimmit, wo gefprochen werden foll, hat
e Bartei ihre Schiedsleute zu feßen, und diefe geben binnen 14 Ta⸗
tihren Spruch ab. — Doch foll nicht um Eigenfchaften und Pfand-
aften und um den Beſitz ganzer Städte auf diefe Weife eine An
derung gefchehen. — it einer der ftreitenden Theile in Acht oder
nm, jo hat das auf den Rechtsgang feinerlei Einfluß.
c. Haben die Städte oder die Ihrigen etwas an die Grafen
Wirtemberg, an beide oder an einen unter ihnen, zu fordern, fo
Ken dieje einen gemeinen Mann aus den fünf oben erwähnten
ordnneten der Städte und zwei andern, welche für diefen Fall noch)
weiteren Auswahl beigefügt jind; zu diefen fegen fie zwei Schieds-
e, daſſelbe thun die Beklagten; diefe Schiedsleute erfennen, ob die
ge begründet fei oder nicht; ift das erftere der Fall, jo wird dann
neues Schiedsgericht niedergefeßt in derfelben Art, wie es oben
die Streitigkeiten mit den andern Herren bezeichnet ift, gleichfalls
7 der Bedingung, daß ihnen um feine ihrer Herrfchaften oder
de zugefproden wird.
In entfprecdender Weife haben die Grafen, die Mitglieder der
eltfchaften und die Yhrigen, wenn fie eine Forderung an Bürger
* Angehörige der Städte jtellen wollen, diefe vor ihrem ordent-
a Richter aufzufuchen, wenn die Sache dagegen eine ganze Stadt
ifft, aus den fünf oben bezeichneten Vertretern der Städte und
i weiter Hinzugefügten einen gemeinen Mann auszuwählen, der in
neinjchaft mit den von beiden Seiten aufzuftellenden Schiedsleuten
Streit fchlichtet, nnd zwar muß, da die Städte fi) in vier Re-
e getheilt haben, der gemeine Mann einer Stadt defjelben Reviers
ehören,, dem die Stadt, um welche es fich handelt, zugetheilt ift.
Ebenſo wie es für dieje beiden Parteien beftimmt war, wird es
h mit den Forderungen gehalten worden fein, welche der Herzog
, die Städte an einander zu ftellen hatten.
d. Handelt es fih um angefallenes und anerftorbenes Gut,
der Berftorbene ift ein Bürger gewefen, fo follen die, welche
ipruch auf das Gut erheben, in der betreffenden Stadt Recht ſuchen,
nicht, fo Toll es auf dem Lande berichtigt werden durch einen ge—
nen Mann aus dem Theile, aus welchem der ift, welcher den
ipruch erhebt.
46
e. Was die Städte des Bundes in Franken und die Yhrigen
mit der St. Sörgengefellichaft und den Ihrigen zu fchaffen befommen
und umgekehrt, das follen fie beidenthalben mit freundlichen Rechten
austragen an den Stätten, wie e8 von Alter herkommen ift, nach des
Landes Gewohnheit.
7. Jeder Theil foll darauf achten, daß von feiner Seite den
Gliedern der andern nichts entriffen werde, was fie in ruhiger ftiller
Gewere inne haben und fein Uebergriff ohne Einfchlagen des Rechts⸗
ganges ftattfinde. Gefchieht es doch, fo forgt der betreffende Theil
Schnell dafür, daß e8 wieder eritattet wird und dann die Sache nad
dem Rechte vor fich geht. Vermag er das ohne die Hilfe eines ober
der beiden andern Xheile nicht zu bewirken, fo ſchickt jeder der leßteren
jeine Fünfe ab, während der erftere feine Biere giebt, und die Neune
erfennen dann, was zu thun. Dann wird fo lange gegenfeitig Hilfe
geleiftet, bi8 die Neune erfennen, daß der Sache genug gefchehen fei.
Ausgenommen werden verbriefte Schuld, unläugbare Gilt u. f. f.
Da follen Yedermann feine Rechte vorbehalten fein. Hingegen wird
in Beziehung auf Schuld und Gabe, welche Herzog Leopold oder feine
Vorfahren um Dienjt verfchrieben oder verheigen haben, beftimmt, daß
die beiden andern Parteien Niemanden zum Bürger aufnehmen follten,
dem fie darum beholfen fein und dem zu Liebe fie den Herzog oder
die Seinen pfänden Fünnten.
8. Eine fortwährende Veranlaffung zu Streitigfeiten der Für-
ften und Herren mit den Städten boten die Fälle, wo jene durch
Bürgeraufnahmen der letzteren ſich in ihren Rechten beeinträchtigt
glaubten. Solcher Fälle konnten mehrere eintreten.
a. Einzelne Hörige eines Herrn oder freie Leute, welche in Ge-
genden wohnten, die feiner Gerichtsbarkeit unterworfen waren, ließen
fi in den Städten als Ausbürger aufnehmen, d. h. fie wurden dort
Bürger, behielten aber ihren Wohnfik auf dein Lande, und entzogen
fih nun häufig den Pflichten gegen den Herrn, die Hörigen, indem
fie die Schuldigen Steuern und Dienfte nicht entrichten wollten, die
Freien, indem jie für ihre Güter Eremption von der landesherrlichen
Gerichtsbarkeit beanfpruchten und bloß vor den ftädtifchen Gerichten
zu Recht ftehen wollten. Die fi) auf folhe Weife ins ftädtifche
Bürgerrecht aufnehmen liegen nannte man Pfalbürger, und diefe Auf-
nahme von Pfalbürgern ijt es vorzugsmweife, die jo viele Beſchwerden
der Herren gegen die Städte hervorgerufen hat. M
b. Hörige eines Herrn zogen ganz vom Lande weg, ließen ſich
in einer Stadt förmlich nieder, wurden dort Bürger und entzogen ſich
auf diefe Weife allen Verbindlichfeiten gegen ihren früheren Herri.
c. Unverrechnete Amtleute eines Herrn entzogen fich, indem fie
in Städte flohen und ſich dort al8 Bürger aufnehmen ließen, der ver-
dienten Strafe.
Alle diefe Fälle Famen jehr häufig vor, indem die Städte auf
jede Weife ihre Bevölferung zu vermehren, und dadurd) ihre Bedeu⸗
tung und ihre Macht zu heben fuchten. Kine weitere, nod) größere
47
Beeinträchtigung der Herren aber war e8, wenn, was aud) vorfam,
eine Stadt ganze Städte oder Dörfer, die folchen angehörten, in ihr
Purgredt aufnahm. Damit war zwar nicht nothmwendig ein fürm-
ficher Abfall derfelben verbunden, aber immerhin dadurd), daß die
Städte fi) jetzt in alle ihre Angelegenheiten einmifchten, die Macht
der Herren über fie beträchtlich geſchwächt.
Dieje Punkte mußten daher nothwendiger Weife in den Verträ-
gen zwifchen den Herren und Städten berüdfichtigt werden; im Ba⸗
dener Dertrage war es nicht gejchehen, weil diefer e8 vorwiegend auf
gegenfeitige Hilfsleiſtung abgefehen hatte; hier aber, wo es mehr dar-
auf ankam, einen geregelten Zuftand zwifchen den abfchliegenden Par⸗
teten herbeizuführen, waren Beſtimmungen darüber jehr an ihrem
Plage. Eie fielen für die Städte ziemlich günftig aus. Es wurde
nämlich feſtgeſetzt:
a. Fein Theil darf Angehörige eines Mitgliedes der andern
Theile zu Bürgern aufnehmen, wenn fie fi) nicht haushäblich in der
Stadt niederlaffen, wo fie Bürger geworden find; hat aber ein fol-
her fich vorher feinem Herrn gegenüber verfchworen oder verbürgt,
nicht von ihm wegzuziehen, fo kann ihn derfelbe binnen Jahresfriſt
wieder herausverlangen, indem er auf die Art und Weife, die näher
angegeben wird, den Beweis dafür aufbringt.
b. Edelleute, Klöjter und Pfaffen hingegen können wohl ale
Ausbürger in Etädten aufgenommen werden, wie bisher.
c. Ebenſo kann ein Bauer, der feines Herrn oder Städtebür-
gers aus den andern zwei Theilen eigener Mann ift, in einer Stadt
des dritten Theiles zum Bürger aufgenommen werden und doc, auf
dem Lande draußen wohnen bleiben, entweder auf feinem oder auf
eines andern Bürgers Gute, jedoch müſſen folche Leute, wenn fie in
irgend eines dieſem Bündniffe angehörigen Herrn, Ritters, Knechtes
oder Etädtebürgere Dörfern, Gerichten, Zwingen oder Bännen ge-
feffen find, die betreffenden Dorfrechte, Gerichte u. ſ. mw. halten, wie
Andere, welche dafelbft fiten.
d. Wenn einer aus einer Stadt des einen Theils in eine Stadt.
eines anderen hinüberzieht und dort Bürger wird, fo muß er der
Stadt, aus weldyer er gezogen oder dem Herrn, welchem dieſelbe an-
gehört, alle die rüctändigen Gülten, Steuern und Strafgefälle ent-
richten, die man ihm binnen Jahresfriſt nachweifen Tann.
9. Kein Theil fol die Feinde der andern haufen, hofen, fpei-
fen oder tränfen, nod deren Schlöffer, Veften, Städte oder Güter
in feinen Schirm nehmen.
10. Zur Beendigung von Kriegen, die aus diefem Bündniſſe
entfpringen, hilft man ſich gegenfeitig auch über die ‘Dauer deijelben
hinaus, bis die Neune erkennen, daß der Sache genug gethan fei.
11. Zur Belagerung von Städten, Schlöffern und Velten darf
fi) jeder Theil Werkleute und Zeug von den andern ausbitten; es
bat derfelbe jedoch die Koften allein zu tragen und darf auch über das
48
Eroberte und die Gefangenen verfügen unter Beobachtung berfelben
Vorfichtsmaßregeln, wie wir fie im Badener Vertrage vorgefunden.
12. Werden Belagerungen von allen drei Theilen zu gemeinem
Nuten unternommen, jo fommt auf jeden ein Drittel der Koften fo-
wohl als des Gewinnes. Die Abrechnung findet im nächſten Monat
nad dem Ende des Feldzuges in Ulm Statt, und im nädjitfolgenden
Monat wird bezahlt.
13. Die Diener und Beamten eines jeden Theiles haben das
Bündniß zu befchwören.
14. Stirbt einer der Schiedsleute oder der gemeinen Leute, fo
fegt der Theil, dem derfelbe angehört hat, binnen Monatsfrift im
Einverftändnig mit den andern Theilen einen Nachfolger an deffen Stelle.
15. Alle Theile fünnen während der Dauer des Bündniſſes
neue Diener und Bürger annehmen, die dann auch den Schuß deſſel⸗
ben genießen, nachdem fie es zunor bejchworen haben. Keinem fol-
hen hilft man aber in einer Sache, die fi) aus einer Zeit herfchreibt,
da er noch nicht aufgenommen war.
16. Keiner der drei Theile darf einen Fürften, Grafen oder
andern großen Herrn oder Bifchof von ſich aus in diefen Bund auf-
nehmen, fondern wenn er einen foldjen, der aber in den oben be=
zeichneten Kreifen gefeffen fein muß, aufnehmen möchte, fo hat er von
feiner Seite vier Mann zu ftellen, wozu die andern beiden fünf hin⸗
zugeben, und diefe Neune entfcheiden über die Aufnahme.
17. Die Diener der Verbiindeten, welche das Bündniß nicht
bejchwören, find auch feines Schutes nicht theilhaftig, und werden, im
Falle fie ein Stück deſſelben übertreten, von allen Bundesgliedern mit
vereinter Macht überzogen.
18. Da das Bündniß der Kömengefellfchaft auf nächte Weihnacht
ausgeht, fo können die Deitglieder derjelben, die wollen, austreten, doch
haben die Hauptleute der Gefellichaft ihre Namen, da man ihnen dann
nicht mehr zu helfen verpflichtet ift, den Verbündeten anzuzeigen.
19. Alle drei Theile bleiben bei ihren Freiheiten, Briefen, Rech⸗
ten und guten Gewohnheiten, wie fie die von Röm. Kaifern und Köni-
gen hergebracdht haben. Befonders vorbehalten werden noch die Briefe,
welche der Graf von Wirtemberg und die Stadt Eplingen gegen ein-
ander haben.
20. Die Anzahl der Reichsſtände, die jeder Theil außer dem
Könige und dem Reiche noch als feine Verbündeten ausnimmt, ift
ziemlich groß.
Durch dieſes Bündniß hätte bei den ſehr zweckmäßigen und den
BVerhältniffen angemefjenen Bedingungen , die e8 enthielt, der Grund
zu einer feſten Handhabung der Ruhe in ganz Schwaben fünnen ge-
legt werden. Allein die verfchiedenen Parteien, welche dajjelbe einge-
gangen, verfolgten zu verjchiedene Intereſſen, ftanden fich zu jchroff
gegenüber, als daß an ein wirklich aufrichtiges Entgegenfommen zu
denken gewejen wäre und ein feſter Anfchluß hätte zu Stande kom⸗
men fünnen. Sie fuhren fort einander mißtrauifch zu beobachten.
49
Herzog Leopold, der bald nad) Abfchlug deffelben in offenen
Krieg mit den Baiernherzogen gerathen war, am 8. December fi
aber mit denfelben verfühnte, ließ fich bei diefer Gelegenheit von ihnen
verfprechen,, ibm beizujtehen, wenn ihn die Reichsſtädte oder die ver-
bundenen Gejellfchaften wider Recht angreifen würden, indem er aud)
ihnen hinwiederum für den gleichen Fall feine Hilfe zuſagte. Graf
Eberhard mochte durch die immer zunehmende Weberjiedlung feiner
Unterthanen in die Städte diefen nicht gerade günjtig geftimmt wer-
den; er ſah ſich genöthigt, um derfelben Einhalt zu thun, im Januar
1383 die Bürgerfchaften von Leonberg, von Bradenheim und die
Einwohnerfchaften vieler nordweſtlich von Stuttgart gelegener Dörfer,
Mann für Mann eidlich fich verpflichten zu laffen, ewiglic) unter ber
Herrſchaft von Wirtemberg zu verbleiben und zu figen. — Dieſes
Ueberjiedeln berrichaftlicher Unterthanen in die Städte fcheint damals
überhaupt bedeutend zugenommen zu haben; in demfelben Jahre 1383
Ge fih Anna von Hohenlohe eine ähnliche Verfchreibung von der
Stadt Dehringen ausitellen. — „Den edlen Leuten gefchah gar un⸗
gnädiglich“, jagt eine Aufzeichnung aus jenen Zeiten, „denn ihre Ei⸗
genleute flohen oft von ihnen, und wollten ihnen nicht dienjtbar fein
wie zuvor, und wenn fie in den Städten Bürger wurden, fo nahmen
fie diefe Städte ein, und fie wurden gefchirmt gegen ihre eigenen Her⸗
ren“ !. — Das war aber nicht gerade geeignet, ein gutes Verhältniß
zwifchen Herren und Städten herzujtellen. Uebrigens feinen die
Mitglieder der Nittergejellfchaften, welche einen Haupttheil des Bünd⸗
niſſes ausmachten, unter fich felbjt durch Feine befonders feiten Bande
vereinigt geweſen zu fein. Königshoven berichtet ?, fie hätten bald
ein Ende genommen, und in der That finden wir fchon in den näch-
ften Jahren feinerlei Nachrichten mehr, die uns auf ein Fortbejtehen
elben fchließen laffen. Bloß die St. Jürgen-Geſellſchaft taucht
fpäter wieder auf.
ı C Ghr. 32. ⸗ 6. 168.
II.
Berfuche des Königs, Städte und Fürften unter feiner
Leitung zu vereinigen. — Verhältniſſe ded Städtebuudes
zur ſchweizeriſchen Eidgenoſſenſchaft.
Wenn ſich auch das Bündniß von Ehingen feines nachhaltigen
Erfolges erfreute, fo war es doc) in fehr großartiger Weife angelegt und
mußte bedeutendes Aufjehen erregen. Namentlich Tonnte König Wenzel
nicht ohne Beforgniß die Nachricht davon vernehmen. Nicht genug,
dag die Städte und die Ritterfchaft felbitändige, zur Reichsverfaſſung
in feiner Beziehung ftehende Bündniſſe abfchloffen, und einzelne Für⸗
ften unter einander fich vereinigten, jetzt ſah man die verfchiedenen
Stände einer ganzen großen Landſchaft zu einem Bunde ſich zuſam⸗
menthun, deffen Anjehen das des Königs in den betreffenden Gegen-
den leicht verdunfeln fonnte. Ueberhaupt wenn die Sache fo fortgieng,
fo mußte Wenzel, wie Stälin treffend bemerft, ganz überflüffig wer-
den. Er beichloß deshalb, wie einjt fein Vater, einzugreifen, alle
eigenmächtigen Bindniffe der Neichsftände unter ſich aufzulöfen, umd
einen Landfrieden zu errichten, deſſen Haupt er felbft als König fein
würde. Wenn einjt Karl die frühern Verbindungen der Städte auf-
gelöft und an ihre Stelle ein gleichfalls aus Städten gebildetes Land-
friedensbündniß gejett hatte, fo wollte jetzt Wenzel, um Vereinen in
der Art des Ehinger Bündniſſes entgegenzutreten, einen Bund jtiften,
an welchen, wie bei diefem, Fürſten, Herren, Ritter und Städte ſich
in gleicher Weife betheiligen follten, aber nur zur Handhabung des
Landfriedens und unter jeiner Autorität. Solche Pläne mußten die
Städte zur größten Wachſamkeit anfpornen. Jetzt galt es, auf der
Hut zu fein und durch feftes Auftreten zu verhindern, daß fie nicht
auf eine Weiſe in einen folchen Yandfrieden eingefügt würden, wodurch
ihre Selbftändigfeit gefährdet oder vernichtet würde. Wenn wir da>
ber jehen, wie fie fich im Laufe des Jahres 1382 enger an einan-
der Tchloffen, fo werden wir dieß wohl mit den Abfichten, welche der
König im Sinne trug, in Zufammenhang zu bringen haben. Den
6. Juni verlängerten die rheinifhen Städte ihren Bund bis zum 24.
Juni 1392, den 28. Septeinber die ſchwäbiſchen den ihren bis zum
23. April 1395, und am 15. October wurde nun aud) die Vereini⸗
61
gung biefer beiden Bimdniffe bis auf Weihnachten 1391 erftredk.
So fomnten fie mit um fo mehr ZJuverficht den Verſuchen des Kö⸗—
nigs entgegenfehen. Beachtenswerth ift es, daß die Schwäbischen Städte,
indem fie ihr Bündniß verlängern, unter den Fällen, welche gegenfei-
tige Hilfeleiftung bedingen, neben den Angriffen auf ihre Freiheiten
jegt au Raub, Mord, Brand und ımrechtes Widerfagen bezeichnen,
die vier Punkte, deren Abwehr und Beſtrafung den jtehenden Sat
bildet , mit welchem alle Landfriedensbündniffe eingeleitet werden. Sie
thaten das offenbar, um auch ihrem Bunde dadurd) gewiffermaßen
den Anftric eines folchen zu geben und dem Könige, wenn er etwa
dem Wortlaute der goldenen Bulle gemäß die Auflöfung beffelben
verlangen wirde, damit entgegen zu kommen: e8 gehöre ja in bie
Reihe der in jenem Neichögefege erlaubten Vereine.
Im Frühling 1383 hielt der König einen Reichstag zu Nürn-
berg, auf welchem unter Mitwirkung der Kurfürften und vieler ans
derer Fürſten und Herren der neue Landfriede errichtet wurde, der ſich
über das ganze Reich Hin erftreden follte. Am 11. des Monats Merz
wurde er verkündet, und in einem Ausfchreiben vom 14. forderte Wen⸗
zel alle Fürſten, Grafen, Freien, Herren, Ritter und SKnechte zum
Beitritt auf, und gebot ihnen, alle etwanigen Verbindungen mit Reichs⸗
ftädten aufzufagen. Dieſe letzteren hatten fic) vom Befuche des Reichs-
tages fern gehalten und betheiligten fic) an der Aufrichtung des Land⸗
friedens in Feiner Weife. Doc war der Wille des Könige, daß aud)
fie noch in denfelben hineingezogen würden. Die an der Gründung
des Landfriedens betheiligten Fürften und Herren fammt den übrigen
Großen des Reiches wurden durd die Bündnißurkunde vom 11. Merz
in vier Parteien gruppiert.
Die erfte umfaßte: das Königreich) Böhmen und was zu ber
Krone diefes Königreiches gehört, die Mark Brandenburg, die Her:
zogthümer Sachſen und Lüneburg.
Die zweite: die Erzbifchöfe von Trier und von Köln, die Pfalz-
grafen Ruprecht den älteren und den jüngeren, den Landgrafen von
Heffen und die Markgrafen von Baden.
Die dritte: die Herzoge Albrecht und Leopold von Oeſterreich,
die Herzoge Stephan, Friedrid) und Yohann von Baiern, den Herzog
von Lothringen, die Bijchöfe von Straßburg, von Augsburg, von Res
gensburg, die Grafen Eberhard und Ulrich von Wirtenberg.
Die vierte: die Bifchöfe von Bamberg, von Würzburg und von
Eichftädt, die Landgrafen Balthafar, Wilhelm und ihre Vettern, Mark⸗
grafen zu Meißen und Landgrafen zu Thüringen, Pfalzgraf Ruprecht
den Jüngſten, Friedrich) Burggrafen zu Nürnberg.
Die Übrigen aufzunehmenden Fürften, Herren, Ritter und Städte
follten dann den zunächft gelegenen Parteien beigegeben werden. Won
den Aufgezählten fcheinen mehrere, wie der Erzbiſchof von Trier und
der Herzog von Lothringen, nie beigetreten zu fein !; Herzog Albrecht
2 Im Mergentbeimer Bünbniffe, wo die Theilnehmer auch nach ben vier
Barteien aufgeführt werben, fehlen dieſe.
4*
62
bon Oeſterreich ließ fich erft aufnehmen, als er nad dem Tode
feines Bruders auch die Regierung der vorderen Lande übernom⸗
men batte.
Diejer Landfriedensbund follte dauern bis zum 23. April 1395,
und während diejer Zeit follten weder Fürften, Herren, Ritter, nod
Stüdte irgend eine andere „gemeine Einung oder einen Bund“ machen.
Die Verordnungen, welche er enthielt, zielten auf gegenfeitige Unter
jtügung zur Handhabung der Ruhe, Hilfsleiftung gegen unrechtmäßige
Angriffe, friedliche Ausgleihung der zwifchen den Bunbesgliedern ſich
erhebenden Etreitigfeiten. Alle verjpradhen, dem Könige getreu zu
bleiben und ihm zu helfen gegen Jedermann hiediesfeitd des Lampart⸗
chen Gebirges in deutfchen Yanden und im Königreiche zu Böhmen. —
Zu gemeinfanten Berathungen ſchicken der König und die Yürften,
Grafen, Herren und Städte der einzelnen Parteien, jedesmal am näch⸗
ften Sonntag nad) Fronfajten, und fonjt, wenn es nöthig ift, je zwei
aus ihren Räthen an den Ort, welcher jeder Partei bequem ift; ift
es nöthig, daß ſich alle Parteien zuſammen befprechen, fo geſchieht
dieg in Nürnberg. Das Ausfchreiben vom 14. Merz, wodurd Für-
jten, Herren und Ritter zum Beitritte eingeladen wurden, enthielt zu⸗
gleich die Anzeige, daß den im Bündniffe befindlichen Kurfürften, Für⸗
jten und Grafen die Vollmacht ertheilt werde, andere Fürſten, Gra-
fen, Herren, Ritter und Städte in daffelbe aufzunehmen, wenn es
ihnen jcheine, daß e8 dem König, dem Reiche und diefer Einung nütze,
nothdürftig und gut fei.
Nach diefen Verordnungen hätten alfo aud) die Städte von ihrem
befondern Bund, der noch kürzlich durch die Aufnahme der fränfi-
hen Städte Windsheim und Weißenburg war verftärft worden, ab»
laſſen und der neuen Einung beitreten müſſen; allein fie waren fei-
neswegs gemeint, das was fie während der legten Jahre in blutigen
Kämpfen errungen und behauptet hatten wieder aufzugeben ; fie konn»
ten unmöglich ſich freiwillig dazu verftehen, es fragte fi, ob der
König verfuchen werde, fie mit Gewalt dazu zu zwingen. Wie ganz
anders jtanden doch diegmal die DVerhältnijje ale im Jahre 1350!
Die feite Haltung des fchwäbilch-rheinifchen Bundes bewog Wenzel
von einem ſolchen Vorhaben abzujtehen, und er fuchte nun auf eine
andere Weiſe fich feinem Ziele zu nähern. Da die Städte von ei
nem Eintreten in den Yandfrieden, wobei fie auf ihren befondern Bund
hätten verzichten müſſen, nichts wifjen wollten, fo gab er diefe For—⸗
derung auf, fuchte aber wenigjtens eine Vereinigung der zwei Städte
bünde und der Herren welche den Nürnberger Landfrieden bejchworen
hatten zu Stande zu bringen. Gr befchied deshalb die legtern im
Sommer 1384 nad, Heidelberg, während die Städte in Speier zu
jfammenfamen. Es wurden Unterhandlungen gepflogen, und am 26.
Juli gelangte in Heidelberg die gewünfchte Cinung zum Abfchluffe.
Sie follte bis nächfte Pfingften über drei Jahre dauern, und enthielt
folgende Artikel:
1. Wird ein Theil befchädigt mit Mord, Raub, Brand oder
63
mrechtem Widerfagen, fo leiften die nächftgelegenen Gtieder des andern
Zheiles Hilfe von einem Mittage zum andern.
2. Iſt die Sache weitläuftiger, fo fchiden auf die Mahnung
der Herren die ſchwäbiſchen oder die rheinischen Städte oder im Noth-
falle auch beide je 50 Spieße, 14 Tage, nachdem die Mahnung er:
folgt ift, besgleichen die nächiten Herren, wenn fie von den Städten
t werben, entweder der einen oder den beiden Abiheilungen
derielben, je 50 Spieße, und zwar auf eigene Koften. Der mahnende
Theil Hat immer felbft wenigftens eben fo viele Spieße zu ftellen, ale
die Zahl beträgt, um welche er den andern mahnt.
3. Liegt man nun zu Felde, jeder Theil mit 100 Spießen,
und das Kriegsvolk fürchtet, dag diefe Macht nicht ausreiche, fo wer:
den von dem DBolfe der Fürften und Herren fowohl als von dem
Volke der Städte je drei Schiedsleute aufgeftellt, und wenn die Sechfe
erlennen, daß fernere Hilfe nöthig fei, fo fehict jeder Theil noch wei-
tere 100 Spieße zu den 100, weldje er bereits gejtellt hat.
4. Weber die Belagerung von Schlöfjern, über Croberungen
und Gefangene ungefähr diefelben Beſtimmungen, wie in den Verträ⸗
gen von Baden und Ehingen.
5. Mahnen beide Theile zugleich, fo geht die erfte Mahnung vor.
6. Rührt ein Schloß, das belagert werden muß, von einem
der Verbiindeten, von einem Herrn oder einer Stadt, zu Lehen, oder
ft von ihm verpfändet oder fein offenes Haus, fo kann der Betref-
fende einer Einnahme diefes Schloſſes zuvorkommen, indem er fidh
dazu verfteht, all den Schaden zu vergüten, der aus demfelben zuge-
fügt worden ift. Doc, hat er gute Sicherheit dafür zu leiften, daß
während der Zeit diefer Cinung den Verbündeten fein Schade mehr
daraus gefchehe.
7. Angriffe wegen verbriefter Schulden, unleugbarer Gült, Hub-
geld, Vogtrechtes, Steuer und Zinfes werden nicht als Raub ange-
fehen ; doc) follen die, welche wegen folcher Sachen angreifen, mit
ihren Pfändern pfandlich verfahren.
8. Gefchehen Angriffe auf Kaufleute, Fremdlinge, Landfahrer
und Pilger, geitliche oder weltliche Yeute, fo haben die, in deren
Gebiet es gefchehen ift, oder die zumächit geſeſſen oder zuerft darauf
aufmerffam geworden find, zu friicher That dazu zu thun, oder, wenn
die Sache mehr Anftrengungen erfordert, die Andern zu mahnen.
9. Sm Kriegen, die ſich wegen der oben verzeichneten Stüde
erheben , fchließt fein Theil Frieden, ohne den andern mit einzufchließen.
10. Kein Theil darf die Feinde des andern, welche denfelben
mit einem der vier Stüde (Raub, Mord, Brand und ımrechtem Wi-
derfagen) angreifen, haufen oder hofen, fpeifen oder tränfen. — Dan
hat hier vorfichtiger Weife nicht den Ausdrud Feinde im Allgemeinen
bingeftellt, fondern eine genaue Bezeichnung und Begrenzung dejjelben
gegeben, da das Nündnig bloß ein Yandfriedens-, kein eigentliches
Schutzbündniß ift.
11. Die Vögte und Amtleute der Fürjten und Herren haben
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diefe Einung zu beſchwören und dafür zu forgen, daß fie auch von
den untern Amtleuten, Schultheißen u. f. w. gehalten wird.
12. Zn Kriegen und auf Zügen, welde von diefer Vereinung
wegen entftehen, foll man den Gütern der Freunde, den Kirchen, den
geiftlichen Leuten und ihren Gütern feinen Schaden zufügen, bloß mit
dem augenblidlich nöthigen Bedarf an Speife darf man ſich verfor-
gen, doch ohne dag man aus Kirchen und Klöftern etwas nimmt.
13. Jeder der beiden Theile verpflichtet fih, Städte, Märkte,
Dörfer oder Weiler, welche Gliedern des andern Theils angehören,
nicht in feinen Bund, in Einung oder zu Nürgern zu empfangen, jo
lange dieß Bündniß währt. Einzelne Perfonen darf man wohl aufs
nehmen, wie das von Alter herfommen ift. Doch foll kein Theil Pfal-
bürger annehmen während der Dauer des Bündniffes.
14. Jeder Theil behält fich feine Rechte u. |. w. vor.
15. Die Grenzen des Bezirks, innerhalb deſſen man fidy ge
genfeitig Hilfe leijtet, ziehen fi) vom Hauenftein dem Gebirge nad)
bis ing Land der Herren von Baiern, an den Böhmerwald, und vor
demſelben hin an den Thüringer Wald, von da an die Lahn, und über
die Lahn bis zum Echelterwald, und vom Echelterwald nad Dridorf,
Hademar, Montabaur, Lahnſtein, über den Rhein bis auf den Hunds⸗
rüden, von da nad Kaiferslautern, Dagfpurg, dem Gebirge nadı bie
Rotenberg, und von da wieder an den Hauenftein.
16. Beide Theile nehmen den König Wenzel und das heilige
Reich aus, ebenſo alle Bündniffe und inungen, die fie fonft ge
Ichloffen haben. Die Fürften und Herren behalten ſich noch befon-
ders vor, daß ihnen diefes Bündniß an der Einung, die der König
zu Nürnberg errichtet hat, keinen Schaden bringe. Die Städte dage-
gen nehmen jede Vereinung und Bündniß aus, die fie vorher unter
einander abgefchloffen haben und alle die noch in diefelbe eintreten,
es feien Fürften, Grafen, Herren, Ritter, Knechte oder Städte, und
verwahren fich dagegen, daß diefe Einung ihnen hieran feinen Scha⸗
den bringe. —
Trotz diefer äußerlichen Vereinigung wurde aber die Spannung
ziwifchen den Fürften und dem mächtig emporftrebenden Städtebunde,
der im Juni auch Bafel und Nürnberg aufgenommen hatte, immer
größer. Namentlich war die Stellung des leßtern dem Herzog Xeo-
pold gegenüber noch immer feine fehr freundfchaftliche und die Auf-
nahme von DBafel war nicht gerade geeignet, diefelbe zu verbeſſern.
Diefe Stadt war durch eine Reihe von Unfällen und durdy Kluge
Benutzung derfelben von Ceiten bes Herzogs dazu gebracht worden,
fi ihm mehr und mehr anzufchließen auf eine Weife, wodurd ihre
Selbftändigfeit jehr beeinträchtigt wurde. Das oberrheinifche Bünd⸗
niß der Städte Straßburg, Baſel und Freiburg war durch die Ues
bergabe des letteren an Dejtreich (1368) gefprengt, Baſel überdieß
durch die Niederlage, die e8 in Gemeinfchaft mit den Freiburgern bei
Endingen erlitten hatte, geſchwächt und durch innere Unruhen, welche
in Folge diefer Niederlage entjtanden, zerrüttet. Als einige Jahre
55
darauf ein Krieg mit dem Bifchof ausbrach, ſchlug fic) der Herzog
auf dejfen Seite, und vermittelte dann einen Frieden, aus dem der
meifte Vortheil ihm zufloß (1375). Vom Biſchof Tieß er fich zum
Dank für feine Hilfe die Stadt Klein-Bafel und mehrere andere um«
liegende Befigungen verpfänden. Die Stadt aber bewog er zum Ab⸗
fchluffe eines Bündniſſes, das fie vollfommen in feine Abhängigkeit
brachte. Im Jahr 13833 nahm er fie auch in den Nürnberger Land-
friden auf. Die Gefahr lag nahe, daß Bafel das Schickſal feiner
Schweſterſtadt Yreiburg werde theilen müſſen. Da ermannte fi)
aber die Bürgerfchaft, und al8 es bei Gelegenheit einer ziwiefpältigen
Biſchofswahl NReibungen mit dem Herzoge gab, bejchloß fie, dem
ſchwübiſchen Städtebunde beizutreten, indem fie glaubte, auf dieſe
Weiſe ihre Selbjtändigkeit anı beiten wahren zu fünnen. Sie Tieß
id am 1. Juni aufnehmen, ohne daß fie in ihrer Beitrittserflärung
den Bund mit dem Herzoge oder den Nürnberger Landfrieden irgend-
wie vorbehielt Zugleich mit ihr ſchloß ſich auch der Bifchof Ymer
von Ramjtein, dejjen Gegner, Wernher Schaler, vom Herzoge unter>
fügt wurde, dem Bunde an.
Das mußte den Herzog Leopold erbittern, und wenige Tage,
nahdem er mit den Städten, denen Baſel fchon beigetreten war, die
idelberger Einung abgefchlojien hatte, ließ er fich, (28. Juli) von
‚Wenzel verfprechen, er werde ihm gegen dieſe Stadt behilflich fein,
wenn es ihm nicht gelinge, fich mit ihr auszuföhnen. Auch ſein Ber-
hältniß zur Stadt Giengen war noch immer nicht geregelt ', und
außerdem dauerten die Zwiltigfeiten in Betreff der Herrichaft Hohen-
berg fort, da die Bundesjtädte die Städte Oberndorf und Schömberg,
die fie in Folge ihrer Pfandfchaft bejettt hatten, fortwährend inne be-
hielten, und bie Rotweiler in ihren Namen dafelbit die Gerichte ver-
walteten und die Gefälle bezogen. Diefe Sache wurde nun zwar
den 7. December durch ein Schiedsgericht zu gütlichem Austrage ge=
bracht , indem man fich dahin verglich, daß die Städte dem Herzog
nad; Empfang von 3500 fl. die verpfändeten Orte zuftellen follten,
aber gleichwohl blieben noch genug Punkte übrig, welche das Miß-
trauen zwifchen den beiden Parteien wach erhalten und die Weberzeu-
gung fördern ınußten, es werde über furz oder lang zum Ausbruche
fommen.
Deshalb hielten e8 die Städte für gerathen, fi nad neuen
Bundesgenoffen umzujehen, und zwar fuchten fie diefelben diesinal
nicht im Lager der Fürften, fondern in einem ihrem Bunde in mans
cher Hinſicht fehr ähnlichen Vereine von Städten und Yändern: die
Beziehungen, welche die Bodenjeeftädte früher zu den Städten Zitrid)
und Bern und zu den Ländern im Gebirge gehabt hatten, wurden
wieder aufgegriffen und ein Bündniß mit der fchweizerifchen Eidge⸗
noſſenſchaft geſucht. Mit wen follte man ſich aber eher zum Schutze
gegen Defterreich verbinden, al8 gerade mit biefer, die ja im Kampfe
2 DBeg. 220,
56
mit Oefterreich ſich herangebildet hatte, und deren Spannung zum
erzoge neuerdings durch deſſen zweideutiged Benehmen im Kyburger :
iege fowie durch die Aufrichtung neuer Zölle aufs höchſte fid) ge -
fteigert hatte. Deshalb bemrühten fich die ſchwäbiſchen Städte aufs
eifrigfte, eine Vereinigung zu Stande zu bringen, und zwar eine :
folche, in der nicht fie allein, fondern auch ihre rheinifchen Eidgenof-
fen begriffen fein follten. Allein fie ftießen auf Schwierigkeiten.
Die Leute von Schwyz waren derfelben Anfichten, wie früher bie
weifen Herren von Straßburg, fie glaubten, daß ein Meines Bimd⸗
niß viel ficherer fei als eine fo weit ausfehende Verbindung, und
fürchteten überdieß, das Gleichgewicht der Länder und Städte möchte
durch den Anfchluß der Eidgenofjenfchaft an einen großen Städtebund
leiden. Deshalb weigerten fie fich felbft beizutreten, und verhinderten
auch die Urner, Unterwaldner, Quzerner und Glarner, e8 zu thm,
wozu ihnen die Bundbriefe da8 Recht gaben. Bern, Züri, Stadt
und Amt Zug hingegen, welche fich bei ihrem Beitritte zur Eidge⸗
nofjenichaft das Recht vorbehalten hatten, nach Belieben neue Bünd⸗
niffe einzugehen, fowie die, mit Bern in einem ewigen Bunde ftes
hende Stadt Solothurn ließen fich bereit finden. Sie fürdhteten den
baldigen Ausbruch eines Krieges mit dem Herzog, dem fie, nament-
(ih Bern, nicht ohne Beforgniß entgegenfahen, und waren froh, Bım-
desgenofjen für denjelben zu finden. So traten fie mit den rheini-
chen und fchwäbifchen Städten in Conftanz zufammen, und fchloffen
dort den 21. Febr. 1385 ein Bündniß ab, das bis zum 23. April
1395 dauern follte, alfo gerade fo lange als das fchwäbifche Bünd⸗
niß felbft, und das feiner ganzen Anlage nach gegen Oeſterreich gerichtet
war. Die Luzerner wußte man auf einem Umwege auch noch Hin:
einzubringen. Sie ftellten nämlich eine ausdrüdliche Urkunde dar⸗
über aus, daß fie während der Dauer diefes Bündniſſes allen Mah—
nungen der Zürcher folgen wollten, wofür ihnen dann hinwieder diefe
zufagten, in ihren Nöthen die Reicheftädte zu ihren Gunften zu mah-
nen. Den Luzernern, welche der Herzog als abtrünnige Unterthanen
feines Haufes ganz befonders hate, und die er durch die Aufrichtung
des Zolles zu Rotenburg aufs äußerfte erbittert hatte, mußte e& vor
allen andern darum zu thun fein, in diefen Bund aufgenommen zu werden.
— Die Artifel des Vertrages lauten fehr günftig für die Schweizer '.
Man fieht deutlih, daß die ſchwäbiſchen Städte e8 find, von wel:
hen die Sache ausgeht; fie lafjen es ſich gerne gefallen, den Schwei⸗
2 Wir erlauben ung, ber Einfachheit wegen biefen Namen zu gebrau:
hen, um nicht immer bie einzelnen Stäbte aufzählen zu müflen. Wenn wir
die fchwäbifchen Städte im Gegenſatze zu ihnen als die Neichöftäbte bezeidh-
nen, was auch ungenau iſt, ba Bern, Züri und Solothurn ja gleichfalls
ſolche waren, fo fchließen wir und einer Ausdrucksweiſe an, bie wir ſchon in
den Urkunden finden, welche dad Gonftanzer Bündniß betreffen. Die Ruzer:
ner verfprechen ben Zürdern: „Und fol aub die vorgefeite Gelübde ſtätt be:
liben bie Jarzal uß, als ed in der obgenanten unfer Eydgenoſſen von Zürich
und in bed Riches Stetten Pundt Briefen, bamit fi zu einander verbunden
find, begriffen iſt“.
57
zen manches zuzugeitehen und größere Verpflichtungen zu übernehmen
als diefe und als felbjt die rheinischen Städte, damit fie den Abſchluß
des Bundniſſes durchfegen. — Die Beitimmungen defjelben find folgende:
1. Der Kreis, innerhalb deifen die Schweizer den Städten zur
Häfeleiftung verpflichtet find, beginnt da, wo die Aare entfpringt, was
man bie Grimſel nennt, und zieht ſich der Aare nach vor Hasle,
vor Bern, vor Solothurn vorbei bis zur Stelle, wo fie in den
Rhein minder, dann rheinaufwärts bis zur Mündung der Thur,
und biefem Fluſſe entlang bis zu deffen Urfprung, dann durch Kur:
walchen hinauf bis zur Veſte NRingenberg, und von dort jenfeits des
Gotthards bi8 auf den Platifer ', von dort auf den ZTöffel und wei-
ter wieder nad) der Grimfel zurüd. — 8 ift genau derjelbe Be⸗
zirt, innerhalb deijen nad den Biindniffen von 1351 und. 1352 Zü-
rih, Zug und die 4 Waldftätte einander behilflich fein follten *, und
der nım am einfachiten auch hier zu Grunde gelegt wurde. Indem
dann die Tuzerner innerhalb deſſelben den Mahnungen der Zürcher
folgten, erfüllten fie nur ihre Bundespflicht. — In dieſen Kreifen
nm helfen die Schweizer den fchwäbifchen Städten, gleich als ob die
Sache ihre eigene wäre, außer denjelben die Städte den Schweizern,
welche die Birrgermeifter und Käthe von Bafel, Conftanz, Ulm oder
Rotweil mahnen; nur die rheinischen Städte find nicht zu dieſer
Hilfe verpflichtet. Außerhalb ihrer Kreife haben die Schweizer durd)-
aus feine Hilfe zu leiten, wenn fie e& nicht aus freiem Willen thun.
2. Auswendig und inwendig der Kreije erhalten die Schweizer
für bie Kriegszüge von den Städten 100 Spieße in den nächſten
14 Zagen nad) der Mahnung und weitere 100 in den nädhitfolgen-
den Tagen. Auch an die Koften diefer Spieße haben die rheinifchen
Städte nichts beizutragen. ‘Die mahnende Stadt giebt den Spießen
Dehaufung ; zu verköftigen aber haben fie fich jelbit.
3. Erleiden die Schweizer außerhalb ihrer Kreife gähen Angriff,
fo fahren die Städte, und zwar hier auch die rheiniſchen, gleich zu,
und umgelehrt helfen die Schweizer den rheinischen und den fchwäbi-
then Städten auf gleiche Weife, wenn diefe innerhalb ihrer Kreiſe
befchädigt werden.
4. Wäre die Sache fo groß, daß fie eines Gefäßes bedürfte,
fo tagen die Bundesgenoſſen zuerft in Zürich. (Auch bier wird
nochmal® hervorgehoben, daß die Schweizer außerhalb ihrer Kreife
zur Hilfe durchaus nicht verpflichtet find). — Die Koften von Bela
gerungen hat die mahnende Stadt zu tragen, und fie auch die Beute
zu genießen.
5. Wenn die Städte derer von Luzern und Zug, die jekt noch
durch den Frieden mit Deftreich gebunden find, bedürfen, jo mahnen
fie die von Zürich und die mahnen jene, ebenfo, wenn die von Luzern
2 Wfatifer (Monte Piontino) im heutigen Canton Teſſin. Platiner bei
Tſchudi und Platin bei Lehmann ift unrichtig. Das Basler gwB hat beut:
lich „Blatifer.“
= ©. 3. B. Bluntſchli, Schweizerifches Bundesrecht II, & 17.
58
und von Zug Hilfe wollen, fo mahnen fie die von Zürich, und diefe
die Räthe von Bafel, Eonftanz, Ulm, Rotweil. Nach Ablauf des
Friedens können dann die von Zug direkt gemahnt werden, nicht aber
die von Luzern, aus dem oben bezeichneten Grunde.
Der Friede, deifen bier gedacht wird, ift der fogenannte Thor⸗
bergifche, den am 7. Merz 1368 der öſterreichiſche Landvogt Peter von
Thorberg mit Quzern, Uri, Schwyz, Unterwalden und Zug abgefchlofs
fen hatte, und der feitdem mehreremale durch Herzog Leopold war
verlängert worden, zulegt im J. 1376 bis zum 23. April 1387.
In diefem Artikel wird aljo als felbftverftändlic vorausgeſetzt, daß
die Hilfe, welche verlangt wird, gegen Oeſterreich gerichtet ift.
6. Entftehen Stöße, fo ftellt jeder heil zwei Männer, die 4
jegen nöthiger Weife einen Obmann und tagen zu Zürih. Dabei
wird beftimmt ausgemacht, daß man nirgend darum Tag leiften folle
als in Züri), und daß feine Stadt Gewalt habe, die andern Städte
irgend wohin font zu Zagen zu mahnen.
7. Belriegt Jemand die fchwäbifchen oder rheinifchen Stübte,
der außerhalb ber Kreife wohnt, fo geht das die Schweizer nichts an,
wohl aber, wenn die Herrichaft von Defterreich oder Jemand anders,
der innerhalb derfelben wohnt, den Feinden hilft.
8. Die Schweizer haben durchaus feinen Antheil an den Koften
zu tragen, welche den fchwäbifchen und rheinischen Städten in Folge
diefes Bündniffes erwachjen.
9. Kein Laie foll den andern um weltliche Sache vor ein geijt-
liches Gericht, ein Hofgericht oder Landgericht laden, fondern in der
Stadt, wo der Anfpredhige ſeßhaft ift, foll gerichtet werden.
. 10. Es darf Niemand von Schulden wegen verhaftet werben
als wer rechter Schuldner oder Bürge ift. Niemand foll für den ans
dern Pfand fein.
11. Diefes Bündniß geht Allen vor, welche etwa einzelne Städte
ſonſt Schließen mögen.
12. Die Rechte und Freiheiten der einzelnen Theilnehmer blei⸗
ben vorbehalten. Und was die Herrfchaft von Defterreid oder Je⸗
mand anders zu allen insgemein oder zu irgend einer Stadt insbe-
fondere zu fprechen hat, darüber follen die betreffenden weder vor
dem Bund noch fonft irgendwo gebunden fein, zu Recht zu ftehen,
fondern fie follen bei der Gewohnheit bleiben, wie fie von Alter her-
fommen find.
Diefer Artikel iſt wohl hauptfächlich auf Veranftaltung der Schwei-
ser aufgenommen worden, um jeder fremden Kinmifchung in ihre in-
neren Verhältniffe vorzubeugen. Der fchwäbifche Städtebund Hatte,
wie wir fpäter fehen werden, nad) vielen Seiten hin eine fehiedsrichter-
liche Thätigkeit entfaltet, und fo mochten es die Schweizer für nöthig
halten, fich im Voraus gegen die Ausdehnung derfelben auf ihre An⸗
gelegenheiten zu verwahren.
Ausgenommen werden die Rechte des rom. Neiches und
der Gotteshäufer.
59
Daß das Bündniß gegen Oeſterreich gerichtet war, ift Mar, auch
täufchte ſich der Herzog hierüber durchaus nicht. Vielmehr fuchte er
fofort fein Meöglichftes zu thun, um dafjelbe wieder aufzulöjen. Er
erjejien felbft in Zürich, um für biefen Zwed zu wirken: „bie von Bit
ihm gar ehrlich, fagt Tſchudi, und empfiengen ihn gar
Berrfid, bei i feinem Einreiten, man that ihm große Zucht und Ehre
an” — allein das Bündniß ließ man in Kraft beftehen. Daſſelbe
wurde nun in allen Städten, die e8 umfaßte, von der gefammten
Bürgerichaft befchworen, indem jeder ber beiden Theile feine Boten in
die Städte des andern Theiles abſchickte, um dort die Eide in Empfang
a namen. Sonntags den 11. Yuni fand diefe Beſchwörung in Zü-
De Stretigteiten des Herzogs mit den Städten, denen im Merz,
dem Beifpiele des benachbarten Bafels folgend, Mülhanfen im Elfaß
noch beigetreten war, nahmen inzwifchen eine folche Gejtalt an, daß
die letzteren befchloffen loszubrechen und um Johannis die Schweizer
mahnen liegen. Allein diefe zeigten ſich lau umd entfchuldigten ſich
mit der Ernte?. Die Städte unterliegen num vor der Hand einen
Angriff. Es kam ihnen zu Statten, daß der Herzog um dieſe Zeit
mit dem Könige zerfallen war 3; am 17. Aug. nahm ihm Wenzel die
beiden Landvogteien Ober- und Niederſchwaben ab, und übertrug ſie
feinem „Hofgefinde und Diener“ Wilhelm Frauenberger vom Hage,
einem niederbairiſchen Edelmanne. Es war ein großer Gewinn für
die Städte, nicht nur, daß Leopold die Landvogteien verlor, ſondern
auch, daß ſie einem Manne wie dieſem Frauenberger übertragen wur⸗
den, und nicht, wie es bisher meiſt der Fall geweſen war, einem mäch⸗
tigen Fürften oder dem Gliede eines in Schwaben begüterten Grafeie
haufes. Wenzel hetzte num die Städte recht eigentlich gegen den Her
zog auf, er ließ ein Dankfagungsfchreiben an fie ergehen dafür, daß
fie der Anerfennung des Gegenpabſtes Clemens bis dahin fo Fräftig
entgegengearbeitet, und zeigte ihnen an, daß er dem Landvogt in Ober-
und Niederfchwaben und ihnen Vollmacht ertheilt habe, die Anhänger
deifelben, wer fie auch feien, unter des Reiches Panier anzugreifen *.
Unter den Anhängern des Clemens war aber der wichtigfte gerade
Leopold; es ift recht bezeichnend für die damalige Unordnung im Reiche,
daß ein einzelner Fürft Jahre lang dem Gegner des vom Kaifer und
den meiften Reichsſtänden anerkannten Pabjtes (e8 war Urban VI.)
ungeftört anhangen fonnte, bis e8 bei irgend einer Gelegenheit bequem
ſchien, diefen Umſtand hervorzuziehen und als Vorwand zu Feindjelig-
feiten .zu benugen. Mit Eröffnung der legteren glaubten die Städte
nicht mehr lange zögern zu dürfen ; denn ihre Verwicklungen mit dem
—* mehrten ſich. Beſonders die Basler hatten ſich zu beklagen.
nur hatte er die Veſten Bipp, Wietliſpach, Erlisburg und Neu⸗
1 Tſchudi I, 517. 2 Ebendaſelbſt.
s Am iefebe Zeit hatte Wenzel aud Streit mit Herzog Albredt.
a IV, *8
61
befchwerte und beeinträchtigte die Bürger und Kaufleute der Stübte
auf alle Weife, und legte ihrem Handel eine Menge von Hindernijjen
in den Weg, flüchtige Aufrührer aus den Städten fanden bei ihm
Alles deutete auf baldigen Ausbruch eines Krieges. Unter
foldyen Umſtänden mußte e8 den Reichsſtädten fehr erwünfcht fein, als
’ Leopold ihnen Vorſchläge machte, die eine Befriedigung ihrer
prüdye und Forderungen in Ausficht jtellten, und jehr unangenehm
mußte es fie überrafchen, als bald darauf der Krieg mit den Schwei-
zern ausbrach. Hätten fie fich jet in den Kampf geitürzt, fo würden
fie e8 geradezu mit allen benachbarten und umliegenden Herren haben
aufnehmen müſſen (der Graf von Wirtemberg war einer der erjten
gewefen, die an die Schweizer ihren Tehdebrief gejandt), und einen fol
den allgemeinen Krieg hervorzurufen, wenn er fich vermeiden ließ,
wäre eine nicht zu vechtfertigende Zollfühnheit gewejen, die ſchwerlich
zu einem glücklichen Ausgange geführt hätte, wie die fpätern Creig-
niſſe uns zeigen.
Die Städte fuchten alfo zu vermitteln, und wir haben Grund
anzunehmen, daß diefes den Echweizern felbft jehr lieb war, da die
meisten Drte die Art, wie die Feindfeligfeiten ausgebrochen waren, nicht
billigten und den Krieg Lieber noch vermieden gefehen hätten. Es ge-
lang auch in der That, einen Waffenjtillitand zuwege zu bringen, der
vom 22. Februar bis zum 17. Juni dauern follte !. Während dei-
felben wurde an einer endgültigen Ausſöhnung gearbeitet. Kine folche
gelang den Städten in Betreff ihrer eigenen Streitigfeiten mit dem
Herzoge. Am 15. Mai 1386 kamen ihre Boten Jos Deklin von
Nürnberg, Peter Gotmann von Eflingen, Jos Zutenheimer, Bürger:
meifter von Memmingen, und Claus Beſſerer, Bürgermeifter von.
Ueberlingen, zu Baden im Aargau mit den öjterreichifchen Bevollmäch⸗
tigten zufammen. ‘Die Streitigkeiten wurden in einer den Städten
gimjtigen Weife gefchlichte. Die Forderungen, welche fie im Namen
ihrer beeinträchtigten Bürger erhoben, wurden entweder fofort als be⸗
rechtigt anerkannt oder rechtlicher Unterfuchung überwiefen, die Ans
Iprache der Basler wegen Bipp und der anderen Veſten fowie wegen
Olten follten auf fehiedsrichterlihem Wege ihre Entfcheidung finden;
was denn auch nad) einigen Wochen gejchah *. — Weniger glücklich
waren die Derfuche, welche die fchwäbifchen und mit ihnen die rheini-
ſchen Städte machten, die Schweizer mit dem Herzoge auszufühnen;
es wurde ein Tag abgehalten, bei dem aber nichts herausfam, als daß
ein zweiter auf den 3. Yuni nad) Züri angejagt wurde, zu dejjen
Befendung die ſchweizeriſchen Städte aud) den Rath von Frankfurt ein⸗
Inden 3. Auch diefer war vergeblich, wie es fcheint, weil die Eidge⸗
noffen fich weigerten, den Städten des Bundes, gleich wie der Herzog
hatte, volle Gewalt zur fchiedsrichterlichen Entfcheidung zu ges
ben. Nach Ablauf des Waffenftillftandes brach der Krieg wieder aus,
? Reg. 257. 2 Reg. 261. 3 Reg. 259,
* Detmar, Lübedifche Chronik zum 3. 1386. Ausg. v. Grautoff I, 337.
62
und wenige Wochen fpäter (9. Juli) fand die Blüthe des Adels, an
der Spige Herzog Leopold felbjt, ihren Untergang auf dem Schlach⸗
felde von Sempach. Die Reichsſtädte, welche den Schweizern erklärt
hatten, daß fie ftille figen müßten, wenn ihre Vermittlung abgewiefen
würde, erneuerten jest fofort ihre Verſuche zur Herftellung des Frie⸗
dene, und es gelang ihnen, am 25. Juli einen l4tägigen Stillitand
auszuwirken, der aber von feinem weitern Erfolge war !. Hingegen -
kam am 8. October ein neuer zu Stande, der bis Lichtmeß 1387 dauern
jollte und fpäter durch die Bemühungen der Reichsſtädte noch auf
ein weiteres Jahr verlängert wurde *. Erft im Frühling 1388 brad
der Krieg wieder aus. Obgleich damals die Städte von ihren eige
nen Angelegenheiten fehr in Anfpruch genommen waren, verloren fie °
die Sache doch nicht aus den Augen, und kurze Zeit vor dem Uns
tergange ihres Bundes gelang es ihnen, was fo lange der Gegen:
ftand ihrer Bentühungen gewefen war, einen dauernden Frieden zwi⸗
ſchen den Eidgenoffen und Oeſtreich zuwege zu bringen 3.
Die Schlacht bei Sempach wurde widtig für die Städte nicht
nur in ihrer Stellung al8 Verbündete der Schweizer, fondern auch
ihrer eigenen Angelegenheiten wegen. Der unruhige Herzog Leopold
war vom Schauplage abgetreten, und fein Bruder Albrecht, welcher
nach dem Willen der Söhne des Verſtorbenen die Regierung der
ſämmtlichen habsburgifchen Yande, die eine Zeitlang zwifchen beiden
geteilt gewefen waren, übernahm, war ein Mann von friedlichen
Charakter, von dem weniger zu befürchten war, daß er gleich wieder
in Reibungen mit den Städten gerathen würde. Diefe fegten in-
zwifchen die Rüſtungen gegen Herzog Stephan und ihre übrigen Geg⸗
ner fort. Es war bereit fo weit gekommen, daß der Herzog Kauf:
mannsgüter der Ulmer in Bejchlag nehmen ließ, und man fich gegen»
feitig raubend und brennend ind Yand fiel*. Am 26. Juli lieg der
Kath zu Regensburg die DBürgerfchaft fchwören, in der Zeit bes
Strieges treulich bei einander zu bleiben mit Xeib und mit Gut. —
Allein auch hier fchien fich eine Ausföhnung anzubahnen, wozu wohl
der Eindrud, den die Sempacher Schlacht bei den Fürften bervorgeru-
fen, weſentlich beitrug. In den erjten Tagen des Auguft fand zu
Mergentheim eine Zuſammenkunft Statt. Die Schiedsrichter, von
Seiten der Herren ‚Herzog Friedrich von Baiern, Biſchof Lamprecht
von Bamberg, der Deutſchmeiſter Siegfried von VBenningen und Graf
ı Tichubi 934.
2 Lichnowsky IV. Reg. 2019. Quftinger, Berner Chronik 219,
5 ©. unten. Ih glaube, der Grund, warum bie [hwäbilhen Stäbte
nicht gegen Teftreih losſchlugen und marım fie beftindig Frieden zwifchen
diefem Kaufe und den Eidgenoſſen zu vermitteln fuchen, läßt fih ans ihren
Verhältniſſen gut erklären, obne daß mir die Gembination von Hagen (Ueber
die politifchen Verbältniſſe zur Zeit der Sempacherſchlacht, im Ardhiv für
ſchweizeriſche Geſchichte XII, 27. 28) brauchen zu Hilfe au nehmen, ba fie
ohnebin durch die Art und Weife, wie Wenzel im J. 1385 bie Städte gegen
Leopold aufhetzt, widerlegt wird.
+ Nah dem Schiedsſpruche von Augsburg, f. unten.
63
—— — Spanheim, von Seiten der Städte Hans von Steinach,
eifter zu Regensburg, Conrad Ilſung, Buͤrger zu Augsburg,
Berthold Pfinging, Bürger zu Nürnberg, und Beter Leo, Bürger
zu Ulm, gaben am 3. diefes Monats ihre Entfcheidung ab. Sie
betraf die Streitigkeiten der Städte mit folgenden Herren: Burggraf
Friedrich von Nürnberg, Bifchof Gerhard von Würzburg, Herzog
Stephan, Graf Eberhard, Herzog Friedrich) von Ted und den Gras
fen Ludwig und Friedrich von Dettingen. Für die meiften Fälle
wurden gemäß dem Ausſpruch der genannten Vermittler befondere
Schied6gerichte aufgeftellt, zu denen die beiden Parteien die Schieds⸗
lente und die Obmänner in gewohnter Weile gaben. Die Rotenbur⸗
ger wurden aufgefordert, von den Uebergriffen abzulajjen, die fie in
Betreff ihres Landgerichtes gegen den Burggrafen von Nürnberg und
den Biſchof von Würzburg fich hatten zu Schulden kommen lafjen.
Alle PBfalbürger, die feit der Heidelberger Einwig aufgenommen wors
den, follten ab fein. — Zur gleichen Zeit, in welcher diefe Unters
bandlungen geführt wurden, rüjteten die Städte eifrigft, um auf alle
Bälle vorbereitet zu fein. Es murde befchloffen, jede Stadt folle um
die Hälfte mehr Spieße aufitellen, als ihr gewöhnlicher Anſchlag bes
tmg und ſich mit dem nöthigen Kriegsgeräthe verfehen; in dieſer
Stellimg wollte man vor der Hand ein Jahr lang verharren !. Na⸗
mentlich aber fuchte fich die ihrer Entlegenheit wegen befonders ge-
fährdete Stadt Regensburg, fo viel fie fonnte, in Vertheidigungs⸗
ftand zu jegen, und aus der ganzen Umgegend flüchtete fi vom
Yande eine Menge Leute dorthin, um nicht bei einem ausbrechenden
Kriege all ihr Habe zu verlieren. Da fich darunter auch manche
Angehörige fremder Herren befanden, fo gab das wieder Anlaß zu
neuen Streitigkeiten. Die Stadt nahm die Flüchtlinge bereitwillig
auf, ja, um die Zahl ihrer Vertheidiger zu vermehren, geftattete fie
allen Perfonen männlichen Gejchlechtes, die in den legten Jahren
verbannt worden waren, mit Ausnahme der eigentlichen Verbrecher,
die Rückkehr; um junge Leute hereinzuzichen, wurden alle Spielver-
bote aufgehoben. Zugleich forgte man aber dafür, daß fein Mangel
an Lebensmitteln eintrete; die Steuer vom Korn wurde aufgehoben
und Jedermann aufgefordert, fich hinreichend zu verproviantieren.
Hafer dagegen durfte Niemand einkaufen, ale wer Pferde befaß ?.
Es fcheinen ſich auch wirklich im weitern Verlaufe der Unterhand-
lungen, namentlid was den Streit mit Herzog Stephan betraf, noch
mandherlei Anjtände und Schwierigkeiten dargeboten zu haben, und
die ſchwäbiſchen Städte fanden e8 fogar nöthig, die rheinischen zu
mahnen, welche fofort ihre Hilfsmannfchaft zur Verfügung jtellten.
Indeſſen gelang es noch einmal, einen Auffchub der Feindfeligkeiten
zı bewirken; am 23. Novbr. Fonnten die ſchwäbiſchen Städte den
rheinifchen fchreiben, daß zu Augsburg eine Ausſöhnung ftattgefuns
den, und daß fie ihres Zuzuges vor der Hand nicht bedürften. Dem
2 Bemeiner UI, 225. 8 Bemeiner II, 226 ff.
64
für die Streitigkeiten mit Herzog Stephan niebergefeßten Schiedsge⸗
richte unter dein Obmann Hans von Steinad) war es gelungen,
die beiden Parteien in Beziehung auf ihre gegenfeitigen Anſprüche
in Minne zu verrichten !.
In eine große Aufregung geriethen um diefe Zeit die Städte
durch die Ausdehnung, welche die Thätigkeit der Vehmgerichte zu
gewinnen anfieng, und bie fchon hie und da zu Mißbräuchen benupt
wurde. Als mehrere Fälle vorgefommen, dag Bürger mit Umgehung
der jtädtifchen Gerichte vor die Vehme geladen und, wenn fie nidt
erfchein:n würden, mit dein Tode bedroht wurden, konnten fich die
Städte dieß nicht erflären als durch eine geheime Verfchwörung ihrer _
Gegner. In dem erwähnten Briefe an ihre rheinijchen Cidgenojjen .
zeigen fie ihnen an: „daß etliche Fürjten und Herren einen Yandfrie
den aufgebracht hätten, der Fayın genannt, der augenfcheinlich zum
Schaden und Nachtheile der Städte erdacht fe. Die Fürften und
Herren Liegen nämlich ihre Unterthanen diefen Faym fehwören, umd
dadurch hielten fich diefe gebunden, bei ihnen zu verbleiben, und wür⸗
den verhindert, mit den Städten in Bünduiſſe zu treten oder dafelbit
Bürger zu werden. Auch würden ehrbare Bürger aus den Bundee-
jtädten vor den Faym geladen, ohne dag man ihnen gejtatte, fich da-
heim vor ihren Räthen zu verantworten. Wenn fie fi) nicht vor
dem Faym ftellten oder deſſen Ausfprüchen nicht nachlämen, fo wür⸗
den fie verfaymt und die Faymgrafen, Vorſteher deſſelben, feien ver-
pflichtet, alle Verfaymten, wo fie fie anträfen, aufzulnüpfen“.
Sehr wichtig war es für die Städte, deren Stellung den Für:
jten gegenüber eine unmer feindfeligere wurde, daß der Konig ſich
ihnen immer mehr und mehr näherte. Er erfannte immer Elarer die
Nothwendigfeit, gegen die fteigende Anmaßung der Großen fich einen
feften Rückhalt zu verfchaffen. Hatte er fi) ſchon 1385 den Stäbd-
ten günjtig gezeigt, um mit ihrer Hilfe den Herzog Leopold in
Schranken zu halten, fo gieng er, als immer lautere Stimmen ber
Unzufriedenheit von Eeiten der Fürften fi über ihn vernehmen lies
gen und er befürchtete abgejett zu werden, im Jahre 1387 eine be⸗
fonders enge Verbindung mit ihnen ein. Im Merz diefes Jahres
bejchied er ihre Boten zu fid) nad) Nürnberg, bejtätigte ihnen alle
ihre Zreihoiten, die von ihm und von feinen Vorfahren erhalten
’ Lehmann 763 giebt den Brief, den die Schiedsrichter ausgeſtellt haben,
ohne Datum; dagegen hat er ibn mit der Ueberſchrift verfchen: „die Berichti⸗
gung zu Augspurg auf Nicolai def Jahrs 1386“. Diefe Angabe, mit wel:
her auch Gemeiner 225 übereinftimmt, bereitet Schwierigkeiten, denn das
Schreiben ber fhwäbifchen an die rheinifhen Städte, batiert Freitag vor Ka-
therinae 1386 (23.Nov.), fpricht, weninftens nach dem Auszuge von Wencker,
davon, daß „die Sache zu Nugfpurg gütlich verrichtet feye‘. Bean muß nun
entweder annehmen, es fei zur Zeit, wo dick Schreiben abgefaßt wurbe, bie
Ausſöhnung erft angebabnt, aber noch nicht zu Ende geführt, oder bie be:
treffende Urkunde noch nicht außgeftellt geiwefen, ober man muß flatt des ge:
wöhnlihen Nicolanstages den 13. Nov., der fonft als Brictiustag bezeichnet
wird, auf den aber auch das Felt des Nicolaus Papa jällt, annchınen.
feiten, und gelobte, fie beim Reiche zu behalten. Zugleich ertheilte
er ihnen mündlich das Verſprechen, ihren Bund nimmer abzuthun, fo
Inge er lebe (20. Merz). Sie hingegen ſagten ihm (21. Merz) ihre
Hilfe zu für den Fall, dag man ihn vom Reiche verdrängen wolle !.
So nahmen die Städte wieder diefelbe Stellung ein wie zu
ben Zeiten Kaifer Ludwigs. Das Keichsoberhaupt erkannte fie als
eine felbftändige Macht an, um mit ihrer Hilfe feinen Feinden die
Spige bieten zu können. Die Form freilich, unter der es gefchah,
war eine andere. Ludwig hatte feine Söhne ein eigentliches Bündnig
mit ihmen fchliegen laſſen, Wenzel dagegen, der, theils um es mit
den Fürſten nicht zu verderben, theils um feine Stellung als König
za wahren, durchaus den Schein vermeiden wollte, als habe er ſich
mit den Städten in irgend eine bejondere Vereinigung eingelaffen,
ftelite ihnen nur einen Freiheitsbrief aus, in welchem nicht einmal
die Beftätigung des Bundes, den fie unter fich hatten, direct enthalten
war; denn er wollte nit, daß man ihm fchwarz auf weiß einen
Berftoß gegen die goldene Bulle feines Vaters vorwerfen konnte, des⸗
halb gab er ihnen das betreffende deutliche Verſprechen nur mündlich).
Das er fich jeinerfeits von ihnen zujagen ließ, war auch nichts Weir
teres, als da fie ihrer Huldigung gemäß ihm gegen Jedermann, der
ihn verdrängen wolle, helfen würden, alfo eigentlich, nichts Beſonderes,
mihts, was fie nicht von felbft ihm als König fchuldig waren; nur
bie beiden freien Städte Regensburg und Bafel, welde ihn ja nicht
in der gleichen Art wie die Reichsſtädte gehuldigt Hatten, gelobten,
ihm nichts deito weniger gleich diefen beholfen zu fein. Später han»
delte er den rheinischen Städten gegenüber auf ähnliche Weife; in der
Urkunde, die er von diefen am 11. uni erhielt, treten aber nur die
Reichsſtädte auf; wie es fich mit den freien Städten, Mainz, Worms,
Speier und Etraßburg, gerade den wichtigjten des Bundes, verhielt,
willen wir nidt.
Durch die königlichen Verficherungen ermuthigt, rüfteten fich die
Städte, ben Krieg mit Baiern, der nicht mehr ausbleiben konnte,
mit Machdruck zu führen. Sie giengen zu dem Ende am 25. Yuli
1387 en Bündniß mit dem Erzbiſchof Pilgrim von Calzburg ein, der
feit vielen Jahren mit den Baiernherzogen immer entweder in offenem
Kriege oder wenigitens in fehr geſpanntem Verhältniſſe jtand. Dieſes
Bündniß mit dem fernen Salzburg hatte durchaus nur Sinn, wenn
man auf baldigen Ausbruch des Krieges mit Baiern zählte und ſich
für dieſen Fall einen mächtigen Verbündeten verfchaffen wollte. Auch
wurde der Bundesurfunde ein befonderer Beibrief beigegeben, nad)
welchem die Hilfe ausschließlich gegen die Herzoge von Baiern, deren
Zreunde, Diener und Helfer gerichtet fein follte.
Trotz alle dem gelang es den Räthen des Königs, im Herbſte
biefes Jahres eine Verlängerung der Heidelberger Einung zu bewerk⸗
2 Wenn die C. Chr. 320 fagt: „tem dar nad kam ber römſch kung
VWentzlaus och mit den ftetten in ain, das er ain ainung mit in hielt, und
verbiefl im ze dienent mit zwain hundert ſpieſſen“, jo bezieht fich dag wohl auf
bie Heidelberger Einung.
Io. 5
66
ftelfigen, welche Pfingften 1388 hätte ablaufen folfen. Zu Mergent-
heim erfchienen von Seiten ter Fürften Herzog Stephan von Baiern',
Der3o Albrecht von Defterreih und Burggraf Friedrid von Nürn-
erg, don Seiten des Städtebundes Gefandte von Augsburg, von
Nürnberg und von Ulm; auch die rheinifchen Städte hatten ihre Ab-
georbneten hingeſchickt, wollten jedoch) von einer Verlängerung des
Bindniffes nichts wiffen?. Die beiden übrigen Parteien aber fchloffen
einen Bund ab, der bis zum 23. April 1390 dauern follte und bei
nahe gleich lautet mit dem früheren. Doch fand man es nöthig, für
Streitigkeiten, die zwifchen Mitgliedern der beiden Theile entftehen
würden, ein beftimmtes Verfahren feftzufegen, da diefer Fall feit
Abſchluß des Heidelberger Bündniffes jehr oft vorgefommen war.
Es wurde der gewöhnliche fchiedsrichterliche Weg angeordnet. Der
Obmann oder gemeine Mann, der aus dem Rathe bes beflagten
Theils vom Kläger gewählt wird, beftimmt den Parteien in den näch⸗
ften zwei Wochen einen Tag in einer bequem gelegenen Stadt, wohin
jede derjelben ein oder zwei Sciedsleute giebt. Doch ift diefes Ver⸗
fahren da nicht anzumenden, wo ein Bürger an den andern irgend
einen Anfpruch zu machen hat. Diefe mögen vor den betreffenden
Gerichten ihr Recht ſuchen. Auch wurde bejtimmt, daß, wenn von
irgend einem Mitgliede des Biindniffes oder einem feiner Angehörigen
ein Uebergriff gejchehe, binnen 14 Tagen diefer abgethan und den
Beichädigten zum Wechte verholfen werden müſſe. — ine neue
Einrichtung bei diefem Bündniffe war e8 ferner, daß hier, was un
Heidelberger nicht der Fall gewejen, Fürſten und Städte nad) je vier
Varteien gruppiert erfchienen, die Fürften fo wie fie fi) im Nürn⸗
berger Landfrieden abgetheilt hatten, die Städte nad) ihren Geſell⸗
fchaften oder Revieren.
So mochte wohl die Eintracht zwifchen Fürften und Städten
wieder bergejtellt und neu befeftigt fcheinen. Allein der Gegenfaß der
beiden Parteien hatte fich ſchon zu fchroff ausgebildet, als daß eine
nachhaltige Vermittlung defjelben denkbar war. Ein richtiges Gefühl
hatte die rheinifchen Städte geleitet, als fie fich weigerten, der Erneue⸗
rung des Bündniſſes beizutreten; kaum war diefelbe vollzogen, als
das unter der Aſche glimmende Feuer neu ausbrach, und ein Kampf
begann, in welchem es jich auf die Dauer entfcheiden follte, ob den
Fürſten oder den Städten fortan im Südweſten Deutfchlands das
Vebergewicht gehöre. Doch bevor wir zu diefem Kampfe übergehen,
wird es angemeſſen fein, das Weſen und die Einrichtung des Stüdtes
Dundes etwas näher ins Auge zu falfen.
‚I Das gefchah jebod nicht, mie Schaab meint, aus dem Grunde, daß
fie im Sinne batten, einen Zug genen den Pfalzgrafen Ruprecht auszuführen,
benn was er I, ©. 363 aus der Chronik von Zorn anführt, gehört ind 3. 1388.
® Diefer wird in der Urkunde genannt, welche die Herren ausftellen; Reg.
282. Doch muß auch Kerzog Friedrich bei den Verhandlungen thätig geweſen
fein; benn gerabe er wird in den eindfchaftöbriefen ber Städte und des Kö—
nigd (Reg. 220. 294) als Thädinger bei der zu Mergentheim flattgefundenen
Verlängerung ber Heidelberger Einung bezeichnet.
IV.
Weſen, Beſtand nnd Einrichtung des Bundes.
a Umfang und Gliederung.
Der Bund umfaßte zu feiner Blüthezeit 40 Städte und das
Land Appenzell. Gegründet wurde er, wie oben bejchrieben ijt, den
4. Zuli 1376 dur die 14 Städte Ulm, Conftanz, Ueberlingen,
Ravensburg, Lindau, St. Gallen, Wangen, Buchhorn, Reutlingen,
Kotweil, Memmingen, Biberah, Isny und Leutkirch. In dem-
felben Jahre traten noch 3 weitere Städte bei, vor dem 3. Sep⸗
tember Kaufbeuren, am 3. Sept. felbft Weil, vor dem 23. Okt.
Kempten. Im J. 1377 den 1. Januar Eflingen, den 9. Auguft
Nördlingen, den 16. diefes Monats Nopfingen, den 17. Hall und
Heilbronn, den 18. Dinkelsbühl und Weinsberg, den 19. Gmund
amd Aalen, den 25. Wimpfen und den 26. Sept. das Yand Appen-
zei. Ins Ende diefes Jahres oder ins J. 1378 vor den 13. Febr.
fällt der Beitritt von Buchau, den 17. Mai folgte Rotenburg
an ber Zauber, den 28. Sept. Giengen. Noch vor diefem war
Pfullendorf beigetreten, den 4. Juli 1379 finden wir Wyl im Thur⸗
gan als im Bunde befindlich aufgezählt, den 27. Yuli 1379 endlich
lieg fich Augsburg aufnehmen, und der Bund umfaßte nun die ſämmt—⸗
lichen fchwäbifchen Reichsſtädte, wenn man das in die Fchweizerifche
Eidgenoffenfchaft übergetretene Zürich abrechnet. Cine weitere Aus-
dehnung gewann er durch den Anſchluß von Regensburg den 2. Sept.
1381, von Windsheim und Weißenburg den 16. Yan. 1383, von
Baiel den 1. Juni 1384, von Nürnberg den 4. deifelben Monats,
von Mülhaufen im Elſaß den 24. März und von Schweinfurt den
23. Mai 1385. Diefe Städte werden zufammen bezeichnet als die
Reichsitädte oder gemeine Städte welche den Bund in Schwaben
halten. Die Bezeichnung Bund für ihre Vereinigung tritt uns gleich
von Anfang entgegen. In der Stiftungeurfunde zwar kommt der
*usdrud nicht vor, es ijt dort von der Errichtung eines Gelübdes
und einer Freundſchaft die Rede, aber gleich die erften Aufnahmsur-
tunden weiterer Städte reden von einem Bunde, und aud) die Für-
ften und Herren bedienen fich diefer Bezeichnung, bloß in den kaiſer⸗
5 *
68
fichen und Königlichen Urkunden wird fie, und überhaupt jede Bezeich-
nung der Städte als einer Gejammtheit vermieden. Nach dem Un-
tergange diefes großen Bundes wagen es die Städte nicht mehr fid
dieſes Namens zu bedienen. Selbſt als ſich im Laufe der erſten
Hälfte des 15. Jahrhunderts wieder eine bedeutende Anzahl derfelben
zuſammengethan, ſprechen fie nicht mehr von einem Bunde, fondern
bon einer „Vereinung.“
Die Bezeihnung „Bund in Schwaben“ wurde auch da nod)
beibehalten, als fich derjelbe durch den Beitritt mandyer Städte aus
andern SLandfchaften vergrößert hatte. Doc, ift bisweilen auch die
Rede von den Städten als von folchen, weldje den Bund in Echwa-
ben, Franken und Baiern halten, bisweilen heißt es aber auch: die
Städte in Schwaben, Franken und Baiern, welde den Bund in
Schwaben halten. Bejonders hochtönend Elingt e8, wenn im Heidel-
berger und im Mergentheimer Bündnig die Städte Augsburg, Nürn-
berg und Ulm auftreten: im Namen der Städte in Ober- und Nie
derſchwaben, am Rheine (Bafel), in Franten und zu Baiern, die
den Bund mit ihnen halten in Schwaben. Man wollte offenbar
den Herren von Nürnberger Landfrieden gegenüber fi) das mög-
lichfte Anfehn geben. — Auch die rheinischen Städte nennen fid
in der Heidelberger Cinung die Städte an dem Üheine, im Elſaß
und in der Wetterau, die den Bund halten auf dem Rheine.
Cine eigenthümliche Stellung inmitten der vielen Städte nimmt
das Yand Appenzell ein. Die Fleinen Yändlein im Gebirge, aus
denen fich daffelbe zujammengefügt hat, waren zum größten Theil
von Gotteshausleuten des Klojters St. Gallen bewohnt; die niedere
Öerichtsbarfeit wurde von Ammännern verwaltet, über deren Erwäh-
lung fi) damals die Gemeinden und der Abt ftritten. Die Reichs⸗
vogtei war gleichfall® pfandweije in die Hände des Abtes gelangt !.
Das Streben nach Selbjtändigfeit machte ſich in diefen Ländlein um
jo mehr geltend, als die Beamten des Klofters fich vielfach Bedrü⸗
dungen zu Schulden konnen ließen. Um in demjelben gefördert zu
werden, ſchloſſen ſich Appenzell, Hundwyl, Urnäfchen, Gais und
Zeufen im J. 1377 dem Bunde der Reichsſtädte an, mit denen fie
Ichon feit einer Anzahl von Jahren in Verbindung ftanden *. Der
damalige Abt, Georg von Wildenftein, mußte felbjt feine Erlaubniß
dazu geben; ed mochte ihm auch diefe Verbindung noch lieber fein
ala eine mit den Yandleuten in den Waldftätten, wie fie wirklich
jpäter zu Stande fam. Den 22. Mai 1378 ordneten nun die
Städte in Ulm die Angelegenheiten der vier Yändlein Appenzell, Hund⸗
wol, Urnäfchen und Zeufen, indem fie den Städten Conftanz und
St. Gallen eine bejondere Auflicht über diefelben empfahlen und
ihnen auftrugen, dafür zu forgen, daß 13 Männer gewählt würden,
2 Zellweger, Urkunden zur Geſch. des appenzell. Volkes I, 1, 145.
® Landleute aus jenen Gemeinden hatten fchon bei Altbeim neben den
Et. Gallern mitgekämpft. Zellweger I, 200.
wide für bie Geſammtheit ber Länblein eine Stellung erhielten,
miprechenb ber bes Nathes in den Städten, und namentlich auch
drüber wachen follten, daß die Steuern nicht über Gebühr erhoben
würden. Man erwartete, daß fich an biefes neu errichtete Gemein-
wien, für welches von nun an die Gefanmmtbenennung „Land Ap⸗
penzell“ gebraucht wurde, auch die übrigen benachbarten Gemeinden
anichließen würden '. In der That traten den 24. September 1378
die Hofleute der Stadt Altftätten, des Hofes zu Marbach und des
— zu Bernang in dem Rheinthale den: Städtebunde bei, ſcheinen
mit den Appenzellern nicht vereinigt worden zu fein, fondern
gleichfall8 dem Schutze Lindaus und St. Gallens empfohlen, eine
geſonderte Stellung eingenommen zu haben. Unter dein folgenden
Abte, Euno von Stoffeln, erhoben fich mancherlei Streitigkeiten über
die Anfprüche des Klofters und der Landleute der vier Ländlein, welche
durch die Städte geichlichtet wurden. Dieje erfannten zwar bem
Abte das Recht zu, die Anımänner zu fegen, hoben aber die Stel-
fung der 13 wieder mit Nachdrud hervor, und wiejen die Yändlein
an, daß, wenn der Abt fie mehr als einmal im Jahr oder überhaupt
über Gebühr beftenern wolle, fie ſich jofort bei den Städten beflagen
foliten. Durch diefe Einrichtung der 13 wurde offenbar der Grund
gelegt zu einer gemeinfamen felbjtändigen Verfaffung der Yändlein.
Bas hatten nun die Appenzeller für eine Etellung im Bunde
den Städten gegenüber? Ich glaube, aus der Urkunde von 1378
därfen wir fchließen, daß ihre Boten nicht ſelbſt auf den Bundes⸗
tagen erfchienen, fondern daß ihre Angelegenheiten durch die Con⸗
ftanzer und St. Galler vertreten wurden. Die Appenzeller werden
auch foft nirgends in den Urkunden, wo die Städte aufgezählt wer-
den, neben diefen genannt, bloß zweimal ift dies der Fall, in dem
Badener Vertrage von 1379 und in dem Bündniſſe, weldjes die Städte
im %. 1384 mit Ulrich von Hohenlohe abfchloffen. Warum fie ges
rade diefe beiden Male aufgeführt werden, in den andern uns erhal-
tenen nicht, vermag ich nicht zu erklären. Ihre Leiſtungen für den
Bımd waren in ähnlicher Weife angejchlagen wie bei den Städten.
In dem Schiedsſpruche von 1379 wurde bejtimmt, daß, wenn fie
um Spieße „gemapnt würden, der Abt in ihrem Namen einen zu
en .
In ähnlicher Weife wie das Land Appenzell hatte die Stadt
Wyl im Thıngau, deren Vogtei im 13. Jahrhundert von den Gra-
fen von Toggenburg an die Abtei Ct. Gallen gekommen, fpäter
durch König Albrecht and Reich gezogen, aber durch Heinrich VII.
dem Kloſter wieder zurückgeftellt worden war, die bedrängten Um-
ftände bes letztern benußt, um in den Städtebund einzutreten und
fi ale Reichsſtadt geltend zu machen. In allen Urkunden, in denen
2 Zellweger a. a. DO. 259. Die Benennung „Land Appenzell” findet fich
zuerfi im Badener Bertrage.
s6©. unten ©. 73, 3 Tichubi I, 253,
70
fie vorfommt, wird fie als folche bezeichnet. Doc, fehlt fie in dem
befannten Treiheitsbriefe Wenzels von 1387, der fonft alle Städte
enthält, woraus hervorgeht, daß fie ihre Reichsunmittelbarkeit nicht zur
rechtlichen Anerkennung zu bringen vermochte. Daß ihrer, obgleich
fie dem Bunde bis zu feiner Auflöfung angehörte', auch im Mer:
gentheimer Bündniffe, wo die Städte nad Parteien aufgeführt werden,
und in bem bald zu erwähnenden Vertrage der Ceeftädte mit Graf
Heinrich) von Montfort feine Erwähnung gefchieht, zeigt, wie fie eine
jehr untergeordnete Stellung im Bunde eingenommen. Bald nad)
dem Untergang des legten, im %. 1391, wurde fie durch den Abt
von St. Gallen mit Waffengewalt erobert ?.
Als die Zahl der verbündeten Städte ſich ſchon zu einer be
trächtlichen erhoben hatte, nahm man, nad) dem Vorgange der frü-
heren Städteblindniffe von 1331 und 1347, eine Eintheilung derfelben
in verfchiedene Geſellſchaften, Reviere oder Parteien, vor, welche dann
die minder wichtigen Angelegenheiten, friedliche und Triegerifche, unter
ſich abmadıten. Die Eintheilung muß fpäteftens im J. 1382 ftatt-
gefunden haben, da ihrer bereits im Ehinger Bündniſſe gedacht wird.
Bei den Bündniffen von 1331 und 1347, welche nur die ſchwäbiſchen
Städte umfaßten, waren e8 deren drei, die der „obern Städte gegen dem
Eee“, oder „Conſtanz und feine Geſellſchaft“, ferner „Augsburg und feine
Geſellſchaft“, und die „Gejellichaft der Städte jenfeits der Alb“ (und Nie⸗
derfchwaben); hier hingegen finden wir deren vierdaher fie auch wohl Vier-
theile genannt werden. Im Ehinger Bünbdniffe werden fie bezeichnet ale
die Städte um den ee, die Städte ımter ber Alb, die Städte Ulm,
Augsburg, Memmingen, Biberach und die zu ihrem Revier gehören,
und endlich die Städte in dem Ried. Das Mergentheimer Bündniß
zählt fie dann in folgender Weife auf: als erftes Viertel Regensburg,
Augsburg, Nürnberg, Nördlingen, Rotenburg a. d. T., Dinkelsbühl,
Windsheim, Cchweinfurt, Weißenburg und Bopfingen; das wären
die Städte in dem Kies des Ehinger Bündniffes, mit den ſpäter dazu⸗
gekommenen fränkischen und bairischen fammt Augsburg, das damals
einem andern Revier angehört hat; als zweites Viertel Bafel, Con⸗
ftanz, Weberlingen, Lindau, Ravensburg, Mülhaufen, St. Gallen,
Pfullendorf, Wangen, Buchhorn, alfo die VBodenfeeftädte und die ober-
rheinischen; als drittes Eflingen, Keutlingen, Rotweil, Weil, Hall,
Heilbronn, Gmünd, Wimpfen, Weinsberg, Aalen (die Städte unter
der Alb); als viertes endlich Ulm, Memmingen, Biberady, Kempten,
Kaufbeuren, Leutkirch, Isny, Giengen und Buchau, entfprechenb dem
dritten Revier des Ehinger Bündniffes, jedoch ohne das jett den Städten
im Nies zugewielene Augsburg. Unter biefen vier Gefellfchaften
zeichnet fich num namentlich die der Städte um den See durch eine
gewilfe Selbitändigfeit aus. Sie waren, wie wir gefehen haben,
diejenigen, unter denen ſich in Schwaben zuerit der Trieb zu Ver:
bindungen geregt hatte, fie waren auch die einzigen, die ſich mit den
2 Daß beweift Reg. 368. ° 9, Arr, Geld. v. St, Sallen I, 95.
Bandfriedensbündniffen Karls IV. nicht begnügten, fondern fogar nad)
ber goldenen Bulle noch felbftändige Verbindungen unter einander
eingiengen; fo traten namentlich im J. 1362 die 8 Städte Con-
fanz, Züri, St. Gallen, Lindau, Ravensburg, Wangen und Bud;
fern zufammen und fchlojfen ein Bündniß, das 2 Jahre über den
Tod bes Kaifers hinaus dauern follte. Als im J. 1377 auf An⸗
trieb Ulms zum Schutze gegen Verpfündungs- und Befchagungsver-
fudye der große Bund gefchloffen wurde, traten ihm mit Ausnahme
Zürichs die ſämmtlichen genannten Städte bei, fuhren aber fort
ihren bejondern Bund um den See zu halten und verlängerten ihn
fogar über die feitgejeßte Zeit hinaus !. Zürich hatte ſchon unmit-
telbar nad) dem Tode Ludwigs von einer Verbindung mit den Städ-
ten des nördlichen Schwabens nichts mehr willen wollen, und war
denfelben jetzt durch feinen Eintritt in die ſchweizeriſche Eidgenoffen-
ſchaft noch mehr entfremdet; es Schloß fich daher weder dem Bunde
von 1377 noch der DBerlängerung des Bündniffes mit ben See—⸗
ftädten an, durch welche es jetzt in die Binde der übrigen hätte ver:
widelt werden müljen. Als der große Bund fi) fpäter in Reviere
abtheilte, bildete der Bund um den See ein ſolches, e8 wurden dem⸗
felben aber zu den Städten, die ihn urfprünglich gebildet hatten, noch
einige weitere zugetheilt; im %. 1384 ? befteht er aus 10 Städten,
den 7 obengenannten, ferner Pfullendorf, Isny und Leutkirch. Im
%. 1387 hingegen 3 finden wir die beiden leßtern einer andern Ge⸗
felljichaft zugewiefen, dagegen die oberrheinifchen Städte Bafel und
Mülhaufen mit den Bodenſeeſtädten zu einer Partei vereinigt. In
jedem Fall fcheinen die 7 Städte, welde den Bund um den See
gegründet, immer als der eigentliche Kern defjelben befonders feit zu-
fanımengehalten zu haben. Bei der Auflöfung des großen Bundes
im %. 1389 wollen fie fi nicht von einander trennen lafjen; alle
Sgriedensverhandlungen mit den Gegnern verfchmähend, willen fie das
Fortbeftehen des Bundes um den See gegen die Angriffe derfelben
fiegreidy zu behaupten.
b. Bundesverfammlung.
Mar etwas von gemeinfamem Intereſſe zu berathen, fo traten
die Abgeordneten der Städte zufammen, und was auf diefe Weife
befchlofien wurde, von dem hieß es, daß gemeine Städte es erkannt
hätten. Zu folhen Zuſammenkünften ſchickten Augsburg, Ulm, Con⸗
ftarız, Eßlingen, Regensburg * und Nürnberg? je zwei aus ihren
Räthen. Die Stadt, welde einen ausgefchriebenen Tag nicht be
fuchte,, hatte Strafe zu zahlen, eine noch höhere die, welche den Des
2 Gine Urkunde über biefe Verlängerung ift mir nicht bekannt, da aber
der Bund die nächſten Jahrzehnde hindurch fortbeiteht, muß eine ſolche wohl
ausögefertigt worden fein.
2 Reg. 209. 5 Im Mergentheimer Bündniſſe.
* Beg. 165. 182. 5 Reg. 214,
12
ichlüffen eines ſolchen Tages nicht nachkam. Hiebei war, als im 9,
1382 das Bündniß erneuert wurde, für die Städte St. Gallen,
Kempten, Isny, Wangen, Leutkirch, Kaufbeuren, Bopfingen, Wim-
pfen, Weinsberg, Giengen, Aalen und Buchhorn bloß die Hälfte
der Summe feitgefett, welche die übrigen zu entrichten hatten. Als
Ort, wo bie Städte zuſammenkommen follten, war urſprünglich Bi⸗
berach allein, dann diefe Stadt abwechjelnd mit Ulm beftinmt wor
den !; doch hat man es mit dem Befolgen diefer Beftimmung richt
fehr genau genommen, fonft würden ſich aud Spuren in Biberach
abgehaltener Bundestage auffinden laffen, was mir wenigitens nicht
gelungen iſt. Die meiften Zufammenfünfte fanden in Ulm jtatt.
Diefes bildete durch feine Lage recht eigentlich die Vermittelung zwi.
ſchen Ober- und Wiederfchwaben, und die Ulmer find immer die thä-
tigften gewejen, wo e8 ſich darum handelte, die fchwäbifchen Städte
in Bündniffe zu vereinigen, von ihnen war auch der Anftoß zur Ers
richtung des gegenwärtigen Bundes ausgegangen. Dadurd), daß bie
meiften Zage in Ulın gehalten und die Bundesichriften dort aufber
wahrt wurden, kam die Stadt in eine gewiſſe vorörtliche Stellung.
Die Ulmer lafjen Einladungen zur Beſchickung von Tagen ergeben ?,
und bringen die dafelbft gefaßten Beſchlüſſe folhen, die nicht anwe⸗
jend waren, zur Kenntniß’. Auch übernehmen fie es, Mittheilungen,
welche von Seiten der ſchwäbiſchen Etädte 3. B. an die rheinischen
zu machen find, zu beforgen +. Uebrigens fanden nicht alle Zufam-
menfünfte in Ulm Statt, e8 wurden diefelben auch in irgend einer
andern Stadt abgehalten, 3. B. in Augsburg 5, Nürnberg, Roten⸗
burg, Hall. Die Beichlüffe und Ausjchreiben der Bundestage wur:
den mit dem Siegel der Stadt verfehen, in welcher diefelben gehalten
wurden 6. Verträge und Aufnahmsurfunden werden in ber Hegel
Im Bünbdniffe von 1376 heißt es, bie Mahnungen follten gefchehen
„gen Biberah, es wäre benn, baß bie Städte einer andern gelegenen Stadt
zu Rathe würden“ ; in dem v. 1377 wird die Auswahl einer anbern Stadt
dem Gutfinden ber Städte oder ber Mehrzahl derfelben überlaffen; in
dem v. 1382 endlich treffen wir die Veftimmung, es folle immer eine Mab:
nung gen Ulm und die andere gen Biberach aefchehen, wenn nicht die Städte
gemeinlih oder mit dem mehreren Theile fänden, daß eine andere Stadt zu
ben Zeiten der Sache beffer gelegen fei.
2 Reg. 168. 285. 3 Reg. 256. + Reg. 268.
s 3.8. U. Chr. 121; wo ed auftatt: „U. D. 1381 jar bo kam bie flatt
von dem pund zu Herzog Stefan“ beißen muß: „bo famen bie flett“ u.f.w.
s Mit dem Siegel von Ulm z. B. Reg. 117. 148. 242, vgl. Tfehudi I,
501, mit dem von Eßlingen Reg. 120, mit dem von Hall das Reg. 204 er:
wähnte Schreiben, mit bem von Rotenburg Reg. 197. In biefen Urkunden
ift jedesmal die betreffende Stadt auch als Auöftellungdort genannt. Wem
das Bündniß mit Ulrich v. Hohenlohe mit dem Siegel von Hall verfehen ift, Reg.
207, fo läßt uns bieß fchließen, daß die Urkunde auch in biefer Stadt auss
gefertigt wurbe. — In eben ber Weife werben die Urkunden, welche ber
Bund um ben See audftellt, von ber Stabt beſugelt in welcher der Tag ge⸗
baen gird, einige von Buchhorn, Reg. 142. 143, andere von Conſtanz 140.
73
Vurch einige der bebeutenderen Stäbte befiegelt, fo die Aufnahmeur-
fıude von Regensburg dur Ulm und Augsburg, die von Bafel
dacch Ulm, Augsburg, Eonftanz und Eflingen, von den beiden Ver⸗
i den, welche 1386 in Mergentheim ausgeſtellt werden, die
wor ben ftädtifhen Schiedsrichtern ausgefertigte durch Augsburg,
Kürnberg, Ulm und Eßlingen, das Heidelberger und das Mergent⸗
keimer Bündniß durd Augsburg, Nürnberg und Ulm, welche dort
eds die auftreten, die es im Namen der ſämmtlichen Städte ab»
Mandyrlei war es, was auf den Bundestagen den verfams
melten Städteboten zur Berathung vorgelegt und von ihnen befpro-
den wurde. Es betraf fowohl die innern Angelegenheiten des Bun⸗
bes ale aud feine Stellung nad) außen. Zunächſt fonnten dort
de Bundesartikel nach Umftänden gemehrt oder gemindert werben.
Doc; war man forgfältig bemüht, jebe leichtfinnige Veränderung zu
Die Bindniffe von 1376 und 1377 beftimmten, daß
gend ein Stüd oder Artikel derjelben wohl könne „gebefjert“ wer-
den, wenn ſich die Mehrzahl dafür entfcheide, „gemindert“ nur durch
ven einftimmigen Willen aller Mitglieder. Die Erneuerung von 1382
aber fette feit, daß auch zur Beſſerung mindeſtens zwei Drittel der
Stimmen ſich einigen müßten. Gleichwie die Veränderung der Bundes»
ertikel, fo geſchah auch die Aufnahme neuer Städte durch die allges
weine Bundesverfammlung, indem durd) bie einfache Mehrheit iiber
Nejelbe entſchieden wurbe.
Es kam nım darauf an, daß die YBundesglieder unter fich felbit
eintrüchtig waren, und wenn ſich etwa Zwiſtigkeiten erhoben, diefelben
fofort gefchlichtet wurden, und zwar im Schooße des Bundes felbft,
ehne irgend welche Einmifhung von außen. Bei der Erneuerung
des Bimdniffes im J. 1377 wurde ein Artifel aufgenommen, wel⸗
der befagte, daf, wenn irgend eine Stadt des Bundes mit einer an-
dern Streit befüme, fie nicht ſich felbft Recht verfchaffen und diefelbe
befchädigen dürfe; es follten vielmehr die Streitpunfte vor „gemeine
Städte“ gebracht und dort Klage, Rede und Widerrede von beiden
Barteien angehört werden. Was dann die Städte oder die Mehr-
zahl umter ihnen entfchieden, mit der Minne oder mit den Rechten,
dem follten fich die beiden Theile fügen, und dabei follte es verbleiben.
Us fpäter die Eintheilung in mehrere Gefellichaften vorgenommen
wurde, beftimmte man, wie wir aus der Erneuerung von 1382 jehen,
daß die Sache zuerft vor die Gefellfchaft, der die betreffenden Stäbte
angehören, follte gebracht werben. Wenn die Städte der Gefellihaft
aber die Sache fo befchaffen finden, daß fie diefelbe allein nicht ent-
ſcheiden mögen, fo kommt fie vor die Verfammlung der ſämmtlichen
Städte. — Wir kennen mehrere Beifpiele von der ſchiedsrichterlichen
Thätigkeit, welche der Bund nach Anweifung diefer Vorſchriften ent-
feltete. Der Abt von St. Gallen, Cuno von Stoffen, hatte ſich
in Lindan als Bürger aufnehmen lafjen, und bradıte als folder die
Etreitigfeiten, in die er gleich nad) Antritt feiner Negierung mit Ap-
74
penzell ımb mit Et. Gallen gerathen war, vor bie Städte. Der
Bund um den See nahm id) der Sache an, gebot den Appenzellem
und St. Gallern, welche bis dahin die Huldigung verweigert hatten,
diefelbe zu leiften, und ftellte die beiderfeitigen Rechte aufs gemauefte -
feſt. Die Ausfprüche, welche Appenzell berührten, gefchahen auf bau -
Zagen zu Conſtanz und zu Buchhorn, den 11. Oct. und den 16.
Nov. 1379. Der erjte in Betreff St. Gallens wird wohl auf:
1379 erfolgt fein, der Abt beflagte fi), daß ihn die Bürger nicht :
hielten, und wandte ſich nad) Ulm an den großen Bund; der forberte -
den Bund um den Zee auf, die Sache nochmals an bie Hand u
nehmen, und es wurde diefelbe auch durch mehrere Sprüche des Bun -
destages zu Conftanz den 26. Juni 1380, den 5. April 1381 mb
den 17. Juli 1382 endlid ins Reine gebracht. — Kin anderer
Fall, Streitigkeiten der Nürnberger und der Basler betreffend, kam
den 15. uni 1385 in Ulm zum Austrage. Die lettern hatten
fraft eines Föniglichen Privilegs einen Zoll auf dem Rheine errichtet
und denfelben auch von den Schiffen der Nürnberger gefordert. Al⸗
fein dieje weigerten fi), ihn zu bezahlen, und wiefen audy ihrerfeits
ein Fönigliches Privileg vor, durch weldyes ihnen Zollfreiheit verliehen
wurde. Beide Theile gaben den Städten volle Gewalt der Entfchei
dung. Dieſe fiel dahin aus, daß die Basler den Nürnbergern nur
halb fo viel Zoll abfordern follten als bisher. Auch außerhalb feis
nes eigenen Kreiſes wirkte der Bund in fchiedsrichterlicher Weiſe.
Den 1. Mai 1383 that er auf Anfuchen der befreundeten rheinifchen
Städte einen Ausſpruch in Betreff eines Zolles zu Speier, durch
den die übrigen Städte fi) beeinträchtigt fühlten. Er entſchied, daß
der Zoll während der Dauer des Bundes aufgehoben fein folle, und
bezahlte als Entfchädigung der Stadt Speier 2000 FL, von denen
anzunehmen ift, daß die betreffenden rheinischen Städte fie ihm zus
rüderftatteten. — Ya, das Anfehn, das der Bund genof, war fo
groß, daß nad) dem Zeugniffe des Chroniften aud Herren, Ritter
und Knechte ihre Zwilte vielfad) vor denjelben zogen und ſich feinem
Entfcheide unterwarfen!. So wurden im Juni 1380 auf einem
Bundestage in Ulm dur Ludwig von Allmannshofen von Kaufbeuren,
Heinrihd Märk von Biberach und Görg den Ammann von Ysny,
welche die Städte aus ihrer Mitte Hiezu auserforen, die Grenzftrei-
tigfeiten zwijchen Abt Heinrich von Münchrot und dem Probft von
Ochſenhauſen entjchieden. Allein während Fürften und Herren vor
dem Bunde Recht fuchten, kam es vor, bag unter den Stübten felbft
ſich mande feinen Ausſprüchen nicht fügen wollten. Es mußte auf
einem Tage zu Rotenburg an der Zauber den 9. Nov. 1387 ber
Beſchluß gefaßt werden, daß in einem ſolchen Falle die Städte dem ge⸗
horſamen Theile gegen den ungehorfamen wollten beholfen fein.
Gleichwie der Bund die Etreitigfeiten der Städte ımter fich
Ichlichtete, fo wandte er auch fein Augenmerk auf die Parteiungen,
%
ı C. Ehr. 321,
75
bie fich innerhalb der einzelnen Städte erhoben. In dem Bündniffe
sea 1347 fand ſich die Beftunmung, daß, wenn fich ein Auflauf in
euer Stadt erhebe, die beiden Parteien die Städte nach Ulm mahnen
Sunten; was dort entfchieden wird, dem ift Folge zu leiften ohne
,‚ und wenn ein Theil fich deſſen weigert, fo find die Städte
dem anbern, der fich ihrem Ausſpruche fügt, gegen denfelben beholfen.
In den Briefen unferes Bundes findet fih nichts auf diefen Fall
Bezügliches, hingegen wird uns erzählt, daß 3. B. im %. 1382 bie
Bundesftädte einen Streit fchlichteten zwiſchen ber Geiftlichfeit und
ven Bürgern in Augsburg '. Eine Verordnung von befonders ges
waltfamem Charakter wurde im %. 1384 erlaſſen. Es hatte fid) im
Lanfe diefes Jahres in mehreren Städten nad) einander das Volt
gegen die Juden erhoben, denen man unrichtige Verfteuerung und
endere Betrügereien mehr Schuld gab ?. In Regensburg gelang es
em Rathe mit Mühe ernftliche Unruhen zu hintertreiben, in Augs⸗
burg wurden die Juden gefänglich eingezogen und mußten ihre Los⸗
gbung um 22000 Fl. erfaufen. In Nördlingen dagegen wurden
fe ſämmtlich, gegen 200, Männer, Weiber und Kinder, niederges
macht, ebenfo wurden fie in Windsheim und Weißenburg blutig ver-
felgt, und in leßterer Stadt, wo der Rath Einhalt thun wollte, hatte
ſich alsbald die Wuth der Unruhftifter gegen ihn gewandt. Die
Eadye kam vor die gemeinen Städte, elf von den Rädelsführern aus
ben drei Städten wurden gefangen, und am 8. Sept. füllte in Nürn-
berg die Bundesverfammlung das Urtheil. Jene wurden verbannt,
einige auf 5, andere auf 10 Jahre und weiter, bis ihnen die Städte
die Rückkehr gejtatten würden, und zwar nicht nur aus den Städten
bes Bundes in Schwaben, fondern auch des Bundes am Rhein, was
darauf hinweiſt, daß mit diejen ein Uebereinfommen getroffen worden.
Einer follte 10 Jahre über da8 Lampartiſche Gebirge verwiefen wer:
ben. Die Flüchtigen wurden für vogelfrei erklärt in den ſämmtlichen
Städten de8 Bundes, und es follten auch die Fürften und die frem-
den Städte aufgefordert werden, fie zu greifen ?. Es fcheint, daß
dieſes Einjchreiten der verhaßten Juden wegen vielfach, wohl nament-
(ich in den untern Volfsklaffen, großen Unwillen erregte. Als Hans
Goſſenbrot von Augsburg, der fich bei der Verhaftung jener 11 bes
theiligt hatte, bald darauf in Folge eines Sturzes mit dem “Pferde
ſtarb, hielt man dieß für eine gerechte Strafe des Himmels +. Die
flüchtigen Nördlinger aber fanden Aufnahme bei Herzog Stephan,
entgegen den Beitimmungen ber Heidelberger Einung?. AU diefes
bewog die Städte, fofort am 12. Sept. die Verordnung ergehen zu
laſſen, daß, wenn fich in irgend einer Stadt Aufläufe gegen den
Rath erhöben, man die Uebelthäter gleich greifen und ohne Urtheil
aufs Rad ſetzen folle. Bleiben in einer Stadt die Uebelthäter unge:
2 %. Chr. 123. 2 X. Ehr. 124. Gemeiner II, 213. 214.
5 Reg. 225. A. Chr. 124,
s Es ift bieß einer ber Klagepunkte, die bei ber Berichtigung zu Aug:
burg (Reg. 269) von den Städten zur Sprache gebracht werben,
76
ftraft, oder kommen fie dafelbft anpor und werben Meifter, fo mahnt -
die nächſte Stadt die Städte des Bundes; die ziehen aus, ftrafen
und fchaffen Ordnung. Solche Auflaufanftifter werden aud) überall, -
wo fie fich Hinflüchten, aufgegriffen und Hingerichtet. lieben fie m
eine fremde Stadt oder zu einem fremden Herrn, jo verlangt man -
die Auslieferung, und erfolgt diefe nicht, jo wirb fie mit Gewalt ere
zwungen. Alle Städte follen das in ihr Geſetzbuch fchreiben mb
jährlich erneuern und verlejen laſſen. |
e. Kriegsweſen.
Wir gehen über zu der Art und Weiſe der Hilfsleiſtung und
zu den Einrichtungen, welche das Kriegsweſen de8 Bundes betreffen.
Wenn eine Stadt angegriffen wurde, fo mahnte fie ihre Nachbarn,
und diefe hatten ihr dann Fräftige Unterftügung zu leiften, gleich als
ob die Sache fie felbft angienge. Diefer Fall kam ſehr oft vor;
fo mahnt 3.93. im %. 1378 Rotenburg bie Dinfelsbühler t, fo
wird Nürnberg häufig von Regensburg gemahnt?. Oft auch fuhren
die Etädte ungemahnt zu, wenn foldhe, die ihre Verbündeten beſchä⸗
digt hatten, in ihren Bereich famen. — DBedurfte es in ſolchen
Fällen bejonderer Zurüftungen, fo trugen die ſämmtlichen Städte des
Bundes die Koften. Tiefe Kojten, fo wie alles Geld, was man für
Bundeszwecke brauchte, wurde in der Weiſe auf die einzelnen Stübte
vertheilt, daß man die Neichsfteuer, welche fie bezahlten, zu Grumde
legte und die Geldbeiträge für den Bund im Verhältniffe zu diefer
anjegte. Da man damals in den Städten nod) feine Tabellen führte
über die Zahl und den Vermögensftand der Einwohner, fo war bieß
der beſte Anhaltspunft, nad) welchem man fich richten konnte, ob»
glei natürlich) von vollfommener Genauigkeit und Richtigkeit nicht
die Rede war. Für Regensburg und Bafel, weldye als freie Städte
feine Reichsſteuern zahlten, legte man Summen zu Grunde, melde
den Steuern entſprachen, die Städte von ihrer Größe and Reich zu
entrichten pflegten. So erflärte Regensburg bei feiner Aufnahme,
daß es fich fiir Bundeszwecke befteuern wolle, gleid) al8 ob es jährlich
800 Pd. ans Reid) zahlte. Nürnberg, welches finden mochte, daß feine
Reichsſteuer (2000 Pfd.) einen zu Hohen Anfchlag ergeben würde,
bedang fich bei feinem Kintritte aus, daß es beitragen folle gleicher
Weife, als ob c8 dem Reiche nicht mehr gübe als 800 Pfd. Haller.
Es fcheint oft vorgefommen zu fein, daß einzelne Städte um Er-
leichterung nadjfuchten; das Bündnig von 1382 beftimmte hierüber,
ed folle feiner Stadt ein Vortheil gegeben werden, c8 wäre denn,
daß eine folche oder mehrere in befonderer Armuth, Schaden und
Gebrechen ſich jett befänden oder füro darein fielen, die könnten es
vor die Bundesftädte bringen, umd nachdem diefe genaue Kundfchaft
eingezogen, jtände eg ihnen frei, eine Erleichterung zu geftatten. Nach
2%. Chr. 115, ® Bemeiner II, 219, 221, 9 u. ſ. f.
77.
biefem Artikel ſcheinen auch die Eßlinger das Vorrecht aufgegeben zu
heben, die Zahl der Spieße, die fie zu Hilfe ſchickten, nad ihrem
Gmtbünlen zu beitimmen.
. Den Kern der ftädtifhen Truppen bildete die ſchwere Reiterei.
Um diefe berzuftellen, fchlojjen die Städte Verträge mit benachbarten
‚ wodurch diefe jich verpflichteten, gegen eine Summe Gel-
des eine beſtimmte Zeitlang den Städten mit einer Anzahl von Epies
fen zu dienen. Der Ausbrud Spieß, Gleve oder Ölene, in biefer
Beife gebraucht, bedeutet in der damaligen Zeit gewöhnlich einen
Schwerbewaffneten zu Pferde (mohlerzeugte, ehrbare Leute mußten es
fein), mit 2 gleichfalls berittenen Begleitern, einem Edelknechte und
anem Jungen '. Außer den eigentlich in Sold genommenen Spießen
Reites die adlichen Ausbürger ſolche, und an vielen Orten finden wir
gen, wornad) die reidhern Bürger verpflichtet waren, nad)
Maigabe ihres Vermögens Dienjte zu Pferde zu leilten. Neben den
Spiegen, den Schwerbewaffueten, treffen wir auch noch berittene
Schügen , wohl größtentheil® angeworbene Leute. Auch das Fußvolf
bettand theils aus Söldnern theils aus Bürgern. Die leßtern bes
feiligen fich hauptjählih nur da am Kriege, wo es gilt, in ber
Nähe ihrer Stadt irgend eine Unternehmung auszuführen. Da zies
ben oft aus einer Stadt, wie Augsburg und Nürnberg, mehrere
Zaufende zu Roß und zu Fuß aus, fei es, daß es gilt, einer Ab»
Seilung der Ihrigen, die auf einem Plünderungszuge von den Fein⸗
den überfallen worden ift, beizufpringen, ſei es, daß es fid) darum
benbelt, dem Feinde Schlöffer und Burgen zu bredjen, und mandhe
saadliche Waffenthaten find auf diefe Weile verrichtet worden.
Bisweilen erforderten es aber die Uniſtände, daß eigentliche grö⸗
fere Kriegszüge unternommen wurden, zu denen jede Stadt dem
Bunde eine bejtimmte Anzahl von Spießen zu jtellen hatte, und da
wurden dann meijt nur Söldner ausgeichidt. Die Zahl der Spieße,
die den Städten auferlegt wurde, richtete fi), wie alle ihre Leiſtun⸗
gen für den Bund nad der Reichsſteuer. Auf jede 100 Pfd. der»
ilben famen 3 Spiefe?. Dod konnte natürlid nad) Umſtänden
darch die Bundesſtädte bejchlojjen werden, die Zahl zu vermehren
ser zu vermindern. Auch pflegte nach Anordnung derfelben bei den
Auszügen den Spießen eine entiprechende Anzahl von Armbruft-
ſchitzen und bewaffneten Fußfnechten beigegeben zu werden. Die
Saar, in deren Nähe fid) die Unternehmung bewegte, unterjtüßten
Dejeibe. mit zahlreihem Zuzuge, auch hatten fie für die Herbeiſchaf⸗
fing von Lebensmitteln und Kriegsgeräthe zu forgen.
Es fragt fi) nun: Waren die Städte verpflichtet, während ber
sunzen Dauer des Bundes fo viel Spieße aufgeftellt zu halten, als ihr
tegelmäßiger Anfaß betrug, oder hatten fie nur in den Fällen, wo fiedarum
gmahnt wurden, diefelben zu bejtellen? Bei den rheinifchen Städten
3 Bal. Amold, Zglfaſſungsgeſchichte ber deutſchen Freiſtädte II, 2395 ſ.
ach Lehmann 744.
8 Gemeiner U, KR
18
finden wir einen großen und einen Kleinen Anfat. Der erftere wurde
auf ergangene Mahnung hin geſtellt, der leßtere, der den vierten Theil.
davon betrug (bei Straßburg 25:100, bei Epeier 16:65, bei Ha
genau 4:16 u. ſ. w.), mußte bejtändig in Bereitfchaft gehalten werden.
Die fchwäbifchen Städte hingegen hatten nur Einen regelmäßigen
Anſatz, und diefer wurde bloß auf Mahnung geitellt. Vom Abt vos
St. Gallen heißt es, er habe die Appenzeller mit einem Spieße m
verweſen, wenn der Fall eintrete, daß der große Bund oder der Bund
um den See ihnen um reifig Volt und Spieße zuſpreche und fie um -
Hilfe mahne, nicht aber, er folle für fie beftändig einen Spieß halten, :
und auch ſonſt finden wir feine Anzeichen, welche für die Annahme :
einer jtehenden Truppe von Spießen fprechen. Unter Umftänden
fonnte natürlich” für eine Zeitlang die Aufitellung einer foldyen bee :
chloffen werden. So fam man im Herbjt 1386, wie bereits er⸗
wähnt worden ift, überein, um den halben Theil Spiege mehr zu Ä
bejtellen als gewöhnlich, je 4 derfelben mit einem Schützen zu ver⸗
jehen, in jeder Stadt 2 Büchſen, 2 Schilde, d. h. Schilddächer, & -
Leitern und 1000 Pfeile in Bereitihaft zu Halten und in diefem
Bertheidigungszuftand vor der Hand ein Jahr lang ftehen zu bleiben.
Als gemeinjames Feldzeichen wurde bei den Unternehmungen
de8 Bundes das Reichsbanner vorangetragen '. Bisweilen führten
neben demjelben die Städte noch ihre bejonderen Banner. Als im
Nov. 1388 ſich die ftädtiichen Truppen bei Windsheim fammelten,
und es fid) fand, daß die Nürnberger die Mehrzahl derfelben aus»
machten, befhlog man, unter dem Banner des Reiches und der
Stadt Nürnberg auszuziehen ?,
Der Befehl über die Truppen des Bundes fowohl al® der
Vierteile und der einzelnen Städte wurde bald kriegskundigen Bür⸗
gern anvertraut, bald übernahmen denjelben benachbarte Herren in -.
Folge eines befondern Vertrages. So werden 3.2. in der Schlacht
bei Döffingen die Nürnberger durch einen Grafen von Henneberg
geführt, die Augsburger durch Heinrich von Apsperg und ihren Mit⸗
bürger den Patricier Hand Yangenmantel; als gemeiner Städte
Zeuptann treffen wir den Bürgermeiſter Konrad Beſſerer von Lim.
im Ausbrud) des Krieges war zum oberjten Hauptmann der Städte .
Graf Heinrid) von Montfort ernannt worden. Mit diefem hatten .
den 22. April 1384 die Städte um den See einen Vertrag abge
ichloffen, daß er fünf Jahre lang ihr Hauptmann fein und ihnen
mit 10 Spießen dienen, auch die fünf nächjtfolgenden Jahre bei dem .
1 S. unten ©. 81. 2 Chron. Nor. 326.
5 Grabſchrift dejielben im Ulmer Deünfter. Damit ift nicht gefaqt, daß
er der oberfte Hauptmann geweien. Graf Heinrih von Montfort, von dem
glei im Terte die Rede fein wird, erfcheint als foldher in einem Lager vor
Gmünd (Gemeiner I, 240), das eben auf dem Auge gegen Wirtemberg wird
bezogen worden fein, und Conrad Bejlerer war wohl Anführer eines der Bier:
tel an ber Stelle des in ber Kriegsordiung von 1387 bezeichneten Hartmann
Ehinger.
79
Junbe verbfeiben und bemfelben mit Leib ımb Gut wider alfermän-
glich beholfen fein folle. In diefem Bertrage war bereits der Fall
mgeichen, dag auch die andern Städte wünfchen würden, fich diefes
Kriegsmarmes, der fchon in feiner Yugend an den Käm⸗
ſen der italiänifchen Städte theilgenommen, fpäter in den ‘Dienften
ner Karls und Herzog Leopolds ſich hervorgethan hatte, auch
euptmann ber Töwengefellichaft gewefen war, zu bedienen und ihm
ne höhere Stellung als den übrigen Hauptleuten einzuräumen; es
arbe beftimmt, daß er in eimem folchen alle jich den Wünfchen
r Städte fügen und von ihnen dafür eine Belohnung erhalten folle,
che der Bund um den See zu beitimmen habe. In der That
er dann zu Ende des J. 1387, als der Krieg mit Baiern
feinem Ausbruche nahte, zum oberjten Hauptmanne des Bundes
und trat an die Spige der geſammten Streitmadht deffelben.
Gleichwie man mit Edelleuten für die Uebernahme der Haupt-
santchaft und Ausrüftung von Spießen Verträge abſchloß, nahm
eu auch tüchtige Werkleute in Cold, die bei der Belagerung von
eften eine große Rolle fpielen. So verfpridht 3. B. den 25. Aug.
377 Meiſter Heinric der Behan den Bundesjtädten, ihnen um 150
L ein Jahr lang als ſolcher zu dienen.
Den beiten Begriff von den Kriegseinrichtungen des Bundes
ben uns die Beitimmungen, welche zu Ende des %. 1387 für den
Krieg gegen Baiern getroffen wurden!. Da ward
rordnet, daß jede Stadt für den vorzunehmenden Zug noch einmal
viel berittene Spieße haben folle al8 vorher und je zu 2 Epießen
sen guten berittenen Schügen, der weder mit Kleiderfäcen noch
it anderem Gepäd überladen fer, ferner zu jedem Spieße zwei
gehende“ Knechte; von diejen follten zwei Drittel mit Spießen
sd mit Zſchoppen (Wänmfern), ein Drittel mit Armbrüjten,
wertern und Zſchoppen verjehen fein. Für je zwei Schützen, fie
m zu Roß oder zu Fuß, führt jede Stadt 100 Pfeile mit fi).
Ye drei Städte Regensburg, Augsburg, Nürnberg, als die dem Kriege-
hauplatze nächſten, beitellen jede auf Koften der gemeinen Ctüdte
0000 Bfeile, desgleichen Schilde, Leitern, Büchfen und Pulver.
Die Stadt, von welcher der Zug ausgeht, ſchickt diefen Kriegsbebarf
sfert mit, die beiden andern fenden den ihren erit dann ab, wenn
w Städte fie barum erjuchen, Alles auf gemeine Koften. Die ge
wunten Städte haben auch für Koft zu forgen, die der Mannschaft
wtgeführt umd um redlich Geld gegeben wird. ‘Desgleichen follen
mc alle andern Städte, die in der Nähe gelegen find, den Truppen
deft und Kriegsgeräthe zuführen, wenn fie darum gebeten werden.
kener follen bie drei Stüdte auf allgemeine Koften gute gewiſſe Kund⸗
haft Haben, und ebenfo die andern Städte, ob Jemand den Feinden
miehen wolle, und wer deijen inne wird, es fofort den Leuten im
beide und den übrigen Städten melden.
R
1
I Reg. 236.
8.
Zum oberjten Hauptmann des Zuges wird Graf Heinrich von
Montfort beftunmt; die Feitfegung des Lohnes, den er erhält, wird
dem Ermeſſen der Städte des Bundes um den See anheungeitellt;
will er die Stelle nicht annehmen, fo bejenden die Ulmer 2 oder 3 der
nächften Städte au ſich und beftellen mit diefen zufammen Herrn Lut
von Landau zu einem oberften Hauptmann; Hauptleute der einzelnen
Biertel find Hug Sinerlin von Conftanz, Hartmann Ehinger Bi
germeifter zu Ulm, Heinrich Kantzler der junge von Rotweil und
Heinrich Toppler von Rotenburg; jeder diefer vier Hauptleute ſoll -
Pferde haben, dazu ordnen die Städte, welden die Hauptleute an
gehören, ihnen von den Schüßen, die fie zu ftellen verpflichtet find, 3 -
bei; die Hauptleute felbft zählen aber nicht mit an der Anzahl ihrer
Spieße. Yeder Hauptmann erhält täglich als Sold 3 Gulden; im :
Voraus befommt er ald „Naufchgeld“ 40 Gulden; dauert der Zug :
nicht fo lange, daß jich fein Sold ebenfall® auf 40 Gulden belau⸗
fen wiirde, fo behält er das ganze Kaufchgeld nebft feinem Solde;
im entgegengefegten alle werden ihm 20 der vorausgezahlten Gul⸗
den am Eolde abgerechnet, und es bleiben ihm jomit als eigentliche :
Raufchgeld nur nod) 20. — Die vier Hauptleute follen auch oberfte
Hauptleute heißen, und Graf Heinrid) oder Herr Lutz von Landau
ſoll nichts unternehmen, ohne fie und die Kathsglicder, deren jede
Stadt eines mitſchickt, zu befragen (ein ſolches Rathsglied kann als
Inhaber eines Spießes feiner Stadt mitziehen).. Was auf dieſe
Weiſe befchloffen ift, das follen dann die vier obern Hauptleute den
untern Hauptleuten, die ein jedes Viertel von Rittern und von Knech⸗
ten hat, verkünden, und die Käthe der Städte beholfen fein, daß ihr
Volk den Befehlen derfelben nachkomme.
Die Spiege und Diener der Städte haben auch, bevor fie aus-
ziehen, zu jchwören, daß fie den Boten ihres Rathes gehorfam fein
und bei etwanigen Zerwürfnijfen fi) dem Ausſpruche derfelben fügen
werden. Iſt einer widerfpänftig, jo bringt das Rathsglied die Sache
bor die vier oberjten Hauptleute, und diefe haben volle Gewalt, ihn
nad) Gutfinden zu ftrafen.
Die Städte forgen aud) dafür, daß die Räthe, die fie ausſen⸗
den, den vier obern Hauptleuten gehorfam feien. Hat ein Diener oder
Bürger einer Stadt irgend Feindſchaft oder Krieg mit einem Diener
oder Bürger einer andern Stadt, fo ſchwören fie, bevor fie auszie⸗
ben, daß fie während des ganzen Zuges die Sache ruhen laſſen.
Alle, die von der Städte wegen reiten, haben in allen Städten
des Bundes Frieden und Geleite.
Die Hauptleute und die Käthe der Stüdte, die mitziehen, haben
volle Gewalt, fobald man in Augsburg, das als Sammelplak be
ftinmt iſt, zuſammengekommen, einen Marjchall und Bannerträger
zu ernennen und fürbag ihre Ordnung für den Krieg zu entwerfen,
jo jedoch, daß die vorgenannten Artifel gebejfert, nicht „gefränft“ werden.
Die vier Hauptleute führen ein jeder 2 oder 3 Pfeifer auf
gemeiner Städte Koſten.
81
Die Hauptleute und da8 Wolf des Zuges führen des Reiches
Banner und Nennfähnlein, und fein anderes.
Das Volk der Städte, das auszieht, ſoll bezeichnet werden mit
ſchwarzen Kreuzen in weißen Feldern, ımd ſoll auch au den Spießen
ſchwarze Kreuze in weißen Fähnlein führen.
Das find die wichtigſten von den Beichlüffen jenes Städtetager,
infofern fie ſich auf die Einrichtung des Heerweſens beziehen. Es
find und nun noch einige weitere Beitimmungen der Art erhalten,
die umgefähr aus derjelben Zeit ftammen müjlen '. So ein Ber:
zeichniß der Städte, die nad) Parteien gruppiert find, mit Angabe der
Anzahl von Spießen, welche jede zu jtellen hat. Die erjte Partei
beiteht aus Üegensburg, den fräntifchen Städten und denen des nord-
öftlichen Schwabens; fie entjpricht ganz dei erjten Viertel de8 Mer⸗
gentheimer Bündnifjes, nur dag Augsburg fehlt. Dieſes ift wieder,
wie im Ehinger Bündniffe, der Bartei beigeordnet, welche Ulm und bie
ihm benachbarten Städte enthält und die im Mergentheimer Bünd-
niſſe als die vierte, hier als die zweite aufgeführt wird. Dadurch, dag man
Augsburg wieder hiehergezogen, wird der Abjtand, der fonft zwiſchen
der Zruppenzahl der beiden Parteien cin fehr beträchtlicher geweſen
wäre, zu Gunften der zweiten etwas gemindert. ‘Die dritte Partei end-
lich umfaßt die niederjchwäbifchen und ihnen beigegeben auch noch die
oberrheinifchen und Bodenfeejtädte. Vergleichen wir die Anzahl der
Spieße, welche von jeder Stadt gefordert werden, mit dem, was ung
über ihre damaligen Reichsſteuern befannt ift, fo ergiebt ſich, daß fie
boppelt jovicl betrügt, als wozu die Städte in gewöhnlichen Zeiten
angelegt waren, aljo ganz wie die eben angeführten Beltimmungen
aus dem December 1387 verlangen. Kinige Städte allerdings ftellen
nur die einfache Zahl, oder doc) weniger, als die doppelte betragen
würde, fcheinen fich jomit der Vergünftigungen zu erfreuen, von de-
nen im Bündniſſe von 1382 die Rede iſt. Buchau und Wyl im
Thurgau fehlen ganz. Nun wird aber neben der „Anzahl“ der
Spieße von den Städten noch ein „Zuſchub“, ein zweites Aufgebot ver-
langt, und dieß beträgt bald etwas mehr, bald etwas weniger als
das erjte, bei einigen iſt es diejem gleich, andern ift es auch ganz
erlaifen. Das legtere ift der Fall bei Kaufbeuren, Weil und Heil:
bronn, und dann bei fänumntlichen oberrheinifchen und Bodenjeeftädten.
Es ergiebt ſich nun, Anzahl und Zufchub zufanmengerechnet, für die
erite Partei die Summe von 396 Spießen, für die zweite 300, für
mLehmann 750. Daß biefe Anordnungen mit dem Conftanzer Bündniſſe,
binter welchem Lehmann es in einem Städtebuche fcheint verzeichnet gefunden
zu haben, nichts zu thun hat, beweist ihre ganze Anlage und ſchon der Um:
Kand, dag Schweinfurt und Mülhaufen, die hier als dem Binde angehörig
aufgeführt werben, zur Zeit des Gonftanzer Bündniſſes demjelben noch nicht
i en waren. Daß Augsburg wieder ber Gefellfhaft von Alm, Mem⸗
mingen, Biberady u. f. w. zugetheilt ift, während ed fchon 1384 (Reg. 210)
und noch 1387 im Diergentbeimer Bündniſſe der Geſellſchaft im Ries beigeord:
net erjcheint, fpricht auch für die von und angenommene Zeit.
DI. 6
82
diedritte 416 ', im ganzen alſo eine Zahl von 1112 Spießen. Nach
der Aufzählung der Städte der erften Partei heißt e8: Won welder
Stadt der Zug ausgehet, die foll dann mit Macht damit ziehen, zu
Roß und zu Fuß. Dieß weift deutlich darauf Hin, dag der Zug ges
gen Baiern gerichtet war. ‘Damit ftimmt aud) ganz gut, daß die
Städte des Bundes um den See, welche vom Kriegeichauplage am
meiften entfernt waren, feinen Zuſchub zu ftellen hatten und feinen
befondern Heerhaufen bildeten. — Es folgen dann auf diefe Aufs
zählungen noch einige weitere Artikel, weldje darauf hindeuten, daß
der Feitfegung derfelben kürzlich Kämpfe vorangegangen fein müffen.
Wir fegen fie am beiten ins Frühjahr 1388, um die Zeit, wo der
Krieg gegen Baiern aufs neue losbrad).
1) heißt e8: Jegliche Stadt foll verforgen, daß den Ihren, die
jet bei dem Fechten gewejen find, „die Flucht in Uebel nicht auf
gehebt werde zu diejen Zeiten“.
2) Jegliche Stadt foll verforgen, daß ihre Diener alle Ord-
nungen halten und ihren Hauptleuten gehorfam feien, und daR aud)
fürbaß Niemand mehr von dem Banner fliehe, und wer der Stüde
eines überführe, daß deſſen Leib und Gut der Stadt verfallen ſei und
auch weder er noch fein Weib noch fein Kind in die Etadt noch in
irgend eine Reichsſtadt ewiglich kommen fol.
3) Jegliche Stadt foll ihre Diener nit Geld verforgen, daß
fie bei den Leuten bleiben mögen, wenn man fte ausfendet, und nicht
wieder heintzureiten brauchen.
Diefe Artikel zeigen, daß ed mit der Kriegszucht nicht immer
ſehr glänzend muß ausgefehen haben, und eben dafjelbe beweist eine
Verordnung, welche im Felde vor Gmünd Graf Heinrid von Meont-
fort und die vier Hauptleute ergehen zu laſſen für nöthig fanden, alfo
lautend: Es follen auch die Ehrbaren mit ihr felbjt Yeib wachen, und
follen nicht Knechte an ihrer Statt auffegen, und wen man fdhidt
zu brennen, die follen auch brennen, und foll das Niemand wider⸗
reden, weder Ehrbarer noch Schüß ?.
Es war offenbar ein Fehler, daß die Söldner und namentlid)
die ritterlichen Söldner eine fo große Bedeutung im Heerweſen der
Städte einnahmen. Wenn die Herren auch, ftatt die Städte zu
befriegen und ihre Kaufleute anszuplündern, zur Abwechslung einmal
in deren Dienfte traten, um ſich auf diefe Weife Beichäftigung und
Erwerb zu verfchaffen, fo lag ihnen dod) die Sache berfelben wenig
am Herzen, fie zogen in den Krieg ihres eigenen Vortheils wegen,
und waren wenig zuverläffig. Auffallend ift es, wie in v Schlacht
bei Döffingen am Anfang zwar tapfer gekämpft wurde, ſobald ſich
aber der Sieg auf die Seite der Feinde neigte, Alles in wilder Flucht
auseinanderlief. Ein Bericht von ſtädtiſcher Seite behauptet wenig⸗
ı Im Verzeichniß ſelbſt werden 412 berechnet; ob dieſe Zahl zu Hein
oder einer ber einzelnen Poſten zu groß angegeben ift, läßt fidy nicht fanen.
2 Gemeiner 1, 240,
— 83
ſtens. dag von 700 Todten kaum 100 auf der Wahlſtatt gelegen
Sätten, ebenfo feien die Gefangenen der Mehrzahl nach auf der Flucht
t worden!. — Es werben den Herren im Dienfte der
Städte wohl auch Verräthereien vorgeworfen; gerade die Schlacht
ven Möffingen foll verloren gegangen fein, weil der Graf von Hen-
neberg, vom Grafen Eberhard beftochen, mit den Nürnbergern zuerft
gewichen fei?. Wir möchten auf folche Behauptungen fein zu großes
Gewicht legen. Nach dem unglüdlichen Ausgang einer Unternehmung
regt ſich leicht ein folcher Verdacht, auch wenn er nicht begründet ift.
Dan ift geneigt, feinen Unmuth und Zorn an beftimmten Perſön⸗
tichleiten auszulaffen, und namentlich das niedere Volk denkt gleich
an Berrathen und Verkaufen. So mußte nad) der Schlacht bei En-
dingen in Baſel der damalige Oberftzunftmeifter in Folge ſolchen
Berdachtes verbannt werden °; nad) der Schladjt bei Altheim herrfchte
in Ulm eine ſolche Gährımg, daß ein Aufftand befürchtet wurde;
eines der auffallendften Beifpiele treffen wir im J. 1798, wo nad)
dem Zreffen un Grauholz und der Uebergabe Berns die Truppen,
weiche die Frucht ihres heldenmüthigen Widerftandes vereitelt fahen,
alfenthalben ihre Offiziere niedermachten, die doch gewiß an nichte
weniger als an Verrath gedadjt hatten.
d. Verbindungen nad außen.
Betrachten wir nun die Verhältniffe und Beziehungen des Yun»
des nad) außen hin. Die natürlichſten und vortheilhafteten aller
Verbindungen find ohne Zweifel die, welche er mit andern ihm gleid)-
ertigen Geſellſchaften eingieng. Hieher gehören die Bündniſſe mit
den rheinifchen und mit den fchweizerifchen Städten Das BVerhält-
niß zu den rheinifchen Städten, mit denen am 17. Yuni 1381 in
Speier ein Bündniß abgefchloffen wurde, das bis Weihnachten 1384
dauern follte, aber fchon im folgenden Jahre bis Weihnadjten 1391
verlängert wurde, blieb fortwährend ein fehr enges. Man gab ſich
Nachricht, wenn man wußte, daß Gefahren drohten *, und leijtete fid)
kräftigen Beiftand in der Zeit der Noth. In den eriten Jahren
nach Abſchluß des Bündniſſes Fam Tein Theil in den Ball, der Hilfe
des andern zu bedürfen; der einzige bedeutende Krieg, den die ſchwä⸗
biſchen Städte zu führen hatten, war der gegen die Nittergefell-
idaften; hier begnügten fie ſich aber, wie es fcheint, die rheinifchen
anfzufordern, auf die Löwengejellfchaft am heine ein wachſames
zu Igben und dieſe dadurch von ber Betheiligung am Kampfe
abzuhalten. Als aber im Spätjahr 1386 Krieg mit DBaiern aus-
zubrechen drohte, rijteten die rheinischen Städte fofort ihre Hilfe-
ı 6. Chr. 325.
2 Die Zeugnifie für die Verrätherei de3 Grafen von Henneberg j. bei
Stäfin IN, 346 Anm. 3. Königshoren, die N. und die E. Ehr., aud Yu:
Ringer berichten nichts davon.
3 Ochs, Geſchichte von Bafel II, 213. 227. t Reg. 204. 208.
6*
84
truppen aus, ımd als ein Jahr fpäter es wirflicd zum Kriege kam,
da zögerten fie feinen Augenblid, jondern fandten fofort ihre Mann⸗
[haft nad) Augsburg, und haben auch den ganzen Krieg hindurch
jtandhaft ausgeharrt und Gut und Blut eingejegt für die Sache ihrer
Berbündeten, die, wie fie richtig erfannten, auch die ihrige war. —
Auch weitere Verbindungen haben die ſchwäbiſchen und die rheinifchen
Städte zufammen eingegangen, fo das Conftanzer Bündniß mit den
Schweizern und die Heidelberger Cinung mit den Yürften. ‘Dabei
biieben fie aber immer zwei gejonderte Bündnifje und Haben fid)
nicht etwa zu einem großen Bunde verjchmolzen. Die Hilfeleiftung
war in der Weife geordnet, daß die rheiniihen Städte den fchwäbi-
fchen, wenn fie gemahnt wurden, die Kleine Summe ihrer Glefen zu-
ſchickten!. Die ſchwäbiſchen dagegen fetten als Zuzug für die rhei-
nischen ungefähr zwei ‘Drittel ihres eigenen Anſatzes feit’. Jedesmal
bei der Aufnahme einer neuen Stadt in den einen der beiden Bünde
wurde dem andern Anzeige davon gemacht und die Zahl der Spieße
genannt, welche diefelbe zu dem gemeinfamen Bimdniſſe jtelle, worauf
diefer fie dann als feine Bundesgenofjin anerkannte”.
So widtig diefes Verhältniß der ſchwäbiſchen Städte zu den
theinifchen war, jo wenig weitere Folgen hatte, wie wir oben ge-
jehen, die Verbindung diefer beiden mit den Schweizerjtädten, obgleid)
e8 zuviel gefagt ift, wenn Tſchudi bemerft: „Diefer Bund war beider-
feit8 wenig nüß und eben nur dazu gut, daß fie einander nichts zu
veide thaten, jo lange er währte”.
Mit den Fürften und Herren hatten die Städte vielfache DBe-
ziehungen der verfchiedenften Art, theils feindliche, theils friedliche.
Als die Macht der Städte wuchs, da wurde auch ihre Freundfchaft
gefucht, und eine Menge von Fürſten und Herren giengen Berbindim-
gen mit ihnen ein. Won folgenden haben wir Nachricht erhalten.
Am 13. Februar 1378 traten die Herzoge Albreht und Leopold
nit ihren vorderen Landen in ein Bündniß zu den Neichsitädten,
das bis zum 23. April 1382 dauern follte; am 4. Yuli 1379 ver-
biindeten fich die Baiernherzöge und die Markgrafen von Baden mit
ihnen bis zum 23. April 1385; den 12. Februar 1380 Graf Rudolf
von Hohenberg auf drei Jahre; vor dem 17. Yuni 1381 Graf
Rudolf von Montfort, Herr zu Feldkirch, Graf Heinrid von Wer-
denberg zu Sargans, genannt von Vadug, die Grafen Ludwig und
2 Reg. 170. 181. 184. 187. 188.
? Megensburg war zu 24 Spießen angefchlagen und ftellg,. ben rheini⸗
ſchen Städten 18; Beg. 169. Bafel ftellte ihnen 14; in bEM ©. 81 fi.
angeführten Verzeihniß, wo, wie wir gefeben haben, ber gewöhnliche Anja
ber ſchwäbiſchen Städte verdoppelt ift, hat Bafel 40 Spieße, fein gemöhnlidyer
Anfag wäre mithin 20. In eben jenem Verzeihniß ijt Nürnberg zu 48,
Windsheim zu 12, Weißenburg zu 6 Spießen angefchlagen, ber gemöhnlicye
Anfag der 3 zufammen wäre alfo 33. Im Sabre 1382 verfprechen aber bie
ſchwäbiſchen Städte, daß, wenn fie diefe 3 Städte in ihren Bund nehmen
würden, fie ihre Hilfstruppen um 22 Spieße vermehren würden; Reg. 185.
5 Reg. 169. 212.
85
Friedrich von Dettingen, Graf Conrad von Wontfort, Herr zu
Bregenz, und der Abt von Murrhard, auf wie lange, willen wir
nicht"; den 9. April 1382 Herzog Leopold; ferner die Grafen von
Birtemberg und die drei Rittergefellichaften bis zum 6. Januar 1384;
den 27. Februar 1384 Ulrich von Hohenlohe auf zehn Jahre; am
1. Jumi diefes Jahres ließ ſich zugleich mit der Stadt Bafel auch
der dortige Biſchof Yıner in den Bund aufnehmen. Den 26. Juni
fand bie elberger Einung zwifchen den Städten und den Genoſſen
des er Landfriedens Statt, welche bis Pfingften 1387 dauern
follte. Den 18. October ſchloß Bifchof Friedrich von Eichſtädt ein
Bimdniß mit den Städten bis zum 11. November 1389, den 25.
Juli 1387 Erzbiſchof Pilgrim von Salzburg, den 2. Novenber 1387
Graf Johann von Wertheim bis zum 23. April 1395. Den 5.
Rovember wurde die Heidelberger Einung zu Mergentheim erneuert
und bis zum 23. April 1390 ausgedehnt. ‘Den 16. Februar 1388
endlich trat Markgraf Bernhard von Baden auf drei Jahre mit den
Städten in Berbindung. Als ihre Verbündeten werden uns auch drei
Grafen von Nellenburg genannt, fowie Herr Heinrich von Höwen*,
von denen wir aber nicht erfahren, wann fie ihnen beigetreten.
Diefe Bündniſſe der Städte mit Fürſten und Herren haben nun
je nad der Macht und der Bedeutung der Theilnehiner einen ver⸗
jchiedenen Charakter. Entweder find es Bündniffe ziveier mächtiger
Parteien, oder aber es find Verträge, durch welche einzelne Herren
jih in den Schutz des Bundes begeben, wofür fie danı hinwiederum
ihm mit einigen Spießen Zuzug leijten und ihm ihre Schlöffer offen
halten. Sie treten zum Bunde in dajjelbe VBerhältnig, in welchen die
adeligen Ausbürger den einzelnen Städten gegenüber ftehen. Dieſe
jind e& auch, die bisweilen in den Urkunden mit den Städten zuſammen
als Glieder des Bundes erwähnt werden, 5.3. in der Verlängerung
des Städtebündniffes von 1382, wo e8 von denen, die in bdeinjelben
begriffen find oder noch in daffelbe treten könnten, heißt: es wären
Deren, Nitter ober Knechte, Prälaten, Gotteshäufer oder Städte.
halb ift aber nicht anzunehmen, fie hätten im Bunde diefelbe
Stellung eingenommen wie die Städte, und hätten 3. B. auf den
Bundestagen Sit und Stimme gehabt; gleid) wie die Ausbürger fich
auch nicht in die immern Angelegenheiten der Städte mifchten, mit
denen fie verburgrechtet waren, fo nahmen aud) fie außer der Hilfe-
leiftung, zu welcher fie verpflichtet waren, feinen weitern Antheil an
der Thätigkeit des Bundes; ſehr deutlid ift dies im der Urkunde
ausgedrückt, in welcher Graf Yohann von Wertheim feinen Beitritt
erflärt. Er verfpricht, bei den Städten zu bleiben bis zum 23. April
1395, der Friſt, auf welche fie ihren Bund verlängert haben, und
° ie werben ald Berbündete der Städte genannt im Bündniß mit deu
rheinifchen Städten und, mit Ausnahnie des zuleßt genannten, im Ehinger
Bünbniß; die zwei Srafen von Monfor giebt auch bie C. Chr. 3209; über
die Sale en. 32 Zutingen vgl. oben S. 4
r.
86
den Bundbrief zu halten in allen Stüden, ausgenommen die Artifel,
welche von den Geldbeiträgen handeln, und von den auf Nichterfchei=
nen bei den Städtetagen und das Wichtbefolgen ihrer Beſchlüſſe ge-
jegten Bußen. Daraus erhellt die Stellung diefer en ganz
deutlich, und es ergiebt fi, daß es mit ihnen ganz ten wurde
wie in den Bündniffen von 1331, 1347 und 1349. — Wenn der
Biſchof von Bafel und die Stadt durch eine und bdiefelbe Urfunde .
ihren Beitritt erflären und beide mit denjelben Worten aufgenommen
werden, ohne daß dabei angegeben wird, wie viel Spieße der eritere
zu ftellen bat, fo ift das wohl fo zu verftehen, daß er von der An⸗
zahl, zu welcher die Stadt angefchlagen wird, einige auf feine Koften
ausrüften muß, gleich wie der Abt von St. Gallen den Appenzellern
einen Spieß liefert.
Durch die Verbindung mit foldhen Herren gewannen die Städte
anjehnliche Verftärfungen für ihre Kriegsmacht, und ficherten ſich zu⸗
gleich), was noch wichtiger iſt, vor Feindfeligfeiten von Seiten diefer
ihrer unruhigen Nachbarn. Verbindungen diefer Art Tonnten aud) die
einzelnen Reviere und die einzelnen Städte eingehen, doch mußten fie
in einer Weife abgefchlojjen werden, daß dabei auf die Verpflichtungen
gegen den allgemeinen Bund Nückficht genommen wurde. Bei den
einzelnen Städten ift e8 vorzugsweife die Aufnahme von Herren und
Edelleuten ind Bürgerrecht, die hier in Betracht fommt. Die Städte,
welche in den rheinifchen Bund aufgenommen wurden, mußten ver:
Iprechen, Alle, die fie zu Bürgern empfangen würden, vorher ſchwören
zu laſſen, daß jie den Bund halten würden. Bei den ſchwäbiſchen
Städten finden wir zwar gerade in den Beitrittsurfunden eine jolche
Stelle nicht, aber wir erfahren fonft, dag die Aufnahme benachbarter
Herren ins Bürgerrecht der einzelnen Städte von Bundes wegen über-
wacht und befchränkt wurde. Das Bürgerredht der Stüdte war ba-
mals fehr gefucht. Welcher Herr, geiſtlich oder weltlich, heißt es bei
einem unfrer Berichterftatter, ficher wollte fein und das Seine be
halten, der mußte Bürger fein in einer Stadt!. So haben wir ge-
fehen, daß der Abt von St. Galler das Biürgerrecht von Lindau
annahm, um echt zu erhalten gegenüber feinen dem Bunde ange-
börigen Leuten von St. Gallen und Appenzell. Wir können nicht
fagen, daß dies fiir die Stüdte nadjtheilig war; denn es war doch
gewiß befjer, er zog feinen Streithandel vor fie, al8 wenn er ihn
vor ein Fönigliches Hofgericht bradjte oder benachbarte Fürften um
Hilfe anrief, allein häufig wurden die Städte durch foldhe Aufnahmen
in eine Menge Streitigkeiten verwidelt, die ihrem eigenen Intereſſe
durchaus fremd waren; zudem zeigten ſich Herren und Edelleute meift
nur da als gute Bürger, wo e8 galt die Hilfe der Städte in An⸗
jpruch zu nehmen, wein man aber von ihnen etwas verlangte, fo
wußten fie ſich gefchickt zu entziehen, gaben auch wohl ihr Bürger⸗
recht geradezu auf. Daher verlangte der Bund, daß ſich die Städte
TG. Chr. 321.
87
von ihren Ausbürgern bejtinnmte Verfchreibungen follten geben laſſen,
in welchen diefelben verjprechen mußten, während einer Anzahl von
Jahren das Bürgerrecht nicht aufzugeben und diefe Zeit hindurch mit
isren Beiten, Sclöffern und Spießen der Stadt zu dienen und zu
werten. er fich weigerte, wurde fofort des Bürgerredhts verluftig erflärt
und durfte daſſelbe erit nad) langen Jahren oder gar nicht mehr er-
werben. Das letztere widerfuhr 3.9. den 17. April 1387 in Bafel
dem Strafen Walraff von Thierjtein, dem Markgrafen Rudolf von
‚ dem Ritter Claus vom Hus und dem Edeling Burkart
ünch von Landskron. Junker Heinrich Münch von Münchenftein,
der im “Jahre 1385 aufgenommen worden war, hatte ſchwören müffen,
den Bund zu halten und Bürger zu bleiben, fo lange der Bund
währe!. Den 25. Juli 1387 wurde fogar von gemeinen Städten
beichloffen, daß gar Leine folchen Ausbürger mehr follten aufgenommen
werden”. Doch fcheint dies Verbot entweder wieder abgejchafft oder
nicht fehr genau beobachtet worden zu fein, wenigftens findet ſich aus
dem Jahre 1388 eine Verordnung der Käthe von Bafel, dag Aus-
(este, welche das Bürgerredyt wünfchten, dafjelbe empfangen fünnten,
uuter der Bedingung jedoch, daß fie es auf wenigſtens fünf Jahre an-
Bon befonderer Wichtigfeit waren für die Städte die Verbin:
dungen, in welche jie mit mächtigen Fürſten, wie Herzog Leopold
oder den Baiernherzögen, oder auch mit ganzen TFürftenvereinen traten.
Bei einzelnen diefer Bündniſſe war die gegenfeitige Hilfsleiftung die
Hauptfache, wie 3. B., für die Städte wenigiteng, bei dem Bündniſſe
mit Herzog Leopold im Jahre 1378, ferner bei dem Badener Ber:
trage von 1379 mit den Baiernherzögen und den Markgrafen; aber
bei andern war diefe offenbar Nebenſache, und die Hauptfache, auf
ed ankam, war die Herjtellung eines geordneten Friedenszu—
ftandes und die Regelung der gegenfeitigen Verhältniſſe. So ganz
gewiß bei dem Bünbdniffe von Ehingen ınit Yeopold, den Grafen von
Wirtemberg und den Wittergefellichaften und namentlich bei den
Einungen von Heidelberg und von Mergentheim. Doc finden wir,
wie 3. B. im fahre 1384 der Bund in Folge der Heidelberger
Finung den Herzögen von Baiern Hilfe leijtet zur Unterwerfung
igrer Stadt München“.
Es war jchon ein großer Vortheil für die Städte, wenn durch
Eingehen eines ſolchen Bündniffes mächtige Herren, die ein großes
Gebiet ımd zahlreiche Vaſallen hatten, verfpradjen, daß fie und ihre
Untergebenen gegen fie feine Teindfeligfeiten ausiiben wollten, daß
fie fich vielmehr verpflichteten, jeden Angriff, der im ihrem Gebiete
auf bie Angehörigen derjelben erfolgte, zu bejtrafen. Ferner war e8
. veftungdbuh im Basler Staatsardiv I, Cxxxii.
2 . 278.
> Leiſtungsbuch im Basler Archiv I, S. 3 des nach Fol. Cxxiii einge:
fügten Heftes.
8 ’ “ (hr. 125.
88
von Wichtigkeit, daß die Verbiindeten einander verſprachen, die Feinde
der andern nicht zu haufen und zu hofen. Den Städten, die meifteng
fleine Gebiete befaßen, welche, durch fürjtliche und herrſchaftliche Be⸗
jigungen von einander getrennt waren, mußte ein ſolches Verſprechen
Sehr erwünfcht fein, da nun mancher Angriff auf ihr Gebiet unter-
blieb, indem der Räuber oder Feind wußte, daß er auf dem fürit«
lichen Gebiete nicht mehr eine erwünfchte Zufluchtsitätte finde, ſondern
ihn auch da die Strafe erwarte. Sodann wurde durch diefe Bünd⸗
niffe auch ein regelmäßiges Rechtsverfahren zwiichen den Angehörigen
beider Parteien feftgefeßt. Das eigenmächtige Pfänden ohne Rechts-
gang wurde außer bei unleugbaren Schulden und Achnlichem unterfagt;
bevor die Klage erhoben wurde, mußte der normale Belitftand wieder
hergeftellt werden; der Kläger durfte den Beklagten nur vor deifen
ordentlichen Richter, nicht aber vor auswärtigen Gerichten auffuchen.
MWird Klage gegen einen Fürften oder Herrn oder den Diener eines
jolden erhoben oder gegen eine Bundesttadt, jo kommt das ſchieds⸗
richterliche Verfahren zur Anwendung; der Kläger wählt einen ge
meinen Dann (Obmann) aus den Räthen des Beklagten, dazu giebt
dann jeder Theil einen oder zwei Schiedsleute; diefe haben die Sache
entiweder auf dem Wege gütlicher Vermittelung (mit der Minne) oder,
wenn das nicht möglich ift, durch einen Rechtsſpruch (mit dem Rech⸗
ten) zum Austrag zu bringen.
Es leuchtet ein, wie vortheilhaft e8 für die Städte fein mußte,
durch ſolche Verträge die Beziehungen zu ihren Nachbarn zu regeln
und auf feite Beſtimmungen zurüdzuführen. Nur auf diefe Weije
war es möglicd), einen einigermaßen geficherten Zuftand im Lande
herbeizuführen, obwohl eine vollfoınmene Waffenruhe nie ganz herge-
jtellt werden konnte, und es nicht an Kleinen Striegen fehlte, durd)
welche die einzelnen Städte und Viertel unaufhörlich beläftigt wurben.
Mehr aber ald Compromiſſe, als Verträge, wodurch die gegen-
jeitigen Verhältniffe für einige Jahre auf friedliche Weife geordnet
wurden, waren die Bündniſſe der Städte mit Fürſten und Herren
nicht, und e8 wäre irrig, ihnen eine größere Bedeutung beizumeffen.
Man fünnte zwar verfucht fein, zu denken, c8 Hätte fi unter gün⸗
ftigen Umftänden eine Art jtändifcher Reichsverfaſſung mit Hilfe der⸗
jetben bilden können, aber die Zeit, in welcher dies möglich geweſen
wäre, war längit vorüber. Die Kluft, die fich zwifchen den verfchie-
denen Ständen aufgethan hatte, war ſchon zu groß, als daß fie ſich
nit leichter Mühe wieder hätte fchliegen laffen. Dazu hätte es einer
großen gemeinfamen Gefahr bedurft, welche die bisherigen Feinde
gezwungen, ihrer alten Zwiſte zu vergejlen und feſt an einander zu
halten; es hätten z. B. die ſämmtlichen Theile durch die Webergriffe
eines mächtigen Kaifers gleichmäßig bedroht fein müſſen; allein eine
jolhe Gefahr war nicht vorhanden. Der Hauptwiderftand gegen die
fürftlihen Anmaßungen gieng fchon längjt nicht mehr vom Kaiſer
aus fondern von den Städten, und umgefehrt war es nicht der
Kaifer, welcher dem Aufftreben der Städte die meiften Hinderniffe
89
entgegenfegte, fondern die Fürften; denn wenn fie au Grund zum
Mißtrauen gegen jenen hatten, fo war es nicht, weil er ihre Autonomie
za feinen Sunjten befchränfen wollte, wie eö bei den lombarbifchen
Stüdten der Fall geweien war, fondern weil er durch Verpfändung
an die Fürſten ihre Reichöfreiheit bedrohte. Bündniſſe der TFürften
md der Städte, deren Intereſſen in jo geradem Gegenfage zu einans
der fanden, konnten alſo zu feiner innigen Vereinigung führen, fons
dern im beften Falle gegenfcitige Duldung und friedliches Neben-
einanderleben bewirken. Eher hätte man erwarten follen, daß Ritter
md Städte, beide gleichmäßig in der Bewahrung ihrer Reihsunmit-
telbarfeit durch die Fürſten bedroht, ſich, wenn auch nicht ohne viel
serangegangene Reibungen, doch endlich zufammengefunden hätten;
allein bier trat die Entwicklung, welde das ftüdtiiche Yeben in der
legten Zeit genommen, hindernd in den Weg; einer Stadt, wie Bern,
wo das adeliche, Eriegerifche Clement immer das Vorwiegende blieb,
mochte es gelingen, auch den Adel des umliegenden Landes fich nad
amd nach eng zu verbinden, aber in den meijten Städten hatten die
Zünfte das Webergewicht über die Gefchlechter erworben, die handel-
treibende DBevölferımg über die grumdbejitende gejicgt, und da mochte
der ftolze Ritter wohl Alles daran fegen, um feine Unabhängigfeit
mdyt mit der Unterordnung unter die veradhteten Krämer, Schufter
md Schneider vertaufchen zu müſſen.
e. Berhältniß zu Kaifer (König) und Neid).
Wir betrachten fchließlic) nod) die ‚Stellung zum Reiche und zu
dejien Oberhaupte. |
Das Verhältnig zum Reiche wird überall aufs nachdrücklichſte
betont. Im Bumdbriefe von 1376 fprechen die Städte e8 aus,
dag fie dem heiligen Reiche feine Rechte halten wollen, und die Ur-
kunden, in welchen neue Städte ihren Beitritt erklären, legen immer
em befonderes Gewicht auf diefen Sag. An allen Bündniſſen ferner,
welche fie eingehen, nehmen fie das heilige Reich aus. In ihren
Kriegen laſſen fie das Neichsbanner wehen.
Aber gerade, indem fie dem Reiche feine Rechte halten wollten,
konnten fie in Widerfpruch mit dem Oberhaupte dejjelben gerathen, und ein
jolcher Widerſpruch ift ja eigentlich die Urſache durd) den der Bund hervor-
gegangen. Furcht vor Berpfändungen und widerrechtlichen Befchatungen,
wie ſolche in der legten Zeit vorgefommmen waren, hatte die Städte
vornehmlich zum Abfchlug deijelben bewogen; fie beftimmten damals,
dan fie auf alle Forderungen, welche der Kaiſer oder der König ſelbſt
oder durch Jemand anders an fie jtellen würden, nur gemeinfam
antworten, nie einzeln ſich in bejondere Vereinbarungen einlaffen
wollten. Demgemäß haben fie auch gehandelt und dein Keichsober-
haupte, fo oft es ihre Freiheiten verlegte, fich energiſch entgegengefekt.
Durch gemeinfame Verweigerung der Huldigung zwangen fie Wenzel,
den TFreiheitsbrief feines Vaters, die Zuficherung der Nichtverpfändung
90
enthaltend, ihnen zu erneuern und die dem Grafen Eberhard gemach⸗
ten Verpfändungen wieder zurückzunehmen. Die Verpfändung der
Landvogteien an Herzog Leopold blieb bei dem Widerſtande, den ſie
ihr entgegenſetzten, kraftlos, und mußte gleichfalls zuletzt wieder zu⸗
rückgenommen werden. Auch den Verſuchen außerordentlicher Be⸗
ſchatzungen gegenüber wußten fie mit Erfolg ihre Rechte zu wahren.
Es war in den letzten Jahrzehnden mehrmals vorgefommen, daß der
Kaifer oder der König ausdrücklichen Privilegien, welche ſie den
Städten ertheilt hatten, zuwider, die in denjelben wohnenden Juden
mit außerorbentlichen Steuern belegten oder benachbarten Fürſten
Seldfunmen auf diefelben anwiefen. Im Jahre 1383 nun Batten
die ſchwäbiſchen Städte in Erfahrung gebracht, Wenzel gehe wieder
damit um, eine folche Schatung auf die in den rheinischen Städten
gefeffenen Juden zu legen. Sie ſchickten deshalb einen Brief an den
Rath zu Speier, mit der Bitte, feinen Inhalt den andern rheinifchen
Städten mitzutheilen, damit dieſe Feine übereilten Beſchlüſſe in der
Sache faßten, ſondern die Botſchaft abwarteten, welche fie auf den
nächſten rheinischen Städtetag abfenden würden‘. Wir erfahren nım
nichts weiter von einer wirklich erfolgten Forderung des Königs an
die rheinifchen Städte, hingegen Fam bald darauf eine foldhe an die
Ihwäbischen felbft. Durch eine Uebereinkunft, welche fie den 12. Juni
1385 mit den königlichen Abgeordneten Herzog Friedrich von Baiern,
Biſchof Niclans zu Conftanz, Landgraf Johann zum Yeuchtenberg,
Heinrich von der Zuben und Ulrid) von Hohenloh in Ulm trafen,
wurde die Sache berichtigt”. Die Städte verftanden fich dazu, dem
Könige oder wen er es verfchaffen würde, bis zum 2. Februar 1388
die Summe von 40000 Gulden zufommen zu laffen, erhielten aber
dafür die Zuficherung, daß feinerlei weitere Anfpracdhe au fie gemacht
werden follte, um Alles das, was fie bis jett von den Juden ge-
noffen hätten oder bis zu dem eben beſtimmten Zermine von ihnen
noch genießen würden. Auch wurde feitgefett, daß fie fürbag mehr
Juden in ihre Städte aufnehmen und heimen dürften in der Weife,
daß fie von 2. Februar 1388 an die Hälfte dei, was fie von ihnen
einnehmen witrden, dem Könige entrichten follten. Bedenken wir, daß
im Jahre 1374 die Städte Ulm und Augsburg jede 10000 Gulden
den König von den Juden entrichten mußten”, fo werden wir bie
Summe von 40000 Fl. unter den eben genannten Bedingungen feine
jehr drüdende finden. Schwerlich wären die Städte, wenn jede für
ſich allein hätte handeln müfjen, fo gut weggefommen. Auch ließen
fi) einzelne von ihnen nad) der Auflöfung des Bundes vom Hofge-
richte in Rotweil die Erklärung ausjtellen, daß die Briefe, in welchen
jene Zuficherungen enthalten waren, noch in Kraft beitanden, um das,
T Reg. 204.
2 Beg. 240. 241, 243 fi. N. Chr. 125. 126.
3 Zäger, Schwäbifches Städteweſen des Mittelalters, Bd. I: Ulms Ver⸗
faffungs-, bürgerlihes und commercielles Leben 404 Anm. 130. Paul v.
Stetten I, 121.
91
was ſie damals gemeinſchaftlich errungen hatten, nicht jetzt in ihrer
Vereinzelung wieder zu verlieren!.
Dervorgegangen aus der Beitimmung, auf alle Forderungen des
Kinigs nur gemeinfam zu antworten, ift auch die, daß die ſämmit⸗
ſichen Städte fich verpflichteten, beim Bunde auszuharren und fich
emem andern Biindnilfe oder Landfrieden nur dann anzufchliegen,
wenn zwei Drittel aus ihrer Mitte fi dafür erklärten. Als nun
im Jahre 1383 Wenzel feinen Nürnberger Kandfrieden errichtete und die
S:eädte aufforderte, nad) Auflöjung ihres Bundes beizutreten, weigerten
fie ſich deifen und behaupteten ihren Widerſpruch; Wenzel felbft mußte
es zugeben, daß die Städte in ihrer Gejammtheit, als Bund, nicht
une faftifch, fondern mit ausdrüdlichen Worten anerkannt, eine Einung
mit den Fürſten und des Nürnberger Yandfriedens abfchlofjen.
Daß nun ein folder Bund, der dem Reichsoberhaupte fich als
kibjtändige Macht entgegenftelite und ihm nur gehorchte, wenn es
ihen beliebte, nicht in den Organismus des Reiches paßte, ijt Kar.
Des einzig wahre Mittel aber, dem Aufkommen und Lmfichgreifen
derartiger Verbindungen entgegenzumirfen, war, daß die SKönige den
Städten gegenüber ihre Pflicht erfüllten und fich nicht bei jeder Ge⸗
legenheit wortbrüchig und treulos zeigten. So lange dies lettere der
dell war, fonnten die Städte fein Vertrauen zu ihnen faffen und
mußten zur Selbithilfe fchreiten.
f. Bergleihung mit der Schweizerifhen Eidgenofienfchaft.
Dei einer Betrachtung der Verhältniffe und der Einrichtungen
Städtebundes fowie feiner Stellung zum Reiche muß fid) uns
eifach eine Vergleihung mit der ſchweizeriſchen Eidgenoſſenſchaft
enforängen. Wenn wir diefelbe anjtellen, jo werden wir finden, daß
ich neben manchen Aehnlichleiten auch große Verſchiedenheiten zeigen.
Der Trieb zur Erhaltung und Fortbildung reichsunmittelbarer Selb:
kändigfeit hat den einen wie den andern Bund ins Leben gerufen,
eber auf ganz verfchiebene Weiſe. Nicht um eine unbeftrittene Reiche»
freiheit im Allgemeinen vor Verpfändung zu jhügen, ſondern um cine
wielen Einwendungen unterworfene gegen die Anfprüche eines beſtimm⸗
ten mächtigen Fürftenhaufes zu vertheidigen, treten im Jahre 1291
die drei durd) ihre Lage eng zufammengehörigen Länder Uri, Schwyz
web Unterwalden? zu einem ewigen Bunde zufanmen, und nachdem
Re ihm in heibenmiitbigen Kampfe behauptet haben, erneuern fie den⸗
felben im Jahre 1315. Indem fie nad) und nad ihren Bund er-
weitern, nehmen fie darauf Bedacht, dag durch diefe Erweiterungen
re Widerſtandskraft gegen Oeſterreich, das feine Bemühungen, fie
z unteriwerfen, noch immer nicht aufgegeben hat, verjtärft werde.
& Reg. 365. 367. 374.
82 ober vielmehr Nidwalden, dem Obwalden erft nad einigen Jahren
ki Gelegenheit ber Vereinigung ber beiben Gemeinweſen folgte.
92
Im Jahre 1332, aljo fiebzehn Fahre nad der Erneuerung des =
Bundes, tritt Lnjern bei, um in ſeinem Streben nach größerer Un-
abhängigfeit der Herrichaft Defterreich gegenüber, deren Rechte es
übrigens in dem Vertrage noch vorbehält, gefördert zu werden. Eine
vermehrte Bedeutung erhält die Eidgenofjenfcaft durch den Anfchluß
der Reichsjtadt Zürich, die im SYahre 1351 einen ewigen Bund mit :
ihnen eingeht, um Zife gegen die Anfeindungen des umliegenden
Adels zu erhalten. Der daraus hervorgehende Krieg mit Oeſterreich
giebt den Eidgenoſſen Gelegenheit, dieſem Glarus und Zug zu ent-
reißen und nun auc in ihren Bund aufzunehmen, das eritere unter
Bedingungen, welche es zu den übrigen Orten in ein nicht gleichbe- :
rechtigtes, jondern ziemlich abhängiges Verhältniß ftellen. Im Jahre
1353 endlich geht die mächtige Reichsſtadt Bern mit den drei Län⸗
dern einen ewigen Bund ein. Mit Züri umd Luzern tritt die Stadt
mittelbar in Beziehung, indem Beibriefe derfelben Art ausgeftellt :
werden, wie im Conſtanzer Bündnijje von 1385 zwifchen den ſchwä⸗
bifhen Städten und Luzern. — Mit der Aufnahme Berne ift der
Kreis der acht alten Orte gefchloffen und wird mehr als hundert
Jahre lang durd die Aufnahme Feines neuen Gliedes erweitert.
So bejteht die Eidgenoifenichaft aus einer ziemlid) compacten
Maſſe von Yändern und Städten, die fi um einen feiten Kern, den
die drei Waldjtätte bilden, zufammenschliegen, langfam, im Laufe der
Zeit, aber dann fo, daß fie fi auf ewig binden. “Dabei behalten -
die einzelnen Glieder noch immer eine große Zelbitändigkeit, und
manche unter ihnen beſitzen auch das Recht, für fid) befondere Bünd⸗
niffe einzugehen, wenn diefe der Wohlfahrt der iibrigen Eidgenoſſen
nicht zumider find.
Ganz anders bei den fehwäbifchen Städten. Da fehlen die
Yänder fo zu jagen gänzlich; denn das Fleine Appenzell kommt neben
den vielen Städten gar nicht in Betracht. Cs find die Städte der
Landſchaft Schwaben, alle in gleihem Verhältnig zum Neiche jtehend
und demfelben gegenüber fchon in manchen Beziehungen eine Gefammt-
heit bildend, welche, um dieſes Verhältniß ſich ungeftört zu erhalten,
in einem Augenblicle, wo c8 gerade beſonders bedroht erjcheint, zu
einem Bündnijfe zujammentreten. Die Beltinunungen ihres Bünd⸗
nifjes find viel ftraffer gezogen als bei der Eidgenojjenfchaft, die
Bundesverfammlung hat den einzelnen gegenüber eine viel größere
Bedeutung als die fehmweizerifche Tagſatzung, das Kriegsweien ijt
einheitlicher geordnet. Allein, indem die Städte ihre Selbjtändigfeit
dem Ganzen gegenüber auf diefe Weife befchränfen, behalten fie fich
vor, nach Ablauf einer bejtimmten Zeit von Jahren diefelbe wieder
zurückzunehmen, wenn e8 ihnen fcheinen follte, daß die Gefahr vor-
übergegangen; die Eidgenofjen dagegen, die nimmer ruhenden An⸗
ſprüche Oeſterreichs vor Augen, binden fid) auf ewig. Es liegt in
der Natur der Sache, daß das Bündniß der Schwäbischen Städte fid)
nicht im Yaufe vieler Jahre bildete. Im Jahre 1376 wird es ab-
gefchloffen, im Jahre 1379 umfaßt es Schon alle Reichsftädte ganz
93
ESchwabens. Zu diefen kommen dann nad) und nad) aud) die Frankens
md Baierns ſammt einigen oberrheinifchen Hinzu. Der Bund fucht
fh möglichjt weit auszudehnen! und, wo gleichartige Vereine ihm
begegnen, enge Beziehungen mit denjclben anzufnüpfen. Die Eidge-
moſſenſchaft will ein Gebiet abrunden, innerhalb deffen fie frei fchal-
ten und walten kann, und befiimmert fid) wenig um das, was draußen
sergeht;; der ſchwäbiſche Bund dagegen will fid) übers Reid) hin er-
Areden ımd die Städte den Fürften gegenüber zu felbftändiger Be-
beutung erheben. Bei der Eidgenoffenfchaft ift das Intereſſe, wenn
man fo fagen darf, ein territoriales, bei dem ſchwäbiſchen Bunde
ein ftändifches. Das Ziel, das die Eidgenoffenfchaft verfolgte, war
erreichbar, das der Städte nicht. Die Macht der Fürften war ſchon
wel zu groß, als dag die allenthalben zerftreut liegenden Städte
neben ihnen in der Reichsverfaſſung eine angemeffene Bedeutung
hätten erhalten können. Es handelte fich um Unterordnung der einen
meter die andere; in Schwaben, wo neben den vielen Reichsſtädten
fein bedeutendes Fürftenhaus den Stern feiner Yande hatte, wäre viel-
leicht ein befinitiver Sieg der erjtern möglich gewefen, obgleich das
wirtembergifche Grafenhaus ſich durch eine ganz befondere, ſchwer zu
Eberwindende Zähigfeit auszeichnet und außer diefem auch das müd)-
tige 8 Deiterreih vielfadh im Wege ftand. In „jeden alle
hätten ſich die fchwäbifchen Städte auf fich allein beſchränken und auf
bie !:ufnahme der fränkiſchen und bairifchen verzichten müffen. Durd)
dieſe befamen jie eine Reihe neuer mächtiger Feinde, und wurden doc)
im entfcheidenden Augenblid von ihnen verlafjen. Hätte ſich aber der
Bund auf Schwaben befchräntt, fo hätten die Städte bei der Ueber-
ſchuldung der meiften Herren nad) und nad) durd) angemejjene Er⸗
weiterungen ihre Gebiete in Zufanmenhang gebracht und die Herren
zum Theil ganz verdrängt, zum Theil zu einer untergeordneten Stel-
tung herabgedrüdt, wie das in der Schweiz und in Graubündten der
Fall war. Die jeweilige Erneuerung des nur auf eine Anzahl von
Jahren abgeſchloſſenen Bündniffes wäre nad) und nad) zu einer bloßen
görmlichkeit herabgelunfen und dajjelbe factiſch ein ewiges geworden,
gleich der fchweizerifchen Eidgenoffenfchaft, vor der es fid) fogar durch
eine feitere Bundesverfaffung ausgezeichnet hätte. Cine Ablöfung vom
—* wäre bei dieſem Verlaufe der Dinge wohl fo wenig vermeid-
gewefen als in der Schweiz. Allein die ganze Entſtehungsge⸗
2 des ſchwäbiſchen Bundes bediugte einen andern Gang derſelben.
= Schon im J. 18379 ſuchen fie bie entfernte bairiſche Stadt Regensburg
zam Cintriti in ben Bund zu bewegen (Gemeiner I, 191), im %.1382 hofſen
ne auf ben baldigen Anfchluß der fränkifchen Stäbte Nürnberg, ——
unb Weißenburg (Reg. 185); bie beiden letztern laſſen ſich einige Monate
fpäter aufnehmen, aber bie Nürnberger warten noch beinahe zwei Jahre, che
fie beitreten; Reg. 191. 213. 214.
V.
Entſcheidnugskampf und Untergang des Bundes. — Schluß.
Kaum war das Mergentheimer Bündniß abgeſchloſſen, als der
Friede, den es neu hatte befeſtigen ſollen, durch die Baiernherzoge
auf gewaltſame Weiſe gebrochen wurde. Herzog Stephan hatte mit
dem Erzbiſchof von Salzburg eine Zuſammenkunft im Kloſter Raiten⸗
haslach verabredet, wo fie über die zwiſchen ihnen obwaltenden Zwiſtig⸗
keiten übereinkommen wollten. Während fie dort zuſammen ſich be⸗
ſprachen, ohne zu einer Verſtändigung zu gelangen, hatte ſich Herzog
Friedrich heunlich mit ftarfer bewaffneter Macht genähert und brad
nun plöglic, ins Klofter ein. Er nahm den Erzbifchof fammt feiner °
Begleitung gefangen und führte fie in feine Stadt Burghaufen!. Diefe '
Nachricht brachte die ſchwäbiſchen Städte in die größte Aufregung. '
Sofort ſchickten die Regensburger Boten nad) Ulm und baten den
Kath, einen Städtetag zufammıen zu berufen, zugleich ließen fie ihre
Bürgerfchaft aufs neue ſchwören (2. December), in Zeiten des Krieges
treulich zuſammen zu bleiben und der Stadt Ehre und Seligfeit zu
fördern, forgten auch dafür, daß die nöthigen Anftalten getroffen
wurden, den Krieg mit Nachdrud führen zu können. ‘Die Augsburger
hatten gleichfalls auf die Nachricht von der Gefangennahme des Erz-
bifhof8 eine Mahnung nad) Regensburg gefandt. Bald darauf em⸗
pfieng der Rath diefer Stadt das Antwortsfchreiben von Ulm, datiert
vom 4. December. Die Ulmer verfündeten, daß fie auf den 15. d. M.
einen Bundestag in ihre Stadt angefagt hätten, und erfuchten die
Regensburger, Botfchaft in das Yand des Grzbifchofs zu fenden und
den dortigen Bögten und Amtleuten zu empfehlen, daß fie die Schlöffer
und Feſten in gutem Gewahrſam haben follten, und fie zu tröften,
damit fie fejt und ek feien. Im Salzburgifchen hatte man ſich aud)
bereits in Vertheidigimgszuftand gefeßt, das Capitel belegte das ganze
Baierland mit dem Banne.
Das weitere Benehmen der Herzöge ließ die Städte feinen Augen-
blif im Zweifel, daß durch den Ueberfall von Raitenhaslach der Krieg
2 9.Chr. 258. Etwas minder genau Königshoven 169. Beide ſtimmen
aber barin überein, daß Herzog Friedrich in eigener Perfon Yen Friedensbruch
verübte, während das Chron. Nor. 324 ibn Ruprecht den jüngften zu Gunften
Friedrichs ausführen läßt.
95
auch gegen fie eröffnet worden fe. Den Kaufleuten der Stüdte
wurde das fichere Geleite durch Baiern abgefchlagen, die Leute des
Herzogs Stephan nahen ſechs Bürger von Augsburg gefangen, und
gaben fie erft los, als die Augsburger Gleiches mit Gleichen vergal-
ten. Den Regensburgern wurde eine Sendung Wein geraubt, denen
von Gmind eine Ladung von vier ſchweren Geſchirren; befonders
ſchlecht ergieng es aber den Nirnbergern, denen man neun Wagen
mit Spezereien abnahm'. Als fie ſich beflagten, erwiderten die Her-
zöge, fie wüßten von gar feinem Frieden mit den ſchwäbiſchen Städten,
fie befüänben fi) vielmehr mit ihnen in offenem Kriege?.
Mitte Decembers verfammelten fih die Städte in Ulm umd
beſchloſſen dort die Aufftellung und Ausrüjtung einer Kriegsmacht
in der oben angegebenen Weiſe. Der herbefehl über die Truppen
wurde dem Grafen Heinrich von Montfort übertragen. Den 20.
FJannar follten fie fi) in Augsburg fammeln und die Hauptleute
fefort mit einander zu Rathe werden, wie fie zu den Sachen greifen
unten nad, gemeiner Städte Nuß und Chre. Werden irgendivelche
Friedensvorſchläge an fie gebradht, fo haben fie diefelben den gemei-
nen Städten zu überweifen, die von eben demſelben Tage an ihre
Abgeordneten zu Ulm figen Haben, mit den nöthigen Vollmadıten
rerſehen, über etwanige sriedensvorfchläge zu berathen, den Krieg
m beftellen, zu mindern oder zu mehren, ohne daß fie nöthig haben,
die Sache wieder hinter ſich zu bringen. Kommt in der Zwiſchen⸗
zit vor dem 20. Januar ein Friedensvorfchlag an irgend eine Stadt,
jo hat dieſelbe feine Gewalt, die Städte zuſammen zu mahnen vor
der genannten Zeit und den Zug rüdgängig zu machen, „ımd haben
das bie Städte feitgefegt von ſolchen fünftigen Gebrejtens wegen, als
das jeglicher Stadt Botſchaft wohl fagen fann“. — Auch wurde bes
dag, wenn irgend ein Fürſt oder Herr, Ritter oder Knecht,
—— anders den Herren von Baiern wollte beholfen ſein,
deß dann alle Städte ohne Verzug die angreifen ſollten und fie an
veib und an Gut fchädigen nad) der Bumdbriefe Yaut und Cage.
Jede Stadt foll ſich im Stillen rüften und fid) verforgen mit Koft,
mit Salz und mit allem dem, deſſen jie in diefer Angelegenheit be⸗
bürftig ift. Was die Städte mit einander zu fchaffen haben oder
wit Den en, NRittern und Knechten, die zu ihnen gehören, das
follen fie Alles während der Dauer der gegenwärtigen Verwidelungen
raben laſſen und, wenn diefe abgethan find, dann vor gemeine Städte
bringen.
ie dieſe vorgeſchriebenen Stücke und Sachen haben die gemei⸗
sen Städte bei dem Eide, ben fie dem Bunde geſchworen, zu voll⸗
führen, und wer daran brüchig oder nicht gehorfam erfunden würde,
der ſoll an dem Bunde meineid, treulos und ehrlos heißen und fein‘. —
a Reg. 290. A. Chr. 258. Königshoven 169.
s Nöonigshoven a. a. DO.
s Die Reg. 286 aufgeführte Kriegsordnung der Städte.
96
Zugleich Tieß man eine Mahnung an die rheinischen Städte er-
gehen. Am 17. Januar wurde dann die Kriegeerflärung an bie
Herzöge Stephan und Friedrich erlaffen, weil erjterer den Erzbiſchff,
den Bundesgenofien der Städte, treulojer Weife gefangen genommen :
und leßterer ihre Bürger beraubt, unwiderfagt während der Stallung
und Bereinigung, die Fürzlich erft zu Mergentheim abgeichloffen wor: :
den, wobei Herzog Friedrich felbjt einer der Unterhändler gewejen.
„Darum, heißt e8 am Schluß, wollen wir Eure Feinde fein, und wollen -
auch unfre Ehre damit gen Euch und Euren Dienern, Landen und .
Leuten bewahrt haben“. "
Zur beftimmten Zeit fanden fih die Zruppen an dem verab- ;
redeten Sammelplatze ein. „An St. Agnes Abend (20. Januar) und -
darnad) vier ganze Tage, da kamen des Reiches Städte gen Augsburg -
von Schwaben, von Franken, von Regensburg, von Nürnberg, -
von Elfaß, von dem Bodeniee und gemeinlic) von dem Rheinſtrome
mit dem allergrößten Volf, reitend und gehend, alle gewappnet, umd
der war fo viel, daß man vorher nie gehört hatte, daß nad) Augsburg .
je fo viel Volk gekommen wäre”!. Es galt zunädft, der Stadt
Regensburg, welche den Angriffen der Herzöge am meiften ausgeſetzt
war, zu Hilfe zu eilen. Die Truppen zogen über den Lech, und in
dem fie das bairijche Gebiet zu beiden Seiten des Weges weit und
breit vermwüjteten, Märkte, Burgen und Dörfer verbrannten und weg-
nahmen, was fie fanden, gelangten fie nach Regensburg. Dort blie-
ben fie eine Zeitlang, brachen aber, als ſich fein Feind zeigte, viel-
feicht auch, aus Mangel an Yebensmiitteln, wieder auf, umd nahmen,
indem fie zu Regensburg über die Brücke zogen, ihren Heinnveg auf
dem linken Ufer der Donau. Während ihrer Rückkehr fiel ein jo
groger Schnee, wie man feit 20 Jahren feinen erlebt Hatte, fo dag
man nur mit großer Mühe Bahn brechen Eonnte und das Volk der
Städte fich theilen mußte. Doc) kamen fie endlich Alle glücklich und
wohlbehalten in Am an. Hier wurden fie vor der Hand entlaffen,
da die durch den Schnee angefchwollenen Wafjer eine größere Unter-
nehmung für die nächſte Zeit unmöglich machten, und fehrten in ihre
Städte zurüd. Um diefelbe Zeit erließ der König (7. Febr. 1388)
von Prag aus einen Feindſchaftsbrief an den Herzog Friedrich wegen
der Gefangennahme des Erzbiichofs und wegen der Beraubung könig⸗
licher Uinterthanen, und forderte zugleich, die Städte in Schwaben,
am Rhein und in der Wetterau auf, den Friedensbruch an dem
Fürſten zn rächen. Bald darauf, den 16. Februar, fchloffen auch die
Städte ein Bündniß mit Mlarfgraf Bernhard von Baden ab, das
ihnen zwar feine neuen Streitkräfte zuführte, indem der Markgraf
ausdrüclich den gegenwärtigen Krieg mit Baiern ausnahın, aber doch
als Neutralitätserkflärung diefes Herrn von großer Wichtigkeit war.
Denn begreiflicher Weife fuchten die Baiernherzöge die umliegenden
Fürſten und Herren zum Anjchluffe an fie gegen den ihnen Alfen
r a Chr. 258. 259.
97
gefährlichen Stäbtebund zu bewegen, und ſchon finden wir den Grafen
Uri von Wirtemberg in der Umgebung des Herzogs Stephan, der
über den Lech ritt, um die Augsburger für die Einnahme feiner Veſte
Möhringen zu züchtigen, aber mit Berluft zurückzuziehen genöthigt
werde, worauf die Bürger von Augsburg unter dem Banner ihrer
Stadt mehrere glüdliche Streifzüge nach Baiern unternahmen. „Da
fomen“, heißt es, „Briefe von Nürnberg von Herren und von Städten,
wie der Krieg verrichtet wäre, Schade gegen Schaden, Brand gegen
Brand, Tod gegen Tod“!.
Die Herzoge hatten fich geneigt finden laſſen, in Friedensunter⸗
hendlungen einzutreten, wobei e8 ihnen wohl hauptfüchlich darum zu
them war, Friſt zu gewinnen, um fich mit dem Könige zu verjtän-
digen und denfelben von der Betheiligung am Kriege zurückzuhalten.
Halzgraf Ruprecht der Aeltere übernahm das Gefchäft des Vermitt⸗
lers. Die Herzoge kamen nad) Neumarkt, während die Bundesftädte
fh in Nürnberg verfammelten?. Nachdem eine Zeitlang Boten hin
amd ber gegangen, entfchloffen jich die beiden Parteien, dem Pfalzgrafen
die Vollmacht zu geben, mit der Minne oder mit dem Rechte über
ihre Streitigkeiten zu entſcheiden, und diefer that den 15. Merz fol-
genden Ausiprud:
1. Der Schaden, ben man fich beiderjeits zugefügt hat, foll
verfühnt fein, die Gefangenen werden zurüdigegeben. Brandichagungen
umd Gedinge, die noch nicht entrichtet worden find, haben feine Gül⸗
tigfeit mehr.
2. Der Erzbifchof und feine Diener follen ihres Gefängnijjes
(od und ledig "und alle ihnen etwa abgenonmmenen Verſprechungen
ungüftig fein, fie follen nur Urfehde nad) Yandesgewohnheit lei»
ften. Um die Habe, welche der Erzbijchof und die Seinen verloren
haben, wird für beide Parteien auf den 12. April ein Tag nad) Heir
deiberg angefett. — Auch foll der Grabifchof den Herzogen aus dem
Banne helfen jo jchnell als möglid).
3. Um das Gut und die Habe, welche die Herzoge denen von
Nürnberg und etlichen andern Städten des Bundes genonmmen, und
die Bürger, die fie ihnen gefangen haben vor Beginn des Strieges,
wird freundlich entjchieden: Was von dem Gute noch vorhanden ijt,
das Tollen die Herzoge dem Sohne Ruprechts, Herzog Ruprecht dem
Jüngften?, an jenes Statt einhändigen. Die Gefangenen und ihre
Vürgen follen ledig fein, und was fie verfprodyen haben, ungültig.
Ras von dem Gute nicht miehr kann aufgetrieben werden, darüber
ſoll gleichfalls auf den 12. April in Heidelberg Tag gehalten werden.
4. Um die „Nahme“, welche fid) Herzog Stephan den Städten
gegenüber ſchon Tängere Zeit vor diefem Kriege hat zu Schulden
kommen. lafjen, foll e8 bei dem bleiben, was früher vertheidingt und
verbrieft worden ijt.
ı 4. Chr. 259. 2 Chron. Nor. 324.
= Sn eigentbiinTiger Weiſe bezeichnet hier Ruprecht feinen Großneffen,
der ihm einſt in zweiter Linie nachfolgen follte, als feinen Sohn.
IL 7
98
5. Die Herzoge follen fofort iden. Ihrigen die Sühne verkün⸗
den laſſen nad) Herebrud, Sulzbad), Pilpoltitein, Freiſtadt, Rieden⸗
burg, Ingolſtadt und was dazwiſchen liegt, damit ſie von ihnen ge⸗
halten werde, die Städte dagegen nad) Nürnberg, Regensburg,
Weißenburg, Eichſtädt, Berching, Heided und was dazwijchen liegt.
Was bis zum nächſten Mittwoch (18. Merz) noch erobert oder ge-
fangen genommen wird, muß zurüderftattet werden.
6. Kein Theil foll diefen Ausſprüchen zuwider handeln!.
Allein den Dergogen fiel e& nicht em, den Spruch zu halten.
Der Erzbifhof blieb nach wie vor gefangen. Die Brandſchatzungen
wurden von den Bürgern und Klöftern fortwährend ohne alle Nady-
fiht eingetrieben und im Weigerungsfalle Pfänder mitgenommen.
Auf der Straße wurden Bürger und Pfaffen ausgeraubt. Selbſt dem
Stadtboten, der den Ausfpruh des Pfalzgrafen nad Regensburg
überbrachte, wurde von einem Abensbergiichen Söldner der Brief und
ein Hengit ſammt Panzer und Schwert unter vielen Spottreden abge-
nommen, ein Stadtdiener in Bande gelegt, ein anderer gemartert.
In Herzog Stephans Land wurde der Verkehr mit Regensburg ver-
boten, vom Beine, der durch dajjelbe geführt ward, ein hoher Auf-
fchlag gefordert. Die Placfereien, weldyen die Städte, namentlich aber
die Regensburger ausgefegt waren, hatten feine Grenzen. Als ſich
daher die Sefandten der Ietteren in Heidelberg eingefunden und dem
Pfalzgrafen ihre Klagen und Bejchwerden vorgetragen hatten, fegten
fie Hinzu: „Wir getrauen Gott, dem Recht und unjerm gnädigen Herrn
Ruprecht, dag uns das Unſrige wiedergefehrt werde, oder wir müßten
wiederum angreifen“ ?.
Ruprecht, dem es mit feinen Bemühungen um die Erhaltung
des Friedens Ernſt war, that nach Anhörung der beiden Parteien
einen zweiten Ausspruch, den 23. April, der im Wefentlichen eine
Befräftigung des erjten war und namentlich auch die fchleunige vos—
lafjung des Erzbiſchofs verlangte Da fid) die Städte mit einem
bloßen Verſprechen auf Schadenerfag nicht wollten abfertigen laffen,
fo verftand er ſich dazu, einen Theil der feltgefegten Summe, im
Betrag von 4000 Gulden ihnen fofort auszuzahlen, indem er fich
von den Herzogen verfprechen ließ, daß fie ihm diefelbe in Jahres⸗
frift wieder zurüdzahlen mwirden?. Der Schiedefprud) murde mit-
befiegelt durd) Boreſch von Riefenburg und Graf Johann zu Span⸗
a welche als Königliche Räthe den Nerhandlungen beigewohnt
atten.
2 Mender, von Außburgern 142, gedenkt einer „Vereinigung ber Städte
deß Nheinifchen und Schwäbifchen Bunds, mit den Fürften und Herren über:
fommen zu Würgburg Arno 1388 anf Oftern“. Da er aber nichts daraus
anführt ald einige Artifel, Bürgeraufnahmen betreffend, fo willen wir nicht,
was mit dieſer Notiz anzufangen if.
2 Gemeiner IT, 245.
’ Reg. 302. Könighoven 170, welcher die von Ruprecht angebotene
Summe auf 6000 Gulden augiebt, den ganzen Schabenerfat auf 12000.
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Allein der Friede war damit nicht hergeſtellt. Zwar wurde der
Erzbiichof bald darauf Losgelaffen, und ftellte den 15. Mai in Satz-
burg eine Urkunde aus, worin er nach Anleitung des Ausſpruchs
derzog Ruprechts Urfehde für ſich und feine Diener ſchwor. Auch
verſprach er, den Herzogen aus dem Banne zu helfen!. Allein er
batte feine Beireiung mit 60000 Gulden erfaufen und vor feiner
Yoslafjung drüdende Verpflichtungen eingehen müſſen, welche das
Sapitel nicht halten wollte, weil es ohne jeine Einwilligung gefchehen
war?. — Auch mit den Städten fam es zu feiner Verjtändigung.
Königshoven mißt ihnen jelbjt die Schuld bei, indem er behauptet,
fie hätten das Anerbieten Ruprechts wegen des Schabenerfages als
ungenügend zurüdgewiejen. Die genaueren Umftände vermögen wir
nicht anzugeben; fo viel ijt gewiß, dak um Pfingiten der Krieg mit
erneuerter Wuth ausbrach, und dag ji auch Ruprecht fpäter auf
die Seite feiner Vettern jchlug. Ueberhaupt benügten nad) und nach
fait alle umliegenden Herren die Gelegenheit, ihre alten Streitigkeiten
mut den Städten auszufechten, und der Krieg nahm einen inmer
größern Mafitab an. Ter König aber, der die Städte zum Kampfe
ermuthigt und den Herzogen gegenüber fich erſt drohend hatte ver⸗
nehmen lajfen, jogar perjünlid) in die Oberpfalz gerüct war’, bejaß
den Muth nicht, den Fürjten ernftlid) die Spitze zu bieten; cr 308
ih zurüd und ließ die Städte die Sache allein ausfechten.
Der Krieg bewegte ſich anfangs wieder in den öftlichen Yand-
ſchaften, namentlich in der Llingegend von Augsburg und Negensburg.
Im Juli wurde Kaufbeuren von Herzog Ruprecht (dem Jüngſten)
ieben Zage lang belagert. Die Bürger wehrten ſich tapfer; was
ihnen bei Tage zuſammengeſchoſſen wurde, das mauerten jie in der
Nacht wieder zu, zwei Stürme fchlugen ſie ab und tödteten dabei
den Feinden 70 Dann guter Ritter und Knechte, fo daß diefe es
fir gut fanden, ſich eine Strede weit zurüdzuzichen. Unterdeſſen hatte
fich ein Heer der Bundesjtädte in Memmingen gefammelt, und zu
gleicher Zeit waren die Augsburger bereit, mit der halben Stad.
auszurüden. Da zogen die Baiern weg, in jolder Eile, daß fie eine
Menge von ihrem Belagerungszeug auf dem Felde Liegen ließent
Durch neue Truppen verftärft, kamen fie dann in die Gegend von
Augsburg, wo jie wehrere Tage lang raubten und brannten. „Die
Stadt Augsburg war verzagt, cs traute fi) Niemand vor das Thor
‚u kommen. Rüger Rappold war DBürgermeifter und Hans end,
da war feine Treu, noch Ehre noch Hilfe, fie waren verzagt, davon
nahm die Stadt groß Schand und Laſter und Yajter und Schand“*.
Inzwiſchen hatte ſich aud) der alte Städtefeind Graf Eberhard
von Wirteniberg wieder erhoben, um jegt unter günftigeren Umftänden
I Reg. 304. 305. 2 Königshoven 169.
2 Palacky, Gefhichte von Böhmen IH, 1, 50.
* %. Chr. 260. St. Aleranderd Tag (18. Werz), ben fie für den Ans
jang ber Belagerung von Kaufbeuern angiebt, muß nah Zenng 261 in St.
Alczistag (17. Zuli) verändert werden. — Chron. Nor. 325.
7*
100
die Demlithigungen zu rüchen, die er tm lebten Kriege erlitten hatte.
Eßlingen und Reutlingen, hart von ihm bebrängt, riefen die Hilfe
der Bundesftäbte an. Dieſe beriethen fi in Ulm und befchloffen
dem Grafen ein ftattliches Heer ins Land zu fchiden, mahnten auch
die rheinifchen Städte um Hilfe. In den eriten Tagen des Auguft
fand der Auszug Statt; unter Verwüftung des wirtembergifchen Ge-
bietes kamen die ftädtischen Schaaren nad Eflingen!. Von dort
zogen fie, füblich an Stuttgart vorbei, über das Dorf Döffingen, in
deſſen befeftigten Kirchhof die Bauern der Umgegend ihre Habe ges
flüchtet Hatten, und verftärft durch den Zuzug aus dem benachbarten
Weil, beftiirmten fie denfelben mit Macht. Allein Graf Eberhard,
der von dem Zuge Kunde erhalten Hatte, rüſtete fich eilig zum Ent»
fage, und rief heimlich Herzog Ruprecht den Aeltern und den jungen
Markgrafen Rudolf von Baden, welche jo eben den Städten wider:
fagt hatten und gegen Heilbronn gerückt waren, zu Hilfe. Sie ſtießen
fofort zu den Wirtembergern, mit denen fi) auch noch der Burggraf
von Nürnberg, der Bifchof von Würzburg, der Graf von Katzeneln⸗
bogen, die Grafen von Dettingen und von Helfenftein nebſt andern
Herren und Rittern vereinigten. Graf Eberhard, fein Sohn Ulrich
und fein Enkel Eberhard ftellten ſich an die Spike ihrer Xeute, und
zogen mit ihren Verbündeten rafch gegen Döffingen. Es war am
Morgen des 24. Augufts, an einem Sonntage, als die beiden Heere
einander erblidten. Die Städter, bei denen ſich auch die rheinifchen
mit der Heinen Summe ihrer Glefen befanden, zählten 800 Spieße
und gegen 2000 Fußgänger, auf Seiten der Herren befanden fid)
600 Spieße und etwa 2000 wirtembergifche Bauern. Den Städtern
fam der Angriff völlig unerwartet, doch richteten fie ſich raſch zur
Gegenwehr und ftellten ihre Reihen auf. Die Herren waren, fobald
fie der Zeinde anfichtig geworden, zum größten Theil von den Heng-
jten gefprungen, und begannen, an ihrer Spige Graf Ulrich, der die
Schmach von Reutlingen rächen wollte, mit hitzigem Ungeſtüm ben
Angriff; aber es fchien, als wolle fi) das Unglück von Reutlingen
ernenen, Ulrich ſelbſt ward erjchlagen, mit ihm ein Graf von Löwen⸗
itein, einer von Werdenberg und gegen 60 Ritter und Edelknechte;
die Reihen des fitrftlichen Heeres fingen an zu weichen. ‘Doc der
alte Graf Eberhard verlor feine Geiftesgegenmwart nicht: „Seht zu,
wie die Feinde fliehen“, rief er mit lauter Stimme, indem er den
Angriff erneuerte, „fechtet unerſchrocken, wir haben fte fofort in unferer
Gewalt“. Da glaubten Etliche im ftädtifchen Heere, es verhielte ſich
aljo, und fiengen in der That an zu fliehen, zuerft, wie es heißt, bie
Söldner vom Rheine und die Nitenberger. In diefem Augenblide,
al® der Sieg ſchon anfleng fich auf die Seite ber Herren zu neigen,
erfchienen auf der Wahlftatt 100 neue Spieße, welche Werner von
Roſenfeld, mwirtembergifcher Vogt in Herrenberg, und die Elfäffifchen
Herren von Bitſch herbeiführten. ALS diefe frifchen Streitkräfte ſich
° Mainzer Chronik bei Schaab I, 364.
102
drängt wurde, ohne Hilfe von feinen BVerblindeten zu erhalten. Vom
Juli bis in den Spätherbft wurde die der Stadt verpfändete Veſte
Donauftauf belagert und mehrmals vergeblich beftürmt, auch Regens⸗
burg felbft beftändig von ihren Schaaren umftreift. Das gab den
Bürgern Gelegenheit, einſtmals eine glückliche Unternehmung auszu⸗
führen, durch die fie fich großen Ruhm erwarben. Am 13. November
erfehienen gegen 200 bairifche Ritter und Knechte nebft 100 Schüten
vor der Stadt, und riefen den Bürgern zu, fie möchten herauskom⸗
men und Ehre an ihnen erjagen. Die Regensburger fdhieten einige
hundert Bewaffnete unter dem Banner der Stadt heraus, bie Uebri⸗
gen hielten fich gerüſtet, um ihnen zur rechten Zeit zu Hilfe zu kom⸗
men. Die Baiern, angegriffen, zogen fich zurück und wichen bis zu
einer glnftigen Stelle; dann wandten fie ſich unverfehens um und
warfen fi mit Macht auf die Verfolger, bie fie beinahe in die Flucht
getrieben hätten. Allein inzwifchen hatte der Bürrgermeifter Hans von
Steinady ein anderes Thor öffnen und die Vaiern von hinten um⸗
ziehen laſſen, fo daß fich diefe plöglich von zwei Seiten angegriffen
ſahen und eine ſchwere Niederlage erlitten. 40 der beiten Ritter
wurden gefangen, 32 erjtochen, und der Reſt zerftreut. Die Regens⸗
burger hatte der Sieg nur vier arme Knechte gefoftet. Es war das
die glänzendfte Waffenthat, welche im Lanfe bes Krieges den Etädten
gelungen ift, und lange noch wurde der 13. November, St. Brictins
Tag in Regensburg als Volklsfeſt begangen.
Diefer Sieg verfchaffte der Stadt einige Erleichterung, unı fo
mehr, als ſich die Hauptmacht der Baiern bereits aus ihrer Nähe
entfernt hatte, um dem Erzbiſchof von Salzburg zu begegnen, der,
auf die dringenden Bitten der Regensburger hin, endlich einen Angriff
auf die Lande Herzog Friedrichs unternommen hatte.
Pald nad der Schlacht bei Döffingen hatten die rheinifchen
Städte, auf Bitten der Schwäbischen, den Pfalzgrafen und den andern
benadjbarten Herren abgefagt und die große Summe ihrer Glefen
gerüftet. In Speier verſammelten ſich deren 900, und brachen, noch
ehe die drei Tage des Widerfagens vorüber waren, ins Gebiet Her:
zog Ruprecht des Aeltern, dem fie mehrere Dörfer verbrannten.
Als aber der feine Macht fammelte, zogen fie wieder heim. Ruprecht
ließ fih nun vom Junker Ottmann von Ochfenftein bie Stadt
Nichenshofen übergeben, und legte 300 Spieße in diejelbe, welche den
ganzen Winter über die Städte dur unaufhörliche Streifzüge be;
(äftigten. Geraume Zeit nad) dieſem erften Auszuge unternahmen bie
Städte Mainz, Worms, Speier und die Heinern in ihrer Nähe einen
zweiten, indem fie Ruprecht dem Jüngern ins Land fielen. Er aber
farnmelte heimlich eine Anzahl von Glefen, überfiel die Städter bei
Worms und jagte fie vollftändig auseinander. 200 kamen um,
0 wurden gefangen. Unter den Gefangenen befanden fich auch
(30 Knechte des Blutharſtes. Blutharſte oder Blutzapfen nannte
man Schaaren arıner Leute, meiftens vom Lande, die durch den Krieg
brod- und obdachlos geworden waren und ſich in die Stübte geflüch-
— — — —— ee 5
103
tet hatten, dort ſich zuſainmenrotteten, um durch Raubzüge in Feindes
Yand ihren Lebensunterhalt zu ſuchen. Empörend iſt es zu vernehmen,
wie der Herzog mit denen verfuhr, die er in ſeine Gewalt bekam.
Er ließ ſie alle ſechzig in einen Ziegelofen werfen, indem er höhnend
binzufügte: „Ihr habt auf mid) gebrannt bei Wacht, fo will ich ehr⸗
fiher thun und euch bei Zage brennen“. Das Alles geichah Freitags
vor Martini, den 6. Noveniber.
„Nach diefen beiden Niederlagen, bei Döffingen und bei Worms,
jagt Königshoven, begannen die rheinifchen und die ſchwäbiſchen
Städte ſich fehr zu entjegen, daß fie nicht mehr viel reiften auf bie
Herren, als wo es ihnen gelegen war, daß fie deffelben Tages wieder
beim kommen mochten und nicht über Nacht brauchten auszubleiben“ '.
So dauerte der Krieg noch bis ins Frühjahr 1389 fort, indem
die einzelnen Städte mit mehr oder minder Glück fi der Angriffe
der benachbarten Herren zu ermwehren juchten. Der Schaden, ber
überall angerichtet wurde, war furchtbar. „Dieweil dieſer Krieg
währte, jagt Königshoven, wurden die Lande der ſechs Baiernherzoge
und ihrer Helfer und alles Schwabenland und Franken und Eljaß
und der andern Herren und Städte Lande, die des Krieges waren
‚u beiden Seiten, fo fehr gefchädigt mit Raub und mit Brand, daß
mehr Yeute verdarben und mehr arme Yeute gemacht wurden, als
vorher in viel hundert Jahren gefchehen war. ‘Denn faft alle Dorf-
inte in diefen Yanden mußten den ganzen Winter fich in den Städten
und Beſten enthalten von dieſes Strieges wegen. Und fonderlidh
Schwaben Yand und der Herren von Wirtemberg Yand wurden fo
gänzlich verheert und verbrannt, dag an manchen Orten außerhalb
der Städte und Velten zehn oder zwölf Meilen weit fein Dorf noch
Haus Stand. Aber im Elſaß murden gebrammt umd gebrandſchatzt
gegen 200 Dörfer, und mand) Dorf ward fo gänzlich verbrannt, daß
weder Haus noch Kirche da blieb“. — Beide Theile, die Fürſten und
tie Ztüdte, waren aufs äußerfte erfchöpft, und wenn der König jebt
mit Nachdruck als Wermittler auftrat, fo konnte er einen Frieden zu
Stande bringen, wie er ihn dem Wohle des Neiches angemefjen er-
ahtete. Allein von Wenzel ließ fich ein folches Benehmen nicht er-
warten. Er hatte in der ganzen Angelegenheit die möglichite Unficher-
beit an den Tag gelegt. Nachdem er durch feine Zuficherungen in
Nürnberg den Städten den Muth gegeben hatte, fich in den weit-
ı Königshoven 175. Das Chron. Nor. 326 berichtet von einem Auge,
weichen bie Stäbte ben 11. Nov. von Windsheim aus, wo ber Sammelplag
mar, nach Frankfurt hätten unternehmen wollen, bei dem aber nichts heraus:
aefommen. Tie Nürnberger feien mit 1000 (!) Reitern und 1500 Fußgängern
eridhienen, ihr Zuzug babe aber auch mehr betragen als ber aller anbern
Städte zuſammen. Tie ganze Sache ift offenbar übertrieben, es wird eine
Unternehmung einiger fränkifcher Städte geweſen fein. An eine gemeinfame
aller Städte ıft gewiß nicht zu denken, am wenialten an eine nad Frankfurt.
Mainz, bie Nachbarin von Frankfurt, unternimmi um bdieje Zeit einen Zug
nach Eüben, und bie fchmwäbifchen Städte, bie im ihrer nächften Umgebung
senug zu thun hatten, follen nach jener entjernten Stabt gezogen fein!
104
ausfehenden Krieg mit Baiern einzulaffen und fie dann fpäter felbjt
zum Kampfe aufgefordert, auch durch den Brief an Herzog Friedrich
offenbar feine Hilfe in Ausficht geftellt hatte, überließ er fie nachher
ganz ihrem Schickſale. Doc fcheint ihn ihr Mißgefchid wieder jo
geärgert zu haben, daß ihm Alles verleidete, und er daran dachte,
die Regierung niederzulegen. Wenigſtens ftellte er den 4. October 1388
dem Erzbiichof Adolf von Mainz eine Urkunde aus, die eine Ver⸗
fiherung enthielt für den Fall, daß er das Reich aufgeben follte.
An bemjelben Tage erlaubte er dem Erzbifchof, einen Bund mit den
Städten Mainz, Worms und Speier einzugehen, der auch den 30,
October abgefchloffen wurde; am 31. October dagegen ermahnt er
den Erzbifhof von Salzburg, mit Herzog Friedrich, der perfünlid)
am königlichen Hofe erſchienen war und dafelbft mit Gewandtheit
feine Sache führte, Frieden zu halten und für die Beilegung des
Städtekrieges zu wirken, was denfelben auch endlich bewog, den
7. December dem König feine Bereitwilligfeit zu erklären, fich mit
Baiern zu vertragen. Um diefelbe Zeit wurden Verſuche gemadıt,
die Eriegführenden Theile zu einer Webereinfunft zu vermögen. Am
25. Yanuar kamen bern auch Fürften und Städte in Mergentheim
zuſammen?; als Abgeordnete des Königs wohnten Premislaus von
Tefchen, Biſchof Johann von Cammin, der Deutfchmeilter Siegfried
von Venningen und Graf Johann von Spanheim den Verhandlungen
bei. Allein es kam nicht viel dabei heraus. Den Stüdten wurde vor⸗
geworfen, fie Hätten die Ausfprüche des Pfalzgrafen Ruprecht nicht
befolgt. Sie vertheidigten ſich und erboten fi, dem Könige die Sache
zur Entfcheidung zu überlaffen, daß er fie mit der Minne verrichte
oder, wenn das nicht gelinge, mit Zuziehung einiger unparteiifcher
Fürſten und Herren ein freundliches Necht ſpreche. Der Vorichlag
wurde angenommen nnd al8 Ort der nädjten Verhandlungen die
Stadt Rotenburg bezeichnet. Um mit Nachdruck auftreten zu können,
veranftalteten die Städte große Kriegsrüftungen. Sie befdjloffen nod)
in Mergentheim, das Fünffache ihrer gewöhnlichen Beiträge zu ent-
richten, und braditen in Weißenburg ein zahlreiche Volk zufammen?.
Zu gleicher Zeit arbeiteten fie an einer Vermittlung zwifchen Oeſter⸗
reih und den Eidgenofien, die fi ein Fahr lang mit äußerjter Er⸗
bitterung befämpft hatten. Die Boten der jüdlicheren Städte Conftanz,
Rotweil, Ravensburg, Weberlingen, Lindau, Baſel und anderer famen
am 9. Merz nad) Zürich, und es gelang ihnen, nachdem fie fich drei
Wochen lang mit Eifer der Sache angenommen hatten, am 1. April
einen fiebenjährigen Frieden zu Stande zu bringen‘. Weniger glück⸗
(ih waren fie in den DVerfuchen, fich felbft mit ihren Widerfachern
auszuföhnen. Der Tag in Rotenburg kam nicht zu Stande, dagegen
2 Das Schreiben des Königs fowie bie Antwort des Erzbiſchofs befin-
ben fi im Ulmer Archiv in Abfchriften, bie wabrſcheinlich Pilgrim ben
Städten zur Entfchuldigung feines Benehmens zugeſchickt bat.
Reg. 327. Königshoven 180,
5 &emeiner UI, 258. 259, *Tſchudi I, 555.
r ee ——— —
— eng Sie
—
107
Seiernherzogen einen vorläufigen Vergleich, und bald waren es nur
och die ſieben Bodenſeeſtädte, welche von feiner Ansföhnung und
ksem Landfrieden wiſſen wollten, fondern nach wie vor an ihrem
kindern Bunbe fefthielten'.
Sp war nun, wie es fchien, das erreicht, mas Wenzel im Jahre
1383 umfonft durchzuführen verfucht hatte; der Bund der Stübte war
eprengt und die letztern einem aus Gliedern der verfchiebenen Reichs⸗
Hede zuſammengeſetzten Landfriedensbündniſſe eingefügt. Aber hatte
gegründete Urſache, ſich über dieſen Ausgang zu freuen?
Ber nicht das Verhältniß jetzt ein ganz anderes als im Jahre 13837
er nicht ſeitdem gerade in den Städtebünden eine Stütze, einen
t gegenüber den Anmaßungen der Yürften geſucht? Und jegt
kmanbte er fich felbft diefer Stüte, ohne daß er durch die charafter-
ik Weiſe, wie er fie preisgab, fich den Dank der Fürften verdient
ie. Die fpätern Ereigniffe haben gezeigt, wie thöricht Wenzel ger
adelt, und wie er fiir feinen eigenen Sturz gearbeitet bat.
Und die Städte? Was für Folgen hat der unglüdliche Aus⸗
un des Kampfes, die Auflöjung des Bundes für fie gehabt? Wir
ziffen erwidern: Ihre Anjtrengungen, das Uebergewidht der Yürften
a brechen, find volltommen gefcheitert, und es ift dieſes vielmehr
erh Die eingetretene Entfcheidung auf immer befeftigt worden, aber
e Fürften haben ebenfo wenig vermocht, die Städte gänzlid zu
zterbrücken oder auch nur die Entwiclung ihrer Selbitändigkeit zu
mmen. Durch das beharrliche Anfämpfen gegen die Verpfändungss
&erfuche, das die Grundlage aller ihrer Bündniffe gebildet hatte umd
mmentlich während der Dauer biefes legten mit Erfolg durchgeführt
seden war, hatten die Städte der Anfchauung Bahn gebrochen, daß
w Reichsgüter, namentlich die Neichsitädte nicht nad) dem Belieben
x Könige veräußert werden dürften, daß er vielmehr verpflichtet
&i, fie beim Neiche zu behalten. So geichah es, daß die Verpfün-
ungen immer feltener wurden und feit König Sigismund ganz aufs
fieten?. Beſonders förderlich für bie allmähliche Befeitigung diefer die
wre Exiſtenz der Reichsſtädte fort und fort bedrohenden Gefahr
zer es, daß diefe fich nicht mit den Verſprechen begnügten, welche
nen die Könige ertheilten, fie nicht mehr verpfänden zu wollen,
iendern vielmehr dafür forgten, daß diefen fo wenig als möglich zu
en übrig blieb. Diefes bewertitelligten fie, indem fie die Zeit
der Macht benügten, um die hoheitlichen und nutzbaren Rechte, welche
we Könige noch bei ihnen befaßen, an ſich zu bringen, ein Verfahren,
tes ihnen fchon durch den jedem Gemeinwejen natürlich inwohnenden
Bari); feine innern Angelegenheiten felbft zu verwalten, nahe gelegt
Bon diefem Wunſche befeelt, fuchten fie fich dann auch von
ı G. Chr. 321. (Das Chron. Nor. 325 nennt irrigermweife flatt Wange
Jim.) Die fieben Städte (f. oben ©. 71) fehlen auch bei der Ausſöhnung
zit Strafen von Zollern (Reg. 368) allein von allen Städten bes ‚ehemaligen
chen Bundes; vergl. auch Reg. 369. 370,
2 Hugo, Mebtatifirung 18.
106
niß von 1385), doch folfte fie fortbejtehen gegen ſolche Städte, welche
jäumten, fi mit ihren Gegnern zu vertragen. Das Verbot der Auf:
nahme von Pfalbürgern wurde natürlich aud in dem Xanbfrieden
nachdrüdtich hervorgehoben.
Es fragte fih mım: Wollte der Städtebund diefer Auflöſung
Folge leiften, oder wollte er fich weigern und den Krieg noch ferner
fortfegen? Manche Städte waren der legtern Anfiht, aber andere
mochten finden, daß man ber Laften und Mühen genug getragen
babe. Sofort bei Errichtung des Landfriedens erflärten in Eger bie
Boten von Regensburg, Nürnberg und Weißenburg ' ben Beitritt
ihrer Städte. Als Entfhuldigung wird in einem Stadtbuche ber
Regensburger angeflihrt, daß fie von ihren Bundesgenoſſen keine Untere
ftügung erhalten hätten: „Etliche der ſchwäbiſchen Städte, obwohl fie
uns nicht weniger als wir ihnen gefchworen, haben ſich ungetreulich
gegen uns gehalten, haben uns in der Noth ſtecken und alle unfere
Weinberge Iefen und ausroden, unfere Güter öde legen und verbren-
nen laffen; daher find wir gezwungen worden, den Nandfrieden zu
ſchwören mit den Fürften“?. — Nach dem Abfalle diefer mächtigen
Städte blieb den übrigen nichts anderes librig, als entweder aud)
dein Landfrieden beizutreten oder aber mit bedeutend verringerten
Kräften der Möglichkeit eines Reichskrieges ſich auszufegen. ‘Daß der
König ſich gewaltig anftrengen werde, war allerdings nicht zu be⸗
fürchten, wohl aber, daß die Fürften fich alle mögliche Mühe geben
würden, die Städte endlich einmal gründlich zu demüthigen Der
Muth der letzteren mußte um fo mehr gebrochen werden, al8 während
der Verhandlungen zu Eger in der Mitte des Mai die Frankfurter durd)
den wetteranifchen Adel, der von den Pfaligrafen Zuzug erhalten
hatte, eine ſchwere Niederlage erlitten. Die erfte ſchwäbiſche Stadt,
welche ji) dem Landfrieden anſchloß, war Eßlingen, das von allen
die gefährlichfte Yage Hatte?. Doc, jtanden die Sachen inmmer noch
fo, daß den 23. Mai Herzog Stephan mit dem Grafen Albrecht von
Heiligenberg einen Vertrag über gegenfeitige Hilfeleiftung „jego in
dem Krieg gegen die Stübte des Bundes“ abſchloß. Allein den
3. uni vereinigten fich die rheinischen, elſäſſiſchen und wetterauijchen
Städte, und um dieſelbe Zeit, wie c8 ſcheint, auch die niederſchwäbi⸗
chen zu Heidelberg mit den Pfalzgrafen, indem fie fid) zur Entrich⸗
tung beträchtlicher Entfchädigungsfnmmen verftanden*. Etwas jpäter
erjt folgten die oberjchwäbifchen; den 15. Juni famen die Augsburger
mit den Qaiernherzogen, ihrem Biſchof Burkart und den Grafen von
Dettingen überein, auf einem feitgeießten Tage ihre Streitigkeiten
Ichiedsrichterlich austragen zu laſſen. Ihrem Beifpiele folgte den
17. Juni Kaufbeuren, den 23. Kempten, ben 25. Memmingen.
Den 3. Juli fchloffen dann auch die Ulmer in ähnlicher Weife mit den
! Reg. 336. In ber Griündungsurfunde bed Randfriedens bei Datt 71
werben fic bereitö als Glieder deſſelben genannt,
8 Gemeiner II, 261. 5 Reg. 337. + Reg. 344.
107
Iniernherzogen einen vorläufigen Vergleih, und bald waren es nur
noch Die ſieben Bodenſeeſtädte, welche von feiner Ausjöhnung und
ffmem Landfrieden wiffen wollten, fondern nach wie vor an ihrem
befondern Bunde fefthielten!.
Sp war nun, wie es fehlen, das erreicht, was Wenzel im Jahre
1383 umfonft durchzuführen verfucht hatte; der Bund der Städte war
giprengt und bie letztern einem aus Gliedern der verfchiedenen Reichs⸗
Ninde zuſammengeſetzten Landfriedensblindnifjfe eingefügt. Aber hatte
Benzel gegründete Urfache, fich über diefen Ausgang zu freuen?
Bar nicht das Verhältniß jet ein ganz anderes als im Jahre 13837
er nicht feitdem gerade in den Stäbteblinden eine Stüße, einen
t gegenliber den Anmaßungen ber Fürften gejucht? Und jegt
keranbte er fich felbft diefer Stüte, ohne daß er durch die charalter-
ie Weiſe, wie er fie preisgab, fich den Dank der Fürjten verdient
itte. Die ſpätern Ereigniffe haben gezeigt, wie thöricht Wenzel ges
kendelt, und wie er für feinen eigenen Sturz gearbeitet hat.
Und die Städte? Was für Folgen bat der unglüdliche Aus⸗
sang des Kampfes, die Auflöfung des Bundes für fie gehabt? Wir
müffen erwidern: Ihre Anftrengungen, das Uebergewicht der Fürſten
a brechen, find vollfommen gefcheitert, und es tft Diefes vielmehr
"ech die eingetretene Entſcheidung auf immer befeftigt worden, aber
te Fürſten haben ebenfo wenig vermodt, die Städte gänzlich zu
mterdrücken oder auch nur die Entwicklung ihrer Selbitändigfeit zu
hemmen. Durch das beharrliche Ankämpfen gegen die Verpfändungs⸗
Zerfuche, das die Grundlage aller ihrer Bündniffe gebildet hatte und
samentlich während der Dauer diefes legten mit Erfolg durchgeführt
worden war, hatten die Städte der Anfchauung Bahn gebrochen, daß
die Reichsgüter, namentlic, die Reichsjtädte nicht nach dem Belieben
des Königs veräußert werden dürften, daB er vielmehr verpflichtet
ei, fie beim Neiche zu behalten. So geichah es, daß die Verpfän⸗
Kmgen immer feltener wurden und feit König Sigismund ganz aufs
hörten?. Beſonders förderlich fin die allmähliche Befeitigung diefer die
une Eriftenz der Reichsſtädte fort und fort bedrohenden Gefahr
war es, daß diefe fich nicht mit den Verfprechen begnügten, welche
imen die Könige ertheilten, fie nicht mehr verpfänden zu wollen,
iondern vielmehr dafür forgten, daß bdiefen fo wenig als möglich zu
verpfänden übrig blieb. Dieſes bewerkſtelligten fie, indem fie die Zeit
ihrer Macht benütten, um die hoheitlihen und nugbaren Rechte, welche
Ne Könige noch bei ihnen befaßen, an ſich zu bringen, ein Verfahren,
das ihnen ſchon durch den jedem Gemeinweſen natürlich inwohnenden
Bunſch, feine innern Angelegenheiten felbft zu verwalten, nahe gelegt
wor. Bon diefem Wunſche befeelt, juchten fie fich dann auch von
ı 6. Chr. 321. (Das Chron. Nor. 325 nennt irrigerweife ftatt Wangen
lin.) Die fieben Städte (f. oben ©. 71) fehlen auch bei ber Ausſöhnung
zit Grafen von Bollen (Reg. 368) allein von allen Städten des ehemaligen
schen Bundes; vergl. auch Reg. 369. 370.
= Hugo, Mebtatifirung 18.
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den Befugniffen frei zu machen, welche etwa benachbarte Herren in
ihren Mauern befaßen. Sie löjten die Aemter bes Reichsvogtes, des
Schultheißen an fich, verfchafften fich Befreiung von auswärtigen
Gerichten, erwarben bas Recht, fich felbft befteuern zu dürfen und
anderes mehr, wodurch fie nach und nad) fich zu unabhängigen Ger
meinwefen ummandelten, welche den Fürften als ebenbürtige Reichs⸗
glieder zur Seite ftanden. Für das Zuftandefommen diefer Entwick⸗
Iung aber hat der Bund die wefentlichiten Dienfte geleiftet. Nicht,
daß fie während ber Dauer deffelben auf einmal befonder® viele Pri-
pilegien erhalten hätten, das war auch nicht bie Hauptſache; viel
wichtiger war, daß fie e8 vermochten, fich eine geraume Zeit un Des
fige derer, welche fie erhielten, zu behaupten, und fie namentlich gegen
die Anfeindungen von Seiten ber Herren, die fich dadurch beeinträch-
tigt glaubten, zu vertheidigen. Auch finden wir nicht, daß fie nad)
dem Ausgange bes Krieges genöthigt worden wären, bas wieder aufs
zugeben, was fie in diefer Beziehung errungen hatten. Das, wozu
fie fi in den Friedensverhandlungen bequemen mußten, war die Ent»
rihtung großer Entfchädigungsfummen, dafür wurden ihnen aber gerade
bie und da Rechte, über die man fich bisher geftritten hatte, jetzt
ausdrüdlich anerlfannt, fo den Augsburgern von Seiten bes Biſchofs
die Erhebung des Ungeldes?. So waren die einzelnen Städte nad)
der Auflöfung des Bundes, wenn auch die im Kriege erlittenen Ver⸗
Infte fie augenblicklich etwas erfchöpft Hatten, ftärfer umd mächtiger
als zur Zeit ihres Eintritts in denfelben. Manche hatten den Wohl-
itand, der mit der zunehmenden Macht bei ihnen eingelehrt war, dazu
berrüßt, fi zum Theil bedeutende Gebiete zu erwerben; fo faufte
Ulm im Jahre 1377 die Dörfer Ober- und Unter-Pangenau, im Jahre
1383 die Herrichaft Alpe von den Grafen von Werdenberg, und
legte im Jahre 1382 durch ein an die Grafen von Helfenftein ger
machtes Tarlehen den Grund zu der fpäter erfolgten Beſitznahme
des Geislinger Amtes?.
In dem Diaße aber, in welchem ein Gemeinwefen an Macht
zunimmt umd feine Unabhängigkeit nad) Außen hin fejtftellt, wird
auch in feinem Innern ein Streben der verfchiedenen Claſſen der
Bevölkerung nad) Gleichberechtigung ſich fühlbar machen und mehr
oder weniger von Erfolg begleitet fein. Kein aufftrebender Staat
wird fi von demofratifchen Regungen fern halten können, und fie
werden gerade in der Zeit, in welcher er am frifcheften aufblüht, am
ftärfften zur Erſcheinung kommen. Schon Griedienland und Rom
bieten fprechende Beweiſe, und fo dürfen wir uns aud) nicht wundern,
wern im 14. Jahrhundert in den zu politifcher Bedeutung fich auf-
fchwingenden Reichsftädten folche Parteitämpfe fich erheben, und bie
untern Stände mit in den vollen Genuß der politiichen Rechte ein-
Reg. a7 206. ©. auch ben Vergleich zwiſchen 1m und Wirtemberg,
eg. 310.
2 Stäfin III, 368. 690. Pfiſter, Geſch. von Schwaben IV, 269 fi.
109
treten wollen, für deren Behauptung gegen üußere Feinde fie ebenfo
et mitgelämpft haben als die Vornehmen. So gehen mit bem erften
Aufidnoung unter Kaifer Ludwig die Zunftbewegungen Hand in Hand,
fe treffen wir auch in der Zeit unferes Bundes, wo bie Macht der
Städte auf ihrem Höhepunkte fteht, allenthalben demofratifhe Re
gungen", biesmal ift es aber weniger die Eiferfucht der Zünfte gegen
ke GSefchlechter, als vielmehr eine Kundgebung des Mißtrauens von
Seiten der Bürgerfchaft gegen oligarchifche Tendenzen der aus Ge
Wlehtern und Zünftigen beftehenden Regierung, wie fich folche fpäter
uch reist zünftigen Regierungen gegenüber geäußert hat?. Ganz ums
grehtfertigt ift jedenfalls die Anficht, die man fich hie und da aus
ter Gleichzeitigfeit der demofratifchen Bewegungen und dem Wbfchließen
wa Städtebimdnifjen gebildet Hat, als feien die Demofraten, d. 5.
ve Zünfte, die Beförderer der letztern geweſen, während die Arifter
beten, d. h. die Geichlechter, mehr eine Annäherung an die Fürften
mgeitrebt hätten, und irrig ift es deshalb auch, wenn man ver⸗
meintliche Schwankungen in der Bolitit des Stüdtebundes durch
ke Annahme erflärt, es habe das einemal die demofratifche, das
mderemal die arijtofratiiche Partei die Oberhand gehabt. Die Ge
ſchlechter blieben der Politik, welche fte beobachtet hatten, fo Lange
fe allein regierten, und die auf die Beförderung der ftädtifchen Un⸗
ehängigkeit gerichtet war, auch treu, nachdem fie einen Theil ihrer
Rechte an die Zünfte hatten abtreten müffen; diejenigen, welche den
Serluft nicht zu verfchmerzen vermochten, traten zum Landadel über;
ve aber, welche in den Städten zurücblieben, haben fich immer ale
dürger gezeigt, die für das Wohl derjelben nicht minder thätig waren
ils die Handwerker; ja wir dürfen annehmen, daß fie, die den letztern
m politifhem Tact unzweifelhaft überlegen waren, vielleicht an der
EHrimdung und Ausbildung der Städtebündniffe einen größern Antheil
hatten als jene. Mit diefer Annahme ftimmt die große Anzahl von
Kutriciern überein, die uns als Gefandte bei Verhandlungen oder als
Anführer in den Kämpfen genannt werden. So willen 3. B. die
Nürnberger keine bejjern Gefandten zu wählen, durch welche fie ihre
Stadt in den Bund aufnehmen Tießen, als die vier Patricier Ulmann
Stromeyr, Berthold Pfinging, Jobs Tegel und Conrad Haller. Den
Binging und den Tegel finden wir auch mit drei andern Standes⸗
genoffen, dem Berthold Böheim, dem Michael Grundherr und dem
Kirlaus Muffel, als Vertreter der Stadt Nürnberg unter den Städte
2 9. Langen, Geſch. von Rotweil 81 fi. Ruckgaber, Gef. von Rot:
sl —5 4 fi. Pfaff, Geſch. von Eßlingen 99 fi. U. Chr. 258. C. Chr.
ll. 320.
s Die ©. Chr. 326 fagt von dem im %. 1389 zu Conftanz ftattgefun:
sen Auflaufe: „Item ber Fef6 ufflowff beſchach nit ben alter gefchlächten ze
it, es beſchach nomen, allain ettlichen von ben zünfiten ze fait, die ſich vil
xwalg annoment im rat und in ber ftatt, und in bie andern zunfftmaifter
seB vertragen muftent von fordt; und dad verbrojj die gemaind gar übel,
md umb diſſes beſchach ber ufflowff“. Arch in Rotweil begegnen wir ber Klage,
5 die Zunftmeiſter immer in ihren Aemtern bleibenz v. Langen 83.
112
Biberach, Dinkelsbühl, Pfullendorf, Jsny, Leutlirch, Giengen, Aalen
und Bopfingen, um ihre Pflichten gegen den Landfrieden beſſer ge
nügen zu können, wie fie fagen, ein beſonderes Bündniß bis zum
23. April 1391 ein, ben 20. November 1392 verbünden fih Ulm,
Nördlingen, Rotweil, Memmingen, Hall, Gmünd, Biberach, Pfullen-
dorf, Dinkelsbühl, Kempten, Kaufbeuren, Jsny, Leutkirch, Aalen und
Bopfingen, da fie während des auch von ihnen befchworenen Land⸗
friedens manderlei Angriffe auf ihre Freiheiten erbuldet haben, bis
zum 1. Mai 1395, und am 23. April biefes Jahres erneuern dies
felben mit Ausnahme von Rotweil und Kaufbeuren das Bündniß auf
eine weitere Anzahl von Jahren. Während der Randfriede, der aller-
dings nach feinem erften Ablaufen wieder verlängert wurde, in den
erften Jahren des 15. Jahrhunderts fcheint eingegangen zu fein“,
fuchen die Stäbtebündniffe wieder zu ihrer alten Bedeutung zu ge
langen. In ihren Bündnißbriefen berufen fie ſich auf die Privilegien
Karls und Wenzels von 1348, 1377 und 1387, von welch Tetterem
bie ſämmtlichen darin genannten Städte nach der Auflöfung des
Bundes durch den Hofrichter zu Rotweil fich beglaubigte, mit einem
Spruch des Gerichtes, daß der Brief noch in Kraft beitehe, verfehene
Abfchriften ertheilerr zu Lafjen für nöthig erachtet hatten. Durch die
Anführung diefer Privilegien entkräfteten fie die Widerſprüche, welche
auf Grund der goldenen Bulle gegen ihre Verbindungen erhoßen
werben Tonnten; die lange Dauer des Bundes von 1376 hatte den-
felben gewiffermaßen eine hiftorijche Berechtigung erworben, man hatte
fih an ihr Vorhandenfein gewöhnt, und fo darf es uns nicht wun⸗
dern, baß, während von 1350 — 1376 fein größeres felbftändiges
Bündniß ſchwäbiſcher Städte ſich erhoben hatte, von nun an dieſe
Berbindungen, fo zu fagen, gar nicht mehr aufhören. Allerdings hat
feine derfelben fi) wieder zu der Bedeutung emporgehoben, welche
der Bund von 1376 gehabt, und das Webergewicht erhält jich im
Ganzen auf der Seite der Fürften, aber immerhin bleiben fie wäh—
rend der erften Hälfte des 15. Jahrhunderts eine felbftändige, wich
tige Macht im Reiche, unter deren Schuß die Freiheiten der einzelnen
Städte ſich vermehren, ihr Wohlftand wächſt, ihr Gebiet fich vergrößert.
Erft durch den unglüdlichen Krieg von 1449, in welchem die Städte,
deren PVereinung, fo heißt fie jegt, wieder 31 Glieder zählt, zum
zweiten Dale den Fürften unterliegen, erreicht diefe großartige Stel-
lung ein Ende. DVergeblich waren fortan alle Bemühungen, eine feite
Berbindung zu gemeinfchaftlihen Handeln herbeizuführen. Doch bie
Biündniffe hatten ihre Dienfte gethan. Die Fürften hatten nicht ver-
mocht, die Städte in den Kreis ihrer Yandeshoheit mit hineinzuzichen;
in dem Maße, wie diefe ihrer Vollendung entgegenfchritt, entwickelten
fich jene zu felbjtändigen Kleinen Freiſtaaten, und es konnte fich in
ihnen das Weſen des Bürgerthums ausbilden, das flir die fpätern
Zeiten von fo ungemeiner Wichtigkeit geworben ift.
ı Im St. U. Reichsſtädte indgemeine Ausföhnungs: und Cinungsbriefe
u. f. mw. finden fih Spuren beffelben bis 1403.
Beilagen.
A. Regeſten.
— — —
1307.
April 29. Speier. K. Albrecht errichtet einen Landfrieden zwiſchen den edlen 1307.
Leuten Graf Ludwig von Oettingen dem Alten, Graf Ulrich von Hel:
fenftein, Conrad von Weindberg, Albrecht von NRechberg, Wernber dem
Vogt von Ted, Heinrich dem Truchieß von Diekenhofen und den in
ihrer Pflege gelegenen Städten Augsburg, Eplingen, Ulm, Reutlingen,
Gmünd, Heilbronn, Weil, Wimpfen, Mosbach, Werd, Sinsheim, Heideld-
beim, Lauingen, Nördlingen, Giengen, Bopfingen, Dinfel3bühl, Feuchtwan—
gen, Kirchheim, Burgau, Günzburg, unb allen Edelfeuten und Bürgern, die
in der Geburde wohnhaft find; er fol dauern bis Pfingften 1309. —
Datt 29, mit einer FleinenLüde; in der außgelaffenen Stelle, die im Original
unleferlich gewejen zu fein fcheint, war eine zweite Stabt genannt, deren
Abgefandter zugleich mit dem von Nördlingen die in ber Pflege des Grafen
Ludwig v. Dettingen gefefjenen Städte vertreten follte — Nah Datt
geben die Urkunde: Lünig, Reichsarchiv part. spec. cont. I, 9 und Pertz,
Mon. Legg. H, 488. 1.
1312,
Mai 24. Conſtanz. Die Räthe und Bürger von Eonftanz, Zürich, St. Gallen 1312.
und Schaffhaufen verbünden fich nach des römischen Königs Heinrich Heißen und
Gebot big zun 24. Zuni 1316 zur Beſchirmung ihrer Städte unb ihres
Gutes gegen Jedermann, ber mit Gewalt und wider Recht fi Unfug
gegen fie erlaubt. — Kopp, Urk. zur Geſch. ber eigen. Bünde IL, 194. 14.
1327.
Mai 20. Die Städte Worms, Mainz, Speier, Straßburg, Bafel, Freiburg,
Conſtanz, Zürich, Lindau, Weberlingen, Graf Eberhard von Kyburg, Lanb:
graf zu Burgund, die von Bern und bie von St. Gallen verbünden fich
bis zum 23. April 1329, einander getreulich zu vathen und zu belfen
in allen Kriegen, welche fie anfallen würden. Es fiegeln die Städte Eon:
ſtanz, Zürich, Lindau, Ueberlingen und St. Gallen. — Knipſchildt 484. 2.
8*
| "3
327.
116
1327. Zuni 5. Die Landleute von Uri, von Schwyz und von Unterwalden befen-
nen, baß fie durch die Näthe und die Bürger von Zürih und Bern in
bad Bündniß find aufgenommen worden, weldyes biejelben mit den Städten
Mainz, Worms, Speier, Straßburg, Bafel, Freiburg, Conftanz, Lindau,
Veberlingen und bem Grafen Eberhard von Kiburg gefhloffen, das bauern
fol bi8 zum 23. April 1329, und baß fie gefhmworen, den Beftimmungen
beffelben nachzufommen. Es fiegeln die Lanbleute von Uri, von Schwyz
und von Unterwalden. — Tſchudi I, 306, 3.
1329.
1329. Januar 14. Züri. Bifhof Rudolph von Eonftanz, Graf Uri von Mont:
fort, Herr zu Felbfirdh, fein Bruder, Graf Eberhard von Kiburg, Land:
graf zu Burgund, die Stäbte Conftanz, Züri, Bern, Lindau, Ueberlingen,
St. Gallen und Ravensburg, und bie Lanbleute von Uri, Schwyz und
Unterwalden verlängern ihr Bündniß, das bis zum 23, April 1329 dauern
fol, um drei Jahre, und verfprecdhen einander zu belfen nach ben befiegel:
ten Briefen, welche die Städte jüngft von diefer Verlängerung wegen
einanber gegeben. Es fiegeln die fänmtlichen Theilnehmer. — Tſchudi I,
309. 4.
Merz 16. Die Städte Straßburg, Bafel, Freiburg, Conftanz, Züri, Bern,
Lindau, Meberlingen, Ravenzburg und St. allen verbünden fi bis zum
23. April 1331, einander getreulih zu rathen und zu beifen in allen
Kriegen, welche fie anfallen würden. Es fiegeln die fämmtlichen Stäbte.
— Tſchudi I, 310. 5.
1330.
1330. Oct. 4. Augsburg, K. Ludwig errichtet einen Lanbfrieden zwifchen Bifchof Friedrich,
von Augsburg, Graf Ludwig dem alten von Dettingen, Graf Berthold
von Graisbach und von Marftetten, genannt von Neyffen, Graf Lubwig
von Dettingen bem jüngern und Graf Friedrich feinem Bruber, Graf
Heinrih von Werdenberg, Lanbvogt in Oberfhwaben, und Graf Rubolf
feinem Bruder, Peter von Hohenegg, Landvogt zu Augsburg, ben zweien
von Mindelberg, dem alten unb dem jungen, den Fraßen, bem alten
und bem jungen, Berthold dem Truchfeflen von Küllental, Heinrig von
Gumppenberg, feinem Bistum in Oberbaiern, und den Städten Augsbura,
Landöberg, Schongau, Füßen, Kaufbeuern, Memmingen, Biberach, Ulm,
Lauingen, Dillingen, Nördlingen, Werd, und bazu al feinen Dienftleuten
zu Baiern und feinen Städten zu YBaiern, Münden, Ingolftabt und Weil:
beim. Er foll währen biß zum 23. April 1332. — Jahresber. S. 52,
Böhmer Reg. Lud. 1223, 6.
1331.
1331. Juni 29. Die Stäbte Eplingen, Reutlingen, NRotweil, Heilbronn, Hal,
Gmünd, Weil und Weinsberg fchließen mit Gunft, Gebot und Willen K.
Ludwigs einen Landfrieden ab. ES fiegelt die Stadt Weinsberg. —
Datt 30. 7.
Nov. 1. Münden. K. Ludwig ertbeilt dem Grafen Berchtold zu Graisbad,
und zu Marftetten, genannt von Neiffen, feinem lieben Heimlichen und
117
Hauptmann in Oberbaiern, volle Gewalt, zu thädingen mit allen Städten, 1331.
fie fein in ber Pflege bed von Wirtemberg, Graf Rubolfs von Hohen:
berg, Graf Heinrih3 von Werdenberg oder Peterd von Hohened, ihrer
Landvögte, um ein Bündniß mit ihm, feinen Kindern und feinem Lande zu
Baiern. — Jahresber. 55. Böhmer Reg. Lud. 1368. 8.
Rev. 20. Ulm. K. Ludwig errichtet ein Bündniß zwifchen feinen Söhnen Lud⸗
wig, Markgrafen zu Brandenburg, Stephan und Lubwig bem jungen,
Herzogen zu Baiern, dem Lande in Oberbaiern, dem eblen Mann Ber:
tbold, Srafen zu Graiſpach und zu Marftetten, von Neiffen, feinem lieben
Hemliden und Hauptmann zu Baiern, feinem Vitztum Heinrich von
Gumppenberg, oder wer fürbaß Hauptmann oder Vitztum in Oberbaiern
wird und ift, dem Bifchof Ulrih von Augsburg, und den Städten Augs-
burg, Ulm, Biberach, Memmingen, Kempten, Kaufbeuren, Ravensburg,
Pfullendorf, Überlingen, Lindau, Conftanz, St. Gallen, Zürich, Reutlingen,
Rotweil, Weil, Heilbronn, Wimpfen, Weinsberg, Hal, Eßlingen und
Gmünd, das mähren foll biß zwei Jahre nach feinem Tode. Die Urkunde
iR im Namen des Königs ausgeſtellt und befiegelt durch ben hiezu bevoll:
mächtigten Berthold, Grafen zu Graisbah und Marftetten, von Neiffen,
Hauptmann in Oberbaiern. — Augsburger Ardiv. 9.
Rev. 20. Ulm. Markgraf Ludwig von Brandenburg und feine Brüder
Stephan und Ludwig, alle Pfalzgrafen bei Rhein und Herzoge in Baiern,
ſchwören, das Bündniß, durch welches fie ſich jeßt au Ulm mit Herren
und Städten verbündet haben, zu halten nad Laut der Briefe, weldhe ihr
Bater, K. Ludwig, darüber gegeben hat. — Augsb. Ardiv. Datt 31. 10.
Dec. 5. ohne Ort. K. Ludwig ſtellt einen mit feinem kaiſerlichen Inſiegel verfie:
gelten Brief aus, gleichlautend wie die Urk. Nr. 9, mit alleiniger Abänderung
des Schluffages, — Jahresber. 56. Böhmer Reg. Lud. 1388. 11.
1333.
Juni 10. ohne Ort. K. Ludwig errichtet einen Landfrieden zwiſchen Biſchof 1333.
Ulrich von Augsburg, Graf Ludwig dem alten von Dettingen, Graf Berch⸗
told von Graisbach und von Marftetten, genannt von Neiffen, Graf Zub:
wig von Dettingen, dem jungen, und Graf Friedrich feinem Bruder,
dem Truchfeflen Zobhann von Waldburg, Landvogt in Oberfchwaben, Peter
von Hohened, Kandvogt zu Augsburg, dem zweien von Mindelberg, dem .
alten und dem jungen, Burkhart dem alten von Ellerbah und Burf:
bart feinem Sohn, den Fraßen, dem alten unb dem jungen, Berchtold
dem Truchſeſſen von Küflental, Heinrih von Gumppenberg, feinem Vitz⸗
tum in Oberbaiern, und den Städten Augsburg, Landöberg, Schongau,
Füßen, Kempten, Kaufbeuren, Memmingen, Biberach, Ulm, Lauingen,
Gundelfingen, Giengen, Dillingen, Werd, Nördlingen, Bopfingen, Dinkels⸗
bühl und dazu feinen Dienftlenten zu Baiern und feinen Städten Müns
hen, Ingolftadt und Weilheim, bis zum 11.Nov. 1335 (Erneuerung ded
Lanbfriedend vom 4. Oct. 1330). — Jahresber. 61. Böhmer Reg. Lud,
1551. 12.
118
3. Juli 20. Baden. Johann Truchfeß von Dießenhofen, Johann von Hallwyl,
Hermann von Landenberg, Johann von Aarwangen, Witter, Landvögte,
Pfleger und Amtleute ber Herzoge von Defterreih in beren Ländern und
Gebieten zu Aargau, Thurgau, Suntgau, Elfaß und Breißgau, und bie
Räthe und Bürger ber berzoglichen Städte in den genannten Ländern, das
it Freiburg im Nechtland, Breifah, Neuenburg, Enſisheim, Rheinfelden,
Sedingen, Waldehut, Schaffhaufen, Frauenfeld, Winterthur, Dießenbofen,
Ace, Villingen, Zug, Bremgarten, Surfee, Sempach, Baden, Brugg, Mel-
lingen, Lenzburg, Aarau, Zofingen, das niedere Amt zu Glarus und
Sundgau, dad Land und auch andere Leute, die in ben @ebieten ber Her:
zoge unter ben vorgenannten Vögten ftehen, ferner bie Räthe und Bürger
der Städte Bafel, Zürih, Conftanz, St. Gallen, Bern, Solothurn, ſodann
Graf Rudolf von Nibau, Graf Heinrih von Yürftenberg und Graf Eder:
hard von Kyburg verbünben fi bis zum 11. Nov. 1338 zu gegenfeitiger
Hilfsleiftung in allen Kriegen, die fie wider Recht anfallen, innerhalb
genannter Kreife und Ziele. (Die von Bafel behalten fi vor, am 11.
Nov. 1334 wieder auß dem Bünbdniffe auszutreten). — Tſchudi I, 328,
Schreiber, Urkundenbuch ber Stabt Freiburg I, 1, 287,
Die Herzoge Albrecht und Otto, Gebrüder, beftätigen in einem beſon⸗
dern, wie es fcheint, an demſelben Drt und bemfelben Tage ausgeftellten,
Briefe den auf ihr Gebot bin durch ihre Landvögte abgefchloffenen Bund.
— Tſchudi 1, 332, 13.
1338.
3. Nov. 16. ‘Ze Ulme do die stet bi ain ander waren’. Eberhard von Königs⸗
et von Fronhoven tritt in ‘die puntnüsse der herren und stet, die zwi-
schun hie ennunt Sewes und disehalb Sewes und ennunt Albe aitgenosse
sint, als an dem puntbriefe stat, den der keyser herren uud steten hat
gegeben’. — St. A. 14.
Dec. 18. Friedrich von Freiberg, Landvogt zu Augsburg, feine Brüder Ulrich
und Heinrich und fein Sohn Friedrih treten in den Bund und Frieden,
welchen 8. Ludwig und andere Herren und Städte im Jahre 1331 ge:
madt. — Schmid, aus dem Augsb. Archiv. 15.
1339,
9. Jan. 15. Nürnberg. K. Ludwig meldet den Städten Rotweil, Eflingen,
Reutlingen und andern ihren Eibgenoffen und Gefellfchaften, daß er Abt
und Convent zu (Herren:) Alb in feinen und bed Neiches Schirm genom:
men und ihnen Graf Ulrich von Wirtemberg, feinen Landvogt, zum Schirmer
gegeben; diefem und dem Clofter follten die Städte, fo oft fie gemahnt
würben, in allen Dingen nah Kräften behilflich fein. — Sattler 87.
Böhmer Reg. Lud. 1958. 16.
Merz 11. Frankfurt. K. Ludwig gebietet ber Stabt Schwäbiſch Hall, es nicht
zu geftatten, daß Jemand Veſten in ihrem Gebiet oder ‘gewaltsam’ baue
ober wieder mache, die von Unthat oder von Raub wegen zerbroden
worden; bebürfenden Falles folle bie Stadt zu dieſem Zwecke die andern
119
Städte, welche in der Geſellſchaft zu Schwaben find, von bes Kaifers 1339,
wegen um Hilfe mahnen. — Böhmer Reg. Lud. 1968. 17.
1340.
Sr 11. Münden. K. Ludwig giest der Stadt Augsburg und allen andern 1340.
Herren und Städten, welde mit ihnen im Bündniß find, den Auftrag,
wegen bed Raubed, der auf der Alb und zwifhen Augsburg und der Alb
bisher gefcheben ift, vor bie Burgen Brenz und Stoßingen zu ziehen und
fie zu zerftören, verbietet auch allen Herren, Grafen, freien, Rittern,
Suchten u. |. w., fie irgendwie hieran zu bindern oder zu befchweren. —
Zahrezber. 66. Böôhmer Reg. Lud. 2057. 18.
Juni 1. Graf Ulrich von Helfenftein, Graf Johanns fel. Sohn, und Graf
Alrich von Helfenflein, Graf Ulrichs fel. Sohn, verfihern den Städten
Augsburg, Ulm, Eplingen, Reutlingen und allen ihren Eibgenoffen, Hel:
fern und Dienern, Herren und armen Leuten, feinen Haß und Feine Feind:
fait zu tragen wegen der That, die jetzo vor Brenz beſchehen, und nicht
zu geflatten, daß es einer der Ihren thue. S.Stälin HI, 214 Anm.3. 19.
mi 17. Nördlingen. K. Ludwig errichtet zwifchen feinen Söhnen, Mark:
graf Ludwig zu Brandenburg, Stephan, Ludwig und ihren andern Brü-
bern, Pfalzgrafen bei Rhein und Herzogen in Baiern, ihrem Lande Ober:
baiern und dem Bißtum daſelbſt, dem Bifchof Heinrih von Augsburg,
ben Grafen Ludwig zu Dettingen dem alten, Ulrich zu Wirtemberg, Ber:
told von Neifien, Ludwig und Friedrich Gebrüdern zu Dettingen, Eber:
bard und feinen Brüdern zu Werbenberg, Albrecht, Hug und Heinrich zu
Hohenberg, Cunrad und Nubolf Gebrüdern den Scherern genannt von
Herrenberg, Götz und Wilhelm von Tübingen, und den Städten Augsburg,
Um, Biberah, Memmingen, Kempten, Kaufbeuren, Ravensburg, Pfullen⸗
dorf, Weberlingen, Lindau, Conftanz, St. Gallen, Züri, Notweil, Weil,
Heilbronn, Neutlingen, Wimpfen, Weinsberg, Hal, Eßlingen und Gmünd
ein Bündniß, welches zwei Sabre über feinen Tod hinaus währen und ge:
meinfamed Auftreten der Bunbdesgenoffen bei eier neuen Königswahl fo:
wie gegenfeitigen Schuß in ihren Kriegen und Stößen zum Zwede bat.
Als gemeine Leute, bie um Raub, Brand, Nahme, unrechtes Entfagen und
alle Unthat zu ſprechen haben, bat der Kaifer nach Rath und Bitte ber
Bunbeögenofien vier genannte Männer ald Vertreter der Herren, vier als
Vertreter der Städte, und als Uebermann von feinet und des Reiches wegen
den Grafen Eberhard von Nellenburg gegeben. Zum Hauptmann bed
Bündniſſes wird Herzog Stephan beſtimmt. — Urkunden I. 20.
Juni 18. Nördlingen. K. Ludwig weift ben Bürgern von Augsburg zum
Erſatz des Schadens, den fie vor Brenz und Stoßingen genommen, 1000
Mark Silber an, welche fie durch Nußnießung aller zu den vorgenannten
zwei Beften gehöriger Güter fich verfchaffen follen, und giebt ihnen, damit
Niemand fie hieran bindere, ald Schirmer alle Herren unb Stäbte, bie
zu dem Lanbfrieden und Bünbniffe gehören. — Jahresber. 67. 208.
Juli 28. Ulm. 8. Ludwig erlaubt den Bürgern von Augsburg, um Schul:
ben durch ihren Vogt aud in feiner Kinder Land zu Baiern unb in
340.
120
Schwaben pfänden zu Tafien. Wenn fie in bes Reiches Dienft von be3
Bündniſſes wegen, das er jetzo gemacht, auf das Feld Fommen, und man
da Geldes ſchuldig wird, fo fol man ihnen das aulegen nad ihrer ge-
mwöhnlichen Steuer, wie ed vormals angelegt worden. Wenn fie um Hilfe
gemaknt werben von feinen Söhnen Markgraf Ludwig und Herzog Stephan
oder von Bifhof Heinrich von Augsburg, fo follen fie zu Hilfe ziehen nad
Rath der neune und andere Herren und Städte zu fi mahnen, fo viel
ihnen nöthig fcheint. — Sahresber. 67. Böhmer Reg. Lad. 2090. 21.
Suli 29. Ulm. 8. Lubwig verfügt, daß ber Lanbfrieben unb bie Bünbniß,
bie er jeßt unter Herren und Städten in Schwaben gemadit bat, dem von
Wirtemberg und ben Bürgern von Eßlingen, nody ihren Briefen und Thei:
dungen, bie fie vormals unter einander gemacht haben, keinen Schaden
bringen follen. — Tatt 31. Sattler 97. Böhmer Reg. Lud. 2091. 22.
De. 3. Münden K. Ludwig gebietet ben Neichäftäbten, welche nach feinem
Gebote die alten Bündniffe zufammen geſchworen hatten und auch in ben
neuen Bündniffen zu fein geſchworen haben, daß fie den Augsburgern das
Geld, das diefe auf der Fahrt gen Brenz und gen Stogingen bargeliehen,
erſetzen jollen, mie fie e8 zuvor den von Gonftanz und den obern Städten
gethban. — Jahresber. 68. Böhmer Reg. Lud. 2125. 23.
1342,
342. Oct. 7. Münden. K. Ludwig befichlt dem Friedrich von Freiberg, Gerwig
dem Güffen von Güffenberg und Dtto dem Groffen, feinem Lanbvogt, fo:
wie ben Städten Augsburg und Memmingen, der Adelheit der Schrierini,
Bürgerin zu Augsburg, behilflich zu fein, von ber Stabt Ulm die 80 Pf.
Pfennige zu erhalten nach der Briefe Laut, welche die neun über ben
Landfrieden darum gefandt haben. — Jahresber. 71. Böhmer Reg. Lud.
2274. 24.
(1345.)
345. Mai 1. Münden. K. Ludwig fchreibt der Stadt Ravensburg, daß fein Sohn,
Herzog Stephan, ihm Hinterbradht, die neune Über ben Lanbdfrieben geſetzt
hätten jo eben auf einem Stäbtetag zu Ulm erkannt, daß man ben Stäbdten,
die der von Haböburg beraubt, zu frifcher That beholfen fein ſolle. Da
nun bie neune ſchon vorher gefprochen, daß man bem Saifer von des
Reich? wegen gegen bie Grafen von Feldkirch nach Kurwalchen mit dem
Landfrieden zu Hilfe fommen folle, und die Städte auf einer Zufammen-
kunft in München ihre Hilfe zugefagt, fo bittet er die Stadt, auf Mittwoch
vor Pfingften (11. Mai) zwei oder drei Bevollmächtigte aus ihrem Rathe
nad Ulm zu Herzog Stephan zu fhiden, um fi mit ihm zu beratben,
damit man gemeinfchaftlich zuerft gegen den von Habsburg, dann nad
Kurwalchen zieben könne. — Kopp, Geſchichtsblätter aus b. Schweiz, 58. 25.
1346.
46. Mai 11. Augsburg. K. Ludwig thut dem Grafen Eberhard von Nellenburg
und den achten über den Landfrieden zu Schwaben fund, daß er den im
Bündniß zu Schwaben befindlichen Städten die befondere Faiferlihe Gnade
getban, daß fie nur um Nahm, Brand, Raub und unrecht Wiberfagen
121
ver ben Landfrichen geladen werden könnten, um all andere Sachen da: 1346.
gegen in ihren Städten ſelbſt richten dürften und follten. — St. A. Kopp
a. a. D. 248. Böhmer Reg. Ind. 2494, 26.
1347.
Od. 2. Ulm. Die Städte Augsburg, Ulm, Memmingen, Kaufbeuren, Leut: 1347.
fr, Wangen, Biberach, Ravendburg, Lindau, Buchhorn, Weberlingen,
Bfullendorf, Eßlingen, Reutlingen, Rotweil, Nördlingen, Gmünd, Hall,
Heldrom, Weil, Wimpfen und Weinsberg fchliegen nad dem Tode R.
Subwigd ein Bündniß ab zu gegenfeitigem Schuß und zu gemeinfamen
Handeln in Betreff der Anerfennung eines neuen Könige. Wenn fi bie
Städte über bie Anerfennung eines ſolchen geeinigt haben, foll fih das
Bündniß auflöfen, ed wäre denn, daß fie vom König bie Erlaubniß erbiel-
ten, e8 weiter fortzuführen. — Jahresber. 72. Böhmer Reg. Lud. Land⸗
frieden und Stäbtebündnifle 127. 27.
Ort 27. Conſtanz. Die Städte Conftanz, Zürih und St. Gallen, ferner
Schaffhauſen verbünden fi auf brei Jahre, einander zu helfen und zu
ratben wider Jedermann. — ©. Tichudi I, 376. 28.
Tee. 14. Augsburg. Die Städte Augsburg, Um, Nörblingen, EBlingen,
Reutlingen, Rotweil, Heilbronn, Gmünd, Hall, Weil, Wimpfen, Weind-
kerg, Memmingen, Ravensburg, Ueberlingen, Lindau, Pfullendorf, Biberad),
Kempten, Kaufbeuren, Buchhorn, Leutfirh, Wangen und Buchau machen
mit Markgraf Ludwig zu Brandenburg und Herzog Stephan zu Baiern
einen freundlichen, getreuen und ftäten Sat und Frieden, von binnen bis
zum 16. Oct. 1349. — Auszug in den Abhandlungen ber hiftor. Claſſe
der königl. bayer. Akademie der Wiffenfchaften Ila. (1837), 220. Ungenau
in ben Reg. Boic. VIII, 119. 29,
1348,
Yan. 9. ohne Ort. 8. Karl beftätigt ben Stäbten Augsburg, Ulm, DMem: 1348,
mingen, Kempten, Kaufbeuren, Leutfirh, Wangen, Biberach, Ravensburg,
Lindau, Buchhorn, Neberlingen, Pfullendorf, ERlingen, Reutlingen, Rot:
weil, Weil, Nördlingen, Gmünd, Hal, Heilbronn, Wimpfen und Weind:
berg, welche er fo geneigt, jo untertbänig und fo geftändig an ibm unb
an dem h. R. Reiche gefunden, ihre Freiheiten, und verfpricht, fie in Feiner
Noth des Reiches zu verfegen, indem er binzufügt, daß, wenn Jemand
einen biefer Artifel überfahren und fie von ihren Freiheiten drängen wollte,
fie einander bebolfen fein und fich deß wehren dürfen, ohne damit wider
ibn ober wiber ba3 Neich etwas zu verfhulden. — St. N. 30.
Jan. 27. Ulm. Wiederholung dieſes Privilegs. — Lünig, Reichsarchiv part.
spec. cont. IV, 16. — Wegelin MI, 38 Nr. 37. — In dieſen Abdrücken
feoft durd ein Verfehen bes erften Heraußgeberö in der Reihe ber Städte
Kempten. — Die Wiederholung bed Briefe von 9. Ian. haben wir und
wahrfcheinlich fo zu erffären, daB von bem legtern nur ein Eremplar an bie
Stadt Ulm zu Handen ber verbündeten Städte war abgegeben worben,
jetzt am 27. Zan. die einzelnen Stäbte von ber föniglichen Kanzlei Copien
befielben erhielten. Vgl. Reg. Boica VIII, 124. 123. Hugo, Mebdiatifi-
122
1348. rung der Reichsſtädte 39. — Wenn bei Errichtung eined Bünbniffes die
Städte fi auf das Privileg berufen, wirb immer der Brief vom 9. Zan.
citirt. ©. Nr, 381. 387. 31.
Jan. 27. o. O. K. Karl erlaubt den Städten Augsburg, Ulm, Memmingen,
Kempten, Kaufbeuren, Leutfirh, Rotweil, Weil, Gmünd, Wangen, Biberach,
Navendburg, Lindau, Buchborn, Ueberlingen, Pfullendorf, Eßlingen, Reut:
fingen, Nördlingen, Hal, Heilbronn, Wimpfen und Weinzberg, in Sab
und Stallung zu fein mit ber Herrfhaft und dem Lande zu Baiern von
bein nädjften St. Gallentag (16. Oct. 1348) und bannen über ein Jahr.
— Schmid, au der Herwart. Samml. Augsb. Urfunden. Beg. Boica VIll,
124, 32.
Suni 29. Die Stäbte Augsburg, Ulm und Nördlingen fchließen ein Bünb:
niß, das bis zum 16. October 1349 dauern fol und gemeinfchaftliche
Mafregeln gegen wiberredytliche Angriffe und gegen Verpfänduͤngsverſuche
fowie Ausgleichung der zwifchen ben brei Städten ober zwiſchen feindlichen
Parteien innerhalb der einzelnen Stäbte fich erhebenden Streitigkeiten zum
Zwede bat. — St. A. 33.
1349.
1349. Aug. 10. Die Reichsſtädte Augsburg, Ulm, Nördlingen, Werd, Conftanz, St.
Gallen, Ueberlingen, Lindau, Ravensburg, Biberad, Memmingen, Kempten,
Kaufbeuren, Leutfich, Wangen, Buchhorn, Pfullendorf, Buchau, Reutlin:
gen, Heilbronn, Hal, Gmünd, Weil, Wimpfen und Weinsberg verbünben
fi ihrem gnädigen Herrn, 8. Karl, und dem Reihe zu Lob und zu
Ehren big zum 23. April 1353, um ihre Freiheiten zu behaupten, mit der
Beicheibenheit, daß, wenn ber König dagegen fei, fie es wieder auflöfen
würden. — Schmid, nach der Herwart. Samml. Augsb. Urkunden. 34.
1352.
1352. Dee. 13. Graf Albrecht von Dettingen verbindet fi) zu bed Reiches Stäbten
gemeinlich, bie ben Landfrieden in Schwaben Balten, mit allen Bünden
und Rechten, ala 8. Karl von Rom benfelben jüngft zu Nürnberg ge:
bot und feßte, wo er, Graf Albrecht, ihm auch geſchworen, und als fie ben
felben erfiredt haben von nächſt St. Martini über ein Zahr big auf Karla
Widerruf. — St. U. 35.
1353.
1353. Mai 1. Schultheiß, Rath und Bürger ber Reichsftadt Schaffhaufen befennen,
daß fie von ben Reichsſtädten, welche den Landfrieden in Schwaben halten,
am beutigen Tage in Ulm zu Eidgenoffen aufgenommen worden find und
den Landfrieden vor den Boten der Städte Rotweil, St.Gallen und Weber:
lingen beſchworen haben, wobei die Reichsſtädte den Vorbehalt gemacht,
daß fie ben Schaffhaufern wegen Feines alten Kriege, es fei von ber Herr:
haft von Defterreih, von Graf Albrechts von Werdenberg oder von der
Züricher wegen, Beiftand zu Teiften verpflichtet find, wenn fie ed nicht aus
freiem Willen thun. — Es fiegeln die vier genannten Stäbte. — St. A. 36.
Sept. 17. Wien. Herzog Albredyt von Oeſterreich verfpricht iu Rüdfiht auf
die befondere Gunft und Freundfchaft, welche die Reichsſtädte in Schwaben
123
und ihre Eidgenoſſen ihm erzeigt haben in bem Landfrieben, den 8. 1353.
Earl gemacht, daß diefelben in allen feinen Veften, Landen und Herrichaf:
ten fiher wandern und fahren follen, und wenn einer ſich vergehe, biefer
nad Gewohnheit ber herzoglichen Herrichaften und Lande das Recht zu
leiden babe, ohne daß die Andern darüber befchädigt würden. — Schmid,
aus ber Herwart. Samml. Augsb. Urt. — Reg. Boica VIIl, 277. 37.
De. 2. Conſtanz. R. Karl verordnet, daß, wenn zwiſchen Stäbten, bie in
dem Lanbfrieben zu Schwaben find, oder Bürgern einer einzelnen Stabt
Auflauf und Krieg entftehe, die drei nächſten Städte Botfchaft hinſenden
und die Sache ſchlichten, wofern ihnen dies aber nicht gelingt, fie an alle
die andern Städte hin gen Ulm auf einen benannten Tag bringen follen,
we fie nach Vorladung der beiden Theile endgültig entfchieden wird. —
6. A. 38.
| 1355.
25. Regensburg. K. Karl befichlt ben Städten bes Landfriedens zu
: Gämwahen, befonderd den Städten Augsburg, Ulm, Ehlingen, Heilbronn
und Nördlingen, bad Klofter Kaisheim zu fchirmen und zu beſchützen. —
Reg. Boica. VIII, 325. 39,
1356.
Yan. 10. Nürnberg. Die goldene Bulle K. Karla verbietet im Artifel de
eoaspiratorihus alle Einungen und Verbindungen innerhalb und außerhalb
ber Stäbte, zwiſchen Stadt und Stadt, zwilchen Perfon und Perſon oder
zwiſchen Perſon und Stadt, mit Ausnahme ber Landfriedensbünbniffe. —
Sünig, Reihsardiv I, ©. 11. 40.
Rem. 7. Die Reihöftädte Augsburg, Ulm, Memmingen, Kempten, Kaufbeu:
teu, Werd, Nördlingen, Dinfelabühl, Bopfingen, Biberach, Ravensburg,
Lindau, Buchhorn, Weberlingen, Pfullendorf, Conſtanz, St. Gallen, Schaff:
baufen, Leutfirh, Wangen, Eßlingen, Reutlingen, Gmünd, Hall, Heilbronn,
Rotweil, Weil, MWimpfen und Weinsberg treten, da ber Landfriede, ben
8. Karl ‘nun nechst zu Ulme gebot und sazt, nun uf den negsten Sant
Martins tag uzgat’, und ber Raifer ihnen erlaubt bat, ſich aufs neue
zu verbünden, zufammen, ben Frieden, den ber Kaifer nun jüngft gemacht
- bat, fernerhin fo, wie derfelbe früher gemacht worden, bis zum 23. Aprif
1358 zu halten (wenn der Kaifer nicht wiberruft) und allem widerrecht:
lichen Rauben, Zangen, Morben, Berbrennen, Schädigen und allem wiber:
rechtlichen Widerfagen zu fteuern, zu welchem Behufe fie fich in drei Ge:
ſellſchaften theilen. — Es fiegeln die Stäbte Eßlingen, Reutlingen, Gmünd,
Hall, Heilbronn, Rotweil, Weil, Wimpfen und Weinsberg. — Datt31. 41.
1358.
Ins. 9. Conſtanz. Die Städte Conftanz, St. Gallen, Lindau und Schaff:
haufen verbünben fih bi zum 6. Sanuar 1361, einander getreulich zu
ratben und zu helfen gegen Alle, die fie mit Gewalt und ohne Recht an:
greifen. Es fiegeln die vier Städte — Knipfchildt 486. Lünig, Reiche-
archiv part. spec. contin. IV, Thl. I, ©. 21. 42.
1355.
1356.
1358.
124
1359.
1359. San. 2. Breslau. K. Karl verfpricht den Städten in Schwaben, feinen und -
des Neiches Getreuen, daß fie um ſolche Geſchicht, Schaden oder That, -
bie fie von feiner und de Reiches oder von bed Lanbfriebend wegen, ben
fie von feiner und des Reichs wegen in Schwaben aufgerichtet, unter bem
faiferlihen und bes Reiches Fahnen und Bannier zu Felde oder fonft ge:
than baben oder thun werden, nirgends zur Verantwortung flehen bürfen, -
als vor ibm und dem Reihe und dem faiferlihen Hofe — St. A. 43.
Jan. 2. Breslau. K. Karl verſpricht den Städten in Schwaben, welde bie -
Landvogtei in Schwaben um ihr Geld and Reich gelöft haben, diefelbe
fürbaß allen Landvögten ſchlechtiglich zu empfehlen und fie ſammt ihren
Zugehörungen und den gewöhnlichen Reichäfteuern nie mehr zu verfeßen. —
St. A. Wegelin OD, 39 Nr. 38. 44.
San. 5. Bredlau. K. Karl befichlt allen geiftlihen und weltlichen Fürften,
Grafen, Herren, Freien, Städten und bed Reichs Unterthanen, den Land:
frieden zu balten, den die ſchwäbiſchen Städte zum allgemeinen Bejten mit
des Kaiſers Bewilligung gemadt. Wenn die Städte von Reichs und Land:
friedend wegen, Unrecht und Unthat zu ftrafen, mit be Reichs Sahne und
Panier ausziehen, fol man fie nicht hindern, fondern fördern. Die Da:
wiberhandelnden werde er mit Rath ber Kurfürften firafen. — Schmid. 45.
San. 6. Breslau 8. Karl gebietet allen Grafen, Freiherrn, Dienftmannen,
Rittern und Knechten in Schwaben, daß fie zur Aufrechterhaltung bes
Landfriedens, den er nach Rath der Städte in Schwaben gemacht und be
feftigt, daS Ihrige beitragen und fi) ber ſchädlichen Leute in Feiner Weife
annehmen follten. — St. A. 46. .
Febr. 20. Bregenz. Burkart von Elrbach von Pfaffenhofen und Markward
von Schellenberg fühnen fih mit Lindau aus wegen Burg und Belte
Wafferburg, welche Lindau und die Reichsſtädte gebrodhen. — Schmib,
nady (Heider) Gründl. Ausführung der Neichsftabt Lindau S. 669. 47.
Zuni 7. K. Karl errichtet einen Landfrieber in Schwaben, der bis zum 11.
Nov. 1361 währen fol, zwifchen Bifhof Markwart zu Augsburg, Ludwig
dem ältern und Ludwig dem jüngern, feinem Better, Grafen von Dettin:
gen, den beiden Grafen Ulrich von Helfenftein, und ben Städten Augsburg,
Um, Memmingen, Kempten, Kaufbeuren, Werb, Nördlingen, Dinkelsbühl,
Bopfingen, Eplingen, Reutlingen, Rotweil, Gmünd, Hall, Heilbronn,
Wimpfen, Weil, Weinzberg, Gonftanz, St. Gallen, Lindau, Weberlingen,
Ravensburg, Biberach, Buchau, Pfullendorf, Buchhorn, Leutlich und
Wangen. Diefer Landfriede, der allein um Raub, um Mord, um Brand
und um unrecht Widerjagen gemacht ift, erhält 11 Vorſteher, von denen
die Fürften 5 und bie Städte 5 geben, ben elften ber Kaifer ftelt. —
Schmid, Auszug auß einer Urf. ber Herwart. Samml., mit dem Datum
Freitag vor Pfingfttag (7. Juni); bie Artikel bes Landfriedens bei Glafey
466 mit bem Datum: Sunabend vor Pfingften. 48.
136).
1360. Juli 22. Nürnberg. K. Karl, welcher bed Dienſtes ber Städte in Ober:
125
und Nieberfchwaben bebarf zu der Heerfahrt gegen bie von Wirtemberg, 1360.
bie ſich freventlich gegen ihn und das heilige Neid, geſetzt haben, beftinmt,
wenn Jemand von den genannten Städten oder auch Herren, bie ſich in
fünftigen Zeiten zu ihnen verbünden, die von Wirtemberg und ihre Diener
und Helfer, ober wenn fpäter die Stäbte ober ihre Eidgenoffen, indem fie
auf faiferlicheß Gebot in andere Heerfahrt ziehen, oder um eines gemeinen
Sandfriedens willen, ben fie auf Faiferliche® Gebot machen würden, bie
Uebertreter dieſes Landfriedend fchädigen, fo follen bie Stäbte in Schwaben,
jenfeit und biesfeit des Sees, alle ihre Eidgenofien und Nachkommen vor
keinem Richter dafür können belangt werden, fie follen Macht haben, die
Burgen ihrer Gegner zu brechen und über bie Gefangenen mit dem
Schwerte zu richten; wer fie in der Ausübung biefer ihrer Rechte nicht
beſchirmt, wird ala Friedensbrecher behandelt. — St. A. — Glafey 285.
Regelin I, 42 Nr. 43. Sattler 115. 49,
ins. 31. zu Felde vor Schornborff. K. Karl nimmt die Grafen Eberhard
and Ulrich von Wirtemberg, welche ihr Bündniß mit Herzog Rudolf von
Defterrrich aufgegeben und Gehorfam gelobt haben, in feine Gnade auf,
ebenjo ihre Helfer mit Ausnahme de vorgenannten Herzogd. Ihre ver:
Iorenen Güter erhalten fie zurüd mit Ausnahme des ihnen früher verpfän-
beten Aalen, über welches eine befondere Verfügung getroffen wird. Sie
unb bie ſchwäbiſchen Städte follen einander gegenjeitig des Rechten gehor-
fam fein. — Sattler 116. Glafey 322. 50.
ept. 16. Reutlingen. 8. Karl bringt eine Ausſöhnung zu Stande zwifchen
ben Grafen Eberhard und Ulrich von Wirtemberg und ben Reichsſtädten
vor der Alten in Schwaben. — Sattler 117. Glafey 366. 51.
ept. 17. Reutlingen. 8. Karl erlaubt den Grafen Eberhard und Ulrich,
die im Kriege zerftörten Veſten, Höfe und Geſeſſe wieder zu bauen. —
Sattler 118. Glafey 337. 52,
sv. 4. Nürnberg. K. Karl verjpricht den Reichsſtädten in Schwaben, welche
ibm und bem Reiche die Landvogtei, die jährliche Steuer, die Schultheißen:
ämter, bie Uingelder und alle andern Rechte des Meiches in den Stäbten
und auch die Klöfter in Schwaben und alle die Sachen, melde in bie
Land vogtei diesſeit und jenfeit der Alb irgendwie gehören, um feiner Bitte
und bed Reiches Nothdurft willen mit ihrem eigenen Gelde gelöft haben,
diefelben nie wieder dem Reiche zu entfreniden ober zu verjeßen. — St. A.
— Glafey 427. Wegelin II, 40 Nr. 39. Sattler 119, 53.
1361.
Ing. 20. Prag. 8. Karl fchlichtet die Streitigkeiten zwifchen den Grafen
Eberhard und Ulrih von Wirtemberg und der Stadt Eflingen. — Satt:
fer 121. 54.
Yet. 5. Nürnberg. K. Karl ſpricht die Neihäftädte in Schwaben von dem
Landgericht im Stadelhof zu Ulm frei, welche Begünftigung außerdem nur
Land und Leuten des Herzogs von Defterreih in Schwaben zu Theil wird.
— Schmid. 55.
1361.
126
1361. Oct. 6. Nürnberg. K. Karl wiberruft alle Privilegien, welche Befreiung von
dem Landgericht zu Rotweil enthalten, nimmt aber bavon die der Öfters
reichiſchen Herzoge tiber ihre Leute und Lande in Schwaben und jene ber
dortigen Reichsſtädte aus. — Lichnowsky IV, Reg. 303. 56.
1362.
1362. Febr. 23. Conſtanz. Die Reichsſtädte Conftanz, Züri, St.Gallen, Lindau,
Ravensburg, Weberlingen, Wangen und Buchhorn fliegen, einander mit
Leib und Gut zu belfen und zu ratben, ein Bündniß, das zwei Sabre
über den Tod K. Karla hinaus dauern fol. — S. Tſchudi I, 455. 57.
Merz 31. Laufen. K. Karl entjcheidet die Streitigkeiten zwiſchen Eberhard,
Wrih und Ulrich, Eberhard Sohn, Grafen von Wirtemberg und der
Stabt Eplingen, bauptfählih Aufnahme von Pfalbürgern betreffend. —
Sattler 130. 58.
Mai 5. Die Stadt Pfullendorf tritt in das Bündniß ber Städte Conſtanz,
Züri, St. Gallen, Lindau, Ravensburg, Ueberlingen, Wangen unb Buch-
born. — S. Tſchudi I, 455. 59.
1364.
1364. Juli 23. Conftanz. Abt Heinrih von Kempten bekennt, daß er wegen der
zwifchen ihm und ben Bürgern zu Kempten flattgefundenen Stöße, nad)
feiner unb des Gotteshaufes Dienftleute und anderer ehrbarer Leute Rath,
namentli nach Rath und Unterweifung ber Stäbte, bie auf diefem heu—
tigen Tag zu Conftanz bei einander gewejen, auf den Grafen Uri von
Helfenftein, Landvogt in Oberfhwaben, und Bruder Rudolf von Homburg,
Landcommentur des deutfchen Ordens zu Böhmen und zu Mähren, Lands
vogt in Unterfchwaben, gegangen und durch fie gütlich verrichtet werben
fei. — Gegenverfchreibung der Stadt. Sie fpricht von Rath und Unter:
weifung der Bitte ihrer Eidgenoffen, die auf diefen heutigen Tag zu Con:
ftanz bei einander gewejen find. — Wegelin II, 36 und 37. Bei ber erften
Urkunde giebt er blos das Jahr 1364 an. Bol. Haggenmüller, Geld.
v. Kempten I, 151. 60.
1367.
1367. Mai 26. Ulm Burggraf Friebrid von Nürnberg, von K. Karl mit der
Zandvogtei Oberfhwaben betraut, fagt den Städten Ulm, Memmingen,
Kempten, Kaufbeuren, Leutfich, Wangen, Isny, Biberad, Buchau, Na:
vendburg, Lindau, Buchhorn, Konftanz, Weberlingen und Pfullendorf, die
ihm gehuldet und ihn als Landvogt empfangen, zu, fie bei ihren Rechten
u. f. w. zu laffen. — St. A. unter „Ulm“. 61.
1370,
1370. Sept. 16. Märk von Hattenberg, Heinrich von Hattenberg, fein Vetter, Frik
von Rotenftain, genannt Zaphe, Brun von Utenried, Ritter, und Heinrid)
Rauper, fein Schwager, bezeugen, daß fie mit den Städten Ulm, Mem:
mingen, Kempten, Isny und Leutkirch und allen andern Reichsftädten, bie
mit ihnen den Landfrieden in Schwaben halten, verrichtet find um des er-
littenen Schadens willen und der Gefangennahme ber brei erfigenannten
und der Entleibung dreier Mannen vor der Vefte Kallendin, fie verfprechen,
127
daß bie Städte ihret und ber Freunde der Entleibten wegen nicht befchä: 1370.
digt werben follen, worüber 20 genannte Männer aus bem Nitteritande
ein Gelũbde geftellt haben, indem fie ſich verpflichtet, über ben, ber fein
Berſprechen übertreten wird, berzufallen. — St. A. Ebendort befinden
fi$ noch zwei weitere Urfunden diefelbe Angelegenheit betreffend, vom 16.
und vom 18. Sept. Aus der erftern geht hervor, daß bie Gefangennahme
der brei betreffenden durch die Ulmer gefchah wegen ber Hilfe, welche jene
dem Eberhard von Afpermunt geleiftet. 62.
Dt. 29. Kariftein. 8. Karl beauftragt Borefh von Nyfenburg, mit ben
Städten Augsburg, Ulm und aU ihren Eidgenoffien um alle Gebrechen
nady bes Landes Nothdurft nnd alle andern das Neich betreffenden Sachen
zu reden, zu thäbingen und auszutragen. — Schmib. 63.
Der. 6. Boreſch von Rijenburg, des Kaiſers Hauptmann in Baiern, errichtet
auf Taiferlichen Befehl einen Landfrieden in Ober: und Niederfchiwaben,
der bis zum 23. April 1375 dauern und Schuß gegen Raub, Brand,
Mord, unrecht Widerfagen und fonflige widerrechtlihe Handlungen gewäh—
ren fol. Die Theilnehmer find Graf Ulrid von Helfenftein der ältere
al3 Hauptmann und bie Städte Augsburg, Ulm, Wörd, Nördlingen, Din:
kelsbũhl, Bopfingen, Nalen, Eplingen, Gmünd, Reutlingen, Hall, Heil:
bronn, MNotweil, Weil, Wimpfen, Weinsberg, Steinheim, Pfullendorf,
Biberach), Buchau, Ucberlingen, Buchhorn, St. Gallen, Lindau, Ravensburg,
Bangen, Isny, Memmingen, Kempten, Kaufbeuren und Leutkirch. —
Schmid, aus einem Copialbude im Nördlinger Archiv. 64,
1371.
Det. 20. Stephan von Schwarzenburg befennt, daß er in Folge der Klage, 1371.
welche die Reutlinger, ihrer Mitbürgerinn Elöbeth von Rain wegen, gegen
ihn geführt, feine Veften, feinen Leib und fein Gut dem Grafen Ulrich
ron Helfenſtein dem ältern, Hauptmann bed Friedens in Schwaben, ben
Neichaftädten und bem Frieden in Schwaben eingeantwortet und ſich dem
Ausſpruche des letztern unterworfen, welcher dahin geht, er jolle mit ben
bei der Sache Betheiligten Freundfchaft halten, fein Leben Yang mit feiner
Befte zu Eggental dem Reiche, den Reichsſtädten in Schwaben und bent
Landfrieden, fowie bem Grafen von Helfenftein, wenn er bem Reidye und
den Reichsſtädten zu Hilfe deſſen bebarf, warten, und ben Reutlingern vier
Sabre über die Dauer bed Landfriedend hinaus felb viert ‘erber mit
spiessen’ auf ihre Koft und Zehrung dienen, fo oft fie ihn mahnen, wenn
fie von des Reiches wegen zu Felde ziehen. — St. U. 65.
Oct. 20. Gerwig von Nordholz verfchreibt ſich aus derſelben Veranlaſſung
in ähnlicher Weife; mit feiner Veſte Norbholz wartet er zehn Sabre, ben
Reutlingern dient er, wie vorher angeführt ift; da er fid) der Hattenberg
wegen früher etlihen Neichsftäbten verbunden bat, folgt er jedesmal ber
erfien Mahnung. — St. U. 66.
1372.
April 23. Bürgermeifter, Rath und Bürgerfchaft zu Ulm ſetzen feft, daß, wer
aus Beranlafjung bes großen Schabeng, weichen die Stabt durch den von
1372.
1373.
128
Wirtemberg empfangen, fi aufrübrerifche Neben zu Schulden kommen
laffe, der Stadt mit Leib und Gut verfallen fei, daß Niemand von ber
Stadt fahren nocd ziehen folle ohne des Bürgermeifterd und des Rathes
Erlaubniß, und baß, wer es dennoch thue, nichtödeftoweniger alle bie
Koften, weldye der Stadt aus bem Kriege erwachfen feien und noch er:
wachen würden, mitzutragen habe. — Ulmer Archiv. — Anzeiger für Kunde
der beutfchen Vorzeit 1859. ©. 404 fi. 67.
Mai 14. Würzburg. Graf Eberhard zu Wirtemberg unb Graf Ulrich, fein
Sohn, verkünden, baß fie die Schlihtung der Zweiungen, Mißhellungen,
Kriege und Stöße, welche zwiſchen ihnen und bed Reichs Städten in
Schwaben ftattgefunden, den Kaifer anheimgeftelt haben, und verfprechen,
fi in allen Punkten an den Ausſpruch zu halten, den er thun wird. —
Sattler 145. 68.
Aug. 18. Die Stadt Ulm verfpricht, wegen des Auflaufes und Streites, den
fie mit Graf Eberhard zu Wirtemberg und feinem Sohne Graf Ulrich,
gehabt bat, und wegen der Stöße und Aufläufe, die fi von biefer Sache
feither verlaufen, keinerlei Feindfeligfeiten gegen bie Grafen und ihre
Helfer zu unternehmen, fondern den Ausſpruch K. Karls abzuwarten. —
Sattler 144. 69.
1373.
Merz 13. Bubiffin. K. Karl erläßt ben Bürgern zu Bopfingen ben britten
Theil der ihm auf nächſte Pfingften und Michaeli zu zahlenden Sunme.
— Reg. Boica IX, 293. 70.
Merz 13. Budiſſin. R. Karl erläßt den Bürgern zu Weinsberg, Wimpfen,
Weil, Nördlingen, Werd, Dinfelsbühl den fünften Theil der ihm auf
nächſte Pfingften und Michgeli zu bezahlenden Summe — Reg. Boica
IX, 293. 71.
April 4. Budiſſin. K. Karl erlaubt der Stadt Kempten bis auf Widerruf,
nach ihrer Nothöurft von den Bürgern und Infaflen dafelbft Steuer, Gab,
Ungeld und Gefeße zu erheben. — Reg. Boica IX, 294. 72.
April 7. Sittau. K. Karl ertbeilt der Stadt Augsburg die Freiheit, ein
redli Ungeld von Neuem auffeßen, nehmen und in ihren Nutz und
Frommen wenden und Ffehren zu bürfen, bis auf Widerruf. — Reg.
Boica IX, 295. 73.
Mai 25. Mülberg. K. Karl befiehlt den Bürgern zu Wimpfen, daß fie die
ihm auf Pfingften zu bezahlenden 1200 Gulden dem Bürgermeifter und
Rath) zu Nürnberg übergeben follen. — Reg. Boica IX, 297. Ebendert
u. ©. 298 bie Vefehle Karls an Weinsberg wegen ber fchuldigen 800,
an Weil wegen 1600, Nördlingen wegen 3200, Bopfingen wegen 1000,
Rotweil wegen 5000, Reutlingen wegen 17500, Werd wegen 800, Hall
wegen 2400, Dinkelsbühl wegen 2000, Gmünd wegen 1600, Eßlingen
wegen 10000 Gulden. 74,
Suni 4. Luckau. 8. Karl quitliert ben Rath zu Nürnberg über bie 18000
Gulden, welde die Stadt Ulm ihm zu entrichten ſchuldig war und zu
Nürnberg erlegt bat. — Beg. Boica IX, 298. 75.
129
Sing. 18. Fürftenwalde. K. Karl verpfänbet die Reichsſtädte Nördlingen, 1373,
Schwäbiſch Werd, Dinkelsbühl und Bopfingen an feinen Eidam Herzog
Dit von Baiern unb befien Erben um 100,000 @ulden. — Reg. Boica IX,
SR. Den 14. Oct. 1374 wurde von Seite Baiernd auf diefe Pe
verziätet. ©. Stälin II, 312 Anm. 1.
1374.
gr. 8. Münden. Herzog fzriedrih von Baiern, von 8. Karl zum Land: 1374,
vegt in Oberſchwaben beftellt, verfpricht, die Städte Ulm, Memmingen,
Sempten, Kaufbeuren, Leutfirh, Wangen, Isny, Biberach, Buchau,
Ravensburg, Lindau, Buchhorn, Sonftanz, Ueberlingen und Pfullendorf bei
igeen Freiheiten zu erhalten. — St. A. 77.
Det. 3. Bolf von Magenbuch, einer von den Neunen bed Landfriedens zu
Schwaben, verhört die Klage ber Bauerfchaft von Nieberftabion, welche
von ben Biberachern war beraubt worden, und entſcheidet zu Recht. —
Schmid, aus Pflummern, Annales Biberacenses. 78.
1375.
ai 17. Gtuttgart. Die Städte Chlingen, Reutlingen, Notweil, Gmünd, 1375.
Hall, Heilbronn, Weil, Wimpfen, Weinsberg, Nördlingen, Werd, Dinkels⸗
bũhl, Bopfingen und Aalen fohlieken mit ihrem Landvogt Graf Eberhard
von WBirtemberg ein Bündniß zu gegenfeitigem Schutze ab; es foll dauern
bis zum 25. Zuli 1376, wofern 8. Karl es nicht wiberruft. Es fiegeln
die Städte Eflingen, Reutlingen, Rotweil und Gmünd. — Sattler 157. 79.
1376.
Sani 24. Frankfurt a. M. K. Karl verpfändet ben Baiernberzogen Otto, 1376.
des 5. Reichs Erzkämmerer und Kurfürften, Friedrich und Hans, Gebr:
dern, bie Reichsſtadt Schwäbifch Werb für 60000 Gulden, unb gebictet
den Scultheißen, Schöffen und Bürgern ber genannten Stadt, ihnen zu
Buldigen. — Hugo, Mebiatifirung 227 mit bem Datum: an fand Johanns⸗
tag des taufferd; die Reg. Boica geben IX, 351: Freitag nach St. Johannstag,
b. i. den 27. Juni, weldes bei Hugo ber nun folgende Erlaß an bie
Stabt hat. 80.
Semi 27. Frankfurt a. M. K. Karl gebietet den Bürgermeiftern, bem Rath
unb ben Bürgern gemeinlih ber Stabt zu Schwäbifch Werb, welche er
den WBaiernherzogen Dtto, Friedrih und Johann verpfänbet bat, daß fie
denfelben ohne Verzug und Hinberniß hulden follen. — Hugo Mediati:
firung 228, 81.
Yıli 4. Die Reichsſtädte Ulm, Conftanz, Ueberlingen, Ravensburg, Lindau,
St. Ballen, Wangen, Buchhorn, Reutlingen, Rotweil, Memmingen, Bis
berach, Isny und Leutlird, verbünden fi bis zum 23. April 1380 zu
gemeinfamer Hilfäleiftung wider Jedermann, der fie angreifen, befümmern,
drängen ober beſchädigen wollte an ihren Rechten, Freiheiten, Briefen oder
guter Gewohnheiten, die fie von römiſchen Kaifern oder Königen haben, mit
Schatzung, mit Verjegen oder mit andern Sachen, Niemand ausgenommen,
mit der einzigen Einſchränkung, daß fie dem beiligen Meiche feine Rechte
I. 9
130
1376. Halten und thun wollen. — Knipſchildt S. 487. Lünig, Reichsarchw
part. spec. cont. IV, 27. 82,
Aug. 24. Nürnberg. K. Karl verpfändet bem Grafen Eberhard von Wir:
temberg um 40000 Flor. Gulden bie Reihsftabt zu Weil mit dem Schult⸗
heißenamt unb ber Vogtei dafelbft, fammt allen Rechten, Nutzen, Zinfen,
Steuern, Ungelten und allen Zugehörungen, bad Schultheißenammt in der
Reichsſtadt zu Eßlingen, ba8 Schultheigenamt in ber Reihsftabt zu Gmünd
mit allen Rechten und Nuten, bie Dörfer in der Birfe bei Notweil, er:
laubt auch ihm und feinen Erben, alle vom Reiche verpfänbeten Schult⸗
beißenämter oder andern Aemter oder Ungelter, inwendig oder auswendig
ber Reichsſtädte in ber niedern Landvogtei zu Schwaben und in ben Städten,
bie er jebt vom Kaifer und vom Reihe inne bat und bie in der Land⸗
vogtei Niederfehwaben nicht begriffen find, um die Summe, um welde fie
verpfänbet find, an ſich zu löſen. — Sattler 161. 83.
Spt. 3. Die Stadt Weil verbündet fih mit den Städten Alm, Conſtanz,
Neutlingen, Rotweil, Weberlingen, Memmingen, Biberah, Ravensburg,
Lindau, St. Gallen, Wangen, Buchhorn, Kaufbeuren, Leutlich und Isny.
— Schmid. 84.
Dct.. 23. Hand von Rot von Rieden, ber alte, und Hans von Rot, fein
Sohn, verfprehen, gegen den Bund der Reihfläbte in Schwaben, Ulm,
Eonfanz, Memmingen, Rotweil, Weil, Reutlingen, Ravendbnrg, Ueberlin:
gen, Lindau, St. Gallen, Biberach, Kempten, Isny, Leutkirch, Wangen,
Kaufbeuren und Buchhorn, nicht? zu unternehmen. — &t. A. 85.
Det. 23. Aehnliche Verfchreibung der Agnes, Gräfin zu Kirchberg unb Hers
zogin zu Ted, biß zum 23. April 1381 bindend. — St. U. 86.
Det. 26. Aehnliche Verſchreibung Burkarts des Wichslers, gefeffen zu Tale,
bis zum 23. April 1381 bindend. — St, A. 87.
Nov. 10. Aehnliche Verſchreibung Conrads vom Stein, gefelfen zu nr
bis zum 23. April 1381 bindend. — Gt. X.
Nov. 21. Urach. Graf Eberhard von Wirtemberg erflärt in einem Sören
an bie Stadt Straßburg, daß ihn die ſchwäbiſchen Bundesſtädte fälſchlich
beſchuldigten, ben burch bie Baiernherzoge Stephan und Friedrich aufge:
richteten Frieden gebrochen zu haben; vielmehr Hätten die Städte, auf bie:
fen angeblichen Friedensbruch geſtützt, ben angefepten Tag in Nürnberg
nicht befucht, fondern während beffelben die Feindfeligkeiten wieber eröffnet.
— Sattler 162. 89.
1377.
1377. Jan. 1. Bürgermeifter, Rath und Gemeinde zu Reutlingen verfprechen dem
Bürgermeifter und dem Rath von Eflingen, ihren Freunden und Eidge⸗
noffen, in ihrem und anderer Meichäftädte, ihrer Eidgenoſſen, Namen, fol:
gende Punkte zu halten: 1) Den Eplingern wird Teinerlei Betheiligung an
Schaden und Koften, die bis auf bdiefen Tag ergangen, zugemuthet. 2)
Auf Zufanmenfünfte ber Städte fenden die Eßlinger zwei aus ihrem Rathe,
wie es von Alter Herfommen if. 3) Söldner und Spieße, welche bie
Reichsſtädte fih nah Anzahl ihrer Steuer auferlegt haben, ftellen bie Eß⸗
131
Enger nur, in fo weit fie ed gerne thun. 4) Die Bunbesftäbte bringen 1377.
bis künftige Lichtmeß 5000 FI. für bie Ehlinger auf und tragen den näd):
Ken Jahreszins gemeinſchaftlich; die Eßlinger dagegen ftellen Briefe aus,
ba fie die 5000 FI. nach Ablauf des Jahres wieder auszahlen werben.
5) Die Reulinger und mit ihnen bie von Ulm, von Rotweil und von
Beil verbürgen, baf alle diefe Stüde gehalten werben, unb fliehen gut für
allen Schaben, der aus bem Nichtbefolgen berfelben erwachſen würde —
Berfiegelt mit dem großen Stabtfiegel von Reutlingen. — Datt 35. 90.
Yan. 29. Rotweil. Graf Friedrich ber alte, Herr zu Schalföburg, und
Graf Friedrich von Zollern, fein jüngerer Sohn, den man nennt Graf
Mälin, geloben dem Schultbeiß, dem Bürgermeifter, dem Rath und ber
Bürgerihaft zu Rotweil, mit ihnen und mit allen ihren Eidgenoſſen, bie
in ihrem Bunde jeßo find oder noch darein fommen, einen fleten und ge⸗
treuen Sat zu haben und zu halten bis auf Fünftige Weihnachten, alfo,
ba fie und ihre Veſten Schallöburg, Balingen und Mülheim unb alle die
SHrigen nicht? gegen jene unternehmen, auch ihre Feinde nicht baufen
wollen, mit bem Borbehalt jedoch, daß, wenn ber Kaifer oder jemanb
anders fie Kriege benöthen ober beliegen wolle, fie beö alten Grafen ältern
Sohn, Graf Friedrich, den man ben Ritter nennt, ob er gleich ber Reichs⸗
Ridte Feind, in ihre Veſten aufnehmen bürfen, um dbiefe vertheidigen zu bel:
fen. In dem Satze find auch inbegriffen ber Grafen Diener Walger Ke⸗
ruf von Byfingen und Heinridy von Werbenwag. — Stillfried und
MRärker, Monumenta Zollerana 1, 232, No. CCCLXX. 91.
April 12. Friedrich, Pfalzgraf bei Rhein und Herzog in Baiern, ftellt ber
Stabt Ulm eine Quittung aus über bie Bezahlung von 82 Gulden, guter
ungar. und böhm., ihres Antheild an den 500 Gulden, melde ibm bie
Bunbesftädte in Schwaben zu Ulm verbeißen auf St. Midaeldtag zu
geben wegen ber Zebrung, die er zu Ulm that, als er in Thädigung ritt
zwifchen bem Raifer und ihnen unb ihren Eibgenofjen. — Ulmer Archiv. 92.
Rei 21. Schreiben ber Reutlinger an Ulm, eine Befchreibung des an eben
biefem Tage über Graf Ulrih von Wirtemberg erfochtenen Sieges ent:
Baltend, mit ber Bitte, fie auch den nächltgelegenen Städten mitzutheilen.
— Gayler, hiftorifhe Denfwürdigkeiten von Reutlingen bis 1577.
Daſſelbe Schreiben, jedoch bie und da etwas abgefürzt, an die Con
Ranzer gerichtet, findet fi (ohne Datum) E. Chr. 321. Anftatt ber Bitte,
es andern Städten mitzutbeilen, fteht bier bloß: und bittent üch, das ir
die tatt an schribent an der stett büch da üch denu dunkt, da es nottirff-
tig sig, und tünd alz wir üch getrüwent, Von uns dem burgermaister
und der statt Rüttlingen. 922°
Rai 41. Rotenburg. 8. Karl und K. Wenzel beben bie Acht auf, welche
über bie Städte Gonftanz, Ulm, Eflingen, Reutlingen, Weil, Rotweil,
Weberlingen, Memmingen, Biberah, Ravensburg, Lindau, St. Ballen,
Bempten, Kaufbeuren, Leutkirch, Zany, Wangen und Buchhorn verhängt
geroefen, und verorbnen, daß, was in Jahresfriſt auf die Städte erklagt
worben, von bed Kaiſers und bed Königes wegen auf ben Landrichter zu
9%
1377.
182
Memmingen, auf die Bürgermeifter, bie Räthe unb die Bürger gemeinlich
der Städte zu Memmingen und zu Biberad, und namentlich die Klage
und Acht, welche Konrad von Rechberg von Weſchenburg auf die von
Memmingen gethan bat, gänzli ab fein fol, daß auch Us von Holkbein,
Veter und Ulrich die Stammler und die Bürger gemeinlich der Stabt zu
Ulm, die durch Hand Arnold von Dinkelsbühl, Yedlin ber Zub von Ulm,
ber burch den Grafen von Wirtemberg in bie Acht gelommen, aus berjel-
ben gethan werben. — St. X. Reg. Boica IX, 376. 93.
Mai 31. Rotenburg. K. Wenzel empfängt auf Geheiß K. Karls bie Städte
Ulm, Eßlingen, Conftanz, Reutlingen, Rotweil, Weil, Weberlingen, Wem:
mingen, Biberach, Ravensburg, Lindau, St.Gallen, Kempten, Kaufbeuren,
Leutfich, Zarıy, Wangen und Buchhorn, die ſich wider ihn und feinen
Bater gefett, in feine Gnade, Holde und Gunſt; er will, daß um bie
Kriege zwifchen ihnen beiden und ihren Helfern, ben Grafen Eberhard unb
Urih von Wirtemberg, Graf Heinrich von Werbenberg, genannt von
Albeck, Herzog Friedrih zu Ted, Kraft und Götz von Hobenloh u. ſ. f.
einerfeit3, und ben Stäbten ſammt ihren Helfern und Dienern andrerfeitz,
eine rechte ftäte und ganze Sühne fein fol, und erflärt Ladung, Klage,
Anleitung und Acht, die bis heut auf den Städten und ihren Angehörigen
gelegen, für abgethan. — St. A. 94.
Mai 31. Rotenburg. 8. Wenzel verfpridt, daß an Statt ber beiden
Briefe, welhe K. Karl den Städten Ulm, Gonftanz, Eflingen, Reutlingen,
Notweil, Weil, Ueberlingen, Memmingen, Biberah, Ravensburg, Lindau,
St.Gallen, Kempten, Kaufbeuren, Leutkirch, Isny, Wangen und Buchhorn,
die fich wider ihn und Wenzel gejeßt, ertheilt, von denen ber erſte den
Auftrag an Wenzel enthält, zwifchen ben Städten unb ben Helfern des
Kaiſers zu thädingen und jene zu Gnaden aufzunehmen, der zweite eine
Zufiherung an die vier Städte “uber Albe’ Eflingen, Rotweil, Reut:
lingen, Weil, daß fie nie mehr unter die Landvogtei ber von Wirtemberg,
der von Hohenloh und ihrer Diener fommen folten, weil dieſe Briefe nur
mit dem Fleinen Infiegel verfehen find, ben Städten bis zum St. Michaels:
tag gegen Zurüdgabe derfelben andere Briefe mit bem Faiferl. Majeftätz-
infiegel follen überantwortet werden. — St. X. 95.
Mai 31. Motenburg. Privileg 8. Wenzeld für bie Städte Ulm, Conftanz,
Eßlingen, Reutlingen, Rotweil, Weil, Weberlingen, Memmingen, Biberach,
Ravensburg, Lindau, St. Gallen, Kempten, Kaufbeuren, Leutficdh, Isny,
Wangen, Buchhorn, gleidhlautend mit bem von K. Karl ben 9. Januar
1348 den ſchwäbiſchen Städten ertheilten. — St. X. Lünig, Reichsarchiv
part. spec. cont.IV, 1, 29. Wegelin II, 48 Nr. 49. Reg. Boica IX, 376. 96.
Juni 15. Tangermünde K. Karl beftätigt die buch K. Wenzel mit den
Städten vorgenommene Sühne durch einen mit feinem Laiferlichen Infiegel
verfehenen Brief. — St. U. 97.
Juni 17. Nürnberg. K. Wenzel thut ben Stäbten Ulm, Conſtanz, Eflingen,
Reutlingen, Rotweil, Weil, Ueberlingen, Memmingen, Biberach, Ravens⸗
burg, Lindau, St. Gallen, Kempten, Kaufbeuren, Leutfich, Isny, Wangen
133
mid Buchhorn Fund, daß, nachdem zu Rotenburg bie Sühne mit ihnen 1377.
vellzegen worben, er den Edlen Witlen von Landeftein, feinen Rathgeben
unb lieben Getreuen, und ben Probſt Yacob zu Wolframskirchen, feinen
heimlichen Schreiber, als Bevollmächtigte zu ihnen fende, um ihnen bie
Briefe zu bringen, ihre Gegenverfchreibungen ſich geben zu laffen, und bie
Hulbigung zu empfangen. — St. 2. 98,
Yi 18. Nürnberg. Wenzel, römifcher König und König zu Böhmen, be-
Mätigt bie Webertragung der Landvogtei Ober Schwaben durch feinen Vater
8. Karl an Stephan und riebrich, Herzoge von Bayern. — Reg. Boica
' EX, 378. 99.
ig 9. Die Stadt Rörbfingen tritt in ben Bunb ber Städte Ulm, Conſtanz,
Ghlingen, Reutlingen, Weil, Ueberlingen, Memmingen, Biberach, Ravens⸗
burg, Linbau, St. Gallen, Kempten, Kaufbeuren, Leutkirch, Isny, Wangen
wnb Buchhorn. — Ulmer Ardiv. 100.
Ung. 11. Conſtanz. Die Abgeordneten ber Reichsſtädte, welche das Bünbniß
Baben um ben See, nämlich Conftanz, Ueberlingen, Ravensburg, Wangen
und Buchhorn, ftiften eine vollfommene Sühne zwiſchen Bruber Rudolf
von Homburg und andern Brüdern bed beutfchen Ordens einerfeits, ihren
Eidgennofien, ben Bürgern von Lindau und St. Gallen anbrerfeits, wegen
ber Stöße, bie fi erhoben darum, baß Bruder Heinrich der Schen? von
Landbegg zu Lindau gefangen ward. — Reg. Boica 1X, 380. 101.
Ing. 16. Bopfingen tritt in den Bund. — Kurze Notiz bei Schmid. 102.
Ing. 17. Desgl. Hall. — Ebenbort. 103.
Img. 17. Degl. Heilbronn. — Ebendort. 104,
Ing. 18. Weinsberg tritt in den Bund der Reichsſtädte Ulm, Eonftanz, Ch:
fingen, Reutlingen, Rotweil, Ueberlingen, Demmingen, Biberach, Ravens⸗
burg, Lindau, St. Gallen, Wangen, Buchhorn, Kaufbeuren, Isny. —
St. U. 105.
Eng. 18. Dinkelsbühl tritt in den Bund, welden die Städte Ulm, Eonftanz,
Eflingen, Reutlingen, Rotweil, Weberlingen, Memmingen, Biberach, Ra:
vensburg, Lindau, St. Ballen, Wangen, Buchhorn, Kaufbeuren, Leutkirch
und ZIsny geichloffen. — St. A. 106.
Bing. 19. Gmünd tritt in den Bund. — Kurze Notiz bei Schmib. 107.
Ung. 19. Bedgl. Aalen. — Ebenbort. 108.
ng. 25. Desgl. Wimpfen. — Ebenbort. 109,
Ung. 25. Ulm. Meiſter Heinrih ber Behan verbindet fih ben Städten
Um, Eonftanz, Ehlingen, Reutlingen, Rotweil, Weil, Weberlingen, Diem:
mingen, Biberach, Ravensburg, Lindau, St.Gallen, Kempten, Kaufbeuren,
Leutfich, Isny, Wangen und Buchhorn, die jegt ben Bund mit einander
Kalten, auf ein Jahr ihr Tiener, Werkmann und Meifter zu fein um
450 Sulden. — Schmib. 110.
Sept. 21. Graf Rubolf von Hobenberg quittiert der Stadt Lindau ben Em:
pfang von 188 ungar. und böhm. Gulden und 162 rheinifchen, als Antheil
an ben 10000 Gulden, welche bie Städte in dem Bunde zu Schwaben laut
ber hierüber empfangenen Briefe aufbringen follen. — Reg. Boica 1X, 382, 111.
134
1377. Sept. 36. St. Gallen. Wlrih Häh, Ammann zu Appenzell, Heinrich auf
der Halden, Ammann zu Hunbwyl, ‚Eunrab Geppenfteiner, Ammann zu
Gais, und bie Landleute alle gemeinlih zu Appenzell, zu Hundwyl, zu
Urnäſchen und zu Gais, und alle bie, bie in biefelber Xemter gehören, und
bie von Teuffen, reih und arm, treten mit Erlaubniß ihres gnäbigen
Herren, bed Abted Georg von St. Ballen, in ben Bund ber Reichsſtädte
Um, Conftanz, Rotweil, Weil, Reutlingen, Weberlingen, Memmingen,
Biberach, Ravensburg, Lindau, St.Gallen, Kaufbeuren, Leutfird, Wangen
und Isny. — Zellweger, Urkunden I*, CXIV. SKnipfchilbt 489. Lilnig,
NR. A. part. spec. cont. IV, 1, 30. 112.
Dec. 2. Bien. Vollmacht ber Herzoge Albrecht und Leopold von Deſterreich
an Ludwig von Hornſtain und Götz den Müller, mit des Reiches Städten
zu Schwaben oder zu Elſaß, und ſonderlich mit den Städten, die jetzt
daſelbſt zu Schwaben verbunden find, ein Bündniß abzuſchließen. —
St. A. 113.
Dec. 20. Die Städte Ulm, Conſtanz, Eßlingen, Reutlingen, Rotweil, Weil,
Ueberlingen, Memmingen, Biberach, Ravensburg, Lindau, St. Gallen,
Kempten, Kaufbeuren, Leutkirch, Isny, Wangen, Buchhorn, Gmünd, Hall,
Heilbronn, Nördlingen, Dinkelsbühl, Bopfingen, Wimpfen, Weinsberg und
Aalen verbünden fi bis zum 23. April 1385 zu gemeinfamer Hilfßleiftung
wider Jedermann, ber fie angreifen, befümmern, brängen ober befchäbigen
wollte an ihren Rechten, Freiheiten, Briefen ober guten Gewohnheiten, bie
fie von römischen Kaiſern oder Königen haben, mit Schakung, mit Ber:
feßen oder mit andern Sachen, Niemand ausgenommen, mit ber einzigen
Einfhränfung, daß fie bem heiligen Reiche feine Rechte halten und thun
wollen. Es fiegeln bie fämmtliheu 27 Stäbte. — Zellweger, Urkunden 11,
CXV, mit einigen Heinen Lüden, nad einem nicht fehr correcten Original.
— Das Verzeihniß ber Städte Reg. Boica IX, 388 muß auf irgenb einer
Verwechslung beruhen. 114,
1378.
1378. Febr. 13. Ludwig von Hormitain, ber Gebrüber Albrecht und Leopold, Her:
zoge von Defterreih, Landvogt in Schwaben, Gottfried der Müller, ihr
Landvogt in Aargau und Thurgau und auf bem Schwarzwald, Walther
von ber Dikke, Landvogt in Breisgau, Eberhard von Lupfen, Landgraf
zu Stülingen und Burggraf zu Tirol, Conrad Schnewly, Schultheiß zu
Freiburg, Hand von Bonftetten, Vogt zu Kiburg, Heinri von Randegg,
Bogt zu Schaffhaufen, Wernder ber Schent von Bremgarten und Cunrad
von Tainhain, Vürgermeifter zu Villingen, fchließen auf Grund ber den
beiben erfigenannten ertheilten herzoglichen Bollmadt ein Bündniß zwifchen
ben Herzogen und ihren Landen Elfaß, Breisgau, Sundgau, Aargau,
Thurgau, Kurwalden und Schwaben, und allen ihren Städten und Die-
nern, Herren, Rittern und Knechten in benfelben Lanben und Kreifen einer-
feits, und bed heiligen R. Reichs Städten in Schwaben, Ulm, Conſtanz,
Ehlingen, Reutlingen, Rotweil, Weil, Memmingen, Ueberlingen, Biberach,
Ravensburg, Lindau, St. Gallen, Kempten, Kaufbeuren, Leutfich, Isny,
135
Bangen, Buchhorn, Nördlingen, Dinkelsbühl, Bopfingen, Gmünd, Hall, 1378.
Heilbrom, Wimpfen, Weinsberg und Aalen andererſeits. Den Bunbbrief,
mit ben Siegeln ber Herzoge verfehen, wollen fie bis zum 23. April nad
Um fchiden, worauf die Stäbte ben ihnen eingehändigten Vollmachtsbrief
wieber zurüdgeben. — St. U. — Ten von den Stäbten audgeftellten
Brief, in welchem auch Buchau genannt ift, ſ. Lichnowsky IV, Reg. 1346.
Etendort 1347 unter bemfelben Datum: Verfiberung ber Geſandten biefer
Keigäfläbte wegen dieſes abgejchloffenen und beſchworenen Bunbes bis zur
Sufrument-Zertigung. K. T. g. 9. 115.
Bei 17. Rotenburg an ber Tauber tritt in ben Stäbtebund. — Schmid. 116,
Bi 22. Die zu Ulm verfammelten Reichäftäbte, welche den Bund mit einan-
ber halten, ordnen bie Berfaffung ber Ländlein Appenzell, Hunbwyl, Ur:
nähen und Teufen und empfehlen biefelben ber befondern Obhut ber
Städte Conſtanz und St. Gallen. Es fiegelt die Stadt Ulm, Zellweger
Urf. 11, CXVi. 117.
Nug. 20. Graf Rudolf von Hobenberg beſcheinigt der Stabt Ulm, baß fie
feinem Wirthe, Hand Schefolten, 95 Gulden bezahlt babe als Theil der
12000 Gulben, welche bie Stadt Ulm unb andere bed ſchwäbiſchen Bundes
Städte ihm, dem Grafen, treulich geliehen. — Schmid. 118.
Ing. 30. Nürnberg. K. Karl verkündet, daß er zwifchen Bifhof Gerharb von
Wirzburg, ben Grafen Eberhard und Ulrich von Wirtemberg und Craft von
Hohenlohe einerſeits, den Reichsſtädten in Schwaben, Rotenburg an der
Zauber und andern Städten andrerfeits, eine Auzföhnung zu Stande ge:
bracht, und zählt die Punkte auf, welche den Grafen Eberhard betreffen.
Er fol erftend dem Ehlinger Spital die zwei Dörfer Möringen und Bat:
kingen wieder geben, ebenfo den Eßlingern bie Güter, bie er ihnen feit ber
Richtung zu Laufen (f. Nr. 58) genommen oder fleuerbar, zindbar und
vogtbar gemacht bat (in zweifelhaften Fällen ientfcheidet ein Schiedsgericht,
dem Herzog Friedrich von Baiern und Ulrich Beſſerer, Bürger zu Ulm,
zufammen vorftehen); ferner fol er bie Klöfter, welche zum Reiche gehören,
nidgt hindern, ihren Wein und ihr Korn Hinzuführen, wohin fie wollen,
und endlich bie Briefe, bie er vom Kaiſer über die Stadt Weil und über
die Bird empfangen hat, herausgeben, die Gefangenen zu beider Seite
follen mit einer fchlechten Urfehde ledig gelaflen werden, Verfprechen wegen
Schatzungen u. dgl., bie noch nicht erfüllt find, ungültig fein. — Sattler
165. Im Auszuge bei Datt 36. 119.
Sept. 4. Eßlingen. Die Reihsfädte in bem Bund zu Schwaben thun Fund,
baß fie ihre lieben getreuen Eidgenoffen, die Hofleute der Stadt Altftetten
des Hofes zu Marbad und bed Hofes zu Bernang in bem Rheinthale,
welche zu ibnen geſchworen, ber befonbern Fürſorge ber Städte Lindau unb
St. Gallen empfohlen haben. Es fiegelt die Stadt Eßlingen. — Gt.
Galler Stadtardiv. 120.
Sept. 28. Giengen tritt in den Bund ber Stäbte in Schwaben, Ulm, Con⸗
Ranz, Eßlingen, Reutlingen, Rotweil, Weil, Ueberlingen, Memmingen,
Biberach, Ravensburg, Lindau, St. Gallen, Kempten, Kaufbeuren, Leut⸗
136
1378, kirch, Isny, Wangen, Buchhorn, Buchau, Rörblingen, Dintelsbühl, Gmünd,
Heilbronn, Hal, Wimpfen, Weinsberg, Bopfingen, Aalen, Rotenburg a. d.
Tauber, Pfullendorf. — St. A. 121.
Det. 4. Eßlingen. Walther von Höchenriett, Nitter, verbindet fi mit ben
ſchwäbiſchen Reichsſtädten, welche fi, dem 5. Reiche zu Trofi und Ehren,
ihnen felbft und dem Lande zu Frieden und Gemad, vereinigt haben.
(So ift wohl bie Faſſung ber Reg. Boica X, 18 zu berichtigen). 122.
Dct. 10. Chucheim. Friedrich, Pfalzgraf bei Rhein, Herzog in Baiern, ober:
fer Landvogt in Ober: und Nieberfhwaben, verſpricht den Städten Eß—
fingen, Reutlingen, Rotweil, Weil, Hal, Heilbronn, Wimpfen, Bopfingen,
Weinsberg, Gmünd, Aalen, Dinkelsbühl und Nördlingen einen Brief zu
geben in aller ber Maß unb Weiſe, wie ber Brief, den er den Stäbten in
ber obern Lanbvogtei gegeben, welche er fchon früher inne gehabt. — Datt
37. Sattler 163. 123.
Nov. 1. Prag K. Karl verbietet allen Fürſten, Grafen, rein, Edlen,
Rittern und Knechten, welchen in dem leßten Kriege zwiſchen Graf Eber⸗
bard von Wirtemberg unb den Stäbten ihre feften Häufer oder Schlöfier
gebrochen worben, biefelben wieber zu bauen, biß er gen beutfchen Landen
fomme: dba wolle er nad ben genannten Städten fenben unb bie Sache
fo austragen, wie e8 dem Reiche nüglich und gut fein werde. — St. A. 124,
1379.
1379. Febr. 1. Eßlingen. Herzog Friedrih von Baiern, der mit Ulrich bem Beſſe⸗
rer, Bürger zu Ulm, gemäß der durch ben Katfer fel. gemachten Richtung
einem Schiedßgerichte in Sachen Graf Eberhards von Wirtemberg und ſeines
Sohnes Ulrich einerfeit3 und ber Stabt Eßlingen andrerſeits vorgeftanden bat,
verfünbdet den Ausspruch befielben; bie beiden Theile geloben, bem Spruche
nachzukommen und hängen ihre Siegel neben das bed Herzogs. — Eingang
und Schluß des Briefe bei Datt 31. 125.
Febr. 1. Nürnberg. 8. Wenzel verfchreibt dem Herzog Friebrih von Baiern
bie Landvogtei in Ober: und Nieberfhmwaben, die ibm durch bes Kaiſers
Tod Tedig geworben, alfo, baß er biefelbe mit ben gewöhnlichen Steuern
der Städte, Nutzen und Zinfen von ben Juden und all anbrer Rente
drei Jahre inne haben mag. — Reg. Boica X, 26. 126.
Febr. 8. Nürnberg. Derfelbe gebietet den Unterthanen ber Lanbvogteien in
Dber: und Niederfhwaben, bem Herzog Friedrich, feinem Obeim, als ihrem
Landvogte gehorfam und gewartenb zu fein. — Reg. Boica X, 26. 127.
Febr. 25. Frankfurt a. M. K. Wenzel verpfändet an ben Herzog Leopold
von Defterreih um 40000 Florentiner Golbgulden bie beiden Lanbpogteien
in Ober: und Nieberfchwaben, empfiehlt ihm zugleih damit Augsburg und
Giengen, unb weiſt ihm 6526 Gulden an, bie er bort jährlih aufheben folle;
alle Gülten und Lehen, welche in den Landvogteien ledig werben, fallen
ihm zu, auch bat er dad Mecht, alles dafelbft vom Reiche Verpfänbete an
fi zu löfen, bie Landvogteien aber follen durch Niemand eingelöft werben
fünnen als durch den König ober feine Nachfolger. — Wegelin 49 Nr. 50.
Lichnowstky IV, Reg. 1403. 128,
137
Fehr. 25. Frankfurt a. M. K. Wenzel giebt dem Herzog Leopolb Gewalt, als 1379.
Zanbvogt in Schwaben alles burd ben Tob K. Karla dem Reiche ledig
Geworbene, Aemter, Lehen, Güter, Anfälle und Nutzungen, einzuforbern.
— Lichnowsky IV, Reg. 1408. 129.
debr. 25. Frankfurt a. M. K. Wenzel erläßt einen Befehl, ben Herzog
Leopold als Lanboogt in Ober: und Niederſchwaben zu erfennen und bem:
felben gehorfam zu fein. — Wegelin 51 Nr. 51. 130.
Febr. 25. Frankfurt a. M. Daſſelbe befieblt er in einem fpeciellen Brief
den Ständen und Städten in ber niebern Landvogtei Schwaben. Lid:
nowäly, IV, Reg. 1404. Lünin, Cod. dipl. Germ. II, 887. 131.
gebr. 25. Frankfurt a. M. Daſſelbe denen der obern Landvogtei. Lich⸗
nowsty IV, Reg. 1405. Wegelin 52 Nr. 52. 132.
sehr. 25. Frankfurt a. M. Daſſelbe ber Stabt Augsburg. Lichnowsky IV,
Reg. 1406. 133.
gebr. 25. Frankfurt a. M. Daſſelbe der Stabt Giengen. Lichnowsky IV,
Reg. 1407. 134.
Suni 23. Znaim. 8. Wenzel verfprigt dem Herzog Leopold bie ihm ver:
pfänbete Landvogtei in Schwaben bis fünftigen St. Martindtag einzuant:
worten, unb flellt ihm dafür zwölf Bürgen. Lichnowsky IV, Reg.1431. 135.
JIuli 4. Baden. Ruprecht ber Ältere, Ruprecht der junge, Dito, Stephan,
Friedrich, Johannes und Ruprecht ber jüngfte, Pfalzgrafen bei Rhein und
Herzoge in Baiern, Bernbard, Markgraf zu Baden, für fih und feinen
minderjährigen Bruder Marfgraf Rudolf, verbünden fich mit den Reichs⸗
Aädten Ulm, Eonflanz, EBlingen, Reutlingen, Rotweil, Weil, Weberlingen,
Memmingen, Biberach, Ravensburg, Lindau, St. Gallen, Kempten, Rauf:
beuren, Leutlicch, Isny, Wangen, Pfullendorf, Buchhorn, Buchau, Nörb:
fingen, Dinkelsbühl, Rotenburg a. b. Tauber, Gmünd, Hall, Heilbronn,
Bimpfen, Weindberg, Bopfingen, Aalen, Giengen, Wyl im Thurgau und
Appenzell dem Land bis zum 23. April 1385 zu gegenfeitiger Hilfsleiftung
gegen Jedermann, ber fie angriffe ober ſchädigte mit Nahme, mit Brand,
mit Raub oder mit andern Saden. — St. A. Datt 39 (im Verzeichniß
der Städte fehlt dort irriger Weife Weil nach Rotweil). Aus Datt: Zell:
weger, Urt. 11, CXIX.
Die Begenverfchreibung ber Stäbte ift aus Ulm datiert nach Gemeiner II,
191 Anm. 136.
Juli 4. Baden. Die obengenannten Zürften verſprechen den Städten, daß
fie die edlen Graf Eberhard und Graf Ulrich von Wirtemberg unb Craft
von Hohenloh in Feine Einung und fein Bündniß aufnehmen wollen, fo
lange bie eben mit ben Städten abgefchloffene Einung währe. — St. A. 137.
Juli 27. Die Stadt Augsburg tritt in den Städtebund. — Kurze Notiz ei
Edmid. 138.
©ep. 4. Herzog Ruprecht der ältere jchreibt an bie ſchwäbiſchen Bundesſtädte,
daß der Biſchof von Speier fi) der Feinde angenommen babe und ben
Bund befriege; er begehrt daher nach Inhalt der Einung, daß man 100
ebrbare Leute mit Gleven beftelle; 50 fol man 8 Tage nad) Memigestag
188
1379. nach Heibebheim ind Schloß ſchicken und 50 auf den Remigistag (1. Oct.)
ſelbſt oder alle 100 zuſammen. — Schmib („aus dem Nördl. Archiv mit-
geteilt"). 139.
Det. 11. Gonftanz. Die Reichsſtädte, melde das Bündniß halten um den
Ser, ſchlichten bie Mißhellungen zwifchen Abt Cun von St. Gallen und
ben Landleuten zu Appenzell und fchreiben ben letztern ben Eib vor, ben
fie dem Abte ſchwören follen. Es fiegelt bie Stadt Conſtanz. — Zell:
weger, Urk. 1°, CXZ1. 140.
Det. 13. Wiesbaden. Wilhelm Graf zu Wied, Wilhelm Graf zu Katzenellen⸗
bogen, Johann Graf zu Naffau, Wilhelm Probſt zu Achen, Herr zu Zen:
burg, Erkenerus Herr zu NRobenftein, Ulrich zu Cronenberg, Bistum im
Rheingau, Johann von Eronenberg, Johann von Reiffenberg, Walther
von Eronenberg, Rudolf von Waffenhaufen, Friedrich von Meiffenberg,
Nitter, Cun von Reiffenberg, Frank von Eronenberg und Wolf von Waf:
fenbauen, Edelfnechte, fliften zu gegenfeitigem Schuß eine Geſellſchaft, welche
bis Weihnacht 1382 währen fol, und deren Mitglieder, wenn fie Ritter
find, einen goldenen, wenn Edelknechte, einen filbernen Löwen ald Wahr:
zeihen tragen. — Schannat, Sammlung alter hiſtoriſcher Schriften und
Dokumenten 1, 9 Nr. IV. Herzog, Elſaſſer Ehronit (Straßburg 1592)
©. 70. 131.
Nov. 16. Die Reichsſtädte in dem Bunde um ben See ſprechen aus, daß bie
Länder zu Appenzell bie noch ausftehenden Steuern, Zinfen, Zehnten u. f. w.
dem Abt Cuno von St. Gallen entrichten follen. Es fiegelt die Stadt
Buchhorn. — Zellweger, Urt. 11, CXXIV. 442.
Nov. 16. Buchhorn. Die Reichsſtädte, bie ben Bund halten um ben See,
ſetzen als Schiebörichter die Artikel feſt, durch welche die Stöße und Miß—
heilungen zwifchen Abt Gun zu St. Gallen und den vier Länblein Appen:
zell, Hundwyl, Urnäfhen und Zeuffen follen gejchlichtet werben. Es fie:
gelt die Stabt Buchhorn. — Zellweger, Urk. 11, CXXV. 143.
1380.
1380. Jan. 13. Die Bunbesftäbte in Schwaben beichließen, daß bie Botfchaften
feine Gefchente nehmen follen. — Schmid („bie Urt, im Ulmer rothen
Buche fol. 65°). 144,
Febr. 12. Graf Rudolf von Hohbenberg tritt auf brei Jahre dem Städte:
bunbe bei. — St. X. unter Reichsſtädte indgemein, nad Stälin I, 382
Anm. 2%. 145,
Merz 17. Frankfurt aM. Quittung 8. Wenzeld über Empfang ber Steuer
ber Städte durch Friedrih, Pfalzgraf bei Rhein und Herzog in Baiern.
— Schmid. 146.
April 1. Nbfagebrief der Bunbesftäbte an Hohenlohe wegen bed Schwäbiſch
Hal, Rotenburg und Dinkelsbühl zugefügten Unrechts. — Schmid, nad
Hofmannd Chron. v. Crailsheim 72. 147.
Juni 14. Die Reichsſtädte in dem Bund zu Schwaben, zu Ulm verſanmmelt,
ſchlichten anf Erſuchen der beiden Parteien bie Greuzſtreitigkeiten zwiſchen
Abt Heinrih von Mündrot und bem Probft von Ochſenhauſen. Es flegelt
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bie Stabt Ulm. — Stabelhofer, Historia imperlalis et exemti Collegii 1380.
Rethensis in Sueria I, 187 Rr. L. 148.
Semi 26. Gonflanz Die Reichöftäbte, die das Bünbniß haben um ben See,
erfennen im Sachen ber Streitigkeiten des Abted Kuno von Gt. Ballen,
Bürgers zu Lindau, und ber Stabt St.Gallen, welche ſchon einmal dur
ben Bunb um den See behanbelt, dann vom Abt vor ben großen Bund
nad Ulm gebradt und von biefem wieder an ben Bunb um ben Sce
zurüdgewiefen worben, folgendermaßen: Es foll ber Abt ben Bürgern von
&t. Gallen einen Brief anäftellen, wie der, den Abt Georg vormals ge
geben, woranf bie Bürger ihn aufzunehmen und ihm zu bulbigen haben.
Weiter fi ergebende Streitpunkte follen zur Schlichtung wieder vor den
Bund gebracht werden. Mit biefem Spruch haben fi auch beide Parteien
zufrieden erflärt. Es fiegelt die Stadt Conſtanz. — Tſchudi I, 501. 149.
Yani 21. Richenwiler. Graf Heinrich von Montfort, Herr zu Tettiang,
Wrid, Graf zu Birtemberg, Boemund von Ettendorf, Herr zu Hobenfels,
und Martin Malterer, Ritter, Hauptleute ber Geſellſchaft mit dem Löwen
zu Schwaben, zu Lothringen, zu Elſaß, zu Franken, verfpreden in ihrem
und ber Gefellihaft Namen, ber Stabt Bafel, welche in bie Geſellſchaft
gekommen if, zu beifen, gleichwie Herren, Rittern und Knechten und wie
ber Hauptbrief ſage. — Leiſtungsbuch I im Basler Gtaatdardiv fol.
CXXxIV. Ochs, Geſchichte von Bafel I, 255. Sollte vielleigt in ber
Originalurkunde ftatt donrstag vor sant Johanstag geftanden haben: nad
St. Johanstag (28. Juni)? f. die folgende Nummer. 150.
Suni 28. Lutolb von Berenweld, Ritter, Bürgermeifter, und ber Math zu
Bafel verbinden und verpflichten fi in ihrem unb all ber Ihrigen, Reicher
und Armer zu Bafel, Namen, zu den Herren, Rittern und Knechten, die
da halten bie Gefellihaft mit dem Löwen, und verfprechen, ihnen zu bie:
nen innerhalb der Bisthümer Straßbnrg und Bafel und der Herrfchaft
von Birtemberg. — Basler Leiftungsbuch I, fol. CXXXII. Ochs II, 254. 151.
Aug. 16. Hergartöhaus auf bem Feld. Graf Heinrih von Montfort, Herr
zu Tettnang, Ulrich, Graf zu Wirtemberg, Könige ber Geſellſchaft mit dem
Löwen zu Schwaben, Lothringen, zu Eljaß, zu Franken, Ulrich von Hohen:
Ich, Ott von Hachberg, Markgraf Hand von Hachberg, Graf Friedrich von
Hohenzollern, Graf Tägli von Zollern, ber Schwarzgraf von Zollern, Graf
Mülin von Zollern, Rudolf Herr zu Kyburg, und die Sefellfchaft gemein:
lich, Herren, Ritter und Knechte, wie fie jebt auf dem Felde find, ſchicken
der Stabt Frankfurt einen Abfagebrief. — Auszug im Archiv für Frank:
furts Geſchichte und Knnſt, 2. Heft, S. 91. 152.
Nov. 3. Prag. K. Wenzel befieblt ber Stabt Lindau, daß fie bie bem Reiche
ſchuldige Steuer auf nächſten St. Martini:Tag dem Herzog Friedrich von
Baiern bezahlen folle. — Reg. Boica X, 62, 153.
Rov. 27. Rotweil. Eglolf von Wartemberg, Hofrichter an Statt unb im
Ramen Graf Rudolf von Sulz, ertbeilt ben Ulmern ein Vibimus bes
Freiheitsbriefes K. Wenzel v. 1377 (oben Nr. 96). . 354.
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(1331.)
1381. (Sehr. 11). Einladung an den Rath zu Frankfurt, daß er auf nächſten 3. Merz
feine Freunde nach Speier fenden möge, um bei ber von Seiten ber Rit⸗
tergefellfichaften drohenden Gefahr bort mit andern Städten eined Bundes
überein zu kommen. (Die Zeitbeflimmung in der Urkunde ifi bloß: Datum
ferla secunda proxima ante Valentini martiris ohne Jahrzahl. Bon wen
die Einladung abgeſchickt wird, ift auch nicht bemerft). — Böhmer, Cod.
dipl. Moenofraneofurtanus I, 757. 155.
Merz 20. Speier. Die Städte Mainz, Straßburg, Worms, Speier, Frank:
furt, Hagenau und Weißenburg verbünden fi) bi8 Weihnacht 1384 zu
gegenfeitigem Schuß gegen Jedermann in allen Kriegen, welche fie anfallen
würben. — Lehmann 743. Lünig, R. 9. part. spec. cont. IV, 1,30. 156.
April 5. Conſtanz. Die NReichöftäbte, die den Bund haben um ben See, be=
fimmen im Auftrage des großen Bunbes in Schwaben ben Eid, welchen
die St. Galler dem Abte Cuno zu ſchwören haben. Es fiegelt bie Stadt
Gonftanz. — Tſchudi 1, 501. 157.
Quni 15. Speier. Die Stadt Pfeddersheim tritt mit Cinwilligung ihres
(Pfand:) Herrn Philipps, Herrn zu Yalfenftein und zu Müngenberg, in
ben Bunb ber Stäbte Mainz, Straßburg, Worms, Speier, Frankfurt,
Hagenau und Weißenburg, unb verpflichtet fich, zu ber großen Summe
mit brei Bleven, zu ber kleinen mit einer zu dienen. — Schaab I, 267
Nr. 203. 158.
uni 17. Speier. Die Reichsſtädte Augsburg, Ulm, Conſtanz, Eßlingen,
Reutlingen, Rotweil, Weil, Ueberlingen, Memmingen, Biberach, Ravens⸗
burg, Lindau, St. Ballen, Pfullendorf, Kempten, Kaufbeuren, Leutkirch,
Isny, Wangen, Buchhorn, Gmünd, Hal, Heilbronn, Wimpfen, Weins⸗
berg, Rörblingen, Dinkelsbühl, Rotenburg a. d. Zauber, Giengen, Bopfin-
gen, Aalen, Wyl im Thurgau und Buchau verbinden fih mit den Städten
Mainz, Straßburg, Worms, Speier, Frankfurt, Hagenau, Weißenburg unb
Pfeddersheim zu gegenfeitigem Schutze bi? Weihnachten 1384. Es fiegeln
bie ſämmtlichen ausftelenden (fhwäbifhen) Städte. — Lehmann 746.
Lünig, R. X. part. spec. cont. IV, 1, 30. Gebr ungenauer Auszug Reg.
Boica X, 75. 159.
Juni 17. Speier. Die Stäbte Mainz, Straßburg u. ſ. w. (alle mit Namen
aufgeführt) verjprehen ben Städten Augsburg, Ulm u, |. w. (gleichfalls
alle aufgezählt), wenn einer der genannten Herren, bie fie in ihrem Bünb-
niſſe ausgenommen baben, gegen fie etwas unternehmen würbe, ihnen auf
ergangene Mahnung Bin auch gegen dieſe beizuſtehen. Es fiegeln bie
fämmtlihen Städte. — Datt 54. Schaab IL, Nr. 206. 160,
Juli 3. Landshut. Die Baiernberzoge Stephan und Friedrich, Gebrüber,
bitten die ſchwäbiſchen Städte um Hilfe gegen bie Stadt Regensburg, und
erfuchen fie, diejelbe in feinem Fall in ihren Bunb aufzunehmen, dba fie in
offenem Kriege mit berfelben ſtänden. — Gemeiner II, 198. Reg. Boica
X, 76. 161.
Juli 3. Landshut. Johann, Landgraf zum Leuchtenberg, Graf zu Hals unb
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bes Herzogs Albrecht von Holland Pfleger in Nieberbaiern, erſucht die 1881:
ſchwäbiſchen Bundesftäbte, die Stadt Regensburg, welche den Herzogen in
Baiern feind ift, nicht in ihren Bund aufzunehmen. — Reg. Boiea X, 76;
vgl. Semeiner II, 199. 162.
Salt 6. Die Stabt Ulm giebt beit Bürgern von Regensburg Nachricht von
der Berbindung mit ben rheinifhen Stäbten, theilt ihnen insgeheim bie
ihr von ben Herzogen von Baiern und dem Landgrafen von Leuchtenberg
überfendeten Briefe abfchriftlich mit, und verfpricht, bei der auf den 7. Zuli
fegefeßten Zuſammenkunft ber Stäbte ihr Möglichftes zu Gunſten ber
Stabt Regensburg zu thun. — Beg. Boica X, 76; vgl. mit Gemeiner UI,
199. 163.
Juli 10. VBürgermeifter, Rath und Gemeinde zu Regensburg befennen, daß
fie binfichtlih der Yorderungen, welche Herzog Friebrih in Baiern und
Landgraf Johann zum Leuchtenberg zu ihrer Stabt von wegen der Juden
gehabt, gemäß Taiding des Herzogs Ruprecht des jüngfien bie Entfcheidbung
des römifchen Königd anrufen wollen. — Beg. Boica X, 77. &benbort
biefelbe Zufiherung von Seiten Herzog Friebrihg und Landgraf Johanns
von bemfelben Tage, in Donauftauf ausgeftellt. 164.
Sept. 2. Die Stadt Regendburg tritt in ben Bunb ber Stäbte Augsburg,
Um, Conſtanz, Ehlingen, Reutlingen, Rotweil, Weil, Ueberlingen, Mem⸗
mingen, Biberach, Ravensburg, Lindau, St. Ballen, Pfullendorf, Kempten,
Kaufbeuren, Leutfich, Jany, Wangen, Buchhorn, Gmünd, Hall, Heilbronn,
Wimpfen, Weinsberg, Nördlingen, Dinkelsbühl, Rotenburg a. db. Tauber,
Giengen, Bopfingen, Aalen, Wyl im Thurgau und Buchau, mit der Ver:
pflihtung, an ben Leiftungen für den Bund theilzunehmen, glei als ob
fie 800 Pfunb zum Reiche fteure, und dem Rechte, auf Bundestage zwei
Abgeordnete zu ſchicken. — Ueber bie Urkunde ber Stabt Regensburg |.
Gemeiner U, 201, bie Urkunde ber Bunbesftädte, welche Augsburg und
Ulm befiegeln, Reg. Boica X, 80. 165.
Sept. 2. Ulm. Die ſchwäbiſchen Bundesftäbte vernachrichten bem Grafen
Johann zum Leuchtenberg, Pfleger in Nieberbaiern, baß fie die Bürger
von Regendburg in ihren Bund aufgenommen haben, und fordern benfelben
auf, Feine Beſchwerung biefer ihrer Eidögenoffen zu geftatten. Es fiegelt bie
Stadt Ulm. — Gemeiner: U, 202. Reg. Boica X, 80. 166.
Sept. 4. Ulm. Die ſchwäbiſchen Bunbesftäbte laſſen den Marſchalk Heinrich
von Pappenheim willen, daß fie bie Bürger von Regensburg in ihren
Bund aufgenommen haben, und fordern denfelben auf, bie von ihm ge:
fangenen Bürger von Regendburg wieder ledig zu lafſen. — Reg. Boica
x, 80. 167.
Sept. 14. Die Stadt Ulm erläßt an die Stabt Regensburg eine Einladung,
ihre Boten den nächſten Miitwoch zu Naht vor St. Michaelstag (25.
Sept.) zu gemeinen Städten nah Ulm abzuorbnen, um in Saden bed
Bundes gegen bie Georgerhauptleute und wegen ber Herzoge von Defter:
veich, bie den Bund wider Colmar gemahnt haben, und ber Herren von
Baiern das Nützeſt unb bad Befte zu rather. — Genteiner U, 201. 168.
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1881. Oct. 18. (Freitag nach St. Gallentag, was Schaab unrichtig auf ben 23.
Dct. berechnet). Die freie Stadt Regensburg, welche dem Bund in Schwa⸗
ben beigetreten ift, verfpricht, da bie Städte diefed Bundes fih mit ben
Städten Mainz, Straßburg, Worms, Speier, Frankfurt, Hagenau, Weißen:
burg, Pfeddersheim, Schlettftabt unb Oberehenheim verbündet haben, auch
ihrerfeitß dieſes Bündniß zu halten und auf Mahnung bin 18 Bleven zu
ſtellen. Es fiegeln die Städte Negendburg und Augsburg. — Schaab II,
Nr. 208. 169.
Det. 31. Die Städte Schlettftabt und Oberebenheim verbünden fi) mit ben
Städten Mainz, Straßburg, Worms, Epeier, Yranffurt, Hagenau, Weißen:
burg und Pfeddersheim, welche fih mit einander und darnach mit den
Städten bed gemeinen Bundes in Schwaben vereinigt haben, und ver-
ſprechen, ben rheinifchen Städten zur großen Summe Sclettftabt mit acht,
Oberehenheim mit vier Blefen, zur Meinen Summe Sclettftabt mit zwei,
Oberehenheim mit einer, ben fchwäbifchen Städten zu ihrem Bunde
Schlettſtadt mit zweien, Oberehenheim mit einer zu warten. — Schaab II,
Nr. 209. 170.
1382.
1382. Febr. 21. Budweis. K. Wenzel fagt die Stadt Regensburg aller Anfprüche
und Forderungen ledig und los, welche Friedrich, Herzog zu Baiern, und
Hand, Landgraf zum Leuchtenberg, von bed Reichs wegen an bie Bürger
zu Regensburg binfichtlich der Juden gemacht haben. Reg. Boica X,88. 171.
April 8. Ehingen. Herzog Leopold, von ben Grafen Ludwig und Friedrich)
von Dettingen, der Stabt Rotenburg a. d. Tauber und der Stabt Nörb-
lingen einerfeit3, der Hauptleuten und der Geſellſchaft mit St. Jörgen in
Franken andrerjeit?, zum Schiedsrichter über ihre Kriege genommen, ftellt
eine Sühne zwiſchen ben beiben Parteien und ihren Helfern auf. Die
Helfer der erftern find bie Städte, die ben Bund mit einander in Schwahen
halten, bie der letztern bie Gefelfhaft mit bem Löwen zu Schwaben und
bie Geſellſchaft mit St. Wilhelm. — St. N. 172.
April 9. Ehingen, Die Hauptleute der Gefelfhaft mit St. Georg und bie
Geſellſchaft gemeinlich mit St. Georg verfprehen, fich wegen bed Krieges
mit Ludwig und Friedrich, Grafen von Dettingen, der Stadt Rotenburg
a. d. Tauber, der Stabt Nörblingen unb andern Herren und Städten, die
den Bunb mit ihnen halten, nach dem Ausfprude zu richten, ben Herzog
Leopold thun wird. Daffelbe verfpredhen bie Gefellfchaft mit dem Lömen
zu Schwaben und bie Gefelfhaft mit St. Wilhelm ſammt ihren Haupt:
leuten, al? Helfer der St. Georgengefelfchaft. — St. X. Das Datum
if: an Gutemtag nad d. 5. Oftertag, wofür Schmid Montag nah Oftern
giebt (7. April), Ich weiß nicht, ob guter Tag für Montag genommen
werden darf, wie man heutzutage auch noch die Montage, an denen nicht
gearbeitet wird, namentlich auch ben Dftermontag als gute Montage be-
zeichnet. Der Ausdruck: guter Tag ſchlechthin wirb fonft in ben biploma-
tiſchen Handbüchern immer als Mittwoch erflärt. Dafür, daß nicht ber
Mittwoch gemeint fei, könnte vielleicht der Umftaub fprechen, daß bie am
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9. April ausgeftellten Bündnigurfunden bie Bezeichnung Mittwoch haben, 1382.
unb anzunehmen wäre, daß bie Audfertiger ber Urkunden fih an demfel-
ben Tage auch berfelben Bezeichnung bebient hätten. Im Hinblid auf bie
vorhergehende Nunmer möchte man die Erflärung ald Montag vorziehen.
Doch laßt fi and fehr wohl denken, daß die fchon früher gegebene Er:
Märung ber Geſellſchaft erſt am 9. April urkundlich aufgeſetzt wurbe.
Bol. unten Nr. 217 f., 218, 219. 173.
April 9. Bunmdniß zwifchen 1) Herzog Leopold von Oeſterreich, 2) Graf Eber:
hard von Wirtemberg, den Hauptleuten der Gefellichaft mit dem Löwen zu
Schwaben, Graf Heinri von Montfort, Herrn zu Tettnang, Graf Alrich
von Wirtemberg und Graf Heinrih von Zoller von der Hobenzoller,
ben Hanptlenten ber Gefellihaft mit St. Wilhelm, ben Hauptleu:
tern ber Gefelfchaft mit St. Georg, und ben Herren, Rittern und
Nnechten gemeinlih in ben brei Gefellfchaften, und 3) der freien Stadt
Regensburg und ben Reichsſtädten Augsburg, Ulm, Conſtanz, Ep:
lingen, Reutlingen, Rotweil, Weil, UWeberlingen, Memmingen, Biberach,
Ravendburg, Lindau, St. Gallen, Pfullendorf, Kempten, Kaufbeuren,
Leutfich, Isny, Wangen, Rotenburg a. b. Zauber, Nördlingen,
Dinkelspihl, Hal, Gmünd, Heilbronn, Wimpfen, Giengen, Weinsberg,
Bopfingen, Aalen, Buhhorn, Wyl im Thurgau und Buchau, bie den
Bund mit einander halten in Schwaben. Es foll währen biß zum 6.
Sanuar 1384.
Ueber dieſes Bündniß hat jeder ber drei Theile jebem ber beiden an:
dern einen eigenen Brief ausgeſtellt. Die Briefe, melde Herzog Leopold
und die Städte den Grafen von Wirtemberg und ben Gefellfchaften ge:
geben, befinden ſich beide im Stuttgarter Archiv unter der Rubrik: Einun⸗
gen mit den Städten. Der bed Herzogs (gebrudt bei Sattler 172) ift in
Ehingen auögeftellt, derjenige ber Städte in Ulm. Die beiden Briefe,
welche Herzog Leopold erhielt, Tiegen nad Lichnowsky IV, Reg. 1663
1665, im k. k. a. A., ber bed Grafen unb der Nittergefellfchaften ift in
Ehingen außgeitellt, derjenige der Städte enthält Feine Ortsangabe. Von
den beiden, welche bie Stäbte empfangen haben, finden fi Abfchriften in
dem Memminger Copialbuche (f. ©. 5); der von Graf Eberhard und den
Geſellſchaften ausgeſtellte ift abgedrudt bei Datt 44. Sattler 171. Lünig,
MR. U. part. spec. cont. I, 2. Fortſ. 23. (Lichnowsly verwechſelt ihn
uungenauer Weife mit bem von Eberhard und den Gefellichaften an Leopold
außgeftellten). — Weber die Memminger Copien, welche ben Schluß ber Ur:
kunden abgefürzt geben, noch ber Abbrud bei Datt u. f. w. ber ben voll:
ſtändigen Schluß bat und wahrfcheinlich nach dem Driginalvriefe felbft
gemacht worden ift, enthalten eine Ortdangabe. — In allen Briefen werben
am Anfang alle drei Theile aufgeführt, doch fo, baß immer derjenige,
welchem der Brief gilt, gleich nach dem ausftellenden genannt wird, alfo
in den zuletzt genannten die Städte vor dem Herzog, in bem von ben
Städten bem Grafen und den Geſellſchaften gegebenen dieſe letztern eben:
falls vor dem Herzog u. f. w. 174.
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1382. Juni 6. Mainz Die Städte Mainz, Straßburg, Worms, Speier, Franf-
furt, Hagenau, Weißenburg, Schlettitabt, Ehenheim und Pfeddersheim
verlängern daß am 20. Merz 1381 gefchloffene Bündniß bi? zum 24. Juni
1392, — Saab II, Nr. 201. 175.
Suni 7. Ritter Konrad vom Stein, Unter-Landvogt in Oberſchwaben, und
Benz von Bochingen verheißen dem Grafen Rudolf von Hobenberg die
in bem Teidigungsbriefe mit Herzog Leopold wegen Friftverlängerung zur
Bezahlung bed Kaufſchillings für Hohenberg enthaltenen Artikel genau zu
erfüllen. — Lichnowsky IV, Reg. 1681. 176.
Juli 17. Conftanz Die Reichsſtädte, welche bag Bündniß haben um ben
See, ſchlichten durch einen Schiedsſpruch die Zwiftigfeiten des Abtes Cuno
und der Bürger von St. Gallen. Es fiegelt die Stadt Conſtanz. —
Tſchudi I, 504. 177.
Sept. 5. Budweis. K. Wenzel befiehlt den in ber Lanbvogtei in Ober:
ſchwaben Geſeſſenen, dem Herzog Leopold, als Landvogt in Ober: und
Nieber-:Schwaben, zu ſchwören unb gehorfam zu fein. Lichnowsky IV,
Reg. 1704. 178.
Sept. 5. Budweis. Derfelbe, Befehl an bie Angehörigen ber Landvogtei in
Niederſchwaben. — Lünig, Cod. dipl. Germ. II, 887, mit unrichtig berech⸗
netem Datum 1383, desgl. Wegelin 53 Nr. 54. Lichnowsky IV, Reg. 1801.
Es heißt: Budweiß am Freytag vor U. F. Tag, als fie geborn warb,
unferer Reiche des Wöheimifchen in dem zwaingigiften und bes Nömifchen
in den fiebenden Jahren. 179.
Sept. 8. Ulm. Spruch der Bunbesftäbte, baß Gotteszell ewig in der von
Gmünd Schub bleiben und dafür eine bedingte Jahresſteuer von 20 Gul-
ben an die Stadt entrichten fol. — Schmib. 100.
Sept. 24. Die Stabt Weglar tritt in den Bund der Stäbte Mainz, Straf:
burg, Wormd, Speier, Frankfurt, Hagenau, Weißenburg, Schlettitadt,
Ehenheim und Pfebdersheim, und verfpricht, zur großen Summe mit zehn,
zur Heinen mit drei Gleven zu bienen (wenn fi aber ihre Umftänbe
beffern, mit einer größern Anzahl), auch gelobt fie, das Vünbdniß ınit den
Städten des Bundes in Schwaben zu halten und ihnen mit brei Gleven
zu dienen. — Lünig, R. A. part. spec. cont. IV, 1439, 181.
Sept. 28. Die freie Stadt Regensburg, die Reichsſtädte Augsburg, Ulm,
Conſtanz, Eßlingen, Reutlingen, Rotweil, Weil, Ueberlingen, Memmin:
gen, Biberach, Ravensburg, Lindau, St. Gallen, Kempten, Kaufbeuren,
Pfullendorf, Leutlich, Jay, Wangen, Buchhorn, Buchau, Nördlingen,
Dinfelzbühl, Rotenburg a. d. Tauber, Bopfingen, Aalen, Giengen, Gmünd,
Hall, Heilbronn, Wimpfen, Weinäberg und Wyl im Thurgau verbünden
ſich bis zum 23. April 1395 zu gemeinfamer Hilfßleiftung wider Seber:
mann, der fie angreifen, befünmern, brängen ober beſchädigen wollte an
ihren Rechten, Freiheiten, Briefen, ober guten Gewohnheiten, die fie von
römischen Kaifern und Königen haben, oder mit Raub, mit Worb, mit
Brand oder unrechtem Widerfagen, ober es wäre mit Schatzung, mit Ver:
jeßen oder mit andern Sachen, Niemand ausgenommen, als allein bem
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Heiligen Reich feine Rechte zu halten und zu thun. Es fiegeln bie ſammt⸗ 1882. .
lichen Städte. — Urkunden 1 482.
Oct. 15 (Mittnod nah St. Dionpfientag). Die freie Stabt Regendburg
und bie NReichäftäbte Augsburg, Ulm, Conſtanz, Ehlingen, Reutlingen, \
Rotweil, Weil, Ueberlingen, Memmingen, Biberach, Ravensburg, Lindau,
St. Gallen, Heilbronn, Wimpfen, Nördlingen, Dinkelsbühl, Rotenburg
a. d. Zauber, Weinsberg, Aalen, ‚Bopfingen, Giengen, Wyl im Thurgau
und Budau verlängern ben Bund, den fie mit ben Städten Mainz,
Straßburg, Worms, Speier, Frankfurt, Hagenau, Weißenburg, Weblar,
Schlettſtadt, Ehenheim und Pfeddersheim am 17. Juni 1381 geſchloſſen,
bis Weihnachten 1391, und verfprehen, ihnen mit 218 Glefen bebolfen
zu ein. Es fiegeln alle Städte. — Schaab II, Nr. 216. 183.
(Oct. 15). Die Städte Mainz, Straßburg u. f. w. verfpfkchen den Städten
NRegendburg, Augsburg, Ulm, Conftanz u. f. w., baß, wenn fie die Städte
in ber Wetterau, Friedberg und Gelnhaufen, ober bie Reichsſtädte im
Elfaß in ihren Bund aufnehmen würden, fie biefelben ben Bunb mit ben
ſchwäbiſchen Städten auch kalten laſſen und diefen zu ben 104 Glefen,
die fie ihnen im Hauptbriefe zugefagt, noch ben vierten Theil ber Glefen
ftelien wollten, zu welchen biefe neu aufgenommenen Städte angeſchlagen
würden. Es fiegeln die Städte Wormd und Speier. — Schaab UI,
Kr. 221, 184.
(Oct. 15). Die freie Stadt Regensburg und bie Reihöftäbte Augsburg, Ulm,
Gonftanz u. ſ. w. verfprehen ben Städten Mainz, Straßburg u. f. wır
baß fie ihnen, wenn bie Städte Nürnberg, Windsheim und Weißenburg
in ihren Bund kämen, zu ben 218 Glefen bed Hauptbriefed 22 weitere,
im ganzen alfo 240 ftellen wollten. Es fiegeln die Städte Ulm und
Eplingen. — Schaab II, Nr. 222. 185.
(Dct. 15). Speier. Die freie Stabt Regensburg und bie Neichäftäbte Augs⸗
burg, Ulm, Gonftanz u. ſ. w. verſprechen ben Stäbten Straßburg, Mainz
u. f. w. mit welchen fie fi verbunden haben, daß, wenn einer ber im
Hauptbriefe audgenommenen fie bedränge, fie ihnen Hilfe gegen benfelben
leiften wollten, gleih als ob er nicht aufgenommen wäre. 3 fiegeln alle
Stäbte — Schaab II, Nr. 223. 186.
Rev. 7. Die Stadt Gelnhaufen tritt in den Bunb der Städte Mainz, Straß:
burg, Worms, Speier, Frankfurt, Hagenau, Weißenburg, Schlettftabt,
Ehenheim, Weblar und Piebbersheim, und verpflichtet fi, ihnen zu der
großen Summe mit ſechs, zu ber Kleinen Summe und zu dem Bunde zu
Schwaben mit zwei Glefen zu bienen. — Lünig, R. 9. part. spec. cont.
1V, 1440. 187.
Rov. 15. Die Stadt Friedberg verbündet fi) mit den Städten Mainz, Straß:
burg, Worms, Speier, Frankfurt, Hagenau, Weißenburg, Schlettftadt,
Ehenheim, Weblar, Gelnhauſen und Pfebbersheim, und mit ihnen zu ben
Stäbten des Bundes in Schwaben; fie verpflichtet fi, zu der großen Summe
mit acht, zur Heinen Summe und zu dem Bunde zu Schwaben mit zwei
Glefen zu dienen. — Lünig, R. U. part. spec. cont. IV, 1440, 188.
II. 10
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1882. Dec. 8. Burghaufen. Herzog Leopold befennt, ben Herzogen Stephan, Fried⸗
rih und Johann von Baiern verfprochen zu haben, im Fall die Reiche:
ftädte ober die mit einander verbundenen Geſellſchaften fie angreifen wür:
ben, ihnen beizuftehen. — Lichnowsky IV, Reg. 1748. Ebenbort 1749 das
gleiche Berfprechen von Seiten ber brei Baiernherzoge an Herzog Leopold. 189.
1383.
1383. Jan. 10 (an dem nechſten ſamßtag nad dem Baifigen Oberoften tag). Schult:
heiß, Richter, Bürger und arme Leute von Leonberg und von Cltingen
Ale mit Namen aufgeführt, verſchwören fi, nie bem Grafen Eberhard
oder feinen Erben oder der Herrfchaft Wirtemberg fich zu entziehen ober zu
entfremden, fonbern ewiglich unter ber Ietern zu bleiben und zu figen. —
Aehnliche Verfchreibung der Bürger zu Bradenbeim, ber Einwohner von
Haberſchlacht, Clebronn, Meimpheim, Nordheim, Haufen und Dürrenzim:
mern vom 11. Januar, der Dorfbewohner zu Gerringen, Weil, Mänchin⸗
gen, Höfingen und Dikingen vom 13. Jan. — Sattler 173. 174.175. 190.
Jan. 16. Die Städte Regensburg, Augsburg, Ulm, Conſtanz, Eplingen,
Neutlingen, Rotweil, Weil, Ueberlingen, Memmingen, Biberad, Raven:
burg, Lindau, St. Gallen, Pfullendorf, Kempten, Kaufbeuren, Leutkirch,
Isny, Wangen, Buchhorn, Gmünd, Hall, Heilbronn, Nördlingen, Dinkels⸗
bühl, Rotenburg a, d. Zauber, Wimpfen, Weinsberg, Aalen, Bopfingen,
Giengen und Buchau nehmen bie Städte Windsheim und Weißenburg in
ihren Bund auf, und geloben, biejelben getreuli zu ſchirmen. Mit den
Snfiegeln der Stäbte Ulm und Nörblingen. — Reg. Boica X, 106. 191.
Merz 11. Nürnberg. K. Wenzel richtet mit Rath Erzbifchof Adolf von
Mainz, Erzbifchofs Friedrichs von Köln, Pfalzgraf Ruprechts des ältern,
Herzog Wenzeld von Sachſen, der Bifchöfe Lampredt zu Bamberg, Gerhard
zu Wirzburg, Raben zu Eihftädt, Dietrich zu Negendburg uud Burkart
zu Augsburg, bed Herzogs Leopold zu Defterreich, der Baiernherzoge und
Pfalzgrafen Stephan, Friedrich, Johann und Ruprecht bes jüngiten, des
Markgrafen Wilhelm zu Meißen, des Burggrafen Friebrih zu Nürnberg
und ded Grafen Eberhard zu Wirtemberg, fo wie anderer feiner und des
Reichs Fürften, Grafen, Herren und Getreuen, einen Landfrieden auf, der
währen fol bis zum 23. April 1395, und beffen Glieder zu feiner Hand⸗
babung fih in vier Parteien gruppieren. — Basler gwB. fol. XXVII.
Wender, Apparatus 233, XLU, mit einigen Fleinen Lüden, wo, wie es
fcheint, die Schrift feined Originals verborben war. Aus Wender in ber
Neuen Sammlung der Neichdabfchiebe I, 88. 192.
Merz 14. Nürnberg. K. Wenzel gebietet allen Fürften, Grafen, Freien, Her:
ren, Rittern und Knechten, der Einung, welche er nah Rath ber Kur:
fürften und anderer Fürften, Grafen und Herren gemacht bat, beizutreten
und alle Bürgerrechte in Neichsftädten ober Verbindungen mit biefen auf:
zufagen; auch bevollmächtigt er alle Kurjürften, Fürften und Grafen, welde
in der Einung find, neue Mitglieder in diefelbe aufzunehmen. — Sattler
176. Im Basler gwB. fol. XXIX ohne Ort und Datum. 193.
April 6. Brugg. Herzog Leopold von Defterreih nimmt die Stadt Bafel in
147
ben Bund auf, ben auf Veranlaſſung ®. Wenzels Kurfürften, Fürſten, 1388.
Stäbte u. f. f. auf 12 Jahre beſchworen haben unb bie Stabt ihrerſeits
verpflichtet fich zu einer beflimmten Hilfsleiftung. — Basler Staatsarchiv
VV. F. 194.
April 22. Baden. Walther, Herr zu Altenklingen, Herzog Leopolds Landvogt
in Aargau ꝛc., veripriht, ba bie Stadt Bafel durch ben Herzog in ben
neuen Bund, ben 8. Wenzel mit Kurfürften, Fürſten u. f. w. errichtet,
aufgenommen worben fei, ihr, fo lang er Landuogt fei, nach Laut jenes
Briefes zu helfen, aud feinem andern Landvogt die Städte und Beſten
bes Herzogs abzutreten, es babe denn berfelbe den gleichen Eib geſchworen.
— Basler Staatsarchiv VV. Z. 195.
Imi 15. Biſchof Burkart, Dit von Sentheim Domprobft, Ulrich Burggraf
Dekan und bad Domcapitel zu Augsburg einestheils, dann ber Bürger:
meifter, die Räthe und Bürger der Stadt zu Augsburg anberntbeils ver:
gleichen fi auf Vermittlung der Städte des ſchwäbiſchen Bundes über
alle bisher zwiſchen ihnen beflandenen Irrungen wegen Binßgeltes, Bür:
gerrecht3, Wein- und Bierungelded. — Reg. Boica X, 116. 196.
Juli 25 (St. Jacobstag). Rotenburg a. db. Tauber. Die Stäbte, welche ben
Bund mit einander halten in Schwaben, entjcheiden ald Schiebärichter eine
Etreitfache zwifchen ben Städten Mainz, Straßburg, Frankfurt, Hagenau,
Weißenburg, Weblar, Friedberg, Gelnhaufen, Schlettfladt, Ehenheim und
Pfebdersheim einerfeit? und ber Stabt Speier andrerfeit3 wegen des kürz⸗
lich von letzterer aufgerichteten Zolled dahin, daß bderjelbe während ber
Zeit des Bundes nicht folle erhoben werben, und zahlen dafür ber Stabt
die Summe von 2000 Gulden aus. 3 fiegelt die Stadt Rotenburg. —
Schaab U, Nr. 226. 197.
Lug. 24. Zum Bettler (Zebrad in Böhmen). K. Wenzel verleiht dem Der:
zog Leopold bie Vogtei zu Wugsburg bis auf Widerruf, und befiehlt ber
Stabt Augdburg, ihm als Lundvogt geborfam zu fein und alle bazu ge:
hörigen Nupungen zu erfolgen, — Lichnowsky IV, Beg. 1796. 198.
Aug. 4. Prag. 8. Wenzel befiehlt der Reichsſtadt Ueberlingen, bie jährliche
Reichsſteuer dem Herzog Leopold auf Martini abzutragen. — Lichnowsky IV,
Beg. 1797. 19.
Aug. 24. Zum Petler. Derfelbe Befehl an die Reichsſtadt Buchau. — Lid:
nowäly IV, Reg. 1798. 200.
Aug. 24. Zum Petler. Derfeldbe an bie Reichsſtadt Kempten. — Lid:
nowsty IV, Reg. 1799. 201.
Dct. 16. Nürnberg. K. Wenzel überträgt dem Herzog Leopold von Defter-
reich, Landvogt in Schwaben, die Vogtei zu Augsburg, und ertheilt dem
bortigen Rathe ben Auftrag, demfelben gehorfam unb gewärtig zu fein. —
Reg. Boiea X, 121. 202.
Oct. 21. Reutlingen. Herzog Leopold von Oeſterreich gelobt Wernhard den
Vfettner, weldem er 100 fl. von wegen feiner Mubme, der Gräfin Anne
von Helfenftein geb. von Dettingen, jchulbig ift, bed Ainmannamtes zu Kauf:
beuten vor Bezahlung diefer Summe nicht zu entfeßen.—Reg.BoicaX,123. 203.
10°
148
83. Det. 31. VBürgermetfter und Rath zu Speier ſchicken dem Rath zu Frankfurt
die Abſchrift eines mit dem Siegel von Hall verfehenen, vom 28. Det ober
batierten Schreibend ber in Hall verfammelten ſchwäbiſchen Städte, bie
Anſprüche betreffend, welche K. Wenzel auf bie Juden zu machen gedenke.
Böhmer, Cod. dipl. Moenofr. I, 761. 204.
Nov. 25. Kontab vom Stein, Unter-Lanboogt in Ober:Schwaben, und Benz
von Bochingen verſichern dem Grafen Rubolf von Hobenberg, bie in dem
legten Teiding wegen Verlängerung ber Friſt zur Zahlung für Hobenberg
enthaltenen Artifel genau zu erfüllen. — Lichnowsky IV, Reg. 1826. 205.
1384.
84. Febr. 4 (Donnerdtag nad Lihtm.). Die Bürger der Stadt Selz treten in
ben Bunb der Gtäbte Mainz, Straßburg, Worms, Gpeier, Yrankfurt,
Hagenau, Weihenburg, Friedberg, Wehlar, Gelnhaufen, Schlettftabt, Ehen:
beim und Pfeddersheim, und verbünden fi mit ihnen zu ben Stäbten bes
Bundes in Schwaben. Gie verfprechen, bdiefen ihren Verbündeten zur
Ueberfahrt über ben Rhein bei ihrer Stabt ſtets zu Dienften zu fein und
in ihren Stößen mit ihnen auszuziehen zu Pferd und zu Fuß, als ob bie
Sache ihnen ſelbſt gefchehen wäre, doch fo, daß fie an demſelben Abend
wieder nach Selz kommen mögen. — Schaab U, Nr. 228. 206.
Gebr. 28. Die freie Stadt Regensburg und die Reichsſtädte Augsburg, Ulm,
Eonflanz, Eplingen, Reutlingen, Notweil, Weil, Ueberlingen, Memmingen,
Biberach, Ravensburg, Lindau, St. Gallen, Kempten, Kaufbeuren, Leut⸗
kirch, Isny, Pfullendorf, Wangen, Buchhorn, Buchau, Nördlingen, Din:
kelsbühl, Rotenburg a. d. Tauber, Gmünd, Hall, Heilbronn, Wimpfen,
Weinsberg, Bopfingen, Aalen, Giengen, Wyl im Thurgau, Appenzell das
Land, Windsheim und Weißenburg vwerbünden fih auf zehn Sabre mit
Harn Ulrich von Hohenloh. — Schmid, aus Hanfelmann, Beweis ber
Hohenloh. Lanbeshoheit J. — Aus eben bdemfelben bat es Zellweger, Urt.
I', CXXXII. (3ellm. vergikt bei ber Berehnung bed Datums „an bem
wißen Suntag“, daß 1384 ein Schaltjahr ift und ſetzt irriger Weife 27.
Febr.). 207.
Merz 10. Baden. Herzog Leopold von Oeſterreich befiehlt ſeinem Landvogt
in Schwaben, Konrad vom Stain von Reichenſtein, das Kloſter Königs:
brunn zu ſchirmen. Wegelin II, 54. Lichnowsky IV, Reg. 1849. 208.
April 22. Conſtanz. Die Neichsſtädte Conſtanz, Ravensburg, Lindau, Weber:
lingen, St. Gallen, Pfullendorf, Wangen, Buchhorn, Isny und Leutkirch
auf der Heide ſchließen mit Graf Heinrich von Montfort, Herrn zu Tett⸗
nang, einen Vertrag, daß er fünf Jahre lang Hauptmann ihres Bundes
um ben See fein und ihnen mit zehn Spießen dienen, bie fünf nächſtfol⸗
genden Jahre aber bei ihrem Bunde bleiben und ihnen mit Leib und But
gegen allermänniglih bebolfen fein ſolle. — v. Banotti, Geſchichte der
Grafen von Montfort und von Werdenberg 559. 209.
Mai 15. Hans von Sedenborf, genannt von Jagsperg, verpflichtet ſich gegen
bie Städte Megenäburg, Augsburg, Nördlingen, Rotenburg, Dinkelsbühl,
Windsheim, Weißenburg und Bopfingen, welche in dem Biertheil de
149
Bundes gu Schwaben find, benfelben mit vier Spießen, nämlich mit Conz 1384.
ZöUner von Sugenhem, Frib Ochs, Appel von Sedendorf von Snotzenbach
und Peter Swarkenberg, ein Jahr lang gegen männiglich beholfen zu fein
unb benfelben mit feiner Behaufung Jogsperg zu gemwarten. — Reg.
Boiea X, 133. 210.
Juni 1. mer von Ramftein, Biſchof zu Bafel, in feinem, feines Gapitels
unb ber Stift zu Bafel Namen, Johannes Puliant von Eptingen, Ritter,
Bürgermeifter und der Rath der Stabt Bafel in ihren und ber Bilrger
Ramen erflären ihren Beitritt zu dem Bunde, welchen bie Stäbte Regens⸗
burg, Augsburg, Ulm, Eonftanz, Eflingen u. f. w. gefchloflen haben. —
St. A. Basler gwB. fol. XIX.
Die vom 2. Juni bdatierte Begenverfchreibung ber freien Stadt Negens⸗
burg und der Reichsſtädte Augsbuͤrg, Um, Conſtanz, Eßlingen, Reutlin⸗
gen, Rotweil, Weil, Ueberlingen, Memmingen, Biberach, Ravensburg,
Lindau, St. Gallen, Pfullendorf, Kempten, Kaufbeuren, Leutfich, Isny,
Wangen, Nördlingen, Rotenburg a. b. Tauber, Dinfelsbühl, Windsheim,
Weißenburg, Hal, Heilbronn, Gmünd, Wimpfen, Weinsberg, Giengen,
Aalen, Bopfingen, Wyl im Thurgau, Buchhorn und Buchau, die den
Bund mit einander halten in Schwaben, befiegelt durch bie Städte Augs⸗
burg, Ulm, Gonftanz und Eflingen, befindet fich im Basler Staatsarchiv
VV. E. 211.
( ODhne Tag). Die Städte Mainz, Straßburg u. |. w. bekennen, daß fie Biſchof und
Stadt zu Baſel, die in den Bund der Städte Regensburg, Augsburg, Nürn⸗
berg u. ſ. w. getreten find, als ihre Eidgenoſſen behandeln werben, ba dieſe
Städte gelobt Haben, ihnen in Folge beren Aufnahme mit 14 Gleven mehr
als bisher zu warten. Es fiegeln bie Städte Wormd und Speier. —
Basler gwB. fol. LVIb. (Der Schluß, welcher das Datum enthalten follte,
iſt ausgelafien). 212.
Ami 18. Die Nürnberger bevollmäcdtigen ihre Bürger, Freunde und Math:
geſellen, Ulmann Stromeyr, Bertholt Pfinking, Jobs Tetzel und Eon:
rad ben Haller, ihre Stabt mit ben Städten Regensburg, Augsburg,
Um, Conftanz, Eßlingen, Reutlingen, Rotweil, Weil, Weberlingen,
Memmingen, Biberach, Ravensburg, Lindau, St. Gallen, Pfullendorf,
Kempten, Kaufbeuren, Leutlicch, Isny, Wangen, Buchhorn, Gmünd, Hall,
Halbronn, Nörblingen, Dinkelsbühl, Rotenburg a. d. Tauber, impfen,
Weinsberg, Aalen, Bopfingen, Giengen, Buchau, Windsheim, Weißenburg
unb mit den Städten allen, die ben Bund in Schwaben halten, zu ver:
bänden. — SQ 213.
Imi 21. Bürgermeifter, Räthe und Bürger zu Nürnberg erflären ihren Bei-
tritt zum Bunde ber Städte Regensburg, Bafel, Augsburg, Ulm, Eon:
Ranz, Eßlingen, Reutlingen, Rotweil, Weil, Ueberlingen, Menmingen,
Biberach, Ravensburg, Lindau, St. Ballen, Pfullendorf, Kempten, Kauf:
beuren, Leutfirh, Jany, Wangen, Hal, Heilbronn, Gmünd, Wimpfen,
Weinsberg, Nörblingen, Rotenburg a. b. Tauber, Dinfelsbühl, Windsheim
Weißenburg, Aalen, Bopfingen, Giengen, Buchhorn und Buchau mit bem
150
Borbehalt, daR fie im Fal einer Verlängerung bed Bündniſſes nicht ge-
bunden fein follten, Tänger bei bemfelben zu verbleiben, als bis zum 23.
April 1395, dem Ziel, bad ber jetzige Bunbdbrief weile, es geſchähe denn
mit ibrem guten Willen; ferner wirb befiimmt, daß ihre Leiftungen für
den Bund follten berechnet werben, gleich als ob ſie nur 800 Pfund Reichs:
fteuer bezahlen, und daß fie zu den Städtetagen zwei aus ihrem Natbe zu
f&iden Hätten. — St. U. 214.
Juli 21. Heidelberg. K. Wenzel befiehlt der Stabt Weinsberg, bie jährliche
Reichsſteuer an Herzog Leopolb zu entrichten. — Lichnowsky IV, Reg.
1861. 215.
Juli 22. Heibelkerg. Derfelbe Befehl an die Stadt Nördlingen. — Reg.
Boica X, 137. Desgl. an bie Stabt Augsburg. — Reg. Boica X, 137.
Desgl. an bie Stadt Kempten. — Lichnowsty IV, Reg. 1862. 216.
Juli 24. Heidelberg. K. Wenzel beftätigt die Stallung, bie er aufgerichtet,
und befiehlt allen barin Begriffenen, fie ftetiglich und feftiglich zu halten.
— Sattler 179. 217.
Juli 25. Heibelberg. K. Wenzel, der eine Stallung aufgerichtet hat zwiſchen
Fürften, Grafen, Herren, Rittern und Knechten einerfeitö umb ben Reichs⸗
ſtädten andrerfeitd, erflärt, baß bie letztern ihm verfprocden, Feine Eigen—
Jeute, die verſchworen hätten, nicht von ihren Herrn zu ziehen, auch Feine
unverrechneten Amtleute einzunehmen. — Sattler 177. 218.
Kult 26. Heidelberg. Die Städte Mainz, Straßburg unb Frankfurt für fich
und alle andern Städte an bem Rheine, im Elſaß und in ber Wetterau,
bie den Bund mit ihnen haften auf bem heine, und bie Stäbte Augs—
burg, Nürnberg unb Ulm, für fi und alle andern Städte in Ober: und
Niederfchwaben, an dem Rheine, in Franken und zu Baiern, bie ben Bund
mit ihnen halten in Schwaben, befennen, daß K. Wenzel zwifchen ihnen
und ben Fürflen und Herren, Erzbifhof Adolf von Mainz, Pfalzgraf
Ruprecht dem alten, Biſchof Gerhard von Würzburg, Herzog Leopold von
DOefterreih, YBurggraf Friedrih von Nüruberg, Graf Eberhard von Wir:
temberg und auch allen Kurfürften und Fürſten, geiftlihen und welt:
lichen, Grafen, Herren, Dienftleuten, Rittern und Knechten, und Stäbten,
bie fih zu dem Könige vereinigt haben, eine Stallung gemacht, welche
bis Pfingften über drei Jahre innerhalb genannter Kreife bauern foll, und
deren Theilnehmer einander gegen Raub, Morb, Brand und unrechtes
Wiberfagen zu fehlten verſprechen. — Basler gwB. Datt 55 (ben Erz:
bifhof von Mainz nennt er irrigermweife Rubolf, den Bifchof von Würzkura
Bernhard). Nah Datt: Sattler 178. Lünig, R. A. part. spee. cont. IV,
1, 35. — Schaab I, Nr. 230 giebt ungefähr das erfte Drittel.
Die Urkunde, welche bie Herren den Städten ausgeſtellt, befinbet fich
im St. A. — Sie fleht auch im Basler gwB. — Eingang und Ausnahmen
bei Bender, Apparatus ©. 246. Schaub Il, Nr. 231 mit einer großen
Lücke. 219.
Juli 27. Heidelberg. K. Wenzel mahnt den Herzog Leopold, ſich mit den Reichs⸗
ſtädten wegen ber Stadt Giengen zu einigen. — Lichnowsky V, Reg. 1865. 220,
151 |
Juli 28. Worms. 8. Wenzel verfpricht dem Herzog Leopolb von Defterreih, 1384.
ihm gegen bie Bürger ber mehreren Stabt Bafel behilflich zu fein, wenn
ea fih mit denſelben nicht vereinigen könne. — Basler Staatsarchiv
YY. A. 221.
Aug. 11. Lüpelburg K. Wenzel tbut den Städten in Ober: und Nieber-
ſchwaben fund, daß er Colman von Donerftein und Neplachen von Oſtrow
als Bevollmädhtigte zu ihnen fenben werde. — St. U. 222.
Aug. 31. Rotweil. Leopold Herzog zu Deiterreih quittiert bie Bürger zu
Kempten über den Empfang ber Steuer, welche fie ihm nad Laut feiner
Faiferl. Briefe von des Reiches wegen unb als Reichslandvogt ihrer Stabt
(folte bier nicht noch einzufügen fein: „und des Geldes, bad fie noch” ?)
Binfichtlich ber Löfung von Oberndorf und Schömberg zu entrichten haben.
— Reg. Boica X, 139. 223.
Aug. 31. Rottweil. Derfelbe quittiert der Stabt Memmingen den Empfang
ber ihm von Reid wegen und als Landvogt bed Reichs zu entrichtenbe
Steuer. — Beg. Boica X, 139. — Desgl. ber Stabt St. Ballen. Eben:
dort 139. — Desgl. ber Stabt Lindau. Ebenbort 139. 224,
Sept. 3. Nürnberg. Die ſchwäbiſchen Bundesſtädte erlaffen gemeinfame Straf:
urtheile gegen mehrere Bürger von Nördlingen, von Weißenburg, von
Windsheim, welche fih an Aufläufen bie Juden betreffend betheiligt haben.
— Basler gwB. fol. XXVib. 225.
Sept. 12. Nürnberg. Die Städte bed Bundes zu Schwaben befchließen, wenn
fih in irgend einer Stadt Aufläufe gegen ben Rath erheben follten, ge:
meinfame Maßregeln zur Unterdrüdung berfelben und zur Beſſerung der
Anftifter zu ergreifen. — Basler gwB. fol. XXVl. 226.
Oct. 18. Friedrich, Biſchof zu Eichſtädt, ſchließt ſich dem Bunde an, welchen
die Reichsſtädte Regensburg, Augsburg, Baſel, Nürnberg, Ulm, Conſtanz,
Eßlingen, Reutlingen, Rotweil, Weil, Ueberlingen, Memmingen, Biberach,
Ravendburg, Lindau, St. Gallen, Pfullendorf, Kempten, Kaufbeuren,
Leutlich, Isny, Wangen, Hall, Heilbronn, Gmünd, Wimpfen, Weinsberg,
Nördlingen, Rotenburg a. db. Zauber, Dinkelsbühl, Windsheim, Weißen:
burg, Aalen, Bopfingen, Giengen, Buchborn und Buchau in Schwaben
und Franken mit einander geſchloſſen haben, und zwar vom nächſten St.
Martindtage an auf 5 ganze Jahre, und verfpricht benfelben zu bienen
mit 16 Gleven, wohl erzeugten Leuten, acht Tage nach der Mahnung,
auch mit mehr, nach der Beflimmung beiberjeitiger Räthe; er öffnet alle
feine Schlöffer und Städte dem Bunde in dejien Kriegen und Nöthen. —
Reg. Boica X, 141. 227.
Dec. 7. Ravensburg. Jos ber Duttenhaimer ald gemeiner Mann, Brun
von Hertenftein, Conrad vom Stain, Nitter, Henggi Humpis und ber
Berner von Gmünd, Schieböleute von Herzog Leopold und der Stäbte
wegen, bie den Bund in Schwaben halten, thun hund, daß die bevollmäd;-
tigten Räthe bed Herzogs von Defterreih und Graf Rudolf von Hohen:
berg, fowie die Städte zu ber Minne und zum Recht auf fie gekommen
find wegen ber Stöße über bie Schlöffer Oberndorff und Schömberg und
152
41384. anberer Güter, fo bamit verfeht wären. Sie entſcheiden nun einhelliglich,
baß bie Städte dem Herzog gegen Empfang von 3500 XI. die beiden
Städte und alle andern Güter gänzlich losgeben, bie Reutlinger, von
benen ber von Hohbenberg behauptet, daß fie ihm vom Hauptgute noch
200 Fl. ſchulden, binnen breimal 14 Tagen beweiſen follen, baß fie bie-
felben entrichtet Haben, oder aber fie nachzahlen, und bie Rotweiler heraus:
geben, was fie etwa von ber gemeinen Städte wegen von ben Gerichten
von DObernborff und Schönberg über 245 Malter Korns unb 100 Pfunb
Haller eingenommen. — St. 4. 228,
1385.
1385. Jan. 11. Prag. K. Wenzel ermahnt bie Bürger zu Megenöburg, wegen
ihrer Handlungen gegen bie Juden bdafelbfi mit dem Herzog Albrecht in
Baiern, defien Pfand biefe Juden find, fich gütlich zu vereinigen. — Reg.
Boica X, 1-17. 229.
San. 11. Prag. K. Wenzel verheißt ben Bürgern zu Dinkelsbühl Hinfichtlich
ber @ült, welche fie ihm von den ingefeflenen Juden bafelbft zu entrichten
haben, daß fie an ihren erworbenen Nechten gegen erwähnte Juden un:
verkürzt bleiben follen. — Reg. Boica X, 147. 230.
San. 15. Prag. Gewaltbrief K. Wenzels für Landgraf Johann von Leud-
tenberg, auf nächſten Sonntag nad) Lichtmeß (5. Febr.) mit den rheinifchen,
ſchwäbiſchen und fränkiſchen Stäbten von des Neid Nothburft wegen
ohne Pramislau Herzog in Tefchen, feinen Oheim und Verweſer in beut:
fen Landen, ber zu bdemfelben Tag nicht kommen kann, zu taibingen,
daß fie in de Königs Dienft bleiben, und auch von wegen ber Zuben,
bed Reichs Kammerknechten. — Reg. Boica X, 147, 231.
San. 22, Albrecht, Herzog in Baiern, befennt, baß er an bie Bürger zu
Negendburg binfiätli ihrer Beſchwerung ber Juden daſelbſt feine Forde⸗
rung zu maden habe, und erläßt ben Juden ben Theil ber Gült, welchen
fie ihm noch zu entrichten hätten. Taibinger: Johann, Landgraf zum Leuch:
tenberg, Graf zu Hals und Pfleger in Nieberbaiern. — Reg. Boica X,
148, " 232,
San. 23. Die Stabt Regendburg verfpricht, die 5800 Fl., welche fie dem
Landgrafen Johann zu bem Leuchtenberg auftatt bed Herzogs Albrecht won
wegen der Juden zu Regensburg zu entrichten bat, bis Tommenden Sonn:
tag Judica (19. Merz) zu bezahlen. — Reg. Boica X, 148, 233.
Sehr. 21. Conſtanz. Die freien Städte Mainz, Straßburg, Worms und
Speier unb bie Neichsftäbte Frankfurt, Hagenau, Weißenburg, Weblar,
Schlettſtadt, Ehenheim, Friedberg, Pfebbersheim und Seltz, die den Bunb
halten bei bem Rheine, bie freien Städte Regensburg und Bafel, und bie
Reichäftädte Nürnberg, Augsburg, Ulm, Conſtanz, Ehlingen, Reutlingen,
Rotweil, Weil, Ueberlingen, Memmingen, Biberach, Ravensburg, Lindau,
St. Gallen, Kempten, Kaufbeuren, Leutkirch, Isny, Wangen, Buchhorn,
Gmünd, Hal, Heilbronn, Wimpfen, Nördlingen, Dinfel3bühl, Rotenburg
a. d. Tauber, Winböheim, Weißenburg, Weinsberg, Aalen, Bopfingen,
Giengen, Wyl im Thurgau, Pfullendorf und Buchau, die den Bunb in
153
Schwaben und in Franfen halten, verbünden fi mit benen von Zürich, 1988.
von Bern, von Solothurn, von Zug und bem Amt zu Aug bis zum 23.
April 1394, innerhalb genannter Kreife einander beizuftehen gegen Alle,
die fie an Leib und Gut, an Ehren, an ihren Nechten, Freiheiten unb
guten Sewohnbeiten angreifen würden. Zwei gleichlautenbe Briefe, beide
verfiegelt durch bie fchwäbifchen Stäbte (in ihrem unb ber rheintfchen
Namen) und die fchweizerifchen, werben barüber ausgeſtellt. — Basler
ewB. fol. XXIb. Tſchudi I, 512 (einige Eigennamen find entſtellt). Leh⸗
mann 748. 749, vervollfländigt durch 751 — 753. Lünig, R. X. part.
spee. eont. IV, 1, 89. 234,
zebr. 21. Luzern. Die Stabt Luzern verpflichtet fi, ber Stabt Zürich, jo
lange beren Bündniß mit ben Reichsſtädten währe, nach Laut ihres ewigen
Bundes auf jede Mahnung bin Zuzug zu leiſten und zu helfen, gegen
wen eB fei, innerhalb ber Kreife, welche die Bünde Luzerns mit Zürich,
Uri, Schwyz und Unterwalden weifen. — Tſchudi I, 516. — Basler gwB.
fol. XXI, ohne Ort und Datum. Auch in einem Memminger Copialbuch
(j. oben ©. 5). .
Die Gegenverfchreibung ber Zürcher, in welcher fie verfprechen, falls
fie von den Luzernern um Hilfe gemahnt würben, zu beren Gunſten bie
Reichsſtädte zu mahnen, findet fich, gleichfalls ohne Ort und Datum, im
Basler gwB. fol. XXI. 235.
Merz 24. Ulrich Gutterolf Ritter, VBürgermeifter, der Rath und bie Bürger
ber Reichsſtadt Mülhaufen, im Basler Bisthum gelegen, erflären ihren
Beitritt zum Bunde der Städte Bafel, Regendburg, Nürnberg, Angsburg,
Um, Conſtanz, Eßlingen unb viel anderer Stäbte, bie ben Bunb zu Schwa⸗
ben mit einander halten. — St. X.
Ser Brief, welchen bie Bunbesftäbte Baſel, Regensburg, Augsburg,
Rürmberg, Ulm, Conftanz, Ehlingen, Reutlingen, Rotweil (hier wirb im
Driginal wohl Weil gefolgt fein), Weberlingen, Memmingen, Biberach,
Ravensburg, Lindau, St.Gallen, Pfullendorf, Kempten, Kaufbeuren, Leut:
fırd, any, Wangen, Nördlingen, Rotenburg a. db. Tauber, Dinkelsbühl,
Windsheim, Weißenburg, Hall, Heilbronn, Gmünd, Wimpfen, Weinsberg,
Giengen, Aalen, Bopfingen, Wyl im Thurgau, Buchhorn und Buchau,
der Stadt Mülhaufen ausflellten, war befiegelt mit deren von Bafel, Ulm,
Eonftanz und Ravensburg Infiegeln. Die Stadt Mülhaufen beſchwor
den Bund unter ihrem Bürgermeifter Ulrih von Dornach, genannt Outerolff,
in Beifein Hand Puliants von Eptingen, Rudolf Vicedoms unb Heinrich
Murnharts, der Räthe zu Baſel, Hannfen des Schwartzen von Eonflanz
und cine von Ravensburg. — af, Heinrid) Betri, der Stabt Mühlhauſen
Geſchichten. Herauögegeben Mühlh. 1838. ©. 88. Er giebt (aus Ber:
fehen?) als Tag bed Schwurs ben Freitag vor Lätare (10. Merz) an,
während das Datum ber Urkunde im St. A. Freitag vor Balmtag if. 236.
April 7. Wolfhart und Hans bie Zenger machen ſich verbindfich, die nächſt
fommenben zwei Jahre, von Georgi (23. April) anfangend, wider bie ge-
meinen Gtädte des Bundes und wiber bie Stabt Regendburg nichts Nach⸗
1385. theiliges zu unternehmen, es gienge denn gegen bie Herten von Baier,
biefen würden fie bebolfen fein. — Reg. Boica X, 153, 237.
Mai 23. Die Bürger und ber Rath ber Stadt zu Schweinfurt vereinen fich
mit ben Reichöftädten, welche ben Bund mit einander halten in Schwaben,
Franken und Baiern, boch mit der Bebingniß, baß fie ihrem Herrn, bem
Bifchof zu Würzburg, zuerft ihre Lofung anbieten, bie zwifchen und dem
nächſten St. Martinstage (11. Noobr.) oder 14 Tage darauf. — Reg.
Boica X, 157. 238,
Mai 24. Eberhard und Michel die Hofferer geloben mit ihrer Veſte Neubaus
gegen die Stabt Regensburg und die Bundesſtädte die nächſtfolgenden brei
Sabre nichts unternehmen und denfelben außer genen Baiern gegen aus:
wärtige Eingriffe beiftehen zu wollen. — Reg. Boica X, 157, Bergl.
Gemeiner II, 220 und 221 Anm. 239,
Juni 12. Friedrich, Pfalzgraf bei Rhein und Herzog in Baiern, Niclauz,
Biſchof zu Eonftanz, Johann, Landgraf zum Leuchtenberg und Graf zu
Hals, Heinrich von der Tuben und Ulrich von Hohenloh, von 8. Wenzel
beauftragt, mit den Städten Bafel, Augsburg u. f. w. von ber Juden
wegen zu tädingen, verkünden bie Webereinfunft, welche fie mit denfelben
getroffen: Die Städte entrichten dem König, ober wen er ed verſchafft,
bis Lichtmeß über zwei Jahre (2. Febr. 1388) 40000 FI. rhein. Ver:
ſchafft der König dag Geld irgend einem Yürften, Grafen, Herm ober
fonft Jemanden, fo follen die Stäbte, in welchen diejelben Tuben Schulden
haben, von biefen glei fo viel austilgen, ald die Summe beträgt, welche
fie nad) dem Anfage der Städte an bie 40000 Bulben zu zahlen haben.
Berfchafft es der König Niemanden, jo follen fie ihm gleih von bem
erften baaren Gelde, das ihnen von den Juden eingeht, an die 40000 Fl.
zu bezahlen anfangen. Außerdem werben in Betreff ber Judenſchulden
folgende Anordnungen getroffen: bie Summen, welche bie Juden innerhalb
Jahresfriſt ausgeliehen haben, erhalten fie ohne Zinfen zurüdbezahlt, bei
ältern Schulden bagegen werben Hauptgut und außjtehende Zinfen zufanı-
mengeredhnet, und nad Abzug eines Viertel der fid) ergebenden Summe
über die andern brei Viertel als über ein neued Hauptgut fichere Pfänder
audgeftelt. Zur Berichtigung biejer Angelegenheit werben jemweilen vier
Männer niebergefeht, wovon zwei der Schuldner, zwei bie betreffende Stadt
ftellt; wenn nötbig, nehmen biefe noch einen gemeinen Mann; Können fie
fi über einen folchen nicht vereinigen, fo geben Lanbgraf Hans zum Leudh:
tenberg und Berdtold Pfinging, Bürger zu Nürnberg, einen im Namen
der Städte. Diefe Vereinigung foll gefchehen bis nächſten St. Bartholo⸗
mäustag (24. Aug. 1385), zum Zahlen haben bie Schuldner Friſt bis
zum 2. Februar 1388 fo, daß fie jührlih 10 Procent Zins zahlen; die
Räthe der Städte Türmen ihren Bürgern auch über bie beftinmte Zeit bin:
aus Friſt geben. Wer fidy gegen biefe Thäding feht, gegen ben bürfen die
Stäbte einander beholfen fein, auch haben fie bad Recht, mern nach dem
geſetzten Ziel die Schulden nicht bezahlt werben, die Pfänder anzugreifen.
Au Sgenommen von biefer Uebereinkunft find bie von Dintelsbühl, welche
155
bei berjenigen bleiben, bie fie früher für Ihre Juben mit bem Könige ge: 1885.
troffen. ,
Weber biefe Uebereinkunft foll mit den Worten, in welchen fie getroffen
werben, ber König ben Städten einen mit feinem Majeſtätsinſiegel ver:
fehenen Brief geben, überdies bat er ihnen noch zwei andere auszuſtellen,
deren Wortlaut angegeben wirb.
Im erften eritfagt er den Städten gegenüber jeglihem Zufpruh um
alle das, befien fie von ben Juden biäher genoflen haben ober bis zum
2. Yebruar 1388 von des Geldes wegen, das fie ihm verſprochen haben,
genießen werben, unb verordnet, daß Juden, welche aud ben Stäbten ent:
weichen, ehe biefe das verſprochene Selb ganz entrichtet haben, von ben
Fürften oder andern GStäbten, zu welchen fie geflüchtet, follen ausgeliefert
werben.
Im zweiten ertbeilt er ben Städten bie Freiheit, fürbaß mehr Juden
in ihre Städte aufzunehmen, alfo, daß fie von dem, was fie vom 2, Februar
1388 an von benfelben genieken, ihm und bem Reiche das Halbe geben,
koch unſchädlich ben Städten, welche vormals PWreiheiten der Juden halben
empfangen baben, und den Juden, die vom Reiche verſetzt find. Solche
Stäbte treten dann nad Ablauf ihrer Altern Freiheiten in ben Genuß ber
in biefem Briefe enthaltenen, wenn fie es nicht vorziehen, biefelben fchon
früber anzunehmen.
Außerdem foll der König noch ben Städten Briefe unter feinem Da:
jeftätzfiegel geben über die Münze in der Weife, wie fie mit Landgraf
Hanſen vormals übereinfommen find. Alle diefe Briefe werben ihnen in
Monatsfriſt nah Ulm geſchickt, wofür fie 4 Gufden an die Kanzlei ent:
richten. — Der Vertrag im Basler gwB. fol. XXIVb., die betreffenden
Föniglihen Briefe |. Nr. 243. 248, 249. 240.
Sani 13. Ulm. Landgraf Johann zum Leuchtenberg, Graf zu Hals, und
Berchtold Pfinking, Bürger zu Nürnberg, geben nach Laut bed Briefes,
in welchem Landgraf Johann, Herzog Friedrich von Baiern, Biſchof Niclaus
von Eonftanz, bie eblen Herren Heinrich von ber Tuben und Ulrich von
Hohenloh nah Anweifung des Königs mit ben Gtäbten gemeinlidh, bie
ben Bunb mit einander halten in Schwaben und in Franken, eine Täbing
aufgerichtet haben, für ben Fall, daß Städte einen gemeinen Mann nöthig
haben, den Städten Augsburg, Nürnberg, Ulm, Rotenburg a. d. Tauber,
Windsheim und Weißenburg als ſolchen Herrn Hand von Steinach, zu
ben Zeiten Bürgermeifter zu Regenöburg, den von Bafel und allen andern
Städten unter der Alb, an bem See und im Albgäu Henggin Huntpis,
Bürger zu Ravensburg. — Gt. U. Beg. Boica X, 158. 241.
Juni 15. Ulm. Die [hwäbifchen Bunbesitäbte Tchlichten eine Zollſtreitigkeit
zwifchen ben Städten Nürnberg unb Bafel, welde ihnen bazu volle Ge:
walt ertbeilt haben. Es fiegelt bie Stadt Ulm. — Basler Staats archiv
Bı. JJ. 242.
WA 2. Bern (Beraun in Böhmen?). K. Wenzel verfündet den Gtäbten
Augsburg, Nürnberg, Ulm, Gonflanz, Eßlingen, Reutlingen, Rotweil,
167
NRörblingen, Rotenburg a. b. Tauber, Gmünd, Hall, Heilbronn, Dimkels⸗ 1885,
bũhl, Windsheim, Weißenburg, Wimpfen, Weindberg, Giengen, Walen,
Bopfingen, Wyl im Thurgau, Buchhorn und Budau, ben in ber Ueber:
einfunft vom 12. Juni erwähnten Brief, die fernere Aufnahme von Juden
beireffenbd, ſ. Rr. 240. — St. A. in einem Vidimus vom 20. April 1391. 249.
Yali 17. Zu Burgleind. 8. Wenzel befiehlt den ſchwäbiſchen Reihaftäbten,
ba fie von ben 40000 @ulben, welche fie ihm von ber Juden wegen zu
entrichten haben, 3000 @ulben feinen Räthen, Niclauß, Bifchof zu Eon:
ſtenz, Johann, Landgraf von Leuchtenberg, und Heinrich von ber Duben
bezahlen follen. — Reg. Boica X, 161. — Den 31. Juli ftellen biefe brei
ber Gtabt Nürnberg über ben Empfang ber 3000 Gulden eine Quittung
aus. — Reg. Boica X, 162, 250.
Kg. 4. Johann, ber junge Landgraf zum Leuchtenberg, Graf zu Hals, be
teunt, von den Bürgern zu Nürnberg bie ibm vom König Wenzel anges
wiejenen 400 Fl. erhalten zu haben. — Reg. Bolca X, 162. 251.
Ang. 17. Bern (Beraun?). R. Wenzel meldet allen Fürſten u. |. w. und be Reiches
Städten Gonftanz, Augsburg, Ulm, Eßlingen, Lindau, Ravensburg, St.
Gallen, Rotweil, Reutlingen, Nördlingen, Biberach, Dinkelsbühl, Mems
mingen, Pfullendorf, Hal, Buchau, Buchhorn, Kempten, Wangen, Isny,
Heilbronn, Wimpfen, Weil, Kaufbeuren, Leutfirh, Bopfingen, Giengen
und allen in Ober: und Niederfhwaben Gefeilenen und in die bortige
Landvogtei Gehörigen, daß er die Lanbvogteien Ober: und Nieberfchmaben,
welche bem Herzog Leopolb verfchrieben geweſen, wieber ans Reich gezogen,
ben Herzog und wer von feinetwegen Unterlanboogt gewefen, abgefegt und
bie Landvogteien von feinet und bed Meiches wegen bem Edlen Wilhelm
dem Frauenberger, feinem Hofgefinde, Diener und lieben Getreuen, em:
pfoblen habe. — St. U. 252.
Sept. 1. Bern (Beraun?). K. Wenzel dankt ben Städten Augsburg, Ulm, Eßlin⸗
gen, Reutlingen, Rotweil, Memmingen, Leutkirch, Isny, Kempten, Wangen,
Biberach, Giengen, Bopfingen, Nördlingen, Dinkelsbühl, Aalen, (Kauf:)
Beuren, Gmünd, Hall, Heilbronn, Wimpfen, Weinsberg, Rotenburg a. d.
Zauber, Winbeöperg (d. h. Windsheim) unb Nürnberg, baß fie feines
Gebotes und Geheißes wegen ben Unglauben bed Widerpabſtes Ruperti
von Genf, der ſich Clemens nennt, tin beutfchen Landen und namentlich
im Bistbum Conſtanz geftört und abgetban, ermahnt fie, da Rupert auch
im beutfchen Landen Anhang habe, eifrig auf bem betretenen Wege fortzu:
fahren, alfo baß in benfelben bdeutfchen Landen chriftliher Glaube und
Gehorſam des allerheil. in Gott Vaters, Herrn Urbans VI, Pabſtes zu
Rom, geftärkt und gehalten werbe; fie follen die Anhänger bed Gegenpabfteg,
wer fie auch feien, angreifen. Dies unter bes Neichs Panier auszuführen,
habe er vormals feinem und bed Reichs Landvogt in Ober: unb Nieber:
ſchwaben fowie ben Städten Vollmacht ertheilt. — St. U. 253.
Det. 9. Der Rath ber Stabt Nürnberg verfpricht, dem Bürgermeifter unb
dem Rath der Stadt Negensburg hinſichtlich ber widerrechtlichen Eingriffe
des Hans Auer, dann wegen wiberredtlicher Unforberung von Geite bes
158
1388. Burngrafen von Nürnberg ketreffö bed Zolles behilflich zu fein. — Reg.
Boica X, 167. Nach Gemeiner II, 221 wurbe über biefe Angelegenheit
am 13. October in Weißenburg getagt. 254,
Dct. 15. Zum Burgleind. K. Wenzel weift bie Stäbte Conſtanz, Augsburg,
Nümberg, Ulm, Eplingen, Reutlingen, Weil, Weberlingen, Memmingen,
Biberach, Ravendburg, Lindau, St.Gallen, Pfullendorf, Mülbaufen, Kemp:
ten, Kaufbeuren, Leutlirh, Jay, Wangen, NRörblingen, Rotenburg a. b.
Tauber, Omünd, Hall, Heilbronn, Dinkelsbühl, Windsheim, Weißenburg,
Wimpfen, Weinsberg, Giengen, Aalen, Bopfingen, Wyl im Thurgau,
Buchhorn und Buchau an, dem edlen Gerlach von Hohenloh von den
40000 der Juden wegen verjprochenen Gulden 4300 einzubändigen, worauf
er ihnen eine Quittung augftellen werde. — St. U. 255.
1386.
1386. Febr. 21. Die Stabt Ulm benadridtigt den Rath ber Stabt Regensburg,
daß bdiefe bei ber abgehaltenen Stäbtezufammenfunft auf 394 Bund
16 Schock italiger Haller (die madten 343 Ungariſche Gulden 6 Schill.
Haller) angefhlagen worden. — Gemeiner II, 224, 256.
Gebr. 22. Schultheiß, Räthe und Bürger der Stadt Luzern, Ammann, Räthe
und Bürger der Stadt Zug und dad Anıt Zug, Bürgermeiiter, Räthe und
Bürger ber Stadt Zürich, die Landammänner und bie Landleute der drei
Länder Uri, Schwyz unb Unterwalden befennen, bag durch ihre befonterz
guten Freunde, bie Herren von Straßburg, Bafel, Regensburg, Augsburg,
Couſtanz, Ulm, Rotweil, Nördlingen, Ravensburg, Ueberlingen und Diem:
mingen zwijchen ihnen und dem im Krieg mit ihnen befindlichen Herzen
Leopold von Defterreih ein Stillftand errichtet worden fei bis auf ben
Sonntag zu audgehender Pfingſtwoche (17. Juni). Es fiegeln die aus—
ftellenben Orte, ferner Eberbarb von Mülnbein, Ritter, von Straßburg,
Ehunr. zer Sunnen von Bajel, Johans Vend von Augsburg, Ulr. Habch
von Conftanz, Peter Loijw von Ulm, Wilheln Meijenberg von Ravens-
burg und Heinrich Brümfi von Weberlingen. — Schweizerifcher Geſchichts⸗
jorſcher X, 233. 257.
April 29. Brugg (im Yargau). Herzog Leopold zeigt den Freiburgern im
Breidgau, benen er früher die gegen fie erhobenen Klagen ber Reichäftädte
mitgeteilt bat, an, daß auch die Basler ſich beflagen, es würden ihre
Bürger dur den Stag, Bürger zu Freiburg, ungerechter Weife befümmert,
bamit fie auf bem Tag zu Baben fi) biegegen zu verantworten müßten.
— Schreiber, Urkundenbuch der Stadt Freiburg H, 1, 48. Lichnowsky
IV, Reg. 1989. 258.
Mai 1. Die von Züri, von Bern, von Solothurn, von Luzern und von
Zug [reiben dem Math zu Frankfurt, daß zur Veilegung ihrer Streitig-
feiten mit Herzog Leopold von Defterreih ihre Cidgenofien, die von Straß:
burg, von Mainz, von Speier, von Bafel und die Reichsſtädte zu Schwa:
ben und in Franken wiederum einen Tag gen Züri auf Sonntag vor
Pfingſten (3. Juni) angejagt, und bitten ihn, feine Boten dahin zu ſchicken.
— Böhmer, Cod. dipl. Moenofr. I, 763. 259.
Rai 15.
158
im Hargau, Thurgau und auf dem Schwarzwald, Graf Rudolf von Sultz,
Heinrich von Randegg, Bogt zu Schaffhaufen, Hennmann von Bubenborf
und Wernder Shen? von Bremgarten find als Bevollmächtigte bed Her:
zogs mit den ehrbarn und weifen Jos Deplin von Nürnberg, Peter Götz⸗
mann von Gflingen, Jos Tütenheimer, Bürgermeifter zu Memmingen,
und Glaud Beiferer, Bürgermeifter zu Ueberlingen, ben Boten ber Reichs⸗
ſtädte, welche den Bund zu Schwaben mit einander halten, einer freund:
Ugen Thäbing übereingefommen, in welcher verfchiedene Beſchwerden ber
Städte Baſel, Ulm, Augsburg, Rotweil, Ueberlingen, Reutlingen, Ravens-
burg, Biberach, Rotenburg a. b. Tauber und Conſtanz theils erledigt,
tbeils zur gänzlidden Erledigung durch befonbere Schiebögerichte vorbereitet
werben. — Urt, im St. A. — Außerdem ein Entwurf auf Bapier in ber
Shmibfden Sammlung fasc. II, Nr. 1. . 260.
Alt 11. Gonflanz. Rudalf von Hallwyl, Hana Schultheiß von Schafihau⸗
fen, Ritter, Heinri von Nanbegg, Vogt zu Schaffhaufen, Heinrich Roſegg,
Altammeifter der Stadt Bafel, und Hand Wernher Tyröweler, Bürger ba-
ſelbſt, entfcheiden in Betreff der Stöße, Forderungen und Anſprachen,
welche bie Bürger von Bafel an Herzog Leopold haben von wegen der
Städte und Velten Wietliſpach, Erlifpurg, Bipp, Neu-Bechburg unb an⸗
berer Dörfer und Güter, weldhe dazu gehören, baß ber Herzog ben be:
treffenden, mit Namen genannten Bürgern von Bafel, welchen rau Anna
von Nidau, Graf Hartmanns von Kyburg fel. ehelihe Hausfrau, ferner
Graf Rubolf fel. von Kyburg, Landgraf zu Burgund, und Graf Egen
von Kyburg, ihre Söhne, Graf Rudolf fel. von Neuenburg, Herr und
Graf zu Ridau und zu Froburg, näber bezeichnete Geldſchulden auf bei
genannten ütern verkauft haben, und benen bisher bie Zinfe verfeflen
worden find, entweber die betreffenden Unterpfänder einzubänbigen oder
ihnen neue Briefe in feinem Namen auszuftellen habe. — Basler gwB.
fol. XLVI. 261.
Jali 26. Die Bürger zu Regensburg ſchwören, in ber Zeit des Kriegs treu-
li bei einander zu bleiben mit Leib und mit Gut, und an einander ge:
ratben zu fein und zu gehorfamen, wenn die Achte an Roffen unb Sölb-
nern anlegen. — Gemeiner U, 229. 262.
Yali 28. Der Rath zu Regensburg macht bekannt, daß, wer etwas in die
Stadt flüchte, Getreide, Roſſe, Bettgewand, Vieh, ober was es fei, ber
jolle für feine Berfon ſowohl als für fein Hab und Gut Sicherheit und
Geleit Haben und dafelbfi von Niemanden um felbes belangt werben
fonnen.
An bemfelben Tag eröjinet der Rath allen Leuten männlichen Geſchlech⸗
teß, welchen in vorbergegangener Zeit die Stadt verboten geweien, bie
Rüdkehr, mit Ausnahme ber Mörder, Kirhbrücel und Morbbrenner. —
Gemeiner II, 227. 263.
Nug. 3. Mergentheim. Friedrich, Pfalzgraf bei Rhein und Herzog in Baier,
Biſchof Lampredt von Bamberg, Giegfrieb von Venningen, Meifter des
Baben. Hans Truchſeß zu Walbburg, Herzog Leopolds Landvogt 4988,
160
deutihen Ordens in beutichen Landen, unb Graf Heinrich von Spanheim, zur
Schlichtung etlicher Zweiungen zwifchen mehreren Fürften und Herren und
den Städten, bie ben Bund halten in Schwaben (von Seite ber Herren),
als Schiedsrichter aufgeitellt, verfünden ben Ausfpruch bed Schlebsgerichtes:
Die Streitigkeiten zwiſchen dem Burggrafen von Nürnberg unb ber Gtabt
Nürnberg, die Geleite und Zölle um Nürnberg betreffend, anbere Stöße
zwiſchen bem Burggrafen unb den Städten Nürnberg, Rotenburg und
Windsheim, zwiſchen Bifhof Gerhard zu Würzburg unb ben GStäbten
Rotenburg, Windsheim, Schweinfurt, Hall, Heilbronn und Nürnberg,
zwifhen Herzog Stephan von Baiern und ben Städten bed Bundes,
zwifchen Graf Eberhard von Wirtemberg einerfeits, den Stäbten unter
ber Alb und der Stabt Ulm andrerjeits, zwifchen Herzog Friedrich von
Ted und den Stäbten Augsburg, Nörblingen, Gmünd, Memmingen, (Kauf:)
Beuren, zwifchen den Grafen Ludwig und Friedrich von Dettingen unb
den Städten Nörblingen, Dinkelsbühl, Bopfingen und Aalen, werben be:
fondern Schiedsgerichten zur Schlichtung überwiefen, Eßlingen fol ben
Grafen Eberhard von Wirtemberg im Befige ber Vogtei zu Nellingen nicht
irren, bie Stadt Rotenburg den Biſchof von Würzburg und ben Burg:
grafen von Nürnberg, auch ihre Diener und Bauern nicht vor das Bericht
daſelbſt laden, bie Fehde zwifchen Markgraf Rudolf von Baben und etlichen
Rotweilern beigelegt fein, die Pfalbürger, bie von beiden Sciten nach Ab⸗
ſchluß ber Heidelberger Einung aufgenommen worben, follen wieder ent:
laffen werben. — St. 4.
Die am gleihen Tage von ben ftäbtifchen Schiebärichtern Hans von
Steinah, Nitter, Bürgermeifter zu Regensburg, Cunrad Ilſing, Bürger
zu Augsburg, Bertold Pfinkinger, Bürger zu Nürnberg, und Peter Leo,
Bürger zu Ulm, erlafiene Urkunde gleichen Inhalts ſteht bei Lehmann 761,
und nah ihm bei Lünig, R. U. part. spec. cont. IV, 1, 43. ©. aud
Reg. Boica X, 188. 264.
Sept. 1. Städtezuſammenkunft in Eßlingen. Gemeiner II, 225. 265.
Det. 5. Lamprecht, Bifchof zu Bamberg, erkennt als erwählter Schiebärichter
zwifchen dem Bilhof Gerhard zu Würzburg und ben Bürgern von Winds:
beim hinſichtlich der Anſprüche des genannten Biſchofs auf das Gericht zu
Rotenburg und binfichtlih ber Aufnahme von Pfalbürgern, daß es be:
züglich des erſten Punktes bei den fein Verbleiben haben folle, was bie
Fürften unb Herren eincrfeitd und die Städte andrerfeitd zu Mergentheim
getaibingt haben, dann, daß Feiner der beiden Theile aus bed anbern
Gebiet Leute ald Bürger aufnehmen folle, bie dann wieder auf ihre
Güter ziehen und ihren Herren feine Dienſte thun. — Beg. Boica X,
191. 266,
Oct. 19. Prag 8. Wenzel gebietet den Stäbten Augsburg, Ulm, Conftanz
und ben andern, die zu ihnen gehören in Ober: und Nieberfhwaben, zu
verfchaffen, daß Graf Eberhard zu Wirtemberg burd bie Bürger zu Eß—
lingen an ber Vogtei zu Nellingen, an feinen Rechten in ben Dörfern
Plodingen, Scharnhauſen, Ruith und Heumaben, buch bie Bürger zu
161
Aalen wicht mehr am ber Boglei zu Lauterburg u. a. unb durch bie Bürger 1386.
von Reutlingen au dem Schultheißenamt daſelbſt, das gen Achalm gehört,
nicht mehr gehindert werbe, ba Fürzlih auf bem Tage zu Mergentheim
bekinumt worben fei, baß er bei all biefen Rechten zu verbleiben babe. —
Sattler 180. 267.
Rev. 23, Die Stabt Ulm fchreißt im Ramen ber Städte bes ſchwäbiſchen
Bundes an bie Stabt Speter, dankt für bie Hilfäbereitwilligkeit, welche
bie rheiniſchen Städte auf bie Mahmıng wider bie Fürſten bezeigt und
meldet, daß eine Ausföhnung mit den Iebtern zu Augsburg flattgefunden.
Zugleich giebt fie Kunde über einen Landfrieben, ber Faym genannt, ben
etliche Fürſten unb Herren zum Verberben ber Stäbte aufgebracht. —
WBender, Apparatus 247. 268.
Dee. 6. Augsburg. Hans von Steinach, 3. d. 3. VBürgermeifter zu Regens⸗
burg, als gemeiner Obmann, Werner von Staudach, Nitter, Schweigger
der Mufchebrider, Jobſt Tebel, Bürger zu Nürnberg, und Sunrab ber
Befferer, 3. b. 3. Bürgermeifter zu Ulm, als Schiebsrichter, ſchlichten ein-
helliglich die Zwiftigfeiten, die zwiſchen Herzog Stephan von Baiern und
den Städten obgeſchwebt. — Lehmann 763. Der Schluß mit dem Datum
febft. Das Ganze bat die Ueberſchrift: Die Berichtigung zu Augſpurg
auf Ricolai bei Jahrs 1386.., 269,
"1387.
San. 14. Die zu Conſtanz verfammelten Städte, welche ben Bund mit einan: 1387.
der halten in Schwaben, flehen den Städten Ulm und Eßlingen, bie ihrer
Aufforderung gemäß für bie Stadt Giengen, welche in Speier ein jährlich
mit 210 Gulden verzinsliches Anlehen von 3020 Bulden aufgenommen
hat, für allen Schaden gut, der aus biefer Bürgfchaft entfliehen möchte,
alfo, daß bie einzelnen Städte nach ihrer gewöhnlichen Steuer beitragen.
Es fiegeln die Städte Augsburg, Reutlingen, Ravensburg — Original:
urfunde in der Schmibfhen Sammlung fasc. XXI, Nr. 1. 270.
Der; 20. Nürnberg. K. Wenzel beftätigt ben freien Städten Regensburg
und Bafel, den Reichsſtädten Augsburg, Nürnberg, Conſtanz, Ulm, Ep:
fingen, Reutlingen, Rotweil, Weil, Weberlingen, Memmingen, Biberach,
Ravensburg, Lindau, St. Gallen, Kempten, Kaufbeuren, Leutlirch, Isny,
Bangen, Pfullendorf, Buchhorn, Nördlingen, Dinkelsbühl, Rotenburg
a. d. Tauber, Bopfingen, Aalen, Gmünd, Hal, Heilbronn, Wimpfen,
Weinsberg, Windsheim, Weißenburg, Giengen, Buchau, Schweinfurt in
Franken und Mülbaufen im Elfaß alle Freiheiten, bie fie von ibm und
feinen Vorfahren am Reiche erhalten baben, und verfpricht, fie beim Reiche
zu behalten. — St. A. in mehreren Vidimus von 1390. Datt 59. —
©. aud Rr. 273. 271.
Merz 21. Nürnberg. Die freien Stäbte Regensburg und Baſel und bie
Reichsſtädte Augsburg, Nürnberg, Conſtanz, Ulm, Eßlingen, Reutlingen,
Rotweil, Weil, Ueberlingen, Memmingen, Biberach, Ravensburg, Lindau,
St. Gallen, Kempten, Kaufbeuren, Leutkirch, Isny, Wangen, Pfullendorf,
Buchhorn, Nördlingen, Dinkelsbühl, Rotenburg a. d. Tauber, Bopfingen,
II. 11
162
Aalen, Gmünd, Hal, Hellbronn, Wimpfen, Weinsberg, Winböheim,
Weißenburg, Giengen, Buchau, Schweinfurt in Franken und Mülhaufen
im @lfaß geloben, gemäß der Hulbigung, bie fie einft bem K. Wenzel als
tömifhem König und zukünftigen Kaiſer gethan, ihm gegen Jebermann
beizufteben, der ihn von bem Königreiche dringen wollte, unb ihm zu belfen
in beutfchen Landen bie dieſſeit des Gebirges. Regensburg und Bafel ala
freie Stäbte haben zwar dem Könige vormals nicht geichworen, wie bie
genannten Reichsſtädte, verfprechen aber, bie Hilfe in gleicher Weife zu
leiften. — Im Badler gwB. und bei Lehmann, nach biefem auch bei Lünig.
©. d. folgende Nummer. 272.
Archivnote über ben am 21. Merz in Nürnberg flattgefundenen Empfang
ber mit Namen aufgeführten Boten ber Bunbesfläbte durch K. Wenzel,
ber ihnen das mündliche Verſprechen ertheilt, baf er den Bund nie ab:
nehmen noch widerrufen wolle fein Leben lang, unb ihnen ben Brief
Nr. 271 ausgeftellt, wogegen fie ihm den Per. 272 gegeben. — Lehmann
766. Lünig, R. A. part. spec. cont. IV, 1, 45. — Basler gwB. fe. XIV.
(Zn diefem die beiben Briefe ohne Datum). 273.
April 24. Der Math zu Bafel fagt dem Grafen Walraff von Thierftein, dem
Markgrafen Rudolf von Hachberg, Herm zu Rötelen und zu Sufenberg,
dem Herrn Claus vom Hus, Ritter, und dem Burkart Münd von Lands⸗
ron, Ebeling, dad Burgrecht, das fle dafelbit gehabt, auf immer auf,
weil fie der nach Schluß der gemeinen Städte des Bundes zu Schwaben
an fie gerichteten Aufforderung, befiegelte Briefe auszuftellen, daß fie eine
beftimmte Zeit lang Bürger bleiben und mit ihren Velten, Schlöflern und
Spießen ber Stabt warten wollten, nachzulommen fi geweigert. —
Leiftungsbud I, fol. CXVIL, im Basler Staatsardiv. 274.
Juni 11 (Dienstag nach Bonifaciustag). Die Reichsſtädte Frankfurt, Ha:
genau, Schlettſtadt, Weißenburg, Wehlar, Friedberg, Gelnhaufen, Ober:
ebenheim und Seltz verfprechen dem K. Wenzel, dem fie vormals gebuldet
und gefhworen haben, beizuftehen, wenn fi ein Anderer zum römifchen
König aufwerfen und ihn vom Reihe dringen wolle. — Böhmer, Cod.
dipl. Moenofr. 1, 764. 275.
Juli 1. Dietrich Staufer von Ernfels mahnt im Namen Herzog Friedrichs
von Baiern, von ber Finung wegen, die Hilfe der Stabt Regensburg gegen
ben Hofmeifter von Winzer. — S. Gemeiner LI, 232, 276.
Juli 25. Bünbniß zwiſchen den Stäbten des fhwäbiihen Bundes und Erz⸗
bifchof Pilgrim von Salzburg. „Der Erzbifhof fowohl als bie Städte
verfchrieben fich gegen einander vorerfi (Urkunde Erzbifchofs Pilgrims von
Salzburg d. 1387 an S. Zacobstag) gegen alle und jebe Angreiffer und
Befchädiger, nachher aber (in einer befondern Urkunde unter eben biefem
Dato) ausfchließlich gegen bie Herzoge von Baiern, beren Freunde, Diener
und Helfer“. Gemeiner OD, 231. — Die Urkunde ber Städte iſt nad
Gtälin IH, 342 gebrudt in der: Anzeige, was dem Erzſtift Salzburg auf
ben Tod des Kurfürften Maximilians III. von Baiern für Anſprüche ausftehen.
Salzburg 1779. Urkundenb. S. 60. 277.
164
Ente Inlb. Huf ber Zuſammenkunft der Gtäbte in Nürnberg, wo ber Ber: 1987.
ag mit Dem Erzbiſchof gefchloffen wurde, faßten bie Stäbte aud ben
Beſchluß, „Leinen Bürger weiter anzunehmen, weil ber Bund durch eine
elizu Häufige Annahme von Bürgern allzu viele Verbindlichkeit auf fi ge
nommen baben würde, und viele Edelleute, lediglich ihres Vortheils
wegen unb um fich ungeftxäft an ben Fürſten reiben zu Fönnen, fi) hatten
verburgrechten lafiım’. — Gemeiner II, 232. 278.
Ung. „Mahnung der Bunbesgenofien nach Eßlingen gegen ben Grafen von
Würtemberg". — Gemeiner II, 232. 279.
Sxpt. 25, Herzog Ruprecht ber alte und. Erzbiſchof Adolf von Mainz feben
ben Gtäbten eine Tagfahrt an (wohl nad) Mergentheim). ©. Gemeiner I,
282. 280.
Rev. 2. Graf Sofann von Wertheim verbünbet ſich mit den freien Städten
Regensburg unb Bafel und den Reichsſtädten Augsburg, Nürnberg, Son:
Ranz, Um, GEflingen, Reutlingen, Rotweil, Weil, Ueberlingen, Memmins
gen, Biberad, Ravensburg, Lindau, St. Gallen, Kempten, Kaufbeuren,
Leutfich, Isny, Wangen, Buchhorn, Gmünd, Hall, Heilbronn, Wimpfen,
Weindberg, Nördlingen, Dinfelsbühl, Rotenburg a. b. Tauber, Winbähelm,
Weißenburg, Schweinfurt, Giengen, Aalen, Bopfingen, Pfullendorf, Wyl
im Thurgau und Buchau, auf ſo lange, als der Bund währt, den dieſelben
unter einander geſchloſſen haben, nämlich bis zum 23. April 1395. —
St. u
Die Gegenverfchreibung der Städte, datiert vom 3. November und
verflegelt durch Nürnberg, Rotenburg a. db. Tauber und Heilbronn, findet
fi abgebrudt bei Aſchbach, Geſch. der Grafen von Wertheim II, 158. 281.
Rev. 5. Mergentheim. Die Städte Augsburg, Nürnberg und Ulm, für ſich
und alle andern Gtäbte ihres Bundes, befennen, ba bie Stallung, welche
der König zwifchen ihnen und ben Fürlten errichtet babe, unb bie auf
fünftige Pfingften ausgehe, durch bie Räthe des Königs auf Lönigliches
Geheiß verlängert worben fei bis zum 23. April 1389, und daß fie in
den geriannten Kreifen auf die angegebene Weiſe treulich folle gehalten werben.
Es fiegeln die Städte Augsburg, Nürnberg und Um. — Basler gwB.
fol LIlIb. — Wender, Apparatus 242, XLUI giebt ben Eingang, bie
Bartien, in welche die Fürſten getbeilt find, bie Begriffe und Terminien,
‚ innerhalb derer die Hilfe fol geleiftet werden, bie Ausnahmen unb den
Schluß. — Ter Auszug bei Lehmann 754 giebt hauptfächlich bie Eintheis
. Iung ber Fürfen unb ber Städte und die Ausnahmen. (In der erften
Ausgabe von 1612 ift bas Datum unrichtig, indem St. Mathiastag ftatt
St. Martinstag fteht).
Die Gegenverſchreibung ber Fürften, in ihrem Namen ausgeftellt durch
Herzog Sterban von Baiern, Herzog Albrecht von Defterreih und Burg-
grai Friebrih von Nürnberg, findet fi im einer modernen Eopie in der
Schmibſchen Sammlung fase. II. 232.
Nov. 9. Rotenburg a. d. Tauber, Die ſchwäbiſchen Bundesftäbte beſchließen,
wenn einzelne Gtäbte, wie auch ſchon vorgefommmen, ſich ben Ausfprüchen
11*
164
1387. des Bundes nicht fügen wärben, in ſolchen Fällen dem gehorfamen Theile
gegen den ungehorfamen behilflich zu fein, zuvor jedoch Rede und Wider:
rebe ſolcher Sache in allen Gtäbten zu verfünden. — Basler gwB. fol.
LI. ° 283.
Dee. 2. Die Bürgerfchaft zu Regensburg ſchwört, die Zeit des Krieges treu:
lich bei einander zu bleiben, der Stabt Ehre und Geligfeit zu fördern
und bem Rathe gehorfam zu fein, auch nach dem Kriege nach eine jeg:
lichen gleichen Anzahl bezahlen zu helfen, was ber Krieg gefoftet. — ©.
Gemeiner II, 236. 284.
Dec. 4. Bürgermeifter und Rath zu Ulm fchreiben an Bürgermeifter und
Rath zu Megendburg, baß fie die gemeinen Stäbte auf ben Sonntag zu
Naht nah S. Lucien Tag (15. Dec.) zu fi in ihre Stadt gemahnt haben,
und erfuchen fie, dieſen Tag zu befhiden; zugleich möchten fie Botfchaft
gen Salzburg in das Land ſchicken, um bie bortigen Beamten zum Wider:
ftande gegen bie Herren von Baiern zu ermutbigen. — Gemeiner II, 237. 285,
(Dec) Ulm (nach Zellweger). Die Stäbte des ſchwäbiſchen Bundes erlajien
eine Kriegsordnung für ben bevorſtehenden Feldzug. — Basler gwB. fol.
LV. Bergl. Zellweger, Bei. ded appenz. Volles I, 293. 286.
1388.
1388. Yan. 4. Die von Nechberg, welche Weißenhorn als bairifches Pfand in Hän-
den haben und mit ber Stabt int Ulmifchen Bürgerrechte find, verſprechen,
im Kriege Baiern nicht zu helfen, auch die Auzlöfung während ber Dauer
bed Krieges nicht zu geflatten; dagegen verfpricht Ulm, von und In Weißen:
born Baiern Feinen Schaden zuzufügen. — Schmid. 287.
San. 6. Parcival und Ott die Zenger von Schwarzened verpflichten fich,
ber Stadt Regenöburg ein Jahr lang mit ſechs Spießen und zwei Schützen
zu bienen. — Reg. Boica X, 216. Aebnliche Verträge, aus welchen ber:
vorgeht, wie man ſich mit Eifer rüftete, finden fi in den Reg. Boic.
auf der angeführten Seite und auf ben folgenben, ebenfo ©. 217: Verkauf
eines Leibgebingd von 100 Gulden um die Summe von 700 @ulden
burch die Regensburger u. ſ. w. 288.
San. 15. Landshut. Friebrih, Herzog in Baiern, nimmt Hilpolten den
Hohenfelfer in feine Dienfte um 400 Gulden, wofür er ihm bienen unb
warten fol zu der Sulzburg mit ſechs Spießen wohlgerittener und wohl-
gewappneter Leute bis nächſten St. Zürgentag (23. April) und zu dem
Holnftein auch mit ſechs Spießen von U. L. Frauentag zu Lichtmeß über
ein Jahr (bis 2. Febr. 1389). — Beg. Boica X, 217. Aehnliche Ber:
träge des Herzogs mit Ebdelleuten |. ebenbort und auf ben folgenden
Seiten. 289.
San. 17. Ulm. Die gemeinen Städte, bie ben Bund mit einander halten
in Schwaben, in Franken unb in Baiern, wiberfagen ben Herzogen Stephan
unb Friedrich, Gebrübern, weil Herzog Friebrih ben Erzbifhof Pilgrim
von Salzburg, ber Städte Verbündeten, auf einem gütlihen Tage, auf
welchen ihn Herzog Stephan vertröftet hatte, gefangen genommen, weil fie
ferner denen von Nürnberg neun Wägen mit Specerei genommen und
165
avei Bürger gefangen, trogbem daß fie ihnen einen bejonbern Sicherheit: 1388...
brief auägeftellt hatten, benen von Regensburg ihren Wein genommen und
fie wicht auf Recht ſicher fagen wollen, benen von Gmünd. vier ſchwere
Eeſchirre genommen, benen von Memmingen zwei Bürger gefangen unb
bei Ihren-beraubt, weil ferner Herzog Stephan benen von Augsburg auf
echt nicht ſicher fagen wollen, unb fie das Alles in ber freundlichen
Bereinigung, bie kürzlich zu Mergentheim verlängert worden, wobei Herzog
Friedrich felber Thäbinger geweien, gethan, ohne baß fie ihnen je entfagt
Hätten. Es fiegelt bie Stabt Ulm. — Lehmann 756. 290.
Yan. 17. Die Bürger von Nürnberg ſchreiben ben Bürgern zu Regensburg,
be fie die 50 Mann mit Spießen, welche fie benjelben leihen. jollen,
gegenwärtig nicht entbehren Tönnen. — Reg. Boiea X, 217. Vergl.
Gemeiner I, 238, 291.
an. 23. Hans ber Auer zu Prennberch kommt mit dem Rath in Regens-
burg babie überein, daß er auf bie Dauer bed Kriegeß ber Bunbesftäbte
gegen bie Herzoge von Baiern flille figen foll. — Reg. Boica X, 217. —
benbort und auf ben folgenden Seiten ähnliche Zufiherungen von Ebel:
leuten en bie Stadt Regensburg. 292,
zer. 1. Bilhalm Mäflenhaufen, Chunrad Preifinger, Hofmeifter, Asm Lay:
minger und Sartprecht Harschircher Chammermeiſter, Wilhalm von ber:
ſtain und Hans Berger tbun dem Bürgermeifter Hans von Steinach und
ben Bürgern in Regensburg Tund, baß fie benfelben zur Zeit von wegen
des Herzogs Friebrih von Baiern nicht dienen mögen, fondern ſich gegen
biefelben und ibre Helfer verwahrt wiffen wollen. — Beg. Boica X,
218. 293.
gebr. 7. Prag. Feindſchaͤftsbrief K. Wenzels an Herzog Friebrich von Baier,
welcher den Erzbiſchof Pilgrim von Salzburg gefangen. genommen und
bes Meichb Unterthanen beraubt bat. — Lehmann 756. Fepmaier, Uiber
bas Entſtehen und Aufblühen beö oberteutfchen Stäbtebundes u. ſ. w.
©. 41. 294.
sehr. 22. Heinrich von Rans von Viſchin beurfundet feine Webereinkunft mit
dem Gtäbtebund in Schwaben, in Franken und in Baiern, daß er mit ber
Befte zu Viſchin und mit feinen Leuten unb Gütern wiber die Stäbte und
die Ihrigen brei Jahre hindurch nicht fein wolle — Beg. Boica X,
219. 295,
ger. 22, Deßgleicien Friedrich von Ellerbach, Chorherr zu Augsburg, Cun⸗
rad von Werdenſtein, Bogt zu Rotenberg, Ulrich Wiernt, Vogt zu Neſſel⸗
weng und zu Berthulzhovin, und Cunrad von Rottenſtain, Vogt zu
Matnuſith. — Reg. Boica X, 219.
Haggenmäller, Geſch. von Kempten I, 192. 193, verlegt biefe beiden,
„uw bem nächſten Samstag vor fant Matiastag bed hailigen zwelfboten“
auägeftellten Urkunden in ben Geptember, indem er wahrſcheinlich ben
Mattbäustag (21. Sept.) mit dem Mathiastag verwechſelt. 2%.
gehe. 24. Hanns und Chunz von Wildenftein beurfunden, baf fie in Folge
ihrer Uebereinkunft mit bem Bund ber Städte in Schwaben, Franken und
166
1388. Baiern mit ihrer Veſte Wildenftain und ihren Leuten nichts wider die ge⸗
nannten Stäbte thun wollen. — Reg. Bolea X, 219. 237.
Merz 13. Zum Neuenmarkt. Friedrich, Pfalzgraf bei Rhein und Herzog in
Baiern, überträgt in feinem und feiner Brüder, ber Herzoge Stephan und
Sobann, feined Schwagers, bed Grafen Alrich von Wirtemberg, und aller
feiner Helfer und Diener Namen dem Pfalzgrafen Ruprecht dem ältern
die Vollmacht, die Streitigkeiten, welche fie mit ben verbünbeten Reichs⸗
ſtädten gehabt Haben, zu ſchlichten. — Eingeſchaltet in ber folgenden
Nummer. 298,
Merz 15. Zum Neuenmarft. Ruprecht ber ältere, Pfalzgraf bei Rhein, des
h. R. R. oberfier Truchſeß und Herzog in Baiern, weldem Stephan,
Friebrih und Johann, Gebrüder, Pfalzgrafen bei Rhein und Herzoge in
Baiern, feine lieben Vettern, auf einer Seite, und die ehrbaren weiſen
Leute, bie gemeinen Städte, welche den Bunb halten in Schwaben, in
Baiern und in Franken, andrerſeits, gänzlich anbeimgeftellt haben, wegen
des gehabten Krieges mit der Minne ober mit dem Rechten zu entfcheiben,
wofür auch der Vollmachtsbrief Herzog Friedrichs wörtlich aufgeführt
wirb, hat freundlich entichieden, daß ber Schaben beiderfeits verfühnt fein,
ber Erzbifhof von Salzburg mit den Seinen bed Befängniffes, da3 zu
Raitenhaslach gefhah, auf fchlechte Urfehde Tedig gelaffen werben und
bafür ben Herzogen fo ſchnell als möglich aus dem Banne beifen foll; bie
ben Nürnbergern und etlidden andern Bundesftäbten abgenommenen Güter
follen, fofern fie noch vorhanden, Herzog Ruprecht dem jüngften eingeant:
wortet unb über den Erfag bed nicht mehr vorhandenen ein Tag nad
Heidelberg angefegt werden. Die Sühne wird von ben beiben Parteien
an benannten Stätten verfündet, bamit jeder weitern Seindfeligfeit vor-
gebeugt werde. — St. U. Auszug bei Feßmaier 43. 299.
Auf Oftern (Oftern: 29. Merz). Würzburg. Die Städte des rheinifchen und
des ſchwäbiſchen Bunbes fchließen eine Webereintunft mit ben Fürſten und
Herren. — Wender, von Außburgern, ber jedoch nicht# giebt ala einine
Artikel die Ausbürger betreffend, unter ber Weberichrift: Auß ber Vereini⸗
gung ber Städt deß Meinifhen und Schwäbiſchen Bunbs, mit ben Fürſten
und Herrn überlommen zu Würgburg Anno 1388 auf Oftern. 300.
Aufzählung ber Belchäbigungen, welde ber Stabt Regensburg, ſeitdem
Herzog Ruprecht ber Ältere ausgeſprochen bat, von ben Herren von Bayern
und berjelben Dienern, indbefondere von zwdlf genannten, zugefügt worben
find. — Beg. Boica X, 232. Vergl. Gemeiner II, 246. 301.
April 22. Ruprecht der ältere, Herzog in Baiern, bekennt Binfichtlich ber
4000 Gulden, welche er denen von Nürmberg, Regensburg. unb andern
Städten anftatt der Herzoge von Baiern, Stephan, Friebrich und Johann,
zu bezahlen bat, und welche ihm biefe Herzoge bis zum 23. April 1389
zurüdbezahlen follen, baß dasjenige, was er an biefe Städte nicht wirklich
bezahlen wirb, an obgenannter Summe wieder abgerechnet werben folle. —
Reg. Boica X, 222. 302.
Aprit 23. Heidelberg. Ruprecht der Altefte, bei v. Reichs oberſter Truchſeß
167
unb Herzog in Baiern, entſcheidet hinſichtlich des Krieges zwiſchen feinen 1388.
Bettern, ben Herzogen Stephan, Friedrich und Johann in Baiern, einer:
ſelrs baum den Bunbesſtädten und bem Erzbiſchof von Salzburg, andrer⸗
* sah beide Parteien gute Freunde fein, cUe Gefangenen, namentlich
ber. entgegen dem lehten Ausfpruche Ruprechts, noch immer in Saft ge:
haftene Erzbiſchof, auf Urfehde Iebig gefagt, und alle genommenen Güter
** ober erſetzt werben follen, und daß ber Erzbiſchof von Salz⸗
barg ben obengenannten Herzogen und ben Ihrigen, bie es bebürfen, ans
ben Banne helfen fol. Mitfiegler: Boreſch von Rifenburg und Johann
Gref A Spanheim, Töniglihe Räthe. — Reg. Boica X, 223. Bergl.
einer II, 246, 303,
Mei 15. Galzburg. Pilgreim Erzbifchof von Salzburg, welcher von Herzog
Friedrich in Baiern zu Mattenbaslach gefangen wurbe, ſchwört nach Aus⸗
foruch bes Herzogs Ruprecht bed Ältern Urfehde für ſich und feine Diener
(34 genannte). — Reg. Boica X, 224. 304.
Mei 15. Galzburg. Erzbiſchof Pilgrim gelobt, dem Herzoge Friedrich in
Baiern aus bem Banne zu helfen. — Reg. Boica X, 224, 305.
Mai 25. Uri von Treuchtlingen, Ritter, befennt, für bie Dienfte, welche
er der Stadt Nürnberg ald Hauptmann gethan bat, gänzlich bezahlt zu
fein. — Reg. Bolca X, 224, 306.
Jali 234. Die Bürger von Nürnberg jcpreiben ben Bürgern von Regenäburg,
Daß fie denjelben Leine Hilfe gegen den Herzog Friedrich leiſten könnten,
weil fie eine Anzahl breifacher Spieße dem Stäbtebunde und 50 gewapp:
mete Schühen gegen Schweinfurt gefendet hätten, ferner, weil ihnen von
Uli von Auffeß und Hand Stieber, bed Biſchofs von Bamberg Dienern,
bie Veſte Rabeneck abgenommen worben fei, unb fie täglich Angriffe von
den Herzogen von Baiern zu erwarten hätten. — Beg. Bolca X, 227. 307.
Aug. 8. Der Rath zu Amberg fchreibt ben Bürgern zu Regensburg, baß bie
Stadt Amberg in bed Herzogs Ruprecht des jüngfien Frieden und Unfrie:
den fein und ſonach an ihren Ehren gegen bie Bürger von Regensburg
bewahrt fein wolle. — Reg. Boica X, 227, 308.
Aug. 10. Der alte Kazelfiorfer fchreibt ben Bürgern zu Regensburg, baß er
ihnen von wegen feines Gern, beö Herzogs Ruprecht bed jüngiien, zur
Zeit nicht dienen wolle — Reg. Boica X, 228, 309.
(Ohne Tag). Heidelberg. Pfalzgraf Ruprecht ber ältere verpfändet dem Gra⸗
fen Gerhard von Kirchberg, ber Wohlthat wegen, bie er mit feinem, des
Binlzgrafen Banner getban, als dieſer bie Stäbte kürzlich vor Weil nieber:
geworfen, bas Amt zu Gutenberg und Falkenberg um 400 @ulben. —
Gattler 181. 310.
Eept. 2. Schweinfurt. Der Bürgermeifter, der Rath unb bie Bürger der
Stadt zu Schweinfurt und ihr Herr, Gerhart, Biſchof zu Wirzburg, bes
. geben und beteibingen einen Waffenftillftand, welcher gegenfeitig ein halbes
Jahr vorher aufgefagt werben müſſe, mit dem Anhang, daß ber Biſchof
einen Zentgrafen auf dem Gerichte zu Schweinfurt haben bürfe. — eg.
Beica X, 228, 311.
168
1388. Sept. 6. Straubing. Albrecht ber junge, Herzog in Baiern, verfündet ben
Bürgern zu Regensburg, daß er binfichtlich ihre Krieges gegen feine
Bettern, bie Herzoge Stephan, Friebrih unb Johann, mit feinen Bettern
in berfelben Frieben und Unfrieben fein unb feine Lande unb Leute gegen
bie Bürger von Regensburg bewahrt haben wolle. — Beg. Boies X, 229,
— Ghenbort ein an bemfelben Tage an bie Regendburger eriaflener Fehde⸗
brief einiger Edelleute, Diener bed Herzogs, batiert aus Keffering. 312.
Sept. 18. Bürgermeiſter and Rath zu Regensburg bitten den Erzbifchof von
Salzburg um Hilfe gegen die Herzoge Ruprecht ben jüngften und Albrecht
von Nieberbaiern, welche vor ber Veſte Donauftauf liegen unb die Um:
gegenb mit Raub und Branb verwüflen. — Reg. Bolea X, 229. Bergl.
®emeiner OH, 25i. 313.
Sept. 29. Hans unb Gonrab von Kümborff geloben, gegen bie Stabt Nürn:
berg und bie mit berfelben im Bunde ſtehenden Städte in ben nächften
brei Jahren nichts zu unternehmen. — Beg. Boica X, 280. 314,
Det. & Bern. 8. Wenzel verfpricht, im Falle er das r. Reich aufgeben
follte, bem Erzbiſchof Adolf zu Mainz zur Sicherung unb Beſtätigung
feiner Rechte und Briefe beholfen zu fein, wenn einer feiner Brüber ober
feiner Bettern, ber Markgrafen von Mähren, zum römifchen König erwählt
würbe. — Reg. Boica X, 230. 315.
Det. 4. Bern. Derſelbe erlaubt dem Erzbifchof Abolf zu Mainz, mit ben
Städten einen Bund zu fchließen, jeboch unbefchabet dem König, dem römi:
[hen Reiche und ber Krone von Böhmen. — Reg. Boica X, 230. 316.
Det. 8. Ulrich unb Kaſpar von Butenborf, Gebrüder, gefeflen zu Emmec;:
beim, verbinden fi und ihre Erben, mit ihrer vorbenannten Behaufung
gegen ihre gnäbigen Herren, Friedrich ben ältern, Johannes unb Friebrich
den jüngern, Burggrafen zu Nürnberg, in Teiner Weife zu thun und zu
fein, und nad dem Ausgang ihres Bündniſſes mit Weißenburg ſich mit
feiner Stabt bed Reiches unb bed Bundes wiber obige Fürften zu verbin:
ben. — Reg. Boica X, 230. 317.
Det. 28. Erzbiſchof Adolf von Mainz verfpricät ben Stäbten Mainz, Worms
und Speier, baß, wenn er auch in ben früheren Berbinbungen ben römi⸗
[hen K. Wenzel audgenommen hätte, er bemfelben Teine Hilfe leiften werbe,
wenn er ihn gegen bdiefe Städte dazu auffordere. — So Schaab II,
Nr. 235, aus Würbtmwein, Nov. subs. dipl. IX, 325, 318.
Det. 30. Erzbiſchof Adolf von Mainz gelobt ben Stäbten Mainz, Worms
und Speier, in allen ihren Kriegen bebolfen zu fein, nur nicht gegen ben
römifchen König und das römiſche Reich und unbefchabet ber Bündniſſe,
welche er mit der Mark Brandenburg und mit dem Lauſitzerland bat. —
Reg. Roica X, 230.
Die Gegenverfchreibung ber Stäbte giebt Schaab IE, Nr. 237 nad
Mürbtwein a. a. O. IX, 313 alfo an: Die drei YBunbesfläbte Mainz,
Worms und Speier verkinben ſich, dem Erzbiſchof Abolf gegen eben bei:
jufteben, der ihm Unrecht thun würbe. 319.
Ott. 30, Erzbiſchof Adolf verfpricht ben brei Bunbesftäbten Mainz, Werms
169
unb Speier, baß ber neu zu wählende römifche König ihre Freiheiten bes 1888,
fätigen ſolle. — So Schaab II, Nr. 241. Rad ihm if bad Original
in ber Erhtbiälisthet zu Rein; ein Abbruck bei Würbtwein a. u D.
iX, 327. . 820.
Oct. MW. Die drei Stäbte Mainz, Worms unb Epeler verfpreiien bes. Enz:
diſchof Abelf, ihn nicht zu befriegen, aafspen R. eng e8 befahlen Betr.
Go Schaab II, Rr. 236, nah Würbtwein a. a. D. 306. - .
Det. 30. Die Bunbesfläbte Mainz, Worms und Speier verbinden ſich je
ben Ergbtichof Adolf über einzelne Beflimmungen. So Saab U, Rz. 238,
na Bürbiwein a. a. D. 315 - 827. 322.
Det. 80. Die brei Bundesſtädte Mainz, Worms und Speer geloben. bem
Erabiſchof Adolf von Mainz, ben für ben römifhen König zu erkennen,
ben ex mit zwei ober mehreren Kurfürften wählen würde. — So Schaab II,
Re. 240, nad Würbtwein a. a. D. 307. 323.
De. 31. Zum Bethlern. 8. Wenzel gebietet dem Erzbiſchof Pilgrim von
Salgburg, von aller Feindſeligkeit gegen Herzog Zriebrih von Baiern abs
chen, auch ben Stäbten wider bie Yürften nicht zu helfen noch Ba
legen. Herzog Friedrich Habe fi zu bem echten erboten, und er, ber
König, werde mit Mathe der Fürflen die Sache fchlichten. — Breiäneiige
Goyie im Umer Archiv. — Lehmann 765.
Dee. 7. Salzburg. Erzbiſchof Pilgrim antwortet dem K. Wenzel auf ein
Schreiben (vom 31. DOct.), ex werde geborchen, hoffe aber, ber König werbe
ihn bei feinem’ Rechte erhalten, wie er es ihm unb bem Gotteshauſe zu
Galzburg ſchuldig fei. — Gleichzeitige Copie im Ulmer Archiv. 325.
1389
Ian. 22. Detingen. Lubwig und Friedrich, Grafen zu Detingen, zeigen bem 1389,
Herzog Ruprecht bem ältern in Baiern an, daß Chunz non Mechenberg,
feitdem er biefed Herzogs Gefangener gewefen, ihre Feinde ſchühe und för:
bere, und ben Gtäbten einen Berratber unb Hingeber zugefandt babe. —
Reg. Boien X, 233. Diefe Beſchuldigung erflären ben 31. Januar bie
Bürger von Dinkelsbühl für unrihtig, beögleichen ben 4. Yebruar bie
Bürger von Nördlingen. — Reg. Boica X, 235. 326.
(Ian. 27. Mergentheim). Archivnote Über ben von ben Stäbten, die ben
Bunb wit einander Halten in Schwaben, in Yranfen und in Baiern, ge
braten: und von den yürften und Herren angenonmenen Vorſchlag, bie
Entfcheibung aller Streitigkeiten bem Könige zu überlafien, ber zu bem
Ende ein freundliches Recht mit unparteiifchen Fürften und Herren nie
berfepen foll, doch jo, baß die Musfprüde, melde Herzog Ruprecht ber
Vtere zu dem Neuermarkt und zu Heibelberg gethan, in Kraft und bie
fämmtlichen Jürften und Herren fowie bie Städte bei ihren Rechten unb
Sreigeiten Bleiben follen. — Schmid, nach einer Gopie im Nörblinger
Aechiv ohne Ort und Datum. Es if offenbar ein Stüd des bei Gemeiner II,
258 erwähnten Protocolls über ben von ben Stäbten an ben König ge:
nommenen Sintergang, 4. Mergentheim am Aftermoniag nad) Pauli Bekeh⸗
rung 1388 (bloßer Drudehler ftatt 1389, wie ber Juſammenhang zeigt). 327.
170
1389. Mer; 1. Tie Herzoge Friedrich, Ruprecht ber jünafte und Albrecht vereinigen
fig mit der Etabt Regendburg babin, daß bis fommenden Somntag zu
Kittervaften (28. Merz), auf welden Tag in Bamberg bie Zuſammenkunft
zwiſchen Fürſten und Städten beſtimmt if, Fein Brand, Eturm und Bein:
sartreuten geſchehen, daß das beiberfeitige Gebiet und Gut ſicher jein foll
und die Aeder und Weinberge ungeflört bebaut werben fünnen. — Beg.
Boica X, 237. Gemeiner II, 259, ber bad Tatum „am Montag nad
Herrn Vaſnacht“ irrig auf den 3. Merz beredinet. 328.
In diefe Zeit gehört folgende Rotiz bei Bemeiner 1, 249: Gonrab Enynchl,
einer des Raths [zu Regendburg], ber nah Augsburg bie Mahnungs-
briefe ũberbracht hatte, berichtete berat, daß ber König bie Gtäbte von
fernerweiten Feindfeligleiten abmahne, daß er einen Zag nad Bamberg
anberaumt, nachher wieder abgeflellt und nun etlihe Fürſten zu fich nad)
Eger berufen babe. Tiefe Nachricht hatte Enynchl unterm 18. bed Monats
Julius [1338] gemeldet. Es fcheint, dag Gemeiner zwei in einem Stadt:
buche zufällig unter einander jtehende Notizen zufammengeworfen bat, von
benen bie eine mit jenem Datum verfeben, bie andere, welche ſich auf die
beabfichtigten Friedensverbandlungen bezieht, ohne Zeitbeflimmrung war. 329.
Merz 38. Stuttgart. Burkart von Mannsperg, Ritter, und feine Brüder
Buppenlen, Berchtold und Bolmar von Mannsperg verjpredhen, ihr Leben
lang nichts wider den Brafen Eberharb von Wirtemberg, feine Grben oder
Rachkommen oder bie Herrfhaft zu Wirtemberg zu unternehmen, ben Gra⸗
fen gehörigen Orteß zu Recht zu ſtehen und im Fall eine Lrieged mit den
Neichsftäbten zu helfen. — Mit ihnen fieneln noch einige andere Edelfeute,
welche ſich verpflichten, im alle jene wider ben Brief handeln würden,
fi auf die Seite des Grafen zu flellen. — Sattler 183. 330.
April 27. Eger. Johann von Krenlingen, Freiherr zn Tüngen, verfpricht
den Städten in Schwaben, feine weitere Feindihaft zu hegen wegen ber
Einnahme von Tüngen, das fie ihm auf Geheiß bed Königs zurüdgegeben;
er bat auch bie Angelegenheit wenen Moſes bed Juden mit ber Gtabt
Bafel berichtigt, und verfpricht, gegen ben Bund nicht zu fämpfen, fo lange
er währt. — Basler Staatsarchiv Al. M. 331.
Mai 2. Eger. 8. Wenzel gebietet den Reichsſtädten in Obers und Nieder:
ſchwaben, im Elſaß, am Rheine, in der Wetterau, in Franken und in
Baiern, bag fie alle Bünde, bie fie zufammen gehabt, namentlich ben ge:
meinen Bund, als wiber Gott, den König, bad 5. Reich und das Recht
ftreitend, abthun und bem Lanbdfrieben beitreten follen, ben ex gemacht,
widrigenfalls er fie ihrer Rechte und Freiheiten entweren und ald meineidige,
ungetrene und ungerechte Leute behandeln werde. — Datt 61. Lünig,
R. U. part. spec. cout. IV, 1, 46, mit ber falfchen Jahreßszahl 1388. 332.
Mai 3. Eger. Johann von Stille, Ritter, Dertelin Manße und Herr Wilhelm,
ein Alt:Ammannmeifter, Abgeordnete der Stadt Straßburg auf dem Reichs
tage zu Eger, benachrichtigen Meifter und Rath ihrer Stabt von bem
Verlaufe der Unterhandlungen und ben ſchwankenden Benehmen des Königs.
— Bender, von Außburgern 145. 333,
m
Mai 4. per. Gtepban, Friedrich und Zobame, Gebrüder, Herzoge in Baiern, 1988.
verfühuen id mit ber Etabt Regenäburg um alle Feinbſchaſt mub Ber:
beraug von biefe Srienes wegen, und nehmen fie im ihre Ouabe, in ihren
Frichen und Schirm; was fir ibr an Beten cher aubern Gütern abgenem:
men Gaben, follen fie ibe gänzlich wiebergeben; alle Gefangenen za beider
Seite ſollen ledig fein ohne Ecdapung und Bünbuik anf ſchlechee Urfebör,
au, «lie Branbfdjafung und alles GBebinge ſoll ab fein. — Meg. Bolsa X,
29. 334,
Re 5. Eger. 8. Benxl richtet einen allgemeinen Landirieden für ſecht
anf am Rhein, In Schwaben, in Baietn, in Franken, in Hefſen, in
Tıhringen und im Meihen. — Datt 66. Lehmann 758. — Gtett des
Schtuſſes, den Tatt giebt: „Und wir Kunig Wenplaumwe haben bes zu
befennen und waren gezügnuffe unfer Sunigl. Majelate ingefigel an bifen
brieff gebenfel, der geben if zu Egern nad Griftus geburte brüpeben
Yanıdert jere und darnach in dem rnün und achtzigſten jare des nehften
Mittwochen nach Philippi und Jacobi ber zweier zwölfi botien bay“, bat
Lehmann: „Mit Urfund diß Brieffö &Ke. Actum Balburgis (4. Mai) &e
Anno &e. LXXXVIII”. Tas Iebtere ift offenbar bloß verihriebm ober
verdrundt für LXXXVIOIL Die nädfte Duelle Lehmanns war wohl ein
Mäptifäes Copialbuch, und dieſes ſcheint ſich hier an einen noch nicht mit
dem endgültigen Schluſſe verfehenen Gntwurf gehalten gu baben, wie denn
auch die Theilnehmer an der Errichtung bes Landfriedens, welche bie Ur:
unbe bei Datt anfzählt, bier mır im Allgemeinen al „Ghurfärften, Fürften,
Grafen, Herren, wie bie genant find”, bezeichnet werben. — Beibe Ab⸗
brüde, der bei Datt und der bei Lehmann, enthalten viele Fehler und
nrüffen eimer aus bem anbern beridgtigt werben. So heißt es 3. B. bei
Lehmann: „Auch follen all und jegliche Beftallungen, wer bie bett, gänzlich
abfein”, während bei Datt das Richtige: „alle Phalburger“ fteht; bei Datt
heikt ed, man werde ben Lanbfriebendgliedern, wenn ihnen Jemand wegen
ihres Beitrittes „friben ober vientigafft” trage, behilflih fein, Lehmann
Hat: „Behb aber Geinbigafft” u. f. f
Was Datt 71 unter ber Ueberſchrift: „Ber Gtette Deolaration” giebt,
enthält keineswegs, wie er annimmt, Bemerkungen ber Gtäbte, fondern
bie Untwort, welche ſolchen Gtäbten, bie no am Bunde feſthalten und
it, wie die von Regensburg, Nürnberg und Beißenburg, ben Landfrie⸗
den unbebingt annehmen wollten, auf ihre Ginwenbungen ertheilt wurde.
In was für eine Zeit fie zu fehen iR, Tönnen wir nidt genau erkennen,
dem Schluſſe nah zu urtbeilen, if fie an bie rheinifgen Städte ge-
richtet. 335.
Mu 5. Hans von Steinach fdhreibt ben Bürgern zu Regensburg, daß er
und feine @efellen, dann die von Nürnberg und Weißenburg den Land:
frieben geſchworen, baß fie ſich mit den Herren von Baiern vergliden
Saben, und daß alle Gefangenen gegen ſchlechte Urfehde ledig fein follen.
G. am Mitihen nach bes hl. Ghräuz um Veſper Zeit (ES if Kreuz⸗
erfinbung gemeint, nicht Kreugerhöhung, daher ber Tag ber 5. Mai, nicht
112
1989. ber 15. September, wie Beg. Boica X, 249 berechnet if). Vergl.
Gemeiner I, 260. 336.
(Ohne Tag). Bürgermeifter, Rath und Bürger der Stabt zu Eplingen bekennen,
baß fie bem Landfrieben, welchen 8. Wenzel jebt zu Eger gemacht, bei-
getreten in all ber Weile, wie bie Stäbte Megenöburg, Nürnberg und
Weißenburg, bie vor ihnen in benfelben gefommen. — Datt 62. 337.
Mai 9. Bamberg. Adolf, Erzbifchof zu Mainz, und Lamprecht, Bifchof zu
Bamberg, entfcheiben bie Streitigkeiten zwifchen Bifchof Gerhard von Würz⸗
burg und ben Städten Rotenburg, Schweinfurt und Windsheim. — Die
ganze Urkunde gebrudt bei Friefe, in Ludwigs Gefchichtöichreiber von bem
Biſchoffthum Wirkburg 664, ausführlicher Auszug in ben Reg. Boica X,
239. Der Sprud enthält namentlich einige Beftimmungen über daß Land:
gericht zu Rotenburg unb bie Zente zu Schweinfurt, nadıtbeilig für bie
beiden Städte, daher proteflieren am 16. Mai bie Bürger von Schwein:
furt, am 12. Juni bie Bürger von Rotenburg gegen biefen ohne ihr Wiſſen
und ihren Willen erlafienen Spruch. Reg. Boica X, 241. 42, — Tie
letztern treffen bann ben 28. Januar 1392 eine Uebereinkunft mit bem
Biſchof. ©. Nr. 380. 338.
Mai 9. Bamberg. Mbolf, Erzbiſchof zu Mainz, und Lamprecht, Bifchof zu
Bamberg, entfcheiben in den Zweiungen unb Forberungen Herrn Gerhards,
Biſchofs zu Würzburg, und ber Städte Nürnberg, Rotenburg, Schweinfurt
und Windsheim: bie vorgenannten Parteien follen gänzlih gefühnt fein
und alle Gefangenen ledig gelaflen werben auf eine alte Urfebbe; alle
Schatung, Brandfhakung, Gedinge und alle andern unbezahlten Selber
follen ab fein; von bem Gelbe, bad Biſchof Gerharb den genannten vier
Städten an ihren Schulden in feinem Lande eingenommen bat, follen ihm
viertaufenb Gulden bleiben; welche von ben Städten biefed Spruches nicht
gehorfam fein wollte, foll auch in ben Lanbfrieben nicht genommen mer:
den, unb mag ſich dann Herr Gerhard wiber biefelbe Stabt mit ber Fürften
und Herren Einung behelfen, ohne daß es ihm an dem Landfriedben Scha:
ben bringe; er foll jedoch bie Städte, bie biefen Spruch Balten wollen,
bei ihren Lehen, Eigen, Erbe und Leibgebing ungehindert bleiben laſſen;
wegen bed Weinungelbed, das bie von Nürnberg auf ihre Bürger gefebt
haben, finb fie dem Biſchof Gerhard, ber e8 anfpricht, nicht pflichtig, ba
bas bem Neiche angehört; bie Bürger in ben vier Stäbten, bie bes Biſchofs
Mann find, follen ihm fürbaß von ber Lehen wegen thun, als ein Mann
feinem Lehenherrn billig thun fol. — Reg. Boica X, 240. 339,
Mat 19. Amberg. Ruprecht ber jüngfte, Herzog in Baiern, verſpricht, von
wegen des Angriffs, melden bie Stabt Windsheim gegen bie Stadt Am:
berg gethan bat, Feine Forderung an Windsheim zu maden. — Reg.
Boica X, 240. 340.
Mai 20. Gerhard, Biſchof zu Wirzburg, befennt, daß bie Bürger von
Windsheim ben zu Eger feftgefegten Lanbfrieben beſchworen haben —
Reg. Boica X, 241. 341.
Mai 21. Straubing. Albrecht der Sunge, Herzog in Baiern, vergleicht fich
178
wit Burgermeiſter und Rat; ber Stadt Regensburg mm alle Etöße, Feirib⸗ SBER.
fhaft und beiberfeitige Forberungen vom bed Kriegs wegen; unter Rüd-
gabe ber beißerfeltigen @roberungen unb Gefangenen ſowie Aufhebung
der noch nit entrichteten Brandſchazungen. — Reg. Bolca X, 241. . 342.
Mai 23. Wa. Stephan, Herzog in Batern, bekennt, daß Graf Wibrecht
von Heiligenberg bei jüngere fein Helfer geworben jetzo in dem Krieg gen
ben Stetten des Bundes, und verfpricht, ſeinerſeits demſelben auch behol⸗
fen zu fein und ihm 25 Spieße gutes und wohlbezeugtes Vvolle zuzu⸗
ſchiden. — Reg. Boles X, 241. 343,
uni 3. Die rhehrifchen, elfaffifchen und wetterauiſchen Stäbte vertragen ſich,
gemäß dem ſchiedsrichterlichen Ausſpruche Erzbiſchof Mbolfs von Mainz,
Biſchof Lamprechts von Bamberg und bed Deuntſchmeiſters Siegfrieb von
Benningen (und wohl noch zweier von Seiten der Stadte emiimmnter
Göhtebsriter), mit Kurfürft Ruprecht unb Herzog Rupredit bem jÜngern
dahin, daf fie ihnen verfprechen, in drei Zielen 60000 Gulden zu erlegen,
wofür die Städte Mainz, Worms, Speter und Frankfurt Bürgfchaft Teiften;
bie Gefangenen follen beiberfeitö ohne Löfegelb frei gegeben werben, und
Beibe Partelen bei ihren Freiheiten, Rechten, guten Gewohnheiten unb Her⸗
fommen verbleiben. — Auszug bei Lehmann 767. Rad Königähonen 180
fand am Pfingftabend (5. Juni) zu Helbelberg eine Ausſohnung ber rn
nifchen und der meiften ſchwäbiſchen Städte mit ben Herten flatt. 44.
Juni 15. Die Bürger zu Augsburg kommen mit ben erzogen *8*
Friedrich und Johann in Batern, mit dem Biſchof Burkart von Augsburg
und ben Grafen Ludwig und Friedrih von Dettingen überein, ihre Gtrei-
tigfeiten ben 4. Juli zu Ingolftadt auf ſchiedsrichterlichem Wege jur Ent:
ſcheidung zu bringen. — Reg. Boica X, 242. — Deögleihen am 47. mi
die Bürger zu (Kauf⸗) Beuren. — Ebenbort X, 243. — Desgleigen am
23. Juni die Bürger zu Kempten. — Ebenbort X, 243 unb Haggenmrüller,
Gef. v. Kempten I, 193. Diefer giebt an, es fei ausgemacht worden,
daß die beiderfeitigen Gefangenen und Eroberimgen mit Ausnahme ber
eroberten Feſten zurlcdgegeben, alle Brandſchatzungen und Gebinge auf:
gehoben, bie Übrigen Streitpunkte aber auf bem Tage zu Ingolftabt
entfchteben werben follten. Aehnlich wird es ſich wohl auch mit ben von
Augsburg und von Kaufbeuren gefchlofienen Webereintommen verhalten.
Als Obmann des Schiebögerichted, das jedesmal aus vier Mitgliedern
beſtehen ſoll, wird in allen drei Urkunden Landgraf Johann (der ältere)
zum Leuchtenberg bezeichnet; doch beſtimmten bie Augsburger In einem am
gleihen Tage wie bie Haupturfunbe ausgeftellten Beibrlefe, daß Ihre Miß⸗
helligkeiten mit dem Bifchof Burkart vom Nitter Heinrich von Gumppen-
berg entfchieben werden follten, im alle fi Herzog Ruprecht in Baiern,
Burggraf Friedri zu Nürnberg unb Landgraf Johann zum Leuchtenberg
um biefe Entſcheidung nicht annehmen wollten (Reg. Boica X, 242); In
Betreff Kemptend wurde, wohl aud in einem befonbern Briefe feſtgeſetzt,
bag, wenn Landgraf Johann nicht erfcheine, Ruprecht ber jüngfte ober
Burggraf Friedrich follte genommen werden (Haggenmilller .a.0.). 348.
174
1388. mi 22. Nürnberg Lamprecht, Biſchof zu Bamberg, entfcheibet binſichtlich
der Befchädigung, welche Ruprecht ber jüngfte und Kuprecht der ältere,
Herzoge in Baiern, durch bei Biſchofs Friedrich zu Eichftätt Diener erlit:
ten haben, daß alle ®efangenen ledig fein und den Herzogen von Baiern
vom Biſchof zu Eichſtädt bis kommenden Micheldtag 250 Pfuud Amberger
Pfenning bezahlt werben follen. — Reg. Boica X, 243. 346.
Juni 24. Albrecht von Rechberg von Hchenrechberg, ferner Ammann und
Richter zu Weißenhorn, bezeugen, wegen bed Salzes und Eifend, das
einigen ihrer Mitbürger burd der von Ulm Diener und Mitbürger ge:
nommen worben, völlige Genugtbuung erhalten zu haben. — St. A. 347.
Juni 25. Der Rath unb die Bürger zu Diemmingen bekennen, um alle ihre
Forderungen und Anſprüche an bie Herren Stephan, Friedrich und Johann,
Gebrüber, Herzoge in Baiern, an Herru Burkart, Bifhof zu Augsburg,
und die Grafen Lubwig und Friedrich zu Dettingen, auf vier Schiedmann
und Herrn Johann ben Truchfefien von Walpurg ald Obmann gegangen
und eined freundlichen Tags gen Lanböberg auf ben 4. Auguft überein:
gefommen zu fein. — Reg. Boica X, 243, 348.
Juli 3. Winterftetten zu Feld. Herzog Stephan zu Baiern urkundet für ſich
und feine Brüder Friedrich und Johann, baß fie um alle zwifchen ihnen
und ber Stabt Ulm verlaufenen Zufprüde gänzlih auf vier Schiedsmänner
und den Ritter Hand ben Truchieflen von Walpurg ald Obmann fich ver:
einigen wollten auf eimen in Lauingen ben 26. Zuli zu baltenden Tag. —
Reg. Boica X, 244. Vergl. mit Schmid, der jedoch Samstag vor Gt.
Urbandtag (22. Mai) bat anftatt Samstag vor St. Ulrichſtag, wie bie
Reg. Boica wohl richtiger geben. 344.
Suli 18. Die Bürger zu Augsburg befennen, daß ihre Mißhellungen mit
denn Biſchof Burkart daſelbſt von vier Schiebdmännern und bem Ritter
Heinrihd von Gumppenberg als Obmann am 29. Juli zu Donaumerd
entichieden werben follen. — Beg. Boica X, 245. 350.
Juli 19. Ludwig und Friedrich, Grafen zu Detingen, verjprechen für ſich
und ihren Schwager, Friebrih, Grafen von Helfenftein, binfichtlich der
zwiſchen ihnen und den Bürgern von Dinkelsbühl vorgefallenen Feind:
feligkeiten, diefer Stadt Freunde zu fein, mit Ausnahme besjenigen, was
von den genannten Bürgern dem Probft im Klofter zu Roth widerfahren
if. — Reg. Boica X, 245. 391.
Juli 20. Ingolſtadt. Des Landgrafen Johann von Leuchtenberg Schiede⸗
ſpruch in der Streitfache zwiſchen ben Herzogen Stephan, Friedrich und
Zohan von VBaiern und ber Stabt Augsburg. — Reg. Boica X, 245. —
Nach Paul von Stetten, Gef. von Augsburg I, 131, wurde entjchieben,
„daß die Stadt dem Herkog 10000 oder, nad Aventint Bericht, 6000
Gulden bezahlen, der Hertzog bingegen alle neuzangelegte Zölle, Mauthen
und Geleit abſchaffen, und den Augsburgern den freien Handel und Waıı:
bei in fein Lanb geftatten mußte”. ©. auch Gassarus, Annales Auget-
burgenses, bei Wende, Soriptores reram Germanicarum I, 1530. 352.
Juli 22, (Mark) Gröningen. Die Stadt Eßlingen ift mit ben beiden Grafen
278
@berbarb von Wirtemberg, Großvater und Enkel, folgenbermaßen über: 19850.
eingekennnen: 1) Die Eßlinger hindern ben Grafen nicht mehr an ber
Bogtei zu Rellingen unb was dazu gehort, an der Vogtei und bem Bericht
zu Dbereßlingen unb was dazu gehört. . 2) Den Leuten, bie aus den ge
nannten Bogtelen und auß Oberehlingen in bie. Gtabt gezogen und Bürger
geworben find, fell mau erlauben, ihr Bürgerrecht aufzugeben ‚nnd wieder
hinaus zu ziehen. Die, welche es nicht thum wollen, forwie andere Bürger
zu Gflingen, welche. an. ber genannten Orten Höfe und Güter haben, ſollen
bafür forgen, daß ben Grafen ben denfelben bie ihnen gebüßrenben Dienſte
zukommen, wibrigenfalls jene Söfe ımb Güter biefen verfallen - find.
Haben aber Bürger freie @üter zu Rellingen unb zu Obereßlingen, ſo
follen biefe bei ihren Freiheiten bleiben. 3) Solche als Bürger aufgenom⸗
mene Eigenleute der Grafen, weiche biefen vorher verſchworen umd ver:
bürgt haben, follen ihres Bürgerrechtes Tedig fein und hinausziehen; falls
fie vorzieben, zu bleiben, ſind ihre Güter den Grafen verfallen. Es fiegeln
bie beiden Grafen und bie Stabt Eßlingen. — Sattler 185. Nach Stalin III,
350 Anm. 2 befindet fi das Original biefed Briefes ſowie ber Gegen:
verfehreibuug ber Grafen, von welcher Datt ben Eingang und ben Schluß
giebt, im Stuttgarter Archiv, 353.
Aug. 11. Johann ber Ältere, Landgraf zum Leuchtenberg und Graf zu Hals,
enticheidet Binfichtlich der gegemfeitigen Anfprüche und Kriege zwiſchen ben.
Herzogen. Stephan, Friedrich uhb Johann in Baiern einerfett3 und den
Bürgern zu Nürnberg anbdrerfeits, daß alle Feindſchaft aufgehoben fein folle,
bie hinweggenommenen Velten, Stäbte, Märlte, Dörfer und Tiegenben
&üter wieder eingeantwortet, bie Gefangenen losgegeben und binfichtlich
be3 während bed Krieged Worgefallenen weber bie vorgenannten Herzöge
von den Bürgern zu Nürnberg, noch letztere von ben Herzogen bei irgend
einem Gerichte beklagt werden follten. Mitfiegler: bie Bürger von
Nürnberg. 34.
Oct. 5. Freyſing. Die Herzoge Stephan und Friedrich von Baiern ertheilen
ihrem Bruder Johann die Vollmacht, fie bei ben in ber Stadt Weißenhorn
von denen von Um, Biberah und Buchau auf ben Gt. Ballentag
(16. Oct.) vorgefcglagenen Vergleihäverhandlungen zu vertreten. — Bag.
Boica X, 251.
Den 20, October bezeugt dann in Weißenhorn Herzog Johann im fei:
nem und feiner Brüber Namen, „durch ben Gemeinen unb vier Zufäße” mit
der Stadt Ulm verrichtet und vereint worden zu fein um alle gegen unb
auf einander geflagten und gehabten Zufprüde, ausgenommen verbriefte,
vebfiche, alte und unleugbare Schuld, Zins, Gült unb Hubgelt, in Be:
ziehung auf welche jedem Theile fein Recht vorbehalten ſei. — Schmid. 355.
Rov. 17. Aichach. Vergleich zwiſchen dem Biſchof Burkfhart von ‚Augsburg
und bem Rathe daſelbſt bezüglich ber Jrrungen über das Ungeld, has
Burggrafenamt, ben Maierhof zu Augsburg, die von ben Bürgern ab:
gebrochene Pfalz und die Münze u. a. Mitfiegler: Herzog Stephan von
Baiern. — Bag. Boica X, 255, — Gafiarus, bei Wende 88. I, 1530, fagt,
1389.
176
bie Streitigkeiten zwiſchen ber Stabt und dem Biſchof feien auf Michaelis
zu Werd, nach andern Berichten zu Aichach auf ſchiedsrichterlichem Wege
gefchlichtet worden; einer der fläbtifchen Wbgeorbneten, Rappold, ber ohne
Willen bes Rathes bas Gtabtfiegel mitgenommen, Babe fi burch die
Schlauheit bes Obmanns, Heinrich) von Gumppenberg, bazu bringen laſſen,
bie Urkunde zu befiegeln, bevor ber Schiedsſpruch erlaflen worden. — Es
ſcheint, daß im Laufe bed Sommers ober des Herbfted Verhandlungen des
Schiedsgerichtes zu Donauwörth flattfanden, wie Nr. 350 war beftimmt
worden, daß aber erft durch ben zu Aichach abgefchlofjenen Vergleich die
Sade ihren endgültigen Abſchluß fand. Nach Gaflarus mußte die Etabt
eine Entfhädigungsfumme von 7000 @ulden zahlen (f. Nr. 357), der
Biſchof Hingegen verzichtet auf alle Aniprüche au das Ungeld. 356.
Nov. 24. Der Rath und bie Bürgerfchaft von Augsburg erflären, bie dem
Biſchof Burkhart ſchuldigen 7000 Bulden, halb ungarifcher und behaimer
Gulden, halb rheinifcher Gulden an Bol entweder in Augsburg oder in
Schwäbiſchwerd an ber Stabt geſchwornen Boldwage in brei Zielen zu
zahlen, in der Urt, baß, wenn bie Termine nicht eingehalten würden, der
Bifhof das Recht Haben folle, fie ſowohl an fahrendem als an liegenden
Gute zu pfänben. — Reg. Boica X, 255. 357.
1390,
1390. Febr. 9. Die Stadt Eßlingen fchließt einen Freundſchaftsvertrag mit den
beiden Grafen Eberharb von Wirtemberg, der bis zum 23. April 1343
währen ſoll. — Datt 64, 358.
Febr. 25. Die Städte Ulm, Nördlingen, Memmingen, Gmünd, Biberach,
Dinkelsbühl, Pfullendorf, Isny, Leutkirch, Giengen, Aalen und Bopfin—
gen machen, um ihren Pflichten gegen ben Landfrieden beſſer genügen zu
können, ein befondered Bünbniß bis zum 23. April 1391.— St. A. 359.
Merz 3. Kirchheim unter Ted. Schiedsſpruch in Sachen ber Streitigkeiten
zwifchen ben Grafen von Zollern und ben Städten, ſ. Nr. 368. Tas
Schiebögeriht wird wohl aus ben brei Herren, welde ben Spruch ver-
fünben, einem als Obmann, den beiden andern als Schiedsrichtern und
zwei von Eeiten ber Städte aufgeftellten Schiedßrichtern beftanben haben. 360.
April 8. Münden. Herzog Stephan von Baiern verſpricht dem Herzog
Friedrich von Ted für die treuen Dienfte, die er ihm vor und in dem
Kriege gegen bed Reiches Städte geleiftet hat, 800 ungarische und böhmiſche
Gulden auf den 25. Juli zu bezahlen, und gefteht ihm das Pfändungs-
reht an feinen, bes Herzogs Stephan, Land, Leuten und Gütern zu. —
Reg. Boica X, 263, — Aehnliche Schulbverfhreibungen, auch Verpfän:
dungen von Seiten ber Herzoge von Baiern, bed Burggrafen Friedrich
von Nürnberg u. f. w. ſowie der vorbergegangenen finden jich viele in
den Reg. Boic, — Vergl. auch Nr. 366. 361.
Juni 7. Rotweil. Graf Rudolf von Sulz, Hofrichter, verfünbet ben Gefanbten
ber Stäbte, welchen ber bier eingefchaltete Freibrief K. Wenzeld vom 20. Merz
1387 (Nr. 271) ertbeilt worden tft, baß fie Taut Spruch bes Hofgerichtes in
dem Genuß ber darin enthaltenen Freiheiten bleiben follen. — St. A. 362.
117
Zuni 7. Rotweil. Gben berfelbe vibimiert benfelben Brief den Boten ber 1390,
Stabt Ulm. — St. 9. 363.
Juni 7. Rotweil. Ebenfo denen ber Stadt Biberah. — St. U. 364,
Juni 7. Rotweil. Ebenſo ben Brief Wenzeld vom 16. Juli 1385 (Nr. 248)
ben Boten der Stabt Ulm — Gt. N. 365.
Jımi 19. Jörg Knolle bekennt, vom Burggrafen Friedrich zu Nürnberg hin⸗
figtlich feines Soldguthabens und feiner Dienftesfhäden bezahlt zu fein mit
Ausnahme eines Pferbed, das ihm vor Windsheim hinfend wurbe und
eined vor Weipenburg verlornen Harnaſches. — Reg. Boica X, 270. 366.
Juni 28, Rotweil. Graf Rudolf von Sulz, Hofrichter, ertheilt den Boten
der Stabt Ulm ein Bidimus bed Briefes K. Wenzels vom 16. Juli 1385
(Nr. 248). — SU 367.
Aug. 12. Graf Friedrich von Zolern, Ehorherr zu Straßburg, Graf Fried⸗
ri, Graf Oftertag, Gebrüber, Graf Friedrich der Schwarzgraf und Graf
Dftertag, Gebrüber, fämmtlid Herren zu Hohenzollern, befennen, durch
ihre lieben Herren und Obeime, Graf Eberhard von Wirtemberg ben Altern,
Siegfried von VBenningen, Meifter deutſchen Ordens in beutfchen Landeh
und Graf Friebrih von Dettingen, mit ben Städten Regensburg, Bafel,
Augsburg, Nürnberg, Ulm, Ehlingen, Reutlingen, Rotweil, Weil, Nörb:
lingen, Dinkelsbühl, Hal, Rotenburg a. b. Tauber, Heilbronn, Wimpfen,
Gmünd, Schweinfurt, Memmingen, Biberach, Winbäheim, Weißenburg, —
Mülhauſen, Kempten, Kaufbeuren, Leutkirch, Jsny, Pfullendorf, Aalen,
Bopfingen, Giengen, Wyl im Thurgau, Weinsberg und Buchau lieblich
und tugendlich verrichtet zu ſein, wie der von jenen Herren ausgefertigte,
hier eingefügte Brief d. d. Kirchheim unter Ted 3. Merz 1390 weiſt:
Die Städte geben bie Stabt Brülingen durch bie Hand bed Grafen
Eberhard den Grafen von Zollern zurüd, zahlen an ben Grafen Friedrich
von Dettingen 1250 51. auf St. Johannstag, entlaffen Heinrich und Eber:
bard von Blumberg ber Verbünbniß, bie fie benen von Rotweil und ben
andern Städten getban haben, geben bie Güter ledig, bie zu Blumberg
gehören, und verfchaffen, daß bem Grafen von Dettingen mit ben 1250 I.
auch die 250 ZI. gegeben werben, über welche die drei Brüder Biffinger,
Bürger zu Gmünd, einen Brief an Fritz, Georg und Hann? Wichinger
und Wild. Behaim audgeftellt. Die Gefangenen beider Parteien find Tedig
auf fchlechte Urfehde, ungegebene Schagung bleibt ungültig. — St. A. 368.
Sept. 27. Der Sandfriede verurtheilt zu Augsburg bie Lindauer, welche feiner
Ladung nicht Folge geleiftet, dem Rüdiger von Ebersperg auf feine Klage
bin Schabenerfag wegen Raubes zu erſtatten. — St. 9. 369.
Sept. 27. Daſſelbe Urtheil wirb über bie Ravensburger gefällt. — St. A. 370.
1391.
Jan. 17. Betlern. 8. Wenzel thut kund, daß alle in bem legten Kriege ge:
fchehenen Webergriffe gänzlich abgethan fein und ber Stadt Regenäburg
feinen Schaben bringen follen. — Reg. Boies X, 280. 871.
April 3. VBürgermeifter, Rath und Bürger zu Ulm verkünden, baß fie mit
den beiden Grafen Eberhard, bem Altern und dem jüngern, von Wirtemberg,
12
II.
1391.
178
1391. gänzlich verriätet und verfdhnt find um alle Zufprüde, bie fie zu ihnen
gehabt. — Sattler 187. 372.
April 3. Bergleih der Grafen von Wirtemberg mit Ulm, in Betreff der For⸗
- derungen, welche fie an diefe Stadt geftellt. Weber benfelben berichtet ein
zu Ende be3 16. oder zu Anfang des 17. Jahrhunderts verfaßter Auszug
bei Schmid folgendermaßen: Montag vor 6. Ambrof. in ber Oſterwoche,
entbält ff. 20 Punkte: 1) dag Ulm Wirtemberg befriegt und bes ältern
Grafen Eberhard Sohn, Grafen Eberhard [foll wohl heißen: Graf Eber:
hard bes füngern Bater, Grafen Ulrich] erfchlagen. 2) Deſſelben Schweiter
[fol heißen: beffelben, nämlich Eberhard bes ältern, Schmwiegertochter]
Elifabeth, Herzogin in Baiern und dann Antonie, geborene von Mailand,
bes Erfchlagenen [fol heißen: Graf Eberhard des jüngern] Gemahlin, auch
ihre Armenleute in Gundelfingen, Greingen, Bietigheim und anderswo
ausgeplünbert, 3) den ältern Grafen Eberhard von Pfandbung wegen an:
gegriffen und beſchädigt, 4) Häufer u. f. w., zu S. Jörg Eapell gehörig
nebft andern Häufern, die Lehen von Wirtemberg, abgebrochen und ihre
Pfarrkirche darauf geſetzt [1377 wurbe ber Bau bed Münfterd begonnen],
5) die Mühlen an ber Blau zu Ulm, 6) Peter Rothen unb andere Häufer
wider bed von Witemberg Willen abgebrochen unb ihren Salzſtadel barauf
geſetzt, 7) „von ber Herbbrüd wegen unb auch von ber Häufer und Fra:
men wegen mit ben Nöhren”, 8) „von des Ehingers Ader und bes Statt:
ſchreibers Baumgarten über ber Herbbrüd und von ofen bed Ehingers
Nütte wegen an ber Thonaw”, 9) de von Ulm abgebrodhenen Schwaighofs
wegen, 10) daß Ulm viele wirtembergifche Lehen in der Stabt nicht ent:
pfangen, 11) de8 Schadens, den Ulm an ben Häufern u. f. w. berer von
Bebenhaufen verübt, 12) wegen ber ®üter zu Derningen und Wippingen,
die gen Arned gehören unb Ulm ben Grafen von Wirtemberg entwährt,
13) wegen Hans Beſſerers von Ulm, der wirtembergifchen Armenlenten
ihr Vieh abgenommen, 14) Abbruch des Wengenkloſters durch Ulm und
befjen Entweihung, welches Klofter „der Herrfchaft zu Werbenberg gehört
und auch all ihr von Werbenberg Vorfarn begraben ligen“ [bei der Be:
lagerung im Sabre 1376 wurde das vor der Stadt gelegene Klofter ab:
gebrochen und in biefelbe hinein verſetzt), 15) wegen des Schabens, ben
Um Wirteinberg im Löwenkrieg gethan, 16) daß Heinrich von Sullme⸗
fingen, Bürger zu Ulm, einem Wirtembergifhen Armenmann zu Urach
ba8 Seine genommen, 17) wegen bed Schadens zu Ulm, an Yuben und
Chriſten, Wucher, Leiftung u. a. Ulmifcher feits an Wirtemberg begangen.
18) von Leipheim wegen aller Juden Schulden und andern Anforderungen
deshalb gegen Ulm, welche abgethan fein follen, ausgenommen bie Lofung
ber Stadt Leipheim, als welche zu dieſer Zeit der Stadt Ulm Pfand if,
für 10000 Fl., 19) Wirtemberg begiebt fi aller feiner feitherigen lehen⸗
herrlichen und Eigenthumsrechte in Ulm, bie St. Jörgen-Gapelle, welche
Wirtemberg nod verleihen fol, ausgenommen, doch follen bie Häuſer,
welche Ulm abgebrochen ober zur Pfarrfiche in Ulm gezogen, hei biefem
bleiben und Wirtemberg feine Anſprache deshalb haben, 20) bie Stabt
170
Um bat Wirtemberg „alle ber von Bebenhaufen Brief, wiber die Stabt 1991.
Ulm jagend, übergeben”, und bamit fol Um bem Inhalt bes Landfriebens⸗
briefed, ben ber R. König zwifchen Fürften, Herrn und. auch Gtäbten zu
Eger errichtet, genug gethan und Wirtemberg klaglos gemacht fein, — 373.
April 20. Rotweil. Graf Rudolf von Sulz, Hofrichter, ertheilt ben Beten
ber Stadt Ulm ein Vidimus bed Briefes 8. Venzels (Nr. 240) vom
16. Juli 1385. . 374,
Juli. Die Stabt Kempten tritt in den Bund, welchen bie Städte Ulm,
Nörblingen, Memmingen, Biberach, Gmünd, Dinkelsbühl, Hal, Aalen,
Pfullendorf, Isny und Leutlich zur Erhaltung des Lanbfriebend ge:
ſchloſſen. — Stabt:Kemptifche Urkunde in Münden, nad Haggenmüller,
Geſch. von Kempten I, 193. 375.
Aug. 15. Die beiden Grafen Eberhard von Wirtemberg (ließen einen Freund⸗
fHaftsvertrag mit der Stabt Eßlingen zur Regelung ber gegenjeitigen
Rechtsverhältniſſe und zur Ausgleihung aller etwa fich erhebenden Strei⸗
tigfeiten. — Datt 64. Gattler 186. 376.
Sept. 15 (Freitag nad Kreuzeserhöhung). Heidelberg. Biſchof Niclas von
Speier befennt, daß die Stabt Speier für ben Schaden, ben fie ihm, feinem
Stift, feinen Bürgern, armen Leuten unb den Seinen in dem Kriege
zwifchen Fürften, Herren und Städten zugefügt, ihm 3000 @ulben ent:
richtet und fid) dadurch nänzlih mit ihm außgeföhnt habe. Doch find in
biefer Ausföhnung bie Pfaflen, die Ebelleute und die von Landbau nicht
begriffen. — Schaab U, Nr. 254. 377.
Oct. 27. Richart, Stadtſchreiber zu Ulm, erſucht ben Rath zu Negenäburg,
bie von wegen bed Stäbtebunbes rüdftändigen 280 ungarifchen unb behaimi:
fen und 160 rheinifchen Gulden zu bezahlen. — Reg. Boica X, 297. 378,
Rov. 24. Bürgermeifter und Rath zu Ulm befennen, die Summe erhalten
zu baben, welche ihnen die Stabt Regensburg binfichtlich ber zu Raven:
burg von wegen bes Stäbtebunbes gefhehenen Rechnung. ſchuldig war. —
Reg. Boica X, 299. 379,
1392,
Jan. 28. Die Bürger zu Rotenburg a. d. Tauber vereinigen fi mit Bifchof 1392
Gerhard zu Wirzburg binfichtlich ihrer Mißhellungen von wegen ber Ge
richtsbarkeit. — Reg. Boica X, 308. 380,
Mai 22. Die Städte Mainz, Wormd und Speer beſcheinigen im Namen
der fämmtlihen Städte im Elſaß und in ber Wetterau, bie ben Bund
miteinander hielten auf dem Rheine, ben Stäbten in Schwaben, Franken
und Baiern, welde den Bund in Schwaben mit einander Hielten, ben
Empfang von 6000 Gulden, ihres Antheils an den 12000 @ulden, welde
bie Städte dem Erzbiſchof Adolf fel. von Mainz zu geben verfproden.
Es fiegeln bie drei Städte. — Ulmer Archiv. 381.
Nov. 20. Die Sädte Um, Nördlingen, Rotweil, Memmingen, Hal, Gmünd,
Biberach, Pfullendorf, Dinkelsbühl, Kempten, Kaufbeuren, Jsny, Leutkirch,
Aalen und Bopfingen, welche auch den von K. Wenzel angeordneten Land⸗
frieden beſchworen, aber während deſſelben Angriffe auf ihre Freiheiten
19*
180
. erlitten haben, verbinden ſich, geſtützt auf Briefe K. Karls (Nr. 30)
und 8. Wenzels (Nr. 96. 271), zu gegenſeitiger Hilfsleiſtung bis zum
1. Mai 1395. — St. U. 382.
1393.
Merz 6. Die Stadt Weil, welche mit dem Klofter Maulbronn zu einem geift:
lichen Recht gefommen wegen des Schabend, ben fie ihm und feinen Leuten
zugefügt, bittet baffelbe, von diefem Rechte abzuftehen und ihr zu verzeihen,
verfpricht, dem Klofter Fünftig fi nüßlich zu erzeinen, und begiebt fich
aller Anſprache an daſſelbe. Sie bat fih auch zu Fürkittern erbeten bie
Pfalzgrafen Ruprecht, Bater und Sohn, und beren Amtleute Wiprecht
von Helmftabt, Vogt zu Bretten, Cung Münd, Vogt zu Steinsheim,
ferner ung Leber im Namen ber Stadt Heilbronn und Albrecht Harſch
im Namen ber Gtabt Wimpfen. — Sattler 188. 383,
Juni 8. Die Bürger zu Hall vereinigen fi mit dem Biſchof Gerhard zu
Wirzburg binfichtlich ber Mißhellungen, welche zwifchen ihnen von wegen
bed Krieges ber Fürften und Städte flattgefunden haben, dahin, baß alle
ihre Gefangenen auf fchlechte Urfebde gegenjeitig loögegeben werben follen.
— Reg. Boica X, 329. 384.
Juni 26. Ingolſtadt. Herzog Stephan von Baiern verpfändet bie Stadt
Donauwörth an Bifchof Burkarb von Augsburg für 4250 Gulden, welde
er ihm für Hilfe im Krieg gegen bie Reichsſtädte ſchuldig geworben ift.
— Bag. Boica X, 331. 385.
Det. 19. Der Spruch über bie Klage bed Wilhelm von Helmfladt wegen
Schabend von 1000 Gulden, ben ihm bie Ulmer im Städtefriege follen
angerichtet haben, was fie nicht zugefichen, wirb durch den gemeinen Mann
Wernher von Rofenfelb auf zwölfmal 14 Tage nad Eßlingen vertagt. —
St. A. 386.
1395.
5, April 23. Die Städte Ulm, Nördlingen, Gmünd, Memmingen, Biberach,
Dinfelbühl, Pfullendorf, Kempten, Isny, Leutlich, Bopfingen und Aalen
verbünden fi mit Berufung auf drei Freiheitsbriefe ber Könige Karl und
Wenzel (wie Nr. 382), — St. U. 387,
1396.
6. April 15. Prag K. Wenzel, ber vormals zu Eger mit Kürfürften, Herren,
Rittern und Knechten eines gemeinen Landfriebend überein gekommen ift,
ber ſechs Jahre dauern follte, und ihn in Franken und Baiern aufgerichtet,
auch ſeitdem nach Laut eines darüber ertheilten Majeſtätsbrieſes daſelbſt
verlängert hat, entbindet bie Stadt Regensburg, welcher er ungelegen und
die ihm zu ferne gefefien ift, ihrer Pflichten gegen denfelben. — Lehmann
764, 388,
B. Urkunden.
Bündniß und Landfrieden, durch Kaifer Ludwig in Schwaben
errichtet. Nördlingen, 17. Juni 1340. j
(Gleichzeitige Copie im Wiener Haus:, Hof: und Staatsarchiv).
Wir Ludowig von Gots gnaden ro’mischer keiser, ze allen
ziten merer des richs, verjehen offenlich an disem brief,
daz wir, mit bedahtem sinne und nach unsers rats rat, unsern
lieben sumen und fursten Ludwigen marchgraven ze Bran-
denburch, Stephan, Ludwigen ‘und andern iren bruderen,
pfallentzgraven bi Rein und hertzogen in Beyern, und dem
selben land in obern Beyern und .. dem, der vicztum. in
obern Beyern ist, und unserm fu’rsten bischof Heinrichen von
Auspurch und den edeln mannen Ludwigen ze Öttingen dem
alten, Ulreichen ze Wirtenberch, Berchtolden von Nyffen,
Ludwigen und Friderichen gebrudern ze Oettingen, Eber-
harten und sinen brudern ze Werdenberch, Albrechten, Hugen
und Heinreichen ze Hohenberch, Chunraten und Rudolfen
gebrudern den- Scherern! genant von Herrenberch, Gorczen
und Wilhelmen von Tüwingen?, grafen, und dar zu den
steten die her nach geschriben stend, daz sint Auspurch,
Ulm, Bibrach, Memmingen, Kempten, Koufbu‘rn, Ravenspurch,
Pfullendorf, Überling, Lindaw, Kostentz, ze Sant Gallan, Zu‘rch,
Rotwil, Weil, Heilprunn, Reutling, Wimpfen, Winsperch, Hall,
Ezzling und Gemund, geboten und si geheizzen haben, daz
sich di selben herren, für sich und ir diener, und die stet
zu unsern vorgenanten kinden bindent und verbunden haben
getrewlichen mit irn eyden durch frides und schirmes willen,
2 So ergänge ich das in ber Wiener Handſchrift niit mehr ganz leſer⸗
fihe Wort na Stälin III, 704 1.
s ©. Stälin II, 706 k. Die W. Hofchr. hat Tanigen.
182
und si sich her wider zu in, und sullen an ander zu legen
und beholffen sin des rehten und redlicher sache, als verr in
leib und gut geraichet, und sol dis buntnuzz weren, des wir
in gunnen und gunt haben, als lang wir leben, und darnach
zwey gantzer jar die nechsten nach ein ander. Wir haben
auch unsern sunen Ludwig margraven ze Brandenburch,
Stephan hertzogen und irn brudern, bischof Heinrichen von
Auspurch und den steten, di zu dirre bu‘ntnuzz geho‘rnd
oder die noch zu in dar kommend, behalten und von sundern
gnaden gunnet, ob ez dar zu ko.m, daz in den vorgnanten
zwein jaren ein ainmatiger und ein ainweliger römischer
kunik uf stund, und si des geinnert wuerden, so sullen die
selben unser suen, der bischof von Auspurch und die stet,
die zu diser buntnuzz geho-rnd, ze sammen reiten gen Auspurch
und sullen da gemeinlich ze rat werden, und komend si des
all uberain oder der merer tail under in, daz si in wizzen
und erkennen für einen ainmustigen und ainweligen romischen
kunik, so sullen si im all gelich und gemeinlich gehorsam
sin, als von reht einem ro<mischen kunig, und sullen sich dar
an nicht saumen noch scheiden mit dheinen sachen, und sullen
dann diser buntnuzz ledigen sin. Wer auch daz zwen oder
mer von den fu’rsten erwelt wurden zu dem rich, alsbald si
daz vernemen, so sullen si dar nach in dem nechsten monayd
eh Auspurch konıen, und sullen unser vorgnante sun und
—* ey dar geben von irm rat, ob si selben dar nicht
komen mo°hten, und bischoff Heinrich von Auspurch oder
sin nachkommen, ob er sich in di bu’ntnu'zz zu in verbindet,
als der getan hat, einen dar geben oder sich selben, und die
burger von Auspurch zwen von irm rat, und dar zu all di
stet di zu irr buntnuzz geho‘rnd, die des richs sint und mit
rat in dis buntnuzz kommen sint oder noch kommend, der
sol ieglichiu einen dar geben, und sullen die all gemeinlichen
zu den heiligen swern, daz sie erkenn®n nach ir eyd, welher
herr under in redlicher oder rehter erwelt si, und wo si
duncht gemeinlichen oder den merern teil, der reht hab, den
sullen si all erkennen und haben fur einen romischen kunig,
und sollen dem gehorsam sin sinen reht ze tun als einem
romischen kunig, und soll der minner teil dem merern des
gevolgich sin, on widerred, und sullen dann aber der bunt-
nuzz ledig sin. Wer ouch daz etlich der ietzo genanten her-
ren oder stet, die zu diser buntnuzz geho‘rnd, saumich wur-
den und nicht enkomen uf den vorgenanten tag, kom dann
der merer teil dar, swes si dann uf den ayd uberain ko'men
oder ir der merer teil, des sol der minner teil aber gevolgich
sin. Auch haben wir den vorgenanten unsern sunen und
fürsten und bischof Heinreichen von Auspurch behalten und
gunt, dazsi in dem bunt, als si mit den steten uberein komen
184
ouch in beholffen sin an fürzog als vor geschriben stet. Wer
ouch daz dem von Wirtemberg oder andern herren, den ste-
ten oder andern di in der buntnuzz sint oder noch dar in
kommend, dhein schad widerfur, den der oder die, den der
schad beschehen ist, nicht geobern mochten, so sullen si ez
bringen an die newn, und swes die dann oder den merrern
teil under in duncht uf ir eyd, dar nach sullen in all di zu
der buntnuzz gehornd, die von den newnen oder von dem
merern teil darzu gemant werden, beholffen sin, als oft und
als vil on geverd, iz den, den der schad beschehen ist, der
sto'zz geendet wirt. Auch sullen dann die newn auf ir eyd
iedem herren und der stat ir helf nach ir mu‘gen schepfen
und machen on geverd nach der gelegenheit. Ez ist ouch
gerett, swer der iet der in der buntnuzz ist oder ander un-
schedlich lust, di durch daz land varnd, der uf wazzer oder
auf land beschadigt, gevangen, gewundet, beraubt oder ge-
minert wurd, so soll der nehst herr und stat oder ander die
zu der buntnuzz gehoernd, bi den ez beschehen ist, zu eylen
mit ir mugend, und sullen di allez daz dar zu tun als ob
ez in selben beschehen wer, und mu’gen si ez niht geobern,
so sol man in furbaz nach der newner heizz beholffen sin
als vor stat. Wer ouch daz ieman deheinen der. zu diser
buntnuzz gehort wolt schadigen oder apeis schiken den die
uf si zogten und iren schaden wurben, daz sullen die andern
di in diser buntnuzz sint, wi si daz wizzent und erkennent,
auf den ayd wern und wenden, als verre si kunnen und
mugen. Wer ouch daz ein auflauf ufstund zwischen den
herren und steten oder andern di in der buntnuzz sint oder
noch dar in komen, den sol man bringen an di vorgenanten
newn, und swis die oder ir der merer teil ze rat werdent
dar umb uf ir eyd, des sullen im baid tail gevolgich sin
umb di sach, als vor geschriben stet, und swer daz widerret
und sin nicht gehorsam wer, so sullen herren und stet und
ander die in der buntnuzz sint, dem andern beholffen sin
und zulegen in dem vorgenanten rehten. Wer ouch daz di
newn oder ir der merer teil deucht daz man gesezz bedo*rft,
ez wer herr oder stat, wo man sin hin dann bedurrffen wirt,
da bi sullen di nehsten drey herren und stet die kost dar
lihen, der man bedarff zu werchen oder zu bawen, und swann
daz gesezz zergat, so sullen die newn dar nach in einem
monayd ze sammen, und wie si alle oder ir der merer teil
under in uf den eyd di kost an legent iedem herren oder
stat oder ahdern di in dem gesezz gewesen sint, daz sullen
die] dar nach in einem monayd den herren und stetten die
ie kost dar gelihen hant uz richten uf den ayd on geverd.
Ez ist auch gerett, wer daz iemant beschedigt wurd, di in
diser buntnuzz sint oder noch dar in komend, von wem daz
186
sint ze verho’rn, und da uz richten di selben gebresten, so
si dann best ze rat werden. Wer ouch daz iemant zwischen
den kottemmern ichtz bescheh, daz er clagen wolt, der sol
ez an den u-berman bringen, duncht danne den, daz er ez
alein nicht us mug gerichten und daz er der echter dar zu
bedurffe, ob die sach als redlich und als notdurftig ist, so
sol er si zu im besenden an di vorgenant stat gen Ulme.
Gescheh ouch daz der echter einer krank oder uswendig
landes wer, daz er zu den vir kottemmern gen Ulm nicht
kommen möht, oder wann si allvon manung wegen des uber-
mannes dar komen solten, ist er uz der herren diner, so
sullen di herren, der diener er gewesen ist, ainen andern an
des stat und uf den selben tag gen Ulm senden, und sol der
swern allez des der gesworn hat, der nicht komen moht, und
sol ouch man im in den ayd geben, daz dirre von ehafter
not nicht komen moht gen Ulme, und daz selb sullen die
stet ze gelicher weis tum uzzer ir steten als die herren on
geverd. Mer ist berett, wer daz der echter einer oder mer
ab gieng, so sullen die andern und der uberman einen andern
oder ander an des oder an der stat di abgangen sint kiesen
und nemen, ez si uz der herren diener oder uzzer den ste-
ten in dem nehsten monayd dar nach; wurden si sich aber
zweyen an der wal, daz si nicht uber ain komen möhten,
so sull wir einen andern oder ander an ir stat geben uz der
herren diener, ob der selben einer abgangen ist, oder us den
steten, ob der selben einer abgangen ist. Gieng ouch der
urberman ab, so sullen wir einen andern, der als schidlich
ist, in dem nehsten monayd dar nach an des selben stat
geben on geverde. Wir Behalten uns ouch, wer daz uns
under den echten iemant misseviel, er wer von den herren
oder von den steten, daz wir den ab nemen sullen, und sullen
dann di herren, ist er von iren wegen do gewesen, uz ir
dienern ainen andern mit unserm rat an furrzog an des stat
geben, den wir ab genomen haben. Ist ouch der von der
stet wegen, so sullen si us ir steten daz selb ze gelicher weis
tun als di herren. Ez hat ouch graf Ulreich von Wirten-
berch unser oheim selb zehen siner diner die hernach ge-
schriben stand, Johann von Gilting vogt ze Leonberg, Hein-
reich von Rechberg von Huchling, Albrecht Hak, Ulreich
von Wirtenberch probst ze Sand Gwiden ze Spyr, Chunrat
von Hornstain, .. der vogt von Urach, Friderich Sturmveder,
Chunrat Rüzz und Ernst von Giltling vogt ze Ettlingen, dis
buntnuzz, als si an diesem brief verschrieben eint, fur sich
und fur all ander sin diner gesworn zu den heiligen stet
und gantz ze haben und ze halten on geverd, und des sol
uns ouch von im benu‘gen. Wir nemen och in dis buntnuzz
all stift, gotshuser, kloster, pfaffen, geistlich und werltlich,
187
wie die genant sint, di in den zilen sint, als sich dis bunt-
nuzz strechet. Wer ouch daz iemant ichtz us kirchen oder
us kirchhofen oder viche us pflugen frevelichen nem, das
wer in raysen oder uswendig, den sol man haben und halten
fur einen offen strasnrauber. Gescheh o«ch das iemant us
lantfrid ze Franken ! her uber in dis buntnusse beraubt wurd
oder ieman us dirre buntnusz hin uber, so sol ein lantfrid
dem andern beholffen sin, so er best kan und mag, bis das
ez widertan wert. Wir wellen ouch, waz iemand mit dem reh-
ten vor unserm hofgericht erklag und erlang, daz man dem
dar zu mit dem lantfrid beholffen sey getrewlich. Dirre lant-
frid und buntnuzz sullen als weyt sin, als verre sich herren
und stet land und gebiet strechend, die in dirre buntnuzz
sint. Wir haben ouch den vorgenanten hochgeborn Stephan
fallentzgraven bi Reyn, unsern sun, herren und steten, die
ın dirre buntnuzgs sint, ze einem hauptmann geben, und wer
daz er in landes nicht gesin mocht, #b sol er einen andern
an sin stat, der als schidlich sey, und in dem selben rehten
geben in den nehsten zwein monayden dar nach, und sol der
selb swern ze gelicher weis als er gesworn hat, und den ayd
sullen die newn vodern und ein nemen, und wo man in ouch
daz verzu‘g oder verzihen wolt, so sint herren und stet und
all di in diser buntnuzz sint gen der herrschaft ze Bayern
unser sun und si gen in irer ayd ledig und los. Und des
habent all herren und stet di in diser buntnuzz sint gemein-
lich gelert ayd zu den heiligen gesworn allez daz ze halten,
ze volfuren, swaz geschriben stat an disem brief und da
wider nicht ze tun on alle geverd, daz ouch all herren und
stet di in dis buntnuzz furrbaz komend ze gelicher weis tun
sullen und swern. Wir behalten uns ouch den gewalt, daz
wir dis ayd und buntnuzz ab nemen mugen wann wir wellen,
und wer daz wir ze rat wurden daz wir si ab nemen woltef,
daz mugen wir tun mit der bescheidenheit, daz wir di vor-
genanten herren und stet besenden sullen auf einen tag, und
sullen si do nach rat und mit ir wizzen ab nemen. Wer aber
daz wir in landes nicht enwern, swer dann unser pfleger ist
und der in unsern offen brief mit vollem gewalt an unsrer
stat zaigt und bringt, der sol und wag si als „gralticlichen
ab nemen als wir. Wir haben in ouch di genad getan, all
di weil dis buntnuzz wert, daz wir der vorgenauten stet
2 Durd eine ben 1. Juli 1340 erlaflene Urfunbe errichtete K. Ludwig
zwifchen feinen Söhnen, ben Bifchöfen von Bamberg, Eichſtädt und Würzburg,
dem Abt von Fulda, einigen fränlifhen Herren und ben Städten Bamberg,
Bürzburg, Eichſtädt, Nürnberg und Rotenburg ein auf biefelbe Zeitbauer
wie dad obige feſtgeſetztes, ganz in ber pleisen Weiſe organifierted Bündniß,
auch mit neun gemeinen Leuten, bie in Nürnberg tagen und dem Herzog
Stephan ald Hauptmann.
| 478
439. ganzlich verrichtet umb verſohnt find um alle Zuſpruche, bie fie zu ihnen
gehabt. — Sattler 187. 372.
April 8. Bergleich ber Grafen von Wirtemberg mit Ulm, in Betreff ber For:
- berungen, welche fie am biefe Stadt geftelli. Weber benfelben berichtet ein
zu Ende bes 16. ober zu Anfang des 17. Jahrhunderts verfaßter Auszug
bei Gchmid folgenbermaßen: Montag vor S. Ambrof. in der Ofterwoche,
entbäft ff. 20 Punkte: 1) daß Um Wirtemberg befriegt und des Altern
Grafen Eberhard Sohn, Brafen Eberhard [fol wohl heißen: Graf Eber:
hard des füngern Bater, Grafen Ulrich] erfchlagen. 2) Deflelben Schweiter
[fol heißen: befielben, nämlich Eberharbs bes Altern, Schwiegertochter]
Elifabeth, Herzogin in Baiern und dann Antonie, geborene von Mailand,
‚ bes Erſchlagenen [fol heißen: Graf Eberhard bed jüngern] Gemahlin, auch
ihre Armenlente in Gundelſingen, Oreingen, Bietigheim und anderswo
außgeplündert, 8) ben Altern Grafen Eberharb von Pfandung wegen an:
gegriffen und beſchädigt, 4) Häufer u. ſ. w., zu S. Jörg Eapell gehörig
nebft andern Häufern, bie Lehen von Wirtemberg, abgebrochen und ihre
Pfarrfirche darauf gefeht [1377 wurbe ber Bau bes Münfterö begonnen],
5) die Mühlen an ber Blau zu Ulm, 6) Peter Rothen und andere Häufer
wiber des von Witemberg Willen abgebrochen unb ihren Salzſtadel barauf
gefeht, 7) „von der Herbbrüd wegen und aud von ber Häufer und Kra⸗
men wegen mit den Möhren”, 8) „von be# Ehingers Ader und bed Statt:
ſchreibers Baumgarten über ber Herbbrüd und von ofen des Ehingers
Nütte wegen an ber Thonaw”, 9) des von Ulm abgebrochenen Schwaighofs
wegen, 10) baß Ulm viele mwirtembergifche Lehen in ber Stadt nicht em:
pfangen, 11) des Schabens, ben Ulm an ben Häufern u. f. w. berer von
Bebenhaufen verübt, 12) wegen ber Güter zu Derningen und Wippingen,
bie gen Arned gehören und Ulm den Grafen von Wirtemberg entwährt,
13) wegen Hand Beſſerers von Ulm, ber wirtembergifchen Armenleuten
ihr Vieh abgenommen, 14) Abbruch bes Wengenkloſters buch Ulm und
deſſen Gutweihung, welches Kloſter „ber Herrſchaft zu Werdenberg gehört
und auch all ihr von Werbenberg Vorfarn begraben ligen“ [bei der Be:
lagerung Im Sabre 1376 wurde das vor ber Stadt gelegene Klofter ab:
gebrochen und in biefelbe hinein verſetzt), 15) wegen des Schabens, den
Um Wirtemberg im Lowenkrieg gethan, 16) daß Heinrich von Sullme⸗
tingen, Bürger gu Ulm, einem Wirtembergiſchen Armenmann zu rad;
das Seine genommen, 17) wegen bes Schadens zu Ulm, an Zuben und
Chriſten, Wucher, Leitung u. a. Ulmiſcher ſeits an Wirtemberg begangen.
18) von Leipheim wegen aller Juben Schulden und andern Anforderungen
deshalb gegen Ulm, welche abgethan fein follen, ausgenommen bie Lofung
ber Stadt Leipheim, ala welche zu biefer Zeit ber Stabt Ulm Pfand ift,
für 10000 Fl., 19) Wirtemberg begiebt fi aller feiner feitherigen lehen⸗
herrlichen und Eigenthumsrechte in Ulm, bie Gt. Jörgen-Gapelle, welche
Wirtemberg nod verleihen foll, ausgenommen, doch follen bie Säufer,
welche Ulm abgebrochen ober zur Pfarrkirche in Ulm gezogen, bei biefem
bleiden und Wirtemberg keine Anſprache deshalb haben, 20) bie Stabt
178
Um Hat Wirtemberg „alle der von Bebenhaufen Brief, wiber bie Stadt 1891.
Um jagend, übergeben“, und bamit fol Ulm dem Inhalt bes Landfriebens:
driefes, den ber R. König zwiſchen Fürften, Herrn und auch Städten zu
Eger errichtet, genug gethan und Wirtemberg klaglos gemacht fein. — 373.
April WW. Rotweil. Graf Rudolf von Sulz, Hofrichter, ertheilt den Beten
ber Stadt Ulm ein Vidimus des Briefes K. Bereit (Nr. 249) vom
16. Juli 1385. . 374.
Zuli. Die Stadt Kempten tritt in ben Bnnd, welchen die Städte Ulm,
Nördlingen, Memmingen, Biberach, Gmünd, Dinkelsbühl, Hall, Aalen,
Pfullendorf, Isny und Leutfich zur Erhaltung des Lanbfriebend ge:
ſchloſſen. — GStabt:Kemptifche Urkunde in München, nach Haggenmüller,
Gef. von Kempten I, 193. 375.
Aug. 15. Die beiden Grafen Eberharb von Wirtemberg fchließen einen Freund⸗
Thaftsvertrag mit der Stadt Eßlingen zur Regelung ber gegenfeitigen
Rechtsverbältniffe und zur Ausgleichung aller etwa ſich erhebenden Gtrei-
tigfeiten. — Datt 64. Sattler 186. 376.
Sept. 15 (Freitag nad) Kreuzederhöhung). Heibelberg. Biſchof Niclas von
Speier befennt, daß die Stadt Speier für den Schaden, ben fie ibm, feinem
Stift, feinen Bürgern, armen Leuten unb ben Seinen in bem Stiege
zwifchen Fürſten, Herren und Städten zugefügt, ihm 3000 @ulben ent:
richtet und fi dadurch nänzlih mit ihm ausgeföhnt habe. Doch find in
biefer Ausföhnung bie Pfafien, die Ebdelleute und bie von Landau nicht
begriffen. — Schaab U, Ar. 254. 377.
Det. 27. Richart, Stadtfchreiber zu Ulm, ‚erfucht den Rath zu Megendburg,
bie von wegen des Stübtebundes rüdftändigen 280 ungarifchen unb behaimi-
Then und 160 rheinifchen Gulden zu bezahlen. — Reg. Boica X, 297. 378.
Nov. 24. Bürgermeifter und Rath zu Ulm befennen, die Summe erhalten
zu baben, welche ihnen die Stabt Regensdurg binfichtlih ber zu Ravens⸗
burg von wegen bed Stäbtebunbes gefchehenen Rechnung ſchuldig war. —
Reg. Boies X, 299. 379.
1392.
Jan. 28. Die Bürger zu Rotenburg a. d. Tauber vereinigen fi mit Bifchof 1392
Gerhard zu Wirzburg Hinfichtlich ihrer Mißhellungen von wegen ber Ge⸗
richtsbarteit. — Reg. Bolea X, 308. 380.
Mai 22. Die Stüdte Mainz, Worms und Speier beideinigen im Ramen
der fämmtlihen Städte im Elſaß unb in ber Wetterau, bie ben Bund
miteinander bielten auf dem Rheine, ben Stäbten in Schwaben, Franken
und Baier, welde den Bund in Schwaben mit einander hielten, ben
Empfang von 6000 Bulden, ihres Antheild an ben 12000 Gulden, welche
bie Städte dem Erzbiſchof Adolf fel. von Mainz zu geben verjproden.
Es fiegeln die drei Städte. — Ulmer Archiv. 381.
Nov. 20. Die Sädte Ulm, Nördlingen, Roͤtweil, Memmingen, Hall, Gmünd,
Biberach, Pfullendorf, Dinkelsbühl, Kempten, Kaufbeuren, Jsny, Leutkirch,
Aalen und Bopfingen, welche auch den von K. Wenzel angeordneten Land⸗
frieden beſchworen, aber während deſſelben Angriffe auf ihre Freiheiten
12*
ind ara alle geverde, dez skin wir die obgen. stete, die
jietzo in dem bund sint oder die noch füro zü uns
dar in kamen, es weren herren oder stetc, ain
ander getsüwlich beholfen und beraten sin, den selben die
also under uns beschadiget sint, es sien herren oder stete,
am alle erde, als ob es unser selbs sache were und uns
allen selber beschechen were, und war daz kayn vordrung
oder mutange bescheche von unserm herren dem kaiser, dem
ro’mischen ku’nige oder von iemant andre von iren wegen,
dar umbe sol sich doch kain stat umb sorlich sache ver-
sprechen noch verantwürten noch kaynen vortail dar inne
schen noch uflnemen, si beru’ffe denne vor alle stete ge-
mainlich in diser buntnüzze ze samen, und sol die sache
nach gemsyner stett rat und nach dem merren tail ir er-
Kantnlaze az verantwürten, und sol och bi den aiden da bi
seliben.
2. Were aber, daz der stette dehayniu die ietzo in
diser gelübde sint oder die noch füro dar in tra--
ten oder karmen, es warren herren oder stete dar
über von ieman angegriffen würden, so süln wir andren!
stete geinainlich den zog und den angriff wenden an herren
und an iren dienern, und süln alle die die den schaden ge-
tarn hant oder tün worlten, ald die hilflich dar zü ge-
woson sint, angriffen und beschadigen an lib und an
fit, als verre unser? vermügent geraichet, an alle geverde.
Ind wa’r das dehayner der selben herren diener die den
angriff tarten, stille sitzen worlten, den sol man dennocht
angriffen und boschadigen, es were denne daz der selbe
sworen und briof über sich selb geben worlte, daz er in vier
gantzon jaren den nehsten nacheinander wider uns noch
— bunde° nicht sin woelt, noch uns beschadigen
worite.
3. Were och daz dehain stat, ain oder mer, die ietzo
in diser gelübde sint oder noch füro dar in kacmen,
os warron herren oder stete, von iemant angegriffen
würde, wer die wa’rent und die den andren steten nicht
kündig warrent, wenne denne die selben beschadigeten her-
ren vdor stete uns andren steten den oder die verkündent,
die den schaden getan hant oder die hilflich dar zü ge-
wesen sint, den oder die süln denne aber die selben stete
under uns, den cs also verküntt wirt, angriffen und bescha-
digen an inselbe und och an ir Jüt und gu-tern ungevarlich
und als ob in der schade selber beschechen war. Und war
das dehain herre, ritter oder kneht dero dehainen husety
older hatety oder kust gebe, die uns beschadigoten oder das
ı die & ihr 5 die Stäu nicht sin wuülf im Jieser Gelübe.
191
er weren worlte, daz man den steten kost süfürte, den stıln
wir stete och angriffen und beschadigen, als vorgeschriben stat.
4 War ouch, daz dehain stat unsers bundes, die
ietzo dar inne sint oder noch füro zü uns darin
ka men, es warren herren oder stete, von der vorgen.
artikel wegen angegriffen würden, weren denne der oder die,
die den angriff! getan heten, der selben iffnen stat
gesezzen, und woelte denne die selben stets oder stat die
selben och dar umbe angriffen, und dühte sy, das es ir ze
stark were, die selben mo«hten denne wol die nehsten zu
in manen, besenden und ruffen, das sy in dar zü be-
holffen weren, ala manig si düht daz in dar zü notdürfftig
weren. Werent aber die die den schaden getan hetten ainer
andren stat bas gesezzen, so mag diu angegriffen stat den
selben steten och gebieten, das sie die dar umbe angrifien,
war es aber den ze stark, die mochtent aber den nehsten
steten zü in rüflen und gebieten, untz daz diu sache erobert
würde und der schade würde abgeleit. Ä
5. Waer ouch daz dehain stat, die ietzo bi uns in
unserm bunde ist oder die noch füro zü uns dar
in kam, also angegriffen und mit geliger besezzen würde,
diu sol und mag die nehsten dry* stete manen und gebieten,
daz si ir unverzogenlich ze helff komen mit ir lüten, mit
ziug, mit kost und mit andren sachen ungevarlich, da mit
si ir stat besorgen und geretten mugen, und war daz si dez
fürbaz notdürftig würden, so mügen si di andren stete och
die nehsten in ayner bilichy 20 in manen in der selben wise,
und waz kost denne dar uff gieng, dıe kost süln wir die
stete gemainlich liden und tragen, ieglichiu stat nach anzal
ir gewonlicher stiure, und sol och die kost ieglichiu stat in
zwayn manoden bezaln nach dem , so die stette gemain-
lich die kost an geleit hant. Welhiu stat och kost dar lihi,
din mag die andren stete alle dar umbe manen uff ainen
tag, und sond da die stete die kostan an legen nach irem
besten a'n alle geverde.
6. War och daz ieman, es weren herren, stete
ritter oder knehte?, begertent in dise gelübde und
friuntschafft ze komen, der oder die mugent das bringen an
welh stat si wend unsers bundes, und dunket denne die
selben stat, daz die stete dar umbe ze manent sien, daz mag
siwol tän, und wez sich denne die stete da gemainlich oder
mit dem merren taile erkanten, wie der in ze nement were,
da bi sol es beliben.
7. Waer och das ieman uns vorgen. stete ain oder mer,
die ietzo bi uns in unserm bunde sint oder noch
2 Schaden. 8 dehein Statt, Herr, R’tter oder Knecht,
192
füro zü uns dar in karmen, worlt fehen oder vigentschaft
antragen umb sorlich angriffe, die im von uns in diser
gelübde und friuntschafft beschechen oder widerfaren
waren, den selben steten oder stat, ir war ain oder mer,
sodn wir die andern stete alle bi guten trüwen und bi unsern
aiden dar umbe beraten und beholffen sin nach dem zit, so
disiu gelübde ain ende hat, untz daz diu sache gentzlich
erobert und usgetragen! wirt, an alle geverde,
und hant och die selben stete, die also beschadiget
weren oder wurden, vollen gwalt, uns dar umbe
ze manent und zü ze sprechen alz vorgeschri-
ben stat.
8. Wir sien och mit rehtem namen dez über
ain komen, ob daz war, daz dehayn stat ain oder
mer die ietzo bi uns sint oder noch fürbaz zü
uns kamen, mit sainer andren steten oder stat
unsers bundes iht brüche, stozze oder misshe-
lung heten oder gewünnen, umb waz sache daz
werr, daz da entwedre stat selb dar zu nihtz tün,
angriffen, noch die andren stete oder stat dar
umbe beschedigen noch ufheben sol, alle die wile
und diser unser bunde weret. Und die selben
stete oder stat die soelich storzze mit einander
heten, süln daz bringen für gemain stete und
den baidenthalbe ir klag, red und widerrede
für legen und erzellen, und wez die stete ge-
mainlich oder ir der merre taile sich denne dar
umbe erkennent, ald wie si daz entschaiden und
usrihtent, es si mit minne oder mit dem rehten,
oder wes ald wa hin si die wisent, dez süln baid
taile geforlgig sin, und sorln och bi dem aide da
bi beliben, a'n alle geverde.
9. Wir haben och disen unsern bunde also ge-
ordent und uns dar uff also ze samen versprochen, wer
daz wir kain stukke oder artikel dar inne? bessren woelten,
daz wir dez volle maht und gwalt haben süln und
och wol getün mugen, ob sich dez oder wie sich dez
die stete oder ir der merr tail erkennent und ze rat
werdent, doch sol disiu unsriu gelübde und friuntschafft
die obgen. zit und jare beliben, und daz wir kain stükke
niht mindren süln, es bescheche denne mit unser vorgen.stete
gütem ainbern willen.
10. Es suln och umb alle vorgeschribne stükk und
artikel alle manunge beschechen gen Bibrach in die stat, es
! ussgericht. 2 in dieser Gelübt und Fründschaflt.
5 das mügend wir wol thun.
183
were denne daz wir stete oder unser der merr tail
ainer andren gelegner stat ze raut würden, da bi sol es
denne aber beliben. Es shln och die von Ulme, von
Costentz und von Ezzelingen ieglichiu stat! zwen von
iren raten zü dem spruche setzen und der andren stette
ieglichiu ainen. Und wenne wir och ze samen gemant
werden, were denne daz kain stat dar an sümig ware und
niht kam alz si gemant were, der git ieglichiu stat zwaintzig
guldin an der gemainen stett kostan, usgenomen allayn der
von Sant Gallen, von Isnyn, von Wangen, von Liutkirch,
von Koufbürren, von Büächorn, von Winphen, von
Winsperg, von Pophingen und von Aulun, der ieg-
lichiu stat git zechen guldin, und sol och sich dez kayn stat
nicht sperren noch widren, es war denne daz sich ain
stat mit ayden da von genemen mochte, daz si ehafft not
geirret het.
11. Were och, dez wir zu Got niht getruwen, daz kain
stat in diser gelübde sich dar an übersehe und niht hielte
noch vollfuerte die artikel die vorgeschriben sint ungevarlich,
würde diu dez überwunden mit dem rehten, mit erkant-
nüzze dez merren tails der stete, diu soelte denne geben ze
enne von hundert phunt hallern zway hundert phunt güter
er, nach anzal ir gewonlicher stiure, aber an gemain
kostan der stette, ez were denne daz si sich mit aiden da
von genemen mo°hten, alz vorgeschriben stat, das si ehaft not
geirret het.
12. Und sol och diu vorgeschriben unser ? bunt
nüzze und gelübde in aller der wise alz vorgeschriben
stat? weren, krafft haben und sta-t beliben a'n ge-
verde die vorgeschribnen zit und jare, daz ist
hinnan bis uff sant Go’rien tag der nehst kumpt und dar
nach syben* gantziu jar die nehsten nachainander’, alz
och daz vorbegriffen ist, es waer denne daz uns ander
bünde® oder lantfrid ze handen giengent, die uns uff ze
nement werent, dez sich die zwen tail oder mer under uns
erkanten und dühten uff ze nemen, daz sol also beliben, und
sol der dritt taile dem merren tail dar an geforlgig sin.
Und? haben och also alle vorgeschribene sache, stukk,
busnde und artikel gelobt bi den vorgeschribnen gesworn
ayden®, start ze haltent und ze vollfurent luterlich und
an alle geverde alz vorgeschriben stat. Und dez allez ze
warem offnem urku‘nde und daz es sta-t belibe, so haben
wir die obgeschribnen dez hailigen richs stette alle siben
I jedwedre. 2 diese. 5 unter uns allen.
* währen und bestehen ohngeverlich. 5 drü.
6 nach einander ze zahlen. T ein Bund. s Wir.
9 Ayden und geschwornen Gelübd.
II. 13
194
und zwaintzig unserr stett gemainiu aigniu insigl offenlichen
gehenket an disen briefe, der geben ist an sant Thomans
abent dez hayligen zwelfibotten vor wihennehten, do man
zalt nach Gotz gebürt driuzehenhundert jar und dar nach in
dem syben und sybentzigosten jare !.
⸗
m.
Bündniß der ſchwäbiſchen Reichsſtädte vom 28. September
1382.
(Original im Stuttgarter Staatsarchiv).
Diejenigen Stellen, welche Erweiterungen ober erheblichere Abänderungen
‚bes Briefes von 1377 enthalten, find zur bequemeren Ueberſicht mit ge:
fperrter Schrift gedrudt.
Wir die von Regenspurg ain fryu stat und ouch
wir dez hailigen romischen richs stette gemainlich, mit namen
Augspurg, Ulm, Kostentz, Eßlingen, Rütlingen, Rotwil,
Wile, U’berlingen, Memmingen, Bibrach, Ravenspurg, Lin-
dowe, Sant Gallen, Kemptun, Koufbürren, Pfullendorf,
Liutkirch, Yeni, Wangen, Buchorn, Büächow‘, Norrdlingen,
Dinkelspuhel, Rotenburg uf der Tuber, Bopfingen,
Aulon, Giengen ‚ Gemund, Halle, Hailprunnen, Winpfen.
Winsperg und Wile in Turgo*, bekennen uns offenlich mit
disem brief und tuen kunt allen den die in ansehent oder
ho’rent lesen: Wan rechter fürsatz go’tlicher wißhait gebüt
und natürlich geschribniu recht wisent und saßent, daz alle
lüt gebunden sind gemainen nutz und frid ze furdren und
den schaden dez gemainen gütz ze wenden und ze verkomen,
dar an haben wir gedaucht, und haben ouch furgesetzt, an-
ehen und betrachtet, wie daz hailig rich und gemains
and, gotzhüser, gaistlich lüte, pilgrin, kouflüt,
koufmanschatz, lantfarer, geste, witwen und waisen
mit dehainen sachen in unsern rivieren und gebieten
alz nutzlich, alz wol und als trosstlich beschirmet wer-
den, beliben und besta"n mügen, alz mit dem das frid und
gemach geschepft und gemachet werde. Wan aber sich daz
nü aigenlich erfunden ha-t, daz gemains land mit dehainen
sachen alz wol geschirmet und daz hailig rich gesterkt und
gemerret werden mag, alz mit dem daz wir ainhellig und
ain ander zü fride bipestendig, beholffen und beraten sien, dar
umb und von sorlicher manigvaltiger tugent, wirde und ere,
2 Gtatt des ganzen Schlußſatzes von und dez allez ze warem u. f. w.
fteht bei Kuipfchild blog: Datum anno Domini M. CCC. LXXVI. die Udalrici,
was zeigt, daß das ihm vorliegende Oriyinal Teine förmliche Urkunde, fondern
ein Entwurf war.
195
die nü und ouch in künftigen ziten dar uß wachsen und
gan mag, so haben wir uns gar berartenlich mit rechter
vorbetrachtung und güten fürsatzen, Got ze lobe, dem hai-
ligen ro-mischen rich ze nutz und ze eren, uns selb und ge-
mainem land zü frid und ze gemach, uns selb ainer lieplicher
friuntschafft und gelübde gesampnet, ze samen verstrikt, ver-
bunden und verainet, verstriken und verbinden ouch uns
ietzo mit rechter wißent und mit kraft ditz briefis mit güten
trüwen und geswornen aiden, die wir alle dar umb liplich
zü Got und ze den hailigen mit gelerten worten und uf
gebottnen vingern gesworen haben, hinnan bis uf sant
Goryen tag der aller schierost komet und dannen hin
zwelif gantziu jar diu nechsten na-ch ain ander ze zellent,
allez daz ze halten, ze laisten und ouch ze vollefuren a'ne
alle geverde daz hie nach an disem brief begriffen und ge-
schriben stast.
1. Bi dem ersten sien wir über ain komen, ware das
debain herre, ritter oder kncecht, gesellschaft oder ieman
andre, wer die warren oder wie die genant waren, uns
vorgen. stett gemainlich oder ain oder mer under uns besun-
der die ietzo bi uns waren oder die noch füro zä uns kar-
men, ez waren herren, ritter oder knecht, prelarten,
gotzhüser oder stett, in der zit alz diser bund wernn sol,
angrifen, bekumbern, drengen oder beschadigen worlten an
unsern rechten, frihaiten, briefen oder güten gewonhaiten die
wir von rormischen kaisern und küngen haben, oder mit
roube, mit mord, mit brand oder unrechtem wider-
sagen, oder ez ware mit schatzung, mit versetzen oder mit
andern sachen, wer der ware, der uns oder die unsern also
angriff und ze beschadigen mainte, niemant ußgenomen denne
allain dem hailigen rich siniu recht ze halten und ze tünd
arne alle geverde, dez sullen wir obgen. stett die ietzo bi
uns in disem bund sind oder die noch füro zü uns dar in
trarten oder karmen, ez waren herren oder stett ald wer
die wa'ren, ain ander getrüweclich beraten und beholfen
sin den selben die denne also under uns beschadigot oder
an gegriffen sind, ez sien herren oder stet, arne alle geverde
alz ob ez unser selbs sach ware und uns selb widerfaren
und beschechen ware, und ware daz dehain vordrung oder
mütung an uns bescha’ch von romischen kaisern oder kungen
oder von iemant andre von iren wegen, dar umbe sol sich
doch dehain stat under uns verantwürten noch versprechen
noch dehainen vortail dar inne süchen noch uf niemen, sy
berüffe denne vor alle stett in diser buntnuß und gelübde
ze samen, und sol die sach nach gemainer stett ra't und
nach dem merrentail ir erkantnuß daz verantwürten, und
sol ouch bi dem aide da bi beliben.
13*
196
2. Ware ouch daz der stett dehainiu, ainiu oder mer,
die ietzo in diser buntnuß sind oder die noch füro dar in
ka-men, ez waren herren oder stett, dar über von ieman
angegriffen würden, wer die warren, so süllen wir andern
stett gemainlich den zog und angriff wenden und sullen alle
die, die den angriff getan hant oder hilfllich darzu gewesen
sind, angriffen und beschadigen an libe und an gut, alz verre
unser vermügent ist a«ne alle geverde. Und ware daz kainer
der selben herren diener, die den angrif tasten oder tün worl-
ten, stille sitzen worlten, den oder die sol man dennocht an-
griffen und beschadigen, ez ware denne daz si sweren und
brief über sich geben worlten, daz si in ziten und ja'ren,
alz diser bund und verainung werun sol und ge-
machet ist, wider uns noch unsern bund nit sin woelten
noch uns beschadigen worlten.
3. Waere ouch daz dehain stat under uns, ainiu oder
mer, die ietzo in diser buntnuß sind oder die noch furo dar
in kamen, ez waren herren oder stett, von iemant an ge-
griffen wurden, wer die wa’rren und die den andern stetten
nit kundig warren, wenne denne die selben beschadigoten
herren oder stett uns andern stetten den oder die verkun-
dent, die den schaden geta°n hand oder hilflich darzü ge-
wesen sind, den oder die sullen denne aber die selben stett;
den ez also verkunt wirt, angriffen und beschadigen a'ne alle
geverde alz vorgeschriben start.
Ware ouch daz dehain stat unsers bunds die ietzo
dar inne sind oder die noch füro dar in Kaemen, ez waren
herren oder stett, von der vorgen. artikel wegen von iemant
angegriffen würden, waren denne der oder die, die den an-
griff getan hetten, der angegriffnen stat geseßen, und worl-
ten denne die selben stett oder stat die selben ouch dar
umb angriffen, und duchte ei, daz ez in ze stark warre, die
selben mochten denne wol die nechsten stett bi in zü in
manen und besenden, daz si in darzü beholffen waren, alz
masnig si duchte der in darzü notdurftig warre. Warren
aber die, die den schaden geta'n hetten, ainer ander stat
baß geseßen, so mag diu angegriffen stat den selben stetten
ouch gebieten, daz sie die dar umb angriffen; ware ez aber
den ouch ze stark, die mochten denne aber den nechsten
stetten zü in rüfen und gebieten, untz diu sach erobert wirt
und der schad wirt abgeleit a"ne alle geverde.
5. Ware ouch daz dehain stat unsers bunds die ietzo
bi uns waren oder die noch füro zü uns ka-men also an-
gegriffen und mit geliger beseßen würd, diu sol und mag
die nechsten dry stett zü ir manen und in gebieten, daz
si ir unverzogenlich ze hilff komen mit iren lüten, mit ge-
ziug, mit kost und mit andern sachen ungevarrlich, da mit
197
si ir stat besorgen und geretten mugen, und wa‘re daz si
dez füro notdürftig wurden, so mügen si die andern stett die
nechsten in ainer bilichi ouch zü in manen in der selben
wise, und waz kost dar uf ga*t, die selben kost sullen wir
stett gemainlich liden und tragen, ieglichiu stat nach anzal
ir gewonlicher stiur. Wa’re aber daz wir stett ge
mainlich oder ain tail under uns besunder, doch
von haissentz wegen gemainer stett und na:ch ir
aller oder ir dez merrentails erkantnuß, in den
ziten ditz verbunds icht geliger oder beseße habent
wurden, ez wa‘re vor ainer stat, vestin oder schloß,
sinost oder mer, waz schadens oder kost denne dar
über gieng und wachsent wurd von geziug und
werklüt wegen, die selben kost und schaden sullen
aber wir vorgen. stett gemainlich liden und tragen,
ieglichiu stat nach anzal ir gewonlichen stiur, alz
vorgeschriben stast, und welhi stett oder stat under uns
sorlich oder ander kost und gelt uff unser aller notdurfft und
nutze uß geben und dar gelihen hart, die mügen uns alle
ander stett wol dar umb ze samen manen uff ainen tag und
da ouch wir alle gemainlich hin komen sullen und die kostan
an legen und verraiten a'ne alle geverde, und sol ouch ain
lichiu stat under uns die kost, waz ir dez nach ir anzal
gebüret, in zwain manoden den nechsten na’ch dem so die
stett gemainlich die an geleit ha’nt, bi dem aide bezalen
ame alle geverde.
6. Ware ouch daz ieman, ez waren herren, ritter oder
knecht, stett oder ander geistlich oder weltlich lüte,
begerten in ditz friuntschaflt und gelubdnuß ze komen, der
oder die mugent daz bringen an welhi stett oder stat unsers
bunds si wend und dunkt denne die selben stett oder atat,
daz die stett gemainlich darumb ze manent sien, daz mügen
si wol tün, und wez sich denne die stett gemainlich oder
mit dem merrentail dar umb erkennent und dar umb ze
ra*t werdent, wie der oder die in ze niement sien, da bi sol
ez beliben.
7. Warre ouch daz ieman uns vorgen. stetten ainer oder
mer, die ietzo bi uns sind oder die noch füro zü uns ka’men,
vehen oder vigentschafft antragen worlt umbe so’lich angriff
die in diser unser verbuntnüß und gelübden beschechen
waren, den selben stetten oder stat, ir wa‘re ainiu oder mer,
sullen wir die andern stett alle bi gäten trüwen und ge-
swornen aiden beraten und beholffen sin nach dem zit als
disin gelübde ain ende hat untz daz diu sach gentzlich er-
obert und ußgetragen wird arne alle geverde, und haend ouch
die selben beschadigoten stett oder stat vollen gewalt uns dar
umb ze manen und zü ze sprechen alz vorgeschriben start.
198
Wir haben o-ch uns mit besundern worten also verainet,
daz wir kainer stat under uns kainen vortail nit
eben sullen, ez ware denne daz ain stat oder mer
in sorlicher armnut', schaden oder gebresten ietzo
wa'ren oder noch füro dar in vielen, si waren
roß oder elain, die selben stett mügen sorlich
ır schaden, arnmüt'! oder gebresten wol bringen
für gemain stett dez bunds, so süllen denne gemain
stett ain kuntschafft dar umb erfaren, wie ez dar
umb gestalt sy, und wez sich denne die stett ge-
mainlich oder mit dem merrentail erkennent
und nach sorlicher kuntschafft, underwisung ze
rart werdent, ob si soelichen stetten vortail geben
wellen oder nit, oder in an diensten oder an an-
leggung liben sullen oder nit, da bi sol ez be-
liben.
8. Ware ouch sach daz dehain stat unsers bunds, ir
ainiu oder mer, die ietzo bi uns sind oder die noch füro
zü uns ka-men, mit ainer ander stat oder stetten unsers
bunds icht brüch oder sto'ß hetten oder gewünnen, umb
waz sach daz ware, da sol entwedre stett oder stat selb nit
zü tün, angriffen, noch die andern dar umb bekümbern noch
ufbeben in dehainen weg alle die wile diser bund werot?,
und die selben stett süllen sorlich ir sto-ß bringen an die
stett in der gesellschafft si sind, und den baidenthalb
ir sach fürlegen und ze erkennent geben, und wie die
solben stett, gemainlich oder mit dem merrentail,
in der gesellschafft si sind, die sach zwischan in
ußrichtent, oder ob si daz ane gemain stett nit uß-
gerichten mochten, ald diu sach alz harftig warre
oder also gestalt daz man daz ye für gemain stett
bringen musst, wez sich denne die stett gemainliclı oder
mit dem merrentail dar umb erkennent oder wie si daz
mit minne oder mit friuntlichen rechten entschaident, ald
wez oder wa hin si die wisent, dez süllen baid taile ge-
vorlgig sin und ouch bi den aiden da bi beliben.
9. Wir haben ouch disen bund in sorlicher ma'ße ge-
ordnet und ouch uns dar uf also ze samen versprochen, ob
wir dehain stukk und artikel dar inne zu den vorgen. ar-
tikeln bessern woelten, daz wir dez vollen gewalt haben, und
ouch da bi beliben sol, wenne oder wie sich die zwen tail
oder mer der gemainen stett dar umb erkennent, und sol
der drittail den zwain tailen dar inne bi dem aide
2 Er läßt fich nicht genau erfennen, wie bie fünf Striche unter m und
n zu vertbeilen find. Tas erſtemal fcheint es eher mn, daß zweitemal nm.
0 Nicht ganz beutlich, ob werot ober weret..
198
gevo’lgig und gehorsam sin und ouch da bi beliben.
Doch sullen noch mügen wir dehain stak in disem bund-
brief nit mindern, ez beschech denne mit unser der vo
stett aller gütem ainbarem willen und ainhelleclich.
10. Wenne ouch wir vorgen. stett alle ze samen ge-
mant süllen werden, da sol alleweg ain manung be-
schen gen Ulm und diu ander gen Bibrach, ez ware
denne wir obgen. stett uns bekanten gemainlich oder
mit dem merrentail, daz ain andriu stat zü den ziten der sach
baß gelegen ware. Ez sullen ouch die von Regenspurg,
von Auspurg, von Ulm, von Kostentz und von Eßlingen,
ieglichiu stat zwen von iren rasten zu dem spruch setzen
und der andern stett ieglichiu einen. Und wenne ouch wir
ze samen gemant werdent, wa’re denne daz dehain stat dar
an slúmig ware und nit karme uff die zit alz siu gemant
ware a’ne alle geverde, der git ieglichiu stat zwaintzig
guldin an gemainer stett kost, uß genomen der von Sant
Gallen, von Kemptun, von Yeni, von Wangen, von Liut-
kirch, von Kouffbürren, von Bopfingen, von Winpfen, von
Winsperg, von Giengen, von Aulon und von Bächorn, der
ieglichiu stat git zehen guldin, und sol ouch sich dez kain
stat widern noch sperren, ez ware denne daz sich ain stat
mit aiden da von geniemen mo*cht, daz sy ehafft no"t! ge-
irret het.
11. Ware ouch, daz wir ze Got nit getruwen, daz sich
dehain stat in diser buntnüß dar an übersarhe und nit hielti
und vollefärti die artikel alz vorgeschriben sta«t, wurd diu
denne überwunden mit dem rechten mit erkantnüß der stett
oder ir dez merrentails, diu sol denne ze pene geben von
ye hundert phund hallern ir gewonlicher stiur zwai hundert
hund haller, aber an gemain kost der stett, es ware denne
—* si sich mit aiden da von geniemen moechten, alz vor-
geschriben sta”t, daz sy ehafft no't! geirret hett.
12. Und sol ouch mit namen disiu unger vorgeschriben
gelabde und buntnüß werun und krafft und macht haben
in aller der wise alz vorgeschriben ‚ sta.t a"ne alle geverde
und ouch die vorgeschriben zit und ja're hinnan bis uff
sant Gorryentag ze nechst und dar nach zwelif gantziu
jaer diu nechsten nach ain ander, ez ware denne daz uns
ander bünd und lantfrid ze handen giengen, die uns uff ze
niemen waren und dez:sich die zwen taile oder mer under
uns erkanten und dühte uff ze niemen, daz sol denne ouch
also beliben und sol der drittail den zwain tailen dar an
gevoclgig sin.
2 Das Zeichen auf dem o ift fehr ſchwach, ſcheint aber doch ein v zu
bebeuten,
200
Und also haben wir vorgen. stett alle gelopt bi den vor-
iben aiden, alle vorgeschriben sach, stükk, bünde und
artikel war und stet ze halten, ze laisten und ouch ze volle-
furen, luterlich und ane alle geverde nach ditz brieffs sag,
und des alles ze warem urkund haben wir vorgen. stett alle
und ouch ieglichiu stat besunder ir stat gemains und gro«B!
insigel offenlich gehenkt an disen brief. Ware aber daz
der selben insigel ir ains oder mer ungevarrlich
an disen brief nit kacme oder zerbrochen würd,
dennocht sol dirr bund und brieff bi allen sinen
krefften beliben, der geben ist an sant Michels aubent,
do man zalt von Cristz geburt driuzehen hundert jar und
dar na'ch in dem zwai und achtzigosten ja"re.
2 Das Zeichen auf bem o ift fehr ſchwach, fcheint aber doch ein v zu
bebeuten.
Am großen weißen Buche bed Basler Staatsarchives (f. db. Vorwort
©. 4) fiebt an ber Spike ber auf den Stäbtebundb bezüglichen Urkunden
(fol. XVIII), unmittelbar vor ber Beitrittäurfunde des Bifchofs und ber Etadt
zu Bafel, ein Bünbnißbrief der Städte. Es ift begreiflich, daß die Basler, die
in ber Beitrittöurfunde fi den Städten verbunden unb verpflichtet hatten:
in alle wise und forme und wege und mit allen artigklen, als in irem bund-
brife geschriben stat, ben Bundbrief, bem fie nachzufonımen verjpraden, in
ihr Stadtbuch eintrugen; merkwürdig ift. aber, daß das, was fie eintrunen,
durchaus nicht eine Copie bed damals, im Jahre 1384, in Kraft beſtehenden
Bündnißbriefes von 1382 ift, ſich vielmehr als ein bebenfliches Flickwerk er-
weiſt. Es beginnt: Wir die von Regenspurg, ein frye stat, und ouch wir
des heiligen roemischen richs stette Ougspurg, Ulm, Costentz, Esselingen etc.
bekennen alle offenlich und einmurtlich .... und fchließt: Und dez allez ze
warem steten und offen nrkünde und das ez stete belibe, so haben wir die
vorgen. stete alle gemeinlich und iegliche besunder unser stette gemein in-
sigel offenlich gehengkt an disen brief,. der geben ist, do man zalt von
Gottes gebürte drüzehen hundert jar und darnach in dem ein und achtzigosten
jare. Ter Inhalt ftimmt in Allem mit bem Briefe von 1377 überein, außer
in folgenden Punkten: Betreffenb die Dauer bed Bündniſſes heißt es, es folle
währen biz uf sant Georien tage der nechst komet und dannanthin zworlf
gantze jar, ferner, die Mahnungen follten gefcheben gen Ulm oder gen Bi-
berach, es were denne ..., und endlich zu ben Beratbungen follten bie von
RBegenspurg, von Ougspurg, von Ulm, von Costentz und von Esselingen je
zwei aus ihren Räthen fchiden. Der BVerfertiger bes ben Baslern zugejchid:
ten Eremplares hatte offenbar den Brief von 1377 vor fi, in welchen er
dasjenige auß ber Erneuerung von 1382 bineinbeflerte, was ihm aerade in
den Sinn fam. Ten Tag ber Auöftellung, ber ihm beareiflihermeife nicht
erinnerlid war, Tieß er ganz weg, unb zum Schluffe machte er noch ben
Febler, daß er 1381 flatt 1382 ſetzte.
Inhalt. \
— — —
VorworttttttSeite 3
Einleitung. . . . 93
L Gründung bes Bundes und Befeftigung deſſelden durch ben glüd-
lichen Krieg gegen Wirtemberg . . . . 2
IL Erweiterung ber Bedeutung des Bunbes durch feine Berbinbung
mit Fürſten unb Herren unb mit den rheinifchen Stäbten. —
Krieg mit den Rittergefellfhaften . . „ 34
1. Verſuche des Königs, Stäbte und Fürften unter feiner Reitung au
vereinigen. — Berbältniffe des Städtebundes zur chweineriſchen
Eidgenofſenſchaft ... .,80
IV. Weſen, Beſtand und Einrichtung deB Bundes
a. Umfang und Gliederung . » © 2 220 ec 67
db. Bundesverfommlung - 2 2 0 0 ne. „a
e. Kriegsweſen „ 76
d. Verbindungen nad aufen .. ne „ 83
o. Verhältniß zu Kaifer (König) und Keich .... „ 8
f. Vergleihung mit ber ſchweizeriſchen Eibgenofienfchaft . .„ 9
V. Entſcheidungskampf und Untergang bed Bundes. — Schluß „
Beilagen.
A. Regeſite... 4118
B. Urkunden. 4181
Sejchichte des Bundes der Sachienftädte
bis zum Ende des Mittelalters
mit Rükſicht |
anf die Territorien zwifchen Weſer und Elbe.
Von
W. 3. £. Zode.
en
Vorwort.
Der am 20. April 1854 verftorbene frühere Stadtbirector Dr.
ode zu Braunfchweig hat fid) während eines langen verdienftvollen
bens auf das eifrigfte und eingehendfte auch mit ber Gefchichte Nieder-
hjens, namentlich Braunfchweigs und der benachbarten Städte und
nde, befchäftigt, und davon auch bei feinen Lebzeiten mehreres ver-
entliht, worunter das bedeutendfte ift: „Das ältere Munzweſen
: Staaten und Städte Niederſachſens. Braunfchweig 1847. 8.“
er Berfaffer erwähnt bier in der Vorrede der reichen Urkunden
3 Braunfchweiger Stadtardivs zur Gefchichte der Stadt und ihrer
bindung mit andern Städten, die als Bund ber Sächſiſchen Städte
ie nicht geringe Bedeutung in der Gefchichte des Deutſchen Städte,
jens erlangt hat. Es fcheint längere Zeit hindurch feine Abficht
wefen zu fein, eine vollitändige Geſchichte diefes Bundes mit dem
zu gehörigen urkundlichen Material auszuarbeiten und zu veröffent-
jen; und die reichen Sammlungen, die er für diefen Zwed angelegt
tte, babe ich felber bei ihm früher einzufehen Gelegenheit gehabt.
oh Hat er dann jenen Plan fpäter wejentlich erweitert und ein
tfafjenderes Werk unternommen, dem er den Titel gab: „Geſchichte
e Entwidlung des Staatslebens zwiſchen Wefer und Elbe, unter
m Ginfluffe der zur Sefbftftändigkeit emporgewachfenen Städte, wie
e gortbildung defjelben in den welfiichen, befonders den jet das Her-
gthum Braunſchweig bildenden Landen. Nach größtentheilg dem
iv der Stadt Braunfchweig entlehnten Urkunden“.
Der Tert defjelben ift von dem Verfaſſer im wefentlichen voll»
det worden und zerfällt in acht Bücher, von denen das erfte bie
206
ältere Zeit bis zum Jahre 1384 umfaßt, das zweite bis zum Anfang
des 16. Jahrhunderts geht, das dritte bis 1613, das vierte bis
1666, das fünfte bis 1735, das fechste bis 1806, das ſiebente bis
1823, das achte bi8 1831. Daneben geht eine Eintheilung in Ab-
fehnitte ber, deren bald mehr bald weniger auf ein Bud) gerechnet
werden: zufammen find es 21.
Schon diefe Ueberficht läßt erkennen, daß die Bearbeitung eine
ziemlich ungleiche ift: auch die Bedeutung der einzelnen Theile muß
es nothivendig fein. Während in den legten Büchern der Verfaſſer
als Augenzeuge, ja als mithandelnde Perfon berichtet und ohne Zweifel
wichtige Beiträge zur Zeitgefchichte Liefert, haben wir es in früheren
mit den Reſultaten urkundlicher Forfchungen, in den erften mehr nur
mit einer UWeberficht der älteren Gefchichte, ohne theilweiſe wenigftens
recht fpecielle eigene Stubien, zu thun.
Ganz vollendet ift die Arbeit Übrigens nicht. In den Theilen,
die mir vorgelegen, fehlen die ohne Zweifel beabjichtigten Quellen:
nachweife und andere Anmerkungen — für bie in dem Manufcript
überall befondere Blätter eingeheftet find — fo gut wie ganz; eine
Anzahl von Urfmdenabfchriften war wohl dem Text der erften Bücher
beigelegt, aber ohne jeden näheren Zufammenhang mit demfelben; wo—⸗
gegen bie hier berührten meiftens fehlten. Auch Karten und andere
Beilagen, die für dus erfte Buch beftimmt waren, find zu feinem
rechten Abfchluß gebracht. |
Einer Berdffentlihung des Ganzen haben fich verfchiedenartige
Hinderniffe in den Weg geftellt. Dem Unterzeichneten wurden von
den Erben die beiden erften Bücher mitgetheilt zur Prüfung, inwiefern
fie zur Aufnahme in die Forſchungen geeignet erfchienen.
Bon Intereſſe zeigt ſich beſonders das zweite Buch (deffen Titel
in der Handjchrift lautet!: „Allgemeiner Kampf ber Territoriafherren,
2 Auch die einzelnen bier mitgetheilten Abfchnitte (IV—VIL bed ganzen
Werks) haben im Manufeript oder in einer beiliegenden Weberficht des Werts
beſondere Ueberfchrijten, bie ich bier angebe:
207
der freien Stände, befonbers aud) ber felbftfiindig. gewerbenen Städte
und des Bundes der Safjenftäbte gegen wechſelſeitige Uebergriffe und
sr GSicherftellung erkaufter und angemapter, ber Ordnung ber
Staaten entgegenjtehenber Hinbernifje. - Seit der Seiten 'Häsfte bes
14. bis zum Anfange des 16. Jahrhunderts“), das ſich faft: ganz
wit ber Geſchichte jenes. Bundes bes Sachſenſtädte (oder Saſſenſtudte,
wie der Verfaſſer ſchreibt), von der Bobe überhaupt: bei. feiner Arbeit
ausgegangen ift und für die er ein fehr reiches, bicher unbelanntes
urtundliches Material benuten konnte, beſchäftigt. Dies war in jeder
Weiſe, auch ohne die näheren Nachweife und urkundlichen Beilagen, der
Beröffentlidking werth. Wenn einiges über die Geſchichte der benach⸗
barten Territorien ober andere Stübtevereinigungen oder des Reiches
eingefhoben ift, das nur das fonft Bekannte wiederholt, fo jchien
die Achtung vor der Integrität ber Arbeit, die fo vorliegt, die Bei⸗
behaltung deſſelben zu fordern oder doch zu rechtfertigen. Auch fonft
ift fo gut wie nichts an dem Text geändert, nur die Berechnung der
alten Data, die der Verfaſſer zu geben verabjäumt hatte, beigefügt,
auch zu Anfang einiges über die erften Anfänge der Vereinigung der
Sädhfifhen Städte aus dem erften Buche aufgenommen. Aus dem-
felben ift als Anhang eine Schilderung der innern Verhältniffe der
Städte Hinzugefügt, die in mancher Beziehung mit der Geſchichte in
Zuſammenhang fteht, und in der ebenfalls auf ungedrudtes Material
Rückſicht genommen wird.
IV. Grrihtung und Fortbildung bed Bundes ber Saffenftäbte bis zum
Sabre 1432. Verhältniffe, unter welchen berfelbe zu einer vorberrfhenden
Macht fich erhob.
V. Der Bund der Saffenftäbte in der Mitte des 15. Jahrhunderts, ber
Zeit feined größten Umfanges, auch Einfluffes auf öffentliche Verhältniſſe
zwiſchen Weſer und Elbe,
VI. Steigende Macht einzelner beutfcher Fürftenhäufer gegen dad Ende
des 15. Jahrhunderts und Trennung mehrerer, beſonders geiftlihen Territorien
angeböriger Städte aus bem Bund der Saſſenſtädte.
VH. Vorgänge befonderd zwiſchen Wefer und Elbe von 14% bis zum
Abfeben des kriegsluſtigen Herzogs Heinrich des Altern von Braunſchweig 1514.
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ö—LÆCC.I
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— re—
— des vierzehnten Jahrhunderte häuf⸗
rrrrriten, welche in dem Zerfalle des Reichs ſich
—
ie, faiferlichen Gebote zur Heritellung und Er⸗
ı8 zeigten fich unwirkſam, wie die zu diefem
——ereine Die heimlichen weitphälifchen Gerichte
u in die entferntejten Gegenden des Reichs, und
‚den beläjtigten durch eigennützige Eingriffe im die
Anfrürer in den Städten wie Naubritter und
u. Landſtraßen fuchten die allgemeine Verwirrung
ter reiheten fich an Telfenneiter. ‘Die durch
md gefhwächten Fürften fonnten mit dem
en, und wo fie angeblich zur Hülfe in Vereine
‚ußerte fidh ihre vereinte Macht in der Unter⸗
:n Behandlung freier Territorialgenoffen. Nein
dern trauen, und tiefes Mißtrauen leuchtete aus
u hervor. Im Herzen Sachſens kämpften wel-
ı einander und mit auswärtigen Prätendenten,
ı Städte in ihr Intereſſe und ftellten auch diefe
gegenüber. Dean fuchte ſchützende Auswege nach
bald durch Verfuche den Yandfrieden zu begründen,
3’ Schuß: und Trugbündniffe; Heil war aber weder
ij der anderen Weife dauernd zu finden. Die Stäbte
: ihre Wälle und Mauern, verftärkten ihre Feſtungs⸗
-theidigungsmittel und fchloffen feitere Verbindungen
zur gemeinfamen Belämpfung aller der Gebrechen,
t herbeigeführt hatte. Es war diefe die Zeit des Ent-
eines Bundes der Saffenftädte, für welchen ich
ung beibehalte, weil fie in den betreffenden Urkunden
: and damit nur die Städte angedeutet werden, welche
urkundlich beitraten.
Die erjten Anfänge ftädtifcher Bünde in Sachſen gehen in
e Zeit zurüd. Die! meiften fchloffen ſich der Vereinigung
ıe bier in Klammern eingefügte Stelle ift aus bent 3. Abfchnitte des
ichs herübergenommen.
14
208
Der Bund der Sachſenſtädte dauerte auch noch im 16. Jahr
bundert fort, und das dritte Buch kommt mehrmals auf denfelbe
jurüd. Doc feine Bedeutung war num eine wefentlid andere, i
ber Hauptſache ſehr geminderte, und fo konnte dieſe Dariteltun
paſſend da abgebrochen werben wo der Verfaſſer felbft den Abjchni:
gemacht hat. Sie iſt fo ein gewiß vielen willkommenes Seitenjtü
zu der in eben diefem Bande veröffentlichten Gejchichte des E<chmi
bifchen Städtebundes von Viſcher.
6. W.
rl Brauuſchweig —— die
Slehtvegiinent war. hier übermältigt, gen
0 Inaretı in empörender Weiſe ermordet. Die
I bi 1383, in welcher Zeit, um 16 ber
rg erivehren und Berbiudumgen —A
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n Erfolg. Die Stäbte Lühed,
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fucht genahrt. Itde Leranlatiom; wurde beuagr. m nm urn
über Helmiuedt geltend zu machhen. Tet Mazimar 7 Sit: vor
134) ın Aufrur vertrieben. Herzog Mayr I. m Fromitena
nahm fih ale Schutzherr deielben an, und ta Be Nticzier
broheren, fi einen antern Schutzberrn wählen :: weler, wien Nr
Aurft ihre yeitellte Bedingungen nicht erfüllen wir. fa virrmnultiate
er die Aufrurer, lieh die Rädeleiuhrer entbanpten zr> icete den
alten Magiſtrat wieder ein. Tas war im Irtereſe der Städte,
nun mollte aber der Herzog die von dem Abte ertden:e TVrivilegien
nicht anerkennen. Er fuchte die hoheitlice:: Kedte ax 1: zu sieben.
Tagegen aber trat die Ztadt wie der Abt in die Zirenken. Jene
errichtete 1.349 mit Braunſchweig Verträge, nab zeiden tie sich der
Hilfe, zumächſt durch Fürſprache, dann aber, mer dieſe rruchtlos
fein würde, mit 25 :Reitern und 25 Fußknechten. wriiherte. Nach
ben Vertrage mit Magdeburg 1351 verhiek Mer Zi 46 Mann
36 mit Gleven und 9 Schützen. Es geicxess dedei einer Linie
gung der Städte Goslar, Iraunfchiweig, DER. Tuedlinburg
und Aichersleben Erwahnung, nad) welder vier Mammer aus den
Städten zufanımentreten und darüber berathen und earicheiden jollen,
ob einer der “Städte Hilfe erforderlich fei. Sie tollen ermächtigt
fein, die Hülfe dahin zu leiten, wo fie Noth tbun würde. Zu der
Vehörde aber follen Magdeburg und Goslar jede einen Abgeordneten,
Hraunſchweig und Helmſtedt einen, die übrigen drei Städte aber
gleichfalls einen Deputirten ftellen. Halberjtadt, Tuedlinburg und
Afchersleben verhießen noch in bejonderem Dertrage Hülfe (1351),
und hatte die Einigung bei Erfolg, daß (Hewalt vermicden wurde. —
Der Abt Hatte in anderer Weife fich gewappnet. Er wirfte 1350
ein kaiferliches Mandat an den Herzog aus, nad) welchem diefer den
Abt in feinen Hoheitsrechten nicht jtören follte. Es heißt darin,
daß der Abt das Necht, Vögte an: und abzufegen, von dem Kaifer
erhalten habe; und _ eigenthinlicher Weiſe trägt der Kaifer an dem⸗
felben Tage der Stadt Brannſchweig auf, den Herzog über bie
Angelegenheit belehren zu wollen. Einer folchen Belehrung entzog
ji) der Fürft auf dem damals geeignetften Wege. Er verpfändete
die Vogtei mit den Neumarkt — einer Vorſtadt — und anderen
212 ,
3. Unterhandlungen, um in einzelnen Vereinen den Landfrieden
aufrecht zu erhalten, dauerten bisher faft unausgejegt fort. Schon
1383 waren die Bürger Braunſchweigs eidlid) darauf verpflichtet;
die darüber aufgenommenen Protocolle find noch vorhanden. Mit
dem Erzbifhof von Magdeburg hatten in dem Jahre der Kurfürft
von Sachſen und der Diarfgraf von Meißen fi) zu dem Bündniffe ver
einigt, dem 1385 andere Fürften und Dynaſten beitraten: [H.' Otto der
Quade von Braunfchweig-Göttingen, H. Friedrich von Braunfchweig,
. Mbreht von Braunfchweig- Grubenhagen, der Erzbiſchof von
ainz, der Biſchof von Halberftadt, die Grafen von Keinftein, von
Hohnftein, von Stolberg, von Werningerode, von Mansfeld, famınt
anderen Herren und Junkern. Es fei, heißt es, vor Gott Sünde
und vor der Welt Schande, daß die Kaufleute nicht mit Sicherheit
Handel treiben könnten. In Sachſen fei e8 jet am unficherften,
umd bei ſolchem Wefen möchte endlich aller Handel vernichtet werden.
Doch zeigte ſich, daß diefe Webereinkunft dauernde Folgen nicht Hatte,
und am wenigjten durften die Städte ihr Heil von den Dynaften er
warten). Die Etadt Magdeburg erfuhr aber zuerit, welchen Sinn
die wechjelfeitige Zufage der Fürſten hatte, fid) gegen ihre Feinde
Beiſtand leijten zu wollen. Der Erzbifchof befand fich unter den
beftellten Landrichtern; er ſuchte aud) die Stadt Magdeburg in den
Friedensvertrag zu ziehen; ihre Weigerung aber und darauf folgende
Vorgänge beibeifen, wie wenig man Yandfrieden vertrauen konnte,
wenn auch das: „Zraue dem Landfrieden nicht!“ noch nicht fprüdy
wörtlich) geworden war. Der Erzbiſchof bauete eine Veſte an der
— welches Unternehmen ihm die Angriffe der Nachbarn zuzog.
ie Stadt glaubte ihm dadurch gefällig zu fein, daß fie ſeinem Auf—⸗
rufe zur Hülfe folgte. Diefe war dankbar angenommen, die Stadt
aber wurde, eben diefer Hülfsleiftung wegen, nach dem Urtheile der
Yandrichter, zu welchen der Erzbifchof felbft gehörte, zu einer Strafe
von 200 Mark verurtheilt. Der Erzbifchof hatte zwar der Stadt
erklärt, daß er ihrer Hülfe ftetS eingedenf fein werde, num aber, nad)
Erreichung feines Zwedes, war die Ausrede, daß Magdeburg, um
Gehör zu finden, zuvor dem Xandfrieden beitreten müſſe. Die
Stadt mußte 200 Mark Silbers in Goslar niederlegen, erhielt aber
das Geld bald erftattet; denn der Vertrag, bei welchem man immer
wieder die planlofe Unterwerfung der Städte im Auge hatte, war
nicht von Dauer, und fchredte das BVerfahren gegen Magdeburg
auch Braunfchweig und andere Städte zurüd.
4. Das Jahr 1383 war für die Stadt Braunfchweig denkwür⸗
dig, nicht nur weil die Folgen bes Aufrurs befeitigt wurden, fondern bes
jonders auch in Beziehung auf den Ausgang der Streitigkeiten zwifchen den
welfiſchen Fürſten. Durd das Ableben H. Wilhelms von Limeburg
(1369) wurde dieſe welfifche Herrfchaft erledigt. H. Magnus LI.
» Dies iſt aus dem 3. Abjchnitt des erjten Buchs genommen, wo zuerit
von dieiem Bund gehandelt ift.
214
die, wie immer wieder fich zeigte, einen tüchtigen Nährſtand bildeten,
aber wenn e8 galt ale Wehrſiand einzutreten, die Obrigkeit und
Berfaffung zu fchügen, lieber zufahen, was fie nidyt ändern zu können
glaubten, gefchehen ließen, und vorzogen, es demnächſt durch Terhund-
lungen in das alte Gleis zurüdzuführen. Unter ſolchen Verhältniſſen
vereinigten ſich die jüngeren Mitglieder der Gejchlechter und wohl:
habender Bürgerfamilien in Braunfchweig zu einem Xeitercorps, das
gegen die ftädtifchen Proletarier jich bewaffnete und zur Erhaltung
der Ordnung im Innern der Stadt ſich gebrauchen ließ.
Ein gefährlicher Feind wurde fo gezügelt, des unruhigen H. Otto
von Göttingen hatte man ſich erwehrt, Braunichweig bot nun 1384
alle Kräfte auf, um fonitigen Gefahren zu begegnen und zu dem
Zwede Xereine feiter zu begründen.
5. Der Wirkſamkeit der Landfriedens⸗Verträge jtand entgegen,
dag man keine Landrichter finden fonnte, die das Vertrauen aller
nad) den verjcjiedenartigiten Intereſſen gruppirten Betheiligten be:
ſaßen. Die Fürften wollten niemand als Yandrichter anerkennen,
der nicht ihres Standes war, Städte und Ritter fanden aber die
Fürften verwerflich, weil fie ihre Macht al8 Landrichter zum eignen
Bortheile mißbrauchten. Der Erzbifhof von Magdeburg erklärte
1383, daß er dem &dlen von Warberg, der damals als Yandrichter
für Sadjfen gewählt war, fich nidjt unterwerfen wolle. 1384 und
noch fpäter war Yambert von Alten Yandrichter, und aud er fand
mit feinen Verfügungen fein Gehör. Die Städte beriethen für fich,
welche Fürften man mit Vertrauen zu den Verhandlungen und Ver⸗
trägen ziehen fönne, und Mißtrauen trennte auch die Fürſten unter fich.
Am LValentinstage [14. Februar] 1384, che noch das umfafjen-
dere Bündniß 1385 geichloffen wurde, tagten füchfifhe Fürften,
Stüdte und Kitter mit einander. Es wurde vereinbart, daß alle vor
den Landrichter Geladenen wie auch SKaufleute und Weifende in
Schutz genommen werden follten, daß man mit den Landvögten in
Thüringen und Wejtphalen in Verbindung treten wolle, daß eine
Stadt durch zwei Rathsherren vor dem Xandgerichte vertreten werden
könne. Hannover erklärte, wenn Dilbeshein und Halberjtadt zu-
träten, auch Antheil nehmen zu wollen, aud) wurde eine Matrikel
entworfen, nach welcher die erforderlich werdende Mannfchaft geftelit
werden follte: die Lüneburgſchen Fürften 150 Neiter und 1000 Fuß-
fnechte, die Braunſchweigſchen Fürſten 100 Keiter, die Stadt Braun-
ſchweig 300 Fußknechte, die halben Herren und Städte, Anhalt,
Regenftein, Werningerode 150 Reiter und 1000 Fußknechte. Da-
neben traf man Verabredung wegen zu erbauender Sclöffer und
Bergfrieden.
1384 (die palmarum [3. April]) gab auch der Bifhof von
Hildesheun feine Erflärung dahin ab, daß er die Herzoge von Göt-
tingen und Grubenhagen wie die Stadt Hildesheim in die Einigung
ziehen und aud) andere Fürſten und Städte zum Beitritt auffordern
oltfe ie nicht
mehr "zumt Iwece Iaifetidhe Dale fich zu vermitteln, fondern Ber
Der Mädtigere fiel unbebenklich über ben Schwächeren her,
wen ber Kaiſer jenes noch. fo ungerechte Sache gut hieß.
“sch gegen ihre Territorialherren erboten fi) bie Bunbdesftäbte
zu allem dem, was fie ihnen. von Rechtswegen ſchuldig wären; es
war dies aber gleichfalls eine müßige Klaufel, weil bie Herren ihre
echte in ben Städten veräußert hatten, und wenn ttigfeiten
biefer -Borgängen
Göttingen, eine der fehbeluftigften Städte jener Zeit,. war
1387 mit ihrem Otto malus in Str
war Thellnehmer des Im Jahre 1885 Fürftenbunbes
und ‚ben rationen von Seiten
mit Schlage ein Ende machen zu koͤnnen. Schon Spangen-
Se re ee fen
er
8
218
von Braunfchweig-Tüneburg hatten, um ihre Städte und Ritterihe: -
ten nad) glüdlicher Beendigung der Fehde gegen die ſächſiſchen Prü-
tendenten ſich geneigt zu madyen und ihrer Hülfe gewiß zu fein,
Zugeſtändniſſe gemacht, die allerdings in Staatägerechtiame tief ein-
griffen, wenn man in den Berbältnijjen der Fürſten jener Zeit zu
ihren Zerritorialgenojfen nur die ſchwächſten Grundlagen zu einem
wirflihen Staatsgebäude finden konnte. In den Lüneburger Satzungen
— den fogenannten Satebriefen — 1392, wurden den Städten,
namentlich Yüneburg, Hannover, Uelzen, nicht nur ihre alten Privi-
fegien beftätigt, iondern auch neue hinzugefügt. Es follten feine neuen
Schlöſſer erbauet, feine Schagungen auferlegt und die Zölle nicht
erhöht werden. Aus Territorialgenofjen wurde eine die Erfüllung
der eingegangenen Verträge Eontrolirende Behörde zuſammengeſetzt;
fie follte aus fünf Mitgliedern der Ritterjchaft zwiſchen Deifter und
Xeine, drei vom Yüneburgichen Adel, vier aus dem Rathe zu Lüne—⸗
burg, zwei aus Hannover und zwei aus Uelzen beftehen. Es wurden
Strafbeſtimmungen hinzugefügt, und den Ständen, für den Fall eines
Verſtoßes gegen die Verträge von Seiten der Fürſten, nachgelafjen,
fih in den Schuß eines andern Herrn zu begeben. Solche Berträge
bejtätigten Kaiſer diefer Zeit, Verträge, die, wollte man den Maßſtab
nach dem wahren Begriffe vom Staat anlegen, unhaltbar erfcheinen.
Die Fürften wollten keine auf Grundgeſetze ſich ſtützende Staaten.
Sie hatten ſelbſt die Verhältniſſe herbeigeführt, nach welchen fie ihren
Zerritorien Schuß nicht gewähren konnten, und von dem Mangel
aller an den Srundbegriff vom Staat ſich anfchliegenden Principien
war die natürliche Folge, daß die Staatsgenoſſenſchaft den Schutz
fuchte, wo fie ihn zu finden hoffen durfte, dag man der Geſetzloſig—
teit ein Verfahren entgegenjtellte, da8 immer nur die jo veränderlichen
und die augenbliclichen Verhältniffe verfolgte und Willführ als Geſetz
nicht anerkannte. Wie Sünde Sünde gebiert, fo folgten aus Staate-
widrigfeiten neue Verftöße, die das Staatsleben immer tiefer hinah-
finfen ließen. Was Willkühr geichaffen hatte, das fuchte man, wenn
es läjtig, d. h. wem fernere Willkühr dadurd) befchränft wurde, auf
demfelben Wege wieder zu vernichten. So erfuhren aud) jene Satungen
bald "infechtungen. Die ernannten Schugmänner verbiindeten ſich
1894 mit den Markgrafen von Brandenburg zur Bertheidigung
ihrer Srrungenfchaften, und auch Otto malus bewährte feinen Cha-
rafter durch Betheiligung gegen die Vettern, denen die Stadt Bram:
ſchweig ſich angefchlojjen hatte. Die Witterfchaften ſprangen fchnell
ab; fie entjagten zum Theil den in den Satungen gegebenen Ber:
heißungen. Der Kampf fchien erntlich werden zu wollen, indem
Hamburg und Yübel dem zu den wendifchen Städten zählenden
Lüneburg Hülfe leifteten; allein es zeigte ſich auch hier, wie eben die
Vetheiligung Braunfchweigs den geguerifchen Städten Nuten brachte.
Meittelft Urkunde vom Bertholditage 27. Yuli] 1396 trugen die Beam
von Bramfchweig-Yiineburg dem Magiſtrate der Stadt auf: den Frieden
zwiſchen ihmen, den Herzogen Friedrich, Bernhard und Heinrich an
u.
219
einent, und ben Stäbten Lübeck, Hamburg, Limeburg und Hannover,
auch diefer Fremden, am andern Theile zu vermitteln. gefchah
dies in längere Zeit fortgefegten Verhandlungen. |
12. Eine thatſächliche Mahnung, nur eigenen Kräften unb ber
palfe befreimdeter Städte zu vertrauen, erhielt in berfelben Zeit
agbeburg. Während der Erzbifchof am kaiſerlichen Hofe abweſend
war, wurden feine Stiftslande nicht nur von den benachbarten Mär:
fern, fondern auch 1395 von dem Kurflirften Rudolf III. von
Sachſen angegriffen und verheert. Der Dompropft Heimid von
Warberg rückte ihm entgegen mit Zuzuge aus ben ten Magde⸗
burg nnd Halle, erlitt aber eine ſchwere Nieberlage, die zahlreiche
Vaſallen, aud Krieger der beiden Städte in Gefangenfchaft brachte.
Nur die Stadt Magdeburg fette den Krieg noch ein Jahr lang fort.
Ihr Kriegsweſen war in gleicher Weife geordnet wie das der Stadt
Braunfchweig. Sie hielt 100 geharnifchte Reiter zum Geleit ber
Waarenzüge und Kaufleute. Die Bürger waren friegspflichtig und
zum Kriegsdienſte mußten, nöthigen Falles, alle brauchbaren Pferde von
der Dürgerfchaft gejtellt werden. Mit diefer Mannſchaft durchitreifte
die Stadt in damaliger Weife fengend umd brennend bie benachbarten
furfinftlihen Yande, fchoß, da Magdeburg ſchon 1377 im Belige
von Donnerbüchfen war, das ſächſiſche Schloß Rabenſtein in Brand
unb verfolgte auch die Sache des Erzbifchofs bis zu deſſen Rückkehr.
Er verglih ſich mit dem Kurfürſt auch über die Auslieferung feiner
Vaſallen, der gefangenen Bürger wurde aber in dem PVertrage nicht
gedacht. Sie mußten endlich von den Städten Magdeburg und Halle
mit großen Koften eingelöft werden.
13. Nach dem erjten umfajjenderen Bundesvertrage wurden
die überheidiichen Städte (unter diefer Benennmg waren bie an ber
Südoftfeite der großen Lüneburger Heide belegenen Stübte im Ge
genfage zu den wendifchen, zu welchen Limeburg und Uelzen gehör-
ten), wie die mit Magdeburg in näherer Verbindung geftandenen
Städte in vielfältige Händel gezogen. Sie wurden abgehalten ihre
begoimenen Verbindungen fürerjt weiter zu befejtigen und, auszubehs
nen, doc, verjäumten die, welche nicht fo unmittelbar betheiligt waren,
keineswegs, gemeinfane Maßregeln den ‘Drangfaten der Zeit ent⸗
gegen zu ftellen.
Scon 1374 hatte 8. Karl IV. den Biſchof Gerharb von Hil-
desheim ermächtigt, in Peine und Gerftebt Freiftühle zu errichten,
in derfelben Weife ımd Form wie fie in Weftphalen beftänden. ‘Diefe
Freiftühle waren, wie es in der Urkunde heißt, aufs Neue zu begrün-
den, und fie, benen auch andere Fürſten zwifchen Wejer und Elbe nach⸗
trachteten, waren eines der Diittel, mit welchen man Willkühr zu
deden fuchte. Sie fcheinen aber auf der Oſtſeite ber Wefer nie
fefteren Buß gefaßt zu haben, doch überfchritten längft die weitphäli-
ſchen Stillgerichte die angedeutete Grenze. Es vereinigten fich baher
1396 die Städte Goslar, Hildesheim, Einbed und ftedt am Johan⸗
nistage 24. Juni], um gemeinfchaftlich fich den weitphälifchen Gerichten
220
fowohl als den Uebergriffen der geiftlichen Gerichte zu widerfeken.
Die Yürger, welche vor jenen Gerichten Klage erheben ober ſich
einlaffen würden, follten aus der betreffenden Stadt verwiejen und
in den andern nicht zugelaffen werden. In gleicher Weife jollte
auch gegen die verfahren werden, welche vor geiltlichen Gerichten fid
ftellen und nicht vor den ftädtiichen Gerichten Recht nehmen wollten.
14. Ein neues Bündniß der Herzoge von Braunjchweig mit
den Dearfgrafen von Meißen und den Yandgrafen von Thüringen
und Helfen 1403 ftellte zwar die Erhaltung des Landfriedens, die
Antegrität ihrer Befitungen und die Ausgleichung ihrer Etreitigfeis
ten durch Austräge ald Hauptzwed auf, war aber auch ausdrüdlic
auf wechfeljeitigen Beiftand gegen aufrüreriſche Unterthanen gerichtet;
was man darunter verjtand, ift oben bemerkt und war vielfältig
fchon fund gegeben. Um die Zeitbegebenheiten richtig zu beurtheilen,
muß immer im Auge behalten werden, daß man jett am weitejten
von den Pflichten ſich entfernt Hatte, die den Fürſten mit der Aus-
übung landeshoheitliher echte auferlegt worden. Man hatte meder
flare Begriffe von Staats⸗ noch von Gemeindegeredhtfamen.. Daß
den Machthabern Unterjohimg und Vernichtung gleichbedeutende Be⸗
griffe waren, daß mit der Unterwerfung den Städten da® Fundament
ihres Wohlftandes und ihres Jahrhunderte hindurch mühſam fort-
gebildeten Städtelebens entzogen werden würde, fonnten diefe vorher
fehen; die Tolgezeit bejtätigte e8. Die beiden mit Magdeburg und
Braunfchweig vereinten Städtegruppen traten von jekt an feiter in
die Schranfen.
Am Tage Antonii abbatis [17. Ianuar?] 1404 errichteten
zunäcjft die Städte Magdeburg, Braunſchweig, Hildesheim, Göt-
tingen und Einbeck ein umfajjendes Schutz⸗ und Trutzbündniß. Zwar
habe ich diefen Vertrag felbft noch nicht auffinden können, doch er-
giebt die Urfunde iiber den Beitritt Hannovers vom Tage ©. Mauritii
er Eee.) 1408, daß derjelbe wichtige eingreifende Beitimmungen ent-
ält. In der Urkunde find die Intereſſenten des Vertrags von Jahre
1404 namentlich aufgeführt, auch ift das Jahr und der Tag des
Bündniſſes ausdrüdlich bemerkt. Der Rath von Hannover verpflichtet
fich zu der in dem Hauptvertrage von jeder der Stüdte zu ftellenden
Hülfsmannſchaft 83 Fußknechte zu überjenden oder dag auf diefe
Mannſchaft zu rechnende Geld. Die Stadt will nad den in dem
Hauptvertrage angedeuteten Berhältnijfe der bedrängten Stadt einen
Vorſchuß von 3750 Gulden (damals noch Goldgulden) zuftellen
laffen und alle die Bedingungen puünktlich erfüllen, auf welche die
übrigen Betheiligten fid) geeinigt haben. Die Urkunde über die Bei-
trittserflärung fol, zum Behuf auch der übrigen Städte, bei dem
Rathe in Braunſchweig verwahrt werden.
Wahrſcheinlich iſt der Vertrag auf zehn Jahre, wie mehr vor⸗
kommt, unter dem Vorbehalte geſchloſſen, daß er, im Falle eine Kün⸗
digung nicht erfolge, ſtillſchweigend fortlaufen ſolle; auch haben andere
Städte, wie aus den folgenden Begebenheiten hervorgeht, ſich angeſchloſſen.
222
fam 1409 abermals eine Theilung zwifchen den Brüdern Bernhard
und Heinrich zu Stande, womit bie mittleren Häuſer Braunschweig
und Yimeburg ihren Anfang nehmen; jie kamen aber 1414 überein,
ſich wechjeffeitig Beiftand leiften, ohne beider Zuſtimmung feine
Bündniffe eingehen, Streitigkeiten nur von Austrägen, aus ihren
Räthen zujammengejeßt, enticheiden lajfen zu wollen. Es war als
wenn bie Tolgen ihres Werfahrens ihnen deutlicher vorjchwebten,
denn der Bertrag von Jahre 1415 griff noch weiter aus. Sie
vereinigten ſich über die Wiederzufammenjegung ihrer Yande, die
Rechte der Eritgeburt, Vormundſchaft, eidliche Anerkennung der ein-
gegangenen Qerbinblichfeiten, da8 Verfahren im Falle der Regent
blödfinnig fein werde, Verforgung der nadgeborenen Prinzen und
der Prinzejfinnen, die Gefammthuldigung, Verleihung der geiftlichen
unb anderer Lehne, Verſorgung der Wittwen, gemeinſchaftliche An⸗
ftellung der Staatsdiener, Gemeinfchaft der Ktriegehülfe, Abführung
der Schulden, Beichränfung der Anleihen, Empfang der Fahnlehen ꝛc.
Ein Kollegium von 25 Perjonen und Näthen: neum aus dem Yande
Xiimeburg, von Overheide und bei der Aller, vier aus dem Lande
zwifchen Deifter und Xeine, vier aus den Herrichaften Homburg und
Eberftein und acht aus der Herrſchaft Braunfchweig, follte die pünkt⸗
fihe Erfüllung der Beſtimmungen fontroliren. Nteinem Prinzen,
auch wenn ein folcher nicht zur Mitregierung gelange, jollte der Eid
auf diefe Union nach zurückgelegtem 14. Yebensjahre erlaffen werben,
die Huldigung im Gegentheile vor der Eidesleiſtung nicht jtatthaft
fein. Stürbe das Gefchlecht bis auf zwei noch nidyt 14 Jahre alte
Prinzen, oder nad) den Grlöfchen einer der Linien bis auf einen
Unmündigen aus, fo folle das Kollegium der 25 Perfonen in Gelle
zuſammen kommen, zwei Räthe aus jeder der Etädte Braunſchweig,
annover, Uelzen, Lüneburg und Helmftedt zuziehen, und durch
tehrheit der Stimmen feftftellen, wie es mit dem Regimente ge:
halten werden jolle, ohne jedoch berechtigt zu fein, einen auswärtigen
Vormund zu wählen.
Es lagen in dem Vertrage Bruchſtücke zum Staatsbaue, man
verfolge aber da8 Buch der Gefchichte einige Blätter weiter, um ſich
zu überzeugen, daß nur augenblidliche Aufwallung foldye Verträge
fchuf, von welchen weiterhin fanım die Rede war.
Die Grundherrlidjfeit fiegte auch durch die Erfindung über bie
Zandeshoheit, daß Verträge der Art nur für directe Nachkommen
verbindlidy wären, daß eine fuccedirende andere Linie des Haufes jid)
nicht an ſolche Handlungen der Vorgänger zu binden brauchte.
Griffen auch foldye Verträge tief in das Staatsleben ein, war aud)
die ganze Xerritorialgenoffenfchaft noch fo fehr dabei betheiligt, fo
hatten die Paciscenten doch nicht den Staat vor Augen. Cie woll
ten ihn nicht, weil fein Weſen Willkühr ausfchließt und nicht zu der
Annahme Raum läßt, daß der Staat des Regenten wegen gejchaffen jei.
17. Hielten verkehrte Grundſätze Territorien, wie die welfifcheı,
in ihrer Bildung zum geregelten Staate zurüd, jo fonnte man
223
miger nod in Fleinen Dynaftien auf Vorfchritte zum Beflern red
n, auch ftößt man überall auf Befchwerden über Raubanfälle, bie
n ſolchen geringeren Herren unterftügt wurden. Das Bündniß,
(es 1412 Graf Günther von Schwarzburg mit einem von
eldrungen errichtete, war zwar angeblich gegen die Markgrafen von
teißen errichtet, veranlaßte aber den Zuſammenlauf des gemein
n Raubgefindels, da8 unter der Benennung der Flegler nur Plün-
mng und Brandftiftungen betrieb. „Es foll jedoch niemand
ſſen — fagt Spangenberg in feiner Mansfeldfchen Ehronit —
T wäre oder von weßwegen oder aus was Urfachen
fe Flegel ſolchen Muthwillen trieben, denn es kam ihrenthalben
cher in Schaden und Beichwerung, der mit feinem Menfchen in
igüte zu thun hatte“.
Es fönnen hier nur einzelne Zeitbilder gegeben werben, um bie
mrigen Verhältniſſe anzudeuten, unter welchen die Städte ſich
ehr und mehr ifoliren und auf eigene Kraft verlaffen mußten.
18. Der Bundesvertrag vom Jahre 1404 war abgelaufen, als
ramſchweig 1415 fid) angelegen fein Tieß, denfelben zu erneuern
d auf neue Bundesgenoffen zu erftreden. Zuerſt fam am Sonn
ge Lätare [10. März] 1415 ein Vertrag mit Lüneburg und Han⸗
ver zu Etande, dem am Eonitage nad) Martini [17. November]
: Städte Deagdeburg, Halberftadt, Quedlinburg umd Afchersleben
itraten. Andere früher jchon dem Bunde angehörig gewejene Städte
tten entweder noch fortlaufende Verträge oder Sonderbündniffe
t Braunfchweig und anderen Bundesftädten, die in den Verhand⸗
ngen 1415 ausdrüdlich vorbehalten blieben und aud die Theil»
hme an dem jetigen Vertrage ficherten. Zwar ſchloß Braunſchweig
t jeder der genammten Städte abgefondert ab, die verfchiedenen
stunden find aber übereinjtimmenben Inhalts.
Die Städte felbft wollen mit einander in Frieden leben, würde
ıe derjelben aber „verunrechtet“, fo follen die anderen zunächit
th Fürſprache, würde diefe aber nicht zum Zwecke führen, durch
taffengewalt helfen. Dies folle auch gefchehen, wenn geijtliche ober
eltliche Perfonen, weh Standes fie fein möchten, fi) vom Papite,
m Kaifer oder den Herren Privilegien ertheilen Liegen, die den
echten der Städte zuwider liefen. In feiner der Städte follen
(che geduldet werben, die nach rechtlichen Gründen aus einer ber-
ben veriwiefen worden. Die Fehden der Städte follen gemeinfchaft-
h zu Ende gebracht, und e8 foll wechjelfeitig Hülfe geleiftet werben,
mn eine der Städte wider Recht und Gewohnheit vor auswärtige
iftliche oder weltliche Gerichte geladen werden würde. Der Handel
Ile, mit Vorbehalt der Zölle und des Geleits, frei fein. In keiner
r Bundesſtädte follen Feinde einer derfelben gehaufet oder in irgend
er Weiſe unterftügt werden, auch wolle man feine geraubte Sachen
laſſen oder fie doc anhalten. Einer bedrängten Stadt folle daß
effnungsrecht und den Fliehenden Geleit in die Heimath gewährt,
e Schuldner einer der verblindeten Städte follen in allen zur Er⸗
224
füllung ihrer Verbindlichkeiten angehalten, im Falle aber in einer ber
Städte Zwietracht entftehen würde, fchleunigft Hülfe geleiftet werben.
Zur Befeitigung von Streitigkeiten wurden Schiedsgerichte und Ob-
leute eingefeßt.
19. Dem Vertrage vom Jahre 1415 war Uelzen noch nidt
beigetreten, erft 1423, nad) der Urkunde vom Tage Matthäi [21.
September] dieſes Yahres, ſchloß auch diefe Stadt Braunfchreig,
Lüneburg und Hannover fi) an. Lüneburg blieb dem Bunde nicht treu,
nicht nur weil fie zu den wendifchen Städten ſich zählte und von diejen
ichneller Hülfe erwarten durfte, fondern auch weil Handelsneid die
Stadt mit Braunfchweig Häufig in Zwieſpalt brachte. Die mieber-
holten Verſuche diefer Stadt, die Schiffahrt mitteljt der Dfer, Aller
und Wefer auf Bremen zu fördern, wurden von Lüneburg vereitelt.
Deshalb waren die Bündniffe zwifchen den beiden Städten nicht
dauernd. Dagegen vereinigten fi) am Jacobstage 25. Yuli] 1424
Magdeburg und Braunfchweig zur Worbereitung eines erneuerten
und erweiterten Bundes der Safjenjtädte, da der letzte Vertrag im
Jahre 1425 ablief. Die beiden Städte fagten fid) wechfeljeitig
Hülfe gegen jedermann, Würften, Herren und Ritter oder Knechte,
zu. Den Feinden follte keine Art von Unterjtütung geleiftet werden:
weder mit Leuten, Epeifung, Getränk und Futter, noch mit Schoß,
Pulver und Waffen. Neben früheren Beitimmungen wurde aud)
die in den Vertrag mit aufgenommen, daß man auch foldhe gemein:
fchaftlich verfolgen wolle, die Hanfegenofjen befchädigten. Magdeburg
erklärte fich, die Städte Halle und Zerbit, Braunſchweig aber Lüne⸗
burg und Hannover in den Derein ziehen zu wollen, auch machte
man ſich verbindfid), nody andere Städte zur Theilnahme an dem
erneuerten Bunde aufzufordern. Der Vertrag wurde auf ſechs Jahre,
jedod) unter der Verheißung gefchlofjen, daß er in Wirkſamkeit blei⸗
ben folle, wenn er nicht ein halbes Jahr vor Ablauf der Frift ge
kündigt werde. Unter diefer Bedingung follten auch andere Städte
nur in den Bund aufgenommen werden, die unter einzelnen Städten
aber beitehenden Sonderverträge in Kraft bleiben. Halle trat noch
an den Tage der geichloffenen Uebereinkunft bei.
20. Magdeburg und Braunfchweig hatten ſich durch Fräftige
Verfolgung der Straßenräuber Verdienjte und großes Anfehen er-
worben. Sie hatten die Raubburg Zrueflingen geftürmt, erobert und
gejchleift, und als fie twiedererrichtet werden follte, abermals die Funda⸗
mente vernichtet, fo daß die wichtigen Straßen auf Erfurt und, Magde⸗
burg aus jenem Raubnejte nicht weiter beläftigt werden konnten. In
gleicher Weife wurde 1425 das Raubſchloß Umzleben, an den genamı-
ten Straßen belegen, erftürmt, gebrochen und für die Folge unjchädlid)
gemacht; und daß man zu foldien Unternehmungen vorzüglich auf
die Macht der beiden Städte rechnen mußte, beweifen die faiferlichen
Mandate und Privilegien aus diefen Fahren, nach welchen ihnen die
Eäuberung ber Reichsſtraßen anvertraut und die Verfolgung ber
Miſſethäter in fremder Herren Länder gejtattet worden.
Bebrängniß in ben müchtigeren Städten Hülfe. Mit Braunſchweig
ſchloſſen (1424) die Bifchöfe von Pan Sal und Camin Sonder⸗
bündniſſe, fo auch 1426 der Biſchof von Halberſtadt, und ſelbſt die
Herzoge Dtto, Wilhelm und Bernhard von Braunfchweig fuchten
gleichzeitig ein gutes Verhältniß mit den Städten zu erhalten, von
— die meiſten in ähnlichen Sonderbündniſſen wie Braunſchweig
anden.
Es war dies die Zeit, in welcher die Städte allgemeiner mit
Feuergewehr ſich waffneten, in welcher ſie Gießereien beſaßen und
zu großer Vollkommenheit gebracht hatten, in welcher fie mit Hand
büchfen bewaffnete Schützen aufjtellten und durch alles diefes ein
entfchiedenes Uebergewicht erlangte.
Der Kaiſer wie der Papſt bejtätigten Braunſchweig und andern
Städten ihre privilegia de non evocando. Auch die Hanfe ging
gern auf eine nähere Verbindung mit den Eaffenjtädten ein, die in
dem Plane der Etüdte Magdeburg und Braunfchweig lag, und mit
Eifer fuchten nahe und entferutere Städte ſich anzufchliegen.
22. Am Eonntage Yubilate [21. April] 1426 kamen Abgeordnete
der Stüdte Magdeburg, Braunſchweig, Hildesheim, Halberſtadt,
Göttingen, Quedlinburg, Afchersleben, Dfterode, Einbeck, Helmſtedt
und Nordheim in Goslar zulammen.
An dem zwifchen Magdeburg und Braunſchweig 1424 errichte:
ten Bertrage war der Hanfe gedacht; man wollte, wie oben erwähnt
worden, vermitteln, bag der Bund der Saffenftädte auch die verfolge,
welche Hanfegenofjen befchädigen würden. Es kam 1426 diefe An-
gelegenheit zunächſt zur Verhandlung, und im Cingange des neuen
Vertrags werden bie Stüdte Magdeburg, Braunjchweig, Hildesheim
und Göttingen, die alle der Hanfe ſchon angehörten, aufgefordert
und ermädtigt, die Saffenftädte auf dem Hanfetage zu vertreten.
Es war ein folcher von Xübe auf den Yohannistag ausgefchrieben,
und dann follte die Angelegenheit in dem Convente geordnet werden.
Würden dann ferner auch die noch nicht zur Hanje gehörige Städte
geladen, jo follten Abgeordnete von Braunfchweig und Magdeburg
zu einer Berathung darüber zufanmentreten, ob vorgängig eine Ver⸗
fammlung der Saffenftädte erforderlich fei, aud) hätten fie den Tag
ber Zufammenkunft ‚zu bejtimnen. Den Abgeordneten zu den Hanfe-
tagen follten die Koften von den Eaffenftädten erjegt, die Beiträge
an ben Kath zu Braunfchweig eingefandt, die zu Lübeck gefaßten Bes
ſchlüſſe aber wie die Koſtenrechnungen jeder betheiligten mitgetheilt werden.
So bildete der Bund der Eafjenftädte auch eine Abtheilung des
banfeatiichen Bundes. Die Mitglieder jener Einigung, welche noch
nicht Hanfegenoffen waren, erlangten gleichfalls diefe Kaufmannsrechte,
und Magdeburg mit Braunjchweig wurden die Vororte, wie fie es
Ihon in Beziehung auf den Bund der Eaffenftädte waren, auch in
dem Verhältniffe diejer zur Pa nur zählten Lüneburg und Uelzen,
wenn fie auch mit den Saffenftädten in Verbindung traten, zu ber
der Hanſe angehörigen wendifchen Stäbtegruppe.
Dabel wurde ber Bund der Saffenftäbte, wie nh die folgenden‘
Bertrüge beweifen, ale für fich beftehende und ſ eigenthum⸗
lichen Verhãltnifſe verfolgende Einigung fortgeſetzt.
Nachdem in Goslar die Beſtimmungen in Betreff eines anzu⸗
bahnenden Verhältniſſes zur Hanſe vereinbart waren, gingen die
Abgeordneten zu den Verabredungen über, welche für die Saſſenſtädte
in Beſonderen Kraft haben follten; und diefe find: Schu des
dels, Forderung des Friedens mit den Herren, fo lange e8 fein
ann durch Geld und Bermittelung, Feitftellung einer Matrikel zu
den erforderlid; werdenden Hilfsleiftungen. Die nächſten Städte
ſollen mit bewaffneter Mannſchaft, die entfernteren mit Gelde aus⸗
helfen. Dem Feinde foll feine Art von Unterftügumg gewährt,
leichtfertige unbeichloßte Gefellen aber, die rauben und brennen und
den Adersmann bejchädigen würden, follen aufgegriffen werden. Zum
Schuge gegen Aufwiegler und Aufrur im Innern der Stüdte wird
die Aufhebung aufrürerifcher Gilden, Verweifung aus ber betreffen-
den Stadt und Nichtaufnahme in eine ber Bundesſtädte verabredet.
An der Oftfeite der Wejer will man feine Freigrafen zulafjen, auch
fol fein Angehöriger der Bundesjtädte fich den heimlichen weſtphäli⸗
ichen Gerichten ftellen, fondern an den der Fürften und Städte ſich
genügen laſſen, widrigenfall® ein folder aus der Etadt vertrieben
und in feiner der Bundesftädte aufgenommen werden foll. ‘Der Ver-
trag foll drei Jahre in Kraft bleiben, Abgeordnete der Städte follen
aber an eimem von Braunfchweig zu beftimmenden Tage zwiſchen
Oſtern und Pfingften dajelbjt jährlich zufammen kommen, der be⸗
ftimmte Tag den Betheiligten acht Tage vor der Zuſammenkunft
befannt gemacht werden.
Dem Bertrage traten noch bei: Hameln am Tage Petri und
Bault 29. Juniſ, Alfeld am Tage Bartholowmät |24. Auguft] 1426,
Gronau am Palmjonntage [13. April] und Bofenem Donnetstäg
vor Palmarım [10. Aprit] 1427. J
23. Die Gebrechen in Staat und Kirche waren ſtändig ge⸗
worden, und fo wurden es auch die von den Städten ergriffenen
Segenmaßregeln. Meiitentheils enthalten bie Bundesverträge eine
Erneuerung früherer Verabredungen, denen nur dann Neues beige
mischt ift, wenn neue Gebrechen ſich Fund geben und die früheren
Beftimmungen den Zweck verfehlt hatten. |
Den 1426 getroffenen Verabredungen gemäß Tamen die Ab;
georbnneten der Stäbte Goslar, Magdeburg, Braunſchweig, Halle,
ildesheim, Halberitabt, Göttingen, Hannover, Quedlinburg, Aſchers⸗
‚ Einbed, Am Nordheim, Hameln und Mierfeburg im
Braunfchtweig zuſammen. Es wurde der Vertrag vom Sonntage
Quaſimodogeniti [3. April] 1429 errichtet, dem am Tage Philippi
Jacobi Mai] 1430 die Städte Erfurt, Mühlhauſen und Nord
banfen ſich anfchlojfen. Sie machten fich verbindlich, alle Beſtim⸗
mungen des Bundesvertrages zu erfüllen und in die Bundesmatrifel,
15*
228
Erfurt mit 250 rheinifchen Gulden, Mühlhaufen und Nordhaufen
je mit 80 Thlr. ©. fi aufnehmen zu laſſen.
Am Yahre 1432, am Sonntage Cantate [12. Mai], fand wie
berum eine Zuſammenkunft ftatt, der damals errichtete Vertrag
fcheint aber mit dem vom Jahre 1429 ganz gleichlautend geweſen
zu fein, denn die im Stadtardhive zu Braunſchweig fich vorfindende
Originalausfertigung enthält am Schluffe Jahr und Tag beider
Verträge. Es find in diefen Verträgen die Beſtimmungen vom
Fahre 1426 wiederholt, die aber, daß aufrürerifche Innungen auf:
gehoben werben follen, ift dahin beichränft, daß nur die an dem
Aufrure Theil nehmenden Gildegenoffen aus ihrer Innung geftoßen
werden follen. Weftphälifchen Gerichten follte Teine Bundesftadt
fi) unterwerfen, wenn fie auch von mehreren der Herren anerkannt
würden. Die jährlihen Zufanmenkünfte in Braunſchweig follen
ferner ftattfinden und ift am Schluffe Hinzugefügt: „düſſe verdradht
fhall anftan von datum düßes breveß und werd wahren und gehol-
den werden von düßen Pingften to aller erft tofomende und vord dre
jahre alle umme erft na einander volgendt*. — Es fcheint daraus
hervorzugehen, daß der Bundesvertrag, wenn in der Berfammlung
der Betheiligten feine Aenderung erfolge, in allen feinen einzelnen
Beltimmungen in Kraft bleiben folle.
I.
1. Gefetlofigkeit und Wilfführherrfchaft traten einem Reichs⸗
verbande wie dem Baue einzelner beutfcher Staaten entgegen. Treu-
lofigfeiten von allen Seiten her vermehrten das Mißtrauen, das im
14. Jahrhundert fchon fo tief Wurzel gefchlagen hatte. Man Tonnte
und wollte auch im 15. Jahrhundert den Staat mit feinen ſchützen⸗
den, aber bindenden Elementen nicht. Die Verbindungen, in welchen
man augenbliclichen Vortheilen nachftrebte oder drohende Gefahren
abzuwenden fuchte, durchkreuzten ſich in mannigfaltigfter Weife. Ceit
bem Untergange der Hohenftaufen, dem Zerfalle des Reichs in Ter⸗
ritorien, für welche man die, noch von K. Friedrich II. projectirte
Grundlage nicht anerfennen wollte, ſchien auf dem großen herrlichen
Reihe ein Fluch zu haften. Es gab keine Reichsverſammlung, in
welcher die wichtigften Intereſſen des Volks unparteiifche Beurtheis
lung fanden, feine zur Aus» und Fortbildung der Einzelftaaten geeig«
nete landftändifche Verſammlung, fein Zutrauen erweckendes Reichs⸗
gericht und ebenfowenig Zerritorialgerichte der Art. Der Zuftand,
wie er in Sachſen ſchon nad) Heinrichs des Löwen Falle von Hel⸗
mold dargejtellt wird, ber hier durch die Hohenftaufen, K. Otto IV.
und 9. Otto puer nod) einigermaßen wieber eingebeifert war, trat
BO DERFURDEHOURDER
re ee ne
— BRNREERONE SOCHDEN)
230
Geſchlecht blühete fort, mar die Burg Deftebt wurde Damals von
ben Brammfchweigern, die Häufig mit ben von Veltheim im Fehde
lagen, erobert und verbramt. Schon 1432 ftanden die Städte
Braunjchweig und Magdeburg mit bem H. Heinrid) von Bram-
fchweig in einem neuen Bündniffe gegen die von Veltheim.
So ſchnell als man Verträge der Art einging, fprang man
auch wieder ab, je nachdem fich neue oder größere Vortheile in einer
andern Verbindung darboten; doc, unterftüßten bie Städte, wem
ihre Intereſſen dabei nicht in Gefahr kamen, vorzugsweiſe ihre Ter⸗
ritorialherren.. Mit den welfifchen Fürſten jtand 3. B. die Stadt
Braunfcweig im Bunde: 1433 gegen Ulrich von Weferlingen, aud)
gegen den Grafen von Spiegelberg, 1434 gegen bie Grafen von
Hoya und die von Spiegelberg, 1437 zum Beiftande im Allgemei-
nen, 1441 mit den Herzogen Otto, Friedrid) und Heinrich von
Braunfchreig - Lüneburg gegen den H. Wilhelm den ältern von
Braunſchweig.
3. Zwiſchen die oft blutigen Fehden, im Gefolge der Bünd⸗
niffe, mifchten ſich Angriffe auf einzelne Saffeuftädte und Aufrur
in denselben. Die Stadt Magdeburg hatte ihre Befeitigung verſtärkt,
neue Gräben angelegt und andere Vorrichtungen getroffen, die dem
Erzbifchofe mißfällig waren. Die Städte, welche geijtliche Herren
hatten, waren im noch mißlicherer Yage als die der weltlichen
Fürjten. Während diefe durch Theilungen ſich ſchwächten und mit
einander in Hader lagen, kamen die den Städten daraus erwachſen⸗
den Vortheile den bifchöflichen Städten, 3. B. Magdeburg, nicht zu
ftatten. Der Erzbifchof befehdete die Stadt 1431, nachdem er fie
mit dem gefammten Domkapitel verlaffen hatte, und erhielt 1432
auch einen Abjagebrief der Magdeburger. Auf den Hülferuf ver:
fuchte zunächſt Halle, ale die Teindfeligfeiten fchon ihren Anfang
genommen hatten, fchiedsrichterliche Entfcheidung zu erwirfen, wiewohl
vergebens. Mit Hülfe der Zerbſter wurden nun erzbifchöfliche Stäbte
und Veſten erobert, der geiftliche Herr aber wandte ſich an ben K.
Sigismund, ber zwar der Stadt im vorhergehenden Yahre ihre Pri-
pilegien beftätigt hatte, nun aber gegen fie und ihre Helfer die Acht
verhängte. Die Angelegenheit wurde zugleich vor das Basler Kon-
cilium gebracht und der Erzbifchof belegte die Stadt dann auch noch
mit dem Interdicte. Es traten num andere YBundesftädte, Halle,
Braunſchweig, Quedlinburg, Ajchersleben und Zerbit, mit Zuzug
heran, und auh Markgraf Johann von Brandenburg gefellte ſich
ihnen zu. Der Erzbifchof wurde aus dem Lande verdrängt, und ging
zum Kaifer auch auf das Basler Koncilium, bewirkte noch ungünjtigere
Entfcheidungen gegen die Stadt, und da Halle derjelben jich noch
feiter anjchloß, wurde aud) diefe Stadt mit dem Banne und der
Reichsacht heimgefucht. Nun verfprach der Kath zu Halle zwar
Unterwerfung, allein die Bundesjtädte, unter ihnen Braunfchweig,
jandten Abgeordnete, erwirkten Aenderung der Beichlüjfe und ver-
mittelten die Ernennung von dreißig Bürgern, mit welden der
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eiferſucht zwiſchen den erften beiden Städten fort; man ſetzte aber
das allgemeine, durch Bundesverträge befeftigte Intereſſe dem ein
feitigen nicht nad. Schon im 14. Yahrhundert waren der Stadt
Braunſchweig in Beziehung auf ihre Schiffahrtspläne Schwierigkei-
ten entgegen geftellt worben!. Als die Angelegenheit im 15. Jahr⸗
hundert wieder zur Sprache Tam, beriefen fich Lüneburg und Magde⸗
burg 1429 auf entgegenftehende Privilegien. Sie erflärten dem
. Bernhard von Lüneburg, daß fie alle von Celle nach Bremen
—** mit Korn beladenen Schiffe anhalten würden. Sie brad;
ten e8 1439 zu einer Vereinigung mit dem H. Wilhelm dem äftern
von Braunfchweig, in deren Gefolge diejer erklärte, die Schiffahrt
aus der Dfer in die Aller nicht ferner geftatten und, ehe er darın.
nachgäbe, den fchwerften Krieg nicht fcheuen zu wollen. Bram:
fchweig trat darauf mit Lüneburg befonders in Verhandlungen, und
wie fehr jener Stadt der Plan am Herzen lag, beweift der Um-
ftand, daß fie einen Aufwand von 8400 rheinifchen Gulden (jeder
gleih 2 Lothen feinen Silbers) nicht fcheuete, nur um die 1440 in
Uelzen eingeleiteten Unterhandlungen zu fördern. Dieſe endigten ſich
damit, daß die behuf der Schiffahrt getroffenen Einridhtungen für:
erit fieben Jahre ruhen follten und man eine endgültige Einigung
inzwifchen ermi wolle.
Magdeburg führte fein Bördekorn auf ber Elbe aus, dabei
war Lüneburg, befonders wegen des Abfakes in das an Korn
ärmere Limeburgſche, weſentlich betheiligt. Bei den Hinderniffen, die
man Braunfchweig, das auch eine Kornkammer um fich hatte, auf
dem Wege liber Lüneburg entgegen ftellte, blieb Bremen der Hafen,
von wo aus die Kornausfuhr Ber Braunfchweiger bewerfftelligt wer:
den mußte; die weiten Landwege bahin waren aber faft umfahrbar.
Mean glaubte, 1440 noch, einen Ausweg dadurch gefunden zu haben,
dag den Braunfchweigern die Ausfuhr über Liineburg freigegeben,
dagegen aber die Wafferfahrt auf Bremen in 23 Yahren nicht er
öffnet werden follte. Mit diefer Uebereinkunft fcheint Braunfchweig
nichts gewonnen zu haben. Die Stadt ging fchon 1459 auf ihren
alten Plan zurüd. Die Herzoge Bernhard LI. und Otto von Line
burg geftatteten ihr die Schiffahrt auf Bremen unter ber Bedingung,
dag Salz und Eifen nicht abwärts, Heringe aber und andere Fiſche
nicht aufwärts verfahren werden follten, daß auch den Herzogen, wie
der Stadt Lüneburg, die Berechtigung vorbehalten bleibe, den britten
Theil des nad) Bremen verfchifften Korns in Celle, Nethen ober
Ahlden, zu den in Braunſchweig gängigen Preiſen und gegen Er-
ftattung des Ungeldes, zurüd zu behalten. Die Zölle follten nicht
erhöht werden, und obſchon der Vertrag 1461 mit dem H. Friedrich
von Lüneburg erneuert worden, fo fcheint derfelbe doch um fo mehr
2 S. darüber den Anhang.
6. Daß bie Städte in der. Diitte bes 15. Jahrhunderts ben
hepunct ihrer Macht und ihres Einfluſſes erreichten, lag eben fo
ehr in der inmeren, ftaatögemäß abgefchloffenen Verfaſſung derfelbe,
als in der immer noch fortgejegten grundherrlichen und Feudalwirth⸗
ichaft, die weder Macht⸗ noch Staatsentwidelumg, wie fie, um ber
Selbfthälfe Einhalt zu thun, erforderlich geweien fein würde, zuließ.
Einem wirklichen Staatsleben, das nur auf eine, fir alle Zweige
der Staateverwaltung verliehene, aber auch gegen Uebergriffe ge
ſchützte Macht fich ftügen kann, mußten die entfprechenden Opfer
ebracht werben; welche Mittel aber hatten jest die Fürjten, um
ihre Macht umd eine Staatsverwaltung zu entwidelr, wenn fie dies
auch Ioon verftanden und gewollt hätten!
Ws H. Heinrich der Friedfame von Braumfchweig, deifen guter
Wille, die Geſammtheit feiner Territorialbewohner zu ſchützen, aus
manchen Verfügungen hervorleuchtet, die Stände um Hülfe anfprad),
wurden ihm eime Anzahl Kühe (127 Stück) und 254 Scheffel Hafer
(1 Scheffel gleih 12 Hinten), auch Dienfte fir feinen Haushalt be
willigt (1436). Die Bewilligungen hatten noch die Natur erhöheter
Dominialgefälle, ganz den von den Türjten fo fehr gehegten und
von den Ständen gern anerlannten grundherrlichen Brinzipen gemäß.
Diefe nütten dafjelbe für fich aus, wiejen die erhöhten Gefälle auf
Unterthanen an, die bei den öffentlichen Verhandlungen nicht vertres
ten waren, umd legten fie noch dazu auf bis dahin meiſtens frei ge⸗
weiene Gemeinden. Mit folhen erhöhten Gaben, wenn man fie
auch bald in Gelde abführen ließ, war wenig auszurichten; fie halfen
der Dünftigfeit der Fürften nicht ab; diefe führte vielmehr zu An⸗
trägen und Unternehmungen, die mehr noch Widerſtand erregten und
das Mißtrauen weten. Welfifche Fürften erlangten 1442 die kai⸗
ferliche Genehmigung, daß alle von ihnen und ihren Vorfahren,
wenn auch urkundlich, gegebenen, aber dem Staate ſchädlichen Ber»
heigungen nichtig Iein, auch verpfändete Schlöffer ofme Weiteres zu⸗
rücgenommen werden follten. ‘Dazu ermächtigte der jöläfrige 8. 8.
Friedrich ILL, der übrigens fo bereit war, Privilegien zu geben und
zu beftätigen, und durch dergleichen Beginftigungen nur mehr nod)
gegen die Fürſten aufreizte. Man wußte in jenen Zeiten nur zu
gut, wie folche Anfinnen auszulegen waren; dag man den Staat
nur noch vorfchügte, um Hülfe zu willührlichen Verwendungen zu
erlangen.
Wie groß Geldverlegenheiten ber fürftlichen Häufer damals
waren, beweifen manche, an ſich geringfügig fcheinende, aber doch be-
zeichnende Vorgänge.
Die Herzogin Margarethe, Tochter des Landgrafen von Heilen und
Mutter H. Heinrich des Friedfamen von Bramfchweig, hatte gegen
ein mäßiges Darlehn eimem Hildesheimer Bürger ihre Kleinodien
verfet; der Rath der Stadt Braunfchweig mußte die Verpflichtung
übernehmen, entiveder für die Einlöfung zu forgen oder 1000 Gulden
zu zahlen (1433). So wurde aud für 100 Gulden, die der Herzogin
236
Unruhen in Schweden ımd der Hülferuf 8. Erichs fetten zwar
Ihon im folgenden Jahre die Seeftädte wieder in Bewegung, bie
Angelegenheit wurde aber in Güte erledigt, und die Städte konnid
1437 wieder freier handeln, als ihre Privilegien in England ge
ihmälert werben follten. Mit Mühe war das Fortbejtehen alter
Verhältnijfe vermittelt, als 1438 ſich Streitigkeiten mit Holland ent-
fpannen, in deren Gefolge 23 meiſtens den preußifchen Städten an
gehörige Schiffe gelapert wurden. Dazu fam 1439 die Entſetzung
K. Erichs von Schweden und der Kampf mit feinem Nachfolger, 8.
Chriftoph, für welchen fich die Seejtädte betheiligten. rich fuchte,
um feinen Nachfolger wieder zu verdrängen, die Hülfe der Holländer
gegen die Städte. Dieſe rüjteten eine Flotte aus, nahmen holländische
Schiffe und zwei von Erich Velten, wodurch diefes Pläne vereitelt
wurden. Doch waren auch von der Yandfeite her den Seeſtädten nabe
Gefahren zu befeitigen. Ein von Quitzow trieb fi) 1445 mit einer
Bande von 600 Mann in den der Oſtſee nahe gelegenen Gegenden
umher umd dadurch wurde die thatfächliche Hilfe der Binnenitädte
den Seeftädten befonders wichtig, ba jene zum Landfriege beſſer ge
rüftet und eingeübt waren.
8 Nach faft ununterbrochen fortgefegten Seefriegen und Fehden
zwifchen Wefer und Elbe traten die Städte Braunfchweig, Magde⸗
burg, Halle, Halberitadt, Quedlinburg, Afchersleben, Hildesheim,
Göttingen, Hannover, Einbed, Hameln, Nordheim und Helmſtedt
am Dienftage nad) Thomä [23. December] 1450 zur Erneuerung ihres
Bündniſſes umd zu der erforderlich gefundenen Erweiterung und Verän⸗
derung der alten Vertragsbeftimmungen zufammen. Zuvor gefchieht
in ber Urkunde vom erwähnten Jahre und Tage bes Verhältniffee
Erwähnung, in welchem der Bund der Saffenftädte zur Hanfe ſteht.
Es heißt: daß auf dem Konvente zu Lübeck, am Tage S. Tihomä,
ein Receß errichtet fei, nach welchem zwifchen dem Bunde der Saffen-
jtädte an einem, und den Städten Lübeck und Cöln, aud den in
den dritten heil gehörigen Hanfeftädten, am andern heile, Tols
gendes verabredet worden: Die Hanfeftädte des britten Theils follen
in den Bund ber Saffenjtädte mit eingefchloffen fein und gegen
leichtfertige Gefellen und Verunrechtung gefhütt werden. Die Saf-
jenftädte werben dagegen alle als Hanfegenoffen bezeichnet, Braun⸗
ſchweig und Magdeburg aber Häuptlinge de8 Bundes der Safjen
jtädte genannt. Sie follen, wenn eine der Städte in Noth gerathen
würde, zufammentreten und darüber berathen, inwieweit eine Zus
ſammenkunft mit anderen Städten erforderlich fein möchte und welde
Deagregeln zu ergreifen wären. Es wurde das Verhältniß feitgeftellt,
nad) welchem die verfchiedenen Betheiligten Hülfe zu leiften hatten:
Magdeburg 12, Braunſchweig 12, Hildesheim 8, Göttingen 8,
Halberjtadt 6, Quedlinburg 6, Aichersleben 6, Einbed 6, Hans
nover 5, Hameln 3, Helmjtedt 3, Nordheim 2.
Obwohl die Städte des dritten Theils der Hanfe — die wen.
difchen — XTheilnehmer des Bundes ber Saffenjtädte geworden waren,
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9. Der Bund der Saſſenſtädte lief als in fich abgefchloffene
Einigung fort, und verhandelte auch in diefer Stellung mit der
Hanfe. Schon ber nächſte Bundesvertrag erwähnt aber der Verhäf-
niffe zur Hanfe nicht, obwohl dieje fortbeitanden.
Am Freitage nach dem Eontage Cantate [27. April] 1459
erneuerten ihr Bündniß die Saſſenſtädte Goslar, Magdeburg,
Braunjchweig, Halle, Hildesheim, Göttingen, Hannover, Kinbed,
gemein und Nordheim, auch traten Hinzu Stendal und Tangermünde.
eide leßteren Orte waren wegen ihrer Induſtrie und der da Hin
durchlaufenden Straßen widtig. Tangermünde war ſchon 1457
Eigenthiimerin einer dafelbit Über die Elbe führenden Fähre Die
Stadt hatte ein feftes Schloß und war jeit 1478 in dem Belige
der Gerichtsbarkeit. Sie wurde daher in den Bund gern mit auf
genommen. .
In dem erneuerten Vertrage find ältere bekannte Bedingungen
enthalten, doch gefchieht des Werluftes der hanſeſchen echte nicht
weiter Crwähnung Die Etüdte Braunfchweig und Magdeburg
werden wieder als „Häuptlinge” bezeichnet, aud) ijt die frühere Dia-
trifel eingefchaltet, in weldyer Stendal mit 9, Tangermünde mit
5 Gewaffneten in Anſatz gebradht jind. An demfelben Jahre,
Montags nad) Egidii [3. September], erklärten auch Halberftadt,
Quedlinburg und Afchersleben ihren Beitritt zu dem Vertrage; und
wie die Zeitverhältniffe feites Zufammenwirfen der Städte gebieteriſch
forderten, mögen einzelne Vorgänge zeigen.
10. Bon des H. Wilhelm des älteren von ee:
(f 1482) beiden Söhnen, Wilhelm dem jüngern (F 1503) md
Friedrich (F 1495) führte der letttere jehr bezeichnend den Beinamen
bes Unruhigen, weiler, wo es im Reiche Unruhen und Unorönungen
gab, zu finden war. 1462 hatte er feinen Sig im Schloſſe Morin⸗
gen. Bon hier aus überfiel er zwifchen Nordheim und Nörten einen
Waarenzug, bei welchem Staufleute aus Köln, Lübeck, Trankfurt und
Braunfchweig betheiligt waren. Die geraubten Gegenjtände hatten
nad der Schägung den Werth von 2700 Goldgulden; außer dem
aber hatte der Fürft im Stifte Hildesheim, befonders gegen die von
Steinberg und von Bortfeld, Gewaltthaten begangen und des Stifte
Mannen in der Herrſchaft Homburg hart bedrängt. Er wurde am
geklagt, auch librigens die Straßen unficher gemadjt, Kaufleute und
Wanderer beraubt zu haben. Es traten daher gegen ihn die Bun⸗
desftädte Goslar, Magdeburg, Braunjchweig, Halle, Halberjtadt,
Quedlinburg, Ajchersleben, Hildesheim, Göttingen, Hannover, Ein
bet, Hameln und Nordhein in Verbindung mit dein Bifchofe von
Dibeöheim unter die Waffen. Das Bündniß wurde durd) zahlreiche
itter verftärft, denn es galt nicht allein den Fürſten von feinen
Unthaten abzuhalten, fondern auch gegen den Anhang gerüftet zu fein,
den er in jenen Zeiten leicht erlangen konnte. Die Werbündeten
wollten nebenbei auch Croberungen machen; daß fie darüber ınit
andern Fürjten in Händel gerathen würden, war vorberzujehen.
240
erlittenen Befchädigungen aber, infoweit nicht den Fürften Zahlung
geleiftet war, gegen einander aufgehoben. Bei der Zufiherung, die
in Beziehung auf Sicherftellung der ee va gegeben worden,
war vorbehalten, daß nicht kaiſerliche und päpftliche Befehle en
gegen ftänden. Das war e8 aud, was foldyen Befehlen noch Beach
tung verfchaffte: die Ausſicht unter Freibriefen rauben und plünbdern
zu können. In diefem Sinne wurde in dem Vertrage noch beftimmt,
daß Gegenjtände, welche der Vermuthung nad) Geächteten gehörten,
bis zu einer rechtlichen Erörterung und Entjcheidung nur in Ver:
wahrung genommen werden follten. Es würde hier zu weit führen,
ein Verzeichniß aller der Plünderungen, Brandftiftungen und Mord—
thaten einzufchalten, welche in dem Vertrage wechſelſeitige Beſchädi—
gungen genannt werden. Kleinere Städte und Torfichaften wurden
verbrannt, die nicht erfchlagenen Einwohner an den Bettelſtab ge
bracht; von dem, was ihnen, die bei der Fehde nicht betheiligt waren,
geraubt und vernichtet worden, ift nicht weiter die Nede; das Geld
dafür ftrichen die Herren ein.
Der Urheber alles diefe8 Ungemachs, H. Friedrich, der der
Neverfalen und Verträge ungeachtet zu befchden fortfuhr, mußte
endlid unter Bezugnahme auf eine Gemüthstranfheit deffelben in
Gefangenschaft gebracht werden, worin er auch (1495) jtarb.
11. Gleidjzeitig ſah man ſich auch durch die fo lange ſchon
befämpften Uebergriffe der weftphälifchen Stiligerichte bedrängt. Hier
will id nur ein Beifpiel anführen, welche Wege man zu verfolgen
hatte, um entfchieden ganz unbefugter Richter fi) zu erwehren. Vom
Kaiſer war der Stadt Braunfchweig noch 1415 ein privilegium
de non evocando ertheilt. Danad) wurde von ihm aud) ein Execu⸗
tor des Privilegiums, ein Beſchützer des Rechts, welches feiner be
vorrechtenden Urkunde, wenn der Kaiſer feine Autorität hätte geltend
machen fünnen, bedurft hätte, eingefegt. 1464 war Graf Ulrich von
Regenftein Erecutor; er erhielt nur den Beweis, daß, wer ſelbſt feine
Macht hat, auch andere nicht mit Erfolg ermächtigen Tann. Der
Graf verurteilte fech8 Freigrafen zu Craſſenſtein und zwei Gebrüder
Meinhardefien, diefe weil fie Bürger der Stadt Braunſchweig vor
dem Freiſtuhle angeklagt, jene weil fie vorgeladen, alle aber, weil ſie
auf die Ladung des Grafen zu Blankenburg fid) nicht geftellt Hatten,
als der Acht Verfallene. Er hatte ihnen eine Strafe von 50 Marl
Goldes auferlegt, und gebot nun den Erzbifchöfen und Bifchöfen von
Cöln, Münfter, Baderborn, Osnabrüf und Minden, dem 9. von
Berg, den Herren von der Lippe, auch den Stublherren, Freigrafen.
und Schöffen zu Dortinund und Arnsberg, den Geächteten, bei einer
Strafe von 10 Mark feinen Goldes, feinen Vorſchub zu leiften. —
Der Graf wurde nur an die alte Fabel vom Herrn erinnert, der
zahlreiche Helfer, einen nad) dem andern, fruchtlos endet.
12. Die Städte erhielten der thatfächlichen Mahnungen fo viele,
dag fie ihr Bündniß allen anderen Verträgen und Friedensfchlüffen
borzogen. Am Mittwochen nad) Vitus [19. Juni] 1471 erneuerten
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liche Gewalt infoweit zu begrenzen, al® dies erforderlich wurde,
um die Handelsftädte in ihrem Weſen zu erhalten und fie wegen
ihrer Sntereffen zu berubigen. Wäre auch in einem der Xerritorien
die Ordnung gefchaffen, um ftädtifchen Intereſſen und den damit
ihon enge verbundenen Auſprüchen, auch der Landbebauer, zu ge
nügen, war mehr erforderlid,. Es bedurfte einer auf alle Territorien
ſich erſtreckenden Handelspolizei: der Wege, Zoll-, Geleite:, Mlinz-
ordnung ꝛc. Die Städte hatten ſich mit Waffengewalt hindurchſchla⸗
gen oder in Verträgen fih Hülfe fuchen müffen; alles diefes durd
bindende Gefege zu erfegen, war am wenigften von einem K. Friedrich II.
zu erwarten. Co beftand zwar die Zeit der Selbfthülfe fort, doch
mußte den Städten ſchon einleuchtend werden, daß ihre Gewalt
maßregeln bald nicht mehr ausreichend fein wirden. Die zahlreichen
geijtlichen Herren, mit welchen die Saſſenſtädte zu thun hatten,
wußten mehr und mehr ſich Eräftige Hülfe zu verfchaffen. “Die Dom-
fapitel, die längft aus müfligen Pfründnern zuſammengeſetzt waren
und dennod) ein reiches Einfommen zu hüten hatten, wählten ihre
Biſchöfe aus mächtigeren Fürftenhäufern. Der Kapitel felbft hatten
nur Mitglieder ftreitbarer Familien ſich bemächtigt, die wohl bered)
neten, was die Pfründen ihnen und ihren Nachkommen waren.
Die Fürften traten in engere Verbindungen mit einander und fingen
an, ihre perfönlichen und Hausintereffen mehr zu würdigen, wie
wenig fie auch noch Staatsinterejfen erwogen; doch wurden die der
rohen Kämpfe müde, weldje noch zu verlieren und Cigenthum zu
fhüten hatten. Die Etädte waren ſchon längft nicht mehr durch ben
Gebrauch des Teuergewehrs vorzugsweife begünftigt, und auch die
Fürften fingen an, die eigentlich jchon untergegangene Ritterfafte und
den Lehnsdienſt durch Fußvolk zu erfegen, das fie aus den Landleu⸗
ten und den in ihrer Gewalt befindlichen Städten zogen oder aud)
ermietheten.
Unter ſolchen Verhältniffen wurde ein letter ernftliher Verſuch
gemacht, den Yandfrieden, jedoch nur in der alten, fo oft fruchtlos
verfuchten Weife zu erzwingen und wenigftens einen Theil der zwiſchen
Weſer und Elbe belegenen Yande unter eine fichernde vertragsmäßige
Ordnung zn ftellen. Die Vorgänge im oberen Deutfchland mochten
dazu mitwirfen; wenigftens treffen die Anftrengungen im nördlichen
Deutfchland mit den Siegen der Schweizer im Jahre 1476 zufam-
men, denen eine Reihe fruchtlofer, den Landfrieden angeblich bezweden-
der Verträge vorher ging, die endlich nur den Beweis lieferten, daß
der gute Wille mangelte. Es muß bier in der Kürze zuvor der Treu:
lofigfeiten Erwähnung gefchehen, die auch das obere Deutfchland
enblid) überzeugten, daß dem Staatsleben eine andere als bie bisher
verfuchte Grundlage gegeben werden müſſe.
2. Die Städte im oberen Deutſchland befanden ſich infoweit
in noch mißlicherer Yage, als öfterreichifche Fürften hier unmittelbarer
betheiligt waren und Kaiſer dieſes Stammes hier häufiger Veran
lafjung fanden, ihr Hausintereffe auch mitteljt Taiferlicher Gewalt zu
243
fördern. Das 15. Jahrhundert bot der traurigen Erfahrungen, der
ägennügigen, verräterifchen Verhandlungen noch in reichlicherem Maße,
als es fchon im 14ten der Fall gewefen war.
Während die mächtigern Fürften den Stäbten das Hecht der
Einigung ftreitig machten, ftellten diefe den Grundfaß auf, zu Bund⸗
mfjen felbft gegen den Kaifer berechtigt zu fein, wenn derfelbe feinen
pereierpfähten ungetreu werde. Strengere Kaifer, wie nach Wenzels
tſetzung Ruprecht von ver Pfalz; (1400-1410), führten indeß
dürften und Städte wieder zu vereinten Kraftanftrengungen zuſam⸗
men. Schon vor Ruprechts Wahl war Graf Eberhard von Würtem-
berg mit mehreren jchwäbifchen Städten im Bunde. Unter Vermitte-
lung des Kurfürften von Mainz verftärkte ſich dies Bündniß zu
Marbach (1405) durch den Beitritt des Markgrafen von Baden,
17 ſchwäbiſcher Städte und Straßburgs. Bemühungen des Kaifers,
die Bundesgenojjen zu trennen, blieben fruchtlos.
Die Verheerungen ber Huffiten in Sachſen und Meißen machten
zu umfafjenderen, gegen den gefährlichen Feind zu ergreifenden Maß-
regeln geneigt. Zu Nitenberg entwarfen 1431 ſechs ‘Deputirte ber
Fürſten mit eben fo vielen Abgeordneten der Etädte die Grundlage
zu einem Landfrieden. Die Fehden follten bis zur glückliche Aus-
führung eines Zuges gegen die Huffiten eingeftellt werden; ber Zug
aber endete fchimpflich, und die Abrede war ohne Erfolg.
Der thätige und umfichtige K. Albrecht II. (1438— 1439) be⸗
abfichtigte behuf allgemeineren Landfriedens eine Kreiseintheilung und
die Einfegung von Hauptleuten für die verfchiedenen Kreife, allein
die Befürchtung der Städte, daß ihre Freiheiten von den mächtigeren
Fürſten gefährdet werden würden, verhinderte die Ausführung. Der
auf dem Reichstage zu Nürnberg 1438 gemachte Vorfchlag, die
Städte nach Landesbezirfen zu einander zu orbnen und ihnen einen
unmittelbaren Gerichtsftand zuzugeftehen, fand gleichfalls Wibderftand,
weil die Städte danach Feine abgefonderte Partei bilden follten, auch
die Kurfürften den unmittelbaren Gerichtsftand nicht einräumen woll-
ten; der frühe Tode bes begabteren Kaiſers hemmte feine Pläne.
Sein Nachfolger Friedrich III. (1440 1493) erneuerte und
verfchärfte zwar die Fehdegejege, gab aber bald zu dem äußerſten
Mißtrauen und zu neuen Epaltungen felbft die Veranlaffung. Den
Schweizer Eidgenoffen verfagte er die Betätigung ihrer Rechte, wie
er fie anderen gewährt hatte. Er forderte die feinem Haufe ange
hörig gewefenen Herrſchaften zurück, die theils von feiner Botmäßig-
feit fich losgekauft, theils von Sigismund fchon den Eidgenoffen als
Reichspfandſchaft überlaffen waren. Bel den Deutſchen konnte er
Hüffe gegen die Schweizer nicht erlangen; er 30g daher den König
von Frankreich, den Herzog von Burgund und ſelbſt den Papft in
ein Bündniß. Der Sieg des Dauphins bei S. Jacob 1444 für-
derte die Sache des Kaifers nicht; die große Tapferkeit der Schweizer
fchredtte vielmehr zurück; bald ftand Frankreich mit ihnen im Bunde.
Der Anſchluß einzelner beutfcher Fürften und der Ritterſchaft vom
16*
244
©. Georgenfhilde an den Kaifer Hatte nur ſchimpfliche und nutlofe
Berheerungen im Gefolge. Faſt jede der Reichsſtädte Hatte ihren
fürſtlichen Widerfacher, der fie zur Landftadt herabzubrüden beabſich⸗
tigte, und diefe Stimmung fuchte der Kaifer zu benuten. 31
ihwäbifhe und fränkiſche Städte verbanden ſich aufs neue. Sie
fochten mit wechfelndem Glück gegen Albreht von Brandenburg,
Urih von Würtemberg, Jacob von Baden, den Erzbifchof von
Mainz und endlich) auch gegen Albredt von Defterreih; das Cr:
gebnig aber war, daß alle Theile, nadydem 200 Dörfer eingeäjchert
und von den Städten 80000 Gulden aufgewandt waren, ſich ge
ſchwächt fühlten.
Die Eroberung Conſtantinopels 1453 weckte endlich ben Kaifer
aus feiner Eorglojigkeit. Der Reichstag zu Regensburg 1454 hatte
zunächſt die Berathung über geforderte Hilfe gegen die Türken zum
Vorwurfe; übrigens wurde beichlojjen, einen Landfrieden fürerft auf
fünf Jahre zu errichten. Die Verſuche, Reichsſtädte zu übermältigen,
erneuerten fich indeß, und im Gefolge des Angriffe Ludwigs von
Baiern auf die Reichsſtadt Donauwerth 1458 wurden die Rhein⸗
lande, «Schwaben und Franken abermals gewifjenlos verheert. Gin
Bild der Zeit ftellt fih in den fchnell wechjelnden Parteiungen und
den dabei vorkommenden Treuloſigkeiten, in den zahllofen unfrucht⸗
baren Reicheverfammlungen und den Nebenrüdfichten und Hinter:
gedanken dar, welche den Kaiſer, den Papſt, die Fürften und Etädte
leiteten. Der Ruf nad Hülfe gegen die Türfen wurde oft wieder-
holt, allein eben dabei wird augenjcheinlich, wie zerfallen das Reich
war, wie wenig darauf gerechnet werden Tonnte, eine Reichsmacht
bei großer Gefahr zu entwideln, und welche Bedingungen an die Zur
fage ganz ungenügender Hülfe geknüpft wurden. Der Landfrieden,
der jegt mehr als je Noth that, blieb unter einem Kaijer wie
Friedrich DIL unerreichbares Gut. Die Städte felbjt würden in
Beziehung auf Landfriedensverbandlungen für eigennügige Stören-
friede gelten, hätten fie nicht die meiste Vorjicht anwenden und Rück⸗
ficht nehmen müſſen, um den ihnen von allen Seiten her drohenden
Gefahren zu entgehen.
Neue Drangfale wurden den fchwäbifcdhen Städten dadurch ver-
anlagt, daß Erzherzog Sigismund, von Rachegefühl und Bedürftig-
feit geleitet, Borderöfterreich 1468 fiir 50000 Gulden an den mäch—⸗
tigen Herzog Karl von Burgumd verpfändete. Die umfafjenden, gegen
die Eidgenoffen gerichteten Pläne diefes Fürften wurden durch den
Tchlauen Ludwig IX. von Frankreich und die Tapferkeit der Schweizer
vereitelt. Mit ihnen verbanden fich der König und die von burgundie
chen Landvögten hartbedrängten vorderöfterreichifchen Lande. Die
Städte dafelbft kündigten, durch Ludwig angereizt, die Pfandfchaft,
und neben andern deutfchen Fürften ftand num auch der Kaifer dem
ftolzen Herzoge gegenüber. Diefer rückte vor Neuß im Erzſtifte
Cöln, um dem entjeßten Erzbifchofe Beiſtand zu leiften und in der
Hoffnung, feine Schutherrlichkeit auch über das Erzftift erſtrecken zu
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luftigg en, me wenn nidt. eine ei un ***—
247
Würden dem Bunde nicht angehörige Furſten, Herren oder
andere einen ber Bundesgenoffen angreifen, fo follen bie übrigen
jofert Hilfe leiſten.
Wenn gegen einen ber Bunbesgenoffen Gewalt gebraucht wird,
wollen bie Fürften, fobald fie Kunde bavon erhalten haben, auf der
gewöhnlichen Mahlſtelle mit einer Berfon aus jeder der Ritterfchaften
und einer aus jeder der Städte zufammenlommen, um wegen ber
zn ergreifenden Maßregeln zu berathen.
Wenn Städte, Schlöffer oder Velten des Bisthums Hildesheim
ober einer ber herzoglichen Herrfchaften genommen werben, bie als
Lehen oder Eigen von dem Bifchofe oder ben Herzogen abhängig
find, fo foll das Lehnsverhältnig ober Eigenthumsrecht bei der Wie⸗
dereroberumg beachtet werben, und der Gegenftanb feinem Herrn vers
So fol e8 auch mit den verpfändeten Schlöſſern gehalten wer
* Die Eroberer ſollen nur den Pfandſchilling in Anſpruch nehmen
en.
Auswärtige Schlöffer und Städte follen nach der Eroberung
abgefchäßt, und nach dem Betrage des gefundenen Werthes follen die
beteiligten Bundesgenofjen abgefunden werben.
Gefangene Reifige und genommene Habe will man vertheilen.
Dime Zuftimmung aller Bundesgenoſſen fol auf Sühne nicht
eingegangen werben, auch joll Feiner der Bundesgenoffen fich des
andern Lande, Schlöffer, Städte, Dörfer und Gerichte anmaßen.
Schlöffer, die man nicht behalten will, follen abgebrochen, Berg»
frieden aber nah Mannzahl mit einer Berghort befegt werden.
Jeder, er ſei geiftlich oder weltlich, joll bei feinen echten ges
(affen werben, auch niemand Reiter mit eigenen Pferden oder Fuß⸗
gänger zum Rauben, Morden 2c. halten oder bei fich haufen.
Der Vertrag foll erworbenen echten, Privilegien, Herfommen
und Gewohnheiten keinen Eintrag thun, auch nicht den Vertragsver⸗
bindlichkeiten entgegengeftellt werden, welche einzelne Städte gegen
einander übernommen haben.
Dos Kapitel zu Hildesheim ermächtigt den Bifchof zum Ab-
fhluffe des Vertrags, in welchen andere dann nur aufgenommen
werben follen, wenn fie denjelben anerfannt und unterfiegelt haben.
Dean erfieht aus diefen Bedingungen, was man für Necht hielt,
wern nicht Verträge entgegenftanden. Die Rechte des Stärkern
wurden als Pegel zur Anwendung gebradit.
4. Der fhwäcte Punct in dem für einen engeren Bezirk ab-
gefchlofjenen Friedensvertrage blich die Anordnung bes Bundesgerichts.
Die Zahl der in das Schiedsgericht aufgenommenen herrjchaftlichen
Räthe und ritterfchaftlichen Abgeordneten war eine überwiegende, fie
fonnten ein über den Barteien ftehendes Neichögericht nicht erjegen.
Die Städte hatte man feit länger als einem “Jahrhundert bald in
diefer, bald in jener Weife aus ihrer Stellung zu verdrängen gefucht,
und inwieweit den Fürften und Nitterfchaften zu trauen war, lag
‘
248
in zahlreichen Beifpielen vor. In demfelben Jahre 1476 am Mitt
wochen nach Johannis [26. Juni] erneuerten daher die Saflenjtäbte
Goslar, Magdeburg, Braunfchweig, Halle, Halberitadt, Hildesheim,
Göttingen, Stendal, Einbed, Hannover, Nordheim und Helmſtedt
ihr altes Bündniß. Alle früheren nach und nad) getroffenen Ber:
abredungen wurden in biefen Vertrag mit aufgenommen, auch ſchal⸗
tete man die Matrikel vom Jahre 1471 wieder ein. Braunſchweig
und Magdeburg wurden mit ben denfelben früher fchon zugeitande
nen Befugniffen als Vororte bezeichnet, auch deutete man auf die
Gefahren hin, welche den Städten durch Verſtärkung der Macht der
Fürften mit Böhmifchen Kriegsfnechten droheten.
Auch dabei ließ man es nicht bewenden. Am Tage aller Hei-
figen [1. November] 1476 kam zwifchen jenen Saffenftädten an
einem und ben Bürgermeiftern und Nathmännern der Städte Lübeck,
Bremen, Hamburg, Roftod, Stralfund, Wismar, Lüneburg, Stade
und Uelzen am andern Theile ein dritter Vertrag zu Stande, der
die früher fchon vereinbarten Schugmaßregeln, daneben aber aud
neue Beitimmungen- enthielt. Es wurde feftgefegt, nicht nur wie
Streitigleiten zwifchen den Bundesgenoffen jelbft ausgeglichen werden
follten, fondern auch, daß die Händel zwifchen diefen und außerhalb
des Bundes Stehenden durch ein Schiedsgericht beizulegen ſeien.
Die der bedrängten Stadt zumächft belegenen Städte follen vier Per
fonen ernennen, die, nachdem über den Gegenftand des Streites
Schriftliche Inſtruction eingezogen ift, binnen vier Wochen zuſammen⸗
fommen und über die Verhältniffe fich äußern follen. Sind fie ver
ſchiedener Anficht, fo follen die Acten einem Obmanne, wozu Ludolf
von Walmoden erwählt worden, eingefandt unb die Anfichten hinzu⸗
gefügt werden; der Obmann foll dann binnen drei Wochen urtheilen.
Wenn eine gütliche, dem Urtheile entfprechende Ausgleichung nicht
zu erreichen ift, joll zur Waffengewalt gefchritten werben, auch ift für
diefen Fall die zu beachtende Matrikel eingefchaltet. Es find ber
gewaffneten oder anderen wehrbaften Leute zu ftellen: von Lübeck 20,
Bremen 12, Hamburg 15, Roftod 8, Stralfiund 10, Wismar 5,
Liineburg 12, Stade 4, Uelzen 2; von ben Saffenftüdten: Magde⸗
bırg 12, Braunfchweig 12, Halle 12, Halberſtadt 6, Goslar 5,
üdesheim 8, Göttingen 8, Stendal 8, Hannover 5, Einbed 6.
tfernte Städte, die nicht zu ber Fehde gezogen werden können,
follen Geldzufchüffe, monatlih 4 Gulden für einen Reiter, zahlen.
Erbeutetes Vieh und andere Sachen follen der „Köfen“ der
befehdeten Stadt zufallen, Gefangene aber unter die Theilnehmer an
der Tehde jo vertheilt werden, daß nur, was nach dem Austaufche
der wechfelfeitigen Gefangenen übrig bleibt, zur Theilung kommt.
Städte, Schlöffer und Velten follen ber verbündeten Stadt,
von welcher fie eingelöft werden mußten, verbleiben, jedoch ſollen vier
Stübte — entſcheiden, was den übrigen Bundesgenoſſen darauf
zu vergüten iſt.
Der Bundesbruch ſoll mit 10 Mark Goldes, das Zurückbleiben
re rg
260
Mittelbere und Reicheftädte — ſich früher dann weni-
ger von einander, wenn jene, wie dies in den meiſten Saſſenſtüdten
der Fall war, in Beſitz der Briifegien en gefett hatten, bie ihnen
das Hecht der Waffen, die Verfügung über ihr Geridhte- und Boficei
wefen, bie Selbftbefteuerung und die Macht, ihre Berhältnifje unter jelbft-
gewählter Obrigkeit ftatutarifch zu orbnen, zuficherten. Sie ftellten ſich,
was fie auch factifch waren, ben Reicheftädten gleich, und befümpften
vorzüglich alle die territorialherrlichen Cinmifchungen, welde fie als
mittelbare Städte bezeichneten. Der Kaifer beitärkte fie darin durch
bie Aufnahme folder Städte in die Reichsmatrifel, durch die Zu
laffung unmittelbarer Kontingente zu der geforderten ehe nad und
durch Annahme unmittelbarer Zahlungen in die Reichskaſſe.
Zerritorialherren war befonders dies Verfahren, worüber fie *
bei dem Kaiſer fruchtlos ſich beſchwerten, anſtößig; ihr gemeinſames
— ging daher dahin, eine ſolche Unmittelbarkeit zu verhindern
und th t aller ber Gewalten ſich wieder zu bemächtigen, bie
ben Städten meiftens gegen Zahlung zugeftanden waren, und deren
ſie fich micht entänßern durften, wenn fie ihren eng damit verbunde⸗
nen Tommerciellen Standpunct und ihre Verbindung mit anderen
Sanbefeftäbten nit aufgeben wollten. Den größten Reiz fiir die
ürjten hatten bie wohlgeordneten ade chen Abgaben, befonders die
Acciſe. Ste fuchten fich nicht nur ein gleiches Einkommen aus ihren
Zerritorien zu verfchaffen, ſondern fich auch in den Befig der in ben
felbftftändigeren Städten gehobenen Accifegefülle zu fegen. Es fdhien
ben Städten das eingreifendfte Mittel zum Schutze ihrer Stellung
als Handelsftäbte nur das zu fein, dem Reiche wenigften® ummittel⸗
bar anzugehören und fo ihre Intereſſen auf Reichstagen vertreten
zu Türmen. Darliber fam e8 zu dauernden Händeln mit den Terri⸗
torlalherren, in welchen eine Stadt nad) der andern unterlag und bie
Städte, welche itberwältigt worden, fofort den Verluſt ihres blühen⸗
den Zuſtandes zu beklagen hatten.
6. Zumähft erlagen bie Stüdte geiktiger haften den
einflugreicheren Verbindungen, welche durch die Wahl der Herren aus
mächtigeren Hänfern erzielt waren. Die Stadt Queblindurg hatte
fih, nach dem Ausiterben des Turfächfifchen —* und dem Anfalle
des Landes an Meißen (1422), unter den Biſchofs von
—* geſtellt; daruͤber war ſie ſchon in — Zwiſtigkei⸗
ten mit dem neuen ſächſiſchen Haufe gerathen. Die Aebtiſſin Hedwig
von Queblinburg, Nachfolg der Aebtiffin Anna von Plauen
(+ 1400), war eine fächfifche Prinzeffin, Sanveiter bes Kurfürften
Ernft und des H. Albert von Sachſen. In Vertrauen auf biefe
verwandfihaftlichen Verhältniffe wollte fie weder die Schutzherrlichkeit
bes Biſchofs über bie Stadt Quedlinburg nod die Selbftftändigfeit
diefer anerfennen. Sie forderte von dem Magiſtrate die vogteiliche
Gerechtſame, mit “ weicher bie felbftftänbigeren Verhältnifſe der Stadt
enge verfrüpft waren, zurüd. Dieſer ſtutte fi auf den Schuäheren,
den Bifchof von Salberftadt, die Stabt aber wurde num plößlic
von en Truppen umzingelt umb erobert. Das Zeichen ber
tänbigfeit, der Roland, wurbe niebergetvorfen und zerbroden.
Man nahın der Stadt die über ihre Privilegien ausgeftellten Ur⸗
Imben. Die Herzoge wurden 1479 von ber NWebtiffin mit ber
Schutzgerechtigkeit beliehen; ans der Urkunde ift erfichtfich, was man
damals zu der Schugherrlichkeit noch rechnete: die Vogtei zu Qued⸗
finburg, Gerichte über Hals und Hand im Felde, ben Dörfern und
Wüftungen, die Halbgerichte über die Vorftädte und Zubehörungen
von Quedlinburg, Fronengelder, Vogteifchillinge und Stettegelder x.
Der Magiftrat mußte die Schußherrlichleit der Herzoge anerlennen,
zur Abtretung von Gittern und zu bedeutenden Zahlungen fich ver
pflichten. Die Bürgermeifter wurden ferner von ber Aebtiſſin bes
ftätigt, mußten derfelben Rechnung ablegen und durften keinen Haupt⸗
mann für die Stadt einfeken. E
7. Aehnliche Wege verfolgte das ‘Domkapitel zu Halberftadt.
Daffelbe wählte den fächlifchen Prinzen Ernft, welcher 1476 Ery
bifhof von Magbeburg geworben war, auch zum Koadjutor des
ſchwachen Bifchofs von Halberftadt, der fchon 1480 ber Regierung
entfagte. Das Kapitel beachtete in den bei der Wahl des Koadjnu⸗
tors geftellten Bedingungen die Verhältniffe, welche der Entwidelung
einer willführlichen Gewalt entgegen ftanden. Zwar bebormortete
daffelbe die Beftätigung der den Bürgern und den übrigen Leuten
iftehenden Rechte, ohne Willen, Rath und Vollwort bes Kapitels
ſollten aber Teine Hauptleute, auch nicht in ben Stüdten und Burgen,
angeftellt werden. Erledigte Lehne follten mit geringen, feftgeftellten
Ausnahmen wieder an das Stift gezogen, die Landesfchulden
führt und das dem Stifte entzogene Eigenthum wieder damit ver
einigt werden. Allerdings bedurfte e8 folder Vorkehrungen, wenn
das Regiment fich wieder kräftigen, und namentlich auch, wenn ben
ihon bevorzugten ablichen Familien die Gelegenheit erhalten werben
follte, ihren nachgeborenen Söhnen durch Pfründen ein ficheres Ein⸗
bommen zu verichaffen; allein ben Reclamationen, zu welchen bie
Bedingungen aufforderten, gab man eine Ausdehnung, bei welcher
vertragsmäßig erworbene Rechte, am wenigiten der blühende Zuftand
der Städte, Beachtung fanden. Halberſtadt wurde durch innere Un-
ruhen bedrüngt. Die Stabt hatte fi) auch aus ihren, durch wieder
holte Verträge gefnüpften Verbindungen zurücdgezogen, und dieſen
Zeitpunct benntte der Biſchof, um ihr durch Kündigung der Vogtei
da8 Fundament der Berfaffung zu entziehen. ‘Die Stabt weigerte
fih, und da man ihr auch unter andern vorwarf, daß fie früher
Quedlinburg Hilfe habe gewähren wollen, fo rüdte der Erzbifchof
von Magdeburg als Biſchof von Halberftabt mit einem auf 12000
Mann angegebenen, mit fächfifchen Truppen untermifchten e bor
die Stadt. Nach einer vier Wochen lang fortgefegten enwehr
mußte fie fich ergeben (1486). Der Erzbiichof gab dem Rathe und
der Bürgerfchaft die Verfiherung, daß ihnen an ben Privilegien Bein
Abbruch gefihehen folle; dieſe Zufage wurde aber, wie Ehroniften
252
verfichern, zur Beängftigung bes Bifchof8 am Ende feines Lebens,
nicht erfüllt. Die Stadt büßte ihre Verfaffung ein, auf welcder ik
Flor beruhete, und gerieth, da man aud hier Erfak in einer Ge
meindeordnung nicht zu fchaffen wußte, in Armuth und Dürftigfeit.
Die ſchwächere Stadt Afchersleben konnte ſich, von ihren Nad-
barn getrennt, nicht in ihrer alten Stellung erhalten. Sie hatte
noch 1475 der Aufforderung bes Kaifers Folge geleifte. Ihr Zu
zug zu der Heerfahrt nach Neuß beftand aus 9 ſchwarz uniformirten
Neitern, 3 mit eifernen Flegeln bewaffneten Knechten und 1 Heer
wagen mit Proviant und Rüſtzeug. Aud hier mußte jeder ans
fällige Bürger ein gerüjtetes Pferd halten, deren auf den eriten
Stodenfhlag 70 zufammengebradyt werden konnten, und als bie
Gefahr, mit ſächſiſcher Hülfe überwältigt zu werden, ſich fteigerte,
hatte die Stadt ſchon im Jahre 1475 ſich in den Schuß des Herzogs
von Braunjchweig begeben, dem ein jührliches Schutgeld von 100
Gulden zugefichert worden. Einen gleichen Vertrag hatten auch 1477
die Quedlinburger unter Zugeſtändniß eines Schuggeldes von 200
Gulden mit dem Herzoge abgefchloffen. Allein am wenigften durften
die Städte auf De der Fürften rechnen, wenn dieje fi in ben
Verhältniſſen fahen, ein Webergewicht wieder geltend zu machen.
Der Fürft, an weldien Ajchersieben fid) gewandt Hatte, war 9.
Heinrich der ältere von Braunfchweig (F 1514), deifen den Städten
feindjelige Gefinnungen bald in einer Reihe von Fehden fich Fund
gaben. Afchersiceben fah fich gezwungen, auch felbftftändigere Ges
meindeverhältniffe aufzugeben, und ſchon 1486 mußte die Stadt
Besen Dalberftabt, mit dem fie hundert Jahre verbündet war, Zu
zug ftellen.
8. Früher noch als Halberftadt wurde Halle dem Städtebunde
entzogen. In einem Streite zwifchen dem Magiſtrate und den
Pfännern der Stadt nahmen die Parteien das Urtheil der Magiftrate
von Magdeburg, Braunfchweig und Halberftadt in Anſpruch; dem
widerfegte ſich aber der Erzbifchof, indem er die Streitfache vor feine
Gerichte zog (1478). Mit ſächſiſcher Hülfe nahmen die Händel
darüber den Ausgang, daß Halle feine meiften Privilegien verlor,
bie Urkunden darüber verbrannt wurden, 1484 die Morigburg, um
die Stadt in Unterwürfigfeit zu erhalten, erbauet werden mußte, umd
der Erzbiihof unbefchräntt das, was man damals Hoheitsrechte
nannte, ausübte, unter welchen dann auch diefe Stadt ihre Blüte
zeit beſchloß.
Bei der Behandlung, welder die Städte, wenn fie unterworfen
werden konnten, fid) ausgeſetzt fahen, worüber fo viele Beifpiele vor:
lagen, erſchien die Reichsunmittelbarkeit als das fchägenswertheite
Gut. Die nordbeutjchen Seeftädte und mehrere Binnenftädte, wie
Magdeburg und Braunfchweig, gehörten zu den größten Handels:
pläten des Reiche, während viele geringere Ortichaften, beſonders
auch ſüddeutſche Städte, ſich einer durch mancherlei Zufälligkeiten
unterftügten Unmittelbarkeit rühmen durften. Alles, was zur Selbft-
biefer nicht erreicht werben köune, Bericht, bamit bie Streitfache von
ihm felbft entfchieden werde. Der Ausbruch einer verheerenden Belt
unterbrac) zwar bie Berhandlungen, auch konnte bie Stadt fich Taum
zahlreichen erwehren,
bie ſolche Zeiten ber Noth für ihre ehrlofen Zwecke vorzugsweiſe be
nüsten, es kam aber 1486 zum Bergleihe. Der Erzbifchof fee
ber tobt umter Zermittelung des ©. Albert von Sachfen ben
Revers aus, nad) welchem er derfelben ihre Rechte und Privilegien
ferner anerlemen zu wollen verſprach, die Stadt aber ihren An-
fprüchen auf Reichsunmittelbarkeit entjagte und den Prälaten als
ihren Oberherrn auerfannte. Wegen der verweigerten Quote zur
Zürtenhülfe mußte der Biſchof abgefunden werden.
9. Der fehdeluftigfte Yürft zwifchen Weſer und Elbe war jetzt
. Heinrich der ältere von Braunfchweig. Sein umd feines Vaters
sülhehn Beiſtand reizte den Bifchof Bertold von Hildesheim zu dem
Verſuche, ‚die Stadt Hildesheim ſich unterwürfig zu machen, wenig⸗
ſtens einer Acciſeabgabe derſelben ſich zu verſichern. Im Gefolge
der darüber in Rom und bei dem Kaiſer eingeleiteten Verhandlungen
ernannte dieſer Kommiſſarien zur Vermittelung. Die bedrängte Stadt
erhielt Zuzug von Braunſchweig, Magdeburg, Liineburg, Göttingen,
Einbeck, Goslar und Hannover, zog auch viele umliegende
bie den Gefinnungen H. Heinrih nicht trauten, uud) die ifchöfe
von Dsnabrüd, Minden und Paderborn, diefe mit Geldanerbietungen
ber Städte, in ihr Intereſſe. Ein zweimaliger Angriff des 09%
auf Hildesheim war fruchtlos. Er buechfteift fengend bren-
—— — und in gleicher Weiſe verfuhren auch ſeine
Gegner in den Braunſchweigſchen Landen. Goslar hatte ihm Br
Harzburg genommen, er bagegen hatte viele Goslarer Bürger ab-
gefangen, die den Räubern ihrer Kuhheerden nachſetzten, Tief fie ge
fünglid verwahren und bedeutende Löfegelder zahlen. Der Krieg
wurde von 1484 bis 1486 unter unerhörten Verwüſtungen fortge
ſetzt, in dem legteren Jahre aber kam Mittwochs nach (?) Zuctü
10. December] zwifchen ben Herzogen Wilhelm und Heinrich von
aunjchweig und den Städten Magdeburg, Braunfchweig, Lüneburg,
Hildesheim, Göttingen, Stendal, Hannover, Einbeck und Nordheim
ein Friedensvertrag zu Stande. Die erlittenen Schäben, die, wie
immer, unfchulbige Landleute betroffen hatten, wurden gegen eilanber
aufgehoben, die noch übrigen Gefangenen von beiden Stäbten ohne
Löfegeld freigegeben, den Herzogen aber von den betheiligten Städten
8000 FL. vorgeliehen, der Streit mit Goslar endlich zur Eutſchei⸗
dung des H. Albrecht von Sachen ausgefest. Sie erfolgte 1488
dahin, daß den Herzogen die Harzburg wieder zu, überantworten fei,
der Stadt aber noch zehn Fahre lang das Holz zum Verbrauche
auf ven Hütten verabreicht werben folle.
Wie man ein Steuereinfommen fich verichaffen Tönne,
—* "hie Städte gelehrt. Die Fürſten hatten den en einer
bgabe, wie befonder& deu ber Acciſe, erlannt; man war Ober noch
veit davon entfernt, fie zu Staats- und zu andern als willkührlichen
Sweden zır heben. Der Kurfürſt Johann von Brandenburg führte
ine Abgabe vom Biere ein; fie wurde auch von den Bewohnern
Stendals gefordert (1488), fie verweigerten aber den Beitrag. Ein
Aufrur in der Stadt, der gewöhnliche Begleiter der von außen Ber
zregten Drangfale, erleichterte dem Kurfürften die Ueberwältigung
er Stadt. Sie wurde aus ihren felbftftändigeren Verhältnifſen ge
iffen, Widerfpänftige wurden mit dem Tode beitraft; der Bundes
xrtrag vom Jahre 1486 war ber lebte, dem Stenbal ſich anfıhlof.
Kurfürft Johann, als ein Cicero feiner Zeit bezeichnet, fcheint
in folcher am wenigiten in Beziehung auf Staatskunjt geweien zu
en. Sein Teftament enthielt zwar ernftlihe Ermahmmgen an
einen Nachfolger: gerecht und wohlthätig zu fein, die Unterthanen
gegen Mächtigere fchügen und befonders der Zügelloſigkeit des Adels
nicht nachjehen zu wollen; allein an Stendal bewährten fich folche
Sefinnungen nicht. Er wußte der Stadt und fich felbit die Vortheile
nicht zu erhalten, die fie aus ihren bisherigen Handelsverbindungen
zezogen hatte. Die außerordentlich blühende Tuchweberei befonders
jing mit ber Weberwältigung der Stadt unter, deren geitempeltes
Silber bis dahin im nördlichen Deutſchland geſucht und als vorzugs⸗
weife zum Großhandel geeignet weithin im Gebrauch war.
11. Wichtiger noch war für den Flor des deutfchen Handels
die Erhaltung Erfurts, einer Stadt, die zwilchen den Städten des
ſchwäbiſchen und des Bundes der Saſſenſtädte in der Mitte ag
and in welcher wichtige Handelsjtragen zujfammenliefen. Sie fuchte
fich in jener ftürmifchen Zeit unter den Schub der Herzoge von
Braunschweig, der Yandgrafen von Thüringen, Heſſen und anderer
zu ftellen, unterhielt auch dauernd eine Verbindung mit den Saffen-
ftädten, nahm Kriegshauptleute aus mächtigeren Dynaftenfamtlien,
der Grafen von Gleichen, ara Schwarzburg ꝛc. in Dienſt; allen
die durch das Zufammenfallen der meißenfchen und ſächſiſchen Lande
jehr vermehrte Macht des ſächſiſchen Haufes brachte aud) Erfurt die
größte Gefahr. 1482 wurde der ſächſiſche Prinz Albert SKurfürft
von Mainz, und damit zu Anfprücen auf Landeshoheit über bie
Stadt ermädtigt. Daneben nahmen die fähfiihen Fürften eine alte
Schußgerechtfame über diejelbe wieder in Anſpruch. Nacd) richtigen
Begriffen von Staat und Landeshoheit beurtheilt, beweifet der An⸗
ſpruch auf folche Schugherrlichkeit, deren Ausdehnung und Kollifion
mit der Landeshoheit fich nad dem, was die Aebtiffin von Qued⸗
Iinburg darauf einräumte, ermeijen läßt, nur, wie unvollfommen die
Anfichten über ein geregeltes Staatsleben immer nody waren. “Die
Stabt wollte weder die Schußherrlichfeit noch die Landeshoheit ans
erfennen. Sie hatte ein Nonnenklojter auf dem Cyriaksberge ab-
gebrochen und dafelbit die Cyriaksburg erbauet, fam aber gleich nad
der Wahl des ſächſiſchen Prinzen zum Erzbifchofe von Mainz in
Händel. Bon füchfifchen Gebiete umgeben und durch andere Vor⸗
Hänge fchon unterrichtet, was fie von einem feindlichen Zuſammen⸗
ftoße mit Sachſen zu frrchten hätte, Tamen Vergleiche zu Stande
(1483), nach welchen die Stadt den Erzbifchof als ihren vechtmäßt-
gen Erbherrn zwar anerkannte, jedoch die zur Aufrechthaltung ber
elsverbindungen ihr erforderlichen Rechte unter zahlreichen Klan⸗
ein erhalten wurden. Gleichzeitig wurde zu Weimar mit bem Kur
von Sachen über die Schut- und Schirmgerechtfame unter
handelt. Er fagte gegen Anerkennung derfelben die Beibehaltung
ihrer Rechte, ihres Herkommens und ihrer Gewohnheiten zu, verhieß
ihr die ungeftörte Benutzung des Schloſſes auf dem Cyriaksberge,
auch dag niemand die durch die Stadt laufenden Straßen verfim-
mern folle. Das Maß der zu leiftenden Hülfe wurde fejtgejtellt
und fiir den Schuß die jährlich zu zahlende Summe von 1500 Gulden
ausgeſetzt. Dem Erzbifchofe von Mainz, einem Sohne des Kur
fürften, mußten, nach der erfurter Chronif, 40000 Gulden gezahlt
werden, und insgefammt foll die damals an Mainz und Sachſen
gezahlte Summe 200000 Gulden, außer ben Gefchenten, die einzel:
nen vermittelnden Perfonen entrichtet werden mußten, betragen haben.
Da aud Magdeburg in den um diefe Zeit gefchloffenen Ber:
trägen befonder& die Handelswege offen zu erhalten juchte, Braun⸗
ſchweig aber die Hinturchziehenden Straßen noch ficher jtellte, fo
waren die Opfer nicht zu groß, welche Erfurt der gemeinen Sache
brachte. Die Stadt konnte ihren Handel fortfegen und blieb in
Danbeiöverbinbung mit den nördlich belegenen Handelsſtädten, die
der großen Entfernung und der Nähe Sachſens behindert waren,
Erfurt mit Zuzug zu unterſtützen.
Den Städten Mühlhaufen und Nordhaufen blieb die Ummittel:
barkeit, nach welcher andere Städte jett vergebens ftrebten. Nach
dem Halberjtadt, Queblinburg ımd Ajchersleben aus dem Bunde ber
Saffenjtädte gezogen waren, konnten jene wie Merfeburg nicht mehr
auf wirkfame Hülfe der vormaligen Bundesgenoffen rechnen; von
biefen waren gegen das Ende des Jahrhunderts die füdlihen Städte
getrennt. Magdeburg hatte, obwohl Landftadt, feine Privilegien noch
gerettet. Die Stadt erhielt fi in dem Rechte ber Waffen umb
Einigungen und bracdte fie ferner im Vereine mit den noch im
Bunde gebliebenen Saffenjtädten zur Anwendung.
IV.
1. Die Verhältniffe der Parteien, der weltlichen Fürſten, ber
geiftlichen Herren, der Städte und NRitterfchaften zu einander, waren
gegen das Ende des 15. Jahrhunderts andere als früher. Ginzelne
FSürftenhäufer, wie das fächfifche, hatten ein bedeutendes Uebergewicht
erlangt, und auch bie welfiichen Fürſten ftrebten mit allen Mitteln
De cr
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* bringen. Die Schi igm Helmf —
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F — en ſchützen —— und mit Waffengewalt
Geb. Ifmen die Verbindung offen.
”r ei hrofenben Berhältniffen erneuerten die Welſiſchen
Hauptftädte Braumfchweig, Göttingen, Hannover, Einbed und Nord
mit Hildesheim ben alten Bundesvertrag am Sonntage nad
ätare |28. März] 1490 auf ſechs Jahre. In den Vertrag find
bie Mn Beitimmungen mit aufgenommen. Es ift bie Matrilel
eingeichaltet, nach welcher die Hülfsleiftungen abgemefjen werben
follen, und bat Braunfchweig danach die fernere Zuſ
wegen Fortſetzung des Vertrages zu beſtimmen.
Noch lebte zwar d. Wilhelm ber jüngere von Braunfchweig.
&r hatte zuerjt feinen Söhnen Heinrih dem ältern und Erich L
das Land zwifchen Deifter umd Leine abgetreten, 1491 erhielten fie
ben Braunfchweigichen und Calenbergichen Landestheil, in welchem
dem Bater nur noch einzelne Stücke vorbehalten blieben, der auf
das Göttingfche für fich behalten wollte. Indeß war längft ber
unrubige Heinrich der ältere ber Vorfechter und Treiber, der auch
feinen Bruder Erich I. von Braunfchweig-Galenberg bei beffen bäu-
figer Abwefenheit zu vertreten Vollmacht hatte.
In dem —5 — Heinrich dem ältern, Heinrich von Lüneburg
un P- Johann von Lauenburg 1491 errichteten Erbvertrage war
augle h ein Schutz⸗ und Trugbindniß enthalten. Ihre Unterthanen
und Vaſallen follten bei Berluft ihrer Lehen nicht in bie Dienfte
der Gegner treten. Dafern ein Vaſall oder Unterthan mit einem
der Herren in Streit gerathen würde, follte die Sache von befien
Näthen, und wenn biefe fie nicht ausgleichen könnten, von einem
Deannengerichte des anderen Lanbesherrn entjchieden werben. Die
Verblindeten wollen fich wechjelfeitig zur Wiedererlangung ber von
ihren Fürſtenthümern abgelommenen Städte, Schlöffer, Lande mb
Leute behülflich fein, und feiner von ihnen foll ohne des andern Herrn
Willen und Willen in eine Angelegenheit ſich einlaffen, bei ber bie
anderen Betbelligten entgegenftehende Intereſſen haben könnten.
Doß vor allem die Städte Braunfchweig und Lüneburg bes
zwungen werden — wenn man ungehindert ſchalten und walten
wollte, ſchien den welfiſchen Fürſten einleuchtend. Dies gebt aus
dem lange geheim gehaltenen, ſpäter erſt bekannt gewordenen 1492
zwifchen ben beiden Heinrichen von Braunſchweig und Luneburg ges
ſchloſſenen Vertrage hervor; er bezeugt aber auch die Rohheit bes
damaligen Verfahrens. Man verhieß ſich wechieifeitig, alles auf
bieten zu wollen, um die beiden Städte zu erobern. Die Herren
vertheilten im Voraus unter fich alles, wie es in dem Vertrage heißt:
„de wu den von Brunswid unde ben ören affteen roven ebber neh»
men mögen“. Sie beftimmten, wer von ihnen dieſes oder jenes Gut
der Stadt erhalten follte, und verhießen fich nochmals den krü
Beiltand,
4. Die NRüftungen von beiden Seiten waren außerordenilich
Die Herzoge verbündeten fid) mit dem Erzbiſchof von aRoghelre,
269
dem Bifchof von Osnabrück, dem Könige von Dänemark, dem Kurs
fürften von Sachen, dem Herzoge bon Sadhfen-Sauenburg, dem Land⸗
grafen Wilhelm von Helen, den Grafen von Mansfeld, Schaum
burg, roller, Wunftorf, Hobenftein, Shwarzburg, Spiegelberg,
Regenftein, Ricklingen und von der Lippe, neben zahlreichen Rittern
und Junkern. Daneben wurde die Mannfchaft folder Städte ein-
gefordert, bie nicht oder nicht mehr dem Bunde ber Safjenftädte an⸗
gehörten: Bodenwerder, Celle, Dannenberg, Eldagfen, Gifhorn, Hameln,
ine Lutter, Lüchau, Minden, Neuftadt, PBattenjen, Lamſpringe,
gen, Scheppenftedt, Falfersleben, Uelzen, Werningerode umd
Wittingen. Alles diefes um fi) Braunfchweigs zu bemüchtigen.
Die Stadt war aud auf den Kampf vorbereitet. Weder geiftliche
Pan noch anſäſſige Ritter trauten folchen. Unternehmnngen der
ürften, die, werm fie das Lebergewicht gewinnen konnten, Teine Ver⸗
träge und Privilegien anerkannten und den Schwächern, welches
Standes er fein mochte, nur niederzutreten fuchten, ohne zu berüd
fichtigen, welches die Folgen felbit im eigenen Intereſſe fein witrden.
Die Aufforderung der Herzoge an den Bifchof von Hildesheim, um
ihn zum Deitritte zu bewegen, war fruchtlos; er machte ſich im
Gegentheile 1492 vertragsmäßig verbinblih, feine freien Straßen,
jeine Lande, Städte und Dörfer den Bramfchweigern nicht zu ver«
ſchließen, ihnen vielmehr freien Kauf und Verkauf zu geftatten. Dazu
errichtete er 1492 mit den Städten Braunfchweig, Hildesheim, Göts
tingen, Hannover und Einbed ein Schutzbundniß; dem im folgenden
Jahre auh ein Bündnig der Stadt Braunſchweig mit dem Erz⸗
biichof von Magdeburg und dem Biſchof von Hildesheim folgte.
Die verblindeten Städte leijteten Zuzug. Befonders fühlten aber
jegt begliterte ablihe Familien der Nachbarſchaft, wie wichtig ihnen
eine mächtige freie Stadt fowohl in Beziehung auf Abſatz dahin
als wegen der Sicherheit eines foldhen Zufluchtorts war. Mit ihren
Sähnlein, zum Theil mehr als 10 Reiter enthaltend, waren in der
Stadt: von Bulsleve, zwei Gebrüder von Oberge, zwei Gebrlider
von Weige (Weihe), von Wullen, von Bortfeld, Sivert von Bults⸗
(me, von Manndorp, Roleff von Weyhe, von Nücdershufen, von
Wulve, Heinrih von Weyhe, von Sweden, von WWetberge, von
Openfen, von Bodenhufen, von Fyrmen, von Grafchafft, von der
orft, von bern, von Kenjtene, von Levenftedt, von Guernem, von
eyn, von Rybbesbüttel, von Uslar, von Wendt, von Tzerfe, zwei
von dem Gubdenberge. Sie, und wie aus den vorhandenen Quittun⸗
gen erhellt, viele andere erhielten Soldgeld zum Unterhalte ihrer
Mannſchaften und Pferde, ſicher aber dürfen ſie einem großen Theile
nach ſchon nicht mehr zu den Freibeutern gerechnet werden, die zu
Fehden des Soldes wegen ſich ſtellten
5. Die größte Gefahr traf die Stadt durch) ben von einem Ehr⸗
geizigen, Lüdeke — erregten Aufrur (1491). Noch hatte die
Mannſchaft zur Vertheidigung gegen die nahen Angriffe H. Heinrichs
fi nicht gefammelt, als, wie gewöhnlich, ein Menſch, dem ſein Ich
17*
260
tönne, und gab — e zur —& innerer Unruhen. Er rieth,
Zwieſpalt zwiſchen dem Magiſtrate und der Bürgerſchaft zu veran-
laffen, und *— den Glauben an die Macht und den Beiſtand ſeiner
Partei zu wecken. Zwar wurden manche ſeiner Rathſchläge, als der
Kampf begann, befolgt, fie bewährten fi) aber nicht. Die Stadt
brandmarkte ihn als feigen ehrgeizigen Verräther, verfolgte ihn mit
Spottgebichten in damals fehr beliebter Weife, und auch der Herzog
nahm fich feiner in der Folge nicht weiter an.
6. Die Gelegenheit, ben Streit mit der Stadt zu eröffnen,
gegeben. Der Herzog forderte die Huldigung; * indeß die
Berhältriffe der Stadt zu bem Landesherrn auf zahlreichen Verträgen
und Privilegien beruhten, fo waren diefe, wie früher immer gefchehen,
in einem Vertrage mit dem Fürſten zu umfchreiben. Es mußte,
ch dem Herkommen, der Huldebrief, in welchem die Rechte der
ht zu verzeichnen waren, entworfen werben, und erjt, wenn ber
Territorialherr diefe anerkannt und fein Anerfenntniß beglaubigt hatte,
erfolgte die feierliche Huldigung. Auf diefe vorgängigen Zufagen
wollte der Herzog ſich nicht einlaffen. Er beftritt vielmehr der Stadt
den rechtli fit ihrer Landgüter und aller ber Rechte, bie fe
von feinen Vorfahren erworben hätte. Er hatte nur die Wi
herrſchaft vor Augen, die ſich berechtigt glaubt, ſelbſt alles das a
brecden, was in Grundverträgen zwifchen Fürſten und Staatdange
hörigen vereinbart worden. Der in ber bezeichneten Richtung be
queme, oft in der Folge noch gemißbrauchte Grundſatz läßt den Staat
als ein dauerndes, zwei actoren, Regenten und Staatsangehörige,
enthaltendes Inſtiin nicht zu. Er ſchreitet über alle Grundbedingun⸗
gen des Staatslebens hinweg, und ſeine Anerkennung war in einer
Zeit wie die H. Heinrichs doppelt gefährlich, in welcher man, um
zu ernten, ben Bauer mit ben Früchten niederhieb.
Der Herzog erflärte ausdrüdlich, daß er die Handlungen feiner
Vorgänger im Negimente nicht anerfennen wolle. Es fam zwar eine
gütliche Ausgleihung in Vorſchlag, die Stadt aber lehnte die Ver⸗
mittelung des Kurfürften von Brandenburg, des Erzbiſchofs von
Magdeburg und der füchfifchen Herzoge, weil jie in diefen Partei
männern feine gerechte Vermittler finden konnte, ab; aber auch bie
Berufung Brannſchweigs auf den Biſchof von ilbesheim und bie
Bundesftädte wurde zurückgewieſen, und ein Waffenftillitand bis zum
28. Juli 1492 war das alleinige Refultat der Verhandlungen.
Der Herzog fandte Botfchaft an feine Bundesgenoſſen und alle
262
8. Bon entfchiebenem Einfluß war jetzt die Zuziehung af
Univerfitäten gebilbeter Rechtögelehrter zu öffentlichen Verhandlungen.
Wurden bie Fürften auch noch meiſtens durch Geiftliche und Hoflente
geleitet, fo Hatten doch die Städte fchon die anerfannteften Gelehrten
in ihre Dienfte gezogen; bie ftäbtifchen Synbilen waren es, denen mm
fih, wern aud, wie fpätere Fülle beweifen, als zu Hartnädigen
Widerſachern umngebilbeter fürftficher Näthe, vorzugsweiſe vertraute.
Ehriftoph Enzener, Ritter und Doctor der Rechte, war Kanzler in
Friesland, und trat 1494 ganz in den Dienft der Stadt Braunfchieig,
und, was damals ungewöhnlich war, für einen Zeitraum von zwanzig
Jahren. Er war es, der die Verträge, bei welchen Braunfchmweig
und andere Städte betheiligt waren, damals vermittelte: zu Zerbſft,
mit dem DBifchofe von Hildesheim und andern. Zwar hatte Bram:
ſchweig auch geitbte Kriegshauptleute im Dienfte, wie 3. B. 149%
Andreas von Wartensleben, allein bei allen Streitigleiten mit ben
Fürften ging das Beſtreben nur dahin, den Handel zu ftgen und
bie Handelsftragen offen zu erhalten, dies war die Politik Cuzeners
und anderer Syndiken. War diefer Zwed wenn auch mit großen
Geldopfern erreicht, fo hatte man einen glnftigen Vertrag gemadit,
denn dann fehlte e8 nicht an den Mitteln, die weitere VBortheile und
Zuftände erfaufen Liegen, bie mit gewaffneter Hand nur ımter nod
größeren Opfern erhalten werden mußten. Die Summen, zu melden
die Yundesftäbte ſich verpflichteten, wenn einer der Städte Hilfe er-
forberlich war, wurden immer bedeutender; da im äußerften Falle
Söälöner in großer Zahl herbeiftrömten, und es dann nur baranf an-
kam, den Sold zu befchaffen.
Dagegen war den Fürften nichts fchädlicher als die Fehden mit
ben Städten. Diefe durften auf eine den Handel beglinftigende Ge
meindeverfaſſung nicht rechnen, wenn fie ältigt wurden, und
cherten ſich Hinter ihren mehr und mehr befeftigten Wälfen und
anern, während jede Fehde wechjeljeitiges Sengen und Brennen,
mm grumdherrlichen Abg
und Beden zogen. So kam es, daß die befchwerlichiten Hündel end-
lich mit Geldopfern Teicht ausgeglichen und die Parteien damit ge-
fprengt wurden. ’
9. In Oberbeutfchland waren die öffentlichen Verhältniſſe nicht
weniger verworren als tn den niederen Regionen. Seit 1 bie
Burgundiſche Marie geftorben war, wurde es Politik Ludwigs XI.
mehr noch Burgund von Defterreich getrennt zu ſehen. Zu ben mit
Sranfreich darüber entitandenen Hündeln kam der Einfall der Türken
1479 umb der erneuerte Krieg mit Ungarn 1480, in welchem K. Matthias
ganz Oefterreich mit Ausnahme nur von Wienerifch-Neuftadt eroberte
und der Kaifer aus feinem Staate vertrieben wurde. Friedrich fah
ſich dadurch und durch den kundigen Grafen Hug von Werbenberg
zur Thätigkeit auch in dem Verfaſſungswerke aufgeregt. Er fette
1486 die Wahl feines Sohnes Maximilian zum röomiſchen Könige durch.
264
mb ein Kammergericht fogleich begründen zu wollen verhieß. Ti
zweitägige angeftrengte Arbeit bes thätigen Kaiſers führte zu den
Entwurfe, welcher am 7. Auguft 1495 veröffentlicht und bei be
Beſchluſſen zum Grunde gelegt worden.
Das Fehderecht wird danach unbedingt aufgehoben und ei
ewiger Landfrieden georbuet, ber bei Strafe der Reichsacht um
2000 Marl Goldes nicht geitört werben fol. Zugleich wurde da
lange erfehnte Reichögericht, das Kammergericht, eingefet und ben
felben die Befugniß beigelegt, die Reichsacht zu erfennen. Da
Kammergericht war dennoch erft an verfchiedenen Orten, folgte Mar
milian fogar in die Niederlande, und erſt 1527 wurde e8 in Speit
firirt, von welchem Orte e8 in den Kriegen mit Zudwig XIV. 169
mehr in das Innere des Reiche nad) Weblar verlegt worden. Da
Kammergericht follte in einer beftimmten Stadt immer verfanme
fein, aus einem Richter, der ein Fürft, Graf oder Freiherr fei
mußte, und aus fechzehn Urtheilern, zur einen Hälfte Rechtsgelehrte
zur andern wenigftens aus der Nitterfchaft Geborenen, beitehen un
von dem Kaifer und den Reichsſtänden befegt werden. Bor biefen
Kammergerichte follte wegen Rechtsverlegung nur gegen Reichsunmi
telbare, gegen andere aber vor den gewöhnlichen Berichten gekla—
werben, mit dem Vorbehalte jedoch, daß Kınfürften, Fürſten un
fürftenmäßige, wenn fie mit einander über Entfcheidung durch Ant
träge fi) vertragen haben würben, dieſe benuten, wenn aber eir
ſolche Uebereinkunft nicht getroffen jei, andere regierende Herren ihre
Standes oder deren Räthe als Austräge eintreten laſſen fürmte
Prälaten, Herren, Ritter oder Knechte und Städte follten ſich dab
begnügen, wenn die Kurfürften, Fürſten zc. auf Mittheilung de
Klage binnen Monatfrift ſich bereit erflärten, vor ihren Räthe
Recht nehmen zu wollen. Bon folchen Austrägen folle nur an da
Kammergericht appellict werden können. Eine jährliche Verſanmlun
fol über Erhaltung des Landfriedens und die Erfenntniffe des Kan
mergerichts wachen, die erforberliche thatſächliche Hülfsleiftung abı
fol in einer jährlichen Berſammlung des Kaifers und ber Reich
ftände befchloffen werben.
Im Jahre 1500 wurde der Beſchluß gefaßt, die Gewalt bi
zur Erhaltung des Landfriedens, der Ueberwachung der Erfenntnif
des Kammergerichts und der Ausſchüſſe vereinbarten Verfammlum
einem zu Nürnberg verfanmelten Reichsregimente zu übertragen, ba
unter dem Kaiſer oder einem Statthalter beffelben aus perfünli:
anwefenden Reicheftänden und zwanzig Abgeordneten folcher Stänt
aller Klaſſen beftehen follte.
Es kam bie Eintheilung des Reiche, wie fie K. Albrecht I
beabfichtigte, in fechs Kreife, mit Ausfchluß der burgundifchen Land
wieder in Anwendung, und dem wieder ind Stocken gerathenen Reid
gerichte Tam man mit einem Anfchlage auf 10000 Zhlr. zu Hilf
wies demfelben auch Nürnberg zum Site an.
Nahdem Maximilian, der ungern feine Macht fi) Hatte Bi
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fhränfen Taffen, bisher aber immer noch von äußeren Feinden
bedrängt war, ſich in freieren Verhältniffen ſah, fing er an, den erb⸗
(ändifchen Hofrath in Oeſterreich mit dem fogenannten inmerlichen
fatferlichen Rathe zu verbinden, aus welcher Verbindung der nach⸗
malige Reichshofrath hervorging.
Die Befoldung der Reichskammerrichter war immer noch nicht
feft geordnet; 1507 wurde daher zur einjtweiligen Beſoldung ber
fogenannte Heine Reichsanſchlag entworfen, woraus die Kammer
gerichtsmatrikel entitand; auch wurden jährliche Bifitationen des Ges
richts befchloffen.
Der Reichstag zu Cöln ergab endlih 1512 zur Stütze bes
Landfriedens ımd des Reichsgerichts eine feitere Reichserecutionsorbs
nung, und ftatt der früheren fech& wurde das Reich nun in zehn Land⸗
friedenstreife abgetheilt, jeder der Kreife aber unter einen Kriege:
oberften geitellt, dem man Räthe heigab. Diefe Kreisbehörde hatte
den Landfrieden und die gleichförmige Vollſtreckung der Reichsſchlüſſe
zu überwachen.
11. Dem SKreife Niederfacdyfen wurde der größte Theil der
Lande zwiichen Wefer und Elbe einverleibt. Er beftand aus heilen,
welche meiſtens dem alten Oftfachfen angehört Hatten, auch dem zu
Deutichland angehörigen überelbiſchen. ‘Die Kreiseintheilung war nicht
ohne Beachtung der Berfchiedenheit deutfcher Stämme beiwertitelligt.
Riederfachjen enthielt die welfifchen, mecklenburgſchen, holfteinfchen und
fachfenlauenburgfchen Lande, die Erzbisthiimer Bremen und Magdeburg,
die Hochftifter Lübeck, Hildesheim, Schwerin, Ratzeburg und Hafberftadt,
die in ber Folge ſeculariſirt worden, dann die Reichsftüdte Lübeck, Goslar,
Mühlhauſen und Noröhaufen, aud) Hamburg und Bremen, denen
jedoch die Reichsunmittelbarkeit fpäter noch harte Kümpfe veranlafte.
Wie in allen Kreifen der Kreishauptmann oder Oberft von ben
Ständen des Kreifes gewählt werden jollte, fo mußte es auch in
Niederfachfen fo gehalten werden; doch kam fpäter (1522) das Amt
der Treisausjchreibenden Fürſten hinzu, welches der jedesmalige regie-
rende Senior des Braunſchweig⸗Lüneburgſchen Haufes umd, von einem
Kreistage zum andern abwechſelnd, die Erzbifchöfe von Magdeburg
und Bremen zu verjehen hatten.
In Niederfachien ließ zwar bie neue Kreiseintheilung nicht bie
Vermwirrungen nach, welche in den oberen Kreifen und am Rheine
die Folge waren, wovon Häberlin im Handbuche des deutfchen Staats»
rechts bemerkt: „Es ift ſchlimm, wenn etwas geſchehen foll, wobei
das Oberhaupt felbjt Vortheil davon hat, wenn es nicht gefchieht“;
allein es fehlte auch dort an Widerfachern der neuen Ordmung nicht.
Eine Verfaſſung, die nicht allen freien Reichsgenoſſen, Bürgern wie
Landbebauern, die Gelegenheit verlieh, ihre Bedürfniſſe und die Drang»
fale, an welchen fie litten, durch Abgeordnete zu den Reichsétagen
herauszuftellen, mußte Städten wie Rittern bedenklich erfcheinen.
Unbedeutende Städte genoffen in Beziehung auf zufällige Verhältniſſe
den Vorzug der Unmittelbarfeit vor viel reicheren und blühenberen
Handeleftäbten, und ebenfo wurden ohne zutreffende Motive Witter-
vereine vor andern, oft bedeutenderen Grundbefigern und Prälaten
begünftigt, die nur Zufälligleiten in der geſchützteren Lage erhielt.
Die fo wichtige Vertretung nad) den weſentlichſten Standesintereſſen
war verfehlt, die aber, welche unter Entfagung der Waffen un
Einigimgen fi) für landſäſſig anfehen follten, famen in eine um fo
bedeuflichere Lage, als fie den neugeordneten Gerichten bei dem den
Fürſten eingeräumten Cinflujfe nicht trauen zu können glaubten.
Daß bie anertannten Reichsſtädte eben fo egoiftifch als andere Reiche
ftände nur ihre Eonderinterefjen verfolgen und nichts weniger als
DBertreter und Förderer des Handels und der Gewerbe fein würden,
konnte nicht zweifelhaft erfcheinen: das allgemeine und nachhaltige
Urtheil wurde daher: Traue dem Landfrieden nicht.
Die Bolitif größerer Handelsftädte führte num dahin, alles auf
zubieten, um entweder die NReichsunmittelbarfeit noch zu ermirten,
oder ſich Doch thunlichit gegen den Zerritorialherrn ferner abzufchließen.
Die Gutsherren, welche unter der alten Benennung „Ritterfchaft‘
auf Landtagen zufammen ftanden, fuchten wenigitens Corporationen
zu bilden und gemeinfam Sonderintereffen durchzuführen. Wie die
Reichsſtände nicht als Neichövertreter, als Vertreter des wefentlichjten
Theils des Neiche, des Volks, angefehen werden konnten, jo waren
dies in Beziehung auf Territorien auch nicht die Landjtände. Sie
vertraten fich felbit, und es wurde ihnen die Erreichung ihrer Zwecke
dadurch erleichtert, daß fie, fo lange es vorzüglich nur auf Gaben
und Leiſtungen zu willtührlichen Zweden ankam, nur den Finger auf
die viel größere Maſſe der neben ihnen ftehenden nicht vertretenen
Territorialgenoſſen zu richten hatten.
12. In Niederfachien dauerten Selbithülfe, Befehdungen und
beides betreffende öffentliche Verhandlungen noch lange fort. Von
Gevettern von Beltheim wurden 1495 zwei DBürgermeifter der Stadt
Braunſchweig auf offener befriedeter Landſtraße aufgegriffen, nad
Pommern geichleppt und nur gegen ein beträchtliches Löfegeld wieder
freigegeben, weil Braunfchiweiger den von Veltheimfchen Knecht Hans
von Berge erfchlagen haben follten. ‘Die Fehde dauerte nod) 1497 fort,
fie wurde unter Zuftimmung und dem Berfprechen der Hülfsleiftung
H. Heinrichs von Lüneburg fortgeiegt. Die Hamburger Straße war
inzwifchen unficher und auch der oben (8) erwähnte Syndikus Cuzener
wurde von den von Beltheim abgefangen und erjt nach Entrichtung
eines Löfegeldes von 416, Goldgulden wieder freigegeben. Waren
auch feit der Errichtung des Landfriedens und Einfegung des Reichs⸗
fammergerihts 1506 ſchon elf Jahre verflojfen, fo wurden doch die
Gewaltthaten der Vettern Othrave und Cord von Veltheim in dem
Yahre noch in alter Weife verfolgt. H. Heinrich von Lüneburg war
von den Braunfchweigern wegen feiner Betheiligung in Anfpruch ge
nommen, und die Städte Magdeburg, Lüneburg, Hildesheim, Göt-
fingen, Hannover und Einbed vermittelten 3506 den Vergleich, nad)
welchem der Herzog fich verbindlich machte, innerhalb fünf Jahren
'367
lährfich 1000 Gulden zu zahlen, fir, welche Schuld die Käthe bes
Sürften fi) unter der Zuficherung verblirgen mußten, im Falle nicht
geleifteter Zahlung in Braunfchweig Einlager halten zu wollen.
Wie unwirkſam die neue Reichsverfaſſung noch war, geigte fich
m allen Enden Niederſachſens. Die vom Kaifer genehmigte Anlage
eines neuen Zollhaufes vor Wehnde war den Göttingern zuwider.
ie verbrannten 1503 das Gebäude, auch wurde zwar die Acht
gegen die Stadt verhängt, allein beffen ungeachtet die Angelegenheit
it 1512 unter Vermittelung der Städte dahin gefchlichtet;, daß bie
Zollerhebung zu Wehnde nicht ftattfinden ſolle.
Städte ſuchten ſich ferner mit Umgehung ihres Territorialherrn
fremde Schueherren, und Fürſten boten fich dazu dar. Für ein
Schußgeld von 200 FI. jährlih übernahm & Heinrich der ältere
ven Schub der Stabt Magdeburg auf zehn Jahre, und der dariiber
1498 gefchloffene Vertrag wurde 1506 bis in das Jahr 1523 ver-
ängert. Einen ähnlichen Vertrag errichtete der Herzog auf fünf Jahre
mit der Stadt Bremen gegen ein jührliches Schußgeld von 100 Fl.,
während er fchon begonnen hatte, das ihm entfernte Stadt- und
Budjadinger Land für den Erzbifhof von Bremen angeblich zu be
drängen. Es wurde bis 1513 und 1514 erobert, allein unter bie
Derzoge von Braunfchweig und Lüneburg vertheilt, die zu verfchiede-
en Zeiten den Grafen von Oldenburg damit beliehen.
Ebenfo beweifet das Verfahren bes Herzogs gegen bie Grafen
son Hoya, bie er aus ihrem Lande vertrieb, wie gegen die Friefen,
yeren Herr auch gezwungen wurbe feine Lande zu verlaffen, wie
Selbfthülfe noch an ber Tagesordnung war umb eaifertiche wie reichs⸗
jerichtliche Einmiſchung noch unbeachtet blieb.
13. Die Saffenjtäbte, welche ſich leicht überzeugten, daß fie
von ben neuen Reichsfagungen verbefferte öffentliche Zuftände lange
noch nicht zu hoffen hätten, die fich fortwährend noch von Wege⸗
lagerern und beuteluftigen zufammengerafften Heerhaufen umfchwärmt
jahen, ergriffen zwar jedes Weittel, von weldem fie wenn auch nur
inftweiligen Schuß hoffen durften, das eingreifendfte aber blieb ihnen
der Selbſtſchutz und die Fortfegung der Verbindung mit befreundeten
in gleicher Tage befindlichen Städten.
Gleich nad) dem Bundesvertrage vom Jahre 1490 trat für
ie im Bunde verbliebenen Städte eine drangfalvolle Zeit ein, in
welcher fie zu augenbliclichen Hülfsleiftungen unter fih und mit ben
in ihr „intereffe zu ziehenden Fürften Sonderverträge fchloffen. Ein
ſolcher kam auch 1500 zwifchen ben Städten Braumfchweig, Magde⸗
surg und Hildesheim zu Stande, nad) welchem fie für ben Fall einer
—— — ſich wechſelſeitig, die erſteren beiden jede 200, Hildesheim
Mann zu ſtellen verhießen. Das Wichtigſte aber war bie
— vereinbarte Geldhülfe, da, wie bemerkt worden, bei der ſeit
Yahrhunderten andauernden Bermwilderung Kriegstuechte überall zu
haben waren, wenn man nur zahlen konnte. Magdeburg und Braun⸗
ſchweig erklärten ſich jede Stadt zu einem Hilfsgelde von 12000
268
rhein. Gulden und Hildesheim zu 8000 rhein. Gulden bereit, wen
eine der Städte angegriffen werden follte.
— zwiſchen ben Saſſenſtüdten Magdeburg, Braumfchweig,
heim, Göttingen ru Einbeck am Mittwochen nad) (?) Antoni
24. Januar] 1504 auf zehn Jahre erneuerte Bundesvertrag ver
mehrte noch die fir den Nothfall zu leiftende Hülfe. Sie wurde
unter den in früheren Berträgen wiederholt feftgeftellten ausführlichen
Bedingungen von Magdeburg mit 200, Braunfchweig 200, Hildesheim
134, Göttingen 134 und Einbeck 100 Mann zugelagt, das Wid-
tigere aber war auch nad biefer Uebereinkunft die Geldhülfe. Der
bedrängten Stadt ift überlaffen, ftatt der Mannſchaft Geld — 2 rhein.
Gulden monatlich fir jeden Mann — zu fordern, daneben aber haben
an Hülfsgeldern übrigens zu entrichten: Magdeburg 9000, Bram-
ſchweig 9000, Hildesheim 6000, Göttingen 6000, Einbeck 4500 Bulben.
Auch Hannover trat 1508 dem Bertrage wieder bei, mit ber
Berpflichtung, 83 Mann und 3750 Gulden an Lohnungsgelbern zu⸗
Das Verhältniß des Bundes ber Saffenitäbte zur Hanſe
blieb feit 1426 fi glei. Beide Bünde betanden als getrennte
Stüdtegruppen_ fort, die, wenn bringendere Veranlaffung ſich fand,
als getrennte Körper mit einander in Verträge traten und fich wech⸗
f fe teitige Hüffe zufagten, wenn auch mehrere größere jaffiiche Han
delsſtädte beiden Blinden und ſchon von älteren Zeiten ber der Hanfe
angehörten. Beide hatten wichtige Intereſſen mit einander gemein,
die Saffenftäbte, daß ihnen durch die Hanſe Auefuhriege un Ca
und Großhandel offen erhalten, die Seeftädte, daß die Straßen,
welche in das innere Deutſchlands führten, zur Anfuhr bon Pros
ducten und zu Rückfrachten nicht gefperrt, fondern von den Binnen
ra gefhügt würden. Jeder der Binde hatte feine ihm eigen-
ümlichen Widerfadher: die Seeftädte beſonders überfeeifche Staaten
und Seeräuber, die Saffenftädte Territorialherren, welche Vernich⸗
tung droheten, Raubritter und Schnapphähne. Als letztere anfingen,
* ben Seeſtädten gefährlich zu werden, einigten ſich beide Bunde
zu gemeinfamen Maßregeln und zu einer Matrikel, nach welcher
Hülfe gegen Landräuber gewährt werden follte, wie 1450 (II, 4);
allein die Süuberung des Birmenlandes blieb ferner Aufgabe ber
Saffenftädte und Gegenſtand ihrer abgefonderten Berathungen umd
Bundesverträge.
Die meilten der dem Bunde der Saffenftädte angehörigen, zum
Theil geringeren und nur als Stationsorte fir ben Handel bes
achtenswerthen Städte wurden in den hanfefchen Receſſen feit 1426
genannt und als Hanfegenofjen in den Verzeichniffen fortgeführt.
Allein die, welche dem Bunde ber Safjenftädte nad) und nach ent-
zogen worben, blieben auch nicht weiter Sanfegenoffen, wenn fie
nicht etwa als einflußreichere Handelsjtädte ſchon vor 1426 auch der
Hanfe angehört hatten. Die Verhältniffe, welche das Ausfcheiden
mehrerer Städte aus dem ſaſſiſchen Bunde veranlaßt hatten, wurden
in Lubeck zum Shell wol nicht einmal befammt, und daher kam es, daß
hier mande Stübte noch lange fir Hanſeſtädte angefehen wurben,
die es längft nicht mehr waren.
15. Wie im Innern bes Reichs gegen bas Ende bes 15. Jahr⸗
hunderts ein Uebergewicht der Fürſten über die verbiindeten und felb-
jtändigern Städte fich geltend zu machen fuchte, fo wurde auch der
e der Handelskreis nach außen bin mehr und mehr befchräntt.
dem Dieere ging es wie bei ven Fchden auf bem Lande. Waren
rohe Haufen eingefchifft, jo unterfchieden fie, wie die Banden, bie
mit den ftübtifchen Kriegsfnechten zu Lande ausgezogen, nicht Freumde
von Feinden. So nahm 1452 ein gegen englifche Schiffe ausgerüfte-
tes Geſchwader felbft Hamburger und Danziger Schiffe und gab die
geraubten Gegenftände nur fiir Löfegeld wieder heraus.
Die Privilegien der Hanfe in ben Niederlanden, England,
Dänemarl, Norwegen, Schweden, Preußen und Rußland waren jchon
den Beeinträchtigungen ber betheiligten Nationen ausgeſetzt, deren
Handelsftand die ihm befannt gewordenen Handelswege für ſich aus⸗
zubeuten fuchte. Seeräubereien nahmen feit der Mitte des 15. Jahr⸗
hundert in furdhtbarer Weife zu, fo daß Flotten unterhalten werden
mußten, um den Kaufleuten durch ein ftarfes Geleit Sicherheit zu
gewähren. Die darauf auf Deputationen und Opfer zur Erhaltung
der Privilegien verwandten Koften wurden unverhältnigmäßiger und
die Parteinahme verwidelter, zu welcher die Betheiligung der ver-
fchiedenen Nationen am Großhandel führte. Der ruffiiche Großfürft
ließ 1494 bie in Nowgorod anmejenden Kaufleute drei Jahre im
Gefängniſſe ſchmachten, weil die Hanfe den Schweden Unterftüßung
gewährt hatte. Die Unglüclichen famen auf der Rüdreife in einem
Sturme um. 1498 forderte 8. Johann von Dänemark Hülfe zur
Unterjodung ber Ditmarjen, dagegen ımterfagte 8. Morimilian I.
1500 allen Deutfchen, an irgend einem Kriege gegen das Völkchen
Theil zu nehmen, und fo gerieth die Hanfe aus einer DVerlegenheit
in die andere. :Derfelbe Johann forderte 1502, daß die Seeftädte
des Handels nad) Schweden, das der Union fich entzogen hatte, ſich
enthalten follten. Die Städte fügten fi) zwar nicht, rüfteten viel»
mehr fünf Schiffe zur Unterftügung ihres Handels aus, auch wurde
dann von dem mit Ablaßkram im nördlichen Deutfchland beichäftig-
ten und auf ben Wunjch des Königs vom Papfte dazu ermädhtigten
Cardinal Raimund ein Friedensvertrag vermittelt; der Köntg hielt
ihn aber nicht, gab die geraubten Güter nicht zurüd, erfegte feine
Schäden, wozu er ſich mit vielen Bürgen verpflichtet hatte. 1505
forderte er abermals Einftellung des Handels nad Schweden, umd
fam es wieberum zu einem Dergleiche, den jedoch der König, ber
Lübecker Güter und Schiffe genommen hatte, unerfüllt ließ, wie feine
frühere Zufage. Die äußerſte Erbitterung der Seeftädte führte diefe
der ſchwediſchen Partei zu; in dem baranf folgenden Kriege wurde
mit abwechjelndem Glücke gefochten, bis endlich 1512 ein dauernderer
Frieden vermittelt worden.
270
Die Koften und Folgen folder Seckriege trafen ummittelber
mr bie zunächft dabei betheiligten Städte, wie Xübe, Hamburg,
Bremen, Wismar, Rofiod, Limeburg, während die Saſſenftädte bie
Koften ihrer Landiriege trugen. Der Hanfebund war zu ausgedehnt
und locker, als daß die Kräfte an Einem PBuncte hätten ini
werden lönnen; entierntere Städte hatten oft, namentlich in den
Seekriegen, ganz entgegenitehende Intereſſen. Doch bot der weitere
Verband für alle Theilnehmer das wictigite Dlittel, im alle der
Wiberfeglichteit gegen ftäbtijche Obrigteit, empfindlich zu_züchtigen
dadurch, daß der Aufwiegler in jo zahlreichen Städten verfolgt und
von ber Gelegenheit ausgefchlojfen wurde, hier fein Gewerbe zu be
treiben. Welchen Werth man in ber bezeidneten Hinſicht auf bie
Betheiligung bei den Bunde legte, beweifet das Bemlihen der 1470
wegen verweigerter Zheilnahme an den in Lübed gegen England
vereinbarten Maßregeln ausgeſtoßenen Gölner, die erft 1475 ihre
Wiederaufnahme betwirken konnten, ımd zwar unter Vermittelung des
Kaifers und anderer.
Anhang.
Innere Berhältniffe.
Die Gefchichte der Bündniffe fächfifher Städte in dem mittleren
Jahrhunderten würde, wie die zahlreicher Hleinerer deutfcher Staaten,
die nicht viel mehr als die Erinnerung an Ranfereien und Bedrüdun
gen bietet, geringen Werth haben, wenn nicht mit Sorgfalt hervor⸗
gehoben würde, um was es bei den Bündnifjen ſich handelte.
Während die deutfchen Territorien fich noch keineswegs zu Star
ten im rechtlichen Sinne des Worts empor gehoben hatten, während
Grundherrlichkeit vorherrfchend blieb und alles, was berfelben nidt
mit Kraft und Gewalt entzogen werden konnte, wie Eigenthum und
nad befchränften Grundjägen des Privatrechts beurtheilt wurde,
boten die Städte, welche jelbjtändig fich entwideln konnten, ben
ermitorialherten dag Beijpiel zur Begründung eines geregelten Stant#
gebäudes,
Schuß des Handels und der Gewerbe gaben den Antrieb zu
großer SKraftentwidelung; mit Beſonnenheit und dem großen Zwecke
gemäß wurden aber auch alle Zweige ber Verwaltung fo geordnet,
daß fie den CErfordernifjen eines in fich abgefchlofjenen, widerſtands⸗
fähigen Staats entfprachen und fchligen und vermitteln konnten.
Während die Fürften von der mit Gütern erfauften Lehnsmann⸗
Ihaft mehr und mehr verlafjen wurden und eine ganz veränderte
Kriegsweiſe diefe ganz unzulänglich machte, benugten die Städte fofort
jede neue Erfindung auch im Kriegswefen, verbanden mit einer Stabt
\
ben Söldner i
wehr für Nothfall und ſorgten für Sriegebebärfnifie
‚Die Rechtspflege in den Städten wurde früh an geſetzliche Vor⸗
Schriften geknüpft und fo geordnet, daß fie den bei fteigendem Han⸗
delsverkehr und größerer Verwickelung der Rechteſtreitigkeiten fehr
veränderten Bedürfniſſen entſprach, während übrigens im Territorium
die Befugniß zu richten und Urtheil zu finden als Gegenſtand des
dels und der Vergleichung und als Anhängjel des umfaſſenderen
dbefiges behandelt wurde.
Den frühen Mittelalter gehören in den Städten bie einfluß-
reichten Policeianftalten an, während man in den Zerritorien an ein
Zufammenwirten zu policeilichen Zwecken noch nicht dachte.
Was die Territorialherren neben ihren grundherrlichen Gefällen
zu perfönlichen — nicht Staatsbebürfniffen — bewilligt erhielten,
hatte nach dem vorherrfchenden grumdherrliden Syiteme bie Natur
erhöhter :Dominialgefälle, dagegen wurden in den Städten wirkliche,
zur Ordnung und Erhaltung des Gemeinwefens beſtimmte Steuern
von Anbeginn eines Stadtregiments an gehoben.
Der Reichthum, zu welchem die Städte durch Handel und Ges
werbe, die in der Verfaſſung eine feitere Stütze hatten, fich hoben,
verlieh ihmen die Mittel, theils fördernde Hanbelseinrichtimgen und
Anlagen im Innern der Städte zu treffen, theils den Aufwand zu
beftreiten, welchen die Sicherftellung der Handelsſtraßen erforderlich
machte, beionders aber alle die Nechte und Befugnifje abzulaufen,
mittelft welcher der Verkehr geitört werden Tonnte.
Schwades Regiment, Vernachläſſigung wichtiger Volksintereſſen
und eigennügiges, denfelben entgegengefetes Widerſtreben haben jeder
Zeit Einigungen zur Bewältigung der Schwächen und Bosheiten
hervorgerufen. Die Städtebindnijfe waren eine nothiwendige Folge
der Zerriffenheit des Ddeutfchen Reichs und der Unkunde bdeutfcher
Macıthaber, die, was Noth that, nicht zu fallen vermochten und aus
den erbeuteten Trümmern des Reichsſtaats Teine Einzelſtaaten zu
ihaffen verftanden.
Die Städte bilden in jenen wilden bunfeln Zeiten den Slanz-
punct befonder8 in Beziehung auf Zwedmäßigleit ihrer Verfaſſung
mb Politik. Die größeren felbjtändigen Städte ftanden in allen
ihren Ginrichtungen mit einander in Webereinftimmung. Hier Tann
ih zwar nur nad Urkunden des Archivs der Etadt Braunfchweig
Ipeciellere Nachweiſungen geben, fie aber zeigen auf ſolche Ueberein⸗
fimmung hin, und prüfe man nur, was andere ftädtijche Archive er⸗
geben, um meine Behauptung bejtätigt zu finden!.
* *
*
* Hier bricht das Fragment unvollendet ab. Ich laſſe einen Theil des
zweiten Abſchnitts aus dem erjten Buche folgen, der ven den Zuftinden ber
Suchfiſchen Städte im 13. und Anfang bes 14. Jahrhunderts Fe
. 212
Die reicheren ftädte hatten fchon im 14ten Jahrhundert
eine feite tief eingreifende Militärordnung, nach welchem in der Stadt
Braunfchweig Kriegshülfe geleiftet werden mußte. Jeder Bürger
und waffenfähige Einwohner war zum Kriegsdienfte verpflichtet, md
dapon wurde auch bei denen Feine Ausnahme gemacht, die fonft ihres
Amts wegen von öffentlichen Laſten befreiet waren. Auf den erften
Ruf mußten fi) die Diannfchaften auf ihren Marktplätzen mit ber
porgefchriebenen Ruſtung jtellen. Sie zogen mit ihrem Banner, an
geführt von einem der Natheherren, der, fobald der Zug bie Thore
hinter fi) hatte, das Kriegsgeſetz handhaben durfte, aus, nachdem
gleichzeitig mit Aufftellung der Mannfchaft alle den Bürgern an
gehörigen verfügbaren Wagen mit Gejpann und alle Reitpferbe vor-
geführt waren. Die Stadt hatte einen Stamm von Neifigen und
Hauptleuten, und wenn Kriegshülfe erforderlich wurde, vermehrte
man die Mannſchaft, bejonders die Neiterei durch Aufruf nad) außen
hin. Es ftellten ſich Ritter- und Reiterfähnlein, gewöhnlich aus
einem Anführer und 3 Dann beftehend; fie fchloffen fi den t⸗
leuten an, auch waren die Bedingungen, unter welchen dieſe mit
Lanzen dienenden Reiter eintraten und für Verluſte an Pferden Ber:
gütung fordern konnten, ftatuarifch feftgeftellt.. In der Mitte des
14. Yahrhunderts ſchon vertaufchte die Stadt ihr altes großes, zum
Sturme auf Veſten eingerichtete und damals verzeichnetes Krieg
- geräth mit Feuerfchlünden, auch unterfchied ſich bald der zu Pferde
dienende Lanzenknecht dadurch von dem zu Fuße dienenden Schilten,
daß diefer mit Handbüchſen verfehen wurde, die in der erften Hälfte
bes 15. Jahrhunderts Schon in Braunfchweig ſelbſt angefertigt wurden.
Die Städte, die in allen ihren Einrichtungen Webereinftimmung
erftrebten und fchnell ergriffen, was ſich mit Vortheil nachahmen lieh,
erlangten durch ihr ftantsgemäßeres Kriegsfyftem das, was die Fürften
in ihrer Weiſe und durch eigenes Verfchulden nicht erreichen konnten.
Die fo gerüfteten Städte ftiegen nicht nur in ihrem Werthe ald
DBundesgenofjen, fie ſchwangen ſich zugleich zu einer Selbftändigkeit
empor, deren fie je mehr die Verwirrung zunahm je mehr bedurften.
8. Die Kriegseinrichtungen gaben der Selbftändigkeit der Stadt
den Anhaltspunct, und diejer mußte gewonnen werben, ba er im
Staate in einem die welfifchen Lande umfajfenden geordneten Ger
meindewefen nicht gefunden wurde,
Die Rechte des Iandesherrlichen Vogts innerhalb der Stadt
waren jchon nad den älteften Etadtgefegen befchräntt, mehr noch
geihah 1296, in welchem Jahre die in dem Vertrage vereinbarten
Beſchränkungen dem richterlichen Amte allen fisfalifchen Werth nahmen
und danad) die dauernde Erwerbung der Advocatie, an welche damals
jo manche tief eingreifende Befugnijje geknüpft worden, erleichterte.
Sfeichzeitig ſuchten andere Sajjenjtädte fi) in den Beſitz der Vogtei
zu jegen und ihre Bürger von allen den Anforderungen zu befreien,
die damit verbunden waren.
Es war die von den Städten allgemein befolgte Politik, feine
273
Art von richterliher Gewalt innerhalb ihrer Mauern von anderen
zar Anwendung bringen zu laſſen. Für ben all, daß erhebliche
Streitigkeiten zwifchen den Bürgern entftehen würden — nicht Streit-
fachen ber Einzelnen, bei welchen der Vogt mit feinen Schöffen Ur⸗
tbeil finden mußte — war in Braunſchweig ein Friedensgericht ge»
orbnet, das jeit dem Anfange des 14. Jahrhunderts ſich thätig zeigte
und den Zweck hatte, die Berufung auf den Nichterfprud) des Lan⸗
besherrn oder gar kaiſerlicher Hofgerichte ganz auszuschließen... Die
aus den verjchiedenen Weichbildern der Stadt gemählten Nichter
wurden eingefperrt, bis fie entweder den Frieden hergeftellt oder über
eine Enticheidung fich geeinigt Hatten !.
Bor allem ſuchten die Städte ber Einwirkung der weftfälifchen
Stillgerichte fih zu entziehen. Niemand follte vor einem folchen
bei Strafe der Ausweifung aus der Stadt ſich einlaffen; denn auch
ſächſiſche Bifchöfe und Herren hatten fich bei den Gerichten betheiligt,
und ihre Städte durften nichts Gutes von diefer Stellung erwarten.
Welchen Urfprung die Fehmgerichte auch genommen haben mögen,
die Rohheiten und der fchon verwilderte Zuftand im 14. Jahrhundert
war ihrer Thätigkeit zuträglich und vermittelte ihnen die Gunſt der
Kaifer, wie Karl IV., die Beſſeres nicht an die Stelle zu ſetzen
vermochten und fie auch, al8 dem Eigennutze dienjtbar, ausbeuten zu
fönnen glaubten. Ehe die Städte dem gefährlichen Inſtitute noch
% Inter pascha et pentecosten absque dilatione ulteriori semper duobus
annis revolutis apud fratres (im Klofter ber Franziskaner) eligendi, et jurare
debent ad concordiam quatuor de antiqua civitate, duo de Indagine, duo de
nova civitate, de vetere vico et de Sacco tantum unus, et juxta formam sul
jaramenti prestiti perdurabunt in officio faciendi concordias per duos annos
eontinuos,, et dicti electi eligent alios suo termino expirante, et tales sunt
seribendi ad locum certum et notum. Quicunque autem juraverint, hec infra
seripta observare jurabunt, et Consules debent eis assistere:
In welkeme wicbilde tweyinge wert under borgern, der scal de rad des
wicbeldes sik der tweyunge underwinden to likende de tweyinge en si also
dat dar eyn vestinge to höre. Weret aver dat de, under den de tweyinge
were, de voresproken rad eder erer sülves vründ nicht kunde vorliken unde
dat se de rad sende vor de, de to der söne sworen hebbet, de scolden den
na de tyd, dat se vor se ghesant worden, binnen ver weken vorliken. We-
ret dat der nicht enschulde, so scollen desülven de ghesworen hebbet gan
uppe de Müntsmede, unde enscolden dar nicht uthkomen se en hedde se
vorliket an vruntscop eder an rechte. Vorbat wenne se aldüs eyn recht eder
eyne vrüntscop ghesproken hebbet und gheheten to holende under den de
tweyinge is, welke denne des rechts edder dere vründscop nicht wolde hol-
den, de scolde unser stad veftich mark gheven, unde man scolde ene
vorfesten. Were he aver also arın, dat he des gheldes nicht gheven ne
mochte, so scolde man one vorfesten, un he scolde evelecken buten der
stad wesen also lange wente he dat ghelt gheve unde helde de vrüntscop
sder dat recht, unde wes de meiste menye der sönelüde over eyn komet,
latsc olen de audern volgen. Disser ding wil de rad instan.
Wanne de personne to der eindrechtichheyt ghekomen sin un da dith
zuelesen is, 50 scal upstan de de des rades wort holt un scal en staven
ien edh in dysser wise: Dat ju hir is ghelesen, dat gi dat holden twey
jar umme alse gi best kunnen ande moghen; dat ju god so helpe unde de
hilghen.
II. 18
274
in Xereinen entgegentraten, führten manche derielben ein ähnliches
Verfahren gegen Raub, Branbditiftung, Tiebitahl und andere große
Verbrechen ein, die ganz an der Tagesordnung waren, und gegen
welche die ordentliche Rechtöpflege nicht ausreihte. Tas „Nemeding“
wurde in Braunichweig nad) dem Ermeſſen ;weier Bürgermeiſter,
bie zwei ber geachtetiten und einjichtvolliten Deänner der Stadt babei
zuzuziehen hatten, verlündet. Tie zu dem Gerichte gehörigen Per
fonen waren der Vehmegraf (Nemegreve), der Vemeſchreiber, die
Berwahrer der Demenoten, die Bürtel, der Scharfrichter und der
Henker. Zwifchen 1332 und 1362 wurden 13 jolder Vehmgerichte
gehalten; der Hergang war dabei folgender: Tie Herren, welde bie
Serichtsjigung beichloiien hatten, verjammelten jih um Mitternacht
auf dem Deartini-Rirchhofe und beriefen dahin auch die übrigen Raths⸗
perfonen. Die Thore wurden dann geichlojien und bejegt und mit
Hüffe des Vemenoters, der das Verzeichniß der vorgefommenen
itrafbaren Handlungen zu führen hatte, und der Demejchreiber das
Verzeichnig ergänzt. Die Bannermeilter hatten zugleich in den Häw
fern anzufagen, daß die Bewohner, wenn mit der großen Glode ge
läutet werde, auf dem Marfte ſich zu jtellen hätten. Im Gefolge
des Geläuts fanden fih auch die zum Gerichte gehörigen Perfonen
an und nachdem dreimal ein Zturmgeläut gehört war, begab ſich die
ganze Verfammlung in den Vemegraben am Betrithore. Der Bene:
graf mit jeinen Gehülfen nahın auf der einen Zeite des Wallgrabend
Pla, das Volk jtellte ji) an der gegenüber belegenen Böſchung
auf. Dem Qemegrafen zur Seite wurde eine Monjtranz aufgeitellt,
an der andern Zeite aber von den DBütteln und dem Henker em
Teuer angezündet und Eifen glühend gemadt. Dem Volke wurd
vom Vogte die Cidesformel vorgelefen, die fie nachſprechen mußten.
Zunächſt wurden dann die Beraubten vorgefordert, die den Dieb
namhaft machen, oder, daß jie denfelben nicht fennten, mittelft Eides
erhärten mußten. Der Angeklagte fonnte ſich das erftemal mittefft
Eided reinigen, die zweite Anflage entfräftete er nur durch
jieben Cidesleifter, bei der dritten aber wurde er verpflichtet, das
heiße Eiſen unverlegt neun Fuß weit zu tragen, wodurd denn von
dem (Serichte abhängig wurde, unverbefferlihe Diebe und Räuber
wie auch andere Verbrecher völlig unjchädlicd zu machen. Ein
Diebftahl unter 4 Schillingen durfte nicht vor diejes Gericht gebracht
werden, mit feierlichen Formen aber, an welche das Verfahren ge-
knüpft war, fuchte man im Geifte der Zeit auf den rohen Haufen
zu wirken; auch feßten ſich die einer befonderen Unterfuchung und
Beitrafung aus, weldye der Berufung nicht Folge geleiftet hatten.
Als Zeichen der Zeit verdienen ſolche Auswege in der Gefchichte
de8 Städtewefend und der Verhältniffe, unter welchen die Städte
endlich zum Theil als Staaten im Staate ſich ausbildeten, eine Stelle.
Die Rohheit zeigte ſich auf allen ihren fie charafterifirenden Abwegen,
befonder8 auch in ber Spielſucht, der ftrenge Etatute gegen das
Dobbeln entgegengeftelft waren.
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278
werben, immer bem Reiche verbleiben mußten. Zölle an Land⸗ um
Waſſerſtraßen wurden mit größter Willtühr vermehrt, bie vielen de
biete aber, durch welche Frachter und Schiffer ihre Yadungen hindurch
führen mußten, wurden eben fo viele, nur mit willlührlich auferlegie
Haben zu überjchreitende Barrieren. Die ben Zoll- und Geleitk
geldern entſprechende Pflicht, fir Erhaltung und Sicherheit ba
Straßen zu forgen, fand keine Anerkennung. Bei dem fo fehr a
ſchwerten Yandtransporte waren die an Flüſſen belegenen Städte be
müht, zu ihrem umfafjenderen Verlehre der Flußſchifffahrt fih gr
bedienen. Die an ber Elbe und Wejer belegenen Städte hatten in
diefer Dinficht große Vorzüge, aber auch die Leine, Aller, Oker und
andere geringere Ylüffe wurden bei damals höherem Waſſerſtande
zu Schiffstransporten mehr als ſpäter benugt, und Kanalbauten Yamen
im 14. Jahrhundert fchon zu Hülfe; dabei trat aber der Mangel
eines von oben her orönenden Regiments in feiner ganzen Bedeut⸗
ſamkeit hervor. Was von den Reichsſtraßen zu Lande galt, ſollte
and) auf Flußſtraßen Anwendung finden; diefe wie jene ermangelten
elnes kräftigen Reichsſchutzes. Braunfchweig war um 1232 in dem
Wefige einer Flußfahrt auf Bremen mittelft der Dier, Aller umd
Weſer. Die Etadt hatte vom Kaijer Otto IV. 1199 das Privile
gimm der Sollfreiheit durch ganz Deutjchland erhalten, allein die
Verechtigung ging Schon mit der Macht diefes Kaifers umter. Im
der Witte des 14. Yahrhunderts fparte die Stadt keinen Aufwand,
un den Waſſerweg, befonders zur Kornausfuhr auf Bremen, fid
wieder zu eröffnen, Sie wurde ermächtigt, die der Wafferfahrt hin
berlichen Weühlen anzufaufen, das Hol; an den Ufern hinweg m
nehmen, Scyleufen anzulegen und Xeinpfade einzurichten. Für bie
Sirecke bie Selle wurde ihr Zollfreiheit zugefichert, und den betheilig-
ten WDilitern lich DH. Magnus torquatus andeuten, daß ihmen das
Wahlen nicht weiter zugeftanden werden würde, wenn fie die Mühlen
nicht verfaufen wollten. Die Unruhen nad 9. Magnus Tode und
ben Wuofterben des älteren Lüneburgfchen Hauſes binderten das
Umernehmen, und auch in der Folge traten ihm getheilte Intereſſen
und ber Anhalt, den andere Handelsſtädte darin fanden, hemmend
enigegen. Vlllgemeine Klagen veranlaßten die Beläftigungen, welde
bie Fluſffahrt durch jeden Herrn erlitten, der mit feinem Zerritorium
bus Ufer eines fchiffbaren Fluffes, wenn auch nur auf ganz kurzer
<irefe, erreichte, und nicht nur Sollerprefiungen waren es, mit
welpen man den Kaufmann drücte, fondern aud die Grundrur —
ua Vercht auf ben (rund gerathene Schiffe ihrer Ladung zu beran-
hen wurde auf die Slupfchifffahrt in Anwendung gebracht. Nach
bein alten ottonifchen Stadtrechte wurde Braunfchweig gegen folde
Anſpruche gefchligt '; allein wie vieler Herren Gebiete mußten bald nachher
’ Bweliuh ınan schepbrokich wert twischen hir unde dero solten se,
was Is niten godes uth gewinnen mach, dat is sin, unde dar ne mach ne-
—RWf vwurdern,
280
diefelbe Reiter in Bereitſchaft halten mußten. Helmftebt war zwiſcher
Magdeburg und Braunfchiweig beiden Städten wichtiger Stationsert,
und weiterhin nach Magdeburg zu legten bie beiden Städte eine ge
meinfame Burg in Errleben an und verfahen biefelbe mit 40 Reitern,
bie das Geleit geben und die Straße rein erhalten mußten. Au
berfelben waren eine Zeit lang Rüubereien und Mordthaten fo ge
wöhnlich, daß das Kloſter Ludgeri vor Helmſtedt ſich bereit finden
ließ, eine am Wege belegene Holzung „im Mordthale” ganz auszu⸗
rotten, um den Räubern den Hinterhalt im Didicht zu nehmen.
Ein anderer Handelsweg lief von Braunſchweig aus in die
Altenmarkt und bei Tangermünde über die Elbe. Die Stadt Braun
Ihweig gewann zum Schutze derfelben „die Burg Campen, wo fie
lange Zeit für Befakung zu forgen hatte, dann auch Vorsfelde.
Die wichtige Straße auf Yüneburg, Lübed, Hamburg, über
Uelzen wurde durch Niederbrennen der Raubburgen Thune und Lawes⸗
büttel, dann durch den Pfandbefik des Schloffes Neubrück umd die
der Stadt eigenthümlich zugehörig gewejene Erdburg an der Ole
unweit Beltenhof, ficher geftellt; auch befaß die Stadt in ihrer Rähe
die Werneburg.
Die Straßen auf Hannover und Bremen fowie auf Hildesheim
und am Harze hinaus auf Goslar veranlaften die Stadt Braunfchweig,
um in ihren Bereiche Sicherheit zu gewähren, bie an= und umliegen⸗
den Schlöjjer und Burgen pfandweije oder eigenthümlich zu eriwerben,
darin Befatung zu unterhalten oder unter der Bedingung andern
in Nutung zu geben, daß ihre Mannfchaft die Straßen rein zu er
halten und den Braunfchweigern die Veiten jeder Zeit offen zu er
halten hätten. So erwarb die Stadt an diefen Wegen das Schloß
Bechelde pfandweiſe mit bedeutenden Zubehörungen, die vom Kloſter
Bergen vor Deagdeburg Ichnweife eingethan waren, die Burg Schladen,
in welcher die Stadt 10 Reiter und andere Dienftleute zu unterhal⸗
ten hatte, Antheil an der Burg Lichtenberg. Die Affeburg war
früh ſchon der Stadt Veſte, und auf kürzere oder längere Zeit
befaß jie felbjt das Schlog Wolfenbüttel und, ie Burgen zu Gifhorn
und Hornburg. Wurden auch foldye Veſten zurlicigegeben, fo erwarb
man doch dafür bald andere, und im 15. Jahrhundert kamen noch
fefte Plüte der Art Hinzu. Der große Aufwand fonnte nur durch
entfprechenden Handelsgewinn und ein zwedmäßiges Steuerfpiten
übertragen werden. Die Affeburg wurde ber Stadt mit einem
Aufwande von 32000 Goldgulden gewonnen, und die Zahl der in
den Burgen unterhaltenen Ritter überftieg 300. Um nahmbaften
erprobten Rittern den ftädtifchen Dienft in den Burgen angenehm
und wüuſchenswerth zu macen, ließ die Stadt fchöne Pferde im
Auslande auflaufen, die den Hauptleuten in den Veſten zu beftinm-
ten Preifen angerechnet und überwiefen wurden.
.Alles diefes mag beweiſen, wie beſchwerlich das war, was man
im 14. Yahrhunderte zu leiften hatte, um die Nachtheile eines ganz
geftörten, regello8 gewordenen Staatélebens auszugleidien. Wohin
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- waltung vorbehielten und zu biefem Zwede wirkſame Ginrichtunge
unterhielten. Näheres findet fich darüber bejonders in der Geſchicht
der Stadt Braunfchweig.
Die höchſten ftädtiichen Stellen waren dajelbit die ber Bürger
meifter und ber Kämmerer. Im 14. Sahrhundert findet man’ einen
Verein, ber vorzugsmweife aus folchen Perſonen beftand, bie, ober
deren Vorfahren, eines jener Aemter befleideren. Die Aufnahme im
den Verein war von ber Senojfenfchaft abhängig, wurde mit Opfern
für die gemeinfame Sache erfauft und war jo geſucht, daß reichere
Bürger noch auf dem Sterbebette bedeutende Summen ausjegten,
um nur ihren Namen in das VBerzeichnig der Genoffen aufgenommen
zu fehen. Dieſe ichloffen fich enge aneinander, hatten ihre regelmä
Big wiederfehrenden und außerordentlichen Feſte, bildeten den erjten
Stand, und wurden dadurch) mehr noch von anderen Ständen abge
fondert, daß die Frauen und Töchter an den Gaſt⸗ und Tanzgelagen
Theil nehmen und ihren leinlicheren Sinn für Aeußerlichkeiten hier
geltend machen konnten. Weil anfcheinend die Gefellfchaft fich nur
zu Gelagen und Zanzlujtbarfeiten zufammen fand, fo erhielt fie die
Benennung der Lagbrüder, auch Klippgefellichaft; geheimer Zwed
aber war der, über öffentliche Angelegenheiten Abrede zu nehmen,
gemeinjame Intereſſen gemeinjchaftlich zu fördern und ſich Antheil
an dem Stadtregimente zu erhalten. Zu den Gelagen wurden, wen
Uebereinfommen zu treffen und wichtige Angelegenheiten der Stadt
zu fördern waren, benachbarte Fürften und Adliche gezogen. Hierher
wurde in folchen Fällen die höhere Geijtlichkeit eingeladen, und zur
Unordnung der Yeitlichkeiten, wozu Häufer in und vor ber Stadt,
auch das Rathhaus der Altitabt, benutt wurden, wählte man älteren
jüngere Mitglieder der Genofjenfchaft, unter der Benennuag Konſta⸗
bel. Ueber die Perjonen, welche die Bürgermeifter- oder Cämmerer⸗
würde befleideten, oder zu den fungirenden 12 Konftabeln gehörten,
führte man fortlaufende Verzeichnijfe, die zugleich eine Nachweifung
bilden, welche Perſonen zu den ftädtiichen patricifchen Gefchlechtern
gerechnet worden. Das Yuftitut beftand vorzugsweife für die Alt-
ftadt, doch wurden auch einzelne aus dem Regimente der librigen
Weichbilder aufgenommen.
Es mag fein, daß die Geichlechter, welche in den Etädten des
Negiments fich bemädjtigten, in einigen Städten adlihen, vom Lande
in die Stadt überjiedelten Familien, oder den der Burgherren ange
hörten, die in der elite, in deren Umgebung Anfiedlungen fich bilde:
ten früher ſchon hauften; in Braunſchweig und in andern Saſſen⸗
jtädten war das Patriciat eines folchen Lrfprungs niht Aus den
Innungsregimente entjtand, wie oben bemerkt worden, das allgemei-
nere Stadtregiment. Die alten zur Wahl berechtigten Gilden er
hielten fi in diefer Berechtigung, jie wählten aus ihren Genoſſen⸗
Ichaften Rathsherren, und auch die nicht im Gildeverbande geitandenen
Stadtbewohner erhielten die Berechtigung, aus ihrer Mitte und um
ter ihren Hauptleuten Rathsmitglieder zu ernennen. Es finden fi
netere Staatsverhältnifie gewonnen werben konnten, Hatte indeß in
anderer Hinſicht wichtige gedeihliche Folgen.
Man fing im 14. Jahrhundert an Archive zu ordnen, während
man vorhin die einzelnen Urkunden und Aufzeichnungen in Brieftiſten,
die gewöhnlich in den Gehrhäuſern — ben Sacrriſteien der Kirchen —
niedergeſetzt wurden, verwahrte. Tür einzelne Zweige der Verwal⸗
tung wurden &ecretäre angenommen, bie, was ihnen übertragen war,
als. abgefonderten Theil des Ganzen zu behandeln umd in den ihnen
anvertraueten Büchern zu regijtriren hatten. Man führte gejonderte
Bände über. die allgemeinen Angelegenheiten und täglich vorkommen:
dent Häubel, bie, wo fie noch auf unfere Seit gefommen find, bejon-
dere Berückſichtigung verdienen. Sie enthalten wichtige Beiträge zu
der Kulturgefchichte: über Verträge mit auswärtigen Staaten und
Städten, im Auslande erlangte Privilegien, den Gebrauch des Feuer:
gewehrs, die älteren Kriegsinftrunmente, die Aushebungen zum Kriege:
diente, die angeorbneten Deputationen ꝛc. Es find dies Degedings⸗
Bücher, in welchen man in der Kürze anmerkte, was man im Ge:
dächtniſſe behalten wollte. Das -erfte folder fir die Statt
Braunichweig angeorbneten Gedenkbücher hebt um das Jahr 1340
an, und ift auch das ältefte der auf Papier gefchriebenen Bücher.
Als Grundlage für bie Rechtspflege trennte man, obwohl in unvoll-
fommener Weiſe, die Polizeigefege von dem alten Stadtrechte, legte
gefonderte Teftamentenbücher, Bände zur Eintragung der Urfunden
über Rentenkiufe, Urtheilsbücher an, und fügte, z. B. in Braut:
fchweig, den öffentlichen ‘Documenten, bei welchen die Stadt als
Korperation betheiligt war, am Rande das Zeichen einer Hand bei.
Man ließ in befondern Bänden bie Urtheile und Rechtsgutachten ver
zeichnen, welche den Stabtbehörben vorzüglich wichtig waren, oder
welche diefe auf Anforbern anderer Magiftrate wmitgetheilt hatten
(libri Consulum), aud) fanmelte man in Urkundenbücdern alle die
Diplome, welche auf Güter und Gerechtfame ber gefammten Stadt
ſich bezogen. So trennte man im 14. Jahrhundert in. Braunfchweig.
Es findet ſich aber ein ähnliches Verfahren auch in anderen Saſſen⸗
ftädten, und ift hier zu wiederholen, daß biefelben in allen ihren in-
neren Einrichtungen Webereinftimmung zu begründen und zu erhalten
fuchten. Die Anlegung von Acten fam erſt am Ende des 14. Jahr⸗
bumderts, als das Papier wohlfeiler wurde, in Gebrauch, und muß
id) bier in Beziehung auf die Beweiskraft der Urkundenbücher, wozu
man meiftens noch Pergament benugte, bemerken, daß man fie nicht den
gewöhnlichen Kopialbüchern gleich jegen darf. In Braunfchwein
war ftatutarifch feſtgeſetzt, daß die Urkunde nur wie fie den Büchern
einverleibt worden Kraft haben folle, und daß ımterjagt fei, die
Urfchrift den Büchern anzuhängen.. Diefen war gewöhnlich eine
Ueberjchrift gegeben, die ben Zweck der Einrichtung des Buchs und
fir welche Art von Docnmenten es beſtimmt ift, Elar andeuten.
Dean bedurfte dabei der Beglaubigung durch ein Siegel, wie fie übri-
gens üblich. war, nicht. | je |
Beiträge zur Gefchichte des Geld- und
Münzweſens in Deutſchland.
Dritter Abſchnitt.
(Schluß)
Von
Ad, Soetbeer.
Dritter Abfchnitt.
Geld- und Münzweien im fränfifchen Reiche unter den
Merovingern.
8. 5. Münzverwaltung. Rechnungs⸗ und Zahlungsweiſe. Breife.
Sm vorigen 8. find die im fränfifchen Reiche unter den Merovin-
gern geprägten Münzen auf Grund der davon uns erhalten geblie-
benen Stüde in NRüdficht ihrer Bedeutung als Circulationsmittel
und Werthmaßftab befprocdhen worden; hieran ſoll ſich jest eine kurze
Grörterung der fonjtigen auf das damalige Geld- und Miünzwefen
bezüglichen Verhältniffe knüpfen. Wir werden uns übrigens darauf
bejchränten, die vornämlich in Betracht zu ziehenden einzelnen Stel:
len aus Schriften der damaligen oder der nächftfolgenden Zeit ſowie
die durch Auffchriften der Münzen felbft beurfundeten Zhatfachen
vorzuführen und die nad) einfacher Auslegung daraus abzuleitenden
Schlußfolgerungen darzulegen, ohne uns weiter in das Bereich blo-
Ber Bermuthungen zu ‚wagen.
Münzverwaltung. Das Meiinzwefen betreffende Verordnun⸗
gen aus der merovingifchen Zeit find nicht befannt, wenn man
nicht ein Edict des Königs Chilperih (um d. J. 574) dahin rech⸗
net, wodurch frühere, nicht mehr erhaltene Verordnungen oder auch
nur das alte Herkommen in Bezug auf das Gewichtsweſen aner-
fannt werben!. Die gegen Falfchmünzerei u. a. erlaffenen äfteren
faiferlihen Strafverfügungen, welde der Codex Theodosianus
enthält, werden aud im fränfifchen Gallien in Geltung geblieben
fein, wenn wir auch hierüber nicht fo ausdrückliche Angaben finden,
wie in den Rechtsblichern der Burgunder, Weftgothen und Longobarden.
Es muß dahingeftellt bleiben, wie früher ſchon bemerkt ift, ob
die rohen Nachbildungen der byzantinischen Trientes, welche über Münz⸗
ort und Münzer feine Andentung enthalten, von Privaten oder Kor:
& Mon.G.Leg Il,p. 11. . . .: De tronia vero sic convenit observare,
ut, sicut antea consuaetudo fuit sub temporibus patri [patrui] vel genitoris
nostri, sic sequatur, et mali homines reprimantur.
20*
296
porationen, ohne weitere Sanction ber neuen Landesherren, blos für
eigene Rechnung geprägt find, oder mit Ermädtigung und auf Ver
anlaffung der leßteren, etwa durch die Goldjchmiede, die auch fonft
für fie thätig waren. Die Anficht, daß einzelne Municipien und
größere Grundeigenthümer aus eigener Machtvolllommenheit und für
ihre Rechnung haben münzen laffen, daß insbefondere diejenigen Dlün-
zen ber merovingifchen Periode, welche neben den Namen der Münzer
nur ben Namen einer Stadt tragen, als Municipahnünzen zu be
trachten feien, und daß ebenjo geiftliche Stiftungen aus eigenem Rechte
hätten münzen laſſen, während die unter königlicher Autorität gepräg-
ten Münzen dies durch die Beifügung der Namen des Königs oder
durch folche fpecielle Bezeichnungen wie in palacio oder racio fisd
etc. fund gegeben hätten, entbehrt bis jet näherer Begründung '.
In rechtlicher Beziehung wird während der merovingifchen Herr.
fchaft die Ausübung des Münzregals von den Verhältniffen in den
legten Zeiten des römischen Reichs nicht wejentlich verfchieden ge
weien fein, und fämmtliche Ausmünzungen, ſoweit fie nicht heimlid
gefehahen, unter befonderer königlichen Genehmigung ftattgefunden
haben. Eine Urkunde vom Jahre 685, wodurch König Theoderich IIL
den Bifchöfen von Mans das Münzrecht verleiht, ift anerfannt m
echt?. Ebenfo wenig begründet erfcheinen die auf merovingifche Könige
zurüdgeführten angeblihen Meünzrechtverleihungen an das Kfofter
Weißenburg und das Stift Trier, fowie das vermeintlich vom Her-
zoge Kunzo von Alamannien (600—615) ausgeübte Münzrecht. In
welcher Weife die Ausübung des allgemeinen königlichen Münzregals
ftattfand, ob die Münzanftalten, welche nicht direct für Rechnung des
königlichen Fiscus prägten, dafür beftimmte Abgaben oder einen Theil
de8 Gewinns dem Könige zu entrichten hatten, und namentlich aud,
welchen Abzug die autorifirten Münzer von den ihnen zur Ausmiün
zung übergebenen Quantitäten edlen Metalls als Erfag ihrer Koften
und zur Dedung ihrer Abgaben an den Fiscus machen durften, dar
über fehlt uns jeder nähere Nachweis. Wenn fpäter König Pippin
den Münzern vorfchrieb, von den aus einem Pfunde Silber zu prä
genden 264 Denaren (22 Silber -Solidi) 12 Denare (1 folden
Solidus) zurüczubehalten, alfo ungefähr 44 Brocent, fo wird man
bei der Goldausmünzung unter den Merovingern, in Betracht der
verhältnigmäßig geringeren Koften, hierfür einen minberen Sag an
nehmen dürfen.
AS befondere Münzanſtalten in ber älteren Zeit der merovin⸗
giſchen Herrſchaft ericheinen nad) den bereits im Vorhergehenden er
wähnten Typen eine Officina Laurenti in Vienna und eine Officina
Maret in Lugdunum, welche lettere längere Zeit beſtanden haben
2° Diefe Anficht iſt befonbers vertreten worden von B. Fillon in feiner
Schrift: Considerations historiques et artistiques sur les monnalcs de France.
Fontenay-Vendede 1851. und in den ſchon früher angeführten Lettres & M. Ch.
Dugast-Matifeux sur quelques monnaies frangaises inddites. Par, 1853.
® Brequigny, Diplomata ed. Pardessus Nr. CCCCV.,
298
1. Die Functionen bes Münzers werden in der Regel mit bem
vielfach ausgeübten Goldfchmiedegewerbe verbimden gewefen fein, wie
dies auch der Natur der Sache nad) angemefjen erfcheint, und was
andererfeits die große Deenge der Münzen und der Orte wo ge
minzt worden erklärt.
2. Die ausdrüdlihe Erwähnung einer publica fiscalis
monetae officina in Limoges macht es wahrjcheinlih, daß noch
andere Münzanftalten beftanden, die, wern auch unter Töniglicher
Auffiht und vielleicht abgabenpflichtig, doch für Rechnung von Kor:
porationen ober einzelner Großen arbeiteten.
3. Im Allgemeinen galten die Golbfchmiede und alfo aud
die Münzer als nicht ſehr gewiffenhaft, und man traute ihnen zu,
daß fie unter verfchiedenen Vorwänden einen Theil des ihnen zur
Verarbeitung anvertrauten Goldes zurückhehielten.
4. Die Abgaben auf den Lüniglichen Domänen wurden in Gold
erhoben, bies jedoch, bevor man es an den Fiscus ablieferte, umge⸗
fhmolzen und gereinigt. ‘Der domesticus und monetarius fungir:
ten dabei zufammen. Daß indeß letzterer zu anderem Zwecke thätig
gewefen als zum Afftniren des Goldes, baß namentlich das Gold an
Ort und Stelle der Abgabenerhebung wieder ausgemünzt worden,
geht aus den obigen Stellen nicht hervor. Die zulegt angeführte
Stelle deutet vielmehr darauf, daB die einzelnen Goldquantitäten
nad dem Palatium gebradht und erft dort ausgemünzt wurden, io
alfo Münztätte und Schatzkammer in unmittelbarer Verbindung ftan«
den. Die Abgaben werden höchft wahrfcheinlich meiftens in Zrien-
tes bezahlt fein, während ihre Berechnung noch nach der Praris der
legten römischen Katferzeit nach Pfunden Gold oder doc nach Solidi
ber älteren ſchwereren Art geſchah. Da nım ſolche Solidi im Laufe
der Zeit wenig mehr vorfommen mochten, fo wird das Normalgewicht
derjelben bei der Abgabenerhebung in Anwendung gebracht fein. Der
Franke, deſſen Gebeine man nebft Ueberreften von Rüftung, Waffen
und einer Gold-Wage an feinem Gürtel, nebft einem 4.40 Gramm
ſchweren Gewichtsſtück auf dem alten meroningifchen Kirchhof zu Evermeu
i. J. 1855 ausgegraben bat, ift aller Wahrfcheinlichkeit nad, ein
Domeſticus oder Thefaurarius gewefen, ber jenes Gewicht bei Erhe-
bung und Gontrolirung der königlichen Einkünfte zu feinen Lebzeiten
benugt batte!. — Unter den monetarii der merovingtjchen ⸗
2 Diefer antiquariſche Fund, deſſen ſchon oben (I, S. 615) beiläufig Er⸗
wähnung geſchah, iſt für unſere Unterſuchung von zu großem Intereſſe, als
daß nicht die Hauptpunkte ſeiner Beſchreibung Bier mitzutheilen wären. Cochet,
Sepultures gauloises, romaines, franques et normandes p. 253ff.: Le 6 sep-
tembre 1855, dans la fosse d’un guerrier armd d’une lance, d’un angon,
d’une épée et d’un bouclier, j’ai recueilli, & la ceinture du ınort, .... . le
fleau d'une balance accompagnd de ses deux plateaux, ainsi que d’un roids
ou peson. . . . Entier, le fieau devait avoir 10 centimötres, à en juger par
celui des deux cötes qui est conserve. Le manche avait 5 contimötres, juste
la moitie du fleau. La totalit6 pdse 3 grammes. Des deux plateaux de la
balance, un seul ost assez bien conserve. La forme en ost plate et non
sw
Münzen genannt werden, haben Einige daraus erklären wollen, daß
daſelbſt königliche Einkünfte erhoben feien und daß die eingehenden
älteren Münzen dort gleich an Ort und Stelle eingeſchmolzen und
umgeprägt feien. Unferer Anficht nad ift eher anzunehmen, baf
eine Einrichtung, die einige Jahrhunderte jpäter in Deutjchland und
Frankreich vielerwärts und fehr häufig aus Urkunden nachzuweiſen
ift, bereit8 im merovingifchen Zeitalter ihren Urfprung bat und bier
aus bie fraglichen Ausmünzungen an fo zahlreihen Orten zu erfii
ren find. Bekanntlich find fpäter unzählige Male für einzelne Ort
fchaften gleichzeitig Markt, Zoll und Münzrecht verliehen. Diele
drei Dinge ftehen auch unter einander in unmittelbarem Zuſammen⸗
hange. Die Bewilligung eines Marktes gab Gelegenheit zur Erbe
bung von Zöllen, deren Belaftung, wenn fie mäßige Sätze nicht über-
fchritten, im Intereſſe des Verkehrs weit überwogen wurde durch den
ihm gebotenen Vortheil eines geficherten und befuchten Marktes; und
um die zur Entrihtung der Zölle und vielleicht auch zur Erleichte
rung der Umfäge unter den Gefchäftsleuten verlangten Münzſor⸗
ten anzufchaffen, mußten eine Miünzanftalt und damit verbundene
Wechfelbanf vorhanden fein, welche ebenfalls eine öffentliche Ein
nahme lieferten. In der merovingifchen Zeit wird bei der Abhaltung
größerer Märkte ebenfalls fchon das Bedürfniß einer gleichzeitig
thätigen Münzſtätte am Orte fich geltend gemacht haben, und
es liegt nichts näher, als daß die fo geprägten Münzen gerade für
diefen ihren Zwed regelmäßig mit dem Namen des Markt» und
Münz-Orts bezeichnet wurden. Daß auch manche Pläße, wo fonft
ſchon größere Einnahmen des Fiskus vorkommen, ‚unter den
ftätten mit erjcheinen, beeinträchtigt unfere Erklärung nicht im Min⸗
deiten, denn es liegt in der Natur der Sade, daß gerade ſolche
Orte, wo ohnehin ſchon ein lebhafterer Verkehr ftattfinden mußte,
zur Abhaltung von Märkten befonders geeignet waren.
In Betreff der Silberausmünzung fcheinen, wenigitens im letz⸗
ten Jahrhundert der merovingiichen Herrfchaft, eigenthümliche Vers
hältniffe obgewaltet zu haben !. Mit Hecht hat der Denar, welcher
auf der Hauptfeite um ein rechtshin gewandtes Bruftbild die Um⸗
ſchrift Rodemarus permutäiich Namen bes Münzers) führte und
auf deffen Kehrfeite Ebroino fteht, großes Intereſſe erwedt, da man
hierin eine Münze des bekannten Majordomus Ebroin erkennen zu
müffen glaubt, welcher 659 die Leitung der öffentlichen Angelegenhei-
ten in Neuftrien übernahm und nach wechſelvollen Geſchicken 681 er-
nıordet wurde. Ein anderer merovingifcher Denar trägt die Aufs
ſchrift Lambertus ips. und wird dem Biſchof Lambert von Lyon
679—688) beigelegt. Ein zu Chartres geprägter merovpingifcher
enar zeigt das Monogramm des Adeodatus, der um das Yahr
2 Man vergleiche hierüber Longpsrier in ber dfter citirten Notice ber
früheren Rouſſeauſchen Münzfammlung S. 38 und 75, fowie die Bemerkungen
befjelben Berfafferd in ber neuen Ausgabe ber Leitres du baron Marchant p.
121—125;; ferner Deloche in ber Revue numism. fr. 1858. p. 405—409,
902
Sn Teftament des Remigius v. 3. 530, des Aredius v. J.
573 und des Bertrammus v. J. 615 werden immer nur einfad
Solidi genannt '. Im Teſtament bes legteren wird in Bezug auf
die vermachten Geldfummen noch befonders bemerkt, daß die Solibi
in verfiegelten Beuteln fi) befänden (quos solidos per saccellos
separatim cum brevicellis sigillatis ad unumquemque saccum
.... in manus fidelis dispensatoris commendavi), wahrjchein-
lich eine Vorforge, daß nicht fchlechtere Goldmünzen fubftituirt wür⸗
den. Dagegen heißt es in einen Kaufcontract der Abtei Moiſſac
v. J. 6802: Et accepimus a vobis pretium et nobis bene
complacuit, hoc est solidos auri purissimi septingentos. Und
in den Kaufcontracten des Klofters Weißenburg ih etwa vom “Jahre
712 an eine ausdrückliche Angabe der Befchaffenheit der gezahlten
oder zu zahlenden Solidi die feititehende Regel. So heißt es in Ur-
funden von 712: unde accepimus solus probamus [solidos pro-
batos] atque pensantes numero XX, und: probus adque pen-
sanes numero XII solidi; fowie in einem Contracte v. J. 115:
unde accepi a te de re sancti etri solidos probatos atque
pensatos numeroque quingentog°,
In den Formularen des Marculf, ungefähr aus der Zeit Ehlo-
dovechs IL, 638—6856, finden fi in Verkaufsurfunden fowohl So⸗
lidi allein: als auch mit Zufägen angeführt. XX. Venditio de
area infra civitate: Accepi a vobis in pretio auri solidos
tantos. XXI Venditio de campo: auri solidos tantos. XXI.
Venditio de servo aut ancilla: pro quo accepi a vobis in pre-
tio, juxta quod mihi complacuit, auri solidos probos atque
praesentes |pensantes] numero tantos.
Es ift früher bereits beiläufig erwähnt, wie in Gallien, wo
vor der fränfifchen Eroberung der Denar nur eine Kupfermlinze aller«
Heinften Betrages oder 4 der gewöhnlichen kleinen Kupfermünze bes
deuten Tonnte, der neue fränfifche Silber-‘Denar durch den allgemei⸗
nen Ausdrud argenteus bezeichnet worden zu fein fcheint*. Hiermit
fteht in Uebereinftimmung, daß in dem Zeftamente des Aredius vom
1 Brequigny, No. CVIU. CLXXX. COXXX.
2 Brequigny, No. CCCXCIU.
5 Traditiones possessionesque Wizenburgenses , edid. C. Zeuss. Spirse
1843. No. CCXXV. CLXXXV. CCXVII, CCXVIU, CCXXXIX.
+ Bet ben Gefchichtsfchreibern und in ben Urkunden bietet fih der Natur
ber Sache nach verbältnigmäßig felten, ja nur ausnahmsweiſe Gelegenheit zur
Erwähnung ber Tleineren Müngforten. Wie wichtig auch bie Rolle ift, bie biefe
im täglichen Verkehr bed gewöhnlichen Lebens fpielen, fo wenig haben Ge
ſchichtsſchreiber und urkundliche Aufzeichnungen in ber Negel Anlaß bie Schei⸗
bemüngzforten auch nur nebenbei zu erwähnen. Um fo aufmerffamer aber find
die etiva einzeln vorfommenden Stellen biefer Art zu beachten. — Welcher Namen
im fränfifhen Reiche den Unterebtpeiltungen bed Silber-Denard und ben Ru:
pfermünzen beigelegt wurbe, barüber fcheinen Feine Angaben erhalten zu fein.
Die einmal bei Gregor von Tours vorkommende Erwähnung minutum für eine
Kupfermünze Meinften Betrages iſt nur ein Eitat and ber Bulgata, Lucas
XXI, 2 (aera minuta duo).
304
daß derfelbe ein feiner Kirche gemachtes Gefchent eines Landguts ab
gelehnt, dajfelbe aber aus dem Kirchenvermögen gefauft habe, damit
der Verkäufer den erhaltenen Kaufpreis unter die Armen vertheilen
fünne, et sic de thesauro ecclesiastico taxatum pretium, quin-
ue scilicet millia libras argenti, Eulogio dedit!. Den Biſchof
Öregor ſelbſt fuchte die Königin Fredegunde (um db. J. 577) bu
das Verfprechen von 200 Pfund Silber zu einem falfchen i
zu beftechen (Greg. V, 19)?. In der Neihefolge der Weißenburger
Urkunden erfennt man, wie die Zahlungsmweife in Silber etwa feit
dem Ende des Tten Jahrhunderts neben den Goldfolidi immer mehr
bervortritt. In Kaufcontracten vom %. 695 (Nr. XLVI) heißt
e8: accepimus a te de rebus sancti Petri, hoc est argentum
libras septem; v. J. 696 (Nr. XLV): accepi de argento li
bram unam; v. %. 712 (Nr. CL): unde accepi pretium ....
in argento libras III; v.%. 737 (Nr. XXXV): accepi pretium
pro ipsa ..... . in argento, hoc sunt libras XX tantum.
En einigen Urkunden der merovingifchen Zeit findet fich als
Beitimmung der Zahlungsweife eines in Solidi bedungenen Preifes:
inter aurum et argentum. So heißt es in Raufcontracten v. 9.
60 ımd 7085: unde accepimus a vobis in precio taxato
. . . . inter aurum et argentum solidos mille quingentos tan-
tum; und: unde accepi in precio ... . inter aurum et ar
gentum solidos mille quingentos tantum *.
In einer Webertragungs-Urkunde an das Stift von St. Gallen
v. Se 744 heißt e8: accepimus .... . precium adtaxatum, hoo
est auro et argento solidos LXX et cavallos V etc. Der Sim
biefer Bezeichnung feheint kein anderer zu fein, als daß die betreffende
Summe wirflid in baarem Golde bezahlt werden follte, wobei bem
Käufer freigeftelit war, ob er in Gold oder in Silber zahlen wollte.
Aus den vorftehenden Beifpielen läßt ſich abnehmen, wie bie
Zahlungen in Silber, trogbem daß die in den Solidi repräfentirte
2 Bouquet Seriptt. rer. Gall. etc. III, p. 878.
2 Ein anderer von Oregor IV, 45 erwähnter Fall it: Die Longobarben
hoben im J. 576 bie Belagerung von Air auf, XXII libris argenti acceptis.
5 Brequigny, No. CCCCLX u. CCCCLXX.
+ Man bat die Meinung geäußert, es fei jenes *inter’ fo zu verfichen,
baß bie eine Hälfte in Gold, die andere in Silber zu bezahlen ſei, was ber
Sache nad Feine ungwedmäßige Beftimmung wäre Dies kann aber wohl
nicht ber Sinn fein, da dieſe nicht felten vorfommende Ausdrucksweiſe an an⸗
beren Stellen außer dem Edelmetall noch auf fonftige Zahlungsmittel Bezug
nimmt; fie bebeutet nicht? Anderes, als daß dem Zahlenden geiigen ben ge:
nannten verſchiedenen Zahlungsmitteln bie Wahl frei ſtehe. Bal. u. A. Tokc.
Urf. v. 3%. 763: recipimus pretinm inter bobes et auro adpreciato sol. XXL
Brunetti, Cod. dipl. Tosc. Doc. LIX ; Luccaifche Urt. v. 3. 805: recepimus ....
pretio placito et deliverato capitulo inter argento et uno tauro solid. duodeei
(Luce. Urk. ©. Doc. CCCXXIV); Florentiner Urk. v. J. 973: pretium recepitum
inter aurum et argentum seu aliis speciebus invalentes adpreciatas libras.
(Bol. Bött. G. A. 1650. S. 629 über die Bebeutung: in beiden zuſammen nad
Umftänden ober Belieben, auch bei andern Maß⸗ ober Orößeangaben. G. W.).
306
und Fett geitohlen waren, gemißhanbelt und auferdem in eine Geb»
ftrafe von 4000 Solidi verurtheilt; König Sigibert hob dieſes Ur-
theil auf und hielt den Albinus an, dem Vigilius das Bi
ner Summe zu zahlen, alfo einen Betrag von 16000 Solibi !. Um
die nämliche Zeit verfprach Ardacharius, ein ehemaliger Höriger, ber
fi) aber allmählich zu großem Anfehen und Vermögen empor ger .
beitet hatte, der Frau eines reichen Bürgers in Elermont 16000
Solidi, wenn fie ihm ihre Tochter zur Ehe gebe, und reclamirte fpä-
ter diefe angebliche fchon beponirte Summe ?. Solche Erwähnungen
von Bußen zum Belauf von 16000 Solidi, und daß ein Brivat-
mann, ohne daß es an fi) als etwas befonders Auffälliges erfcheint,
eine gleihe Summe baar deponirt haben will, beuten unverkennbar
auf einen anjehnlichen Betrag des damals in Umlauf befindfich ge
weienen Goldes und Silbere. Sehr große Summen werden fi in
den Schaglammern der fränkiſchen Könige in Folge der Einkünfte
aus den Königlichen Domänen, durch die aus Conftantinopel, Italien
und Spanien mehrfach eingehenden Subfidien-, Tribut⸗ oder
Zahlungen, durch Eonfiscation u. a. m. angehüuft haben. Der Be
fig des Löniglihen Schatzes bildete befanntlid, eine der wi
Grundlagen für die Gewinnung und Erhaltung der haft 5.
Außer den Künigen batten bie Königinnen und die Töniglichen Brin-
zen fowie auch die Großen des Reiches ihre eigenen Sch
wo fich bedeutende Vorräthe an Gold und Silber anfammeln umß⸗
ten*. Dos hauptſächlichſte Mittel, wie die fi fo bei Einzelnen
anfammelnden Baar-Vorräthe wieder in Umlauf kamen, fcheint in
ben Schenkungen beftanden zu haben, welche die Könige bei häufigen
Gelegenheiten an angejehene und einflußreihe Männer oder auch an
maffenhaften Allmofen machten, namentlih aber in Gefchenfen an
Kirchen und Klöfter, welche dann ihrerjeit8 wieder das Gelb durch
Ankäufe verfchtedener fonftiger Gegenftände oder auch von Landgü⸗
tern und Hörigen in andere Sünde übergehen ließen, wodurch bie
Eirculation bes Geldes unterhalten wurde. Daß der Edelmetallvor-
I Greg. Tur. IV, 44: Quatuor millibus solidorum archidiaconem con-
demnavit; qui, in praesentia regis Sigiberti veniens, quadrupla satisfactione,
insequente Jovino, composuit.
2 Greg. Tur. IV, 47: (Andarchius) dicens mulieri: Quia multitudinem
sureorum meorum amplius quam sexdecim millia in hac libellari reconditam
tibl commendo . . 2... :.... Alioquin mihi liceat res ejus possidere,
donee sexdecim millibus solidoram acceptis, me ab hac causa removeam.
3 Vergl. Waitz, Deutfche efaflungagefihiite I, S. 124 f. unb bie ba:
ſelbſt angeführten zahlreihen Stellen aus Gregor u. Fredegar. U. a. Gregor
IV, 22: Chilpericus ;post patris funera thesauros qui in villa Brinnaco
erant congregati accepit, et ad Francos utiliores petilt ipsosque muneribus
mollitos sibi subdidit.
+ Vergl. Waib a. DO. Gregor (VH, 40) berichtet von einem Theil ber
Schäte ber Mummolus: Ferunt ducenta et quinquaginta talenta argenti fuisse,
auri vero amplius quam triginta. Sed haec, ut ferunt, de reperto antiquo
thesauro abstulit; welche Stelle und auch deshalb von Intereſſe erfcheint, weil
fie ein Beifpiel giebt vom Verhältniß bed Goldes und Silber in ſolchen
Schätzen und das Vergraben großer Summen bezeugt.
308
öfter ſolche Schäge entbedit worden, aber aus naheliegenden Rüdfid.
ten darüber nichts zur Öffentlichen Kunde und die alten Diünzen
alsbald heimlich eingefchmolzen fein, und anderentheilg werden, je be
trächtlicher die zu vergrabenden Schäge waren, um fo forgfältige
nicht leicht zu entdeckende Verſtecke ausgefucht worden fein, bie and
fpäter durch gewöhnliche Erdarbeiten nicht leicht zu Tage geförbert
werden. Große Summen von 5000 Pfund Silber ober 4000 und
16000 Gold⸗Solidi, wie wir fie beifpielsweife aus Vorgängen des
Brivat- Verkehrs im fechsten Jahrhundert vorhin angeführt Haben,
fommen zu Ende der meropingifchen Zeit für ähnliche Fälle aud
nicht entfernt mehr vor.
Zu einer Zeit, wo ber Credit im volfswirthichaftlichen Leben
von fo gut wie keiner Bedeutung ift, wie im merovingifchen Zeital-
ter, muß natürlich der im Umlauf befindliche oder doch dazu dispo⸗
nibele Edelmetallvorrath einen ganz außerordentlichen und ummittelbe-
ren Einfluß auf die Gejtaltung der Preiſe oder den Werth bes &el-
bes haben. Es läßt fich daher faft mit mathematifcher Gewißheit
annehmen, daß im achten Jahrhundert in Gallien die in Gold⸗ oder
Silber- Währung ausgedrüdten Preife ganz anderer Art gewefen fein
müffen als in der erften Hälfte des fechsten Jahrhunderts ober felbft
noc etwas fpäter, und daß die nämlichen Geldbußen in biefen frü-
heren Zeit bei weiten nicht jo läſtig oder gar erdrückend waren, ale
etwa 200 Jahre fpäter, wofern nicht eine einigermaßen erleichterte
Devalvation der Münzen bei gleichbleibendem Nominalbetrage zu Hülfe
kam. Eine Bußezahlung von 200 Eolidi etwa um das Yahr 740,
[ee wenn fie auch in den gegen früher um ein Achtel im Innern
th, reducirten Gold» ZTrientes geleiftet wurde, war eine gar fehr
viel empfindlichere Strafe oder Leiftung als eine Buße beffelben Be⸗
trages um das Jahr 540, die damals im Münzfuß der fchwereren
Solidi zu zahlen gewefen war, fofern nicht in beiden Fälfen bie
Facultät einer Convertirung in andere Werthgegenftände nach einem
und demfelben Tarif geftattet war. Hätten wir eine ausführliche und
fortlaufende Lifte von Preisangaben im fränlifchen Reiche während
der merovingifchen Herrichaft, jo würde fi ohne Zweifel beim eriten
Bid die große Verſchiedenheit derjelben und die progreffive Steige:
rung des Geldwerths ausweifen, und ſich daraus entnehmen Laifen,
daß von bdurchfchnittlichen Preifen während dieſer Periode, um fie
mit entjprechenden Preisverhältniffen anderer Zeitabfchnitte zu ver⸗
gleichen, eben jener eigenthümlichen Umftände wegen nicht fitglich bie
Rede fein künne. Die uns erhaltenen Preisangaben während ber me
rovingifchen Periode gelten mithin eben nur für die Jahrzehnte, in
welche fie fallen, geben aber feinen Maßſtab fiir die ganze Periode.
Dies vorangefchidt, theilen wir im Nachjtehenden einige jener
Preisangaben mit, mit Ausfchluß der fpäter befonders zu erwähnen-
un Notizen in den Rechtsblichern der Ripuarier, Alamannen und Bas
umarier.
Ueber Getreidepreife find uns nur zwei Angaben befannt von
310
siae fratribus annuatim persolvere debet...... Item in
festo sancti Remigii centum malta tritici. In eodem die ve-
hunt nobis, si volumus, usque Dietenhoven centum octoginta
quatuor malts tritici; sin autem, undecim uncus [unciis] et
quinque den. hoc redimunt.
Da in diefer nämlichen Urkunde solidi ohne weiteren Beifag
angeführt werden, da außerdem in anderen Urkunden diefer Periode
Unzen Gold als Preisangaben vorlommen, fo wird man bei der
fraglichen Angabe, wo nur das Gewicht, ohne Beibemerkung, welches
Edelmetall gemeint fei, angeführt ift, ficher nur an Unzen Gold zu
denken haben. Daß die Angabe nicht in der Münzſorte der Solidi,
Sondern nach dem Gewicht geſchah, und der minutiös angegebene Be-
trag führen darauf, daß man bei Feitftellung bes Ablöfungs-Kanons
mit befonderer Sorgfalt zu Werke gegangen und einen möglichſt rich⸗
tigen Durchfchnittswerth des Getreides zu ermitteln gelucht haben
wird, weshalb diefe Stelle für die Gejdjichte der Preife von nicht
geringer Wichtigkeit erfcheint. Die Benutung der Notiz hängt freis
lich wejentlid) davon ab, daß man für das angegebene Getreidemaß
eine zutreffende Reduction hat; allein e8 fcheint Tein Bedenken gegen
die Annahme vorzuliegen, daß der fpätere trierfche Malter auch fchon
in älteren Zeiten in Geltung gewefen ſei. Auf Heine Unterſchiede
fann es natürlich bei folchen ungefähren Schägungen, wie uns hier
befchäftigen, nicht antommen. Der trierfche Malter für Weizen und
Roggen ift nun gleih 213.2 Liter oder 3.88 preußiſche Scheffel,
alfo 184 Malter find gleid) ca. 714 preußifche Scheffel, und 114
Unzen fein Gold röm. Gewicht (das Pfund zu 325 Gramm gerech⸗
net) find gleich ca. 305 Gramm Gold oder (500 Gramm Gold
zu 154 X 30 Zhlr. oder 465 Thlr. gerechnet) 277 Thlr., was
mithin, auf. jetige Maße und Münze reducirt, einen Ablöſungska⸗
non von ca. 12 Ser. für den preußiichen Scheffel Weizen ergiebt.
In ben Jahren 1816 bis 1860 war der Durchſchnittspreis des
Weizens im ganzen preußifchen Staat 694 Sgr. und in ber Rhein⸗
Provinz 793 Sgr. für den Scheffel, fo daB hiernarh, wenn man ben
durchfchnittlichen Weizenpreis in den Gegenden an der Mofel als
vergleichenden Maßſtab anwendet, angenommen werden Tann, ber
Werth des Geldes (in Goldwährung) fei um die Mitte des neun⸗
zehnten Jahrhunderts um ſechs bis fieben Mal geringer als zu Ans
fang des achten Jahrhunderts. Wir wifjen fehr gut, wie außeror-
dentlich mißlich und bedenklich e8 ift, allgemeine Vergleiche über das
ungefähre durchfchnittliche Verhältniß des relativen Werth der Edel⸗
metalle, als Zaufchmittel und Maßſtab für die Preife im Allgemei-
nen, für verfchiedene Zeitperioden aufzuftellen; allein wenn folche
Aufftellungen dennoch, wie Jeder einräumen wird, troß aller Unvoll«
fommenheit höchſt wichtig find für die richtige Beurtheilung der all-
gemeinen volfSwirthfchaftlichen und fonjtigen focialen Zuftände, fo
muß die urkundliche Angabe eines Ablöſungskanons für Getreide, bei
bem durchaus feine ausnahmsweifen Umftände mit von Einwirkung
beim Verkauf an geiftliche Stiftungen nicht der wirlliche Preis,
im gewöhnlichen fonftigen Verlehr zu erzielen geweſen wäre, fondern
ein viel niedriger gezahlt wurde, fo daß ſolche Berfänfe zugleich den
Charakter von annahmen. Einige Beiipiele der Preiſe
werden aus ber merovingifchen Periode beifpielsweife folgende Kauf⸗
praie aufgeführt:
%. 695 für ein Gut nebft allem Zubehör 7 Pfund Silber;
„ 666 für en Gut 1 Pfund Silber;
für ein Gut 20 geprägte und vollwichtige Solidi;
" 712) cn mansas cum ampi pre ie.3 Pınb Cie,
a arabili jurnales X mit Zubehör 12
0 ;
713 für einen campus cum silva 10 Solidi;
115 für verfchiedene Befigungen zufammen 500 Solibdi;
137 für mehrere Güter 20 Pfund Silber;
139 für eine villa 54 Pfund (Silber), zu zahlen in Gold,
Silber und Pferden.
Im Zeftamente bes Aredius 6 vom Jahre 573 findet ſich eine
I Brequigny, No. CCCXCII.
8 Brequigny, No, CCCCLX u. CCCCLXX.
8 Schvepflin Alsatia dipl. I, p. 13.
% Traditiones possessionesque Wizenburgenses ed. C. Zeuss. Spirae 1842.
® Auch bier und in bem folgenden Angaben wirb bei ben Solidi regel:
mAflg ber Zufah probati et pensantes gemacht. Bol. o. ©.
UBrequlgny, No. OLXXX.
ze zu zu ;
814
Denare geprägt worben feten, ftellen den Silber - Solidns als eine
durh 12 ausgemünzte Silber⸗Denare vertretene Wertheinheit oder
Nechnungsmünze dem in der Regel durch drei gemünzte ſ. g. Zrien-
tes oder Tremiſſes repräfentirten Gold⸗Solidus gegenüber.
Man nahm hiernach an, die Denare feien bei den Ripuariern
biefelben gewejen wie die in der Lex Salica erwähnten, die Solidi
aber verfchieden, indem der ſaliſche Solidus 3% mal fo viel gegolten
babe al& der ripuarifche.
Diefer Anficht ift letterer Zeit mehr und mehr die Auffaffung
entgegengetreten, daß bis zu den legten Zeiten der merovingiſchen
Herrſchaft ein befonderer Silber-Solidus, als ideelle Wertheinheit,
verschieden vom Gold-Solidus, nirgends gegolten hat, daß vielmehr
durchweg, wo immer Solidi während des in Rede ftehenden Zeit
raums in den Rechtsbüchern oder fonft in Aufzeichnungen (Gefchichts-
werfen, Urkunden 2c.) vorfommen, nur ein und derfelbe Münzwerth,
nämlich der Gold-Solidus, zu verftehen fel. Unter den Rarolingern
fei dann allerdings allgemein im fränfifchen Reich die ideelle Werth-
einheit des Silber-Solidus, als Rechnungsmünze, als Complex von
12 gemünzten Denaren, an bie Stelle des Gold-Solidus getreten,
und und e8 feien hierauf zu beziehende, fpäter in die ältere Faſſung
der Rechtsbücher merovingifcher Redaction eingefhobene Erläuterun⸗
gen, nicht urfprüngliche Bejtandtheile des Textes, wenn ſich an ein-
zelnen Stellen derfelben jeßt eine Reduction des Solidus zu 12 De-
naren angegeben finde. Es wird hiernach für die merovingifche Zeit
bei den verfchiedenen Völkern des fränkischen Reichs ein umd daſſelbe
Münzweſen, oder wenigftens für Salter und Ripuarier eine Iden⸗
tität forwoht der Denare wie der Solidi angenommen.
Unſere Anficht über diefe Verhältniffe geht dahin, daß während
der merovingifchen Zeit bei allen germanischen Völkern, die nad
Metallgeld rechneten, der Solidus überall einen und benfelben Werth:
begriff bezeichnet hat, nämlich den Gold-Solidus (beziehentlich nad)
dem gefetzlichen Münzfuß von 72 und fpäter 84 Stüd auf das rö-
mifche Pfund Gold und in ganzen ober in Drittel-Stüden ausge-
mimzt), daß aber daneben zwei wefentlich verfchiedene Arten von De-
naren in Geltung geweſen find: die eine zu 40 Stück auf den Gold-
Solidus in der Lex Salica und für die officielle Rechnungsweife
in NeichBangelegenheiten fowie allgemein in Neuftrien; — die andere
zu 12 Stüd auf den Gold-Sofidus in der Lex Ribuaria und unter
den Namen saiga auch in den älteren Rechtsbüchern der Alaman-
nen und Baiern, fowie vermuthlich im gewöhnlichen Verkehr bei dies
fen Völkern (in Auftrafien) '., — Diefe Auffaffung ift übrigens durch⸗
1Unſere Anficht, daß im merovingifchen Zeitalter bie in ben damals auf:
gezeichneten Rechtsbuͤchern der verfchiebenen Völferfchaften bes fränkiſchen Reichs
vorfommenden Solidi eine und biefelbe Münzſorte und Wertbeinheit, nämlich
den Goldfolidus nach dem geſetzlichen Münzfuß von 24 ober 21 Siliquen, be
zeichnen, daß es aber gleichzeitig Denare verfchiebener Art im fränfifchen Reiche
gegeben babe, nämlich foldhe, von denen 40, und ſolche von denen 12 auf ben
816
netten überhaupt auch fein mochten, fich anfchließende Rech
nungsweije
In ber Lex Ribuaria, deren uns erhaltene Handfchriften bei
weitem nicht fo große Verfchiebenheit zeigen wie bie vn meijten übri-
gen Volksrechte aus der merovingifchen Zeit, umterfcheidet man nad
den neueften Unterfuchungen ? folgende Beſtandtheile. Titel 1—-31,
bei denen ſich ein fremder Einfluß in keiner Weife bemerkbar macht,
müfjen als der ältefte Theil angefehen werden. Außer altem Ge
wohnheitsrecht enthalten fie auch einzelne Beſtimmungen (in Bezug
die ecclesiastici, homines regii, ingenui in truste regia),
welche fpäter erft im Wege der Gefetsgebimg feftgeftellt fein Können.
Nach der Notiz im befannten Prolog, der diefer, der alamannifchen
und der bajuwarifchen Lex zufammen vorangejtellt zu fein pflegt,
würden diefe Titel unter König Theoderich L (531—534) entftanden
fein. — Titel 32—35 und 37 —56 zeigen eine fortlaufende Bes
rüdfichtigung der Lex Salica; die Entftehungszeit ift ungewig. —
Gleiches gilt für Titel 57—89, welcher Abfchnitt indeß fpäter ver-
faßt fein wird als der eben erwähnte Beftandtheil. Folgt man ben
allgemeinen Angaben im Prolog, möchte man die Abfafjung im die
Zeit des Königs Dagobert fegen. — Am fpäteften, meint man, fei
Tit. 36 entitanden, der gerade für unfere Unterfuchungen am meis
ften in Betracht kommt. inige ſetzen diefen Titel in die karolingi⸗
che Zeit, jedoch, wie es fcheint, ohne Hinlänglichen Grumd; die
dichriften geben zu einer folden Annahme keinerlei Anhalt.
engler, Merkel und Stobbe find der Anſicht, daß es für eine ka⸗
—3 che Reviſion der Lex Ribuaria an beſtimmter Beglaubigung
ehle.
reh Abgeſehen von den beiden wirklichen oder angeblichen Einſchal⸗
tungen der Reduction bes Solidus auf 12 Denare (in Tit. XXIII
und XXXVI, 12) uud einer anderen Erwähnung, wo indeß nur
von einer befannten Formalität bei Frellaffungen, nicht. von einer
Wertbangabe die Rede ift?, kommen in der Lex Ribuaria nur
Solidi, halbe Solid und Tremiſſen als Bußſätze oder fonftige Werth-
beftimmungen vor. Die Bußanfüte zeigen wefentlich einfachere Ver
hältniffe als die in der Lex Salica und weifen folgende Zahlen auf:
4,1, 14,2, 3, 4, 4), 5, 74, 9, 15, 18, 25, 36, 45, 50, 60,
90, 160, 200, 300, 600, 900 Solidi?. Es iſt nicht zu verfennen,
daß dieſe Anſätze auf Grund der Solidi felbit entftanden, nicht erft
aus einer Reduction aus älteren urfprünglichen Beftimmungen nad
Denaren abgeleitet fein werden.
Im 8. 1 dieſes Abfchnittes, wo wir die älteften Geld⸗ und
1 Stobbe, Gefhichte der beutfchen Rechtsquellen I, S. 56—65.
® Tit. LVII, 1: Et nullus tabularius denarium sute regem praesumat
jactare.
5 Die Bußanfäße ber Lex Balica find in ben Titeln I—CIV ber außgabe
von Merkel folgende: 4 Solidus (7 Denare), 1, 3, 6, 7,78, 9, 12, 15, 174,
20, 30, 35, 45, 50, 624, 100, 187}, 200, 600, 700, 900, 1800 Solibi.
818
ders wegen des Zuſatzes: sicut antiquitus est constitutum. Wir
haben bei jener früheren Veranlaffung ſchon daran erinnert, wie felbft
für den Fall der Annahme, dab Titel XXXVI, 12 erft in karo⸗
lingiſcher Zeit eingefchaltet ſei (was übrigens nach dem eben Be
merkten über da8 Vorkommen der Stelle in allen Handichriften kaum
zuläffig), der Hinweis auf das alte Herfommen unmöglich auf bie
neue Einführung des Silber-Solidus bezogen werden Tann, fondern
daß hierdurch die Zwölftheilung als ältefte Einrichtung, ber falifchen
Rechnungsweiſe von 4O Denare auf ben Solibus gegenüber, hat be-
zeichnet werden folfen. Die Stelle beftätigt nur dasjenige, was unab-
bängig davon durch fonftige Nachweife und Anzeichen, insbefondere
durch den Miünzfund im Grabe Childerichs I., als im höchſten Grade
wahrjcheinlich hingeftellt werden darf.
Der dem eben beſprochenen Sate (Tit. XXXVI, 12) unmit-
telbar vorangehende Theil beffelben Titels XXXVI enthält einen
Zarif, zu welchem Betrage verfchiebene Werthgegenftände, die in da-
maliger Zeit, außer Lanbdbefig, Fruchtvorräthen und baarem Gelbe,
bei den Franken das Vermögen hauptſächlich ausmachten, bei Bezah-
lung von Bußen geredjnet und angenommen werden jollten.
Es Heißt dafelbft:
Si quis weregeldum solvere debet, bovem cornutum vi-
dentem et sanum pro duobus solidis tribuat, vaccam cornu-
tam videntem et sanam pro uno solido tribuat, equum viden-
tem et sanum pro sex solidis tribuat, equam videntem et sa-
nam pro tribus solidis tribuat, spatam cum scogilo pro se-
ptem solidis tribuat, spatam absque scogilo pro tribus solidis
tribuat, bruniam bonam pro duodecim solidis tribuat, helmum
cum directo pro sex solidis tribuat, bainbergas bonas
sex solidis tribuat, scutum cum lancea pro duobus solidis Kri-.
buat, commorsum um pro sex solidis tribuat, accepto-
rem mutatum pro duodecim solidis tribuat.
Einen fehr ähnlichen Tarif, wie verfchiedene Werthgegenftände
bei Bezahlung von Bußen zu berechnen und anzunehmen feien, finbet
man im Siarlag, jo genannt von fe (bonum) und lag (lex), ale
Anhang zum Kaupa⸗balkr der Graugans, wo biefelben mit dem
Kuh⸗Werth, kugildi, verglichen werben. Diefer gefeglihen Werth:
einheit — einer drei bis zehn Jahre alten, tragfähigen, milchgeben»
den, gehörnten und fehlerfreien Kuh — werden dort unter Anderm
gleichgefeßt: drei einjährige Kälber, zwei zweijährige oder ein vierjäß-
riger Ochfe, ein vier⸗ bis zehn-jähriger Hengft, 8O Pfund Wolle u. |. w.
Wie oben erwähnt, wird der ganze Titel XXXVI als ber
fpätefte Theil ber Lex Ribuaria in ihrer uns erhaltenen Faſſung an
gejehen, und es liegt uns fern, diefer Meinung, die ſich vornämlid
auf die darin mitenthaltenen gejteigerten Bußen für die Zöbtung
geiftlicher Perfonen begründet, entgegentreten zu wollen. Der unter
cap. 11 in diefem Titel mitgetheilte Tarif fcheint folder Annahme
vielmehr günftig zu fein, fobald man nur nicht ohne allen Grund
820
ten oder die wieder mit diefen in engere Verbindung traten, unter
Solidus an ſich die römifche oder die derfelben nachgebildete Gold
münze biefes Namens verftanden wurbe und den allgemeinen Werth
maßſtab abgab, ebenfo ausgemacht darf es betrachtet werden, daß
beffenungeachtet die eigentliche Geldwirthſchaft in Deutfchland felbit,
alfo zunächſt bei einem großen Theil der Ripuarier, der Alamannen
und Baiern, fehr zurücblieb, und daß die allgemeine Rechnung nad
Solidi noch keineswegs die allgemeine Zahlung mittels gemünzter
yanzer oder Drittel-Solidi, ober auch nur mittel hiernad) abgewo⸗
gener Stücke Edelmetall, zur Folge hatte Der einfahe Grund
hiervon war die Seltenheit der Münzen und des Edelmetalls in ben
genannten Gegenden. Bei einzelnen Vornehmen und bei geiftlichen
Stiftern mochten ſich vielleicht auch bier größere Summen baaren
Geldes als Schätze anfammeln, im gewöhnlichen Verkehr wird
der Münzumlauf in Deutfchland zu jener Zeit nicht entfernt eine
folche Ausdehnung gehabt haben wie 3. B. in Gallien oder Italien.
Dies läßt ſich ſchon darans fchließen, daß, mit Ausnahme von Trier,
Berdun, Zoul, Cöln und vielleicht noch einigen wenigen anderen weft-
lich vom Rhein gelegenen Plägen, in Auftrafien Teine merovingifchen
Münzftätten thätig gewefen find, woraus nach den damaligen Zus
ftänden auch eine geringe Münzeireulation gefolgert werden Tann.
Diefe wird nicht minder durch das feltene Vorkommen merovingifcher
Miünzfunde dieſſeits des Rheins beftätigt. Bei der früheren unbe
greifliden Gleichgültigfeit in Deutfchland rüdfichtlid der Münzen
der von uns jeßt in Betracht gezogenen Periode mögen hier vielleicht
manche Funde der fraglichen Art unbeadhtet geblieben und die gefun-
denen merovingifchen Münzen entweder eingefcjmolzen oder in ver-
fchtedene Kabinette ohne Notiz des Fundortes zeritreut fein; allein
in den legten Decennien ift man doch auch in ‘Deutfchland auf dies
fen antiquarifchen Gegenftand aufmerkfamer gewefen, und wären
folche Funde gewiß meift zur öffentlichen Kunde gefommen '.
Einige der im vorigen $. angeführten Beifpiele von Preifen und
Werthangaben aus Urkunden des Klofters Weißenburg haben bereits
gezeigt, wie während des achten Jahrhunderts im Elfaß die Zahlung
mittels anderer Werthgegenftände als baares Gelb oder Edelmetall
im ungemünzten Zuſtande üblich gewwefen. Diefe Art und Welfe der
Bezahlung wirb bei der Entrichtung größerer Bußen die Regel ge
bildet haben. In der Lex Alamannorum und ber Lex Baju-
wariorum wird, um bie8 des überfichtlichen Zufanmenhanges wegen
bier vorweg zu nehmen, ſolche Art der Bezahlung mehrfadh in au
drücklicher Weife erwähnt.
In Tit. LV, 3 und Tit. LVI, 2 der Lex Alamannorum
(Hlotharii) heißt es:
2 Im Großherzogthum Baben find, wein wir und recht erinnern, ei-
nige Funde merovingifher Münzen vorgelommen; aus anderen beutfchen Ge:
genden ift ung hierüber nichts bekannt geworben.
322
bunderts, gerade gegen Ende der meropingifchen Periode, im fränfi-
ſchen Weiche die Subjtitution der Silberwährung an die Stelle der
Soldwährung allmählicd) und ohne hervortretende große Störungen
fowie ohne daß die uns erhaltenen Gejege und Urkunden hierüber
auffällige Momente aufweifen, erfolgen Tonnte Es ift nicht zu ver-
fennen, daß dieſe Umgeftaltung der Währung und die damit verbun:
dene Einführung der ideellen Wertheinheit eines Solidus, thatſächlich
bargeftellt durch 12 Sülber-Denare, als NReichsgeld, ftatt des früheren
meiſtens durch drei Gold-Tremifjen repräfentirten und zu 40 Dena⸗
ren gerechneten Solidus, von Auftra ausgegangen ift und gleich
zeitig mit dem Emporkommen des Gefchlehts der Karolinger, das
befanntlich unter ripuarifchem Rechte ftand, zur allgemeinen Geltung
im Neiche gelangte. Unſerer Anficht nad) kann man feinen befonde
ren Werth auf ganz allgemein gehaltene Bemerfungen legen, wie
etwa folgende: die Einführung ber Silberwährung im fränfifchen
Neiche fei eine Folge des von den Auftrafiern gewonnenen Ueber:
gewichts, fie fei wejentlich eine politifche Maßregel geweſen, die ka⸗
rolingifchen Hausmeier und erften Könige hätten durch die Einfüh-
rung der Silberwährung fi die Zuneigung der Auftrafier fichern,
jie hätten durch Herabfegung des Solidus von 40 auf 12 Denare
und die damit verfnüpfte Ermäßigung der Bußen die neue Herrſchaft
beliebt machen wollen. Spuftematifche obrigkeitliche Vorkehrungen zur
Veränderung der Währung und Verbindung derjelben mit politifchen
Zweden find für jenes Zeitalter kaum bdenfbar. Man kann einräu-
men, daß derartige Momente, wenn man fich ihre Wirkſamkeit nad)
den damaligen öffentlichen Zuftänden vorzuftellen verfucht, nicht ganz
ansgefchloffen gewefen fein mögen bei der jchließlichen Durchführung
und Sanctionirung jener Umgeftaltung, allein die eigentliche Entſchei⸗
dung hierbei kann nur durch die Entwidelung der allgemeinen, den
Geldumlauf und eine davon abhängige unwillfürliche Münzpolitik wie
Rechnungsweiſe bejtimmenden Verhältniffe gegeben fein. Solche Ver⸗
bältniffe waren vor Allem die im vorigen 8 befprocdene fehr beträcht-
liche Abnahme des disponibelen Goldvorraths im fränkifchen Weiche
tim Laufe der beiden Jahrhunderte von etwa 540 bis 740 und die
damit Hand in Hand gehende Steigerung des Werths des Geldes;
ferner das Bedürfniß des größten Theile der auftrafifchen Bevölke⸗
rung, bei der unaufhaltfamen allmählichen Verringerung des Borrathg
an älteren römifchen Denaren, aber fortdauernder herfümmlicher Rech⸗
nung nad) diefer Münzforte, 12 davon auf den Goldfolidus gehend,
neue zum Erſatz geeignete Silbermünzen in genügender Menge zu er»
halten, welches Bedürfniß auf die Vermehrung und Verbefferung der
Silberausprägung gegen Ende der merovingifchen Periode hinwirken
mußte; endlich) der im größten Theil von Auftrafien unverändert
bleibende, ja eher fid) noch ausdehnende Gebrauch der Zahlungslei- -
ftungen vorwiegend in anderen Werthgegenftänben ftatt in Münze,
nach einer beibehaltenen feiten Taxe. Es ift nämlich einleuchtend,
dag eine effective Werthverringerung des Solidus, als Münze, auf
824 '
nicht die Facultät zu einer Zahlung mittels fonftiger Wertbobjecte
ausdrücklich geftattete, vielmehr die Zahl der Denare, 40 Stüd auf
den Solidus, durchweg und unzweideutig vorgefchrieben hatte. Durch
das progreffive Seltenwerden der Gold-Tremiffen, die häufigere und
beffere Ausmünzung fränkiſcher Silber-Denare, den von Auftrafien
aus fi) auch für den gewöhnlichen Verkehr des übrigen Reich ver:
breitenden Gebrauch der Rechnung von 12 Denaren auf den Solidus,
was den veränderten allgemeinen Werthverhältniſſen entſprach, wird
im Ganzen und Großen der Uebergäggagur Silberwährung, wie biefe
unter den Karolingern ausgebildet t, faft unmerflich und ohne
bejonbere Fürforge der Regierung und Gefetgebung ſich vollzogen haben,
wogegen aber die in der Lex Salica liegende Schwierigkeit einer aus⸗
drüdlichen Sleichftellung des Solidus mit 40 Denaren bejonderer Abhülfe
bedurfte. Die Verordnung felbft, wodurd) diefem Umſtande zur Zeit
Pippins Rechnung getragen wurde, ift uns leider nicht erhalten;
— —
daß eine ſolche aber erlaſſen worden iſt, wird in beſtimmteſter Weiſe
durch einen Beſchluß des im Jahre 813 zu Rheims abgehaltenen
Concils bezeugt, welcher dahin ging, den Kaiſer zu erſuchen: ut
secundum statutum b. m. d. Pipini misericordiam faciat, ne
solidi qui in lege habentur per 40 denarios discurrant, quo
niam propter eos multa perjuria multaque falsa testimonis
reperiuntur.
In der Einleitung zum vierten Abfchnitt diefer Beiträge, web
cher die Geld- und Müngverhältniffe im fränkifchen Reiche unter den
Rarolingern behandeln foll, wird diefer Uebergang zur Silberwährung
und zur allgemeinen Zwölftheilung des Solidus noch weiter zu be
Sprechen fein. Wir wenden uns alfo hier von der Trage ab, indem
wir nur noch bemerken, daß die in den Verdacht fpäterer Kinfchal-
tung gezogene Stelle Tit. XXXVI, 12 der Lex Ribuaria: quod
si cum argento solvere contigerit, pro solido duodecim dena-
rios, sicut antiquitus est constitutum, nad ihrem Zufammenhang
mit dem inhalt des Tit. XXXVI, 11 und dem einfachen Wort:
laute mur dahin verftanden werden Tann, daß wenn bie Buße oder
ein Theil derjelben, ftatt mit anderen Werthgegenftänden, mit Silber
bezahlt wurde, alsdann je 12 ‘Denare fir einen Solidus gerechnet
werden follten. Es fett die Beitimmung, in diefem Sinne verftan-
den, alfo voraus, daß bamals, als fie beigefügt wurde, ber Solibus,
auf den die Bußen lauteten, noch nicht der fpätere ideelle Silber⸗
Solidus war, wie folcher zuerft im Jahre 743 in officieller Aner-
kennung nachzuweiſen ift, fondern der gemöhnliche merovingifche
Gold⸗Solidus, fo daß diefe nachträgliche Einfchaltung vor Pippins
Zeit gefchehen fein muß; denn nach diefer Zeit wäre fie offenbar im
jeder Hinficht ganz unmöthig und zwecklos gewefen.
Die mit der Lex Ribuaria in wefentlicher Uebereinſtimmung
ftehende Lex Angliorum et Werinorum hoc est Thuringorum
enthält nur Werthangaben in Solibi, mit ber Untertheilung in Tremiſ⸗
8325
fen (Tit. IV, 8: Qui pollicem absciderit, 33 sol. et tremissem
conponat. — Tit. IV, 20: si sexta pars digiti est, unum tremis-
sem. — Tit.X, 4: Qui liberam non parientem occiderit bis 86 sol.
ot duos tremisses conponat), Man wird annehmen dürfen, daß,
Joweit diefe Rechtsaufzeichnung nicht erft unter karolingiſcher Herrfchaff
verfaßt worden, unter dem Soplidus ber gewöhnliche Goldjolidus zu
verftehen ei, worauf auch die mehrfache Erwähnmg der Tremiſſen
führt. Ueber die Eintheilung des Solidus in ‘Denare oder eine be=
jondere Benennung ber legtepfiwglebt diefe Lex feine Andeutung.
Alemannen?.
In den uns erhaltenen älteſten Aufzeichnungen des Volksrechts
ber Alamannen (den Fragmenten eines Pactus lex Alamannorum),
welche aus der Zeit vor Chlotar II. (vor 613) herſtammen, gejche-
hen die Werthangaben in solidi, durchweg ohne alle weitere Beifü⸗
gung, in tremisses und saigae. Lebtere Angaben kommen in fol«
genden Stellen vor:
‚43. 44. Si quis superius mortuum suum de alienas
res qua valuerit solidos in terra miserit, solvat solidos 40. —
Et si tremissis aut duos valuerit, solvat solidos 12 etc.
oO, 48. Si litus fuerit in ecclesia ut in heris generationis
dimissus fuerit, 13 solidos et tremisso componat.
H, 51. Si leta fuerit, 26 solidos et duos tremissus com-
nat.
” IH, 7—10. Si alius altero pra altero pignorat aut fo-
rore tollit, si domitum armento retullit, tremisse componat. —
3i indomitus fuerit, duas sagias conponatur. Si aequus fuerit,
solidum 1. — Si veltos fuerit, dimedium solidum. — Si ju-
nentus fuerit, tremisse.
Die zu Zeiten bes Königs Chlotar II. (613—622) veranftal-
tete Aufzeichnung der Lex Alamannorum in 75 Titel und die in
sinigen Handfchriften benfelben noch beigefügten Zufäge (c. 67—104),
m der Ausgabe von Merkel als zweites und brittes Buch bezeichnet
und wahrjcheinlicdh um die nämliche Zeit oder doch nicht viel ſpäter
aiedergeichrieben, zeigen in ber Art der Werthangaben feine Verſchie⸗
venheit vom älteren Pactus. Die Bußen und vorfommende Schät-
jungen des Werthes werden angegeben in Solidi und bei kleinen Be⸗
rägen in halben Solidi (LIX. LXU, 1 u. LXX, 2: solidum
anum et semis; LXII, 5: 2 semis solidos; LXXII, 3 u. XCVIL,
L: medio solido u. a.), in Tremiffen (XXII: porco valente tremisse
ano; LXXVII, 2: mellissima vacca 4 tremisses u. qa.), und in
ven Zufägen einmal auch wieder in saigae, nämlid) CI, 5: si
juis capriolum occiderit, saiga ſcomponatj.
infichtlich der Bezahlungsweife find die bemerfenswerthen Stel-
en LV, 3 und LVI, 2 bereits früher zur Erörterung gefommen,
? Lex Alamannorum edente Joh. Merkel in ben Monumente Germaniae
ıistorica. Legum T. III, 1 - 183 (1851 erfdienen).
II.
826
und erwähnen wir hier noch zur Vervollſtändigung folgende Beſtim⸗
mungen der Lex, welche ebenfalls auf die fubjibiäre Zahlung mit
anderen Werthobjecten al8 Geld: hinmweifen.
LXX, 1. 2. Si quis alterius amissarium involaverit,
elle cujus est debet probare quod valet. — Si enim dieit,
quod 12'solidos valuit, cum duos juret, quod sic valuisset;
ostea solvat illi fur tale quale ille juraverit in caput, et
* alios 8 wirigildos solvat medietatem in auro valente
pecuniam, medietate autem quale invenire potuerit pecunia
Wogegen e8 im folgenden Titel LXXI beim Diebſtahl eines big
auf 6 Solidi zu fchägenden Pferdes heißt: aut minus, quantum
illi ad sacramentum adpreciaverit in caput tantum restituat
fur; 8 enim geldos in quale pecunia habet solvat.
Die unter Herzog Lantfrid (um das Jahr 720) renovirte Zu:
fammenftellung der Lex Alamannorum zeigt rücfichtli der Werth
angaben und des Geldweſens keinerlei Verſchiedenheit von der Aufzeich⸗
nung unter König Chlotar I.
Dagegen enthält die in den Handfchriften am häufigften vor- |
konnnende letzte Recenfion dieſes Nechtsbuches, welche man Karl dem
Großen (um das Jahr 802) beilegt ‚und die tm Allgemeinen von
dem Gefeßbud) Lantfrids nur durch befjere Latinität, Meinere Zuſätze
und unbedeutende Meodificationen fich unterfcheidet und nur an ſechs
Stellen neuere Gefege eingefügt hat, in Bezug auf das Gelbwefen
eine fehr beachtensmwerthe Erläuterung. Einer der neu hingekommenen
Titel nämlid), der über die Eibeshelfer handelt und zwifchen Titel
IV u. V des Geſetzbuchs von Lantfrid (oder zwifchen Titel VI und
VL der älteren Redaction unter König Chlotar) feine Stelle gefun-
den Hat und den Titel LXXXV jenes Geſetzbuchs abändert und
ergänzt, befagt Nadhitehendes: Ä
‚1. De minoribus causis usque ad solidum valentem
licet unicuique qualem sacramentalem unum secum habere vult
in suo sacramento continere. Nam si duas saigas valentem
supra solidum res valuerint, de qua causa orta fuerit, tunc
debet homo qui causam requirit tres electos denominare, et
- ex denominatis tribus licentiam babet excusator reicere duos,
tertium vero reicere non licet, sed ipsum secum in sacramento
habere debet.
2. Saiga autem est quarta pars tremissi, hoc est dena-
rius unus. Duo saigi duo denarii dicuntur. Tremissus est
tertia pars solidi et sunt denarii quatuor. Ä
3. Ita observandum est usque ad tres solidos. Et supra
tres solidog iterum duas saigas valentes sqq.
Die unter 2 angeführte Stelle unterbricht offenbar den Zu⸗
fammenhang des Gefeges, fehlt auch in einigen Handſchriften und
erfcheint unverfennbar al8 nachträglich eingefügte Erläuterung.
Im Uebrigen hat in Rüdficht der oben angeführten Werthan⸗
gaben (Lex Hloth. etc. Tit. LIX. LXU. LXX. CU. LV. LVI.
327
LXXT) weder in der Recenſion Lantfrids noch in der f. g. Karo⸗
lingifchen eine irgend relevante Veränderung ftattgefunden.
Die in der Lex Alamannorum (Hlotharii) vorkommenden
Bußiäge find folgende: 4, 1, 14, 2, 24, 3, (5), 6, 8, (10), 12,
18, 36, 40, 50, 60, 80, 160, 200, 400, 600 Soli. .-.
‘ Wenn man die vorftehend zufammengeftellten Auszüge unbefan-
gen ‚prüft und dabei,dasjenige, was wir von. den gleichzeitigen Münz⸗
verhältniffen im übrigen fränkifchen Reiche kennen, in. Betracht -zieht,
fo ergeben fich für das Geld» und Rechnungsweſen der Alamannen
im meropingifchen Zeitalter in der Hauptſache folgende Refultate:
1. Der Solidus, wonach gerechnet wird, ift der nämliche Gold⸗
Solidus, 72 und fpäter 84 Stück auf das Pfund Gold, welcher
gleichzeitig bei den Branfen, Burgundern, Weftgothen, Longobarden
in Geltung war. Schon im älteften Pactus ift unter dem Solidus
effectives Metallgeld, nicht ein ideeller Werthbegriff verftanden. In
Uebereinftimmung mit der zur meropingifchen Zeit wirklich umlaufen-
den Hauptmünzforte, den Zrientes, kommt die Werthangabe hiernach
(unter der Bezeichnung Tremiſſen) vorzugsweife vor.
Merkel Hat freilich die Meinung geäußert, daß in dem Pactus
noch nicht nach jenen gewöhnlichen Gold-Solidi zu drei Tremiſſen,
fondern nach einer bejonderen Art Solidi von geringerem Werthe,
nämlid von nur 2 Tremiſſen, gerechnet werde '. Zur Begründung
diefer Behauptung macht er geltend, unter Berufung auf die bekannte
Stelle in der Lex Saxonum, in welder zwei Arten Solidi, bie
eine zu 2 Zremiffen und die andere zu 3 Tremiſſen, erwähnt wer-
den, und eine analoge Beftimmung in ber Lex Frisionum, daß fid)
durch diefe Annahme die Verfchiedenheit der Wergelöbeitimmungen tm
Pactus und in ben fpäteren Recenfionen des alamannifchen Rechts⸗
2 Merkel, Note 64 ©. 30: .... Causam diversi quod videtur esse
juris modum nummorum propono; Alamanni enim quum Francorum institu-
tionibaus jam non ita imbuti erant, ut ieges ipsae a victoribus constitueren-
tur, solidum duabus partibus sive tremissibus, sicut Saxones antiqui et Fri-
siones inter Wisaram et Laubachi accolentes videntur divisisse. . .. . Po-
stea quum Franci magis magisque mores suos ad ceteros populos ditioni
Merowingorum subjectos transferrent, Alamannos etiam nummos mutare docu-
'erunt et solidum trium tremissium introduxerunt. Et hoc credo momentum
fuisse, quod vis imperii in legem transtulerit, ubicunque poenae pecuniariae
statuebantur, re vera leviores effectae, quum pretia rerum, quas pro pecunia
majores nostri habebant, augerentur, et id, quod antea 3, tunc 4 tremissibus
valceret. Insignis igitur mutatio wirigildi facta est... ... Quae diversitates
Inter Pactum Alamannorum [III, 28. 51. 54] et Hlotharli legem cap. XVII.
LXIX obveniunt, eae tolli non possunt, nisi pecunia wirigildi diverss ratione
ad solidum modo trium modo duarum tremissium numerabatur ij. — Die vor
wierkel angezogene Stelle über den zwiefahen Solidus in ber Lex Saxonum
ift von ung bereit oben I, S. 595 vorläufig befprochen. Diefelbe iſt gänz:
ih verfchiedener Art von der in Bezug auf die Solidi ber Lex Alam. obne
weitere pofitive Grundlage aufgeftellten Hypotheſe. Auch die von Merkel
neben bem Hinweis auf ben zwiefahen Solidus ber Lex Saxonum citirte
Stelle auß Paulus Diaconus de gestis Langobardorum HI, 6, worauf wir
fpäter zurüdfommen müflen, paßt hierauf ganz und gar nid.
22*
328
Buches erklären würben. Vergleicht man aber diefe bezüglichen Be
ftimmungen mit einander:
‚ Pactus I, 37—39. Si baro fuerit de mino flidis, solvat
solidos 170 [verfchrieben ftatt 160]. — Si medianus Alamannus
fuerit, 200 solidos componat. — Si primus Alamannus fuerit,
240 solidos Componat etc. mit
Lex Alam. Hloth. Tit. XVII. Liber qui per cartam
firmitatem [andere Lesart libertatem] acceperint, si occidantur,
80 solidos conponantur etc.; und Tit. LXIX. Si quis autem
liber liberum occiderit, conponat eum bis octuaginta solidos
ad filios suos ..... Medius vero Alamannus, si occisus
fuerit, 200 solidos solvat eum parentibus,
fo ergiebt fi) dem einfachen Wortlaute nach keine DVerfchiebenheit,
fondern vielmehr wejentliche Uebereinjtimmung in den Bußfägen, und
eine Abweichung findet nur darin ftatt, daß die im Pactus mit auf
geführte Buße für den primus Alamannus in den fpäteren Recen⸗
fionen in Wegfall gelommen iſt. Der Vergleich jener Steffen iſt
alfo ein Beleg für die Gleichheit des Solidus in beiden Aufzeid-
nungen, fein Anzeichen der Verſchiedenheit derfelben. Hätte eine
foldje Abänderung in dem Werthe des Solidus ftattgefunden,, wozu
an und für fi) fonft gar Feine Veranlafjung irgend bekannt tft, fo
wäre diefe ungemein tief eingreifende Neuerung vor Allem tin ber
neuen Aufzeihnung ber Lex zu erwähnen ober doch irgendwie anzu⸗
deuten getvefen; hiervon findet fich aber Feine Spur. Es kommt mm
noch der Umftand in Betracht, dag im Pactus felbft (f. o.) an einer
Stelle eine Werthangabe auf 26 solidos et duos tremissus lautet,
woraus hervorgeht, daß damals der Eolidus bei den Alamannen
nicht zu zwei Tremiſſen gerechnet werden Tonnte, denn font hätte es
ja heißen müſſen 27 solidos, und daß ebenbafelbft III, 9. 10 un«
mittelbar Hintereinander dimedium solidum und tremisse aufge
führt werben !,
2. Daß in der Lex Alamannorum bei den Bußfäten bie
Beitinnmung eines halben Solidus häufig vorfommt, beftätigt unfere
früher erörterte Anficht, daß die urfprüngliche Wertheinheit der Buße
anfäge nicht die Goldmünze diefed Namens geweſen, fondern biefe
nur an bie Stelle eines älteren Werthbegriffs getreten ift.
Dagegen bezeugt anbererfeits die mehrfach wiederkehrende Angabe
des Werths von Vieh 2c. nach 4 oder 5 Tremiffen die auch an und
für ſich höchſt wahrfcheinliche Annahme, daß diefe Miünzforte im 6.
und 7. Jahrhundert das Hauptzahlungsmittel bei den Alamannen
geworden war, wie ſchon vorhin bemerkt ward.
2 Nachdem Obigeß gefchrieben war, bin ich darauf aufmerffam gemacht,
daß Hr. Watt bie Vermuthung Merkels wegen eines befonberen alamannifchen
Solidus zu 2 Tremiffen in ben Gött. Gel. Anz. i. 3.1850, St. 41, bereits zu:
rüdgemiefen bat. Wenn biefelbe dennoch in ber 1851 erfchienenen Ausgabe
ber Lex wiederholt ift, fo liegt ber Grund wol nur barin, baß biefer Theil
der Ausgabe bereit? nedrudt war, als jene Mecenfion über bie Schrift Res-
publ. Alamannorum veröffentlicht wurde,
>. Eird pre umezsenmen, daß tie r Rebe fichente Erſan⸗
zrurg, mund te Senpe der ;zwöljte Theil eires Seldus umb bem
Zee ei fer, erik mb larolingiſcher Zeit, etwa ans dem Sehr
MB Yerrüßer, je fan bie Stelle, ohne baram die eben begrũndete
Arche über die mrfprüngliche Ydentität ter Suige mit dem alien
runter Teens zu beeinträchtigen, auch noch enber& im befriedigen
der aut eufudher Weiſe ausgelegt werden. War bat dann
der Ferfauf sch etwa wie folgt Ju deufen. Seit <43 war an bie
Ztxrfie des früheren Gold-Solidus zu 40 Tenaren in folge des pro-
giimer Schzrmwerbens der Soldmünze und der beñeren Aneprãgung
des Silber⸗Denars in Auftrafien und darnach im frärkijchen Reiche
überhaum 2er ideefle Silber-Zofidus ;u 12 Tenaren diejer ſchwere⸗
ren Art getreten, der bei geftiegenem Berthe dee Metallgeldes unge
fühe Dieicbe Suufbefähigung gewährte, wie zmeifumbert Jahr früher
der Gold⸗Solidus. Ter neue karolingiſche T als „%, des Silber:
Solidus konnte alfo Ende des oder zu Anfang des
chen Gold-Solidus zu drei Tremifjen nad) ımd nad) im ganzen frän-
Baiern.
Ueber feinen Theil der älteren deutfchen Drünzverbältniffe find
die bisher geäußerten Anfichten und verjuchten Erklärungen fo mans
nigfach und fo unter fich abweichend, wie über die Werthbeftimmuns-
gen und Münzwerthe, welche in der Lex Bajuwariorum vorkom-
men. Es werden in diefem alten Rechtsbuche aufgeführt solidi ohne
weiteren Beifat, solidi auro adpretiati, tremisses, saicae, dena-
rii. Hieran haben fi) nun vornämlich die Fragen gefnüpft, ob die
in der Lex erwähnten Solidt durchweg berfelben Art feien, nämlich
Gold-Solidi, oder ob neben diefer Münzforte, welche durch auro ad-
preciati fpeciell bezeichnet würde, gleichzeitig auch nach Silber⸗Solidi
gerechnet fei, — ob unter dem bairifchen Gold-Solidus derfelbe Werth
zu verftehen fei wie bei den Franken, nämlich 40 Denare, ober ein
Werth von nur 30 Denaren, — in welchem Verhältniß die saica
recht erhalten. Im Uebrigen verweifen wir auf Anmerkung IL, wo eine mög:
lichſt umfaffende Zufammenftellung der auf bie saiga bezüglichen Notizen mit:
getheilt werben foll.
332
R: u saioas (oder saicis) et semi; in A 3 ift VIIEI in VII
cerrigirt.
2. Die Abfaffung der Tit. IL. VII—XXIU wird in de
Zelten Childeberts I. und Chlotars II. gefegt. Diefe Titel enthal-
ten theils veformirtes altes Hecht, theils neue Geſetze. Wenn men
ble Angaben im bekannten Prolog zu biefer Lex berückfichtigt und
zugleich in Betracht zieht, daß in dem hier in Rede ftehenden Ab⸗
fhnitte des alten bairifchen Nechtsbuches mehrere Capitel ber Lex
Wisigothorum, wie folche vor der Reviſion berfelben i. J. 649
galt, übergegangen find, fo läßt fich die Entftehung dieſes Beftandtheiles
der Lex Bajuwariorum wohl nicht fpäter als die Mitte des fie
benten Jahrhunderts annehmen. (Tit. IV, 4 und append. 3—5
werben bald nachher zu feten fein). |
Auch Hier finden fi die Werthangaben in Solidi ohne weitere
Beifügung ; außerdem kommen ebenfalls vor medius solidus, tre-
missis und saica. Diefe letztere Geldforte an folgenden Stellen:
Tit. IX, 2. Et si in ecclesia, vel infra curte ducis, vel
in fabrica, vel in molino aliquid furaverit, triuniungeldo con-
ponat, hoc est ter nove reddat: quia istas quattuor domus
casas publice sunt et semper patentes.
Et si negare voluerit, secundum qualitatem pecuniae ju-
ret. Si una saica, id est 3 denarios, furaverit, solus juret se-
cundum legem suam. Si duas saicas, hoc est 6 denarios, vel
amplius usque [ad] solidum, quod sunt tres tremisses, cum
sacramentale uno juret.
Es ift zu beachten, daß die Erläuterungen “id est 3 denarios’
und oc est 6 denarios’ in Feiner der Handfchriften fehlen oder
nachträglich eingetragen find, daß alfo ein äußerer Grund zur An«
nahme einer fpäteren &infchaltung derſelben hier nicht vorliegt.
Tit. XII, 4. Si quis contra legem porcos ad pignus
tulerit, unumquemque cum 2 saicas conponat. Illam ductri-
cem cum tremisse conponat.
Tit. XIV, 9. Si quis bovem alterius cornu a capite ex-
cusserit, cum tremisse conponat; si cornu exilierit et oasa re-
manserit, 2 saicas donet.
10. Si vaccam excusserit, 2 saicas conponat.
13. Similiter qui alterius bovem caudam amputaverit
vel aurem, cum tremisse conponat.
14. Si vaccam alterius hujusmodi laederit, cum duas
salcas Conponat.
3. Mit. I u. O der Lex Bajuwariorum, fowie Tit. IV, 30.
31 fcheinen in den erften Jahren des achten Jahrhunderts unter dem
Herzog Theodo II. entftanden zu fein, und zwar Tit. I offenbar
vornämlich auf Anhalten und unter dem Einfluß der Geiftlichkeit.
Die Abfaffung ift jedenfalls in die Zeit vor Bonifacius, aber nad)
et I. zu fegen. Hierin find folgende Werthangaben zu be⸗
achten. .
834
si dux illi concesserit aliquid habere, conponat [cum] 80 »-
08,
Die fpäteften Beftandtheile der Lex Bajuwariorum in be
und erhaltenen Recenfionen find Tit. VII, 1—3 (de nuptiis pro-
hibendis inlieitis) und Appendix c.2 in Merkels Ausgabe, welde
zur Zeit Herzogs Taſſilo M., im Anfang der Regierung Karls des
Gr. beigefügt find. In ihnen findet fich keine Werthangabe.
Die Texte II und III der Lex. in Merkels Ausgabe zeigen
Binfichtlich der Werthangaben feine irgend weſentliche Abweichung von
fon vorftehenden Nachweifen zum Grunde gelegten älteften Re
cenfton.
Die im alten bairifchen Rechtsbuch vorkommenden principalen Buß.
anjäge find: 4, 4, (3), 1, 14, 2, 3, 4, 5, 6, 9, 10, 12, 15,.20,
40, 7 160, 200, la 640 und 900 Solidi.
8 mögen hier gleich einige Werthangaben ſich anreihen, welche
in bairifhen Urkunden bis zum erften Viertel IA —* Jahr⸗
hunderts vorkommen. Wenn auch keine (oder etwa doch nur die erſie)
derſelben unmittelbar derjenigen Periode noch angehört, welche wir
hier betrachten, fo erfcheint ihre Berückſichtigung doch ſchon deshalb
nicht unpaffend, weil man vorausjegen darf, daß die für das fränfi-
fche Reich im Allgemeinen getroffenen Verordnungen ober ftattfinden-
den DVeränderumgen gerabe in Baiern, welches eine mehr felbftändige
und eigenthlimliche Stellung bewahrte als die meiften anderen Landes⸗
theile, Iangfamer zu Geltung gelangten, und daß die älteren Einrich⸗
tungen, wie in anderen Dingen fo auch im Münzwefen fich dort länger
erhielten; außerdem erinnern mehrere Werthangaben in den Urkunden
fpeciell an bie Bezeichnungsweiſe im alten bairifchen Nechtsbuche, und
der fich vorbereitende Webergang von dem älteren zum Tarolingifchen
Munzweſen muß fich darin erkennen laffen.
745. Schenkung einiger Grundftüde an bie Freifinger Kirche
feitens eines gewiffen Moatbert und feiner Gattin Totana. Actum
in castro Frigisinga mensis septembris die 12., anno glorio-
sissimi ducis Oatilonis 8.
..... Si quis de haeridibus meis vel qualibet Oppo-
sita persona contra haec donationem venire vel frangere vo-
luerit, inprimis Dei iram incurrat ..... et judice terreno
culpabilis sit auri D solidos'! (Meichelbeck, Hist. Fris. I, 45).
In mehreren Freifingifchen Schentungsurkunden aus ben Jah—⸗
ren 750, 752, 753, 755, 757 (Meichelbed a.B. I, 48 ff. u. In-
strumenta Nr. 8 u. 10), und mitunter auch noch aus fpäterer Zeit,
werden als Strafe für Verlekung der Schenkungen auri librae
(II, V, X u.f. mw.) vorgejchrieben. Dagegen enthalten Schenkungs⸗
urfunden aus den Jahren 760, 765, 769 u. f. w. bie entfprechende
! Der gleiömäßige Ausbrud judice terreno in biefer Freifingifchen Ur⸗
kunde von 745 und in bem zu Anfang bes 8. Sabrhundert3 geſehten Tit. I
ber Lex Bajuw. (f. 0.) ift beachtenswerth.
Androhung solidos [ECCC oder D] solvat, ofme Zufak über die
Art des Solidus.
In einer S sub duce nobilissimo Tassilone
ohne nähere Angabe des Jahre, wird ein census beftinmt auf duo-
decim denarii (Meichelb. Nr. 89).
Eine, wenigiten® in der erhaltenen Form, umechte Freifingifche
Urkunde (v. J. 796?) enthält die Beitimmung: annis singulis
exinde censum redderet, hoc est sex denarios vel sex dena-
riorum pretio in victu vel vestitu aut in cera aut in pecodi-
bus (Meichelb. Nr. 68). Wenn aber aud) das Datum regnante
Karolo Magno imperatore anno VIIIL bei der Abfchrift verändert
ift, fo mödjte doch im Uebrigen der Inhalt der Urkunde in die an⸗
gegebene Zeit reichen. Die in Meichelbeck's Sammlung unmittelbar
vorangehende Urkunde datirt vom “Jahre 775 und die nädjitfolgende
vom Jahre 777, nämlid dem 28. und 30. Regierungsjahre bes
Herzogs Taffilo.
797. (anno regnante domno Karolo X.)...... in
fisco XL solidos conponat auro adpreciatos (Meichelb. Nr. 173).
799. <(regnante domno nostro Karolo rege in Bajowaria
anno XIL).... ut annis singulis censum solvere debeam
dimidium solidum in argento aut grano (Meichelb. Nr. 274).
(788—810 unter dem Bifchof Hatto, ohne nähere Zeitbeſtim⸗
mung). Als Zaufh und Kaufpreis für verfchiedene Grundſtücke
werben aufgezählt: jurnales XL, pratas VI carradas et unum
um cum scutum et lancea, und heißt es hernach noch: ac-
ceperunt inde septem solidos de argento (Meichelb. Nr. 250).
807. (anno VII. imperii domni nostri Karoli Magni im-
peratoris) Beilegung einer Streitfahe ....... dedit eis wadium
„dvocatus Ottoni episcopi pro solidos XXX — ohne weiteren
Zuſatz der Art der Solidi — (Meichelb. Nr. 124).
808. (anno gloriosissimi imperatoris Karoli augusti VIIL)
. .. . censum debet reddere duos solidos de argento (Meichelb.
Nr. 155). Eine andere Urkunde deſſelben Jahrs (Meichelb. Nr.
156) beftimmt als jährlichen Cenſus tres solidos, ohne weitere Ber
zeichnung ber Art der Solidi.
815. (anno I. imperii Hludowici). ..... pro censum omni
anno decen argenti solidos franciscos darı constituit (Mei-
chelb. Nr. 323). |
816. (anno imperüi Hludowici augusti II.) ..... . wadia-
vit... annis singulis unum solidum de auro solvere aut
XXX denarios (Meichelb. Nr. 349).
Nachdem die hauptfächlich in Betracht zu ziehenden verfchiedenen
Werthangaben im Vorftehenden zufammengeftellt find, wollen wir
zunächft einige hierüber vorgebrachte Aufftellungen und Vermuthun⸗
gen erörtern, welche ung als an ſich unzuläffig, oder doch der Wahr⸗
ſcheinlichkeit nach nicht zutreffend erfcheinen.
Es ift behauptet worden, baß in der Lex Bajuwariorum
886
zweierlei .Solidi vorfämen, die auch deutlich unterfchieden würden,
nämlich Silber-Solidi zu zwölf fränfifchen Denaren, welche in allen
den Füllen zu verftehen felen, wo man dafelbft solidi ohne weiteren
Zufat finde, und Gold⸗Solidi, bezeichnet durch den Ausdruck solidi
auro adpreciati. Hiergegen ift aber ſchon von Anderen mit Grund
eingewendet, daß die Webereinftimmung mander Bußanſätze und
Werthbeftimmungen in der Lex Bajuwariorum mit denen in ben
Nechtsbüchern der benachbarten Alamannen und Ripnarier ! darauf
binweife, daß auch die Wertheinheit der Solidi die nämliche geweſen
jein werde, da nicht anzunehmen, daß die gleichen Vergehen bei den
Baiern nur mit dem Dritttheil deſſen, was bei ihren Nacdhbaren zu
entrichten war, zu büßen, oder die wirklichen Preife der Dinge in
ſolchem DVerhältniffe verfchieden gewefen wären. Es tritt hier das
nämliche Verhältniß ein, welches wir früher zwifchen Salifchen und
Ripuarifchen Franken zu bemerken hatten. Daß bei den Baiern
Gold» Solidi und Tremiffen als die gewöhnlihe Münze gegolten
haben, wird auch noch dadurch an und fir ſich wahrſcheinlich, weil
die Longobarden, mit denen die Baiern in näherer Verbindung ftan-
den, bi8 zum Jahre 796 nur diefe Art Solidi kannten, und weil bei
den öftlichen Nachbarn der Baiern, bei den Avaren?, bie byzantini⸗
hen Goldmünzen in Folge der davon als Tribut oder Beute ge
wonnenen großen Summen, in beträchtlicher Menge vorhanden fein
mußten, wovon Einiges wieder weiter nach Baiern gelangen mochte,
Die an mehreren Stellen bes bairifchen Nechtsbuches vorkom⸗
mende Bezeichnung solidi auro adpreciati bedeutet nicht Gold⸗So⸗
1 18 Beifpiele erwähnen wir: Lex Rib. XXXVI, 4. Bi quis Ripus-
rius advenam Alamannum ... . . vel Bajuwarium . . . . interfecerit, oentum
sexaginta solidis culpabilis judicetur. — Lex Alam. (Hlotharii) LXIX, 1. Si
quis liber liberum occiderit, conponst eum bis octuaginta solidos ad filios
suos. — Lex Bajuw. IV, 28. Si quis liberum hominem occiderlt, solvat
nen. bis 80 solidos, hoc sunt 160.
Lex Rib, I. Si quis ingenuus ingenuum ictu perousserit, solido uno
culpabilis judicetur. — Lex Alam, LIX, 1. Si quis alium per iram perous-
serit, quod Alamanni pulislac dicunt, cum uno solido conponat. — Lex.
Bajuw. IV, 1. Bi quis liberum per iram percusserit, quod pulislao vocant,
1 solidum donet. — zür das Schlagen eines Unfreien wirb in ber Lex
Ribuar. wie in Lex Bajuw. bie Buße einer tremissis beftimmt.
Der Werth eined acceptor commorsus gruarius in ber Lex Ribuar., eines
acceptor, si gruem mordet, in ber Lex Alam. unb eine acceptor, quem chra-
nohari dicunt, in der Lex. Bajuw, wirb in allen biefen Rechtsbüchern gleich:
mäßig auf 6 Solibi angelegt. — Der gewöhnliche Werth eines Sflaven
ſcheint überall 12 Solidi gemwefen zu fein.
2 Die Avaren erhielten im flebenten Jahrhundert längere Zeit hindurch
einen jährlichen Tribut von 100,000 Solidi von ben oftrömifchen Kaifern
ausbezahlt. SKaifer Heraclius mußte ihnen zuletzt gar 200,000 Solidi zuge
ftehen, — vowsouarwv uvgradas elxocs, Theophanes (Bonner Ausg.) S. 451.
Melde enorme Summe von byzantinifhen Golbjolidi mußte fih auf biefe
Weife innerhalb einiger Jahrzehnte bei ben Avaren anhäufen! Sollte barin
nicht auch eine Erflärung liegen, weshalb gerabe bie Golbmünzen ber dama⸗
figen Kalfer in ben Müngfammlungen häufiger vorlommen?
837
‚im Gegenfag zu Silber-Solidi, fondern nur die Verpflichtung,
ben Fällen, wo diefer befondere Vorbehalt bei den Bußſätzen Bin»
ım, den Betrag in effectiver Goldmünze zu entrichten, nicht in
eren Werthgegenftänden nach einer herfüömmlichen Taxe. Daß der
zdruck adpreciare in ſolchem Sinne zu verftehen und fehr ge
uchlich war, ift durch mehrfache fonftige Belege nachgewiefen !.
Wenn wir hiernach mit Hrn. Waitz darin völlig übereinftimmen:
ift gar nicht daran zu zweifeln, was doch an fich gewiß auch das
tärliche ift, daß in der ganzen Lex Bajuwariorum überall von
jelben Solidis die Rede ift“, fo fcheint und dagegen die Vermu⸗
ng dejjelben Verfaffers, daß die Baiern den mancosus auri, eine
italienischen und mitunter auch in deutfchen Urkunden vorkommende
mzſorte zum Werthe von 23 fpäteren fräntifchen Silberfoliden,
J. 30 Denaren, bei ihren Geldverhältniffen zu Grunde gelegt
en, in feiner Weife zuläſſig. Dieſer Anficht zufolge würden die
tern zur merovingifchen Zeit allerdings ebenfo wenig wie die an⸗
m deutfchen Völker nach Silber-Solidi, fondern auch nad) Gold-
Inze gerechnet haben, allein diefe Wertheinheit wäre bei ihnen
ch eine befondere Art Solidus, der nur drei Viertel des gewöhn⸗
m Goldfolidus gegolten hätte, vertreten gemefen.
Die diefem Abfchnitt als Beilage ſich anfchliegende Anmerkung
enthält über die Mimzſorte oder den Werthbegriff der Mancosi
° Mancusi eine umfaffende Unterfucdhung, auf welche wir bier
Uebrigen Pezug nehmen. Aus derfelben wird man erfehen, daß
Vorkommen der Mancosi erft in eine Zeit fällt, welche jeden⸗
3 fpäter ift al8 die Abfafjung der Lex Bajuwariorum, daß die
m eine eigenthümliche Art der byzantinifchen Gold-Solidi gewefen
werden, daß aber Nichts darauf führt, fie jeien im Werthe bes
end verschieden von den gewöhnlichen Solidi, und fyfſtematiſch
‚ einem etwa um 4 geringeren Münzfuß ausgeprägt geweſen, und
die Angabe wegen ihrer Berechnung zu 30 Denaren anders zu
iren fein dürfte. '
Diefer legte Punkt fteht indeß, wie wir gleich fehen werden,
ı in befonderer Beziehung zu der Auffajfung des älteſten batrifchen
N und wir müffen denfelben aljo auch bier näher ins
e faſſen.
Es ift nämlich leßthin nachzumweifen verfucht worden, daß bei
Baiern ber Solidus urfprünglic) eingetheilt worden fei in 10
gä, oder, da nad) einer unzweifelhaften ausdrücklichen Erflärung
er Lex felbft (Tit. IX, 2) eine Saiga 3 Denare galt, in 30
are?. Diefe Anficht wird hauptfächlich auf die oben mit ange-
2 Bol. die ſchon augeführten Stellen aus einer Freiſingiſchen Urkunde
der Lex Alaman., und im Uebrigen Waitz a. B. ©. 26 und Merkel in
Lex. Alam. ©. 48 und zur Lex. Bajuw. ©. 272.
= Maik a. Abb. ©. 24 u. 385 Deutfche Verfaffungsgefchichte IV, 73.
den Baiern findet ſich ein Golbfoliduß zu 30 Denarien“. — „Dieje Rech:
‚ gilt ſchon überall in ber Lex Bajuwariorum“.
hrien Stellen ber Lex, Tit. L, 3 und Tit. V,2, begründet, wen
nm noch bie bereits bei Gelegenheit der alamannijchen WRünzeer
halle erwähnten Rotizen aus einer Grager Handſchrift des zwäll-
ten Jahrhunderts und der Umſtand, nd, dab fpäter in Baiern ber Gel-
Eolidus zu 30 Denaren gerechnet jei, binzutreten.
Bir wollen dieje verfchiedenen Momente einzeln betrachten, und
beginnen mit dem eben zulegt erwähnten, welches dem Aufchen neh
eine befondere Bedeutung in Anfprud nehmen darf. Wenn nändid
wirflih um das Jahr 816 in Baiern der Gold-Solidus zu 30 De
naren gerechnet wurde, jo ift in Ermangelung gewichtiger Gegengründe
eine ſtarke Bräfumtion dafür, Daß auch früher ein gleicher
dort beftanden habe. In der in Rede jtehenden Urkunde v
816 (j. 0.) verpflichtet ſich ein geoiller Nidhart jährlich zu zahlen
unum solidum de auro aut XXX denarios. Dieje Worte ent:
halten feine Angabe über die Eintheilung der Solidus, fondern befagen
nur, daß der Werth eines Gold: Eolidus und von 30 Denaren,
worunter offenbar nur gewöhnliche karolingiſche Silber - Denare ber
damaligen Zeit verftanden jein können, gleich war oder doc) damals für
gleich geachtet wurde. Es war alfo in biefer Urkunde daſſelbe [e
geſetzt, was wir in einer Yudwig dem Frommen und ebenfalls dem
Jahre 816 6 ageihricbenen Urkunde zu Gunften des Klofters des h.
Zeno in Verona finden, in welder 25 Mancusi greichgejegt werben
mit 50 Silber-Eolidi, aljo 1 Mancusus mit 30 Denaren !. Diefe
Uebereinftimmung zweier völlig verſchiedenartiger Urkunden, deren
Ausftellung nad) ihrer eigenen Angabe in daſſelbe Yahr fälkt, umd
von welden bie eine für Verona, bie andere für Freifingen ausge
ftellt war, erſcheint als ein ſehr merfwürdiger Beleg für die Authen⸗
ticität ber fraglichen Werthbeſtimmung, bag der Goldſolidus (demm der
Mancosus ift, wie in der Anmerkung III näher nachgeiviefen werben
foll, nur eine Varietät des Bon), zu jener Zeit wirklich 30
Denare ber damaligen Art gegolten bat.
Wenn man fich nicht auf die Auskunft befchränkt, welche bie
Auslegung des Wortlauts der alten Pergamente verſchafft, fondern
zugleich noch erhaltene Munzſtücke, welche die Werthe, von denen in
jenen Urkunden bie Rebe iſt, damals in Wirklichkeit dargeſtellt haben,
zur Hand nimmt und forgfältig prüft, fo erhält man eine überra-
chende Beftätigung von der Nichtigkeit der vorhin angeführten Stel-
len, woraus ſich dann aber auch von felbjt eine genügende einfache
Erläuterung des wahren Sachverhältnifjes ergiebt.
Fragt man, an welde Art Münzen man um das Jahr 816
gedacht haben wird, wenn man in Baiern bie Zahlung von solidi auri
vereinbarte, fo kann die Antwort, welche unjere Münzkunde darauf
ertheilt, nur dahin gehen, daß man entweder fränkiſche oder longo⸗
bardiſche Tremiſſen (3 für einen Solidus gerechnet) wie fie im fie
benten unb beziehentlih noch bis zum legten Viertel des achten
2 Das Nähere hierüber ſ. in Anmerkung IN
339
Sahrhunderts geprägt worden waren und fich theilweife noch im
Umlaufe erhalten haben mochten, meinte, oder, was wahrfcheinlicher,
daß man, in Ermangelung fonftiger Goldmünzen, deren Ausprägung -
damals im übrigen Europa (vielleicht mit alleiniger nennenswerther
Ausnahme der Iongobardifchen Fürftenthiimer in Süditalien) fett län-
gerer Zeit aufgehört Hatte, nur noch an biyzantinifche Gold-Solidi
der gleichzeitigen oder vorangegangenen Wegierungen dachte. Der
durchfchnittliche innere Werth der damaligen gewöhnlichen byzantini⸗
ſchen Solidi war, wenn wir ebenfo wie nachher bei den Silber-Des
naren, die Legirung außer Betracht laffen, ca. 4.40 Gramm Gold,
oder, bei Annahme einer Werthrelation des Goldes zum Silber wie
1:12, ca. 54 Gramm Silber. Die unter der Regierung Ludivig
des Frommen geprägten Denare aber wiegen, um auch hier das Er»
gebniß fpäterer fpecieller Darlegung unferer Beiträge vorweg zu neh⸗
men, durchichnittlih 1.66 Gramm, fo dag 30 Denare mithin ein
Duantum von ca. 50 Gramm Silber enthielten . Zieht man bie
verhältnigmäßig höheren Münzkoſten und ftärkere Abnutzung des Sil-
bergeldes in Betracht, jo wird man mit ziemlicher Zuverficht behaupten
können, daß die gleichzeitig (816) für Fälle in Baiern und in ber
Lombardei ausgefprochene Gleichſtellung des Goldfolidus und 30
Denare ihren Grund in den effectiven Gewichtöverhältniffen beider
Münzforten und der damaligen Werthrefation hatte, daß man alfo
nicht nöthig Hat, für den jo berechneten Solidus eine um ein DVier-
theil verringerte befondere Goldmünze anzunehmen, daß vielmehr das
nachgewiejene thatjächliche Verhältniß .entfchieden der Bermuthung wis
derfpricht, als ſei der bairiiche Goldfolidus und ‚ser Mancosus nur
3 des gewöhnlichen byzantinischen Solidus gewefen.
Wenn fpäterhin in einigen Gegenden Baierns der Gebrauch ber
ftanden und noch bis in neuere ‚Zeit fich. gehalten hat, nach Schillin-
gen & 30 Pfennigen zu rechnen 2, fo kann diefe Rechnungsweife, wie
fo mandye andere in verfchiedenen Gegenden, feiht aus beſonderen
Berhältniffen zur Zeit der Münzwirren zu Ende des Mittelalters
ı Mir geben bier das Ergebniß ber in ber Anmerfung UI mitgetheiften
betaillirten Notizen, welche bei der Erörterung über bie Münzforte der Man-
eosi mit in Betracht fommen mußten.
8° Diefe Gewichtsannahme für die Denare Lubwigs bed Frommen beruht
auf einer von Gusrard angeftellten Gewicht3ermittlung von 125 Stüd, welche
einen Durdfchnitt von 1.67 Gramm ergab, und ber Unterfuchung Longperierz,
ber bei Wägung von 53 Denaren ber fraglichen Art in ber Rouſſeauſchen
Sammlung ein Durdfchnittögewicht von 1.685 Gramm fand.
5 Mobad, Zafchenbuch der Münze 2c. Kunde. Lpz. 1850. I, 692: „Frü-
berbin warb in Baiern, zumal im ehemaligen Hochftift Megensburg, . . . -
bei Grundzinſen, gerichtlichen Strafgeldern 2c., und lediglich bei biefen, nad
f. 9. ſchwarzer Münze oder fchwarzer Währung gerechnet. Das Verhältniß
Biefer Rechnungsmünzen war folgenberweife geordnet. Ein Regensburger Pfund
== 5} Pfund Heller = 41 ſchwarze Schillinge = 1230 ſchwarze Dfenniger.
Das Pfund Heller wird mithin zu 8 Schillingen unb ber Schilling zu 30
Pfennigen gerechnet.
840
oder det 16. und 17. Jahrhunderts Kervorgegangen und bie Ueber
vituumung mit ber im 9. Jahrhundert bezeugten Gleichſtelluug ds
Goldſolidus mit 30 frankifchen Denaren nur zufällig fein; hält mes
aber einen Zufammenhang diefes Gebrauchs mit dem älteften Mün-
weien für wahrfcheinlich (und Hierfür fpricht allerdings der Umfian,
daß diefe Rechnungsweiſe gerade nur bei Grundzinfen und gerichtli
hen Strafgeldern ſich erhalten hatte), fo kann der Gebrauch eben ans
der Gewöhnung an dieſes thatfächliche Verhältnig, welches bleiben sufte,
10 Lange die Kyzantinifchen Golbjolidi und bie fränfifchen Denen
dort umliefen und nach weientlich unverändertem Münzfuß gemünzt
wurden, abgeleitet werben, ohne daß man aus diefem Umftand auf
die Rechnungsweiſe in der noch älteren Zeit der Abfaffung der
ex Bajuwariorum fchließen darf.
Aus dem oft fchon befprocdenen von Hrn. Wattenbach mitge
ten Auszuge aus einer Grager Handfchrift gehört hierher die
Notiz: Secundum legem Bawariorum secundus semis dena
rıus scoti valet, 3 duobus scotis, 5 denarios valet saiga, 7
denarios tremissa, ter 5 semisolidum faciunt, sexies 5 denarü
solidum faciunt, 8 solidi libram faciunt. Wenn diefe Nachricht
in der vorliegenden Faffung auch unverkennbar durch Schreibfehler
oder fchon durch Mißverftändniß ihres Urhebers theifweife entftellt
ift und offenbaren Widerfpruch enthält, worauf fpäter noch zuräd
zu fommen, fo ift andererfeits doch einleuchtend, daß die Gleichſtel⸗
lung des Solidus mit 30 Denaren darin Har ausgefprochen ift, in
dem die Angaben ter 5 [denarii] semisolidum faciunt und se-
xies 5 denarii solidum faciunt fowie 8 solidi libram [d. h. ein
Pfund Silbermünze oder 240 PN faciunt fich gegenfeitig bes
ftätigen. Ebenfo unzweifelhaft ift, daß unter dem Solidus fein an-
derer als der Gold-Solidus verftanden fein kann. Indem aber bie
Werthbezeichnung bes scotus, als einer halben Saiga, in der Lex
Bajuwariorum überall nicht vorfommt, fo ergiebt fich fchon daraus,
bof ber Verfafjer jener Notiz dabet nicht fpeciell an dieſes Rechte
buch gedacht haben Tann, fondern daß der Ausdrud secundum le-
gem Bawariorum in einem allgemeineren Sinne, nämlich von dem
in Baiern geltenden Recht überhaupt, zu verftehen if. Daß im neun
ten Sahrhundert aber in Baiern, und auch fonft, wo die gleichen
Münzwerthe vorfamen, der byzantinifche Goldfolidus 30 Denaren
des damaligen Münzfußes im effectiven Werthe ungefähr gleich ftand,
baben wir eben nachgewiefen, und fo können wir in jener Notiz eine
Beftätigung diefer an und für fich unzweifelhaften Thatſache erbli-
den, allein durchaus Leinen Beleg dafür, daß der in der Lex Ba-
juwariorum erwähnte Solidus zur merovingifchen Zeit zu 30 Der
naren oder zu 10 Saigä gerechnet fei.
Wie man in der Steigerung ber Anfäge in Tit. I, 3: una
Baica, — duae saicae vel tres et usque ad tremisse, — qua-
tuor tremisses, eine Beftätigung der Zehntheilung des Solidus, und
nidyt vielmehr ein Zeugniß zu Gunften der Zwölftheilung finden
Sind 12 Saigä auf den Solidus zu rechnen, fo Hätte es folgerid-
fig im mittleren Anſatz 9 Saigi lauten müflen (6:9:18 Saigi);
iner Eintheilung des Solidus in 10 Saigä wäre das Berbält
niß 5:74:15 Saiga. Da nm eine der älteften Codices (Al)
d g are-g e sgele
meiften lejen, verborben werben fonnte, fo zweifelt Hr. Weit nick,
daß dies als das Urjprüngliche angejehen werden müſſe, und betrach⸗
tet die Stelle, jo bergeitellt, ala einen Beweis, dag in dem betref-
fenden Theil der Lex Gold-Solidi mit der eigenthümlich bairij
Eintheilung in 10 Saigä (= 30 nun wohl fränfifhen Denaren) g
Wir geftehen, dab, wenn fonftige gewicdhtige Gründe für
nahme der bairiichen Zehntheilung des Eolidus fprücdhen, dad vorfte-
hende Moment als fait entſcheidend erachtet werden könnte, allein,
da die fonftigen Belege für jene Zehntheilung des Solidus entieber
gar nicht vaflen oder doch jehr problematiich erjcheinen, und ba fer-
ner anderweitige Rüdfichten bie —— der Zwolftheilung tutfchieden
empfehlen, auch Irrthümer in den Zahlenangaben in der vorliegenden
Necenfion ber Lex Bajuwariorum fonft noch vorfommen, fo glaw
ben wir bie in Rede ftehende Stelle für einen überz
daß bei den Baiern die Saiga als ber zehnte Theil des Golbfolides
gegolten Habe, nicht anerkennen zu dürfen. Dieſe Annahme wärbe
dahin führen, dag wir in allen Fällen, wo Anſutze in ‚ Zresmifen
*
en
gen, fein Zweifel fein kann; Hierdurdy würde aber, wie aus
ren obigen Stellen zu erfehen, die unpaffende Brogreffion von 1:2
: 34 Saigä entftchen, während bie aus der Zwölftheilung hervorge⸗
hende 1: 2: 4 Saigä einfach und natürlich ift.
Als Beleg dafür, daß felbft in ſolchen Fällen, wo das Ned
nımgsverhältniß fehr Har vorliegt und bie unmittelbare Controlle
an bie Hand giebt, Verſehen in den Zahlenangaben der alten Leges ',
und fpeciell im alten bairifchen Rechtsbuche, vorkommen, erinnern wir
on Zit. IV, 11 in legterem. Es werden bier die verfchiebenen Dub
anſätze fur das Abhauen einzelner Se mit beziebentlih 12,
und 5 Solidi beftimmt, und dann heißt es
Et ai non fuerint abscisi, et est mancus, statrectus, ut non
possit plicare, hoc a est ad arma bajulare: er
est conpositio quam de absciso; tertiam partem supra addet.
Die Hinzulegung des dritten Theils zu 12, 9 und 5 Solidi er⸗
giebt 16, 12 und 6% Solidi, oder für den [egten Anfag 6 Solidi und
2 Tremiffen, Die beiden erfteren Neductionen finden fi) nun and)
richtig im Texte der Lex, nicht aber bie letzte; denn die an den
oben angeführten Sat fi unmittelbar anfchließende Erläuterung bes
Tertes ift folgende:
ı In ber Lex Alam. Pactus I, 37 findet fi 3. B. CLXX ftatt CLX,
was unzweifelhaft nur ein Verſehen fein Fann.
344
fcheinfich ift und mannigfache Schwierigleiten und Wiberfprüde her
vorruft. Hätte es überall ſolche Goldmünzen zu brei Biertel dei
Werth der gewöhnlichen Solidi oder Tremiſſen gegeben, fo milder
doch wohl einzelne Exemplare folcher Münzjorten nachzuweiſen fein,
was indeß durchaus nicht der Fall ift.
Nac Erörterung der uns unzuläffig erfcheinenden Anfftellungen
und Vermuthungen, über die der Lex Bajuwariorum zu Grm
liegenden Münzverhältniffe, wollen wir jet verjuchen, unfere eigem
Anficht hierüber, wie überhaupt in Bezug auf die in Baiern his zu
vollftändigen Durchführung des karolingiſchen Münzwefens üblich ge
wefene Rechnungs⸗ und Zahlungsweife, im Zufammenhange
gen, geſtützt auf die oben mitgetheilte Veberficht der in Betracht Tom
menden Stellen des alten Nechtsbuches und ber älteften Yreifingi-
fhen Urkunden.
1. Bon der Zeit ber früheften fhriftlichen Aufzeichnungen au
bis dahin, daß unter den Karolingern die neue Werthmünze bes Sil-
ber-Solidus zu 12 fräntifchen Denaren als allgemeine Reichemäng
zur gefeßlichen wie thatfächlichen Geltung kam, aljo bis ungefähr um
bie Mitte des achten Jahrhunderts, ward in DBaiern, wie bei elle
übrigen germanischen Völkern, unter Solidus lediglich die bekanne
Goldmünze diefes Namens oder deren Werth verftanden, gleichriel
ob zu Solidus eine Erläuterung beigefügt war ober nicht. Es gab
weber einen befonderen bairifchen Gold⸗Solidus nod war in Baiem
vorzugsweife eine befondere fremde Goldmünze etwas geringeren
Werths als die gewöhnliche Münze diefes Namens in Anwendumg,
fondern es galten Hier die nämlichen Solidi wie bei ben Franken,
Aamannen, Burgunden, Weftgothen und Longobarden . Ob im
Berfehr ein gewilfer Unterfchied gemacht wurde zwijchen ben nad
etwas Teichterem Münzfuß und meiftens in Drittelftüden geprägten
fränfifchen und Iongobardifchen Goldmünzen und ben fehwereren by
gan hen Gold-Solidi, welche von den Avaren her vermuthlich ins
and kamen, muß dahingeftellt bleiben; irgend eine pofitive Angabe
hierüber ift uns nicht erhalten. Es ift indeß der Natur der Sache
nach fehr wahrfcheinlich, daß mit dem Seltenerwerden der fränkifchen
Goldausmünzungen und auch des Umlaufs älterer fränfiicher Gold⸗
münzen im Allgemeinen, auch in Baiern die Benugung diejer Miünz
forte fich allmählich wefentlich einfchräntte, und daß dort feit dem
Anfange des achten Jahrhunderts, foweit eine Goldeirculation ſich er
2 Bis um bie Mitte ober gegen Ende bed neunten Jahrhunderts fchemt
in Baiern überall nicht gemünzt zu fein. Die biß jet mit einiger Wahrſchein⸗
Iichfeit nachgewiefenen älteften autonomen bairifhen Münzen find Denare, welde
bem Herzog des Sorabifchen Gebiet? und Burggrafen von Regensburg Rathold
in den Jahren 837—874 genannt) beigelegt werden. Bol. H. P. Eappe, Di
tüngen der Herzöge von Baiern, der Burggrafen von Regensburg und ber
Bilchöfe von Augsburg aus dem zehnten und eilfien Se nbert. Dredden
1850. — Es ift immerhin möglih, daß barbarifhe Nachbildungen byzanti⸗
nifher Solidi oder Tremiffen im 6. Jahrhundert auch von aurifices bairifcher
Herzöge angefertigt find, allein nähere Anzeichen hierfür liegen nicht vor.
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um Le 2m: ımmert im Us Bier Kaöı int venmiefen werben
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sm sm arm. Zum 28 ma KRötun niie, hits entaegengeiegt
zor ri an ed Srorcap. r Seitt: Mater moriens filio terram. mancipia,
M Amar. Ze vero spolis eiili. id est murenss. muscas, monilis,
asres, vasıze, armlias eic. Ausrıcmeweie fzrın pecunia in ehr einzelnen
im en 2n Bıssarımerm Lermegen im Rügemeinen bedeuten; allein im ber
nl Yasnänıı gd zen Geld im Coreifsg zu jonſtigen DBermögensgegen-
= Im Berte wo? Lex Bajuw. Tit. X, 1 und I, 6, mo vom Nicherkrei:
vor ini: Sf Sr Kesz in, bat dies Waitz a. A. S. 21 überzeugend nad:
3 Erin Srnsshareen jcheint bie Bezeichnung auri solidi ſchon lange
der: nech an Lie aolidi de argento und bie fränkiichen Denare ge:
e, Sehr gewebnlich geweſen zu fein, wie unter Anderm zablreide
ithinzen ber Kirchen von Lucca darthun.
348
neben den Solidi und Tremiſſen von Gold als Heinere Diünzforte,
ebenfo wie bei den Ripuariern und Alamannen, nur der alte römifdge
Denar in Gebrauch geweſen fein. Spuren anderer Münzforten fee
nen ſich nicht vorzufinden, wenn man nicht dahin die beſondere Er⸗
wähnung des scotus, als ber Hälfte der Saiga, rechnen will, was
auf eine eigene Münzforte hinzuweiſen ſcheint. Es konuten bies äl-
tere Quinare ober bie fpäteren knapp ausgeprägten Siligud fein.
Bei zunehmenden Beziehungen zum übrigen fränfifchen Reiche Tonnte
es jedoch nicht ausbleiben, daß auch die meropingifchen Silber-
Denare als allgemeine Kleine Reichsmünze in Baiern bekannt unb
gebraucht wurden. Es war dies vermuthlich fchon deshalb der Fall,
weil das allmähliche Seltenerwerden der römifchen Denare — ber
Saigä — zu einem Erfage drängen mußte, Bei den kleineren Münz⸗
forten, die nur zur Ausgleichung dienten, war es faft felbjtoerftänd-
ih, daß eine möglichft einfache Reduction der neuen und der bishe⸗
rigen Silbermünzjorten, der römifchen und der fränfifchen Denare,
eintrat, und da konnte nichts näher Liegen, als 3 (ftatt genau 34)
fränfifche Denare auf die Saiga zu rechnen, wie dies auch in dem
fpäteren, aber noch in merovingifcher Zeit redigirten Beſtandtheil der
Lex ausdrüclich vorgefchrieben wird, jo daß aljo der Gold⸗Solidus,
bis zur Einführung des Rechnungs⸗Solidus zu 12 neuen fränfifchen
Denaren, in Baiern, ftatt zu 40 Denaren wie in ber Lex Salica,
zu 36 ‘Denaren gerechnet wurde.
6. Die Notiz in der Gratzer Handfchrift aus dem 12. Jahr⸗
hundert über das alte bairifche Münzwefen tft in Betreff ber Schluf-
worte, welche die Rechnung des Solidus zu 30 Denaren bezeugen,
oben bereits beſprochen. Die unmittelbar vorhergehenden Bemerkun⸗
gen derfelben: Secundum legem Bawariorum secundus semis
denarius scoti valet, 3 duobus scotis, 5 denarios valet saigs,
7 denarios ‚tremissa, find offenbar fehr verdorben und mit ſich
felbft im Widerfprud. Was bedeutet 3 duobus scotis? Und wei
ter: nach den Schlußworten follen 30 Denare einen Solidus aus«
maden, und andererfeitö follen 5 Denare eine Saiga gelten; bier
nad) würde der Solidus gleich zu rechnen fein 6 Saigä, was völlig
unerklärlich ift. Wenn ferner in der fraglichen Notiz 7 Denare auf
die Tremiſſis kommen, jo müßte entweder der Solidus gleichgefegt
fetn mit 43 Tremiſſen ober auch mit 21 (vielleicht 20) Denaren, was
natürlich Solidi oder Denare ganz anderer Art vorausſetzt als die
fonft unter diefen Namen befannten Werthe oder Münzen und felbft
als die jonft in der Notiz vorfommenden. Das Einzige, was diefer
Notiz in der vorliegenden Faſſung zur Aufklärung der alten bairifchen
Münzverhältniffe zu entnehmen ift, dürfte fi) darauf befchränfen,
daß bei den Baiern die Werthangabe scotus (nad) einer von uns
früher ausgejprochenen Vermuthung eine Latinifirung des deutjchen
Ausdruds skat) in Gebrauch war, woburd ein Münzſtück zum
Werth einer halben Saiga oder von 14 Denaren bezeichnet wurde,
Die Werthbezeihnung scotus oder scoti fommt, foweit uns befannt,
349
außerdem nur noch vor in ben Leges portoriae, bie durd ein zu
Raffoltftädten abgehaltenes Placitum (um das J. 906)! beftätint
wurden.
6. Der Üebergang zu der neuen Rechnungsweiſe vollzog fich in
Baiern in ganz ähnlicher Weife wie im übrigen fränfifchen Reiche,
und wird berfelbe alfo bier nicht befonders zu erörtern fein, fondern
e8 darf auf die nähere Beiprechung diefer Verhältniffe im Eingang
des vierten Abfchnittes unferer Beiträge, welcher die Gold- und Münz«
verhältniffe des fränkifchen Reichs unter den SKarolingern darlegen
foll, verwiefen werben.
2 Diefe Leges portoriae finden ara jet abgebrudt als zehnte Beilage au
Merfeld Ausgabe ber Lex Bajuw. © f. und bie Stellen lauten: Cap. 1
. . . donent pro thelonio scmidragmam, id est scoti 1. Cap. 6... ...
de sogma una de cera duas masgiolas, quarum uterque seoti unam valet,
Vgl. hierüber die Anmerkung IL.
Sumerfung I.
Literatur⸗Nachweis in Betreff des Münzwefens im fräuf:-
ſchen Reihe unter deu Merovingern.
C. Bouteroue. Becherches curieuses des monoyes de France depsis
le commenesment de la monarchie. T. 1 (u. einz.) Paris 1666. Fol (kt
handelt, außer einer Einleitung und Abhandlungen über ba8 Münzweſen über:
haupt, über die galliſchen Münzen und über bie römifhen Münzen, nur bas
merovingifche Zeitalter).
Le Biane. Traits historique des monnoies de France depuis le com-
mencement de la monarchie jusques à present. Paris 1690. 4. (Premiäre
race. ©. 1-68).
J. G. von Eckhart. Commentarli de rebus Francise ozsientalis ete.
T. I. Wirceburgi 1739. Fol. (Die ben verfchiebenen fränfifhen Königen kei:
gelegten Münzen werben bei ber Erzählung ber einzelnen Regierungen mitge
theilt; 3. B. von Theobdebert ©. 74; Childebert I, S. 87 u. ſ. w. — Ei
Münzen ber monetarii S. 290—299. Die faft ausfchließlidden Quellen der
Abbildungen merovingifcher Münzen in biefem Werke find bie vorermwähsten
Schriften von Bouteroue und Le Blanc).
3.8. von Lubewig. Einleitung zu bem deutſchen Münzweſen mitt:
lerer Zeiten, mit Anmerkungen, berausgeg. von 3. 3. Moſer. Ulm 1752.
Bonamy. Histoire de Gondevald, pretendu fils de Clotaire L, pour
servir d’explication & des medailles frappes à Arles et à Marseilles au coin
de l’empereur Maurice. Memoires de l’academie des inscriptions et des bel-
les lettres. T. XX. Paris 1753. 4.
von Praun. Gründlide Nahridt von dem Münzweſen indgemein,
insbefondere aber von bem Teutſchen Münzweien älterer und neuerer Zeit x.
3. verbefl. u. verm. Auflage. Leipzig 1734. (Gap. I. S. 29—37. Bon
bem Müngzmwefen ber Römer wie auch ber fränfifchen Könige).
3. Mader. Kritiſche Beiträge zur Münzkunde bes Mittelalters [1. ©.]
Prag 1803. (S. 1—31. Merovingifhe Münzen). — 3. B. Prag 1810.
(S. 1—49. Ueber die fränkiſch-merovingiſchen Münzen).
J. Lelewel. Numismatique du moyen Age, consideree sous le rapport
du type. 2 voll. Par. 1835. (Monnaies des Merovingiens. I, 233 — 78).
F. de 8sulcy. Becherches sur les fonctions des monetaires de la pre-
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18386.
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sace. B. num. fr. I, 321—341. 1836.
P. de Saulcy. Evaluation des monnaies courantes sous la premitre race
des rois de France. R. num. fr. I, 242 fi. 1836.
851
Peyre6. Observations sur l’article pröcödent. BR. num. fr. I, 242--
349. 1886.
J. Lelewel. Vingt-trois pi&ces des monetsires merovingiens. R. num.
fr. I, 821—330. 1836.
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vingiennes. R. num. fr. I, 331 —341. 1836.
E. Cartier. Lettres sur l’histoire monetaire de France. 8. lettre.
Monnaies Merovingiennes. RB. num. fr. I, 389—412. 1836.
— — Supplement à la 3. lettre. B. num. fr. II, 181208. 1887.
Peyr6. Nonuvelles observations sur le prix des denrdes sous la premidre
et la denuxiöme races; und
F. de Saulcy. Addition & la note de M. Peyre. — R. num. fr. H,
238—36. 1837.
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naies courantes au temps de la premitre race. RB. num. fr. II, 193— 208.
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J. de Petigny. Monnaies attribudes aux premiers rois merovingiens.
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B. Gu6rard. Du systöme monötsire des Frranos sous les deux pre-
niöres races. B. num. fr. II, 406—440. 1837.
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dene romeinsche, frankische, britannische, noordsche en andere munten. Mid-
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Merovingiens. R. num. fr. III, 169—185. 1838.
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1-—945).
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merovingiennes, p. 61-83. Nr. 912—1046 et Rectifications.
&
Cumlsgue dıs kigundes des memmalıs mnirevingisunes , sulvant Vordıe
BR sm V, 214— 242. 1840.
A. Duckalsis Peiis de [mem rumein dans is Geule. EB. nem.
Er. V. 251— 2535 1840.
LeceizsreDupszt. Sefire zur zeis ers de sol d’or merovingiens.
RE sm. fr. V. 3714-373 1840.
Millingen Lese 3 W de Lengpirier sur une monnale inddite altri-
tsse 5 Theodstert. RB sem fr. U, 424 —426. 1840.
Chsbeuillet. Esssi d'sztribetion da tiers de sol meroringien de Vin-
dev. R sm fr. V. 427—1430. 1840.
de Lagey. Tiers de sel d’er de Cistaire, ftappé à Arles. BR. nım.
fr. VE. 14 — 18. 1841.
Disezssion sur les mondtsires de la premitre race, au Congres du Mans.
RE zum fr. VI 72—77. 1841.
Voillemier. Des premitres monnaies d’er mirovingiennes, et spöciale-
ment de quelgquesunes de Thöodebert L R zum. fr. VI, 91—123. 1841.
4A. Barthelemy. Notice sur un sceau meiroringien et triens trourds
dans le Doubs. R zum. fr. VI, 177. 1841.
(Quelques pieces de la premiire race, dams une notice de M. 8. Qui
tins. — Quelgues triens merovingiens, dams une notice de M. Soret. R
zum. fr. VI, 56f.; 397 fi. 1840.)
A Duchalais. ÖObservations sur quelques monnaies merovingiennes.
E. zum. fr. VII, 35—32. — 2. artiele. IX, 417—438. — 3. art. XII, 95—
116. 1842. 1845. 1847.
C. Robert. Tiers de sou d’or frappe en 557—558, au nom de Chil-
debert L et de son neveu Chramme. RB. num. fr. VII, 340—343. 1849.
E. Cartier. Catalogue des monetsires merovingiens. — Suppläment.
R. num. fr. VII, 436—439. 1842. .
H. Bordier. Notice sur la monnaie genevoise au temps des rols
bourguignons de la premiäre race, et sur quelques monnaies merovingisnnes.
Mem. de la socidts d’histoire etc. de Gendve I. 1842.
Monetaires des rois merovingiens. Becueil de 920 monnaies en #3
planches, avec leur explication. Paris 1848. 4.
8. Fossati. De ratione nummorum ponderum et mensurarum in Galllis
sub primae et secundae stirpis regibus. Memorie della male accademia di
Torino. Ser. II, T. V. Scienze morali storiche e filologiche. Torino 1843, 4.
B. Fillon. Tiers de sol d’or inddit de Sigebert I., roi d’Austrasie.
R. num. fr. VIII, 196—200. 18463.
De Laponce. Triens merovingiens trouves & Baint Aubin. EB. num.
fr, VII, 466—468. 1843.
B, Gu6rard. Polyptyque de l'abbé Irminon ete. T. I. Prolegomönes,
commentaires et 6elaireissements. Par. 1844. 4. (ChapitreIV. se. 54—78.
Monnsies).
Akerman. Description of some merovinglan and other gold oolns.
Lond. 1844. °
V. Duhamel. Quelques observations sur les triens de Quentovic.
R. num. fr. IX, 37—40. 1844.
A. Duchalais. Explication des sigles mörovingiennes C. A. BR. vum.
fr. IX, 159—161. 1844.
E. Cartier. Attribution de quelques triens merovingins. B. num.
fr. IX, 386-390. 1844.
3653
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mains. 2 tomes. Berlin 1845. (Chap. II. De la monaaie. T. I. Introd.
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E. Hucher. Essai sur les monnaies frappees dans le Maine. Le
Mans 1845.
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Childeric II. BR. num. fr. X, 345. 1845.
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2. articee R. num. fr. X, 417—438. 1845. (ſ. 0.%.1842), — Nachtrag.
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90—106. 1846.
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281—284. 1846.
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354
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roi Childebert II. R. num, fr. XX, 386—340. 1855.
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tes de Troyes. R. num. beig. 2. s. V, 163—169. 1855.
P. Salmon. Fragments de numismatique senonaise. R. num. belg.
8. 3. V, 173-197. 1855. ebbj. 3. s. I, 61--95. 1857.
E. Cartier. Tables generales et raisonnees par ordre des matiöres
des 20 volumes de la I serie de la revus numismatigue. Par. 1856. Chap.
IV. Monnaies merovingiennes ©. 143— 226.
de Lagoy. Becherches sur l’explication des monogrammes de quel-
ques medailles inedites des derniers temps de l’empire d’Occident et de l’e-
poque merovingienne. Aix 1856. 4.
C. A. Bethaan Macare. Tweede Verhandeling over de by Domburg
gevonden romeinsche, frankische, britannische en andere munten. Middel-
burg 1856.
Chaudruc de Crazannes. Lettre sur un tiers de sol attribue à
Charibert I. roi de Paris. Bevue archeologique.. 1856.
P. Salmon. Notice sur un triens inedit d’Avallon. R. num. belg.. 2. s.
VI, 392—398. 1856.
0. Piot. Monnajies trouvdes dans "un camp franc du VI. aidelo. R.
num. beig. 2. s. VI, 70-73. 1856.
F. Rabut. Tiers de sou mörovingiens inedita trouvds en Savois, et
appartenant & l’ancien royaume de Bourgogne. Chambery 1857.
Bretagne. Tiers de sou inedits. B. num. belg. $. 3. I, 25850. 1857.
M. Deloehe. Description des monnaies merovingiennes du Limousin.
Parties I-IX. RB. num fr. 2. s. II, 415—440; III, 58-70; 319— 830, 898
—409; IV, 158-185; V,:2395—310; VI, 30—44; 290-807; 348 - 363.
1857 — 1861.
BRondier. Monnaies aux initiales ME. R. num. fr. 2. a. III, 451—
456. 1858. \ |
RB. Chalon. Tiers de sol merovingiens,. BR. num. beig. 3. s. II,
261—266. 1858.
Chaudruc de Crazannes. Numismatique merovingienne; monnaies
de Metz et de Saintes. R. num. belg. 3. s. u, 344 - 362. 1858.
L. de la Saussaye. Notice sur la vie et les ouvrages de M. de
Pötigny (enthält eine Analyfe der Anfichten Petigny's über das fränfifche Gelb:
weſen.) BR. num. fr. 2. s. IV, 60-79. 1859.
A. de Barthelemy. Monnsies et medailles insdites (Nr. 2, 30.6.
Merovingifhe Münzen). R. num. fr. 2. s. IV, 186—198. 1859.
3. 9. Müller. Deutſche Münzgeſchichte. 1. Th. Deutſche Müngge: ⸗
ſchichte bis zu der Ottonenzeit. eeipaig 1860. 2. Abſch. Anfänge des fr
fiihen Münzweſens. ©. 61—% u. a. St.
A. Carpentin. Quelques monnaies rares ou inedites de la bibliothöque
de Marseille (Monnaie de cuivre de Theodsbert. — Deuier attribné à St.
Vietor de Marseille). B. num. fr. 2. s. V, 44. 1860.
Beilleau. Bestitutien & Tours d'un tziens merovingien. B. zum. fr.
2. s. V, 811-314. 1860.
A. Namur. Interpretation d’un triens merovingien da peys des Au-
lerques, frapp6 à la fin du 7. ou au commencement du 8. siöcle. BR. zum.
beig. 3. s. IV, 133— 148. 1860. .
&. Baip. Weber die Münzverhältniſſe in den älteren Rechtsbüchern bei
frinfifhen Reichs. Aus dem 9. B. der Abhandlungen ber königl. Geſellfchaſt
der Willenfchaften zu Göttingen. Göttingen 1861. 4.
A. Carpentin. Piöces gallo-greeques de Marseille. — BR. zum. fr. 3.
a. VI, 397—406. 1861. (befp. daj. S. 404 — 406 cinen merovingifchen
Denar von Marfeille).
H. Grote. Die Solidi und Denarii der Merovinger. Münzflubien.
Neue Folge der Blätter für Münzkunde. 8. II, ©. 789-858; u. 1008 fi.
Leipzig 1862.
A. Namur. Trois tiers de sou d’or semi-romains, ou imitations bar-
bares franques du type byzantin. Rev. num. beig. 3. s. VI, 12— 382, 18862.
Gumerkung IE.
Ueber die Saigae.
Die in einigen Rechtsbüchern ber fränkifhen Zeit fowie in Urfunden be
Mittelalters vorkommenden Erwähnungen ber Münzſorte oder Werthbezeich⸗
mung en salga (oder salca) find im Weſentlichen folgende.
Lex Alamannorum.
Pactus 1Il, 8. Si [armentum] indomitus fuerit, duas sagias conponatur.
Addit. ad legem Hlioth. CU, 5. Si quis sapriolam oceciderit, saiga
[componatur].
Karolina VI, 1. Nam si duas saigss valentem supra solldum res va
Inerint ete. — 3. Baiga autem est quarta pars tremissi, hoc est denarins
unus. Duo saigi duo denarii dicuntur etc. -— 8...... Et supra tres
solides iterum duas saigas valentes aliquis interpellatus fuerit ete.
Epitom, leg. Alam. 88. Bi capriolam occiderit, saica. —
Lex Bajuwariorum.
V, 1. Biineum [frilas] sanguinem perfuderit, cum 8 saicas et semi
eonponat. — XIII, 4. Si quis contra legem porcos ad piguus fulerit, weum-
.quemqus cum 23 saicas conponat. Illam duetricem cum tremisse coupomat.
— XIV, 9. Si cornu [bovis) exilierit et ossa remanserit, 2 saicas donet. -
xIV, 10. Si vaccam alterius hujusmodi laederit [caudam amputavegit vel
aurem], cum duas saicas conponat.
IX, 2. Si una saica, id est 8 denarios, furaverit, solus juret secan-
dum legem suam. Si duas saioas, hoc est 6 denarios ,. . . . cum 58
cramentale uno juret.
I, 3. De una saica solus juret. De duabus saicas vel tres et
usque ad tremisse cam uno sacramentale jaret. —
Notiz in einem Manufcript der Gratzer Bibliothek, gegen Ende des zwölf:
ten Jahrhunderts geichrieben, mitgetheilt von Wattenbady, gedrudt in Merlelt
Ausgabe der Lex Alamannorum p. 132.
Secundam legem Francorum et Alamannorum et Saxonum et During“
rum et Linbarinorum 5 denarios valet saiga, 4 denarios tremissa, 4 saige
solidum faciunt. Secundum legem Bawariorum secundus semis denarios seoti
valet, 3 duobus scotis, 5 denarios valet saiga, 7 denarios tremissa, ter 5
semisolidum faciunt, sexies 5 denarii solidum faciunt, 8 aolidi libram facimt.
867
Traditiones Sancti Galli.
u. b. J. 761 (©. 16):
exinde annis singulis censum solvam, hoc est de annona spelda modias
10 et de avina 20 et frisginga seigit valenti.
761 (&. 17): eensum aolvat per singulos annos 20 siglas de cervisa
et maltra de pane et frischinca saiga valente.
763 (&. 20): censum exsolvere debeas, id est tringinta siclas cervisa
et quaranta panis, friscinam tremissalem et pullos duos, in quisqua sitione (?)
saigatam unam ares (?).
765 (©. 23): frisginge saiga valente; (eine anbere Urkunde beifelben
Sabrs 765: friseinca tremisso valente).
769 (&. 30); frisginga saiga valente.
774 (©. 42): frisginga seige valente.
776 (©. 45): frisgings saiga valente.
779 (S. 50): frisginga saiga valente.
783 (©. 55 u. 57): frisginge saigada valente; — frisginga saica
valente.
7% (©. 83): frischinga saiga valente; (in einer Urkunde des folgenden
jahres 797: denarius 5 aut frischinga sic valente).
799 (S. 98): berbicem saiga valente. (Diefe Stelle ift die nämliche
welche Merkel a. D. aus dem Wirtemberger Urkundenbuche, No. 52, anführt).
Mi 3) (S. 127): duas saigas anone (au im Wirtemb. Urkundenbuch,
0. .
812 Specimen breviarii — rerum flscalium Caroli Magni (Eckhard,
Comment. de rebus Francise orientalis UI, 902 fj.).
de lino ad pisam seigam 1.
Traditiones Frisingenses.
825 ala jährliche Abgabe friskinga 2 saicas valente; zwei Mal (Mei-
cheibeck I, No. 481).
906. Leges portoriae beftätigt durd) dag Placitum von Raffoltestetum
(Additio X in Merfeld Ausgabe der Lex Bajuwariorum, ©. 481).
Als Zollabgaben werben unter Anderm aufgeführt:
de servo saigam 1, similiter de equa.
1143. Paſſauer Schenkungsurfunde (Monum. Boiea, XXVIII, 1, 104).
... ut ille Geroldus .. .. . ad predictum altare seigam auri an-
nuatim persolvat,
Außer dem bereitö bei ben Rechtsbüchern ber Alamannen und Baiern
Bemerkten ift hier nur noch darauf binzumeifen, daß feine ber fonft vorkom⸗
menden Erwähnungen der Geige, weder in ber Gloffe ber Gratzer Hanbfchrift,
nod in den Urkunden, ber früher nach Anleitung der Angaben in den Rechts⸗
büchern gegebenen Erflärung wiberfpricht, wonach die Saiga urfprünglich diefelbe
Münze und benfelben Werth bezeichnet hat wie ber denarius bei den Ripua=
rifhen Franken, nämlid den alten römifchen Silber:Denar, ald zwölften Theil
des Gold⸗Solidus gerechnet,
Für die Anſicht, daß die Saiga urſprünglich mit dem alten römiſchen De:
nar identiſch geweſen, dürfte vielleicht noch folgende Combination zu erwähnen
fein. In der zu Raffoltſtädten u. db. J. 906 beſtätigten bairiſchen Zollver⸗
ordnung, in welcher, wie wir geſehen, die Werthangabe saiga vorkommt,
wird auch noch des scoti gedacht mit der Erläuterung: semidragmam, id est
seoti 1. Die Notiz der Gratzer Handfchrift erwähnt andererfeit3, daß ber
scotus gleich fei 14 (fränfifchen) Tenaren, alfo, da 3 Tenare auf die Saiga
gingen, auch gleih 4 Saiga. Sind beide Angaben rihtig, fo folgt daraus
weiter, daß die Trachme unb bie Saiga gleihgefhäßt wurden. Bon der
Drachme wiffen wir aber wiederum, daß zwijchen I und dem bamaligen
guten römischen Tenare in ber Prariß fo gut wie kein Unterichieb gemacht
U. 24
wurde?. Hiernach würde alfo das Zeugnig von ber Tebereinftimmmung be
Gaiga mit der Drachme zugleih als eine Beftätigung dafür anzufehen fein,
ba die Saiga urfprüngli dem römiſchen Denar glei, ober vielmehr um
eine deutſche Bezeichnung für den römifhen Denar geweien if, währe
ber Name Stay oder Skatt (scotus) für den Duinar ober fpäter die Siliqu
bei ben Baiern in Gebrauch kam?.
Als im Laufe der Zeit diefe Dünzforte in Alamannien und Baiern, we
ber Name saiga vornämlich in Gebrauch geweien fein muß, verſchwand, ſcheint
man biefe Bezeichnung für den ibeellen Werthbegrifi von brei gewöhnlichen
(fränkifchen) Denaren beibehalten und bisweilen noch in Anwendung gebracht zu
baben. Die außerordentliche Seltenheit des Borfommend biefed Namens ſeit
dem Ende des achten Jahrhunderts läßt jebodh abnehmen, baß bdiefe Wert:
bezeihnung ſeitdem mehr und mehr verloren ging, und daß man faft voraus
fegen darf, daß, wo der Name nad Anfang bed neunten Jahrhunderts noch
erſcheint, er eigantlih nur bie Wiederholung einer vorgefundenen berfömmli:
hen Werthbeftimmung war; fonft müßte natürlich berfelbe viel häufiger in
ben Urkunden vorkommen.
Es ift zuweilen die Meinung geäußert, daß saiga neben ber Benennung
einer Münze ein Gewicht bezeichnet babe. Die Gegenftände, binfichtlich deren
dies nach einzelnen Angaben in den Urkunden der Fall fein könnte, find indeß
zu verfchiedenartig — saiga annonae, saiga lini; saiga auri —, ala daß biefe
Annahme für irgenb zuläffig eradhtet werden Tann; saiga bezeichnet in allen
diefen Fällen ofjenbar nur indirect ein Duantum, nämlid immer basjenige,
welches für eine saiga anzuſchaffen ift oder dem Werthe ber saiga entipridt.
Ueber die Etymologie bed Namens saige oder saica theilen wir fchliek-
li bie Anfichten der deutſchen Sprachforſcher mit.
Nachdem ſchon Schilter in feinen Bemerkungen zur Veberfeßung ber
Lex Alamannorum im Anhange zu Königshovens Straßburger Chronik zur Er:
läuterung der saiga an bie nad) Tacitus Bericht bei den Germanen beliebten
nummi serrati erinnert unb dbemgemäß saiga durd „Säge erflärt Hatte, iR
auch Jacob Grimm (Deutſche Grammatik, 3. Aufl. I, 103) dieſer neh
beigetreten, ohne fie indeß mit voller Beftimmtbeit als unzweifelhaft Binzufel-
len. Er äußert fich darüber wie folgt.
„As findet fi öfter und organifcher (denn bier kann fein Tateinifcher
Schreibgebrauch einwirken) in einzelnen Denkmälern ftatt des gemeinalthod:
beutfchen es, alfo dem gothifchen as in Lagen, wo fein w, A, r nachfolgen,
gleich ..... Beide dad alamannifche und bairifhe Geſetz haben daisähumt
(canis ductor), verſchiedentlich aber bei ſoviel als Denar bebeutenden Ausdrud
saiga. Gr entipricht dem lateinifchen aerra; serrati nummi, bie geränberte
Geldmüngze der Römer war bei den Germanen beliebt. Gothiſch Tautete sage
vielleicht säiha? Denn ich möchte ed auf bie Formel seiha, sdäih, sdihum
leiten, um das lat. seco wie das ahd. säh (vomer), sögensa (falx) und sk
chila damit zu vereinen; da8 agf. säge, sAga würbe, wenn bad & richtig iſt,
genau zu saiga paflen, doch habe ich Fein gemein ahd. seiga, fondern sage und
söge (Schm. 3, 208) aufzumweifen. Das & beflimmt der mtb. Reim: söge:
pflöge Geo. 4694, obgleich altn. nög, ſchwed. säg, dän. savr, engl. saw ein a
fund geben; wie follte aber das alte saiga für siga ober saga (sagge leſen
einige codd.) zu fehreiben fein?“
186 Bol. F. Hultſch, Griedifhe und römiſche Metrologie. 1862. S. 184
⸗ Die Erklärung in einem von Graff (Diutisca I, 205) mitgetheilten
altdeutfchen Gloffar: Dragma trimise, dragma est scriptolus ist anderbalp
cs; \ augenſcheinlich durch Schreibfehler oder Auslaffung entftellt und völ
ig unklar,
859
In Graffs althochdeutſchem Sprasfgap 8. VI, ©, 143 findet ſich bei
biefem Worte weitered nicht angegeben als nur bie Stellen aus ber Lex Alam.
und ber Lex Bajuw., und eine Gloffe: seige — denarius. Graff fcheint alfo
bie Deutung be3 Namens saiga ober saica durch das altbochbeutiche saga
(serra) nicht für zuläffig, oder doch nicht für ficher gehalten zu haben, benn
fonft würde er vermuthlich hierüber eine Bemerkung haben einfließen laſſen.
Anbere haben ben Namen saiga in Verbindung gebracht mit dem fpäter
beim Münzwefen öfter vorkommenden Ausdruck faigen oder feigen (vergl.
Schmeller, Bair. Wörterbud II, ©. 209), allein ohne irgend einen einfachen
Zufammenbang nachzuweiſen.
SCumerfung III.
Ueber die Hancosi.
Die bei der Beſprechung des älteren bairiſchen Geld- und Münzweſens
vorgekommene Erwähnung der mancosi ober mancusi giebt Veranlaſſung, bie
über diefe raͤthſelhafte Münzforte oder Wertbbezeihnung uns befannt gewor⸗
benen Stellen der Schriftfiellen und Urkunden des Mittelalter fowie die ſich
bataus ergebenen Folgerungen überfihhtlich zufanımenzuftellen, was bisher noch
nicht geſchehen if. Allerdings find im Glossarium von Du Cange, bann
von Girolamo Zanetti im Ragianomento della moneta Venetiana (Argelatus,
De monetis Ital. dissert. III, append.), vom Grafen Carli in ber Disserte-
tio IV. delle Zecchi d’Italia, und endlich unter Aufnahme alles früher geſam⸗
melten Materiald, von G. X. Zanetti in feiner Abhandlung Delle monete di
Faenza (Nuova raccolta delle monete e zecche d’Italia, t. II, 341—452, $. II
dei Mancosi d’oro) eine große Zahl von Eitaten und Bemerkungen gefammelt
worden, allein ohne Rückſicht auf bie chronologifche Neihefolge und die vers
fiedenen Länder. Nur wenn man zuvor von biefem Gelihtöpunfte aus bie
vielfach zerftreueten Notizen georbnnet bat und fie mit beutlicher Unterfcheibung
defien was nicht zufammengehört und deſſen was in einem unverfennbaren
natürlihdem Zuſammenhange fteht, prüft, wird fi mit einiger Zuverſicht eine
beftimmte Anficht über bie mancusi begründen, ober auch die Ueberzeugung
gewinnen laflen, daß bie bis jet beigebrachten Angaben noch nicht genügen,
um mebr als bloße VBermuthungen auffellen zu können.
Wir beginnen mit ben Nachweiſen, welche fih auf das Vorkommen biefer
Münzforte oder Wertbbezeihnung in Stalien und Deutfchland beziehen, und
führen dieſelben nad dem Wortlaut der in. Betracht kommenden Stellen, foweit
wir dazu im Stande find, in chronologifcher Reihefolge auf.
n Urkunden aus den Zeiten bed felbfländigen Iongobarbifchen Reichs,
bis 774, fcheint der Augbrud mancosus, mancusus ober mancusa nirgends
vorzufommen.
Die früheſte Erwähnung ber mancusi, für bie man eine beftimmte Jah:
reszahl angeben kann, findet fich in einer in der Abtei von Sefto in Friaul
aufbewahrten Urkunde vom Jahr 778, und die letzte uns befannte vereinzelte
Erwähnung in Italien datirt vom Jahre 1184.
778. Urkunde über eine Schenkung an das Klofter Sefto in Friaul, da⸗
tert Regnante viro excellenti domino nostro Carolo regi, ex quo Austriam
preoccupavit, anno tertio de mense Januario per indict. prima.
Si aliquis autem praesumpserit inquietare predictam donationem, subja-
ceat persolvere XX mancoseos auri domno regi qui tunc tempore erit.
(Carli a. 8. II, p. 109 ff.).
um 784. Anastasius bibliothecarins de vita Hadriani (Pabſt von 772
bis 795).
. ). . haeredes praedicti Mastalis dederunt atque venundarunt eldem
magno praesuli cum fundis atque casalibus ecclesiae 8. Leucii portionem eis
24*
eompetentem posita via Flaminia milliario ab urbe Roma plus minus qguin-
que et in auro solidos mancusos numero ducentos.
Ausgabe Rom 1718. Fol. I, 265).
94. Concambium inter Mauroaldum abbatem monasterli Sanctae Marias
Farfensis et Usualdum abbatem monasterii Sancti Salvatoris Restini. Im 2i.
Sabre der Regierung König Karla in Stalien, 2. indict.
Et si qua pars removere voluerit, componat parti alterae aurimancos XX.
(Chronicon Farfense bei Muratori, Scriptores rerum Italicarım II, 2, 355).
Anf. des 9. Jahrh. Schenkung bes Medi an dag Klofter Nonantola:
sit pena compositura da me vel da hereditas mea componere et dare
00... auri idibire mancosos centum.
(Tiraboschi, Storia dell’ augusta badia di Nonantola T. II, p. 33).
Anf. ded 9. Jahrh. Eine von Marini (Papiri Nr. CXXVII) mitgetheilte
Verkaufsurkunde, ohne nähere Angabe des Jahres.
precium auri solidos mancusos bisantheos 270.
Ebendaſelbſt (Nr. CXXVI).
solido mancosos.
800. Placitum missorum Caroli regis ad populos Histriae.
eo... . Unde nos interrogastis de justitiis dominorum nostrorum, quas
Graeci ad suas tenuerunt manus usque ad illum diem, quo ad manus domino-
rum nostrorum pervenimus, ut scimus, diecimus veritatem. De civitate Po-
lensi solidi mancosi sexaginta etsex. De Ruvinio solid. mancosi40;
de Parentio mancosos Sexaginta etsex. Numerus Tergestinus mancosos
sexagintae, de Albona mancosos 30, de Pedena mancosos 20, de
Montanna mancosos 30, de Pinquento mancosos 20. Cancellarius Cr
vitatis novae mancosos 1%. Qui faciunt insimul mancosos 344. Isti
solidi tempore Giraecorum in palatio eos portabant. .... e.. Omnia ista
dux ad suaın tenet manum, exceptis illis 344 solidis, sicut supra scriptum
est, quod in palatio debent ambulare.
(Ughelli, Ital. sacra, V, 1097).
808. Schenkung eines Grundſtücks bei Sinigaglia an bad Klofter Seſto
in Friaul, batirt vom 13. Jahre des Pabſtes Leo, imperante domuo Carolo
eo 0... anno VIII.
qui hac mea donatione disrumpere vel evacuare voluerit, ante omnis Htis
initium aut interpellationem pene nomine auri mancusios et solidos lib.
12 etc.
(Carli a. B. — G. A. Zanetti II, 375).
814. Placitam Spoleti habitum ab Adalhardo abbate.
Si... . removere quaesissent per qualecunque ingenium , componerent
mihi mancos [mancosos] 190.
(Muratori, Script. rer. Ital. II, 2, 361).
816. Urkunde des Kaifers Ludwig L zu Aachen in Betreff des Kloſters
beö h. Zeno zu Verona.
aut manculos [mancusos] viginti aut quinquaginta solidos argenti ac-
cipere debeat pontifex.
(Ughelli, Italia sacra V, 706). ©. u. bein %. 1024 und über die Echtheit S. 363.
815—826. Inventarium Fortunati, patriarchae Gradensis, zur Zeit Kai⸗
fer Ludwigs 1.
. . . lineas duas cortinas historiales, quae ceircundant tota sedilia, unde
misi (bier fehlt etwag in der Hoſchr.) velo majore ante reges, que emi de
Christophoro episcopo m&anc0sos viginti. Auro facto pensante manco-
sos 30 et 3, argento facto de mesa lib. 72. . . ... Ad augendum trans
misit in Franciam mancosos 50 et bonas gemmas adamantinas et jaguntos.
ut faceret meliore [calicem], si sanus est et vivus. Ludowicus.
(Ughelli, Ital. sacra V, 1103). .
827. Tabularium Casauriense, an. 13. Ludov. imp. indict. 11.
Ut componerent ipsi Totoui vel suis haeredibus mancosos 50.
861
833. Urkunde des Kaifers Lothar I. für das Mofter des heil. Jeno in Verona.
Scis$ se compositurum mille mancusos auri obrisi.
(Ughelli Ital. sacra V, 718).
840. Urkunde des Kaiferd Lothar I. zu Pavia außgeftellt.
Volumus ut pro 6 mancosis solidis ab uno homine sacramentum
recipiatur; ot si plus fuerit usque ad 12 mancosos, duorum hominum sa-
eramento sit satisfactum, et ita usque ad 12 librarum Veneticarum Semper
addendo ad duodecim electos juratores perveniat, ut quantae sint librae tanti
sint juratores.
G. A. Zanetti a. B. II, 372).
7—855. Im Leben bed Pabſtes Leo IV. wirb erwähnt:
multosque ei argento manc0803 praebuit.
(Anastasius biblioth. yit. Leonis IV. p. 197).
857. Im einer Urkunde des Kaifers Ludwig IT., worin einem Mailänder
Diaconus mehrere Güter gerichtlich zuerkannt werben, wirb als Strafe für
die, welche dies anfechten, feftgefebt:
mille mancusos auri.
(G. A. Zanetti a. B. U, 372).
861. Ducenti manicosi.
‘(Mittarelli, rerum Faventinarum Scriptores. f. Zanetti a. B. II, 355).
1. Urkunde von Kaifer Karl II.
duo milia mancosorum.
(Neugart, Cod. dipl. Alemann. I, 426).
Entſcheidung über gewiffe Schenfungen an ba8 Klofter St. Gallen durch
bie missi domini regis Nordpertus episcopus et Folhroch comes in fine Clu-
sins (in Stalien); das Jahr nicht angegeben, in ben Tradd. 8. Gall. nach 816.
... Folchartus et Adalolfus ejus fideijussores sunt in mancosos mille.
(Goldast, Alamannicarum rerum scriptt. II, 77. Tradd. 8. Gall. ©. 129).
883. Schenfungdurfunde bed Kaiferd Karl II. an das Monasterium
Casauriense.
Si quis contra hanc traditionem venire aut eam infringere voluerit, mille
mancosos auri eidem monasterio persolvere culpabilis habeatur.
(Chronicon Casauriense, lib. 1, bei d’Achery Spicileg. II, p. 939).
894. Urkunde 8. Arnulfs für das Klofter St. Ambroſio.
duo milla mancosos auri obrisi.
(Fumagalli, Cod. diplomatico Sant. Ambros. p. 536).
894. Charta precariae, per quam Grifo et Leo fratres a Majore Vul-
turnensi abbate in emphyteusim recipiunt cellam et ecclesiam 8. Valentini.
Et sic debeamus qualescungue de nobis dare et persolvere censum ....
annualiter de argento mancusos duo.
953. Tabularium Casauriense, u. d.
argenti mancosos 20 componamus,.
998. Urkunde bed Kaiferd Dtto IH. zu Gunften bed Bifhof von Cre⸗
mona. Die Zumiberbanbelnden werden mit einer Strafe bebrobt von
duo millia mancosos auri.
(G. A. Zanetti a. B. II, 372).
1014. Betätigung einer, Urkunde von Raifer Ludwig I. v. 3. 816 in
Betreff des Kloſters des 5. Zeno zu Verona durch Kaiſer Heinrih U.
ut in festivitate ipsius 8. Zenonis annis singulis aut mancosos vi-
ginti aut quinquaginta solidos argenti accipere debeat pontifex ip-
eius civitatis cum suis clericis ab ipsis monacis etc.
(Zanetti a. 8. II, 379).
1014. Placitum Rainerli ducis Thusciae, in quo litem de duabus eccle-
siis dirimit pro Farfense monasterio.
Exinde misit bannum domni imperatoris, ut si quis monasterium hoc de
eis disvestire praesumserit, duo millia mancösofum aursorum composi-
tor ezistat.
Muraterrf Besige. zes. ini. DI, 2, 325
, Ar een Pieckum zı Momur Tgheii. Eule zum. I. 10,
Ind), een zaüeı zz Alscaız : Fissenciui — hellıs. gu omanrass
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“Mia Bries III. p- 314),
154. Gfrııe u Chresisse Velkurnsnse.
Compsanasss üb . EARCOSij SrLmnginmn.
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Auſichten ar ide Mizzierte ever Beriban;
1. Zu itagſiche Mazzierte wirt in ben labgeſeben ren dr
dinen, efientar cerrumyirien Perazuugn wie mancasia x.) tbrilä mamessi,
theiſs mazensi yenamm; bie erkere Ecreibweiie jdeni bie birfiyere zmb ur
Iprinafige zu fein.
ein ober zwei Mal rorlemmende Bezeichnung mamcosi argentei wirb fatt
Gricben ı ober in ber Handſchrift nicht ar geleſen ſein.
3. Der solidus maneosus wirb byzantiniſchen Urſprungẽ fein. Hierauf
führt die in einer von Marini mitgetheilten Papyrus-Urkunde vorkounmenbe
fpecielle Bezeichnung: auri solidos mancusos bisantheos, und baun kefonbers
ber Umfland, daß man bie erſten wieberbolten Angaben in kiefer —
in Gegenden "findet, welde mit bem oftrömifhen Reiche | in näherer Berbind
verblieben waren (Jitrien, Venedig, Ravenna u. a.), und einige biefer Angaben
fi gerade auf Zahlungen beziehen, bie früher nad Gonflantinopel bin gelei:
flet worden waren.
4, Tie Art ber Erwähnung in einer iſtriſchen Urkunde zur Zeit bei
Kaiferb Ludwig 1. zeigt, baß bie maneosi aud, eine Gewichtsangabe bezeihne-
ten. Es bat dies aber nicht? Auffallendes , da befanntlid die solidi ebenfalls
häufig zur — eines beſtimmten Gewicht⸗ (von „3 röm. Pfund), ohne
Müdfiät auf Prägung bienen. Dan barf aus jenen &i ellen in 1 (Ofichen,
daß ber mancosus ur/prüngfid unb bauptfählih nur ein beſtimmt icht
Edelmetall, keine wirfligde Münze geweſen fei, jonbern e3 Tiegt barin vielmehr
nur noch ein weiteres Anzeihen, daß mancosus in gleihem Sinn wie solides
gebraucht wurde.
b. Benngleich der mancosus nur eie Art ber allgemeinen Münzſorten
ber —R war (ſ. o. unter Nr. 2), ſo ward er doch zuweilen auch von
32
13
363
ben solidi, fobald hierunter fpeciell die gewöhnliche Art biefer Drünzen ver:
fRanten wurde, unterfchieben.
Ueber den Werth bed mancosus geben zwei unter den oben gefam:
melten Belegftellen einen beflimmten Nachweiß ober doch eine kaum zwei⸗
felhafte Andeutung. Die eine ift die von Kaifer Heinrid IL. im Jahre 1014
beftätigte ältere Urkunde zu Gunften des Biſchofs von Verona, indem es darin
beißt: mancosos viginti aut quinquaginta solidos argenti. Hiernach würde
ber mancosus gegolten haben 30 Silber:Denare wie fie damals Reichsmünze
waren. Die ältere Urkunde, welche 1014 nur beflätigt wurbe, fol urfprüng:
lich von SKaifer Ludwig zu Aachen im %. 816 außgeftellt fein, und würde
alfo, wenn biefe ältere Urfunde echt wäre, Gierburd eine Werthbeſtimmung
des mancosus gegeben fein, welche ziemlich nahe an bie Zeiten hinanreicht, in
denen wir zunächſt eine Erwähnung diefer Münzforte antreffen. Wenn mın
auch jene auf Kaiſer Lubwig I. und das Jahr 816 zurüdgeführte Urkunde in
ber beftätigten Faſſung untergefhoben fein mochte, fo wird damit nicht aus:
eſchloſſen, daß nicht in einer echten alten Urkunde Kaifer Ludwigs, welche ber
m Intereſſe des Biſchofs von Verona gefälfchten zum Grunbe Tag, bie bier in
Betracht kommende Erwähnung ber mancasi und "ihre NRebuction auf Silber:
Denare ſchon geftanden hat. Daß nämlich in einer erſt um 1014 fabricirten
und vorbatirten Urkunde jene damals doch nur felten vorkommende Angabe
in mancosi und bie ungewöhnliche Beifü ng der Reduction auf Silber-Denare
entftanden feien, erfcheint an und für fih höchſt unmahrfcheinlih. Die Ueber:
einftimmung jener Nebuction mit einer ebenfalls im Sabre 816 in Freifingen
ausgeſtellten Urkunde, wo eine jährlihe Abgabe auf 1 Gold⸗Solidus ober 30
Denare angeſetzt wird, ift früher ausführlich erörtert (f. ©. 338). Auch wol:
len wir bier die Bemerkung fhon mit aufnehmen, baß die Gleichftellung bed
mancosus mit 30 Denaren damit übereinftiimmt, daß bei ben Angelſachſen ber
ſ. g. mancus ebenfall® in 30 Denare getheilt wurbe; allein wir glauben, baß
bierauf ein befondere® Gewicht nicht gelegt werben barf.
Dagegen fcheint eine andere, der Zeit nach nicht eben ferne ftehende kai⸗
ferlicde Urkunde, nämlich die oben angeführte bes Kaiſers Lothar IL. vom Jahre
840, ben Werth be Mancosus nicht zu 30, fonbern zu 40 Silber-Denaren
anzunehmen. Wenn in berfelben nämlich deutlich beflimmt wird, daß für ben
Betrag von je 6 mancosi Ein Eideshelfer erforderlich fei, daß damit fortzu:
fhreiten fei bi zum Belauf von 12 venetianifchen Pfund und dem entipre:
chend bis zu 12 Eideshelfern, baß aber von letzteren darüber hinaus nicht
mehre eintreten follen, falls es ſich aud) von einer größeren Summe als 12
librae handele, fo ergiebt ſich aus biefem Zufammenbang, daß bier der Wert
des mancosus nicht auf 30, fondern auf 40 Denare angenommen if. Daß
unter der libra nur dad Pfund Silber zu 20 Silber-Solidi oder 240 Denaren
verftanden werden kann, erfcheint nicht zweifelhaft, und e8 werben alfo 6 mancosi
gleichgerechnet 240 Denaren, ober 1 mancosus gleich 40 Denaren, waß ber
alten Berechnung der Solibi der Lex Salica ſich genau anfchließt.
Erwägt man jedoch, daß es ſich in der Urkunde de Kaiſers Lothar J.
von 840 um eine allgemeine Vorſchrift für das Gerichtsweſen handelt, wo es
nit barauf ankommen konnte, den Werth des mancosus für einen gegebenen
eoncreten Fall genau zu beitimmen, und der Name mancosus ftatt solidus ber:
muthlich ohne befondere Abficht nur deshalb gewählt wurde, weil zur. bama=
ligen Zeit diefe Bezeichnung in Venedig geläufig fein mochte, daß aber in ber
anderen, 1014 beftätigten, aber binfichtlich der fraglichen Wertbangabe gewiß
viel älteren Urkunde es aus unmittelbaren praftifchen Rüdfichten auf bie ge:
genaue Werthbeftimmung des mancosus anfam, fo wirb der Mebuction ber 20
mancosi auf 50 Silber:Solibi, oder, was baffelbe, des einzelnen mancosus auf
30 Denare, eine vorwiegende Geltung eingeräumt werben bürfen.
7. Die Werthangabe nad) mancosi fcheint hauptfächlich nur zu Ende bes
achten und im neunten Jahrhundert in einigen Gegenden Staliend üblich ge:
wefen zu fein. Die fpäter vorfommenden Erwähnungen biefer Münzſorte, bie
meiftens nur bei Strafanbrohbungen fi finden, werben ihren Grumb ber
haben, daß bie Älteren Formulare, melde bei ber abtaflung der betreffenden
Urkunde benupt wurben, von früher ber bie Normen von 1 ober 2000 mar
eosi auri einmal enthielten. Daß die mancosi niemald® auch mur kurze Zei
hindurch eine allgemeine Geltung erlangten, läßt fih unter anderm baras
entnehmen, baß in ber ununterbroden fortgehenden Urfunbenfanunfang ve
Lucca, welde für die Jahre 780 bis MO nahezu I00 Urkunden euchält, m
deren Mehrzahl eine Werthangabe vorfommt, nicht ein einzige Wal eine Ax
gabe in mancosi ſich findet. — Was Deutſchland betrifft, fo ift uns bis jeht,
außer in ben oben mit aufgeführten alamannifchen und bairiſchen Urkunden,
feine Werthangabe in mancosi befannt geworben. Die Art ber Erwähmm
in biefen Urfunden ift aber der Art, daß fie aus ber abfichtölofen Kopirum
eines italienifhen Formulars erflärt werben kann und nod keinenfalls ben
Schluß geftattet, daß bie Rehmung nah mancosi in Deutfchland üblich
gewefen fe. Anbererfeits ift aber nicht zu überſehen, daß in althochdeutſchen
Gloffarien fih ber Ausdruck wieberbolt angeführt findet, unb zwar überem:
ftimmend mit ber Erflärung durch Goldmünze ober beftimmter noch durch so-
lidi und bizantei. Schmeller (Bair. Wörterb. II, 594) ſagt: „Manchus, Man:
cus, Plur. Mandufla”, und führt ald Gloflen an: atater, philippus, solidus,
nummus aureus. Graff (Althochdeutſcher Sprachſchatz II, 808), meift aus den⸗
felben Quellen, giebt Folgenbe?: mancusa, aureos; — philippos. — manchess,
aureos; Mangusa, nummos aureos; manchussa, philippos; — solidos. Dief⸗
fenbach (Glossarium latino -germanicum m. et. inf. aet. ©. 340): maancones,
philippos, numos bisanteos. Hieraus wird man annehmen müflen, daß be
Gebrauch dieſes Namens in Oberdeutſchland im neunten und zebnten Jahı:
hundert nicht ungewöhnlich geweſen und man im Allgemeinen bie byzantiniſchen
Solibi öfterer auf diefe Weiſe bezeichnet habe.
Died find im Allgemeinen bie Schlußfolgerungen, die fi unferer Anſicht
nah aus ber obigen Zufammenftellung und ber Berüdfihtigung unmfaflender
Urkundenfammlungen in Bezug auf Stalien und Deutichland für bas ade
bis zwölfte Jahrhundert in Betreff der mancosi abnehmen laſſen. Wegen ei
auptpunfte bleiben wir troß ber zahlreichen Belegftellen im Dunkeln und find
öchftend auf Vermuthungen angewiefen, namentlich welde nachweisbare Münz⸗
forte, unterfchieden von fonftigen Bold-Solidi, mit jenem Namen bezeichnet wor:
ben ifl. Am beachtenswertheften erfcheint bierfür die von Garli und von ©.
A. Zanetti geänßerte Vermuthung, daß unter Mancofi bie im achten und
neunten Jahrhundert fchlechter ald bisdabin geprägten Gold-Solidi einiger
byzantinifcher Kaifer zu verſtehen feien. Hiermit würde bie Bezeichnung man-
cosi in der Ableitung von mancus (unvolifländig) paflen, wobei ber gemadte
Einwand, baß folcher Begriff damals noch nicht mit diefem Worte verbunden
newefen, durch den Hinweis auf ben Sprachgebrauch in einigen ber
barbarorum wiberlegt wird. Wenn aber beffenungeachtet diefe Ableitung an fid
nicht fehr plaufibel erfcheint, fo ift die noch weniger ber Fall mit ber Ablei⸗
tung von manu cusi (mit ber Hand angefertigt). Dem fteht in formelle
Hinficht entgegen, daß bie Schreibart mancosi Älter und üblicher gewefen if
als mancusi, und ferner der Umſtand, baß in der Art und Weiſe ber Prä-
gun ber damaligen Goldmünzforten ein Unterſchied, welcher bie fragliche
enennung, im Gegenfab gegen anbere Münzen ber nämlichen oder ber un
mittelbar vorangegangenen Periode, rechtfertigt oder erflärt, ſich durchaus nit
nachweifen Täßt. Die Ausmünzung im achten, neunten und zehnten Jahrhun⸗
dert erfcheint freilich in jeber Hinficht auf bedeutend niedriger Stufe als frü-
ber; aber dies ift ganz allgemein, und ift auch allmählich vor fi gegangen.
Was das Gewicht der byzantinifchen Goldmünzen im achten Jahrhundert
betrifft, fo giebt Queipo in feinem ſchon oft angeführten Werke hierüber fol
gende Notizen:
Justinianus Bhinotmetus (685—695 u. 705—1712): 4.05; 4.25; 4.90;
865
Tiberius Absimarus (898-705): 4.00; 4.05; 4.83 Gramm.
Artemius Anastasius (718—716): 4.32 Gramm.
Leo Isaurus et Constantinus (720 —741): 1.30 (Tremiffiß); 3.82; 4.42;
4.45 Stamm.
Michael I. (811—813): 4.42 Gramm.
Eine Unterfuhung ber im Berliner Münzkabinet ſich vorfindenden gut
erhaltenen byzantinifhen Goldmünzen bed in Rede ftehenden Zeitraums Dat
folgende Gewichtdermittlungen ergeben.
Justinianus II. Rhinotmetus: 4.37; 4.83; — 1.48; 1.41 Gramm.
Justinianus II. und Tiberlus V.: 4.41 Gramm,
Bardanes (711—713): 4.40; — 1.38 Gramm.
Artemius Anastasius: 4.47 Gramm.
Leo III. Isaurus (717— 741): 4.80; 4.43 Gramm.
Leo Ill. unb Constantinus V.: 4.30 (etwas abgenubt); — (Semiſſes)
2.17; 2.10 Gramm. Bu
(Zwei Tremiffen mit biefen Kaifernamen, aber barbarifcher Fabrication,
ben Tongobarbifhen Münzen ähnlich, wiegen 1.30 und 1.32 Gramm).
Constantinus V. unb Leo IV. (751—775): 4,38; 4.38 Gramm.
Constantinus VI. und Irene (780—790): 4.81 Gramm.
Unter einigen ber nachfolgenden Regierungen, von Michael Balbus und
Theophilus im neunten Jahrhundert, Tommen dann aller inge mehrfach Gold:
müngen von nur 3.65 bis 3.92 Gramm vor, allein dieſe Münzverfchlechterung
iſt nur partiell und vorübergehend gewefen, und gleich darauf erfcheint wieder
ber ſchwerere Münzfuß der Solibi. Auch find biefe Goldftüde, fowie einzelne
bed Leo Iſaurus zu 3.82 Gramm, immer noch viel zu fchwer, um bie Aus:
münzung eined etwa um 4 verringerten Golb-Solibuß als |. g. mancosus bar:
aufbin anzunehmen.
Ueberblidt man die vorftehenden Angaben, fo wirb man barin feinen Be:
Ieg für die Anficht finden, daß unter den byzantiniſchen Münzen des 8. u. 9.
Jahrhundert ſich eine befondere Sorte finde, welde man, etwa zum Wertbe
von brei Viertel des gemöhnlichen vollhaltigen Goldfolibus ausgemünzt, als
f. g. mancosi betrachten könnte; es ift allerdings möglich, daß eine weiter aus:
gebehnte Unterfuchung der und noch erhaltenen Goldmünzen ber genannten
Periode bes Mittelalterd Belege dafür beibringen kann, allein bis jetzt Tiegen fie
noch nicht vor.
Nichtsdeſtoweniger erfcheint die Notiz, daß zu Ludwig bed Frommen Zeit
ber maneosns im wirklichen Verkehr zu 30 Silber:Denaren gerechnet fei, auch
fo ben thatfächlihen Verhältniffen entſprechend. Um dies zu begründen,
müſſen wir freilich eine Angabe vorwegnehmen, welche erft im vierten Abjchnitt
unferer Beiträge zur Erörterung fommen wird, nämlich bie Einführung eines
anfehnlich ſchwereren Münzfußes für die Silber:Denare gegen Ende bey Regierung
Karls db. Gr., und noch mehr unter feinen nächſten achfolgern. Wir haben
oben (S. 339) bei Beſprechung ber im alten bairifchen Rechtsbuch vorkom⸗
menden Solidi bereits nachgewieſen, wie das Durchſchnittsgewicht der Denare
unter Kaiſer Ludwig I. auf ca. 1.66 Gramm anzunehmen ſei, daß 30
Stüd dieſes Denard alfo ein Gewicht von ca. 52 Gramm Silber barftell:
ten, und nach ber damaligen Werthrelation bed Silbers zum Golde wie 12:1
biefer Betrag Silber dem Quantum Gold, welches bie bamaligen byzantinifchen
Gold⸗Solidi durchſchnittlich enthielten, an Wertb fat fand. Es Tiegt
alfo in der gedachten Mebuction von 20 Mancofi auf 50 Silber:Solibi in
einer Urkunde vom Jahre 816 nicht nur Fein Anzeichen für eine bedeutend ge⸗
ringere Werthung des Mancofus im Vergleich mit dem Solibuß, als vielmehr
eine Beftätigung, baß jene Münzforte Tediglich eine Varietät bed gewöhnlichen
byzantiniſchen Gold-Solidus war, wie man in ähnlicher Weife für gewiſſe Ar⸗
ten biefer Solidi in einzelnen Gegenden und eine Zeitlang befondere Namen
gebraucht findet, wenn biefelben auch nicht fo Häufig vorfommen wie bie Mancofi.
SA . .
tem Bertbs oder Gewichts beibehalten, wie man bemm ſchon im neusten Jahr⸗
Hundert Mancus oder Mancufa Eilber oft erwähnt finde; bie Begeidmung
a a orum Ganeiie ud, bag an eine Münge biefed Ramens nid
zu besten fei.
Von Shmib? wird in ben Griänt zu ben fiſchen Se
fegen in Bezug auf ben mancns unter —— — Fra
meıt ober & Piunb gewefen, — barnad) berei-
3, bu echnung nah Marf und Mancus frmme im Demosday beck
4
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155
&
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3:
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5
7
ess auri für dieſelbe Sache angegeben werben; daſſelbe Berbälnnik
bei ber Silberberehmung, indem in Aelfrics Grammatik (zu Enbe bes
—— — 30 Pfennige einem mancas gleiygejet werden und in den
egen Athelſtans ein Ochſe einmal zu einem maneus unb au einer
Stelle zu 30 Pfennigen gerechnet wirb.
Rechnet man bie angelfähfiihe Mark zu einem Gewidte von
Gramm, glei ber Mölnifhen Mark, fo bedeutete der Mancus, als ber vi
Theil ber Mark Eifer, einen Betrag von 58 Gramm Silber, was wenn ber
Begriff bed Mancus oder der Mancufa als urfprünglid von dem mit biefem be
fonderen Namen bezeichneten byzantinifchen Gold-Solidus (zu ca. 4.40 Gramm)
orgenengen , eine außerordentlich hohe Wertbung der Goldmünzen heraus:
Mt. Wird dagegen dad Gewicht ber bamaligen Mark els die Hälfte bes al:
ten englifden Pfundes (bed f.g. Tower pound) alfo nur zu ca. 175 Gramm
angenommen, fo daß die Mancuſa & Pfund oder ca. 44 Gramm Silber bar-
t‘, oder wirb ber Betrag ter Marcus nach dem Silbergehalt von 30 an:
— Pfennigen berechnet, ſo ergiebt ſich ein viel geringerer Werth in
ilber, und zwar nur ein ſolcher Werth, wie wir ihn zur Zeit bed Kaiſers
Ludwig I. für den Gold-Solidus und den Mancofus gefunden haben, ba ber
Munzfſuß ber angelfächfiichen Piennige mit bem_ ber fräntifhen Denare umter
bem genannten Kaifer ziemlich übereinfommt. Wie bem auch fein mag, fo
viel iſt unverkennbar, daß das Werthverhältniß nicht gegen die Annahme zu
ſprechen fcheint, die angelfächfiiche Mancufa oder Mancus fei urfprünglich aus
em auri solidus mancosus hervorgegangen und babe fpäter dann in England
Di
r
1840. R. Ruding, Annals of the coinage of Great Britsin. 8 ed. Lond.
4 1, ı1l.
® Die Geſetze der Angelfahfen. In der Urſprache mit Weberfehung,
Erläuterungen und einem antiquarifhen Gloſſar beraußgeg. v. R. Schmid,
2. Mu. Eon 1868, quariſch far herausgeg ch
367
nad) der Reduction auf den Werth in Silber vormwiegenb bie Bedeutung eines
beftimmten Gewichts erhalten.
Die Bezeichnung mancusa auri, mancusa auri obryzi u. a. fommt in ben
angellähfifchen Urkunden vom neunten Jahrhundert biß zur normännifchen
Eroberung unzählige Male vor.
Die Älteften Erwähnungen ber mancusa, bie mir bier befannt geworben,
finb folgende.
785. Urkunde bed Königs Offa von Mercien (Kemble , Codex diploma-
tieus aevi saxonici I, Nr. 149):
.... dedi S. Petro et plebi domini degenti in Torneia .... .. quan-
dam partem terrae, accepto quoque ab ecclesiae ejusdem abbate Ordbrihto
placabili praetio 100 mancusas auri obrizi in una armilla.
811. Urkunde des Königs Coenwulf von Mercien wegen Weberlaffung
einiger Srunbftüde an den Erzbifhaf Wulfreb (Kemble, Codex diplomaticus
I, Nr. CXCV]):
. +. pro ejus larga pecuniarum remuneratione, hoc est centum et vi-
ginti et 6 mancosas pro his rebus.
811. Urkunde deſſelben Königs (Kemble, Cod. dipl. I, Nr. CXCVUI):
.. . et universis qui agros non habebant, libram in argento purissima
tribui, atque in auro mundissimo unicuique presbitero wancussum tradidi
unum, et omni servo dej solidum unum.
822. Urkunde beffelben Königs (Kemble, Cod. dipl. I, Nr. CCXVI):
“0... Rec non pro ejus placabili pecunia, id est anulus aureus abens
75 mancusas.
Bei den in obigen Stellen vorfommenden goldenen Ringen (armilla und
anulus) von einer beitimmten Anzahl mancusae wird man an bie in unferm
erftien Abſchnitt (3. I, 260) vorfommende Erwähnung aus einer angeljächfi-
ſchen Dichtung erinnert, wo ein Baug oder Ring feinen Goldes nah Schil-
lingswerthen geführt wird, was ebenfalls auf die Bleichftellung von mancusa
und solidus (Schilling) hinzuweifen ſcheint.
Merkwürdig ift aber jedenfalls, daß in England fhon im Jahr 785 bie
mancusa auri erwähnt wird, während man nad ben biöherigen Unterfuduns
gen in Stalien und fonft den mancosus nur einige Jahre früher (im 3. 778)
zuerſt nachweifen Tann.
Sn einem alten angelfächfifchen Gloffar wird mancones durch bizantes
erläutert (Dieffenbach Gloss. lat.-germ. ©. 364), Dagegen führt Ducange
aus einem altfranzöfifhen Roman de Guillaume au faucon eine Stelle an,
worin ber mangon gleichyefeßt wirb mit zwei Byzantinern:
Deux besans valent un mangon
ce fut bien dit deux mots & un.
Ueber das Borlommen und den Werth der Mancufi in Spanien werben
im Gloſſarium von Du Gange folgende Belege aufgeführt.
Diago de comitibus Bareinon. II, 53. Hier werben 7000 mancusi
monetae Bareinonensis gleichnefett mit 1000 unciae auri.
Urkunde bes Grafen Wilhelm v. 3. 1067: Et accipio a vobis pro hao
donatione . . . . . quattuor millia mancusos Bercheonenses.
Urkunde eines Königd Sanchez: Convenit Almutadyr dare regi Banctio
120 mancussos auri vel argenti, ita quod, si vult argentum, accipiat sep-
tem solidos monetae Caesaraugustanae pro mancusso.
Usatiei Barcinonenses v. “%. 1351: Mancussus auri Valentise valet
16 denarios ipsius monetae [Barcinonensis de Terno] et non ultra,
Kadträge zum erfien und zweiten Abſchnitt der Beiträge
zur Geſchichte des dentſchen Geld und Münzwefens.
Zur Wumertung 1 des erken Abſanittes. Ueber Funde rämiſcher Münxe
in Deutiälans.
Zu den dort angegebenen Münzfunden fügen wir noch folgende
Rotizen hinzu.
1. Zu Slagelſe auf Seeland wurden 428 römifche Silber:
münzen von Ziberins bis IM. Aurel gefunden (Antiquarist Tidftrift.
1843 45. S. 38).
2. Unter etwa 1000 zu Jever aufgefundenen römiſchen Der
naren aus der Zeit von Galba bis Antonius Pius waren von Iekte
rem Kaifer nur ein einzige® Stüd, die Münzen aus den NRegierun
en von Trajan und Dadrian fehr zahlreih, von Domitian ımd
Titus zahlreich, von den übrigen Kajfern Galba bis Vefpafian we
Ghevertändilihe Nachrichten, 1850. Vgl. Mommfen, Geſch. d.
M. S. 77:
nige
röm. .
3. Minzfund zu Niemegk, im Zaud-Belzigfchen Kreife, neun
Meilen füdlih von Berlin, im Jahre 1854 gemacht. Die nachfol⸗
genden numismatijchen Notizen über die Zufammenfegung diefes Fun⸗
des find einem Auffage des Hrn. Friedländer im VII. Bande ber
Märkiſchen Forſchungen, Berl. 1861, entnommen. Die 74 filbernen
römifchen Münzen lagen in einer etwa fünf Zoll hohen Urne von
ebranntem Thon, fehwerfälliger Form, mit einem ungenau paffenden
edel verjchloffen. Sie ftand zwei Fuß tief im gelben Sande, neben
einem etwa 3 Fuß im Würfel meſſenden Feldftein; Yeine andere Ge-
genftände, Teine Knochen fanden ſich vor. Die zum Theil verfchliffe
nen Münzen tragen lbereinftimmende Spuren von grünem Roſte.
Es find lauter wohlbelannte Denare.
Außer 19 meijt fehr abgenugten Legionsbenaren des M. Antos
nius (der Zegionen III, V, VIII, X, XV) und 2 Denaren des M.
Brutus befanden ſich bei diefem Funde noch 29 Denare aus ber Zeit
der Republik. Die ältefte Münze wird ein Denar der gens Lucre-
tie fein, da berfelbe den Typus der Dioskuren hat. En. Qucretius
Erio, der fie geprägt hat, war Monetar im Jahre 635 der Stadt,
219 v.Chr. — Die Zahl der Kaijer-Denare beträgt 24, unter ihnen
der jüngfte einer von Kaifer Hadrian und zwar von 881 d. St., 128
n. Chr. Der Fund umfaßt aljo Münzen von 219 v. Chr. bis 127
n.Chr. Da ſich von Hadrian nur diefe Eine Münze findet, während
von feinen Vorgängern mehrere, fo dürfte daraus zu folgern fein,
daß die Münzen während Hadrians Regierungvergraben oder doch nad)
Norddeutfchland gefommen find. — Diefer Schatz wird hiernach un»
gefähr um die nämliche Zeit vergraben fein, als Tacitus niederfchrieb,
daß die Germanen eine befondere Vorliebe für gewiſſe Sorten der
römischen Silberdenare hätte, für bie bigati und serrati, und es
drängt fich aljo gleichſam von felbft die Frage auf, wie verhält ſich
der Miünzfund zu Niemegk zu diefer Mittheilung des Verfaffers der
Germania.
Zunächſt bezeugt diefer Fund, daß die Germanen, felbjt tief im
Innern des Landes entfernt von der römifchen Grenze, vorzugsweife
die republifanifchen ‘Denare genommen haben werden; denn es kann
in der That nicht al8 bloßer Zufall angejehen werben, wenn in einem
etwa um das Jahr 127 n. Chr. vergrabenen Schag römischer Sil-
bermünzen fich zwei ‘Drittel republifanifche und nur ein Drittel Kai⸗
fer-Denare befanden. Wenn in den fpäter vergrabenen Schägen, bie
zu ımferer Runde gelangt find, dies Verhältnig fajt ganz aufhört
und meiftens nur Kaifer-‘Denare fich vorfinden, jo wird der Grund
nicht darin zu fuchen fein, daß die Vorliebe der Deutfchen für die
Münzforte der fchwereren Denare aus der Zeit der Republik aufges
hört hatte, ſondern daß thatfächlid; die Mittel ausgingen, diefe Vor⸗
liebe zu befriedigen, indem im Laufe der Zeit, außer durch das Ein-
fchmelzen, gerade durch fortgefegten Abflug nach Deutſchland im rö⸗
mifchen Reiche der durch neue Ausmünzung nicht wieder ergänzte
Vorrath an der gedachten Münzforte ausging, und man nothgedruns
gen zur beinahe ausfchließlichen Verwendung von Kaiſer⸗Denaren fid)
bequemen mußte. Daß es aber im Anfang des zweiten Jahrhun⸗
derts unferer Zeitrechnung, ale Tacitus über die Zuftände Germa-
niens fchrieb, fi) noch nicht fo verhielt, fondern damals im Verkehr
zwifchen Deutjchen und Römern die älteren Denare, 84 Stüd auf
das Pfund, noch eine bedeutende Rolle im Verkehr fpielten, wird
durch den Münzfund zu Niemegt in einleuchtender Weiſe beftätigt.
Und felbft die befondere Bemerkung des Tacitus, daß die bigati und
serrati borzugsweife gefchägt wurden, bleibt in diefem Funde nicht
ohne gewiſſe Beftätigung. Die einzige Art Denare, von der in dem
Bunde ein doppeltes Eremplar angetroffen ward, ift ein Denar der
gens Naevia, und zwar ein serratus, was wir aud) nicht für ei-
nen bloßen Zufall gelten Taffen möchten. Außerdem kommen freilich
nur nod) ein oder zwei serrati vor, aber eine Anzahl der Denare
hat den Typus ‚der biga oder quadriga.
Hr. Friedländer hat in dem erwähnten Auffage noch eine län⸗
370
gere Reihe von römifchen Münzen, welde in ber Mark Dres
burg auf dem rechten Elbufer gefunden worden find, mitgetheilt, mb
macht dabei die Bemerkung, es fei anzunehmen, daß die Münzen ws
Kriegsbeute herrühren würden, da in die Gegenden der Fundorte ie
Römer felbft nie hingefommen feien und eine Straße des Beruikw
handels diefelben auch nicht berührt habe.
Zu Anm. 1 ©. 277. Es ift ein Mißverftänbniß, wenn dei
bemerft wird, daß Herr Mommſen den nummus in ber Ravennetr
ſchen Urf. (Marini Pap. LXXX) für „I, Solidus angefehen hebe
Derfelbe hat richtig 60 diefer nummi dem „I; Solibus gleichgefet
Zu Kap. IL des zweiten Abſchnittes. J. Ueber bie Münzverhältniſſe der
Banbalen. .
In dem Literatur-Nachweis ift noch anzuführen: ML. Borrell
Coins of the Vandals in Africa, minted during the period a
D. 439 —543, im Numismatic Chronicle, vol. XVII, 3 — 12.
London 1855. — Der Ynhalt diefes Auffates, welcher auch Teint
fpecielle Gewichtsangaben der vandalifhen Münzen enthält, giebt
übrigens zu Berichtigungen oder Ergänzungen unferer ‘Darftellung
der vandalifchen Münzverhältniffe keinen Anlaß; es find vielmehr di
im Auffage des Chronicle mitgetheilten Deutungen der Werthzahlen
C, L und XXV auf den Silbermünzen, und von XL, XXI,
XU und IV auf den Kupfermünzen der Vandalen durch die im ben
Beiträgen (B. I, S. 280 f.) gegebene Erläuterung bereits widerlegt
und berichtigt worden.
Zu ebend, TIL 1. Ueber bie Münzverhältniſſe der Oſtgothen.
Im Literaturnachweis hätte noch angeführt werden können:
Lettres du Baron Marchant sur la numismatique et Y'histoire.
Nouv. say Par. 1851. yetires XII et und ae
gehörigen Annotations p. V. Langlois und de .— f
Explication de uelques medailles des rois Goths Tale
Aix 1843. — C. Lenormant, Lettres (1 et 2) à M. de Saulcy
sur les plus anciens monuments numismatiques de la serie
merovingienne. Rev. num. fr. XIII, 106 ff. und 181 ff., worin
die oftgothifchen Goldausmünzungen mit dem Namen ber Kaiſer Ju
ftinus und Anaftafius befprochen werben.
Neuerdings ift nun noch folgende Schrift Hinzugelommen: Sulle
monete auree dei Goti in Italia. Osservazioni di B. Bion
delli. Milano 1861.
Beranlaffung zu derfelben Bat Hr. E. Robert gegeben, indem
872
felbe mithin zu der nämlichen Anficht, welche von uns im ber Nete?
S. 286 im zweiten Abfchnitte diefer Beiträge ausgefprocdhen worden!.
Zu ebend. 111, 2. Ueber die Müngverhältuifie der Weſtgothen.
Seit Herausgabe der erften Abfchnitte diefer Beiträge ift um
die ©. 285 citirte Schrift: L. J. Velazquez, Congeturas sobn
las medallas de los reyes Godos y Suevos de Espaüa. Mr
laga 1759. zu Händen gefommen. Diefelbe giebt die Bejchreibumg
von 136 weftgotbifchen Münzen. Unter diefen befinden fi) 5 &
bermüngen, deren kurze Beichreibung, der außerordentlichen Seltenheit
der weftgothijchen Silbermünzen wegen, bier aufgenommen werden möge.
Nr. 41. RECCAREDVS REX; Brb. v. v.
Rev. TOLETO IVSTVS. Daſſ. Brb.
Nr. 67. D N SISEBVTVS REX; Brb.
Rev. DEVS ADJVTOR MEVS; Kreuz, babei CIVITAS EBORA.
Nr. 77. SVINTHILA RE. Brb. v. v.
Rev. CORDOBA TOPROM (?). Brb. u. Kreuz.
Nr. 130. I. D. N. N. EGICA RX. Zwei Bruftbilder, dazwiſchen ein Kreuj
Rev. VVITTIZA RX. Kreuz mit den Buchftaben CRGS (C ).
Nr. 181. IN. D. NM. EGICA RX. Zwei Brb., dazw. ein Kreuz.
Rev. VVITTIZA RX. Kreuz mit den Buchſtaben EM RA (Emerite).
Das Gewicht diefer Silbermünzen ift leider ebenſo wenig ange
geben wie das der Goldmünzen. Der Verfaſſer bemerkt in der Eiw
leitung (S. 3): eine andere Gelegenheit werde paffender fein, um
liber da8 Gewicht, den Feingehalt und Werth der Münzen zu han
deln. Es ift uns nicht befannt, ob und wo fid) diefe Gelegenheit
gefunden hat.
2 Wir Finnen e8 und nicht verfagen, einige Bemerkungen biefes italien⸗
[hen Auffages wörtlich wiederzugeben, welche eine gerechte Anerfennu
Hrn. Dr. Julius Friebländer enthalten, und dann das wahre Verhältnig ber
von Hrn. Lenormant aufgeftellten und von manchen franzöfifhen Numismati-
fern angenommenen Hypotheſen Mar darlegen. ©. 19. Ui signor Robert ha
torto di attribuire al Senckler la scoperta del solido aureo d’Anastasio ceel
monogramma di Teodorico, asserendo che prima di lui la moneta d’oro dei
re Ostrogoti non era stata conosciuta; mentre tre anni prima il chiaro G.
Friedländer nella sua opera Tie Münzen ber Oftgotben, pubblicata a Ber
lino, non solo fa cenno dei nummi aurei da quei principi coniati, ma paris
ancora delle monete e dei monogrammi dal Senckler riferii, come di cose
gia note, sebbene di dubbia attribuzione. — ©. 17. Siccome avviene d’or
dinario che colui che, indagado un vero, si prefigge prima in mente cid che
vuol trovare, crede rinvenirlo ovunque, e, cedendo alla propria illusione,
scambia la ipotesi col fatto, cosi accadde, a nostro avviso, in questa rioeres.
©. 22. Dapo cid non esiteremo a dichiarare ipotesi gratuite le attribuzioni
on... dedotte dalle semplici variazioni dell’ ultima sillaba nelle iscrizione,
o dalla varia grandezza delle lettere stesse. Gli errori grammaticali ed or
tografici degli incisori di zecca nello scompegliato periodo di cui si tratta, le
omissioni ed inversioni di lettere, la irregolaritä nelle forme ed altretali scoondl,
sono troppo frequenti, non solo nelle ultime sillabe, ma altresi nelle inisiall
e nelle intermedie, perch& vi si possa attribuire qualche importanza , meno
ancora uno scopo prestabilito.
373
“Die vorftehend angeführten Silbermünzen haben übrigens das
-nämliche Gepräge wie die gleichzeitigen Goldmünzen der Weftgothen,
"amd find dazu unverkennbar die gleichen Stempel verwendet. Es liegt
deshalb die Vermuthung nahe, daß biefe Silbermünzen urſprünglich
zu dem betrügerifchen Zwecke, vergoldet zu werden und als Tremif-
fen zu gelten, angefertigt worden find.
Die Auffchriften mehrerer Münzen find von Velazquez unrichtig
gelejen und gedeutet, 3. B. wenn er auf einer Tremifjis von Recca⸗
red Nr. 36 und ©. 59 VICTORIA AVIONV zu finden glaubt
end auf einen Sieg bei Avignon bezieht, wo ohne Zweifel nur das
befannte Victoria Augustorum hat wiedergegeben werden follen, und
wenn die angeblich auch auf einzelnen weftgothifchen Tremiffen vor-
fommende Wertbzahl VII auf das Negierungsjahr des Kaiſers Mau-
ritius bezogen wird.
— — — — — ——
Zu ebend. IV. Ueber die Münzverhältniſſe der Burguuder,
Zu Charnay an der Saöne, in Departement ber Saöne und
Loire, hat man in den Jahren 1833 bis 1860 nad) und nach einen
alten burgundifchen Begräbnißplag unterfucht, worüber feitdem eine
ausführliche und genaue Beschreibung erfchienen ift!. Der Verfaffer
derjelben ift der Anficht, daß diefe Begräbnißftätte zu Ende des fünf-
ten oder Anfang des fechsten Jahrhunderts, vor der Unterwerfung
der Burgunder unter die fränfifche Herrfchaft, zu jegen fei.
Unter den vielen bei diefen Aufgrabungen zu Tage geförderten
intereffanten antiquarifchen Gegenjtänden befanden fi) aud) 19 Müns
zen, unter diefen 3 alte galliiche aus Gelbfupfer und gewöhnlichen
Kupfer, und 14 römifche, nämlich eine Silbermünze des Kaiſer Ale-
zander Severus zu Trier geprägt, eine Heine Broncemünze des Kai⸗
fers Eonftantin, auch zu Trier geprägt, ferner zwei Kleine Bronce-
münzen von ZTetricus und Gallienus, eine mittlerer Größe von Gri-
fpina und die übrigen wegen der Orydirung nicht mehr erkennbar;
Fu Broncemünze von großem Modulus war in zwei Hälften zer:
rochen.
Außerdem fanden ſich dabei noch zwei ſehr roh gearbeitete Nach
bildungen Faiferliher Goldmünzen, ein nad rechtshin gewandtes Bruft-
bild und auf dem Revers eine rechtshin chreitende Victoria, auf bei⸗
den Seiten unverftändlicdhe Auffchriften ?; die eine diefer Münzen war
aus reinem Golde, die andere eine f. g. gefütterte Münze, aus
ı H. Baudot, Me&moire sur les sepultures des barbares de l’epoque
merovingienne decouvertes en Bourgogne et particuliörement & Charnay. Di-
jon 1860. 4.
2 Baudot a. B. S. 81. Auf der Hauptfeite etwa die Buchſtaben
VTA9JVTVNTI; auf der NRüdfeite VIHIV INTV. — Auf ber gefütterten
Münze find, außer ONO (Conob) im Abſchnitt, nicht einmal einzelne Bud:
ftaben zu erfennen.
1. 25
874
ıipfer mit einem binnen Golbüber In ber dhreibung
ı leider die Gewichtsangaben. Fr 2 "
Diefe Münzen erfcheinen in der Hinficht von Intereſſe, als ſe
igen, daß die Verſuche der Nachbildung kaiferlicher Golduränzen mu
n Barbaren, vermuthlich durch ihre Goldarbeiter , ſchon frikgeitig
allerrohejter Form veranftaltet worden jind, und daB trog kit
angelhaften Technik dennoc) eine ſyſtematiſche Fälſchung dur Be
dung von Kupfermünzen betrieben wurde.
Durch die in diefen burgumdiichen Gräbern neben den cben ie
rochenen barbarifchen Goldmünzen gefimdenen römiſchen Münze
In ganz verjchiedenen Perioden und Sorten wird die gleichzeitige
ireulation derfelben zu Ende des fünften Jahrhunderts bei ben =
jallien angefiedelten germanijchen Stämmen aufs Nene beftätigt.
Zu ebend. V. Ueber die Münzverhältuifle der Lonugsbarden.
Doß die Longobarden bis zur Einführung der Si
nd der damit verbundenen Eintheilung des neuen Silber-Solidus ut
2 Denare unter Karl dem Großen (j. u.) kleinere Beträge alt
‚remiffen nad) siliquae redjneten, alfo die nämliche Rechnungsvweiſt
eobachteten, welche wir im 6. und 7. Jahrhundert in Ravenna unter
ftrömifcher Derrichaft und in den Briefen des Pabſtes Gregor dei
Srogen antreffen (j. B. I, 277 f. u. 284), dafür können folgende
Belege erwähnt werden.
%m Edictum Rotharis cap. 253 und 254 (ed. Baudi a
/esme) wird bei Beurtheilung des Diebftahls unterfchieden, ob der»
elbe 10 Siliquen lberfteigt: si usque ad decem seliquas furtum
uerit, und: et tentus in ipsum furtum fuerit usque ad decem
eliquas. Der Betrag von 10 Siliquen ift offenbar als runde Zahl
jenommen, denn er paßt nicht gut mit dem Solidus, welcher befamt-
ih zu 24 Siliquen gerechnet wurde. — Cap. 346..... Et
i in curte permenaverit, tunc ille cujus peculius est, rogit
sum ut reddatur, sic tamen, ut dit pignus per ultimum valente
seliquas tres. — Cap. 351. Si porcus in isca alterius paverent
. -. ille qui eos invenerit teneat unum ex ipsis et habeat
salvum, et conponatur ei per porco seliquas tres.
In dem von Baudi a Vesme herausgegebenen Longobardifchen
Negulativ für die Bauhandwerker heißt e8 in sectio LXI: si vero
peuma fecerit, quantos pedes habent, tantas siliquas lebant.
Bon fonftiger Bezeichnung Heiner Werthe oder von Silber- und
Kupfermünzen bei den Yongobarden haben wir feine Angaben auffin
den können. Es ift überhaupt bemerfenswerth, wie außerordentlid
jelten in Urkunden jener Zeit geringere Werthangaben vorkommen.
In den etwa 200 Urkunden, melde aus den Archiven von Yucca
aus der Zeit bis zum Jahre 780 herausgegeben find, haben wir
z. B., obſchon fehr häufig Werthangaben darin vorkommen, nid
375
eine einzige Erwähnung angetroffen, woraus hervorginge, wie Beträge
unter einer Tremiſſis berechnet und bezeichnet wurden, weder siliquae
noch andere Kleine Münzwerthe.
Außer dem früher (B. 1, 290 f.) angeführten Munzfunde zu
Biella, welcher ca. 1600 fehr Kleine und leichte longobardifche Sil-
bermünzen enthielt, haben wir aller Nachforfchung ungeachtet feine
Spur eigener longobardifcher Silber- oder Kupfermünzen bisher aufs
finden können, und müfjen daher annehmen, daß entweder außer dem
erwähnten Funde ſämmtliche Exemplare folcher Münze verloren ge⸗
gangen find, oder daß die Longobarden ſich mit den Weberreften früs
berer römijcher und oftgothifcher Ausmlünzungen diefer Art und: den
von den byzantinischen Statthaltern in Ravenna neu geprägten Ku⸗
pfermünzen beholfen haben.
In Rüdfiht der longobardiſchen Goldmünzen und des Weber»
ganges von der Goldwährung zur farolingifchen Silberwährung kön⸗
nen wir jeßt dur Benutzung der uns inzwifchen zu Händen gekom⸗
menen Abhandlungen von G. di S. Quintino, Sulle monete au-
tonome battute in Lucca prima che quella cittä fosse riunita
al regno dei Longobardi, und: Delle monete coniate in Lucca
durante il dominio dei Longobardi, und ber fchon erwähnten Ur»
tundenfammlung von Lucca weitere Aufflärung geben !.
Die Stadt Lucca hat in der Zeit nad) dem Aufhören der oft
gothifchen Herrichaft bis zu ihrer Unterwerfung unter die Botmä⸗
Bigkeit der longobardifchen Könige, etwa um d. J. 640, eigene Gold»
münzen geprägt, nämlich Zremifjen, denen der allgemeine römijche
Münzfug der Gold-Solidi zum Grunde lag, deren Gepräge indeß kei—
neswegs eine Nachbildung der gleichzeitigen byzantinischen Münzen
war und die weder das Bildniß noch die Aufichrift der Kaifer führ-
ten. Die Behörde der Stadt hatte offenbar da8 Münzweſen jelb-
ftändig in die Hand genommen, denn es ijt faum denkbar, daß die
Kaifer in Conſtantinopel die Ermächtigung gegeben haben follten,
Goldmünzen ohne den kaiſerlichen Namen zu prägen.
Dieſe autonomen Tremiſſen von Lucca zeigen übereinftinmend
das Monogramm der Stadt Yucca, wie ſolche Monogramme befannt-
fich bei den Oſtgothen üblich gewejen waren, und auf der Rückſeite
ein ſ. g. potenzirtes Kreuz mit einer Umfchrift, in der nur die Buch⸗
ftaben V und I beftändig wiederholt werden. Die von QDuintino
mtgetheilten Befchreibungen enthalten über das Gewicht diefer auto-
nomen Tremiſſen von Lucca doigende Angaben:
Taf. I, 3 Feingehalt ? ewicht 264 par. Gran 1.91 Gramm
1,4 n 17 Sar. „ 26) „14 „
„15 " 16 u 24 „ n 128 „
„ 16 " 5 „ 23) „ „1235 „
2 Die oben erwähnten Abhandlungen von Duintino find aufs Neue
herausgegeben im XI. Banbe ber Memorie e documenti per servire alla atoria
di Lucca. Lucca 1860, 4,
25*
318
einfach nur auri solidi angegeben; in einzelnen Füllen Tehrt bie ſpe
cielle Bezeichnung boni Lucani wieder.
149. Berlauf eines Grunditüd® .. . acceptis in praesesti
.... loco preti... . cavalli sex pro solidis 60 et ai
cocto pensanti solidos 340. (Cartul. dı Farfa).
761. Berfauf eines Grimbftüds ..... accepimus pretium
in praesenti bovem 1, vaccas 2, jumento 1, et auri solide
6. (Cart. di Farfa, Doc. LXL).
162. Als jährliche Abgaben erwähnt: porco uno valente te
misse uno, camisia valente tremisse. Lucca. (Doc.
165. Verkauf einiger Acder: „Ireium auro trimissi sepfe.
(Cod. diplom. Toscano, Doc. LXIH).
173. Als jährliche Pachtzahlung beitimmt: auri soledos bonos
Lucanos numero quinque, tales quales tunc facti fuerint ex-
pendibiles.. Yucca. (Doc. CXLVI).
773. Preis eines Grundftüds: auri soledo nomero sexz
genta ..... soledi boni nobus in tigula adluminatus Lucani
et Pisanus. Lucca. (Doc. CXLVII).
781. Scenktungsurfunde. Et accepit pro supra dicta de
nationem camixia una et bragas pars uno valentem solidum
uno, exemplare uno valente tremissi duo. (Toriglas, Cod. dipl
S. Ambrosiano, Doc. XVI).
In den erften 23 Jahren der Herrichaft der Franken, von 774
bis 797, behält die Goldwährung und die Rechnung nad) Gold So—
fidt in Ober-$talien ihren ungeftörten Beitand, und in den dortigen
Urkunden diefes Zeitraums fcheinen nur einzelne Fälle vorzufonmmen,
wo Werthe in Eilber nach dem Gewichte angegeben werden und die
künftige Silberwährung fi) gleihfam ankündigt, wie 3. B. in einen
Verfaufscontract in Lucca vom %. 787: dedit episcopus unam li-
bram de argento ! (Doc. CCXII).
Für die Fahre des Uebergangs vom Gold-Solidus zum Silber
Solidus mögen mehrere Beifpiele angeführt werden, welche über ben
Zeitpunkt diefer Veränderung feinen Zweifel laſſen.
796. Preis eines Grundftüds: auri solidi Deitraginta et
quinque in prefinito et deliverato capitulo. Lucca. (Doe. CLVI)
496, Jährliche Abgabe berbice uno valentes tremissi duo.
Qucca. (Doc. CCOLVMI).
797 Mai. Jährliche Abgabe: justitiam redendi in natalem
Domini due soledis in oleo. Lucca. (Doc. CCLXI).
797 September. Verkauf eines Grundftüds: et recepi a te
2 NIS Strafe für Nicht: Erfüllung eines Contractd® kommt bie Angabe
nah Pfund Silber allerdings fchon früher vor, nämlich in einem Florentiner
Document vom %. 724: componituri esse debeant pena numerum per arges-
tum libras centum (Cod. dipl. toscano, I, 471); allein biefen allgemeinen or:
meln iſt ſelbſtverſtändlich Peine folche Bebeutung für bie Beurtheilung ber be
ſtehenden Kar ne und Zahlweiſe ald bie Angabe vereinbarter Preife ober
Abgaben in Geld beizulegen.
380
Die älteren Stüde, vermuthlich bis zur Unterwerfung unter bie Yen:
gobarden, zeigen das Dionogramm der Ztadt, wie joldye Monogrammı
auf den oftgothifchen Münzen üblid) geweien waren; von da erſcheint
ftatt deſſen fortdauernd der Stern — daher der Name solidi stellst
in einigen Urkunden —, um den Stern eine Zeitlang die Umſchift
Flavia Lucca, dann jeit Aiftulf der Name des jedesmaligen Könige.
2. Tas durdjichnittliche Gewicht der Luccaniſchen Tremifien ik
* den Exemplaren, für welche dieſerhalb eine Ermittlung uns ver⸗
iegt:
bei den älteſten, mit dem Monogramm 1.38 Gramm
bei denen, die nur Flavia Lucca haben 1.33
bei denen mit den Namen von Aiftulf und Deſiderins 1.12
Man erjieht hieraus, daB die älteren Tremilfen ungefähr daſſelbe
Gewicht haben wie die nämlihen Münzen, welche die longobardiſchen
Könige vor Yiutprand prägen ließen, und wie die im fiebenten Sahr-
hundert geprägten fränkischen Zrienten. Der Feingehalt verürt ki
allen diefen Münzen in ähnlicher Weife, und iſt beträchtlich geringer
als derjenige der gleichzeitigen byzantiniichen Goldmünzen 1.
3. Ob bei den Zahlungen zwiſchen den an ſich werthvolleren
byzantinischen und den aus den eigenen Münsftätten hervorgegangenen
Goldmünzen bei den Longobarden ein Unterfchied gemacht worden ift,
und welcher, darüber geben die Urkunden feinen Aufichluß. Dagegen
erfieht man aus einigen derjelben, daß mitunter Zahlungen in unge
mlnztem Golde nad) Eolidus-Gewicht bedungen wurden, daß einzeln
Zahlungen nach Pfunden Silber vorlamen, und daB um jene Zeit
auch in Italien zuweilen andere Werthobjecte al8 Zahlungsmittel
ausdrüdlich vorbehalten wurden.
Daß die Tremijfen das eigentliche gewöhnliche Zahlmittel
waren, nicht ganze Solidi, obſchon nad) diefen gerechnet wurde, läßt
fi) nit allein aus den erhaltenen Münzſtücken abnehmen, fondern
auch aus den Urkunden, indem in diefen mitunter Summen einfach zu
5 oder 7 ıc. Zremiffen angegeben werden, und dann aus folgender
Stelle des Paulus Diaconus (de gest. Longob. V, 36): Cum
die quadam solidos super mensam numeraret, unus ex tremis
sis de eadem mensa cecidit, quem filius Aldonis, adhuc pue
rulus, de terra colligens eidem Alachis reddidit.
6b. San Quintino hat (Xab. IL, 14) eine Kupfermüngze befannt
gemacht, von gleicher Größe und ganz gleichen Gepräge wie die äl-
teren Iuccanifchen Gold-Tremifjen (Stern und Flavia Lucca). Höchſt
wahrjceinlih waren Münzen diefer Art dazu bejtimmt, übergofdet
zu werden und zum Betruge zu dienen. Auch andere Anzeichen weis
fen darauf hin, daß die Verfertigung falſcher Goldmünzen bei den
Yongobarden im Gange war. Das vorhin erwähnte Beifpiel einer
? Tie in dem Werfe von Quintino mitgetheilten Angaben über ben ein:
gebalt fünnen Übrigens nur ald annähernd gelten, ba eine Ermittlung durch
Elnſchmelzen bei fo feltenen Münzen nicht ftattgefunden bat.
382
eingeführt fei, daß indeß noch in einem Capitulare Longobardicum
vom %. 813 die Goldwährung vorfomme, indem dort ein Pfund
Gold zu 72 solidi gerechnet werde. Beide Punkte bedürfen einer
Berichtigung. Das Capitulare, welches die leßtermähnte Angabe
enthält, ift in den Monum. G.H. (Legg. I, 192) nur deshalb un⸗
ter da8 genannte Jahr 813 gejtellt worden, weil der Zeitpunft, wenn
es erlaffen, nicht näher angegeben werden kann und es aus diefem
Grunde mit andern Tongobardifchen Edicten Karls d. Gr. am Schluffe
der Regierung deffelben zufammengejtellt ift; die bezligliche Verord⸗
nung gehört, eben wegen jener Werthangabe, ohne Zweifel der Zeit
vor 797 an. Die angezogene Stelle des Capitulare Mantus-
num enthält noch feine beftimmte Vorſchrift wegen Einführung der
Denare und der Eilberwährung, fondern zunächſt nur eine Außer:
courserflärung der früheren leichteren fränkiſchen Denare, die ver:
muthlich auch in Italien ſchon eireulirten, wenn e8 gleich dahingeftellt
bleiben muß, in welchem Verhältniß zum Gold-Solidus. Die Ur:
tunden von Lucca und aus anderen Gegenden SYtaliens von 781 bis
796 zeigen feine Spur von der Rechnung nad Silber - Solidi ımd
Denaren. Man wird daher anzunehmen haben, daß bis 796, wo
in Folge des gleich zu beiprechenden allgemeinen Capitulare F'ran-
cofurtense von 794 die neue Münzverordnung aud in Italien zur
Ausführung kam, hier die früheren longobardiſchen Münzverhältmiſſe
bis dahin in Geltung geblieben weren.
Dagegen iſt das Capitulare Francofurtense vom Jahre 794
Mon. G.H. Legg. I, 72), wenn aud) no nicht ſogleich, doch nad
erlauf von zwei bis drei Jahren in Ytalien, foweit e8 unter frän-
kiſcher Herrſchaft ſtand, um fo volljtändiger zur Ausführung gefom-
men und hat das bisherige Tongobardifche Münzweſen mit feinen Gold»
Solidi, Tremiffen und Siliquä gründlich befeitigt. Es beftimmte:
De denariis autem certissime sciatis nostrum edictum, quod
in omni loco, in omni civitate, et in omni empturio similiter
vadant isti novi denarii, et accipiantur ab omnibus. Si au-
tem nominis nostri nomisma habent, et mero sunt argento,
pleniter pensantes, si quis contradicit eos in ullo loco, in ali-
quo negotio emptionis vel venditionis, si ingenuus est homo,
quindecim solidos conponat ad opus regis etc. — Mit ber
Ausführung diefes Ediets konnte die Goldwährung, auch wenn die
Tremiſſen bedeutend fehlechter an Gewicht wie Feingehalt ausgeprägt
wurden, fich nicht vertragen; fie mußten hiernad) aufhören, ohne daß es
einer befonderen Verordnung dafür bedurfte. Denn da e8 feititand, daf
12 Denare für den Solidus gerechnet wurden, fo konnte nunmehr Nies
mand ſich weigern, nad) diefem Berhältniß in den neuen Denaren Zahlung
anzunehmen, und das bisherige Gold-Courant ward nun fo zu fagen
Dune enge Die oben mitgetheilten Auszüge aus Urkunden des
rchivs von Yucca laffen die Webergangsperiode deutlich erkennen.
In Urkunden des Jahres 796 finden wir noch, wie durchweg in ben
vorangegangenen Jahren, auri solidi und tremisses. Im darauf
383
folgenden Jahre 797 beftimmt eine Urkunde bie Zahlung von zwei
Solidi „in Del”, was freilich auch fonft noch in einzelnen Fällen
aorfommt, allein hier vielleicht feinen befonderen Grund darin hatte,
dag man über den Fünftigen Münzwerth im Unflaren war, und des⸗
halb den Werth in einer beliebten Waare feftzufegen vorzog. In
einer anderen Urkunde des nämlichen Jahrs, im September, wird der
Preis in Silber feitgefett, allein merfwürdiger Weife fehlt neben der
Zahl die Angabe solid. War der Schreiber vielleicht in Verlegen-
beit, ob er die neue Wertheinheit von 12° Silber-Denaren, welde an
die Stelle der bisherigen Wertheinheit von 3 Gold-Tremiffen trat,
auch mit demfelben Namen solidos benennen folle; — oder ift es
reiner Zufall, daß gerade hier da8 Wort solidi fehlt, welche Aus-
laſſung jonft wohl felten vorlommt. Das Vebergangsftadium zeigt fich
auch in einer Urkunde des Jahres 798, wo eine jährliche Abgabe
nach den neuen Münzverhältniffen in denari sex arto (verfchrieben
ftatt argento) mundo boni expendibili ftipulirt ift, mit der Op⸗
tion diefelbe in Del oder Wachs zum gedachten Werth von 6 Dena⸗
ren abzutragen, während die Straffjumme für Verlegung des Con
tracts noch nach früherem Gebraud) in auri solidi angegeben wird.
Außer diefer, offenbar aus früherem Formular übertragenen Ermwäh-
nung find uns in Urkunden von Lucca oder anderen Städten Ober»
italiens in den nächſten Fahren nah 797 keine Angaben in Gold-
Solidi oder Tremiffen vorgefommen, und fcheint alfo das neue frän⸗
kiſche Münzweſen dort mit aller Strenge durchgefeßt zu fein. Die
Neuheit deffelben giebt fi) übrigens während des eriten Jahrzehnts
noch dadurch zu erkennen, daß in manden Urkunden ausdrüdlich bei⸗
bemerkt wird, es feien Solidi zu verjtehen jeder zu 12 Denaren ge
rechnet, oder daß das Pfund Silber durch Gleichftellung mit 240
Denaren erklärt wird.
Ueber die prineipes in der Germania
des Tacitus.
Bon
G. Waih.
Di principes von denen Zacitus in der Germania handelt find
die von dem DVolf gewählten Vorjteher bei allen den Stämmen
welche feine KRönigsherrfchaft ausgebildet haben: fie üben als folche
vor allem gerichtliche Functionen aus, find außerdem aber auch im
Kriege als Führer der einzelnen Abtheilungen thätig; fie und nur fie
halten ein Gefolge, das ihr Anfehn erhöht, das fich dergeftalt den
allgemeinen Ordnungen des Staates einfügt, wenn daffelbe aud) den
ftätigen, auf dem Grundbefig beruhenden Ordnungen der Staaten ge:
genüber zugleich ein mehr bewegliche Element in das Leben der als
ten Deutfchen bringt.
Das ift die Auffaffung welche der erfte Band der Deutfchen
Verfaffungsgefchichte ausführte und auf welche die hier vertretene
Anfchauung der älteren deutſchen Berfaffungsverhältniffe überhaupt
wefentlich beruht. Zunächſt durch die interpretation der betreffenden
Nachrichten in der .Germania gewonnen, fand diefe Anficht in alle
dem Bejtätigung was ſich über den Charakter der älteren Verfaſſung
felbjt und ihren Zufammenhang mit den fpäteren Zuftänden ermit-
teln ließ. Und von mehr als einer Seite her ift ihr dann auch er⸗
freulihe Zuftimmung zu theil geworden.
ALS ic) zulegt etwas eingehender diefer Sache gedachte (Zur
Deutſchen BVerfaffungsgefchichte, Allg. Monatsfchrift für Wiffenfchaft
und Literatur 1854 April S. 274) Hatte ich überwiegend folder
beipflichtender oder unterftügender Darlegungen zu gedenten. Nur
einzelne, nicht eben tief eingreifende Ausführungen gingen bier einen
anderen Weg, und ich durfte mich mit ein paar kurzen, den früheren
Standpunkt vertretenden Bemerkungen begnügen. Seitdem hat die
Sache Sic allerdings wefentlich geändert. Wieder und wieder find
diefe älteren deutſchen Verfafjungsverhältniffe Gegenftand der Erör⸗
terung gewefen, und wenn mandes was ich früher ausführte auch
bier Anerkennung und Beftätigung erhalten hat, jo ift jett gerade in
Beziehung auf die Frage nach der Bedeutung der princıpes und die
Verhältniffe der Gefolgfchaft überwiegend eine von der oben erwähn-
ten Auffajfung abweichende Anficht „vertreten.
Zu der Meinung, daß die principes Adliche feien, und Adliche,
nur Adlihe und alle Adliche, ein Gefolge halten durften, ift freilich
feit Watterich, von dem früher (a. a. D.) die Rede war, niemand
zurückgekehrt. Manche der Neueren haben ftatt deſſen vielmehr das
ii!
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im in den Mind). Gel. An;. 1859. R. 50 ff.),
marmigfach abreichenden Anfichten, bier zu einem im We
ichen gleichen Rejultat gelangen. Jedenfalls haben diefe Arbei⸗
ten, in Berbindung mit einem Aufiage, der in den von mir geleite
ten hiftoriichen Uebungen vor einiger Zeit vorgelegt worden ift, mi
veranlafjen mirjen, die Sache einer neuen möglidit jorgfältigen und
unbefangenen Prüfung zu unterwerfen, die mid) dann in der Haupt⸗
fahe nur in meiner Auffajjung bejtärtt, in manchen Ginzelheiten
aber allerdings zu einer etwas andern Anficht oder wenigftens an-
dern Begründung als früher gebracht hat, und mir Reranlaffung
giebt noch einmal etwas ausführlicher den Gegenftand zu behandeln.
Ich werde hier wie früher (®. ©. I, 97. 149 ff.) davon aus-
gehen müſſen, den Zuſammenhang der Taciteifchen Darftellung ins
Auge zu fafien. Germania c. 11. 12 (nad) unferer üblichen, oft
nicht eben glücklichen Gintheilung) ift von den Grundlagen der ſtaat⸗
lichen Verhältniffe überhaupt die Nede, von der Berfammlung in wel-
cher die öffentlichen Angelegenheiten behandelt werden, ohne Rückſicht
darauf ob Königsherrſchaft beiteht oder nicht (c. 11. Mox rex vel
rinceps etc.). Dabei wird zu Anfang der principes gedacht ale
—* die kleinere Sachen allein erledigen, größere auch berathen,
dann nachher nochmals in der Weiſe daß erwähnt wird, wie in die
fer Verfammlung die principes gewählt werden, qui, jura per px
gos vicosque reddunt. — folgt die Wehrhaftmachung: in
welchem unmittelbaren Zuſammenhang werde ich nachher noch erwäß-
nen. Außer den Verwandten kann fie vornehmen principum aliquis.
Unmittelbar daran fliegen fi die vielbefprochenen und ebenfo
wichtigen wie fehwierigen XBorte: Insignis nobilitas aut magna
petrum merita principis dignationem etiam adolescentulis as-
signant. Gleich hernad) ift von den comites, dem comitatus bie
Nede, von dem Verhältniß diefer zum princeps. Und da alles er:
fedigt was ſich auf das Gefolge bezieht oder ſich an das Gefolge
anschließt, heißt e8 endlih: Mos est civitatibus ultro ac viritim
conferre principibus vel armentorum vel frugum etc.
Ich muß jegt wie früher fragen: wie ift es deufbar, daß in
diefem Zuſammenhang, diefer Aufeinanderfolge princeps, principes
zwei ganz verſchiedene Dinge, gemählte Lorjteher, Nichter des Volls
und Gefolgsführer, wie viele wollen, bedeute? Gewiß ift von jenen
wie zuerjt aud) in der legten Stelle wieder die Rede: dazwiſchen
TER
An
:
PT
Ei;
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390
rin als Gefolgeherr für ben Gefährten “princeps sum’
——** wird, fo iſt das natürlich ohne alle Bedeutung: dem Ge
folgsgenofjen iſt der allgemeine princeps ja gewiß Drinceps sun.
Und wenn andererfeitd einmal ftatt beifen fih der Ausdruck finde:
judicio ejus quem sectantur, fo ift das nur eine ftylifitide
Wendung, um das fo ſchon fo oft wiederkehrende “princeps’ zu ver
meiden; baß eben jener der princeps tft, ergiebt ber Zuſ
jo deutlich, daß es gewiß nicht noch von Tacitus hervorgehoben zu
werden brauchte. Die Worte fpäter: nec solum in sua gemte
cuique, sed apud finitimas quoque civitates id nomen, ſcheinen
mir aud) vorzugsweife auf den princeps als Vorfteher des Boll
su paffen: ihm gegenüber kann die gens befonder8 prägnant "sus
genannt werben; und wieder zu der Völkerfchaft, der der princeps
ganz oder theilweife vorfteht, bilden die fremden civitates erft einem
recht beftimmten Gegenjaß.
Wenn dagegen Dahn (S.76) behauptet, aus dem zumächft Fel⸗
genden ergebe fi), daß die principes al8 Gefolgsführer c. 13 um
die principes als ftaatliche Vorfteher verjchieden fein, fo kam ih
auch dem nicht beipflichten'. Expetuntur enim legationibus e
muneribus ornantur et ipsa plerumque fama bella profli
Das, meint er, hätte von den Häuptern ber ftaatlihen Gemeinden
nicht gefagt werden können: theil® babe es fich von felbft nerftanden,
daß diefe Gefandtichaften empfingen, andererfeits fei nicht zu denlen,
daß jene mit ihren Gefolgichaften da hätten eingreifen können, wo
die Staaten fi im Frieden befanden. Allein dem Legten wider
Spricht fo ziemlich alles was wir von ber älteren germanifchen Ge
ſchichte wiſſen. Die Neigung fi) an kriegeriichen Zügen und Aben-
teuern zu betheiligen, ohne viel Rückſicht auf die Verhältniffe die mit
den Nachbarn bejtehen mochten, zeigt fich bei Deutfchen unb Nor⸗
mannen alle bie folgenden Yahrhunderte hindurch. Gegen Selten
und Römer find die Deutfchen, wie fpäter gegen die fränkifchen und
angelfächfiichen Gebiete die Normannen, in —* Bewegung; umb
ebenjo hat es nicht an Kämpfen der Germanen unter einander ges
fehlt; und wenn dabei vielfach auch ganz andere Verhältniffe als bie
Sefolgfehaften in Betracht kommen, man entfernt nicht, wie früher,
daran denken darf, diefen den Hauptantheil an allem was der Art
entgegentritt beizulegen, fo ift doch deutlich, daß ſich Gelegenheit genug
fand für die Fürften in der Weife einzugreifen wie es Tacitus ſchil⸗
dert, ohne daß dadurch die beftehenden Ordnungen in Frage geftellt
und erfchüttert wären. Hier ift die oft angeführte, mit Unrecht ®
(auch wieder von Köpfe ©. 23 und von Wietersheim S. 380.
383, während diefer fih ©. 388 zweifelhaft äußert) freilich auf das
2 Auh Danield I, ©. 336 folgert gerade daß Gegentheil: das von
Tacitus Erzäblte pafle nur, wenn man ſich die Gefolgsherren zugleich als die
beftändigen Landesfürften vorftelle.
2 Michtig dagegen Daniels I, ©. 342,
392
ſondern Gefolgsleute find (vgl. namentlich auch Roth, Beneficialweſen
S. 18, der nur etwas zu weit geht in der Anfidht von der „Unterord-
numg ber Comitate* unter die Gemeinde), erkennt auch Köpfe (S. 22n.)
an (ebenfo Bornhak in einer unten anzuführenden Abhandlung S. 235,
Thudichum S. 14, Schulte, Lehrbuch der d. R. und R. ©. ©. 15
n. 2); während Dahn fi zweifelhaft äußert (S. 76 n. 2), Wie
tersheim (S. 381) die entgegengefegte Auffaffung vertritt. Aber
felbft wenn man mit den neuern Herausgebern, Haupt, Haaſe, Halm,
Krig, “tuentur’ aus den beiden Handſchriften A und B (nach Haupts
Bezeichnung) lieſt, nicht “tueare’, wie C umd andere haben und id
früher mit Gerlach vorzog (V. G. J, S. 149), aud) Köpfe (a. a. O.)
vertheidigt, werden nicht die plerique nobilium adolescentium als
Subject anzunehmen fein, fondern das ift hier und bei dem Bor-
hergehenden “clarescunt’ aus ‘gens’ zu entnehmen (vgl. Jeſſen in der
Anzeige von Kritz's Ausgabe in der Zeitfchr. für Gymnaſialweſen
1862.1, S. 72). Dagegen tritt mit dem folgenden ‘exigunt’ das Sub
ject des Hauptjaßes, die Gefährten, von welchen vorher die plerique
nobilium adolescentium al8 ein Theil, der bejonders in Betradt
kam, genannt find, wieder ein.
Hiernach ift auf die nähere Erflärung der Worte, die, wie be
merft, den Uebergang zu der Befchreibung des Gefolgewefens über
haupt machen, einzugehen. Ich erfreue mich da in mancher Bezie⸗
hung einer Webereinftinnnung auch mit denen welche ich bisher mit
einer in der Hauptfache abweichenden Auffaffung gegenüber fah; wäh
rend es freilich auch hier nicht an Abweichungen fehlt. Einzelnes it
jetzt jedenfall8 genauer und beffer gefaßt als früher.
Zunädjft kann e8 gewiß nicht weiter einem Zweifel unterfiegen,
daß die Bezeichnung ‘robustioribus ac jam pridem probatis’ mit
Köple (S. 17) auf das vorhergehende: sed arma sumere non
ante cuiquam moris quam civitas suffecturum probaverit, be
zogen und daraus erflärt werden muß. Ich habe jchon früher be
merkt (8. ©. I, ©. 150. 151), daß jener Ausdrud für die princi-
pes ein ganz unzuläffiger, unpaffender ift; wogegen er den wehrhaft
gemachten, von der Verfammlung des Volfs dazu würdig erklärten
Fünglingen durchaus entipriht. Ihnen gegenüber ftehen die “ado-
lescentuli’, eine Bezeichnung die ficher auch nicht ohne Abficht gewählt
ift: ganz junge Männer, die die Bedingungen der Wehrhaftmachung
noch nicht haben. Sie werden den andern angereiht, d. 5. gleichge-
ftellt: an die Lesart ‘ceteri’, die handſchriftlicher Begründung voll:
ftändig entbehrt, iſt auf die Weife nicht zu denken; es giebt außer
den adolescentuli auf der einen und den robustiores ac jam pri-
dem probati auf der andern Seite gar feine mehr die als ceteri
bezeichnet werden Tönnten. Nur dann wäre diefe Lesart möglich,
wenn man fo auslegen wollte, daß unter den Wehrhaftgemachten
unterjchieden würden einige, die als adolescentuli principis di-
gnationem erhielten, und andere, die denen angereiht würben welche
Ihon früher, bei einer früheren Gelegenheit, die Probation erlangt.
894
Männern verfchafften, oder auch nur fo ficher in Ausficht ftellten, daß
diefelben dadurch von den andern abgejondert wurden, nach dem ganzen
Zufammenhang unmöglid. Es fehlt dann entweder aller Fortgang
in ber Darftellung, ober wenn man einen ſolchen bineinbringt, ge
ſchieht es in einer Weife die fi in der That mit den Worten, wie
fie lauten, fonft gar nicht verträgt. Namentlih das ‘aggregantur
wird häufig in einer Bedeutung genommen die es nicht bat. Qui
aggregatur, fagt Franz Ritter, non subicitur (coordinatur, non
subordinatur): e8 bedeutet die Aufnahme in die grex in Beziehung
auf die andern Mitglieder derfelben, nicht auf den Führer und Für
ften. (Das Gegentheil jagt unrichtig Roth, Beneficialweſen S. 12, der
fonft in der Auffajfung diefer Stelle und des ganzen Verhältniffes mit
mir übereinftimmt). Außerdem bezieht man zum Theil ‘robustioribus
etc. auf bie Fürften; und auch fo fommt man meift ohne die Aen-
derung ‘ceteri’ nicht aus. Wenn alles drei bei Sapignys Deutung
zufammen kam und fie als ganz unmöglich erfcheinen ließ (V. ©.
a. a. O.), fo zeigt fich bei anderen wenigſtens das eine oder andere.
So erklärt Phillips (a. a.O. ©. 355): fie werden den übrigen Für.
ften angereiht, gleichgeftellt: ift ‘ceteris’ beibehalten und “aggregan-
tur richtig genommen, fo hat dagegen ‘robustioribus’ etc. die m
zuläffige Beziehung auf die Fürften erhalten, und außerdem fehlt
aller Uebergang zum Gefolge; das ‘nec rubor inter comites aspici
beginnt etwas ganz Neues; wie es bei einer fonjt ganz verfchiedenen
Erflärung aud Köpfe S. 18 will, mir aber weder an ſich ange
meſſen noch Zaciteifcher Weife entiprechend erfcheint. Um einen fol-
hen Uebergang zu finden, fagt Horkel (Gejchichtsfchreiber der beut-
ſchen Urzeit S.709): „fie werden einem der älteren Fürften beigege-
ben, treten in fein Gefolge“; und ähnlich nimmt Roth d. &. ale den
eigentlichen Sinn der Stelle an (a.a. D.): „ünglinge, denen ihres
hohen Adels oder des Verdienjtes ihrer Väter willen fürftliche Würde
zufommt, fließen fih an Fürſten an, die ſchon fräftigeren Alters
umd längft erprobt find“. Abgeſehen davon dag aud) hier die unzu-
läffige Beziehung des ‘robustioribus’ etc. auf die Fürften wiederfehrt,
und “aggregantur nicht in feiner wahren Bedeutung gefaßt ift, mag
man einfach fragen, ob e8 benkbar ijt, daß Tacitus einen fo
Gedanken in der Weife wie wir die Worte Iefen ausgedrückt haben
würde. In anderer Weife faßt die Sache Krig: „die Jünglinge
weiche früh und außer der Ordnung mit der Würde eines Fürften
geehrt — und das heiße nicht, daß fie wirklich Fürften geworden,
fondern nur daß fie die Gewißheit erhalten, fobald fie erwachſen,
Fürſten zu fein (man mag die Frage aufwerfen, wie dann gleich ein
Play für fie frei gewefen), diefe feien dadurch nicht ftolz geworden
nnd hätten nicht verſchmäht, bis fie erwachfen, unter den Gefolgsge⸗
nofjen zu leben und deren Gefchäfte zu theilen“: das ‘nec rubor in-
ter comites aspici’ eng mit dem Vorhergehenden verbunden, gewiſſer⸗
maßen zu demjelben heraufgezogen, fol diefen Sinn ergeben. Aller
dings kommt feines von den fprachlihen oder Tritifchen Bedenken,
*.
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bie vonteni cunniten erſcheinen als die IOUO Mitglieder der uriprüngfi-
oem Hunderte, melde das Gericht unter dem Boriig des princeps
bilden (8.&. I, ©.%9. 113 n.), die comites find die frei gewähl-
ten, frei fi anfdylieenden Gefolgegenoſſen. Die jo angenommene
verſchiebene Mebeutung ber comites iſt wohl ein Grund geweſen,
auch für bie principen mehr als eine zu ftatuieren (Dahn S. 75).
Ich bin auch Vortwährend der Meinung, daB in der Sadıe kei⸗
nerlel Werbindung oder Zuſammenhang beſtand.
Wenn Zopfl(VNechtsgeſchichte 8. 8. 32, wenigſtens ſchon in
ber zinchten duflage, und Landau von einem doppelten, einem amtli⸗
den mb einem freiwilligen (Sefolge fprechen, fo ift das in Wahr:
I nur eine Werwendung beffelben Ausdruds für ganz verfchiedene
Kluge, ad) Söpfl wäre jenes von der Gemeinde gejtellt, theils
ule Null) (Clorin. ©, 12), theils al8 Landwehr (Germ. c. 6), dies
aciem locant, obwohl auch Zöpfl diefe Stelle mit dem
angenommenen amtlichen Gomitat in Verbindung bringt. —
diefe Erklärungen wendet fi) Daniels (I, ©. 337 ff. ), will
auch von ben Hunderten und ihren Mitgliedern nichts
haupt die Worte des Zacituß: centenis singulis etc. nid mit
Gerichtsbarkeit in den pagis et vicis, von der vorher bie —*
in Verbindung bringen; er meint vielmehr, ſie ſeien auf die
meinen Verſammlungen der Landesgemeinde zu beziehen, wo auch
Fürſten zuſammen kamen: da hätten dieſe eine ſolche kriegeriſche
gleitung mitgebracht, um durch dieſelbe ihr fürſtliches Anſehn af
recht zu erhalten und bei den wichtigen Angelegenheiten ſich
Raths zu bedienen: was aber die Zahl betreffe, ſo könne man zwei⸗
feln, ob gerade hundert dazu auserlejen feien, oder ob eigentlich ge
jagt fein folle: „die Fürften feien mit ihrem in Hunderte abgetheil⸗
ten Kriegögefolge erfchienen“ ; der Verfaſſer iſt geneigt fich für det
Letzte zu entjcheiden. Dadurch erhält dann das Gefolge wieder em
jehr große Ausdehnung, wie fie wenigftens bei Fürften, Die den Ab
theilungen der civitas — mag man fie num als Hunderte anfchen
ober nicht — vorftanden, | Swerlich wird vorausgejegt werden bürfen
Das Ganze jcheint mir aber dem deutlichen Zuſammenhang der
Worte bei Zacitus dergeftalt zu widerſprechen, daß man fich nicht
länger dabei aufzuhalten braudt.
So vermag ich feinem der verfchiebenen Borfchläge beizupflichten
die gemacht find, um eine wirkliche Verbindung zwiſchen den centeni
comites mit den nadjher genannten comites herzuftellen. ——
gleichwohl ſcheint es mir, daß Tacitus an einen ſolchen gedacht Bi |
ohne fi) dann freilich felbft die Sache deutlich zu machen’,
mentlich die Art und Weife wie mit den Worten: nec rubor * |
comites aspici, diefe comites eingeführt werben, ift nicht wohl zu be
greifen, wenn man nicht annimmt, daß der Autor meint dieſelben fchen
vorher genannt zu haben: feine Anficht wäre gewefen, daß die welde
‚mit dem princeps zufammen das Gericht bilden, oder wie er ſich
ausdrückt demſelben consilium simul et auctoritas assunt, ſolche
find welche mit ihm in das eigenthlimlich enge, durch einen Eid bes
gründete Verhältnis des Comitats getreten; während ihre Zahl an
ſich verfchieden fein fonnte — wie es die Worte: cui plurimi et
acerrimi comites; si numero ac virtute comitatus emineat,
deutlich ergeben —, feien es hier hundert gewefen.
Bei diefer Auffaffung wird der ganze Zufammenhang der Stelle
noch beſſer und deutlicher, als wir vorher ſahen?. Die Fürſten,
58
*
“as
He
Fi
BR$r
12Thudichum meint S. 32 n., es babe vielleiht im Deutjchen baflelbe
Wort für beide Begriffe gegeben, legt übrigen? Gewicht barauf, daß bei ben
centeni comites ber Zuſatz ‘ex plebe’ ſich finde, währenb Daniels S. 341 ge
rade dieſen bei den eigentlichen Gefolgsgenoſſen beſonders paſſend findet; vgl.
Bemeiner ©.
s:. Menu ſiatt deſſen Wietersheim ſagt, S. 371, Tacitus handle hier
von Kriegsdienſt, und zwar zunächſt vom Eintritt in folgen (Aushebung zum
399
wird erzählt, Haben im Gericht eine ſolche Begleitung. Auch bier
erjcheint diefelbe bewaffnet. Bon der großen Verſammlung ift fchon
vorher gefagt: considunt armati. Das ‘nihil autem neque pu-
blicae neque privatae rei nisi armati agunt’ muß fidh alfo,
wenn es aud eine allgemeinere Bedeutung hat, zunächft auf jene ge-
richtlichen Verfammlungen beziehen. Diefe Sitte überall Waffen zu
tragen führt auf die Wehrhaftmadhung, die in dem concilium, von
dem vorher hauptfächlich die Rede war, wenigftens mitunter durch
einen princeps, erfolgte, und die den Jüngling zur pars rei publi-
cae machte. Ausnahmsweiſe konnte aber auch ber adolescentulus
fhon — und der Sinn ift wahrjcheinlih, wie oben bemerkt, ohne
förmliche Wehrhaftmachung — von dem princeps gleicher Beachtung
gewürdigt werden. Dazu führten insignis nobilitas aut magna
patrum merita Auch für ſolche, wie überhaupt, war es feine
Schande ‘inter comites aspici. Und diefer Comitat hatte auch
noch Abftufungen.
Es ift nicht die Abficht, Hier weiter auf die Gefolgichaft und
ihre Bedeutung einzugehen, namentlich die, allgemeinen Betrachtungen
zu würdigen, mit denen die oben genannten Schriftfteller, welche das
Recht ein Gefolge zu halten auf andere. als die Vorfteher des Vol⸗
kes ausdehnen, ihre Anficht zu begründen denken. Ich bemerke nur,
daß, wenn die Snterpretation des Tacitus zu einer entgegengefetten
Auffaffung führt, meines Eradhtens auch die Gefchichte damit in vol⸗
fer Uebereinſtimmung ift. Nur verfteht es fich freilich von felbft,
daß, was den principes zukam, wie jpäter, jo ebenfalls in diefer
älteren Zeit auch und vorzugsmweife, wo es Könige gab, für diefe in
Anfpruch genommen werden muß (V. ©. I, S. 127. 140. 145.
154. 171; fehr mit Unrecht hat Dahn S. 78 angenommen, id)
fühe das Gefolge bei den Königen als etwas Spätere an). Und
ebenfo läßt ſich nicht zweifeln, daß der dux, mochte er nad) Bedas
Erzählung von den Sachſen aus der Zahl der principes, oder ganz
frei gewählt werben, ein folches Gefolge hatte. Nehmen wir aufßer-
dem principes in verfchiedener Stellung an, fo liegt es zunächſt und
fcheint dem Bericht des Tacitus entfprechend, nicht blos Einer Klaffe
das Gefolge beizulegen.
Dben wurde erwähnt, wie Köpfe wenigſtens principes pago-
rum und civitatum unterfcheidet, Wietersheim gar drei Arten ges
wählter Voltsvorfteher annimmt, folche die ganzen Völkern (Völker:
fchaften), andere die den Gauen und Centenen vorgefet waren. Da⸗
gegen Spricht Dahn zunächft von Vorftehern der Bezirke (S. 9),
als Ausnahme läßt er Vorfteher der Stämme (d. h. Völferfchaften)
zu; während Thubihum (S. 1ff. 22. 38. 53), mit Roth, Beth-
mann⸗Hollweg u. a., nur an folche denkt welche den Hunderten vorge:
Necruten im modernen Sinn), fodann von der Ausbildung für folden, ba
nur dad Somitat dazu bie gewöhnliche Schule gebildet, fo verkennt er ganz
ben Gedankengang bed Autors.
400
fest waren, biefen aber eine größere Ausbehmmg als andere gi,
indem er fie von vornherein als Pereimigungen von 100 Zehutiäe:
ten anfieht (S. 34): daneben wilf er aber, ebenfo wie Wietersheim (E.
367), die Vorfteher der Dörfer unter den principes verftanden hela.
Die legte Annahme ſtützt fi) auf da® ‘per pagos vicosge
jus reddunt”. Allen diefe Worte enthalten in feiner Weife, dei
die vici wie bie pagi eigene principes al® Richter über ſich hatte,
fondern erklären ſich befriedigend daraus, daß die Vorſteher der pagi
ihr Gericht in den verfchiedenen vicis ihres Diftricts hielten. ©
iit deshalb aud) fein Grund, die principes regionum atque pagr
rum, von denen Kaejar in der oben angeführten Stelle fpricht, hier:
mit in Zufammenhang zu bringen; regiones foll ficher nicht, we
Thudichum mit einigen Früheren annimmt (S. 37), bie Kleinere
Bezirke, Dörfer, oder wie Dahn (Mind. Gel. Anz. 1859. N. 58,
©. 446) für möglich hält, die Hundertſchaften, fondern eher größer
Diftriete bezeichnen: vielleicht ift aber eine genaue Unterfcheibung,
wie auch der zulegt angeführte Autor meint, gar nicht vorauszufegen.
Es handelt fid) um die frage, ob es innerhalb Der civitas
noch verichiedene Gliederungen, abgefehen von den Dörfern und ihres
Gebieten, gab. Zaritus jpridyt nur von pagi. Das Wort ift m
beftimmter Bedeutung, bezeichnet aber in römiſchem Spradhgebraud
ftetS die Unterabtheilung eines größeren Ganzen '. Ich Habe eben
als folche Linterabtheilung auch fchon in älterer Zeit eine nad) ſoge⸗
nannten Hunderten angenommen, und in der Eintheilung des Heer
nach Hunderten (c. 6), in ber Bezeichnung ber Gericht&verfamm
{ung des princeps al® centeni comites, dann in den 100 pagi
der Eueben bei Saefar, der Semonen bei Zacitus, Spuren bes Be
handenfeins des Begriffs und Namens gefunden (vgl.c.6: centeni ex
singulis pagis sunt, idque ipsum inter suos vocantur, et quod
rimo numerus fuit, jam nomen et honor est — die Beziehung
diefer Etelle auf das Heer überhaupt, nicht blos auf die vorher ge
nannten außerlefenen Strieger, billigen Thudichum ©. 29, S
©. 38 n. 1, während Dahn S. 14 n. 1 und früher Müllenhoff,
bei Haupt Zeitfehrift für Deutfches Altertfum X, ©. 550, fie be
ftreiten, auch Peucker, Das Deutfche Kriegewefen der Urzeiten ],
©. 40. OD, ©. 32 das andere annimmt. Dahn, wie fchon
bemerkt, fieht dagegen in ben pagi Wbtheilungen bie er Be
zirfe nennt, und denen er einen größeren Umfang und größere Be
deutung beilegt, als man zunächſt bei Hunderten im Auge haben
fanıı, wenn diefe in älterer Zeit entfchieden auch nie jo beſchränkt
gedacht werden dürfen, wie jener Autor meint, der ihnen faft nur
gemeindliche Bedeutung zugeftehen, fie aber überhaupt nicht als eine
2 68 if ganz ohne Grund, wenn Dahn fagt, ©. 10: ich gebe von ber
Annahme aus, baf regelmäßig Stamm (was ich Völkerſchaft nenne) und pagus
zufammenfallen. Gerade im Gegentheil trenne ich fie in ältefter Zeit auf bad
beftimmtefte, unb nur die fpäteren pagi — Gaue find nad) nieiner Anſicht
theifweife aus ben alten civitates entſtanden.
401
allgemein vorfommende Gliederung gelten laſſen will (S. 19). Doch
fehe ich zu diefer Annahme keinen ausreichenden Grund. Die fpätes
ren Verhältniffe zeigen durchgängig doch nur die Gliederung nad)
Gauen und Hunderten, und wenn jene im allgemeinen den Gebieten
ber felbftändigen Völferfchaften (civitates) entfprechen, fo biefe ihren
Unterabtheilungen, den pagi des Tacitus, bei denen die angeführten
Umftände deutlich genug auf den Begriff und Namen der Hunderten
hinweifen. Neben oder über biefen noch größere in fich verbundene
Diftriete anzunehmen, könnte nur das ‘regiones’ bei Caefar veran-
fafjfen; wenn aber fpäter gerade regio wohl für Gaugebiet genommen
wird (V. G. I, S.111 n. 5), fo darf man daraus doch faum be-
ftimmte Schlüffe für diefe ältere Zeit ziehen. Nur fo viel ergiebt
fich fonft, daß der Umfang der civitates ein verfchiedener und wed)-
felnder war, daß ſich bald größere bald Kleinere Gemeinfchaften po-
litiſch felbftändig organifierten !, danach auch die Namen bald umfaf-
fendere bald befchränktere Bedeutung haben ?; und es konnte dann
auch gefchehen, daß von einer folchen ftaatlihen Bildung ſich einzelne
Theile abjonderten, ohne daß es gerade eine einzelne Hunderte zu
fein brauchte, wie die Bataven von den Chatten, welches Beispiel
Dahn (S. 15) anführt. Cher mag fpäter, in der Zeit der ſich
ausbildenden Königsherrfchaft, eine weitere Gliederung durchgeführt
fein, wie fie bei den Saliſchen Franken zu beftehen fcheint; während
wir bei den Sachſen umgefehrt auch fpäter noch überhaupt nur Eine
Art der Verbindung nachweifen können. — ‘Das Gebiet der felbjtändi-
gen Völkerſchaft habe ich fonft Gau genannt. Ob. der Name, ber
fpäter für diefe Gebiete, aber als Unterabtheilungen größerer Reiche,
galt, in diefem Sinne ſchon der älteren Zeit bekamt war, muß aber
dahingeftellt bleiben. Vielleicht fagen wir richtiger: Landſchaft, Land,
wie fich diefes als Endung in einzelnen Namen findet, Rugiland, Ha-
maland, Friesland, Holland, — Wenn Dahn übrigens feinen Bezirken
eine befondere politifche Selbftändigkeit, im Gegenfaß einer blo8 gemeind-
lichen, beilegt (S.10), fo handelt es ſich im wejentlidyen nur darım,
einmal daß nad) ihm die civitas feinen gemeinfchaftlichen Vorſteher
ober Fürften (princeps) hatte, fodann daß auch die Bezirke unter
Umftänden ftatt principes Könige (reges) an ihrer Spige haben
fonnten. Das Yette gehört eigentlich nicht in diefe Erörterung, und
ich bemerfe nur, daß, wenn etwas derartiges vorgefommen, wie es
bei den Salifchen Franken und den Quaden (Dahn S. 116) der
Fall gewefen fein foll, die Völferfchaft jedenfalls aufhörte eine civi-
tas im Sinn des Tacitus zu bilden; in den meiften Fällen, 3. B. dem
der Alamannen, handelt es fich entjchieden überhaupt nicht mehr um
2 Es ift infoweit richtig, wenn Dahn fagt S. 68, bie civitas bezeichne,
ohne Rüdfiht auf den Raum, die Heinere oder größere politifhe Genoſſen⸗
ſchaft als ſolche; — aber nie ben pagus, wie er annimmt, wenn er meint, der
princeps civitatis fünne, nad) feinem Ausdrud, ein Bezirksgraf fein.
2 Tacituß mochte auch manchmal eine Völferfchaft für Eine civitas hal:
en, bie ed nicht wirflih war; vgl. Allg. Monatſchrift a. a. O. ©. 272.
alle Helvetier, andererfeits bilden die Ubier eine ſolche. Bei Zac
tus it die Sache nicht völlig Mar. Doch mögte ich neben dem prin-
ceps civitatis (c. 10; Jeſſen in der angeführten Recenfion S. 70
bemerft, das könne gar nicht bedeuten: ein Fürft) namentlich noch
c. 15 geltend maden, wo die Worte: Mos est civitatibus ultro
ac viritim conferre principibus vel armentorum vel frugum,
mir entfchieden auf principes der civitates hinzuweifen ſcheinen
fonft hätte gejagt werden müſſen, daß die Einzelnen in den pagis
den principes als Vorſtehern berfelben die Geſchenke darbradgten.
Ich dann auch ſehr geneigt, gerade dieſe auf die principes ci
vitatum zu befchränten, wie jpäter die Könige folche empfingen. Def
felbe auf die Gefolgſchaft auszudehnen, und auch diefe nur dem ober
‚ften Vorfteher der civitas beizulegen, wie man wohl geneigt fein
Tönnte, wage ich jedoch nicht.
Weiter auf die ſtaatliche Stellung und Thätigkeit der principes,
auch nur foweit Tacitus von derjelben handelt, gehe id)
ein. Nur das eine mag ich bemerken, daß ich mich nicht entfchlichen
kann, mit den meiften Neueren (Dahn S. 69 n. 2, der felbft ande
rer Anficht, macht fie namhaft; auch Bornhak S. 237, Krig n.a.
fchliegen fi) ihnen an) die Worte: Mox rex vel princeps,
prout aetas cuique, prout nobilitas, prout decus bellorum,
prout facundia est, audiuntur auctoritate suadendi i
Jam jubendi potestate, fo zu faſſen, daß bie aufgezählten &-
genfchaften fi nur auf den princeps beziehen: dann müßte aud)
an mehrere Könige gedacht werden. — Die principes wurden ge
wählt frei, ohne Rüdficht auf ein Geſchlecht. Zu dem “eligunter
etc. c. 12, kommt bier c. 22: de asciscendis principibus con-
sultant '. Ich zweifle auch nicht zu jagen: lebenslänglich gewählt,
ı Menn Watterich bier alle Wahl bat ausſchließen wollen (j. Monats⸗
ſchrift a. a. O. ©. 269), fo ſagt Danield nicht eben richtiger I, ©. 337:
„Unter der Wahl in ber Volksverſammlung darf man fih nicht eine von dem
Bolt ausgehende freie Auswahl feiner Obrigkeiten vorftellen, fondern nur eine
durch Beifallszeichen erflärte Zuftimmung in ben Beſchluß des Fürſtenrathes,
ber fich in feinen vertranlihen Zufanmenfünften darüber geeinigt hatte, wen
408
obgleich Köpfe (S. 22) und Thudihum (S. 40) das Gegent
Wahl auf Zeit, etwa jährlichen Wechfel, chen (Dahn ar:
zweifelt). Aber das ift ganz gegen alle8 was wir von den Ver⸗
bältniffen der alten Deutſchen wilfen, verträgt fich nicht mit dem
dauernden Charakter der Gefolgſchaft, nicht mit der. im Gegenſatz
gegen die Stellung ber principes hervorgehobenen kurzen Zeit der
Heerführerfchaft, nicht mit den Nachrichten über Armin ! und andere
Verfönlichkeiten der älteren Gefchichte, die längere Zeit hindurch als
principes erſcheinen.
Ich glaube auch nicht, daß in diefer Beziehung ein Unterſchied
zwifchen den principes pagorum und dem princeps civitatis ges
macht werden Tann.
Um fo eher konnte Tacitus für beide daffelbe Wort brauchen
im Gegenfag gegen den König, der ‘ex nobilitate’ erhoben wurde.
Dagegen mochte im Deutfchen der Ausdruck verfchieden fein. Er
war es auch wohl bei den verfchiedenen Stämmen.
Das fpätere „Graf“ Hier in Anfchlag zu bringen, find wir
ſchwerlich berechtigt, auch wenn e8 nach 2. Meyers Deutung (Zeit-
fchr. für vergl. Sprachkunde V, 3, S. 157 ff.) allgemein den Ge⸗
bieter, Vorfteher, bedeuten follte; es Scheint mir unpaffend und ftörend,
wenn Dahn überall fhon von Grafen fpricht. Wenigſtens Hinwei⸗
jungen auf einzelne andere Namen finden fih. Dem ‘“judex’ als
Bezeichnung des Athanarich bei den Wejtgothen wird ein zunächft
die richterliche Thätigkeit bezeichnender Name entfprocdhen haben; ein
folcher jcheint nad) Müllenhoffs Deutung thunginus für den Vor-
fteher der Hunderte bei den Salifhen Franken zu fein. Wir haben
feinen Grund zu zweifeln, daß auch ein dem fpäteren Hunnen ent
fprechendes Wort fih fand. Bei den Sachſen wird eine Bezeich⸗
nung wie das angeljächfiiche ealdorman, womit die Heberfegung des
Beda das Wort satrapa, das diefer für die altſächſiſchen Vorfteher
der einzelnen Abtheilungen braucht, wiedergiebt, üblich gewefen fein.
Der Heliand kennt thiodan als Vorſteher des Volle, entfprechend
dem gothifchen thiudans (V. ©. II, ©. 114 n.). Dagegen das
kindins derjelben Spradje foll nad) Ammian, der e8 als hendinos
wiedergiebt, bei den YBurgundern vom König gebraucht fein. Ob
die römifchen und griechifchen Quellen, wenn fie rex oder princeps
fagen, immer genau bie wirklichen Verhältniffe beachten, wird zwei»
felhaft bleiben. Zacitus aber thut es, wenigjtens in der Germania,
ohne daß wir nun angeben können, welches deutfche Wort und ob
ein beftimmtes dem legten Ausdrud zu Grunde liegt. Wir haben
uns feit einiger Zeit gewöhnt „Fürften” zu fagen. ‘Dagegen er-
hebt Thudihum Einſpruch (S. 1) und meint, diefe Bezeichnung
er aus dem Geſchlecht eines abgeygangenen Gaufürften in feine Mitte aufneb:
men wollte”.
2 Bol. Köpfe ©.24 ff., ber ihm als princeps civitatis eine ganz anbere
Stellung giebt ald den Vorjtehern der pagi. Dagegen Dahn S. 73. 120.
404
irre, erwede Vorſtellungen, bie an und für fidh nichts mit der
nllang der principen ıı Kun haben Allein zum Theil ift dei
nur der Ball, weil er diefe zu fehr herabdrüdt, fie namentlich mid
lebenslänglic; fein läßt. Was er ftatt deſſen vorfchlägt, SDberfte,
oder tmann, aud) Vorfteher und dol. fcheint mir feinen Borzmy
zu und ift umferem Gebraud fremd. So halte ich es in je
der Weife unbedenklich, auch fürder zu fpreden von den Fürften, im
Gegenſatz gegen die Könige, der alten ‘Deutfchen. "
Geſchichte des Iangobardiichen Herzogthums.
Von
9. Pabſt.
Nachdem ſchon Baronius in feinen Annales ecclesiastici einige
Nachrichten über das Langobardifche Herzogtum zufammengeftelit
hatte, war es vornehmlich Muratori, der hier, wie auf den übrigen
Gebieten der mittelalterlichen italifchen Gefchichte, zuerst wirkliche
Refultate gewann und allen. Nachfolgern entfchiedene Bahn brad).
In zweien feiner größeren Werke, in den Annalen und in den Al-
terthHümern Staliens, hat er über den langobardifchen Dufat gehan-
delt. Der Natur der Aufgaben entfprechend fuchte er in jenen mehr
die äußere Gejchichte, in dieſen wejentlich die inneren Verhältniſſe
defjelben zur Anfchauung zu bringen. Das Material, das er zu-
fanımengetragen, ift in beiden Fällen höchft bedeutend, und auch feine
Behandlung und Verwerthung zeugt von großem Talent und Geſchick;
doch hat man wohl neuerdings nicht mit Unrecht bemerkt, daß bie
ganze Fülle auch nur des vorgelegten Stoffes zu bewältigen Mura-
tori nicht völlig gelungen ift, wie denn ein genaues Eingehen in das
Detail Schon durch die umfaffende Anlage feiner großartigen Arbeiten
verhindert wurde.
An Muratori’s Forſchung fchloffen ſich zunächft die Ausführun-
gen der zahlreichen Lofalhiftorifer an. Unter diefen nimmt entjchie-
den den eriten Pla& ein Lupi, deſen auf ſehr genauem Studium be⸗
ruhendes Buch über Stadt und Kirche von Bergamo eine weit all⸗
gemeinere Bedeutung hat, als der Zitel vermuthen läßt, der auch für
bie hier in Betracht kommenden Verbältniffe feinen Vorgänger nicht
felten in erfreulicher Weife ergänzt und berichtigt. —
An unferem Jahrhundert, und befonders in Deutfchland ift
die Frage nach dem langobardifchen Herzogthume vorzüglid an die
nad) der Entwicklung der DVerfaffung in den Iombardifchen und tu8-
ciſchen Städten angeknüpft. Savigny hat fie in der Gejchichte bes
römifchen Rechtes im Mittelalter, freilich nur fehr allgemein, berührt,
erst Leo fie wieder ernftlich aufgenommen, mehr entwidelnd und
begritndend in einer Hleineren Schrift'!, mehr nur die Ergebnifje zie⸗
hend in feiner Gefchichte Italiens. Weiter geführt ijt dann die Un-
terfuchung von Bethmann-Hollweg und Hegel; ihnen gebührt dabei
vornehmlich das Verdienft, auf die Wichtigkeit des Gaftaldats, auf
fein Verhältnis zum Dufat bingewiejen zu haben, wenn ich auch
. % Entwidfung ber Berfaffung der lombardifhen Städte, Hamburg 1824.
27*
408
nicht fagen kann, daß daffelbe „in feinem ganzen Umfange dargelegt"
worden fe. ine neuere Schrift von Tlegler dagegen ' tritt zwar
mit gewaltigen Prätenfionen auf, ift aber jo mangelhaft in Stoff
und Ausführung, daß durd fie unfere Kenntnis in Teinerlei Weile
gefördert worden.
Indeſſen find num neue Quellenwerfe veröffentlicht, fo beſonders
die Ausgabe des Tangobardifchen Edifts von Baudi a Vesme und
Troya's Codice diplomatico langobardo?. Freilich Hat gerade
derjenige Zeitraum, welcher am Meiften der Aufflärung bedürftig
fhien, der von der Einwanderung der Langobarden bis auf Rothari,
auch durch diefe Publikationen wirklich Neues nicht empfangen ; doch
fann man nun wenigftens das Edift mit einiger Sicherheit benuken,
und für bie fpätere Epoche ift gar manches bisher Unbekannte Hier
zum erſten Dale zugänglich gemacht.
Da lag am Ende auch der Gedanke an eine neue Bearbeitung
nicht fehr fern. Bei einer folchen aber mußte e8 weſentlich auf ein
Doppeltes ankommen. Hatten die früheren Forfcher alle nur auf die
lokalen Berfchiedenheiten in den Verhältniffen der Herzoge hingewie⸗
fen, Hatten fie eine Periode von zwei Jahrhunderten in eine kurx
Schilderung zufammengefaßt, ohne aud) nur dem Gedanken Ram
zu geben, daß während derfelben eine Entwicklung könnte ftatt gefmm-
den haben, fo mußte bier vor Allem Gewicht gelegt werden auf die
Veränderungen, welhe im Laufe der Zeit der langobardiſche
Dufat erfahren. Eine befriedigende Löfung diefer Aufgabe aber war
unmöglih ohne ein genaues Eingehen theils auf das Köni
theil8 auf die den Herzogen zur Seite ftehenden höheren Beamten,
felbft die äußere Politit mußte mehr als einmal in den reis ber
Unteriuchung bineingezogen werben. Denn eine auch nur oberfläd-
liche Betrachtung Tieß Leicht erfennen, daß einerfeits die Schwäche
oder Stärke des Königthums in der innigften Wechfelwirkung ftand
mit der Stärke oder Schwäche des Dukats, wie anbrerfeits bie Stel-
lung des Xegteren weſentlich bedingt war durch den Gaftafbet.
Ueber die zeitliche Begrenzung ein Wort am Schluffe.
2 Das Königreich der Langobarden in Stalien, Leipzig 1851.
8 Weber bie Art, wie ber Letztere, namentlich für verfaſſungsgeſchichtliche
Arbeiten zu benugen ift, vol. Waitz, G. G. A. Jahrgang 1856, und Th. Wi-
ftenfeld in ben Estr. dall’ archivio storico Italiano nuova serie, parte X:
Delie falsificazioni d’ alcuni documenti concernenti la storia d’ Italia nel
medio evo. Ich babe noch andere Urkunden, als die bort behandelten Gre
monefer und Nonantulaner, von ber Betrachtung ausgeſchoſſen; vieleicht iſt es
mir nächſtens vergönnt, barüber ausführliche Hehenfhaft zu geben.
410
um von ihnen aus ben Angriff gegen die zerftüdtelten Gebiete ber
Feinde wiederaufzunehmen. Won einem Frieden, der in diefer erflea
‚Zeit zwifchen den beiden Völkern gefchloffen wäre, hören wir nirgenb:
man lebte eben in einem andauernden Kriegszuftande, felbft eine feir
Grenze fehlte noch lange.
Waren dergeftalt die Langobarden fortwährend im Süden m
Oſten bedroht, fo mußten fie im Nordweiten nicht minder auf der
ut fein. Die Franken, im gothifchen Kriege zeitweife Herren von
beritalien, waren durch Narfes allerdings aus demfelben verdrängt
worden; aber man hat es doc im Norden der Alpen nie vergeffen,
dag man einft auch die Südabhänge des Gebirges beherrfcht hatte:
faſt inftinktiv richtete fich hier die Politik eines jeden Träftigen Herr
ſchers auf die gefegneten Fluren des Pothales. Dazu kam eine alte
Feindfchaft beider Völker!, die jegt an den Grenzen mit ihrer gan |
zen Macht auf einander ftießen. Es mag fein, daß die unrubig vor
dringenden Langobarden bier den nächſten Anlaß zum Kampfe gege
ben haben: feft jteht, daß ein folcher fchon im erften Jahre der
Sinwanderung erfolgte, ımd zwar, wie es ſcheint, zum ———
der Anſtürmenden; wenigſtens erzählt der burgundiſche Chroniſt
rius von Avenches?, daß von dieſen gleich darauf eine Menge Ge
fangener in Gallien verkauft worden fei.
So waren bie Langobarden zwifchen zwei Vöolker eingekeilt, bie
niit gleicher Begehrlichkeit auf da8 von ihnen errungene Rand hin
ſchauten, nur die Gunft des Augenblids erfpähend, um über bafjelbe
berzufalfen. Und damit nicht genug, erhob im Nordoften, im ben
Gebieten, welche man fo eben verlaffen, ein Volk fein Haupt, von
deffen ungebändigter Beuteluft freilid) nicht gerade Vernichtung, befto
mehr aber ftete Unruhe au den Grenzen zu erwarten war. Dem
daß die Avaren nicht mit ängftlicher Gewiffenhaftigkeit an die mit
Alboin gefchloffene Uebereinkunft fich binden würden, lag doch auf
der Hand.
Sn bedeutenden äußeren Gefahren gegenüber mußte ein ftraffes
Zufammennehmen aller Kräfte im Inneren als erftes, dringendites
Debürfnis erfcheinen. Ein folches aber konnte, wie die Dinge Lagen,
nur don dem Königthume ausgehen.
Das Königthum galt zwar den Kangobarden felbit nicht als ein
urfprünglicher Beftandtheil ihrer Verfaffung: die Ueberlieferung kannte
eine Zeit, wo der Stamm noch nicht unter der Herrichaft eines Ein⸗
zigen vereint gewejen war; aber dem ungeachtet fehlten ihm die Bes
2 Auf eine folche weift die merfwürbige Nachricht Profops bin, nach ber
bie Franken dem Narfed und feinem Heere den Weg burch Oberitalien nicht
hätten geftatten wollen axmyiv zıva ou liav singöownor dökaoev elvas ag0-
Beßlnulvas, on day Aayyoßigdas tous agıcı nolsmwsdtous obros dnayüus-
vos nxeı, Bell. Goth. 1V, 26, p. 642 A. ed. Bonn.
2 Ghron. 569, Roncallius II, &, 412: Eo anno ctiam in finitima loca
Galliarum ingredi praesumpserunt Langobardi, ubi multitudo captivoram gen-
tis ipsius venundata est.
411
dingimgen eines ftarfen und Fräftigen Lebens nicht, man wußte wohl
von Kämpfen verjchiedener Prätendenten, nie aber hatten, wie etiva
bei den Herulern, Bewegungen für die Rückkehr zu republikanifcher
Ordnung ftatt gefunden. Im Gegentheil erhellt aus den Berichten
Prokops, wie fehr in allen Verhältniffen, wie ganz befonders in den
Beziehungen zu anderen Mächten die Könige von hervorragender Bes
deutung waren. An Waco ſchicken Vitigis und die Gothen ihre
Geſandten, als fie den Beiſtand des langobardifchen Volkes wünfchen,
und Audoin iſt es, der fpäter alle Verhandlungen mit dem byzantis
nischen Hofe leitet 2, der durch Gefchenfe Yuftinians beivogen Hilfe:
truppen mit Narſes nad) Stalien entfendet. Diefe Macht des Kö⸗
nigs hatte unter Alboin nur fteigen können. Der Glanz feiner
Thaten, deren Ruhm die damalige Welt erfüllte *, die mächtige Kraft
feiner Perfönlichteit mußten um fo eher dahin wirfen, als in biefer
Zeit Triegerifcher Bewegung überhaupt dem Rechte des Heerführers
ganz von felbjt manches zufiel, was ihm vielleicht fonft fern geblies
en wäre.
Aber gerade je mehr die Tönigliche Macht in den Vordergrund
getreten war, je mehr man ſich gewöhnt Hatte, in allen wefentlichen
Dingen auf den Herrfcher zu fehen, defto heftiger mußte auch die
Erfchütterung fein, welche fein plößlicher gewaltfamer Tod herbei»
führted, deſto mehr dadurch alles in Zweifel geftellt werden, was
I Prok. B. G. I, 22, p. 441 A: ds dd dayyoßapdu» Toy Gpyovıa
Odaxıy notoßsıs Eneuar.
2 Siehe befonderd Prok. B. G. IV, 25, p. 638 A: "4udosiv» re ö da
yoßupdüv Banlsös ıwr os inoulvur mvüs is Buldynov näupas svayyklın
uiv Iovonvyıova Bacılsi Idylov, kuluper di ov. Ragayıricdas ol xzara To
Fupnayızor. .
8 Prok. B.G. IV, 26, p. 641 B: Aödoviv 6 Aayyoßapdar Hyouussog
onuaos noAlois avansıcdkisx "lovanyıava Panlsi xai Tj ins Önmyuias
—* nsvıaxooiovs Ts xab dıayıklious zur ob inoutvor dnolskausvos
ärdoas dyasoos sa nolima sis Evauayiav aunp Insuyer, ols zai epa-
nsiay uayiuwr avdowv Idwxs nldov 7 rosoyıliwr.
* Brief bes Biſchofs Nicetius von Trier an bie erfie Gemahlin bes
Königs Chlodeſwinda, abgebrudt in ben Beilagen zu Ruinarts Gregor von
Tours: Stupentes sumus, cum gentes illum (Alboinum) tremunt, cum reges
venerationem inpendunt, cum potestates sine cessatione laudant, quid animae
remedium non festinus requirit? Talis ornatus, talis vir, qualis Alboinus rex
esse dicitur, talis fama, quem mundus sic praeponit, quare non convertitur?
s Johannes von Biflaro Ehron. 573, Roncallius ©. 383: Alboinus Lan-
gobardorum rex factione conjugis suae a suis nocte interficitur; Marius von
Avendyed Chron. 572, Roncallius S. 413: Hoc anno Alboenus rex Langobar-
dorum a suis, id est Hilmegis cum reliquis, consentiente uxore sua, Verona in-
terfeetus est; Gregor von Tours IV, 41; Histor. Epitom. 66; Origo gentis
Langobardorum VII; Paul. II, 29; Agnellus, lib. pont. pars II, vita Petri
senioris cap. 4. Die Anficht Fleglers, daß bie That von dem gepibijchen
Gefolge bed Königs ausgegangen fei, ſcheint mir im Grunde richtig, unbe⸗
grünbet find dagegen bie ferneren Kombinationen deſſelben Schriftfiellers, wie
namentlich die Annahme einer weit verzweigten Partei, welche bie Hand im
Spiele gehabt haben fol.
413
vorher feit umd begründet erfehie. Dazu kam bie —— *— be
Succefjion. Denn einen Sohn hatte Alboin nicht Hinterlaffen, um
feine einzige Tochter Alpfuinda, der nad dem ommen be
Volles wohl ein Anrecht auf die Krone zugeftanden Gätte, ſiel
noch ehe irgend etwas für fie geſchehen konnte, in bie Gewalt
des griechifchen Exarchen Longinus und wurde von dDiefem nad
Conftantinopel gefendet '. ilmedji8 aber, der zumädjjt unte
den Beiſtande der Königin Roſamunde eine Rolle zu fpielen ver
fuchte, mußte bald inne werden, daß ihm das auf die Dauer nick
gelingen fünme: die Zangobarden, denen er als der Mörder des ge
feierten Königs verhaßt war, brohten ihn zu tödten? und zwangen
ihn fo zu fchleumiger Flucht nad) Ravenna, wo die Strafe für fer
nen Frevel ihn ereilte.
So war mit jenem einen Schlage thatfächlich ein I serregumm
eingetreten: es gab tm Augenblide nicht nur Teinen Inhaber det
Thrones, fondern, foweit wir fehen, nicht einmal jemanden, der ir⸗
gendiwie gegründete Anſprüche auf denfelben hätte erheben mögen.
Konnte es da fehlen, daß diejenigen, welche bis dahin dem Könige
an Madıt, Würde und Anfehen am Nächften geftanden hatten, jeht
noch bedeutender hervortraten, als vorher, daß wenigitens für ben
Moment fih in ihnen die volle Herrfchermadht concentrierte? 6
waren das Die Herzoge.
Nicht His Über die Zeit der großen Reichsgründung Hinaus läßt
fih das Langebarbifche Herzogthum an der Hand der einheimischen
Quellen verfolgen. Denn Ybor und Ajo, obwohl von Paulus als
Duces bezeichnei 3, find doch ihrer ganzen Stellung nad) von ben
fpäter fo Genannten dermaßen verjchieden, daß fie faum in Betracht
fommen dürfen; das Königthum, nicht der Ducat hat vom ihnen aus
fi) entwidelt. Kann fo die eigentliche Gefchichte des Letzteren al
auf italifchem Boden beginnen, jo ift e8 doch nothwendig, bei feiner
Betrachtung in eine frühere Zeit hinabzufteigen, um bie Grundlagen
fennen zu lernen, auf denen er auch in feiner nachherigen eigenthüm
! Origo G. L. VIII: Tunc Longinus prefectus tulit thesaurum Lango-
bardorum et Albsuinda fılia Alboin regis; jussit eam ponere in navem et
transmisit eam Constantinopolim ad imperatorem ; vgl. Paul. U, 30. Es if
bemerfenswertb für bie langobardifche Anfchauung, daß gerabe bie einheimi⸗
ſchen Quellen auf dieſen von allen Fremden vernadhläffigten Pout ſo viel
Gewicht legen. Ueber bie weibliche Nachfolge im Königthum ſiehe O. Abel,
Paulus Diakonus und die übrigen Selbictiähreiber ber Langobarben 6. 251.
Origo @G. L. VIII: Voluit Helmechis regnare et non potuit, quia vo
lebant eum Langobardi occidere.
5 Paul. I, 14: Mortuis igitur Ibor et Ajone ducibus, nolentes jam ul-
tra Langobardi esse sub ducibus, regem sibi ad exterarum instar gentium sta-
tueruant. Regnavit igitur super eos primus Agelmundus filius Ajonis. Dem
entfpricht e8, wenn fie in der Älteren Quelle, ber Geſchichte vom Wrfprunge
des Tangobarbifchen Volles, mit einem febr allgemeinen Ausdrucke Princi⸗
pes“ genannt werben, cap. II: Gambara cum duobus filiis suis, id est Ibor et
Ajone, qui principes erant super Winnilis, vgl. cap. I: Ipsi (I. et A.) cam
matre sua nomine Gambara principatum tenebat supra Winnilis.
414
in diefem Zuſammenhange ein; e8 wäre das um fo ımthunlicher, als
wir bei dem Mangel aller beftimmten Nacrichten aus ber erften
Periode nad der Einwanderung doc lediglich) auf Rückſchlüſſe vom
einer fpäteren angewiefen wären; aber der allgemeine Charakter des
Dufats muß doch gleich bier bezeichnet werden. War er erblih,
oder, wenn nicht, doc lebenslänglich, das find zwei Fragen, melde
dringend Antwort erheifchen.
Wie wenig die erftere Annahme berechtigt fein wiirde, zeigen am
Schlagendſten einige Beifpiele aus ber erſten Zeit des Aufenthaltes
in Italien, wo Herzoge auftreten, welche nicht einmal dem herrfchen
den Volke, nicht den Langobarden angehören. So Droktulf vom
Berfello, welcher fpäter dem König Authari feine Anerkennung ver
fagte: ein Triegsgefangener Alamanne hatte er rein durch perfönlice
Tapferkeit fich zu feiner hohen Würde emporgefchtwungen !; fo Agir
lulf, der Herzog von Turin und fpätere König, der eigentlich aus
Thüringen ftanımte?. Pofitivere Nefultate ergibt gleich die Nachricht
von der Begründung des erften Herzogthums in Italien. Als Ab
boin, beißt e8 bei Paulus 5, die Grenzen von Friaul überfchritten
hatte, überlegte er lange, wen er die Leitung biefes eroberten Ge
biete8 übertragen ſollte. Endlich entichloß er fich für feinen Neffen
Sifulf, einen Mann von hervorragender Tüchtigteit, zugleich feinen
Marſchall. Und als diefer erklärte, nur dann das Regiment arme
men zu wollen, wenn er ausgejuchte Gefchlechter feines Volkes zur
Mitanfiedlung erhielte, wurde ihm zu Theil, was er begehrte, e
empfieng die gewählten Familien, und dann erjt erlangte er bie Würde
eined Herzogs. Sehen wir ab von dem Sagenhaften ber Ueberliefe⸗
rung: fo viel erhellt, daß es nad) der Auffafjung der Langobarben
‚felbit der König war, welcher von Anfang an in ien den Her
zog beitellte: von einem erblichen Stammfürftenthume ift ebenfo we
nig bie Rede, wie von einer Mitwirkung des Volles + Wohl der
gegen ift e8 wahrjcheinlih, daß bei der Wahl der Perfönlichleiten
auf die hervorragenden Gefchlechter, auf den Adel, foweit ein folder
? Raul. II, 18.
® Origo g. L. X: Et exivit Aquo dux Turingus de Taurinis; König:
verzeichnis bed Prologs von Rothari: Quartodecimus Agilulf Turingus.
3 Paul. I, 9: Dum Alboin animum intenderet, quem in his locis de
cem constituere deberet, Gisulfum, ut fertur, suum nepotem, virum per ommnis
idoneum, qui eidem strator erat, Forojulianae civitati et toti regioni illius pra®
ficere studuit. Qui Gisulfus non prius se regimen ejusdem civitatis et po-
puli suscepturum edixit, nisi ei quas ipse eligere voluisset Langobardorum
faras, hoc est generationes vel lineas, tribueret. Fiactumque est et anmuenie
sibi rege quas optaverat Langobardorum praecipuss prosapiss, ut cum &0
habitarent, accepit: et ita demum ductoris honorem adeptus est.
* Ganz gleich ſteht bie Sache bei dem angelfähfiihen Ealdorman, wie
diefer denn überhaupt mit bem langobardiſchen Herzog bie größte Aehnlichlen
zeigt. Auch er erſcheint in der ganzen hiſtoriſch erkennbaren Zeit nicht als ein
vom Volke gewählter, fondern als ein vom König beſtellter Volksvorſteher, bem
in feinem Diftricte höchſtens eine Akklamation ber Gaugenoflen zu Theil wurde.
Kemble, The Saxons in England II, 148.
415
fich erhalten hatte, befondere Rücficht genommen wurde !: ift es
doch in dem erwähnten alle ein Verwandter des Töniglichen Haufes
felbft, der eingefeßt wird, ähnlich wie etwas fpäter Authari den aus
Boiern flüchtigen Gundwald, den Bruder feiner Gemahlin Theode⸗
finde, zum Herzog von Afti erhebt ?.
Stellen wir fo eine Erblichfeit des Dufats diefer erften Pe-
riode entfchieben in Abrede, fo dürfen wir andrerfeits mit derjelben
Sicherheit feine Lebenslänglichkeit behaupten. ine folche tritt, wie
unten nachzuweiſen, uns in der fpäteren Zeit bis auf Rachis Hin
fortlaufend entgegen; fie der früheren nicht zu vindicteren, iſt um fo
weniger Grund, als auch die Analogie der Verhältniffe in allen übri»
gen germanischen Reichen ganz entfchieden zu ihren Gunſten fpridt.
Zugleich ergibt ſich ſchon aus den oben angeführten Nachrichten, daß
es ein ganz beſtimmter Bezirk war, an den bie Vorfteherichaft der
Herzoge fi) anſchloß, ein Punkt, der in größerer Ausführlichkeit
zwar erjt fpäter erörtert werben kann, der aber doch gleich hier Er⸗
wähnung verdient. — Ä
Nach diefen nothwendigen Bemerkungen Tehren wir zu dem Au⸗
genblide zurüd, wo durch Alboins Tod die Duces der einzelnen
Gebiete faktifch eine Selbftändigkeit erlangten, wie fie feit der Be—
gründung des Königthums doch niemals erfehen war. Freilich dauerte
diefer Zuftand nicht allzulange an: bald wurde ein neuer König,
Klef, erhoben; aber troßdem, werden wir nicht annehmen müſſen,
daß durch jenes Interregnum wenn auch nicht die Macht, fo doch
das Selbitgefühl der Herzoge gefteigert wurde, daß fie dem aus ihrer
Mitte Hervorgegangenen 5 gewiß mit ganz anderen Anſprüchen ge
genübertraten, als früher dem angeftammten Herrfcher ?
Dies allmähliche Wachsthum des Herzogthums verbunden mit
eben dem Umſtande, daß es von Alters her im Wolfe begründet war,
macht wohl erflärlich, wie man bei einer neuen plöglichen Erledigung
Des Thrones es wagen konnte, denfelben zunächſt ganz unbeſetzt zu
Et venit cum Theodelenda frater ipsius nomine
Gundwald et ordinavit eum Authari rex in civitatem Astense; vgl. Paul.
IV, 42.
s Daß Hlef wirflich früher Herzog geweſen, erhellt au Marius, Chron,
573, Roncallius S. 413 : Hoc anno dux Langobardorum nomine Cleb genti
ipsius rex ordinatus est, et plures seniores atque mediocres ab ipso interfecti
sunt. Dagegen entbehrt die Verſicherung von Lupi, Codex diplomaticus ec-
elesine et civitatis Bergomatis I, 142, er fei aus Bergamo gewefen, aller Be:
grünbung. Im Mebrigen könnte e8 vielleicht zuerft zweifelhaft erfcheinen, ob
man bier unter ben Senlore8 und Mediocres Langobarden oder Römer zu
verfichen habe. Für das Letztere enticheibet ber Sprachgebrauch des Marius
(vgl. zum Sabre 500: Pluresque seniores atque Burgundiones multis exqui-
sitisque tormentis morte damnavit Gundobadus), wie bie Nachricht bei Paul.
I, 31: Cleph multos Romanorum viros potentes alios gladio extinzit, alios
ab Italia exturbavit. Wenn Flegler S. 41 ben Inhalt diefer Worte mit ben
ſtürmiſchen Ereigniſſen in Verbindung bringt, welche den Tod Alboins herbei:
führten, fo ift das eine ganz unbegrünbete und unmwahrfcheinfiche Conjektur.
2 Mit Necht fchon hervorgehoben von Hegel I, 454.
2 Origo g. L. IX: nit
416
faffen, trog der von Außen drohenden Gefahren, obwohl bes Ge
Schlecht Klefs noch in Authari fortblühtee Und biejer jdyeinz nd
zunächſt gar nicht einmal Anfprüche auf die Krone gemacht zu babe:
wahrjcheinlich war er noch unmündig !, zudem fehlte ihm gr ü»
recht, welches erft der längere Befig in der Familie verlieh. Ude
die Thatjache jelbit kann jedenfalls fein Zweifel obiwalten, ba ver
hältnismäßig jo viele und meilt von einander unabhängige Zengrijt
ihrer gedenten.
So zunächſt eine um das Jahr 641 wahrſcheinlich um nördk
hen Italien gefchriebene Chronit?: „Nach Klefs Tode waren die
Langobarden zwelf Jahre lang ohne König, nur Derzoge jtandes
ihnen vor“. Weiter die Gejchidhte vom Urjprunge des langobarkr
fchen Volkes 3: 3: „Klef herrichte zwei Jahre und jtarb. Und dx
Herzoge der Langobarden richteten zwelf Jahre, ohne einen Kick
zu haben“. Drittens der fogenannte redegar *: „Nach dem Te
Klefs, des Langobardenkonigs, lebten die zwelf derzoge der Lange
barden zwelf Jahre lang ohne König“. Am Redjften im
endlih Paulus’: „Nach dem Tode Klefe befanden ſich die Lange
barden zehn Jahre lang ohne König nur unter erzogen.
zog nämlich hatte feine Civitas ime: Zaban Bavia, Alboin Die
d, Wallari Bergamo, Alachis Breſcia, Evin Trident, Gifulf Friel
et
Man fieht leicht: in der Hauptſache ftimmen alle überein ®,
Unterfchied iſt nur in den Zahlenangaben ’; welde von diefen fo
2 Meniaftend erfheint er zehn Jahre ſpäter noch als fehr jmgembfib,
wenn er glei nicht obne Ernfl und Kraft auftritt. Die im Terte angegeben
Bermutbung findet ſich übrigens jchon bei WMuratori, Annali IV, 492, zz
nachher bei Lupi I, 144, bier mit_einer anderen, mir wenig prokakeln. Der:
bunden: exspectantes forte duces, dum ipse Authari adolesceret, nullaum ere-
runt regem.
2 Bisher ungedbrudt. Tas bier Benebene verbanfe ih ber Freumblidket
meined verehrten Lehrers, bed Herm Profi. Waitz: Quo (Clepphone) mortze,
per 12 annos absque rege fuerunt Longobardi, tantummodo duces praserzet.
5 Origo g. L. cap. IX: Et regnavit Cleph annos duos et mortass
est. Et judicaverunt duces Langobardorum annos duodecim regem nen he
bentes.
* Chron. 45: Defuncto Clip ipsorum (Langobardorum) principe, daodi-
cem duces Langobardorum duodecim annis sine regibus transierunt.
5 Maul. H, 31: Post enjus (Cleph) mortem Langobardi per annos de
cem regem non habentes sub ducibus fuerunt. Unusquisque enim ducem
suaım civitatem obtinebat: Zaban Ticinum.. Alboinus Mediolanum „ Vuallari
Bergamum, Alsachis Brixiam, Evin Tridentum, Gisulfus Forumjulii. Bed «&
alii extra hos in suis urbibus triginta duces fuerunt.
* Undbefriedigend if bier der ſenſt für langebardiſche Verbältnifſe wehl
unterrihtete Marius, Ebren. 514, Roncallius 414: Hoc anno Clebas rex La»
gobardorum a puero sno interfectus est. Der einzige Schluß, den mau aus
dieſer Kachriht und der Nichterwähnung eine? Rabielaers zichen fennte, iR
ber, tan es chen feinen jelden gegeben, daR das Königtbum wirklich eine
Zeit lang fiftiert geweſen ſei.
Denn die Meinung Treya's, Cod. dipl. I, 5 N. 1 und 3, daß Fre
417
richtigere, wird daher zunächft zu unterfuchen fein. Da würbe mın
zu Gunften des Paulus vielleicht ſchon der Umftand fprechen, daß
e8 in der fpäteren Zeit erweislich viel mehr als zwelf Herzoge im
fangobardifchen Reiche gab; unzweifelhaft aber wird man ſich für ihn
entjcheiden, wenn man nur etwas näher auf die Nachricht Fredegars
eingeht. Dieſer führt nämlich am angegebenen Orte in folgender
Weife fort !: „Zu derjelben Zeit brachen die Herzoge, wie oben ge-
fchrieben fteht, durch die Päffe in das Reich der Franken ein, wofür
fie dann al8 Buße die Städte Aoſta und Sufa mit ihrem ganzen
Gebiete und Volke an König Guntchramn abtreten mußten. Darauf
richteten fie eine Gejandtfchaft an den Kaifer Mauritius, diefe zwelf
Herzoge beftimmten je einen Gejandten, um Frieden bittend und um
den Schuß des Raiferreiches. Zugleich ſchickten fie andere zwelf Ge-
fandten an Guntchramm und Childebert, erbaten ſich den Schug und
die Vertheidigung der Franken und verjprachen dafür an die beiden
Könige jährlich einen Tribut von zwelftanfend Solidi zu zahlen.
Zugleich traten fie den oberen Theil des Dorabalteathales an Gunt-
chramn ab, um fich fo an pafjenderer Stelle einen Schuß zu füchen;
und dann erwählten fie in tieffter Ehrfurcht den Schuß ber Franken.
Bald nachher erhoben die Langobarden mit Guntchramns und Chil-
deberts Erlaubniß den Herzog Authari auf den Töniglichen Thron.
Ein anderer Authari aber, ebenfalls Herzog, überlieferte fich mit fet-
nem Gebiete der Herrfchaft des Imperiums und blieb darunter, wäh-
rend der König Authari den von den Langobarden gelobten Tribut
jährlich entrichtete. Nach deſſen Zode hat ihn fein zum König erho-
bener Sohn Ago in ähnlicher Weife gezahlt“.
Es ift nun auf den erften Blick Mar, daß diefe Stelle gar kei⸗
nen biftorifchen Werth Hat. Nicht nur weil Ago, d. 5. Agilulf, ein
Sohn des Authari genannt wird: ber ganze Zufammenhang der Dinge
ift verfchroben. Offenbar konnte den Königen Guntchramm und Chil-
bebert nichts ferner liegen, als die Erlaubniß zur Erhebung eines
begar bie zwelf Duced nur als einen Theil der von Paulus angeführten ſechs⸗
undbreißig babe bezeichnen wollen, wird doch Feiner billigen können.
Chron. 45: Ipsoque tempore, sicut supra scriptum legitur, per loca
in regnum Francorum proruperunt (duces); pro es praesumptione in compo-
sitione Augustam et Siusium civitates cum integro illarum territorio ac populo
partibus Guntchramni tradiderunt. Post haec legationem ad Mauricium impe-
ratorem dirigunt, hi duodecim duces singulos legatarios destinant pacem et
patrocinium Imperii petentes, iidemque et alios legatarios duodecim ad Gunt-
ehramnum et Childebertum destinant, ut patrocinium et defensionem Franco-
rum habentes duodicem millia solidorum bis duobus regibus in tributa inple-
rent, vallem cognomento Ametegis partibus Guntchramni cassantes: ut his
legatis ubi plus congruebat patrocinium sibi firmarent. Post haec integra
devotione patrocinium eligunt Francorum. Nec mora: post permissu Gunt-
ehramni et Childeberti Autharium ducem super se Langobardi sublimant in
regno. Alius Autharius idemque dux cum integro suo ducatu se ditioni tra-
didit Imperii ibique permansit: et Autharius rex tribute, quae Langobardi
spoponderant, annis singulis reddidit. Post ejus discessum filius ejus Ago
in regnum sublimatus similiter implesse dignosecitur.
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m Iemmcr mp 5 . UL 5: zes !ssee rorzarit Rothari et rapit
gr Te mama Lomlrimen : ıma Miralia, de prope Lass
1. I 2:77 Tiereoz a2 zarte orientis,
2 wert 2:17 Isıre T_ _: X vero rex in Italiam abul.
Ga; am azlsemt Lirgriar, Semi 22 ab 2j08 exercitm caederentur
. 2
zuiter” Zü:ımı eiza, zul ei Zumies muzera ac promittentes , se pafü
Be nasa Ziels asıza sztizıısı IX, 22: Inzerea Childebertus rex exerc-
oo ;;mensrei et ie lalsz 3 debeliandam Langobardorum gentem pergere
parı:. 9 La-2.:ari: Lis aulitis legatos cum mauneribus mittunt dicentes:
Sir amicitia Irier 6,5 ei DON prreamus ac dissolvamus certum ditioni tuae
trivaetum. Ac ubicanyue n«ceszarium fuerit, contra inlinicos ferre auxilium
non pigebit. Miitque Childebertus legıtos ad Langobardos, ut, si haec gu
promis«rant conlirmarent, ezercitus reverteretur ad propria: sed minime &
inplstum.
419
Wie aber follen wir gegen das Zeugnis einer verhältnismäßig
wohl unterrichteten Quelle! dem einen Theile einer Nachricht trauen,
deren anderen wir abfolut verwerfen müſſen, nicht zu gedenken bes
albernen Spiels, da8 in der ganzen Stelle mit der Zwelfzahl getrie-
ben wird, und mit dem die falfche Chronologie zufammenhängen mag?
Es waren alſo ſechsunddreißig Herzoge, welche die Herrichaft
in den einzelnen Gebieten führten. Beſſer als iiber den Anfang find
wir über den weiteren Verlauf ihrer Gefchichte unterrichtet.
Zunächſt läßt fich nicht verfennen, daß fie, wie verfchieden
auch immer nach äußerer Macht und perfünlichen Neigungen, doch
eine gewifje Gemeinfamfeit nicht verläugnen, im Großen und Gan-
zen ein und diejelbe Politik verfolgen. Es ift das, Tann man wohl
fagen, die Fortfegung der unter dem letzten König Klef begonnenen:
nur fchärfer und Tonfequenter, freilich auch rüdfichtslofer und rober,
als unter diefem, verfährt man jekt.
Im Inneren tritt als befonders charakteriftiich eine ſtarke Aus⸗
prägung des nationalen Elementes? hervor, wie fie allerdings nicht
ganz aus den Tauterjten Motiven hervorgehen mochte. War das Loos
der unterworfenen Römer fchon unter Alboin und Klef kein benei-
benswerthes gewefen, fo wurde e8 jeßt ohne Frage erft recht uner-
träglih, und gerade je reicher und angefehener jemand war, defto
härter und fchwerer traf ihn die Hand der zügellofen Sieger, die
Furcht und Habfucht in gleicher Weile bewegte ?. ‘Diejenigen, welche
dem Schwerte entrannen, fielen zum größten heile in Knechtfchaft
oder wurden doch ihres Eigenthums beraubt in den Aldionat herab-
gebrüdt, einen Zuftand, der zwifchen Freiheit und Unfreiheit die Mitte
hielt. — Aber nicht nur gegen die Römer, . auch gegen die andern, welche
nicht unbedingt fi fügen wollten, gieng man an. So gegen einen
nahe verwandten deutjchen Stamm, der feit Alboin an der Unter-
werfung Italiens treulich mitgeholfen, Mühe und Gefahr wie Sieg
ı Denn offenbar bat Paulus bier weſentlich aus dem gleichzeitigen und
trefflih berichteten Secundus von Trident geſchöpft. Noch if ber Verſuch
nicht gemacht worden, bad dieſem Angehörige auszuſcheiden, aud von Beth:
mann nicht, vermuthlich weil bie Sache zu problematifh ſchien. Mindeſtens
werben wir ihm die zahlreichen Tridenter Lokalnachrichten bdiefer Zeit vindicie⸗
ren müffen, auf ihn werden auch bie genauen Daten von ber Einnahme meh-
rer Stäbte, von Autharis Tode und Agilulfg Erhebung zurüdzuführen fein.
2 Ganz das Wefen ber Sache verfennt Flegler, ©. 10: „Von einem
Har bewußten nationalen Gegenfaß ift Feine Rebe“. Allerdings gab es unter
den Einwanbernden zahblreihe Schaaren aus verfchiedenen unlangobarbifchen
Völferfchaften; aber fie wurden eben bem berrfchenden Volke amalgamiert,
namentlih in Allem, was Recht und Verfaffung betraf.
® Paul. II, 32: His diebus multi nobilium Romanorum ob cupiditatem
interfecti sunt, reliqui vero per hostes divisi, ut tertiam partem suarum fru-
gum Langobardis persolverent tributarii efficiantur. Ohne bier weiter in bie
berühmte Streitfrage von der Behandlung der Römer burd bie Langobarden
eingehen zu wollen, bemerfe ich nur, daß ich in der Auslegung ber Worte Lupi,
Zroya und Hegel gefolgt bin. Was Flegler und Schupfer dagegen bemerkt
baben, erfcheint mir unerheblich, .
Gadjen jdgeinen bis bakın ihr eigene6 Recht, wohl auch fonft cin
gewiffe Abjonberung bewahrt zu haben; jegt wollte man das umier
keiner Bedingung weiter geftatten, und ſo blieb denn. da beide Theile
hertnädig auf ihrem Siun beitanden, am Ende nichts übrig, als ber
Abzug der früßeren Derbündeten nad) ihren alten Zigen '.
Suchten bergeitalt die Herzoge im Juneren fich feftere Grund
lagen zu ichaffen, io zeigten jie jich and nad) Aufen Hin rührig und
thätig, im Eüden wie im Norden: häufig freilich weniger mit dem
nei = nambem (rmerbe, aid and vober, wurubiger Plände
rungs
Neoch am Meiften einen erobernden Charakter tragen ihre Ränıpfe
gegen die Griechen ”. Zur Zeit Benedikt I (574578), fo berid>
tet die Pabjtgefchichte 3, verwüſtete das Boll der Yangobarden gan;
Italien, und eine Menge von Kajtellen ergab fich ihm in Folge der
igen Hungersnoth, welche damals eintrat. Im jahre 576
hören wir bei dem Abte von Biflaro* von einem Siege der Duces
über Bandarius, den Schwiegerſohn des Kaiſers Yuftin, und wahr:
ſcheinlich um diefelbe Zeit nahm Faroald, der erjte von
Epoleto, die Hafenftadt von Ravenna. Sicher ift, daß 578 der
Nachfolger des eben genannten Pabftes, Pelagius II, ohne Zuftim-
mung des griechifchen Kaifers gewählt werden mußte, weil die Lan⸗
gobarden gerade zur Zeit feiner Erhebung Rom felbft belagerten ®;
am 13. ‘December 581 hielten fie fogar Neapel eingejchloffen 7.
Neben dem nationalen ift e8 namentlid) der religiöje Gegenſatz,
welcher diefen Kämpfen von vorn herein das Gepräge einer befonde
ren Rohheit und Graufamfeit aufdrückt. „Warum feufzet ihr nicht,
während faft unter euren Augen fo viel unfchuldiges Blut vergoffen,
fo das Heiligthum der Altäre entweiht, der katholiſche Stande von
Gößendienern befchimpft wird“ ? alfo klagt der geängftete Pelagius
dem Biſchof Aunacarius von Auxerres; und daß feine Schilderung
|
2 Gregor voh Tours IV, 43; V, 15: aus ibm Paul. II, 6.
s Gut und außführlih bei Lupi I, 149 ff.
5 Gests pontificum Bomanorum 63; mit falfcher Chronologie Beba,
Ghron. 585: Gens Langobardorum comitante fame et mortalitate omnem
invadit Italiam ipsamque Romanam vastatrix obsidet urbem.
* BRoncallius S. 387: Anno 10. Justini imperatoris Bandarius gener Justini
principis a Langoburdis praelio vincitur et non multo post vitae finem accipit.
5 Paul. OI, 13.
6 Gesta p. R. 64; vol. Johannes von Billaro, Chron. 578, Boncallius
&. 389: Anno 2. Tiberii imperatoris Romani contra Langobardos in Italis
lacrimabile bellum gerunt.
7 Cod. dipl. I, 31: Ego Petrus notarius emendavi sub die Iduum Decem-
brium imperatore domino nostro Tiberio Costantinopolis agusto anno sep-
timo, post consulatu ejusdem agusti anno tertio, indictione quinta decima,
obsidentibus Langobardis Neapolitanam civitatem.
s In einem Briefe vom 5. Oct. 581, Cod. dipl. I, 25 ff: Car non
gemiscitis, dum pene in conspectu vestro tantus sanguis innocentium ait ef-
fusus, ita sacra violentur altaria, ita catholicas fidei ab idolatris insultetur?
422
ten die beiden Anbern. Kaum aber hatte ber frünkiſche Patrict
Mummolus von diefen Vorgängen Nachricht erhalten, als er fh
fofort mit überlegener Mannfchaft auf Rhodanus warf ber ca
mit der Belagerung von Gratianopel befchäftigt war. Das Langober
difche Heer wurde geiprengt, der Herzog jelbft, durch einen Lane
wurf verwundet, mußte fich in die Gebirge ziehen; nur mit fünf
hundert Mann gelangte er nad) Valence, wo er mit Zaban fi ve:
einigte. Beide wurden dann aber in der Nähe von Embrun di
Mummolus gänzlich gefchlagen; und nun fah auch Amo fich gen=
thigt, troß der ungünftigen Jahreszeit den Rückweg anzutreten. De
gefammelte Beute mußte er zum größten Theil im Echnee der U
pen zurüdlaffen, nur mit Mühe gelang es ihm perfönlich, Ytalım
wieder zu erreihen. —
Die Möglichkeit fo kecker Angriffe von Seiten der Herzoge, ih
günſtiger Erfolg wenigftens auf italifhem Boden jcheint fich einzk
aus der Vorausfegung zu erklären, daß zunächſt, wohl innerer Ir
ruhen wegen !, weder von griechiicher noch von fränkifcher Seite mit
rechtem Ernft und Nachdruck verfahren wurde, während es zugled
an einer Einheit des Operationsplanes ganz fehlte.
Jetzt änderte ſich das.
Schon im Jahre 578 war eine Verbindung zwifchen Kal
Chilperic und dem byzantinifchen Hofe eingeleitet worden: fräufifde
Große hatten lange Zeit beim Kaifer Tiberius als Gefandte ver
weilt 2. Einen entſchiedeneren Charakter nahn dies Verhältnis aber
erft unter Mauritius (feit 582) und Childebert II an; Hier wurk
auch zuerft die Wertreibung der Yangobarden als der vornehmſte
Zwed des Bündniffes Hingeftellt. Dafür follte der Grieche dem raw
ten funfzigtaufend Solidi zahlen ®.
Zu diefen Beftrebungen des Hofes von SKonftantinopel, ben
Mächtigften und Entfchloffenften der fränkiichen Könige gegen die Lan-
gobarden aufzuregen, kamen die der italifchen Geiſtlichkeit, vor Allem
der römifchen Kurie. Nichts wurde verabfäumt, das religiöfe Ge
fühl Chilbeberts zu erhigen: Gott ſelbſt follte ihn und die Franken
zu Beichligern des heiligen Stuhles gegen die Angriffe der Arianer
erwählt haben. In dieſem Sinne fchreibt Pelagius II ſchon 581 an
Aunacarius, der eines befonderen Anfehens bei dem Könige genoß*:
2 Aus Konftantinopel wird uns in biefer Zeit von einem Aufftanbäver-
fuche Zuftinians gegen ben Kaifer Tiberiuß berichtet, Paul. III, 12. Relamn:
ter find ja bie gleichzeitigen Kriege zwifchen Chilperich, Guntchramn und
Ghildebert.
’ 2 Gregor von Tourd VI, 2 (581): Interea legati Chilperici regis, qui
ante triennium ad Tiberium imperatorem abierant, regressi sunt
5 Gregor von Tours VI, 42; Hift. Epitom. 92,
* Cod. dipl. I, 25: Vos decuerat, qui illic catholicae membra estis
ecclesiae, uni corpori unius capitis gubernatione conjuncta, omnibus quibus
viribus valeretis paci quietique nostrae pro ipsa sancti spiritus unitate com
currere. Nec enim credimus otiosum.nec sine magna divinae providentis®
admiratione dispositum, quod vestri reges Romano Imperio in orthodozse
423
„Euch, die ihr dort Glieder der Tatholifchen Kirche feid, einem Leibe
durch die Leitung eines Hauptes verbunden, hätte es geziemt, ber Ein-
beit des heiligen Geifte® gemäß uns nad) allen Kräften zu Ruhe und
Srieden zu verhelfen. Denn wir halten e8 nicht für überflüffig oder
ohne die göttliche Vorfehung geordnet, daß eure Könige dem römi-
fen Reiche im rechten Glauben ähnlich find, fondern damit diefer
fie fowohl für unfere Stadt, aus welcher er entiprungen ift, als für
ganz Italien zu Nachbaren und Befchügern made.“ Mean fieht, es
ift diefelbe Volitik, welche ſpäter die Arnolfinger über die Alpen führte.
Wie ſehr folche VBorftellungen aber ſchon damals wirkten, bemeift ein
wahrfcheinlich im Jahre 583 gefchriebener Brief, in welchem Chil-
debert an den Erzbifchof Laurentius von Mailand, damals in Ge-
nua befindlich, folgende Zroftworte richtet : „Im UVebrigen haben
wir die Abfiht, wenn die Zeit des nächſten Jahres herangelommen
ift, mit Chriſti Hilfe ein Heer in der Angelegenheit zu fenden, da⸗
mit die Hand des Herren auf eure Bitte das verruchte Volk zer-
fchmeiße, welches feine graufamen Hände mit Unrecht gegen bie Hei-
ligen, mit dem Morde ihrer Gläubigen und mit Blutvergießen be-
waffnet hat“.
Endlich waren aud die inneren Verhäftniffe des Frankenreiches
einem Traftvollen Auftreten nach Außen hin günftiger, als feit Ian»
ger Zeit. Chilperich war vor dem Bunde Guntchramns und Chil-
deberts nad) Kammerich geflohen und nicht im Stande, im Felde zu
erfcheinen. So befam der Lettgenannte freie Hand gegen Italien. —
Den Iangobardifchen Herzogen konnte diefe Wendung der Dinge
nicht verborgen bleiben. Schon hatte der fränkifche Herzog Chram-
nichis das Grenzfaftell Anagnis genommen; er fchlug den Komes
Ragilo von Lagare und näherte fi) Trident. Wreilich gelang es
zunächſt noch dem Herzog Evin, diefes Heer bei Salurnis zu ver»
nichten 2; allein dadurch war die Lage der Langobarden in Allge⸗
meinen keineswegs gebeflert. Im Gegentheil, die eigentliche Ge⸗
fahr drohte erft; jetzt erſt follte es fich zeigen, ob ſechsunddreißig
durch das Gefühl gemeinfchaftlicher Nationalität nur loſe verbumdene
Staatskörperchen im Stande waren, den Angriffen zweier mächtigen
Reiche die Spige zu bieten, von denen jedwedes eine ftarfe, wohl
koncentrierte Regierungsgewalt befaß.
Daß man es auf diefe Probe gar nicht ankommen ließ, daß
man gerade in dem entfcheidenden Augenblide (Anfang des Jahres
584) wieder einen König erhob, zeigt, wie deutlih man die Lage
fidei sunt similes, nisi ut huic urbi, ex qua fuerat oriunda, vel universae Ita-
liae finitimos adjutoresque praestaret.
1 Cod, dipl. I, 33 ff: Quod fuerit vero residuum, si Christo placuerit,
adveniente anni futuri tempore optamus exercitum in causa dirigere, quate-
nus manus domini gentem exsecrabilem, Vobis exorantibus, dignetur elidere,
quae injuria Sanctorum et morte suorum fidelium, sanguinis effusione crude-
litatis manus armavit.
2 Paul. IU, 9. Wahrfcheinlich Lofalnotiz des Secundus von Trident.
28*
nad)
So zunähit das ungebrudte Chronifon ? von 641: „Den Law
in Italien wird nad der Herridhaft der zoge wieder
en Konig vorgeiegt, Authari; ſechs Jahr und ſechs Monate‘.
—** weiter die Geichichte vom Urſprunge des Volks 3: „Usb
es richteten die Herzoge der Yangobarden zweif Fahre ohne König |
Darauf erhoben fie jih einen König mit Namen Authari, den Son
Kiefs”.
le Wieder reicher in Einzelnheiten Paulus *: Nachdem die „Law
gobarden zehn Jahre hindurch unter der Herrſchaft von og
geftanden hatten, erhoben jie endlich unter allgemeinem Beſch
thari, den Sohn des oben erwähnten Fürften Klef, zum Könige *
gaben ihm ſeiner Würde wegen den Beinamen Flavius, welchen alle
hadfolgenden Könige der Yangobarden mit Glück geführt haben.
In feinen Zagen gaben bie damaligen Herzoge der Wiederherjtellung
des Königthums halber die ganze Hälfte ihrer Beligungen heran,
damit davon der König felbjt, feine Anhänger und alle, welche ihm
in den verfchiedenen Aemtern dienten, unterhalten würden“.
Der vierte Bericht, der des Fredegar, würde uns allerdings eine
ganz andere Auffaffung nahe legen; allein wir haben ſchon oben ge
fehen, wie wenig demfelben zu trauen ift.
Scwieriger bleibt e8, die Art und Weife zu beftimmen, wie
diefe Reftauration des Konigthums eingeleitet wurde. Waren es die
2 Nach dem Vorgange Muratori's zuerſt wieder Leo, Italien I, 119, ber
aber weſentliche Momente, beſonders das Heranrücken der Frauken gar nicht
in Anſchlag bringt. Aehnliches ſcheint Hegel, I, 447 anzudeuten: „Das lan⸗
gobardifche Königthum, nach einer furzen ůnierbrechung in weicher man ſich
aufs Neue von Feiner Notbwendigfeit überzeugte, tiederhergeftellt“.
% Langotardis intra Italiam post ducum principatum rursus praeficitar
Autharich annos 6 menses 6.
5 Origo cap. IX: Et judicaverunt duces Langobardorum annos duode
cim regem non habentes. Post haec levaverunt sibi regem nomine Authari
filio Clepphoni.
* Maul. III 16: At vero Langobardi, cum per annos decem sub potestats
ducum fuissent, tandem communi consilio Authari Cliephonis filium suprs
memorati principis regem sibi statuerunt. Quem etiam ob dignitatem Fu-
vium adpellaverunt, quo praenomine omnes qui postea fuerunt Langobardo-
rum reges feliciter usi sunt. Hujus in diebus ob restaurationem regui duces
qui tuno erant omnem substantiarum suarum medietatem regalibus usibus
tribuunt, ut esse possit unde rex ipse sive qui ei adhaererent ejusque obse
quiis per diversa officia dediti alerentur.
gilt
Add: i
dam Fafez des Grande Sherurdie fü mi
feinen Crler unb iczıem garen Der be Imperium m ergeben‘
Eos Euer ‚ meaX zur 'elher Umitizten Aurheri trog mas
teı naher Lie’? Minzı m deu Unterfangen jtarb er, am
5. Sevternther des Jahres 39), am erzählte, an Gift >: wer möchte
entiheiben, ob das Zahrkeit, oder ob tie Zege, wie jo vieles an
feinem Leben, fo auch ferien Tod um'weli? Cr hinterlieh weder
wieder auf: die Thatiachen zeigen, dag in dem Xolfe wie bei ben
za große Fortjchritte gemacht hate, als dag man einen ähnlichen Zu
ſtand wie vor fechzehn Jahren hätte zulafjen wollen. Dazu wodke
die perfönliche Yiebe und Anhänglichleit kommen, deren bie Könige
Theobelinbe, jelbft aus dem alten Serrichergeichledite der Rangober
den entiproffen, überall fid) erfreute: den, welden fie zum Gemahl
Verwandter Authari’s, die Krone; durch allgemeinen Bollsfchluß ward -
fie ihm bejtätigt.
Seine Regierung zeigt nad) Außen Bin einen mehr friebficen
% Gbenbafelbft: Ravennam remeantes in Histriam provinciam contra
hostem Grasoulfum deliberavimus ambulare: quam provinciam venientes Gr
sulfus Vir magnificus dux filius Grasoulfi in iuvenili aetate meliorem se
patre cupiens demonstrare occurrit nobis, ut cum omni devotione sandte
reipublicae se cum suis prioribus et integro suo exereitu sicut fuit subdere.
Muratori glaubte in biefem Gifulf den erften Herzog von Friaul zu erken
en; Lupi I, 159 ff. hat die Unwahrſcheinlichkeit diefer Annahme gezeigt.
2. Gregor von Tours X, 3.
5 Maul. III, 34.
* Paul. Il, 34: Reginam vero Theudelindam, quae satis placebet
Langobardis, permiserunt in regia consistere dignitate suadentes ei, ut sibi
quem voluisset ex omnibus Langobardis virum eligeret, talem scilicet, qui
regnum regere utiliter posset. Illa vero consilium cum prudentibus habens
Agilulfum ducem Taurinatium et sibi virum et Langobardorum genti regem
elegit. Quid plura? Celebrantur cum magna laetitia nuptise, suscepit Agi-
lulfus, qui erat cognatus regis Authari, incohante iam mense Novembris
regiam dignitatem. Sed tamen congregatis in unum Langobardis postes
mense Maio ab omnibus in regnum apud Mediolanum levatus est. Wahr:
ſcheinlich aus Secundus von Trident, der ja dem Hofe Agilulfd und ber
Theodelinde fo fehr nahe fand; vgl. Bethmann, Paulus Leben und Schriften
im zehnten Bande des Archivs für Ältere deutſche Geſchichtstunde, und Baubi
di Vesme, Edicta regum Langobardorum p. LXXII—LXXVI. Die einander
wibderfprechenden Berichte des fogen. Fredegar, Chron. 13 und 45, find früher
behandelt worden.
427
Charakter, als die vorige: währten auch die Kämpfe gegen den Babft
und die Griechen noch fort, fo war doch wenigftens mit den Fran-
fen gleich zu Anfang ein bdauernder Friede gefchloffen. Das gab
dem neuen Herrfcher die Möglichkeit, fich mit Erfolg dem inneren
des Reichs zuzuwenden, bie hier gührenden Elemente zu beruhigen
und unfchädlich zu machen.
Offenbar nämlich hatten die Herzoge noch nicht gelernt, ſich
der Herrichaft jemandes zu fügen, den fie kurz zuvor als einen
Gleichen betrachtet hatten; noch fühlten fie fich viel mehr als bie
wnabhängigen Herren, welche fie zeitweife geworden, benn als bie
Bertreter des Königs, welche fie wenigftens auf itafifchem Boden
ursprünglich gewefen waren. Wollen wir fragen, wohin es geführt
hätte, wenn ſolche Anfprüche Leben und Wahrheit wurden? Geben
uns nicht die dicht vorhergegangenen Zeiten deutlichen Auffchluß?
Soviel erfcheint Kar: follte das langobardifche Volk nicht von anftür-
menden äußeren Feinden mit leichter Mühe unterdrückt werben, jollte
es noch eine langobardijche Entwiclung, eine langobardifche Geſchichte
geben, fo mußte ein Königthum da fein, und das ein ftarles und kräf⸗
tiges. Das Königthum mußte die widerfpenftigen territorialen Gewal-
ten nicht nur zur Anerkennung zu zwingen fuchen: fein Streben mußte
dahin gerichtet fein, fie ganz zu brechen und fo eine wahre Reichs⸗
einbeit herzujtellen.
Agilulf erfaßte wenigftens die Nothwendigfeit einer Löfung ber
erfteren Aufgabe. Mit unerbittliher Strenge fchritt er namentlich
gegen diejenigen Herzoge ein, welche ihres perfünlichen Nutzens wegen
zu den Feinden des Volkes übergegangen waren. So büßte gleich
zu Anfang feiner Regierung der Herzog Minulf auf der Inſel
S. Giulio einen früher begangenen Verrath an die Franken mit
bem Tode 1; daſſelbe Schickſal erlitt fpäter Maurifio, Herzog von
Me als er fih und feinen Dukat den Griechen in die Hände
pielt ?,
j In der Ziwifchenzeit hatte fih Gaidulf von Bergamo erhoben ?,
war aber bald gezwungen worden, Geifeln zu ftellen und feinen
Frieden mit dem Könige zu machen. Als er bald nachher. wieder
rebellierte, rückte Agilulf gegen feine Verfchanzungen auf ber im
Romerfee gelegenen Inſel heran, vertrieb die hier aufgeftellte Mannſchaft
und führte den gewonnenen Schag des Herzogs nad) Pavia. Gaidulf
mußte nach Bergamo fliehen, wurde dann aber nochmals begnadigt *.
Schlimmer ergieng es ihm, als er nad) einem dritten Aufftande dem
Könige in die Hände fiel: da ward er wie Zangrolf von Verona
und Warnekautius von Pavia hingeridhtet5. Weit gleichem Unglüd
verfuchte Herzog Ulferi von Zrevifo eine Empörung: er wurde in
Origo g. L. X; Paul, IV, 3.
Paul. IV, 8.
Biel unnüge Bermuthungen darüber bei Lupi I, 191 ff.
Baul. IV, 3.
Origo g. L. X; Paul. IV, 14,
a» a Rn mw
428
feiner Hauptſtadt belagert ımd gefangen!. Auch Gaidoalb von Tu
dent und Gifulf von Friaul, die fih vom Könige losgeſagt hatea
mußten fchließlich feine Oberhoheit anerkennen 2.
So mag uns die Regierung Agilulfs als eine tüchtige mb
kräftige erfcheinen, für die Stärkung der königlichen Gewalt in hohen
Grade geeignet 3. Noc mehr würde diefe Anficht fich befeitigm,
hätten wir ftatt einer bloßen Vermuthung die Gewißheit, daß ei
ihn die Anfänge einer inneren Entwidlung zurüdzuführen fein, de
in der Folge von unberechenbarem Gewinn für das Königthum we
den ſollte. Wenn er fonft im Großen ımd Ganzen mehr zei
augenblidlicher Anerkennung ftrebt, al8 nad der Begründung ve
Ynftitutionen, welche die Macht der Herzoge dauernd zu ſchwäche
im Stande gewefen wären, jo werden wir ihm das nicht zum Ber
wurf machen dürfen; denn es fcheint faft, als fei eine foldde New
rung in diefer Zeit kaum möglich gewefen ohne die gemaltigite Er
fchütterung des gefammten Staatsorganismus, die jedenfalls für ba
Moment nur Unheil und Verwirrung hätte bringen Tönnen. wer
felhafter mag es bleiben, ob ben König nicht der Tadel trifft, df
er die mächtige Erhebung der Herzoge von Benevent und Spolen
vernacdjläffigt, dag er nicht einmal den Verfucd gemacht habe fie p
rüdzudrängen. —
Sicher aber gieng manches von bem, was er gewonnen, fd
durch feinen Sohn Adelwald wieder verloren. Allerdings find de
Nadjrichten, welche wir über diefen, wie über feinen Nachfolger Arie
ald Haben, nicht nur fehr dürftig; fie beruhen zudem auf eine
Duelle, deren Glaubwürdigfeit wir früher einmal in ‚Zweifel ziehe
mußten. Frebegar * nämlich berichtet uns über beide Könige Feb
gendes: „Nah dem Rathe des Eufebius falbte fi) Adelwald einft
im Bade, ich weiß nicht mit welchen Salben, und ſeitdem konnte er
nichts mehr thun, es fei denn daß er dazu von Euſebius ermaßnt
worden wäre. Da wurde er von diefem überredet, alle Fürſten md
Edlen im Reiche der Langobarden umzubringen und darauf fich mit
feinem ganzen Volfe dem Kaifer Mauritius zu übergeben. Wie a
r Raul. IV, 3.
2 Paul. IV, 28.
5 So faßt fie auch Hegel I, 447.
* Ghron. 49: Jnunctus in balneo Adaloaldus nescio quibus unguetis
ab ipso Eusebio persuadebatur, et post hanc unctionem nequicguam alind
nisi quod ab ipso Eusebio hortabatur facere poterat. Persuasus ab ipso,
ut primates et nobiliores cunctos in regno Langobardorum interficere ordine
ret, eisdem exstinctis se cum omni gente Langobardorum Imperio Maurieli
traderet. Quod cum iam duodecim ex eis nullis culpis exstantibus gladio
trucidasset, reliqui cernentes eorum esse vitae periculum, Charoaldum ducem
Taurinensem, qui germanam Adaloaldi regis habebat uxorem nomine Gunde
bergam, omnes seniores et nobilissimi Langobardorum gentis uno conspiran-
tes consilio in regnum eligunt sublimandum. Adaloaldus veneno hausto in
teriit, Charoaldus statim regnum adripuit. Nur ein Auszug aus biefer Stelle
ift offenbar Paul. IV, 43: Sed cum Adaloaldus eversa mente insaniret, de
regno ejectus est, ot a Langobardis in ajus loco Arioaldus substitutus est,
439
ift diefe Sefchichte doch gewiß nichts anderes, als eine Zarziz
ber ganz ähnlichen vom Morde der Herzoge Tafs und Sala mm
Arion, wie fie uns Paulus !' erhalten hat. Und zwar ſiekt ie
die Sache fo, daß wohl beide Berichte als jagenhaft audgeidemik
zu betrachten find, daß aber dem ungeaditet die Faffuug des Img
bardifhen Geſchichtſchreibers weitaus die grüßere Glaufmrürkigbi
verdient. Denn gegen Fredegar nimmt —“ in die 3
zeichnung Taſo's als eines Tur von Tuscien: Aber nie mE,
daß ipäter wenigiten® in dieſer Yandichaft mehre Derzoge meazer, I
in Yuffa und in Chiufi. Paulus dagegen hat zwar gerabe rar ie
Geſchide des heimathlichen Friauls und ſeiner Herzoge um Tomi
viel Sagenhaftes °, und ift darin immer nur mit B a ie
nugen; doch mit dem Kern der Ereigniſſe zeigt er fich weit gu
wohl befannt und vertraut. —
Nicht viel beifer find wir über das Verhältuns der Serge J
dem nächiten Könige unterrichtet: auh für jeine Herrichañt fo
diefer Dinficht Fredegar faft einzige Quelle. Nach ihın fehite es and
jetzt nicht an Widerfeglichleiten, aber Rothari trat —— Irık
und Glück entgegen, wiewohl er früher jelbft Herzog uvex Ber
gewefen und nur durch die Zahl der Gundeberga, nicht darch üb
fhaft zum Throne gelangt war. Tiefe Radricht zu be;mwerfein ing
fein Grund vor: vielmehr weiſt alles, was wir jonft über dk
Regierung willen, auf einen Znjtand bin, wo die Großen zer
Macht einer gewaltigen Berfönlicdhkeit, wenn aud; vielleicht wibermlig,
fi) beugen, wo ihre Kräfte, fonjt fo oft in verberblicher X ypefkiie,
zum Heile des Ganzen vereint find. In der jegt erfolgten Gejeger
redaktion wirb die Gewalt des Königs san} beſonders fcharf bereut;
hier erhielt fie eine Grundlage, welche jelbjt die beitigiten Exkrme
ungebörige Romkinierung ber Cuellen, wie fie ven Murateri, Unmali IV, 73
verſucht werten if.
3 Zaufl. IV, 4ü: Hos duos fratres Gregorius pairieius Romsserum I
eivitate Opitergio dolasa fraude peremit: nam promittens Tascni, ut ei barkem,
sicati moris est, incideret eumque sibi flium faceret, ipse Taso cum Chess
germann sun et electis iuvenibus al eundem Gregorium nikil mali mnetuses
sävenit. Gui mox ()pitergium cum suis esset ingressus. statim isdem pm
tsieius portas elandi praecepit et armatos milites super Tascnem ejnäget
soehss misit Quod Taso cum suis comperiens amdacter se ad pugmm
prasparavit sltimumque sibi data pace valedicentes per singulas eivisilis
plateas hae illae dispersi quoscunque obvios habere poteramt trachdanses cuB
magnam stragem de Romanis fecissent. sl exiremum etiam ipsi perempti zenl
2 Echte das teindt zur alte Kieter surufsehen? Merkiräreig men
nens, wie tie im Steñe liesente Teehe ieldñ in ver Iateiniiben Ferm gem
unte Ckũrſlich su Tage tritt. Sc Ander ñch in ter Erziklung ven ber End
tuna &:3 funıen Grimeald aus tem Hinten der Ararın, | ‚Fiäder ren mieman
temech, eim aan: teselrechter Hexameter: Exil. IV, 33: Ingentes anime
angzatn in peciore versans.
I «£ren 71: Chrotarius cum regnare coepisıet mul:os nobilium Ler
g-’Aariı,ram. quos sibi sensersi coniumaces, interfecit. Chrotarias fortissimam
#isciplinase et timorem in omne rezuum Langobarüorum pacem sectans fecit.
431
der nädjften Zeit nicht zu unterwühlen vermochten. Arichis von
Denevent !, der mächtigſte Herzog des Reiches, fendete feinen einzigen
Sohn an den Hof von Pavia, und fräftiger und ruhmvoller, denn
jemals ſeit Alboins Tagen erhob ſich das Volk zum Kampfe gegen
die Griechen. —
Wir haben die äußere Gefchichte der Iangobardifchen Herzoge
bis zu dem Augenblide verfolgt, wo ung zuerft das Recht des Vol-
kes aufgezeichnet entgegentritt. Weſentlich das Verhältnis derfelben
zum Königthume war e8, was bier unfere Aufmerkſamkeit in An-
fpruh nahm; jett gilt es, eine andere Seite ihrer Stellung ins
Auge zu faffen, den Grundlagen nachzuforfchen, auf welche geftütt
fie fo mächtig nach Oben Hin auftraten. Ihre Beziehungen zum
Volke und zu den neben ihnen ftehenden Beamten, den Gaftalden,
find es, weldje uns zunächſt befchäftigen werben.
2. Herzogthum und Gaftaldat.
Früher haben wir darzulegen verſucht, wie die Herzoge, ur-
fprünglid) vom Volke gewählte Vorfteher der größeren Abtheilungen
deffelben, doch fchon bei der Einwanderung der Langobarden nad)
Stalien als vom Könige beftelit erfcheinen. Nach dem Tode Klefs
verfhwand natürlich zunächſt ein folches Verhältnis, aber nur um
ſogleich unter Authari wieder zurückzukehren: foweit wir fehen, wurde
and, fpäter da8 Recht der Ernennung von den Herrſchern feitgehal-
ten und im Allgemeinen zur Geltung gebracht. So feßte, um einige
Beifpiele aus der nächften Zeit hervorzuheben, gleich Authari feinen
Schwager Gundwald in Afti, Agilulf in Zrident nach bein Tode
Evins ? den Gaidoald, in Benevent nad) dem Ableben Zotto’8 den
Arihis ein®; von dem Leßtgenannten wird es uns dabei ausdrlid-
lich bezeugt, daß er vorher in gar keiner Beziehung zu feinem neuen
Gebiete gejtanden habe: aus Friaul gebürtig war er bis dahin Er-
zieher der Söhne Herzog Gifulfs gewefen. Freilich tritt uns im
Gegenſatze zu dieſem allgemeinen Princip in einigen Herzogsfamilien
Schon früh eine faktiſche Erblichfeit entgegen *; das hieng dann aber
einerjeit8 mit ben ganz befonderen Verhältniffen derfelben zufammen,
die fpäter berückjichtigt werden müffen, andrerfeits finden wir doch
felbft Hier, wie die Könige nicht felten wenigftens den ftrengen Erb-
gang unterbrechen, wie fie den Dufat wohl an ein Mitglied der
3 Paul. IV, 11: Evin quoque duce in Tridentino mortuo datus est
eidem loco dux Gaidoaldus vir bonus ac fide catholicus.
5 Maul. IV, 19: Mortuo Zottone Beneventanorum duce Arigis in loco
ipsius a rege Agilulfo missus successit, qui ortus in Forojulii fuerat et Gi-
sulfi Forojuliani ducis filios educarat.
* Die Meinung von Leo, Entwidlung ber Verfaffung der Iombarbifchen
Städte S. 17, daß dies bie Megel gewefen, ift ohne Grund in den Quellen.
432
wurde Grajulf, der Bruder ihres Vaters Gifulf,
geſetzt; und jenen blieb, da fie unter dem Oheime nicht |
am Ende nichts übrig, al® der Abzug in ein anderes Herzogiäeum,
nach Benevent. —
War dagegen der Dur einmal beftelit, jo blieb er in ber Ne
gel auch lebenslänglich in feiner Würde. Das beweifen zumädhft bie
Angaben des Paulus über die einzelnen Berfönlichleiten, deren er
Erwähnmg thut. Co ift Gijulf?, der bei dem Cintritte der 9er
gobarden Eingejegte, bis an feinen Tod Herzog von Friauf, ebeufs
feine vorher erwähnten Söhne Taſo und Kako; Evin, welcher ſche
zur Zeit der Alleinberrichaft der Herzoge fo bebeutfam bervorgerast
und ſpäter dem Konigthume die weſentlichften Dienfte geleiftet, wer
läßt erſt mit dem Leben zugleich auch feine wichtige Stellung in
Zrident *; ber töblide Pfeil, der unter Agilulfs Regierung auf bes
Sundwald entfendet wird, trifft diefen noch immer
Afti*. Und in jpäterer Zeit zeigen bie Urkunden wenigen 3
jemand fehr Lange einen Dufat verwaltete: fo tritt ums in Zul
noch im Jahre 736 derjelbe 09 Walpert entgegen 5, der fen
im Februar 716 als folder bezeichnet wurde ®.
Dazu konmt ein Weiteres. Nirgends finden wir in bem Chile
Rothari’s, ja ſelbſt nicht in den Zujägen Grimoalds umd Lintprande
die Strafe der Abfegung für die Duces ausgeiprochen, wegen Amis
vergehen wird einfah mit Gelde gebüßt?. Anders jteht natärih
® Baul. IV, 41: His ita peremptis dux Porojulianus Grasulfus Giselk
germanus constituitur. Radoaldus vero et Grimoaldus despectui ducemies sub
patrui sui Grasulfi potestate degere, cam essent jam prepe javemilem zetalem,
ascensa navicula remigantes ad Beneventi fines perveaimt. Exmde ad Ar
chim Beneventanorum ducem suum quondam paedagogum properamtes ab eo
gratissime excepti et filiorum loco sunt habiti.
2 »#aul. IV, 38: Huie Cacano Gisulfus Porojuliauus dux cum Lange
berdis, quos habere poterat, saudacter ocewrit. Sed quamvis forti amimesi-
tste contra immensam multitudinem bellum cum pancis gereret, undigue innen
ptus cum omnibas suis pene exstinctus est.
5 Baul. IV, 11, oben angeführt.
* Baul.1V,42: Gundualdus etiam Thendelindae reginae germanes, gei
erat dux in eivi:ste Astensi, nemine sciente auctorem mortis ipsims oe ipe®
in tempore sagitta ietas interiit.
5 Cod. dipl. 11, 618: Constat me Lupo vindedit vobis dommo Wal
perto duei per misso vestro una casa.
* Cod. dipl. ITI, 250: Dum conjunxisse ego Ultiasas notarius et mie
sus domni regis ad intentionem, quam vertebatur inter V. B. Talesperisne
episcopo (Lucensi), nee nom et Joanne idem episcopo Pistoriensi, ege qui
suyra una cum Walpert duci et Alsis gastaldio.
7 Ed. Roth. 25: Si dox veritstem aut jastitiam mem servaverit csup%-
aat regi solidos vegenti cause manentem.
438
die Sadje, wenn der Herzog einen Aufftand gegen den König erhebt
oder jonft eines todeswürdigen Verbrechens ſich ſchuldig macht: die
im erjten Abfchnitte angeführten Beifpiele zeigen deutlich genug, daß
man in diefem Falle aud) nicht fchonte, obwohl es als bezeichnend
für die allgemeine Negel gelten mag, daß dem Gaidulf, nachdem
ihm einmal verziehen ift, nicht nur das Leben, fondern auch die
herzogliche Würde bleibt.
Ebenfo wenig aber als von einer Abfegung ijt in diefer Zeit
von einer Verſetzung der Herzoge die Rede; eine folche laſſen die
uns erhaltenen Zeugniſſe erjt weit jpäter in einem einzigen Yalle er⸗
fennen; doc) fteht aud) hier die Sache nicht einmal feit und trat zu⸗
dem, wenn überhaupt, jedenfall unter ganz befonderen, exceptionellen
Berhältniffen ein. Als nämlich Traſamund von Spoleto, zum zwei⸗
ten Male aufitändifch, von YLiutprand unterworfen war, wurde an
feine Stelle ein Neffe des Königs, Agiprand, eingefegt, wahrjchein-
lich derfelbe, welcher vorher Dur von Chiufi gewefen !.
Sehen wir fo, wie der Herzog nicht eine für jeden Krieg be⸗
ſonders beftimmte, in der Zeit beſchränkte Obrigkeit ift, jo werden
wir uns gleicher Weife gegen die Anficht? erklären müſſen, nad)
welcher er außerhalb der beftimmten Localbeamten ftünde, nur Ans
führer im Felde und höchſtens mit einer außerordentlichen Gerichts⸗
barkeit über das gerade fommandierte Heer ausgeſtattet. Nicht als
ob bier in Abrede geftellt werden follte, daß es derartige für ein«
zelne Fälle ernannte Oberbefehlshaber überhaupt bei den Langobar-
den gegeben. habe: weit doch ein Gejeg Rothari's beftimmt genug
auf fie hin; aber eben dajjelbe identifictert fie nicht mit den Duces,
ſondern jet fie ihnen in bejtimmter Weife entgegen 3.
Wir halten demnach feit daran, daß bie Gewalt der Letzteren,
wie ftändig und dauernd, fo zugleich an einen ganz bejtimmten Bes
ı Mäheres darüber weiter unten.
2 Beide Meinungen vertreten von Savigny, Gefchichte bed römiſchen
Mechtes im Mittelalter I, 280, wefentlih auf Grund von Ed. Roth. 25: 8i
quis res suas ab aliom in exercitum requisierit et noluerit illi reddere, tunc
ambolit ad docem, et si dox aut judex qui in loco ordinatus est veritatem
non servaverit, conponat regi solidos vegenti, welche Beſtimmung, wie auch
bei Leo, Stalien I, 79 N. 2 und Hegel I, 457 nur auf den Krieg bezogen
wird. Allein aus anderen Wendungen berjelben Art, wie aus ber Lesart des
Mabrider Cober: ‘ab alio exercitale’ geht hervor, baß “alius in exercitum’
bier eben nichts weiter beißt als „ein anderer Erercitale*, während zugleich
ber neben dem Dur genannte judex qui in loco ordinatus est ziemlid beſtimmt
auf den Frieden binweift.
5 Ed. Roth. 6: 8i quis foris exercitum seditionem levaverit contra
ducem aut contra eum, qui ordinatus fuerit a rege ad exercitum gobernandi
etc. Daß ‘aut’ bier wirflih als trennende Partikel anzufehen ift, ergibt
fih aus dem fonftigen Gebrauche deſſelben in Rothari's Edikte; fiehe bie ähn⸗
lichen Verbindungen Ed. Roth. 15: gastaldius regis aut sculdahis, Ed. Roth.
25: dox aut judex qui in loco ordinatus est, Ed. Roth. 182: filiam aut qua-
levit parentem, Ed. Roth. 189: puellam aut mulier liberam, Ed. Rotn. 210:
aldiam aut ancillam alienam.
434
zirt gefnüpft war, der als Glied des ftaatlidden Organismus mi
Civitas genannt wird. Co regiert nad dem Tode Keks jeder ie
zelne Herzog eben feine Civitas, diejenige natürfich, im welche a
fon vorher eingefegt war; Dur der Civita® Turin heißt Ay
bevor er König wird !; für die Civitas Aſti wirb Gundwalbd kei
Doch genug der Beifpiele, wo fat jede Seite bes Panlıs A
nis abgibt für unfere Dleinung: fragen wir Tieber nad, bem Em,
nad) der Bedeutung des Ausdrude. An fi könnte er ja
bezeichnen, einmal blos die Stadt, danı aber auch ein mit en
verbundenes größeres Gebiet; in dem einen Falle wären Die Her
wirklich ſtädtiſche Behörden und zwar weiter nichts als das?; u
dem anderen würden ihre Befugniife in gleicher Weiſe, wie die in
Grafen in Gallien fi) auf Stadt und Yand eritreden. Daß m
die Yangobarden nicht minder als bie Franken den zulept erwähsk
Begriff mit dem Worte verbanden, würde fhon aus einem uns
haltenen Fragmente des Secundus von Zrident folgen, an bee
Schluſſe es heißt 2: „Alles oben Weichriebene ift in der Givites m
Zrident, im Orte Anagnis gefchehen unter Norfig des Wü
Agnellus“ ; weiter beweift e8 der Ausdrud „Zerritoruum“,
wentifh mit Civitas bei Paulus fchon für die älteften Zeiten m
in Berichten vorkommt, welche offenbar aus dem Secundus geihä
find +. Unter diefen ift für uns derjenige von beionderer Wichi
feit, in dem die Namen von zehn Kaftellen oder Oppidulen auf
zählt werden, welche die hereinbrechenden Franken in dem Tribentiat
Territorium zerftörten°; das zeigt, wie umfangreich dieſe Berk
fein fonnten. Dagegen wurde “ducatus’ urfprünglich wohl wm
der Stellung der Herzoge gebraucht ° und erjt fpäter auf das Ye
übertragen 7.
i
J
2 Raul. II, 29: Erat autem tunc ibi inter ceteros Langobardorum de
ces Agilulf dux Taurinensium civitatis.
2 Segel I, 462 faßt bie Sache im Terte infofern ganz richtig, ald a
die amtliche Wirkſamkeit eines Tur auf „eine Stadt und deren Gebiet” be
zieht. Es fragt fh mur, ob er bier unter Gebiet nur bie Feldmark ber Etat
verfieht, eder auch umliegende Kajtelle, Dörfer reip. Einzelnhöfe. T
kann es nur vermirren, wenn man R. 3 ben Herzog geradezu als „AIMi
Obrigkeit“ bezeichnet findet. Out fhen Bethmann-Hollweg, Lombarbiiät
GStädtefreibeit €. 62.
5 Cod. dipl. I, 21: Acta sunt suprascripta omnis in eivitate Tridentiss
in loco Anaguis presedente Agnello episcopo; vgl. dazu bie Note nen Bonelli.
Mouum. eccl. Trident. p. 12: Secundus pro civitate Tridentina, ubi locas et
Ansgnis, accepit more veterum nedum urbem gentis caput, sed et dioecesim
universam.
* Yaul.111,9: Expuleisque Francis Evin Tridentinum territorium recepk;
IV, 2: Venit quoque magnus locustarum multitudo in territoriam Tridentinun.
$ %aul. III, 30: Xomiua autem castrorum seu oppidulorum, quae &
ruerunt Vrauci in territorio Tridentino ista sunt: Tesana, Malcrum, Sermisss,
Apiuuum, Fagitang, Cibra, Britianum, Brentonicum, Belenes, Ennemase.
° auf. II, 18: Droetulfus ducatus honorem mernerat: vgl. IV, 17,
46: V, 17, 22. 4.
7 Paul. IV, 40: Taso et Cacco filii Gisulfi eundem ducatum regendem
435
| Was aber waren dieſe Gebiete? Waren fie neu von ben Lan⸗
gobarden eingerichtet, oder Tnüpften dieſe, fo feindlich fie auch fonft
en die Römer verfahren mochten, doch wenigftens hier an das
ber Beftandene an? Gehen wir nochmals auf die Gejchichte von
&ifulf ein, fo läßt hier fchon die Faſſung der Ueberlieferung erken⸗
sen, daß das Letztere ber Fall war; nicht ein neuer Bezirk, oder
wie es genauer heißt, eine neue Provinz wird gefchaffen, jondern nur
Für die längſt beftehende eine neue nationale Obrigkeit eingefet ',
welcher dann andere Mitglieder des erobernben Volkes ſich zugefellen.
Und e8 erfcheint das nach der ganzen Natur der vorgefundenen Ver:
el nach der Art der bisherigen territorialen Entwicklung in
alien faft als eine Art Nothwendigfeit: nur eine radikale Bertil-
ng alles Beitehenden — das darf man, wie ich glaube, getroft be-
upten — Würde zu einem anderen Ergebniffe haben führen können.
enn wie feſt und dauernd dieſe Eintheilungen des Bodens unter
allen Stürmen blieben, welche über bdenfelben hinmweggiengen, zeigt
am Beften der Umijtand, daß die Städte, felbjt wenn fie bis auf den
Grund zerftört waren, doch nicht nur fich ftetS wieder aus ihren
Trümmern erhoben haben, fondern auch immer wieder die Mittel-
punkte ftaatlichen Lebens geworden find. So das von Agilnlf ver-
annte Padua 3, das von Rothari vernichtete Genua *; in weit ſpä⸗
terer Zeit hat Mailand ja den fchlagendften Beweis für diefe Mei-
nung geliefert. Cine Oppofition gegen frühere Eintheilung finden wir
in unferen Quellen nur einmal bemerkt, gerade hier aber zeigt eben die
ansbrüdliche Erwähnung der Sache felbft wie der ganze innere Zuſam⸗
menhang, daß bei Opitergium eine Ausnahme von der Regel ftatt fand.
Dieſe Stadt, ſchon von Rothari 5 eingenommen und zerftört, muß fehr
susceperunt, fiehe auch IV, 46; V, 86; VI, 830; Geste pont. Rom. 42: In-
teramnam urbem ducatus Spoletini; 97: ducatus Firmanus, Auximanus
et Anconitanus. Auch in Urkunden; fo in einer Beltätigung Liutprands
für Farfa von 15. Juni 739, Cod. dipl. HI, 660: quaecunque singuli
duces nostri Spoletani seu et reliqui judices vel populus de ipso ducatu
nostro Spoletano contulere. — Ganz vereinzelt fteht der Fall da, daß ein Her:
3209 zwei Xerritorien unter ſich vereinigte. Nur ein Beiſpiel davon ift
und erhalten in Alachis, der zu dem von Trident noch bad von Breſcia hinzu:
erhielt; fiehe Paul. V, 36; Hegel I, 453 N. 2.
2 Paul. II, 9: Alboin perpendere coepit, cui potissimum primam pro-
vinciarum quam ceperat committere deberet.
2 Auf die Stätigfeit bderfelben bat ohne weitere Begründung ſchon
bingewiefen Bereita, Dissert. chorographica bei Muratori, Scriptores Tom. X,
p. XXX1: Liquet Langobardos et Carolum Magnum variasse quidem formam
provinciarum et nomina, non autem singularum urbium. Verum in urbibus
ingens illa variatio non contigit.
5 Maul. IV, 24: Usque ad haec tempora Patavium civitas, fortissime
militibus repugnantibus Langobardis rebellavit. Sed tandem injecto igne
tote flammis vorantibus concremata est et jussu regis Agilulfi ad solum us-
que destructa.
*Fredegar, Chrom. 71; näheres weiter unten.
5 Paul. IV, 47: Opitergium quoque civitatem inter Tarvisium et Foro-
julii positam pari modo expugnavit et diruit Rothari.
436
kurze a ee a Dane Der Griechen gelangt {ci
dann wurde fie von Srimoald zum zweiten Male &
war aber, wie Paulus berichtet, dieſem Könige in ganz nn befochems
Maße verhaft ', weil bier feine beiden älteften Brüder darch ka
treulofen Anfchlag des Exarchen Iſaak umgelonmen waren. Des
halb, Heißt es ausdrücklich, vertheilte Grimoald ir Gebiet unter ik
Bewohner von Friaul, Zrevijo und Eeneda, um fo ge za
Gedaächtnis des Ortes für ewige Zeiten anszulöfchen. Wir
ihn das felbft fo auf die Dauer gelungen, beweift das f ——
blühende Oderzo.
Wollen wir weiter in das Einzelne eingehen, fo ſcheint ſich fir
als be
er
diefen Zweck zunächft nichts Paſſenderes darbieten zu können, als
fogenannte Anonymus von Ravenna, der es ja als feine
fündigt, „die Civitates oder die Zerritorien der Civitates“ zu wer
zeichnen *. Allein ganz abgejehen von der Zeitbeſtimmung biefe
Autors, ber doch nur von einigen in das fiebente, von anderen —
und wie mir fcheint mit größerem Recht — in das neunte Yale
hundert der driftlihen Aera gefetst wird, Haben fchon frühere Fer
fcher richtig erfannt ?, daß feine Angaben für die politifche Geſtel
tung Italiens ohne jeden Werth find, indem er „einerfeits nicht fe
ten Namen nennt, von denen fonjt weder das Alterthum nod be
Neuzeit Kunde und Spur gibt, andererfeits zu den Stäbten unbebew
tende Dörfer oder Kaftelle rechnet, welche niemals zu einer f
Würde fi emporgejhwungen haben“. Ich möchte hier ftatt
anderen ein fchlagendes Beijpiel anführen, von dem, foviel idh *
bisher noch feine Notiz genommen worden ift. Im dreikigften Se
pitel des vierten Buches fährt der Anonymus, nachdem er mehr
Städte der eigentlichen Lombardei nambaft gemacht, zulegt Sirui
und Garda al8 am Zuße der Alpen gelegen, in folgender Weik
fort*: „&benfo die Civitas Ligeris, Trinkto, Tridentum“. De
ganzen Sachlage nad kann jenes Grite nichts anderes fein, als dab
von Paulus 3 erwähnte Yagare, und fo iſt es denn auch von alla
I Raul, V, 28.
® Anon. Rav. IV, 81; Binder und Partbey ©. 256: Sed quia jem
antes alias civitates nominavimus, ut membratim eas per singulas provimeiss
ezpuneremus, attamen ut significemus quae sint civitates vel civitatam teri-
toria , ideo exponimus nominando.
5 Murstori, Antiquitates italicae medii aevi II, 185: Idem vero ano
nyınus ınultas enumerat civitates, quarum non solum nulla nunc vestigia re
stant, sed no mentio quidem apud antiquos occurrit. Praeterea is in urbes
recens«t aut minutos vicos aut castella, quao nunquam ad dignitatem urbis
asnurrexere et contra omittit quae temporibus barbaricis in honore fuerst;
Beretta, Dissert. chorogr. p. XV: Cum anonymus plures urbibus vicos is
miscont,
% Binder und Parthey ©. 253: Item civitas Ligeris, Trincto, Trr
dentum.
s Paul. 1, 9: His diebus advenientibus Francis Anagnis castrum,
quod super Trideniumn in confinio Italiae positum est, se eisdem tradidit.
—X
Interpreten genommen worben. Nun ergibt ſich aber aus dem' ger
nannten Gefchichtfchreiber,, wie ich glaube, mit unzweifelhafter Ge⸗
wißheit, daß dies Lagare zu dem Zerritorium, zu der Civitas bon
Trident gehörte, daß der Komes deſſelben, Ragilo, während der Al-
leinherrſchaft der Herzoge dem Evin unterftand. Mit dem Trinkto
aber hat man gar nichts zu machen gewußt und fich ſchließlich mit
der Meinung begnügen müſſen, daß es wohl burd) Dittographie aus
dem nachfolgenden Worte, aus Zridentum, entftanden fein möchte,
Wir fehen alfo, daß anf diefem Wege nichts zu gewinnen ift;
befjer werden wir auf einem anderen vorwärts fommen. Erinnern
wir uns, wie urfprünglich die Tirchlichen Ordnungen ftets fih an
die früher beſtehenden politifchen angejchloffen hatten, wie die älteren
Eivitates immer auch mit den Sprengeln der einzelnen Biſchöfe zu⸗
fammenfielen !, fo wird e8 möglich fein, eben aus ben Verzeichniſſen
der Lebteren auch eine Ueberſicht über die Erjteren zu gewinnen, wie
diefe fich geftaltet hatten, al8 die Langobarden nach Italien einwan⸗
derten. Daneben ftelle ich eine Tabelle derjenigen Städte, für welche
uns langobardifche Herzoge genannt werden; zu ihnen mögen nachher
noch zwei andere fich gejellen, welche wenn auch nicht als Dukate,
fo doch als politiiche Meittelpunkte in der früheren langobardiſchen
Zeit hervortreten. Ich wähle die Verhältniffe Oberitaliens, eines⸗
theil® weil diefe uns am Klarften vorliegen, Harer 3.8. als bie von
Zuscien, dann aber auch, weil wir in ihnen offenbar das Urſprüng⸗
fiche zu fehen haben, während das Abweichende, was in Benevent
und Spoleto fpäter zu Tage tritt, fich noch in feiner hiſtoriſchen
Entwidlung, in feinem Werben verfolgen läßt. Die Bifchofsftädte
d nad) Schelftrate und Ughelli gegeben, die in der anderen Reihe:
efeßten Zahlen bezeichnen die Stellen des Paulus, wo von den
betreffenden Herzogthümern die Rede ift; ausgefchrieben aber habe
ich fie nur bei denen, bie fonft nicht weiter in der Abhandlung ge
zannt find.
Bistümer, Herzogthümer.
Kaftrum Julienſe, nachher Friaul. Friaul; II, 9.
Gere Sutlenf, ma Ceneda 2; VI, 24.
Quam ob causam comes Langobardorum de Legare Ragilo nomine Anagnis
veniens depraedatus est. Qui dum cum praeda reverteretur, in campo Rota-
Bano offendit Chramnichem ducem Francorum, & quo cum pluribus suis pe-
remptus est. Qui Chramnichis non multo post Tridentum veniens ipsum
devastavit. Quem subsequens Evin Tridentinas dux in loco qui SBalurais
dieitur suis cum sociis interfecit praedamque omnem quam ceperat exeusait.
Expulsisque Francis Tridentinum territorium recepit. tte Lagare eine eis
gene Eivitad gebildet, fo würde in biefer Zeit fein Woriteher eben nicht Ko:
med, fondern Dur genannt worden fein.
2 Sehr gelehrt und ausführlich hat hierüber gehandelt Schelstrate, An-
tiquitas ecclesiae II, 218 ff.
® Paul. VI, 24: Munichis, qui pater post Petri Forojulianorum et
Ursi Cenetensis ducum exstitit.
II. 29
Izmir Zıerüs; 8 3.
Firm: =, *
Terms Zen‘: I, 28
Iren Zsıem; D, 32.
rec rras; I, 32.
Bergumr: II, 32.
Komera Ieid bes * Fulins ® (Rev):
Mailand Miiasr: IL 32.
Faran Furu: I, 32.
Regzio Rezaio.
Farma Farm
Fiacenʒa Biacecʒa
Modena *.
Terielio #eriells; IIL, 18.
Afti Ati; IV, 2.
Jorra Iorea ®.
nn II, 29.
ĩvitates.
Mantua Mantuo.
Altınım Altimm 6.
Mariana
Feltre
Belluno
Kremona
Komp
Lodi
2 Paul. VI, 64: Peredeo Vincentinus dux.
® Paul. O, 28: Giselbertus, qui dux Veromensium fuerat.
5 An bem Herzog Minulf von biefer Inſel glaubte Muratori, Autige
I, 151 beweifen zu fönnen, daß es auch Tuces gegeben babe, in deren Be
irfe feine Etabt gelegen geweien fei. Allein es * faſt, als babe zu em
ttorium des nntn aud Novara gebirt; vgl. Beretta, Dissert. ebe
rogr. LXXVIII: Infra et in medio Novariensis dioecesis, ubi lacus Hortat
et insula 8. Julii, cui praeerat sub Langobardis Minulfus dux. Territoriem
enim suum habebat, ut ostendit Carolus a Basilicap. in sua Novaria a. p-
174, demonstrans ad comitatum Novariensem etiam ante Ottones vetera co®-
firmantes pertinuisse. Tann hätte ji Minulf bei dem Kampfe gegen Agilulf
le die Infel zurüdgezogen, ganz ähnlid wie Gaidulf auf bie im Komer⸗
ee belegene.
* Denn der Dur Johannes, welcher Muratori, Antigg. I, 1532 und II,
197 ff. ald Ausfteller von Urkunden erfcheint, ift nicht, wie dort angenommen,
Herzog von Berficetum, fondern von Modena. Ich werde dad noch an eine
anderen Stelle zu begründen ſuchen.
5 Gesta pont. Rom. 97: Direxit missos suos Desiderius, id est
Theodicium ducem Spoletinum, Tunnonem ducem Eburoregiae et Prandulum
vestiarium suum.
°c Daß dieſe Civitates fhon vor Autbari ben Lannobarben gehörten,
zeigt ber oben angeführte Brief des Erarchen Romanus, Cod. dipl. I, 131 ff.
in bem von ihrer Receptio durch die Griechen bie Rebe if.
440
aber wie der Heerbann wird ihm auch der Gerichtsbann zugeime
chen: feiner Ladung Folge zu leiften ift jeder verpflichtet bei Girk
von zwanzig Zolidi !. In dieielbe Buße verfällt derjenige, weihe
ihm feine Hilfe verjagt zur Ausführung einer gerechten Sade, px
Vollſtreckung eines gefüllten Urtheils ?.
Dies find die Befugniſſe, welche das Edikt dem Dur alkı
bindiciert; man fieht, die hier gegebenen Andeutungen find gerin
aber fie laſſen doch erfennen, daß jener die oberfte militairide,
rihterliche und polizeiliche Gewalt in feiner Hand vereinigte. Ga
zu der Letztgenannten wird es zu rechnen fein, wenn man neben ia
Biſchöfen die Herzoge um Crlaubnis zur Gründung geiftlicher Stk
ter bat, fo Lange die Geſetze feine ansführlichen Vorfchriften üe
diefen Punkt enthielten. Dagegen hatten die Herzoge mit ie
Finanzverwaltung nur imfoweit zu thun, als fie die Bank
einzogen, von denen ein Theil, wahrfcheinlich die Hälfte an fie fehR
fiel. Doch ergibt ſich ſchon hieraus, wie groß unter Umſtänden ik
Einkommen fein konnte. Erwägen wir ferner, wie fie unzweifelhet
ſchon jetzt durch ein höheres Wergeld geſchützt und ausgezeicee
waren, WIE ausgedehnte Ländereien, ganz abgejehen von ihrem Par
vateigenthum, von Amts wegen ſich in ihrem Beſitze befanden *, we
bequem diefe ihnen die Mittel boten zu felbjtändigem Auftreten ua
zum Halten eines ihnen ganz ergebenen Gefolges, wozu in diefer Zeit
außer dem Könige nur fie das Recht hatten >: wahrlich, wir werde
geitehen muſſen, dag ihre Stellung eine höchſt bedeutende war, def
fie dem Königthum wohl gefährlich zu werben vermochten.
Doch war die Yage des Lesteren in der {hat nicht fo fehl,
als fie auf den erften Blick ausfehen könnte Denn wie bie Her
zoge einerfeits nicht die Gefammtheit der Töniglichen Rechte im bes
Territorien üben, fo handhaben fie andererfeits nicht einmal alle bi,
welche ihnen zuftehen, allein in dem ganzen Umfange derfelben, ſe
find nicht die einzigen unmittelbaren Vertreter des Könige, fondern
nur bie verzüglidhiten.
Neben ihnen erfcheinen Komites und Gaftalden ©.
nandi aut aliquam partem exereitum seduxerit, sanguinis smi imcurrat pe
riculum,
ı Ed. Roth. 20: Si quis de exercitalibus docem suum contempserit sd
justitiam, vigenti solidos regi et doci suo conponat.
2 Ed. Roth. 22: Si quis de ipsum exercitum ducom suum nd justem
eausam persequendam denegaverit solacia, unusquisque conponat regi et doc
suo solidos vigenti. J
5 So heißt es in ber Stiftungsurkunde von Kirche nnd Kloſter bei
heil. Petrus in Kaſſiano aus dem Jahre 713; Cod. dipl. II, 133: Petimss
(die Stifter) licentiam domno Talesperiano dei gratia episcopo et cum gratis
dom. Walperti duci nostro civitatis noatre Lucensis.
+ Raul. I, 16 oben angerübrt.
s Siehe den Anhang über dad Gefinde bei din Langobarden. u
*$ Marfgraien gab es nicht; bie brei Diplome, in welchen fie ‚für bit
rein langobardiſche Zeit erwähnt werden, ſind fämmtlich gerälicht, wie ſelbſt
Treya zugeitehen muß, ebwobl er bartnädig an einem Marchionate ferbält.
441
"Daß jene dem Range nach zwifchen diefen und den Herzogen
in der Mitte ftanden, beweiſt vornehmlich die gewöhnliche Schluß"
formel der föniglichen Urkunden !: „Wir beauftragen alle Duces,
Komites, Gaftalden und alle unfere Aftoren“, oder „kein Dur,
Komes, Gaftalde oder Aktor von uns möge es wagen, jemals
gegen diefe unfere Vorfchrift anzugehen“ ?. Die weiteren Nachrich-
ten, welche wir von ihnen haben, find fehr dürftig; doch können wir
aus einer Erzählung des Paulus wenigſtens den Umſtand entneh-
mens, daß ber fränfifche Name Grafio ben Langobarden eigentlich
fremd war. Erwähnt werden fie fonft bei diefem Gefchichtfchreiber
nur an drei verjchiedenen Stellen, einmal * der fchon genannte Komes
Nagilo vom Lägerthale im Gebiete von Trident, dann zweimal
Komites von Kapuad, welche den Herzogen von Benevent untergeben
find. Außerdem erjcheinen fie noch in einem Briefe Gregors des
Großen an feinen Gejchäftsträger in Konftantinopel, den Diafonus
Sabinianus 6, und in einigen Urkunden, befonders in folchen von
Benevent ımd Spolete. So ftellt Giſulf I. im September 745
eine Schentung aus auf die Bitte feines Komes Majo?, und in
einem Diplome für Farfa kommen gar drei auf einmal als Zeugen
vor, Rabenno, Anſuald und Zeutprand 8. Beſondere Schwierigfei-
ten macht der Komes Petrifung, welcher einer Inſchrift zufolge zur
it des Bifchofs QTalesperianus in S. Mafarto bei Lukka eine
irche gründete. Wir willen nämlich, aus anderen ganz ficheren
Originaldofumenten, daß eben in biefer Zeit Walpert Herzog von
Lukla war, und werben alſo zu der Annahme gezwungen, daß Petri-
funs in einer anderen Civitas als in ber ihm eigentlich unterftehen-
den eine Stiftung machte, wenn wir nicht etwa zu der fehr unwahr-
?! Damus in mandatis omnibus dueibus comitibus gastaldiis nostrisque
actoribus. So 3. B. in ber entfchieben echten Beftätigung Liutprands für
Farfa vom 15. Juni 739, Cod. dipl. III, 663.
3 Nullus dux comes gastaldius vel aetionarius noster contra hoc prae-
eeptum audeat ire quandogus; Cod. dipl. IV, 118.
5 Paul. V, 36: Alachis dum esset in Tridentina civitate cum comite
Bajoariorum, quem illi gravionem dicunt, conflixit.
* Paul. II, 9: Comes I,angobardorum de Lagare Ragilo nomine
Anagnis veniens depraedatus est.
s Paul. IV, 53: Trasemundum vero comitem Capuanum per Spoletum
et Tusciam direxit Grimoaldus; V, 9: Cuius (Oonstantis) exeroitum Mittola
Capuanus comes vehementer atirivit. Dagegen find bie Komites bed Weltari
Baul. V, 23 wohl einfach feine Begleiter. |
6 Cod. dipl. I, 325: Si ego in morte Langobardorum me miscere
voluissem, hodie Langobardorum gens nee regem nee duces nee comites
haberet,
| 7 God. dipl. IV, 178: Per regum Majonis comitis nostri. ine unda⸗
tierte Infchrift aber aus Sant’ Agatha im Königreid Neapel: Hoc Radoald
conjux comitis ift ohne Grund in die langobardiſche Zeit geſetzt.
8 Cod. dipl. IV, 389: Signum + manus Rabennonis comitis testis
Signum + manus Ansualdi comitis testis
Signum + manus Teutprandi comitis testis.
9% Cod. dipl. II, 497: Tempore Talesperiani episcopi Petrifunso oo-
mes feeit.
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Anfauee eigerstich richtiger. ale die Media, obwohl felbft Grimm im
wöhnlihe Schreibung feihäl. Die Ableitung ift verſchieden verfuck.
Leo'd Amĩchtꝰ, nad) welcher Gaftaldius daijelbe fei, wie „Gall“
(hospes, hostis) und „ald“ nur ein Zujag, ſcheint ſich der Bill
gung der erfahreneren Sprachroricher wenig zu erfreuen; Grimm’
bringt das ort wohl richtiger mit dem sethiihen en 'gastaldan „beſi⸗
gen, baben,Terwerben“ zujammen; daher gastal = se
minister. Ch es ſchon früher Beamte Diefeg reed für Brivat |
feute gegeben habe, wie Yeo verfichert, ift nicht gewiß; ficher erichei
ı Sarigny, RR. im MA. I, 267 ff.; Waitz, Teutfche Verfgefch. IL, 32.
Das Refultat unferer Unterfucjung über die Komites findet fih fon bei Hegel.
s Leo, Stalien I, 95.
5 Deutfche Srammatit u, 527; Rectöalterthümer S. 754; Gedichte
der deutſchen Spracde II, 527; vgl. auch Diefenbadh, Wörterbudh ber gothi:
[hen Sprade II, 306.
443
nen fpäter Gaftalden und Gaftaldate ber Königin‘. Ganz wilffir-
ih und unbegründet ift dagegen die Unterfcheidung, welche Troya
zwifchen Königlichen und öffentlichen (pubblici) Gaftalden gemacht
hat ?; gerade das ift das Charafteriftifche in der Entwicklung biefer
Berhältniffe bei den Langobarden, dag bie urfprünglich fpecififch
Föniglichen Beamten allmählich neben den Herzogen zu öffentlichen
werden.
Sehen wir weiter auf das räumliche Gebiet, welches den Ga-
ftalden fir ihre Thätigkeit angewiefen war, fo wird fich für die Zeit
Rothari's als Regel aufftellen laſſen, daß in je einer Civitas dem
Herzog ein Saftalde entſprach. Denn nur bei einer foldhen An⸗
nahme erklären ſich die Beitimmungen über die gegenfeitige Kon⸗
trofe® diefer beiden Gewalten, die wir noch fpäter näher betrachten
werben: offenbar fegen fie voraus, daß immer nur ein Gaftalde an
den betreffenden Herzog ſich wenden konnte und umgelehrt.
Sm diejen Zerritorien aber waren fie nicht etwa, wie man
wohl gemeint hat *, diejenigen Beamten, welche die römifche Bevöl⸗
ferung vor dem Könige vertraten, wie die Duces die Tangobardifche;
nirgend, weder in ben Gefegen noch in den Urkunden findet fich
and nur bie leiſeſte Spur einer foldhen Unterfcheidung, die doch
ganz nothiwendiger Weile wenigftens angedeutet fein müßte. Und
ebenfo wenig traten fie in die Stelle der imperatorifchen Defenſoren
ein; fondern fie erfcheinen als diejenigen, denen die Wahrung recht
eigentlich der königlichen Intereſſen obliegt, ähnlich wie im deutfchen
Neiche den Pfalzgrafen des zehnten und elften Jahrhunderts. Vor
Allen beforgen fie das Krongut 3: wahrſcheinlich verwalteten fchon
damals unter ihrer Aufficht die geringeren Beamten, die Altores,
bie einzelnen Höfe oder Kurtes, welche in den Civitates Eigenthum
des Herrſchers waren. Aber auch fonft haben fie die Sachen bes
Letzteren zu führen. Sie ziehen bie ihm zufallenden Erbfchaftsquo-
ten ein®, mögen biefe nun in Grundbefig oder in fahrender Habe
2 So unterfäreibt Cod. dipl. V, 139: Lazaro gastaldio domne regina,
und V, 712 heißt e8 in einem Diplome bes Adelchis für St. Julia in Bres⸗
cin: Ipsa precellentissima domna Ansa regina suavissima genitrix nostra
singulas res moviles atque curtes et possessiones innominatas et locas infra
Brexiana civitate regie proprietatis sue seu gastaldias suas inibi per suum
confirmavit preceptum ; vgl. Muratori Antigg. I, 524.
2 Cod. dipl. II, 437 ff.
5 Ed. Roth. 23: Si dox exercitalem suum molestaverit injuste, gastal-
dius eum solaciet; Ed. Roth. 24: Si gastaldius exercitalem suum molesta-
verit contra rationem, dux eum solaciet.
+ Leo, Lomb. Städte S. 37; Flegler ©. 13.
s Dies ift bei aller fonftigen Meinungsverfchiebenheit bie übereinftim-
mende Anficht aller Forſcher; fiehe Muratori, Antigg. I, 524; Lupi I, 132;
Leo, Stalien I, 95, Lomb. Städte S. 24; Savigny I, 255; Bethmann=Holl-
weg ©. 65 ff., Hegel I, 456.
* Das ergibt fi) aus Ed. Roth. 158: Si parentes proximi non fuerent,
tune curtis regies suscipiat ipsas quattuor uncias; vgl. 159, 160, 163.
444
beſtehen; fie haben das Recht und ben Auftrag ', die Freie, welde
einen Sklaven geheirathet hat und von ihren Verwandten nicht des
wegen getödtet ober verfauft ift, auf die königliche Kurtis zu bruw
gen und fie unter die Spinnmäbchen einzureihen.
Da man indes in einer Art pripatrechtlicher Auffaffung ber
öffentlichen Verhältniffe keinen Unterfchied machte zwiſchen dem Ein
fommen, welches ber König aus feinen Gütern zog, und dem, wel.
ches ihm auf andere Weiſe zufloß, fo gelangten die Gaftalden bald in
den Befit der ganzen Finanzverwaltung, fo weit diefe überhaupt in
den Territorien und nicht am Hofe des Königs beforgt ward. Nun
zahlte mar aber bei bem Letteren nur die Friedensgebühren? und
diejenigen Strafgelder ein, welche von Beamten erhoben wurden ®,
alles andere bei den Königlichen Kurtes *: fo läßt fi ermeſſen, wie
bedeutend gerade in diefer Beziehung die Wirkſamkeit der Gaftal-
den geweſen ſein muß.
Nur eine fernere Konfequenz jener Anſchauung iſt es, wenn
diefe weiter auch Rechte verwalten, die der König allerdings nur
als folcher befigen Fann, bei deren Ausübung aber gerade feine Ber-
fünlichleit mehr als anderswo in Betracht kommt. So namentlid
das Mundium derjenigen rauen, welche keine gefeglichen Verwanb⸗
2 Ed. Roth, 221: Bi servus libera mulierem aut puellam ausus fiuerlt
sibi in conjugio sociare, anime suse incurrat periculum, et illa, qui servram
fuerit consentiens, habeant parentes potestatiem eam oecidendi aut foris pro-
vincia transfendendi et de rebus ipsius mulieris faciendi quod voluerit, Et
si parentes ejus hoc facere distolerit, tunc leceat gastaldius regis aut senl-
dahis ipsaın in courte regis ducere et in pisele intra ancillas statuere. Wehn:
ih ift ber Ed. Roth 189 behanbelte Fall: Si puellam aut mulier Hberam
volontariee fornigaverit, cum liber tamen hominem, potestatem habeat pares-
tes, in eam dare vindicta. Et si forte ambarum partium steterit, ut ille gai
fornigavit eam tollat oxorem, conponat solidos vigenti et alios XX; et #i
non convenerit ut habest oxorem, conponat solidos centum. Et si parentis
noluerit aut neglexerit in eam dare vindictam, tuno leesat gastaldius regis
aut sculdahis ipsam ad manum regis tollere et judicare de ipsa quod regi
placuerit.
® Ed. Roth. 37: Si quis liber homo In eadem civitatem ubi rex pre
est aut tuno invenitur esse scandalum penetrare presumpserit, id est «li
incitaverit et non percusserit, sit culpavelis solidos daodicem in palatio regis;
vgl. Ed. Roth. 38, 89, 40.
3 Ed. Roth 150: Si quis judicem interpellaverit et judex dilataverit
ipsa causa deliberare aut licentiam dederit averse parti ipsum molinum erver-
tendi, conponat solidos vigenti in palatio regis districtus ab stolesazo; Ed.
Roth. 350: Si sculdahis dilataverit facere, sit culpavelis in palatio regis
solidos XII.
* Ed. Roth. 185: Vir, qui matriniam vel privignem suam duecit, co»
ponst pro culpam in curte regis solidos centum ; Ed. Roth. 186: Ipsi ner
genti solidi a curtis regi exegantur; Ed. Roth. 201: Ipsa conpositio in in-
tegrum ad curtis regis perveniat; Ed. Roth. 206: Sit culpavelis in sourtem
regis solidos XX. Gänzlid verwirrt bie Sache Muratori, wenn er Antigg
I, 524 behauptet, daß mit dem Worte „Kurtis" bas fönigliche Palatium 3
ber Königliche Fisfus bezeichnet werbe.
446
ten mehr haben ', oder von bdenfelben hart und ungerecht behandelt
worden find ?.
Alle dieſe Befugniffe übten die Gaftalden im Allgemeinen offen«
bar für die ganzen Zerritorien, ſchloſſen alfo die Herzoge völlig
davon aus. Ob wir ihnen in Rothari's Zeit noch andere, weiter-
gehende zufprechen können, wird von der Erklärung eines Ausdruckes
abhängen, der in dem Edikte des genannten Königs neben Dur und
Gaftaldins mehrfach zur Bezeichnung eines höheren Beamten begeg-
net. Er ift von etwas allgemeinerer Bedeutung, und es wird noth»
wendig fein, ihn bier einer näheren Erörterung zu unterziehen, ba
wir nur fo hoffen dürfen, zu genügenden Ergebnifjen zu gelangen.
Das Wort Yuder ift es, auf welches e8 ankommt.
Daffelbe ift bereit8 vielfach verhandelt worden. Gegen Mura⸗
tori?, der unter Judices diejenigen Beamten verjtand, welche bei den
Langobarden den fränkifchen Grafen entfprochen hätten, wurde zu-
nächſt von Lupi der entjchiebenfte Widerſpruch erhoben *, ohne daß
doch diefer nun feinerfeits zu einem recht runden Nefultate gelangt
wäre. Komites und Gaftalden will er nicht unter bem Namen von
Indices, fondern unter der Bezeichnung Seniores begreifen, wobei
er eich den Erjtgenannten größeres Anfehen und höhere Würde
vindiciert. Offenbar aber ſtützt fich diefe Meinung nicht auf die
Berhältniffe der rein langobardiſchen Zeit, fondern auf die ber lan⸗
gobardiſch⸗fränkiſchen, iſt alfo fir uns von feinem Belang. Wie
deraufgenommen ift die Sache dann von Savigny , der in den Aus⸗
drücden Yuder, Komes und Dur nur Ueberfeungen eines und deſſelben
unbelannten Iangobarbdifchen Titels fieht, von dem er die Gaſtalden
anszufchließen fcheint, während Hegel 6 und Baudi di Vesme? ben
3 Ed. Roth. 182: Si parentis non fuerent legetimi, tune mundius ille
ad curtis regi perteneat. Et si parentis non habuerit, tuno ad ourtis regis
habeat refugium.
2 Ed. Roth. 195: Si quis mundium de puella libera ant mulierem po-
testatem habens, excepto pater aut frater, et in animum ipsius puello aut
mulieris insidiatus fuerit, aut aliis invitam tradere ad maritum voluerit,, aut
volentibus ad ejus violentia faciendum consinsum prebuerit, aut consilium
dederit et provatur: amittat mundium ipsius, et illa potestatem habeat de
duas vias, vuit ad parentes reverti, vult ad curtem regis cum rebus suis
propriüs, quae ad eam per legem conpetit, se commendare, qui mundium
eius potestatem debcat habere; vgl. aud) Ed. Roth. 196, 197.
5 Antigq. I, 402: Familiare fuit non secus Langobardis ac Franeis
eomitum munus, verum apud illos plerumque appellare mos fuit judices, non
vero comites; I, 187: Nomen autem judicis comitibus ipsis tributum vi-
dimus in Langobardorum legibus.
* Cod. dipl. Bergom. I, 458 ff.: Deponenda igitur omnino est hacc
opinio, quae omni prorsus probatione destituta est et ne conjecturis quidem
fulcitur, ac tenendum, comites Langobardorum in eorum diplomatibus memo-
ratos regni proceres fulsse altioris subsellii majorisque dignitatis quam
cos.
s MR. im MA. I, 282.
s Italiſche Stäbteverfaflung I, 450 ff.
7 Edicta regum Langobardorum col, 854.
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sıme Fig: Z2:2re
3 E2 Beil. 35: Preöicä gzaörsgenta solidi per sculdahis aut jJudicem
ui in Jıc2 Irüustıs u8° eIeganıur.
447
mannt war. Dagegen wird er genau vom Dur gefchieben ?;
Wenn jemand feine Sache von einem anderen Exercitalen fordert,
ad diefer fie ihm nicht zurückgeben will, dann wende er ſich an den
ur, und wenn der Dur oder der judex qui in loco ordinatus
st a rege’ nicht Wahrheit und Necht aufrecht erhält, foll er zwan⸗
g Solidi büßen“. Später verfchwindet diefer Unterfchiedb mehr
ad mehr, fo daß judex de loco’ in Liutprands Gefeßen daſſelbe
zeichnet, wie da8 einfache Yuder ?.
Der Gaſtalde ift aber auch der Letzte in der Stufenfolge ber
zeamten in den einzelnen Civitates, welcher noch als Juder bezeich-
t wird. Daß man ſchon den Skuldahis nicht mehr umter diefem
Zorte verjtand, ergibt fich deutlich genug aus der direkten Gegen-
yerftellung beider Ausdrücke namentlih in Liutprands Edikte. So
enn beftimmt wird, der Skuldahis folle dem, welcher feine Sache
Hamiert, ſechs Solidi zahlen und ebenfo ſechs Solidi feinem Ju⸗
7, oder wenn von dem Procefje zweier unter einem “uber, aber
ıter zwei Stuldahis ftehenden Leute die Rede ift *.
Offenbar Duces Komites und Gaftalden zufammengenommen
zeichnet Judices auch in der einzigen Stelle, wo e8 bei Baulus be⸗
onet 9: „Aripert pflegte in der Zeit feiner Regierung bei Nacht
ı# Pavia hinaus hier und dorthin zu gehen, um fo felbft zu er-
rfchen, was über ihn von den einzelnen Civitates gefagt würde und
eißig nachzufehen, welche Gerechtigkeit die Judices ihrem Volke an«
deihen ließen.“
Gehen wir endlich zu den Urkunden über, fo müffen wir einen
ppelten Sprachgebraud) unterfcheiden. Der Singular Juder
imlich fteht auch Hier immer nur von dem höheren Beamten, mag
rfelbe mn als Dur, Komes, Gaftalde in den Territorien oder an
m Hofe des Königs vefp. der Herzoge von DBenevent und Spo⸗
to malte. So urkundet Romuald II von Benevent®: „Nies
als möge es von einem Juder unferes heil. Palatiums entzogen
erden“, und allgemeiner Giſulf U.: „Gifulf dir, dem Ajo, unfes
m uber“ 7; fo heißt es in dem Zeugenverhöre vor Guntheram,
2 Ed. Roth. 25: Si quis res suas ab aliom in exercitum requisierit ot
imerit illi reddere, tunc ambolit ad docem, et si dox aut judex qui in loco
dinatus est a rege veritatem aut justitiam non servaverit, conponat solidos
ti,
* Sollte das vielleicht ſchon in einer Beſtimmung Rothari's ber Fall
n, Ed. 343: Ille qui cavallum in damnum invenit ducat eum ad judicem
d in loco ordinatus est aut certe ante ecclesia in convento ?
5 Ed. Liutpr. 25: Conponat ei qui causam suam reclamavit ipse acul-
his solidos numero sex et judici suo similiter solidos sex.
* Ed. Liutpr. 26: Si homenis de sub uno judice, de duobus tamen
uldahis causam habuerit.
5 Paul. VI, 35: Aripertus in diebus quibus regnum tenuit noctu egre-
ins et hac illacque pergens quid de eo a singulis civitatibus diceretur per
metipsum cxplorabat ac diligenter qualem justitiam singuli judices populo
o facerent investigabat.
6 Cod.dipl. TII, 116: Nunquam a nostri sacri palatii judice subtrahatur.
7 Cod. dipl. IV, 377: Gisolfus tibi Ajoni judici nostro.
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dem Miſſus König Yiutprands!: „Gewählt gieng ich wit einem
Briefe des Judex von Siena“, wo der Gaſtalde gemeint ift. Em
ein;ige Ausnahme Fünnte der uber Andreas eines Farfeſer Di
plome ? vom April 706 zu machen fcheinen, da wir wifjen, daß iı
diefer Seit nicht ein Andreas, fondern Hilderich Gaftalde von Riei
war. Doch bat einerſeits die Urkunde im der Geftalt, wie fie ver
liegt. auch junit mandes Anſtößige und Tropa felbft gefteht zu, dei
er dus Ylurt, worauf er tie kopiert, verloren habe; andererfeite abe
iſt ce recht gut möglich, daß dieſer Andreas neben den Funktionen
RW Notare uuch die eined Referendars des 098 von Spoles
übte: wenigſtens wird fur; vorher ein fol gleiches Namens
ermibnt 3.
Der Plural „Yudiced“ fan num einmal, ganz wie im Gbifte,
die Geſammtheit dieſer böberen Beamten ausdrüden; er bat aber
außerdem im den Urkunden auch noch eine andere Bedeutung, er be
zeichnet dieienigen, welche dag Urtheil im Gerichte finden, mögen fi
nun jelbit wieder Veumte oder einfache Freie fein, die fpäteren
Schoffen. So ſchon in der Entiheidung König Perthari’s über ben
Streit wilden Parma und Piacenza*t: „Wir mit unferen Indice
verbandelnd“ und „wir mit unjeren Judices haben befchloffen‘;
wieder in einem Urtheile des Herzogs Yupo von Spoleto ’: „WS
ich Yupo zu Gericht ſaß zugleich mit unferen Judices, nämlich ben
Diakonen Suidemarius und Arechis, dem Stolefaz Perto, dem Skul⸗
daſius Alto u. ſ. w.“, und in einem anderen Farfeſer Diplome ©:
„Wir die genannten Judices“, wo bdiefe aus dem Bifchof Teuto,
den Gaſtalden Probatus und Preko, dem Stuldabi8 Adualdus, dem
Altor Goderiſius und den Gemeinfreien Lulanıs, Mortinianus,
Stepbanus und Yucianus beitehen. Aehnlich in einer Urkunde Liut
prands von Wenevent?: „Sch Yeoprand zu Gericht fitend, als gegen
uns ftand Ingilberto, der Eohn des Sofigenes, der Marſchall Io
bannes und unfere übrigen Judices“; im einer Entſcheidung Gifulfs
von Spoleto®: „Giſulf figend zugleich mit dem königlichen Miffus
Sumpert und unferen übrigen Judices, das heißt dem ehrwürdigen
Biſchof Zeuto, dem Gaſtalden Alfred . . ., den Skuldahis Marti⸗
I Cod. dipl. III, 189: Electus ambulavi cum epistola judici de Bena.
8 Cod. dipl. V, 536: Actum in Reate per Andream judicem.
3 Cod. dipl. IV, 262, 368.
* Cod. dipl. II, 535: Nos tractantes cum judicibus nostris; 536: Nos
cum nostris judicibus decrevimus,
5 Cod.dipl. IV, 371: Dum ego residerem Lupo una cum judicibus no-
stris, idest Gaidemario Arechis diaconis, Perto stolesazo, Allone sculdasio eto.
° Cod. dipl. IV, 479: Tunc nos iam dicti judices.
” Cod. dipl. IV, 620: Residentes Leoprand adstantibus erga nos Ingil-
bertone filio Sosigeni et Joanne marepahis vel scveris (ceteris?) judieibus
nostris.
® Cod. dipl. V, 108: Gisolphus residentes una cum Glumperto misso
domini regis atque reliquis nostris judicibus, hoc est V. V. Teutone epis-
copo, Alefrido gastaldio . . ., Martiniano vel Hisimundo sculdore vel Chite-
roso et plurimis adstantibus.
449
nianus und Hiſimundus, indem Chiteroſus und: ſehr viele herum⸗
ftanden“, und ſchließlich in einem Erlaſſe für Farfa!. „Am Gegen⸗
wart der obengenannten Judices“, wo als foldhe genanst find Gum»
pert Bischof, Teudatus Skuldahis, Arnuald von Valva, Petrus der
Sohn des Taurus, Leorandus Sohn des Grimoald, Audepert Sohn
eines Aino und andere herumitehende.
Dieler letzte Sprachgebraudy vermittelt den Uebergang zu ben-
jenigen Zeiten, wo das Wort Yuder bald gar nicht mehr die höhe
ren Beamten, fondern eben nur noch die Schöffen bezeichnete, neben-
bei auch geläufiges Beiwort der Notare wurde.
Darüber haben wir hier nicht weiter zu handeln; wir gehen
vielmehr auf das Edikt Rothari's zurüd, um die Befugniffe kennen
zu lernen, welche in demjelben dem Judex zugefchrieben werden. Da
heißt es denn zunächſt?, daß vor den Dur oder dem ‚judex qui
in loco ordinatus est a rege’ bie Klage gebracht werden foll; fie
berufen und leiten die Gerichtsverfammlung der Freien, welche das
Urtheil finden und fprechen?. Der Yuder ordnet auch den Zivei-
fampf an und unterfucht ben Rämpfer, ob er nicht verderbenbringende
Kräuter oder ähnliche ungebührliche Dinge bei fich trägt *.
Weiter erfcheint er als polizeiliche Gewalt, weiche auch von
Amtswegen einfchreitet. Ohne feine Erlaubnis darf feiner den Um⸗
kreis der Stadt verlafjen oder in ihre Mauern eintreten‘; werthvolle
gefimdene Saden, wie Gold und Kleider, müſſen bei Strafe des
neunfachen Erſatzes an ihn abgeliefert werben ©, Gr hat dafür zu
forgen, daß der Ausſätzige aus der Nühe der menfchlichen Sefellfchoft
in die Einfamkeit gejchafft werde”, fein Befehl genügt, um eine
% Cod. dipl. V, 700: Unde in praesentia supraseriptorum judicum.
2 Ed. Roth. 25: Si quis res suas ab. aliom in exercitum requisierit et
noluerit illi reddere, tunc ambolit ad docem, et si dox aut judex qui in loco
ordinatus est a rege veritatem aut justitiam non servaverit conponat regi 80-
Hdos vigenti.
5 ine folche ift in Abrebe geftellt von Bethmann⸗Hollweg, Lomb. Stäbte:
— 6.68; nachgewiefen, wie mir ſcheint mit überwiegenden Gründen, von
Hegel 1, 468 Fi. Eine weitere Ausführung der Sache bleibt wünſchenswerth.
* Ed. Roth. 365: Nullus camphio presumat, quando ad pugnando con-
tra alio vadit, herbas, quod ad maleficias pertinit, super se habere nec alias
tales semelis res, nisi tantum arma sua que convenit: et si suspicio fuerit,
quod eas occulte habeat, inquiratur ad judicem, et si inventus super eum
faerit, evellantur et jactentur:; et post ipsam inquisitionem tendat manum ipse
camphio in manum parentis aut conliberti, aut ante judicem satisfaciens dicat,
quod nullum talem rem, quod ad maleficiam pertinit, super se habeat.
5 Ed. Roth. 244: Si quis per murum de castro aut civitatem sine no-
titia judeci sui exierit foras aut intraverit, si liber est, sit culpavelis solldos
vigenti etc.
6 Ed. Roth. 260: Si quis aurum aut vestis seu qualevit rem in viam
invenerit et super geniculum levaverit et non manefestaverit aut ad judicem
non adduxerit, sibi nonum reddat.
7 Ed. Roth. 176: Si quis lebrosus effectus fuerit et eognitum ju-
diei vel populo certa rei veritas, et expulsus foris a civitatem vel casam
suam ete.
zurücgegeben ?.
Eo fehen wir, wie neben bem Herzoge auch dem Gaftalden —
denn auch diefer ift ja unter dem Worte Judex begriffen — {des
zu Rothari's Zeit richterlihe und polizeilihe Rechte zuftanden.
Nur waren diefe offenbar nicht fo wmeingefchränft, wie die be
Persoge ; vor Allem der Bann wird ftets allein auf dieſe bezogen.
ie bier im Ginzelnen die Kompetenz beider Gewalten abgegrenzt
war, fäßt ſich mit Sicherheit aus den Quellen nicht erfennen; u
VBermuthungen können darüber aufgeftellt werden. Vielleicht daß dw
Saftalden eben in den Sachen richteten, welche mit der Perfon ode
mit dem Einkommen des Königs zufammenhiengen, die Duces in d-
fen übrigen. Wollte man das nicht, fo bliebe noch eine doppelte
Möglichkeit. Entweder nämlich müßte man annehmen, daß ber
fang des königlichen Gutes fchon damals Veranlafjung geboten
Stüde defjelben an Private zu vergaben, die dann aus ber unmib
telbaren Verbindung mit dem Herzoge heraus und unter die Ber
waltung ber königlichen Priv ten getreten wären. Oder be
ihon oben erwähnte Abtretung der Herzoge an Authari traf mit
nur das Privatgut der Erjteren, fondern das ganze von ihnen be
berrfchte Gebiet, fo daß dafjelbe fortan in zwei Hälften zerfiel, von
denen eine direlt unter dem Dur, die andere wenigftens in gewiſſer
Beziehung zunächſt unter dem Gaftalden ftand. Das ift um fo
wahrjcheinlicher, als einerfeits Paulus ®, die einzige Quelle für dieſe
Verhältniffe, an der betreffenden Stelle von einer neuen Vertheilunz
der Römer unter die Yangobardben fpricht, andererjeits Analogieen
für ein ſolches Verfahren fid auch in der fpäteren Entwidlung fin
den. Eo hat denn Hegel fogar die Entftehung des Gaſtaldats an
ı Ed. Roth. 264: Si quis molinum alterius capelaverit: vel sclusa rm
perit sine auctoritate judecis, conponat solidos duodicem Älli, oujus molinss
esse invenitur.
2 Ed. Roth. 264: Si liber aut servus voluerit foris provincia fugire,
et judex aut quicunque in finis provinciae resedit eum presurit, teneat eum
et res quas secum detolerit salvas faciat, et mox mandit ad judicem de lo-
cum unde fugire cepit, quatinus eum recipiat et dit pro unum fogacem solk
dos duo, ita ut cum rebus, quas secum detolerit, reddatur. Et si contegerit
eum de legamen fugire, preveat sacramentum ille qui eum tenuit, quod nos
asto eum laxassit, sed cum tota virtutem custodire voloissit: post datum sr
cramentum res quas ci tolit reddat, presura autem non querat.
® Maul. III, 16: Populi tamen aggravati per Langobardos hospites
partiuntur.
451
jene Reftauration des Königthums angelnüpft !: eine Behaup
die jedenfalls nur den Werth einer Konjektur hat. Doch range
in ber That faſt, als habe der Gajtalde, während der Herzog ftets
feinen Sig in der Stadt bebielt, welche bem Territorium den Na:
men gab, meiſt in einer weniger bedeutenden oder in einem Flecken
gewohnt, woher fi denn auch feine Bezeichnung als judex qui in
oco ordinatus est a rege’ erflären würde. Denn daß irgendivo
Ban und Gaftalde in einer Stadt neben einander geſeſſen hätten,
ift nicht zu erweilen. Das Beifpiel Mailands, welches Leo für
diefe Anficht geltend gemacht ?, füllt weit in die fränfifche Zeit hin-
ein ®; wie e8 mit Bergamo ftand, dem Lupi beide Beamten zugleich
zufpricht, wird noch fpäter erörtert werden. —
Am Wenigften hatten offenbar die Gaftalden diefer Zeit mit
den militairifchen Verhältniffen zu thun*, wenngleich fie perfünlich
mit in den Krieg ziehen mochten, vielleicht fogar an der Spike ber
Krongutsmannen.
Dagegen ift e8 noch von befonderer Wichtigkeit, daß der Ga⸗
ftalde eine Art Kontrole über den Herzog übt, wie diefer über ihn
felbft?. Wenn der Herzog, heißt es, feinen Erercitalen ungerechter
Weife bedrückt, fo joll ihm der Gaftalde helfen, bis er demfelben
vor dem Könige oder ficher doch bei feinem Herzoge Recht verfchafft
bat. Umgekehrt, wenn der Gaſtalde feinen Erercitalen gegen das
Recht plagt, fo foll der Herzog dem Bedrückten helfen, bis er zu
feinem Rechte gelangt. Man fieht, daß bier ein Unterfchied in
der Art der Intervention hervorgehoben wird, ohne daß doch bie
Natur bdefjelben ganz deutlich wäre. Vielleicht, dag der Herzog .ben
Gaſtalden wirklich vor fein Gericht ziehen durfte, während der Ga⸗
ftalde gegen den Herzog nur durch gütliche Vorftellungen oder durch
den König zu wirken vermochte. —
Wie fehr fo auch der Gaftaldat dem Dukat untergeordnet ers
feinen möge, unbedeutend war das Amt in der That fchon jekt
nicht, und gewiß waren e8 nicht Aldien oder Sklaven, die dazu ge⸗
2 al, Stäbteverfafiung I, 461.
82 Lomb. Stäbte S. 27 und 37,
5 Giulini, Memorie di Milano I, 238 ſpricht ausbrüdlich vom Jahre 842,
* Sie werben gar nicht erwähnt Ed. Roth. 6: Si quis foris in exerei-
tum seditionem levaverit contra ducem suum aut contra eum qui ordinatus
fuerit a rege ad exercitum gobernandi etc.
s Gut hat barüber gehandelt Hegel I, 451; nur das in Note 3 Ges
fagte kann ich nicht billigen.
6 Ed. Roth. 23, 24, fhon ©. 443, N. 3 angeführt.
7 So Troya, Cod. dipl. Il, 436. Der Beweis für biefe Annahme fol
in Ed. Roth, 377 liegen: 8i quis sculdahis aut actorem regis occiserit uti-
litatem regis facientem, adpretietur pro libero hominem, sicut in hoc Edictum
legitur, et parentibus legetimis conponatur. Dan braudt aber nur eine
©telle, wie Ed. Roth. 75 zur Vergleihung heranzuziehen: Si infans in utero
matris nolendo ab aliquem occisus fuerit, si ipsa mulier libera est et evase-
rit, adpretietur ut libera, um fich zu überzeugen, baß durch jenen Ausbrud
bie Aftored gerade als Freie bezeichnet werden follen, was auch dadurch be-
452
wählt wurden, fonbern ü mb weblbegikterte
ehe blieben aber hoc burcbens Dem Könige abhängig, ns
bängig, daß fie 3. B. ohne ausdrüdfiche Erlaubnis beffelben währs
ihrer Amtszeit nichts erwerben durften ?.
ui beiden, en aus mußten fie im Wligemeines
vorzüglich geeignet erjcheinen, um ein Gegengewicht abzugeben geger
bie drohende Mash ber Herzoge.
Im Nligemeinen fage ich; denn anders noch, als bisher ker
gelent ift, ftand die Sache mit den Herzogen von Penrsent mb
Spoleto, zunächft wohl auch noch denen von Friaul. Taf ———
die beiden erſten ſchon früh eine von den übrigen Duces gem;
dene Stellung errangen, hat bereits Muratori erfannt ® md fie der
halb als duces majores bezeichnet. Savigny* vergleiche jur bes
balrifhen und alamannifhen Herzogen in ihrem Verkälris
fränfifhen Weiche. Das fcheint mir darum nicht ganz |
weil die Beneventaner und Spoletaner nicht ftanınıerfchieben Bez
den iibrigen Yangobarben waren, wie von den Franken die Dal
und Alamannen, während doc) gerade biefer Umitand bei den
ren für die Gntwidlung der herzoglichen Macht von der lern
Vedentung war. Auch Hegel läßt jene —— — wohl geften,
erinnert aber zugleich daran, daß die genannten beiden Serzage er
gentlich ganz neh waren, was die anderen auch, beſonders weil
gegen Wuratori?, der die Sache jo faßt, als fei ihnen —
vorn herein und abſichtlich von den Konigen eine größere Machtfulle
beigelegt worden. Das Hat gewiß feine Richtigkeit ; Wo er
fennbar aber treten fie ſogleich bedeutender auf, al& die
dem fie nach Außen ihr urſprüngliches Amtögebiet bebeutend *
ſtätigt wird, daß die Buße an bie Verwandten fällt und nicht, wie bei ben
Ellaven und Aldien, an ben Herren. Wie viel mehr müflen war ek die
Geſieiden Zreie geweſen fein!
» Tab geht namentlih aud ber Größe ber Etrafen hervor, bie fie in
beftimmten „Allen zu zablen hatten. So ein Mal einen Sklaven, eim ambereö
Mai 40 Solibi; vgl. Ed. Roth. 210, 271.
® cd. Koth. 375; beſonders iR wohl an Grunbbefig zu beufen.
fie ie In je höheres (81 der ueber PR wir nicht, vo Re 8
wahrſcheinli iel vielleicht der Ueberſchu er das der balichen Ireien
an die lenigliche Kurtis, wie bei dem Skuldahis ? *
Antiqg. I, 150.
° AR, im DA. 1, 283. Eigenthümlich, aber chne Grund in den Quel⸗
fen, baber auch wohl biöber noch ganz unberüdiichtigt Bereita, Diss. chorogr.
XXXVili: Langobardorum jurisdictio duplicis erat naturse, seiliest regalis
seu regni et ducalis seu provinciae. Haec erat illorem ducem, qui admis*
strandam provineiam, plures urbes vel oppida insignia complectentem sortie-
bantur, ut duces Forojuliensis, Taurinensis etc. cis Tiberim, trans vero Sp
letanus et Beneventanus, quorum ditio amplissima e quibes alüi minores de-
eæn unius urbis parebant. Begalis erat regis, quae proprie regnum
et «ui immediste suberant urbes et duces urbani a jurisdietiewe dacum provis-
ejalium Immunes.
s tal. Stäbtereri. I, 455 N. 1.
ie
453
F und dabei zugleich im Inneren ihren Stand ſtärken und
äftigen. |
Die Anfänge dazu fallen wahrfcheinlich ſchon in die Zeit der
Alleinherrichaft der Herzoge; doch fehlen uns bier genauere Nach»
richten. Sicher finden wir erjt im Jahre 592 den Herzog Arichis
von Benevent ! im Bunde mit Ariulf von Spoleto eifrig befchäftigt,
fein Territorium auf Koften ber Römer zu vergrößern. Während
jener ſich Rom nähert, fucht er Neapel zu nehmen?. Die Gefahr,
in welcher diefe Stadt damals fchwebte, muß fehr dringend geweſen
fein; wenigftens fendete ihr Gregor der Große einen befonderen Ver⸗
theidiger in der Perfon des Tribunen Konftantius und ermahnte
den Exarchen zu fchleuniger Hilfeleiftung *._ So wurde den Griechen
allerdings dieſer wichtigſte Pla Unteritaliens erhalten; dagegen
konnte man nicht verhindern, daß Arichis 595 Venafrum nahm *,
dag 596 felbft Kapua in feine Hände fiel‘. Noch in demfelben
Jahre wurde Kalabrien verwüftet und Kroton erobert; doch fcheint
dies wie Miria und Lokri bald wieder verlaflen zu fein 6.
Wie unabhängig vom Könige Arichis bei allen diefen Unterneh.
mungen verfuhr, erfieht man daraus, daß er die Feindfeligleiten noch
fortſetzte, als fhon lange ein Waffenftillftand zwifchen Agilulf und
Gregor abgefchloffen war (Ende des Jahres 598)7. Erſt einer be=
fonderen Gefandtjchaft gelang es, ihn zum Frieden zu bewegen ®.
Eine ähnliche Selbjtändigfeit zeigt fein fpätere® Verfahren. ALS
nämlih nad) feinem Webertritt zur fatholifchen Kirche die Kämpfe
zwifchen Langobarden und Griechen aufs Neue ausgebrochen waren,
2 Die vielfach ventilierte Frage nad dem Entſtehungsjahre biefed Her:
zogthums wird, wie ich glaube, mit Sicherheit nicht entjchieden werden können.
Doch ift ſoviel Har: wenn ber erfte Herzog Zotto, wie Baul. IH, 32 angibt,
wirflih zwanzig Jahre geberrfcht bat, fo ift die IT, 31 angeführte Sage von
der Gründung dur Authari durchaus unbiftorifh. Uebrigens ift es wahr:
ſcheinlich, daß die oben erwähnte Belagerung Neapel im Jahre 581 von
einem Beneventaner Herzoge außgieng; vgl. Troya Cod. dipl. I, 31 n. 3%,
Dagegen greifen die Annalen von La Cava, Monum. 8S. III, 186 wohl etwas
zu früh, wenn fie Zotto 570 ſetzen.
8 Cod. dipl. I, 269. Die hier Note 2 ausgefprochenen Zweifel über bie
Identität biefes Arichis mit dem gleichnantigen Herzog von Benevent find ganz
unbegrünbet.
Cod. dipl. I, 270, 373.
* Das ergibt fi aus einem Briefe Gregor? an ben Bifhof Fortunat
von Neapel, Cod. dipl. I, 375: Fraternitatem tuam a nobis petisse recolimus,
ut Gratianum ecclesiae Venafranae diaconum tuae cederemus ecclesiae ordi-
nandum. Et quoniam nec episcopum, cui obsecundare, nec propriam habet
ecelesiam, hoste scilicet prohibente etc.
° Darauf bezieht ſich ein Brief Gregor an den Subdiakon Anthemius
von Neapel, Cod. dipl. I, 882: Quantus dolor quantaque sit nostro cordi
afflictio de his, quae in partibus Campaniae contigerunt, dicere non possumus;
sed ex calamitatis magnitudine ipse potes colligere ; vgl. dazu bie Note Troya's.
° Siehe die Briefe Gregors Cod. dipl. I, 390, 894, 896.
7? Cod. dipl. I, 453 n. 1; 1, 435 n. 1.
8 Cod. dipl. I, 445 ff.
U. 30
%
454
ftritt er gar nicht mit, fondern unterhielt ein dauernd fremblde
Verhältnis mit dem Pabfte !.
In Spoleto war auf ben erften Herzog Faroald Ariuff g
folgt. Wie Arichis führte er den Krieg gegen die Römer auf eig
Fauſt und mit glüdlihem Erfolge. So fchreibt Gregor ſchon m
‘tahre 591 an die Magiſtri Militum Maurilius und VBitaliamme!:
„Aldio hat uns benachrichtigt, daß Ariulf ganz nahe fei; und we
haben gefürchtet, die Soldaten, welche zu eud) gefenbet werben, möd
ten in feine Hände fallen.“ Wahrfcheinlich gegen Ende des Jahrel
hatten die Einwohner von Soana mit ihm über ihre Un
verhandelt und Geiſeln geſtellt. Im Januar 592 lagerte er ki
Yard ®, wenige Wochen fpäter ftand er vor Rom. Die hier ki
der Velagerung geübten Graufamtleiten, verbunden mit der fchmeni
hen Kinficht in die Unmöglichkeit, ihnen zu fteuern,, wirkten fo ei
das Seth Des Pabjtes, daß er in eine Kolif verfiel *. Im Im
des Jahres hatte Ariulf noch andere Truppen, die bes Authari um
Nordulf, an fid) gezogen und erklärte nun, ſich auf keinen Frieder
einlaffen zu wollen, wenn ihm nicht die Prefarien der Letzteren gege⸗
ben würden. Trotz diefer Forderung rieth Gregor zur Nachgiebiglet, '
In er knüpfte felbft Unterhandlungen mit dem Spoletaner an, vi: '
leicht in der Abſicht, ihn ganz auf die Seite der Griechen hinliber
anziehen. Das wurde ihm aber am kaiſerlichen Hofe fehr verübelt,
fo daß er fid) genöthigt fah, einen befonderen VBertheidigungsbrief
Diefer Angelegenheit nach SKonitantinopel zu fenden®. Durch das
Fehlſchlagen feiner Erwartungen erbittert betheiligte ſich Ariuff an
den fpäteren Kämpfen gegen die Griechen mit befonderem Eifer. Er
war 68, der im Verein mit Arichis von Benevent dem Frieden von
DHD die größten Dinderniffe in den Weg legte; und als er ihn md
lid) beſchwor, that er das abweichend von König Agilulf umter fol-
chen Pedlugungen, daß Gregor jeden Augenblid einen Bruch be
fuͤrchtete?.
Yu Friauls endlich unterwarfen Taſo und Kako das nordöſt
! Cod. dipl. I, 529 n. 1; 533 n. 1.
® Cod. dipl. 1, 2583 ji.
® Cod, dipl. I, 255. Daß biefe Stadt auch fpäter noch zum Herzog:
tbume nehörte, ernibt fi aus dem Zuſammenhange, in dem ihr Name Gests
puut. Rom. 93 erfcheint: Zacharias pontifex perrexit in locum Interamnen-
sium urbia, ubi in finibus Spoletinis ipse residebat rex Liutprandus. Qui
dum in Ortanam civitatem convenisset, ipseque rex ejus cognovisset adrven-
tum, misit Grimoaldum missum suum, qui ei obvius factus usque ad Narnien-
son perduxit civitatem.
* Cod. dipl, 1, 267.
s Wenigſtens fchreibt er fpäter an ben Kaifer, Cod. dipl. I, 358: In
oa nutem re, quam do Ariulfo perhibui, quia toto corde venire ad rempubli-
cam parutus fuit.
© Cold. dipl. I, 367 if.
7 Eiche feinen Brief an den Kurator Theoboroß von Ravenna, Cod.
dipl. I, 444 ff.
® Murstori, Antigq. I, 167 und Savigny RM. I, EIN. g. wollen
455
Ude Gebiet der Slaven bis in die Nähe des heutigen Cilli in
Steiermarl. Den Bewohnern diefeer Gegenden wurde ein Tribut
auferlegt, welchen fie bis auf die Zeiten des Rachis hinab an bie
Herzoge von Friaul gezahlt haben !.
Alle diefe Gebiete Tagen entfernt vom Mittelpunkte des Reiches
an der Grenze der langobardifchen Herrfchaft, und daraus wohl we⸗
fentlih erklärt fich die mächtige Entfaltung der herzoglichen Macht
gerade in ihnen. ‘Durch die hier häufigen Kriege mit Römern,
Slaven und Avaren, die meift ohne Zuthun des Königs nur von
den Herzogen geführt wurden, mußte fich einerfeits bei dieſen ein
bedeutendes Selbitbewußtfein bilden und erhalten, namentlich wenn
glücklicher Erfolg ihre Unternehmungen krönte. Auf der anderen
Seite war es nothwendig, daß das Volf auch der alten Amtsgebiete
bier mehr als anderswo fich gewöhnte, recht eigentlich die Herzoge
als die rettenden und ſchützenden Führer und Häupter zu betrachten.
Und wie ganz anders noch mochte das Verhältnis der Letteren zu
ben neu eriworbenen Gebieten ſich gejtalten, die allein durch fie mit
dem Reiche, mit dem Königthume in Verbindung gebracht waren ?
Kann es uns ba wundern, daß gerade in diefen Territorien
fhon früh jene Erblichkeit eintrat, die wir oben berührten; daß auch
das Bolt, oder doch der angefehenere und mächtigere Theil deffelben
eine folche begünftigte? So folgte auf Arichis von Benevent zu⸗
nächſt fein leiblicher Sohn Ajo, fpäter nad) einander die beiden von
ihm angenommenen, Radoald und Grimoald, die er, wie erzählt wird,
auf dem Sterbebette feiner Umgebung ausdrüdlich empfohlen hatte 3;
in Spoleto erfämpfte ſich nach Ariulfs Tode einer der beiden Söhne
des eriten Duktors Faroald die herzoglicde Würde. Ya, fo fehr
wurde diefe al8 privates Eigenthum des betreffenden Haufes angeje-
ben, dag man ſich nicht fcheute, zu einer Theilung derfelben zu fchrei-
ten, wenn auch zu feiner reellen, fo doc zu einer ideellen. Das
erite DBeifpiel einer folchen bietet uns Friaul dar, wo nad) dem
Tode Gifulfs die beiden älteren Söhne deſſelben, Tafo und Kafo,
die Regierung gemeinfchaftli in die Hand nahmen und fie jo bis
an ihren Tod fortführten °.
Wir bürfen nicht zweifeln, daß in dieſen Gebieten aud das
bie größere Herzogsgewalt in Friaul erft feit der fränfifchen Periode batieren.
Ich benfe, da im zarte Angeführte wird diefe Anficht geniigenb widerlegen.
Paul. IV, 40.
3 DBielleiht war für die Entwidlung von Spoleto auch ber Umftand
von Bedeutung, daß der Dufat bier zu eben ber Zeit entftanden war, wo es
fein Königtbum gab. — Intereſſant ift übrigens die Vergleihung biefer lan:
gobarbifhen Grenzgebiete mit den fpäteren deutfchen Marken. Wie jene fich
befonderö geeignet zeigten zur Erhaltung und Förderung der herzoglichen Macht,
ſo dieſe zu einer vorzugsweife leichten und fchnellen Entwidlung einer flarten
Fürſtengewalt.
5 MBaul. IV, 45, 46.
+ Baul. IV, 17.
s Baul. IV, 40.
30*
456
Verhältnis der Herzoge zu ben Baftalben ein anderes war, wie i
ben übrigen Territorien, demjenigen ähnlich, wie e8 nachher bort
ftand. Dod finden ſich pofitive Angaben darüber aus dieſer Periode
gar nicht; es wird alfo paffend fein, wenn wir die Darftellung die
fee Bunftes wie die ber vielleicht fehon in Agilulfs Regierung fal-
enden Anfänge einer Bortbildung des Gaftaldars im eigentlichen
Reihe von Pavia bis auf fpätere Zeit verfchieben. Hier nur ned
ein kurzer Weberblic über den Gang der bisherigen Entwicklung.
Auf italifchem Boden Anfangs mehr Vertreter des Königs und
feiner Gewalt, zugleich aber auch feit mit den Wolle verbunden,
eine Fortfegung der alten, gewählten Vorfteher defielben, find die
Herzoge durch die Gunft der Ereigniffe eine Zeit lang zu unabhän-
gen Herren ber Zerritorien geworden, welche ihnen als
verliehen waren. Das fteigert ihr Selbftgefühl wie ihre Macht und
Kun ihnen zunüchſt felbjt dem neuen, aus Noth erhobenen Her
gegenitber eine bedeutende Selbſtändigkeit. Bald aber erhebt
ſich das Königthum aus feiner Schwäche, feine Unentbehrfichkeit we
nigſtens wird mehr als einmal thatfächlic) anerlannt, im bem neuen
Edikte tritt es wefentlich in den Vordergrund. Und zudem find in
den einzelnen Gebieten den Herzogen andere Gewalten an die Seite
gefeßt, welche dem König gänzlich ergeben, bei geſchickter Benutzung
mindeftens die Möglichkeit bieten, den Einfluß der Eriteren zu pare
Iofieren. Nur Benevent, Spoleto und Friaul wiflen die gewonnene
Stellung im vollen Umfange zu behaupten und durch bedeutende Er⸗
weiterung ihrer Grenzen nach Außen wie durd größere
im Inneren die Bedingungen einer dauernden Sonderftellung zu ent
falten. Um Ende diefes Zeitraumes find freilich auch fie zur Aner-
fennung gezwungen.
Und doch: werden wir behaupten dürfen, daß die Zuftünde einen
völlig befriedigenden Charakter an fi tragen? Ich glaube Taum.
Noch immer tft e8 mehr die Perſönlichkeit des jeweiligen here,
welche über die Bedeutung feiner Stellung entfcheibet, als fein Recht,
wie fehr das Lettere auch theoretifch ausgebildet eeiheihen möge
Dagegen find die einzelnen Herzoge wohl zeitweife gebeugt, die —*
lagen des Herzogthums noch nicht genügend erſchüttert. Das
mochte zurücktreten, ſo lange ein Mann wie Rothari die Zügel der
Herrſchaft hielt; deſto deutlicher kamen die verdeckten Schäden in
der Folgezeit zu Tage.
Fo
458
Vebergewicht in voller Klarheit erjcheinen ließ und in ihm felix
Hoffnung auf die Krone erwedte. In folden Gedanken von ke
töniglichen Abgeſandten beftärkt, fette er feinen Sohm Noumald zu
itellvertretenden Herzog in Benevent ein; dann brach er unter ve
Vorwande, als ziehe er dem Gobepert zu Hilfe, mit einer ausele
jenen Schaar nad) Oberitalien auf. Aus allen Gebieten
der Weg ihn führte, ftrömten ihm Verſtärkungen zu ;
an der Spike eines bedeutenden Heeres in Pavia, mo
niglichen Palafte Quartier gemacht wurde. Nicht Lange darauf,
ehe die Operationen begannen, wußte dann Garibaldi eine
heit herbeizuführen, bei ber Grimoafd den König eri .
diefer Kunde erfchredt verlieh Perthari mit Zurüdlaffing feiner
mahlin Rodelinde und feines Kleinen Sohnes Kunipert Das Laub,
bei dem SKalan der Avaren eine Zuflucht zu ſuchen. So
Grimoald mit einem Schlage Herr bes ganzen Reiches geworden;
bezeichnend ift e8 nun, wie er feiner Ujurparion wenigftens ba
Stempel einiger Yegitimität aufzubrüden ſuchte. Cr beirathete® F
diefem Ende die ihm verfprochene Tochter König Ariperts, von ber
er einen Bruder getödtet, den anderen verjagt hatte.
Durch Hinterlift und Gewalt hat Grimoald ben Thron erlangt,
darüber kann fein Zweifel fein; ebenjo wenig aber werben wir ver
tennen dürfen, daß dies Greignis trogdem eher ein Glüd für bei
langobardifche Reich war, denn ein Unglüd. Niedergeſchlagen it
nit einem Male der innere Krieg, und jtatt zmeier Knaben left
eine fräftige Dianneshand das Steuer des Staates. Der Angriff
der Franken, wie der noch einmal umer Konjtans ſich mächtig erhe⸗
benden griechiſchen Macht wird zurüdgewieien®, felbit nenes (Gebiet,
‚sorlimpopoli und Ipitergium, dem Reiche gewonnen.
Peionders merkwürdig für uns iſt die Art ımb Weile, wie
(Srimoald gegen den Herzog Yupus von Friaul auftrat, als dieſer,
um der Strafe für eine unredlihe Verwaltung des königlichen Pala⸗
jtes zu entgehen, gegen ihn jich auflehnte. Der König, heißt eke,
wollte feinen inneren Krieg erregen, cr jandte deshalb an den Kalan
ver Avaren die Aufforderung, Friaul mit Waffengewalt zu überzie
FH
FX
Ar
Xu?
2 Raul. IV, 53. Ser ganze Bericht icheint eigemlich ben Grimoalb et:
was meirbrennen zu jellen, wäbrend dem Garibaldi vie ganze Schuld in bie
Schube geſcheben wire. Tech iſt e& bei dem Mangel aler jonitigen Zeugnifie
nigı mialid, im Einzelnen bier Wabres und Falſchet zu ſcheiden.
2 Qaul V, 2: Confirmatas in regno Grimonldus apad Ticinum noa
ınul:o post tempore jam dudum pactam sibi Ariperti regis Gliam, cajus ger-
manum Godepertam exstinzerat, duxit Bxorem. .
’ Raul. V, 7, 27, 28.
459
ben. Jener fiel in die Provinz ein, fchlug die fich ihm entgegen-
ftellenden Langobarden in einer viertägigen Schlacht, in der aud)
Zupus fiel, und zwang den Reſt zum Rückzug in die feften Pläße !.
Jetzt aber jollte Grimoald. erfennen, was e8 heißt, den Teufel durch
Beelzebub austreiben zu wollen: bie Avaren ſchickten Boten an ihn
mit der trogigen Meldung, fie würden Friaul, das fie mit ihrem
Blute erworben, nicht wieder räumen. “Der König fah ſich gezwun⸗
gen, das Heer gegen fie aufzubieten; doc vermied er eine Schladjt
und es gelang ihm endlich auch, die üblen Güfte durch Lift zum Ab-
zug zu bewegen.
Sehen wir fo einerjeits, wie Grimoald durchaus nicht gewillt
tt, einen Aufitand zu dulden, wie er dagegen felbft zu den verzwei⸗
feltiten Deitteln greift, fo zeigt fi) auf der anderen Seite bei ihm
ein deutlih ausgeprägtes Streben, möglichit feine Anhänger und
Freunde in den Befit der bedeutendften Herzogtgiimer zu bringen.
Damit verbindet ſich wohl eine Praxis, die auch fonft bei kräftigen
hern erkennbar ift, und die weſentlich darin beftand, daß man
den Givitates folche Herzoge zu geben fi) bemühte, die nicht aus
benfelben gebürtig, nicht mit ihrem Grund und Boden verwachſen
waren’. So verlieh Grimoald, während fein Sohn Romuald Be-
nevent verwaltete, das wichtige Spoleto nad) dem Tode Atto’8 an
Zrafamund, den früheren Komes von Kapna, der nächſt Garibaldi
von Zurin ihm am Meiſten zur Erlangung der herzoglichen Würde
behilflich gewefen war. Um ihn nod) fejter mit den Intereſſen fei-
nes Haufes zu verfnüpfen, gab er ihm zugleich feine Tochter zur
Frau. Und als in Friaul ein Verſuch, den Warnefrid, der Sohn
des Lupus, machte, mit jlavifcher Hilfe den Dukat ſich zu erfämpfen,
an der nationalen Gefinnung der Bewohner felbft gefcheitert war ®,
wurde hier Weltari aus Vicenza eingejett *.
Alte angewendete Vorficht aber war nicht im Stande, der Dy⸗
noftie die Krone zu erhalten. Freilich bei den Lebzeiten des gewal-
tigen Mannes wagte, foweit wir fehen künnen, niemand mehr, fid
ihm zu widerfegen; faum aber hatte er die Augen geſchloſſen, fo
brad) der gefunde, treue Sinn des Volkes mächtig durch. Am
ZTriumphzuge wurde Perthari von ber Grenze des Reiches nach Pa⸗
via geleitet und mit lautem Jubel zum Herrfcher erhoben: fpurlos
2 Maul. V, 20: Ibi itaque Lupo duce perempto reliqui, qui remanse-
rant, sese per castella communiunt.
2 Am die Wichtigkeit dieſes Verhältniſſes zwifchen den Beantten und
ihren Bezirfen zu erläutern, möge ber Hinweid auf eine Analogie im Fran
Tenreiche genügen. Chlotach. edict. cap. 12, Monum. Legg. I, p. 15 bebin:
gen die Großen fich befonderd aus: ut nullus judex de aliis provinciis aut
regionibus in alia loca ordinetur. Weber bie Motive bazu vgl. Waig, Deutſche
Verfgeſch. II, 335.
5 Der Abenteurer wurbe bei Nemae in ber Nähe von Civibale gefchla-
gen, Paul. V, 22.
* Paul. V, 23: Deinde ordinatus est apud Forumjulii dux Wectari,
qui fuit oriundus de Vincentina civitate.
460
berfhwindet ber Treimonatsfönig Garibaldi, ber Sohn Grimoafht
und der Theuderata, der Tochter König Ariperts . Die Zeit, u
der Perthari fortan allein berrichte, ift wieder dunfel; erit die In
genden Jahre, wo er in Gemeinſchaft mit feinem Sohne Kunipet
regierte, find durch einen neuen, gewaltigen Kampf bezeichnet.
Alachis, der e Herzog bon Trident, übermüthig gemacht burd &
nen glänzenden Sieg, den er über baierfche Grafen an ber er
bavongetragen, hatte fi) gegen die Könige erhoben. Perthari rüdt
heran, um ihn in feiner Givitas zu belagern, vermochte aber nick,
diefelbe zu nehmen. Im Gegentbeil überrunpelte ber Herzoͤg
einen plöglichen Ausfall das Yager des Königs und zwang biejen
felbft zur Flucht. Später wurde durch Kumiperts ein
Vergleich zwiſchen den Streitenden hergeitellt, nicht lange baranf av
hielt Alachis fogar das wichtige NP rer Breſcia zu feinem fri
beren Hinzu. Man meinte wohl, ihn durch Wohlthaten feiida
zu können: die Zukunft lehrte, wie arg man fidh ba
hatte. Nach dem Tode Perthari’s nämlich benutzte Alachis eine zw
fällige Abwejenheit Kuniperts, um den Palaft von Pavia zu befehen
und fi zum Könige ausrufen zu laſſen?. Sumipert murfte auf eis
Infel im Komerfee fliehen , Pavin wieder zu erobern vermochte er
FIRE
Reichstheile zu
Seht, erit der Tod, eher er in ber ———
ſicherte dem rechtmäßigen Könige die Herrſchaft wieder
Weniger gefährlich, aber doch bezeichnend für bie Lage der Dinge
ift ein anderer Kampf, den Runipert jpäter zu beitehen hatte.
Friaul Hatte ein gewiſſer Ansfrit den Herzog Rodoalb vertrieben;
damit nicht zufrieden zog er gegen Pavia felbjt heran. Doch wurde
er fchon in Verona ergriffen, feiner Augen beraubt und in die Ber:
bannung gejagt*; Friaul erhielt Aldo, der Bruder Rodoalds, unter
dem Zitel eines „Loci Servator* zur Nermaltung °.
Bei feinem Tode hinterließ Kunipert das Rei einem ummän
digen Sohne Yiutpert, für den er den Ansprand zum Bormunde be
P
2 Paul. V, 33,
2 Raul. V, 38.
°” Maul. V, 41. Weber ben Ort berfelten bat zulegt Lupi L 359 er:
ſchörfend unb mit ſehr vollſtãndiger Berũcſichtigung ber früberen Literatut
gehandelt. Gr findet ibn bei Kornate an. ber Abda zwiſchen Pente Aureeli
und Brivium, in ber Nähe von Komo. An demſelben verkei führte bie Haupt:
firaße von Auftrien nah Neuftrien.
* Bauf. VI, 3.
6 Paul. VI, 3: Forojulianorum autem ducatum post hace Aldo frater
Kudunldi loci servatoris nomine gubernavit; Vi, 24: Mortuo apead Forum-
juiii Aldone, quem dixeramus loci servatorem fuisse. Es ift Lied baB cm:
ut Keilpiel eines folden aus ber rein langobardiſchen Zeit; inäter ericheinen
(u an unser, vgl. Murstori, Antigg. I, 532 ff.; Wais, Taurice Xerigeid.
, 23
461
ftelit Hatte. Diefe Minderjührigfeit des Königs eröffnete eine Reihe
der traurigften inneren Zwilte, die ihren legten Grund wefentlich
darin hatten, daß jedes Glied des Füniglichen Gefchlechtes ein Anrecht
auf die Krone zu haben glaubte. Als jener Godepert von Grimoald
erjchlagen war, hatte man feinen Sohn Raginpert vor einem ähnli-
chen Scidfale zu retten gewußt!. Unter feinen Verwandten war
er bis zum Herzog von Turin emporgeftiegen; jet erhob er fich,
um fein Anrecht auf die Krone geltend zu machen. Auf dem Felde
von Novara, dem Orte, wo fpäter fo oft über die Geſchicke Italiens
entfchieden worden ift, befiegte er Ansprand und den mit biefem ver:
bundenen Herzog Rothari von Bergamo, und erlangte fo das ent-
fheidende Uebergewicht. Nach feinem nicht lange darauf erfolgten
Zode nahm Aripert die Beitrebungen des Vaters auf: bei Pavia
lieferte er dem Liutpert und deffen Anhängern - eine neue Schladht ?,
durch die er den jungen König jelbft in feine Hand befam, während
Ansprand gezwungen wurde, nach der Inſel im Komerfee, Rothari
nad) Bergamo zurücdzugehen. ‘Der Letztere an der Sache Liutperts
verzweifelnd und doch dem Steger hartnädig grollend ergreift das
einzige Meittel, welches feinem Widerftande einigen Erfolg zu ver-
fprechen fcheint: er wirft fich felbft zum Herrſcher auf ®. Aripert
aber zieht gegen ihn heran, erobert mit leichter Mühe Bergamo *,
läßt dem Pfeudefönig, wie Paulus ſich ausdrüdt, Haupt- und Bart⸗
haar fcheeren und ftedt ihn nach Turin, wo man ihn nach wenigen
Tagen ermordet findet. Um diejelbe Zeit wird auch Liutpert im
Bade umgebracht, und Ansprand muß feinen legten Zufluchtsort in
Stalien verlaffen, um über die Alpen zu fliehen 5. Aripert herrfcht
unbeftritten.
Als König ift er, wie vorher im Kampfe um die Krone, nicht
felten ftreng, ja graufam aufgetreten. Dem SKorvulus von Friaul$,
der ihn beleidigt Hatte, Tieß er die Augen ausreißen, an feine Stelle
2 Paul. VI, 18: Dehinc elapsis octo mensibus Ragunbertus dux Tau-
rinensium, quem quondam rex Godepertus cum exstingueretur a Grimoaldo
reliquerat parvulum, cum valida manu veniens adversus Ansprandum et Ro-
tharit Bergomensium ducem apud Novarias conflixit eosque in campo exsu-
s regnum Langobardorum invasit, sed eodem anno mortuus est.
2 Saul. VI, 35.
5 Dbne rechte Einfiht in bie Verhältniffe des langobardiſchen König:
thums fucht Lupi I, 373 feinen Landsmann nit nur zu rechtfertigen, fon:
bern flimmt ihm fogar noch ein Loblied an.
+ Meiner Lokalpatriotismus ift es, ber Lupi I, 374 bie banbfchriftlich
feſtſtehenden Worte: ‘sine aliqua difficultate exsuperans’ in ‘non 8. a. d. 6.’
ändern läßt. Aus berfelben Duelle fließt die Wermuthung I, 375, Rothari
babe zugleich Lodi unter fich gehabt. '
5 Paul. VI, 21.
6 Paul. VI, 25: Corvulus dum regem offendisset evolsis oculis dede-
corose vixit; VI, 26: Deinceps vero Pemmo ducatum promeruit, qui fuit
homo ingeniosus et utilis patriae. Hic patre genitus Billonense, qui de Bel-
luno fuerat: sed propter seditionem, quam illic fecerat, in.Forumjulii post
veniens ibi pacifice vixit.
463
fette er: den Pemmo, deſſen Gefchlecht eigentlich aus Belluno ftanmk.
Daneben aber findet ſich bei ihm ein Streben nad) Popularität, wie
es in biefer Zeit fonft felten vorfommen mochte, und mit demjelbes
verbunden eine große Sorgfalt für gute Handhabung der Gerichte
Es wird erzählt, wie er häufig bei Naht Pavia verlafjen habe, um
unerfannt felbjt in den einzelnen Gebieten nachzuforſchen, was mes
bon ihm fpräde, und wie die Rechtspflege von den Judices gelt
würde '.
Dennod vermochte er Schließlich die Herrichaft nicht zu behamp
ten. Neun Jahre lang hatte Ansprand am Hofe des Baiernherzoge
Theubebert geharrt, ohne die gewiinfchte Hilfe zu erlangen, im zei
ten endlich ward fie ihm zu Theil. Mit einem ftattlichen Heere a
fchien er in Oberitalien, um nun die Stone, welche er dem Münbd
nicht hatte erhalten fännen, auf das eigene Haupt zu drüden. Pau
lus berichtet *, wie die Schlacht, welche er dem Aripert lieferte, &
gentlich zu Gunſten des Letteren ausgefallen, wie diefer es trotzden
vorgezogen habe, nach Pavia zurüczumeichen. Darüber gerieth bei
Heer in Aufitand, das Leben des Königs felbft ſchien gefährbet, a
entſchloß fih zur Flucht. Mit Golde befchwert verfuchte er ben
Teſſin zu durchfchwimmen, da zog die Laſt ihn nieder, und er ertrank,
Ansprand aber bemächtigte ſich der Herrſchaft, ein Mann ausgezeich
neten Muthes und feltener Weisheit, Nur noch drei Monate frer
fi) genoß er des lang erftrebten Glückes; doch nahm er fterbend dk
Freude in das Grab, feinen Sohn Liutprand auf den Thron erhoben
und in feierliher Verfammlung des Volkes anerkannt zu fehen.
2. SHerzogthum und Gaftaldat.
Ganz anders als in König Rothari's Edikte erfcheint die Om
ganifation des höheren Beamtenthums in Liutprands Gejegen. Wer⸗
den wir annehmen dürfen, daß fie einzig ein Produkt der ſchöpferi⸗
ſchen Kraft diefes mächtigen Herrichers fei, mit einem Schlage ber
gründet, ohne alle Vermittlung dem Alten gegenübergejtelit? Ich
glaube, fchon eine allgemeine Betrachtung wiirde und geneigt machen,
eine folche Frage zu verneinen. Wir wiſſen, wie felten es une ver
gönnt ift, namentlich der inneren Entwicklung eines Volles Schritt,
für Schritt zu folgen: fertig, wie Pallas Athene dem Haupte des
Jens entfpringt, tritt da8 Gewordene uns entgegen, und es ift fchon
ewinn, wenn unfer Blick auch nur einzelne Fäden entdeckt, de
von dem Alten zu dem neu Entitandenen hinüberleiten. Wir find
fo ati, in unferem Falle wenigftens einige derjelben auffinden
zu lönnen. «
Bor Allem die Weiterbildung des Gaftaldats ift es, welde
bier in Betracht kommt. Die Anfänge derfelben reichen wahrſchein⸗
? Paul. VI, 35,
2 Paul. VI, 36.
463
- ig ſchon in eine verhältnismäßig frühe Zeit zurück; doch Tann fie
im Aufammenhange erft bier betrachtet werden. Sie t fnüpft, wie
? pietleidht die Entjtehung des Amtes, zunächſt an das Krongut an,
—2 vermögen wir am Klarften bei Parma und Piacenza zu
° verfolgen
3 Wir erinnern nns, daß unter Authari die Herzoge, welche in
- Bieten Städten faßen, ihre Gebiete dem Exarchen Romanus überga-
Doch kann die Abhängigkeit von den Griechen nicht Tange
— ã haben: wenigſtens Parma finden wir ſchon zur Zeit
- des nächſten Königs wieder dem Verbande des langobardiſchen
= NReices eingefügt. Dann gab es unter Gallicinus einen meuen
: Angriff, die Stadt wurde zum zweiten Male erobert, dabei aud
die Tochter Agilulfs nebft ihrem Gemahle Gottfchalt ' gefangen und
nad) Ravenna geführt. In dem Frieden von 604 fcheint aber der
: alte Beſitzſtand hergeftellt zu fein; ficher waren beide Städte unter
Arioald mit deſſen Herrichaft vereinigt *. Und das dod) in ganz eigen⸗
tbümlicher, von anderen Berhältniffen abweichender Weiſe. War bei
der Reftauration bes Jahres 584 dem Authari das Reich gewiffer-
maßen aus den Händen der Herzoge übergeben, fo hatte hier nun
recht eigentlich der König erworben, feine Perfönlichkeit die Entjchei-
dung herbeigeführt. Dieſe Thatfache erklärt es, wie das eroberte
Land in Beziehung zu der Perfon des Herrfchers gejegt, wie es
als im privaten Eigenthum beffelben ftehend angejehen werden Tonnte.
Richt als ob nun wirklich jeder von feinem Grund und Boden ver»
trieben worden wäre: gewiß blieben viele der alten Einwohner, die
ja zum Xheil langobardifchen Herfommens waren, im Beſitze ihrer
Ländereien 3: ihren realen Ausdrud fand jene Auffaſſung darin, daß
über die ganzen Zerritorien nicht Herzoge, fondern diejenigen Beam-
ten gejegt wurden, welche von vorne herein die Intereſſen des könig⸗
lichen Gutes wahrzunehmen hatten, die Gaftalden; daß die Einmoh-
ner zu diefen in eben das Berhältnis traten, in welchem fonft wohl
bie Krongutsmannen gejtanden hatten. ‚Aber doch mit einer wejentli-
“chen Berfchiedenheit. Hier gab es nicht, wie in den anderen Terri—
torien Herzoge, welche die Thätigkeit der Geftalden gehemmt und
beichräntt hätten; die einzige Gewalt, welche über ihnen jtand, war
2 Paul. IV, 20. Daß biefer Herzog ber Stadt geweſen, wie Beretta,
Diasert. chorogr. CXXI behauptet, ıft nicht gefagt, und mir beöhalb aud
nicht einmal wahrfcheinlih, ba Paulus fonft eine folhe Angabe nie verab:
füäumt. Aus diefen Agnellus, liber pont. Vita Mariniani; Muratori SS. Il?, 129.
2 In dem fpäter anzuführenden Diplome Perthari's, Cod. dipl. IT,
534 heißt ed: Et detulit nobis pars Placentina judicatum b. m. Arioldi regis,
ubi legebatur, quod pro ipsius tempore causa (inter Parmam et Placentiam)
Bnita fuisset,
* Berthari, allerbings ſchon erheblich fpäter, ſpricht ausbrüdli von
ſolchen, welche aus Erbrecht; von anderen, welche in Folge einer Verleihung
von Seiten bed Königs befißen, Cod. dipl. II, 586: Et hoc decrevimus, ut
euilibet homo intras ipsas fines possessione, aut de jure parentum aut de
concessione regum habere videtur, liceat etc.
464
der König. So kam es mit Nothwendigfeit dahin, daß hier ik
Brivatbeamten des Herrſchers die volle Summe der Befugnifle ®
hielten, weldye anderswo die Duces ausübten, und daß fie mit die
fen nocd ihre urfprünglichen Funktionen, die Verwaltnng der Tiny
lichen Kurtes und das unmittelbar daran ſich Anfchliegende verbanden
Dog dem wirflid fo war, erfehen wir aus dem Urtkeife‘,
weldyes König Perthari am 22. Auguft 644 über einen zwilde
den Gaftalden von Parma und Piacenza geführten Grenzftreit an%
ſprach. Hätte es in diefen Civitates Herzoge gegeben, fo wäre d
fiher deren Aufgabe gewejen, die Sadje in die Hand zu nehme,
fie müßten wenigftens irgendwo erwähnt fein. Aber nicht mur kl
Wort von ihnen; im Gegentheil nennt Perthari die Städte mb
ihre Gebiete ausdrücklich „Civitates unferes Haufes“ 2, und be
mehr als einmal ihre Verbindung mit den dort befindlichen Töxig
lichen Kurtes fcharf hervor *.
Ganz ‚daffelbe aber wie hier fand offenbar in Reggio Stall,
welches von vorne herein das Schickſal der beiden ihm ben
Territorien getheilt hatte. Freilich erfcheint erft in einer weit fpäte
ren Epoche, der des Defiderius, dort ein Gaftalde Namens Bohrer
boaldus °; erft für fie können wir alfo beftimmt nachweiſen, wie be
Civitas Gaftaldat und nicht Dukat war; denn daß in einem Gebiek
beide Beamten neben einander am Wenigften feit Liutprand vorken
men Tonnten, wird ſich noch weiter unten zeigen. Allein
wir die Nehnlichfeit der Verhältniffe mit denen von Parma mi
Piacenza, bringen wir dazu die Dürftigleit der Ueberlieferung in X
fchlag, fo werden wir, glaube ich, faum Bedenken tragen, diefen Zw
ftand ſchon einer früheren Zeit zuzufchreiben.
. Ebenfo wie in diefen wiedergewonnenen Territorien verfuhr men
im Allgemeinen wohl auch bei den ganz neu eroberten. So wib
Rothari in den von ihm unterworfenen Küftenftädten des Tigurifchen
2 Cod. dipl. II, 538 ff.
= Später fommt allerdings einmal ein Herzog von Piacenza vor ; Cod.
dipl. III, 125: fila doni Dagilberti qui gloriosi ducis civitatis Placentine, maß
fi denn Troya gar nicht zu erflären weiß. Seht kennt man bie Sache; be
Urkunde ift nämlich eines ber berüchtigten Fabrikate bed Kremoneferd Dragoni,
über welche zu vergleihen Waitz, G. ©. A. 1856; MWüftenfeld, Archivio sto-
rico Italiano nuova serie p. X.
® Cod. dipl. II, 534: Nos vero volueramus, si aliter cognovisset, ut
per pugnam aut per sacramentum in tempore domus nostrae civitates deter
minaret. Die Ronjeftur von Campi: ‘dominii nostri civitates’ fommt af '
bafjelbe heraus.
* Cod. dipl. I, 533: Dicebat Dagilberto gastaldio nostro, quod ad
civitatem Placentina curte nostra pertinent ipsa loca. Respondebat Amo
gastaldius noster, quod a Parmense civitate et curte nostra pertinerent ip
sas loca.
° Urkunde bed Adelchis für St. Julia in Brefeia vom 11 Nov. 772,
Cod. dipl. V, 765: Necnon et concedimus ad ipso sancto monasterio res
illas, quas inibi Vobrandoaldus gastaldius civitatis nostre Regiense venunds-
vit. 774 als Jahr ber Ausſtellung bei Beretta, Dissert. chorogr. CXXII. muß
auf einem Irrthume beruben.
465
Meeres, in Genua, Albinganum, Varikottis, Saona und uni nicht
zoge, fondern nur Gaftalden eingejegt haben. Ich fchließe das aus
Nachricht des hier, wie wir oben jahen, genauen und wohlunter-
richteten Fredegar! von der Zerftörung diejer Civitates und ihrer
Degradation zu Weilern, womit ich einfach den Ausdruck fombiniere,
ben der erobernde König in feinem Edikte für den Gaftalden anwen⸗
bet: judex qui in loco ordinatus est a rege.
Endlich mochte wohl auch der Fall vorfommen, daß ber König
webellifche Herzoge ganz wie aufrührerifche Private behandelte ?, ihr
But Tonfiscierte und die Verwaltung bdeffelben mit der des ganzen
Sitadtgebietes an feine Rammerbeamten übertrug. So wifjen wir ®
von Zrevifo, daß e8 in fpäterer Zeit nicht einem Herzoge, fondern
nur einem Gajtalden unterjtand. Und zwar fcheint es fait, als fei
bie bier vorgegangene Umwandlung fchon durch Agilulf erfolgt, der,
wie wir oben gefehen, in dem genannten Territorium die Erhebung
Herzog Ulfari’8 niedergeworfen hatte; wenigjtens bietet die Weberliefe-
zung der jpäteren Zeit feinen Punkt, an den wir fonft anzufnüpfen
vermöchten.
Und ähnlich ijt es wohl am Ende diefer Periode der Civitas
von Bergamo ergangen. Lupi freilich vermuthet, daß es auch [päter
noch in feiner Vaterſtadt Herzoge gegeben, daß fie mit ihrer Mann⸗
ſchaft an den Kriegszügen Liutprands theilgenommen hätten *.
Allein er geiteht felbft. einmal zu, daß beftimmte Nachrichten darüber
mangelten. Denn die von Benaleus in einem Manuffripte erwähnte
Inſchrift, in welcher Liutprand und ein Herzog Rothari von Ber:
o neben einander vorkommen, ift jelbft ihm nicht unverdächtig;
—* weiß er ſchließlich ſeine Bedenken niederzuſchlagen und ſich
bann ſogar zu der Vermuthung aufzuſchwingen 3, dieſer Rothari
möchte wohl ein Neffe des früheren gleichnamigen Herzogs geweſen
ein. Uns, die wir leider nur zu oft erfahren haben, was von
niſchen Manufſkripten dieſer Art zu halten ift, wird eine ſolche
Nachricht nicht beſtimmen können. Und wenn ein anderer Lokalhiſtori⸗
fer Bergamo’s, Cöleftinus, noch zu erzählen weiß, wie ein Dux Lupus
2 Chron. 71: Chrotarius cum exercitu Genavam maritimam, Albin-
ganum, Varicoltim, Saonam, Ubitergium et Lunam civitates litoris maris de
Imperio auferens vastat rumpit incendio concremans , populum diripit spoliat
et eaptivitate condemnat murosque earum usque ad fundamenta destruens
vieos has civitates nominare praecepit.
8 Ed. Roth. 1: Si quis hominum contra animam regis cogitaverit aut
sonsiliaverit, anime suae incurrat perlculum et res eius infiscentur.
5 Urkunde aus Trevifo vom 20. Merz 768, Cod. dipl. V, 449: Con-
stat me Badussione filio quondam Juliano habendum vindedisse et vindedi
tradedisse et tradedi tibi Ermuald gastaldio terram araturicia ; vom
November 772, Cod. dipl. V, 674: Constst me Danaele et Urso habendum
vendedisse et vendedimus atque tradedisse et tradedimus nobis Ermuald
gastaldio etc.; vom September 773, Cod. dipl, V, 723: Placuet atque con-
venet inter Ermoald gast. necnon et ex alia parte comudationem facere.
* Cod. dipl. Bergom. I, 379.
5 (od. dipl. Bergom. I, 882.
466
bier Karl dem Großen einen beſonders Bartnädigen Widerftand
leiftet habe, fo ift das mit richtigem Takte ſchon von Lupi verweris
worden . Herzoge find alfo nach Aripert II. nicht bezeugt. Dep
gen erfcheint? in einem Saufvertrage vom 29. Merz 769 ein
wefener Gaftalde von Bergamo Namens Arichis; fiher war
damals das Gebiet von Bergamo nicht Herzogthiun, fondern Gef
dat. Wann dieſe Aenderung eingetreten, wiſſen wir nicht gewm;
boch weifen biefelben Gründe, welche uns bewogen, für die in Te
vifo ftattgehabte. die Zeit Agilulfs anzunehmen, bier auf die Eye
Ariperts II. hin, der ja dem Pfeudolönig Nothari Bergamo entüj
Nicht fo Leicht wie bisher läßt fich bei anderen Civitates Im
Nachweis führen, wie fie in die Hand des Königs und fo zu ein
unabhängigen Verwaltung durch Gajtalden gekommen find. So ki
Siena. Bon biefem heißt es in einem Bruchftüde des Primiceril
Gerhard von Arezzo 3, der allerdings erft um das Jahr 1061
fchrieb, aber aus fehr alten Quellen jchöpfte, folgendermaßen : „De
Civitas Siena war im Eigenthume des Langobardenkönigs Aripen,
und es wohnte in ihr ein Judex des Königs Aripert mit Name
Gundipert.“ Daß diefer Judex wirklich ein Gaftalde war, erfahre
wir aus den Urkunden * über den Streit der Bifchöfe von Ara
und Siena, aus denen zugleich erhellt, daß feine Befugniffe fich wicht
auf die Stadt befchränften, fondern auf da8 ganze Gebiet 5 berfe-
ben ich bezogen, da8 Wort in dem weiteren Sinne gefaßt, wie mu
es früher für Die Herzoge angewendet haben. So wird denn ad
der füniglihen Kurtis von Siena mehrfah Erwähnung gethan; ix
ihr trifft der von König Liutprand gleich zu Anfang feiner Regie
rung gejendete Majordomus Ambrofius die Entfcheidung des alten
Zwiftes®, in ihr fit auch fpäter der Fönigliche Notar und Miffes
2 Cod. dipl. Bergom. I, 559.
® Cod. dipl. V, 485: Constat me Natalia, ipso tamen Adelberto
meo consentiente et subtus confirmante necnon etiam et parentibus meis Ar
richis, qui fuit gastaldus in Bergamo etc. und V, 487: Signa manus Arigis,
qui fuit gastald in Bergamo.
3 Cod. dipl. III, 119: Dlo autem tempore Senensis civitas erat dom
nicata ad manus Ariberti regis Langobardorum, habitabatque in ea judex regis
Ariberti nomine Gundipertus.
* Cod. dipl. II, 201 (vom Sabre 679 handelnd): Sed quia fuemu
homines Senenses, subtraxit nos exinde Wilerat gastaldius ; III, 198: Sed
Warnefrit gastaldus de sua substantia hic beneficio fecit. But und ausführ:
lich bat Über die Verhältniſſe von Siena fon gehandelt Bethmann=Hollweg
Lomb. Städtefreiheit S. 66 ff.
*s Protofol vom Jahre 715, Ausfagen mehrer Priefter aus den verfhie
benften Landgemeinden; Cod. dipl. III, 189 ff.: Nisi si seculares causas nobis
oppressio fiebat, veniebamus ad judicem Benensem eo quod in ejus territorio
sedebamus; III, 213: De diocesis ecclesiis et monasteriis in finibus Senensis
territorii ejusdem civitatis.
6 Cod. dipl. III, 166: Bed cum se ambe partis in nostris conjunxerust
pre sentiis in curte a domini regis; Ill, 168: Actum in curte regis domisi,
in civitate Senis.
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467
4 Guntheram über diefelbe Sache zu Gericht !. Zugleich haben wir
u Bier die beite Gelegenheit zu fehen, wie abhängig vom Könige dieſe
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Gaſtalden waren, wie häufig fie wechſelten?.
Noch weniger ald von Siena wiffen wir über Arezzo und Vol⸗
terra: von beiden können wir nur vermuthen, daß fie fchon ziemlich
lange vor Liutprand vom influffe eines Herzogs abgetrennt nur
unter Saftalden ftanden; von dem Erſteren, weil auch in ihm im
den oben angeführten Urkunden ſtets nur ein Juder, nie ein Dur
i erfcheint, von dem Anderen, weil in einer dortigen Inſchrift neben
dem König und dem Bifchof nur der Saftalde genannt ift.
Offenbar aber konnte eine ſolche Erhebung bes Oaftaldats in
- einigen Gebieten nicht ganz ohne Einfluß auf bie anderen bleiben.
Mehr und mehr müffen ſich die Bande gelodert haben, welche den
Saftalden noch ag ben Herzog knüpften, mehr und mehr einer von
‘, beiden fortgefallen und fo der Zuftand vorbereitet fein, den wir umter
Liutprand finden. Auc der Fall mochte vortommen, daß aus ber
einen alten Givitas, wo früher Herzog und Gaſtalde gemeinfchaftlich
neben einander gewaltet hatten, zwei neue entitanden. So wiſſen
wir, das Sirmio noch zu Evins Zeit bem Herzoge von Tridenr
untergeben war, — e8 iſt in der Zahl der zehn Städtchen, welche
damals in feinem Zerritorium von den Franken zerjtört wurben* —
fpäter finden wir es als eigenes Gebiet ®.
Doch erfolgte diefe Entwidlung nicht gleichmäßig in allen Du⸗
Toten. Wahrjcheinlich Schon nicht in Friaul, wo der Herzog in die⸗
fer ganzen Zeit, ja jelbft noch unter Liutprand, immer als Heerfüh-
rer des gefammten Aufgebotes erfcheint®, ficherlich nicht in Benevent
und Spoleto.
An Benevent hatte in ununterbrochener Reihe das Geſchlecht
König Grimoalds die Herrfchaft behauptet: dem Water war ber
Sohn, dem Bruder der Bruder gefolgt. Zugleich hatte man Sorge
getragen, durch würdige Vermählungen den Glanz des Haufes zu
erhöhen. Romuald I. war noch von feinem Vater? mit einer Toch⸗
ter des mächtigen Herzogs Lupus von Friaul vermählt worden, Gri⸗
2 Cod. dipl. III, 155: Ego Guntheram notarius in curte regia Senensis
inquisibi.
8 Vergleiche bie forgfame Tabelle, Cod. dipl. I, 193 n. 3:
703. Warnefrit nad) bem Zeugniffe bed Tanigi.
711. Godepert getödtet,
714, Auguft. Xaipert.
715, 20 Juni. Warnefrit.
s Cod. dipl. IH, 49: Ore (honore) sci justi Alchis illustris gastaldius
Beri jussit tempore Cuniperto regi et Gaudentiano episcopo.
* Bauf. I, 30: Nomina autem oppidulorum, quae diruerunt Franci in
territorio Tridentino ista sunt: Tesana, Maletum, Sermiana etc.
5 Cod. dipl. V, 730: Judieiaria Sermonense.
6 So bei Paulus VI, 24, 51.
? Baul. V, 25: Mortuo Lupo duce Grimoaldus rex filiam ejus nomine
Theuderadam suo filio Romoaldo, qui Beneventum regebat, in matrimonium
tradidit.
468 .
moald II. nahm bie Tochter König Perthari’s, die Schwefter Aw
perts, zur Frau!, Romuald II. endlich verbeirathete ſich zuerſt mi
der Buntberga, einer Nichte König Liutprands und fpäter mit Ka
gunde, der Tochter Herzog Gaidoalds von Brejcia ?.
Dazu kamen glückliche Kriege, weldhe den Umfang des Herzp
thums erweiterten und feine Mittel vermehrten. Während der durh
Alachis von Trident hervorgerufenen Unruhen und Wirren hatt
Romuald I. fih in den Befig von Brunduſium, Tarent und der
ganzen umliegenden Landſchaft geſetzte; fein Sohn Gifulf entriß den
Römern Sora, Hirpinum und Arce, fpäter drang er fogar verwi
ftend nach Kampanien ein, und wich erft zurüd, als der Papft Je
hannes ihm Prieſter mit reichen Gefchenken entgegenſchickte und ſich
bereit erklärte, die fämmtlichen Gefangenen loszulaufen +. —
Das alles wirkte zufammen, um biefen Herzogshaufe bie be
fondere Liebe und Anhänglichkeit der Maſſen zu fihern. Das Boll
der Samniten, fagt Paulus einmal 5, erhob nad) dem Tode bei
Baters Romuald II. ſich zum Herrfcher, und an einer anderen Stelk
wirb daſſelbe wegen der teten Treue gegen feine Duces gefeiert ®.
Schon hieraus würde ſich ergeben, wie durchaus unabhängig
vom pavefifchen Reiche die Herzoge von Benevent lebten. Beftätigt
wird das durch erhaltene Urkunden, in welchen ihnen echte vin
diciert werden, die bem Edikte nach nur den langobarbdifchen Kö—
nigen zuftanden. So zieht Romuald DI. 708 die Erbſchaft des
Zranspadaners Toto als eines Wargangen ein”, um fie fpäter an
den Abt Zacharias zu verfchenfen, und im folgenden Jahre beftätigt
er diefem noch andere Gitter, welche offenbar auf diefelbe Weife er
worben waren. So find denn auch bie Diplome aus Benevent
immer nur nach den Jahren der Herzoge, nie nach denen der LK
nige datiert.
2 Raul. VI, 2: Huic Grimoaldo in conjugio socista fuit Wigilanda,
soror Cuniberti, filia Pertaridi regis.
2 Waul. VI, 50: Romoaldus quoque dux Beneventi uxorem sortitus est
Guntbergam nomine, quae fuit filia Auronae Liutprandi regis sororis. Ha-
buit et rursum post hanc et aliam conjugem nomine Ravigundam filiam Ga
doaldi Brexiani ducis.
® Paul. VI, 1: Dum ista apud Langobardos trans Padum geruntur,
Romoaldus Beneventanorum dux congregata exercitus multitudine Tarentum
expugnavit et cepit parique modo Brundusium et omnem illam quae in cir
euitu est laetissimam regionem.
* Baul. VI, 27.
s Maul. VI, 39: Defuncto igitur Gisulfo Beneventanorum duce Samni-
tum populus Romualdum ejus fililum ad regendum se sublimarvit.
6 Paul. VI, 56: Beneventanorum populus, qui suis ductoribus semper
fidelis exstitit. Wie fehr das Herzogthum als im Beſitze des Gefchlechtes be
findfih angefehen wurde, zeigt Paul. VI, 58: Tunc Liutprandus Gisulfem
suum nepotem iterum in loco proprio ducem constituit.
7 Cod. dipl. IH, 101; vgl. Ed. Roth. 367: Si filius legitimus [habue-
rint (weregang), heredes eorum exsistant, sicut et filii Langobardorum; si
filius legitimus non habuerint, non sit illi potestas absque jussionem regis
res suas cuicumque thingare aut per quodlibet titulum alienare.
469
Aehnlich wie hier, nur nicht ganz fo ftätig war der Entwick⸗
Iungsgang, den das Herzogthum in Spoleto nahm. Hier war auf
ben von Grimoald eingefegten Trafamınd, der die Herrfchaft ge⸗
meinfchaftlih mit feinem Bruder Wacilapıs geführt hatte ', Faro⸗
ald II gefolgt, deſſen Regierung bis in Liutprands Tage hinein⸗
reiht. Nocd vor dem Mai des Jahres 725 aber, den Annalen von
Farfa zufolge im Jahre vorher, erhob fich gegen ihn der eigene
Sohn, nad) dem Ahnen Traſamund genannt und wie biefer voll
unruhiger Thätigfeit: er ftectte den Vater in ein Klojter und brachte
fo die herzogliche Würde an fich ?.
In beiden Landfchaften Hatte fich eine ganz eigenthümliche Vers
fafjung ausgebilbet, welche während der ganzen Folgezeit herrfchend
blieb, in Benevent fogar den Untergang bes eigentlichen Langobar⸗
denreichs lange überdauerte. Sie zu entwideln feheint hier der paſ⸗
fendfte Ort; wenn ic dabei Dokumente aus fpäterer Zeit benute,
fo wird das nad) dem eben Gefagten keiner weiteren Rechtfertigung
bedürfen.
Die beiden Herzogthlimer zerfielen in kleinere Gebiete, welche,
wie auch fonjt bet den Langobarden, meift um Städte fich gruppier-
ten und daher Civitates oder auch Territorien der Civitates hießen >,
im Beneventanifchen wohl auch Aftiones® oder Aktus genannt wur⸗
den *. Für Spoleto find uns deren vier ficher bezeugt, die von
Rieti, Pontanum, Balva und Nuceria 5; dazu kamen wahrjcheinlich
bie Bezirke der Hauptftabt felbft, von Marſicum, Yorconia und
2 Paul. VI, 30: Igitur defuncto Trasamundo duce Spoletanorum Faro-
aldus ejus filius in loco patris est subrogatus. Wachilapus germanus fuit
Trasemundi et cum fratre pariter eundem rexit ducatum.
8 Maul. VI, 44: Contra hunc Faroaldum ducem filius ajus Trasemun-
dus insurrexit eumque clericum faciens locum ejus invasit. Die gegebene
Zeitbeftimmung erhellt aus ber Urkunde Trafamunds für Farfa, Cod. dipl.
II, 404 und den Annales Farfenses zum Jahre 724: Lucerius abbas. Trans-
mundus dux filius Faroaldi. Anders Bethmann, Historiae Farfenses, Monum.
88. XI, 527 n. 8. Nach ihm wäre Faroald ſchon zwifchen 718 und 720 abgeſetzt.
5 Gedichte von der Niederlaſſung Alzeko’3 und ber Bulgaren in Bene
vent bei Paul. V, 29: Quos Romoaldus gratanter excipiens eisdem spatiosa
ad habitandum loca, quae usque ad illud tempus deserta erant, contribuit,
seilicet Bepianum, Bovianum et Iserniam et alias cum suis territoriis civita-
tes, ipsumque Alzeconem mutato dignitatis nomine de duce gastaldium- voci-
tari praecepit; Cod. dipl. IV, 190 (Nov. 744): in territorio Beatino; IV, 229
(Oft. 746): in territurio civitatis nostrae Reatinae; vgl. den faſt flehenden
Eingang der Farfefer Diplome: Temporibus gloriosi et summi ducis ... .
et... . magnifici gastaldii civitatis Reatinae,.
* Cod. dipl. IV, 118 (Nov. 743): Qui habitare videntur in Papiano, et
fuit de actione Consina; IV, 239 (Mer; 747): Et fuerunt de actu Canusino,
quem modo gastaldus noster tenere videtur; V, 171 (762): Concessimus
pueros duos, qui fuerunt de actu Casianense, quem modo Cunasius gastaldus
noster tenere videtur.
5 Cod. dipl. IV, 837 (Dec. 748): Ego Bona relicta cujusdam Averolfi
gastaldii castri Pontani; IV, 371 (Dec. 750): Cum Camerino gastaldo de
Valva, Immo de Reate gastaldo; V, 148 (Sept. 761); Cum Alfrido gastaldio
de Reste, Heleutherio de Noceria gastaldio.
1. 31
470
Penna; von Kamerino ?, Teramo ?, Narnt, Amiternum und Afkılım.
Dagegen fällt der zeitweife Anner der Pentapolis in eine weit ſpi⸗
tere Epoche, und auch Fermo bildete in der rein langobardiſchen Zt
ftet8 ein eigenes Herzogthum*. Nicht fo genau find uns in biee
Hinfiht die Verhältniffe von Benevent belfannt; nur das vermögen
wir mit Sicherheit zu erkennen, daß die Anzahl der Civitates ber
noch eine weit größere war.
Als die Vorfteher diefer Adtheilungen erfcheinen Gaftalben‘,
nicht felten mit dem ehrenden Zitel von Komites 6, ftets von dm
Herzogen ernannt” und, ſoweit wir fehen, diefelben nach allen Rich
tungen vertretend, auch als Anführer im Kriege thätig &._ Wenn fr
trotzdem nie zu irgend einer felbftändigen Bedeutung gekommen fin,
fo erflärt ſich das wefentlic) daraus, daß fie von vorne herein Pri
vatbeamte der Herzoge waren und diefen Charakter auch f
immerfort beibehalten haben?. Das Maß ihrer Abhängigkeit erſehen
2 Siehe die Aufzählung Gesta pont. Rom. 92: Trasimundo se sub&
derunt Marsicani et Forconini atque Balvenses seu Pennenses. Deinde ven»
runt in Reatinam civitatem. Exinde pergentes ingressus est Spoletum; vgl
Muratori, Antigg. 1, 66.
2 Paul. IV, 17: Ariulfus (Spoletanorum ductor) cum bellum coat
Romanos in Camerino gessisset.
5 Gesta p. RB. 92: Pontifex perrexit in loeum Interamnensium urbis,
ubi in finibus Spoletinis ipse residebat rex.
*Ohne Grund macht es Fatteschi zu einem Theile von Spoleto, firke
Cod. dipl. V, 532 N. 2. Bagenen fpridht Geste p. R. 97: Habitatores
ducatus Firmani und eine unverbächtige Infchrift vom Sanuar 770, od.
dipl. V, 571, in weldyer ein Tasguni dux civitate Firmane erfcheint.
s Bol. außer ben oben angeführten Stellen noch folgende auf Benevent
bezügliche, Cod. dipl. IV, 342 (Sept. 749): Florentius qui fait de subastiene
Trasarij gastaldii et vestararij nostri; IV, 367 (750): Silva a Rotulo gr
staldo nostro nobis tradita est, quae fuit de actu nominati Rotuli; IV, 449:
Fuit mulier de subactione Ferdolphi gastaldei nostri.
°* So Trafamınd und Mittola von Kapua, ber Konıed Majo im Bene
ventanifchen, brei Komites, Rabenno, Anfuald und Teutprand in einem Far:
fefer Diplome, alle fhon in anderem Aufammenbange erwähnt; vgl. die Ur:
unbe Herzog Lupo's von Spoleto, Cod. dipl. IV, 191: Et nullus comes,
gastaldius aut quilibet actionarius noster contra hoc preoeptum audest ire.
A Komes Livizo von Kapua aber, Cod. dipl. V, 301, ift ein Machwerk Pra⸗
tilli's.
"Das beweift bie ſehr häufige Schlukformel in den Diplomen ber Her:
30ge: A nullo gastaldio vel actore nostro exinde aliquando contradicatur, dit
ſelbſt dann angewendet wird, wenn man ben König von Pavia entfchieben
anertennt; fo Cod. dipl. IV, 225.
8 Gesta p. RB. 90: Cumanum etiam castrum ipso fuerat tempore &
Langobardis pacis dolo pervasum. Tunc consilio inito moenia ipsius castri
virtute sub nocturno ingressi sunt silentio, Joannes scilicet dux Neapolitanus
cam Theodimo subdiacono et rectore atque exercitu, et Langobardos pene tre
centos cum eorum castaldione interfeoerunt. Der ganze Zufanımenbang ber
Stelle zeigt, daß hier nur von eimem beneventanifchen Gaftalden bie Rede
fein kann, und daß man daraus nicht wit Hegel I, 457 N. 2 unbedingt auf
bie bes Reiches von Pavia fchließen barf.
9” Vergl. bie früheren. Noten, wo berzoglide Sklaven als unter ber Ber:
waltung von Gaſtalden ſtehend angeführt find.
471
wir namentlich aus der Gaftaldenreihe von Rieti, die wir mit ziem-
licher Genauigkeit zu verfolgen im Stande find. Hier fällt nicht
nur mit dem Untergange des Herzogs faſt immer auch der betref-
fende Gaftalde, fondern diefe wechieln fogar unter einem Dux fo
raſch!, dag man nicht immer den Tod als die Urfache ihres Ver-
fhwindens wird anjehen können. Dagegen fcheint es faft, als ob
einige mit längeren oder fürzeren Unterbrechungen mehrmals zu dem
Amte berufen wurden ?, wie aud), daß alle ihren Titel und den officiellen
Zuſatz Vir Magnificus’ felbft nad) abgelegter Amtszeit führen durften.
Niedere Beamte, Schultheißen und Aktoren, treten uns vielfad)
entgegen; unter ihnen in eigenthiimlicher Bedeutung der Archiporka⸗
rius, Oberfauhirt *, deffen Stellung wohl mit der höheren Würdi⸗
gung zufammenhängt, welcher überhaupt die Schweinehirten vor ihren
Mitknechten bei den Langobarden genoſſen 5.
Den eigentlichen Mittelpunkt der Negierung und Verwaltung
aber bildete der herzogliche Hof, hier von um fo größerer Wichtigkeit,
je geringer die Selbjtändigkeit der Beamten in den Unterabtheilungen
der Herzogthümer war. Wir finden an diefen beiden Höfen alle die
Aemter, welche auch an dem des langobardiſchen Königs vorkommen;
einzig der Majordomus ift nicht bezeugt, doch möchte ich daraus nicht
Ichliegen, daß er überhaupt gefehlt habe. Urkundlich dagegen treten auf
vor Allem der Referendarius ©, welcher die Ausfertigung der Urkun⸗
2 ch gebe bier nur einen kurzen Weberblid über die Zeiten des Dei:
derius. I. Herzog Albuin 757—759; Gaftalden: Alfred (Cod. dipl. IV, 684),
1330 (Mai 757, Cod. dipl. IV, 644). IL Herzog Giſulj 759-762; Ga:
alde: Alfred (Cod. dipl. V, 78). M. Herzog Theodicius; Gaftalden: Alfred
(Merz 764; Cod. dipl. V, 257), Hilberih (April 766, Cod. dipl. V, 354),
Alfred (Sept. 773, Cod. dipl. V, 709).
2 Man müßte denn annehmen, daß 3. B. die Alfreds ber vorigen Note
alle verfchieden gewefen wären.
s Go Cod. dipl. IV, 649: Signum + manus Probati castald, während
Hizzo altiv iſt; V, 564: Ego Alefridus castaldus in hoc testamentum testem
me subscripsi, während Hilderich altiv; V, 594: Ego Hildericus vir
Geus castaldius consentiens subscripsi neben einem anderen Gaſtalden deſſelben
Namens, welcher der eigentlich damals fungierende gewefen zu fein fcheint.
+ Urkunde Gifulfd von Spoleto vom April 761, Cod. dipl. V, 127:
Datum jussionis in civitate nostra Reatina sub Alifrido gastaldio et Lupone
archiporcario nostro.
s Sie hatten z. B. ein Wergeld von 50 Solidi, während bie Rinder⸗
birten nur mit 20 gebüßt wurden; vgl. Ed. Both. 133 und 135.
° In Benevent häufig zugleich mit dem Titel eines Vicedominus oder
Duddus. Urkunde Romualds II, Cod. dipl. III, 85: Quod vero praeceptum
ex jussione nominatae potestatis dictavi ego Persus vicedominus et referen-
darius tibi Theodaldo notario scribendum; Ill, 118: Dietavi ego Audelachis
vicedominus et referendarius tibi Adelcho notario; IV, 117: Quod vero
praeceptum firmitatis dictavi ego Arefusus duddus et referendarius; IV, 148:
Nos eam tradedimus in manum Theautpert duddi et referendarii,; IV, 174:
Andefusius referendarius; IV, 185 und 373: Andefusius duddus et referen-
darius; IV, 449 und 558; V, 170 und 171: Gaidemarius duddus et referen-
darius. Für Spoleto Cod. dipl, IV, 191, 262: Ex dicto Andresti referendarij
31*
472
den beforgt, überhaupt ber herzoglichen Kanzlei vorfteht; weiter der
Marpahis ! oder Marfchall, der Kubikularius? oder Kämmerer, ber
BVeitararius 3 oder Kleiderwart; endlich der Stolefaz * oder Schatzmei⸗
fter, einmal mit lateiniſchem Ausdrud als Theſaurarius bezeichnet.
Nicht felten führen diefe Hofleute zugleich den Titel eines Ge
ſtalden? und erhalten dann wohl wirklich auch noch einen Diftrilt
zur Verwaltung 6; andererfeits fönnen fie aber auch als Beifiker?
des berzoglichen Gerichtes fungieren, neben ihnen andere geiftlide
und weltliche Beamte, während die einfachen Yreien den Umftand ge
seripsi ego Dagarius notarius; IV, 365: Ex jussione potestatis ex dicto An
dreatis referendarij scripsi ego Laudemarius notarius.
1 Diplom von Sfauniperga und Liutprand. Cod. dipl. IV, 443: Pe
rogum Radoald marepahis nostro; IV, 619: Joannes marepahis. Aus Spo⸗
Icto Cod. dipl. V, 424: sub Rimone marepaso nostro; IV, 189: Unde exiri
fidejussor Pando marepasus und unten: Signum t manus Pandonis marepasi
testis; IV, 241: Cum Immone gastaldio et Pandone maripasu. Ueber bie
Ableitung ded Worte von marh (equus) und paizo (frenare) vgl. Grimm,
Deutfhe Sprade II, 481.
Nur einmal erwähnt, Cod. dipl. IV, 449: Per rogum Athenolpki
eubicularii nostri.
5 Cod. dipl. IV, 89: Direximus Portionem vestararium. Häufiger im
fpoletanifchen Urkunden, Cod. dipl. IV, 189: Signum + manus Anselmini
vestararü; IV, 193: Signum manus Alfredi vestarari; V, 132: Ego Adeoda-
tus vestararius subscripsi; V, 301: Ego Tacipertus vestararius subseripsi;
V, 308: Tacipertum vestararium seribendum postulavimus; V, 346 und 684:
Ego Adeodatus vestararius subscripsi.
* Cod. dipl. IV, 443: Theautpald te tradidit in manum Johannis ste
lesatin; IV, 632: Liutprandus per rogum Ansonis stolari; V, 171: Atrichis
per rogum Griserici stolesari nostri; für Spoleto Cod. dipl. IV, 371: Pertw
stolesaz. Der Thefaurarius Cod. dipl. IV, 342: Concessimus tibi Urso the
saurario nostro. — Daß ber Stolejaz wenigfiend anı Hofe von Pavia der
Schapmeifter war, zeigt Ed. Roth. 150: Judex conponat solidos vigenti is
palatio regis districtus ab stolesazo. Daraus bie unfinnige Glofie des Kober
von Madrid: stolesaz i. e. districtus. Cine noch andere Bedeutung würde
fi ergeben aus der Kavenfer Gloſſe: Stolesas i. e. qui ordinat conveatum
unb aus dem Chron. Salernit. Monum. 88. Ill, 489: Grimoalt, qui lingus
todesca stoleseyz fuit adpellatus, quod nos in nostro eloquio ‘qui ante
obtutus principis et regis milites hine inde sedendo perordinat’ possumus
vocitare; vgl. Grimm, Deutfche Sprache II, 482.
s &o Cod. dipl. IV, 378: Dictavi ego Johannes gastaldus et referen-
darius.
6 Cod. dipl. IV, 151: Fuit de subactione Secundi gastaldi et vestararli
nostri; IV, 842: Qui fuit de subactione Trasarij gastaldi et vestararij nostri.
Einmal find auch Notarind und Veſtararius in einer Perfon vereinigt, Cod.
dipl. V, 257.
7 Cod. dipl. IV, 619: Dum residentes Leoprand adstantibus erga nos
Ingilbertone filio Sosigeni et Johanne marepahis; aus Spoleto IV, 371: Dum
residerem ego domnus Lupo una cum judicibus nostris, idest Gaidemario,
Arichis diac. Perto stol. Allone sculd. Camerino gustaldo de Valva, Immo
de Reste gastaldo vel aliis pluribus adstantibus; V, 108: Nos Gisolphus
gloriosas dux residentes una cum Gumperto misso domni regis atque religuis
nostris judicibus, hoc est V. V. Teutone episcopo, Alfrido gastaldio de Reate,
Heleutherio de Noceria gastaldio, Aldone sculdore, Martiniano vel Hisemundo
sculdore vel Chiteroso et plurimis adstantibus.
473
bildet haben mögen. Den VBorfig führte hier regelmäßig der Herzog,
von dem eine Appellation an den König in biefer Zeit ficher nicht
ftatt fand; ob feit Liutprand kann wenigftens zweifelhaft fein, da bie
einzige Urkunde, welche eine folche erwähnt, dem Klofter des heiligen
Bincentins am Volturno angehört! und ſchon darum im höchſten
Grade verdächtig ift. —
So hatten diefe Herzoge im Laufe ber Zeit eine Stellung ge-
wonnen, welche fie weit über alle anderen hinaushob; ihre Selbjtän-
digkeit war in der That eine vollfommene, und eine Wahrheit der
ftolze Titel, mit dem fie ſich fhmücten: „Die ruhmvollen Herren
und Herrfcher des langobardifchen Volkes“. — “
Wir verweilen nod einen Augenblid bei diefer Periode, um
ihren Charakter und ihr Ergebnis kurz zufammenzufaffen. ‘Dem
flüchtigen Beſchauer mag fie ziemlich gleichartig vorfommen; näher
betrachtet zeigt fie doch eine bedeutende Verfchiedenheit. Zu Anfang
erfcheint das Königthum geſchwächt durch kurze Regierungen, durch
Meinderjährigkeit, durch Theilung. So kommt es, daß die Herzoge
fi) gewaltig erheben. Anders ift e8 in dem zweiten fürzeren Ab-
fehnitte des Zeitraumes. Hier treten meijt Prätendenten auf, welche
dem Nechte nach gleich find, unter denen nur faktiſch das Schwert
entfcheidet. ‘Dabei wird das Königthum behauptet, wie es gewonnen
-ift: mit Gewalt, zunächft gegen die beiiegten Verwandten, Schließ-
lich find alle Glieder des alten Königshaufes vernichtet oder doch
unfähig gemacht der Herrfchaft nachzuſtreben, und feinen begründeten
Anſpruch hat der neu erhobene König zu fürchten. Gewalt gebraucht
man auch gegen die Anhänger der unterdrüdten Partei, Gewalt gegen
die Herzoge. Schon ift der Fall vorgelommen, bag einer der Mäch-
tigften unter ihnen der Augen beraubt ift, und das wegen einfacher
Beleidigung des Königs, nicht wegen Aufruhre. Und wenn fo etwas
mehr als augenblidliche Tyrannei erfcheinen mag, denn als ein Be⸗
weis von der wahren Stärke des Königthums, fo hat das Letztere
durch die neue Entwicdlung des Gaftaldats doch auch an wirklicher
Kraft gewonnen, die nur erft noch recht nutzbar gemacht werden muß.
Freilich haben andererfeits zwei Duces, die von Benevent und
Spoleto, fi) völlig unabhängig zu machen gewußt und leben unbe:
kümmert um das Neid) von PBavia wie Fleine Könige in ihren Laud⸗
fhaften. Sie zum allgemeinen Unterthanenverbande zurüdzuführen,
mußte das erfte, da8 vornehmlichfte Beitreben des neuen Herrfchers fein.
2 Cod. dipl. V, 865: Pertraxit causam (Alachis) etiam ad judicium
domni Aistulfä regis Ticino pariter conjungere debuissent, quod et factum
est. Beide Parteien, Alachis wie dad Klofter, find Beneventaner.
2 Bol. Paul: VI, 58: Eo quoque tempore floruit Ticinensis ecclesize
episcopus Petrus, qui, quia regis erat consanguineus, ab Ariperto quondam
rege apud Spoletum exsilio fuerat retrusus.
474
IL.
Lintprand,.
1. Königthum und Herzogthum.
Am zwelften Juni! bes Jahres 712 beftieg Liutprand ben
Iangobardifchen Thron, eine reichbegabte Natur voll Klarheit mb
Energie, über die Bolitif, welche er den noch übermächtigen ®
gen gegenüber einzufchlagen hatte, gewiß ſchon jegt völlig mit fid
im Reinen. Trotzdem hat er nicht glei zu Anfang feiner Regie
rung den Kampf gegen fie aufgenommen; ja es Tonnte zumächft fogar
fcheinen, al8 wolle er fie ganz vernacjläffigen. Wir wiffen, dag de
zoge von Benevent und Spoleto ? auf den erjten all
eichstagen fehlten: Liutprand ignoriert es, er thut fogar, ale ob
jene beiden Landichaften gar nicht zum Neiche gehörten. So mir
noch in einem Geſetze von 723 ale Mieldungszeit, daß man einen
Stlaven oder Dieb aufgefangen habe, für Auftrien und Neuftrien
ein Monat feitgefegt, für Zuscien das Doppelte, und im folgenden
Jahre beftimmt, dag wer Eideshelfer fuche, dazu einen Zeitraum
von zwelf Nächten haben folle, wenn er nahe wohne, einen von
vierundzwanzig, wenn in Tuscien oder Auftrien ?.
Dies Verfahren Hatte, fomweit wir fehen, einen doppelten Grund.
Einmal wünfchte Pintprand offenbar feine noch junge Macht zunädt
in den Reichstheilen geſtärkt und befeftigt zu fehen, welche ihn von
vorne herein als König anerkannt hatten: gerade in dieſe Jahre fal-
len die wichtigften auf die Organifation der inneren Verhältniſſe zie
lenden Beitimmungen, durch welche hier dem Köntgthum das entfchel
dende Uebergewicht gefichert ward. Dann aber lanerte er wohl auf
die Gunft der Zeit: in neunjähriger Verbannung mit der Kunſt des
Warten® vertraut gemacht hielt er auch jett zähe aus, bis er den
rechten Augenblid gelommen glaubte Dann erſt trat er auf; dam
aber auch mit einer jolchen Kraft, daß es zu einem wirklichen Kriege
eigentlich nirgend gekommen iſt.
2 al. Troya Cod. dipl. III, 123: Osservazione sulla data dell’ esalte-
zione di Liutprando.
8 Nur die Judices von Auſtrien, Neuftrien und Tuscien find betheiligi.
Siehe Prol. I (713): Una cum omnibus judicibus meis tam de Austrisse et
Neustriae partibus necnon et de Tusciae finibus; Prol. I (718): Cum om-
nibus judicibus nostris de partibus Austrise et Neustriae necnon et de Tus-
ciae finibus; Prol. IIL (720): Una cum inlustribus veris Neustriae, Austrise
et Tuscise partibus. Freilich find einmal auch die tußcifchen nicht babei:
fiehe Prol. VII (726): Quin etiam et judicis atque fedelis nostri de parti-
bus Austriae et Neustriae nobiscum adfuerunt.
5 Ed. Liutpr. 44: Et sit spatio de ipso mandato faciendum in istis
partibus in uno mense, trans Alpes vero in partibus Tuscie in menses duo.
ü * Ed. Liutpr. 61: Ipse postes, qui jurare devit, habeat spatium noctis
XII, qui prope sunt, et qui de longinquo sunt, quomodo sunt vel de Tuscia
vel de Austria, noctis XXIV.
475
So benußte er zur Antervention in Friaul einen Streit, ber
dort zwiſchen dem Erzbifchofe Kaliftus von Aquileja und dem Herzog
Pemmo ausgebrochen war und von beiden Seiten mit der größten
Erbitterung geführt wurde '. Der König ſcheint dabei in Verbin-
dung mit einer Partei gehandelt zu haben, an deren Spike der äl-
tefte Sohn des Herzogs felbit, der nachherige König Rachis, ftand.
Wenigſtens verlieh er diefem fpäter das dem Vater abgefprochene
Herzogtum, während er ben Xeßteren felbft wie feine mächtigften
Anhänger in langer und ſchmachvoller Kerkerhaft hielt.
Mit Benevent und Spoleto hatten unterdes die Beziehungen
vielfach gewechſelt. Zunächſt müſſen zeitweife etwas bejjere Verhält-
nijfe eingetreten fein. Darauf deutet wenigjtens ein im Jahre 727
erlaffenes Geſetz Hin, in welchem beftimmt wird, daß ein Dert, der
entlaufene Sklaven fucht, dazu drei Monate Frift haben folle, wenn
er in Benevent oder in Spoleto fei, zwei Monate in Zuscien, einen
in Aufwien und Neujtrien?. Docd war das nicht von langer Dauer:
ſchon 729 find wieder nur die Großen von Auftrien, Neuftrien und
Tuscien in Pavia verfammelt*, nur diefe drei Neichstheile in einer
Beitimmung genannt’. —
Die neue Bewegung hängt aufs Engfte mit der äußeren Politik
des langobardifchen Königs zufammen; es wird nicht möglich fein,
jene ganz zu verjtehen, wenn wir nicht vorher diefe wenigſtens in
furzem Abriſſe geichildert haben. |
Mit faft peinlicher Sorge hat Liutprand während feiner ganzen
Hegierungszeit den Frieden mit den: Franken und Avaren bewahrt ®;
mit dem Fürften der Erfteren, dem mächtigen Karl Martell, ver-
banden ihn fogar perfönliche Beziehungen. Seinem Wunfche gemäß
hatte er dem jungen Pippin, den ber Vater nach Italien gefendet,
Haupt» und Barthaar gejchoren, was nad) alter Sitte ein bejonders
nahes Verhältnis zwifchen den Betheiligten begründete: im Jahre
739, al® die Araber zum zweiten Male aus Spanien hervorbrechend
Schon Arles erobert hatten, z0g er fogar perfünlich über die Alpen,
um bem bedrohten Herrfcher Hilfe zu leiften. Doc Hat Liutprand
nicht darum dieje Völker. und ihre Leiter ſich verpflichtet, um ſich
2 Muratori, Annali IV, 273 fett ihn ohne recht durchichlagende Grünbe
in bad Jahr 737.
2 Sehr ausführlich über diefe heimifhe Sache Paul. VI, 51.
3 Ed. Liutpr. 88: Modo vero ita prospeximus, ut si fuerit in Beneven-
tum aut in Spoliti, habeat spacium dominus ejus in menses tres, quod si
fuerit intra Tuscia, habeat spatium menses duo, et si fuerit iste parte Alpe
mensem unum.
* Prol. XI: Cum nostris judieibus tam de Austriae et Neustria et de
Tusciae partibus.
$S Ed. Liutpr. 108: Si per XXX dies pignera ipsa debitor aut fidejussor
recollegere neglexerit, si in Neustria aut in Austria fuerent, amittat ipsa
pignera; si vero in Tusciae partibus fuerit habeat spatium in dies LX.
$ Paul. VI, 58: Maxima semper cura Francorum Avarımque pacem cu-
stodiens,
476 -
wie etwa Grimoald, bei Gelegenheit ihrer e in ben inneren %s
gelegenheiten des Reiches zu bedienen; im entheil fucht er We
jede frembe Einwirkung möglicht auszujchließen, mit eigenen Kräfte
das durchzuführen, was er als nothwendig erkannt bat. Aber ih
hindern follen fie ihn in feinen Planen, fie jollen ihn in Italien g
währen laffen. Denn auf Italien ift fein ganzes Streben gerichkt;
bier dem herrfchenden Dualismus ein Ende zu machen, die neh
griechifchen Befigungen feinem Reiche einzuverleiben, das ift es, wei
als Hares, bewußtes Ziel vor feinem Geifte fteht. Und das off»
bar nicht blos um der Eroberung, um des Landerwerbs will
Mehr als einmal waren feit Droftulfs Tagen gerade Rom mh
Ravenna die Stügpuntte der aufrührerifchen Herzoge gewefen; nad
der Schwächung der kaiſerlichen Gewalt in Stalien ift es befonben
der Pabft, der in fteter Verbindung mit allen unruhigen Elemente
des langobarbifchen Reiches fich befinde. Darum vornehmlich wer
es wefentlich, daß biefe Macht gebrochen wurde. War das ber Fell,
wurde ganz Italien langobardifh, fo hatte die innere Lnzufriebes
heit feinen äußeren Anhaltepuntt mehr und ſank ſchwach in fi we
fammen. Dann wurde auch bie Yage der Herzoge von Beneven
und Epoleto ganz von felbjt eine andere; dann gab es feine Gele⸗
genheit mehr, auf eigene Fauſt Kriege zu führen und durch bie ge
wonnene Beute die Herzen der Menge zu gewinnen. Der änferm
Kräftigung mußte mit Nothwendigkeit die innere folgen.
Bis zum Yahre 729 waren fchon weſentliche Fortfchritte neh
diefer Richtung hin gemacht worden. Mit der ihm eigenthimlices
Art auf die gegebenen Verhältniſſe einzugehen, Hatte Liutprand den
zwifchen Kaifer und Pabjt ausgebrochenen Bilderftreit zu nutzen ge
wußt; gar nicht ald Feind trat er nun den Nömern entgegen, nem
freundlih und milde, als Theilnehmer und Schüter ihres Glaubens
fuchte er bei ihnen Eingang zu gewinnen. “Die unmittelbare |
davon war bie freiwillige Uebergabe ! mehrer Städte der alten Pro
vinz Aemilien, der Pentapolis und Oſimo's. Selbft Ravenna war
eine Zeit lang in feinen Händen ?; und nun konnte es wefentlid
nur noch auf eine Stadt anfommen, auf die melde einft der Sij
der Weltherrfchaft geweſen, die felbft in ihrem tiefften Verfalle den
Germanen noch fo gründlich imponiert hatte: auf Rom. Die Erwer
bung Roms war die Bedingung für die Einigung Italiens.
Im Jahre 729 ſchien Liutprand diefem Ziele nahe. Sein fiegreiches
Heer lagerte auf dem neronifchen Geftlde 3; der Exarch den Langobarben
2 Gesta pont. Rom. 90: Langobardis vero Aemilise castra Feronianım,
Montebelli, Bononia, Verablum cum suis oppidis Buxo et Persiceto ‚, Pents-
polis quoque et Auximana civitas se tradiderunt.
® Maul. VI, 54: Eo tempore idem Liutprandus rex Ravennam obsedit:
Classem ejus invasit atque destruxit; vgl. Muratori, Annali IV, 253; Troys,
Cod. dipl. IV, 47.
5 Gesta p. R. 90: Rex cum tota sua coborte in Neronis campum s#=
cessit. Ad quem egressus pontifex eique praesentatus studuit ut potuit regis
477
verbunden, dem Pabfte entfchieden feindlich, Karl Martell noch nicht in
das Intereſſe der Kirche gezogen, zudem wohl in Gallien befchäftigt,
woher follte da Hilfe fommen? Daß Gregor II in biefer verzweis
Lage nicht verzagte, daß er mit richtigem Takte das einzige
ettungsmittel ergriff, wird immer bewundernswerth bleiben, fo fehr
wir es auch vielleicht im Intereſſe der Langobarden, im Intereſſe Italienus
bedauern mögen. Mit feierlihem Pompe zog er aus der Stadt in das
Lager der Feinde und trat unerfchrocden vor den König bin, um ihn
zur Aufhebung der Belagerung zu bewegen. Liutprand war durchdrun⸗
gen von der innigften Anhänglichkeit an die katholiſche Kirche, als deren
-fichtbares Oberhaupt er den römijchen Bifchof verehrte !; Leider zeigte
er fich jett nur zu jehr geneigt, ähnliche Gefühle auf feine Politik
wirken zu laffen. Er legte Mantel und Schmud zu ben Füßen des
Babites nieder und verſprach abzuziehen. So gieng durch verkehrte
Frömmigkeit der entjcheidende Augenblid verloren. Wohl hat Liut-
prand fpäter noch einmal Rom belagert, allein da unter ganz ande-
ren Verhältniffen; denn fchon war das Band zwifchen der Kirche
und den fränkifchen Herrfchern gefnüpft, das in der Folge den Lan⸗
gobarden jo verderblich werden ſollte. Und die vier Orte, welce
damals wirklich bejegt wurden, Amelia, Orta, Bomarzo und DBieda,
find noch von Liutprand felbjt dem Pabſte zurücgegeben?, wie er
auch Ravenna und die Pentapolis nicht zu behaupten vermochte.
Den letzten Anlaß zu jenen DBelagerungen Noms bot beide
Male bie Unterftügung, welche der Pabit den Herzogen von Bene
vent und Spoleto gewährt hatte. - Daß diefe, Romuald IL und
Traſamund, im Jahre 729 dem Könige feindlich gegenüberftanden,
—* wir ſchon aus den Geſetzen erfahren; hier findet ſich die Be⸗
ätigung. Liutprand war eben in Aemilien beſchäftigt, als er die
Einmiſchung des Pabſtes in dieſe Angelegenheiten vernahm. Schnell
ſchloß er mit dem Patricius Eutychius *, den er eben noch bekämpft
hatte, einen Bund: dieſer follte Rom bedrängen, er perfönlich die
mollire animum commonitione pia, ita ut se prosterneret ejus pedibus et pro-
mitteret se nulli inferre laesionem. Atque sic ad tantam conpunctionem plis
monitis fiexus est, ut quae fuerat indutus exueret et ante corpus apostoli
poneret, mantum, armilausium (armillam) balteum, spatam atque ensem deau-
ratum, necnon coronam auream et crucem argenteam.
ı Ed. Liutpr. 33: Hoc autem ideo adfiximus, quia Deo teste papa
urbis Romae, qui in omni mundo caput ecclesiarum Dei et sacerdotum est,
per suam epistolam nos adortavit.
2 Gesta p. R. 92.
8 Siehe auch Muratori, Annali IV, 257 ff.
* Gesta p. R. 90: Eo vero tempore (ind. 12; 729) saepius dicti Euty-
ehius patricius et Liutprandus rex inierunt consilium nefarium, ut congregatis
exercitibus rex subiceret ducem Spoletanum et Beneventanum et exarchus
Romam, et quae pridem de pontificis persona jussus fuerat impleret. Qui
rex Spoletum veniens susceptis ab utrisque ducibus sacramentis atque obsi-
dibus, Romam secessit. Daß hier nit von einem bireften Bunde zwiſchen
bem Babfte und ben Herzogen bie Rebe ift, erflärt fih aus ber Natur der Quelle,
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Zrog dieſer für Yintprand günftigen Wendung entit
neue, jchlimmere VBerwidlungen, die wir leider nur aus
Driefe kennen lernen, den Gregor III Ende Mai des Jahres
an Karl Martell richtete. Darnach hatte Liutprand 738 die Her
zoge von DBenevent und Spoleto zur Theilnahme an einem Kriege
zuge gegen den Pabft aufgefordert, jene aber die unter
bem Vorwande verweigert, daß fie einen befonderen Bertrag mit ber
heiligen Kirche abgefchloffen. „Darum“ — heißt es weiter — „wi
be das Schwert der Könige Yiutprand und Hildeprandb ” gegen fir.
ie genannten Herzoge waren zwar bereit und find es noch, ned
der alten Gewohnheit zu gehordyen; aber bie Könige find Kartnädig
ai
2 Maul. VI, 54 ff. iR ungenau.
8 Cod. dipi. III, 612: Temporibus domni viri gloriosi Transmundi.
5 Gesta p.R. 91: Hujus (Gregor? HI) temporibus Galliensium castrum
recuperatum est, pro quo cotidie expugnabatur ducatus Romanus a ducata
Bpoletino, dans pecunias non parvas Trasimundo duci eorum.
* Paul. VI, 55. Ob ber Herzog Audelaus, ben das Chronicon 8. Be-
phiae erwähnt, etwa in biefer Zeit bie Herrihaft an ſich zu reißen fuchte,
bleibt unentfchieben.
®Waulus a. a. D. erzählt diefe Vorgänge erft nad ber Einſetzung bei
Hilderich in Spoleto. Falſch. Das Richtige ergibt ſich aus Folgendbem. 738
mußte Gregorius ſchon geftorben fein; benn gewiß war nicht er, ber Ber:
wanbte bes Könins, mit dem Pabſte verbündet, fondern fein Nachfolger Gott:
ſchalk, der ganz ohne Liutprands Beftätigung ſich aufgeworfen zu haben fcheint.
Nun herrfchte aber Gregorius nah Paul. VI, 56 fieben Jahre, von 738 ab:
esogen macht 731 oder, wenn man bedenft, bag Paulus fiet nur volle
Jahre nibt, vielleicht 732. Der letzteren Meinung ift auch Troya, anbere wol:
en 733, Murstori, Annali, IV, 263 läßt die Sache unentfchieden. Die vom
Hunuft 732 datierte Urkunde des Bregorius, Cod, dipl. IN, 575 ff. Tann nidts
beweifen, ba fie offenbar unccht ift.
7 Cod. dipl. Ill, 668 ff.; Leo, Stalien I, 180; Waig, Deutfche Verfgeſch.
111, 77 fi.
? Der Lebtere war feit Anfang 736 zum Mitregenten erhoben.
479
und ſuchen eine Gelegenheit, jene und uns zu verderben. Deshalb
berichten fie Eud) Falſches, um die fehr edlen Herzoge ab- und ftatt
berjelben ihre fehr üblen Herzoge einzufegen“. Das ift römijche
Auffaffung; doch fehen wir ſelbſt aus ihr, wie vollwicdhtigen Grund
Liutprand hatte, gegen die Empörer einzufchreiten. Er drang mit
Glück gegen fie vor, fhon am 15. Juni finden wir ihn in Spoleto
felbft ', wo er dem Kloſter Farfa alle feine Beſitzungen bejtätigt
und den Mönchen die VBergünftigung ertheilt, nach dem Tode eines
Abtes ſelbſt die Wahl des neuen vorzunehmen. An die Stelle bes
nad) Rom entflohenen Zrafamumd ? fegte er ben Hilderih. Daß
Benevent anf diefem Zuge erreicht worden fei, ift mir nicht wahr-
ſcheinlich; wenigſtens behauptete hier Gottfchalf, der nad) dem Tode
des Gregorius fih zum Dur aufgerworfen hatte, unbeftritten die
herzoglihe Würde. Im Auguft des Jahres war Lintprand ſchon
wieder in Pavia.
Ym December 739 erwähnt noch eine Urkunde den Hilderich
als Herzog von Spoleto?. Schon aber hatte der raftlofe und un-
ermüdlihe Zrafamund die Römer zur Hilfeleiftung beiwogen und
brach mit zwei Heeren in das Herzogthum ein. Raſch Hinter ein—
ander ergaben ſich ihm die verfchiedenen feiten Pläte, noch vor dem
Schluß des Yahres zog der Vertriebene in feine Hauptjtabt ein *,
im Sammer ift er überall al8 Dur anerfannt. Näher als je
Scheint er mit den Intereſſen der römifchen Kurie verfnüpft. Bald
aber follte fich zeigen, wie wenig die jo Verbundenen fich gegenfeitig
trauten. Traſamund hatte vor feiner Zurüdführung fich anbeifchig
gemacht, den Römern zur Wiedereroberung der ihnen von Liutprand
entriffenen Städte behilflich zu fein, auch einiges andere verfprochen.
Im Befite der Macht zögerte er, feine Zufage zu erfüllen. Dar⸗
über entrüftet und zugleich in Furcht vor dem heranrüdenden Heere
des mächtigen Liutprand fieng Zacharias jett plöglid an, mit dem
Letteren zu unterhandeln. Dieſer verſprach die Rückgabe des Er⸗
oberten und wendete jo mit einem Schlage die ganze Lage der Dinge.
Die treulofe Politit des Pabſtes wendete ſich gegen ihren früheren
Verbündeten: vereint rückten Zangobarden und Römer gegen Traſa⸗
mund heran. Beftürzt wie er war vermochte dieſer nichts befjeres
2 Cod. dipl. III, 659 ff.
2 Gesta p. R. 92: Zacharias invenit totam Italiam valde turbatam si-
mul et ducatum Romanum, persequente Liutprando Langobardorum rege ex
occasione Trasimundi ducis Spoletani, qui in hac Romana urbe eodem rege
persequente refugium fecerat. Et dum a praedecessore ejus b. m. Gregorio
papa atque ab Stephano quondam patricio et duce vel omni exercitu Romano
praedictus Trasimundus redditus non fuisset, obsessione facta, pro eo ab
codem rege ablatae sunt a Romano ducatu civitates quattuor. Et sic isdem
rex ad suum palatium est reversus per mensem Augustum ind. 7.
3 Cod. dipl. II, 675 ff.
* Gesta p. R. 92.
° Daß zeigt die Urkunde Cod. dipl. III, 677, fon angezogen von Mu-
ratori, Annali, IV, 279.
f
#
af
jegt michte
fegt und erkin
bereitet hate '.
Und dies
Thal wagte mich,
er beicloß nadı Örieipenlanb zu |
weißes ihm nad) Zoritantinsne mit
milie und iemen Zchägen bereit, eben wollız er es telbir befteign;
da erhob fih das Zolf, wie e& heikt in treuer Eri an ka
angeltanmten Herzog, und ermordere den liiurmeror. Un jew
Stelle fegte Yintprand den, welchen die Menge begehrte, Gijuff, ka
Eohn Romualds IL3, denielben, welcher icdjen einmal furze Zeit la
den Tufat verwaltet hatte. Durch periönlibe Zohlthaten mode
er ihn fich verpflidytet glauben. Tiefe Creigniite fallen zwij
Februar und November be Jahres 712 ®.
ährend der Zmilheneit (eint Spolete uubeiegt gewefen
Wenigſtens finden wir am 12. November 742 den König
kin:
2: B
I #
J
&
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E
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eq
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Geſchenkte. Eben jegt reftituierte er auch der römiſchen Kirche meh
der ihr entriffenen Patrunonien ®, einige von ihnen, wie das je
nenfiihe und narnienfijche aus dem Gebiete von Spoleto.
Etwas fpäter wurde ein Neffe des Könige mit Namen Agipres
I Gesta p. R. 92; Panl. VI, 57.
, 8 Maul. VI, 57: Cum vero Beneventum properaret Liutprandus, G
desesleus audito ejus adventu navem conscendere atque in Graeciam fagem
molitus est. Qui postquam uxorem et cunctam supellectilem suam in navem
inposuisset et novissime ipse adscendere vellet inruentibus Beneventanis G
sulfi fidelibus exstinctus est.
® Maul. VI, 55, 58.
* Tas erfehen wir aus ben Urfunden. Die letzte echte von Gottſchall
ift aus dem Februar 742, Cod. dipl. III, 683; bie erfte echte Giſulfs am
bem November beflelben Fahres, Cod. dipl. IV, 105. Die Cod. dipl. IV,
94 und IV, 103 ftehenden find gefälfcht.
® Cod. dipl. IV, 112: Donamus atque cedimus tibi molinum unum is
Auvio, qui percurrit prope muros civitatis nostrae Reatine. Necnon et o0®
firmamus tibi medietatem casalis in loco qui dicitur Pontianus, quam tibi
jam antesa concessimus et minime nostrum emissimus praeceptum, sicut tibi
jpsum molinum et medietatem casalis Lupo actionarius noster tradere visus eg.
© Geste p. R. 92: Nam et Sabinense patrimonium, quod per annos
prope triginta fuerat ablatum atque Narniense, etiam et Auximanum atget
Anchonitanum necnon et Numanatense et vallem, quae vocatur magna, sitam
in territorio Butrino, per donationis titulum ipsi beato Petro apostolorum
principi reconcessit.
481
bier zum Herzog gemacht !, vielleicht eben der, welcher früher als
Dur von Chiuſi erwähnt wird?.
Doch vermochte er fich nicht allzulange zu behaupten. Traſa⸗
mund muß auf irgend eine Weife aus dem Klofter, in welches man
ihn gefteckt hatte, entfommen fein und ſich noch einmal der Herrfchaft
bemächtigt haben. Im April 744 wird er in einer Urkunde für
Farfa wieder als — erwähnts, neben ihm als Gaſtalde Pikko.
Aber auch er mußte bald wieder weichen: ob, wie Troya meint,
Agiprand ihn vertrieb, wiſſen wir nicht. Dagegen fcheint es fchon
im Februar 745 gar feinen Herzog in Spoleto gegeben zu haben *,
in November deifelben Yahres war e8, wie uns ficher bezeugt ift,
upo 5,
So hat Liutprand mehr als einmal die getrennten Yandfchaften
zur Reichögemeinfchaft zurücgeführt; er hat in ihnen Herzoge ein-
und abgejett, wie fein anderer König vor oder nad ihm. Bei der
Wahl der nenen leitet ihn namentlich) das verwandtfchaftliche Inte⸗
reffe: die ihm ergebenen Nepoten Gregor und Agiprand erhalten die
wichtigften Stellen. Ob er aber hier alles gethan, was hätte ges
fchehen können, diefe Frage drängt fi) wohl unwillfürlich jedem auf,
wenn man fieht, wie der zweimal verjagte Trafamımd fchlieglich doch
noch einmal mächtig fein Haupt zu erheben vermag, wie in Benevent
nach mancherlei Verfuchen endlich doch dem Sproß des alten Her-
zogsgeſchlechts die herzogliche Würde übertragen, und fo gleichjam
deren Erblichfeit fanktioniert wird. So etwas zeigt klar, dag es zu
einer feften, dem Königthume entfchieden günftigen Ordnung hier
noch nicht gefommen ift, daß Benevent und Spoleto noch immer in
2 Maul. VI, 57: At vero Liutprandus Spoletum perveniens Trasemuu-
dam ducatu expulit eumque clericum fecit. Cujus in loco Agiprandum suum
nepotem constituit. |
2 Gesta p. R. 92: Rex misit in ejus (papae) obsequium Agiprandum
ducem Clusinum nepotem suum. So würde zugleich unſere Annahme einer
Bafanz in Spoleto fehr unterftüßt werben; denn diefe Begleitung wurde bem
Pabſte ſchon ziemlich lange nad) Traſamunds Gefangennahme gegeben. Sehr
Iehrreich für diefe ganzen Verbältniffe find die Ausfagen mehrer Perfonen,
welche im April 788 von Inſarius, dem Miffus bed Königs Rachis, nach dem
Befigtitel ihrer Grundftüide gefragt werden; Cod. dipl. IV, 248: Prosentes
fuerunt Theodepertus et Martinianus actionarii, quando b. m. Liutprandus rex
pius ad 8. Heleutherium precessit (praecepit?) Picconi, ut nobis continen-
tiam faceret et posteaquando Agiprandus dux, dum esset in valle Cassia, de-
mandaret Picconi, ut nobis de ipso gualdo alicubi foris de una parte daret
casales; Cod. dipl. IV, 245: De altero autem casale, quem dicebat Pardus
presbiter de S. Jacintho, quod domnus Liutprandus rex dopasset in ipsa tasilica.
5 Cod. dipl. IV, 148.
+ Sn der Urkunde vom angeführten Datum, Cod. dipl. IV, 159 heißt
e3 abweichend von ben fonftinen Gebraudhe nur: Temporibus V. M. Picconis
gastald. civit. Beat. was ſchon Fatteschi zu der im Terte gegebenen Annahme
beivonen hat; fiebe Troya, Cod. dipl. IV, 1589 n. 2.
Cod. dipl. IV, 187: Temporibus domni Luponis gloriosi et summi
ducis de gente Langobardorum anno ejus in Dei nomine primo.
483
nun unter Herzogen, welche unter Gaftalden ftanden, fo tritt ung
hier die Dürftigfeit der Quellen in hohem Grade Hinderlich entgegen.
Die folgende Zufammenftellung wird daher mehr noch, als die frü-
here der Bollftändigfeit entrathen, gar mandjes zudem, was in ihr
gegeben, unficher und ſchwankend bleiben; trogdem mußte fie gewagt
werden, follte das Verhältnis von Dukat und Gaftaldat in dieſer
legten Periode des unabhängigen Langobardenreiches auch nur eini-
germaßen zur Anfchauung gebracht werden. Ganz außgefchloffen
find bei diejer Weberficht natürlich die Zerritorien, für deren Beur⸗
theilung in unferer Frage ſich gar Feine Anhaltspunkte finden, ba es
ja bier nicht darauf ankommen konnte, einen Begriff von dem räum⸗
lichen Umfange der Herrjchaft zu geben.
Herzogthümer: Köuigliche Gaſtaldate:
Friaul Treviſo
Ceneda Parma
Vicenza Piacenza
Verona Reggio
Breſcia Bergamo
Ivrea Lodi?
Lukka Genua
Florenz (7) Albinganum
Chiuſi Varikottis
Spoleto Saona
Benevent Luni
Fermo -Biftoja >
Modena Siena
Rimini Arezzo
Oſimo Toskanella“*
Ankona Volterra
Frignano ®
Kaſtel Felicità ©
2 Ob Florenz ſchon in ber rein langobardiſchen Zeit Mittelpunkt eines
Herzogthums, vermögen wir nicht zu erfennen; fiher war es im Jahre 784
der Fall. Val. den Brief des Pabſtes Hadrian an Karl den Großen bei Cenni,
Monumenta dominationis pontificiae I, 437: Invasionem, quam Gundibrandus,
dux civitatis Florentinae, in eodem monasterio ingerit, emendare jube-
mini (jubeatis ?).
2 Taufchvertrag zwiſchen Anfilyerga uud Natalia vom 10. Sept. 761,
Cod. dipl. V, 136: Natalia clarissima conjuge Alechis V. M. gastaldii regis,
jpso jugale suo consentiente, et Pelagia dicata dei abbatissa monasterii sancti
Johannis, que sito est intra civitatem Laudersi.
5 Wrfunde vom 20. Sept. 716, Cod. dipl. IL, 255: Ego Eldept in
civitate Pistoriensi gastaldus.
* Gesta p. R. 92: Ramingum gastaldum Tuscanensem.
s Schenkungsurkunde für St. Julia in Brefeia vom Jahre 767 bei Mu-
‚ratori, Antiqq. II, 219: Piscarie sortis nostras, que ex integro in loco ubi
.nuncupatur Rio Torto, terreturio Feronianensi per designatas locas, idem de
uno lanterio, quod tenet fine inter ipsis donanti et Martino gastaldius.
6 Brief Hadriaus an Karl aus dem Jahre 776, Cenni I, 837: Interea
Hi
bie zu em
leijten Betten.
wu, zu
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AH
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tate dux esse vidstur.. Tas ‘dudum’ nötbigt doch wohl, für WReginalb's
Gaftaldat auf die Zeit vor bem Jahre 774 zurüdzugehen. '
! Ed. Liutpr. 83: De omnibus judicibus quando in exercito ambolare
necessitas fuerit, non dimittant alios homenis nisi tantummodo qui unum
eavallo habent hoc est homines sex, et tollant ad saumas suas ipsos cavallos
sex, et de minimis hominibus, qui nec casas nec terras suas habent, dimit-
tant homenis decem, et ipsi ad ipsum judicem faciant per ebdomata una operas
tres, usque dum Ipse judex de exercito revertitur.
8 Ed. Liutpr. 825: Si quis causam habuerit et sculdahis suo causam
direzerit.
8 Ed. Liutpr. 81: Si quis homo cavallum perdederit aut aliam qualem-
cunquse rem, vadat ad Judicem, qui in loco positus est ubi furtum factum
fuerlt, et dicat ei omnia, qualiter ei contegit, et si judex neclectum fecerit ad
Inquirendum Ipsum furtum etc.
* Kd. Liutpr. 25: Si ipse sculdahis ei (causanti) justitiam intra
quattuor dies facore neclexerit, tunc conponat ei, qui causam suam reclamarit,
Ipse souldahis solidos numero sex et judiei suo similiter solidos sex. BE
si forsitan ille, super quem reclamavit, infirmus est, aut pro utilitatem suam
in alla civitatom easo nuscitur, expectit eum dum revertitur aut de infirm+
tate aua convalecit. Si voro talls causa fuerit, quod ipse sculdahis delibe-
raro menimo poasit, diregat ambas partes ad judicem suum, et si judex ejss
causam ipsam dilataveorit ot intra Sex dies inter eos per legem non judier
verit, couponat illi qui reclamavit solidos numero duodicem. Si neo judex
ipse deliberare non potuerit, diregat intra duodicem dies ambas partis in pre
sentia regis; nam si aliter fecerit ipse judex, et intra duodicem dies, ut die
tum est, justitiam non invenerit qui proclamarit, tane conponat ei ipse jeder
solidos numero XII et regi sit culparelis solidos XX; vyl. Ed. Liutpe. 26.
485
anderen Bezirke ſich aufhielt. Wagte aber der Stuldahis Yeinen
Sprud, weil er den Vorfall für zu bedeutend hielt, fo hatte er beide
Parteien an den Juder zu fenden, der gehalten war, fie innerhalb
eines Zeitraumes von ſechs Tagen vorzunehmen. Ergab ſich hier,
daß die Sache auch über feine Kompetenz hinausgieng, fo mußten
Mäger und Bellagter binnen zwelf Tagen vor das Gericht des Kö-
nigs geladen werden, um hier ihr endgiltiges Urtheil zu empfangen.
Waren die Parteien aus verfchiedenen Civitates, fo lag das Gericht
bei dem Juder des Beklagten, an den fich der ‚Kläger mit einem
Briefe des ihm Vorgeſetzten zu wenden hatte !.
Ausgebildet haben ſich vor allen Dingen die Gefchäfte der Po-
fizeiverwaltung; bier ift denn auch die Macht der Audices am Mei-
ften gewachſen. So liegt ihnen zunächſt die Perfonalfontrole ob.
Wurde jemand durd Krankheit verhindert ?, nach dreijühriger Abwe⸗
fenheit in feiner Civitas wieder einzutreffen, fo foll er durch den
Fuder davon Meldung machen, deifen Stelle hier aber auch wohl
durch einen bejonderen Boten vertreten fein Tann. Umgekehrt mußte
jedes verdächtige Individuum, das fich in einer fremden Yudiciaria
fand, jtet8 vor den Yuder gebracht werden; diefer hatte es zu un⸗
terfuhen ımd, wenn er in ihm einen ‘Dieb oder einen entlaufenen
Sflaven erkannte, in feine Heimath zu befördern. Vor dem Yuder
fol ein amund reigelaffener, der nachher nur aus gutem Willen
noch feinem früheren Herren geholfen, öfter feine Freiheit fund thun,
damit er von jenem nicht fpäter zu Dienftleiftungen herangezogen
werden könne“; der AYuder hat Wahrfager und Hexen aufzufpüren
und feine Unterbeamten durcd einen Eid auf das Evangelium zu be=
ſonderem Fleiß und Eifer in diefer Beziehung zu verpflichten ®.
ı Ed. Liutpr. 27: Siquis in aliam civitatem causam habuerit, vadat cum
epistola de judice suo ad judicem qui in loco est.
2 Ed. Liutpr, 18: Si quis negotium peragendim vel pro qualicumgue
artificio intra provincia vel extra provincia ambolaverit et in tres annos
regressus non fuerit, et forsitan infirmitas ei emerscrit, faciat scire per judi-
cem aut per missum suum.
5 Ed. Liutpr. 44: De servus fugace et advena homine si in alia judi-
ciaria inventus fuerit, tunc deganus aut saltarius qui in loco est conprehen-
dere deveat et ad sculdahis suum perducat, et ipse sculdahis judici suo con-
signet. Et ipse judex potestatem habeat eum inquirendum unde ipse est, et
si inventus fuerit quod servus sit aut fur, mox mandet ad judicem aut ad
dominum ejus, unde ipse fuerit. Si autem post inquisitam causam ipse homo
qui conprehensus aut inquisitus fuerit liber aparuerit,, nulla sit culpa ei, qui
eum presit aut inquisivit.
* Ed. Luitpr. 55: Si quis servum suum fulfrealem thingaverit et amund
a se fecerit, et postea ipse libertus voluntatem patroni sui fecerit, manefes-
tare deveat libertus ipse libertatem suam sepius judici vel ad vicinos suos,
5 Ed. Liutpr. 85: Si quis judex aut sculdahis atque saltarius vel de-
ganus de loco ubi arioli aut ariolas fuerit neglexerit amodo in tres mensis
eos exquirere etc. Et ita volumus atque precepimus, ut unusquis sculdahis
et saltarius atque deganus jurare debeat judici suo ad sancta Dei evangelia,
quod in ists causa nullum neclictum ponant.
D. 32
486
Weiter liegt auch bie Strafpolizei in ihren Händen. See
uber mußte nach einer ausdrüdlichen Beſtimmung Liutprande?! a
feiner Civitas ein unterirdifches Gefängnis haben, um darin einm
lige Diebe auf zwei ober drei Jahre einfteden zur können. \ym
Rückfalle follte er fie feheeren, peitfchen und ihnen Zeichen auf dx
Stirn und das Geficht brennen; wenn fie auch fo. nicht gebeſſen
würden, fie außer Landes verlaufen und den Erlös fir fich fel
behalten. Das Lestere durfte er auch bei Zauberern und Hem
thun, welche er felbft entbedte; dagegen empfieng er nur die Hälfe,
wenn ihm einer feiner Sfuldahis Anzeige davon gemacht hatte ?.
Endlich aber vertreten die Judices den König auch in fe
alfgemeinen Schußgewalt: Frauen und Waiſen find ihrer befonderen
Sorge empfohlen. Sie follen beide nur in Gegenwart eines Juder
von ihrem Eigenthume verfaufen dürfen ®, es ſei denn daß dieſer
im legteren Falle ein königlicher Miſſus, im eriteren die Verwandta
der Frau vertreten. Vor dem Yuder* follen Unmündige die ihme
zufalfenden Erbfchaften mit Brüdern oder anderen Verwandten the
Ien, in ihren Sachen wird jenem gerechtes Handeln zur einer befow
ders heiligen Pflicht gemacht, auch foll er bei jedem Vorfall de
Verwandten des betreffenden Kindes hinzuziehen ®.
ı Ed. Liutpr. 80: Ut unusquisque judex in civitatem suam faciat car
cirem sub terra, et cum inventus fuerit fur, ipsum furtum conponat, et eor
praehindat eum et mittat in ipso carcire ad annos duo vel tres et poste
dimittat eum sanum Et si postea iterum ipse in furto tentus fuerit, decalrit
eum et cedat per disciplinam, sicut devit furonem et ponat ei signum ia
fronte et faciae, et si nec sic emendare voluerit et postea ipsas diatrictiones
iu furtum tentus fuerit, vindat eum forie provincia et habeat sibi judex pra*
tium ipsius.
2 Ed. Liutpr. 85: Si per judicim inquisiti aut inventi fuerent (ariel
aut ariolae) sine noditia de sculdahis, tunc habeat Ipse judex potestatem foris
provincia eos vindendum et pretium sibi tollendum atque habendum. Nen
si per sculdahis inventi fuerent, mediaetatem de ipso praetio tollat judex
et mediaetatem sculdahis.
5 Ed. Liutpr. 22: Si in presentia de ipsis parentibus suis mulier illa
violentias aliquas se dixerit pati, non sit stabilem quod vindederit; nam si
in presentia parentuum suorum vel judici qui in loco fuerit violentias se peti
non reclamaverit etc.; vgl. Ed. Liutpr. 29; Ed. Liutpr. 151: Item de infan-
tibus, qui intra aetatem sunt et necessitatem majorem habent et a fame mo-
riuntur, conparuit nobis ut dum tempus fames fuerit licentiam habest eım
misso principis aut cum judici suo de terra aut de rebus suis vindere.
* Ed. Liutpr. 74: Si infans dum intra aetate est res suns cum fratri-
bus aut cuın parentibus suis dividere voluerit, aut si ipsi cum ipso infante
dividere voluerint, facist judici noditiam, et ipse judex faciat venire parentes
ipsius etc.
5 Ed. Liutpr. 75: Si infans dum intra aetatem est et causam habuerit
cum qualemeungue hominem, similiter faciat judex parentis ipsius propinquos
venire et accedat aput locum cum ipsis parentibus et deliberit causam ipsam
per justitiam et faciat noditiam, in quorum presentiam causam ipsam delibe
ravcrit et judicatum suum emittat, ut ipse qui causam suam querit non per-
dat justitiam suam eo, quod ipse infans intra aetate esse vedetur. Judex
autem quomodo ordinaverit aut qualiter fecerit causam in his capitulis de 0
487
In allen diefen Angelegenheiten konnte übrigens der Beamte,
wenn er verhindert war perfönlich zu erfcheinen, Miſſi! abfenden,
welche dann feine Gewalt im vollen Umfange übten. Dagegen gab
ed regelmäßige Stellvertreter deſſelben nirgend.
Für bloße Amtsvergehen wird, wie früher der ‘Dur, fo jet
der Yuder nicht durch Abfegung, fondern nur durch Geldbußen be-
jtraft, wie er hinwiederum aus der Unachtfamfeit feiner Unterbeam-
ten pefuniäre Vortheile zieht. Beide Fälle fommen namentlid in
der gerichtlichen und adminiftrativen Thätigfeit vor. So hatte der
Skfuldahis?, welcher feinen Spruch über eine ihm vorgelegte Sache
länger als zehn Tage hinausjchob, ſowohl dem Kläger wie feinem
Juder ſechs Solidi zu zahlen. Zeigte im weiteren Verlaufe diefer
fih nadläflig, fo gab er zwelf Solidi an den Kläger und zwelf an
den König; urtheilte er gar gegen das Ebift®, fo fteigerte fich auch
die Buße für den Erfteren auf zwanzig Solidi. Gab e8 fein Geſetz
für den einzelnen bejtimmten Fall, fo durfte der Judex trogdem nad)
feiner individuellen Anficht entfcheiden, und er war nichts jchuldig,
felbjt wenn diejelbe nachher als falfch anerkannt wurde; doch mußte
er dann unter Umſtänden dem Könige einen Eid leiften, daß er
nicht böswillig oder beftochen fo geurtheilt habe. Hinmwiederum war
der, welcher bei einen geſetzlichen Spruche des Juder nicht ftehen
bleiben wollte, fondern fich weiter an den König wendete, jenem zur
Zahlung von zwanzig Eolidi verpflichtet. Verfäumte ferner der
Skuldahis die Anzeige eines fremden Individuums, fo hatte er vier
Solidi zu zahlen an den Judex, vernacdjläffigte diejer feine weitere
Pfliht, fo büßte er dem Könige mit zwelf Eolidi*t. Beſonders
qui intra aetate est habeat retribotorem Deum omnipotentem sibe in bono
sibe in malo,
I Dieſe werben erwähnt Ed. Liutpr. 74: Judex aut per se ipsum aut
per missum suum; Ed. Liutpr. 75: Missus ille, quem judex direxerit pro
difüniendum causis.
2 Ed. Liutpr. 25; 26. War aber der Kläger aus einer anderen Civitag,
fo hatte der Yuder auch für Nachläffigfeit zwanzig Solibi an ihn zu zahlen;
vgl. Ed. Liutpr. 27.
5 Die folgenden Beſtimmungen alle in Ed. Liutpr. 28: Si quis causam
babuerit, et sculdahis aut judex ei secundum Edicti tenore et per legem ju-
dicaverit, et ipse stare in eodem judicio menime voluerit, conponat illi qui
judicavit solidos XX; nam de ea causa, quae per arbitrium judicata fuerit,
et ipse sibi non credederit legem judicassit et ad regem reclamaverit, non sit
culpavelis. Et si judex contra legem judicaverit conponat solidos XL, me-
dietatem regi et medietatem cujus causam fuerit. Et si forsitans judex cau-
sam per arbitrium judicaverit, et judicium ejus rectum non conparuerit, non
sit culpavelis, nisi preveat sacramentum regi, quod non iniquo animo aut
corruptus a premio causam ipsam non judicassit, nisi sic ei legem conparu-
issit et sit absolutas; nam si jurare non presumpserit conponat, ut supra
dictum est.
* Ed, Liutpr. 44: Bi sculdahis neclectum posuerit, conponst solidos
VITI, medietatem judici suo et medietatem cujus causa est; si vero judex
ad eum inquirendum vel mandatum faciendum, unde ipse homo est, distulerit
conponat in palatio solidos XII.
32%
Im Großen und Ganzen werden wir jagen bürieı, bek
feit6 zwar die Befugniife der Judices im Allgemeinen em
fang und Bedeutung zugenommen haben, daß andererieitä
auch ihre Serantwortiicheit, die ihnen angedrohte Strafe eine ander
und härtere ijt als zu Rothari's Zeit.
Aber nit nur in den einzelnen Civitates waren bie Indices
von Wichtigkeit, auch in den allgemeinen Angelegenheiten des Rei
ches fpielten fie eine große Rolle. So befonders auf den Reichsta
gen, welche unter Yiutprand wohl regelmäßig an jedem erften Ma;
zu Pavia abgehalten wurden?. Auf fie wartet der König’, um
endgiltige Urtheile in Sadyen zu fällen, welde vorher wicht im ı Edilte
berüdfichtige find; mit ihnen und, wie es ſcheint, allem wit ihmes
werden die neuen (Sejee berathen, während die übrigen Freien hoch
ſtens das Recht der Zujtimmung hatten *.
Tiefer großen Bedeutung der Judices im öffentlichen Leben &xt
Volkes entſprach die perfönliche Würdigung derjelben, die ihren vor:
’ Ed. Liutpr. 85: 8i quis judex aut sculdahis atque saltarins vel de
ganus de loco, ubi arioli aut ariolas fuerit, neglexerit amodo im tres mensis eos
exquirere et invenire, et per alios homines inventi fuerint, tune compomst
unusquis de locum suum mediactatem pretii sui, sicut supra legitur. Et si
manefestatum fuerit, quod sciat judex aut sculdahis vel saltarius aut degamus,
ubl ipsi arloli aut ariolas sunt et eos non condemnaverit, aut premium tolerk,
aut quani causa pietatis vel pro qualicunque genio eos absolserit, tune mie
gro wirigild suo in sacro palatio conponat. .
2 Sicher bezeugt find fie und ans den Jahren 713, 717, 720, 721,
7123, 124, 125, 720, 727, 728, 729, 731, 735; wahrſcheinlich auch für 733
und 734. Man vergleiche bie Brologe.
5 Prol. VIL: Venientis homenis in presentia nostra adduxerunt enusas
inter se altercantes, que nec per usum fuimus certi ad terminandum, mec in
Kdicti eorpore ante insertae; proinde praevidimus eas usque ad diem supra-
seriptum Kalendarum Martiarum suspendere, dum usque nostri ad nos comjun-
gerint jadeeis, et una cum ipsis certum ibi terminum deveremus impomere,
unde postes nulla esset intentio, sicut et factum est,
+ Prol. VIII: Quio etiam et judicis atque fedelis nostri de partibus
Austrias et Neustriae nobiscum adfuerunt et haee omnis inter se conloeuti
sunt et nobis renuntiantes nobiscum pariter statuerunt atque definierunt; et
cum presentalitar fuissent capitula ista relecta, omnibus placuerunt et pre-
ventis adsensum staiuerunt nobiscum, ut nihilominus per ordinem scriberentur.
&iche auch Wendungen wie Ed. Liutpr. 118: Recolimus etiam quod statuimus
eum nostris judicibus; Ed. Liutpr. 129: Quae inlecita nobis et cunctis no-
nirin jJuricibus conjunctio esse paruit; Ed. Liutpr. 136: Ita nobis et nostris
judieibus rectum parult esse; Ed. Liutpr. 137: Prospeximus cum nostris
judielbung Kd. Liutpr. 188: Bed nobis et nostris judieibus hoc nullo modo
plaeuit, Oder follten bier die Judices ala Beifiger bes föniglichen Gerichte
zu faffen fein? Wenig wahrfcheinlich.
He
489
züglichften Ausdrud in dem höheren Wergelde fand, welches das
Doppelte von dem des einfachen Freien betrug '. Doch tritt fie noch
weiter merkwürdig genug hervor. So war es dem Juder geftattet ?,
die Deeta feiner Frau bis auf vierhundert Solidi zu erhöhen, wäh.
trend die übrigen Langobarden höchſtens dreihundert geben durften.
Auch fonft waren fie durch befondere Beſtimmungen geſchützt. Wenn
in irgend einer Civitas° jemand eine Empörung gegen den Juder
erregte, jo follte er mit dem Tode und der Konfisfation aller feiner
Güter beftraft werden, feine Helfershelfer aber ihr ganzes Wergeld
an den König zahlen, nicht zu gedenten des achtfachen Schadenerfates,
der den Anhängern der Ordnung und des Nechtes für zerftörte oder
bejchädigte Sachen gezahlt werden mußte. Nur ein ausdrüdlicher
Befehl des Könige mochte ſolche Aufrührer entfchuldigen.
Stehen in allen diefen bisher behandelten Verhältniffen bie
Herzoge den Gaftalden völlig gleih, jo gibt es Himmwiederum doch
einen Punkt, in welchem fie fi) auch jetzt noch unterfcheiden. Wäh-
rend nämlich mit dem Amte ber Erjteren fortwährend ein bedeuten-
der Grundbefig verknüpft blieb +, übten die Letteren als Beamte
noch immer nur die Oberleitung über das fönigliche Gut aus ®.
Daß ſolches meift in eben den Territorien fich befand, welchen Ga-
ftalden vorgefettt waren, wird nad der früheren Entwidlung wohl
I Denn ohne Zweifel find die Judices unter den Primi begriffen Ed.
Liutpr. 62: Consuitudo est, ut minima persons, qui exercitalis homo esse
invenitur, Ci, conponatur solidis, et qui primus est CCC solidis.
®2 Ed. Liutpr. 89: Si quis conjugi suae metam dare voluerit, ita nobis
justum esse conparuit, ut ille qui est judex debeat dare si voluerit in s0-
lidos CCCC, amplius non, et reliqui novelis homenis deveant dare in solidos
CCC, amplius non.
8® Ed. Liutpr. 35: Si quis sine volontate regis in qualicunque civita-
tem contra judicem suum seditionem levaberit, aut aliquod malum fecerit, vel
eum sine jussione regis expellcre quesierit, aut alteri homines de altera civ
tate contra aliam civitatem vel alium judicem, ut supra sine jussione regis,
seditionem fecerint, aut eum expellere sine regis voluntate quesierint: tunc ille,
qui in capud fuerit, anime sue incurrat periculo, et omnes res suas ad pu-
plico deveniant; reliqui autem, qui cum ipso fuerint in malo consentientes,
unusquisque conponat in palatio regis wirigild suum. Et si casa cujuscun-
que bluttaverint, aut res eorum tolerint, qui cum palatio aut cum rege tenent
et fidem suam cum judicem in palatio conservent: conponat omnes res ipsas
cui eas tolerit in actogild, et widrigild suum ut supra diximus conponat in
palatio.
* Go erfcheint unter Defiberiug bäufig bie berzogliche Kurtis von Brefcia.
5 Ed. Liutpr. 59: Si quis gastaldius vel actor curtem regiam habens
ad gobernandum ex ipsa curte alicui ausus fuerit donare, aut si amplius,
quam jussionem fuerit dare presumpserit, vel si requirere neglexerit quod
per fraudem tultum est: omnia ipse qui hoc contra jussionem regis facere
ausus fuerit, in dublum actogild conponat. Nam si per actorem fraus facta
fuerit, et anten quam ad nostram perveniat noditiam fraus ipsa per gastal-
dium inventa fuerit, habeat ipse gastaldius de conpositione quam actor cou-
ponere devit partem tertiam et duas partes sint in curtis regia,
40
feiner weiteren Ausführung bedürfen; nur ansnafmeweife mochte «6
vorfommen, daß ein Theil deſſelben in einer berzoglichen Civites
lag. Aber jedenfalls ift doch der Fall denfbar, und da tritt um
nothwendig die Frage nahe, wer denn die Auflicht über die Berwel:
tung dieſes Krongutes führte. Sie ift erit mit Hilfe einer Urkunde
vom Jahre 754 zu beantworten; doch werden wir dieſe um jo m
bedenflicher ſchon hier anziehen dürfen, je weniger bie inneren Ber
ahrtmilfe überhaupt feit Liutprands Tode ſich änderten. Nach ihr!
hatte König Aiftulf den Herzog Alpert von Yulla beauftragt, de
dortige königliche Kurtis bei einem Zaufchvertrage zu vertreten, ben
diefelbe mit den Erben eines Malers Auripert abfchließen wollte.
Daraus erhellt ein Doppeltes, ein Negativeg und ein Poſitives.
Einmal nämlich, daß es feinen Gaftalden neben dem Herzog in ber
Civitas gab, obgleich in ihr eine königliche Kurtis fi fand; dam
aber, daß eben der Herzog es war, dem bie Funktionen des Gaſtal⸗
den in ſolchen Fällen übertragen zu werden pflegten. So find bi
Stellen jet ganz eigenthümlich vertauicht: hat der eigentliche Pri⸗
vatbeamte des Königs im Laufe der Zeit alle Befugniffe des öffent
fihen erhalten, fo Tann num auch diefer wenigitens zeitweife jenen
vertreten
Möglih, daß der König überbem die Gaftalden noch rafdıer
wechſeln fonnte, als die Herzoge, welche Letteren noch immer auf
Lebenszeit ernannt zu fein fcheinen.
Das war aber auch alles, was die Duces noch voraus hatten;
denn felbft zum Halten eines Gefolges waren, wenn ich nicht irre,
die Gaftalden jet befugt. Auch äußerlich tritt nun dieſe Gleichheit
hervor. Als Zacharias ? den Liutprand in Teramo verläßt, fendet
ihm diefer neben dem Herzog Agiprand von Ehiufi, feinem Neffen,
auch zwei Gajtalden mit, Tacipert und Raming, theil® als Ehren
geleit, theils als Kommiffion zur Aufficht über die Rückgabe erober-
ter Städte. Und merkwürdig ift es doch, daß, während früher in
der Pabjtgefchichte einzig und allein von den Duces der Yangobarden
die Rede war, feit Yiutprand an deren Stelle allgemeiner ftets nur
ı Cod. dipl. IV, 536: Dum per jussionem domni excellentissimo Ai-
stolf rege demandatum fuisset mihi Alpert duci seo et Walprand episcopi
viganeum facere de res Aurifert pictori cum curte domni regi, ita et factum |
est; p. 537: Unde aconsentientem venerabilis Walprand episoopus, et ar ipso
ordinati fuissent ipsa commutationem faciendum Jordanni arcipresbiter, RB»
chipert arcidiaconus et Auduaci scario et da parte curtis domni regi ab
Alpert duce ordinati fuisset ad ipsa res extimandum Teupert scario, Tent-
prand filio qud. Teppuloni et Grasulus negudias.
2 Gesta p. R. 92: Rex misit in ejus (papae) obsequium Agibrandum
ducem Clusinum nepotem suum seu Tacipertum castaldium in ejus obsequium
et Ramingum gastaldum Tuscanensem atque Grimoaldum, qui eidem sancto
viro usque ad praedictas civitates obsequium facerent easdemque civitates
cum suis habitatoribus traderent.
5 Gesta p. R. 90: Bpoletini atque hine inde duces Langobardorum
eircumdantes Romanorum fines hoc praepediunt; eb.: Munera tunc hinc inde
ducibus Langobardorum et regi pollicentes,
491
subices 1, oder in gleicher Bedeutung Satrapen und Optimaten vor-
ommen. .
So konnte e8 denn am Ende auc) ziemlich gleichgiltig fein, ob
Liutprand in den neueroberten Städten, in Bologna und Ankona, in
Dfimo und der Pentapolis, Herzoge oder Gajtalden einfegte. Wenn
er das Erjtere vorzog?, wenn er den Weg verließ, den feine Vor—⸗
gänger eingefchlagen, jo erklärt fich das, wie ich glaube, einfach ge-
nug aus der Art der Erwerbung, welche, wie wir oben gefehen, in
friedlicher Weife vor fi) gieng und nirgend Anlaß zu einer Behand»
Fan bot, wie fie die ligurifchen Küftenftäbdte durch Rothari erfahren
atten.
Daß aber dur eine ſolche Organifation das Herzogthum
dauernd geſchwächt werden mußte, Tiegt in der Natur der Sache.
Denn die Duces hatten ja verloren, was bie Gaftalden gewannen,
zum Theil waren fie ganz weggefallen, zum Theil ihre Gebiete klei⸗
ner, überall ihre Verantwortlicykeit größer geworden. Der Schwer-
punft der Regierung ift aus den einzelnen Xerritorien mehr und
mehr nad) dem Mittelpunfte des Staates gezogen: der Tönigliche
Hof erhält eine erhöhte Bedeutung. Wie das hier gebildete Gericht
die höchſte Inſtanz für alle Proceffe im Reiche bildete," haben wir
ſchon oben gefehen; jett betrachten wir noch befonders die Wirkſamkeit
einzelner Hofbeamten, foweit diefelben als Miſſi in die Civitates
verfendet wurden. Das war zuweilen auch fchon früher gejchehen ?;
aber häufiger fcheint e8 doch erſt feit diefer Zeit geworden zu fein,
wenn es auch bei den Langobarden nie zu einer ſolchen Regelmäßigkeit
der Kontrole gefommen ift, als etwa fpäter unter Karl dem Großen,
wenn andererjeitS auch die Thätigkeit des Sendboten immer nur auf
den einzelnen Fall bejchränft blieb*. Aber von Liutprand war der
I Gesta p. R. 94: Spopondit ipse Aistulfus cum universis suis judici-
bus; eb. 97: Coram judicibus Langobardorum; Ut solummodo tres obsides
Langobardorum judicum filios illi tradidisset; unb: Ipse vero Desiderius
quantocius cum suis judicibus velociori cursu fugiens.
2 Bon Rimini bezeugen es Geste p. R. 96: Michaelius scrinierius ip-
sius ecclesiae profectus Arimino ad Mauricium ducem Ariminensem, von Dfimo
und Ankona Geste p. R. 97: Hoabitatores ducatus Auximani et Anconitani.
Dagegen wurde Perficetumn wahrſcheinlich zu Modena gefchlagen. Denn ber
Auktor des Katalogd der Urkunden von Nonantula, ber einen Johannes ‘dux
Persiceti et Pontis ducis’ nennt, ift doch minbeftens ſehr zweifelhaft. Ich bin
erade geneigt, den Genannten für einen Herzog von Mobena zu halten; er
bin in dieſer Stellung auch noch unter Karl dem Großen, aus deſſen Anfän-
gen wir eine Urfunbe von ibm befigen,, bei Muratori, Antigg. II, 197 ff., wo
von Nonantula gejagt wirb, es liege pago Perseceta, territorio Motinense;
vgl. im Allgemeinen Muratori, Antigq. I, 151; 11, 200.
5 Das einzige und befannte Beifpiel fällt unter Pertbari, der zur Ent:
fheidung des fchon erwähnten Streites zwifhen Parma und Piacenza zuerft
feinen S hwertträger Authechis und den Notar Aufo abgefenbet hatte; Cod.
dipl. II, 538: Praevidimus missos nostros, idest Authechis spatarium et Au-
sone notario nostro aput ipso loco dirigere.
* Gut hierüber ſchon Muratori, Antigg. I, 453.
492
Königliche Miſſus wenigftens in das Edilt aufgenommen ', und alkı
aus den Anfängen feiner Regierung find uns drei Beifpiele erhalte,
welche bezeugen, wie häufig er denfelben in der Praxis benugte S
wurde im Augujt 714 der Majordomus? Ambrofius nah) Tun
gejendet, um ben Proceß der Bifchöfe von Arezzo und Siena abe
urtbeilen; in derfelben Sache? ſaß am 5. Juli des folgenden dk
res der Tünigliche Notar und Miffus Guntheram mit den Biſcheſe
von Fiefole, Pila, Florenz und Lulfa in dem Dorfe Walari Ki
Firenze zu Gericht; und im Februar 716 entfchied der königlich
Notar Ultianus * als Miffus zwifchen den Bifchöfen von Lufta wi
iftoja.
en Woch wiederholen wir, daß es nur Auſtrien, Neuftrien mw
Tuscien waren, wo die Verhältniffe fi) fo entfchiedben zu Gm
ften des Königthums geftaltet hatten. Anders war es noch inne
in Benevent und Spoleto. Hier hat aud Liutprand nicht gemagt,
die althergebrachte Ordnung anzutaften, vielleicht weil er den Wider
jtand nicht nur der Herzoge, fondern auch der Bevölkerung
Die Folgen davon find nody unter feiner Regierung deutlich gem
hervorgetreten; auch ſpäter machten fie fi) mehr als einmal zus
Unglück det Langobarden geltend.
Denn fo wie jegt haben im Allgemeinen diefe Verhältniſſe ge
dauert bis zur Vernichtung der langobardijchen Selbftändigfeit durd
Karl den Großen. Wohl hat Rachis im Einzelnen die Zügel der
Herrſchaft noch ftraffer angezogen und namentlih bie Mbfeßbartei
der Judices wegen Amtsvergehen eingeführt, wohl find auch die Her
zoge von Benevent und Spoleto in vielfachen Kämpfen zu einer noch
größeren Abhängigkeit gebracht worden; die Entwidlung im Großen
und Ganzen ift mit und unter Liutprand abgefchlofien, und das, wie
man fieht, weſentlich zum Vortheile des Königthums. Nicht innere
Schwäche, fondern der Gang der äußeren Politit verbunden mit den
durch die Kinderlofigkeit der Tetten Könige entftandenen Wirren in
der Thronfolge hat bewirkt, daß das langobardiſche Reich in ver-
hältnismäßig fo kurzer Friſt den Franken erlag.
2 Ed. Liutpr. 151: Licentiam habeat (infans) cum misso principis aut
cum judici suo de terra aut de rebus suis vindere.
® Cod. dipl. III, 158: Dum ex jussione domini Liutprandi regis direc-
tus fuissem Ambrosius illustris majordomus in partibus Tusciae.
5 Cod. dipl. IU, 212: Residentes una cum misso excellentissimi domni
Liutprandi regis nomine Quntheramo notario.
* Cod. dipl. III, 249: Dum ex jussione domini precellentissimi Liut-
prandi regis conjunxisse ego Ultianus notarius et missus domni regis etc.
493
Anhang 1
Die niederen Beamten bei den Langobarden.
Ganz allgemein werden alle diejenigen Beamten des langobar-
difchen Meiches, welche dem Range nach unter den Gaftalden ftanden,
als Aftores, Aktionarii oder Agentes des Königs bezeichnet. So be-
fonders in den Schlußformeln der Föniglichen Urkunden ', deren wir
Ihon früher einmal erwähnten: „Wir befehlen allen Herzogen, Ko⸗
mites und Gaftalden und unferen Aftoren“, oder: „Sein Herzog,
Komes, Gaſtalde oder Aktor von uns möge e8 wagen, jemals gegen
diefen unferen Erlaß anzugehen“.
Im fpecielleren Sinne aber find Aftores oder Agentes des
Königs die Verwalter der einzelnen Höfe des Krongutes ?, al8 ſolche
alfo eigentlich Privatbeamte, den Gaftalden in ihrem Wefen ähnlich,
nur in weit untergeordneterer Stellung als diefe thätig.
Mit ihnen werden fie dann auch vornehmlich in der älteren
Zeit gar häufig zufammengeftellt?, und manche der Befugnifie,
welche wir für die Civitates in Rothari's Edikte jenen allein, nicht
auch den Herzogen, vindiciert fanden, üben fie in ihrem kleineren
Kreife; fo neben der eigentlichen Beforgung der Wirthfchaften * be-
fonders die Eintreibung von Bußend. Wie die Gaftalden durften
! Cod. dipl. III, 663: Damus in mandstis omnibus ducibus comitibus
gastaldiis nostrisque actoribus, ut nullus eorum contra presentem tranquili-
tatis nostrae munimen audeat ire quandoque; IV, 583: Et nullus dux comes
gastaldus vel actor noster contra hoc nostrum firmitatis et concessionis pre-
ceptum audeat in quandoque.
2 Diefen Unterſchied hat ſchon hervorgehoben Hegel I, 468. — Solche
Aktores Fonnten auch Private oder Korporationen haben; ein Beifpiel fir ben
eriteren Fall bietet bie Dotationsurfunde für ein Hospital bei Lukka, ausge:
ftellt vom Archipresbyter Siegmund und brei Gefindleuten ded Königs, Cod.
dipl. III, 516: Offerimus ex omnibus, quidquid in ipsis partibus Tuaciae de
genitrice nostra habemus, decima, its ut inibi Offerantur a nobis vel heredibus
atque actoribus nostris; vgl. III, 533; für den Tepteren ift charafteriftifch die
Verpflichtung eines gewilfen Gunbuald an Farfa, Cod. dipl. IV, 668: Profi-
teor ıne ego Gundualdus suscepisse a vobis, Fulcoalde abbas monasterii
sanctae Mariae, vel a cuncta congregatione monasterii vestri curtem vestram
in Germaniciano in actionem una cum omnibus colonis ad eandem curtem
pertinentibus, ita tamen, ut quanto tempore vobis placuerit ut actionem ve-
stram in ipsa curte nominata tenere debeam; fiehe Hegel a. a. O. N. 3,
3 Ed. Roth. 210: Si quis rapuerit aldiam aut ancillam slienam et in
curtis regis duxerit, et sequens dominus aut quicumque ex amicis aut servis,
et gastaldius aut actor regis autesteterit; Ed. Roth. 271: Si mancipius cujus-
cumque in curtem regis refugium fecerit, et gastaldius aut actor regis ipsum
mancipium reddere dilataverit.
* Ed. Both. 375: 8i gastaldius aut quicungue actor regis post su-
scepta aut comissas ad gobernandum curtis regis et causas regias.
Ed. Roth. 8200: 8i maritus oxorem suam occiderit inmerentem, COn-
I)
494
fie während ihrer Amtszeit nichts ohne die ausdrückliche Genehmi-
gung des Königs erwerben !: e8 fcheint, als ob man auf diefe Weile
Beftechungen vorzubeugen gefucht habe. Dagegen waren fie anderer:
ſeits auch durch befondere Beitimmungen gejchügt: wer fie fchlug,
feffelte oder tödtete, zahlte nicht nur ihnen oder ihren Verwandten
die gewöhnlichen Bußen, welche auf derartige Vergehen an einem
Freien feitgefet waren, fondern außerdem noch achtzig Solidi an
die Königliche Kurtis?., Gegen die Meinung derjenigen, welche in
ihnen Sklaven erbliden, habe ich mich ſchon oben erklärt; fie erman⸗
gelt jeglichen Beweiſes und wird durd alle Zeugniſſe, wie- befonders
auch durch den Umftand widerlegt, daß nicht felten Aktores als Zen
gen in den Urkunden genannt werdend. In der früheren Epoche,
für welche uns bier das Geſetzbuch Rothari's als einzige Quelle
dienen muß, find fie wohl den Skuldahis gleichgeftellt; auch dieſe
werden, wie nachher noch näher zu zeigen ift, häufig mit den Ga⸗
ftalden verbunden. Doch glaube ich nicht, daß man deshalb auf ein
völliges Zufammenfallen der Aftoren und Sfuldahis ſchließen darf;
es jcheint vielmehr, als ob beide in ihrem Weſen eigentlich verfchie
den, nur ihre Befugniſſe damals etwas in einander gefloffen feien.
Dabei würde dann wieder jene privatrechtliche Auffaffung der öffent
lichen Verhältniſſe hervortreten, auf die wir früher einmal aufmert
fam gemacht haben, und die ja überhaupt in dem älteren germani-
fhen Staatsleben eine fo bedeutende Rolle fpielt.
Später fieng man offenbar an, hier genauer zu fcheiden: fchon
in Liutprands Gefeken tritt dem Aktor des Königs *, dem Verwal⸗
ponst solidos mille ducentos, medietatem illis parentibus et medietatem regi,
ita ut per actorem regis distringatur; et si parentes non fuerit, tune ipss
conpositio et predicta facultas ad curtem regi perveniat; Ed. Roth. 272: Sit
culpavelis ecclesine ipsius solidos XL, ita ut per actorem regis exegantur
et in sagrum altarium, ubi injuriam facta est, ponantur.”
° Ed. Roth. 375: Si gastaldius aut quicunque actor regis aliquid per
gairethinx, id est donationem ab alio quemque factam, conquesierit, sit illi
stabilem, si per preceptionem indulgentiae regis in eum fuerit confirmatum;
slioquin quidquid, ut predictum est, post suscepta administrationem per gai-
rethinx adquisiverit, ho® totum regi adquirat et non suum proprium nomine
vindicet nec ipse nec heredis ipsius.
2 Ed. Roth. 374: Si quis sculdahis aut actorem regis occiserit utilita-
tem regis facientem adpretietur pro libero hominem, sicut in hoc Edictum
legitur, et parentibus legitimis conponatur, excepto in curtem regis conponat
qui eum occiderit solidos octugenta. Et si battutus fuerit aut legatus simi-
liter conponatur pro liberum hominem aut secundum nationem suam, sicut in
hoc Edictum constitutum est, excepto in curtem regis pro culpa solidos
octugenta.
3 Cod. dipl. V, 238: Signum + manus Magnefridi actor testis.
* Ed. Liutpr. 59: Bi quis gastaldius vel actor curtem regiam habens
ad gobernandum; Ed. Liutpr. 139: In nomine Domini noditis qualiter jubit
domnus rex ad omnis actores suos, qui curtis ejus comissas habent; Ed.
Liutpr. 140: Quoniam nec in rebus publieis nec ulla rationem palatii pro-
fueret quod exinde actores nostri tollerunt, et insuper invenimus et cognorvi-
mus multos actores nostros, qui tolliebant de singulis unde decem solidos,
495
ter des Krongutes, der Aktor Publitus !, auch wohl blos Publikus
genannt ?, entgegen; ohne Zweifel umfaßt biefer Ausdrud die niede-
ren richterlichen und Verwaltungsbeamten, von welchen der Juder
als der höher Stehende getrennt wird. Ä
Zugleich erjcheint für den Aktor des Herrfchers, und zwar na-
mentlih in Urkunden, ein Iangobardifcher Name: Stario, urfprüng-
lich fo viel als Scherge, Fronbote, Gerichtsvollftrederd. Die Iden⸗
tität beider ift allerdings nirgend beſtimmt ausgeſprochen; doch macht
die ganze Stellung des Skario eine foldhe in hohem Grade wahr-
ſcheinlich. Schon der erjte, deffen überhaupt Erwähnung gefchieht,
Preto * wird in bejtimmte Beziehung zu einer königlichen Kurtis ge⸗
jet, und bei dem Zaufche zwifchen den Erben des Malers Auripert
und dem herrichaftliden Hofe in Luffa tritt als Vertreter des Leß-
teren neben dem Herzog Alpert der Stario Teupert entjchieden in
den Bordergrund. Daſſelbe Diplom, welches uns davon Kunde
gibt, deutet allerdings darauf hin, daß es auch Skarionen der Kirche
gegeben habe; diefen würden dann die oben genannten Aftores der
Klöfter entjprechen 6.
unde sex, unde amplius; Lex Liutpr. 4: Unde precepimus, ut qui amodo
inventus fuerit de servo aut de aldione vel abthin de curte nostra aliquit
emere, ipsum perdere habet, sicut qui res alienas malo ordinem invadit; et
si actor consenserit aut conscius fuerit, res ejus tollere et inpublicare faciat.
2 Ed. Liutpr. 42: Si quis judex aut actor puplicus in qualicunqgue
eivitatem aut locum inter homenis qui aliquam discordiam habent trewas
tolerit.
2 Ed. Liutpr. 56: Si quis alium de furto pulsaverit et per pugnam
eum vicerit, aut forte per districtione a publico facta manefestata fuerit;
Ed. Liutpr. 57: Si creditoribus suis omnes res suas dederit, vel a puplico
intromissi fuerent; Ed. Liutpr. 63: Puplicus debeat eum dare pro servo in
manum ejus, cui culpam fecit; Ed. Liutpr. 121: Puplicus deveat eum dare
in manum mariti ejus; Ed. Liutpr. 143: Insuper et publicus in quo loco
factum fuerit conprehendat ipsas mulieres et faciat eas decalvare et frustare
per vicos vicinantes ipsius loci; Ed. Liutpr. 144: Si quis homo sciens al-
dium aut aldiam suam, servum vel ancillam in casam cujuscumque esse aut
copolatus aut aliter, et non eum requesierit aut per judice aut per publico,
et non eum retulerit; Ed.Liutpr. 151: Si quis ex sua auctoritate terra aliena
sini puplico wifaverit conponat solidos sex; Ed. Liutpr. 154: Dare eum de-
beat publicus in manu ejus, cui istas causas inlecitas fecit.
5 Grimm, Rechtsalterthümer S. 882.
* Cod. dipl. DI, 207: Item Preto senex scario regis de curte que
dieitur Sexiano dixit.
s Cod. dipl. IV, 537: Unde aconsentientem Venerabilis Walprand epi-
scopus et av ipso ordinati fuissent ipsa commutationem faciendum Jordanni
arcipresbiteri Rachipert arcidiaconus et Auduaci scario, et da parte curtis
domni regi ab Alpert duce ordinati fuisset ad ipsa res extimandum Teupertu
scario, Teutprand filio qd. Teppuloni et Grasulus negudias.
s Nicht in Betracht kommen bie Starionen und Abvolaten des Klofterd
St. Bincenz am Bolturno, Cod. dipl. IV, 398; denn die Urkunde ift offenbar
gefälſcht. Dagegen erfcheinen einfach Skarionen noch an folgenden Stellen;
Cod. dipl. II, 293: Signum + manus Maurini scario traditoris; II, 485:
Signum + ms. Teutpald vir. devot. scaro testis; IV, 440: Signum + manu
496
Zum man font wohl gemeint hat, daß die Starionen ni
Auße Termuirer gewejen feien. jondern von diefen verfchiebene, *
Seumte auf den Poren des Königs oder der Kirchen, etiwa den ſyr
terea Bogten zu vergleichen ', jo beruhte das auf einer esart m
Zinkte des Komge Aiftuif, welche jegt nicht mehr ale maßgeben
betruchter werden fa. Nach der neuem Ausgabe von Baudi fi
Seeme würde vielmeht miche der einfache Stario, fondern der Ow
‚farto eine "ulhe Stellung einnehmen?. Diefer dürfte aber dem
anh wohl noch eine vom jenem verjchiedene Bedeutung Haben. ©
rcheint numlich Fast, als bezeichne das Wort jemanden, welcher übe
rn gemonniichen Starionen oder Aftoren jtünde, vielleicht in einem
größeren Diſtrikte die Tberaufficht über diefelben führte. Und db
fenbur mußte das Bedürfnis eines derartigen Beamten fich mei
um) uhr geltend muchend, jeitdem die Befugniſſe der Gaftalden u
fa dedeutendem Grade erweitert waren, daß fie ſich ihren frühere,
eigentliche Seichüften doch mar im ſehr befchränkter Weife widmen
konnten. Die Eriſten; des Oveſtario ijt übrigens um fo geficherter,
ale wir ihm auch in Urkunden begegnen 3.
Zu den Altoren gehörten wohl aud die Stanfarben + oder
Skaffarden. vom welden einer im Dienfte des Herzogs Piutprand
von Benevent, ein anderer in dem der Königin Anja genannt wird.
Leder die eigenthümliche Bedeutung des Ardiporfarius in Spolete
dade ich bereits gefprochen.
Gehen wir von diefen Beamten, welche doch immer mehr den
Privatintereſſen der Könige zu dienen beftimmt waren, zu denjenigen
über, die von vorne herein einen öffentlichen, ftaatlichen Charakter an
fih tragen, jo begegnen als die lintergeordnetften in deren Reiche
die Dekane und Saltarien; jene, wie der Name fagt, urfprünglid
wohl die Vorjteher von Zehntjchaften 5, dieſe zunächſt mit der Auf
Teudeperti scarionis testis, Signum f manu Taurilli scarionis testis ; III, 659:
Siguum } ma. Sindonis scarionis testis.
ı Segel I, 468.
® Ed. Aist. 20: Si quis cum curte regis causam habuerit, et evenerit,
ut pars curtis regis sacramentum deducere debeat, si major cause fuerit, per
sacramentum Ovescarioni cum actoribus finiantur, si vero minor causam fuerit,
actor de loco cum actoribus secundum qualitatem causae persolvant sacra-
montum. Ich bemerfe noch, daß von kompetenter Seite mir auch die fprad:
lie Möglichkeit meiner Erklärung zugegeben wird.
8 Cod. dipl. 1V, 418: Signum } manus Grasoni abiscaro domini regi
in Soana; IV, 553: Signum + manus Beati abiscario testis.
* Cod. dipl. IV, 449: Concessimus nos domina gloriosissima Scauni-
perga et dominus vir gloriosiesimus Liutprand summus dux gentis Langobar-
dorum tibi Punnuni scaffardo nostro mulierem nostram nomine Fusam; V,
612: Signum + manus Bertoni scafardo domne regine testis. in britter
aus einem allerdings fpäteren Diplome, aber boch für unfere Zeit IV, 85:
Vicosima tercia scripsio, quomodo Anseramo scanfarda una cum Lupe e
Ansone filii sui venunderant Deusdedit; vol. —— 85: Scafardus =
osconomus, procurator, cellerarius; Waitz, Deutſche igeich. NI, 23 R. 3.
5 Welche Letzteren gewiß aber nicht, wie Leo, Italien I, 69 will, Farae
497
ficht der Forften betraut. Doc war zu Liutprands Zeit, wo diefe
Namen uns zuerft vorfommen, die primitive Bedeutung derfelben offen-
bar ſchon abgeſchwächt; bei dem Saltarius hatte fie ſich ſoweit ver-
foren, daß man neben ihm und verfchieden von ihm andere Forftbes
amte, den Silvanus und den Waldmann, Tannte, deren Befugniffe .
und gegenfeitiges Verhältnis allerdings aus dem einzigen Diplome !,
das fie erwähnt, nicht mit völliger Klarheit hervortreten. Als wir
die Zuftände zu erkennen vermögen, jtehen Dekan und Saltarius,
fchon völlig gleich; fie haben diefelben Rechte, diefelbe Verantwortlicy-
keit. Eine hervorragende Thätigkeit im Gerichte freilich, die man
ihnen wohl hat zufprechen wollen?, üben ſie nicht; fie find feine
Richter, wenn fie auch, wie andere Freie, wohl als Urtheiler ge-
dient haben mögen. Jenes ergibt ſich deutlich aus den Beſtimmun⸗
gen Liutprands fiber da8 Gerichtsweſen, in denen nie fie, fondern
jtets nur die Skuldahis und Yudices aufgeführt werden®. Don
befonderer Wichtigkeit find fie dagegen für die Adminiftration, nament⸗
fi) für alle Zweige der polizeilichen Thätigkeit; Fremdlinge + und
Zauberer ? aufzufpüren, wird ihnen nachdrüdlich eingefchärft, und Nach:
Täffigkeit von ihrer Seite mit ſchweren Strafen bedroht, welche Letz⸗
teren fie theil® an ihren nächſten Vorgefetten, den Sfuldahis, theils
an die Betheiligten, oder auch direft an das Fönigliche Palatium zu
zahlen haben. Andererfeits follen fie für bewiefenen Fleiß und Eifer
Belohnung erhalten: wenn fie Hexenmeiſter over Heren ausfindig
machen, wird ihnen der dritte Theil des Preifes derfelben zugefichert, -
biegen. Die Stelle, welche er Nfür N. A anzicht, beweift gar nicht was fie
fol. Siehe auch Hegel I, 468 N. 1.
1 Grengbeftimmung im Gebiete des Klofter? Bobbio durch Miffi bes
Königs Rachis, Cod. dipl. IV, 260: „Ideo accedentes inibi missi nostri cum
Giselpert waldeman inquirentes per silvanos nostros, id est Oto et Rachim,
veritatem et renovuntes signa et croces cum clavos ferreos adfigentes simul;
IV, 261: Silvani nostri, id est Oto et Rachis, per evangelia firmaverunt in
suprascriptorum presentia.. Darauf hat ſchon aufmerkffam geinacht Muratori,
Antigq. 1, 518.
® So Murstori, Antigq. I, 519; Leo, Stalien I, 70.
5 Ed. Liutpr. 25: Si quis causam habuerit et sculdahis suo causam
dixerit; Ed. Liutpr. 26: Si homenis de sub uno judice, de duobus tamen
sculdahis causam habuerit; Ed. Liutper. 28: Si quis causam hubuerit et
sculdahis aut judex ei secundum Edicti tenore et per legem judicaverit etc.
* Ed. Liutpr. 44: De servus fugace et advena homine si in alia ju-
diciaria inventus fuerit, tunc deganus aut saltarius yui in loco est conpre-
hendere deveat et ad sculdahis suum perducat. Si vero deganus aut salta-
rius hoc facere distulerit conponat solidos IV, medietatem sculdahis suo et
medietatem cujus causa est.
5 EKd. Liutpr. 85: Si quis judex aut sculdahis atque saltarius vel de-
ganus de loco, ubi arioli aut ariolas fuerit, neglexerit amodo in tres mensis
608 exquirere et invenire et per alios homines inventi fuerint, tunc conpo-
nat unusquis de locum suum mediaetatem pretii sui, sicut supra legitur.
Et si manefestatum fuerit quod sciat judex aut sculdahis vel saltarius aut
deganus, ubi ipsi arioli aut ariolas sunt, et eos non condemnarverit, aut pre-
mium tolerit, aut quasi causa piaetatis vel pro qualicunque genio eos absol-
serit, tunc integro wirigild suo in sagro palatio conponat.
499
ochfen oder Kühe (die ohne Weiteres zu pfänden verboten war), fo
foll der Gläubiger zum Skuldahis gehen, diefem die Sache vortra-
gen und ihn von den Vermögensverhältniffen feines Schuldners in
Kenntnis fegen. Dann foll der Stuldahis Pferde oder Rindvieh
nehmen und fie dem Gläubiger zuftellen, bis diefer zu feinem echte
gelange ; verfäumt er e8, fo hat er zwelf Solidi an das Tönigliche
Falatium zu zahlen. Auch das Legtere ift von Intereſſe, infofern
als hier nod) eine direfte Verbindung zwifchen dem König und dem
Stuldahis ftatt findet, während diefer fpäterhin nur in einem Falle
feine Amtsbußen direft an den Hof, fonft ummer an den über ihm
ftehenden Juder zu geben hatte.
Mit größerer Deutlichfeit tritt uns der Skuldahis erft zur Zeit
Liutprands entgegen. Paulus, der die Zuftände des fpäteren Yango-
bardenreiches® aus eigener Anſchauung kannte, bezeichnet ihn ale
Rector loci’ ?, und wir werden darnad) kaum anftehen können, ihn
als eine Drtsbehörde zu faſſen?. Doc dürfte dabei noch zu be-
merfen fein, daß feine Thätigfeit fi) wohl auch auf Cinzelhöfe der
Umgegend erftredte, ebenfo wie auf nahe liegende Heinere Weiler
(Kafales), wie folche häufig in den Urkunden erwähnt werden. Weis
ter zeigen die Gefeße, daß der Skuldahis richterliche, adminiftrative
und militairifche Befugniſſe in feiner Hand vereinigte, und daß er
den Dekanen und Saltarien vorgejegt war, während andererfeits
mehre Stuldahis unter einem Juder ſtanden ®. Seine richterliche
Kompetenz war befchränft; darüber wie über die Bußen, welche ihn
für Nadjläffigkeit im Dienfte trafen, habe ich ſchon früher gefprochen.
Hier ift nur noch zu bemerken, daß er hinwiederum feinerfeits von
der Saumfeligfeit der Dekane und Saltarien profitierte, wie daß
ihm bei der Aushebung das Recht zuftand *, drei fremde Pferde für
feinen Dienft im Felde zu requirieren und fünf güterloſe Freie zu
caballos ipsius et ponat eos post creditorem, dum usque ei justitia faciat; et
si sculdahis dilataverit facere, sit culpavelis in palatio regis solidos XII, et
justitia facta pignus restituatur.
2 Maul. VI, 24: Rector loci illius, quem sculdahis lingua propria di-
cunt. Ebenfo erklärt eine Gloſſe der kavenſer Hdfjchr. des langobardiſchen
Ediktes: Sculdahis i. e. Reetor loci. Doch möchte ich auf died Zeugnis weni⸗
ger Gewicht legen, ald von Waitz, Deutfche Verfgeich. II, 309 N. 1 gefchehen
ift. Die Stoffen find faft alle wörtlih aud dem Ebifte ober einem ber gang⸗
baren Schriftfteller ansgefchrieben, und dad meift ohne eine Spur von Ber:
ſtändnis, fo daß die wunberlichiten Dinge begegnen.
So bei Hegel I, 467; Waig, Deutſche Verfaefh. I, 309. In ber
Sache bafielbe bei Muratori, Antiqg. I, 515: Sculdascii judices pagorum,
castellorum, nos appellamus praetores rurales.
5 Ed. Liutpr. 26: Si homenis de sub uno judice, de duobus tamen
sculdahis causam habuerit; fiche Muratori, Antiqq. I, 514; Leo, Stalien I, 69;
Hegel I, 467. _
* Ed. Liutpr. 83: Sculdahis vero dimittat homenis tres qui cavallos
habent et tollant ad saumas suas ipsos cavallos tres, et de minoribus homini-
bus dimittant homines quinque, qui faciant ei operas, dum ipse reversus fue-
rit, sicat ad judicem dixemus, per ebdomata una operas Ires.
500
beitimmen, welche ihm in ähnlicher Weife fronen mußten, wie wi
das bei dem Juder und Saltarius geſehen haben.
Nach diefer Erörterung fann es wohl keinem Zweifel unterle
gen, daß der Lofopofitus, welcher mehrfacd, im Edifte der Könige!
und aller Wahrjcheinlichfeit nach au in einer Urkunde ? vorkommt,
feinem Wefen nach nichts anderes ift, als der Skuldahis. Damit
ftimmt denn auch die Art, wie er erwähnt wird: er fteht unter dem
Juder, hat aber doch noch Gerichtsbarkeit ?.
Beftrittener ijt der Gentenarius. Schou Muratori* Hatte den
jelben ebenfalls dem Stuldahis gleichgeftellt, und auf einem anderen
Wege, ja, wie es fcheint, ohne jene frühere Annahme zu Tennen, it
Hegel 5 zu demfelben Refultate gelangt. Waig 6 dagegen meint, def
eine folche Behauptung wenigitens der näheren Begründung ermar
gele, im Grunde ift er gegen fie; boch haben auf feine Anficht is
diefem Falle wohl die fpäteren deutjchen Berhältniffe einen zu
großen Einfluß geübt. Denn einmal zeigt jedenfalls fchon der Name
des Gentenars, daß diefer eine höhere Behörde war, als der Dekan,
der urfprüngliche Vorfteher der Zchntfchaft; andererfeits aber beweift
das eben in der Note angeführte Geſetz des Rachis, daß er dem Inder
untergeben, daß er aber doc nod) Richter war. So jteht er offenbar
auf derjelben Stufe, wie der Skuldahis und der Xofopofitus, und
dem entjpricht e8, wenn er in der genannten Beſtimmung, welde
übrigens Muratori und Hegel noch nicht bekaunt war, den Plak
zwifchen beiden einnimmt. In den Urkunden begegnet er ziemlid
häufig, befonders in toßfanifchen 7; doch muß der Name auch in den
‚ anderen Landſchaften geläufig geweſen ſein; wenigſtens ein Diplom
zeigt, daß er auch in Spoleto gebraucht wurde ®. Unter den übrigen
ift befonder8 dasjenige hervorzuheben, in welchem der Zuſtimmung
von zwei Gentenaren zu der Wahl eines Priefters gedacht wird’.
ı Ed. Liutpr. 96: Si quis pro causam suam aliquid judici aut ad qur
lemcunque locopositus vel fidelis regi dederit.
2 Cod. dipl. V, 724: Ego Bonto I. p. (locopositus?) rogatus a Sen»
dori in hanc vegasationis cart. test. sscri.
5 Not. Rach. 1: Rectum nobis paruit esse, ut unusquisque judex in
sua civitate debeat cottidie in judicium residere, et ipsi judices volumus ut
in eo tinore precipiant a sculdahis suos aut a centenarios aut ad locopositos
vel quos sub se habent ordinatos, ut et ipsi similiter faciant.
* Antigg. I, 522, 523.
°s Italiſche Städteverf. I, 417.
6 Deutſche Verfgefch. II, 308.
7 Cod. dipl. HI, 203: Item Ellerad centenario de vico Pontano dixit;
Item Sindari centenario similiter dixit; III, 204: Gisulfi centenario similiter
dixit; III, 632: Placuit atque convinet inter Tasulu centinarius et Pertulu,
qui Baruccio; IV, 526: Signum manus Baudi centinarii testis.
8 Cod. dipl. V, 363: Signum + manus Rudechis centinarii testis. Vie
Urkunde ift für Farfa ausgeſtellt..
9% Cod. dipl. IV, 227: Manifestu sum ego Luceri v. v. presbiter quis
reprometto et spundeo tibi Walprand episcopo pro eo cot me una cum filüs
ecelesie in ecclesia 8. Petri in loco Mosciano presbiterum hordinasti, in
501
Sie erfhheinen darin offenbar als bie weltlichen Vorfteher der Kir⸗
chengemeinde (Plebs), des Ortes, was unfer früheres Refultat nur
beftätigen Tann. Denn daß in diefer Zeit e8 immer, gerade hundert
Freie gewefen, welche ihnen unterftanden, ift nicht nachzumeifen, ja
nit einmal wahrſcheinlich; auch die Analogie der Verhältniffe im
Frankenreiche |pricht dagegen: der alte von der Zahl entlehnte Name
blieb, während doc) längft die Lofale Eintheilung entjcheidende Wich-
tigfeit geivonnen hatte.
So fehen wir, wie auch die niederen Beamtenverhältniffe bei
ben Langobarden reich und mannigfach ausgebildet waren. Doc
fehlt dabei zugleich eine gewifje Einheit der Organifation nicht ganz;
namentlich feit Liutprand tritt das Beitreben, zu uniformieren, zu
centralifieren auch in diefen Kreifen entfcjieden genug hervor. Wäh-
rend Duces, Komites und Gaftalden allgemein zu Judices geworden
find, nehmen Stuldahis, Lokopoſiti und Gentenare wiederum ihrerfeits
im Großen und Ganzen diefelbe Stellung ein, fie vornehmlich find
als Publici bezeichnet; das dritte und letzte Glied in der Kette
endlich bilden ‘Defane und Caltarien. Alle aber werden, foweit wir
erfennen, vom Könige ernannt; einzig die Herzoge von DBenevent
und Spoleto beftimmten, wie wie wir oben gejehen, die ihnen unter-
gebenen Beamten felbjt; eine Wahl durch das Volk wird nirgend
angedeutet. So lag denn am Ende doch die entjcheidende Bedeutung
wefentlih bei dem Königthum; durch feine Organe, die Beamten
höheren und niederen Grades, war e8 ihm möglich, nad) jeder Seite
ftantlicher Wirkſamkeit hin erfolgreich einzugreifen, und das um fo
ausgedehnter und allgemeiner, als bei den Yangobarden jene Immu⸗
nitäten fehlten, welche im fränfifchen Neiche ſchon damals anfiengen,
der Gewalt des Herrfchers merflichen Abbruch zu thun. Erſt Karl
dem Großen war e8 vorbehalten, diefe Inftitution auch auf italifchen
Boden zu verpflanzen.
omnem ris ecclesie cunfermasti cum consensu Ratperti et Barbulu centinariis
vel de tota pievem congrecata.
Auhang 2.
Das Iangobardifche Gefinde.
Es ift jet allgemein anerkannt, daß das germanifche Gefolge
nicht auf einer materiellen Grundlage, wie etwa der Verleihung ven
Grundbefig beruhte, fondern auf einem fittlihen WVerhältniffe, af
ber Treue, welche den Führer mit den Genoffen verband. Schwar
fender find die Anfichten über die rechtliche Frage, went in den ver
Schiedenen germanifchen Reichen, die fi) nach der großen Wanderum
£onfolidierten, ein folches Gefolge zugeichrieben werden könne, ob mit
dem Könige, ob auc den Großen, ob gar jedem Gemeinfreien. Fin
die Zuftände im Frankenreiche freilich dürfte feit Roths treffliche
Ausführung in diefer Beziehung ein gewiffer Abfchlug der Unterfe
hung erreicht worden fein, und auch die angelſächſiſchen Verhältnifſe
find neuerdings von Kemble nad diefer Richtung Hin forgfältig und
Scharffinnig geprüft worden '; am Wenigften ift bisher für bie lam
gobardifchen gejchehen.
Die beutfchen Forfcher, um von diefen zu beginnen, haben,
Soweit ich fehe, diefem Punkte der Verfaffung nur fehr nebeubei ihre
Aufmerkfamteit gewidmet ?. Aus einigen Stellen in Hegels Geſchichte
der italiänifchen Städteverfaffung könnte man vielleicht geneigt fein
zu fchließen, daß er das Gefolgsrecht auf den König und bie Herzoge
habe beichränfen wollen ®; dagegen beweifen andere ganz unzweifel⸗
haft,” daß er dafjelbe auch auf die gewöhnlichen Freien ausdehnt *.
Auf der anderen Seite werde ich anführen dürfen, daß Waig in
feiner Vorlefung über die Gejchichte des Mittelalters im Sommer
1861 ein Gefolge mit Ausnahme der Könige nur den Herzogen zu-
geſtehen wollte.
Eingehender haben fich mit unferer Frage die neueren 8 Itali⸗
äner beſchäftigt. So ſchon Troya in den Noten und Differtationen
2 The Saxons in England I, 155 unb beſonders I, 162 ff.
2 Leo glaube ich bier übergeben zu bürfen. Er bedient ſich zwar bei
Ausdrucks „Sefinde* und „Rittergefinbe” ſehr häufig, ift fi aber über ben Be
griff deſſelben durchaus nicht Kar.
3A. a. O. I, 412: „Im Gefinde eine? Herzogs oder Königs“; 1, 435:
„Dagegen hegaben ih viele Tieber in den Dienft ber Großen ober bes Kö:
nigs“; I, 463: „Das Gefolge ber langobardiſchen Könige und Fürften.”
*A. a. 08.1, 399: „Freiheit und Unfreiheit kamen zufammen in bem
Verhältnis derjenigen, welche ſich als Gefinde in dem Dienft bed Königs, bed
Herzonß oder irgend eincd anderen Freien befanden”.
Bon ben Älteren, wie Muratori und Lupi, bat feiner diefelbe behan—
beit. Der Erftere begnügt ſich Antiqq. I, 128 ff. die Gafindii mit den Vaſſi
u identificieren, Lupi ift hier abbängiger von ihm, als es fonft ber Fall zu
fein pflegt; vgl. Cod. dipl. Bergom. I, 534.
503
zu feinem Codice diplomatico langobardo !; ausführlicher noch
und mehr im Zujammenhange Schupfer in einer Schrift über bie
Stände und den Grundbefig bei den Langobarden ?. Beide find zu
demſelben Refultate gelangt wie Hegel.
Der hauptſächlichſte Grund diefer weiten Ausdehnung des Ges
folgerechtes ift in dem Umftande zu fuchen, daß man nicht genügend
zwifchen den einzelnen Ausdrüden der Quellen gefchieden hat. So
nehmen Hegel s ſowohl als Troya + die Wörter ‘gasindius’ und ‘ob-
sequium als völlig gleichbedeutend, Schupfer geht noch) weiter, indem
er fogar aus Wendungen wie “servire, in servitio .esse’ auf ein
Gefolgſchaftsverhältnis fchliegen zu können meintd. Es wird bie
erfte Aufgabe der folgenden Unterfuchung fein, nachzuweiſen, daß
biefer Ausgangspunkt der Forfchung ein irriger ift.
Wir betrachten zu diefem Ende zunächſt das Wort obsequium'.
Daffelbe findet ſich im Edifte der langobardifchen Könige dreimal.
Buerft Ed. Roth. 167: Si fratres post mortem patris in casa
commune remanserint, et unus ex ipsis in obsequium regis
aut judicis aliquas res adquesiverit serviendum; dann Ed.
Roth. 226, wo über denjenigen, weldjer vollfrei aber nicht amunb
entlajfen iſt und kinderlos ftirbt, beftimmt wird: Si aliquit in
gasindio doces aut privatorum hominum obsequium donum
conquisivit, res ad donatorem revertantur. An diejen beiden
Stellen könnte ‘obsequium’ wohl von einer ehrenvolleren Art der
Dienftleiftung verftanden werden, wenn es auch in der zweiten von
‘gasindius’ beftimmt genug gefchieden wird, ganz unmöglid aber ijt
eine folche Auffaffung bei der dritten, Ed. Aist. 10: Ideo statu-
ere previdimus, ut si quis Langobardus moriens sororem
unam aut plures in capiıo in casa reliquerit et filium unum
aut plures, filii ipsus debeant perpensare, gnaliter amedanes
eorum absque necessitate vivere possent secundum qualitatem
substantiae suae, ut amedanes eorum indigentiam non patian-
tur neque de vestimentum neque de calciamento, sed nec de
obsequium suum. Dieje Verbindung mit Lebensmitteln, Kleidung
und Shußwerf zeigt deutlich‘, daß unter ‘obsequium’ hier nur die
gewöhnlichjte Bedienung verjtanden werden Tann, gleichviel ob fie
von Sklaven, Aldien oder armen Freien beforgt wurde.
In den Urkimden erfcheint “obsequium’ zunächſt, um den Dienft
des Priefters zu bezeichnen. So in einem Diplome des Bifchofs
Talesperianus von Lukkas aus dem Jahre 718: Quoniam bene-
1 Cod. dipl. I, 241 n. 203; II, 445 ff.; III, 55 n. 2; V, 765. n. 1.
2 Degli ordini sociali e del possesso fondiario appo i Langobardi, ©.
70—76.
5 tal. Städte I, 399: „Als Gefinde in bem Dienft (in gasindio, in
obsequio); I, 465: „Diefem Gefolge (obsequium) von Gefindeleuten (gasin-
dü); vgl. I, 436 N. 2; 464 N. 3. |
* Cod. dipl. OD, 241 n. 2,
5 Degli ordini ©. 72 und 76.
$ Cod. dipl. II, 278.
33*
504
servientium opsequia dignum semper remunerationem subk
vare deveatur und ebenfo in einer Uebertragung der Kirche Et
Mamiliano in Kollina dur den Biſchof Andreas von BPifa ! vom
Yahre 757: Idcirco auctore deo superius nominatus Andres
episcopus considerans tuo Atoni obsequium et fidelem serri
tium. Don ganz niederen Dienftleiftungen wird es dagegen im
Teitamente eines Luccheſers David vom Jahre 773 gebraudt?.
Derjelbe bedenkt feine Gattin folgendermaßen: Volo, ut haveas ta
nominata Ghiseruda dum advixeris in opseequio tuo Maria,
Agiolus Ratpertulus et Briculus et Dugnulu, post ... o tw
sint liberi et absoluti ab omni jus patronati. Offenbar find
hier bie im ‘obsequium’ jtehenden Sklaven oder Aldien, das “obse
quium’ felbjt dem jus patronatus’ gleichgeitellt.
Wenden wir uns endlich zu Paulus, fo kommt hier das Wort '
in jehr verjchiedenen Bedeutungen vor. Denn an eine -Dienftbezie-
hung edler Art muß gedacht werden, wenn e8 I, 20 von der Tod
ter des Tato heißt, als fie den Bruder des Herulerfünigs Rodulf
vorbeiziehen fieht: Ila multitudinem virorum et nobilem comi-
tatum adspiciens interrogabct, quis iste esse possit, qui tam
sublime obsequium haberet. Nicht anders wohl III, 16, wo
die Herjtellung des Königthums bei den Xangobarden erzählt und
dabei von den Herzogen berichtet wird: Omnem substantiarum
suarum medietatem regalibus usibus tribuunt, ut esse possit,
unde rex ipse, sive qui ei adhaererent ejusque obsequiis
diversa ofhicia dediti alerentur, und in der ganz ähnlichen Stelle
V, 33: Exinde ad patriam rediens (Perthari), cum ad clau-
stra Italiae venisset, jam ibi omnia obsequia palatina omnem-
que regiam dignitatem praeparatam esse repperit. — Dagegen
bezeichnet ‘obsequium’ ein fehr untergeordnetes, wahrfcheinlich ein
Sflavenverhältnis® V, 2, wo e8 von einem, welcher dem Perthari
einen Gang Speifen bringt, heißt, er fei de ejus (Pertharidi)
patris obsequio gewejen; ficher das Lettere in der von Hegel wie
von Leo gänzlich misverjtandenen Stelle II, 31: Iste (Cleph) cum
annum unum et sex menses regnum obtinuisset a puero de
suo obsequio gladio jugulatus est.
Denn ‘puer’ fteht allerdings wohl auch für „Knabe“; dann
aber faſt immer mit einem dies näher bezeichnenden oder erläutern-
den Zufage wie Ed. Liutpr. 99: De puero intra aetatem de-
crevit clementiam nostram; Paul. IV, 43: relicto in regno filio
suo Adaloaldo admodum puero, oder auf einen vorhergehenden
1 Cod. dipl. IV, 680.
2 Cod. dipl. V, 706.
5 Scupfer freilih meint &. 71: Colui che primo disse a Bertarido
delle insidie di Grimoaldo fü tale, ch’ era stato prima nel seguito del suo
padre. Allein die Stellung des Menſchen ift doch eine zu niedrige, als daß
eine folhe Meinung gerechtfertigt erfheinen Könnte Anders ftünde die Sache,
wenn er etwa als ein Oberbeamter bed Balaftes be zeichnet wäre.
505
genaueren Ausdrud zurückweiſend!; fonft im Edikte nie (meift in-
fans’) und auch bei Paulus nur in der Elegie und dem Hymnus
auf den h. Benedikt ?, der bier kaum in Betracht kommen dürfte,
und VI, 58: Denique cum rex Liutprandus in Urbem silvam
venatum isset, unus ex ejus comitibus cervum sagitta per-
cutere nisus ejusdem regis nepotem, hoc est sororis ejus filium,
Anfusum nomine sauciavit. Quod rex cernens, valde enim
eundem puerum amabat, etc. Doch ſcheint felbft in der leßten
Stelle in dem vorausgehenden ‘sororis filius’ wenigftens eine Art
Andeutung jüngeren Alters zu liegen.
Dagegen fommt ‘puer für „Sklave“ fchon Ed. Roth. 259
vor: Si liber homo puerum aut servum suum furtu facere
jusserit, et ipse furtus inventus fuerit; ebenfo Ed. Liutpr. 135:
Quidam homo dixissit ad servum alienum: Veni et occide
dominum tuum. Ile autem puer suasus ab ipso intravit in
causam ipsam malam. Bejonders häufig aber erfcheint es in die⸗
fer Bedeutung in den Urfumden, wo e8, foweit ich fehe, in anderem
Sinne gar nicht fteht?. So wird Cod. dipl. III, 406 vom Ver⸗
Taufe eines Sklaven gefagt: accepit ad Totone auri solidos duo-
dicem nobus finito pretio pro puero nomine Sarrelano, ferner
III, 683: Concessimus nos Godeschale tibi Anfrit puerum
nomine Ursum; IV, 238 urfundet Gifulf II. von Benevent: Con-
cessimus nos tibi Rimecauso pucros duos nomine Ursus et
Ditentius, berjelbe Cod. dipl. IV, 443: Concessimus tibi Urso
thesaurario nostro simul et puerum nomine Florentium; V,
527 fagt Leo in einer Schenkung an Montekaſino: Servos vero et
ancillas omı es liberas constituo, in tali vero ratione, ut nec
puerum nec puellam ad manum alicui tribuant ad serviendum *.
Auch bei Paulus finden wir ‘puer’ fehr Häufig für „Sklave“.
So fteht I, 20 von der Yungfrau Nometruda, ber obenerwähnten
Tochter König Tato's: praecipiens atrocissima belua propriis
pueris, ut eum a tergo lanceis perforarent; III, 8: Ad quem
puer Mummoli adveniens literas ei directas a Mummulo por-
ı So Ed. Liutpr. 129: Nisi si pater aut avius pueri cum legitimi
parentis puelle hoc facere previderit, wo *puer’ biefelbe Perfon ift wie ber
frithere ‘puerolus parvolus et intra etatem legetimam’; Paul. IV, 38: Qui
puer von Grimoald bein Sohne Herzog Giſulfs von Friaul; V, 39 vom
Sohne bed Aldo, beide Male mit früherem ‘puerulus’.
2 Fraudis amice puer suado captaris ab Hydro,
Hydro non caperis fraudis amice pucr.
Peplo puer vitat necem.
35 „Knabe, Kind“ wird bier immer burdy “Alius, infans, infantulus’ ge⸗
geben. So Cod. dipl. IV, 418: Excepto Theudifridulo cum muliere sua et
uno filio suo nomine Personali, alii infantis sui; fiehe auch V, 128, 129, 237,
378, 395, 599.
* Hier alfo wie in dem Diplome für Farfa Cod. dipl. V, 446: Tradi-
dit mihi pro ipsa püella in pretio terram in Maliano fteht fogar ‘puella’ fr
‚eHain Bol. Übrigens noch Cod. dipl. IV, 549, 644; V, 171, 408, 469,
464, .
606
rexit; III, 12 fendet der Kaifer ZTiberius, um ben Schab bei
Narfes zu heben, pueros suos usque ad locum; ebenda es
von demjelben: Segregatis pueris ejus (der Kaiferin Sophie) alios
de fidelibus suis posuit, qui ei parerent; III, 29: Habebat
tunc Agilulf quendam de suis aruspicem puerum.
Mehrfach kommt ‘puer’ in dem angegebenen Sinne auch in
der Geſchichte von der Errettung Perthari's durd Hunulf vor. In
zweiten Kapitel des fünften Buches wird von dem Letzteren erzählt:
Qui puerum misit, ut sibi lectisternia adferret, lectumque sibi
juxta stratum Pertharidi fieri praecepit. Dann jagt er de
Perthari unter den Kiffen, die der ‘puer’ gebradht hat, hinaus mi
den Worten: Servus iste nequam mihi lectum stravit. Später
geftattet König Grimoald diefem Hunulf und einem anderen Getreuen
des Perthari: ut quidquid vellent de domo sua tollerent, pue-
ros scilicet et equos et diversam supellectilem !.
Nach diefen Unterfucdhungen dürfte das Nefultat, welches Roth
für die Anwendung von ‘puer’ im fränfifchen Reiche gefunden hat,
auch für das Tangobardifche als gefichert anzufehen fein: dag nämlid
dies Wort auch ohne Zufag gewöhnlich von Sklaven gebraucht wird,
daß e8 aber ftets in diefer Bedeutung zu nehmen ift, wenn es mit
nachfolgenden Genetiv oder in Verbindung mit proprius, suus und
ähnlichen Wendungen erfcheint.
Darnach wird es nun auch nicht mehr zweifelhaft fein können,
daß der ‘puer de suo obsequio’ unferer Stelle nicht mit Hegel’
und Leo * al8 ein Gefindmann, ſondern als ein Sklave zu faffen
ift 5, daß ‘obsequium’ aljo hier das Verhältnis des Knechtes zum
Herren bezeichnet.
Ebenfo wie fin obsequio esse’ wird ‘obsequium praebere,
obsequi’ bei Paulus von Dienften gefagt, bie jedenfalls mit dem
Gefinde gar nichts zu thun haben. So bei ber Beſchreibung der
Seuche, welche vor dem Einbruche der Langobarden Stalien entoöl-
ferte, II, 4: Si quenı forte antiqua pietas perstringebat ut
vellet sepelire proximum, restabat ipse insepultus et dum ob-
sequebatur perimebatur. Dum funeri obsequium praebe
ipsius funus sive obsequio manebat. Aehnlich wenn von Arnoff
von Metz VI, 16 berichtet wird: Qui eremiticam vitam eligens
leprosis universa praebens obsequia contentissime vixit.
Es ergibt fi alfo, daß ‘obsequium’ ein allgemeiner und um-
faffender Ausdrud für jede Art der Abhängigkeit it, daß es wohl
Paul. V, 4.
Geſchichte bed Beneficialweſens, ©. 152 ff. -
Stal. Städte I, 466 N. 3.
Italien I, 80.
Richtig ſchon, wie ich nachträglich fehe, Lupi I, 144. Uebrigens if
bie Stelle vielleicht aus bem Chronifon des Marius von Avenches entlehnt.
Diefer berichtet nämlich zum Sabre 574, Roncallius ©. 414: Hoc anno Clebus
rex Langobardorum a puero suo interfectus est. Bebarf ed noch ber Bemer:
fung, daß dann unſere Erklärung nur eine weitere Stütze finden würbe?
a2 u Rn
507
auch für den freien Dienft des Gefindmanng ftehen mag, daß e8 aber
ebenjo wohl das Verhältnis des Sklaven zu feinem Herren bezeich-
net. Daraus folgt, daß wir aus der Erwähnung von obsequium'
auf ein Gefolge jemandes zu fliegen Teinerlei Berechtigung haben,
daß daher die Stellen, wo von jenem die Rede ift, als Grundlage
für unfere Unterfuchung nicht werden dienen können.
Ebenfo wenig aber folche, die von einem ‘servitium, servire,
deservire’ handeln. Denn auch diefe Wörter werden ohne Unterfchied
von Dienftleiftungen jeder Art gebraucht, und bei Weiten am Häu-
figften von fflavifchen . Von Sklaven und freien Hinterfaffen er-
fcheint ‘servire’ in einer Schenfung von Farfa ? aus dem Jahre 770:
Do, dono, atque trado casas colonicias cum familiis liberis pro
liberis, servis pro servis meam portionem, qualiter nobis per-
tinent nobisque servierunt; von Kolonen ‘servitium’ in einer Ur»
funde für dafjelbe Farfas: Si ipsi homines coloni nostri resi-
dere voluerint in ipso casale, omne servitium aut dationem
quod nobis fecerunt persolvant in ipso Dei coenobio; von erb-
pflichtigen, jonft perſ öntich freien Leuten*: Nos et parentes nostri
. m. Walperto duci et filiis ejus seu vias facere solemus et
servitium per conditionem traendo cum nave tam granum
uam et salem. An ein ſolches Dienftverhältnis ift wohl auch bei
einer Stelle zu denken, die unbegründet auf ein Gefolge gezogen ift >,
bei dem elften Geſetze des Königs Rachis: Si quiscumque homo
liber in servitium de gasindio regis aut de ejus fidele introi-
erit, et judex eum dolose obprimere quesierit pro eo quod
ipse in servitio alterius introierit: tunc conponat judex, et
ille, in cuius servitio ipse est, habeat licentiam causam ejus
agere. Denn nirgend fonft findet fich eine Andeutung davon, *
der Gefolgsführer ſeinen Gaſindius vor Gericht vertrat: wohl aber
wiſſen wir, daß der liber livellarius’ wenigſtens in der ſpäteren Zeit
vom Eigenthümer des Gutes vertheidigt wurde, und daß dieſer für
ihn mit der Buße haftete 6.
Befonders gern werben die genannten Wörter gebraudjt, um
den Dienft des Prieſters? auszudrüden; zweimal ftehen fie aud) von
ı So Ed.Roth. 217; Ed. Grim. 1; Lex. Grim. 1; Ed. Liutp. 24, 63,
98, 154; Ed. Rach. 6; Ed. Aist. 11, 12, 22; vgl. auch Cod. dipl. III, 114;
V, 68, 171.
2 Cod. dipl. V, 5386.
8 Cod. dipl. IV, 538.
* Cod. dipl. V, 471.
5 Schupfer S. 76; fo auch Hegel I, 436 N. 2, ber aber einmal ‘ob-
sequium’ für ‘servitium’ [ift, was nach ber neuen Ausgabe von Banbi bi
Vesme wohl zu verwerfen ift.
6 Siehe darüber Ed. Liutpr. 62; Ed. Aist, 12 und die weitere Auß-
führung bei Schupfer, S. 136 ff.
7 Cod. dipl. III, 299, 399, 635; V, 83, 140, 179, 212, 287, 290,
336, 341, 396, 403, 457, 463 und au Paul. III, 2: Dei servitium; VI,
16: Christi servitium.
508
Peiftungen der Kinder gegen ihre Eitern!. Bon freiwilligen welt
lihen Dienften eblerer Art ift dagegen servitium’ wohl zu nehmen,
wenn Ronmald II. von Yenevent in einer Beitätigung der Privile
gien für Et. Eophia in Ponticello urfımdet: Quod nominato
Zachariae abbati per fidele suum servitium a nobis concessum
fuit ?, oder wenn Pando ‘vir clarıssimus an Farfa ſchenkt ea
quae per nostrum servitium a domino Haistulfo rege conqui-
sivimus. Etwas allgemeiner dürfte die Sache fi) ftellen Ed. Roth.
167: Si unus ex ipsis (fratribus) in obsequium regis aut ju-
dicis aliquas res adquesiverit serviendum 3 und in einer Ur
funde für Tarfa *: Sed dum ipsum sacramentum venisset ad
facfendum, dixerunt predictus Teudepertus et Martinianus,
quia non juramus pro casalibus istis nec scimus, si ipsi (Pos
sessores) Pro Bervitio suo in donum acceperont.
In unmittelbarer Berbindung mit ‘gasindius’ endlidy findet fi
‘servire’' nur einmal, und zwar Ed. Liutpr. 62: De gasindiis vero
nostris volumus, ut quicumgue minımissimus in tali ordine
oceisus fuerit pro eo quod nobis deservire vedetur conpons
tur CC solidis.
Cahen wir alfo, wie die Stellen, in denen Ausdrüde wie ‘ob-
Bequium, obsequi; servitium, servire’ erfcheinen für bie Löſung
unjerer trage von feinem Gewichte find, fo werden wir uns auf ber
anderen Seite ebenfo fehr hüten müffen, aus Wörtern wie “Nide-
les, amici, homines comites’ etwa auf ein Gefolge fchließen zu
wollen.
Denn “fideles’ bezeichnet wenigftens im Edikte ſtets den allge
meinen Unterthanenverband 5. Co zunächft in mehren Prologen zu
den Gefegen König Liutprande, Prol. I: Una cum omnibus judi-
cibus meis vel cum reliquis fedelibus meis Langobardis;
Prol. U: Ea quae nobis nostrisque judicibus et reliquis Lan-
obardis fedelibus nostris recta conparuerunt, ®rol. IV, VI,
II, IX, X, XI. Ganz ebenfo aber Ed. Liutpr. 77: Omnes
judices et fideles nostri sic dixerunt, quod cadarfeda antiqua
usque nunc sic fuissit; Lex Liutpr. IV über denjenigen, welcher
von einem königlichen Sklaven, Aldien oder Abthin etwas gekauft
hat: In perjurii reatum nobis conparuit pertinere eo quod
nobis fidelis sit; Ed. Liutpr. 96: Si quis pro causam suam
Ed. Liutpr. 113: Si quis Langobardus voluerit in filios suos sibi
bene servientibus aliquid largiri und mit Bezugnahme bierauf Ed. Aist, 13:
A nostria decessoribus jam antea est institutum, ut Langobardus potesta-
teın habeat fillum suum sibi bene servientem meliorare.
2 Cod. dipl. III, 108.
= &o nad dem Kober von Ivrea, alle anderen lafien serviendum weg.
* Cod. dipl. IV, 840.
6 Daß bied der Fall fein Fönne, if ſchon von Hegel I, 466 N. 5 ber:
vorgehoben, der ed auch ausſpricht, daß eine Scheibung bier dringend Noth
en ie ihm ift aber doch wieber barin gefehlt worben, namentlich von
upfer.
509
aliquid gediei aut ad qualemcunque locopositus vel fidelis
regi dederit, Hier könnte es wegen der Verbindung mit uber
und Lokopoſitus vielleicht zuerft den Anfchein haben, als fei unter
‘iidelis’, eine Art Beamter oder auch ein Gefindmann des Königs zu
berſtehen. Aus dem ganzen Tenor des Geſetzes aber und namıent-
ih aus feinem Schluſſe ergibt ſich deutlich, daß von einem Nechts-
gefchäfte die Rede ift, wie es zwiſchen zwei beliebigen Privatpkrfo-
nen jederzeit vorkommen konnte. Nach diefen Analogien glaube ich
auch das “fidelis’ in Ed. Rach. 11: Si quiscumque homo li-
ber in servitium de gasindio regis aut de ejus fidele introi-
erit nur auf den allgemeinen Unterthanenverband beziehen zu müffen.
Diefe Erflärung wird auch durch die Stellung "des Geſetzes fehr
wahrſcheinlich. Denn faßt man, wie man wohl verfucht fein könnte,
fidele’ in gleihem Sinne mit ‘gasindio‘, jo wird man zu ber
Annahme gezwungen, die Vertretung der in ihrem Dienfte Befindfi-
chen fei nur eine Prärogative der Gefindleute des Königs gewefen;
beren Vorrechte werden aber gar nicht im Edikte, fondern erft im
zweiten capitulum in brevi bes Radis abgehandelt. Jedenfalls
wird man Bedenken tragen dürfen, jemanden als Gefindmann des
Königs oder der Herzoge von Benevent und’ Spoleto zur Zeit ihrer
völligen Unabhängigkeit zn nehmen, weil diefe ihn als ihren “Adelis’
bezeichnen. So bei dem Maler, den Schupfer einmal als Gefolgs-
mann anführt '.
Auch fonit kann der Begriff von “fdelis’ ein fo weiter fein,
daß an die beftimmte Gattung von Gefolgsgenoſſen dabei gar nicht
zu denken ift. Dies ift vorzüglich bei einigen Stellen des Paulus
ber Fall, die man mit einer gewiffen Vorliebe angezogen hat, um bie
große Treue hervorzuheben, welche die Gefindleute mit ihrem Füh—⸗
rer verband. So ift 3.3. der Getreue, welcder den König Codes
pert an feinem Derräther, dem Herzog Garibaldi von Zurin, rädıt,
und den man wohl als Gefindmann des Königs bezeichnet hat ?,
offenbar ein Sklave; denn er wird „ein geringes Männlein aus
der eigenen Familie“ des Godepert genannt ®, und nachher heißt es
bon ihm, daß er den Tod „feines Herren“ in ausgezeichneter Weife
gerächt habe +. Aehnlich wird auch von Gifulf II von Benevent
2 Degli ordini &. 59. Zu wie verkehrten Ronfequenzen man burch bie
unrichtige Erflärung bed Wortes gefommen ift, zeigt am Beſten Leo, ber unter
anderen alle Herzoge, Sfulbahis, Dekane und Saltarii im Gefinbe bed Königs
Neben Täßt, Stalien I, 71.
2 Schupfer S. 70. Weit Fomifcher noch faßt Leo die Sache, Stalien
I, 161: Die Blutrache wegen Gundepert blieb nicht Tange aus. iner feiner
Berwanbten, ein fehr Keiner Menfch, den man wohl cben wegen feiner Klein:
beit, bie ihn zur Föniglichen Würde untüchtig machte, veracdhtete, war ruhig in
Pavia zurüdgeblieben u. f. w.
5 Parvus homunculus ex propria Godeperti familia oriundus. ‘Familia’
if aber in folcher Verbindung immer die Sklavenſchaar; vgl. Ed. Grim. 4;
Liutpr. 90, Aist. 13. Die $amilie ber Freien beißt “parentela’.
* Qui licet occubuerit tamen Godeperti sui domini injuriam insigniter
altus est.
510
nicht etwa berichtet, daß fein Gefolge ihn vertheibigt Hätte, fonden
das Tolf in Benwent !.
‘Amici’ ferner dient weder zur Bezeichnung eines Abbängie
keits⸗ noch eines Berwandtichaftsverhältnifjes, fondern hat Iediehd
feine Hafjifche Bedeutung beibehalten. So zunädjft Ed. Roth 144:
Si quando pater fillam aut frater sororem alii ad oxorem
tradederit, et aliqui ex amicis accepto exenio ipsius muliers
aliquit dederit, Ed. Roth 210: Sı quis rapuerit aldiam aut
ancillam alienam et in curtem regis duxerit, et sequens de
minus aut quicumque ex amicis aut servis u. f.f. Ed. Liutpr.
129 ſoll der eine königliche Kurtis verwmaltende Beamte im Scawur
an den König ausdrüdlicd jagen: quod non consentiendum sd
amicum, non ad parentem, non ad premium corruptus seist.
In gleihem Zuſammenhange Ed. Rach. 10: Sı judex neglexerit
judicare, forsitan adtenderit ad gasindio suo vel ad parentem
aut ad amicum suum.
Nur in derjelben Bedeutung von „Fremd“ finde ich das Wert
auch in den Urfunden. Co fagt Ermitaufus, der Ausſteller eines
Diplome ?: Quam venditionis cartula Altipertu amico meo
iscrivere rogavi; ebenfo Kauſuloꝰ: Quam venditionis cartuls
Altipert amico meo iscrivere rogavi; im Jahre 748 teftiert der
Archidiakonus Liutpert von Bila*: In praesentia venerabili patri
nostro Justino episcopo, Gauserado preabitero seo et aliorum
plurium amicorum. Auch erſcheint e8 wohl neben ‘parentes’. ©
verfpricht der Briefter Lucerius dem Biſchof Walprand von Luka
nulla peculiarina facere nisi tantum cause beneditiones
amicos aut parentes, und in ähnlicher Verbindung erzählt
lus 6 von feinem Urgroßvater Qupicis, derfelbe habe, ans
Gefangenfchaft bei den Avaren zurücigefehrt, fein Haus in Cöidale
wieder aufgebaut consanguineorum et amicorum suorum mune
ribus ditatus. Dagegen ift eine Urkunde, in welcher neben ben
‘cognati’ und ‘parentes’ auch den ‘amici’ ein Erbrecht zugefchrieben
wird 7, entjchieden unecht.
Wir kommen zu dem Ausdrude homines'. Derſelbe bezeid:
net ein Abhängigkeitsverhältnis im Edifte nur zweimal, Ed. Roth.
152: Si quis operarios rogaverit aut conduxerit in opera et
caso facientem contegerit ex ipsis mori, non requiratur ab
eo qui conduxit aut rogavit, tantum est ut per ipsius factum
qui conduxit aut ab hominibus ejus non morisatur und Ed.
2 Maul. VI, 55: Beneventanorum populus eos peremerunt sui ducis
vitam servantes.
Cod. dipl. IV, 176.
Cod. dipl. IV, 232.
Cod. dipl. IV, 398,
Cod, dipl. IV, 228.
Paul. IV, 89.
Cod. dipl. IV, 94.
zoom. 0a»
512
fih ‘comitatus’ und ‘comites’ Auffchluß über unfere Frage. Den
das Erſtere fommt, foweit id) fehe, nur an der ſchon oben ange
führten Stelle, bei Paulus I, 20, als identifh mit “obsequium
vor; das Legtere auch nur bei Paulus V, 23, wo, nachdem die
Rückkehr Herzog Wektari's nah Friaul erzählt ift, folgendermaßen
fortgefahren wird: Cujus comites cum ad propria remeassent,
und bei dem fchon erwähnten Jagen Liutprande. Beide Male kam
e8 zweifelhaft fein, ob von Gefolgsleuten oder einfach von Begleitern
die Nede ift. Dies ift fogar das Wahrfcheinlichere.
Es bleiben uns alfo für unfere Unterfuhung nur diejenigen
Stellen, in denen das Wort “gasindius’ erfcheint. Denn dies ber
zeichnet immer das durch freiwilligen Anfchlug herbeigeführte ehren
volle Dienftverhältnis, das wir eben Gefolge nennen. Gegen dieſe
Meinung ift freilich Troya! aufgetreten mit der Anficht, daß jener
Ausdrud auch wohl zur Beitimmung anderer Abhängigfeitsbeziehm-
gen gebraucht werden könne, wenn auch nur irrthümlich oder durd
eine Erweiterung des urfprünglichen Begriffes. Er ftüßt fich dabei
befonders auf eine Stelle in der Dotationsurfunde des berühmten
Klofterd der h. Maria in Ticinum?, die ich bier wörtlich anziehen
muß: Ubi nos supradicti fundatores Christi fideles Senator et
Theodelinda donamus et conferimus omnem facultatem no
stram, quam possidemus atque domino permittente potueri-
mus adquirere, tam intrinsecus domus cum familia, quamque
colonos cum omnibus cespitibus, universa in inte mobil
et immobilia, excepto quod pro anime nostre salute jam con-
tulimus in locis Sanctorum. Gasindiis ® ac libertis nostris,
quos in libertate secundum nostram institutionem manere
raecepimus, ut cuicunque adhuc sincera voluntate, non do-
{oso animo sub reverentia Dei largiri voluerimus. Hier hat
Troya die ganze Sache dadurdy verwirrt, daß er das “quos’ dees
legten Sages ganz willfürlih und ungerechtfertigt auf “gasindiis’
und *libertis’ zufammen bezieht, nachher ftatt “adhuc’ das gan;
unpafjende ‘aldio’ Hineinkonjiciert und nun meint: „So wird es Kar,
daß hier nicht von edlen Gafindien die Rede ift, fondern von Aldien
und freigelajfenen Sklaven.“ Offenbar aber ift der Sinn der Worte
folgender: Senator und feine Frau verſprechen dem neu gegründeten
Klofter alle ihre Habe mit Ausnahme deſſen, was fie fchon an ans
dere Kirchen oder Klöfter gewendet haben oder was fie in Zukunft
noch (adhuc) ihren Gefindmannen oder ſchon früher Preigelaffenen
fchenten wollen. Dabei ift denn doch die Unterfcheidung zwiſchen
‘gasindii’ und Jiberti deutlid) genug ausgedrüdt.
I Cod. dipl. II, 445.
2 Cod. dipl. III, 168 n. 1.
° Das von Redaelli in den Tert gefehte ‘cespitibus’ ift eine unhaltbare
Konjektur.
613
Zwar wird auch fonft !' die Möglichkeit erwähnt, daß Freige⸗
laffene im Gefolge eines Herzogs ſich befanden; aber wohl zu mer-
fen, nicht etwa als Aldien, fondern als vollfrei wenn auch nicht
amund Entlafjene, die im Leben gar Feine Beziehung mehr zu ihren
früheren Herren hatten, deren Erbfchaft nur an bie Lebteren fiel,
im alle fie Tinderlos ftarben ?.
Im Uebrigen finden wir die gasindii' ſtets als Vollfreie $; ale
befonder® ausgezeichnet durch Reichthum und Anfehen die des Königs,
unter denen es freilich felbft wieder noch verfchiedene Rangſtufen
gab. So gründen drei Brüder Theutpert, Rotpert und Godepert,
föniglihe Gefindleute, im Verein mit dem Archipresbyter Siegmund
vor den Mauern von Lukka ein reich ausgejtattetes Hospital, unter
Anderem verſprechen fie für daffelbe den Zehnten von allen ihren
Beſitzthümern in Tuscien, der von ihnen felbjt, ihren Erben oder
Aktoren gezahlt werden fol. Tuido von Bergamo, Gefindmann des
Königs, vertheilt in feinem Zeftamente + eine bedeutende Anzahl von
Meeiereien in drei verjchiedenen Yudiciarien, der von Sirmio, Ve:
rona und Bergamo. Freie Männer treten in ihren Dienft ein 5,
felbft rechtlich ift ihnen zeitweife wenigftens eine gewiſſe Ausnahme:
ftellung eingeräumt ®.
Neben dem Gefolge bes Königs finden wir aber ficher wenig-
ſtens zur Zeit des Defiderius aud ein foldes der Königin’. Es
trätt beſonders zu Tage in einigen Urkunden für das von Anfa wie
von den übrigen Mitgliedern der Familie hochgeehrte und reichbe-
gabte Klofter der 5. Yulia in Breſcia. So heißt e8 in einem Di-
plome des Defiderius und Adelchis zu Gunſten deffelben®. „Es
ift offenbar, daß Kunimund von Sermio einen Streit innerhalb un⸗
feres heiligen Palaftes begonnen und dort den Manipert getödtet
hat, den Gafindius der ruhmvollen Königin Anja, unferer Gattin
und Mutter“, ein anderes Mal tritt ein Alpert, Gefindmann der
Königin als Zeuge auf ?.
Bon geringerem Intereſſe ift bie Trage, ob den Söhnen oder
2 Ed. Roth. 225; fiehe auch Waitz, Deutihe Verfgeſch. I, 133.
® Ed. Roth. 224 $. 3 und 225,
5 Sie zeugen vollgiltig in Urfunden; fiehe Cod. dipl. IL, 55: Signum
+ manus Petri gasindü testis; IH, 115: Ego Florentius gasindio in hanc
cartola rogans scripsi; III, 429: Ego Ramigis gasundius rogatus ad Caudiana
in hanc pagina vindicationis suscer.; III, 627: Signum f manus Anfridi v.
devoti gasindii testis, jiehe auch IV, 875; V, 534, 640, 765.
* Cod. dipl. V, 729 ff.
5 Ed. Rach. 11.
6 Ed. Rach. 14.
7 Das bat fhon Schupfer S. 76 bemerft.
8 Cod. dipl. V, 323: Manifesta causa est eo quod Cunimundo de Ser-
mione comisit scandalum intra sacrum palatium nostrum et occisit in ibidem
Manipert gasindum gloriosae Ansae excellentissimae reginae conjugis et ge-
nitricis nostrae,
?° Cod. dipl. V, 487: Ego Alperto gasindi domne reginae nach ber
befferen Lesart Aſtezati's.
614
Brüdern ber Tangobarbifchen Könige ein Gefolge zugeftanden kık
Denn die Erfteren wurden meift ſehr bald Mitregenten ber Yäle,
fo Adelwald, Kunipert, Adelchis; als foldhe Hatten fie natürlich ie
Recht auf ein Gefinde; von Letteren aber ift uns wit Autusim
der Brüder Rachis und Aiftulf überhaupt nichts befannt: md
diefen verwaltete Aiftulf, während Rachis herrfcdhte, das
in Friaul, hatte aljo, wie wir fehen werten, ſchon denmach die
rehtigung, ein Gefolge zu halten, Rachis dagegen war währe)
der Regierung Aiſtulfs Mönd in Montekaſino, kann alfo hier ge
nicht in Betracht kommen.
Steigen wir von ber Füniglichen Familie in niedere Kreife ker,
fo tritt uns alsbald die Nothwendigkeit einer genauen Scheibung fe
verfchiedenien Perioden entgegen. Für die ältere Zeit ſcheint mir ii
ſchon mehrfach angezogene Geſetz entjcheidend, mo es in den Pelle
mungen über die Erbfolge eines vollfrei aber nicht amımd Entlafe
nen heißt !: „Wenn er im Gefinde eines Herzogs oder im Diet
(obsequium) von Privaten etwas als Gefchent erivorben, fo fol
die Sachen an den Schenker zurüdfalfen“. Hier ift ein abfichtlide
Unterfchieb zwifchen ‘gasindius’ nnd ‘obsequuum’ :
bar foll eben ausgedrückt werden, daß mit Ausnahme des König
ein Geſinde nur den Herzogen, andern Yeuten böchftens ein ‘ober
quium’ zuftand. Und das wird wenigſtens für die Mitte des ſicben
ten Jahrhunderts beftimmt feftzuhalten fein. Weber die nächftfolgene
Epoche ſchweigt das Edikt; weder unter Grimoalds noch unter Lin
prands Zuſätzen findet fi, eine Erwähnung von Gefindleuten, ausge
nommen allein das zweiundfechzigfte Gefeß des Letzteren, wo aber
nur von dem Gefolge des Königs die Rede if. Erft unter Rad
erfcheinen wieder nicht königliche Gefindleute; hier aber nicht alien
In Verbindung mit ben Duces, fondern allgemeiner mit den Yub
ce6?: „Wenn ein Yuder verabfäumt hat zu richten, fei e8 daß er
auf feinen Geſindmann oder Verwandten oder Freund Rückſicht ge
nommen, fei e8 daß er durch ‚Geld fich Hat beftechen laſſen, dann
foll er fein Wergeld büßen.“ Doch würde aus der Stelle an fid
nicht beftimmt folgen, daß zu Rachis Zeiten auch die Gaftalden ein
Gefinde halten durften. ‘Denn man fönnte ja für das einzelne Ber
hältnis des Gafindins aus dem allgemeinen Ausdrucke, Judices
nur den Dux herausdenfen; was auf den erſten Anblid allerdings
etwas Fünftlich erjcheinen mag, keinesfalls aber fo von vorne herein
zu verwerfen wäre.
So ergibt ſich, daß eine vollftändige und fihere Löfung unferer
Frage für die Zeiten nad) Rothari aus dem Edikte allein nicht wird
gewonnen werden fünnen. Höchſtens daß ſich aus demſelben noch
ı Ed. Roth, 225: Si aliquit in gasindio doces aut privatorum hominum
obsequium donum conquisivit, res ad donatorem revertantur.
% Kd. Rach. 10: Si judex neglexerit judicare, forsitan adtenderit ad
gasindio suo vel ad parentem aut ad amicum suum vel ad praemium cor
ruplus, tune conponat widrigild suum.
615
‚ein negativer Beweis in der Sache entnehmen ließe. Vergleicht man
nämlich die zulegt angezogene Stelle mit einer anderen aus dem
Edikte Liutprands!: „Im Schwure felbft foll der Aftor fagen, daß
er nicht Anzeige mache einem Freunde oder einem Verwandten zu
Gefallen, nicht durch Belohnung verführt, fondern weil er es ficher
wiſſe“; jo fällt augenblicklich auf, daß der Letteren, fo gleichartig
fte fonft der Erſteren ift, doch die Rückſichtnahme auf den Gafindius
fehlt. Nach der Lage der Umftände, glaube ich, wird man aus die-
fer Abweichung den vorläufigen Schluß ziehen dürfen, daß nicht ein⸗
mal die Aftoren des Königs, gefchweige denn einfache Privatleute
ein Gefolge zu halten befugt waren.
Wenden wir uns zu den Urkunden, fo Tann ich zunächſt nicht
mit Schupfer in den Zeugen, welche ſchlechthin als Gaſindii unter-
fchrieben haben, Geſinde von Privaten erkennen. Er meint, diefelben
würden, wären fie Gefolgsgenoffen eines Könige oder Herzogs ge⸗
weſen, nicht ermangelt haben das anzuführen. Aber wie, wenn es
fid) nun von felbft verftand, daß fein anderer als der König, ber
Kup oder der dem Letzteren in diefer Zeit falt völlig gleichitehende
aftalde ein Gefolge halten durfte, wenn jeder Gafindius eben durd)
die Bezeichnung ſelbſt fchon als Gefindmann fo hervorragender Männer
bezeichnet ward? Viel mehr könnte man verjucht fein, bei diefem
bloßen Gafindius, vielleicht mit Ausnahme der Beneventaner und
Spoletaner Urkunden, an fönigliche Gefindleute zu denken, ebenfo
wie bei dem einfachen Aktor ftetS ein folcher des Königs zu verfte-
hen ift, obwohl es deren auch bei Klöftern und bei Privaten gab.
Ja e8 jcheint faft, als ob ſich nur unter einer ſolchen Vorausſetzung
die Ausbildung des einfachen Gafindius als des Ehrentiteld erflären
ließe, wie er doch offenbar erfcheint ?. |
Weiter beweifen auch die beiden Diplome, durch die man hat
darthun wollen ®, daß jeder beliebige hätte ein Gefolge halten dür⸗
fen, offenbar nicht das, was fie follen. Es ijt einmal die Verkaufs:
urkunde von zwei Xertiatoren der Silverada an einen Subdiafon
von Neapel *, wo allerdings der als Zeuge fungierende Troald, Ges
findemann des ‘dominus Argus’ °, unſere ganze bisherige Entwid-
lung umguftürzen fcheint. |
Mich machte hier vor Allem das dominus' aufmerffam. Ich
glaubte nämlich bemerft zu haben, daß diefe Bezeichnung ohne Ver⸗
1 Ed. Liutpr. 139: Dicat actor in ipso sacramentum, quod non con-
sentiendum ad amicum, non ad purentem, non ad premium corruptus, nisi
quod certo seiat.
2 Sehr auffallend würde auch, wollte man Schupfer's Anficht folgen,
bad Verhältnis der erhaltenen Zennniffe fein. Denn es kämen dann auf eis
nen Gafindius, der als foldyer eines Herzogs, bes Giſulf von Benevent, er:
wähnt wird, act von Privatleuten.
5 Troya, Cod. dipl. V, 765 n. 1; Schupfer ©. 76.
* Cod. dipl. V, 763 ff.
s Cod. dipl. V, 765: Hoc signum f manus Troaldi casindi domni Ar-
gus, qui testes existit. j
617
unter Gifulf II, fondern fchon unter Gifulf I fegen müffen. Das
kann aber ohne Schwierigkeit gefchehen: zweifelten doch die erften
Herausgeber felbjt, welchem der beiden gleichnamigen Herzoge e8 an-
gehöre !. Tür beider Regierungen paßt die erwähnte Indiktion, für
Giſulf I würde fie auf 703, für Gifulf I auf 748 fallen. Da-
gegen ift der Grund, welchen Troya für feine Meinung anführt,
daß wegen ber Bartnäcdigen Kriege Gifulfs I mit den Nömern ein
Handel zwiſchen Beneventanern und Saiferlichen in Neapel nicht
wohl habe Statt finden können, Teineswegs durchſchlagend. Denn
einmal berichtet Paulus gar nichts von einem Angriffe Gifulfs I,
der direft auf Neapel gerichtet gewejen wäre, fondern nur von einem
folden gegen Sora, Hirpinum und Arce und fpäter gegen Kampa⸗
nien, wo er bis Horrea fam. Wohl aber wiffen wir darauf von
Geſchenken, die der Pabft ihm überfendete, und von dem dann er-
folgten Rückzuge und Frieden.
Und fo fönnte man wohl aus diefer Urkunde zu der Annahme
geführt werden, als fei e8 wenigitens auch, den Brüdern der Herzoge
geitattet gewefen, ein Gefinde um ſich zu fammeln. Allein es fcheint
doch mindeſtens bedenflih, das fo unbedingt auszufprechen. Im
Gegentheil wird man, wenn man fid) der ganz anomalen Stellung
erinnert, die Gifulf I dem Tangobardifchen Reiche von Pavia gegen-
über einnahm, wohl anerfennen müffen, daß ein Schluß von ihm
auf die anderen langobardifchen Herzoge nicht erlaubt ift, höchſtens
die von Spoleto ausgenommen.
Die zweite Urkunde, welche man für die Exiftenz der Geſinde
von Privatleuten angeführt get » ift die oben erwähnte Dotation des
Klofters der h. Maria in Ticinum. Allein auch diefe mit Unrecht.
Denn wenn fchon die Nachricht der Piacenzer Chronit des Agaza-
ring ®, nad) der Senator ein Herzog gewejen wäre, wegen ihrer Un-
Marheit keinen Glauben verdient, fo würden doch entfchieden ſchon
die Zeugen beweifen, daß Senator mehr als ein gewöhnlicher Pri-
votmann war. ALS folche erfcheinen nämlich ein Marſchall und zwei
Notare des Königs, ein Vierter, deſſen Amt nicht ganz deutlich ift,
und Bruning ‘vir illuster’*, fajt alle alfo Leute, welche in nächjter
Verbindung mit dem Könige ftanden. Und in eben eine folche wer:
det gerade der Name Arichis ſich auch fonft ganz beſonders verdorben. So
Cod. dipl. V, 169, wo „Atrihus“ fteht; V, 455, wo fogar „Alelcis“ gelejen
wurde.
2 Regü Neapolitani archivii monumenta edita ac illustrata I, 1— 5.
Notiz wie Citat aus Cod. dipl. V, 763 n. 1.
2 Schupfer ©. 75.
5 Bei Gampi, Storia eccles. di Piacenza I, 183; auch bei Muratori
8S. XVI, 625: Tempore, istius (Liutprandi regis) nobilis quidam, mag-
nus dux et senator, construxit atque aedificavit monasterium unum infra ur-
bem Tieinensem sub regimine et defensione apostolicae sedis.
* Bruningus vir illustris, Todo notarius regie potestatis, Saxo vir
maynificus marescarius regie potestatis, Anfrit notarius regis, Sinderam regie
potestatis — .
II. 34
618
ben wir, wenn ich nicht irre, auch den Senator ſetzen müſſen; offer
bar war er einer der hohen Beamten des Töniglichen Hofes, ein
judex palatii’, wahrſcheinlich zugleich im Gefolge des Könige. De
rauf weiſen auch die Güter Hin, welche er als Geſchenk des Lektern
erhalten, wie Pavia als Ausftellungsort des Diplome. Daß a
felbft diefe Hohe Stellung nicht erwähnt, liegt wohl Hauptfählid
daran, daß bei der Schenkung er wie feine Frau mehr als „getrem
Ehriften“ ? Handeln, denn in irgend einem anderen Charafter.
Und nun zeigt und vielleicht gerade diefe Urkunde den Weg zım
richtigen Verftändnis jener Stelle im Edikte des Rachis: „Wem
ein Juder zu richten verfäumt, ſei e8 daß er auf feinen Gafindins
Rüdficht nimmt“ u.f.w. Denn find wir genöthigt, den “judices
palatii ein Gefolge zuzufprechen, fo werben wir es der Analogie
nach den Gajtalden des Königs kaum verfagen dürfen, wenn aud
vielleicht faktiſch das Recht weniger von ihnen geübt werden mochte,
al8 von den Herzogen, namentli wo ihr Brivatgrundbefit nicht
von bedeutender Ausdehnmg war. Ob aud den Gaftalden der Her
zoge von Benevent und Spoleto ein ſolches Recht zugeftanden habe,
‚ mag zweifelhafter erfcheinen; mir ift es kaum wahrfcheinlich, do
läßt fi darüber nad dem jetigen Stande der Quellen ficheres
nicht fagen. Ebenfo wenig über die Zeit, in welcher jene Verände⸗
rung vor fi gieng. Nur fo viel können wir wohl mit Beſtimmt⸗
heit behaupten, daß fie mit dem kräftigen Aufſchwunge der königlr
hen Gaftalden überhaupt und insbefondere mit dem Umſtande zu
fammenhängt, daß jene jet auch die Aufbietung der bemaffneten
Mannſchaft und die von den Herzogen ganz unabhängige Keitung
derfelben im Kriege erhielten.
2 Cod. dipl. III, 168: Senator et Theodelinda donamus omnem facuk
tatem nostram quam possidemus, et quam et parentum successionibus ses
ex regio dono vel quoquo dono ubi habere videmur.
8 So nennen fie fih mit Vorliebe. Gleich zu Anfang und in ber fen
angeführten Stelle: Ubi nos supradicti fundatores Christi fideles. |
...m wa M m W Bu Mm - ua
—u —
Herzog Wilhelm III. von Bayern,
der Protector des Baſeler Concils und Statthalter des
Kaifers Sigmund.
Nach Urkunden und Alten des K. Reichs- und Haus-Archivs
zu Münden.
Von
Anguſt Kluckhohn.
Br
521
Herzog Wilhelm III. hat in der bayeriſchen Geſchichte keine eigent-
lich hervorragende Rolle gefpielt. Als der jüngere Mitregent des
dritten und lange Zeit blos des vierten Landestheiles, der noch dazu
nicht die fruchtbarften und reichften Gegenden des Herzogthums ums
faßte, konnte er ſich nach feiner Machtſtellung nicht entfernt mit fei-
nen Vettern von Landshut und Ingolſtadt meſſen, und felbft in
München war naturgemäß der überwiegende Einfluß lange Zeit bei
bem älteren Bruder. Dazu kommt, daß Herzog Wilhelm bei einer
nicht unbedeutenden geiftigen Begabung wenigftens diejenigen Vorzüge
nicht befaß, welche am häufigften mindermädtige Fürften groß ge⸗
macht haben, ich meine Friegerifchen Sinn und Feldherrntalent, große
ftaatsmännifche Gaben oder diplomatifches Genie.
Und do war e8 eben diefem Fürſten befchieden, einige Jahre
hindurch in den wichtigften Angelegenheiten Deutfchlands, ja der
ganzen Chriftenheit eine einflußreiche Thätigkeit zu entfalten. Als
Protector des Baſeler Concils und Statthalter des Könige Sig-
mund legte er einen fo unermüdlichen Eifer und fo große Umficht
an den Zag, daß er fich den König wie die Kirchenverſammlung
gleihmäßig zu Dank verpflichtete. Ehre und Anerkennung ward ihm
in reichem Dabe zu Theil.
In der Gefchichte ift ihm eine dem entfprechende Beachtung
nicht gefchentt worden. Dean kennt weder die Aufgabe, die dem
Protector des Concils geftellt war, genauer, noch weiß man, wie
Herzog Wilhelm fie im Einzelnen durchgeführt hat. Ueber die Des
deutung der Statthalterwürde ift man vollends im Unflaren. End⸗
fi ift auch fein Charakter fehr verfchieden und zum Theil fehr un⸗
richtig beurtheilt worden. Während die Einen den Herzog Wilhelm
als den frommften und tugendreichiten Yürften feiern, erklären ihn
die Anderen für einen habfüchtigen und intriguanten Mann, dem die
zur Schau getragene Frömmigkeit nur als Dedmantel der Selbft-
jucht gedient habe.
Es ift zu hoffen, daß die unverfälichten Quellen, die und vor⸗
fiegen, auch eine treue Schilderung der Wirkfamkeit und der Perſön⸗
Yichfeit des Fürften möglich machen, und bei der Wichtigkeit der Stel-
lung, die Herzog Wilhelm eine Zeitlang einnahm, dürfte die Dar⸗
jtelluhg feiner Thätigfeit auch über die Verhäftniffe, auf die fie ſich
erjtredte, hie und da neues Licht verbreiten,
622
Unfere Quellen aber find in erfter Linie die Correfpondene
des Herzogs, fowohl diejenige, welche er mit dem Kaifer Sigmm,
als die, welche er mit dem Bruder Ernft und mit andern verwan>
ten und befreundeten Fürjten geführt hat. Dazu kommen eine Kak
von Urkunden der verfchiedenften Art!.
Es konnte die Verfuchung nahe liegen, manche der benuttn
Briefe in extenso mitzutheilen. Da aber die widhtigiten Scrit:
ftüdfe aus der Correipondenz des Herzogs mit dem Kaiſer in de
Sammlung der NReichstags-Acten, die übrigen auf das Concil bei
lichen Briefe, wie zu erwarten fteht, in der von der Akademie da
Wiffenfchaften zu Wien vorbereiteten Sammlung der Acta Conclü
Basiliensis feiner Zeit zum Abdrud kommen werden, fo begmgt
ich mich gern, nur diejenigen Stellen aus meinen Quellen wörtfid
hervorzuheben, welche entweder eine neue Anficht begründen oder de
Anfchaulichkeit der Darftellung befördern konnten. Die drei Fülk,
in denen ich eine Ausnahme machte und ein Actenſtück in feinen
ganzen Umfange mittheilte, rechtfertigen fi) von felbft. Die Ur
funden über die Berufung Wilhelms zum Protector des Gmail
und über die Erhöhung feiner Vollmacht als Landfriebenswahre
gehören nothiwendig zu der vorliegenden Abhandlung. Das an a
Herzog gerichtete Schreiben Eberhard Windeds aber ſchien bes fie
rarhiftorifchen Intereſſes wegen einen Abdrud zu verdienen, und be
Umftand, daß der Brief weniger als andere Actenftüce in den Iw
ſammenhang unferer Darftellung gehörte, fonnte mich nicht abhalten,
ihn bier mitzutheilen.
2 Die Gorrefpondenz mit dem Kaifer Sigmund findet fi ausſchließlich
bie mit bem Bruder Ernft größtentheild im fünften Banb der fachen
im 8. Reichs-Archiv zu München. Außerdem enthält biefer fehr umfangreide
Actenband no eine Menge von Briefen Wilhelmd an feine fürftlichen Be
tern in Bayern und in ber Pfalz, fo wie Briefe Anderer an ihn aus be
Zeit bed Concils. Aus ber früheren Zeit finden ſich auch einige beachten:
wertbe Schriftftüde im dritten und vierten Band berfelben Sammlung. —
Aus dem 8. Haus-Archiv Tonnte ich den zweiten Band der Heiratbs- und
Gorrefpondenz-Acta mit Briefen Wilhelmd an feinen Bruder, fowie die Corre⸗
fpondenz des Herzogs mit Abolf von Eleve benugen. — Urkunden zur Ge
ſchichte Wilhelms finden fi in großer Menge im Reichs-Archiv; für mid
waren die auf das Baſeler Concil bezüglihen am wictigften. — Daß Geh.
Staats-Archiv bot für meine Zwede nichtd bar. — In der Handfchriften-eSamm-
Iung ber por und Staantd- Bibliothek fanden fich in Cod. bar. 1585 Briefe
vom Bajeler Eoncil, aber größtentheils aus fpäteren Jahren.
Nachträgliche Bemerkung. Nachdem bie vorliegende Arbeit vollendet unb
ber Termin für den Drud fchon feft beftimmt war, erfuhr ich durch bie Güte
bes Herrn Profeſſor Höfler in Prag, daß eine Hanbfchrift der Bibliothek zu
Dresden Abfchriften intereffanter Briefe des Herzogs Wilhelm enthalte IE
boffe, fie bald einfehen und nachträglich verwerthen zu fünnen.
624
verwickelt fein, daß es auch bei größerer Uebereinſtimmung ber Re
turen der betheiligten Fürften an Hader nicht hätte fehlen könne
Nun war aber die geiftige Art diefer Theilherzoge ſehr verfchieben.
War Schon Stephan von Yngolftadt hochfahrend und anmaßen,
fo gebehrdete fich fein Sohn Ludwig, den man den ©ebarteten ge
nannt hat, vollends übermüthig und rückſichtslos. Die Brüder Errt
und Wilhelm befaßen zwar weniger Ehrgeiz, auch weniger Troß un
Uebermuth, aber fie waren doc zähe und herrichbegierig genug, ım
ihre wirklichen oder vermeinten echte mit aller Hartnädigfeit m
vertheidigen,, am meiften ber ältere, Ernſt, der wenigftens in biede
Zeit kecker und rafcher zur Abwehr ijt als fein gutmüthiger jüngere
Bruder. Wilhelm nahm übrigens wegen feiner Jugend — det
Sahr der Geburt ift nicht bekannt — erft einen geringen Antkeil
an der Leitung der Gefchäfte,; er tritt nur im Anfchluß an En
auf, dem er in unmandelbarer Treue ergeben ift.
Ueber die Studt Münden, wo Stephan und Ludwig, um dk
Vettern zu verdrängen, fi) zu Gönnern der municipalen Freiheit
aufwarfen, fam e8 zı blutigen Fehden, und als einziges Mittel der
Verſöhnung erfchien (1403) eine neue Theilung oder richtiger br
Wiederherftellung der von 1392.. Stephan mit Ludwig befam wie
ber Ingolſtadt, Ernft und Wilhelm München, während ber jugend
liche Deine unter Vormundſchaft jener zu Landshut bfieb.
on nım an tritt Ludwig von Ingolſtadt in den Vordergrund
und namentlich zu feinem jungen Vetter Heinrih von Landshut in
ben entjchiedenften Örgenfah. Die Todfeindſchaft Beider ward fir
Bayern verhängnißvoll. ir heben hervor, was von biefen Küms
pfen die Münchener Brüder berührt. |
Lange Zeit machten die Herzoge Ernft und Wilhelm mit Heim
rich gemeinfame Sache gegen ihren rückſichtslos um ſich greifenden
Better. Der eigene Vater Stephan fühlte fi vor Ludwig nicht
mehr fiher; er fand es nöthig, ſich von ihm bie ausdrückliche Ver⸗
fiherung geben zu laſſen, daß er ben Vater Zeitlebens bei feiner
Gewalt, Herrfhaft und Fürſtenthum belaffen wolle'. Um fo eifri-
ger war Ludwig bemüht, die Macht feiner Münchener Bettern zu
beeinträchtigen, indem er ein Gut nad dem andern in ihrem Lan
bestheile durch Kauf an ſich brachte und darauf geftütt den Verkehr
und bie Gerichtsbarkeit zu hemmen juchte.
Ein anderer Anlaß zu Händeln bot ſich bei Herzog Heinrid.
Schon fein Vater Friedrih mar bei der Theilung von 1392 zum
Nachtheil feiner Brüder Stephan und Johann begünftigt worden.
Der Landshuter Yandestheil war bedeutend reicher und einträglicher
als die zu Ingolſtadt und München gehörigen Gebiete. Heinrich
aber glaubte, ein Erbrecht an dem umverfürzten Fürftenthum zu bes
ſitzen und weigerte ſich hartnädig, eine Entfchädigung für die Bevor
zugung bei der Zheilung zu leiften. Die offenkundige Feindſchaft
2 Lang, Ludwig ber Bärtige ©. 49,
626
Nachdem ber Bater Stephan im %. 1413 geftorben und ie
wigs Stellung in Paris bei der fteigenden Ohnmacht bes König
untergraben war, kehrte er, mit Schäten beladen, zur Beſorgiij
feiner Nachbarn nad) Bayern zurüd. Ein Yahrgehalt des König
Sigmund, der ihn während des Concils zu Koftnig mit biplomet:
Shen Miſſionen betraute, erfegte ihm einigermaßen die ausgefallen
franzöfifhe Penfion und hob von Neuem fein Anfehn unter da
Fürſten. Schon war er fo gefürdtet, daß die Herzoge Ernit, Bi
heim und Heinrich mit dem Kurfürften Ludwig von der Pfalz, der
Pfalsgrafen Johann zu Neumarkt und dem Burggrafen Friebrd
von Nürnberg am 8. Juli 1415 zu Koftnig ein Biindniß fchloffe,
fich gegen Ludwig, „der ettlihe unter ihnen fchon vor fich genommm
und fürbas einen nad den andern vorzunehmen wagen möchte“, Zeit
feines Lebens getreulich beholfen zu fein !.
Zwei Jahre fpäter kam nad langer Gährung und fortgefchte
Debereien, wodurch Ludwig den Adel und die Städte von gem
ayern auf feine Seite zu bringen fuchte, ber Krieg endlich zum
Ausbruh. Aber die Herzoge Ernft und Wilhelm nahmen nidt u
erfter Linie an dem Kampfe Theil. Die beftigften Feinde Ludwig
waren vielmehr Herzog Heinrih und Kurfürft Friedrich I. ven
Brandenburg. Bon dem Erfteren forderte Ludwig fort und fort dk
Herausgabe eines Theile feiner Befigungen, bis die Erbitterung zur
Ichen Beiden zu einer folchen Höhe ftieg, daß Heinrich ben Bette
zu Koſtnitz auf offener Straße üderfiel und ſchwer verwundete. Den
Markgrafen Friedrich aber vergab es Ludwig nicht, daß er fi je
nes Schwagers ae jo eifrig annahm; noch weniger frei
mochte er dem neuen Kurfürften die Erwerbung der Mark Bra
denburg,, die Ludwig der Bayer einft an da8 Haus Wittelsbach ge
bracht hatte, verzeihen. Ludwig von Ingolſtadt fcheint in ber That
der einzige bayerifche Fürft gewefen zu fein, der fchon damals dk
Gefahr erkannte, welche in der fteigenden Macht der Burggrafen für
Bayern lag — eine Gefahr, die in der zweiten Hälfte des Jahr⸗
hunderts den reichen Herzog Ludwig von Landshut in einen fchweren
Krieg mit dem Markgrafen Albrecht verwideltee Allein bie richtige
Erfenntniß der Sachlage wurde bei Ludwig dem Bärtigen durch lei⸗
denfchaftliche Hite getrübt, und ftatt in Eintracht mit den Herzogen
von München und Landshut das Vordringen der markgräflichen
Macht nad) Bayern zu bekämpfen, hat gerade er durch blinden
gegen feine Vettern diefe zu dem Bündnig mit Friedrich gedrängt.
Daß er nad den Heftigften Schmähbriefen bald den offenen Krieg
mit dem Markgrafen begann, fam Bayern nicht zu Gute.
Es Tiegt außerhalb unferer Aufgabe, die furcdhtbare Verheerung
zu fchildern, die in den Jahren 1419—23 über Bayern hereinbrad).
Ueberall war die Raub und Fehdeluft aufs Höchfte entbrannt, mit
Feuer aber verwüftete man noch mehr als mit dem Schwert. Die
r Lang a.adD, ©. 8.
627
Herzoge von München traten erft 1421 in den Krieg ein, um im
folgenden Yahre (1422, 14. Septb.) gegen Ludwig die entfcheidende
Schlacht bei Alling in der Nähe von München zu gewinnen.
Ludwig mußte an dem Hof des Könige zu Regensburg kniend
um Gnade bitten. Sigmund verkündete einen Friedebrief, fette über
Ludwigs Land einen Hofmeijter und nahm ben Herzog felbjt mit
fih nad) Presburg.
Jetzt wurde der Streit ftatt mit den Waffen in langwierigen
Prozeſſen fortgeführt, bis zu Anfang des Jahres 1425 mit dem
Tode des Herzogs Yohann in Holland, des legten männlichen Sprof-
ſes der Straubinger Linie, die Erbfchaft des bayerischen Niederlan-
des ein neuer Zankapfel für die herzoglichen Vettern wurde. Lud⸗
wig, als der ältefte Prinz des bayerifchen Haufes, forderte das
ganze Straubinger Land für fi), aber die Herzoge Heinrich, Ernſt
und Wilheltn machten geltend, daß fie mit dem Verftorbenen in glei-
hem Grade verwandt feien, und verlangten gleichen Antheil an der
Erbſchaft. Es fragte fi nur, ob die Brüder Ernft und Wilhelm
zufammen nur ein Drittheil, oder ob jeder von ihnen den vierten
Theil, beide zufammen alſo die Hälfte des Erbes erhalten, mit an⸗
bern Worten, ob nad) Stämmen oder nad Köpfen getheilt werben
follte.
In dem fünfjährigen Erbfchaftsftreit, der nun begann und der
bald vor dem König bald vor einem Fürſtenrath verhandelt wurde,
finden wir den Herzog Wilhelm wiederholt am Töniglichen Hofe.
Gleich nad) dem Tode Johanns eilte er nad) Presburg, um Sig-
mund zu feinen und feines Bruders Gunften zu ſtimmen, und raſch
erwarb er fich die Gnade und Freundſchaft des Königs.
Als er am 27. Febr. 1425 feinem Bruder um eine Sendung
von Fischen (Renten) aus dem Würmſee bat, um damit den König
zu ehren, fühlte er fich fchon in des Königs Gunft fo befeftigt, daß
er den Bruder aufforderte, in Erfahrung zu bringen, ob der König
nicht „dort oben lediger gult unter den reichjtetten oder funft anders
von ambten oder ariderm het“, daraus ihnen Nuten entitehen könnte,
fo wolle er bei dem König darum arbeiten und das Beſte thun!.
Das Verhältniß zu Sigmund war ‚bald der Art, dapı Wilhelm
fogar die Abficht Hatte, ihn auf einer Neife zum König von Däne⸗
marf, die freilich nicht ausgeführt wurde, zu begleiten ?.
In demfelben Maße aber, wie fih Wilhelm dem Könige nä-
herte, mußte dad Mißverhältniß zwifchen ihm und Ludwig wachen.
Hatte diefer von Anfang an Alles gethan, um die Herzoge von Min-
hen zu reizen, fo ließ er es jeßt bei perfönlicher Begegnung mit
Wilhelm auch an Zeichen der Verachtung nicht fehlen. Letzterer be⸗
Schwert fich gegen feinen Bruder Ernft und den Herzog Heinrich),
„daß er mit Ludwig mehr denn einmal zufammen beim König ge-
1 rſtenſachen T. III, fol. 154 u, 155,
8 a. O. fol. 169.
628
wefen fet, ohne daß jener je ein Wort mit ihn habe reden wolle:
da könne er denn freilich aud mit Ludwig nicht reden, feit biefe
fich fo gröblich gegen ihn gehalten habe“ '.
Was den Straubinger Erbfolgeitreit betrifft, fo vergingen 4
Sabre, ehe der endgültige königliche Sprud gefällt wurde (26. Ayri
1429). Daß er ganz im Sinne ber Brüder Ernft und Wilhen
ausfiel, wird zum großen Theil dem perfönlihen Verhältniß zum
fehreiben fen, in welchem Wilhelm zu Sigmund ftand. Denn 4
waren keineswegs alle Stimmen darüber einig, daß an bie Stefk
der Dreitheilung eine PViertheilung treten müſſe; ein fürftfiches Ans
tragsgericht hatte fogar einmal geradezu eine Theilung in drei Theile
ausgeſprochen. Im Sommer 1429 wurde die DViertheilung voll:
ogen.
Damit fchien der Friede in Bayern hergeftellt zu fein. Aber es
lag in der Natur der Dinge, daß er nicht von Dauer fein Tonnte
Denn bei der Zerriffenheit der Territorien, die ſich vielfach durd-
Schnitten, gingen fchon die Grenzftreitigfeiten felten aus. Dazu he
derte man bald über die Richtung einer Straße, bald iiber das Ge
feitörecht, bald über Jagd⸗ und Fifchgerechtigkeiten, über Juriédic
tionsrechte und Anderes.
Lange Zeit hatten bie —5 von München mit Heinrich von
Landshut im Bunde gegen Ludwig geſtanden. Als aber die
Gefahren beſeitigt waren, fehlte es auch zwiſchen ihnen nicht an
Streitigfeiten, die wir berühren müffen, weil fie auf das Verhältniß
Wilhelms zum König eingewirkt haben. Man könnte ſogar behaup
ten, daß ohne den Hader mit Herzog Heinrih Wilhelm vielleicht
niemals das Protectorat über da8 Baſeler Concil erhalten hätte.
Es waren mancherlei Klagen, welche Ernjt und Wilhelm gegen
einrich erhoben?. Während des Straubinger Erbfolgeftreits hatte
ſich Heinrich, al8 eine vorläufige Dreitheilung vollzogen wurbe, ver
bindlich gemacht, feinen beiden Vettern, fobald eine Theilung in vier
Theile durchgeführt werden würde, den Ertrag von dem herauszuge
ben, was er bis dahin zuviel inne gehabt habe. Als nun aber wirt
lich der Fall eintrat, daß die Münchener Brüder ftatt eines Drit-
theils die Hälfte des Straubinger Landes empfingen, weigerte fid
der Herzog von Landshut, fein Verfprechen zu löfen. Außerdem er
richtete er eine neue Mauth zu Vilshofen, maßte fich ein Geleit zu
Abach an, beeinträchtigte das Gericht zu Aibling, machte eine Neue
rung an dem Zolle zu Traunftein und Dettingen, furz er beging
eine Menge von Uebergriffen. Wurde er hierzu durch fein über
mäßiges Verlangen nah Geld und Gut verleitet, fo befaß er zu⸗
2 A. a. O. fol. 169.
2 Sie kommen in ber Correfpondenz Beider mit H. Heinri in T. V
ber Fürftenfachen oft vor; beſonders Iehrreih find aber die Briefe Wilhelms
an Herzog Stephan vom 14. Febr. 1432 a. a. O. fol. 132, und ber Sprud:
brief des Kaiſers Sigmund vom 1. San, 1434, Urkunde im Reichs = Archiv
unter Haug: und Familienſachen. "
629
gleich eine fo große Zähigkeit im Zurückweiſen gerechter Klagen und
Vorderungen, daß feine fürftlichen Vettern fremde Unterftügung in
Anspruch nehmen mußten.
Dem Koftniger Bündniß (1415) gemäß hatten die Münchener
und Landshuter Herzoge ihre Streitigfeiten den verbündeten Fürjten,
den Markgrafen von Brandenburg und dem Herzog von Neumarkt,
zur Entfcheidung vorzulegen. Ernſt und Wilhelm riefen 1430 dies
fürftlihe Schiedsgericht an und erhielten am 16. Auguft einen ihnen
durchaus günftigen Urtheilsſpruch. Aber Herzog Heinrich beeilte fich
trogdem nicht, das Schuldige zu leiften, und zwang fo feine Vettern,
ihn bei dem höchſten Richter, dem Könige, zu verklagen.
König Sigmund befand ſich gerade auf der Reife von Pres-
burg nad) Nürnberg, wo wegen der überhandnehmenden Huffitennoth
und des in Deutfchland herrjchenden Unfriedens ein Reichstag abge⸗
halten werden jollte. Am 25. Auguft 1430 kam er nad) Straus
bing, und blieb dort bis zum 10. September. Es ift wahrjcheinlich,
dag die bayerifchen Herzoge ihm fchon damals ihre Angelegenheiten
bortrugen. Xudwig von Ingolſtadt bat den König fchriftlih um
einen Rechtstag gegen Heinrich von Landshut, von dem er noch Ge⸗
nugthuung für die einft in Koſtnitz erlittene Beleidigung forderte.
Die Eröffnung des Reichstags zu Nürnberg verzögerte ſich bis
zum Februar des folgenden Jahres. Wilhelm blieb mwahrfcheinlich
während diefer ganzen Zeit in der Nähe des Könige. Am 1. Febr.
1431 befand er ſich bei ihm in Schorndorf; auch Herzog Heinrid)
war erfchienen, um fich perfönlich zu rechtfertigen.
Ä Nach einem Briefe, den Wilhelm von Schorndorf aus an fei-
nen Bruder richtete, kam es dort zwifchen den ftreitenden Vettern
in Gegenwart des Königs zu Erörterungen, die Sigmund bamit ab»
fchnitt, daß er fie auf den Nürnberger Reichstag vertröftete; doch
gab er dem Herzog Heinrich fein Mipfallen zu erkennen, daß er daß,
was er verjproden und verjchrieben, noch immer nicht geleitet.
Wilhelm lebte dagegen der feiten Hoffnung, daß er durch des Königs
Gnade einen gerechten, d. h. ihm glünftigen, Sprud) erhalten werde,
forgte aber auch dafür, daß fein Bruder Ernft dem Könige eine
Aufmerkfamteit durch Ueberſendung von zwei Hirfchgeweihen erwies‘.
2 Sürftenfachen T. IV, fol. 40. 41. Nach Lang, Ludwig d. B. S. 155,
hätte Herzog Wilhelm ſchon zu Straubing dem Kaifer ein Geſchenk mit einem
vierftangigen Hirſchgeweih gemacht. Doch geſchah die nicht zu Straubing,
fondern erft zu Nürnberg, und das Geſchenk beftand nicht in einem, fondern
in zwei Geweihen, bie Is ber König von dem Herzog Wilhelm ausdrücklich
erbat. Das eine war ſchon durd Herzog Ernſt verfprochen worden; von dem
andern hörte der König. der eine Lichhaberei für ſolche Tinge gehabt haben muß,
zuerft durch Wilhelm. Zugleich benadyrichtigte diefer den Bruder, daß auch bie
Markgräfin von Brandenburg mit anbern rauen auf die Faſtnacht nad
Nürnberg kommen werde; daher „gefiel und wol, daz ewer lieb willpret viſch
und guten wein mit üch bringen lieft, wann mir de beburfien werben“.
Ale died aus einer Nachjchrift zu Wilhelms Brief d. Schörnborf 1431 Febr.
.a. a. O.
530
Auf dem Tage zu Nürnberg wurde über die höchſten Angelegen-
heiten des Reichs, über den Krieg gegen die Keter in Böhmen und
den Landfrieden in Deutfchland, verhandelt. Der König faß auch
zu Gericht zwifchen Ludwig und Heinrich, wegen des Tebensgefähr-
lichen Angriffes, den Ietterer vor vielen Jahren zu Koftni auf feis
nen Better gemacht hatte; aber zu einem Urtheil in Sachen ber
erzoge Ernſt und Wilhelm gegen Heinrich fam es nit. Der
erzog von Landshut bat um Auffchub, weil er, vor dem Fehm-
gericht verklagt, eiligft nach Weitphalen reiten müſſe; fo bald er
zurückkomme, werde er feinen Vettern in allem genug thun !.
Aber es vergieng wieder ein halbes Jahr, und die Klagen der
Herzoge von München blieben noch immer unerledigt. Wilhelm
Icheint während der Zeit nicht viel von der Seite des Königs ge
wichen zu fein. Er befuchte ihn längere Zeit in Augsburg, bewir⸗
thete ihn zu Landsberg und war bei ihm in Feldkirchen?. Heinrich
wurde hierher vorgeladen, erfchien aber nicht, angeblicd weil ihm der
Zermin bei der Weite des Wegs zu furz angefeßt worden ſeis.
Inzwiſchen ſchickte ſich Sigmund an, nad Ytalien zu ziehen,
und übertrug die Yortjeßung des Procefjes gegen den Herzog von
Landshut Herrn Haupt Marfchal von Pappenheim*. Den 09
Wilhelm aber ernannte der König zum Befchirmer des Baſeler
Concils an feiner Statt.
2 Wilhelms Schreiben an Ernft d. Nürnberg 22. März in T. IV ber
Fürſtenſachen fol. 30 u. 31.
2 T. V, fol. 377: „Als mein Herr Herzog Hainrih ben fprud nit -
gehalten hat, rait mein Herr gen Augſpurg zu bem kunig und clagt im das
und belaib bey feinen graben 7 woden zu Augfpurg unb zu Veltficchen,
und underwegen bis wider gen Munchen verzert 400 fl. rh., 20. — Stem fo
bat der kunig fibernacht zu Landfperg verzert, baruber in mein Herr geloft bat,
191 ch. Gulden“.
s Wilhelm an Herzog Stephan, 14. Febr. 1432, T. V, fol. 132: „zu
denfelben rechten berezog Hainrich auch nicht cham, und ber fchreibt ew, im
fei derfelb tag zu kurcz verchundet worden; er fol doch bilih in funfezehen
tagen von Landſhut oder von Purdhaufen gen Veldkirchen gerublich gereiten,
wann wir je von München in vier tagen dahin gerüblidy reiten wellen”.
Nach dem zuletzt angeführten Briefe Wilhelms unb feiner wie be#
Bruders Gorrefpondenz mit Heinrih. Eine Erwähnung bed Tages, ben ber
aupt nad Nürnberg anfete, findet fih au T. V, fol. 377, in der Anm. 2
chon erwähnten „Nota ber zerung”.
632
Schon im März d. %. 1431 Hätte die Verſammlung Ya
Anfang nehmen follen; allein ein legter gewaltiger Kreuzzug, Is
das Reich gegen die Böhmen unternahm, bereitete Tängeren Aufſch
Es bedurfte noch einer fo furchtbaren Niederlage und fchmählke
Sucht, wie fie dem Reichsheere zu Zauß befchieden war (14. %
1431), um die Weberzeugung allgemein zu machen, daß mit Bee
gewalt gegen die Huffiten nichts mehr auszurichten jei.
Der Cardinal Yulian, der in eigener Berfon dem verhängt
vollen Heereözuge beigewohnt und nur mit Mühe das nacdte Ya
davon getragen hatte, ſäumte jegt nicht länger fi) nach Bald y
begeben, um den Vorfig am Concil zu übernehmen. Gr war at
Ichloffen, alles aufzubieten, um die verfammelten Väter zu verjäe
lihen Schritten gegen die Ketzer zu ſtimmen, zugleich aber and at
Ichloffen, die Autorität des Concils, von deſſen hoher MDeiffion a
tief durdydrungen war, gegen Jedermann, wenn es fein müßte fh
gegen den Bapft, aufrecht zu erhalten.
Martin IV. hatte kurz vor feinem Lebensende (durch eine Bılk
vom 1. Febr.; er ftarb am 20.) nur nothgedrungen in bie Ber
fung des Concils gewillig. Sein Nachfolger Eugen IV. mut
zwar den Gardinälen verfprechen, daß er der Kirchenverfanmla
ihren Fortgang lajjen und das Werk der Reform betreiben werk;
aber für den mit den Berhältniffen der Curie Vertrauten konnte d
faum ein Geheimniß fein, daß der Papft eher daran dachte, die Ab I.
gewalt des römifchen Stuhles zu rejtauriren als das neue Recht de
Concilien gelten zu laſſen.
Je näher aber die Möglichkeit lag, daß die Kirchenverfammlmg
wenn fie energisch den Weg der Reformen bejchritt, mit dem Bapk
ſich entzweien würde, um fo wichtiger wurde das Verhältniß, wer
ches der König zu dem Concil einnahın.
Die Zeiten, in welchen die Verfammlung der abenbländifce
Chriftenheit den Winken des deutfchen Kaifers gelort hatte, lage⸗
freilich dem 15. Jahrhundert fchon fern; in langen Kämpfen hatten
die Päpfte über die beutfchen Herrfcher einen Vortheil nach bem
andern errungen und ihren Einfluß in weltlichen wie geiftlichen Die
gen in demfelben Maße gefteigert, als das Kaiſerthum an WVebeutung
verlor. Aber der Widerjtand, der fid) aus dem Schooß ber verwelb
lichten Kirche gegen ihr allmächtiges Haupt erhob, mußte naturge
mäß auch dem gedehmüthigten Kaiferthum zu Gute kommen, fobald
dieſes verjtand, die Oppofition gegen das Papftthum fich dienftbar
zu machen. Ein Herrfcder, mit der Xhatkraft und dem ſtaatsmünni⸗
chen Geiſte der ſächſiſchen und fränkifchen Kaifer ausgerüftet, hätte
auch im 15. Jahrhundert auf die Firchlichen Verhältniffe einen mäch
tigen Einfluß ausüben und die Abhängigkeit des deutfchen Könige
Aume von dem päpftlichen Stuhl lodern, vielleicht für immer löfen
Önnen.
König Sigmund war indeß nicht der Dann, diefe Fragen prin⸗
zipiell zu faffen. Bei manden guten Regungen, die ihn vorüber-
53B
gehend ergriffen, fühlte er wenig von dem Herrfchergeifte der Dtto-
men und Heinriche in fih. Die Anmuth des Lebens und ber leere
Schein galten ihm höher als ernfte Mannesarbeit.
| Bon einem ſolchen Fürjten war nicht zu erwarten, daß er ſich
far das Concil dauernd. begeiftern und beffen Sache zur fenigen
wachen werde. Aber glüdlicher Weiſe Hatte er ein naheliegendes
Intereſſe daran, daß es wenigftens zu Stande kam und die eine
feiner Aufgaben, die Zurückführung der Böhmen in den Schooß der
irche, erfi Dem es war ihm wie aller Welt Mar, daß die
Hufſiten mit dem Schwert nicht mehr zu bezwingen, waren; follte
die Herrichaft des Königs in Böhmen nicht für immer verloren und
feine Autorität in den umliegenden Neichslanden erg gefährdet blei-
ben, jo mußte das Concil die Reber auf dem Wege der Unterhand-
Iungen zum Gehorjam gegen Kirche und Reich zurückführen. Es
un 0 ein dynaſtiſches Intereſſe, das Sigmund an das Concil
e.
Nun lag es unter ſolchen Verhältniſſen wohl nahe, daß ber
König fi) in Perfon zum Concil begab oder doch in der Nähe ver-
weilte, um der Verfammlung nicht allein äußern Schuß zu gewähren,
fondern aud) auf den Gang der Verhandlungen einzuwirfen. Aber
Sigmund beſchloß, ftatt deſſen nach Italien zu gehen und die Kai⸗
ferkrone zu gewinnen.
Man hat oft die Gründe, welche den König in jenen Tagen
‚zum NRömerzug bejtimmt haben mögen, erörtert und Verſchiedenes
dafiir und dagegen angeführt. Während man e8 in der Regel ta-
beit, daß Sigmund Deutichland gerade zu ber Zeit verließ, wo man
in ben geiitlihen wie den weltlichen Angelegenheiten feiner Gegen-
wart am meilten bedurfte, ift fein Gefchichtfchreiber Aſchbach der
Meinung ', der König habe damals in Bafel perfönlich nichts zu
thun gehabt, da die Verfammlung ſchon von dem beten Geifte be⸗
feelt war. Er hätte ferner fürchten müſſen, die Eiferfucht der an⸗
‚bern europäifchen Könige rege zu machen, und der Papft wilrde über
weltlichen Einfluß geklagt haben, wenn Sigmund durch feine Gegen-
wart in Baſel auf die Gefchäfte des Conciliums eingewirft hätte.
Enblich habe auch erft die Kaiferkrone ihm das Recht gegeben, ale
weltlihes Oberhaupt einen Einfluß auf den Gang der Kirchenrefor:
mation auszuüben.
Ich kann diefe Behauptungen nicht gelten laſſen. Als Sigmund
die Römerfahrt antrat, wußte er noch nicht, ob die verjammelten
Väter nicht feine® Zuſpruchs bedürfen würden; noch war der Geift,
der fie bejeelte, nicht erprobt. Im Gegentheil hielt Sigmund, wie
wir fpäter. jehen werden, es für nöthig, den Prälaten Muth zufpre-
n zu laſſen, fobald ſich dem Concil Schwierigkeiten entgegenftellten.
ie Eiferfucht der andern Fürften hätte der deutfche König nicht zu
fürchten brauchen; auch ohne die Kaiſerkrone hatte er unbeftritten
2 Aſchbach, Geſchichte Kaifer Sigmund IV, ©. 45.
II. 35
534
den Vorrang vor allen Potentaten, ımd daß ihm nach ber Auffaffug
jener Zeit fchon ale deutfchem Könige und nicht erft als Kaiſer dei
Recht zuftand, auf die Kirchenverfanmnlung einzuwirfen, gebt daran
bervor, daß die verfammelten Väter, deren verhältnigmäßig wenig
aus Deutfchland waren, Sigmund während bes Römerzugs wieder:
holt aufgefordert haben, ohne die Kaiferfrone zurüdzufehren, um an
Concil große Dinge auszurichten.
Auch die Anficht, der König habe perſönlich den Babft für dei
Concil günftig ftimmen und den etwa zu fürchtenden WWiderftan
Eugens oder feiner Cardinäle durch die Anweſenheit in Italien be⸗
feitigen wollen !, fcheint mir nicht ftichhaltig zu fein. Denn wik
rend die Vorbereitungen zum NRömerzug getroffen wurden, wat
Sigmund noch nicht, daß fid) Eugen dem Eoncil fo hartn wi⸗
derſetzen werde. Von der Auflöſungsbulle erhielt er erſt jenſeits der
Alpen Kunde und war darüber, wie er ſelbſt bezeugt, nicht wenig
erfchredt. Jetzt erſt galt es auf die Eurie einen Druck auszuüben,
um fie zur Anerkennung des Concils zu bewegen.
Urfprünglich waren es, wie mir fcheint, ganz andere Grünke,
bie Sigmund zur Nömerfahrt beſtimmten. In Deutfchland ober
Macht und Anfehn, fogar ohne die Mittel, eines Könige würdig zu
leben — mie oft mußte er Fürften und Städten ale Gaft zur Lat
fallen —, beffte er in Italien alles zu finden, was er dieſſeits ber
Alpen entbehrte, Ehre, Geld und neuen Herricherglanz?. Dem de
Berhäftniffe erfchienen ihm der Art, daß er fid) bort mur zu zeigen
brauche, um eine ftarfe faiferliche Partei, rei) an Geld umd Kriege
truppen, um fich zu fehaarend. Wenn er aber gar in Rom am
den Händen des Papites die höchfte aller Fürftenfronen empfieng, je
eröffneten fich ihm im ganzen Reich neue und reiche Geldquellen!.
L „aleier Anfiht neigt fih Droyfen, Geſchichte der Preußifchen Pol
tik, I, ‚ 34.
s Dap der völlige Geldmangel ein Hauptmotiv zum MR wer,
fbeint mir aus bed König und Feines Canzlers Gorrefpondenz He
Wilhelm unzweifelhaft hervorzugeben. Als ber Kaifer mit feiner Rückkehr fo
lange zögerte, fchrieb ihm fein Statthalter: er möge „nicht ſolich forg Haben
um redliche und erlihe auffomung in teutfchen lanndenu“. Fürſtenſachen T. V,
£. 300. — Vor der Kaiferfrönung, während des Iangen Aufenthalts in Siena,
fand es freilih auch in Stalien mit den Föniglihen Einnahmen ſchlecht. „Wir
vernemen, ſchreibt H. Wilhelm fhon am 1. Mai 1432 (T.V, fol. 222) ax
ben Ganzler Schlick, wie bu und die canplei nicht vil nu habt, das un
doch laid ift, und fider demaln und die nuß dort inne fo clain fein, fo hoffen
wir, ir werdet alle darczu raten und belffen, daß unfer gnadiger herr der 8.
befter ee fein ſach dort inne aufricht”.
s” Das batte ihm namentlid ber Mailänder Herzog Philipp Maria Bi:
conti vorgefpiegelt. In einem Vortrage, den er freili nicht hielt, hatte ſich
der Herzog verbindlich gemacht, dem Könige während feines Aufenthalts in
Stalien und des Krieged mit Venedig monatlid 5000 Ducaten Subfidiengd:
der zu bezahlen (Aſchbach IV, 45). Wie oft hat Sigmund in feinen Briefen
geflant, daf er von dem Mailänder bintergangen worden fei.
+ Abgefehen von dem Ertrag der Privilegien, bie nad ber Krömumy
636
Geiftliche und Weltliche aus ber ganzen Ehriitenheit zum Concil ein
laden. Sodann hat er Vollmacht, an Stelle des Königs allen Für
ften, geiftlichen wie weltlichen, Grafen, freien Herren, Rittern, Knech
ten, Bürgermeiftern, Räthen und Gemeinden der Städte, Märkte
und Dörfer zu gebieten, daß fie Alle, welche zum Concil ziehen,
beſchirmen, fie durd ihre Gebiete geleiten, Koft, Speife und „Kauf
mannsfchag“ aus ihren Landen ficher dahin bringen laſſen. Endlid
ſoll der Statthalter Kriege ober Mißhelligkeiten in den Ländern md
Gegenden (ded Concils), die das Concil hindern könnten, abthun und
verbieten. Schließlich wird allen Reichangehörigen, hoch und niedrig,
in Schwaben und im Elfaß, ernſtlich geboten, dem Herzog Wilhelm in
alten Sachen, die das Coneil, feine Beihirmung und Nothdurft be
treffen, gehorfam und gewärtig zu fein, möge er fie nun minblid
oder mit feinen Briefen oder durch Botfchaften auffordern, zu ihm
zu ziehen und ihm treulich zu helfen ?.
m. Kapitel,
Wilhelms Thätigkeit in Bafel, insbefondere feine’ Bemi-
hungen für die Sicherheit des Concils,
Nachdem fi der Herzog zu Anfang November in Feldkirchen
von dem König verabjchiedet hatte, vergingen noch zwei Monate, che
er die Reife zum Concil ımternahm. Es war nicht allein bie un-
günftige Witterung, die ihn folange zurüdhielt, fondern auch die
eifrige Beichäftigung mit dem Prozeß gegen Herzog inridh ®.
Inzwiſchen hatte eine nad) Böhmen beftimmte Geſandtſchaft des
Soncils ihren Weg über Münden genommen, um den Herzog Wil-
helm zu bitten, daß er ſobald als möglich zum Eoncil fommen möge,
um das Protectorat zu übernehmen. Auch der König ließ von Bie-
cenza aus wiederholt Mahnbriefe an ihn abgehen, beren einer von
aa Zage (11. Januar) datirt, wo Wilhelm fi) von München
erhob.
2 Vergl. bie als Beilage I. abgebrudte Urkunde.
® Beides gibt Herzog Ernft in einem Briefe an Sigmund an. „Er (ber
Bruder) wär auch zeiter zu dem concili geryten, fo bat er das nit tun mü:
ge vor geftrengfeit wegen des grofen ungewitters in difen landen, das bifher
geweſen und noch zu guter maß ift. Im bat aud daran geiret follich fach, bie
er und ich mit unferm vettern herczog Hainrich zu handeln haben“. Brief vom
5. Febr. 1432 in T. V, fol. 196,
537
Er babe, fchrieb Sigmund, nad dem Abfchied zu Feldkirchen
erwartet, daß ſich Wilhelm fchneller zum Concil fügen werde, und
er wiſſe nicht, warum dies nicht gefchehen fe. Das Eoncil habe
ihm inzwifchen oft gefchrieben, ihn, den Statthalter, dorthin zu fen-
den. — Weshalb aber jest der König die fchleunige Abreife Wil-
helms nad Bafel wünfcht, das ift der Umftand, daß Eugen IV. das
Coneil auflöfen und nad) Bologna verlegen will. Ueber die Bulle
ift der König „Sehr erfchroden“, weil der ganzen Chrijtenheit daraus
ein unverwindlicher Schaden entftehen Tann. Doc, benft er die
Verlegung des Concils nicht zuzugeben, und hofft, zu Nom den PBapft
eines Beſſern belehren zu können. Er hat aud) das Concil fchon
ermahnt, ſich „nirgend binzurüren“. „Dorumb begern wir von
deiner lieb, bitten und ermanen dich mit allem fleiffe, das du dich
ye ee de beifer gen Baſel fugeit und die prelaten und herrn ſterckeſt
und trofteft, das fy nit von danne ziehen, funder. erbeiten.... Und
wir hoffen, das dein lib als ein laye groffen nu machen werd,
wann wir wol gedenten, weren wir allein zu Coftent nicht gewefen,
daffelb Eoncilium wer offt’zuftoret worden, wann fi) die prelaten
vaſt forchten, fo fy nicht troftes haben. Das las dir alfo an fein
und ſaüm dorynn nicht, wann du der heiligen criftenheit und ung in
diefen zeiten nicht mochteft groffer lib und dinft beweifen“.
Am 27. Jan., nad 14tägiger Reife, kam der Protector in
Baſel an. Die Stadt ehrte ihn mit einem Gefchent von einem Fu⸗
der Wein und 20 Viertel Haber'. Der Rath ernannte fieben
Männer aus feiner Mitte, die geordnet wurden des Conciliums
Saden vorzunehmen, und was an fie fommt, vorzutragen: was
aber ihnen zu fchwer wäre, follten fie an den Rath bringen. Von
diefen Sieben wurden drei nad) des Herzogs Begehren ihm zuge
fchrieben, d. h. vermuthlich beordert, um feine Befehle einzuholen
und ſich fonft mit ihm zu befprechen ?.
Das Eoncil war erſt ſchwach befucht, namentlich waren die
deutſchen Prälaten nur in geringer Anzahl erfchienen. Es war des⸗
halb des Brotectors erjte Sorge, in Verbindung mit den verſam⸗
melten Vätern neue und dringende Einladungsfchreiben ausgehen zu
loffen. Die deutfchen Fürften wurden befonder® gebeten, auf das
zahlreiche Erfcheinen der Geiſtlichen hinzuwirken. Zwei⸗ bis dreimal
wurde ihnen gefchrieben. Nicht Alle entfprachen den Wünſchen und
Bitten des Herzogs und des Concils, aber die Zahl der Anweſenden
wuchs erfreulih, und von Woche zu Woche konnte der Protector
dem Könige wie den befreundeten Fürften verfünden, daß das Concil
2 Außerdem follte er noch 3 Salmen empfangen, bie man aber nicht
auftreiben konnte. Ochs, Geſchichte von Bafel II, 242. Aſchbach IV, 26
Anmerk.
s Ochs a. a. O. Bon ben drei Räthen, welche Ochs nennt (Hans Rich,
Hemmann Offenburg und Hemmann von Thunſel) finden wir den zweiten wies
derbolt in unfern Atten erwähnt. Er wurde häufig mit Miffionen an ben
König betraut. "
538
fich befeftige und an Muth und Entichiebenheit zunehme. Scha
wurden Beichlüffe von großer Tragweite vorbereitet.
Daneben galt es vor allen Dingen, für die äußere Sicherket
der Verſammlung zu forgen.. Der Zuftand des Reichs war be
Art, daß ohne befondere Vorkehrungen die Straßen zu Waffer m
zu Land nicht ficher waren. Das Raubweien ftand in voller Bluthe
Nun gebot zwar eine uralte Satung der Kirche wie bes Staat,
dag nicht allein alle öffentlichen Straßen von dem Raub- und Fehde
weien verfchont bleiben, fondern daß Wanderer und Reiſende, ink
befondere aber folche, die das Concil befuchten, ftets und überall &
nen fichern Frieden genießen follten. Allein dies Gebot wurde gleiä
allen andern Landfriedensfagungen von dem ftreit- und beuteluftigen
Gefchlecht verachtet. Die Wege zum Concil waren ebenfo unfide
wie alle Straßen des Reichs, und wie die Kauflente, die des
dels wegen nach Bafel zogen, oft ausgeplündert wurden, fo di
Seiftlichen und Gelehrten.
Wilhelm war bemüht, fowohl den Räubereien, bie im Kleinen
verübt wurden, zu fteuern, als auch große Fehden in Oberdeutſch
land, die dem Concil nachtheilig zu werden drohten, zu ımterbrüden.
Eine fummarifhe Aufzeihnung in unfern Acten gibt uns davon ein
anfchauliches Bild:
„Nota ſolich merklich Trieg die heczo bie umb Pafel find und
dadurch das concili groffen fchaden nymbt.
Item den burgermaijter von Eſling [Eflingen], Hat einer gefan-
gen genant Paule Lutram [Leutrum], daran hat mein herr herczog
Wilhelm fur ſich einen tag gemacht die ſach zuverhoren etc.
tem einen Bifchof und einen faufman von Tullen habent drei
beraubt, die auch her zu dem heiligen concili wolten, genant Caſpar
Melchior und Hans die Beyger, gejeilen under dem von Strafpurg,
den mein herr herczog Wilhelm darumb vil gefchriben hat.
tem drei dortores von Frankrich, die auch her zu dem concili
reiten wolten, find bein (bei) Oppenheim beraubt worden, ben
mein herr herczog Wilhelm gen dem pfalzgrafen fo vil geholffen, das
in ir gut ift wider worden.
tem Berthold Had hat gefangen zwey Studenten, die fund
von Pern aus Uchtland, die auch ber zu dem concili wolten, bie
hat mein herr auch ledig gemadht.
Item fo habent die von Andelo der tumbrobft von Strafpurg
und die Mind von Landſkron auch einen merklichen krieg angefangen,
darein vil mächtiger ritter und knecht komen mochten, und wie wol
mein herr herczog Wilhelm ſich mit vil gefchriften darein gelegt hat,
fo hat er doch bis her nichts darinn konnen gefchaffen.
tem fo babent die grafen von Morſs und Sarwerden, auch
die jungen grafen von Furſtenberg und mit in auf irem tail vil
ritter und knecht groſs merklich Frieg mit den von Gerolczegk und
ſy mit in, darunder fi) mit prant und mort etc. vil ubels gemacht
bat, und Hoff, die fach zu gutem zebringen.
640
nothwendig hielt, fich eine größere Autorität beilegen zu laſſen, ale
fie ihm fchon durch die Beitallung vom 11. October {431 zu Theil
geworden war. Er ließ dem Könige vorftellen:
„Belt fein k. 9. ſolichen unfrid und rauberei weren und wen⸗
ben laſſen, das mir dann fein k. g. dez reichs panyr ſchick mb
damit einen befigelten majeftat brief, zu fchaffen mit etlichen furiten,
grajen, auch der ritterfchaft und dem fteten, mir von feinen k. g.
wegen in ſolichem zehelffen mit gangem vernmgen, und wo id felb
perſondlich von bez heiligen concil8 wegen nicht gefein möcht, weli⸗
chem furften grafen oder dez reichs mannen ich ſoliche Haubtman-
ichaft und handlung an ftat meines allergnadigiften herrn dez r.L
eınpfelhen wurde, das der das dann auch tu, und das man auch dem
dann darezu Hilflich fei von dez Heiligen romifchen reih& wegen, im
aller der maſs und weis als ob mein gnadigifter herr der r. fung
felb8 da wär, und das das alles nach notdurft in dem majeltat
brief begriffen und gefchrieben werd” !.
Sigmund, des Protector Wunſch entſprechend, ſandte nach
wenigen Wochen (am 28. Juni) das Reichspanier und dabei eine
ftattlihe, mit dem königlichen Majeſtätsſiegel verfehene Urkunde,
worin er feinem Statthalter die begehrten Vollmachten in ihrem gan-
zen Umfange ertheilte?.
Demnach wurde die urfprüngliche Aufgabe des Protecters, für
die Sicherheit des Concils in nächſter Nähe und auf ben Strafen
von und nach Baſel zu forgen, dahin erweitert, daß er alte unreb
lichen Kriege und NRäubereien, wo und von wen die im eich im⸗
mer gefchehen, in des Königs Namen abthue, und daB er die Räus
ber, die auf des heiligen Reichs Straßen rauben und die Leute ſchin⸗
den, ftrafe, wo er die treffen möge, in Städten, Mürften und
Schlöffern. Und dazu foll er des Königs und des heiligen eine
Panier aufwerfen wider alle die, die unreblichen Krieg und Räuberei
treiben, wodurch das heilig Goncil, auch des heiligen Reichs Stra
Ben, Land und Leute befünmert werden, endlich auch wider bie, bie
folche Krieger und Räuber unterftügen, haufen und hofen. Wem
er felbjt aber das nicht thun kann „von notdurft wegen des heiligen
Concils, unfer und des reichs geſchäfte“, jo foll er das Reichspanier
einem andern Fürften Grafen oder Neichsmannen, der ihm dazu ge
fällt, übergeben, was dann diefelbe Wirkung haben foll, als wenn
der Protector in eigener Berfon das Banier aufwirft. Endlich erhält
ı T. V, fol. 206b,
2 Wilhelm ſchrieb darüber dem Bruder am 6. Auguſt 1432 (T. V, fol.
250), ald er von einer Reife nach Weftphalen, wovon nod bie Rebe fein
wird, zurüdkam: „So hat er (unfer gite ae berr, in unferm abwefen) uns
bei Haubten Marfhalt fein banier geſchickkt, under feiner Mayeftat, und be
volben, die arıf zu werfen wider all die, die baz heilig concilium, daz rei
und unfer lannd befaidigen, als ir wol hörn werdet an ber copi bieinn vers
floffen, und bamit ettwe vil brief an ettlich fürften, herrn und ſtet, das und
bie datinn ſollen Hilflich fein, wenn wir die ermanen“.
542
unterhandlungen einzutreten, verfchmähte die andere
gütlichen Austrag als eine rechtliche Entſcheidung '. Baft
dauerten mit blutigen Zwifchenfpielen die Verhandlungen ;
fih auch, der Markgraf von Baden mit ein und nahm
Statthalter Partei ?. Diefer ergriff „um friedens und
der armen leute willen“ im Namen des Reichs
Schloſſe Schuttern, das der Markgraf bereunen wollte.
Kaifers Panier, das der Herzog aufgepflanzt Hatte, Hielt den
grafen nicht von einem gewaltfamen Angriff ab, fo daß ber Pre
tor die Stadt Bafel unter Mittheilung einer Abfchrift von der b
nigliden Vollmacht aufforderte, Schloß Scuttern retten zu helfe‘.
Es fcheint ihn in der That gelungen zu fein, das Schloß ale
haupten und einigermaßen die Ruhe zwifchen den Streitenden bens
fet, über die Streitigkeiten in jenen Gegenden zu entfcheiden +. De
Markgraf von Baden war über Wilhelm fo erbittert, daß er fi
—A einen Schmähbrief gegen den Protector an das Eomi
zu .
Wie ernft Deriog Wilhelm feine Aufgabe, den
berzuftellen, in der That faßte, beweifen auch feine Bemühunge,
einen Landfriedensbund zwifchen den Fürſten und Städten des füh
weftlihen Deutfchlands aufzurichten.
Schon im Juni 1432, alfo noch vor Empfang der erweiterten
königlichen Vollmacht, hatte er die benachbarten Reichsſtände eingelr
2 Nach einer Urkunde (im Reichs-Archiv), bie H. Wilhelm am 13. Im
1433 ben Brüdern von Hobengeroltsed außftellte, hatte er bie Parteien ven
bens auf ben 10. Aug., 16. Octob. 1432 und auf ben 8. Jan. 1433 ver
de geladen. Darauf beflimmte er ben GStreitenden einen Tag auf Geerg
1433, Vergl. von den zahlreichen hierher gehörigen Actenftüden im K. Neid
Archiv u. a. ben Brief Wilbelmd an ben König vom 16. Aug. 1432 (unler
„Markgr. Baben, Heerfchaft Geroltseck“).
s Wilhelm führte mit dem Marfgrafen das Jahr 1433 hindurch eine
ſehr gereizte Correfpondenz (int 8. Reih3= Archiv); fiehe bie Briefe bes Her⸗
3098 3. 8. vom 17., 27., 29. Suni, 1., 3., 12., 16. Juli.
s 1433, 10. Jul. Abſchrift im K. Reichs-Archiv.
* Go erflärte ber Herzog von Urslingen und feine Partei am 5. Jan.
1433: fie feien nicht verbunden, vor dem Herzog Wilhelm zu erfcheinen, no
habe. er das Recht über fie zu fprechen, ba ſolches vor des Reichs Vicar in
beutfchen Landen, Herzog Ludwig, ihren Richter an bed römiſchen Königs uns
* Reichs Statt, gehöre, vor welchem fie ihn, ben Herzog Wilhelm, hiemit
ordern.
s Am 13. Septbr. 1433 forbert Herzog Wilhelm den Markgrafen Jacob
von Baben, ber über ihn an bad Concil einen langen Iateinifchen Brief (ben
wir nicht haben) gefchrieben hatte, auf „alle geſchicht der fach, dorumb er mit
im in ſchreiben gekommen fei”, vor den römiſchen Kaifer zu bringen, wo wohl
würde erfunden werben, wer Recht ober Unrecht gethan babe,
544
aus nebft einem Mandat an die Stadt Bafel eine Tönigliche >
fehrift an den Protector, worin diefem aufgegeben wurde, darüber a
wachen, daß das Concil weder dur übermäßige Miethforderung
noch durch unbilfige Abgaben beläftigt werde ‘.
Was die Fürforge fir die Lebensmittel betrifft, fo war bit
Angelegenheit, bei der großen Dienge Volks, die in Bafel zufamme:
fteömte, und den mangelhaften Verfehreverhältniffen jener Zeit, wik
tiger, al8 man heute glauben möchte. Es ijt befannt, wie leicht m
Mittelalter durch Mißwachs in einzelnen Gegenden Theuerung um
Hungersnoth entjtanden. Trat diefer Fall in Bafel ein, fo war d
um das Concil gefchehen. In der That drohte ein folches Lingfid
ſchon am Ende des Jahres 1432, wo das Korn in ettlichen Geger
den um Baſel nicht wohl gerathen war, einzutreten. Der Her
traf aber frühzeitig Vorkehrungen, indem er die Landleute und Stöb
ter aus den Gegenden, wo noch etwas Getraide gewachſen wer,
ſchon um Michaelis zu ſich nach Bafel befchied, um fie gu verantaf
fen, die für das Eoncil nöthigen Lebensmittel rechtzeitig zu billigen
Preifen zu liefern ?,
Endlich übte auch der Protector eine gewiſſe Sittenpolizei i
der Stadt aus. Er war es, ber, freilich auf Verlangen des Eoncils,
Faſtnacht das Tanzen in Bafel verbot, was ihn aber, wie er gegen
den Sanzler Schlick Hagte, um die Gunſt der Frauen brachte. Dem
diefe, obwohl fie das Tanzen heimlich nicht ließen, erhoben doch ein
groß Gefchrei und fprachen laut: „Wäre unfer Herr der König ſelbſt
hier und fein lieber Cafpar, fie hätten uns unjere Freude nicht ver
ı 7. V, fol. 318. Das Schreiben bes Königs an ben Herzog if Kultır
Hiflorifch von Intereſſe: Es beginnt damit, wie das heilige Concil bem ls
babe vorbringen Taffen: „wie fy vaft gebredden haben an befwerumng ber zinfe,
bie bie von Baſel von in zu haben meinen, und fein oud in einem folicen
weg, das man einem iglichen wirt geben wolt von einem pette, doran zwu
perfon reblichen geligen mochten, alle monab einen gulden Reinifchen, tut alfe
zum jare czweliff gulden von einem pett, von czehen petten ein Hundert und
czweinczigk gulden Ryniſcher, und bad bamit aller hawscziuß von dem hauſe,
auch tiſchtucher und hanttucher und als kuchengeſchirr beczalt were, des ſich
aber die von Baſel nicht haben wellen erweiſen laſſen“. Sondern fie fordern
noch dazu von einem jeden Pferd des Nachts mindeſtens 3 Stüber, wei
monatlich von 4 Pferden einen Ungrifchen: oder Ducaten-Gulden und jãhrlich
von 4 Pferden 12 Gulden Stallzind machen würbe. Außerdem glauben bie
Bafeler noch fordern zu Fönnen von benen, bie ihr eigned Korn mahlen und
Brod baden, einen Mahlzind, ber auch jährlich von einer jeben Perſon einen
halben rheinischen Gulden ausmachen würde. Wollen bie Bafeler ſich nicht
untermweifen laſſen und mit dem obigen Angebot bed Concils zufrieben geben,
fo haben fie es fich felbft zuzufchreiben, wenn zu ihrer Schande und ihrem
Schaden bie Berfammlung anderswohin verlegt wirb.
2 Ich entnehme biete Notiz einem Briefe Wilhelm? an feinen Schwie
ervater ben Herzog Adolf von Eleve (d. Baſel zinftag nach Michaelis 1432)
m R. Haußardiv. Die Sache erfchien dem Protector fo wichtig, baß er fe
unter den Gründen aufführt, weshalb er feine Braut, Margarethe von Cleve,
nicht fobalb perfönlich heimführen Tonne, indem er ih nicht von Baſel ent:
fernen dürfe,
645
dorben; aber weil der Herzog felbft feine Freude Kat und nicht zu
uns gehen will, fo will er fie uns auch nicht gönnen !,
W Kapitel,
Des Herzogs Antheil an den Berhandlungen des Concils
mit dem Papſt. Seine Correfpondenz mit dem Kaifer.
Man Hat Häufig auf die äußere Seite des Protectorats, auf
die Sorge für die Sicherheit und die materiellen Bedürfniffe der
Verſammlung, alles Gewicht gelegt und damit die eigentliche Bes
deutung von Herzog Wilhelms Thätigkeit in Bafel verfannt. Dieſe
beruht, wie uns fcheint, nicht forwohl in den vorhin erörterten Ver⸗
dienften um den öffentlichen Trieben in der Gegend bes Concils und
um den Unterhalt und die Bequemlichkeit der verfammelten Väter,
al8 vielmehr in dem Antheil, den der Statthalter des Könige an
den Verhandlungen des Concils wührend ber Jahre 1432 und 1433
nahm. Diefe Verhandlungen aber waren nach zwei Richtungen von
hervorragender Bedeutung, einmal foweit fie ſich auf die Stellung
zum Papft und zweitens auf das Verhältnig zu ben Böhmen erftredten.
Was zunächit das Verhältnig des Concils zu Eugen IV. betrifft,
fo war dies feit der Ankunft Wilhelms in Bafel ein durchaus
feindfeliges. Die Verfammlung hatte faum ihre Verhandlungen be=
gommen, als der Papſt fie aufzulöfen verfuchte In dein offenen
Kampf, der jett begann, fam alles auf die Haltung des Königs und
ſeines Stelfvertreters an.
Zwar ftellte fich der König, wie es fein Intereſſe mit ſich
brachte, fogleich entfchieden auf die Seite des Concils. Aber in den
mehr perfönlichen Intereſſen, die Sigmund in Italien verfolgte, lag
die Gefahr, daß es dem Bapft gelingen möchte, ihn von dem Concil
abzuziehen. Nahmen die Verhandlungen mit den Böhmen nicht den
gewiinfchten Fortgang, fo fiel für den König der Hauptgrund, es
mit den verfammelten Vätern zu halten, ohnehin fchon weg. Zeigte
es fih dann, daß er bie Zwecke, die er auf dem italienifchen Zuge
verfolgte, vor allem die Kaiſerkrone, leichter und ficherer im Frieden
mit dem Papſt erreichte, fo mußte ihm die Berfuchung kommen, dem
Bapft zu lieb der Verfammlung feinen Schuß zu entziehen. ‘Dies
felbe Gefahr rückte heran, wenn die Verfammlung im Kampf mit
dem Bapftthum energifch zur Reformation der Kirche und zur Her-
ı Wilhelm an Caſpar Schlid, dat. Bafel an St. Philippi und Jacobiz
tag. T. V, fol. 222.
546
ftellung des Friedens unter den chriftlichen Völkern, alfo zu demjenigen
Aufgaben ſchritt, die zunächſt der römische Stuhl fir fi m Ar
ſpruch nahm, die aber zum großen Theil auh in das Gebiet der
weltlichen Macht, des Kaiferthums, fielen. So wie die höchſte Ge
walt in der Ehriftenheit aus der päpftlihen Curie in das Come
verfegt wurde, übertrug der Kaiſer bie Eiferfucht vom Papft auf die
verfammelten Väter, und der Kampf, der fo lange zwifchen ihm und
dem Papft geführt war, Tonnte leicht zwifchen dem Kaifer und den
Coneil entbrennen.
Unter fo eigenthiimlichen Berhältniffen war. das Amt deſſen, der
den König am Concil vertrat, wichtig und fchwierig zugleich. Durd
die Hand des Statthaltere ging der Verkehr des Concils mit dem
König, durch ihn wirkte Sigmund ebenfo fehr auf die verfammelten
Väter wie diefe auf jenen. Es galt, bei eintretender S
und auseinandergehenden Intereſſen die rechte Mitte zu finden un
einen Bruch zwifchen dem Eoncil und dem König zu verhüten. Um
diefe Aufgabe hat Herzog Wilhelm, wie mir ſcheint, mit großer Um
ſicht gelöſt. Es iſt wenigjtens zum großen Theil fein Werbieuft,
daß das Concil in den Jahren 1432 und 1433 jo energifch gegen
ben Bapft vorfchreiten Tonnte, ohne fi der Stütze Sigmunds zu
auden. -
Eine Zeitlang wurde das Einvernehmen zwifchen dem König
und der VBerfamminng noch von den Umftänden jo fehr beginftigt,
daß es ber gegenfeitigen Mahnungen, einander treu zu bleiben, fan
bedurfte. Beide waren durch die Lage, in der fie ſich befanden, uf
einander angewiejen.
Der König war kaum nach Italien gelommen, als die Ber
legenheiten für ihn begannen. Von den deutſchen Fürften nicht
unterftügt und nur mit fehr geringen Streitkräften
tte er vergebens gehofft, im Bund mit Mailand, Savbohen und
errara, und geftügt auf einige ſtädtiſche Republiken, die Feinde des
Reichs, wie Venedig und Florenz, niederzumerfen und dem Bapfte
nöthigenfalle mit Waffengewalt die Kaiferkrone abzuringen. Aber
Philipp Visconti, auf den er vor allen gebaut, erwies fich als einen
höchſt unzuverläffigen Verbündeten. Ihm war es nur darum zu
thun, an dem König eine Stüge gegen Venedig und Florenz zu
finden. Als der völlig mittellofe Sigmund ihm nichts bieten konnte,
vielmehr feine Unterftügung in Anfpruh nahm, um den Zug nad
Rom fortzufegen, überließ er den mit der eifernen Krone geſchmückten
König feinem Schidfal. Wie hätte er auch Luft haben follen, das
kaiſerliche Anſehn in Italien auf Koften der eigenen Territorialge
walt verftärken zu helfen? Auch der mit Mailand verbindet
Herzog von Savoyen fowie der Markgraf von Montferrat mochten
und fonnten dem deutſchen Könige Teine wirkfame Unterftitung
leihen, und die Kleinen ftädtifchen Republiten, wie Luca und Eiene,
die von ihren Nachbarn den Slorentinern bedrängt wurden, hatten
weniger Mittel als guten Willen Sigmund zu helfen.
548
Bologna zu verlegen, wohin auch ber Bapft felber kommen ode
feine Sardinäle fenden wolle. Und wie wir benachrichtigt find, fo
beabſichtigt feine Heiligkeit alle diejenigen, die zu Baſel oder fen
vom Concil find, zu laden und zu citiren, wie wir dir beun Ab
Schriften von alle dem, das uns aus Rom zugelommen ift, fenden,
welche Abfchriften wir aber in dem Brief an das Concil nicht de
gefchloffen haben, damit den Bätern daraus keine Bedenken auf
gen. ‘Denn wiewohl die ehrbaren Herren und Prälaten im gutem
Vorſatz ftehen zu Bafel zu bleiben bis in den Tod, wie fie um
fehr oft ernitlich gefchrieben und auch in der zweiten Seffion öffent:
lich erklärt, haben, fo fürchten wir doc, daß fie, wern der Papſt fo
verhärtet bliebe, fie befchwerte und gegen fie procedirte — obwohl
das nach Inhalt der zweiten Seffion feine Kraft hätte — bed
wanfelmüthig würden. ‘Darum begehren wir von ‘Deiner Liebe, daß
Du ohne alles Verziehen daran feieft und ihnen anliegeft, daß fie in
den Sachen nicht fchlafen, fondern folder Citation unb anderen
Dingen, womit man das Concil zit hindern unternimmt, zuvorkom⸗
men, und fid) männlich und feft halten und beweifen, und je eher
je befjer, da die Widerpartei Tag und Nacht arbeitet, ihren Vorfet
durchzufegen. Wir aber wollen den Vätern feft beiftehen, und haben
uns auch entjchloffen, auf die faiferliche Würde deshalb zu verzichten,
und unſer Perfon und Statum auf fie und die Heilige Kirche, die
das Concil bedeutet, zu fegen“. Verharrt dam der Papft noch m
feiner „Hertifeit“, fo will der König in Italien mit Leib und Gut
zur Förderung des Concils und der Kirche alles thun, was ihm
das Concil heißt. Bleiben die Väter feit in ihrem Vorſatz, fo wer-
ben unzweifelhaft alle Sadyen wohl gehen.
Da es aber doch möglich wäre, daß das Concil wankend wär
be, fo muß der König auch diefen Fall frühzeitig ins Auge faflen.
„Verſtünde Deine Liebe, daß fie in Furcht oder Zweifel fielen
da Gott vor fei, und was wir nicht glauben, fo laß e8 uns bei
Zeiten wiffen, damit wir ums darnad) richten können, da es um
eine Nothdurft ift, nachdem der Papft nun einen Unwillen von des
Concils wegen gegen uns empfangen hat und zu fürchten ift, er
trachte fo viel er mag nach unſerm Verderben. Sollten wir mm
von dem Concil verlajfen werden, fo möchte uns das zu unwieder⸗
bringlihem Schaden gereichen. Darum fei fleißig in der Sache und
emfig, wie wir Dir denn gern zutrauen, und beftell mit ſammt dem
Concil, daß die chriftlichen Könige und unfere und des Reichs Kur⸗
fürften und andere Fürjten, Herren und Städte noch einmal einge
laden werden und kommen, ba hier ein großes Geſchrei ift, daß ans
beutfchen Landen nur Wenige da fein. Doc, wir hoffen, wenn ber
Papft von feinen Boten unfere endgültige Meinung vernehmen und
die zweite Seffion anjehen wird, fo wird er fich anders bebenten,
und wie man fagt, hätte er das ſchon längft gethan, wenn ihn die
Venediger, die ihn ganz regieren, gelaffen hätten”.
. Endlich erklärt der König fid) noch einmal entfchloffen, geraden
=
549
Wege nah Rom zu ziehen; wird danm der Papſt dem Concil feinen
Fortgang laſſen, fo will er die Krone von ihm empfangen; wo nicht,
fo will er auf die Krönung verzichten und thun, was ihm das Concil
gebeut. „Und dein lieb fol glauben, da® wir dem concilio hie nuczer
fein dann czu Bafel, und bringt den babft ichts von feinem fürfas,
fo macht es die vorcht, das wir mit macht hinein ziehen“.
‚Wenn Sigmund Sorge hatte, daß die verfammelten Väter auch
nach der zweiten Sejfion (15. Febr. 1432), worin fie im Anſchluß
an die Decrete des Conſtanzer Concils die Verfammlung über den
Papft geſtellt und befchloffen hatten, daß das Concil ohne ihre eigne
Zuftimmung von Niemanden, auch felbjt vom Papfte nicht, aufgelöft -
werden fünne, wenn Sigmund nad folchen Befchlüffen beforgte, die
Verſammlung möchte doc wieder wankend werden, fo täufchte er
jih über den Geift, der die Väter befeelte. Diefe waren feit ent-
Ichloffen, die Autorität des Concils gegen Eugen aufs Aeußerfte zu
vertheidigen, und fürchteten nur, daß der König dem Papft zu viel
vertrauen und von ihm überliftet werden möchte.
Sigmund verficherte zwar wiederholt, dag er die Gefinnungen
des Bapftes wohl kenne!, fehmeichelte fi) aber doch noch mit ber
—2 in Eintracht mit Eugen zur Kaiſerkrone zu gelangen?.
ndeß jeder Bote, der von Rom kam, brachte neue Kunde von den
Vorkehrungen des Papſtes „wie er bin und her fende, das Con⸗
cilium zu bindern“. „Darum“, fchrieb der König feinem Statt«
halter (9. April 1432), „wolleft du mit den Herren und Prälaten
in dem Concili eigentlich daran fein, daß fie ſolcher Sache zuvor-
fommen und nicht Schlafen, fondern fofort zu Fürften, Herren und
Prälaten überall ausfenden, damit des Papſtes Vorſätze gehindert
werden, Gott zu Lob; man wacht in dem Hofe zu Rom und ar-
beitet ftetS wider das Concilium; fehet zu, daß Ihr zu Baſel auch
nicht ſäumet; denn ficherlich halten fie feſt und treiben ihre Sadıe;
es wird noch alles gut“. ‘Der Widerftand, meinte der König, gehe
nicht Sowohl vom Papſt al® von den Venetianern aus, die ihn
regieren; dagegen hätten er, Sigmund, und das Concil viele Cardinäle
und andere Anhänger zu Nom. Eine Citation der Cardinäle durd)
das Eoncil hält der König für gerathen.
2 Am 9. April 1432 (T. V, fol. 215) fchrieb ber König an den Statt:
halter: „Dann als bu meinft, wir follen uns in beö babft und ber Venediger
bant nicht alfo blos geben, boran reteft bu uns recht, und wir haben des ouch
nicht willen, dieweil ber babft jo offenberlih part heldet, und iczund alles fein
vol den Florenzern zugefant hat“. Nur wenn ber Papft das Eoncil für fich
eben laſſen und „ein gemeiner vatter* und nicht „part“ fein will, wird ſich
Sigmund auf feine Worte getroft verlaffen und gen Rom ziehen.
2 In bemfelben Briefe: „Auch haben und unfer rete von Rom gejchris
ben, das ſy noch etwas trofteß haben”. Diefelbe Hoffnung ſprach ber König
auch am 15. April (fol. 214) aus, obwohl die Boten von Rom gejchrieben,
daß ber Papſt noch „hart“ ſei. „Wolleft die Prelaten in bem concilio ſter⸗
fen, warın bie fach obgotwil noch gut werben, und gehort nicht anders bortzu
ben fletileit und veftbleiben”.
Il. 36
550
In einem zweiten Briefe an den Protector von beimfelben
Tage! geht Sigmund aber noch einen Schritt weiter und denft
fchon an eine Citation des Papftes felbjt*. Denn fo eben war em
andrer Bote von Rom gelommen und hatte von neuen Anftrengungen
des Papftes gegen das Concil berichtet. „Dorumb, Lieber oheim,
wolfeft mit ernft doran fein, das fulche fchedliche fürfecz des babflt
underftanden werden, und wolleft ouch von dir jelbs die Turfurften
und ander befenden, ob ſy der babft von dem concilio underftänd zu
wenden, das fy fi doran nicht keren“. Denn follte das Concil
zerftört werben, fo wäre das der ganzen Chriftenheit und befonders
deutfchen Landen ein „unverwintlider Schlag“. — Die Garbinäl
und andere vom römifchen Hof würden über eine Citation des Eon
cils fehr froh fein und gern nad) Bafel fommen; und da man in
Rom nicht fchlafe, fo wäre es befjer, die Herren vom Concil kämen
zuvor, ſtatt daß fie felbft citirt würden. Darüber foll der Statt-
halter mit den Vätern reden, ihnen rathen und fie daran weißen,
daß fie im Namen Gottes mit der Citation der Cardinäle voran
gehen. „Und bedeucht die vetter, das man Halt den babft citirt
durch und, das daz nicht bös wer“.
Das Coneil ging völlig auf die Wünfche des Königs ein,
wenn es ihnen nicht noch zuvorfam. Denn während Sigmund nod
immer auf die Nachgiebigfeit des Papftes rechnete, bereiteten die
Väter, indem fie die Frage der Citation des Papftes und ber
Gardinäle erwogen, einen Beſchluß von entfcheidender Bedeutung
vor. Es wurde mit nadten Worten von der Verſammlung erklärt,
2 Wir haben aus biefen Tagen und zwar vom 8. April noch ein britted
Schreiben bed Königs, bad an das Eoncil gerichtet ift und von Aſchbach a.a.D.
©. 72 beſprochen wird. Es fei mir geftattet, bier eine Angabe Aſchbach“s zu
berichtigen. Derfelbe fagt nämlih: „Weber das Nähere in Bezug auf bie
Schritte, welche Sigmund zu machen vor hatte, und was das Concilium zu
thun beabfichtigte, im Fall ber Papft nicht nachgebe, follten feine Abgeordneten,
an deren Spige der Bifhof von Laufanne und der Domdehant Heinrid von
Utrecht fanden, mündlich ſich bereden“. Das fteht aber nicht fo in dem Brief
bei Martene 1. c. p. 106, auf ben ſich Aſchbach bezieht; vielmehr heißt e
bier: De aliis autem, quae occurrerunt, venerabilis episcopus Lausanenais etc.,
quos cum plena informatione ad vos misimus, vos, non ambigimus, jam
elarius avisarunt, Dieje Geſaudtſchaft ging alfo nicht erft mit dem 8. cher
9. April von Parma ab, fondern war fhon früher nad Baſel abgeferti
worden. Daher heißt es in dem zweiten Briefe an ben Statthalter vom 9.
April (fol. 216): „Wir haben beiner lieb vormals bey Henman Offenburg,
dornach bey dem bifchoff von Lozan und yczund zulegit bey Cuntat Mulner
ber ftat zu Bafel lauffenden boten clerlich gefchriben gelegenheit aller umfer
1 ”
® T. V, fol. 216. Der Brief beginnt mit ben in ber vorigen Note
angeführten Worten und geht fort: „Nu iſt zu uns fomen ber erfam Sacob
ete. autworter ditz's briffs, ber gerichts von Rom reitet und ung vil gelegen:
heit des babfi, der cardinal unb ander zu Rom geoffembart bat, und wolt alfo
gen Avion geriten fein, ben wir aber uber beten haben, das er vor zu dir und
dem concilium reiten fol, euch fulcher fach zu underweifen, ald er auch tut“,
551
bag dem Papfte, wenn er in drei Monaten der Ladung nach Bafel
nicht Folge leifte, der Prozeß gemacht werben folle.
Diefer Fühne Schritt wurde am 29. April, in ber britten
Seffion gefaßt. Drei Tage zuvor aber hatte in Rom der heilige
Bater nach langem Harren den Gefandten des Könige die definitive
Antwort auf ihre Werbung ertheilt. Sie lautete entfchieden ab⸗
Ichnend, verlegend, drohend!. Der Papſt hatte den Krieg gegen
Sigmund wie gegen das Conlil erflärt. |
Aber dem König war es nicht wohl bei diefer Lage der Dinge.
Freilich dem Concil gegenüber ſprach er fich, nad) Ankunft der Ge
fandten von Rom und nad Eınpfang der Citation aus Bafel, wie
immer muthig und zuverfichtlicd; aus, wenigſtens in dem oftenfiblen
Schreiben, da8 er dem von Rom zurüdgefehrten und jet nad
Bafel gefandten Nikolaus Stod an den Herzog Wilhelm mitgab?.
Er erwähnt hier kurz, daß er die Gitationen aus Bafel empfangen
habe und daß dem Papft die feinige in die Hand überantwortet
werden folle; ferner daß die Käthe von Rom zurückgekehrt feien,
und dag von ihren PVerrichtungen Nikolaus Stod das Concil in
Kenntniß fegen ſolle. Der Papft wolle auch eine Botſchaft an das
Concil fenden, aber gewiß nur des Verzugs wegen, um mittlerweile
Könige und Fürften vom Concil abzubringen, weshalb es Nothdurft
fet, fleißig dagegen zu arbeiten.
Dffener ſprach fi der König in einem vertraulichen Briefe an
ben Statthalter vom 18. Mai aus, indem er hier fchon fehr ernit-
fih von dem Falle fpricht, wo er ohne die Kaiferfrone nach Deutfch-
land zurückkehren müffe; nur würde ihm alles darauf anfommen,
den guten Schein zu retten, weshalb er den Herzog anweiſt, für
jenen Fall auf eine Intrigue bedacht zu fein?.
„Wann in geheim mit dir gerebt, fo werden wir alhie nit aljo
gehandelt, weder mit voll nocd mit gelt, als wir vertröft worden
find, und müſſen kummer leiden, wiewol uns got noch bifher ußge⸗
holfen hat, wir mochten des ouch in feinen weg die lenge ußgeharren.
So verjtet dein lieb wol, das wir on leut und gelt nichts gefchaffen
mögen und mochten die leng in jchand komen, und alfo wider hinder
ı Aſchbach a.a.D. ©. 73.
2 Das Schreiben datirt vom 17. Mai (T. V, fol. 33 unb 33 in dop⸗
pelt ausgefertigtem Original), vom folgenden Tage die Vollmacht für Nikolaus
Stock (T. V fol. 2235), ber bei Martene VIII, 131 fälfchlih Scolp beißt.
Aſchbach II, 76 Anmerk. 17, meint, es fei ein Brief Sigmunds aus der er-
ftien Hälfte des Mai an das Concil über bie päpftliche Antwort ohne Zweifel
verforen gegangen. Und doch ift dem nicht fo. Aus dem Brief an Wilhelm
ergibt ih, daB der König das Concil durch einen befondern Gefandten erft
ba von den Vorgängen in Nom unterrichten Tieß, als er bie Citation bed
Papſtes und ber Sarbinäle in Händen hatte. Das war freilich erſt 3 Wochen
nach jener verhängnißvollen Audienz in Rom. Entweder waren bie Geſandten
nicht fogleih zum König zurüdgefehrt, ober biefer wollte, von der Votſchaft
betreffen, zuerft die Schritte des Concils abwarten.
T. V, fol. 226,
36*
652
uns ziehen müffen, und haben einen weg gedacht, das uns das ci
cilium hete ermanet und erfordert als einen vogt ber Triftenheit gen
Bafel zu fomen, on ſawmen, und den fachen ußzumarten, dieweil dat
concilium fo groffe anfechtung bett, und das müſte mit fulchen hüb
fchen urjachen zugen, al8 du und das concilium wol zu finden weiß,
In foliher maffe mochten wir mit eren uffbrechen und mit urjad
an fchand wider zurudjcheiden, und geicheh dadurch dem concilio
fürberung und groffe freud, und fy wilrden ung des grofflich danden
und erfennen. Doc fo müft du das von dir ſelbs weislich und
von verren treiben und anrichten, das ſy unfern willen nit ver
ftunden; wann wo fy erfuren, das wir das begerten, jo verfteft du
wol, das in unfer zufunfft unacdhtbar werden mocht“.
Herzog Wilhelm möge daher die Sade fo angreifen, daß er
mit den Vertrauteften und den Freunden des Königs etwa folgender
Maßen redete: „Lieben Herren, ihr jehet wohl, daß dies Concilium
große Anfechtung bat, und wiewohl unfer Herr der König fehr dr
beitet mit Leib und Gut, und darum die faiferliche Krone nicht em-
pfangen will, daß er den Papſt Ienfen möchte, fo will das bod
nicht helfen. So fchreibt der PBapft täglich und fendet zu Konigen,
Fürſten und Prälaten, und hindert fo viel er mag, und wir
Niemand denn vor allen feine Töniglihe Gnade. Bedünkt euch
‚ nicht gut fein, daß das Concil feine k. g. bäte nnd ermahnte wieder:
zulommen? Denn wenn er bier wäre, fo würde unzmeifelbaft
Yedermann kommen und Niemand ausbleiben”. Spräcden fie dann,
es wäre gut, wenn wir e8 nur dem König zumuthen dürften, fo
könnte Wilhelm antworten: „es wird wahrfcheinlich fehr ſchwer an-
gehen, doch thut es kühn auf meine Verantwortung; ich hoffe dann
auch, daß da8 Eoncil dem König dafür Danck wifjen wird“.
Vebrigens möge Wilhelm, wenn e8 ihm befjer fcheine, fi
anderer Worte bedienen oder die ganze Sache anders angreifen, nur
nicht fo, daß man den König dahinter entdede. Dann „will Sig
mund aber auch nicht, daß der Herzog fchon jet oder nach feinem
Gutdiinten die Sache ins Werk fee, fondern erjt dann, wenn es
ihm der König ausdrüdlich befiehlt; nur folle er die Sache fchon
jegt vorbereiten, damit auf des Könige Wink die Ermahnung und
Forderung des Concil8 „mit anhangendem Inſigel“ ihm zugefchict
werde. Zunächſt wolle er, fett der König Hinzu, nad) Siena, um
dem Papft, dem er wieder eine Botſchaft zugefchict habe, näher zu
fein; er will auch verfuchen, mit dem Bapft auf halben Wege zu
fammen zu kommen, zwifchen Rom und Siena; werde er dann mit
ihm einig, jo fei es ihm nicht bequem, zurüdgerufen zu werben;
fünne er ſich aber nicht mit dem Papſt verftändigen, fo wolle er
dem Herzog wieder fchreiben.
ieſes Scriftftüd, von dem Sigmund faum zu bemerken
brauchte, daß außer ihm und Caspar Schlid nur der Herzog Wil-
beim davon wiſſen folfe, bebarf feines Commentars. Nur das
bleibt unerflärlih, daß der König, wenn feine Lage und feine Ge
553
finnung ſchon im Mai 1432 fo war, wie er fie in jenem Briefe ent-
hält, noch ein ganzes Jahr in drückender Noth von dem Bapft mit
der jehr zweifelhaften Ausfiht auf die Kaiferfrönung bingehalten
werden konnte. Und doch that Eugen IV. alles, um Sigmund Ver⸗
legenheiten zu bereiten. Selbſt die königlichen Boten und ihre ge-
beimften Papiere waren vor den päpftlichen Spähern nicht ficher.
So war dem Papft auch ein für uns leider verloren gegangener
Brief in die Hände gekommen, den Sigmund am Georgentage 1432
von Parma aus an feinen Statthalter gerichtet hatte. Sein Inhalt
wurde fofort in einer Bulle des Papftes an Könige und TFürften
verwerthet, um Sigmund zu compromittiren; aber der Zufall wollte,
daß gerade diefe Bulle einem päpftlichen Boten, der fie in einer
Flaſche verborgen bei fich führte, in der Nähe von Bafel durch des
Protectord Leute abgenommen wurde und nicht zur allgemeinen
Kenntniß kam!.
Aber dieſe und andere Zwiſchenfälle machten den König in dem
Beſtreben, durch den Papſt zur Kaiſerkrone zu gelangen, nicht irre.
Viel hatte er ſich von der Citation des Papſtes verſprochen, aber
Eugen IV. erſchreckte fie nicht, obwohl fie in aller Form zu Rom
angefchlagen wurde ?, dann ließ fih Sigmund eine Weile durch den
Biſchof von Ebrun täufhen, der vorgab vermitteln zu wollen, aber
Schlieglih von Rom nur „verworrene Artikel“ zurücdbrachted. Als
Wilhelm berichtet über die Gefangennahme des Johann be Prata
bem Könige am 29. Mai, T.V, fol.227. Sigmund antwortet am 22. Juni,
fol. 228: „So weiß got und die werlt wol, bad und dorynne zu kurcz ge:
fit”, in Bezug auf die geöffnete Bulle.
8 Briefe Sigmunds an Wilhelm vom 20. Mai und 18. Juni, T. V,
fol. 34 und 35. — In dem erftern fchreibt der König: „ALS ung das beili
eoncilium aber mer citationes gefanbt hat, bie haben wir alle empfangen und
wir wollen erecucion reblih und fleiffiglih tun. Wir baben oud nu bereyt
zwen erber domit hingefandt gen Senis und furbaß gen Rom, die anzuflahen,
und wollen zu ſtunden mer hinnach fenden und dem beiligen concilio und dir
zu ſtunden verfchreiben, wie es domit ergangen ift“. Erſt am 18. Juni fchrieb
er von Neuem: „Al und ba3 Heilig concilium nechſt die ladbrief gefandt
batt, den babft und bie carbinal zu citiren, alfo haben wir, fo wir erft unb
bequemlichft mochten, bifen gegenwertigen Mathiam publicum notarium unb
Nicolaum von Iwanicz unfern procuratorem, die bed hoffs zu Rom leuff
kundig und zu folihen ſachen fuglic fein, gen Rom gefandt, die wider komen
fein und folih ladbrief an Sand Peter munfter redlich angeflagen haben. —
Wir fehreiben auch boruff dem concilio, das wir ber fach nit haben ee voll:
bringen mögen, wiewol wir groflen fleiß doran gewant haben, wann folich
ufffehung und hute boruff gewefen ift, das wir bie mit fonderlichen ſynnen
haben burich bringen muffen, borumb wolleft und gegen dem concilio entſchul⸗
digen und ob ichts mer dorczu zu tun fey und zu verfunden, wann wir gern
tun wollen was fy zu rat werben“.
s Am 20. Mai 1432 (fol. 54) gab der König dem Statthalter bie erfte
Nachricht von bem Bermittfungsverfuh bes Biſchofs, mit den Worten: „ba
wir einen Erbbifchoff alhie bey uns gehabt haben, bes richs furften, ber feine
Ichen von und empfangen bat, und ift genant Archiepiscopus Ebrebunenfig,
ein gelarter mechtiger ınan, ber hat bie fach zwifchen bem babft, bem concilio
und ung gemerdt und daB vil poſſers borauß komen wirt und mocht, und ift
654
aber der König endlich von Parma, wo er feit dem März fih auf
hielt, im Juni über Luca nad) Siena ziehen wollte, vereinigten fid
päpftliche Soldaten mit den Florentinern, um die mailändilde
Kriegsfhaar, die dem Könige voranging, anzugreifen und von den
übrigen zu trennen. Der Anſchlag gelang auch in der That; die
Mailänder mußten fih auf einen günftig gelegenen Punct zurüd-
ziehen, während bie Florentiner und Bäpftlichen die Stadt Yucca,
wo der König noch war, angriffen. Vergebens war die Abmahnung
bes Königs, feine Reichsſtadt nicht zu überfallen, vergebens aud
der Hinweis auf die Friedensunterhandlungen, worin Sigmund ge
rade mit den Florentinern ftand; die Hauptleute kehrten fich nicht
daran, fondern belagerten vier Tage die Stadt, wurden indeß von
den Bürgern und des Königs Leuten fo ritterli befämpft, „das
in difen landen nit vil gehort ift, al8 dann die Walhen (Wälſchen)
felber fprechen“. Nach ftarken Verluſten brachen die Feinde in ber
Nacht auf, und Sigmund war aus der Gefahr gefangen zu werden
befreit. Aber noch war er von ben Mailändern getrennt und wußte
nicht, warn e8 ihm gelingen werde, bis Siena vorzurüden !.,
Bis Mitte Yuli mußte der König in Yucca bleiben; erft am
16. d. M. erreichte er glüdlih Siena, wurde aber damit nicht aus
der Noth und den Gefahren befreit, die ihn feit Monaten umgaben.
Es ift begreiflich, daß er oft in der Stunmung war, fi) frommen
Bußübungen Binzugeben; freilich vergaß darüber der alternbe Lebe
mann auch leichtfertigen Sinnengenuß nicht. "
Inzwiſchen fuhr das Concil fort, die päpftlide Macht mit
allen Mitteln zu befämpfen. Schon am 20. uni hatte es in ber
vierten Seffion befchloffen, daß, wenn der päpjtliche Stuhl während
der Dauer der Kirchenverfammlung erledigt werden würde, der Nad-
folger Engens in Bafel gewählt werden müſſe. Pier Abgeordnete,
welche bald darauf mit päpftlihen Aufträgen in Bafel erfchienen?,
beute uffgeſeſſen und reit fur ſich zu dem babfi zwiichen und und im unb dem
concilio zu mitteln“. — Am 16. Juli (fol. 284) [hidte Sigmund feinem Statthalter
bie Vergleich3artifel, welche ber Erzbifhof von Rom mitgebracht hatte, „bo:
ronne bein lieb merfen wirt, wie verwarren fulch artikel fein, bie in ber bul⸗
Yen fteen, bie der erczbifchoff als er fpricht in anberer form furbracht bat,
wiewol in der bullen fleet, er hab im bie artidel furbraht”. Bon biefem
Brief, der und, wie bie übrigen Schreiben Sigmunds an Wilhelm im Original
vorliegt, bat Martene VIII, 147 eine lateinifche Ueberfegung mitgetheilt. Den
Brief bed Königs an das Concil vom 27. Juli bei Martene VII, 151 baben
wir nit. — Dagegen finden wir den Erzbifhof von Ebrün noch in einem
Schreiben bes Königs an Wilhelm vom 5. September (fol. 259) wieber, wo
Sigmund das Concil vor dem falfhen Manne warnt. Er hatte ihn noch
einmal mit andern Gejandten nah Rom gefhidt, unb als die andern Boten
wieber famen, blieb ber Erzbifhof aus und ſchrieb dem Könige von Florenz
aus, aber in einer Weife, „boran und doch vaft ungutlid geiicht
2 Dieſe Vorgänge vor Siena erzähle ih nach einem Bericht bes Kö
an Wilhelm in dem fon citirten Briefe vom 18. Juni (fol. 85), Die frü-
ber bekannten Quellen weichen weientlih ab. Vergl. Aſchbach IV, &. 79,
2 Wilhelm meldete ihre Ankunft dem Könige am 25. Auguſt (fol, 256),
565
Fonnten die Väter auf ihrer confequent verfolgten Bahn nicht irre
machen und Feine Verftändigung mit Eugen herbeiführen. Denn
diefer beharrte darauf, daß die bisherigen Schritte des Concils un-
gejeglich feien, und dieſes auf italienifhen Boden verlegt und unter
die unmittelbare Aufficht des Papftes geftellt werben müſſe, während
das Concil — und darin ftimmte e8 mit dev Mehrzahl der denken⸗
den Laien völlig liberein — den Widerftand der Curie nur aus
jelbftfüüchtigen Motiven ableitete. Es ift bezeichnend, daß ein der
Kirche fo jehr ergebener und behutfamer Mann, wie Perzog Wilhelm,
in der Verurtheilung des päpftlichen Verfahrens ebenjo entjchieden
war als die Führer der Verjammlung „Wifft auch, fehrieb er
feinem Bruder Ernſt!, daß der Papft und etliche feiner Cardinäle
nicht8 fo ſehr fürchten als ein Entfegen von ihren Aemtern, zu benen
fie nicht auf rechtliche Weife gefommen find, fowie auch die Refor⸗
mation, da man nicht zu leiden vermeint, daß ein Cardinal 10 oder
12 Kirchen oder Pfründen habe, fondern der Papft ſoll fie ehrbar
verjorgen aus feiner Kammer, als benn von Alters und Rechts
wegen fein foll“.
Mit Senugthuung fpricht auch der Protector von den übrigen
Schritten der Berfammlung, die darauf hinausgingen, Die ganze
Leitung der kirchlichen Angelegenheiten von Rom nach Bafel zu ver:
legen. Die rafch aufblühende Größe des Concils erfüllt ihn mit
Stolz und Freude.
„Ihr ſollt auch fürwahr willen, daß das Heilig Concil fidh
täglich mehret an viel Prälaten, Doctoren und andern merflichen
Perſonen, und auf einen foldhen Grund befeftigt ift, wie in vielen
Fahren kein einziges Concil gewefen ift, und daß es der Papſt auf
feine Weife zu zerftören vermag. Man hat auch auditores camerae
eingejegt aus allen Nationen, die Jedermann hören und Recht er-
gehen lafjen werden. Man bat auch in allen Landen allen Ein-
nehmern der Renten, die in die päpftliche Kammer gehören, verboten,
daß fie davon dem Papft nichts mehr geben, ſondern alles dem
heiligen Concil überantworten follen, das die alten und rechten
Renten auch nehmen will“ 2.
Bisher hatte das Concil in voller Uebereinftimmung mit dem
König gehandelt. Von jetzt an trat aber eine DVerfchiedenheit ber
Näheres darüber bei Martene VII, 149 ff., und Manfi XXIX, p. 468. 482 ff.
Vergl. Aſchbach a. a. O. ©. 85 und 86.
ı T, V, fol. 256, s. d.
2 Wilhelm an Ernſt a. a.O. Der Brief muß nad dem 9. Auguft, wo
bie 5. Seflion gehalten wurde, gefchrieben fein, ba bie zulegt angebeuteten
Befchlüffe damals gefaßt wurden. Daß bie Beichlüfle auch wirklich ausge⸗
führt wurden, zeigt 3. B. ein Befehl des Goncild an einen Dekan zu Regens⸗
burg, der collector apostolicus war, ut infra 20 dies omnes et singulas pe-
cunias ad cameram apostolicam spectantes et apud eum existentes sibi per
fdum nuntium transmittere vel Nurimbergse apud aliquem fidum mercatorem
deponere procuret. Regesta Boica XHI, 1488, 38. September,
556
Anfichten und Beftrebungen immer beutfidher zu Tage!. Es zeigte
fih, dag Sigmund bei allen Schritten gegen die Curie nur die eime
Abficht verfolgt hatte und noch weiter verfolgte, nämlich den Papft
fo weit zur Nachgiebigkeit zu zwingen, daß er das Concil in Bald
nicht an den Unterhandlungen mit den Böhmen, noch weniger ibm,
den König, am Empfang der Kaiſerkrone hindere. Diefe Tektere
Rückficht beitimmte fein ganzes Thun und verlieh ihm eine Aus
dauer und Zähigfeit, die er oft genug, wenn es fi) um höhere und
allgemeine Intereſſen handelte, nicht bewiefen hat.
Alle Aufforderungen des Concils wie des Protectors, bie Unter
bandlungen mit dem Bapit abzubrechen und durd feine Anweſenhei
in Baſel das Anfehn der Verfammlung zu verftärten, wies er ent
fhieden zurüd und behauptete dagegen in immer neuen Wendungen,
daß er in Italien dem Concil bie beften Dienfte the. „And deine
Liebe ſoll fürwahr glauben, wären wir nicht in diefen Landen, fo
wären alle wälfchen Lande num gefriedet zum Schaden und Ber
derben des Reichs, und hingen alle an dem Papfte, und was an
Prälaten in dem Concil aus diefen Landen wäre, die wären längft
zurüdgerufen, und wäre ein ganz Verberben des Concils“ 2.
Ein andermal hebt Sigmund hervor, daß ohne feinen Zug nad
Italien Lucca und Siena verloren gewefen, Deailand zum Frieden
mit Venedig und Florenz gezwungen, des Reiches Herrichaft in Ita⸗
lien vernichtet worden wäre. „Und fie wären alle dem Papſt an-
gehangen“ 3.
Damit aber die verfanmmelten Väter nicht glauben möchten, daß
der König Schon im Einverftändnig mit dem Papft Handelte, hob
Sigmund gern die Teindfeligleiten hervor, die er und die Seinen
vom Papſt zu erleiden hätten. „Auch wiſſe“, fchreibt er am 5. Sep
tember 1432 dem Herzog Wilhelm*, „daß wir feine Botfchaft ficher
gen Rom thun mögen, da man die Unfern niederwirft, mordet ımd
Schlägt, und thun alles des Papftes Leute, und gefchieht in feinen
brieflichen Geleiten“. Diefe Klage wird mit mehren Beifpielen be
ı Gebr ftart war freilih daß Vertrauen bed Concild auf Sigmund wohl
nie geiwefen, und es fehlte auch nicht an Leuten, welche Zwielpalt zu erregen
ſuchten. Der Berfammlung wurbe ſchon im Februar 1432 zugetragen, baß
fi einige vornebme Perfonen an Sigmund beranmaden würden, um ihn
vom Concil abzuziehen. Daß Schreiben, welches der König deshalb am 16.
März an dad Concil richtete, theilen Martene VII, 82 und Manfi XXX, 82
mit. Beral. Aſchbach S. 59 Anmerk. Uns liegt in lateinifcher Faſſung bie
Abſchrift eined Briefe an Wilhelm vor, worin Sigmund ihm aufträgt, bie
Väter zu beruhbinen und ihnen aufs Beftimmtefte zu erflären, baß ber König
bis zum Xobe beim Concil außbarren werbe, T. V, fol. 208. Das Datum
biefeß Briefe ift ferla sexta ante Reminiscere, b.i. ber 14. März (1432),
während dad Schreiben an dad Concil erſt vom 16. berrührt, und doch heißt
es in bem erfteren Briefe: quia de praesenti super hiis scribimus s. con-
cilio.
2 Der König an ben Statthalter, 28. Auguft 1432, in T. V, fol. 291.
s Schreiben an Herzog Wilhelm v. 5. September 1432, in T. V, fol. 259.
* In dem zuleßt angeführten Briefe, von bem ſich eine zweite Original-
557
wiefen!. „Und das fchreiben wir Dir darum, daß Du das an das
Coneil bringen mögeft“.
Dem Könige lag in der That alles daran, fi) die Sympathien
des Concils noch zu erhalten. Als er am 28. Auguft die Väter
erjuchte, den Monat September hindurch mit allen Maßregeln gegen
den Bapft inne zu halten, weil er in neuer Unterhandlung mit ihm
ftehe, verficherte er, es folle die letzte Botfchaft fein, die er nad
Rom abgehen lajfe?. Zugleich nahm Sigmund ober fein Kanzler
den Schein an, als ob er es nicht ungern ſähe, wenn das Concif
im äußersten Falle e8 mit den Landen und Städten des Papſtes in
Italien gerade jo machen würde, wie mit Avignon, das die Ver:
fammlung ſich angeeignet hatte und durch einen Legaten bes Concils
verwalten Tieß°.
Aber alle Verficherungen Tonnten das Mißtrauen des Concils
in des Königs Standhaftigkeit nicht befeitigen. Man drang noch
einmal in ihn, die Verhandlungen abzubrechen, und Sigmund brachte
‚nur immer wieder die alten Betheuerungen vor, daß es ihm allein
um die Ehre des Concils und um Vermeidung eines Schisma zu
thun fei, oder er wies zum Schein wieder auf eine letzte gewaltige
Waffe Hin, die er noch gegen ben Papft ins Feld führen könne *.
Ausfertigung mit bed Königs Sigel fol. 52 findet. Da bie Briefe nicht ficher
gingen, 7 wurden fie fehr häufig doppelt ausgefertigt unb abgefandt.
2 &o war ber Bifchof von Chur mit andern Föniglichen Boten auf ber
Heimfehr von Rom bei Aquapenbent in bed Papſtes Geleit von befien eige-
nen Söldnern überfallen worben, „und zwei von ben Unfern blieben tobt, und
hätten fich die Unfern nicht fo muthig gewehrt, jo wären fie alle in dem Ges
leit erfchlagen worden. Nun aber fchlugen die Unfern 10 von ben Feinden
zu Tobe und machten 8 Befangene; die andern entliefen; und als ber Haupt:
mann zu Aquapendent über bie acht richten und fie hängen wollte, gebot ihm
ber Bapft, er folle fie ledig Tafien, und das geſchah. Auch ift Heinrich Fuchs
in bed Papſtes Gebiet erfchoflen worden” u. |.w.
3 Das Schreiben an bad Eoncil bei Martene I. c. p. 165 sq. Uns
liegt im Original von bemfelben Zage ein Brief an ben Protector vor, worin
er biefem bie an bad Concil gerichtete Bitte befonderd an® Herz legt. T. V,
fol. 2391. Siena, 28. Auguft 1432,
= Der Kanzler Schlid fchrieb zu dem Briefe bes Königs vom 28. Auguft
folgende Nachſchrift (fol. 290): „Gnediger Fieber herr. Als ſich das concilium
Avinion unberwunden bat, alfo find vil flet und land der kirchen albie, bie
fi an zwyvel an das concilium und unfern herrn flügen, wenn fi fein
gnad bed underwinden törfte, daz man nicht ſprech: er beraubt bie Firchen,
Und ich mein, wil ber babft übel, es müß zulecz alfo geen; beucht mich gut
* fein, das ir mit dem concilio davon rebet und mir in geheim wiberumb fchrei=
bet, was fy güt dünket, wann e3 fur bad concilium were”.
* Gigmund an den Statthalter 1. November 1432, T.V, fol.55. Der
König erwähnt bier zuerft die Vermittlung des Cardinals de Gomitibus, wo:
rüber er ſchon am 29. September dem Protector gefchrieben (eine lateinifche
Ueberfegung bed Brief bei Martene 1.c. 188; und Tiegt das deutfche Original
T. V, fol. 268 vor). Sodann knüpft er an bie Bulle bed Concild, die von
allen weitern Verhandlungen mit bem Papſt abrieth, die wieberholte Verſiche⸗
rung, baß er nur im Intereſſe des Concils handeln werde. Weiterhin erzählt
er, daß eine neue Botfchaft, beſtehend aus bem Biſchof von Chur, Lorenz dem
658
Da trog dem die Mißftimmung immer größer wurde, bielt es ke
König für nöthig, vor aller Welt eine Erklärung über feine une:
Schütterliche Anhänglichkeit an das Eoncil abzugeben); fodann Tief a
der Verfammlung eine Schrift über feine DVerdienfte um biefell
überreichen und ihr zulegt durch feinen Statthalter mündlich as
einanberjeßen, was er alles für fie gethan und wie viel er gelitten
e.
Es wird den eifrigen Bemühungen des Herzogs Wilhelm me
Schreiben fein, daß die Verfammlung am 22. Jan. 1433 in de
neunten Seffion den König in ihren befonderen Schu nahm um
feierlich erflärte, daß alles, was Papft Eugen in irgend einer Weik
mit Abfegung, Bann oder Proceß gegen ben König vornehme, mul
und nichtig fein folle. oo.
Man hat diefen Beſchluß in der Negel als einen glücklichen
Schachzug bes Concils und des Königs gegen den Papft aufgefaft
und es als eine Folge ber hierdurch noch einmal in aller Form
erwiefenen Einigkeit zwifhen Sigmund und der Verfammlung be
trachtet, daß der Papft jett endlich ſich zu Eonceffionen verſtand,
die den Frieden mit Sigmund und weitere Unterhandlumgen mit dem
Concil möglih machten. Ich halte es dagegen für möglich, ja foger
für wahrfdeinlih, daß ber König, als er jenen Beſchluß betric,
noch eine andere Abficht damit verband, die Abficht nämlich, durch
jene feierliche Erklärung der Verſammlung nicht allein vor jedem
Angriff Eugens, fondern auch des Concils ſelbſt gefichert zu fein.
Das Vertrauen zwifchen ihm und den verjammelten Vätern, das
läßt fich nicht verfennen, war tief erfchüttert.e Ging die Verfanm
fung fühnen Schrittes auf dem Wege ber Reform und der Oppofi
tion gegen die römifche Curie vor, während der König um jeden
Preis Frieden mit dem Papft wollte, jo Tonnte e8 einmal dahin
fommen, daß das Concil, wie e8 an eine neue Papſtwahl badıte,
auch die Wahl eines anderen römifchen Königs fördern Half. Die
Prätenfionen der Verfammlung, die fi für die höchſte Orbmung
auf Erben hielt und um biefe Zeit auch tief in weltliche Dinge ein
zugreifen anfing, gingen in ber That weit genug. Sigmund aber,
der in Deutfchland fo wenig mehr vermochte, hatte durch feinen bie
Marſchal, und Caſpar Schlid bem Vicekanzler, nad Rom abgegangen jei,
von deren Inſtruction das Concil Abfchrift erhalten babe. Und wie wohl
man ihm große Furcht vorwerfe, fo wolle er afle Sachen Gott zu Lob und
dem Eoncil zur Förderung „wegen“ (erwägen? wagen?). Endlich Heißt es, ber
erzog folle wiffen, daß ber König viele mächtige Herren in diefen Landen be:
ellt abe, ob ber Papft übel wollte, daß man ibm Land und Leute nehmen
möchte. Namentlich wird einer, Sancius Garilla, genannt, ber mit feinen
Helfern in be Königs und bed Concils Namen zu Feld liege und ſchon mel:
rere Schlöfler genommen babe, worüber der Papft fehr erfhroden ſei. Der
Herzog fol im Geheimen erfahren, was bed Eoncild Wille in biefen Saden
fei. — Daß es hiermit bem Könige nicht im mindeſten Ernſt war, bat fen
fpätere® Verhalten zur Genüge bewiefen. Der Brief war gerabe fo ehrlich
wie Schlicks Nachſchrift zu dem Schreiben vom 28, Aug. S. p- 557 Anm. 3.
1Aſchbach a. a. D. S, 95
559
jett völlig refultatlofen Aufenhalt in Stalien an Anfehn nicht ge=
wonnen. Das Einzige, was ihn in den Augen der Welt noch hob,
war die Verbindung mit dem Concil. Hörte fie auf, fo ſank der
König zu einem bloßen Abenteurer auf fremder Erde herab, und das
Coneil, welches die Kirche vepräfentirte, mochte geltend machen, daß
diefe eines anderen Schirmherrn bebürfe. Daher ſcheute Sigmund
die verfammelten Väter vielleicht mehr als den Papft.
Was mic in diefer Auffaffung beſtärken will, ift die Erwägung,
daß der König in jenen Tagen von Gugen IV. keineswegs das
Schlimmſte zu fürchten hatte. Zwar fuhr diefer fort, fich gegen
das Concil mit aller Hartnädigkeit zu fträuben, aber er fah ſich in
feiner Oppofition fogar in Rom immermehr ijolirt. Die Cardinäle
fielen von ihm ab und ftanden auf dem Punkte, fich für das Con⸗
cil zu erklären. Sie unterhandelten in diefem Sinne mit dem König
und feinen in Rom anweſenden Räthen. Und als trogdem Eugen
am 31. Yan. 1433 den Prozeß gegen das Concil und feine Ans
hänger eröffnete, waren die Geiftlichen am römifchen Hofe „wild“
und konnten nur mit Gewalt abgehalten werden, nach Bafel zu ziehen !.
Die zuverläffige Nachricht, daß der Papft erft am 31. Yan.
gegen das Koncil und feine Anhänger procedirte, widerlegt endgültig
die Behauptung, dag Eugen den König fchon vor dem Bafeler Be⸗
fhluß vom 28. Yan. feiner Kronen beraubt habe. Der Papft hat
Sigmund weder in ben Bann gethan, noch ihn der königlichen Würde
entfegt; wenn man in Baſel vorgab, daß es gefchehen fei oder bald
gefchehen werde — man bewegte fich abfichtlich in unbeftimmten Aus⸗
drüden —, fo that man es nur, um damit die verjammelten Väter
zu rühren?
Endlich Sprit auch die Art, wie der Protector dem Könige
über den Beſchluß der 9. Seffion refervirt, dafür, daß er nicht blos
gegen den Papft gerichtet war: „das nyemant, welichs ſtands oder
weſens der ift, der wider ewer k. gnad dhainerlai anfahen, es wär
mit abfeczung, pannen oder anderm procediren welt, das das ver-
nichtet fein fol und Traftlos“ 3. Warum diefe Umschreibung ftatt
der einfachen Worte: Eugen oder der Papft?
2 Das fchreibt Kafpar Schlid, der ettlihe Wochen mit andern Räthen
des Königs in Rom unterhanbelt hatte, an ben Herzog Wilhelm, am 6. fe:
bruar 1433, T. V, fol. 276. Hiernad wollte der Carbinal Rothomagenfis
mit ben römischen Gefanbten am folgenben Tage wieder gen Siena zum Kö⸗
nig; man boffte auf eine pie Beihliefung „Und gefchicht das, fo ift zu
hoffen, da8 die von Eoln (Rom) des pfarrerd (Papftes) nicht leyden, funber
dem meyertum (Concil) zulegen werden“. Der Papft bat am nächiten Freitag
(Schlid fhreibt am Dorotheentag) „procefß wider dad meyertum und alle bie
bie im beyligen ußgen laſſen, und die pfaffen und andere in dem pfarrhoff
find wild und wollen alle wegziehen, und ber pfarrer leſſet ſy uffhalten“.
“= Vergl. Aſchbach a. a. O. ©. 98 u. Anmerk. 98.
s Wilhelm an ben König, 2. Febr. 1433, fol. 275. Er beginnt: „Als
ewer !. n. ewer brief dem heiligen coucili geben und geſchickt Habt unb wie
ir mig bei pruber Betern von Unberftorff etlich artikel zugefandbt und empfols
ber König den Beſchluß der 9. Seſſion durchſetzen ließ, es Im
bald dahin, daß der PBapft feinen fchroffen Widerftand mäßigte. &
viel wir aber fehen, trugen dazu nicht allein die Energie des Comä
und der Abfall der kirchlichen Würdenträger in Rom, fondern ad
die Bermittlung der deutfchen Kurfürjten bei. Diefe Hatten feit Die
gerer Zeit eine Geſandtſchaft beim Papft, die freilich ihre Une
handlımgen fo geheim betrieb, daß felbjt der König, wie er fen
Statthalter einmal fchreibt, nichts Beitimmtes darüber erfuhr;
aber ihre Vorftellungen von Einfluß waren, deutet theila der Ba
in der Bulle vom 16. Febr. an, theild geht e8 aus dem Umftam
hervor, baß eben diefe Bulle durch die kurfürſtlichen Geſandten den
Könige und dem Bafeler Concil zuging. "
Uebrigens fehlte viel, daß der Papit in der erwähnten Balle'
das Concil mit allen feinen bisherigen Beſchlüſſen unbedingt ae:
kannt hätte; er gab blos infofern nach, als er die VBerfanmlun,
ftatt fie nad) Bologna zu verlegen, unter dem Vorſitz von vier burd
ihn zu ernennenden Legaten in Bajel laſſen wollte.
ALS die erjte Kunde von diefer Sinnesänderung Eugens, wen
man es fo nennen darf, nad) Siena kam, beeilte fi Sigmund, Be
vollmächtigte nach Bafel zu fenden, um das Eoncil von feinen Wir
[hen und Abfichten zu unterrichten ?; und fobald er die Bulle ſelbſt
empfing, bot er alles auf, um ihr bei den verfammelten Vätern cum
gute Aufnahme zu bereiten. Er nahm zu dem Zwed, wie in alle
wichtigen Fällen, die Hüffe feines Stellvertreter in Anfprud.
Der König begehrte von dem Herzoge nicht allein brieflich, daß
er mit allem Eifer daran fein möge, die verfammelten Väter für
die Bulle Eugens günftig zu ftimmen, fondern ließ ihm auch mind
E.
ben habt, darauf mit dem concili zereben und in aigenlich zu erzein was
ewer gnab von des concili8 wegen getan, geliden und aufgeflagen hat x.
das babe ih alle nach dem aller peften yebanbelt“. Vergl. Martene VIN,
530—31.
2 Bei Martene a. a. DO. 535. Vergl. Aſchbach S. 99.
2 Sigmund an ben Statthalter, 24. Febr. 1433, fol. 281. Nachdem
ber König neulich ben Claus von Eziffe, bat er geftern ben Bifhof von Chur
und den Carbinal von Rouen nad Bafel gefhidt, braucht daher nicht viel
zu ſchreiben, um fo weniger als bie Briefe erbrochen werden. „Wir baben
eſtern fchrifft gefehen von ettlichen cortbefanen von Rom, wie der babfl am
Freitag nehft vergangen achttag bad concil zu Bafel in feinem confiftorio
approbirt und beitetiget bat’. Das Nähere weiß man noch nicht.
Der Vicefanzler Schlid fügte nach Ankunft eines neuen Briefes aus Rom
noch folgende Nachſchrift hinzu, fol. 278: „Alfo ift uff Heut ein Briff von
Rom fommen, nach laut der abfchrifft hirinne verfloflen, und ich trav zu got,
wirt der babft mit bem concilio alfo einig, das unſers bern bed kunigs *
obgotwil noch in diſen landen gut werben mochten. Und dorumb genediger
herr iſt ſach, das daz concilium an ſulcher confirmacion von dem babſt ein
gerugen haben wirt, fo feit boran mit fleiffe, das baz conciklun unferm berm
gem nig zuftund fchreib, das er fih Tronen laſſe und in ‘das concilium
ume,
561
lich durch einen vertrauten Rath fehr beftimmte Verhaltungsmaßres
geln zugehen '. Ä
Durch Nikolaus Stod trug er dem Protector auf, famt andern
guten Freunden bei dem Concil mit ganzem Fleiße daran zu fein,
daß des Papftes Bulle gut verftanden werde, damit kein Schisma
in der Chriftenheit entftehe; er foll darauf aufmerffam machen, daß
dem Concil nad) Gelegenheit der Sache fein Wille beinahe erfüllt wäre;
denn e8 habe erreicht, zum erften, daß der Papft das Concil zu Bas
jel approbirt und zuläßt (non obstante dissolutione prius facta);
zum andern, daß er jein Concil in Bologna abthut; zum dritten, daß
er allen Prälaten gebietet, in drei Monaten in Bafel zu fein; zum
vierten, daß er erlaubt, in der Zeit die Keterei auszurotten; zum
fünften Frieden und Einigkeit zu machen, fo daß nichts „hinderftellig“
bliebe, als die Reformation, bis bes Papftes Legaten nach Bafel
fommen; alsdann habe das Concil feinen Fortgang in allen breien
Stüden, deretwegen es verjammelt fei.
Wenn man aber fprechen wollte, der Papft habe den ‘Decreten
der vergangenen und auch des jeßigen Concils — darauf kam eben
alles an — nicht genug gethan, jo möge man antworten: wies
wohl der Papft nicht öffentlich beftätigt habe, was bisher zu Baſel
gefchehen fei, fo finde ſich doch auch nicht, daß er dafjelbe abthue,
und wenn des Papftes Legaten dahin kommen würden, mit denen
auch der König zu kommen hoffe, jo könne allen Gebrechen abgehol-
fen werden.
Bon der Einigung des Königs mit dem Papft foll man nicht
reben, wenn man nicht im Concil davon anfängt; alsdann foll man
verfichern, daß der König, wie er ftets an dem Concil feit gehalten
hat, fo auch in Zukunft treu zu ihm ftehen werde, bis die drei Stücke
ganz vollbracht fein werden. Die Einigung mit dem Papjt werde
das Concil fördern, jtatt hemmen.
Wirrde dagegen die Verfammlung wider den Papft procediren,
indem man nicht dem gemeinen Nugen, fondern feinem Eigenwillen
nachgebe, fo würde nicht allein ein Schisma entftehen, fondern man
würde auch mit bem Bapft fo viel zu fchaffen finden, daß der eigent-
liche Zweck des Concils verfehlt werde, wie ja aud in dem verflof-
fenen Jahre über ben Streit mit Eugen nicht® anderes erreicht jei.
Man fieht, es kam dem König Alles darauf an, das Concil
verföhnlich gegen den Papft zu ftinmen. Daß die Bulle Eugens
dafür eine ſchwache Grundlage bot, daß die päpftliche Anerkennung
2 Das Schreiben des König an ben Statthalter vom 4. März 1433
in T.V, fol. 80 u. fol. 277. — Dazu gehört eine Aufforberung an bie Kur:
fürften, ein Schisma verhüten zu belfen, fol. 279°, s. d. (ber Bapft Hatte
den Rurfürften befohlen, das Concil zu befhirmen; ber König fette ihnen daher
auseinander, daß dies unnöthig fei, da er mit feinem Statthalter in dieſer
Hinſicht genug gethan habe; fie follten Tieber zur Einigfeit beitragen). — Die
Anftruction für Nilolaus Stod s. d. ſteht T. V, fol. 280. — Gebrudt ift
blos ein Brief Sigmunds an bag Concil bei Martene p. 585. Aſchbach ©. 99.
562
nur eine halbe war, entging ihm nit. Deſto eifriger fprad &
von den Scisma, das er verhütet jehen wolle, von den Gefake,
die für die Kirche und das Concil aus der fortgefeßten Oppofis
erwachfen würden. Dean mag die Einfiht preifen, womit Sig
verhinderte, daß das Concil nicht bie zur Abfegung bes Paykı
fortfchritt und die monardhifche Verfaffung der Kirche in eine are
fratijche, oder wenn man lieber will, in eine republilanifche verme
deite; nur darf man dabei auch bemerken, daß neben jener Einkk
fehr reale Intereſſen den König beftimmten, fi) mit einem hallo
Erfolge zufrieden zu geben.
Sigmund war in Siena in fehr bebrängter Lage; noch mh
als Mannfchaft und Waffen, um feine Feinde zu befämpfen, fehl
ihm das Geld zum täglichen Leben. Die Kanzlei, die fich viel m
Ausstellung königlicher Urkunden bejchäftigte, warf weniger .ab, &
man gehofft hatte, und zulett mußte das Mittel verbraucht fen
Auch die Freigebigkeit der Stadt Siena nahm allmählich ein Exk,
und König Sigmund war, wie Herzog Wilhelm es in einem Brik
an feinen Bruder einmal ausdrüdte, „ein betrübter, verlaffen
armer Herr“ .
Vergebens hatte er ſchon im Herbft 1432 die Hilfe der det
chen Fürften zu gewinnen geſucht. Er hatte 4 bis 6000 Pferk
gefordert und es im übrigen den Yürften, Herren und Stäbten über
laſſen, fich jelbft anzufchlagen,; mit ſolchen Streitfräften getrante a
fich noch große Dinge zu thun, nm fo mehr als die Parteien is
Stalien jegt ermübdet feien?. Neben dem Herzog Wilhelm follte in
diefer Angelegenheit der Markgraf Friedrid) von Brandenburg tätig |
fein; Leßterer hatte die Briefe an die Bürften in Thüringen m
Bayern zu beforgen, während die übrigen durch des Protectors Has
gingen. Dann follten Beide die ihnen zugewiefenen Stände be
Reichs im Namen des Königs berufen und 2000 bis 3000 Mam
fich erbitten, die auf ihre eigene Koft 5 bis 6 Monate in SYtalım
bleiben müßten. Der König erinnert dabei an feine „anliegend
Noth und an das Verberben des Reiche, wo man dem micht abhelfe”.
ı T. V, fol. 358, s. d., bem Inhalt nad c. 2. März. Die angezoge
—— Worte wurden im Concept wieder durchſtrichen, vielleicht weil fie alla
wahr waren.
2 Brief des Königs an Wilhelm vom 8. Septb. 1432, T. V, fol. 58.
Im Eingang legt Sigmund dar, daß Alles, was er in Italien getban und
geritten, ded Concils wegen geſchehen, und daß feine Sache bie Gade der
hriftenbeit fei. Die Stelle: „mochten wir 2 bis 3000 pferd auf deutſchen
landen gehaben“ wirb fo zu verftehen fein, daß ſowohl der Protector ald der
Markgraf von ben ihnen zugewiejenen Ständen fo viel fordern follten. Denn
nach einem Briefe Wilhelmd an feinen Bruder, fol. 357, hätte ber König 5
ober 6000 Pferbe begehrt, womit er ber Chriftenheit und dem Reich ſolchen
Nutzen ſchaffen wolle, daß das heilige Reich in Fünftigen Zeiten großen Srom-
nen haben werbe. — Es wäre freilich auch möglich, daß der König troß ber
geringen Ausſicht auf Erfüllung der Bitte fein Begehren im Lauf der Zeit
auf das Toppelte fleigerte. Jene Notiz aus dem Briefe Wilhelms ftammt
nämlih aus dem Anfang März 1433,
668
Die wälſchen Lande, führt er fort, würden Deutfchland ganz ent-
fremdet, da doch früher die deutfche Zunge in hohen Ehren geſtan⸗
den, und Stalien nebft Rom oft von den Deutfchen mit Träftiger
- Hand genommen worden fei.
Aber wie konnte das Reich, im Innern gänzlich zerrüttet, von
den Böhmen ſchmählich gefchlagen, ſich für die italienifchen Pläne
eines Königs begeiftern, der zur Befriedigung der nationalen deut«
fhen Wünfche noch nie etwas Ernftliches gethan hatte. Aber felbft
wenn die Liebe und das Vertrauen der Reichsftände zu Sigmund
größer, wenn die Opferbereitwilligteit und die patriotifche Gefinnung
Einzelner ftärfer gewefen wäre, jo war doch durch die Verfaſſung
des Reichs dafür geforgt, daß von Seiten der Keichsglieder nicht
zu viel und daß es vor allen Dingen nicht zu rafch geleiftet wurde.
Am 8. September 1432 ſchrieb Sigmund an feinen Statthalter und
Die deutfchen Fürften. Die Verſammlung, welche darauf der Herzog
nah Baſel ausfchrieb, fcheint gar nicht zu Stande gelommen zu -
fein!. So fandte er denn Boten aus. Am 2. Yebruar 1433 aber
meldete er dem König, daß die Botjchaft, die er und das Concil
von ber Hülfe wegen den Rhein hinab zn den Kurfürften gefchickt
hätten, noch nicht zurück fei?, und aus einem Briefe Wilhelms an
feinen Bruder vom 2. März hören wir endlih, daß die Kurfürſten
mittlerweile zwar einen Tag ausgefchrieben hätten, „daß fie aber das
Ausschreiben zu weit gethban und den Tag zu lang geſetzt —“
„darob und gar vaſt grauft“ ®.
Man fieht, auf Reichshülfe konnte Sigmund nicht warten; wollte
er aus feiner drüdenden Lage erlöjt werden, fo mußte er entweder
alle oppofitionellen ja revolutionären Elemente zu Hilfe rufen, um
den Papſt raſch zu noch weitergehenden Concefjionen zu zwingen,
oder er mußte die aus der Ferne gebotene Hand Eugene begierig er⸗
greifen und Frieden mit ihm jchliegen um jeden Preis.
Der König enfchied ſich für das Letztere. Eugen bot nad) lan⸗
gen und zähen Verhandlungen die Kaifertrone und verſprach außer»
bem, ben Frieden mit {Florenz und Venedig zu vermitteln. Dafür
gab ihm Sigmund in bindendfter Form die Zuficherung, daß er fo
lange er lebe mit allen Kräften und unter allen Umftänden Eugen
als den einzig rechtmäßigen Papit gegen Jedermann vertheidigen
werde.
2 In einem Briefe vom 26. Octob. 1432 (T. V, fol. 38) entſchuldigt
fi) Stephan von Hagenau, daß er nicht auf Sonntag nah St. Martinstag
nach Bafel fommen, auch feine Näthe nicht ſchicken könne. Aber würde zu
Bafel von des reifigen Volks wegen etwad vorgenommen unb befchlofien, fo
wolle er darin, fo weit er vom beil. Reich belehnt fei, fein Vermögen nicht
paren.
s Wilhelm an den König, T. V, fol. 275.
5 Wrfprünglich hieß e8: „darauf wir gar feine Hoffnung haben’. T. V,
fol. 358. Der Brief, ein flüchtiges Concept, hat fein Datum; doch ergiebt
— mit ziemlicher Gewißheit aus ber Notiz fol. 857 unten über bie
Böhmen.
‘;
664
Eine folche Verpflichtung war zu einer Zeit, wo das Emi
den Papft nicht mehr als das monardifche Oberhaupt ber Kirk,
fondern nur noch al8 den erften, der Verſammlung verantiwortlida
Beambten gelten ließ, von unermeßlicher Bedeutung. Trotzdem giy
Sigmund gern darauf ein und wurde nicht müde, den Unterhändlen
wiederholte Beweiſe feiner Dankbarkeit zu geben!. Am 5. Ani
wurde zu Nom der Friede des Königs mit den italienifchen Ste
ten unterzeichnet, am 7. durch Fönigliche Gefandte, "unter denen be
Kanzler Kafpar Schlid war, vor öffentlichem Eonfiftorium in &
munds Namen der Eid geleiftet, der den Raifer zur BVBertheidigug
des päpftliden Stuhls verpflichtete. Noch im Lauf des Monet
April, ward bejtimmt, foll Sigmund mit Eugen perfönlich zufamme
fommen und im Mai aus den Händen de Papftes die Laiferlik
Krone empfangen.
Zu Bafel ſahen die verfammelten Väter diefem Gang be
Dinge mit mißtrauifchen Auge zu. Die Bulle Eugene vom 16. Fehr.
und die fie begleitenden Föniglichen Mahnungen waren für fie fen
—— am 27. April in der 11. Seſſion zu beſchließen, daß de
oncil auch ohne Berufung des Papftes und der Carbinäle ſich cm
ftituiren und den Papſt, der es hindern wolle, vom Bontificate fi
ſpendiren könne, während das Eoncil nur dann aufgehoben fei, wen
zwei Drittheile der Verſammlung ihre Einwilligung dazu gegeben
hätten?. Und als bald darauf ein Schreiben des Königs vom 15. April
eintraf, worin er die Verfammlung von dem Abflug des Vertrags
mit dem Papft in Kenntniß fette, und in fehr beftimmten Ausdrüden
betonte, daß er den Papſt mit allen Kräften vertheidigen werde,
während das Concil ſich mit der von Eugen ausgefprochenen Aner
fennung binlänglich begnügen fünne: da erhielt er zur Antwort von den
verfammelten Vätern die nochmalige dringliche Mahnung, alle Unter
hanblungen mit dem Papſt, der ihn nur zu täufchen fuche, abe
en
Unter dieſen Verhältniffen hatte der Stellvertreter des Köonigs
zu Bafel einen jchweren Stand. Noch am 23. Mai*, acht Tage vor
der Krönung, gab ihm Sigmund die ftrenge Weifung, mit allen
Mitteln zu verhindern, daß das Concil nicht weiter gegen den Papſt
vorfchreite, bis die Faiferlichen und päpftlichen Boten nad Bald
1 Drei: viermal empfahl er den Unterhändler Jacob von Sirek ber Gunfl
bed Protector, für die großen Dienfte, bie er ihm zu Rom gethan hate
Vergl. fol. 28 u. 299. „Er follte empfinden, daß ihm feine Arbeit, bie er
bes Concils wegen getragen, nutzbax und fruchtbar fei”. „Dorynne tue beinen
fleifie, wann wir im albie für alle fcheden gefprochen haben, und ſolt er it
verliegen, daz müflen wir im wider feren”.
Vergl. Aſchbach a. a. O. ©. 101.
s Aſchbach a. a. O. S. 109 und 110.
*Sigmund an Herzog Wilhelm d. Rom, 23. Mai 1433, T.V, fol. 394.
Zugleich fchrieb er an das Concil; biefer Vrief ift und aber nicht erhalten.
Dagegen hat Manfi, Concil, XXIX, 375, ein Schreiben and Concil vom %
Mai aus Viterbo. Vergl. Aſchbach S. 110,
665
fommen würden. Der König gebentt dabei der guten Neigung und
Begierde, die der Papft zu den Stüden habe, um berenwillen das
Concil verfammelt fei, und fpricht die beftimmte Erwartung aus,
daß, bis e8 zur völligen Einigung zwiſchen dem Concil und dem
Papfte komme, inzwifchen fein „Unrath“ entjtehe.
Am 31. Mai hatte die Kaiferfrönung ftatt. Einige Tage fpäter
dankte der zum Ritter gefchlagene Vice» Kanzler Caspar Schi! in
des Kaiſers und im eigenen Namen dem Herzog Wilhelm für den
Fleiß, womit er am Concil „den Murmel“ zum Beften kehre, „wann
wir wol verfteen, das e& groß arbeit haben wil”?. Uber groß ift
auch die Einigkeit zwischen dem Papſt und dem Kaifer. „Dann das
wiljet, daz unfer pfarrer (Papft) und meifter vogt (Kaiſer) fo einig,
früntlich und Tautter gen einander find, daz einer fein blute für den
andern geben wil, und wollen ewiclich freund beleiben und einander
helfen”. — Das Concil foll in den drei Stüden redlichen Fortgang
haben, aber feine Xheilung machen; der Kaifer will ihm nicht ge⸗
ftatten, bis in den Tod nicht, daß man etwas gegen den Papft
fuchen follted. „Und ficher gen euch geredt, den vogt dunft das
meiertumb zu fcharff und uß dem weg fein“. „Durch got halt das
meiertumb an, daz ſy nit alfo faren, wann wir nu clerlich fehen, daz
man teyluug fuchet und nit die drei ſtücke, und jeyt ficher, daz der
vogt bey dem pfarrer beleibet.. Es iſt nu zeit, daz ir der botten
nit fparet, funder tag und nacht uns embiett alle gelegenheit“.
So ftolz der Ton auch klingt, den bie kaiſerliche Kanzlei plötß-
lich gegen das Concil anfchlägt, fo fühlt man doch durch, daß Sig-
mund wie Caspar Echlid die Macht nicht verfennen, die in der
confequenten Haltung des Concils lag. Denn mag man aud das
unbeirrte Vorgehen der Verfammlung als unpolitifch, vom kirchlichen
Standpunft als vermwerflich betrachten, fo muß man doch zugejtehen,
daß die Beichlüffe, über welche fich jegt der Kaiſer beflagte, mit
Nothwendigkeit aus dem Standpunkt fich ergaben, den die Verfamm-
1 TV, fol. 298.
* „Doc fo verften wir wol, daz das niemand fo vaft machet ala des
margrafen leut“. Damit find die Mailänder gemeint, beren [päter noch ein=
mal gedacht wird, Indem es heißt, daß alle Könige und Fürften bem Pfarrer
und den Vogt folgen werben, ed wären denn bed Markgrafen Leute, die müſſe
man flillen; fie fürchten den Vogt und werden viel wider ihn fuchen, um ihres
Herrn willen, ber ben Vogt fo „ſchemlich“ behandelt Hat.
sUm Wilhelm, ber den Kaifer gebeten hatte, daß er weislich handeln
möge, damit bad Concil nicht zerflört werde, völlig zu beruhigen, wiederholt
Schlick noch einmal bie Berfiherung, daß dad Concil in ben brei Stüden von
ihnen werbe unterftüßt werben, „aber man wil nit geftatten, daz man ſchand
anrichte". Intereſſant ift noch die weitere Betheuerung: „baz fich der vogt in
feinen fachen mer verfchriben noch verpflichtet hat umb ein bare, dann als
vil die ende, bie er getan.bat, als feine vorfaren, und als ich euch vorge:
ſchriben han. Und was er tut, daz tut er von gutem willen‘. Man fieht
ihte daß der Kaifer auch feinen Statthalter nicht in alle Geheimniſſe ein⸗
wrihte.
* Fides, Pax, Reformatio.
D. 37
566
fung ein Jahr hindurch unter Sigmunds Zuftimmung, ja auf fen
Drängen hin, eingenommen hatte. Der König hatte mit allem
Eifer die Citation des Papftes betrieben; wie konnte ſich der Kaifer
jegt beklagen, wenn der Prozeß feinen Fortgang nahm? Sigmund
hatte freilich die Kaiferkrone und den Yrieden mit den Italienern
erlangt, aber dem Concil fehlte troß der angeblidden Anerkennung
durch den Papft jegliche Bürgfchaft, daß nicht alles, was feit zwei
Fahren erfämpft war, durch Eugen wieder vereitelt werden würde.
Für den Stellvertreter des Königs blieb nichts übrig, als nad
beiden Seiten verföhnend zu wirken, in den Kaifer zu dringen, daß
er für das Concil noch nach Möglichkeit forge, und die Verfamm-
lung zu ermahnen, es nicht zum offenen Brud mit Sigmund zu
treiben. ‘Da er wohl wußte, daß bei Sigmund weniger allgemeine
Gefichtspuntte als materielle Vortheile den Ausfchlag gaben, fo unter:
ließ er nicht, ihm wiederholt auf den großen Nugen aufmerkſam zu
machen, der ihm aus ber treuen Beſchützung des Concils und vor
allem aus ber Anmwefenheit in Deutfchland und wo möglich in Baſel
jelbft erwachlen würde. Es war ihm aber auch nicht unbefannt,
dag der Kaiſer feinen Aufenthalt in Italien gerne deshalb verlängerte,
weil er in Deutfchland ein fo bequemes Auskommen nicht zu haben
glaubte, wie er e8 dort feit dem Frieden, theild durch die Freigebig⸗
feit des Papftes, theils durch reichere Einnahmen der Kanzlei, ge
funden hatte. Der Statthalter wußte auch dagegen Rath. Er folle
nicht, fehrieb er dem Kaifer !, ſolche Sorge haben um redfliches und
ehrliches Austommen in deutfchen Yanden; denn wenn er der Gerechtig⸗
feit mit der Hilfe Gottes auswarten und unredlihe Dinge geredt
ftrafen und die nicht mit ſchnödem und geringem Geld abteidingen
laſſen wollte, jo würde ihm daraus fo großer Nußen erwachſen,
saß er fein taiferliches Wefen mit Ehre und Glanz wiirde genichen
önnen”.
Auch in einem Schreiben vom 5. Yuli, worin Wilhelm dem
Caspar Schlick zur Nitterwürde Glück wünfcht, unterläßt er nicht,
darauf zu dringen, baß er den Kaiſer gegen das Concil günftig
ftimmen und für die gute Aufnahme feiner, des Herzogs, Rathſchläge
forgen möge?. Diefe Rathfchläge kennen wir zwar nicht, fie wer:
ı 48 Suni 1433. fol. 800.
2 63 ift zu bemerken, baß die Worte: „und bad ewer gnab nich folid
forg babe umb reblihe und erliche auskomung in teutfchen lannden” ſich un:
mittelbar an die Bitte, möglichft bald zurüdzulehren, anfchließen, fo daß ber
Zufammenhang leicht erkennbar it. Wahrfcheinlich hatte der Kaifer dem Her:
zog gerabezu zu verftehen gegeben, baß er ſchon der behaglicheren Eriftenz we
gen nicht große Luft habe, feine Rückehr nad Deutſchland zu beſchleunigen.
Wenigftens irgend einen Anlaß mußte Sigmund zu Wilhehnd Aeußerung ge
geien haben; fie wirft jedenfalls ein eigentbümliches Licht auf Menſchen und
erhältniffe. Wohin bed Herzogs Rath eigentlich zielte, und welcher Fall ihm
bei der firengen Zuftiz, die er bem Kaiſer empfahl, vor allen vor Augen
fhwebte, werben wir fpäter noch feben.
5 T, V, fol, 306.
667
den aber gewiß dahin gezielt haben, daß der Kaifer das Concil beim
Bapft vertreten und baldigft nach Deutfchland zurückkehren ſolle.
Dieſe legtere Bitte Tehrt deshalb fo oft wieder, weil man in Baſel
wohl wußte, wie wenig der Kaifer während des Aufenthalts in
Rom aus dem häufigen und vertrauten Verkehr mit dem Papft
neue DBegeifterung für das Concil fchöpfen könne. Schon fehlte es
auch in Bafel nicht an Stimmen, welche alle bisher gegen den Raifer
beobachtete Rückſicht bei Seite fegen und dem Prozeß gegen Eugen
freien Lauf lajjen wollten. Sigmund erhielt fogar durch einen in
Bafel anwefenden Gefandten, den Biſchof von Chur, die Nachricht,
daß die Väter ſelbſt fich gegen ihn wenden würden; worauf er dem
Statthalter unverweilt „etlich Unterweifung“ zugehen ließ, „den
Kaiſer damit Zu verantworten“. Uns ift leider blos das Schreiben
erhalten, worin Wilhelm das Concil gegen den Vorwurf, als habe
e8 „folches gegen den Kaifer vorgenommen“, mit aller Entfchieden-
beit in Schug nimmt!. „Wäre folhes“ — wir hören immer nicht
was es eigentlih war — „für hand genommen“, fo müßten er, der
Statthalter, und bes Kaifers gute Freunde es doch erjahren haben.
Darum wundere ihn gar fehr, wie man ſolches dem Kaiſer zuent-
bieten mochte, und er vernuthet, man ſähe e8 vielleicht gern, daß
der Kaifer etwas wider das Concil unternähme oder fi mit ihm
entzweite, wodurch das Concil zerftört und der Chrijtenheit ein un
wiederbringliher Schaden zugefügt werden würde, darwider ber
Kaifer mit Gottes Hülfe fein möge mit allem Ernſt“. Es folgt
dann noch einmal die Verjicherung, daß die Väter den Kaifer alle
„von Herzen lieb haben und begierlich find, ihn mit der Hülfe
Gottes wieder zu fehen“, und daß fie in den Sachen den heiligen
Vater betreffend dem Kaifer nur deshalb nicht gänzlich zu Gefallen fein
können, weil fie die große Noth der heiligen Chriftenheit zwingt und
ewiger fünftiger Schaden‘, der daraus entftehen würde (wenn näme
ih das Concil nachgäbe). Der Kaifer möge zurückkehren ohne alles
Zögern, das rathe er ihm in allen Treuen immer wieder; daraus
werde ihm auch bei Gott und der Welt unausſprechliche Ehre und
Nutzen erwachſen.
Mit Mühe brachte es Herzog Wilhelm dahin, daß man am
13. Juli in der 12. Seſſion den Prozeß gegen Eugen noch nicht
eröffnete, ſondern ihm noch eine Friſt von zwei Monaten geſtattete,
innerhalb deren er die Auflöſungsbulle vom vorigen Jahre förmlich
widerrufen und das Concil unbedingt anerkennen möge?.
Inzwiſchen war auch der Kaiſer bemüht, den Papſt zu weiteren
Zugeltändniffen zu bewegen. Was er erreichte war, daß Eugen IV.
in einer Bulle vom 1. Aug. 1433 das Concil zu Bafel bejtätigte
und durch die frühere Auflöfungsbulle für nicht unterbrochen erklärte, -
unter der Bedingung jedoch, daß alles, was die Väter gegen ihn,
ı Wilhelm an ben Kaifer, 12. Zuni 1433, T. V, fol. 302.
2 Aſchbach a. a.O. ©. 122,
37*
568
feine Autorität und Freiheit, fowie gegen die Sarbinäle und alle
feine Anhänger befchloffen hätten, wieder aufgehoben würde. Ob:
wohl diefe Bedingung das ganze Zugeſtändniß jehr zweifelhaft machte,
fo hielt Sigmund e8 doch für ausreichend, um damit das Condl
zufrieden zu ſtellen. Brieflich und durch Geſandte forderte er dk
Verſammlung auf, alle weitere Oppofition gegen Eugen \wenigftens
fo lange einzuftellen,, bis er, der Kaifer, zurückgekehrt fein werde".
Der Protector wurde inftruirt, in diefem Sinne auf die Bäter gu
wirken.
Nım hielt e8 auch endlid Sigmund an der Zeit, feine Rüd-
reife nach Deutfchland anzutreten. Im beften Einvernehmen mit dem
Bapft, der dem Concil noch weitere Zugeftändniffe zu machen ver-
ſprach, verließ er am 13. Auguft? das ihm lieb gewordene Rom.
Am 26. Auguft war er in Perugia, von wo er feinem Statthalter
fehrieb, daß er am 6. September in Ferrara fein und von da feinen
Weg über Trieft nad) Bafel nehmen werde. Er begehrt, ihn um
verweilt über die Vorgänge am Concil zu benachrichtigen. Das
felbe Verlangen wiederholt er am 3. September von Rimini ans.
Alle Sachen follen anftehen, bis er hinaus Tommt *.
Aber e8 war nicht zu erwarten, daß die verfammelten Väter
auch die Sache des Bapftes bis zu der fchon fo lange und fo oft
angekündigten Rückkehr des Kaifers ruhen laſſen würden. i
große Mehrheit beſtand vielmehr darauf, daß nach Ablauf des letzten
Termins (der 60. Tag) dem Beſchluß vom 13. Juli gemäß die
Suſpenſion Eugens ausgeſprochen würde. Dieſen letzten Schritt mit
allen Mitteln zu verhindern, war Sigmund wirklich verpflichtet. Das
Concil aber ſetzte feine bisher fo conſequent gewahrte Autorität aufs
Spiel, wenn e8 den Termin verftreihen und die drohend gezüdte
Waffe noch einmal finken ließ; es lief freilich aud) Gefahr, durch
rüdfichtslofes Vorgehen mit dem Kaifer in dem Moment zu bredhen,
wo man hoffen fonnte, ihn bei der Rückkehr nad Deutfchland für
immer aus den Schlingen des Papftes zu befreien.
Es mar des Protectors Aufgabe, dieſen letzten und geführlid-
ften Conflikt in umfichtiger Weife zu ſchlichten. Sein Eifer erzielte
noch einmal ein günftiges Refultat®.
ı Aſchbach ©. 113.
2 Den Tag beftimmt ein Brief aus Bafel in Cod. bav. 1585, fol. 30.
5 T. V, fol. 310.
* fol. 95. Dat. Rimel, 3, September 1433.
s Mir haben über biefe Verhandlungen brei eingehende und burdaus
glaubwürbige Berichte, und doch ift es nicht Yeicht, fi den Hergang völlig
Mar zu maden. Unfere erfte Quelle ift ein am 8. September angefangener
unb am folgenden Tage vollendeter Brief Wilhelms an den Kaifer; Die zweite
ein in lateinifcher Sprache geſchriebenes, wie c3 ſcheint vom Notar beglaubig:
tes Inſtrument, das über die Verhandlungen mit den Cardinälen und Depu:
taten und die ihnen gegebenen Verfiherungen Wilhelms berichtet. Es beginnt:
Facta propositione per illastrem prineipem etc. ımb fließt: Dominus dux
consensit, ita factum esse per ipsum, expositum et promissum, ut retulit mibi
569
Am Somtag den 6. September befprach er ſich nach Ankunft
einer kaiſerlichei Gejandtfchaft, des Henmann Offenburg und des
Biſchofs von Chur, zuerft mit dem Cardinallegaten ZYulian, den
Präfidenten des Concils, der ihm perfönlich befreundet und aud) in
diejem alle gern zu Willen war. Ebenfo ging er die anderen
Sardinäle, die wir wohl als einen Ausfchuß der vier Deputationen
zu betrachten haben !, perfönlih an und fand fie gleichfalts den
Henrico Fleck, et mandavit sui parte ita dicendum dominis sancte Romane
ecclesie cardinalibus et deputatis cum ipsis in claustro minorum VIII. die
mensis Septembris, in cajus testimonium ego Henricua prefatus me sub-
scripsi. Etatt VIII. die, wie es in unferer Abfchrift heißt, wird wohl VE.
zu lefen fein. Denn ber am Mittwoch nach nativitatis Mariae abgefanbte
Brief Wilhelms, der am Dienftag begonnen war, fpricht ausdrücklich von „uff
efter montag“ als bem Tag ber Congregation; die noch zu erwähnende Re⸗
ation eines britten bat vigilia nutivitatis Marie, was alles der 7. September
ift. Ober follte jenes Zuftrument erft einen Tag nach ter Congrenation auf:
gefeßt fein, zur Legitimation ber depatati vor der noch zu berufenden gemei⸗
nen Seflion? — Der dritte Bericht endlich ift ein ausführlicher Brief des
Bruders Udalrich von Tegernfee in Cod. Bav. 1585, fol. 30. Hiernach kam
am Sontag vor nativitatis Mariae bie Faiferlihe Botfchaft, und gleih am
folgenden Tage war die congregacio generalis (oder die General:Berfammlung
aller Deputationen), wo Wilhelm alle das vortrug, was er nach feinem eige⸗
nen Bericht zunächft nur an die VBerfammlung der Cardinäle oder wie es in
bem lateiniſchen Inſtrument beißt, cardinales et deputati, gebracht hatte; erſt
nachdem biefe Garbinäle, die am Montag eine Congregation hielten, gewonnen
waren, bat Wilhelm „ze fund die deputacion” zufammen kommen zu laffen.
„Wie wol e8 nit gewonlich bißher gewefen wer“, jo thaten fie es do, und
nad Berufung der Deputationen gaben fie (nad ber Veſper) die definitive
Antwort. Das Neferet in Cod. Bav. 1585 kennt nur biefe letzte Verſamm⸗
fung, wo wahrſcheinlich Wilhelm alled wiederholte, was er ſchon am Morgen
in der Ausfhuß-Congregation vorgebracht hatte. Das dort Gefchehene wurbe
natürlich Fernerſtehenden nicht befannt. Vergl. mit dem allen, was über bie
Geſchäftsordnung bed Concils in ber folgenden Note gefagt ift.
2 €3 wird nicht überflüffig fein, bier einige Bemerfungen über bie Ge⸗
ſchäftsordnung des Concils, wie fie aus bem Nctenftüd bei Manfi, Concil.
XXIX, p. 377, hervorgeht, einzufchalten; was Aſchbach IV, 34 beibrüngt, ift
nicht ausführlich und deutlich genug. Alle Mitglieder des Concils zerfielen in
vier Abtheilungen, Deputationen genannt, fo daß jede diefer Abtheilungen Män⸗
ner verfchiedenen Standes und aus verfchiedenen Nationen umfahte Von
jeder diefer vier Deputationen wurbe für jeden Monat ein Ausſchuß von drei
Perſonen (deputati) ernannt, im Ganzen alfo zwölf, und diefe zwölf deputati
follten in der Regel wöchentlich dreimal zufammenfonmen, um bie Gegenftänbe,
die an das Eoncil zu bringen waren, zunächſt an bie vier Deputationen zu
vertbeilen; jenachbem nämlich eine Angelegenheit die Reformation, ben lau:
ben, ben Frieden oder gemeinfame Dinge berührte, wurde fie ber Congregatio
Reformatoriü, Fidei, Pacis ober ber pro Communibus zugewiefen. Jede biefer
Deputationen hielt ihre befonderen Sißungen; war eine Sache in ber einen
Situng zum Vortrag, in der zweiten ober britten zur Debatte gefommen, ſo
wurde fie mit dem Gutachten der erften Deputation an bie zweite, ſodann au
bie dritte, und zuletzt an die vierte gebradht. Erſt nachdem auf diefe Weife
eine Angelegenheit in ben einzelnen Deputationen hinlänglich berathen unb be:
gutachtet war, traten bie oben erwähnten zwölf Deputatt wieder zufammen,
um alle Actenftüde dem Präfidenten bed Concils vorzulegen und diefen einge:
hend zu informiren. Hierauf fand erſt, in ber Regel am folgenden Tage, eine
670
faiferlihen Wünfchen nicht abgeneigt. Auf Bitten des Protecte
verfammelten fie fich gleich am folgenden Morgen, um die Sad
gefhäftsmäßig zu behandeln. In diefer Congregation erfchien it
helm wieder mit dem faiferlichen Gefandten und einigen be
Rathsherrn der Stadt!, und trug das Begehren des Kaifers in be
redter Weife vor.
Er ging zurück auf die Verdienfte Sigmumds um das Conftar
zer Concil, um die Aufhebung des damaligen Schismas; er erinnert
an die befchwerlichen Neifen, die der König der Einigkeit der Kirk
zu Liebe, zu Papft Yohann, dann nad) Arragonien, nach Frankreih
und England unternommen habe, und wie er zulegt nach Berfonm
lung des Concil8 zu Bafel, als er bemerkt, daß der Heilige Bata
etwas bamider hätte, fich mit fchwerer Sorge, Wagniß umd Arbeit
nad) Stalien verfügt habe, mehr um des heiligen Concils als ka
faiferlichen Krone willen, wie er denn aud bei dem Papſt fo vid
durchgefegt habe, daß er fi) zum Concil erheben und die Wide:
rufung abthun wolle?.
Er erzählte dann weiter ®, wie der Kater feit dem 13. Augıf
auf der Rüdfehr von Rom begriffen fei und ohne alles Verziehen
zum Concil fommen werde. Wie ihn die Decrete der letzten Seffin,
General:Berfammlung aller Deputationen, d. h. alfo aller Mitglieber bed Cor
cils, ſtatt, wo über die Sache noch einmal berathen und fobann abgeftiumt
wurbe. Aber au ein folder Beſchluß war noch fein Synodaldecret, ſondern
mußte noch einmal in einer öffentlihen Sigung des Eoncil3, gemeine Geffion
genannt, genehmigt und verfündigt werden.
Nur in dringenden Fällen, wenn Gefahr im Vorzug war, konnte ein ak
efüürztes Verfahren eintreten. Alsdann ging die Sache fofort an die Ber:
—* ber Deputati, und von dieſer, mit Uebergehung ber einzelnen Depr
tationen, an die General-Congregation, und wenige Tage ſpäter an die gemeine
Seffion. Der Protector fegte in bem gegenwärtigen Falle es fogar burdh, baf
bie General= Congregation unmittelbar auf die Verfammlung der Deputati
folgte, ohne daß, wie es vorgefchrieben war, ein Tag dazwifchen lag. Man
fieht aus dem Briefe Wilhelms an den Kaifer fehr deutlih, daß Sie ganze
Berfammlung von dem Präfidenten und ben Deputati, die in der Regel weil
Gardinäle waren, abhing. Waren bie Führer gewonnen, fo folgte bie Menge.
„Wir mit fampt ber Stadt von Bafel Ratböfreunden”, worunter bie bra
bem Herzog von Anfang an beigegebenen Männer, beren Henmann Dffenburg
einer war, zu verftehen find. Der Biſchof von Chur, einer ber Faiferlichen Ge
fandten, ben ber Bericht in Cod. bav. 1585 aufführt, muß mit der Sad
nicht viel zu thun gehabt haben. Wilhelm erwähnt ihn in feinem Briefe gar
wicht, ebenfo wenig das Tateinifche Actenftüdz; bier reden und handeln überall
nur ber Protector und der befonderd dazu bevollmächtigte Henmann Offenburg,
der im Lateinifchen Johannes O. beißt.
” Die Nahriht daß ber Papſt vorgehabt hatte, ſelbſt zum Concil zu
fommen, hat auch Trithem. Chron. Hirsaug. II, 384 (Afchbadh IH, 127 An:
merkung 58).
5 Die Notiz über bie Reife und bie Aufnahme, welche bie Decrete ber
legten Seffion beim Kaifer gefunden, hat blos das Meferat in Cod. bav. 1585.
In andern Puncten ift wieder Wilhelms Bericht, dem ich faft ganz folge, aus:
führlicher. Mit ihm ftimmt das lateiniſche Schriftftiüd dem Sinn nad völlig
überein, nur baß die Faſſung fürzer if.
572
hoben wurde. Denn e8 ging in diefer Sigung noch „etwas fchärfer‘
zu, als in der früheren Verfammmlung . Als man nämlich gerak
im Begriff jtand, die Friftverlängerung zu verfündigen, erjchiene
plöglic) zwei päpftliche Legaten, die einige Tage früher angefommm
waren, in der Verfammlung, um Eugen mit mehr Eifer ale &e
Ihie zu vertheidigen, was den Präfidenten zu einer flammende
Rede gegen die windelziigige päpftliche Diplomatie veranlaßte. Hat
Wilhelm fchon gefürchtet, das ungeſchickte Auftreten der Legate
möchte den bereits gefaßten Beichluß des Concils wieder umftoßen, jo
gefchah dies zwar nicht. Aber es trug doch dazu bei ihn volles
zu überzeugen, daß er das Aeußerfte, was nur immer möglich wär,
erreicht habe, und daß ein neuer Auffchub von den Vätern um fr
nen Preis mehr zu erlangen fein würde. Er Hatte fi) wohl ge
rühmt, wenn der Kaifer nicht bald komme, fo wolle er ihm entgegen
reiten nad) Trient oder wo er ihn fonft ergreifen möge und ihn am
Bart zum Concil ziehen ?; jegt mochte er fehen, daß er Wort hidt.
„Darum, allergnäbigjter Ban! fo wolle ſich E. k. ©. durch fen
Ding in der Welt lafjen jäumen noch irren, Ihr eilet, daß Ihr
vor der Zeit bier feid. Da ift anders feine Gnade mehr an de
Leuten, fie gehen ihren Sachen nad, und Hilft feine Bitte, noch ken
Auffchlag nimmer mehr“.
Und fpäter ſchrieb er ähnlich: „Lat euch nichtz ſaumen ir kompt
in der czept her, wann da ift fein pet mer zu tum umb einen züg
(Verzug) in aller welt“ *.
„Sollte fich aber fügen“, fo warnt er in einem dritten Briefe,
„daß E. k. ©. vor der Zeit nicht käme, da Gott vor fei, fo möch
ten fih hier wohl Sachen ereignen, die gar hart wieder gut zu
machen wären“ 5. .
Für diesmal bat ber Deriog nicht vergebens. Der Kaifer
murrte zwar, Wilhelm und Offenburg hätten ihre Vollmacht über
ſchritten, indem fie in feinem Namen um einen beftimmten Termin
gebeten und gelobt hätten, um keinen neuen Aufichub mehr bitten zu
wollen: doch beeilte er ſich, die Frift, welche er nicht als binden-
* „Afo ift die ſeſſion volgangen nad) ber notel fag, bie ich ewern ge:
naben vorgefant hab und dennocht ettwas ſchärpfer“. Wilhelm an ben Kaifer
am 11. September. 1433, T. V, fol. 816.
Cod. bav. 1585.
T. V, fol. 3166.
T. V, fol. 326, s. d.
A. a. O. fol. 322, ebenfall3 ohne Datum.
s Sinmmd an Wilhelm, Mantua 26. September, fol. 96. In der Rad:
ſchrift fol. 97 heißt ed: „bag uns in feinen weg ingedend ift, daß wir Offen:
burg fo verre bevolhen haben, dann fo vil das er die veter bitte, bag ſy un-
fer zufunfit erbeiten, fo hoffen wir alle ding werben gut, und das er uns um:
ber ougen embute, ob fy das tun wollten, ober nicht, das wir und dormadı
wiſſen zu richten. Wir Baben ouch im nye bevolben einichen terminum zu
bitten, dann unfrer zu harten, und und wundert, wie ſolich vergeflenbeit bar:
geet, die ung vaft bequem iſt“.
a» a 8
573
ben Termin anerfennen wollte, nicht verftreichen zu laffen. Am 11.
Sctober waren die legten 30 Tage verfloffen; an demfelben Tage
fam der Kaifer, fo lange erwartet und doch unerwartet, in Baſel
an?. Che wir aber von feinem Einzug und von der ehrenvollen
Art, wie er feinen Statthalter begrüßte, erzählen, haben wir noch
der Thätigfeit Wilhelms in anderen Angelegenheiten zu gedenken.
J. Kapitel.
Die Theilnahme Wilhelms an den Verhandlungen mit
den Böhmen. Seine übrige Thätigfeit.
Neben den Beziehungen des Concils zu dem Papft erregen die
Verhandlungen mit den Böhmen das größte Intereſſe?, und aud)
an ihnen nahm der Statthalter Sigmunds einen hervorragenden Antheil.
Während eines großen Theils des Jahres I432 wurde durch
bejondere Boten des Concils fowie durch den Markgrafen Friedrich
von Brandenburg und den Herzog Johann von Neumarkt mit den
guiftien über die Beſchickung der Kirchenverſammlung unterhandelt.
on Wichtigkeit war dabei, namentlich in Erinnerung an die Erfah:
rungen der Ketzer aus ber Zeit des Conftanzer Concils, die Frage
nach einem fichern Geleit. Wilhelm that Alles, die Böhmen in die
fer Sache zufrieden zu ftellen. Er forgte für die rechtzeitige Aus»
fertigung der vom Concil und ihm felbjt auszuftellenden Briefe; er
trieb die Fürften und Städte, durch deren Gebiet der Weg von Eger
nad) Baſel führte, im Namen des Königs und der Verfammlung
an, für die Sicherheit der böhmischen Gefandten Alles aufzubieten.
Und nicht allein auf die Unverletlichkeit von Leib und Gut derfelben
fam es an, fondern bei der feindfeligen Gefinnung, die hie und da
ı Aſchbach IV, ©. 130 behauptet, das Goncilium babe, weil es ben
Kaifer noch nicht erwartet, auf abermaliged Betreiben des derog Wilhelm
von Bayern noch an demſelben Tage, wenige Stunden vor ber Ankunft bes
Raifers, den Termin für ben Papft auf acht Tage verlängert. Das il uns
richtig. Vielmehr war es ber Kaifer felbft, der ein paar Stunden nad feiner
Ankunft in der Verfammlung burchfeßte, daß dem Papit noch eine Frift von
8 Tagen bewilligt wurbe; bie Väter erflärten babei ausbrüdli: propter ip-
sius (imperatoris) jucundum adventum. So bei Martene VIII, p. 668, worauf
fih auch Aſchbach unbegreiflicher Weife beruft. Es war übrigens auch nicht bie
legte Friftbewilligung. Am 14, October wurbe ber Termin wieder um 8 Tage,
dann noch einmal um ebenfo viel, barauf um 4 Tage verlängert, bis man
enblih am 7. November dem Papft eine nochmalige Friſt von brei ganzen
Monaten ſetzte.
2 Vergl. hierüber Palady, Böhmiſche Gefchichte, IH, 3, S. 1 ff.
574
im Volk gegen bie Reber herrichte, mußte man, um bie Böhme
friedlichen Unterhandlungen geneigt zu erhalten, auch bedacht fein, fu
vor Schimpf und Spott zu fchügen. ‘Daher verfprach der Prote:
tor nicht allein im Voraus dafür forgen zu wollen, daß fie im der
Stadt Bafel „ſchön“ gehalten und nicht beleidigt würden , fonbern
ichärfte auch den Geleitsherren ein, die Gefandten unterwegs vor
jeder fchimpflichen Rede zu bewahren !.
Im September 1432 madten fi) zuerft auf Anordnung de
böhmischen Landtags zwei Vorläufer oder „Vorreiter“, wie umfere
Quellen fie nennen, nad) Bafel auf den Weg, um fich zu überzen
gen, ob es für ihre Glaubensgenofjen rathſam fei, eine größere Ge
fandtfchaft zum Concil abzuordnen. Diefe Vorläufer famen am.
October in Bafel an?. Der ehrenvolfe Empfang, der ihnen bere-
tet wurde, und die verſöhnliche Gefinnung, die fie bei den verjam-
melten Vätern fanden, Tießen alle Bedenken, die man in Böhmen
noch gegen die Beſchickung des Concils gehabt hatte, fallen. Da
die beiden Vorläufer zugleich den Auftrag hatten, über ben Stand
der Quartiere in Bafel Erfundigungen einzuziehen °, fo verfchaffte
ihnen der Protector im Voraus Herberge auf 200 Pferde *.
In Bafel knüpfte man an die Ankunft der Huffiten nicht allein
für die herzuftellende Einheit der Kirche, fondern auch für Die wachfende
Macht des Concils die kühnften Hoffnungen. Herzog Wilhelm ine
befondere bewies, wie fehr ihm das Wohl der Chriftenheit und des
Gedeihen der Kirchenverfammlung am Herzen lag, indem er gegen
die verfammelten Väter den Wunſch ausſprach, „es möchten nicht
blos die geiftlichen, fondern auch die weltlichen Herren aus all
Ländern, vornehmlich aus Deutfchland, in reichfter Zahl nach Bafel
berufen werden, damit fie alle mit eigenen Augen fähen und mit
eigenen Ohren hörten, welch” große Mühe das Concil auf bie Be
fehrung der Huffiten verwende; denn werde alles dies vergebens fein,
was Gott verhüten wolle, fo würden die Völker um defto mehr zum
nachdrücklichen Kampfe gegen die verftoctten Keger angetrieben umd
angeeifert werden; und das Concil belobte diefe Sorgfalt des Bro-
tectors und begann hierüber glei) am 13. October an alle welt
lihen Fürften und Herren zu fehreiben“ °.
2 MWilhelmd Correfpondenz über das Geleit ber Böhmen findet fidh zu
Anfang des 5. Bandes ber Fürftenfachen. — Daß das Geleit fireng gehalten
wurde, zeigt ein Vorfall, den PBalady erzählt, a. a. O. S. 58. Am ber Stakt
Biberach wurde nämlich Jemand gefangen gerommen, in ben Kerfer geworfen
und follte als Störer des üffentlichen Friedens gerichtet werben, weil er auf
bie durchziehenden Böhmen als „verbammte Keber” zu fchelten begann.
Palady III, 3, 58 bat ihre Namen. Herzog Wilhelm bezeichnet fee
in einem Briefe an ben Herzog Abolf von Eleve (im K. Haus-Archiv, =. d.)
als den Stabtjchreiber von Prag und einen bed Raths aus der Stadt „Gay“
(sic!).
s Palacky a. a. O. ©. 59.
Wilhelm in dem angeführten Briefe an den Herzog von Cleve.
* Balady a. a.O. ©. 64. In dem Briefe Wilhelmd an ben Herzeg
576
der Winter 1432 auf 33. Wilhelm blieb Tieber noch ein halkd
Jahr unvermählt, als daß er feine Pflicht verfäumt hätte.
Gegen Ende des Jahres 1432 näherte ſich endlich -eine flat
liche Sefandtfchaft der Böhmen dem Sige des Concils. Der Pre
tector zog ihr bis Stodach entgegen, wo er fie am 30. Decemba
im Namen bes Königs empfing, um fie in eigener Perfon bis ®%
fel zu geleiten '. |
War Wilhelm als Statthalter des Königs ohnehin fchon ke
rufen, an den Verhandlungen des Concils mit den Huffitifchen W
geordneten thätigen Antheil zu nehmen, fo empfing er nebjt einem
föniglihen Gefandten, dem Biſchof von Chur, in jenen Tagen ve
Sigmund noch eine befondere Vollmacht, ihn in den böhmiſche
Sagen zu vertreten. Wie hoch der Herzog und die Seinen bieja
Auftrag anfchlugen, geht aus dem Glückwunſch hervor, den ihm ſen
Bruder Ernft deshalb fandte. Und Wilhelm widmete ſich auch fe
nem Amt mit dem größten Eifer; ihm, dem frommen Sohn da
Kirche, war e8 eine Herzensfache, die abtrünnigen Ketzer zur Mutter
zurüdzuführen. Daß aber fein fefter Glaube an die Untrügfichkit
der Tatholifchen Lehre in irgend einem Punkt durch die Huffiten er
Ichüttert worben wäre, davon findet ſich feine Spur. Er ftand and
hierin völlig auf dem Standpunkt der verfammelten Väter.
AS die öffentlichen Disputationen nicht zum Ziel führen wol
ten, glaubte Wilhelm durch vertrauliche Beſprechung und „heimlich
funtfchaft“ die Böhmen zur „rihtnuß” bringen zu können. Des
Concil wollte eine Zeitlang von einer ſolchen Privatunterhandlung
nichts wiffen und ließ den über alle Maßen langen Neben der Ge
lehrten freien Lauf, bis man endlich, von der Fruchtloſigkeit der de
clamatorijchen Wettlämpfe überzeugt, auf den Vorſchlag bes Herzogs
iv. Eliſabeth, verwittwete Herzogin von Bayern=Ingolftadt, Adolf Schme
fter, bie feit dem Tode Stephans von Ingolſtadt in Köln lebte und bie Un:
terhänblerin zwifchen Better und Nichte gemacht hatte, ſchlug bem Herz
Wilhelm einmal vor, fi heimlih vom Eoncil zu entfernen, um bie Heirat
nach dem Wunfch bes Schwiegervaterd in Köln zu vollziehen.
2 MWilhelm an ben König, 21. December 1432, T.V, fol. 270.
2 Wilhelm an ben Bruber Ernſt, T. V, fol. 857; s. d., aber bem In:
halt nad ber 2.März 1433. „Dann von ber Beheim wegen fol ewer fie
wiffen, das fy bie vier artiff nu furgeben haben unb das in das heilig concili
mit ber rechten warhait fo lauter und verſtandlich borauf geantwort bat, be:
ran fy ber warhait biliich folden empfinden. Aber fy haben in als Gem
furgenomen und angefangen auf bie antwort wider ze repliciren mit ſolichen
afädınifhen (?) antworten bad gar nichts if. Nu batten wir ung lengſt gern
mit unbertaibingen in bie fach gelegt, bez und aber das heilig concili noch
bisher nicht geftatten, funder es wolt, bad man in bie antwurt auf ir artill
vor geben ließ. Aber als fi die fach nu biöher gemacht hat, fo haben wir
und nu in ber zeit mit Tabungen und vil ander gehaim kuntſchaft zu in ge
macht, und hoffen und nu in die fach mit taidingen ze legen und ze verfuchen,
ob wir ichts gut3 barin gefchaffen mochten. Aber ewer lieb fol gelauben als
wir een, das bie layen aus Peheim ye bad auf richtnuß geneigt fein, bann
r pfaffen“.
577
von beiden Seiten 15 Münner ernannte, die aus den Sachen in der
Güte reden und verfuchen follten, ob man den Sachen mit Taidin-
gen näher kommen möchte denn mit bem Disputiren, alfo, daß man
drei Zage in der Woche gütlich davon reden und drei Tage dispu⸗
tiren follte. Dabei erhielt der Protector, als ein Mann, zu dem
beide Theile Vertrauen hatten, von dem Concil infonderheit den Auf-
trag, die Vermittelung zu übernehmen und ſich dabei ſowohl der
eigenen Räthe als anderer nach Belieben zu bedienen !.
Obwohl der Herzog ohnehin fehon mit des Concils und des
Könige Sachen überladen war, fo unterzog er fich doch der Ver-
mittelung mit größtem Eifer. Indeß gelang es nicht, in den Aus⸗
Shußfigungen der 30 Männer die fich fchroff gegemüberftehenden
Meinungen einander näher zu bringen. Da fchlug Wilhelm, in ber.
Meinung, die Zahl der Unterhandelnden fei zu groß, um fich einigen
zu können, vor, daß man einen engeren Ausfhuß ernennen möge,
der leichter einen Vergleich herbeiführen würde. Er bradite es da⸗
hin, dag am 19. März vier Männer von jeder-Seite zu vertrau-
lihen Beſprechungen beftimmt wurden ?.
Im Bewußtfein des Vertrauens, das der Protector von beiden
Ceiten genoß, hatte er hoffnungsvoll das Amt des Vermittler über-
nommen. Bald Hatte er aber zu Klagen, daß die Böhmen „je län-
ger je härter“ würden. Doc gab er feine Bemühungen nicht früher
auf, bis jede Ausficht, die Sache zum Guten zu bringen, verſchwun⸗
den war. Man überzeugte fich endlich allgemein, daß alles weitere
Reden und Rathen nutzlos fein würde, weil die Böhmen, jelbjt wenn
fie den Willen gehabt hätten, doch nicht die Vollmacht befaßen, auf
die Vorfchläge des Concils einzugehen. Es wurde verabredet, daß
eine Gefandtfchaft der verſammelten Väter die zurüchtehrenden Böhmen
begleiten und in ihrer Heimath die begonnenen Unterhandlungen zum
Abſchluß bringen follte.
Die Böhmen hatten oft nad) der Anmefenheit des Königs in
Baſel verlangt und diefelbe Anfangs fogar als eine der Bedingun⸗
2 Wilhelm an ben Bruder Ernft, Erichtag vor Oculi 1433, T.V, f. 368.
„Dann von ber Behaim wegen fol ewer lieb willen, das wir als von uns
ſelbs fovil in bie fach gerebt haben mit bem concili und in, alfo dag yetwe⸗
ber partcy 15 zu den fachen geben bat, bie aus den fachen in der qutlichait
reden, zu verfuchen, ob man ben fachen mit taidingen nehern komen mocht
dann mit bem bifputiren. Des ift und alfo von baiden tailen verfolgt wor⸗
ben, alfo das man drei tag in ber wochen gutlich bavon reden und 3 tag bi:
fputiren fol. Aber in dem fo ift und von dem concili infunberheit bevolben,
mitfambt unfern räten und ben die wir bann zu und nemen werden, ein mit⸗
Ver und unbertaidinger ze fein. Und nach bem und nu baid tail als wir ge-
Tauben ein getrauen zu ung haben, fo hoffen wir und ye mit ber bilff gotes
in die fachen zelegen und mit allem unferm vleiß zuverfuchen, ob wir bie ſach
u gutem bringen mügen, daß wir auch treulich tun wellen, wie wol wir bo
Ft gar grofle mue und arbait mit andern des concili und unferd herren
bes kunigs treflich fachen vil bie zefhaffen und wenig rue haben“.
2 Vergl. Palady ©. 93. In unfern Briefen finde ich über den Aus⸗
ſchuß ber 8 Männer nicht,
578
gen hingeftellt, unter denen fie in größerer Anzahl beim Comic
cheinen würden. Als fie jest am 13. April 1433 in Die Baiem
fung des Concils geführt wurden, machte der Protector zen cs
fo eben eingetroffenen Schreiben Sigmunde Mittheilung, wonsch "
fer in kurzer Zeit perfönlich nad) Baſel fommen werde. Der
Julian bat die Gefandten darauf hin ihre Abreije aufzmidychen, w
nigftens noch acht Tage lang, binnen weldyer Zeit jedenfalls m
fihere Nachricht Über die zu erwartende Anknuft des Kailert @
treffen werde. Die Böhmen beriethen fih und erklärten, ik #
reife nicht länger aufichieben zu dürfen; „auch könne man jid =
die Verfprehungen und Abfichten des Kaifere in diefer Angelegenki
nicht verlafjen, da er, wenn er einen Entſchluß gefaßt, gewohet E
den Plan auch noch unterwegs zu ändern“!. Es war unmjonit, ii
der Statthalter ſelbſt fie erfuchte, nur no drei Zage zu bleibe
Die Böhmen beftanden auf ihrem Entſchluß und fchieden Te
Kaiſer aber ließ nod) Monate vergehen, bi8 er nur die Rudi
nad) Deutfchland antrat. Daß ihn Herzog Wilhelm von der ®
reife der Böhmen, welche diefe fo treffend motivirt hatten, nicht ya
berichtete, begreift fi) wohl; auffallend aber bleibt, daß der Keie
erft im September 1433 zu Mantua auf anderem Wege Kunde ie
von erhielt?. Oder war vielleicht über der Kaiſerkrone und da
Verhandlungen mit dem Papft fogar das Intereſſe, welches &
mund an den böhmifchen Angelegenheiten nahm, fo gering gewer
den, daß man es nicht einmal der Mühe werth hielt, ihn von be
Stand der Dinge rechtzeitig in Kenntniß zu fegen ? |
Aus dem was über die Bemühungen des Protector um
öffentliche Sicherheit und die äußern Verhältniffe des Concils, fer
über feine Zheilnahme an den Verhandlungen der Berfammiung mi
dem Papſt, dem Kaifer und den Böhmen gejagt ift, wird fchen zu
Genüge erhellen, daß Wilhelm in Bafel eine vielfeitige Wirkfamtet
entfaltet. Aber feine Thätigkeit erftredte fi) noch weiter. Kam
wurde irgend eine Angelegenheit an das Concil gebracht, ohne di
man den Beiltand des Protectors in Anfprud) genommen hätte. 94
r Palady a. a. D. ©. 104.
* Sn einen Brief vom Samftag vor Michaelis (26. September 1433)
an H. Wilhelm vermuthet er bie Boten ber Böhmen noch zu Bafel. Er
zählt, daß die von Pilfen ibm ihre Notb geflagt, und will, daß man ben Be
ten von Baſel vorftelle, wie unziemlich es fei, während gütlicher Unterhaub
lungen von ben Wafjen Gebrauh zu machen. Wenn die Sache mit guten
nicht anders geftellt werde, fo müffe mit dem Schwert zur Yußrottung ba
Ketzer gethan werben „darczu wir allen fleiße tun wolten“.
Erft nachdem diefer Brief gejchrieben war, muß Sigmund‘ von ber fd
vor mehreren Monaten erfolgten Abreife ber böhmischen Gefandten gebört he
ben; benn in ber Nachſchrift zu dem Briefe vom 26. September heißt &
„Wir vernemen ouch, wie der Vehem boten von Baſel weg fein, und wur
bert und, das und dein lib dovon nit fchreibet, begerend, bu wolleft und bei
under ougen (ſogleich) wiſſen laflen”. T. V, fol. 97,
579
denfe dabei u. a. an die Streitigkeiten, in denen geiftliche Perfonen
oder Eorporationen die Entfcheidung des Concils anriefen, fowie an
die vielfachen Anliegen, welche Laien, Fürſten wie Privatperfonen,
an die Verſammlung brachten. Bald hatte ſich der Statthalter im
Auftrag des Königs einer Stadt gegen das Stift anzunehmen, bald
ſuchte ein geiftlicher Fürft den Beijtand des Protector gegen bie
Bürgerfchaft; erſteres war 3. B. bei Bamberg, letzteres bei Magde⸗
burg der Fall. Der Erzbifhof von Köln empfahl ihm feine und
feines Stifts anliegende Nöthe; Stadt und Univerfität dafelbft Teg-
ten ihm die Sache eines Kanonicus gegen Dekan und Kapitel, bie
Jenen im Genuß feiner Präbende geftört, ans Herz. Der Pfalz⸗
graf Dtto von Eberbach ließ ihn bitten, ſich des nach Rom citirten
Biſchofs Friedrid von Worms beim Concil anzunehmen; ein ander
Mal will er den Beiftand Wilhelms für die Botjchaft gewinnen,
die das Kapitel und die Stadt Würzburg an das Concil fenden,
welches fie wie den Bischof vorgeladen hat, damit im Lande Fran:
fen und dem Stift Würzburg der Friede wieder hergeftellt werde.
Ein hefjifcher Ritter, der eine Wallfahrt nach Einfiedel über Baſel
macht und bier Ablag vom Concil begehrt, für die St. Johannis
Kirche zu Dannenberg, „wo das heilige Blut fehr gnädig und zei-
chenhaftig ift“ , wird durch den Landgrafen an den Protector gewie-
fen. Pfalzgraf Stephan von Hagenau verwendet fi) bei Wilhelm
für den Abt zu Weiffenburg, den ein Meifter Rembolt von Straf-
burg vor das Concil gefordert hat. Nach dem Tode des Bischofs
von Speier endlich ſoll Wilhelm bei dem Cardinallegaten erwirken,
daß die erledigte Propftei zu St. Bartholomei in Frankfurt dem
minderjährigen Sohne des Herzogs Stephan, Ruprecht, zuertheilt
werde. — Sogar die Königin Iſabelle von Frankreich verwendete
fi) bei Wilhelm für einen ihr befreundeten Abt Johann Richardi,
der vor dem Goncil mit einem anderen Abt Le Melle proceffirte.
Auch der Herzog von Savoyen hatte wiederholt ein Anliegen an den
Protector; Gejandte, die er an bie verſammelten Väter fchicte,
wurden bei Wilhelm befonders beglaubigt '.
Endlich ſei noch mit einem Wort auf die zahlreichen Rechts⸗
Sprüche hingewiefen, die der Herzog Wilhelm im Anftrag des Königs
zu fällen hatte, obwohl diefe richterliche ZThätigfeit in feinem Zus
fammenhange mit dem Protectorat, fondern höchftens mit der Stell
vertretung des Königs im Allgemeinen fteht. Wenn nämlich in ir»
gend einem Prozeß an den abwejenden König appellirt wurde, fo
gab diefer irgend einem Fürſten den Auftrag, an feiner Stelle die
Parteien vorzuladen und durch die zu berufenden Reichsmannen das
1 Diefe Notizen, bie ſich Teicht noch vermehren ließen, find Briefen im
5. Bd. ber Fürftenfachen entnommen. Andere Fälle, wo namentlich verwandte
fürftliche Perfonen des Herzogd Fürfprache beim Concil in Anjprud nahmen,
ergeben fich aus ber Correspondenz Wilhelms mit Abolf von Eleve im K.
Haus⸗Archiv.
681
holte Verfpredhungen bes Könige knüpfte der Herzog die Hoffnung
auf glänzendeg Lohn. Sehen wir, wie er ihn fuchte und fand.
Wenn man die Briefe Wilhelms an den König, an Kafpar
Schlick und an den eigenen Bruder lieft, fo fieht man überall, daß
er nicht: ohne die Hoffnung auf reichen Lohn das Amt des Protec-
tors übernommen hatte. Auch mitten in den wichtigiten Angelegen-
heiten, die feine Seele ganz zu erfüllen fcheinen, denkt er gern an
den Gewinn, den feine Xhätigfeit ihm, feinem Haufe und Lande
bringen werde, umd oft und in bemüthiger Bitte erinnert er den
König, feiner nicht zu vergeſſen.
Was Wilhelm zunächſt begehrte, war weder viel noch unbilliges :
er wollte durch des Königs Gunft gegen feine Widerfacher, die Her-
zoge Heinrich und Ludwig Necht bekommen, nachdem er und fein
Bruder viele Yahre Hindurch ungerechten Beleidigungen und Beein⸗
trächtigungen ausgefegt gewejen waren. Wilhelm war tief in den
Streit mit Herzog Heinrich vermwidelt, als ihn Sigmund zu Feld⸗
firch, wohin fich Wilhelm „feiner Nothöurft wegen“ zu ihm begeben,
bat, der großen Bürde, die er dann zu Baſel williglich getragen, ſich
zu unterwinden. Cine Zeitlang befchäftigte den neu ernannten Pro-
tector der Prozeß gegen Heinrich noch jo lebhaft, daß fid) darüber
jogar feine Abreife nach Bafel verzögerte, und ſelbſt als er am Con⸗
cil den höchſten Angelegenheiten der Kirche und des Reiche mit
rühnlihem Eifer fich zu widmen begann, verlor er jene Privathän-
del feinen Augenblid aus dem Auge.
Nichts ift überhaupt irriger als die oft gehörte Behauptung,
der fromme Herzog, welcher fehon früher die Negierung fait ganz
dem Bruder Ernft überlaffen, habe in Bafel vollends Feine anderen
Intereſſen als die der Kirchenverfammlung verfolgt. Wilhelm hat
im Gegentheil auch von Bafel aus feine thätige Theilnahme an der
Regierung des bayerifchen Landes ununterbrochen fortgejett. In
einem regen weitläufigen Briefwechfel mit feinem Bruder erhält er
nicht allein von allem, was in München vorgeht, Kunde, fondern er
weiß auch überall fein Necht der Mitregierung geltend zu maden;
in geringen wie wichtigen Angelegenheiten ertheilt er feinem Bruder
Rathichläge; er giebt zu den Verfügungen diefes feine Zuftimmung oder
verfagt fie. Daß Ernft ihn irgendwie an politischen Talenten über-
ragt hätte, kann ich nicht finden. Nocd weniger ift die Anſicht
richtig, daß Wilhelm als der gutmüthigere auch der nachgiebigfte von den
Brüdern gewefen fei; er war im Gegentheil fo weit entfernt, über»
all den Nachgiebigen zu fpielen, daß er vielmehr feinen Bruder oft
genug anjpornt, energifch durchzugreifen!.
So ift es auch Wilhelm und nicht Ernft, der in dem Streit
mit Heinrich von Landehut alle Mittel aufbietet, Recht und Genug.
thuung in vollem Umfange zu erhalten.
2 Vergl. 3.8. die Briefe fol. 140. 188. 184. 367. 408 im V. Bd. ber
Fürftenfachen.
Il. 38
682
Herzog Wilhelm Hatte zu Feldfirchen die Entfcheidung des %
nigs gegen feinen Vetter angerufen. Da aber letzterer auf die Ber
ladung nicht erſchien, fo übertrug Sigmund die Fortführung ki
Prozefies dem Neihsmarfchall Haupt von Pappenheim. Der Ser
zog von Landshut indeß fuchte dem rechtlichen Verfahren dadurt
auszumweichen, daß er eine fchiedsrichterliche Entfcheidung durd ke
freundete Fürften beantragte. Dem widerfeßte ſich Wilhelm mi
allem Eifer, und forderte feinen Bruder auf, zu verhüten, daß &
Sache vor Yemand anders als vor den König gebracht wilrde.
Aber fchon Hatte der Protector einen neuen Plan entworſe
wie man gegen Heinrich am wirffamften vorgehen könne. Cr hatt
nämlich gleih nad feiner Ankunft in Baſel den vertrauten Kat
Jacob Truchjeß den Rhein hinab zu dem Herzog von Berg und y
„andern guten Freunden end Gönnern“ von wegen der Sache he
zog Heinrich betreffend gefandt. ALS jener Rath im März zurid
kam, berichtete er, wie allen Fürften, Herren, Grafen, Rittern mi
Knechten folche „Ungleichheit“, die ihnen von Herzog Heinrich gefchek,
gar übel gefalle, und wie die beiten Gönner und Freunde der Ir
ficht feien, daß man den Herzog Heinrich auf feine andere Weife z
gleicher Gerechtigkeit und nützlichem Austrag verbringen möchte, dem
mit dem heimlichen Gericht. Der Herzog von Berg hatte fid ze
gleich erboten, weder Leib noch Gut in den Sachen zu ſparen, for
dern ihnen freundlich Beiftand zu thun '.
Darauf hin entjchloß ſich Wilhelm, glei nah Oſtern zu dm
Herzog von Berg zu reifen, „um den Sachen nachzugehen“. E
bittet deshalb den Bruder, ihm Paul Arefinger und den Kanzlet
Dswald unverzüglich zu ſchicken, da ihm diefe für feine Zwecke nüt
ih werden würden.
Herzog Ernjt hatte zwar gegen das Anrufen des Fehmgerichts
nicht8 einzuwenden, wohl aber gegen die Reife des Bruders. Er
erinnert ihn daran, wie fehr man begehrt habe, daß er zum Conti
fomme, und wie gejagt worden fei: wenn er länger ausgebfichen
wäre, würde die Verſammlung fich wieder aufgelöft haben. Wollte
er jest gehen, fo möchten vielleicht durch übelmollende Menſchen am
Concil Irrungen angerichtet werden; auch könnten, da der Papft das
Concil noch nicht anerkannt habe, Botfchaft oder Briefe kommen,
die des Protector Anweſenheit täglich nöthig machen möchten. Am
wenigften dürfe er fid) von Baſel ohne Erlaubniß des Königs ent
fernen. Er möge daher die Reife aufichieben, bis ber Papft das
Concil beftätigt und der König die Neife erlaubt habe 2.
Wilhelm verfiherte hierauf, daß er das Concil nicht verlaffen
würde, ehe es in foldem Stand und Weſen fei, daß er feine Ab-
wefenheit vor Gott, dem Concil und dem König wohl verantworten
2 Faſt wörtlih nach dem Brief Wilhelms an ben Bruder vom 10. Mär
1433. T. V, fol. 197.
s Ernſt an Wilhelm, 24. März 1432. T. V, fol. 148.
5 T.V, fol. 142, s. d.
684
er Schon früher in drei Fällen, wo er perfönlich erfcheinen zu well
verficherte, ganz ausgeblieben fei; er, der Protector, möge nicht me
einmal getäufcht werden, um jo weniger, als er von des Concils u
des Königs Sachen wegen nicht wohl von Baſel fortgehen kom
Würde aber Heinri wirklich nad) Heidelberg kommen, fo wolle au
er nicht ausbleiben, es hindere ihn denn ber Tod.
Für diesmal machte ſich in der That auf ben We
und Qudwig bürgte dafür, dag Wilhelm ihn in Heidelberg trefi
werde. Der Protector hatte fein Wort verpfändet und mußte glei
falls in Perjon erfcheinen. So reifte er denn eines Mittags plö
lich vom Concil ab, fuhr zu Schiffe His Neuburg, etwa fünf Mei
unterhalb Baſel, ritt aber von da am andern Morgen ebenfo plö
lich wieder nach Baſel zurüd.
“ Die Urfache diefes auffallenden Schrittes Tegt der Herzog jell
in Briefen an den Pfalzgrafen und an feinen Bruder auf folgen
Weife dar!:
Am Mittwoch den 3. September Abends fpät empfing er d
Brief des Pfalzgrafen, der über die Anwefenheit Heinrichs in He
defberg feinen Zweifel mehr ließ. Am Donnerftag nach dem Efi
machte er fich auf den Weg und kam bis Neuburg. Als er ab
am andern Morgen in der Frühe zu der Meſſe gehen wollte
wurde ihm durch einen eilenden Boten ein Brief des Concils üb
bracht, worin die Verfammlung den Protector aufs Dringendfi
unter Erinnerung an feine Pflichten, aufforderte, ſofort nach Bal
zurüczufehren, weil dem Concil jehr wichtige Dinge zugeftoßen feie
wobei man der Gegenwart des Protector nicht entbehren könne
Das Coneil beabfichtigte nämlich fo bald als möglich eine Gefand
haft des Papftes zu entlaffen und eine Botfchaft an ben König |
richten, wobei der Statthalter nicht fehlen durfte.
Nach Empfang diefes Briefes berieth fih Wilhelm mit dem
ſchof von Regensburg und den andern Räthen, die er mitgenommi
hatte. Die allgemeine Anficht war, daß die Sache des Concils u
der Chrijtenheit wichtiger fei al8 der unverbundene Heidelberger Ta
Wilhelm ritt alfo eilends nad) Bafel zurüd, wo des Morgens (a
andern Tag, den 6. Septb.) eine gemeine Seffion (die fechfte) ftat
fand. „Und war auch der Termin auf demjelben Tag aus, daraı
man den Papft und die Cardinäle von Rom ber citirt hat. AI]
kamen aud des Papftes Boten, zwei Erzbifhöfe, noch ein Bifch
und ein Doctor, und wollten von des Papftes wegen viel vorbrit
gen und fonjt wunderliche Jrrung machen, das doch nicht geſchehe
1 Beide Briefe T. V, fol. 177 u. 178.
* In dem Concept ftand urfprünglich flatt der Mefle: „an bag ſcheff!
5 Der Brief des Concils vom 4. September fteht im Original fol. 26
ar ſchickte Pi au feiner ee an den Pfalzgrafen, mit b
itte, ihn zurüdzufenden. ies gefhah, ohne daß fi der Pfalzgraf ei
Bemerkung über ben Bricf erlaubte, 5 pfolzgraf ei
586
welchen das Salz durchs Land befördert wurde, ließ er nicht de I
gehen, wo es geſetzliches Dee war und die Theilbriefe vor-
ſchrieben. Er erhob neue Seleitsgelder zu Ingolſtadt und anderswo,
und hinderte das Geleit dur die Münchener Lande. Die Gemah—
Lin des Herzogs Ernft hatte zu Feldkirchen eine ewige Meſſe geftiftet;
als aber der Kaplan mit Tode abging, riffen Ludwigs Amtleute die
Güter der Stiftung alle an fid.
Waren diefe und ähnliche Webergriffe zunächſt! auf die Krän⸗
fung der Herzoge von Minchen berechnet, fo wurden die geiftlichen
Herren, die benachbarten Biſchöfe und eine Anzahl Aebte, auf an
dere Weife beeinträchtigt. So ließ er in die Klöfter feine Yäger
und Falkner mit Pferden und Hunden? fich einlagern, verkürzte ihre
Einkünfte und verlegte ihre Gerichtsprivilegien.
ı 68 finden fih mehrere Klagezettel gegen Lubwig in unfern Acten, und
ſolche find auch gebrudt bei Krenner, Baierifche Landtagshandlungen Bb. I, 86.87.
89 ff. — Wir haben nur einige daraus angeführt, was fidh zum größer
Theil noch durch andere Quellen zur Genüge belegen läßt. Es mögen bie
noch einige grauenhafte Aeußerungen über bad Raubweſen, daß Herzog Lub-
wig beförberte, eine Stelle finden: „Es fint ouch mer lewt in unferm und
ewerm lannde von herczog Ludwigs lewten aufgebalben unb berawbt worden |
und fy hallten taͤglichs allenthalben darinn und ſy laſſent nyemant hin und
ber reiten ungeirrt“, ſchrieb Ernſt an Wilhelm 27. April 1432, T. V, fol
150. — Herzog Wilhelm an Ernft 9. Mai, fol. 152: „Man bat uns auf
efagt, wie ettlihen Taufleuten von Augfpurg, Memmingen und andern reid:
eten genomen fei worben auf dem Lechfeld bei XVII (1700) G. Darinn
man unſers vettern gefellen vaft verdenfen, und das joll den reichfieten nit ge:
vallen. So tut unfer vetter ber flat Augfpurg, aud dem bifhov vil beſwärd,
das fy in bie leng auch nit gern leiden”. — Im folgenden Jahr war bie
Sache nicht befier. Bon einem Lanbfrieden, ben Herzog Ernſt auf bes Bnı:
ders Anregung mit ben Nachbarn, namentlid den Reichftäbten, betrieb, wollte
Ludwig nichts willen. „Lieber bruder”, ſchrieb Wilhelm an Ernft am 2. Mär
1433 (fol. 356), „ir und al bie unfern wift wol, das auß unſers vettern
h. 2. lannd Faufleuten, pilgreim und andern albey ye unb ye mer rauberei
und beſchedigung fommen etc. — Nod am 8, April 1433 (fol. 482) klagte
Ernft dem Bruder: „So haben auch all (nämlich Räuber) bei im von und
zu reyten, und alle feine geſchloſſ find in offen“. ”
s Ein faft zeitgenöffifcher Chronift fpricht von dieſem Unmwefen als von
einer franzöfifchen Sitte Ebran von Wildenberg, bei Defele I, ©. 311:
„Der Fürft überlegt bie Chlofter und all geiftlich guetter in feinem land aar
ſchwärlich mit jagern und valdnern nad benen Franzöſiſchen fitten“.
Jägergeld wurde auch von Herzog Ernft erhoben, was feinem Bruder, der es
ſchon längere Zeit abgefchafft hatte, viel Befümmerniß erregte. Er forberte
ben Herzog Ernft deßhalb wiederholt auf, jenes Gelb gleichfalls nicht mehr
einzutreiben, ba ed ihm Schande bringen werbe, wenn er an dbemfelben Un:
recht fefthalte, worüber man Ludwig verflage. „Ir ſullt wiflen in guter ge:
haim“, ſchrieb Wilhelm feinem Bruber am 19. December 1432 „ba3 bie gocz⸗
häuſer und etliche pfaffhait ye gar ſwerlichen an herczog Ludwigen wellent bie
vor dem heiligen concili, und wir haben in warhait erfaren durch die gelerten,
das man ſy bei iren aiden fragen wirdet ae ſagen was in beſwerniß oder un:
geleichait von wen bad wär beſchechen. Lieber bruder, ni verſten wir wol,
ſollt für das heilig concili gelangen, das wir in mit dem jäger gellt, das ſy
järlih geben imueffen, befwarung täten und bad von in nemen, das ewr lieb
687
Der Clerus machte von den geiftlichen Waffen Gebrauch und
ſprach über Ludwig den Rirchenbann aus!. Da fich aber der troßige
Fürſt hierum wenig kümmerte, verklagten ihn die geiftlichen Herren
vor dem Baſeler Eoncil, das nun feinerfeit die Excommunication
über ihn verhängte ?.
Auch die rein weltlichen Streitigkeiten der benachbarten Fürften,
des Markgrafen Triedrich, des Herzogs Heinrich von Landshut, bes
Herzogs Johann von Neumarkt, der Grafen von Dettingen, mehre⸗
rer Reichsftädte und vieler Edelleute mit bem friedenftörenden Lud⸗
wig z0g das Bafeler Concil vor fein Forum. Der Erzbifhof von
Lyon, der Bifchof Peter von Augsburg und der Auguftiner-Eremiten-
Provinzial Georg wurden vom Concil nad) Bayern gefandt, um
die Sache zu unterfuchen und den Frieden herzuftellen?. Doch blieb
und uns bad vor dem heiligen concili folichen unglimpfen machen würb, das
wir ge nicht gern orten oder ſehen, und barumb, lieber bruber, jo mügen
wir ewr lieb in ganczem tremen wol geraten, das ir folich jäger gelt von
ſtünden genczlih abſchaffen unb auch das binfur nymer nemen weilt. Darczu
fo bat ewer Tieb und auch wir vor einer ganczen lantfchafft befmals ala fy
die ſtewer zu ewr bochter beiratgut geben babent, ben prelaten verhaiffen das
abzefchaffen und nymer einnemen, als wir auch unſers taild das ber gehalten
und nicht genomen haben”. (Krenner, Baierifche Landtagshandlungen Bd.
I, ©. 64, tbeilt dieſes Schriftftüd aus berfelben Duelle mit, macht aber ben
Freitag vor Thomä zum 7. März, was offenbar unridtig if). Da aber Her-
309 Ernit ſich Über die Sache nicht aldbalb äußerte, fo wiederholte ber Bruder
am 2. März 1433, foL 357, feine Vorſtellungen. „Und wir getrawen e 1.
wol, ir habt uns folches fchreiben nicht verubel, wann wir das in rechten bru=
berlicher Tieb und trewen auch durch ber gerechtilait willen tin. Und wir be=
gern herauf ewer verfchriben antwort, ob ez zu folihem käme, dad wir end)
dann barinn wiffen ze antworten”. Inzwiſchen traf ein Brief bed Herzogs Ernft
vom 10. Februar ein, worin biefer ganz dem Wunfche ded Bruders entſprach.
Er hatte fofort nad) dem Empfang der brüberliden Mahnung mit aller Strenge
eboten, baß der Unfug aufböre; follten aber die Jäger und Falkner bawiber
Banbein, fo follen fie aufs Härtefte geftraft werben.
» Lang, Ludwig ber Bärtige, erwähnt biefer Ercommunication burd ben
bayerifhen Clerus nicht; wohl aber ber Chronift Vitus Arnped, der gegen
Ende bes 15. Jahrhunderts ſchrieb (Pez, Thesaurus III, 338). Daß Lubwig
ſchon zu Anfang des Jahres 1433, als erft der Prozeß vor dem Bafeler Eon:
cil anbängig gemacht wurde, im Bann war, ergiebt fi aus dem kaiſerlichen
—— vom 28. April 1434, worin hervorgehoben wird, daß ber Be—
Magte über Jahr und Tag den Kirchenbann veradhtet habe. Propter multipli-
cem excommunicationem et anathemationem, fagt Arnped.
2 Regesta Boica XIII, 1433, 5. September. Johannes episcopus Ga-
dicensis et executor unicus a synodo Basiliensi specialiter deputatus notifl-
cat excommunicationem, aggravationem et re aggravationem Ludoviei senioris
Bavariae ducis per Julianum apostolicae sedis legatum in causa dioti ducis
et monasteriorum in Scheyern etc.
3 Vergl. die Bayerifchen Regeſten v. 6. Auguft, 15. Auguft, 1. Sep:
tember, 26. September. — Lang, S. 161, und im Anſchluß an ihn Buchner
vı, 276 und Aſchbach IV, 214 fagen, die genannten weltlihen Stände feien
der Klage der Klöfter beigetreten. Aber mir ſcheint aus ben angeführten Re⸗
geften mit Sicherheit bervorzugeben, daß man bie Sache ber Klöfler von den
rein weltlichen Streitigfeiten trennen unb beides nicht durch einander werfen
darf. Es ift gewiß auch ein Wiberfpruch zu fagen, ber Kurfürſt von Braun:
588
diefer Eingriff der Väter in weltliche Angelegenheiten nicht ungerügt
Der Kurfürft von Brandenburg felbft fol fih mit allem Naddrad
dagegen erflärt und vor dem Kaifer darüber Beichwerde geführt haben‘,
Wir wiſſen nicht genau, in welchem Verhältniß der Protect
zu dem Verfahren des Concils gegen Herzog Ludwig ftand. Ta
er indirect die Schritte der Kläger unterftügte, läßt ſich nicht k-
zweifeln 2; aber es ift nicht zu beweifen, daß er zu ben Maßregeh
die erfte Anregung gegeben und Andere nur vorgefhoben habe, m
feine eigennüßigen Zwede zu erreihen. Unter den. Klägern vw
bem Goncil wird weder er nocd fein Bruder genannt.
Anzwifchen aber war Wilhelm thätig geweien, eine Reihe von
Beichwerden gegen Ludwig auf dem gewöhnlichen Rechtswege geltend
zu machen, wohl in der Erwartung, daß in legter Inſtanz der Sur
jer unfehlbar zu feinen Gunſten entfcheiden werde. Er war in bie
fer Sache eifriger als fein Bruder und drängte diefen wiederholt,
das gerichtliche Verfahren einzuleiten. So mahnte er ihn fchon am
9. Mai 1432 (fol. 152) nit zum erjten Male: „Lieber Bruder,
als wir euch dann nächſt gefchrieben haben auf Herzog Ludwigs Güter
zu Hagen zu Hirfchberg und anderswo in allem unfern Land, dem
gehet alfo nah“. Da aber Herzog Ernft trogdem nicht energiſch
genug vorfchritt, jo forderte Wilhelm einen feiner Räthe in Min
hen auf, die Sache betreiben zu helfen. „So nimmt ung Wunder,
fchrieb er etwa im Auguft 1432*, daß unfer Bruder fo nachläffig
benburg habe ſich nebft Anbern ber Flaneführenden Geiftlichkeit angefchloffen,
unb glei darauf die Competenz des Concils beftritten. Weberhaupt fcheint
mir das Verhältniß Ludwigs bed Bärtigen zu bem Bafeler Concil noch eine
genauere Unterfuchung zu verdienen. Lang bat fih nidt tief genug in ba3
Detail eingelafjen, wenn er auch aus dem reihen Urfundenmaterial, bag ihm
zugänglid war, einiges Neue beibringt; aber noch mehr zu bedauern ift, bak
bad, was Lang bietet, fich nicht überall durchaus zuverläflig erweiſt, troß fe:
ner in ber Vorrede gegebenen Berfiherung, daß er für feine Arbeit 10 Sabre
aus „allen und jeden Fächern des Reichsarchivs“ gefammelt habe. Und doch
ift Lang für die bayerifche Geſchichte in ber erften Hälfte des 15. Jahrbunderts
feit Decennien unbedenklich als Quelle benutzt worden. — Buchner bat wohl
einiges Neue binzugefügt, aber mit noch weniger Kritik als fein Vorgänger.
Bd. VI, ©. 278 läßt er das Concil erfi den Kirchenbann über Ludwig aus:
fprechen, nachdem die Abgeorbneten ber Landſchaft bie gegen ihn vorgebrachten
Beichwerben erhärtet hatten; dann babe zugleich mit dem Kirchenbann bas
an ben Herzog feiner Lande und Leute, Ehren und Würden verluftig
erflärt!
ı So Alhbad IV, 215, nad Gundling, Friedrich L ©. 404. Mir
fehlen die Beweife für diefe Behauptungen.
2 In einem Brief von 2. März 1433 (T. V, fol. 357) fchreibt er bem
Bruder: „Als und dann E. L. von ber goczhaufer wegen gefchriben und un
bie empfolben bat etc., fol E. 2. willen, und gang an allen zweifl fein, was
wir in iren fachen geraten und gebelffen mugen, wellen wir ze tun ge willig
fein ala wir dann das uns ber awg getan haben.
sDerartiges behauptet Lang, S. 160.
* T. V, fol. 162°. Dem Bruder ſchreibt W. in demſelben Sinne am
6. Auguft, fol. 161,
589
ift, daß er nicht Tängft zu der Landſchranne Hirfchberg geritten tft
und auf die in dem Landgericht gelegenen Schlöffer Ludwigs ein
Fürbot genommen hat, auch daß er die Rechte im Oberland auf alle
feine Güter nicht hat lafjen anheben, und wilfen nicht, warum das
unterwegen bleibt“.
Aber ging das Beftreben Wilhelms nicht weiter, als blos Necht
gegen feinen feindlichen Vetter zu befommen? Hat er nicht den ges
häffigen Plan verfolgt, den Herzog Ludwig durch einen Faiferlichen
Sprud feiner Länder zu berauben, um fie an ſich zu reißen? Man
hat diefe Trage, mit dem Document in der Hand, wodurd dem
Herzog Wilhelm das Land des geächteten Ludwig zugefprodhen wird,
unbedenklich bejaht und damit den viel gepriefenen Protector des
Concils zu einem habgierigen, der niedrigften Selbftfucht fähigen
Dann geftempeltt!. Mir fcheint e8 jedoch, als ob man in diefem
Valle wohl unterfcheiden müſſe zwifchen dem, was fi) aus den Ver⸗
hältniffen von felbft ergab, und dem, was durch verwerfliche Intri⸗
guen lange vorbereitet war. Daß auf Ietterem Wege Wilhelm in
den Beſitz des Ingolſtädtiſchen Landes zu kommen getracdhtet habe,
läßt fich nicht behaupten; wenigftens bietet die vertrauliche Corres⸗
pondenz des Herzogs mit dem Kaiſer, dem Vicelanzler und dem
eigenen Bruder keinen beftimmten Anhaltspunkt dafür.
Aus der Korrespondenz mit dem Raifer können, fo weit id)
jehe, zwei Stellen vor allen in Betracht Fommen. Am 18. Sept.
1432 (fol. 261) fchreibt Wilhelm an Sigmund: „Ich bitte E.k. G.,
Ihr wollet mich Euern Gnaden laffen empfohlen fein und anjehn, daß
ich je ganze he, und gutes Vertrauen auf Euer f. Gnade habe,
und laßt Euch meine Sache, die ich Euern F. Gnaden durdy Georg
Hueter und darnach dburd einen reitenden Boten zugejchrieben habe,
gnädiglich angelegen und empfohlen fein, und fehet darin an, daß
mein Vermögen zn diefen Zeiten nicht gar groß iſt“. Der Herzog
fährt fort: „Dazu habe ich dann noch etliche Freunde, die mir folche
Ehren nicht wohl gönnen, und follte ih an meinem Erbe dar»
unter etwas verfümmert werden, fo ach teten fie das nicht. Jedoch,
fo will ich weder Leib noch Gut darin fparen, ih will, fo ©ott -
will, Euern f. Gnaden die Sadje zu Ehren und Wohlgefallen aus-
richten“. Das deutet doch darauf hin, daß es ſich um nichts ande⸗
res al8 um eine Schadloshaltung des Herzogs handelte, fei es nun,
daß er den König um eine Geldunterftügung angejprochen ? oder nur
von Neuem um den Beiftand des Königs gegen bie oft berührten
en ne gungen von Seiten der Herzoge Ludwig und Heinrid) ges
beten hat.
r Nah Lang fpreden aud Mannert I, 468 und Aſchbach U, S. 224
von ber Gebäffigkeit und Habfucht bed Herzog Wilhelms, ben fie fonft doch
fo außerorbentlih loben, Mannert S. 468 und Aſchbach namentlih S. 333,
2 Schon in der Werbung an ben röm. König (fol. 206) aus dem Früh:
jahr 1432 heißt es nad den Klagen über Raub und Friedensſtörungen kurz:
„stem von ber zerung wegen“.
590
Berbächtiger könnte ein Brief Wilhelms vom 18. Yunt 1433
(fol. 300) erfcheinen, worin er dem König fchrieb, ır möge nit
folhe Sorge um ein rebliches Ausfommen in ‘Deutfchland haben,
fondern nur der Gerechtigkeit nachgehen und „auswarten“ und um
redliche Dinge dem Recht nad) ftrafen und die nicht mit ſchnödem Geh
abfaufen laffen; dann werde er, wie viele von des Königs guten
Gönnern meinen, reichliche „Nußung zu gutem Auskommen“ baba
und mit großen Ehren als ein römifcher Kaifer, ein gerechter Förde
rer und Erhalter der Gerechtigkeit leben. Dazu wolle er, der Pre
tector, dem Kaiſer all fein Vermögen weiben, und darin getreulid
mit ihm arbeiten. Er empfiehlt fi) noch einmal dem König, feiner
grädig zu gedenfen, da er in beutjchen Landen viele Mißgönner habe,
und beſonders unter feinen Freunden!.
Es ift nicht unmahrfcheinlich, daß der Herzog, wenn er be
Kaifer zu einer ftrengen Gerechtigkeitspflege aufforderte und ihn er
mahnte, fi nicht mit fchnödem Geld abfinden zu laffen, vor allem
an die Beftrafung des bärtigen Ludwig dachte, der um dieſe Zeit
Schon vor dem Goncil verklagt war und den Unwillen ber verfam
melten Väter nicht wenig erregt hatte. Aber die Sache ftand nod
feineswegs fo, daß der Protector fich hätte alle auf das Land
feines Vetters machen können; er mußte frob fein, wenn mit bes
Könige Hülfe nur feine Beichwerden gegen ihn erledigt wurden.
Denn Ludwig und Heinrich waren nicht müſſig, ſchonten auch dat
Geld nicht, um den Kaifer wie den Kanzler fich günftig zur ſtimmen.
In diefer Beziehung giebt ein Brief des Kafpar Schlick dan
fenswerthe Auffchlüffe.e Am 4. Juni 1433 (fol. 298) ſchreibt er:
„Dann von Meifter Heinrich von Landshut und Ludwigs von In⸗
golftadt wegen feid ſicher, daß nichts gefchieht, bis der Vogt (Kar
fer) zu Euch kommt, und alfo find ihre Diener von binnen gefertigt,
und glaubt nicht, daß mir nad) Schankung fo wehe fei, daß ich mid
mit Wiffen in einigen Sachen verfchnellen follte, was ich doch bis
ber nicht gethan habe“.
Später, nah dem Glückwunſch zu der Vermählung Wilhelms
heißt e8: „Von Eurer Sache und der Hülfe wegen bat mir feine
Gnaden (der Kaifer) zugefagt nnd Euch kühnlich ſchreiben heißen,
baß er Euer nicht vergefjen, fondern alfo thun wolle, daß Ihr umd
Eure Lande ihm werdet zu danfen haben, und was bisher nicht ger
ichehen ift, das hat gemacht unfer aller Noth, darin wir find“.
Die Hülfe, die dem Herzog vom Kaifer werden foll, ift wahr
fcheinlich wieder nur eine Geldunterftügung. Für einen weiteren
Plan, fieht man, war nod) fein Raum.
Danach werden wir auch in der Antwort Wilhelms vom 4. Yuli
? Damit find wahrſcheinlich bie Kurfürften von der Pfalz und Branden
burg gemeint; fie weren ſchon lange Wilhelms Verbündete gegen Ludwig ben
Bärtigen, aber von Beiden ift leicht zu vermuthen, daß fie dem Tleinen Herzog
die Statthalterwürbe nicht gönnten, auf welde nach feiner Stellung im Reid
und zum König vor allen Friedrich von Brandenburg Anſprüche gehabt Hätte.
592 ”
daß das Concil fie in ihrem Anbringen bei dem Kaifer unterftükn
werde.
Das ift wohl nicht die Sprache eines Mannes, ber in ri
ſichtsloſer Habſucht und Herrfchbegierde gefährlihe Pläne gegen fe
Mitfürften fchmiedet. Wenn es daher fchon bald nach der Ar
kunft des Kaifers in Baſel dahin kam (25. Nov. 1433), daß die
dem Protector zum Lohn für feine trenen Dienfte den größten Ti
des. Ingolftädtifchen Landes verlieh oder nach Beſtrafung und Be
treibung des verbrecherifchen Ludwig zu verleihen mit Brief m
Siegel verfpradh , fo find die Umftände, unter denen es geſcheh—
näher ind Auge zu faffen.
Da Ludwig, erffärt der Kaifer in feiner Urkunde vom 25. Nu.
14331, der Gemwaltthaten und des Unrecht wegen, das er an dm
Gotteshäufern fange Zeit hindurch verübt hat, durch das Heilige Con
cil mit geiftlihem Gericht und Necht in alle Pön der Karolina, auf
in andere fchwere trafen verurtheilt und verdammt worben ift,
nach Laut der Prozepbriefe, worin auch der römische Kaifer und fen
weltliches Schwert angerufen werden und dem Kaiſer geboten: ift,
ernftlich nad) Ludwigs Landen und Leuten zu greifen ; und da ferne
Ulrich Kagrer, Georg Frauenhofer und Andere den Herzog bei dem
heiligen heimlichen Gericht verklagt haben und diefes dem Kaifer wer
Jedermann Leib und Gut des PVerurtheilten preisgegeben und in%
befondere dem Kaifer feine Lehen zugewiefen und ihm erlaubt hat,
mit Landen und Leuten zu fahren, wie fi in der heimlichen Adt
gebürt: fo beabfichtigt er, der Raifer, gemäß feiner Pflicht gegen
da8 heilige Concil und die heilige Kirche, deren Vogt, und gegen das
heimliche Gericht, deren oberfter Richter er ift, mit Hülfe Gottes,
der heiligen Kirche und des römischen Reiche, nach dem Herzog Au:
wig und feinen Landen und Leuten zu ftellen. Nun Habe er aber
angefehen folche Liebe und lautere Treue, die der Herzog Wilhelm zu
ihm hege, fowie die angenehmen willigen Dienfte, die ihm in ver
gangenen Zeiten mannigfaltig, befonders aber an dem heiligen Con⸗
cil, zu deſſen Statthalter er ihn gemadt, auf feine eigenen Koften
gethan habe; und um folder Liebe willen und zur Erftattung ber
Untoften, die der Herzog in feinem Dienft am Concil gehabt Habe,
bejonder8 aber um das Land bei dem Haufe und Etamm von Bayern
zu erhalten: verfpreche und gelobe er mit Faiferlihen Worten, Lud⸗
wigs Land und Leute, die derfelbe ererbt oder ſonſt an fich gebracht
babe, dem Herzog Wilhelm und feinen Erben zu verleihen, um fie
als Lehen von Kaifer und Reich inne zu haben, wie fie Herzog
Ludwig bisher inne gehabt habe.
Doc behält ſich der Kaifer darin vor: alle Städte, Schlöffer,
Land und Leute, die zu der Krone Böhmen gehören und an den
Herzog Ludwig gefommen find; ferner nimmt er aus die Juden⸗
haft in Negensburg und was an Städten, Echlöffern und Pfand-
° Bafel, St. Eatherinen-Tag 1433. Urkunde im K. Reichs-Archiv.
693
fchaften von der Mark Brandenburg unb des Reichs wegen an
Ludwig gefommen ift; hiermit will der Kaifer thun können, was
ihm gefällt. Endlich will er, fo lange er lebt, als ber rechte Herr
und Befiter von Ludwigs Land und Leuten betrachtet werden, und
Herzog Wilhelm und feine Erben follen nur des Kaifers Verweſer
und Statthalter fein. Erſt wenn Sigmund mit Tode abgegangen
fein wird, follen Wilhelm und feine Erben das Land mit allen
Nutungen inne haben und genießen als anderes Lehengut.
Schon aus dem Wortlaut diefer Urkunde ergiebt fi, was aud)
ber Sadjlage ganz entjpricht, dag der Antrieb zu dem ftrengen Ver»
fahren, das gegen Ludwig ftatthaben fol, vom Concil ausging. Die
verfammelten Väter, über den Herzog aufgebracht, weil er ihre Autos
rität nicht anerkennen und troß der geijtlichen Urtheilsfprüche von
feinen Gewaltthätigfeiten nicht laſſen wollte, drangen in den Kaifer,
ihnen mit dem weltlihen Schwert zu Hülfe zu kommen und als
Schutzherr des Concils die verhängten Strafen zu vollziehen. Wenn
es wirklich die Aufgabe des Concils fein follte, den Frieden in der
Welt herzuftellen und das Leben und die Sitten zu verbeffern, fo
lag es nahe, mit Ludwig von Ingolſtadt den Anfang zu machen.
Hatte aber die Verſammlung einmal verfucht, den trogigjten aller
riedensftörer zur Ruhe und Zucht zurüdzubringen, jo fam es im
Intereſſe ihrer Autorität darauf an, daß Ludwigs Widerftand ges
brochen und das ftrengfte.Verfahren gegen ihn bis zum Ende durd)-
geführt wurde. Die Väter hatten alfo naturgemäß das Tebhafteite
Intereſſe an dem Einjchreiten des Kaifers gegen den genannten
Ludwig, und der Aufmunterung von Seiten Wilhelms bedurften fie
nicht. Man verkennt den Ernft und die Würde, womit die DVer-
Sammlung in allen Angelegenheiten vorging, wenn man annimmt,
daß fie fich Habe als Werkzeug zu fremden Zweden gebrauchen Laffen.
Damit ſoll nicht gejagt fein, daß Herzog Wilhelm ohne allen
Einfluß auf die Vorgänge geweien iſt. Er wird wenigitens den
Kaifer gedrängt haben, ihn für die während der Statthalterfchaft ge⸗
braditen Opfer zu entfchädigen; er wird aucd den Gedanken, in
Ludwigs Beſitzſtand einzutreten, von welcher Seite er immer ausge⸗
gangen fein mag, feinen Augenblid zurücigewiefen haben. Das Ver-
fahren des Concils gegen Ludwig hielt er nad) feiner Anfchauungss
weife und nach feiner Stellung für gerecht und theilte die Anficht
der Väter, daß der Kaifer dies Urtheil zu vollitreden Habe. Wur⸗
den aber die Bannflüche des Concils, die furdhtbaren Drohungen
der Fehme vollzogen, fo verlor Ludwig mehr als Land und Leute.
Daß Wilhelm gern bereit war, bei erfolgter Execution in das Erbe
des DVerurtheilten, foweit e8 den Händen des Kaifers und feines be=
gehrlichen Kanzlers entwunden werden konnte, einzutreten, ift fo na⸗
türlich, daß das Gegentheil als beifpiellofe Entfagung Bewunderung
verdienen würde. So lange wir aber feine Beweife dafür haben,
daß der Protector aus niedriger Habfucht Urheber des ganzen gegen
Ludwig eingejchlagenen Verfahrens geweſen ift, fcheint mir der harte
594
Tadel, der über ihn ansgefprochen worben, nicht begründet, ım hı
weniger, al8 in den uns erhaltenen Correfpondenzen Feine Spur bar
auf hinweift, daß er auf das verbriefte kaiſerliche Verſprechen ein
befondern Werth gelegt und deſſen Erfüllung eifrig betrieben hak.
Daß er des in Ausficht geftellten Tändererwerbs in den i
Briefen an feinen Bruder gar nicht gedenkt, daß er, was vor alle
hervorzuheben ift, fein Wort des Unwillens laut werben ließ, al
der Kaifer mit der Ausführung feines Entjchluffes zögerte und ms
ih den verurtheilten LZudwig wieder zu Önaden aufnahm — dei
alles darf bei Beurtheilung feines Charakters nicht überſehen werde
Warum fol er über das Verfahren gegen Ludwig nicht ebenfo g
dacht haben als fein Bruder Ernft? Diefer fchrieb einmal!, a
wolle Gott bitten, daß der Kaifer von feinem löblichen („göttlichen“)
und rechtlichen Willen nicht laffe und dem nachgehe,; das würde ihm
viel Lob und Ehre bringen, und manche Leute würden fid u
Zukunft befleißigen Recht zu thun, wenn fie fähen,
daß man das Unredt an den Häuptern aud nidt
leiden wolle.
Vielleicht wäre jene Landverleihung, die Übrigens nicht zu all
gemeiner Kenntniß kam und von feinem Chroniften erwähnt wir,
unfern Geſchichtſchreibern niemals in fo häßlichem Licht erjchienen,
wenn nicht der Kanzler Schlid eine ihnen verdächtige Molle dabei
gefpielt hätte?. An demfelben Tage nämlih, an dem die kaiſerlich
Urkunde für Herzog Wilhelm ausgeftellt wurde, verpflichtete fih
diefer gegen den Kanzler, ihm, feinen Erben oder feinem Bruder
und deſſen Erben ein Schloß und gute Behaufung mit einem jahr⸗
lichen Ertrag von 500 Gulden zu überlaffen, fo bald der Herzog
Ludwigs Land oder den größern Theil deffelben und befonderg den
Donauftrom in feine Hund befommen würde. Es follte dies frei-
lich nicht allein eine Belohnung dafür fein, daß Kafpar Schlid fo
treufich geholfen habe Ludwigs Land und Leute Wilhelm zuzumenden
und fie dem Haufe Bayern zu erhalten, fondern der Herzog mollte
ſich zugleich dankbar erweifen für die gefälligen Dienfte, die der
Ranzler ihm fchon früher gethan Habe und noch thun werde. Denn
Wilhelm hebt hervor, daß Schlid ihm ald Kanzler den Meäjejtäts-
Drief und andere nothdürftige Briefe, die er zum mindeften auf
ı 8. April 1434, T. V, fol. 428.
» Die Theilnahme Schicks an dem Handel ſcheint namentlich auf das
Urtheil Lange (S. 163), der fpöttifh von den faubern Dienften des Kanzlers
ſpricht, eingewirkt zu haben. Ihm erſcheint die ganze Sache ſo ungeheuer,
daß er daran bie Bemerkung knüpft, bie Zigeuner, bie in dieſem Jahre zuerf
nah Baiern gefommen fein follen, mögen manches nicht beffer gefunden haben
al8 in ihrem eigenen rätbjelhaften Vaterlande. Er vergißt aber dabei, daß fich
ein Kulturvolk vor einer ungeſitteten Horde gerade dadurch auszeichnet, daß
Recht und Ordnung herrfcht und auch ber Höchfte nicht ungeftraft Verbrechen
begeben darf. In Deutihland hätte Jahrhunderte hindurch nicht ſowohl bie
Suftiz, bie an ben Großen geübt wurde, ald vielmehr das zügellofe Treiben
unſres Herrengefchleht3 an die Zuftände roberer Völker erinnern können.
696
8000 Dufaten angeflogen hätte, frei und ledig fibergeben habe, wie
er denn auch die Briefe, bie zu den Sachen gehören, noch überge-
ben folle und wolle !.
Unter dem hier erwähnten Majeftätsbriefe werden wir bie mit
des Kaiſers Siegel verfehene Haupiverleihungsurkunde zu verftehen
haben. Fur ein derartiges Document mag die Taxe von 3000
Dufaten nicht zu hoch gegriffen fein. Mußte doc wenige Jahre
früher der Herzog Philipp Maria von Mailand dem König Sig-
ıinund oder angeblich deſſen Kanzler für feine Herzoglichen Privilegien
6000 Dulaten zahlen?. Die Cumme von 3000 Ducaten entjpricht
aber nad damaligen Verhältniffen ungefähr einem Beſitzthum, das
jährlich 500 rh. Gulden einbringt; ein folder Zins fegt, wenn man
123 vom Hundert, ftatt der damals meift üblichen 10 Procent rech⸗
net, ein Kapital von 4000 rh. Gulden voraus, und das war auch
die Summe, fir die fi der Herzog Wilhelm den Wiederfauf des
zuverleihenden Schloffes vorbehielt und die er dem Kanzler baar zu
zahlen verſprach, wenn er fih nad; Einnahme des Ingolſtädtiſchen
Landes über die Wahl der Befigung mit ihm nicht würde einigen
fönnen. =
Sonad) ift der Vertrag bes Herzogs mit dem Kanzler Schlid
ein einfaches Nechtsgefchäft, das dem Vorgange, der es veranlaßte,
an ſich fein mißliches Anfchen giebt. Derfelbe Vertrag Konnte auch
bei einer andern Veranlaſſung, wenn ein Landerwerb ſich 3. ®. auf
Erbſchaft grindete, abgefchloffen werden; man fieht nur daraus, daß
Schlick ſich frühzeitig vorjah: weil er wußte, daß es dem Herzog
Wilhelm auf jeden Fall an Geld fehlen werde, um die hohen Kanz⸗
leigebühren zu zahlen, fo ließ er fi dafür von vornherein ein ent»
fprechendes Beſitzthum zufichern.
Aber wichtiger als alle moralifchen Erwägungen, mögen fie fi
nun auf den Herzog oder auf den Kanzler beziehen, erſcheint mir
die Frage nach der Stellung, die der Kaifer, wenn ich fo fagen darf,
innerlich zu dem von ihm eingefchlagenen Verfahren einnahm. War
es ihm wirklich Ernft mit feinen Drohungen gegen Ludwig? Konnte
er, ber ſich ſchon fo lange an alle Zügellojigfeit in den höchſten
Kreifen gewöhnt hatte, plötzlich den Entjchluß faffen, vücfichtslofe
Strenge zu üben und an dem mädhtigften Fürſten zw zeigen, daß
der Kaifer nicht umfonft höchſter Richter auf Erden ſei. Hatte auch
ihn etwa der reformatorifche Eifer, der die Väter bejeelte, ergriffen?
In der That muß der Geift, der in Baſel Herrfchte, auch auf
Sigmund eingewirkt haben. Lebhaft und erregbar, wie er war,
tonnte er ſich dem mächtigen Eindrud, den die großartige Verfamms-
fung mit dem Ernft ihres Strebens und der Kühnheit ihrer Ent»
würfe auf Jeden machen mußte, nicht ganz entziehen. Warum hätte
3 Driginal im . Keichs-At hip. ar
* Aus dem Regiftraturz und Vriefsgormular:Bud Sigmunds im Wie
ner Gtaatd-Arhiv mir gütigt mitgetheilt dur Herrn Profeljor Sidel.
696
auch nicht der Gedanke, im Anſchluß an das Concil und als deſſen
rechter Arm eine neue Ordnung im Reich berzuftellen, ihm einen
Augenblic erfüllen follen ?
Aber lange dauerte diefe Stimmung nidt. Stellte ſich Sig
mund in der freilich wohl geheim gehaltenen Verleihungs - Urkunde
vom 25. November 1433 ganz auf den Standpunkt bes Concils,
auf defjen Geheiß er Ludwig von Land und Leuten vertreiben wollte,
und fchärfte er noch am 6. December die VBerfündigung der durch
das Concil gegen Ludwig erlaffenen Strafdecrete aller Orten ein!,
fo’ fam er bald zu der Sade in ein anderes Verhältnif. Er
forderte den gebannten Herzog vor fein Gericht, um die vielen gegen
ihn vorgebradhten Klagen zu unterfuchen Die Ladung war alla-
dings in den fchärfiten Ausdrüden abgefaßt: Untreue und Ungehor⸗
ſam gegen den faiferlichen Herrn ward ihm vorgeworfen und zugleid
ihm angedroht, daß, wenn er nicht innerhalb ſechs Wochen nach Ems
pfang des Mandats ſich zur BVertheidtgung ſtellen werde, der far
ferfiche Urtheilfpruch ohne weiteres erfolgen folle. Aber bald bereute
Sigmund auch diefen Schritt und wollte ihn rüdgängig machen’.
Es war zu ſpät. Nach ſechs Wochen erfolgte die Achtserflärung *.
Daß ſchon bald darauf auch der letzte Schritt gethan und die
Aberacht über den trogigen WYürften verhängt wurde, war Ludwigs
eigene Schuld, indem er, ftatt um Gnade zu bitten, durch feinen
Sohn, den jüngern Ludwig, und zwei Näthe gegen das ganze Ber
fahren proteftirte °. |
Es ift bemerfenswerth, daß der Kaifer, al8 er Ludwig für
vogelfrei erklärte $, nicht ſowohl die früher nachdrücklich betonte Ber:
urtheilung durch das Concil bervorhob, al8 vielmehr die Verbrechen,
die er gegen die Reichsordnungen begangen, indem er landfundige
Achter gegen ausdrücliches Verbot bei fi) aufgenommen, Boten
des Anifers und des faijerlichen Yandgerichts zu Nürnberg verhöhnt,
dem einen die Ohren abgefchnitten, dem andern die Gerichtsbriefe zu
effen gegeben habe; aud) das trogige Benehmen des jüngern Ludwig
vor Gericht, von dem er frevelhaft und ſchmählich abgefchieden fei
und nicht geantwortet habe, wie das Recht vorfchreibe, wird als
Grund der Verurtheilung aufgeführt.
Da aber Stimmen laut werden mochten, die jene gegen des
Kaiſers Majeſtät gerichteten Verbrechen in Zweifel zogen, fo murbe
am 7. Mai, mehr unter der Theilnahme geiftlicher als weltlicher
2 Driginalurfunde im K. Reichs-Archiv.
s 14. Ian. 1434, T. V, fol. 389.
sErnſt ſchreibt an Wilhelm 10. Febr. 1434 (T. V, fol. 417), bie
Uebergabe der Gitation fei ſchon erfolgt, und ein Aufihub, wie ihn der Rai-
fer wünsche, fei nicht mehr möglich.
+ 24. Febr. 1434. Driginal:Urkunde im K. Reichs-Archiv.
s Gerichtöbrief vom 18. April 1434 im R.:R.N.
s 28. April 1434. Die Urkunde ift abgebrudt bei Gemeiner, Regens⸗
burg. Chronik IH, 43—50, Vergl. Buchner S. 279 und Lang ©. 166.
697
Fürſten, Gericht gehalten, um biefelben noch einmal als unleugbar
und landfundig hinzuftellen !.
Mochte auch Sigmund gegen feinen Willen durch die Umftände
(Anfangs durch das Drängen der Väter, dann durch Ludwigs Trok)
zu den legten Schritten getrieben worden fein, fo mußte jett doch,
wenn des Kaifers Autorität nicht noch ärger gefährdet werden follte,
die Erecution nachfolgen. Es ift befannt, daß auch hierzu alsbald
die Vorbereitungen getroffen wurden ?.
Der Reichstag zu Ulm, im Juni und Yuli 1434, befchäftigte
fid) ausfchlieglih mit diefer Angelegenheit. Wir haben einen Brief
des Herzogs Wilhelm an feinen Bruder aus Ulm, vom 21. Juni 5,
der infofern wichtig ift, al8 er zeigt, daß Wilhelm troß des in Aus⸗
fiht gejtellten Erwerbs von Ludwigs Landen noch immer den &e>
danken einer friedlichen Beilegung des Streits nicht zurüdiwies. Er
erzählt, wie der Kaifer mit den Fürſten zu Nathe gegangen, ob er
dem Verlangen Ludwigs, der durch ettliche „Untertaidinger“ fehr be-
gehrt habe, ficheres Geleit zum Kaifer zu erhalten, willfahren
folle; fie alle hätten einhellig gerathen, das Geleit zu bewilligen.
Zugleich Habe freilich der Kaifer alle Zürften, Grafen, Herren,
Ritter und Knechte, die Städte und wer fonft anwefend fei, bei
ihren Eiden, Treuen und Ehren ermahnt, ihm zu helfen wider
Herzog Ludwig: fo wolle er aus diefen Landen nicht kommen,
fo lange bis er die Sache gegen Herzog Xudwig geendet habe.
Wilhelm vermuthete mit Necht, daß die dem Kaifer gegebene Zufage
den Herzog Ludwig zum Nachgeben bringen werde, da er fonft, wenn
er nicht jähe, dag man dem Kaifer helfen werde, Fein Taidingen ein-
gehen werde. Auch den Herzog Ernft, der jchon früher die Schwie-
rigfeiten und Gefahren einer Execution eingejehen hatte *, war eine
I Urkunde im K. Reichs-Archiv. Es ift bemerfendwertb, baß bier als
Fürſprecher des Kaiferd Gregor Heimburg fungirt.
s Aſchbach IV, 228.
3 T. V, fol, 441.
+ Schon am 2%. April richtete H. Ernſt an feinen Bruber einen merk⸗
würdigen Brief über die in Augficht genommene Erpebition gegen Ludwig von
Ingolſtadt. Wolle der Kaifer, fo argumentirt er, an Ludwig dad Unredt
fitafen, wie diefer verfchuldet habe — was an bem Raifer fehr zu Toben fi —,
fo werden Wilhelm und Ernft dem Legtern beifen möüflen und ihm dies auf
feine Weife verfagen können. Der Kaifer werde außerdem noch bie Ungarn
zu Hülfe nehmen. Jedenfalls würben fie dann in einen ſchweren Krieg ver:
wickelt werden, deſſen Ende man nicht abfehen könne. Sollte aber ber Kaiſer
die Erecution mit ben Reichsſtädten vollziehen, fo würbe das dem Haufe
Bayern großen Schaden, Abgang unb Minderung bringen; denn was bie
Reichsſtädte gewinnen, bad faffen ſie nicht mehr los, wie man an ben Städten
und Schlöfiern des Herzogs Friedrich von Deſtreich geſehen babe „So ift
auch unfer Herr ber Raifer ein alter und kranker Herr, dem
Krankheit und andere Sachen zuftoßen mögen, wie mit dem Goncil, dem Papft
und ben Böhmen, weshalb er biefen Sachen auch nicht auswarten möchte”.
Sollte dann Ludwig auf irgend eine Weife durch bie Sache fommen, „wie fi
bag füget”, und das abtragen gegen den Kaiſer, jo würbe er ihnen, ben Her-
zogen von München, das Geſchehene niemals vergeflen. So fehe und höre
II.
598
friebfiche Beilegung ber Sade nicht unerwünfdht, wenn man me
Gerechtigkeit von Herzog Ludwig erlange und die Sicherheit erreich
würde, daß alles auch gehalten werde '.
Nach einigen Wochen gelang es in der That dem Herzog Lud
wig, fi) mit dem Kaifer wieder auszuföhnen. Die Umſtände, m
ter denen es geſchah, find befannt?; das Gelb vermochte nod ein
mal über den Kaifer Alles. Er beftand nur darauf, daß Ludwiz
den Klöftern Genugthuung gebe. Die Beſchwerden der weltliche
Fürften, insbefondere der Herzoge von Münden, gegen ihn verſchob
er bis zu dem Neichötage zu Regensburg. Hier war aber Ludiey
bereits jo einflußreich, daß feine Entjcheidung erfolgte. Zuletzt wir
dem Grafen Ludwig von Württernberg aufgetragen, in diefer Sache
Recht zu fprehen®. Ob dadurch wirflicd die Herzoge von München
zufrieden geftellt wurden, wiſſen wir nit. Wahrfcheinlich wurd
doch fo viel erreicht, daß Ludwig in Zukunft feine kecken Beleidi⸗
gungen einftellte.
Um aber auch den Herzog Wilhelm in feinen Anfprüchen auf
die Dankbarkeit des Kaifers auf jeden Fall zufrieden zu ftellen, hatte
er ihm ſchon am 28. April, alfo an demfelben Tage, als die Ver:
urtheilung Ludwigs erfolgte, die Landvogtei Schwaben, welche bie
Trugfeße von Waldburg innehatten, verfchrieben*. Er folite fie
um 13,400 Gulden einlöfen; dazu wurden ihm noch, unter wieder:
holter Anerkennung feiner großen Verdienfte um das Concil, 9600
Gulden als vom Kaifer noch nicht erfegte Zehrungskoſten auf die
Landvogtei verfchrieben, fo daß diefelbe von Wilhelm und feinen Erben
nur um die Summe von 23,000 Gulden wieder eingelöft werden
fünnte. Diefe Summe hat man irrig als eine dem Protector durd
den Kaiſer geleiftete Schenkung angefehen. Sigmund hatte noch im
mer feine folde Summe zur Verfügung. Aber auch dem Herzog
Wilhelm jcheinen jene 13,400 Gulden, um die er die Landvogtei
einlöfen follte, die nächſte Zeit hindurch gefehlt zu. haben. Ehe
er die Landvogtei an ſich brachte, ereilte ihn der Tod, 13. Septbr.
1435. — Später madte fein Neffe Albrecht, der ihn nad dem
baldigen Abfterben des unmlündigen Sohnes Adolf beerbte, mit Be
ziehung auf die DVerdienfte des Oheims Anfprüche darauf, ohne fie
bei Friedrich III. durchzufegen. Auch der reiche Ludwig von Rande:
hut, der die Macht Bayerns fo nachdrücklich zu heben verftand, be
mühte fich vergebens um den Erwerb der Landvogtei Schwaben 5.
man ja wobl, wie viel Ungnabe ihm auch erzeigt werde, von bem Kaifer und
Andern, daß er das alles nicht achte, fonbern feine Ungerechtigkeit je Länger je
mehr treibe. — H. Ernft folgert daraus, daß es vortheilbaft wäre, mit Herzog
Heinrich von Landshut in eine Einung zu treten. T. V, fol. 430.
T. V, fol. 449. Antwort des H. Ernft vom 25. Sunt 1434, auf
ben Brief Wilhelms vom 21. Juni.
Vergl. Aſchbach IV, 229.
T. V, fol. 460; vergl. 467.
* Driginal:Urkunde im K. Reichs⸗Archiv.
e Tas Nähere hierliber gebe ich In der Gedichte Ludwig des Reichen.
- 599
Einen beffern und rafchern Ausgang nahm der Streit der
Müncener Brüder mit Herzog Heinrich. Als diefer den gegen
Ludwig gerichteten Ernft des Kaifers fah, ließ er fich ſchon am
1. Yan. 1434 einen Schiedsfprudy des Kaifers gefallen, der den
Herzogen Ernft und Wilhelm erhebliche Vortheile brachte!.
Es ift behauptet worden, daß gegen den Herzog Wilhelm in
legter Zeit die Gnade des Kaifers fehr erfaltet jei- Ich finde da-
für feinen Beweis: im Gegentheil ließ e8 Sigmund nidht an Bes
weiſen feiner fortdauernden Gunft fehlen ?.
m. Kapitel.
Einzelne Züge zur Charakteriftif Wilhelms. Urtheile
über ihn ans dem 15. Jahrhundert.
Zur Vervolljtändigung von Herzog Wilhelms Lebensbilde, wie
es nad) feiner bisher gejchilderten öffentlichen Thätigkeit ſich darjtellt,
mögen bier noch einige Züge aus feinen Beziehungen zu einzelnen
Perjönlichkeiten, namentlicd) zu den Gliedern feiner Familie, hervor-
gehoben werden.
An eriter Stelle verdient das Verhältniß zu feinem Bruder
und Mitregenten näher betrachtet zu werden. Es wurde ſchon ge-
fegentlich darauf hingewiejen, daß diefes Verhältnig ein fehr freund-
Ichaftliches, ja inniges war. Das darf um fo mehr betont werden,
al8 wir der Beifpiele, wo fürftliche Brüder, die in bie Macht fich
theilen, in ungeftörtem rieden mit einander leben, in der Gefchichte
nicht zu viele finden, am wenigften wohl in der älteren Gejchichte des
Wittelsbadhifchen Haufes. Schien hier doch vom 13. bis 15. Yahr-
hundert durch den unglücjeligen Grundfag der Xheilbarfeit der
fürftlichen Gewalt der Familienzwiſt verewigt werden zu follen. |
Aber e8 wäre irrig, wenn wir die rühmliche Ausnahme, welche
die Brüder Ernft und Wilhelm machen, etwa dadurd) erklären woll-
ten, daß der jüngere wenig Neigung zu Negierungsgefchäften gefühlt,
dieje daher gern dem älteren Bruder, deſſen höhere Einficht er zu
würdigen verftanden, überlaffen habed. Wir haben ſchon darauf
ı Driginal-Urkunde im K. Reichs-Archiv. Vergl. Buchner VI, 279. —
2 Am 21. uni 1434 (T. V, fol. 441) rühmt Wilhelm bie Auszeich⸗
nung, womit ihn der Kaifer in Ulm empfangen habe. — Am 23. Juli 1434
geftattete Sigmund den Brüdern Ernft und Wilhelm das Landgericht zu Hirſch⸗
berg nicht mehr wie feither nur einen Tag, fondern öfter zu Balten. Urkunde
im Reichs-Archiv.
5°” So fagt ungefähr Mannert, Bay. Geſch. I, 468. Aehnlich Aſchbach
. *
39
600
aufmerffam gemacht, daß eine derartige Auffaffung der BPerfönficke
ten nicht im mindeften durch die reihe uns vorliegende Correiper
denz gerechtfertigt wird, daß im Gegentheil Herzog Wilhelm st
mehr Energie und in diplomatifchen Geſchäften jedenfalls eine gi
Bere Ueberlegenheit zeigt '.
Was beide Brüder feit zufammenhielt, war die richtige Einſih
in die Nothwendigfeit der Eintradht für das Wohl ihres Hauid
und ihres Volkes ? und zugleich auch jene herzliche Zuneigung, wm
der fie für einander erfüllt waren. Ich würde auf die immer we
derfehrenden Verficherungen treuer Liebe und Ergebenheit, ohne weid
namentlih Herzog Wilhelm keinen Brief an den Bruder jchlick,
fein Gewicht legen, wenn fie ſich nicht ein ganzes Menſchenalter hir
dur aufs Volljtändigite bewahrheitet hätten.
Wilhelm hatte überall neben dem eigenen Intereſſe auch dei
des Bruders und Neffen vor Augen. Wenn die Bürde des Condl
in Bafel fchwer auf ihn drüdte, fo gab ihm der Gedanke an ba
Gewinn, den die Herzoge Ernft und Albrecht mit ihm aus jeine
Zhätigfeit ziehen würden, neuen Muth. Der Lohn, den er fich vom
Kaifer verſprach, galt ihm als eine Angelegenheit des ganzen Haufes.
Dies Verhältniß erlitt auch dadurd Feine Störung, dag Wil
beim ji im Jahre 1433 noch verheirathete; die Sorge für den
eigenen Heerd ließ die Theilnahme für das Glüf des Bruders um
feines Sohnes ungehindert fortbeitehen. Es ift im Gegentheil be
merfenswerth, daß er feine eigene Vermählung in fchöner Weije mit
dem Wohle des ganzen Haufes und mit den Wünfchen der gemein
famen Unterthanen in Verbindung bringt. Den Entſchluß ſich zu
verheirathen faßte er nur in der Gewißheit der vollen Zuftimmung
feines Bruders. Auch die Art, wie er den Rath des Herzog Ernit
einholte und empfing, ift bezeichuend für Beide.
Es jei, ſchrieb Herzog Wilhelm dem Bruder 3, fehr oft mit
ihm davon geredet worden, warum er nicht zu heirathen trachte, be
fonders feitdem Herzogs Ernſt Gemahlin todt wäre; daß fie jekt
alle drei, Ernft, Wilhelm und Albrecht, ohne Frauen und Erben
feien, bereite den Ihrigen Bekümmerniß. Wilhelm hätte nicht un
gern gejehen, daß der Neffe fich ſchon längft verheirathet Hätte. Nun
0.0.0. ©. 408: „Die Negierung führten fie dem Namen nad) gemeinfcaft:
ih; bod in Wahrbeit regierte ber ältere Bruder Ernft allein; Wilhelm über:
ließ ihm gern bie Megierungsgefchäfte” etc.
2 Das fcheint auch Herzog Ernft anerfannt zu haben; felbft wenn er in
Abmefenheit des Bruders felbftändig hätte handeln können, wartete er mit
feinen Ontföliehungen gern bis zu Wilhelms Rückkehr. So ſchrieb er 5.2.
an Wilhelm den 25. Juli 1425 (Fürſtenſachen T. IH, fol. 181): „Es be
gegnien und fo mandyerlei fremd weg in ben ſachen, das wir barin zemal ir:
rig fein und die on ew je nicht wifjen wellen und mügen vollenden“.
2 „Unb fehet darin an was wir uns und den unfern groß nüß mit
unfer apynifait zu wegen bradıt haben“. Wilhelm an den Bruber T. V, f. 437.
s 24. Auguft 1432. Original im 8. Haus-Archiv. T. I ber Heiraths⸗
und Correfponbenz: Acta. .
k
ki
babe man während der Aheinfahrt im Sommer 1432 ihm oft eine
Heirath mit der älteften Tochter des Herzogs Adolf von Eleve vor-
gefchlagen und kürzlich deshalb auch eine Botfchaft an ihn gerichtet.
Dan habe freilich auch andere Heirathsanträge an ihn gebracht, die
ihm viel mehr Heirathsgut in Ausficht ftellten; aber in einzelnen
- Füllen habe die Ehe der Verwandtſchaft wegen Schwierigkeiten, und
würde des Papftes Einwilligung dazu nöthig fein; nun fei ihm aber
der Papft fehr gram und würde für diesmal feine Bitte gar nicht
erfüllen; er möge übrigens auch feines eigenen Gewiſſens wegen feine
Ehe mit einer nahen Verwandten eingehen und des Papftes Gunft
gar nicht in Anfpruch nehmen. Lieber will er eine ihm angetragene
reiche Verwandte, die ein Mitgift von 100,000 Gulden habe, feinem
Neffen Albrecht zumenden!. Wilhelm bittet dann in Bezug auf die
Wahl der Herzogin von Cleve um den brüderlihen Rath, mit der
Berfiherung, daß er ſich nicht fo weit eingelaffen haben würde, wenn
er fid) nicht erinnerte, wie oft ihm der Bruder zugeredet habe zu
beirathen.
Herzog Ernſt antwortete in herzlichfter Weife und mit ber
wiederholten Verficherung, daß er fich über den Entfchluß des Bru⸗
ders fehr freue. Auch ihrer beider Land und Leute fähen die Hei⸗
rath gern. Gerade zu der Wahl der Herzogin von Cleve wünjcht
er ihm alles Süd ®.
Als im Frühjahr 1433 endlich zu Bafel die Vermählung ftatt-
finden follte, unterließ es Wilhelm nicht, den Bruder wie den Neffen
aufs Freundlichite dazu einzuladen’. Herzog Ernft hatte ihn in jenen
Jagen um ein Anlehen von 6000 Gulden gebeten. Wilhelm ant-
iwortete zuerft in einer Weife, die Fein günftiges Bild von feinen Ver⸗
mögensverhältniffen giebt. Er erinnert daran, wie geringe Einkünfte
er von dem väterlichen Erbe habe, wie lange und wie oft er dem
König von ihrer Landes Nothdurft wegen mit ſchwerer Zehrung
2 68 ift derfelbe Albrecht, ber bald darauf in das befannte Verhältniß
zur Agnes Bernauer trat. Den Vorſchlag Wilhelms fi) mit ber reichen Dame,
über die er viel mit bem Bruder correöponbirte, zu vermählen, wies er nicht
gerade zurüd, aber die Sache zerſchlug fih wieder. — Wilhelm fcheint übri⸗
gen? mit Vorliebe den Unterhändler bei Heirathen gemacht zu baben. Der
Vorſchlag, den er dem eigeren Bruder macht, fi nod im Alter wieder zu
vermählen (Brief vom 25. October 1432, in Heirath3= und Correſpondenz⸗ Acta
T. I, fol. 86) ſcheint freilich nicht ernſt gemeint zu fein; wenigſtens beutet bie
Anfpielung auf das Verhältniß des Herzogs Ernft zu feiner eriten Gemahlin
und wie viel befler es fei, wenn er fich jegt mit einer jungen Frau verbinde,
darauf bin, baß er fcherzen wollte. Aber wir kennen noch einen andern Fall,
wo Wilhelm troß feiner vielen Gefchäfte am Bafeler Concil einem verwand⸗
ten Fürften, bem Sohne des Herzogs Stephan von Hagenau eine Gemahlin
zu verfchaffen furchte. Vergl. den Brief an Stephan und feine Gemahlin s.d.
im 8. Haus-Archiv in der Eorrefp. Wilhelms mit dem. Herzog Abolf von
Eleve.
2 Herzog Ernft an Wilhelm, 21. October 1432, in ben Heiraths⸗ und
Correſpondenz-Acta. T. I, fol. 88.
° Brief vom 19. März 1433, L co. fol. 96,
602
nachgeritten fei, und wie er jegt ſchon in dem andern Jahr mu
vielem Wolf und großer Zchrung als ein Statthalter am heilige
Goncil zu Bajel liege, welcher Bürde er fih doch nur feinem Bre
der, fich felbft und ihrem Namen zu Ehren und all den Ihrige
u fünftigem Nuten unterzogen habe. Dadurch jei er aber in Schuk
ben gefommen und. komme täglich noch mehr hinein, da er nidt ie
viel Beihülfe gehabt habe, als feine Nothdurft erfordert hätte E
habe fi) auch von Jugend auf mit großer Armuth emporgebradk,
fo daß der Bruder wohl wilfe, daß er nichts übrig haben kön,
um fo weniger al8 er aus dem Straubinger Landesantheil feit ji
Jahren gar feine Einnahme gehabt habe. Er habe überhaupt jen
ganzes Leben hindurch feine fo große Summe Geldes bei einander
gehabt '. Was aber das Heirathsgut betreffe, das ihm von feine
lieben Gemahlin zufallen werde und das nur fehr gering fei (es be
trug 12,000 Gulden), fo habe er im Sinn, mit einem Theil Schul
den zu bezahlen, einen andern für feine Zehrung zu behalten,
und mit dem übrigen bie verpfändeten välerlihen Güter, bie a
noch nie innegehabt habe, einzulöfen, um feine künftige Familie
defto befjer ernähren zu können. Wären diefe Verhältniffe nicht,
jo würde er das Heirathsgut gern mit dem Bruder theilen, mi
er ja aud bisher fein Vermögen und mehr als dieſes feinem
Bruder zu Liebe nicht gefpart habe? — AS ihm indeß Herzog
Ernſt vorftellen ließ, daß er ohne jene 6000 Gulden in Verlegen⸗
heit fommen würde, verfagte fie ihm Wilhelm nicht länger, fegte
indeß hinzu, er verlaffe fi) darauf, daß der Bruder mit dem Neffen
zur Hochzeit fomme. Denn wüßte er, daß fie nicht Fämen, fo würde
er ihm gar nichts leihen *.
2 Die oft wieberfehrenden Klagen Wilhelms über feine Armuth werben
nicht ungegrünbet fein. Schon ber Vater Johann war tief verfchuldet, und
die häufigen Kriege, namentlich die Huffiteugüge, trugen nicht zum Wohlſtand
feiner Söhne bei. Wilhelms Gelbnoth mußte groß fein, wenn er fi im J.
1419 entſchloß, von feinem verhaßten und gefürchteten Gegner Lubwig 1000
Gulden fih zu erbitten, „die er und um unfer fleißig bete willen zu unfrer
vart gen Behaim getrulich geliehen bat’. Wilhelm verſchrieb ihm dafür bie
Erträgnifie des Zold zu Münden unter dem Neubaufer Thor. Nürnberg am
St. Bartbolomäustage 1419; Abfchrift im I1. Bde ber Neuburger Copialbuͤcher.
2 9. Wilhelm an Ernft, 20. März 1433, in T. V, fol. 888,
5 $ Wilhelm an Ernft, 29. März 1433, 1. c. fol. 386.
*Aehnliche gemüthvolle und launige Züge finden fi oft in ben PBrie
fen Wilhelms, wie er auch humoriſtiſche Bemerfungen Anderer gern binnahm.
Als er dem Herzog Stephan von Hagenau feine Verlobung anzeigte und aud
ihn zur Hochzeit einlud, unterließ diefer nicht, ihm feine befondere Freude ba-
rüber auszuſprechen, daß er ſich in feinen alten Tagen noch gebefiert habe unb
fih nun dazu befenne, daß es gut ſei in ber heiligen Ehe zu Ieben; er merte
aber auch wohl, daß das nicht von ihm allein ausgegangen fei, fondern das
das heilige Concil dazu mitgewirtt habe. Nun werde er hoffentlich ein gedul⸗
biger Ehebruber werben, ein Mitglied des Ordens, bem fo mancher betrübter
Bruder angehöre. Die Antwort, welde er von Wilhelm erhielt, zeigt, daß
auch biefer einen folhen Ton wohl anzufchlagen verftand; er gab dem Vetter
feine Nedereien in ebenfo kräftiger als trefiender Weiſe zurück. Weide Briefe
in I. Bd. ber Heirathg- und Eorrespondenz-Acta,
603
Nur eine Angelegenheit ift mir befannt, über die eine ernftliche
Meinungsverjchiedenheit zwifchen den herzoglichen Brüdern eintrat,
obwohl auch fie wieder in Güte beigelegt wurde. Die Art, wie
Herzog Wilhelm diefen Fall behandelte, ift fo charakteriftifch, daß der⸗
jelbe Hier nicht wohl übergangen werden darf.
Als ſich nämlich Herzog Ernſt ſchon im Jahre 1396 mit Elifa-
beth von Mailand vermählte, wurde ihm ein Heirathsgut von 75,000
Gulden verfprochen. Der Vater, Herzog Johann, welder damals
noch lebte, überließ ihm dafür pfandmweife eine Reihe von Schlößern,
die an „rechter Herren-Gult“ fo viel eintrugen, daß fich jenes Ka⸗
pital zu zehn Prozent verzinfte. Nun blieben aber von den 75,000
Gulden 25,000 unbezahlt und wurden weder dem Vater noch den
Söhnen eingehändigt. Gleichwohl behielt Herzog Ernft mit feiner
Gemahlin die verpfändeten Güter länger als 30 Yahre inne, fo daß
deren Ertrag („an rechter Herren Gult ohne alle Zufälle”) das
Capital der 75,000 Gulden mehr als dreimal überſtieg.
Es Tiegt auf der Hand, daß Herzog Wilhelm Grund hatte,
fi) hierüber zu beflagen; war er doch von dem Mitgenuß der ſchön⸗
jten Güter des Landes ausgefchlofjen, ohne daß der Bruder: auf ein
Drittheil der Echlöffer, die er allein innehatte, von Rechtswegen
Anfpruc machen konnte. Aber e8 dauerte lange, bis fih Wilhelm
entfchloß, die Sache zur Sprache zu bringen, und als er es endlich
that, gefchah es in einer Weife, die für die Verhältniffe am Hofe
zu München bezeichnend ift. Statt nämlich) den Bruder direct an«
zugehen, wandte er fih an ihren gemeinfamen Beichtvater, damit
diefer mit dem Herzog Ernſt rede, was er denn auch treulich und
fleißig that. „Dem gab unfer lieber Bruder allwegen zur Antwort,
er habe eine kranke Hausfrau, die fich Leicht erzürnen ließe, die wolle
er darin fchonen und nicht gern kränken, um fo weniger, als zu er⸗
warten fei, daß fie doch nicht lange mehr lebe; wenn dann Gott
foldyes (den Tod) über fie verhängte, fo wolle er fich gegen den
Bruder fo verhalten und ftellen, in allen Dingen, wie ein treuer
Bruder gegen den andern fol“ '.
Nun ftarb die Gemahlin des Herzogs Ernſt im Frühjahr 1432;
die zarte Rüdficht auf ihren reizbaren Zuftand fiel alfo weg. Trotz⸗
dem behielt Ernft jene Schlöffer mit feinem Sohne Albrecht im Beſitz.
Auf der andern Seite aber trat bei Herzog Wilhelm ein neuer und
triftiger Grund Hinzu, eine Beſſerung feiner Bermögensverhältnifje
zu wünfjchen, indem er den Entfchluß faßte, fich zu verheirathen.
Was war natürlicher, als daß er feine geringen Einnahmen zu ver-
mehren fuchte und jett nicht länger dur den Bruder von dem
Genuß der einträglichiten Güter ausgefchloffen bleiben mochte?
Aber er fürdhtete noch immer, wenn er feine Forderung, fo ger
recht fie an fi) war, direct und ohne Umfchweife an den Bruder
F 1 T. V, fol. 838. Herzog Wilhelm an feinen Beichtvater, 21. März
1433,
604
brächte, fo möchte biefer fi erzürnen nnd ihm gram werden. Er
ſchlug alfo wieder einen Weg ein, der und heute feltfam erfcheint, der
aber in jener Zeit aus den PVerhältniffen ſich von felbft ergeben
baben mag. Er fchrieb noch einmal an einen Hofgeiftlichen in Nix
chen, der lange der.Beichtvater der herzoglichen Brüder geweſen wer.
Diefem fette er auseinander, wie er feine Sache bereits ettlide
anderen Perfonen, bei denen er gebeichtet, in der Beichte vorgetme
gen habe; die hätten ihn unterwiefen, daß er ſich gröblich verfündge,
wenn er die Forderung an feinen Bruder länger ruhen ließe, mb
daß auch der Bruder, wenn er etwa vor Erledigung der Sache mit
Tode abgehen follte, an feiner Seele Schaden nehmen würde. Run
wilfe er diefe Angelegenheit an Niemand befjer zu bringen als an
ihren gemeinfamen Beichtvater. Er bitte ihn alfo mit alfem Fleiß,
daß er in der bevorftehenden heiligen Dfterzeit den Bruder in aller
Güte ermahne, in Zukunft auf die ungeredhte Einnahme verzichten
zu wollen. Sollte er, der Herzog Wilhelm, die Sache etwa weiter
treiben müffen und mit dem geliebten Bruder darüber zu
fommen, jo würde dies dem Beichtvater am wenigiten lieb fein. m
Uebrigen möge er die Sache ganz im Geheimen behandeln und ven
diefem Briefe Niemanden etwas wiffen laſſen; außer ihm habe ber
Herzog nur noch einem her vertrauten Räthe Mittheilungen über
die Sache gemacht. Nur das würde er nicht ungern fehen, wenn
der Beichtvater gleichſam aus ſich felbft auch mit den andern gehei⸗
men Räthen in der Beichte von den Eachen reden und fie anmweilen
wollte, daß fie ebenfalls dem Herzog Ernft zufpräcen !. Ä
Auch der Brief an den vertrauten Rath Erasmus Haufer ift
uns erhalten?, Hier wird die Sache ganz ähnlih wie in dem
Schreiben an den Seelforger dargeftellt, al8 eine Frage des Seelen
heils beider Brüder, welche die Beichtväter in Baſel fo ernft ge
nommen, daß er nicht wohl fchreiben könne, wie fehr fie ihn megen
feiner Nachläffigkeit geftraft haben. Die Bitte de8 Herzogs geht
nun dahin, daß der Vertraute, nicht ohne Ausficht auf ein Gefchent,
im tiefiten Geheimniß ihm rathen möge, wie er die Sache am beften
an feinen Bruder bringen könnte.
Dem Herzog Ernft felbft aber gab er bei Gelegenheit ber
Correfpondenz über das Anlehen von 6000 Gulden, wovon ſchon
die Rede war, vorläufig nur zu verftehen, daß er aus Rückſicht auf
feine fünftige Familie nunmehr in den Genuß des väterlichen Erbes,
da8 bisher verpfündet gewefen, zu kommen fuchen müſſe?. Das
Nähere wurde aljo den geiftlihen und weltlichen Räthen und zus
nächſt dem Beichtvater überlaffen.
Wilhelm hatte, als er diefen Weg einſchlug, ſich nicht verrech⸗
net; war das Gerechtigfeitsgefühl des Herzogs Ernft und die Liebe
ı MWilbeln an ben Beichtvater. 1. c. fol. 838.
2 22. März 1432, fol. 338.
85 Brief v. 20, März 1433, T. V, fol. 888, ,
606
Frau und Kind dem Schuge bes Bruders, der ihn dann oft und
gern von ihrem Wohlbefinden benachrichtigte.
Ueber das Verhältnig Wilhelms zu feiner Gemahlin, mit der
ihm nur zwei Jahre zu leben vergönnt war, willen wir wenig
Nur das geht aus den Briefen, die er in Angelegenheiten jeiner
Vermählung fchrieb, hervor, daß er die Bedeutung der Ehe mit txf
refigiöfen Bemwußtfein erfaßte und von Anfang an feiner Gemahlin
aus innerftem Herzen zugethan war. Am dentlichiten fpricht fich dies
wohl in einem Schreiben aus, das der Protector bald nach der im Ange
fiht des Concils (11. Mai 1433) vollzogenen Trauung an be
Schwiegervater richtete, und das uns überhaupt einen Blick in fein
innerfte Natur, mit ihren Schwächen und Borzügen, eröffnet.
„Euer Liebe Tochter Frau Margaretha und wir“, fchrieb er am
28. Mat an Adolf von Eleve!, „find hier in dem Heiligen Concil
vor allen Gardinälen, Erzbifhöfen, Biſchöfen, Prälaten und allen
gelehrten Doctoren und Meiftern, der dann eine große Menge bie
und da bei gewefen ift, nach dem Geſetz der Heiligen Ehe gar löb
ih und ehrenvoll zufammengegeben worden, in der Domlirche, am
Montag nad) dem Sonntag Cantate, durch den Cardinal von Be
logna, genannt Hojtienfis, welcher derfelbe Cardinal ift, der einem
jeden Papft frönt, fo dag man ihm die allermeifte Würdigkeit bei
legt. Darum, lieber Schwäher , ift folhe Zugebung Hier in dem
heiligen Eoncil fo rühmlich und ehrenreihen zugegangen, daß wir
alle deshalb dem allmächtigen Gott viel zu danken haben, als End
dam Eure Räthe und Freunde, die dabei geweſen find, genauer er
zählen werden. Ihr follt auch wifjen, daß uns unfere Tiebe Ge
mahlin, Eure Tochter, in herzinniglicher Liebe mit allem ihrem Thun,
Gebärden und Sitten zumal wohl gefällt, und wir hoffen zu Gott,
daß wir bei einander fo lieblich und freundlich leben wollen, def
wir das ewige Leben und ewige Freude verdienen werden“. — Der
Herzog bittet weiterhin, die Gemahlin mit Briefen und Vollmachten
in Beziehung auf die Vermögensverhältniffe hinlänglich zu verſehen,
und fährt fort: „Dann lieber Echwäher, Yhr wißt wohl, wie Ihr
fie zu ihrem Xeib gefertigt habt, da8 uns ſicher um Eures Anfe
hens und auch ihrer und unfrer Ehre willen gar leid ift, da fo viele
Leute das wifjen, daß die Fertigung zu ihrem Leibe füglicher und
ordentlicher hätte gefchehen ſollen; wir wollten fider gern, fo viel
das ausgemacht hätte, an unjerm Heirathegut weniger gehabt und
empfangen haben?. Doch wie dem nu allem ift, fo Habt
ı Concept im K. Haus: Archiv, in ber Korrespondenz Wilhelms mit bem
Herzog von Cleve.
? Diefe Aeußerungen zeigen jedenfalls, daß Herzog Wilhelm auf fürftli-
hen Glanz etwas bieft, wie es auch in der Chronik eined Ungenannten (aus
bem Ende bed 15. Jahrh.), bei Freiberg, Sammlung biftorifher Schriften und
Urhinden I, ©. 175, hervorgehoben wird (f. nachher ©. 609). Aus feiner
Correöpondenz im 8. Haus-Archiv, fowohl mit bem Herzog von Eleve ala mit
Stephan von Hagenau, erfieht man, daß er feine Mühe fcheute, um feine Ge
607
Ihr uns eine foldhe fromme und Liebe Tochter gegeben,
die wir höher als alle Güter halten und fhägen wol:
len, und die uns lieber ift, denn irgend ein Out, das
uns je zufallen möchte“. |
Die gemüthvolle und liebenswürdige Art, welche den Herzog
Wilhelm auszeichnete, konnte nicht verfehlen, ihm aud) die Gunft an»
derer Frauen zu verfchaffen. Wir haben zufällig einige Briefe von
älteren verwandten Fürſtinnen, die ung zeigen, wie gern fie ihren
Better fahen und mit ihm in beiterm Scherz verkehrten !.
Höher ift e8 anzufchlagen, daß aud Hervorragende Männer,
mit denen er in Berührung fam, ihn Tliebten und verehrten. Auf
die freundfchaftlihen Gefinnungen, welche ihm der Kaifer und fein
geijtreicher Vicefanzler wiederholt bezeugten, möchte ich weniger Werth
legen, da e8 ſchwer zu fagen ift, ob hier nicht vielmehr äußere In⸗
terejfen als innere Zuneigung maßgebend waren. Schwerer aber
dürfte ein Zeugniß ins Gewicht fallen, das ihm der Cardinal Yulian
ausgejtellt hat, worin der Präfident des Concils befennt, daß er ſich
bern Herzog Wilhelm als einem Vater und Wohlthäter verpflichtet
e. |
Die Urkunde Yulians vom 14. Yan. 1435, auf die ich mich
hier beziehe, iſt zugleich wohl das ältefte und competentefte Urtheil
eines Zeitgenofjen über Wilhelms öffentliche Wirkſamkeit. Als näm-
mahlin fon auf der Fahrt von Köln nad Bafel glänzend auftreten zu laſſen.
Er war beforgt um bie paflenden Wagen und Pferde fowie um ein geziemen=
des fürftliche Geleit. Daher bat er Herzog Stephan und feine Gcmablin
bringend, feine Braut perfünli in Empfang zu nehmen, indem er an das
Sprichwort erinnerte, daß ein Freund fih in ber Noth bewähren müfle Als
Stephan dringender Gefchäfte wegen zur Erfüllung biefer Bitte nicht bewogen
werben konnte, beſtand Wilhelm baranf, baß wenigftend die Herzogin und der
ältefte Sohn die Braut durch die Pfalz’ geleiteten. Beiläufig mag bier daran
erinnert werben, daß an ben berzoglihen Höfen in Bayern ſchon im 15. Yahrb.
ein größerer Aufwand al? anderswo üblich war, To fehr, daß bie Franzoſen
von ber Königin Iſabelle, Ludwig des Bärtigen Schwefter, fagen konnten: lu-
xum ct pretiosarum vestium usum in aulam Francorum introduzit. Buchner,
Geſchichte von Bayern, VI, p. 130 Anmerf. a.
2 In dieſer Hinficht ift 3.8. eine Einladung der Pfalzgräfin Anna von
Hagenan (T. V, fol. 245) bemerkenswerth. Wahrhaft rührend find manche ei:
genhändige Briefe der Eliſabeth von Eleve, welche die zweite Gemahlin des
Herzogs Stephan von Ingolftadt gewefen war und ſchon feit 1404 als Wittwe
wieder in Köln lebte. Gie hatte ihrem Vetter bie Gemahlin zugeführt, und
wurde nicht müde, fich immer wieder nach feinem Wohlergehen zu erfunbigen,
wenn auch Wilhelm, wie es fcheint, über wichtigeren Gefchäften ihre Briefe zu
beantworten vergaß. Hier bürfte auf eine Stelle aus einem Briefe Wilhelms
an Kaſpar Schlick hingewieſen werben, die ich freilich nicht ganz verftehe (T.
V, fol. 222). Der Herzog beflagt fich, baß er feinen Brief von Schlid erhalte.
„Aber wir beforgen, wir fein gen dir won etlichen frauen verfagt worden, das
wir doch nicht verbint Haben. Nu folt du Fainer gefchrift, die dir au Swa⸗
ben, Franden oder Bairn uber uns in clagweis käͤm, nicht gelauben, warn
wir uns nimer bamit befumern, dann unfer allergn. herr ber r. k. und baß
heilig concili bie uns fo vil zefchaffen geben, das wir aller ambrer fach gantz
vergeflen unb bie zurud gelegt haben“.
608
fich über den Herzog, ein Jahr, nachdem er da8 Protectorat nieder:
gelept, da8 Gerücht verbreitet wurde, daß er einen Mann, der vom
Kaiſer an das Concil geſchickt fei, gefangen halte, und daß deshalb
das Concil drohende Bullen gegen ihn erlaffen habe, fand fi In
lian bewogen, öffentlich feinen Unmuth über eine ſolche Verleumdung
auszuſprechen. Es fei ihm ſchmerzlich, erflärte er, wenn gegen eine
fo gerechten nnd vortrefflichen Fürften in der Seele Jemandes and
nur der geringfte Argwohn entftehen könne, und befonders in Sachen,
die die Ehre und Sicherheit des Concils betreffen, das er felbft mit
ausgezeichneter Sorgfalt und Umficht ftets beſchützt, befchirmt um
gefördert habe. Er bekenne, fagt der Gardinal an einer andern
Stelie feines offenen Briefes, daß jener Fürft fo wunderbar und
herrlich, mit fo großer Weisheit und Einſicht das Protectorat dei
Concils geführt, und gegen ihn perfünlich ſtets jo viel Liebe und An-
hängfichfeit gezeigt habe, daß das gegenwärtige und alle künftigen
Concifien den Herzog umd feine Nachkommen zu ehren unb zu erheben
ſchuldig find, während er, der Legat felbit, ihn fir feine Liebe und
Treue den größten Dank ſchuldig ſei!.
Bald darauf erliegen die verfammelten Väter eine Bulle ähn-
lichen Juhalts. Der Verherrlichung feiner Verdienfte um das Con:
cil wird hier die Ueberzeugung beigefügt, daß der Herzog auch in
allen anderen Dingen fi) recht und Töblich halte, wie fie denn aud
in Erfahrung gebracht haben, daß er fchon lange Zeit ein Mann
großer Frömmigkeit, Reinheit, Gerechtigkeit und Rechtichaffenheit fe.
Mit diefem Zeugniß ftimmen die Urtheile mehrerer glaubwürdi-
ger Echhriftfteller des 15ten Jahrhunderts überein. Wir jchließen, in-
dem wir ihre Worte hierherjegen. Johannes Nider feiert den Her:
zog Wilhelm al® pater pauperum et tutor omnium religiosorum,
cujus quam laudabilis fuerit testantur orphanorum et vidu-
arum lacrimae super eodem’effusae mortuo®. Veit Arnped
preift an ihm: curlam suam multum ordinate tenuit, quia in
omnibus ordinatus fuit, et multum in venando delectabatur.
Bon dem Protectorat in Bafel jagt er: ubi ex fideli protectione
magnam famam acquisivit*. In der deutfchen Bearbeitung der
” Die Originalurfunde im Reichs-Archiv. Eine gleichzeitige Ueberſetzung
findet fih T. V, fol. 118P u. 114.
2 Experti enim sumus longo tempore, virum esse magne devotionis,
integritatis,, justicie et rectitudinis, atque crga hoc’ sacrum concilium zelum
affectumque semper habuisse, pro quibus ipsum ducem ac progeniem suam
‚merito laudamus, commendamus, extollimus et benedicimus, asserentes, tot ac
talia per ipsum ducem pro honore stabilitateque et felici progressu hujus
secri concilii esse gests, ut universalis ecclesia atque hoc et futura omnia
concilia ipsum ducem ac suam posteritatem paterno affectu diligere et omni
honore graciaque et retribucione prosequi semper teneantur. Bulle vom 19.
Februar 1435. Original im Reichs-Archiv; Weberfegung in T. V, fol. 113°
der Fürftenfachen.
5 J. Nider, in Formicario II, ec. 3 (Aſchbach IV, 333).
* Pez, Thesaurus Anecdotorum III, p. 439.
609
felben Chronik lautet die Stelle: „Wilhelm etc. was weiß, regieret wol
und hielt Föftlih Hof und was in allen Dingen ein gar geordneter
Fürſt. Ihme was wol mit Jagen und Paißen. Anno 1431 ward
Herzog Wilhelm von König Sigmund gemadt ein Statthalter deß Kö⸗
nige und ein Beſchirmer des Concilii zue Baſel, und auß feinem
treulihen Beſchirmen erlangt er groß Lob und Preiß“. Johann
Ebran von Wildenberg * wiederholt die erjten Worte: „Wilhelm was
weis und regieret wol etc.“ und fährt dann fort: „Er was vil bey
Kaifer Sigmunden , der nuget im vaft in ben zweien Concili zue
Coſtnitz und Bajel, er was vil Stathalter des Kaijerd, im ward ge⸗
meiniclih aufgelegen die Röõmiſch Kron, ob er den Kaifer Sigmund
überlebt“. Dieſe legte Nadjricht, daß man an Herzog Wilhelm als
den Nadjfolger Sigmunds auf dem deutfchen Throne gedacht und
fogar allgemein gedacht habe, hat meines Wiſſens von den Geſchichts⸗
fchreibern feiner Zeit der genannte bayerifche Chroniſt allein. Sie
läßt immerhin auf die Popularität von Wilhelms Namen fchließen.
. Beilage
Die Berufung des Herzogs Wilhelm zum Protector des
Bafeler Concils durch König Sigmund, am 11. October
1431 3.
Wir Sigmund von gotes gnaden Romischer kunig, zu.
allen ziten merer des reichs und zu Hungern, zu Behem, Dal-
matien, Croacien etc. kunig. Bekennen und tun kund offem-
bar mit disem brieff allen den die in sehen oder horen lesen,
das wir angesehen und betracht haben, das das heilig con-
aFreyberg, Schriften und Urkunden Bb. I, S. 175. Nachdem Tange
über die Autorfchaft der deutfhen Ehronif geftritten war — bie Einen wollten
Auguſtin Kölner bie Andern Fuetrer zum Berjafler maden —, bat Schmeller
(Dründen unter ber Vierberzog: Regierung 1397 — 1403, ©. 50 Anmerf.)
zuerit die Vermuthung aufgeftellt, daß fie eine beutfche Bearkeitung von Arn⸗
pecks Chronicon Bajoariorum fei. ine genaue Bergleihung erhebt diefe Ver:
mutbung zur Gewißheit; nur bag man flatt Bearbeitung faft überall Weber:
feßung fagen könnte. Die Zufäge oder Auslaffungen in dem einem ober bem
andern Tert erflären fich vielleicht theilweife aus dem Zuſtand der bis jett be⸗
nugten Haudſchriften.
Defele I, S. 312. Es ift noch nicht gehörig beachtet worden, wie
weit der Ritter von Wildenberg Arnpecks deutſche Chronik — zwifchen beiden
können nur wenige Jahre liegen — benntzt hat; mir fcheint dieſe Benutzung
eine fehr fleißige geweſen zu fein.
85 Mad) dem Driginal auf Pergament, mit abgeriffenem Siegel, im 8,
Reichs⸗Archiv.
610
ciium, das man gegenworticlich zu Basel haldet, durch
widerbringunge der heiligen kirchen und ouch durch der
gantzen kristenheit grosser notdurfft und nu“cz willen
ment ist, und als wir uns yczund gen welischen landen zur
fugen meynen, umb unsere und des heiligen richs grosse
merkliche anligende sache zu handeln und ußzurichten,, be
dunket uns notdurfit und bequemlich sin zuversorgen und
zubestellen, das dasselb concilium in unserr abwesung red
lich und vesticlich gehanthabt, beschirmet und in fride und
rure behalden werde Wann wir nu° gantz getruen und zu
versicht haben, das daz der hochgeborn Wilhelm pfalczgrave
by Rin und hertzog in Beyern, unsern lieben oheim und
furst, durch sin vernufit, redlicheit und vestickeit wol getun
moge, und wann wir uns ouch sunderlicher liebe und ganczer
true zu im versehen: dorumb mit wolbedachtem muete, gutem
rate unser und des heiligen rich fursten, graven, edler und
getruen, und ouch mit willen und gunst des vorgenanten
conciliums, haben wir, als eyn vogt und beschirmer der her
ligen kirchen, denselben Wilhelmen unsern stathalder, ver-
weser und beschirmer des egenanten conciliums zu Basel
gemacht und gesetzt, und im ouch unser gantze und volle
macht und gewalt gegeben, setzen, machen und geben mit
rechter wissen und Romischer kuniglicher macht, in craft
diß briefs, demselben concilio an unser stat und von unsern
wegen vorczusin, und das ouch zuhanthaben, zubeschirmen,
und alles das zutusn, das dorynne und dortzu von unsem
wegen und an unser stat notdurfft zutun ist, und das wir
selber getun mochten, ob wir gegenwortig weren, und besun-
der, ob yemand wer der were dasselb concilium leidigen,
oder sine gelider, oder die die dorczu und davon tziehen, hin-
dern, nyder werffen, berouben oder leidigen wurde, das er
den strafen, fur den und sine slosse ziehen, die beligen und
notigen moge, als er beste kan, und ouch von der selben
macht an unserer stat allen und iglichen bischoffen, prelaten,
fursten, herren und steten, uberall in dem heiligen riche won-
haftig gesessen und dorynn gelegen und dorczu gehoren,
zugebiten, sie zu vordern und zu heissen und zu ermanen,
zu demselben concilio zukomen oder mit voller macht dahin
zusenden, das concilium helffen zuhalden, notdurftige sachen
ußtzurichten, und das concilium und die leute, die dortzu
und davon mit iren gut tziehen, zubeschirmen, helffen und
zuhanthaben. Ouch das der vorgenant Wilhelm allen und
iglichen fursten, geistlichen und werltlichen, graven, fryen
heren, rittern, knechten, burgermeistern, reten und gemeyndeu
der stete, merkte und dorffere gebieten sol und mag, das sy
alle die lute, die zu dem heiligen vorgenanten concilium
und davon tziehen, durch ire lande, stete, slosse, merkte,
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dorffere und gebiete geleiten, und sicher und fry mit iren
liben, gutern, koufmanschatz; koste, spise, trank und ander
habe faren, ryten und tziehen, und ouch uß iren landen und
steten koste, spyse und koufmanschatz dahin zu demselben
heiligen concilium furen und brengen lassen, und ob eyniche
kriege oder misshellung in den Tanden und enden weren
oder ufferstunden, die das concilium hindern oder irren moch-
ten, das dann der obgenant hertzog Wilhelm unser stathal-
ter die abschaffen, abtun, verbieten und verrichten moge.
Und wir gebieten ouch dorumb allen und iglichen fursten,
geistlichen und werltlichen, graven, fryen, rittern, knechten,
amptluten, burgermeistern, reten und gemeinden aller und ig-
licher stete in Swaben und in Elsaß gelegen, und nemlich
unsern und des richs undertanen und getruen ernstlich und
vesticlich mit diesem brieve, das sy dem vorgenanten Wil-
helmen in allen und iglichen sachen das vorgenant concilium
und sin beschirmuge und notdurfit antreffenden gehorsam
und gewertig, und so er sie muntlich oder mit sinen brieven
oder botschafften manet, zu im ziehen und im getrulich und
ernstlich beholffen und beraten sein sollen, on alles vertziehen
und widersprechen, als lieb in sey unsere und des richs swere
ungnade zuvermyden. Mit urkund ditzs briefs versigelt mit
unserer kuniglichen majestat insigel. Geben zu Feltkirch
nach Crists gepurd virtzehenhundert jar und dornach in dem
einunddrissigisten jare, am donerstag nach sand Dionisy tag,
unserer riche des Hungerischen etc. im funffundvirtzigisten,
des Romischen im czweiundtzwenzigisten, und des Beheim-
schen im czwelfften jaren.
Ad mandatum d. regis
Caspar Sligk.
1. Beilage.
König Sigmund giebt dem Herzog Wilhelm eine neue und
erweiterte Vollmacht, über den Landfrieden zu wachen, bat.
Luca 25. Yuni 1432 1.
Wir Sigmund von gotes gnaden Romischer kunig, zu
allen cziten merer des richs und zu Hungern, zu Behem, Dal-
macien, Croacien etc. kunig. Bekennen und tun kund mit
2 Nach dem Driginal auf Pergament mit Siegel im K. Reichs-Archiv.
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disem brief allen den die in sehen oder ho'ren lesen.
Nachdem und (?) wir durch schickung des almechtigen gotes zu
Romischem kunig und beschermer des heiligen richs erkore
sein, und uns von keyserlichen rechten und gesetzen zu ge
buret, das recht zu furdern und des heiligen richs straß
allenthalben zu beschirmen, so ist ye und ye unsers herize
begird gewesen, und noch ist, das unrecht zu straffen, wo
sich das findet, und fride zemachen. Wiewol wir aber yets
von des heiligen richs sach wegen, dorynne wir uns teglich
üben, der gantzen cristenheit zenucz und trost, selbs dorczu
mit der tate nit getun mügen, als wir dann gerne teten, 50
vermeinen wir doch unredlich krieg und rauberei in dem
riche nit zuleiden, der yetzo ain teil mit fraveler band uf
des heiligen richs straß an geistlichen und werntlichen luten
gescheen sind, oder noch Binfür in cziten gescheen moch-
ten, sunder darczu tun und die lassen straffen, als sich ge
buret, nach gelegenheit der sach. Dorumb mit wolbedach-
tem mute, guts rats unserer und des heiligen richs fursten,
graven, heren, rittern, knecht und getrewen, so haben wir dem
hochgeboren Wilhalm pfalczgraven bey Rine und hertzogen
inBeyren, unserm stathalter, fürsten und lieben oheim, ganczen
vollen gewalt geben, all unredlich krieg und rauberei, wo die
in dem heiligen riche und von wem die geschehen, mit un-
ser macht und in unserm namen, dorczu mit seinem vermö-
gen zutun, und geben im des unsern ganczen vollen gewalt
von Romischer kuniglicher machtvolkomenheit in craft dik
briefs, das er solich unredlich krieg wend und abpring, wie
in des dann am pesten beduncken werd, auch solich rauber,
die uff des heiligen richs strassen rauben und die leut schin-
den, straffe, wo er die betreten mag, in steten, merckten oder
geslossen, und dortzu unser und des heiligen richs panier
nücz und gebrauch, die wir im gegeben haben, das er die
in unserm abwesen Teütscher land wider alle die die unred-
lichen krieg und rauberei treiben, dardurch das heilig con-
cilium, das in dem namen des heiligen geists zu Basel elich
besamet ist, auch des heiligen richs straß, sein land und
lüte bekumert werden, auch wider die, die solich krieger
und rauber hinschieben, hausen oder hoven, ufwerff und
fure; wann er aber das selbs nit getun mag von notdurft we-
gen des heiligen concili, unser oder des heiligen richs ge-
schefte, das er dann unser panir einem andern fürsten, gra-
ven oder des richs manne, der im dorczu gevallet, bevellı,
wider solich krieger und rauber, hinschieber und behawser
uffzuwerffen und zu nüczen, als offt des not ist, und alles
das dorynne fürhand zunemen, das zu solichen sachen nucz
und bequemlich ist, glicherwis als ob er das selber tete, da-
mit solich unredlich kriege und rauberei gewendet und ge
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straft werden. Wir haben im ouch unsern vollen gewalt
geben, alle und yglich unser und des heiligen richs fürsten,
eistlich und werntlich, auch allen graven, herren, ritter,
echt, man und stet zu soelichen sachen anczurüffen, zu ma-
nen und zu gebieten, im von unsern wegen hilflich und bey-
stenticlich zu sein, solang biß solich krieg und rauberei ge-
wendet und gestraft werden, und doruff wir euch allen und
yglichen unsern und des heiligen richs kurfürsten, fursten,
geistlichen und werntlichen, dorczu allen graven, fryen her-
ren, rittern, knechten, schultheissen, vogten, richtern, burger-
meistern, ammeistern, zunftmeistern, reten aller stet, merckt
und gemein, den der brief oder vidimus davon getzeigt wirdet,
vesticlich und ernstlich gebieten, bey den eyden, die ir uns
und dem heiligen rich getan habt untl schuldig seit: wann
euch der vorgenant hertzog Wilhalm von sulcher krieg und
rauberei wegen ermanen, anruffen und gebieten werde und
dorczu tun welle, das ir dann im, oder wem er unser banir
furbas emphellen wurde, hilflich und beigestentig seit, mit
allem ewerm vermogen, glicherwise als ob wir selbs dabey
wören; das wellen wir gen euch allen und ewer yedem ge-
nediclich erkennen. Welich aber des nit teten, so er si er-
manet het, der oder dieselben sullen in unser und des richs
ungenad verfallen sein, und dorcezu in ein swere pene, die
wir uber solich ungehorsam wollen geen lassen, on alles ab-
lassen. Mit urkund diß briefs versigelt mit unserm kunig-
lichen majestat insigel. Geben zu Luca, nach Crists gebürt
virtzehenhundert jar und dornach in dem zweyunddrissigisten
jare, an sand Peter und sand Pauls der heiligen zwelfboten
abent, unserer riche des Hungrischen etc. im sechsundvir-
tzigisten, des Romischen im zweyundtzweinczigisten, und des
Behemischen im zwelften jaren.
Ad mandatum domini regis
Caspar Sligk.
1. Beilage.
Eberhard Windel an den Herzog Wilhelm, in feiner Streit-
fache gegen den Spitalmeifler zu Presburg, Schulden halber.
dat. Mainz, 9. Mat 14321,
Dem allerdurchluchtigesten hochgebornen fursten und
2 Mach dem Original im K. Reichs-Archiv, mit den Eigenthümlichfeiten
und Fehlern der Handſchrift. Nur die Snterpunction und große Buchftaben
wurbeu geänbert.
I. 40
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herren hern Wilhelm von gottes gnaden phaltzgrave by Ryne,
hertzogen in Beyern, mym gnedigen lieben herren, enbieden
ich Ebirhart Windeck zu Meincz mynen ottmütigen! gehor-
samen willigen dinst. Gnediger lieber herre. Also als mir
üwer furstliche gnade in uwern werdigen brieff gesant und
geboden haid, den ich gar demütilichen enphan und uff ge-
nomen habe, dar inne mir uwer furstliche gnade geburt von
entphelnische unsers aller gnedigesten herren des Romischen
etc. koniges vor uwer gnade uff den zwenczigesten dag, nach
dem mir dann uwer furstlicher brieff geantwort worde, mich
da zu stene gein den spy*tal meystern zu Prespürg odir irm
procrator von schulde wegen, die ich dam spy“tal schuldig
solle seyn, züm rechten zu vor antworten: da soll uwer durch-
luchtigeste furstliche gnade wisßen in rechter warheyt, daz
ich dem spy-etal alle myne tage nye heller noch phennig
schuldig wart und aüch noch nit bin, des ich hoffen, daz in
dem rechten erkant solle werden, und gleuben daz gancz,
das unser gnediger herre der Romische konigk odir synen
reden soliches vornemen recht in warheyt furbracht were,
also is dann an im selber ist, syner konigclichen gnade
hette solichen brieff nit lassen vor schriben odir uwern durch-
luchtigesten furstlichen gnaden nit befollen. Dann gnediger
lieber herre, ich bin umb soliche ansprache durch den Jorge
Hottel an daz heyligen riches hoffegericht geladen gewest,
und alda ist orteyl und recht gesprochen nach inhalde des
selben orteyl brieffes, den ich zu uwern gnaden senden zu
vorhoren, und hoffen und getruwen zu got uwern furstlichen
gnaden, daz iß billich by dem orteil und rechten vorliben
solle an dem hoffgericht uz zu dragen. Wer is aber sache,
daz man mich mit zweyn ruden odir rechten slahen wulden,
des ich doch mich genczlichen zu uwer furstlichen wysheyt
nit vorsehen noch hoffen, mich dan uwer furstliche gnade
darinne gnedeliche gerüche zu vorsorgen umb godes ere und
' gerechtekeyt willen; solde odir müst ich ye von dem orteyl
des hoffegerichtes dreden und ferrer kommen, so bidden ich
uwer furstliche gnade, mir myne tage lenger zu strecken und
zu lengen widder zu seczen, off daz ich myn kuntschafft und
anders moge zu brengen, wan der proch an mir nit ist ge-
west, sunder der haß ungünst und nyt mich darinne haid
gehindert und dot der lude die da lange gestorben sind;
also ich daz ab got wol by brengen wil, wie daz recht dann
erkennet, und daz magk myne dyener wol berechten; gne-
digester lieber herre, so were ich aüch selber gehorsam ge-
west und were kommen, so kan nach magk ich nit kommen
von erhafftiger noyt, grosser fyentschafft und schulde wegen,
2 S$t-muot — dömiit.
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da mit die burger und bysesfier zu Meincz leyder beladen
sint, dar dürch ich libes und gudes nit sicher were, und
müst ich ye kommen, so bidden ich uwer furstliche gnade
mir oya geleyde zu geben in uwern furstlichen brieffen, nach
inhalde eynes brieffes, den mir myn allergnedigester herre
der Romische konigk sant zu sinen gnaden zu kommen auch
umb die sachen und ander. Jch hoffen und getruwen uwer
furstlichen gnaden wysheyt wol umb godes ere und der ge-
rechtkeyt willen, uwer gnade laß mich by den ersten rechten,
dar inne ich noch von der sachen wegen hangen, dar umb
uwer furstliche gnade gein got dem almechtigen gnade er-
werben und gein der wernt der gerechtkeyt lob und danck,
da midt bydden ich got aller herren herre uwer furstliche
gnade zu bewaren mit allen uwern getruwen retten. Geben
under mynem ingesyegel uff frytag nach sanct Gothardus
dag, anno domini MPCCCC® trigesimo secundo.
Göttingen,
Drud der Dieterichfchen Wniv.: Buchdruderei.
(W. Fr. Käſtner.)