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Full text of "Forschungen zur deutschen Geschichte"

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3 b105 027 345 002 








Forſchuugen 


zur 


Deutſchen Geſchichte. 


Zweiter Band. 


AUF VERANLASSUNG HERAUSGEGEBEN 
UND MIT DURCH DIE 
UNTERSTÜTZUNG HISTORISCHE COMMISSION 
SEINER MAJESTAEFT / aA BEI DER 
DES KÖNIGS VON BAYERN | 7] KÖNIGL. ACADEMIE DER 
MAXIMILIAN II. WISSENSCHAFTEN. 








Höttingen, 
Berlag der Dieterichſhen Buchhandlung. 
1862, 


ANFORD UNIVERSITY 
LIBRARIES 
STACK 


MAR 16 i3o, 


Inhalt. 


Geſchichte des ſchwäbiſchen Städtebundes der Jahre 1376—1389. 
Bon Dr. W. Biſcher in Baſleee... 2 0 2 2. 065 1 


Geſchichte bed Bundes der Sachſenſtädte bis zum Ende bed Mittel: 
alter mit Rüdficht auf die Territorien zwifchen Wefer nnd Elbe. 
Bon Dr. ®. J. 8. Bode, weiland Gtabtdirector in Braun: 
Ihweg. . . 2 2 200. een. — 203 


Beiträge zur Gefchichte des Belt: und Müngwefens in Deutfchland. 

Bon Dr. Ab. Soetbeer in Hamburg. 

Dritter Abfchnitt. Geld⸗ u. Münzwefen im fränkiſchen Reiche 

unter den Merovingen. Schluß. 000. 23 

Nachträge zum erflen und zweiten Abfchnitt. - © © 2 2 0 0 — 368 
Ueber die principes in ber Germania be Tacitus. Bon Prof. ©. 

Maik in Göttingen.. 2 388 
Geſchichte des langobardiſchen Herzogthums. Von H. Pen in 

Göttingen. © . . . . . . .o . © . . . — 405 
Herzog Wilhelm IH. von Bayern, der Protector des Bafeler Goncits 

und Statthalter des Kaiferd Sigmund. Nach Urkunden und 

Aften des RK. Reichs. und Haus⸗Archivs zu Manqhen. Von Dr. 

A Kluckhohn in Münden . . . . . 0. 51) 


Geſchichte des ſchwäbiſchen Städtebundes 
der Jahre 1376 — 1389. 


Bon 


Wilhelm viſcher. 


u. 


Vorwort. 


Die Geſqhichte des ſchwäbiſchen Stäbtebundes iſt ſchon von Pfifter 
in jeiner Gerichte von Schwaben, namentlich aber in neuefter Zeit 
von Stälin in feiner wirtembergifchen Geſchichte auf eine Weife bes 
handelt worden, dag man fich nicht beklagen kann, über das Wefen 
deflelben im Dunkeln zu fein. Allein er ift eine für die ganze Ges 
ftaltımg der Reichöverhältniffe fo wichtige Erfcheinung, daß er wohl 
einer eigenen Darſtellung werth ijt, die mit größerer Ausführlichkeit, 
vw als Werke von der Art der obenerwähnten fie gejtatten, auf die Art 
und Weiſe feiner Entjtehung, auf feine Zuſammenſetzung, auf bie 
Zuwecke, welche die Städte durch ihn erreichen wollten, auf die Politik, 
die jie unter feinem Schute verfolgten, auf die Urjachen feines Auf- 
blühens und feines DVerfalles und den Einfluß, den er auf die Ent- 
‘ widlung der Städte und ihre Stellung im Reiche ausgeübt hat, ein- 
gehen Tann. Eine folche ‘Darftellung habe ich in der vorliegenden 
Arbeit zu geben verfucht; daß ich meinem Zweck nicht in der Weife, 
wie ich e8 gewünscht hätte, nachgefommen bin, fühle ich felbft nur 
gut, namentlich ift es mir nicht immer gelungen, den vorwiegend 
aus Urkunden gejchöpften Stoff feiner Sprödigfeit zu entfleiben und 
ihm frifches Leben einzuhaucdhen; doc hoffe ich immerhin für das 
beſſere Zerjtändnig mancher Erjcheinungen, die uns in der Gefchichte 
des Pundes aufitoßen, einigen Aufichluß gegeben zu Haben. 
Meinen Quellen bin id) an der Hand des Stälinfchen Buches, 
ımterftügt von den perfönlichen Rathſchlägen des Herrn Verfaſſers, 
nachgegangen. Die widjtigfte Ausbeute gewährte das Stuttgarter 
Archiv, auf welchem ſich ımter der Rubrik „NReichsitädte insgemein“ 
die Schriften des Bundes, die früher in Ulm aufbewahrt wurden, 
vorfinden. ine wichtige Ergänzung zu denjelben bildet die gleich- 
falls im Stuttgarter Archiv befindlide Sammlung des verjtorbenen 
Trälaten und Generalfuperintendenten Joh. Chriftoph von Schmid 
_ aus Ulm, die eine reiche Fülle von Material für die Gefchichte alfer 
ſchwäbiſchen Landfrieden und Bündniſſe von König Rudolf I. bis zur 
Auflöfung des ſchwäbiſchen Bundes im J. 1533 enthält, theils in 
Originalurkunden, welche Schmid bei der Zerjtreuung der reichöftädti- 
ſchen Archive dem Untergang entzog, theils in Abfchriften und Aus—⸗ 


2% 
* 


4 


zügen. Don ben 46 Nummern der Sammlung war für mid) am 
wichtigften der erfte Fascikel, der eine Weberficht über den ganzen 
genannten Zeitraum enthält, indem er die betreffenden Actenftüde 
entweder in fürzern oder längern Auszügen oder auch in volljtändis 
gen Kopien, bisweilen mit Erläuterungen des Sammlers verjehen, 
oft auch mit Hinweifung auf gedructe Werke, in chronologifcher Reis 
henfolge zuſammenſtellt. Das Meijte, was die übrigen Nummern 
enthalten, betrifft fpätere Zeiten als die von mir bearbeitete, einiges 
Wenige fand ich in den Fascikeln 2 und 21. Bei all meinen Ar- 
beiten auf dem Stuttgarter Archiv, welche den Kern bildeten, an den 
fich die übrigen Forfchungen anfchlojfen, hatte id) mid) des freunds 
lichiten Entgegenfommens von Seiten des Herrn Directors Archivraths 
v. Rausler zu erfreuen, der auch fpäter, fo oft ich über einzelne 
Punfte noch weitern Auffchluß zu haben wünfchte, als meine Auszüge 
boten, meinen Anfragen immer aufs bereitwilligfte entfprodyen hat, 
wofür ich ihm hier meinen wärmjten Dank ausfpreche. 

Eine fernere handjchriftliche Duelle von Belang fand ich in dem 
fogenannten großen weißen Buche des Basler Staatsardives. In 
diefem Buche, das Abjchriften von Verträgen und andern wichtigen 


Urkunden enthält, finden fich auch mandye auf den Bund, welchem . 
Bafel im %. 1384 beigetreten war, bezügliche Actenftüde, Copien 


von Bündnißbriefen und Aehnliches, namentlich) aber einige auf 


Städtetagen gefaßte Befchlüffe oder fonftige Notizen, iiber welche keine 


befondern Urkunden ausgeftellt wurden, fondern von benen es hieß, die 
Städte follten das in ihre Bücher fchreiben. Ich habe mic) auch in meh⸗ 
rern andern Städten nad) dem Vorhandenfein folder Bücher erkundigt, 
jedoch vergebens, bin aber dafür entſchädigt worden durch die Notizen 
welde Schmid aus einem Nördlinger Buche mittheilt, jo wie durd) 
das, was Lehmann und Fuchs in der Speirer, Gemeiner in feiner 
Negensburgifchen Chronik aus ähnlichen Quellen geben!. — Außer 
dem großen weißen Buche gab mir auf dem Basler Archiv aud das 


Leijtungsbuch einige Ausbeute. Es enthält namentlich Bürgeranfe 
nahmen und Strafurtheile. Von den lettern, welche meiftens dahin 
lauten, daß der Schuldige eine gewijje Anzahl von Fahren leiften (d. h. 
in der Verbannung leben) foll, hat da8 Buch in neuerer Zeit feinen 


Namen erhalten. Neben diefen Büchern fand ich aber auch noch ei- 
nige nicht unwichtige Driginalurfunden. Dem Herrn Ardivar Krug, 
der mich in die Kenntniß des Archivs eingeführt und bei meinen Nady- 


forfhungen unterftütt hat, bin ich dadurch zu lebhaften ‘Danke ver- . 


pflichtet. 
nicht benutzt. Dagegen hat Herr Dr. Freiherr Roth von Schreden- 
1 Seit ich dieß gefchrieben, find mir durch die Gefälligfeit de Herrn Dr. 


Weizfäcder in München einige Notizen aus einem mit der Jahreszahl 1385 
bezeichneten Memminger Coder ‘Copia nova confederacionis civitatum impe- 


Andere Archive als das Etuttgarter und das Basler habe ich felber | 


— nor PO 24 


rialium' (Catal. XX. V.10 ber dortigen Stabtbibliothef im Steuerhaus) zus N 


gekommen. 


5 


fein bie Güte gehabt, mir Abjchriften und Auszüge einiger noch 
ia Ulmer Archiv vorhandener Urkunden zu überſchicken; durch die 
danfenswerthen Bemühungen der Herren Archivar Herberger in Augs⸗ 
burg und Nathefchreiber Wartmann in St. Gallen erhielt ich Bei- 
träge aus den dortigen Archiven, und durch bie hochlöbl. Direction 
bes 8. E. geh. Haus-, Hof» und Staatsarchives in Wien die beglau- 
bigte Abfchrift eines in demfelben Liegenden Bimdnißbriefes. 

Die gedrucdten Werke, denen ich weitere Urkunden entnahm, fo 
wie bie von mir benugten Regeftenfammlungen finden ſich größten- 
theils in dem beifolgenden Verzeichniſſe aufgezählt. 

Was num die zweite Art von Quellen betrifft, gefchichtliche 
Aufzeichnungen, jo habe ich mich in erfter Linie an den wohlunter- 
i und klar blickenden Zeitgenoſſen Königshoven und an die 
ebenfalls gleichzeitigen Augsburger und Conſtanzer Aufzeichnungen ge⸗ 
halten, welche Mone im Géten Jahrgang des Anzeigers für Kunde 
deutſcher Vorzeit und im erſten Bande der Quellen⸗Sammlung der 
badijchen Zandesgefchichte herausgegeben hat, jo wie an das auf gleich» 
zeitigen Berichten beruhende Chronicon Noribergense bei Oefele. 
Eme Ergänzung zu jenen Augsburger Berichten, die und in etwas 
lückenhafter Geftalt überliefert find, bietet die Ueberarbeitung, welche 
ifmen Burkart Zengg (geb. 1396) in feiner nad) der Mitte des 15. 
Zahrhunderts gefchriebenen Augsburger Chronif hat zu Theil werden 
laſſen. Doch iſt er, da die Zeit, in welcher er jchreibt, der Handlung 
ſchon etwas ferner liegt, nicht ohme Vorjicht zu gebrauchen. Auch 
eriftirt leider noch fein volljtändiger Abdrud feines Werkes, da Defele 
im feinen Scriptores rerum Boicarum bloß die mit der bairischen 
Geſchichte zufammenhängenden Stücke deſſelben herausgegeben hat. 

Unter den Hilfsmitteln, die ich benutt habe, jteht oben an die 
wirtembergijche Gefchichte von Stälin, aus der ich immer und immer 
wieder die reichite Belehrung gejchöpft. Won folchen Arbeiten, die in 
der neueften Zeit fich fpeciell mit der Geſchichte des Städtebundes 
befaßt Haben, hat mir der im zwölften Bande des Archivs für 
Schweizeriſche Geſchichte abgedrudte Auffag von Hagen „über die 
politifchen Verhältniffe zur Zeit der Sempacherſchlacht, namentlich 
über die Beziehungen zwiſchen der Eidgenoffenichaft und dem deutichen 
großen Städtebunde“ vielfacdhe Anregung gewährt und mich auf mandje 
Pumkte aufmerkffam gemacht, obgleich id) mid) den Anſichten des 

Verfaſſers in vielen Fällen nicht anfchliegen fann. Eine ältere 
Schrift von Feßmaier! hat feit dem Erfcheinen der Arbeiten von 
Pfilter und Stälin feinen großen Werth mehr, enthält aber immer 
noch einige brauchbare Notizen. 

Als Beilagen habe ich meiner Arbeit die Regeſten der von mir 
benutsten, auf die Gejchichte des Bundes bezüglichen Urkunden und 
dann die Abdrücke einiger der wichtigern Urkunden felbjt beigegeben. 

2 Niber das Entfteben und Aufblüben des oberteutſchen Stäbtebundes 
und bein Befämpfung und Vernichtung durch Friedrich von Landehut, Mün⸗ 
sen 1819. 4. 


6 


Diefe Regeften follten die Ueberficht über das an fo vielen Orten zer- 
jtreute Urfundenmaterial erleichtern und dem Leſer möglid) madjen, 
das Bild, das id) in meiner Darjtellung von ber Geſchichte des Bun- 
des zu geben verſucht, zu vergleichen mit demjenigen, das ſich ihm 
jelber beim Durchgehen der in chronologijcher Reihenfolge zufammen- 
gejtellten urfuntlichen Belege aufdrängt. Zum vollftändigen Abdrude 
habe ich die Bündnigurfunden von 1377 und 1382 gewählt, von 
denen die leßtere, fo viel ich weiß, noch gar nicht, die erftere nur 
nah einem lückenhaften und nicht ganz correcten Original bei Zell- 
weger gedrudt ift, ferner den Landfrieden von 1340, als den wid)- 
tigjten der noch ungedrudten Bündnißbriefe früherer Zeit. 

Indem id) mich anſchicke, mein Werfchen der Deffentlichkeit zu 
übergeben, mit dem Wunfche, e8 möge einen, wenn aud) Fleinen, Bei— 
trag zur Geſchichte der Entwidelung des dentſchen Städteweſens Tie- 
fern, fühle ich) mich gedrungen, allen denjenigen, welche mir beim 
Sammeln des Stoffes hilfreiche Hand geboten, fo wie nicht minder 
denen, die mir bei Verarbeitung dejjelben mit ihrem Rathe beigejtan- 
den, unter diefen in erfter Linie Herrn Prof. Waitz, meinen aufric)- 
tigjten und tief empfundenen Dank auszufprechen. 


verzeichniß der mit abgelürztem Titel angeführten Onellen 
und Hülfsmittel. 


1. Chr. — Augsburger Chronik, bei Mone, Anzeiger für Kunde beutfcher 
vegein rqbeter Jahrgang. 1837. Sp. 113—126. 257 - 269, 


Basler 5 D — Dad fogenannte „große weiße Buch“ im Staatsarchive zu 
dl. 





Böhmer, Beg. Lad. — ob. Tr. Böhmer, Regesta Imperli .... Die Ur: 
funden Kaifer Ludwigs bed Baiern ..... in Auszügen. Frankf. a. M. 
1839. Die Zahlen beziehen fi auf die Nummern ber betreffenden 
Urfunden bei Böhmer. 

C. Chr. — Gonftanzer Ehronit bei Mone, Duellenfammlung ber babifchen 
Landesgeſchichte I, 309 ff. 

Chron. Nor. — Chronicon Noribergense, bei Oefelius, rerum boicarum seri- 
ptores I, 323 ff. Es ift die urfprünglich deutfch geichriebene Chronik 
des Nürnberger Patriciers Ulman Stromer (Stromeyr), mit beren 
Urtert Prof. Hegel die auf Veranftalten des Königs von Baiern ber: 
auszugebende Sammlung beutfcher Städtechronifen eröffnen wird; f. 
Nachrichten von der pift. Comm. II, p. 11. 

Datt. — Jo. Phil. Datt, volumen rerum Germanicarum novum sive de pace 
imperiü publica.. Ulmae 1698. 

Gemeiner. — Regensburgiſche Chronik von Carl Theodor Gemeiner. Regensb. 
1800 — 1824. 

Glafey. — Adam Frid. Glafey, Anecdotorum 8. R. J. Historiam ac Jus 
publicum illustrantium collectio. Dresd. et Lips. 1734. 

Hugo, Mebiatifirung. — Die Mediatifirung ber deutſchen Neichäftäbte von 
G. W. Hugo. Karlär. 1838. 

Jahresber. — Siebenzehnter und achtzehnter combinirter Jahres: Bericht bei 

hiſtoriſchen Kreis: Vereind im Negierungsbezirt von Schwaben und 
Tenburg für die Jahre 1851 und 1852. Augsb. 1853. Die aus 
demſelben angeführten Urkunden bilden eine Beilage zu dem Aufſatze: 
Kaifer Ludwig der Bayer und die trene Stadt Augsburg, von Theo: 
bor SHerberger. 

Anipſchildt. — Phil. Knipschildt, tractatus politico -historico -juridicus de 
juribus et privilegiis civitatum imperialium. Ulmae 1687. 

Königäbeven. — Deſſen Straßburger Chronik nach der Ausgabe im Code hi- 
storique et diplomatique de la ville de Strasbourg. I. Strasb. 1843, 

gehmann. — Christophori Lehmanni Chronica ber freyen Reichs Stadt Speier, 
Ausgabe von J. M. Fuchs. Frankf. a M. 1711. 


* 


8 


Lichnowsky. — Geſchichte bes Hanfes Habsburg, von bem Fürften E. M. 
Lichnowsky. Reg. bezieht ſich auf bie jedem Bande beigefügten Regeften. 


Beg. Boica. — Begesta sive rerum Boicarum authographa. Opus cura C. 
H. de Lang inceptum, nunc autem cura Maximiliani Bar. de Freyberg 
continuatum. Die erfte Zahl bezeichnet den Band, bie zweite die Seite. 

Sattler. — Chriſtian Friedrich Sattlerd Geſchichte des Herzogthums Wirten: 
berg unter der Regierung ber Graven. Bd. I, bisweilen auch als 11. 
Bd. bezeichnet, indem die Beſchreibung bed Herzogthums W. als erfter 
Bd. des ganzen Werks gefaßt wird. Die beigefügten Zahlen bezeichnen 
die Nummern der Beilagen, welche in ben verſchiedenen Ausgaben des 
Werkes biefelben find. 


Schaab. ae Deilen aefsiäte bed großen rheiniſchen Städtebundes. Mainz 


Schmid. — —8 des Prälaten von Schmid im Stuttgarter Archiv 
(S. bie Borrebe), Wo die Nummer bed Fascikels nicht beigefügt ift, 
ift immer ber erfte gemeint. 


St. A. — Stuttgarter Archiv. Wo Feine weitere Bemerkung fleht, ift immer 
die Rubrik „Reichsſtädte indgemein“ verftanden. 


Stälin. — Eh. Fr. v. Stälin, Wirtembergifhe Gefchichte. Thl. 1—3. Stuttg. 
1841—1856. 


Tſchudi. — Aegidii Techudii Chronicon Helveticum. Bafel 1734. 


Wegelin. — Gründlid) = Hiftorifher Beriht von ber Kayſerlichen und Reichs: 
Landvogtey in Schwaben. 1755. Ohne Angabe des Verfaflerd, Job. 
Neinh. Wegelin, erfchienen. 

Wender, Apparatus. — Apparatus et instructus archivorum etc. collectore 
Jacobo Wenckero. Argentorati 1713. 


Zelliweger. — Deſſen Gefchichte bed Appenzelliichen Velkes. Trogen 1830 ff. 
Wo „Urt.“ beigefügt ift, find bie Urkunden zn J. C. Zellmegerö Ge: 
(dichte u.f.w. Trogen 1831 ff. verflanben. 


Zengg. — Burkhard Zenggd Augsburger Chronif, bei Oefelius, rerum boica- 
rum scriptores I, 254 ff. 





Einleitung. 


Das Emporkommen und Aufblühen der Reichsſtädte ift bekanntlich 
für die Geſchichte Deutfchlands von der allergrößten Wichtigkeit ge⸗ 
worden. Als mit der Ausbildung fürftlicher Yandeshoheit die Ver⸗ 
bindung der einzelnen Neichöglieder immer loderer wurde, waren fie 
es, in denen fich hauptfächlich das Bewußtſein von der Einheit des 
Reiches und feiner Zufammengehörigfeit unter Einem Oberhaupt erhielt; 
fie waren e8 aber hinwiederum auch, die mehr, als von irgend einer 
andern Seite gefchehen ift, einer neuen Entwicklung des ſtaatli⸗ 
chen Lebens vorgearbeitet, indem fie zuerſt bei fich einen geordneten 
Haushalt einführten und dadurch auch den fürſtlichen Territorien ein 
Zorbild aufftellten, demzufolge biefe fi zu Staaten im modernen 
Zinme berangebildet haben. Wie in ihnen, den Ausgangspunften 
des Handels, ben Sigen des Gewerbfleißes, die politiiche Gleichbe⸗ 
rechtigung der verfchiedenen Claſſen der Bevölferung zuerft zur Gel⸗ 
tung gelangte und diefelben zu Einem Bürgerjtande verband, fo wur⸗ 
den auch Künfte, Poefie, Wifjenfchaft, die früher von einzelnen bes 
porzugten Ständen waren gepflegt worden, ein Gemeingut dieſes ges 
fammten Bürgerftandes; das Bürgertum, wie e8 die Grundlage un- 
jeres ganzen heutigen politifchen und focialen Lebens geworden ift, 
bat fich in ihnen gebildet. 

Allein die Erwerbung und die Erhaltung ihrer Unabhängigkeit 
ift den Reichsſtädten nicht ohne ſchwere, blutige Kämpfe gelungen, die 
fie gegen die wachſende Macht der Landesherren zu bejtehen hatten; 
die letzten Jahrhunderte des Meittelalters find voll folcher Kämpfe, 
die eigentlihe Entjcheidung aber, durch welche die zufünftige Stellung 
der Städte auf immer beftimmt ward, fällt ins Ende des 14ten Jahr⸗ 
hunderte. Als Vorkämpfer der ftäbtifchen Freiheit treten hier die erft 
in verhältnigmäßig fpäter Zeit zur Blüthe gelangten ſchwäbiſchen Städte 
auf; fie vereinigen fi) und ihre fränfifchen und bairifchen Nachbarn 
zu einem großen Bunde, durch welchen allein ein erfolgreicher Wider: 
ftand möglidy) wird, und es ſchließen fich ihnen auch die rheinifchen 
Städte an, die mehr als hundert Jahre zuvor, als die am früheſten 


10 


zu Freiheit und Macht gelangten, an ber Spite der Bewegung ge 
jtanden, jett aber diefe Stellung an ihre jüngern, noch frifcheren und 
fräftigeren Schweitern, abgetreten haben. 

Keine deutfche Landſchaft zählte eine folche Menge von Reiche 
ftädten wie Schwaben. Während der langen Zeit, in welcher das 
Be der Staufer fowohl den Kaiferthron als aud) das ſchwäbiſche 

erzogthum inne gehabt, hatte fich fein beträchtlicher Hausbefig mit 
dem Reichögute verfchmolzen, und zu den alten Reichsorten, wie Auge: 
burg, Ulm, Heilbronn, Eßlingen, Conftanz u. ſ. w., hatten ſich eine 
Menge urfprünglic) welfifcher oder ftaufifcher Yandjtädte gefellt, bie 
nun auch als Reichsftädte wollten angefehn fein und von König Ru⸗ 
dolf großentheils in diefer Cigenfchaft betätigt wurden. Die Ober: 
aufficht über die Reichsſtädte, fo wie über die übrigen Güter und 
Rechte, welche dem Reiche in Schwaben angehörten, wurde durch 
Rudolf an Landvögte übertragen. Diefe hatten im Namen des Kö» 
nigs über die Aufrechthaltung der Ordnung zu wachen und die Ein- 
fünfte für die Königliche Kammer einzutreiben, wobei auch eine name 
bafte Summe für fie abfiel . Das Amt war ein fehr einflußreiches 
und auch fehr einträgliches, allein es war nicht erblich, und der König 
fonnte jederzeit die damit betrauten ihrer Stelle wieder entheben. In 
der zweiten Hälfte des vierzehnten Jahrhunderts, aus welcher wir 
genauere Berichte haben, und die auch für unfere Darftellung befon- 
ders wichtig ift, finden wir zwei größere Landvogteibezirke, die Yand- 
vogteien Oberfchwaben und Niederfchwaben. Die Grenze bildete bie 
Alb, jenes Gebirge, das im Anſchluß an die äußerften Ausläufer des 
Jura mit dem Heuberg bei Tuttlingen beginnt und in nordöftlicher 
Richtung durchs Land ziehend mit dem Härdtfeld bei Nördlingen fein 
Ende erreidht. Gegen Nordmweiten fällt es fchroff ab, während es 
auf der entgegengefeten Seite fid) nad) der oberfchwäbiichen Ebene 
bin fanft abdacht. Nach ihrer Lage auf den beiden Seiten dieſes 
Gebirges werden auch die oberfchwäbifchen und die niederfchwäbifchen 
Städte bezeichnet als die Städte dieffeits und die Städte jenfeitg der Alb. 

Zur Landvogtei Oberſchwaben? gehören die Städte am Boden⸗ 
fee, Conftanz, Ueberlingen Buchhorn (das heutige Friedrichshafen) 
und Lindau, dann zpifchen dem Bodenfee, der Donau und der Iller 
Pfullendorf, Ravensburg, Wangen, Jony (das ſich im %. 1365 
bon feinem Herrn, dem Truchfeffen von Waldburg, Tosgefauft hatte 
und von Karl IV. in den Schutz des Reiches aufgenonunen worden 
war), Leutkirch, Biberach), Buchau am Federfee und Kempten, le- 
teres am linfen Ufer der Iller felbft gelegen, öſtlich von der Iller 
Memmingen und Kaufbeuren, endlich der Mündung diefes Fluſſes in 
die Donau gegenüber das mächtige Ulm. — Bon der oberfchwäbifchen 
Landvogtei getrennt war die über Augsburg; doch waren häufig beide 
in der Hand defjelben Inhabers vereinigt. Die Stadt Giengen, un- 
fern von Ulm an den Abhängen der Alb im Brenzthale gelegen, war 


2 GStälin II, 43. 327. 2 ©. Reg. 61. 77. 


1854-1378 dem Reich entfremdet, fpäter erfcheint fie mit Ober⸗ 
ſchwaben oder Augsburg vereinigt. 

Die niederfchwäbifche Landvogtei? umfaßte die Städte Wimpfen 

ud Heilbronn am untern Nedar, fammt dem benachbarten Weins⸗ 
berg, bie alle urſprünglich fränfifch waren, dann, ebenfalls am Nedar, 
dem Hauptfluffe Niederfchwabens, recht im Mittelpunkte dieſer Land» 
fhaft gelegen Eßlingen, ferner Reutlingen an ber Echaz, die, aus 
einem der ſchönſten Albthäler hervorfommend, fich nad) kurzem Laufe 
in den Nedar ergiekt, Rotweil am obern Laufe diefes Fluffes in den 
Dergen des Schwarzwaldes, Weil an den Abhängen eben biefeg Ge 
birges, weitlih von Stuttgart, Gmünd im Remsthale, am Fuße des 
Hohenftaufen, Aalen und Hall am Kocher, Bopfingen und Nördlin« 
gen, den Hauptort des fruchtbaren und reichbevölferten Nies, beide 
an der Gger, einem Nebenflüßchen der Wörnit, weiter nördlich an 
der Wörnis felbft Dinkelsbühl und an der Mündung diefes Fluffes 
in die Donau Donauwörth, damals meift fchlehthin Werd, aud 
Schwäbiſch Werd genannt, das jedoch in Folge feiner Verpfändung 
an die Herzoge von Baiern im %. 1376 auf mehr als 60 Jahre 
aus der Zahl der Neichsftädte fchied. 

Durchgehen wir die Reihe diefer Städte, fo finden wir neben 
einigen großen und mächtigen eine überwiegende Menge von Eleinern 
Orten, denen es faum möglich gewefen wäre, ihre Selbjtändigfeit zu 
erhalten, geichweige denn zu politifcher Bedeutung zu gelangen, wenn 
fie nicht durch die Verbindung mit andern ſich mächtig gefühlt hätten. 
In dem Maße aber, in welchen das Reich aus einem einheitlichen 
Ganzen zu einer ziemlich lockern Verbindung der mannigfaltigften Bes 
jtandtheile ſich umgeftaltete, nehmen wir die Erfcheinung wahr, daß 
ſich die gleichartigen unter den lettern an einander fchließen, um durd) 
gemeinfames Handeln ihre gemeinfamen Intereſſen zu fördern. Beſon⸗ 
ders ftark mußte fich der Trieb dazu bei den mindermädhtigen, bei 
den in ihrer Entwidlung am meiften angefochtenen, von den meiften 
Schwierigkeiten umgebenen Reichsftänden regen. Die Städte waren 
es vor Allen, welche das Bedürfniß, fich mit ihresgleichen zu verbin⸗ 
den, aufs lebhaftefte empfanden, und nirgends hat das Bündnißweſen 
eine folche Ausbildung gefunden wie bei ihnen; ihm verdanken fie 
auch, Die Erwerbung und die Erhaltung ihrer Selbitändigfeit und Frei⸗ 
beit. Sobald die Städte auf einem gewiſſen Grad ihrer Entwiclung 
angelangt find, treten fie mit ihren Nachbarn zufammen, um das Er⸗ 
baltene zu fichern und ftörenden Eingriffen mit Nachdrud zu begegnen. 
So finden wir nun namentlich feit der Mitte de8 13ten Jahrhun⸗ 
derts im füdmeltlichen Deutſchland, das uns allein hier befchäftigt, 
eine Anzahl von Städtegruppen, deren Glieder, wenn auch ihre Vers 
bindungen meift nır auf eine Anzahl von Jahren gefchloffen find, 
doch fich als eng zufammengehörig betrachten und immer und immer 
wieder zufammentreten. Bis auf die Zeiten Heinrichs IV. gehen die 





2 Reg. 79. 123. 


12 


Bündniſſe der mittelrheinifchen Städte zurück; eine größere Bedeutung 
erlangen fie aber erſt während der Stürme bes großen Zwifchenreiches, 
wo fie die Grundlage des berühmten rheinifchen Bundes bilden; aber 
auch nad) dem Untergange biefes lettern bleiben die Städte, welche 
den Kern befjelben ausgemacht, namentlic Mainz, Worms und Speier, 
in einem befonders innigen Berhältniffe und erneuern im 14ten Jahr⸗ 
hundert ihre Bündniffe zu vielen Malen. Eine andere Gruppe bil 
ben die Städte der benachbarten Wetterau, Frankfurt, Wetlar, Fried⸗ 
berg und Gelnhauſen. Das erſte Bündniß derſelben, von dem wir 
Kunde haben, wurde im J. 1285 abgeſchloſſen, ſpäter wird es oft 
erneuert. Am Oberrheine find es Straßburg, Bafel und Freiburg, 
die ſchon zu Ende des 13ten Jahrhunderts einander oft gegenſei 

unterſtützen; vom J. 1326 an kennen wir eine fortlaufende Reihe 
von Bümdnißurkunden. In den burgundiſchen Landen ſchließen die 
zwei Zäringerſtädte Bern und Freiburg im J. 1243 einen ewigen 
Bund. Ein ebenſolcher verbindet ſeit dem Jahre 1291 die drei Län⸗ 
der Uri, Schwyz und Unterwalden, die wir hier auch mitzählen dür⸗ 
fen, da die Entwidlung ihrer Freiheit ſich ganz analog derjenigen der 
Städte vollzog. Eine fernere Gruppe bilden nun endlich die Städte 
des füdlichen Schwabens, d. h. die Bodenfeeftädte nebſt St. Gallen 
und Zürih. In welche Zeit die erfte Verbindung derfelben zurück⸗ 
geht, läßt fich nicht genau fagen, ein feſtes Zufammenhalten der drei 
Städte Zürich, St. Gallen und Conftanz ift uns ſchon für die Zeit 
ummittelbar nad) dem Tode König Rudolfs, diefelbe, in welcher der 
Bund der drei Länder gegründet wurde, bezeugt; wir wilfen von 
ihnen, daß fie eifrigen Antheil nahmen an dem Kriege, der fid) da- 
mals in den dortigen Gegenden zur Bekämpfung der Uebermacht des 
Hanfes Habsburg erhob , Der Bund hingegen, der fich im J. 1298 
gegen den Grafen Albrecht von Hohenberg, den Anhänger Herzog 
Albrechts, zu Gunften König Adolfs bildete und denfelben mit glüds 
lihem Erfolge befämpfte, mag wohl großentheil® aus niederfchwäbi- 
fchen Städten bejtanden haben . Sonſt befommen wir von diefen, 
was Berbindungen unter einander betrifft, in diefer Zeit noch wenig 
zu hören, aud) finden wir, daß die füdfchwäbifchen Städte, indem 
fie ſich nach Bundesgenofien umfehen, ihre Blicke nicht nach dem in- 
nern Schwaben, fondern nad) dem Rhein und den Alpen bin richten. 
Den 20. Mai 1327 fchließen Conftanz, Zürich, Lindau, Ueberlingen 
und St. Gallen mit den mittelrheinifchen Städten Worms, Mainz, 
Speier, den oberrheinifchen Straßburg, Bafel, Freiburg, der Stadt 
Bern und dem Grafen Eberhard von Kyburg ein Bündniß, das bie 
zum 23. April 1329 dauern ſoll, und den 5. Juni treten demfel- 
ben die Landleute von Uri, Schwyz und Unterwalden bei. Später 
verlängern dann bie fchwäbifchen Städte, deren Zahl durch Ravens⸗ 
burg vermehrt erfcheint, und Bern das Bündniß um drei Jahre, 


ı Gtälin IH, 77. | 
2 Chronicon Colmariense, bei Böhmer, Fontes U, 85. 


13 


und biejer Verlängerung fchließen fich den 14. Januar 1329 auch 
die drei Ränder, der Graf vou Kyburg, Bifchof Rudolf von Eonjtanz 
und deſſen Bruder, Graf Ulrih von Montfort, an, während den 
16. Den deffelben Jahres die Städte ohne die drei Ränder und 
ihr Bündnig mit Straßburg, Baſel und Freiburg 
bis um 23. April 1331 verlängern. So haben nun allerdings die 
fhwäbifchen Städte von dem Verfuche abftehen müſſen, der uns in 
den Bünbdniffen von 1327 -entgegentritt, eine ganze Anzahl fehon be» 
ftehender kleinerer Bündniffe zu einem größeren Ganzen zu vereinigen ; 
die Verbindung mit den entfernten mittelrheinifchen Städten fcheint 
ganz aufgegeben worden zu fein, die oberrheinifchen und die drei 
Laͤnder treten nicht mehr in unmittelbare Berührung. Doc, hätte 
die Stellung, welche jegt die ſchwäbiſchen Städte und Bern einnah- 
men, indem fie nad) der einen Seite mit den Ländern im Gebirge, 
nach der andern mit den Städten am heine verbindet waren, die 
wichtigften Folgen haben künnen, wenn das Verhältniß länger ge- 
dauert hätte; ben drei Ländern, welde damals noch für ſich allein 
ftanden , war ein enger Anfchluß an einen Städtebund,, deſſen Glie- 
der Züri und Bern waren, ein Gebot ber Nothwendigteit; auch 
für Straßburg, Baſel und Freiburg bot dieſer den ſicherſten Rück⸗ 
halt, und fo hätte nach umd nad, eine innige Vereinigung aller drei 
Parteien nicht ausbleiben können. Allein noch ehe die drei Jahre 
vorüber waren, auf welche die Städte ihr Bündniß erftredt hatten, 
wurden fie in einen großen Bund der Städte ganz Schwabens hin- 
eingezogen, der ihre Aufmerkfamfeit vom Weften und Süden weg 
nach dem Norden hinlenkte '. Im %. 1330 Hatte ſich Kaifer Lud⸗ 
wig mit Deftreich verföhnt und wurde nun allgemein anerkannt. Die 
Reichsitände, die es bis dahin mit jenem gehalten hatten, und dar= 
unter waren aud) mandje rheinifche und ſchwäbiſche Städte, Huldig- 
ten ihm jest. Allein durch fein Verhältniß zum Pabfte blieb er fort- 
während in einer peinlichen Stellung, in der er ganz befonders einer 
zuverläßigen Stüße feiner Macht bedurfte; mit richtigem Blicke er- 
fannte er, daß er diefe nirgends beſſer finde al8 in den Städten, 
und fuchte jich durch vielfache Begünjtigungen ihre Anhänglichkeit zu 
erwerben. Wenn man es ihm aud) mit echt als großen Fehler 

en fann, daß er in Geldverlegenheiten fehr oft zur Verpfän⸗ 
dung von Reichsſtädten fchritt und dadurd die Selbitändigfeit derfel- 
ben den Fürften preisgab,, fo hat er doch diejenigen, die er beim 
Reiche behielt, in ihren Freiheiten nicht verkürzt, fondern auf alle 
mögliche Weife gefördert und mit der nöthigen Macht auszurüjten 
geſucht, daß fie den Fürſten gegenüber fich zu halten vermöchten. 
Eine befondere Aufmerkfamteit ſchenkte er den feinen Erblanden be- 


2 Indem fie die biöherigen Gombinationen ganz aufgaben, fchloffen im 
J. 1333 die Städte Zürich, Conſtanz, St. Gallen nebit Bafel, Bern und 
Solothurn ein Bündniß auf 5 Jahre mit den vorberöfterreihifchen Landvög⸗ 
ten, ben Gegnern ber Nöwweigerifgen Fidgenoffen, mit welchen fie früher ver: 
kündet geweien. Beg. 1 


H 


14 


nachbarten Städten Schwabens, die er im J. 1331 in ein großes 
Bündnig zum Schuge feines Haufes vereinigte. Zweiundzwanzig 
berfelben, Augsburg, Ulm, Biberach, Diemmingen, Kempten, Kauf 
beuren, Ravensburg, Pfullendorf, Ueberlingen, Lindau, Conftanz, St. 
Gallen, Zürich, Reutlingen, Rotweil, Weil, Heilbronn, Wimpfen, 
Weinsberg, Hall, Eßlingen und Gmünd vereinigten fich den 20. Nov. 
1331 mit den Söhnen des Naifers, dem Markgrafen Ludwig von 
Brandenburg und den Herzogen Stephan und Yudwig dem jungen, 
ihrem Lande Oberbaiern und dem Biſchof Ulrih von Augsburg. 
Das Bindniß follte zwei Jahre über den Tod des Kaiſers hinaus 
dauern und namentlic) auch ein feſtes Zufammenhalten der Verbün⸗ 
beten im Falle des Eintretens einer zwiejpältigen Kaiferwahl bewir- 
fen. Außerdem verpflichtete man fi) zu gegenfeitigem Beiltande ges 
gen alle widerrechtlichen Angriffe. Zu gemeinfamen Berathungen, 
die in der Regel in Ulm jtattfinden follten, hatte nach) Anordnung 
des Bündniffes Augsburg zwei, die andern Orte je einen Vertreter 
zu fchiden. Die Herzoge von Baiern jandten, im alle fie nicht 
felbjt anmwefend waren, zwei aus ihrem Nathe, außerdem ordneten fie 
ihren Hauptmann in Baiern dorthin ab. Der Biſchof von Augs- 
burg gab Einen Abgeordneten. Die Städte theilten fich in drei Ge- 
jellfchaften, von denen jede das Recht hatte, Herren und Reichsdienſt⸗ 
leute in das Bündniß aufzunehmen, dod) fo, daß diefe Feine Vertre⸗ 
ter zu den Berathungen ſchicken follten. Bei foldden Aufnahmen 
mußte die Gefellfchaft der Städte um Augsburg den Rath der Her- 
zoge und des Biſchofs einholen, die beiden andern Gefellichaften (der 
Städte jenfeits der Alb und der Städte um Conjtanz) waren von 
diefer Verpflichtung frei. 

Es ift diefes Bündniß das erfte, welches die Städte ganz 
Schwabens umfaßt, und die Bedeutung, welche e8 ihnen verleiht, ift 
eine fehr große. ‘Die ganze Einrichtung des Bündniſſes iſt der Art, 
daß die Städte gewiljermaßen einen befondern engeren Verein in- 
mitten deſſelben bilden; durch den Schlußartifel werden fie förmlich 
als ein ſolcher conjtituirt. In demfelben verfpricht der Kaifer, fo 
lange da8 Bündniß währe, feine der vorgenannten Städte zu trens 
nen, noch zu verfümmern, fondern fie bei allen ihren Rechten zu er- 
halten. Wenn fie aber Jemand ihrer Rechte berauben wollte, fagt 
er, „jo iſt unjer Gebot und Wille, daß fie einander beholfen feien 
gegen allermänniglic), außer gegen uns allein“. Damit war ausge- 
ſprochen, daß fie das Recht hätten, fo oft es ihnen gut dünfe, für 
fi zufammenzufommen und die Dlaßregeln zu ergreifen, die zur 
Aufrechthaltung ihrer Rechte, zur Vertheidigung ihrer Freiheiten bie 
geeignetften ſchienen. Solche Zugeftändniffe machte Ludwig den 
Städten, damit fie um fo geneigter jeien, wicht nur für ihn ale 
Kaifer, fondern auch für das bairifche Haus mit Gut und Blut einzu= 
jtehen, und er hat auch erreicht, dag fie ihm bis zu feinem Tode un⸗ 
verbrüchliche Treue gehalten haben. Durd) das Bündnig wuchs ihr 
Anjehn und es wurde jenes den fchwäbifchen Herren mehr und mehr 





15 


ein Gegenftand des Schreckens und des Hafjes!. Befonderes Auffehen 
erregte die Zerftörung der Kaubburgen Erenz und Stoßingen im Frühe 
Ing 1340. Um die Kluft zwifchen Herren und Städten, die ſich im⸗ 
mer mehr zu erweitern drohte, fo viel als möglich zu fchliegen, änderte 
der Kaiſer durch einen zu Nördlingen im Juni defjelben Jahres erlafjenen 
Prief das Bündniß von 1331 um, indem er mit den 22 fchwäbifchen 
Reichsſtädten, feinen Söhnen und dem Biſchof von Augsburg jegt 
noch die Grafen von Wirteniberg, vou Oettingen, von Hohenberg, 
von Werdenberg, und andere Herren verbiindete, und neun Männer 
ernannte, welche über Die gegenfeitig zu leijtende Hilfe entjcheiden 
ſollten. Die ganze Verbindung befam mehr den Charakter eines Land⸗ 
jridens und wurde auch als folcher bezeichnet, mährend die von 
1331 immer nur Bündniß geheigen hatte. Zum Hauptmann der 
Zerbündeten bejtimmte der König den Herzog Stephan. Ein ganz 
ähnliches Bündniß brachte er damals auch in Franken zu Stande 2. 
Die Gefahr, dag Schwaben fich in zwei feindliche Heerlager theile, 
war jett vorerjt befeitigt, Herren umd Städte waren zu Cinem 
Bäündniſſe vereinigt, aber eine befonders enge Verbindung erwuchs 
darans nicht. Die Städte fahren fort, für jich ein befonderes Gan⸗ 
‚es zu bilden, das ſich bisweilen mit dem König und deffen Söhnen 
zu gemeinfamen Unternehmungen vereinigt, nachdem die Neune ges 
ſprochen und die beiden Theile fich des weitern verjtändigt haben 3. 
Damit die Neune den Städten gegenüber ſich nicht etwa Webergriffe 
erlauben, thut ihnen der Kaifer fund, er habe den „im Bündniß zu 
Schwaben“ befindlichen Reichsftädten die Gnade gethan, daß fie nur 
um Rahm, Raub, Brand und unrechtes Widerfagen vor den Land⸗ 
frieden geladen werden fünnten, um alle andern Sachen dagegen in 
ihren Städten felbft richten dürften und follten +. — Nad) dem Tode 
des Kaifers, der am 11. Oct. 1347 erfolgt, fällt denn aud) das 
weitere Bündniß fofort auseinander, die Städte dagegen oder wenig⸗ 
ftens die Mehrzahl unter ihnen halten fejt zufammen. In dem neuen, 
den 22. et. abgefchlojfenen Bündniſſe fehlen von den 22 des früs- 
bern die drei Städte Conftanz, Zürich und St. Gallen, die wieder 
ein bejonderes Vündniß für fich eingehen, in welches fie auch die an 
Teftreich verpfündete Reichsftadt Schaffhaufen aufnehmen (den 27. Oct. 
1347), ferner Kempten ; dagegen treten neu hinzu Nördlingen, Yeut- 
ich, Wangen und Buchhorn. Der Bundbrief fchließt fich im Gans 
sm dem von 1331 an. Wenn fehon in dieſem der Kaiſer den Städten 
namentlich erlaubt hatte, fich gemeinfchaftlic) zu vertheidigen gegen 
Alle, die fie von ihren Rechten, Freiheiten und Gewohnheiten drin- 
gen wollten, jo fanden fie es nöthig, jett, wo fie noch nicht wuß⸗ 
ten, weß fie fi) von dem neuen Könige zu verfehn haben wirden, 
diefen Satz befonders zu betonen. „Wäre and), fo heißt es am Schluſſe, 
da der Städte irgendeine, die in diefer Bündniß find oder nod) 
darein kommen, irgend ein König am Weiche verſetzen oder verfiim- 
ı Joh. Vitoduranus, ©. 156 ber Ausg. von ©, v. Wyß. 

2 Reg. Boica VII, 283. 3 Reg. 25. + Reg. 26. 





17 


Es iſt natürlich, daß K. Karl an dieſer ſtolzen Haltung der 
Städte fein Gefallen fand; er hatte fie anerkennen müſſen, um in den 
ſichern Beſitz des Thrones zu gelangen; nachdem er ſich aber. auf 
dieſem feſtgeſetzt hatte, befchloß er, Feine ſolche eigenmächtigen VBerbin- 
dungen mehr zu dulden. Sie ohne weiteres aufzulöjen, war nicht 
möglich, er mußte den Städten, wenn fie dieſe Schugbündniffe auf- 
geben follten, an deren Stelle etwas anderes bieten, und dies glaubte 
er zu finden, indem er fie unter feiner Leitung in Landfriedensbünd- 
niffe vereinigte. _ Stäbtebündniffe, durch Faiferliche Autorität zum 
Schutze des Landfriedens errichtet, waren in Schwaben jeit König 
Albrecht mehrfach, vorgefommen !. Zwiſchen Schugblindnijfen aber, 
welche die einzelnen Reichsſtände eingiengen, um ihre Freiheiten und 
isre fpeciellen Intereſſen gemeinfam zu fördern und zu vertheidigen, 
dergleichen die zulett befchriebenen Vereinigungen der fchwäbifchen 
Etüdte waren, und Bündniſſen, welche zur Handhabung des durch 
faiferlide Machtvollkommenheit angeordneten Yandfriedens, zur Durch⸗ 
führung gemeinſchaftlicher Maßregeln gegen die Störer defjelben, zur 
Peitrafung von Mord, Raub, Brand und unrechtem Widerfagen 
aruhtet wurden, war ein großer Unterfchied. Jene munterten die 
Stände zu einem felbitändigen Auftreten und je nad) Umftänden zu 
Biderfetlichkeit dem Kaifer gegenüber auf und mußten zu einer Aufs 
fung des NReichsorganismus führen, diefe dagegen ergänzten und 
anteritiitsten die faiferliche Strafgewalt. Ein Kaiſer, der, wie Lud⸗ 
wig, mit ganz außerordentlichen Schwierigkeiten zu kämpfen hatte, 

auch zu außerordentlichen Mitteln greifen und, um an den 
Städten eine feite Stütze zu haben, ihnen eine Selbftändigfeit geben, 
welche über die, Unterthanen gebührende, Stellung hinausgieng, in 
gwöhnlichen Zeiten durfte diefelbe nicht geduldet werden. Das er- 
tannte Karl gar wohl, und er hat auch den Grundfag, daß feine an= 
dern als Landfriedensbiindniffe innerhalb des Reiches durften errichtet 
werden, in der goldenen Bulle zum Reichsgefege erhoben. Die Aufe 
(jung ber bisherigen Verbindungen unter den fchwäbifchen Städten 
mad die Bereinigung der lettern in ein Landfriedensbündniß vollzog 
er auf einem Neichstage zu Nürnberg iin %. 1350 ?. Es wurde 
des Bündniß in den Jahren 1352 8, 1353 * und 1356 erneuert. 

1 ©. Reg. 1. 6. 7. 12. 

2 1350. mense Maji rex Rom. Karolus in oppido Nurenberg festum 
puthecostes peregit, ibique conjurationem civitatum Suevie dissolvit, man- 
dens et volens, ut nobiles et civitates se mutuo defenderent et juvarent con- 

tieie invasores. Heinr. a Diessenhoven, kei Stälin III, 251. 

5 Graf Albrecht von Dettingen, der ben frühern Lanbfrieden zu Nürn— 
berg befchworen hatte, tritt am 13. Dec. 1352 der Verlängerung befielben 
ki. Reg. 35. Der Ausdrud „jüngſt“ von einer Begebenbeit gebraucht, die 
ser mehreren Jahren ftattgefunden, darf nicht befremden. S. die folgende Anm. 

% Heinr. Rebdorf, bei Freher, scriptores rer. Germ. I, 639. Alb. 
Agentinensis,, bei Urstisius, German. hist. II, 159. — Auf bdiefen in 
Um (Stälin IU, 251 Anm. 5) aufgerihteten Landfrieden beziehen fich bie 
Bräbte, wenn fie im Bündnißbriefe v. 1356 fagen: „Wann der Landfrib, 
ir unfer gnediger Herre Kayfer Carol von Rome nun nechſt ze Ulme ge- 


IL 2 


18 


Aus dem fetten Jahre ift uns die Fündnigurkunde erhalten. Sie bat 
viel ichkeit mit den Bimdniffen von 1347 ımd 1349. Die Ein- 
theifung in Gefellfchaften, die Bumdesverfammlungen, die regelmäßi- 
gen Zujammenfünfte zweimal im Jahre, alles erimmert Iebhaft an 
jene; wir fehen, daß Karl mit großer Sorgfalt zu Werke gieng, um 
den Städten den Unterjcjied diefer neuen Bündniffe von den alten 
weniger fühlbar zu machen. Auch gewährte er ihnen innerhalb der 
Grenzen, die er zu ſtecken für gut fand, einen möglichſt freien Spiel⸗ 
raum, namentlich), wenn er ihre Hilfe zu feinen Sweden brauchen 
fonnte. Dieß war befonders der Fall, als es galt, den Anmaßun⸗ 
gen und den hochfliegenden Plänen feines Schwiegerfohnes, bes Her⸗ 
zogs Rudolf von Defterreidh, entgegenzutreten. Diefer Fürſt, der 
durch Annahme pruntender Titel fowie kaiſerlicher und königlicher 
Zierdben den Kaifer verlette, auch Anfprüce auf Böhmen und be- 
nachbarte Landfchaften laut werden ließ, fchloß den 26. Sept. 1359 
ein Bündniß mit den wirtembergifchen Grafen Eberhard und Ulrich 
ab, in welchem diefe unter anderm verfpraden, wenn er einft zum 
König follte erwählt werden, ihm zu Helfen, wofür er ihnen das 
Gleiche zufagte!'. Schr gelegen kamen nun dem Kaifer die Hagen, 
welche die fchwäbifchen Städte gegen mannigfache Uebergriffe der Gra- 
fen erhoben. Als Graf Eberhard im Sommer 1360 auf den Reichs⸗ 
tag zu Nürnberg vorgeladen nicht erjchien, beſchloß Karl den Krieg 
gegen ihn; unter großer Theilnahme der Städte wurde er begonnen, 
und bald war Eberhard in Schorndorf von einem zahlreichen Bela» 
gerungsheere eingefchloffen. Allein ftatt den Krieg bis zu einer gänz- 
lichen Demüthigung des Gegners fortzuführen, wie die Stäbte wohl 
mochten gewünfcht haben, nahm ihn jest der Kaifer, als er fich zum 
Nachgeben bereit zeigte, unter fehr milden Bedingungen zu Gnabden 
auf, und bald finden wir die Grafen wieder in ber engiten Verbin⸗ 
dung mit ihm. Die Hauptfache war, daß fie dem Bündniß mit 
Herzog Rudolf entfagten, woburd e8 dem SKaifer möglich wurde, 
biefen wieder in die gebührenden Schranken zurückzuweiſen. Während 
ber Seit der Gefahr hatte fich die Verbindung der Stäbte mancher 
Gunſtbezeugung von Seiten des Kaifers zu erfreuen gehabt, er Hatte 
ihnen im Yan. 1359, wahrfcheinlich bei Gelegenheit einer Erneuerung 
bes Yandfriedens die Zuficherung ertheilt, daß fie für alle Thaten, 
bie fie von des Reiches und des Landfriedens wegen unter des Reiches 
ahnen und Bannier vollführen wilrden, nirgends follten zur Ver⸗ 
antwortung ftehen als vor ihm und dem Reiche und dem Faiferlichen 
Hofe. Ein ähnliches Verjprechen gab er ihnen den 22. Juli 1860, 
als er ſich rüftete, gegen Wirtemberg auszuziehen. — Seit dem Juni 


bot und fazt, nun uf ben negften Sant Martind Tag ußgat“ u. f. f., fo 
felen fie übereinfommen „ben Frid, den der obant. unfer gnediger Herre Kai: ' 
fer Karl num jüngft gemadt hat, mit allen Studen, Bünden und Artifeln 
nun für fi bin ungevorli war und ftet halten und han wellen, ala berfelb 
Irid vormalz ift gemacht“ u. f. f. 

ı Stälin III, 262 ff. 


19 


1359 war übrigens ihr Bündniß anders organifirt; 29 Städte und 
einige Herren, Biſchof Markward von Augsburg, die beiden Grafen 
Kudwig von Dettingen und die beiden Grafen Ulrich von Helfenftein, 
waren zufammengetreten bis zum 11. Nov. 1361. Elf Männer, 
fünf von den Städten, fünf von den Herren und einer vom Kaifer 
ernannt , bildeten die Behörde, welche an ber Spite des Bündniſſes 
find. Es follte dajjelbe bis zum 11. Nov. 1361 dauern; wie es 
nad) feinem Ablaufe gehalten wurde, ift nicht befannt; erft aus dem 
%. 1370 haben wir wieder Nachricht von Auffegung eines Landfrie⸗ 
dens, der am 6. December auf DVeranftaltung des Taijerlichen Haupt- 
manns in Baiern, Boreſch von Riefenburg, zu Stande fam. Er 
ſchließt ſich wieder mehr an jene frühern an, jedoch mit der befon- 
dern Zuthat, daß die 30 Städte, die ihn abfchliegen, in der Berfon 
bes Grafen Ulrich des ältern von Helfenftein einen Hauptmann er- 
halten. Der Beitritt weiterer Herren wird al& möglich vorausgefegt. 
Diefe und die Städte gruppiren ſich nicht, wie bei den frühern, in 
drei, fondern in zwei ©efellfchaften oder Reviere, wie fie hier heißen. 
Wer irgend etwas vor den Yandfrieden bringen will, wendet fid) an 
ben Hauptmann , und diefer mahnt in Sachen, welche die Herren 
und Städte unterhalb der Alb betreffen, diefelben nad) Eßlingen, und 
diefe, Herren fowohl als Städte, ſchicken Boten aus ihren Räthen 
dorthin; betreffen fie diejenigen oberhalb der Alb oder gehen fie beide 
Keviere an, fo mahnt er nad) Ulm. Außerdem finden alle Jahre 
zweimal am St. Gallen- und am St. Walpurgtage in Ulm regel- 
mäßige Zuſammenkünfte Statt. Dauern foll der Landfriede bis zum 
23. April 1375. Er war gewiß recht zweckmäßig und für die Städte 
vortbeilhaft eingerichtet, erregte aber dadurch die Erbitterung der ftädte- 
feindlichen Herren. Am 6. Januar 1372 famen viele Edelleute und 
Kitter in Weißenhorn zufammen und verbanden ſich wider Jeder⸗ 
mann, ausgenommen wider ben römifchen Kaifer, Baiern und Wir: 
temberg. Mußte die fchon die Städte beumruhigen, fo geriethen fie 
vollends in Aufruhr, als im Februar der Graf von Helfenftein bei 
feinem Heimritt vom Hoflager des Pfalzgrafen Ruprecht durch einige 
Edelleute überfallen und gefangen genommen wurde. Allgemein fah 
man den Grafen Eberhard von Wirtemberg als den Anftifter dieſes 
Friedensbruches an. Ob die Befchuldigung begründet war oder nicht, 
iſt fchwer zu fagen ', in jedem Fall aber ward Graf Eberhard der 
Greiner, der feit dem Tode feines Bruders Ulrih, 1366, die Re 
gerung in Wirtemberg allein führte, die Seele aller jtädtefeindlichen 
Beftrebungen.. Daß gerade eine Perfönfichkeit wie er damals den 
Etäbten gegenüberftand, ift für den endlichen Ausgang des großen 
Kampfes zwifchen diefen und den Herren, der die zwei nächſten Jahr: 
zehnte ausfüllt, von den wichtigften Folgen gewefen. Wenn wir an 


2 Graf Johann von Helfenftein, ber Sohn Ulrichs, gab am 22, Aug. 
1375, zu Urach, Brief und Siegel, „daß er wiber den Grafen Eberhard nichts 
edet babe, das wider beffen Ehre wäre, von wegen bed Gefängnifjes und 
es Todes ſeines feligen Vaters‘. Stälin II, 309 Anm. 1. Sattler 143. 


2% 


20 


den Wirtembergifchen Grafen im Allgemeinen die Zähigfeit und Aus» 
dauer bewundern müſſen, mit welcher fie auch durch die gefährlid; 
ften Zeiten hindurd) ihr Haus von Heinen Anfängen zu größter Be- 
deutung emporbrachten, während rings um fie her die angefehenjten 
Gefchlechter zu Grunde giengen und ein Stüd Yandes nach dem an⸗ 
dern verlaufen mußten, fo treten uns biefe Cigenfchaften am Grafen 
Eberhard in befonders auffallendem Grade entgegen. Er war von 
großer perfönlicher Tapferkeit, dabei aber Hug und liftig und felbit 
in den fchlimmften Augenblidlen von feiner Geiltesgegenwart nicht 
verlaffen. So trogig und hochfahrend er fonft war, fo wußte er ſich 
doch zur rechten Zeit nachgiebig zu zeigen. Wegen feines zugreifen- 
den zanffüchtigen Wefens war er bei Städten und Fürſten gleicher: 
weife verhaßt, aber die legtern fahen in ihm den Fräftigiten Verthei⸗ 
diger ihrer Intereſſen den Städten gegenüber und fchloffen ſich ihm 
willig an, wenn es den Kampf gegen diefe galt !. 

Als die Gefangenschaft des Grafen von Helfenftein befannt ge- 
worden war, rüfteten fi) die Städte zur Rache. In der Oſterwoche, 
Ende Merz, griffen fie zu den Waffen, um ihn zu befriegen. Allein, 
als er die Kunde vernahm, ſammelte er rajch ein Heer und rückte ihnen 
entgegen. Er traf den 7. April 1372 die ftädtifchen Truppen bei Altheim 
auf der Alb, fünf Stunden nördlid) von Ulm. Bevor die Augsburger, 
durch die ausgetretene Donau aufgehalten, bei denfelben eintreffen 
fonnten, war er herrangerüdt und erfocht einen vollftändigen Sieg. 
(Segen 250 der Städter blieben auf dem Kampfplag, unter ihnen 
der Hauptmanıt, enrid Beilerer von Ulm. Sehr Viele wurden 
auch gefangen ?. iefe Niederlage rief in den Städten große Ent» 
muthigung hervor. In Ulm war die Stimmung des Volkes fo, daß 
man einen Auflauf befürchtete und Viele aus der Stadt wanderten, 
um wicht die Striegsfoften mitbezahlen zu müffen 3. Das Legtere kön⸗ 
nen wir uns wohl erklären, wenn wir vernehmen, daß die Augsbur- 
ner 3. B. dem Grafen 4000 fl. entrichteten, damit er nicht in ihr 
(Hebiet einriide +. Der Graf von Helfenftein aber warb in feiner 
Sefangenfhaft am Morgen des 5. Mai mit abgefchnittenem Halſe 
an feinen Bette gefunden. 

Das Betragen des Kaiſers nach diefer fchändlichen Ermordung 
feines Yandfriedens- Hauptmanns und der Niederlage der auf feine Ver⸗ 
anlaffung Hin zufammengetretenen Städte war nun durdaus nicht fo, 
wie es ſich bei der Stellung die er cinnahm gebührt hätte. Er brachte 
zwar eine Ausföhnung des Grafen von Wirtemmberg mit den Städten 
zu Stande, fie mag aber für die Tegtern nachtheilig genug ausgefallen 
fein; in jedem alle ſchämte er fich nicht, ihr Unglück auf die ges 


ı &o berichtet Alb. Argentinensis 153 aus ben erflen Regierungsjahren 
K. Karla: multi episcopi et comites, qui Eberhardum de Wirtenberg habere 
vredebantur oxosum, propter ejus virtutes et quia malam timuerunt conse- 
quentiam, si adversus illum oppida praevalerant, se mutuo colligarunt etc. 
° Die Quellen über diefen Krieg f. bei Stälin III, 308 Anm. 4. 
® Rog. 67. + Raul v. Stetten, Geſch. v. Augsburg I, 118, 


21 


meinfte Weife auszubeuten, indem er im folgenden Jahre, als er mit 
der Erwerbung der Dear! Brandenburg befchäftigt war, die fchwerften 
Geldſummen von ihnen erpreßte ', was bei der Erſchöpfung, in welche 
fie der Krieg gebracht hatte, doppelt drüdend für fie war. Syn 
Angsburg, deifen Schakung nad) dringenden Bitten von 45000 auf 
37000 fl. gemildert wurde, konnte man das Geld kaum auftreiben, 
obgleich die Neichen ihr Silbergefchirr hergaben; man mußte bie 
Pflegegüter der Watjen angreifen, doppelte Steuern eintreiben, Leib⸗ 
renten verlaufen und alle Waaren mit einem neuen Ungelde belajten ?. 
Im gleichen Fahre verpfändete er die Städte Donauwörth, Dinkels⸗ 
bübl und Bopfingen, die er fo eben noch als Reichsſtädte beichatt 
hatte, an 09 Dtto von Baiern ®. 

Die Taiferlichen Landfrieden hatten ſich den Städten als unge- 
nügende Einrichtungen erwiefen, und doppelt ungenügend mußten fie 
jegt ericheinen, als die größten Gefahren gerade von Seiten des 
Kaiſers felbft herkamen. Ein feites felbjtändiges Zufammenhalten 
wurde mehr al8 je zur dringenden Nothwendigkeit. Wir finden num 
auch, wie fie gerade in diefer Zeit ber tiefften Demüthigung fich aufs 
Rene aufraffen und eine Verbindung fchließen, die fie bald zu einer 


nie geahnten Macht emporhebt. 


? Reg. 74 fi. Vergünftigungen, die er einigen gewährte, um die Beſcha⸗ 
tung etwas weniger brüdend zu madhen, f. Reg. 70 ff. — Am flarften drüdt 
ab über das Verfahren Karls ein gleichzeitiger Bericht von 1373 bei Riedel, 
Cod. dipl. Brandenb. IIC, ©. 2, aus, auf den mich Herr Oberftubient. v. Stäs 
Iin aufmerffam gemacht hat. Dort heißt ed, er habe zum Anlauf der Mark 
Srandenburg ald Haupitheil der Summe gegeben quasi ducenta milia flore- 
Sorum, quam summam quedam civitates imperii in Suevia in emendam ejus, 
quod alis in gwerris imperialibus adversus Bavaros operam et eflicaciam 
debitas, ut tenebantur, non dederant, vel aliter, persolverunt. 

2 Baul v. Stetten 1, 120 ff. 8 Reg. 80. 31. 


I. 


Gründung des Bundes umd Beielfigung defielben burd 
den glüdlichen Krieg gegen Wirtemberg. 





Am 10. Zuni 1376 fand in Frankfurt die Wahl Wenzels zum 
römifchen Könige Statt, nachdem, wie man allgemein wußte, fein 
Bater die Stimmen der Fürften mit ſchwerem Gelde erfauft hatte. 
Diefe Thatfache war geeignet, bei den fchwäbifchen Neicheftädten bie 
größte Bejorgniß hervorzurufen. Nach Allem, was vorhergegangen, 
mußte ihnen die Befürchtung nahe liegen, er werbe für die Sum⸗ 
men durch welche er die Fürjten und Landesherren zur Anerfennung 
Wenzels bewog zur Verpfändung einzelner Städte fchreiten, und in 
der That wurde bereits am 27. Juni Donauwörth, das mit Din 
felsbühl und Bopfingen erft kürzlich aus bairifhem Pfandbefig ans 
Reich zurückgekommen war, aufs Neue an die Herzoge Otto, Ste 
phan und Friedrich verpfündet. Es Tieß fich erwarten, daß diefer 
Verpfändung bald andere nachfolgen würden. Wollten die Städte 
denfelben Einhalt thun, fo war feine Zeit zu verlieren, fie mußten 
augenblidlih in ein Bündniß zufanmentreten und gemeinfam aflen 
Eingriffen in die Rechte und Freiheiten eines jeden Einzelnen wiber- 
ftehen. Es gehörte Muth dazu, im gegenwärtigen Augenblid ben 
Schritt zu wagen und dem Kaifer und den Fürften die Spitze zu 
bieten. Die Anregung dazu gieng von Ulm aus, ein weifer Bürger- 
meifter dafelbjt, beißt e8, habe den Rath gegeben ', und ſchon am 
4. Yuli vereinigten fich die 14 Städte Ulm, Conftanz, Ueberlingen, 
Ravenfpurg , Lindau, St. Gallen, Wangen, Buhhorn, Reutlingen, 
Rotweil, Memmingen, Biberach, Isny und Leutkirch zu einem Bund⸗ 
niffe, das bis zum 23. April 1380 dauern follte, unter folgenden 
Beitimmungen: 

1. Wenn irgend ein Herr, Ritter oder Knecht oder eine Ge 
fellfchaft, oder wer es fonit wäre, die verbündeten Städte alle zu« 
fammen ober eine oder mehrere an ihren Rechten, Freiheiten, Brie- 
fen und guten Gewohnheiten, bie fie von Königen oder von Kaifern 
haben, befümmern, angreifen oder drängen wollte, e8 wäre mit Scha⸗ 


I Detmar, Lübed. Ehronif, Ausg. v. Grautoff I, 309. 


— ⸗ 


23 


ug, mit Ver ſetzen oder mit andern Sachen, fo leiften die ſämmt⸗ 
in Städte einander Hilfe, gleich als ob die Sache ihnen allen ge 
Kein ſei. Niemand wird ausgenommen, gegen die man nicht hel- 
a ſoll; bloß verpflichten fie ſich, dem heil. Reiche fein Recht zu 
fa und zu Halten. 

2. Ergeht irgend eine Mahnung vom Kaifer, vom Könige oder 
w jemand wor ihretwegen an bie Städte, fo darf feine Stadt 
az antworten oder ihren Vortheil fuchen, fondern alle follen zu- 
muen berufert werden, und nad) dem, was die Mehrheit erfennt, 
wdie Antwort ertheilt. Würde aber irgend eine Stadt darüber 
axgriffen, fo werfen fid die ſämmtlichen Städte auf die Herren 
x deren Diener welde den Angriff machen wollen, um bdenfelben 
wenden. Umd wollte ein Diener der betreffenden Herren ftilfe 
ka, den joll mar dennod angreifen, es wäre denn, daß er ſchwö⸗ 
mm Briefe Darüber geben wollte, daß er binnen 4 Jahren nichts 
na die Städte unternehmen werde. 


3. Wenn ein Ritter oder Knecht Einen beherbergt oder befü- 
fit, der den Städten Schaden zufügt, ober es vermehren will, daß 
ia leztern Koſt zugeführt werde, fo foll auch er angegriffen ober 
gihädigt werden. 

4 Wird eine der Stäbte angegriffen von der vorgenannten 
Iırtlel wegen, und der, welder den Schaden gethan hat, ift fo gefef- 
im, da Die beſchädigte Stadt glaubt, mit Erfolg einen Angriff gegen 
ia mternehmen zu fönnen, ſich aber zu ſchwach findet um es allein 
atlım, Jo Tann fie von den nächſten Städten fo viele als fie nö« 
tig findet zu Hilfe mahnen. Iſt aber der Feind fo geſeſſen, daß 
der Angriff beffer von einer andern Stadt ausgeht, fo hat dieſe auf 
Anfuhen der befchädigten denfelben zu unternehmen, und Tann dann 
ad ihre Nachbarn auffordern, ihr behüfflich zu fein. 

5. Wird eine Stadt belagert oder font bedrängt, fo mahnt fie 
die nächften drei Städte, daß ihr diefe ohne Verzug au Hilfe kommen 
mit ihren Leuten, mit ihrem Zeug, mit Koft und anderem, und ges 
nügt das nicht, fo werden auch von den übrigen wieder die nächften 
gemahnt. Die Koften der Unternehmung aber tragen die verbindeten 
Städte gemeinfam und berichtigen fie binnen zwei Monaten fo, daß 
die Verteilung derfelben auf die einzeluen Städte nach dem Verhält- 
niß der Reichſſteuer, welche eine jede bezahlt, zu gefchehen hat. 

6. Wunſchen andere Städte, Herren, Ritter oder Knechte ber - 
Berbindung beizutreten, fo mögen fie e8 bringen an welche Stadt 
fie wollen; diefe mahnt, wenn fie es für gut findet, die Städte darum 
sufammen, und was dann die Mehrheit über die Aufnahme entſchei⸗ 
det, dabei bleibt es. 

7. Wird Yemand angegriffen einer Sache wegen, welche diefe 
Berbindung betrifft, jo helfen ihm die Uebrigen bis zum Austrage 
berfelben auch über die Zeit der Verbindung hinaus, 

8. Die aufgefeiten Artilel können gebejjert werden nad Er» 





24 


fenntnig der Mehrheit, gemindert jedoch nur, wenn Alle einhellig 
übereinftimmen. 

9. Alle Mahnungen (d. h. alle, welche die gefammten Städte 
betreffen) gefchehen gen Biberach, e8 wäre denn, daß die Städte ei- 
ner andern gelegenen Stadt zu Rathe würden. 

10. Zu den gemeinfamen Berathungen fchiden die von Ulm 
und die von Conſtanz je zwei, die Übrigen Städte je einen Botfchafe 
ter aus ihren Räthen. 

11. Als Strafe für das Nichtbefchiden der Verſammlungen, 
ohne daß wirkliche Noth gehindert hat, zahlt eine Stadt 20 Gulden; 
ausgenommen find St. Gallen, Isny, Leutkirch, Wangen, Buchhorn, 
die nur je 10 Gulden zahlen. 

12. Wird eine Stadt des Uebertretens ber vorftehenden Artikel 
durch die Erfenntniß der Mehrheit überwiefen, fo zahlt fie von je 
100 Pfunden ihrer gewöhnlichen Steuer 200 Pfund Strafe, e8 wäre 
denn, daß fie eidlid) verficherte, daß wirkliche Noth fie gehindert. 

13. Die Verbindung foll dauern bis St. Georgen Tag über 
3 Yahre, es wäre denn, daß ein Bund und Landfriede aufgerichtet 
würde, für deffen Annahme ſich wenigitens zwei Drittel der Verbüns 
deten erklärten. 

Betrachten wir dieß Bündniß genau, fo finden wir, daß es, ent» 
fprungen aus dem Bemußtfein einer unmittelbar drohenden Seſa 
nur zur Abwendung dieſer gegründet worden iſt. Während es z. B. 
im Bündniſſe von 1347 ganz allgemein heißt: „Wir ſind auch ge⸗ 
meinlich übereingekommen, um alle Kriege und Stöße, die uns gemein⸗ 
lich oder jegliche Stadt beſonders anfallen, welches Wegs uns die 
ankommen, daß wir alle gemeinlich mit Leib und mit Gut einander 
beholfen ſollen fein, fofern wir fünnen und mögen, ohne Gefährde“, 
und weiterhin: „Wäre aud), daß der Städte eine, bie in diefer Bünd⸗ 
niß find oder noch darein kommen, von Jemand wider Recht ges 
fchädigt würden, an Leuten oder an Gütern, fo mag diefelbe Stabt 
zu friiher That wohl thun, was fie fann und mag, auch wohl zu 
ihr rufen und mahnen, welche fie da in dem Kreis in der Nähe ha⸗ 
ben mögen“, u. f. w., fo ift da8 von 1376 fpeciell gegen die gerich- 
tet, welche die Städte von ihren Rechten, Freiheiten, Briefen und 
guten Gewohnheiten drängen wollen. Wenn nun troß biefer Ber 
ſchränkung eben diefes Bündnig nad und nad; eine ſolche Bedeutung 
erlangt hat, daß es zulegt die Gefammtheit der füddeutfchen Reichs⸗ 
ftädte zu einem beinahe unabhängigen Staate verbunden, fo liegt ber 
Grund darin, daß der Punkt, welchen e8 berührt, gerade ber ift, 
der am meiften geeignet war, die Städte zufammenzuhalten. Hatte 
man ſich einmal über diefem Punkte zufammengefunden, fo gefchah 
es von jelbit, daß man auch in andern zufammenhielt und ſich je 
länger je inniger in allen Beziehungen aneinander ſchloß. Wenn in 
der Verlängerung von 1382 das Bündniß auch als zum Schu ge- 
gen Raub, Mord, Brand ımd unrechtes Widerfagen gegründet erfcheint, 
jo haben die Städte wohl ſchwerlich diefen Zufag aufgenommen, um 





26 


kommen, wodurch diefe fich verpflichteten, in den nächſten Fahren ns 
gegen fie zu unternehmen. Als der Tag erfhien, an welchem über 

den Frieden folfte berathen werden, fandten fie aber ihre Boten nicht 
nad) Nürnberg, indem fie behaupteten, die Amtleute des Grafen von 
Wirtemberg hätten den Stillftand gebrochen. Ohne ſich auf die Ber _ 
mittlungsvorfchläge deſeben einzulaſſen, fielen ſie raubend und bren⸗ 
nend in fein Land !, Kaifer, getreu feinem Grimdfage, zur Dar⸗ 
niederhaltung ber —*85 der einen Reichsſtände die Eiferſucht 
der andern als die vornehmſte Waffe zu gebrauchen und die Ban 
Kräfte für feine Erblande aufzufparen, trat, nachdem der Verſuch, bie 
Sache rafch zu beendigen, mißlungen war, vom Scauplage ab; er 
begab fich nach der neuerworbenen Mark Brandenburg, wo feine Ges 
genwart winfchenswerth war, und ließ die Yürften und Herren, bie 
ihm ins Feld gefolgt waren, und denen auf feine Bemühungen bin 
jett, nachdem bie bairifchen Vermittlungsverfuche zu Teinem weitern 
Erfolge geführt Hatten, auch Herzog Stephan beitrat, ihre Kräfte an 
den Städten verfuchen. Die Reichsverweferfchaft in Siüddeutfchland 
follte während feiner Abwefenheit der junge König Wenzel führen. 

Sobald der Abfagebrief Herzog Stephans nad) Ulm kam, zogen 
die Bürger vor das benachbarte, ihm angehörige Weißenhorn, verwü⸗ 
ſteten die ganze Umgegend und führten viele Leute mit ſich nach Hauſe. 
Bald darauf, in der Woche vor Weihnachten, kam der Derzog felbft 
nad Alpe zum Grafen Heinrich von Werdenberg, feinem Verbin. 
beten. Die Ulmer ſchickten 80 gute wehrliche Gefellen zu Fuß mit 
langen Spießen gen Alped, die wurden von den Alpedern itberfal- 
len, richteten aber unter denfelben eine Niederlage an, tödteten viele 
Ritter, Knechte und Pferde, trieben die Uebrigen in die Flucht und 
führten die Beute, die fie gemacht umd die ihmen jene hatten abneh- 
men wollen, ſammt dem Barmer des Herzogs mit fi in die Stadt. 

Hierauf begannen ber Bifchof von Eichftädt als Diener der Her- 
ren don Baiern, Herzog Friedrich von Ted und der von Heideck bie 
Belagerung von Kaufbeuren; allein der Sturm, den fie verfuchten, 
wurde abgefchlagen, Herzog Friedrich felbjt in den Arm vermundet 
und das Dee zum Abzuge genöthigt. 

Auf diefe beiden Niederlagen Hin ftand Herzog Stephan vom 
fernern Kampfe ab. Er folgte wahrfcheinlich hiebei dem Rathe — 
klugen Bruders Friedrich, der es für beſſer hielt, wenn das 
Baiern, das im Beſitze der oberſchwäbiſchen Landvogtei war, ſi nit 
den Städten in ein gutes Einvernehmen fette, wie er ſchon 
der Belagerung von Ulm es fich nicht hatte verbrießen Laffen, perfönlich 
zwifchen dem Kaifer und ihnen hin und ber zu reiten ?, um eine Ver⸗ 
mittlung zu Stande zu bringen. So hielt fich Vaiern vom Kampfe 
fern und ſchaute ruhig zu, wie Graf Eberhard, der Landvogt Nie 
derfchwabens, feine Kräfte in nutzloſem Kampfe mit den Stüdten 


2 Reg. 89. Zengg 2 
⸗ Die Städte — ihm dafür 500 Goldgulden. Reg. 92. 





27 


wfrteb und am Ende genöthigt wurbe, feine Landvogtei aufzugeben, 
xeiche dann Herzog Friedrich als den Lohn feiner fchlauen Politik in 
Impfang nahın. 
Krieg wurde jett hauptſächlich zwifchen Wirtemberg und 
ten geführt. Eine wichtige Verftärfung hatten die letztern 
ch den Beitritt von Eflingen. Obgleich diefe Stadt ſich 
benen befand, welche durch den Verpfändungsbrief des Kaifers 
den Grafen bedroht waren, hatte fie doch mit ihrem Eintritt in 
Bünduig bis zum 1. Januar 1377 gezögert und ließ ſich bei 
elben eine Reihe von Vergünſtigungen zufihern, u. A., daß jie 
das Recht habe, zwei Abgeordnete zu den ‚Städtetagen zu fchicken und 
daß es ihrem Belieben anheimgeſtellt bleibe, wie viel Spieße ſie zu 
dem gemeinſamen Truppenaufgebote ſtellen wolle. Die Stadt mochte 
gezögert haben, ſich den im offenen Kriege mit Wirtemberg befind« 
lichen Städten anzuſchließen, ba fie durch ihre Lage den feindlichen 
Angriffen mehr als jede andere ausgejeßt war; feit Weihnachten bes 
fanden fich deshalb auch ftädtifche Hilfstruppen in ihren Mauern. 
Durch ihre Aufnahme gewannen die Städte außerordentlich viel, denn 
hatte Wirtemberg an ben beiden bedeutendften nieberfchwäbifchen 
Neacheftädten, Reutlingen und Eßlingen, zwei fehr gefährliche Feinde, 
weiche den Kern feiner Lande bejtändig bedrohten und jeder größern 
Unternehmung benmend in den Weg traten. Um Reutlingen in 
Zchranken zu halten, beſetzte Graf Ulrich, Eberhards Sohn, mit einer 
auserlefenen Schaar von Edelleuten, die in wirtembergifchen Befite 
befindliche Burg Achalm unb beläftigte von ihr aus fortwährend die 
Buße des Berges gelegene Stadt. Allein die Reutlinger beſchloſ⸗ 
jen, obgleih ein Theil ihrer Truppen in Gplingen lag, ihm zum 
Troge einen Verwüſtungszug ins wirtembergifche Gebiet zu unternebs 
men. In der Nadıt nach dem 20. Mai fchidten fie 700 Dann 
and, bie kamen am folgenden Morgen früh nach Urach, raubten in 
der Umgegend der Stadt bei 200 Stüd Vieh, zogen dann das Thal 
Ginab, wo fie noch das Dorf Dettingen verbrannten, und fchlugen 
mit ihrer Beute den Heimweg ein. Zu ihrem Schutze rüdten die 
Reutlinger mit großer Macht aus, allein, während fie ſich glücklich 
mit denfelben vereinigten, rannte Graf Ulrich mit 232 Spießen von 
der Achalm herab und wollte die Stadt durd einen Handſtreich neh» 
mer. Doc die jtädtiichen Truppen erfchienen noch zur vechten Zeit. 
Die Herren fprangen von ben Pferden und ftellten ſich ihnen entges 
gun; es entfpann fich ein blutiger Kampf '. Während nun ein Theil 
ber Bürger mit den Feinden focht, Tehrte eine Abtheilung derjelben 
a die Stadt zurüd und brad) plötzlich zu einem gewöhnlich verſchloſ⸗ 
* Thore heraus den Herrn in den Rücken. Eine ſchwere Nieder⸗ 
lage wurde unter dieſen angerichtet, mehr als 78 Ritter und Knechte 
lamen um, darunter drei Grafen, von Tübingen, von Zollern, von 
Schwarzburg; das wirtembergiſche Banner, das Götz von Windsheim 


2 Die Quellen für bie Geſchichte der Schlacht ſ. bei Stälin LIU, 321 
® chich chlacht | 


28 


geführt hatte, fiel in bie Hände der Feinde, Graf Ulrich ſelbſt, ſchwer 
verwundet, warf ſich auf feinen Hengft und fam mit Noth von dannen. 
Auf Seiten ber Reutlinger aber waren nicht mehr als 13 umgelonmen. 

Während fo im Felde blutig um die Entfcheidung gekämpft wurde, 
hatte 8. Wenzel fich bemüht, einen Frieden zu Stande zu bringen 
und mit den Abgeordneten der Städte darüber unterhandelt; eben 
follte er ben ftreitenden Parteien verfündet werden, als die Nachricht 
von ber Schlacht bei Reutlingen eintraf '. Graf Eberhard, ergrimmt 
über die Schmach diefer Niederlage, wollte von einer Ausföhnmg 
nicht8 wiffen und rüftete fi) mit erneuerter Macht zum Kriege; zwi⸗ 
Then dem König und den Städten hingegen kam jett eine folche zu 
Stande, und zwar unter den günftigften Bedingungen für bie letzteren. 
Durd einen Brief des Katfers war ihnen fund gethan worden, daß 
Wenzel die Vollmacht habe, eine Sühne zwifchen feinen Helfern und 
. ihnen zu machen, und daß es fein Wille und Wort fei, daß fie zu 
Gnaden aufgenommen würden. in anderer Brief an die Städte des 
Bundes, welche zur Landvogtei Nieberfchwaben gehörten, Eßlingen, 
Reutlingen, Rotweil und Weil gerichtet, enthielt das Verfprechen, dag 
diefelben fürbaß nicht mehr unter der Landvogtei derer von Wirtem⸗ 
berg noch derer von Hohenlohe oder ihrer Diener fein oder unter 
diefelbe kommen follten. — Am 31. Mai wurde bann in Rotenburg 
die Sühne anfgerichtet, indem König Wenzel erflärte, daß der Kaifer 
und er die 18 genannten Städte aus der Acht getban, fie mögen in 
diefelbe gelommen fein von des Kaifers und Königs megen ober durch 
die Klage des von Wirtemberg oder von weswegen das gefchehen fel. 
Auch wurden alle Klagen aufgehoben, die innerhalb Jahresfriſt gegen 
fie anhängig gemacht worden. Ferner verfünbete er, daß er auf Ge⸗ 
heiß des Kaifers die 18 Städte, bie fich wiber fie beide geſetzt, in 
feine Gnade, Hulde und Gunft empfangen, und daß zwifchen ihnen 
beiden und ihren Helfern, den Grafen Eberhard und Ulrid) von Wir- 
temberg,, bem Grafen Heinrich von Werdenberg genannt von Alpeck, 
Herzog Friedrich zu Ted, Kraft und Götz von Hohenlohe u. ſ. f. 
einerjeits, und den Städten fammt ihren Helfern und Dienern anderer 
feits, eine vechte, ftäte und ganze Sühne fein folle. Die Gefangenen 
werden auf gewöhnliche Urfehde Tosgegeben, und kein Theil foll gegen 
den andern mehr Tseindfchaft haben. An demſelben Zage ertheilte er 
ihnen einen Freiheitsbrief, gleichlautend mit dem, welcher ben ſchwä⸗ 
bifhen Städten im J. 1348 durch K. Karl war verliehen worden, 
umd hob alfo Hiemit die widerrechtliche Verpfändung an den Grafen 
Eberharb wieder auf. 

Nachdem am 15. Juni Kaifer Karl von Tangermünde aus bie 
Beitätigung all diefer Verfügungen ertheilt hatte, ſchickte Wenzel feine 
Bevollmächtigten in die Stüdte ab, um die Friedensbriefe auszuwech⸗ 
feln und zugleich die Huldigung in Empfang zu nehmen, bie fie ihm 
früher verweigert hatten ?. 

2 C. Chr. 322. 

2 Reg. 93 ff. Diefe Ausſöhnung ift e8 offenbar, welche bie A, Chr. meint, 


29 


Karl bandelte hier den Städten gegenüber ganz ähnlich, wie bei 
Regierungsantritt, wo er auch, um ihre Huldigung zu er- 
„ ihnen eine Stellung einräumte, die er im Grunde als eine 
bliche erfannte und, fobald es ihm möglich wurde, wieder auf- 
. Eben diefe Stellung giebt er ihnen jet wieder zurüd, um 
ihnen die Huldigung für feinen Sohn zu erhalten, worauf ihm 
est fehr viel ankam, nachdem er fich überzeugt hatte, daß ein gewalt- 
ſames Erzwingen derfelben allzu große Opfer erfordern würde. Doch 
war die Stellung der Städte diesmal eine noch mächtigere als da⸗ 
mals, da fie fie jegt mit Waffengewalt erkämpft hatten. 

Der Krieg war nun zwar keineswegs beendet, da Eberhard ſich 
nicht fügen wollte, aber er hatte eine ganz andere Gejtalt angenont- 
men. Die Städte erfchienen jetzt nicht mehr als Empörer gegen den 
Kaijer, als Neichefeinde, fondern, wenn fie ihren Widerfacher be- 
Kinpften, fo gefchah es kraft der ihnen aufs Neue feierlich ertheilten 
dreiheiten und um den Beltimmungen des eben aufgerichteten Frie⸗ 
densvertrages Geltung zu verfchaffen. „Da giengen, jagt Königshoven, 
des Reiches Städte in Schwaben auf an Gewalt und an Uebermuth, 
and die Herrichaft von Wirtemberg nahm ab an Reichthum und ver⸗ 
fegte viel Rand und Leute und verkaufte große Gülten und Zinfe* !. 
Das Uebergewicht, das fie bis dahin im Felde behauptet hatten, ver- 
blieb ihnen während der ganzen Dauer des Krieges. „Unfer Herr gab 


4) 


E 


; men großes Glück, heißt es in einem anderen Berichte ?, wo fie die 


wenn fie S. 114 fagt: „In ber jarzal unſers herren M9ccc? unb in bem Lxxvm. 
jer, da warb ber von Wirtemberg und all fein diener und belffer verricht mit 
ven fetten. Die richtung was alfo: wer ſchaden genommen hätt an leutten, 
en guten, der jolt ben haun und folt damit gelegen fein. Die richtung tett 
herczog Fridrid von Bairen“. Irrig ift cd, wenn Zengg, der biefe Stelle be: 
augt, bie Ausföhnung auf den St. Michaelötag verlegt. Dieſes Datum läßt 
ſich vielleicht aus der Urkunde erflären, deren Inhalt wir unter Reg. 92 mit: 
getbeilt. Herzog Friedrich befcheinigt den Ulmern die Entrichtung ihres An- 
theild an den 500 Gulden, „die ung die fett in Swaben bie ben bunt hal⸗ 
tm ze Ulm verhießen ze geben uff fant Michels tag von ber zerung wegen, bie 
wir 3e Ulm taten, bo wir in tedigen riten zwiſchan unferm berrn dem kayſer 
mb in und iren andgenofien”. Das heißt nun, fie verfpraden, bi St. Mi⸗ 
deistag 1377 die Summe zu entrichten. Wenn wir nicht die beftimmte Nach⸗ 
richt Hätten, daß bie Belagerung von Ulm erft nah Michaelis 1376 (post 
kstam Michaelis. Chronicon Elwacense, bei Pertz, Mon. 38. X, 41) be: 
zonnuen , fo fönnte man den Ausdruck auch fo verftehen, daß die Städte am 
RichelStag 1376 das Verfprechen gethan. In Ießterem Sinne hat wohl Zengg, 
ver eine ähnliche Urkunde, vieleicht die Quittung irgend einer andern Stabt, 
ser Augen mag gehabt haben, die Sache verftanden, aber, inben er bie Stelle 
aus der A. Chr. von der Vermittlung Herzog Friedrichs im Sinne hatte, un: 
genauer Weife fie ind J. 1377 geſetzt. Dieß Mißverſtändniß konnte um fo 
eher flattfinden, wenn vielleicht die Urkunde, bie ihm vorlag, nicht wie bie 
anfrige, die and dem April ift, vor Michelötag 1377, fondern nad demfelben 
auögeftellt war. — Nach Königshoven 167 fieht es aus, ald hätte ber Friede, 
ven er ganz richtig gleich nad ber Schlacht bei Reutlingen fegt, eine Zeitlang 
wirflich auch zwifchen dem Grafen und ben Städten Kraft gehabt. 
ı gKönigöhoven 167. ® C. Chr. 320, 


80 


Feinde irgend antrafen auf dem Felde, daß fie alfenthalben fiegten 
und ihr Viele fingen und erfchlugen*. Als eine glänzende Waffen 
that wird befonders die Eroberung von Tuttlingen hervorgehoben, das 
Graf Eberhard vor Kurzem an fein Haus gebracht hatte !. Eime 
Anzahl von Edelleuten unter dem Befehle des Ritters Martin Dial 
terer von Freiburg, eines bewährten Sriegers, deſſen Name in ben 
Kämpfen der bamaligen Zeit viel genannt wird, vertheidigte die Stadt. 
Allein die Truppen der Neichsftädte, unter denen fi) namentlich bie 
Conftanzer mit 60 Spießen zu Roß und vielem Fußvolk hervorthe- 
ten, nahmen fie gleih am erften Tage mit Sturm und machten die 
Beſatzung zu Gefangenen. Eine große Beute von Roffen, Harnifchen, 
viel Vieh und anderes mehr fiel in die Hände der Eroberer, welche 
die Stadt in Brand ftedten und die Mauern niederrifien. 

Die friegerifchen Erfolge des Bundes und die, wenn nicht förm⸗ 
liche, doch thatfächliche Anerkennung defjelben durch Kaifer und König 
bewogen nun eine Menge von benachbarten Städten, fich an denſel⸗ 
ben anzuschließen. Im Laufe des Augufts ließen fi nad einander 
Nördlingen, Bopfingen, Hall, Heilbronn, Dinkelsbühl, Weinsberg, 
Gmünd, Aalen und Winpfen aufnehmen; ja am 26. September er- 
Märte das Land Appenzell unter Zuftimmung feines Herrn, des Abtes 
von St. Gallen, feinen Beitritt. Die jänmtlichen Theilnehmer ver- 
einigten fi) nun am 20. ‘December und febten einen neuen Band» 
brief auf, nad) welchem ihre Vereinigung bis zum 23. April 1385 
dauern follte. Im Lebrigen ijt der Brief fait gleichlautend mit bem 
vom 4. Juli 1376. Den Städten, welche zwei Vertreter zu den Ta- 
gen ſchicken, ift Eßlingen beigefügt, denen, die nur halb fo viel Strafe 
zu bezahlen haben als die andern, Kaufbeuren, Wimpfen, Weinsberg, 
Bopfingen und Aalen. 

Bis dahin hatten die Städte für fich allein geftanden, bald follten 
fie auch noch mächtige Verbiindete aus dem Kreife der Herren erhalten. 

Das mächtigfte unter ben Fürftenhäufern, welche in Schwaben 
Beſitzungen hatten, war das Haus Dejterreih; dem König Rudolf 
war es nicht gelungen, das ſchwäbiſche Herzogthum wieder herzuftel- 
len und einem feiner Söhne zu übergeben; dafür hatte er aber Sorge 
getragen, eine Menge neuer Erwerbungen in Schwaben zu machen 
und den alten Stammgütern in der heutigen Schweiz aud) reiche Bes 
ſitzungen nördlih vom Bodenfee hinzuzufügen, welche dann durch feine 
Nachkonmnen eifrig vermehrt wurden. Durch die Erwerbung von Tirol 
1363 und Vorarlbergs 1375 wurde die Verbindung der vordern Be⸗ 
figungen mit Oeſterreich und mit Kärnthen hergeftellt. Der Tettere 
Ankauf war durch Herzog Leopold vollzogen worden, der feit 1365 
mit feinem Bruder Albrecht fich in die Regierung der öfterreichifchen 
tinder theilte. Diefer Fürſt wirkte überhaupt außerordentlich thätig 
fiir die Vermehrung der fchwäbifchen Güter, und war nicht nur, wie 
er etwa genannt wird, eine Zierde der Nitterfchaft, fondern dabei ein 


ı 4, Ehr. 320. 322, 


31 


mönehmend fchlau berechnender Politifer, der es namentlich gut ver- 
fand, fich überall in fremde Händel einzumifchen und Bortheil für 
daran zu ziehen. So hatten er und fein Bruber im J. 1368 
ohne alle Anftrengung die wichtige Stadt Freiburg im Breisgau zur 
Unterwerfung vermocht, indem fte zwiſchen ihr und dem Grafen Egen, 
mit welchem fie in biutigem Kampfe lag, einen Frieden vermittelten 
en nt en Geld usbaahlten, um bie elhten Gerre Gra⸗ 
‚ wogegen die Stadt fie als ihre rechten aner⸗ 
kannte. In ähnlicher Weiſe ſuchte Leopold die durch Kriege mit ihrem 
Siſchofe geſchwächte Stadt Baſel nach und nach unter öſterreichiſche 
zu bringen. Ebenſo beſchloſſen auch jetzt die Herzoge, 
den Streit der ſchwariſchen Bundesſtädte mit Wirtemberg ſich zu 
Nutze zu machen. Dem Herzog Leopold, welcher damit umgieng, die 
im Herzen Schwabens liegende Grafſchaft Hohenberg anzukaufen, und 
der wohl damals ſchon ſich mit Plänen zur Erwerbung der ſchwäbi⸗ 
ſchen Landvogteien trug, war ſchon deshalb viel daran gelegen, mit 
dem mächtig aufblühenden Städtebunde in guten Einvernehmen zu 
fteben; außerdem aber mußte man Alles aufbieten, um einer Verbin⸗ 
bung defjelben mit der fchweizerifchen Eidgenoffenfchaft zuvorzukommen. 
Ramentlich der Anfchluß von Appenzell mochte den Herzogen die Be 
fürdtung einer ſolchen nahe gelegt haben. “Deshalb beauftragten fie 
im December 1377 ihre beiden Landvögte, Ludwig von Hornftein, 
— in Schwaben und Gottfried den Müller, Landvogt im Aar⸗ 
gen, im Thurgau und auf dem Schwarzwalde, „zu thädingen und zu 
reden, um einen Bund zwifchen ihnen und ihren Landen Elſaß, Breis- 
gau, "Sundgau , Aargau, Thurgau, Kurwalchen und Schwaben, und 
allen ihren Städten und Dienern, Herren, Nittern und Knechten in 
denfelben ihren Landen und Kreifen einerfeit8, und andererfeits des 
Reiches Städten zu Schwaben oder zu Elſaß und fonderlih den 
Städten die jett dafelbjt zu Schwaben verbunden find“. Mit den 
jhwäbifchen Städten wurde denn auch am 13. Februar eine Vereini⸗ 
gung abgeſchloſſen, und zwar durch die zwei oben Genannten und mit 
ihnen noch die fieben folgenden: Walther von der Dicke, Landvogt im 
Breisgau, Eberhard von Lupfen, Landgraf zu Stulingen und Burg« 
graf zu Tirol, Conrad Schnewly, Schultheiß zu Freiburg im Breisgau, 
Hans von Bonfieten, a zu Kiburg, Heinrich von Randed, Vogt 
za Schaffhaufen, Werner den Schenken von Bremgarten und Conrad 
von Zainheim, Blrgermeie zu Villingen. — Bis zum 23. April 
1382 follte diefer Bund, in welchem 89 Städte vereinigt waren }, 
fih erftreden, und die Berblindeten verfprachen, einander zu helfen 
wider allermänniglich, Niemand ausgenommen , ber fie treiben wollte 
von Freiheit und von guten Rechten ?. 
Den Städten mußte eine folche Verſtärkung ihrer Macht fehr 


2 %. Chr. 114. 

® Reg. 115. Zu einer Auswechslung der eigentlichen Bundbriefe, welche 
bis zum 23. April des Jahres hätte flattfinben follen, ift e& nicht gelommen, 
Beshalb, können wir nicht angeben. 


32 


erwünfcht fein, um fo mehr, al8 gerade damals durd die Aufnahıne 
der Stadt Rotenburg an der Tauber, die in beftändige Kämpfe mit 
dem Biſchof von Würzburg verwidelt war, der Krieg eine weitere 
Ausdehnung erhielt. Die öfterreichifche Hilfe wurde auch bald zur 
Ausführung einer größeren Unternehmung in Anſpruch genommen. 
Nachdem im Laufe des Yrühjahres mandje Kleinere Züge von einzelnen 
Städten waren unternommen worden, bei welchen den Grafen von 
Wirtemberg und ihren Helfern viele Burgen gebrochen und viele Dör⸗ 
fer verbrannt wurden, beſchloß man mit großer Macht ins Ders bes 
feindlichen Landes einzurüden und wo möglich eine Wiederholung des 
Krieges von 1311 zu bewerfftelligen, in welchem die Reichsſtädte auf 
Befehl K. Heinrichs VII. Graf Eberhard den Erlauchten aus feinem 
Lande vertrieben, feine Stammburg verbrannt und feine Hauptitadt 
unter ihre Botmäßigfeit genommen hatten. Yünfhundert Spieße aus 
den oberfchwäbifchen Städten, verftärft durch 300, welche der öfter 
reichifcehe Landvogt ftellte, famen den Eßlingern und Reutlingern zu 
Hilfe und zogen vor Stuttgart. Sie fiengen an die Stadt zu be 
ſchießen, da fie diefelbe aber gut vertheidigt fanden, begnügten fie fich, 
die Umgegend zu verwüſten, namentlid) die Reben abzuhauen, und 
fehrten an demfelben Abend nah Eßlingen zurüd. Es wurden dann 
noch eine Anzahl von Dörfern verbrannt, und am 14ten Tage fonn- 
ten die Oberländer wieder zu Haufe einreiten, „unverfehrt durch die 
Gnade Gottes, wie fie auögeritten waren“. 

Durch diefen Zug war nun allerdings der eigentliche Zwed nicht 
erreicht, unmerhin aber dem Wirtemberger beträchtlider Schaden zu- 
gefügt worden. Die Feindfeligkeiten dauerten noch eine Zeitlang fort 
unter gegenfeitiger gräßlicher Verwüſtung des Landes. Von den Wir: 
tembergern wird erzählt, daß fie fich nicht begnügten, die Aeder ihrer 
Feinde zu verwüften, fondern auch noch Senf auf denfelben ausfäe 
ten, um fo ein fchwer zu vertilgende® Unfraut hervorzubringen !; 
auch wird ihnen vorgeworfen, daß fie felten Gefangene machten, fon- 
dern niederftachen, wer ihnen vorlam, wenn es auch Wehrlofe wa- 
ren ?. Die Stäbter ihrerfeitS werden nicht viel beifer verfahren fein, 
und das ganze Schwabenland wurde aufs Schredlichite verheert. ‘Der 
größere Schaden war jedenfalls auf der Seite des Grafen. Die 
Städte, die entfchieden in der Uebermadt waren, bejaßen zudem we⸗ 
niger offenes Gebiet, defjen Verwüftung ihnen empfindlich) wurde, und 
trogten hinter ihren Mauern jedem Angriffe So befand fich der 
Graf nicht mehr in der Lage, fich länger gegen das Zujtandefommen 
eines Friedens zu fperren, und e8 wurde derſelbe endlich im Auguſt 
1378 in Nürnberg abgefchloffen. Kaifer Karl war dafelbft einge- 
troffen und hatte die ftreitenden Parteien zu jich befchieden. Nachdem 
die Stüdteboten etwa 12 Tage bort verweilt hatten, wurden anı 30. 


2 SKönigöhoven 166. 

2 Schreiben ber Reutlinger an bie andern Städte bei Gapler, Hiflori- 
[de Tenkwürbigfeiten der ehemaligen freien Reichſsſtadt Reutlingen bis 1577. 
& 81. — 6. Chr. 322. 





33 


des Monats die Friedensbedingungen feftgeftellt und durch den Kaiſer 
eme Richtung zwifchen den beiden Parteien, dem Bifchof Gerhard zu 
Birzburg, den Grafen Eberhard und Ulrich von Wirtemberg und 
Kraft von Hohenlohe einerfeits, den Neichsftädten in Schwaben und 
der Stadt Rotenburg an der Zauber andererfeits, verkündet. Die 
Richtung war alfo: „Schaden gegen Schaden, Brand gegen Brand, 
Todſchlag gegen Todichlag, Schuld gegen Schuld, und was der von 
Birtemberg den Städten vor Jahren genommen hatte, das follte den 
Städten ledig und los fein“. Die Pfandbriefe über die Stadt Weil 
und die Birſe bei Rotweil mußte er zum Zerfchneiden herausgeben; 
auch die Stadt Giengen, welche längere Zeit in helfenfteinifchen Pfand» 
befige geweien ', jpäter, vielleicht im %. 1372, von Eberhard befett 
worden war, wurde dem Reiche wieder zugeftellt. Zur Schlichtung 
der Streitigkeiten, welche ſich über einzelne Rechte zwifchen ihm und 
mehreren Städten, namentlich Eßlingen, erhoben hatten, wurden Schieds⸗ 
gerichte niedergejett, welche die Sachen im Yaufe diefes und des näch- 
ften Jahres zum Austrage braten. — Was dem Grafen befonders 
ſchwer fallen mußte, das war, daß der Kaijer ihm die Reichsland⸗ 
bogtei über die 13 niederfchwäbifchen Städte, die jet alle dem Bunde 
angehörten, abnahm und fie dem Herzog Friedrich von Baiern übertrug ?. 

So war der Bund aus feinem erften Kanıpfe fiegreich hervor: 
gegangen. Den Zwed, wofür zunächſt die Städte zufammengetreten 
waren, hatten fie erreicht, die Gefahren, die ihnen drohten, waren 
befeitigt , ihre Freiheiten gefichert und ihr geführlichjter Widerfacher 
gedemüthigt; nach der Aufnahme von Giengen, das feine wiederer- 
worbene Reichefreiheit nicht befjer als auf diefe Weile glaubte bewah⸗ 
ren zu können, umfaßte der Bund, dem bereits auch Buchau und 
Pfullendorf beigetreten waren, 31 Reichsſtädte, 30 jchwäbifche und 
eine fränkische, Rotenburg an der Zauber. 

Die Kräfte der Städte waren durch den Krieg fo wenig ges 
ſchwächt worden, daß Ulm, nachdem es eben erjt die Belagerung 
hatte aushalten müfjen, im %. 1377 den Grund zum Niefenbau 
feines Münſters legte. 

Es fragte fi) nun, in was für ein Verhältniß der Bund, der 
fih eine Stellung als felbftändige Macht im Reiche erworben hatte, 
m den übrigen Gliedern dejjelben treten werde. 


2 Hugo, Mebintifirung 70. 2 9. Chr. 116. Reg. 119, 123. 


I. 


Erweiterung der Bedeutung des Bundes durch ſeine Ver⸗ 
bindung mit Fürſten und Herren und mit den rheiniſchen 
Städten. — Krieg mit den Rittergeſellſchaften. 





Durch den Nürnberger Frieden war das Haus Baiern zu den 
ihmwäbifhen Städten in fehr nahe Beziehung getreten, da Herzog 
Friedrich, der fchon jeit 1374 Landvogt von Oberſchwaben war, jett 
auch die niederichwäbiiche Vogtei erhielt. Cine enge Verbindung der 
beiden Theile wurde hervorgerufen durch den für den einen wie für 
den andern derfelben gefährlichen Verſuch König Wenzels, diefe Land- 
vogteien als Reichspfand in die Hände Uejterreichs zu bringen. Am 
25. Februar 1379 verfchrieb Wenzel, feit dem am 30. November des 
vorigen Jahres eingetretenen Tode feines Vaters Herr des Reiches, 
dem Herzog Leopold die Yandvogteien Ober- und Niederſchwaben jo- 
wie die Pflegen über Augsburg und Giengen pfandweife um 40000 
Goldgulden und forderte die Städte anf demfelben gehorfam zu fein. 
Dadurh war ſowohl das feierliche Wort gebrochen, das Wenzel ben 
Städten gegeben hatte, fie nie zu verpfänden, als aud dem Herzog 
Friedrich großes Unrecht gefchehen. Denn noch wenige Tage vorher, 
am 8. Februar hatte demjelben der König die durch den Tod des 
Kaifers ihm ledig gewordene Yandvogtei in Ober- und Niederfchwa- 
ben auf fernere drei Jahre verfchrieben. Die Folge war ein Bünd⸗ 
niß, das am 4. Juli 1379 in Baden zwifchen den Städten und ben 

erzogen von Baiern, Otto, Stephan, Friedrih und Yohann, zu 
Stande kam. Aud) die Fürften von der pfälzifchen Linie, der weiſe 
Kurfürft Rupredt fammt feinem gleichnamigen Neffen und deſſen 
Eohne Ruprecht dem jüngften, dem nadmaligen Kaifer, ferner Mark: 
graf Bernhard von Baden für ſich und feinen nod) unmündigen Bru⸗ 
der jchloffen fich demfelben an. Gleich am Cingange der Urkunde 
nehmen die Herren den König, die Rechte des Reiches, den Stuhl zu 
Rom, den König von Ungarn, den Herzog Albrecht von Baiern, den 
Burggrafen von Nürnberg und den Grafen von Görz aus, doch alfo, 
daß wenn jemand, wer er fei, die Städte von ihren Briefen, Frei- 
heiten und guten Gewohnheiten oder fie von einander drängen oder 
zertrennen wollte, fie ihnen fammt und fonders zur Abwehr der Ge- 


86 


fahr berathen und beholfen fein würden. Durch biefen Sat, welchem 
de Städte in der von ihnen ausgefertigten Urkunde, die ich nicht 
fenne, eine entfprechende Zuficherung werden entgegengeftellt haben, 
erhelit gleich der politifche Charakter des Vertrages, ganz verjchie- 
den von dem eines bloßen Landfriedensbündniſſes. — Die nähern Be— 
ſtimmungen find folgende: 

1. In Nothfällen mahnen die Bedrängten die nächſtgeſeſſenen 
Amtleute des andern Theiles, diefe helfen dann von einem Mittage 
zum andern, in gleicher Weife, als ob ihnen der Schade felbft wibder- 
fahren wäre. 

2. ft die Sache weitläuftiger, fo werden die drei Ruprechte 
md Markgraf Bernhard in Heidelberg gemahnt, die Herzoge Otto 
Stephan, Friedrich und Johann in Landsberg; der gemahnte Theil 
beitellt innerhalb 8 Zagen 100 Spieße; von diefen ſchickt er dann 
in den nädjiten 8 Tagen die eine, und, wenn es nöthig ift, in den 
nächitfolgenden 8 Tagen die andere Hälfte dorthin, von wo fie ver- 
langt worden find, und zwar auf eigne Koften; nur Holz, Herberge, 
Stroh, Heu und Licht giebt der mahnende Theil in feinen Schlöffern, 
auch gejtattet derjelbe feilen Kauf. Die Hilfsmannfchaft bleibt dann 
daſelbſt, bis die Sache ausgerichtet ift. In gleicher Weife haben die 
Städte, wenn fie von der einen oder der andern Abtheilung der Her: 
ren gemahnt werden, denfelben je 100 bez. 50 Spieße zu Hilfe zu 

a 1 


3. Gelingt es aber nicht, auf dieſe Weiſe die Sache zu Ende 
zu führen, und iſt weitere Hilfe nöthig, ſo wird neu gemahnt. Der 
gemahnte Theil ſitzt zu Rathe und ſchickt in den nächſtfolgenden 14 
Zagen die Hilfe, die er bejchlojfen hat. 

4. Finden Belagerungen Statt, fo beftreitet der Theil, dem zu 
Liebe fie unternommen werden, die Koften, und kann dann aud) mit 
dem Groberten und den Gefangenen nad) Gutdünfen verfahren. Dod) 
bat er Maßregeln zu treffen, daß aus den eroberten Schlöffern und 
von Seiten ber Gefangenen ben andern heilen fein Schade wider: 
führt. Jeder Theil ift verpflichtet dem andern feinen Belagerungs- 
zeug zu leihen, den diefer aber auf eigene Koften abzuholen und wie- 
der zurückzubringen hat. 

5. Gefchehen Belagerungen um gemeinen Nußens willen, fo 
werben die Unkoſten und der Gewinn getheilt, umd zwar, wenn e8 
beide Abtheilungen der Herren und die Städte betrifft, in drei gleiche 
Theile, wenn aber nur eine Abtheilung der Herren und die Etädte, 
in zwei. Sm erfteren Falle wird im nächſten Monat nad) Becndi- 
gung des Feldzuges in Ulın Abrechnung gehalten, ebenjo, wenn bloß 
die Herzoge Otto, Stephan, Friedrich und Johann nebjt den Städten 
betheiligt find, betrifft es aber die Städte und die andern Herren, 
fo tagt man in Eflingen. Binnen Monatsfrift von der Abrechnung 
an follen die Koften bezahlt werden. 


2 Ich ſchließe dies Tetere aus der Vergleihung mit andern Bündniffen 
und aus Reg. 139. 3* 


36 


6. Haben die Zürften und Herren oder ihre ‘Diener und Un- 
terthanen irgend etwas an die Städte oder die Ihrigen zu fordern, 
fo wenden fie ſich an die betreffenden Gerichte, ebenfo die Städte 
oder die Ihrigen, wenn fie etwas an die Unterthanen der Fürſten 
und Herren zu fordern haben. 

7. Haben dagegen die Städte oder die Ihrigen Anfprüde an 
die Fürften und Herren felbft oder an ihre Diener, fo bringen fie, 
wenn es die drei Ruprechte betrifft, ihre Klage an den Vitztum zu 
Heidelberg, betrifft e8 den Markgrafen, an den Amtmann zu Pforz⸗ 
heim, und wenn es die übrigen Herren angeht, an den Bigtum zu 
Landsberg. Binnen 14 Tagen nad) Anbringung der Klage fchidt der 
beflagte Theil drei aus feinen Räthen, welche die Ankläger bezeichnen, 
ab, die drei Ruprechte und Markgraf Bernhard nad) Sinsheim oder 
Bretten, je nachdem es den Klägern genehm it, die andern Herren 
nach) Donauwörth, Weißenhorn oder Landsberg. Diefe drei Räthe 
haben dann in Minne oder mit dem Nechte die Sache zu entfcheiden. 

8. Aller Angriff und alle Pfändung ohne Rechtsgang find ver: 
boten, doc) werden alle verbrieften Schulden, unleugbaren Gülten u. ſ. f. 
vorbehalten. 

9. Entjteht ein Krieg, und es dauert derfelbe länger als die 
Bet ber Einigung, fo hilft man ſich gegenfeitig bi8 zur Beendigung 
beifelben. 

N 10. Alte Bögte, Amtleute und Schultheißen der Fürften follen 
diefen Vertrag befchwören. 

Die vier Herzoge Otto, Stephan, Friedrid) und Johann hatten 
am Schluſſe des Vertrages die Grafen Eberhard und Ulrich von Wir- 
tenıberg ausgenommen, fo lange das Bündniß dauere, das fie mit 
ihnen gejchloffen hätten; in einem bejondern Beibriefe verfprachen nun 
aber die fänmutlichen Herren den Städten, daß, fo lange der Vertrag 
währe, fie mit den beiden Grafen und mit Kraft von Hohenlohe feine 
Einigung und fein Bündnig eingehen wollten. 

Diefer Vertrag war für die Städte, auch abgejehen von dem 
Punkte, der ihn hervorgerufen hatte, Schon injofern von großem Vor⸗ 
theile, al8 er eine Anerfennung ihres Bündniſſes von Seiten der 
mächtigften benachbarten Fürften in fi) ſchloß und zugleich die Bürg⸗ 
ichaft enthielt, daß ihre eigentlihen Hauptfeinde von denfelben feine 
Unterjtügung zu erwarten hätten. Er hatte aber auch feine gefähr: 
lihen Seiten. Die Baiernherzoge waren faſt bejtändig in Streitig- 
feiten mit den Städten Augsburg und Regensburg verwidelt: wie 
leicht konnten fie auch jeßt wieder in folche yerathen, und die Bun— 
desftädte dann genöthigt werden, gegen fie, wie einft gegen Zürich, 
Zuzug leiften oder doc wenigftens auf die Möglichkeit, ihre Mit⸗ 
jtädte zu umterftügen, verzichten zu müſſen. Das erfannten fie aud) 
mit richtigem Blide, und, un es zu vermeiden, forderten fie jene beis 
den Städte auf, mit in den Bund einzutreten !. Das entfernte Re— 


Da für Regensburg eine folde Einladung bezeugt iſt (Gemeiner 


37 


gensburg wollte fich hierauf nicht einlaffen, obgleich die Verbindung 
der Städte mit den Fürften großen Schreden daſelbſt hervorrief, 
Augsburg hingegen, das als ſchwäbiſche Stadt den Verbündeten viel 
näher ftand und das fich fchon vorher bei mehreren Unternehmungen 
derfelben betheiligt hatte, ſäumte nicht mit dem Beitritte und Tieß 
id am 27. Juli aufnehmen. Es mußte um fo eher geneigt fein 
das zu thun, da die Landvogtei Augsburg ebenfo wie die Ober- und 
die Niederfchwäbifche widerrechtlich dem Herzog Friedrich abgenommen 
and an Herzog Leopold verpfändet worden war. Das Badener Bilnd- 
mp verfehlte feine Wirkung nit. Die königliche Verpfändung blieb 
fraftlos, und Herzog Friedrich behielt vor der Hand feine Landvog⸗ 
tein. Es jcheint, dag er mit dem Könige und mit Leopold eine 
Berftändigung traf, wodurd fie ihm für die nächjten drei Jahre, für 
weldye fie ihm verſprochen waren, verblieben . Im Herbite 1382 
befam dann Leopold die Landvogteien Ober- und Niederfchwaben 5, 
aber nicht mehr als Pfand, fondern als bloßes Amt, ebenfo im J. 
1383 die Bogtei Augsburg *. Die Regelung feines Verhältniffes zu 
Giengen dagegen verzögerte fich länger ımd war nod im Sommer 
1384 nicht endgültig feitgefet. 

Während fo die Städte durch ihren Bund zu Macht und Ans 
fehn emporjtiegen und die Gefahren glücklich abwandten, welche ihre 
Selbjtändigfeit bedrohten, bildeten fi unter dem niederern Adel ähn- 
liche Vereine, theils um nad) oben fi) den Anmaßungen der Fürften 
zu widerfegen, eben fo ſehr aber, um den Städten gegenüber Träfti- 
ger auftreten zu Können; die namhafteſte diefer Sefellfchaften war die 
mit dem Löwen, bie ſich den 13. October 1379 in der Wetterau 
bildete 5, aber raſch durch die Rheinlande und Schwaben hin verbrei- 
tete; nächſt diefer find die mit St. Georg, die aus fränkifchem Adel 
beftand, und die mit St. Wilhelm zu nennen. Syn diefen Gejellfchaf- 
ten vereinigt fuchte der Adel die Städte zu demüthigen, denen gegen- 


u, 191), jo wird fie wohl auch bei Augsburg flattgefunden haben, das ja 
wirklich gleich darauf dem Bunde beitrat. 

2 Mittwoch nach Jacobi giebt die Furze Notiz bei Schmid. Die A. Chr. 
120 faat: A. d. 1379. jar vor fant Jakobs tag do Fam bie ftatt Auafpurg 
in ben pund zu dez Reichs ftetten. Es läßt fich leicht denfen, baß bie jürm= 
liche Urkunde erft einige Tage, nachdem die Stadt ſich zum Beitritt bereit er: 
flirt hatte, ausgefertigt wurde, 

2 Reg. 146. 152. 5 Reg. 178. 179. 199 fi. 223. 224, 


* Bon ber legtern heißt es ganz beutlich, fie werde ihm „bis auf Wider: 
ruf” verliehen; Reg. 198. Daß es fich mit ben beiden andern Landvogteien 
ebenfo verhielt, beweift ber Umstand, daß er im J. 1385 ohne Weiteres „ab: 
gejeßt” werben kann; Reg. 252. Auch fagt 8. Ruprecht im J. 1401 in einer 
Inſtruction für die Verhandlungen mit Herzog Leopold dem Diden: Si dux 
Lapoldus sit allegaturus, provincialem Sueviae praefecturam sibi oppignoratam 
esse, ad hoc respondendum, quod illa Sueviae praefectura sub ‚duce Lu- 
poldo bonae memoriae, ducis Lupoldi patre ab oppignorationg ex- 
empta fuerit et liberata. Stälin IH, 341 Anm. 4, 


5 Reg. 141. 


38 


über der Einzelne machtlos war !. Am J. 1380 erhob fid) die %- 
wengefellichaft gegen die Stadt Frankfurt, welche mehrere Glieder 
derfelben gefangen genommen hatte. Sie wurde belagert und gezwun- 
gen, jene ohne Xöfegeld herauszugeben ”. Unter diefen Umftänden 
geriethen die rheinifchen Städte in große Bejorgniß und beriefen auf 
den 3. Merz 1381 eine VBerfammlung nad) Speier, wo angelegentlic) 
über ein abzuſchließendes Bündniß follte verhandelt werden ?. Es 
fam auch am 20. diefes Monats zwifchen den Städten Mainz, Straß: 
burg, Worms, Speier, Frankfurt, Hagenau und Weißenburg ein fol- 
ches zu Stande, defjen Dauer bis Weihnachten 1384 feſtgeſetzt wurde. 
Bald darauf fchloß ſich auch noch die Stadt Pfeddersheim an. 

Es lag nun der Gedanfe nahe, zwifchen den beiden Städtebimd- 
niffen, die ji) in zwei benachbarten Landfchaften gebildet hatten, wer 
ſentlich diefelben Zwecke verfolgten und aud) durch diefe neu entitan- 
denen KRittergejellfchaften gleichmäßig bedroht waren, eine Verbindung 
zu bewerfjtelligen. In der That wurde fofort über eine ſolche ver: 
handelt. Zwar fand der Gedanke Widerfprudy; die „Weifen“ in 
Straßburg wollten nichts davon wifjen, „ſie hätten von ihren Bor: 
dern, den Alten und den Weifelten, oft gehört fagen, daß die rheini- 
fchen Städte feinen Bund follten machen über Rhein mit den Schwa- 
ben oder mit andern, anders jie würden nimmer Ruhe gewinnen“. 
Das half aber Alles nidhts *. Die Städteboten famen in Speier 
zufammen, und am 17. Yunt fand der Abfchluß des Bündniſſes 
Statt. Es follte dauern bis Weihnachten 1384, alfo bis zum Ab- 
laufe des rheinifchen Bundes, und enthielt folgende Bejtimmungen: 

1. Bedürfen die rheinifchen Städte der Hilfe der fchwäbifchen, 
jo berichten fie nah Cplingen in den Rath, worauf ihnen in den 
nächſten 14 Zagen 200 Spieße zu Hilfe geſchickt werden; doch haben 
jie dafür zu forgen, daß ihre eigenen Spiege drei Tage vorher am 
Beitimmungsorte eintreffen, die Hilfsmannjchaft bleibt dann bei ihnen 
bis der Krieg vollendet ijt. — Ueber die Hilfe, welche die rheinifchen 
den ſchwäbiſchen Städten zu leiften hatten, find wir nicht unterrichtet, 
da wir bloß den Brief bejigen, den die letzteren ausjtellten, doch wird 
fie wohl aus 100 Spießen bejtanden haben. Bei der Erneuerung 
des Bündniſſes im %. 1382, wo fich der rheinifche Bund bereits 
durch den Beitritt von Schlettjtadt, Obernheim und Weplar verjtärkt 
hatte, betrug jie 104 Spieße 5. Ueber die Art und Weife, wie fpä- 
ter die Zahl der Hilfstruppen fejtgefegt wurde, werden wir an ei- 
nem andern Orte fprechen. 

2. Wünſchen die rheinifchen Städte eine ftärkere Hilfe zn er- 
halten, jo melden fie es gleichfalls nach Eßlingen, und fagen einen 
Tag an nad) einer bequem gelegenen Stadt, auf welchem dann das 
Weitere berathen wird. 

3. Dem mahnenden Theile jteht es zu, über die Hilfsmann- 
Königshoven 168. 8 Sattler, Dritter Abjchnitt F. 60 am Ende. 


Reg. 155. Königshoven a. a. O. Konigshoven a. a. DO. 
Reg. 134. u. . 


x 
8 
5 


39 


daft nach Gutdümken zu verfügen und fie je nach Umftänden Einer 
Stadt zu Hilfe zu ſchicken oder fie mehreren zuzutheilen. Die betref- 
fende Stadt oder die Stüdte haben dann den ihnen zugefchieten Leu— 
tm einen Hauptmann zu geben, dem diefe auch in allen Stücken ge- 
horſam fein follen. . 
4 Mahnen beide Theile zu gleicher Zeit, fo geht die erfte 
vor 


5. Der Theil, der gemahnt hat, behält Beute und Eroberungen. 

6. Jeder Theil darf feine Feinde in den Städten des andern 
Theiles fchädigen, juchen und angreifen; auch werden Burgen und 
Städte einander gegenfeitig offen gehalten. 

. Kommt der eine Theil in Krieg, indem er einem Herrn oder 
Jemand anders dient, der nicht in dem Bunde ift, fo ift der andere 
Theil zur Hilfe nicht verpflichtet, wenn er es nicht freiwillig thut. 
Doch foll man Niemandem dienen, fofern e8 gegen den Bund lau- 
fen würde. 

8. An keiner Sade, die ſich in Folge dieſes Bündniſſes erho- 
ben bat, fchliegt der eine Theil Frieden ohne des andern Willen und 
Wiſſen. Auch nimmt man Niemand in den Bund auf ohne vorher- 
gegangene einhelligliche Uebereinftimmung der beiden Theile. 

9. Zur Beendigung von Kriegen, die während der Dauer die= 
ſes Bündniſſes aus Veranlaſſung deffelben entjtehen, Hilft man ſich 
noch ein Fahr lang über deffen Dauer hinaus. 

10. Ausgenommen werden der König und das Reich, die Baiern- 
berzoge und die Markgrafen von Baden, Herzog Yeopold und eine 
Anzahl anderer Herren, mit welchen die Städte im Bündniſſe ftehen, 
fo lange dieje betreffenden Bündniffe dauern; doch foll fein neues der 
Art mehr abgefchlofjen werden, ohne daß diefer gegenwärtige Bund 
darin ausgenommen wird. Sn einem befondern Beibriefe verſprach 
man fi) dann noch, daß wenn Giner von den obigen Herrn einen 
der verbündeten Theile angreife, man auch gegen ihn diefem zu Hilfe 
eilen wolle. 

Wie groß das Anfehen war, zu dem die Städte emporgeitiegen, 
seigte fich bald aufs deutlichjte. Herzog Friedrich von Baiern und 
der Landgraf Johann von Leuchtenberg hatten von Wenzel eine Voll: 
macht erhalten, die Juden in Regensburg außerordentlicher Weife zu 
beichagen, die Stadt aber widerjete fich, weil es kurz zuvor ertheil- 
tem föniglichen Privilegien zuwiderlief . Während fie ſich rüftete, um 
ihren Widerſpruch mit gewaffneter Hand zu behaupten, ſchickten die 

zoge Stephan und Friedrid ein Schreiben an die ſchwäbiſchen 
Städte (3. Yuli 1381), worin fie denfelben anzeigten, daß die Re— 
gensburger fie von ihren Rechten dringen wollten, und fie aufforder- 
ten, dem Bündniffe gemäß ihnen Hilfe zu leijten, denen von Regens⸗ 
burg zu widerfagen, und falls diefelben in den Bund treten wollten, 
fie nicht aufzunehmen. In ähnlichem Sinne fehrieb der Landgraf 


ı &emeiner U, 197. 


40 


von Leuchtenberg. So drohten die Befürchtungen, welche die fchwä- 
bifehen Städte beim Cingehen ihres Bündniſſes mit Baiern in Be 
ziehung auf Regensburg gehabt hatten, in Erfüllung zu gehen. — 
Allein fofort (6. Juli 1381) ließ die Stadt Ulm, welche eine Art 
von vorörtlicher Stellung im Yunde einnahm, einen Brief nad Re 
gensburg abgehen, worin fie die beiden angeführten Schreiben mit 
theilte, über die Verhandlungen mit den rheinifchen Städten berichtete, 
und verſprach, in der nächſten Bundesverſammlung der Stadt zu Lieb 
und zu Tienjt zu reden und für diejelbe zu thun, was in ihren Kräf⸗ 
ten stehe. Zu dem Ende möge man ihnen geheime, vertraute Nad- 
richt zufommen lajjen, wie die Sachen geitaltet feien. 

Inzwiſchen waren die Herzoge bereits vor Regeneburg gerüdt, 
e8 gelang jedod dem Pfalzgrafen Ruprecht dem jüngiten, am 10. 
Juli einen Waffenftillftand zu vermitteln, damit die Sache vor den 
König gebracht und durch ein von ihm niedergefegte® Gericht von 
Fürſten und Herren entjchieden werde. Allein che der ausgefchriebene 
Tag zu Stande fam und ein Spruch erfolgte, war die Stadt Re 
gensburg in den Ztädtebund aufgenommen worden. Am 2. Cept. 
wurde die Aufnahmsurfunde ausgefertigt, und an demjelben Tage er- 
ließen die Bundesſtädte ein Schreiben an die Herzoge ſowie an den 
Yandgrafen , worin fie diejelben von allen weitern Feindſeligkeiten ges 
gen ihre Kidgenofjen von Regenäburg abmahnten. Das hatte num 
wirflid auch den Erfolg, dag die Sache zu Gunften der leßteren 
ausgetragen wurde . 

Mar es gelungen, diefe Angelegenheit beizulegen und einen Krieg 
mit den Herzogen zu vermeiden, To brach hingegen bald von anderer 
Zeite ein folder aus, der aber für die Ztüdte minder gefährlich war. 
Tie Grafen Yudwig und Friedrich von Dettingen, Verbündete derfel- 
ben, jowie die Ztüdte Rotenburg an der Tauber und Nördlingen 
waren in seindfeligfeit gerathen mit der St. Georgengefellichaft in 
Franken. Tiefe fand Helfer an der Löwen- und an der St. Wil- 
helmsgeſellſchaft?. Doch nahm an dem Kriege, der jetzt ausbrach, 
nicht die ganze Yöwengefellichaft Theil, fondern nur die Gefellfchaft 
in Schwaben, während die am Rheine ſich jtill verhielt, wohl aus 
Furcht vor den rheinischen Städten, die dann von den ſchwäbiſchen 
aufgefordert worden wären, gleichfalis loszufchlagen. Auch von einer 
Petheiligung Graf Eberhards vernehmen wir nichtd, was auffüllt, da 
jein Sohn Ulrich einer der Hauptieute der Yömengefellfchaft war. 
Es ijt anzunehmen, dab er mit den Städten ein Ablommen traf, 
durch weldyes er, für feine Perfon und feine Yande eine neutrale Stel⸗ 


I Reg. 171. 

» €. Reg. 172 ben Schiedsſpruch des Herzegs Leopold vom 3. April 
1382, ber die beiden Parteien ſammt ihren Heliern nambaft nacht. 

 Diefe wird als eine beſondere unterichieden in dem Bündniſſe vom 
9. April 1382, mo bie Lüwengefelihait in Schwaben fie unter den Nichtzu: 
befehbdenten ausnimmt. 


41 


bag zujicherte und zugefichert erhielt. Klug wie er war, mochte 
a8 w Wohl gerne fehen, daß die Städte in einen neuen Krieg ver- 
welt wurden, aber die Verhältniffe doch nicht günftig genug finden, 
m uad den ſchweren Verluſten, die er erlitten, ſich ſelbſt drein zu 
wien. Im Spätherbite 1381 brach der Krieg aus und wurde in 
saufen und dem öftlihen Schwaben unter gegenfeitiger Verwüſtung 
kt Gebietes geführt. Zu Augsburg ſammelte ſich im November ein 
inttliches Bundesheer von 1400 Spießen und 500 Fußfnechten. Es 
werde ein Zug ind Nies und nad Franken unternommen und na= 
in der Nähe von Rotenburg große Verheerung angerichtet. 

Später führten noch die einzelnen Städte, namentlich Augsburg, Ulm, 
dell eine Menge glüdlicher Kriegsthaten aus umd brachten ihren 
jemden großen Schaden bei?. In einem ſolchen Kriege waren die 
Etüdte in großem Vortheile. Denn die Ritter und die im Ganzen 
ch minder mächtigen Herren, aus denen jene Gefellfchaften beftanden 
md die ohne dieß nicht fehr begütert waren, litten aufs empfindlichfte 
urh die Verwüſtung ihrer Dörfer und durd die Einnahme ihrer 
Burgen. Don einem großen Heere, das fie etwa zuſammen ausge⸗ 
rftet hätten, um den Städtern im Felde die Spige zu bieten, erfah- 
ren wir nichts; einzeln unternahmen fie Plünderungszüge oder fuch- 
ia jie ihre Schlöffer zu vertheidigen, die aber meiſt vor dem fchiwe- 
m Geſchütze der Städter zufammenbrechen mußten. Der Bilchof 
on Augsburg, Burkart von Ellerbach, der jammt feiner Geijtlichfeit 
sit den Augsburgern feit mehreren Jahren im Streite lag, hatte ſich 
ah in die Löwengefellichaft aufnehmen laſſen und befriegte jetzt die 
Stadt. Das benuste die Bürgerfchaft, um energifch gegen die Geift- 
fihleit einzufchreiten. Alle Gebäude, welche der Bifchof oder die Geift- 
ken zunächit den Ringmauern befaßen, wurden abgebrochen bis auf 
14 Fuß Entfernung, alle Pfaffen und Kloftergeiftlichen mußten Bür- 
ger werden umd fteuern. ‘Denen unter ihnen, welche aus der Stadt 
gefahren „maren, nahm man Alles weg, was fie in derfelben zurück⸗ 


en 3. 

— gelang es im Jan. 1382 dem Herzog Leopold, einen Wafe 
fenftilfitand zu vermitteln, der bis zur Oſterwoche dauern follte, Es 
wurde derjelbe zwar durch einige Adliche verlegt, was die Ulmer durch 
Enthauptung zweier an diefem Triedensbruche Betheiligter rächten, 
allein das hinderte nicht, daß nad) Ablauf der feitgefegten Zeit eine 
wirkliche Ausfühnung zu Stande fam. „Den Krieg konnte weder Rai- 
fer noch König verrichten, fagt ein Zeitgenoffe aus Augsburg, denn 
alfein der edle ‚Herzog Leopold, den Gott lang behüite vor Lehel“ *. 
Bährend die Städte in Ulm tagten, begab fich der Herzog nad; 

gen, und verkündete dort, al8 von beiden Parteien ermwählter 
Schiedsrichter , wie folgt: 


* Daß er Übrigens in dem Krieg auch Schaben erlitt, zeigt Reg. 873 
Artikel 15. 
» 4, Chr. 122. 123. 3A. Chr. 122. *A. Chr. 123. 


42 


1. Die beiden Parteien follen fürderhin gute Freunde fein. 

2. Die Gefangenen werden binnen 8 Tagen losgegeben „auf : 
ſchlechte Urfehde*; für Ritter und Edelfnechte werden je 2 Schilfinge, ; 
für gemeine Knechte und Banern je 1 Schilling Löjegeld bezahlt. : 

3. Eroberte Veſten und Burgen werden gleichfalls binnen 8 . 
Tagen zurückgegeben. 

4. DBrandfchatungen, die noch nicht entrichtet worden find, were 
den nicht nachbezahlt. \ 

5. Da die beiden Parteien auch um die Uebergriffe, die wäh- - 
rend des Waffenftillitandes ftattgefunden, an den Herzog gekommen 
find, fo behält er fid) vor, hierüber noch des Weitern zu entfcheiden. 

Allein man begnügte fich nicht mit diefer Ausföhnung; die bis: 
herigen Gegner follten zu einem Bündniffe vereinigt werden, und ale 
dritte Partei fchloß fid) Herzog Leopold mit den vordern Landen an, 
die er feit der am 25. Sept. 1379 zwifchen ihm und Herzog Al: 
brecht vorgenommenen Theilung allein regierte. 

Die Stellung diejes Fürften war damals nad) vielen Seiten hin 
eine fehr fchwierige. Allenthalben in feinen Gebieten war entmeder 
offener Krieg, oder bedenkliche Verwicklungen drohten bald in folchen 
überzugehen. Aus Italien fam ihm eine Botjchaft nach der andern, 
welche von den Angriffen des Franz von Carrara auf feine neueriwors 
bene Stadt Treviſo meldete, und mit Baiern konnte es nächſter Tage 
zu einem Bruce fommen, da die dortigen Herzoge den mit Oeſterreich 
verbündeten Erzbifchof von Salzburg zu befriegen begannen. Mit den 
Schweizerifchen Eidgenoffen hatte er zwar Frieden, aber die gegenfeitige 
Spannung war groß. So mußte e8 dringend nöthig erfcheinen, wes 
nigjteng die Befigungen in Schwaben ſicher zu ftellen. Das Bünds 
niß, das er und fein Bruder mit den dortigen Städten gefchloffen 
hatten, lief in einigen Tagen ab, und die Freundſchaft zwifchen beiden 
heilen war in Folge der Begebenheiten von 1379 erlaltet. Als im 
vorigen Herbſte der Herzog den Bund gegen die Stadt Colmar 
mahnte, zu deren Unterftügung K. Wenzel die Straßburger aufgefor- 
dert hatte, fchrieben die Ulmer aus Regensburg: „Man will uns mit 
großer Gefcheidigfeit in den Krieg ziehen, felbft gegen Bundesgenoffen, 
und uns in des Königes, des Pabftes und der Kurfürften fchwere 
Ungnade bringen. Dazu giebt man unſern Söldnern weder Herberge, 
Stroh, Licht, noch Heu, wie der Bund weifet“ '. Zum Glüd wur: 
den die Streitigkeiten zwijchen dem Herzog und der Stadt bald dar- 
auf ausgeglichen und dadurd die fchwäbifchen Städte aus dem miß- 
lichen Verhältniſſe, in welches fie diejelben gebracht hatten, erlöft ?. — 
Dagegen wurde um eben die Zeit im Detbr. 1381, der Grund zu 
jolden gelegt dadurd), daß der Herzog die Herrichaft Hohenberg an- 
faufte, weldje den Städten früher theilweife verpfändet worden war 3. 

Daher benugte er die Gunft, in welche er fich durch feine Frie— 
densvermittlung bei den Städten geſetzt hatte, dazu, fie zum Abjchluffe 


2 Reg. 168. 2 Lichnowsky IV, 200, 8Lichnowety IV, 196, 


43 


een Bündniffes zu bewegen, zu welchem man jet noch die 
efellichaften zuzog: Auch Graf Eberhard, dem es darum zu 
ar, mit den Städten vor der Hand einen jichern Frieden zu 
umd der früher vergebliche Verfuche gemacht zu haben fheint, 
t ihmen zu verbinden !, benugte die Gelegenheit und ließ fi) 
rbündeter der Löwengefelfichaft mit aufnehmen. Der Inhalt 
rtrages, der fofort am 9. April 1382 in Ehingen abgeſchloſ⸗ 
rde, ift im Wefentlichen folgender: 

erzog Leopold von Defterreich ꝛc. mit feinen Landen und Leu⸗ 
Elſaß, Preisgau, Sundgau, Aargau, Thurgau, Kurwalchen 
:chwaben, fonderlih mit der Herrfchaft Hohenberg und mit 
was diefen feinen Landen und Senf haften zugehört, es feien 
‚ Beten oder Schlöffer, die in denfelben gelegen, auch mit allen 
gten und ‘Dienern, die dafelbjt gefeifen und wohnhaft find, 
raf Eberhard von Wirtemberg, und die Hauptleute der Gefell- 
mit dem Löwen zu Schwaben: Graf Heinrich) von Montfort 
ı Zettnang, Graf Ulrich von Wirtemberg und Graf Friedrid) 
‚ler von Hohenzollern, die Hauptleute der Gefellichaft mit 
ilhelm, die Hauptleute der Gefellfchaft mit St. Georg, und 
Herren, Nitter und Knechte, die den drei Gefellfchaften ange 
wie fie in den Revieren und Kreifen geſeſſen find von dem 
1 Speier jenſeits des Rheins hinauf gen Straßburg, und von 
urg vor dem Gebirge hinauf gen Baſel, und-von Bafel jenfeits 
eines hinauf gen Bregenz, und von Bregenz vor dem Gebirge 
gen München, und von München bis gen Ingolſtadt, und von 
adt bis gen Eichjtädt, und von Eichſtädt bis gen Regenſpurg, 
Regenſpurg bis gen Amberg, und von Amberg bi® gen Eger, 
ı Eger bis gen Koburg, und von Koburg bis gen Schweinfurt, 
ı Schweinfurt bis gen Miltenberg, und von Miltenberg gen 
rg, und von Heidelberg wider gen Speier in das Urfar, 

- freie Stadt Kegensburg und des h. Röm. Reiches Städte 
rg, Ulm, Conftanz, Eßlingen und alle andern, die den Bund 
vaben mit einander halten, 

rbinden jich bis zum 6. Januar 1384. 

Wird Jemand aus den Verbündeten wider Recht angegriffen 
chädigt, jo Helfen ihm die andern fofort, den Schaden abzu⸗ 
und zu rächen von einem Mittage zum andern. 

Iſt die Sache weitläuftiger, jo wird Herzog Leopold zu 
(im Aargau) gemahnt, Graf Eberhard und die Gefellfchaften 
tgart, die Städte in Ulm, und der gemahnte Theil fchidt in 
hſten 14 Jagen dem mahnenden 50 Spieße zu Hilfe Wird 
il zu gleicher Zeit von den beiden andern gemahnt, ſo ſchickt 
ı jeden derfelben die genannte Zahl von Spießen, und zwar 
ne Kojten, doc fo, daß fie an den Orten, wohin fie zu Hilfe 
Feilen auf erhalten. 

Kann die Sahe auh fo nicht ausgerichtet werden, fo er- 
3. Chr. 320, 


44 


folgt eine neue Mahnung, und in den nächſten 14 Tagen findet eine 
Zuſammenkunft Statt, zu welcher der gemahnte Theil fünf, der Ri 
juchende vier Abgeordnete fit. Der Ort der Zufammenkmft 

je nachdem der Herzog, der Graf und die Gefellichaften oder bie: 
Städte gemahnt werden, Kirchheim, Mengen oder Ulm. Die Yinfe, 
die in den betreffenden Fällen jeder Theil entweder alle oder mit Anbei 


J 
* 


laſſung eines derſelben zu ſchicken hat, werden im Voraus bezeichnet; i 


von den Fünfen, welche den Grafen von Wirtemberg und die Gele: 
Ichaften vertreten, hat der Graf zwei geftellt, jede Gefellfchaft einen. — 
Diefe Neune berathen dann über die Hilfe, und nad) ihrem Abe - 
jpruche wird gehandelt. Trifft es ſich, daß ein Theil zugleich von den 


r 


beiden andern gemahnt wird, fo wird nad) einander berathen, indem . 
der gemahnte jedesinal fünf Mann zu den vier des andern ftellt, do - 


fünnen die drei Theile auch übereinfommen, die Sade in 
haft mit einander vorzunehmen. 
4. Wenn zu gleicher Zeit zwei Theile einander gegenfeitig mah⸗ 


nen, ſo geht die erſte Mahnung vor, es ſei denn daß die Neune er⸗ 


kennten, beide Sachen könnten zugleich abgethan werden. 
. jeder Theil bleibt bei feiner ftillen ruhiglich nuglichen Gewere, 
wie er dieſelbe bis auf dieſen Tag hergebracht, genoſſen und beſeſſen hat. 
6. In Beziehung auf das gegenſeitige Rechtsverfahren werden 


eine Anzahl von Verfügungen getroffen, von welchen wir die hervor⸗ 


heben welche die Städte betreffen: 


a. Haben diefe oder die Fhrigen etwas an Diener und Ange . 
hörige des. Grafen von Wirtemberg oder der Mitglieder der Gefell⸗ 
ſchaften zu fordern, betrifft es folche Leute, die in „gemauerten Ge⸗ 
richten“ geſeſſen find, fo follen fie ihnen dorthin nachfahren, da Recht 
vor den dortigen Amtleuten und Schultheißen fuchen und fi mit . 
dem was ertheilt wird, begnügen. Betrifft es aber folche die in . 


Märkten, in Dörfern, in Weilern oder in Höfen geſeſſen find, fo 
jollen fie fich gegen denfelben halten, wie das jede Stadt gegen i 


* — — 


Nachbarn oder gegen die, denen fie oder die Ihren zuzuſprechen haben, 


von Alters oder Gewohnheit hergebracht hat. — Bon dieſen Beltim- 
mungen ijt jedod) Rotenburg ausgenommen, das, ohne von dieſem 
Rechte berührt zu werden, bei feiner Stadtfreiheit bleiben joll. Diefe 
Bemerkung bezicht ſich wohl auf das Landgericht dafelbit, vor weiches 
die Bürger ihre Nachbaren zu laden fich für berechtigt hielten; es 

war die Veranlaffung zu vielfachen Streitigkeiten mit dem umliegen- 


hs hd  .». 


den Adel fowohl als mit dem Pifchof von Würzburg; auch durd die | 
eben vollzogene Ausföhnung war nichts Beftimmtes darüber feſtgeſetzt 
worden; die Rotenburger wollten von ihren Anfprüchen nicht abgehen, ' 
ihre Gegner diefelben nicht in ihrem vollen Umfang anerkennen, des⸗ 
halb feßte man in den Vertrag bloß diefe allgemeine Formel, welde . 
verschieden konnte gedeutet werden, freilich auch beſtändig zu neuen 


Zänkereien führen mußte!. 


U Reg. 338; Benſen, Hiſtoriſche Unterugunge über die ehemalige 
Reichsſtadt Rotenburg 142 ff. Vergl. unten. 


- — 22 


45 


b. Haben aber die Städte oder die Yhrigen mit einem Diener 
8 Grafen von Wirtemberg oder mit einer aus feiner oder feiner 
Diener Städten in einer Sache, welche die ganze Stadt betrifft, zu 
qheffen, oder mit einem der Mitglieder der Gefellfchaften, oder einem 
rer Diener, oder einem aus ihren oder ihrer Diener Städten, fo 
irb die Sache jchiedsrichterlich ansgetragen, fo, daß die Städte, je 
ahdem jie es mit dem Grafen oder mit den Gefellfchaften zu thun 
ben, aus den oben bezeichneten fünf Vertretern derfelben einen her- 
suehmen und ald gemeinen Mann aufftellen. (Die Stadt Roten⸗ 
ag macht auch hier wieder eine Ausnahme bei Streitigfeiten, die fie 
# den Gliedern der St. Georgengejellfchaft Hat). Zu dieſem ge- 
men Manne, der den Ort beftimmit, wo gefprochen werden foll, hat 
e Bartei ihre Schiedsleute zu feßen, und diefe geben binnen 14 Ta⸗ 
tihren Spruch ab. — Doch foll nicht um Eigenfchaften und Pfand- 
aften und um den Beſitz ganzer Städte auf diefe Weife eine An 
derung gefchehen. — it einer der ftreitenden Theile in Acht oder 
nm, jo hat das auf den Rechtsgang feinerlei Einfluß. 

c. Haben die Städte oder die Ihrigen etwas an die Grafen 
Wirtemberg, an beide oder an einen unter ihnen, zu fordern, fo 
Ken dieje einen gemeinen Mann aus den fünf oben erwähnten 
ordnneten der Städte und zwei andern, welche für diefen Fall noch) 
weiteren Auswahl beigefügt jind; zu diefen fegen fie zwei Schieds- 
e, daſſelbe thun die Beklagten; diefe Schiedsleute erfennen, ob die 
ge begründet fei oder nicht; ift das erftere der Fall, jo wird dann 
neues Schiedsgericht niedergefeßt in derfelben Art, wie es oben 
die Streitigkeiten mit den andern Herren bezeichnet ift, gleichfalls 
7 der Bedingung, daß ihnen um feine ihrer Herrfchaften oder 
de zugefproden wird. 

In entfprecdender Weife haben die Grafen, die Mitglieder der 
eltfchaften und die Yhrigen, wenn fie eine Forderung an Bürger 
* Angehörige der Städte jtellen wollen, diefe vor ihrem ordent- 
a Richter aufzufuchen, wenn die Sache dagegen eine ganze Stadt 
ifft, aus den fünf oben bezeichneten Vertretern der Städte und 
i weiter Hinzugefügten einen gemeinen Mann auszuwählen, der in 
neinjchaft mit den von beiden Seiten aufzuftellenden Schiedsleuten 
Streit fchlichtet, nnd zwar muß, da die Städte fi) in vier Re- 
e getheilt haben, der gemeine Mann einer Stadt defjelben Reviers 
ehören,, dem die Stadt, um welche es fich handelt, zugetheilt ift. 

Ebenſo wie es für dieje beiden Parteien beftimmt war, wird es 
h mit den Forderungen gehalten worden fein, welche der Herzog 
, die Städte an einander zu ftellen hatten. 

d. Handelt es fih um angefallenes und anerftorbenes Gut, 
der Berftorbene ift ein Bürger gewefen, fo follen die, welche 
ipruch auf das Gut erheben, in der betreffenden Stadt Recht ſuchen, 
nicht, fo Toll es auf dem Lande berichtigt werden durch einen ge— 
nen Mann aus dem Theile, aus welchem der ift, welcher den 


ipruch erhebt. 


46 


e. Was die Städte des Bundes in Franken und die Yhrigen 
mit der St. Sörgengefellichaft und den Ihrigen zu fchaffen befommen 
und umgekehrt, das follen fie beidenthalben mit freundlichen Rechten 
austragen an den Stätten, wie e8 von Alter herkommen ift, nach des 
Landes Gewohnheit. 

7. Jeder Theil foll darauf achten, daß von feiner Seite den 
Gliedern der andern nichts entriffen werde, was fie in ruhiger ftiller 
Gewere inne haben und fein Uebergriff ohne Einfchlagen des Rechts⸗ 
ganges ftattfinde. Gefchieht es doch, fo forgt der betreffende Theil 
Schnell dafür, daß e8 wieder eritattet wird und dann die Sache nad 
dem Rechte vor fich geht. Vermag er das ohne die Hilfe eines ober 
der beiden andern Xheile nicht zu bewirken, fo ſchickt jeder der leßteren 
jeine Fünfe ab, während der erftere feine Biere giebt, und die Neune 
erfennen dann, was zu thun. Dann wird fo lange gegenfeitig Hilfe 
geleiftet, bi8 die Neune erfennen, daß der Sache genug gefchehen fei. 
Ausgenommen werden verbriefte Schuld, unläugbare Gilt u. f. f. 
Da follen Yedermann feine Rechte vorbehalten fein. Hingegen wird 
in Beziehung auf Schuld und Gabe, welche Herzog Leopold oder feine 
Vorfahren um Dienjt verfchrieben oder verheigen haben, beftimmt, daß 
die beiden andern Parteien Niemanden zum Bürger aufnehmen follten, 
dem fie darum beholfen fein und dem zu Liebe fie den Herzog oder 
die Seinen pfänden Fünnten. 

8. Eine fortwährende Veranlaffung zu Streitigfeiten der Für- 
ften und Herren mit den Städten boten die Fälle, wo jene durch 
Bürgeraufnahmen der letzteren ſich in ihren Rechten beeinträchtigt 
glaubten. Solcher Fälle konnten mehrere eintreten. 

a. Einzelne Hörige eines Herrn oder freie Leute, welche in Ge- 
genden wohnten, die feiner Gerichtsbarkeit unterworfen waren, ließen 
fi in den Städten als Ausbürger aufnehmen, d. h. fie wurden dort 
Bürger, behielten aber ihren Wohnfik auf dein Lande, und entzogen 
fih nun häufig den Pflichten gegen den Herrn, die Hörigen, indem 
fie die Schuldigen Steuern und Dienfte nicht entrichten wollten, die 
Freien, indem jie für ihre Güter Eremption von der landesherrlichen 
Gerichtsbarkeit beanfpruchten und bloß vor den ftädtifchen Gerichten 
zu Recht ftehen wollten. Die fi) auf folhe Weife ins ftädtifche 
Bürgerrecht aufnehmen liegen nannte man Pfalbürger, und diefe Auf- 
nahme von Pfalbürgern ijt es vorzugsmweife, die jo viele Beſchwerden 
der Herren gegen die Städte hervorgerufen hat. M 

b. Hörige eines Herrn zogen ganz vom Lande weg, ließen ſich 
in einer Stadt förmlich nieder, wurden dort Bürger und entzogen ſich 
auf diefe Weife allen Verbindlichfeiten gegen ihren früheren Herri. 

c. Unverrechnete Amtleute eines Herrn entzogen fich, indem fie 
in Städte flohen und ſich dort al8 Bürger aufnehmen ließen, der ver- 
dienten Strafe. 

Alle diefe Fälle Famen jehr häufig vor, indem die Städte auf 
jede Weife ihre Bevölferung zu vermehren, und dadurd) ihre Bedeu⸗ 
tung und ihre Macht zu heben fuchten. Kine weitere, nod) größere 


47 


Beeinträchtigung der Herren aber war e8, wenn, was aud) vorfam, 
eine Stadt ganze Städte oder Dörfer, die folchen angehörten, in ihr 
Purgredt aufnahm. Damit war zwar nicht nothmwendig ein fürm- 
ficher Abfall derfelben verbunden, aber immerhin dadurd), daß die 
Städte fi) jetzt in alle ihre Angelegenheiten einmifchten, die Macht 
der Herren über fie beträchtlich geſchwächt. 

Dieje Punkte mußten daher nothwendiger Weife in den Verträ- 
gen zwifchen den Herren und Städten berüdfichtigt werden; im Ba⸗ 
dener Dertrage war es nicht gejchehen, weil diefer e8 vorwiegend auf 
gegenfeitige Hilfsleiſtung abgefehen hatte; hier aber, wo es mehr dar- 
auf ankam, einen geregelten Zuftand zwifchen den abfchliegenden Par⸗ 
teten herbeizuführen, waren Beſtimmungen darüber jehr an ihrem 
Plage. Eie fielen für die Städte ziemlich günftig aus. Es wurde 
nämlich feſtgeſetzt: 

a. Fein Theil darf Angehörige eines Mitgliedes der andern 
Theile zu Bürgern aufnehmen, wenn fie fi) nicht haushäblich in der 
Stadt niederlaffen, wo fie Bürger geworden find; hat aber ein fol- 
her fich vorher feinem Herrn gegenüber verfchworen oder verbürgt, 
nicht von ihm wegzuziehen, fo kann ihn derfelbe binnen Jahresfriſt 
wieder herausverlangen, indem er auf die Art und Weife, die näher 
angegeben wird, den Beweis dafür aufbringt. 

b. Edelleute, Klöjter und Pfaffen hingegen können wohl ale 
Ausbürger in Etädten aufgenommen werden, wie bisher. 

c. Ebenſo kann ein Bauer, der feines Herrn oder Städtebür- 
gers aus den andern zwei Theilen eigener Mann ift, in einer Stadt 
des dritten Theiles zum Bürger aufgenommen werden und doc, auf 
dem Lande draußen wohnen bleiben, entweder auf feinem oder auf 
eines andern Bürgers Gute, jedoch müſſen folche Leute, wenn fie in 
irgend eines dieſem Bündniffe angehörigen Herrn, Ritters, Knechtes 
oder Etädtebürgere Dörfern, Gerichten, Zwingen oder Bännen ge- 
feffen find, die betreffenden Dorfrechte, Gerichte u. ſ. mw. halten, wie 
Andere, welche dafelbft fiten. 

d. Wenn einer aus einer Stadt des einen Theils in eine Stadt. 
eines anderen hinüberzieht und dort Bürger wird, fo muß er der 
Stadt, aus weldyer er gezogen oder dem Herrn, welchem dieſelbe an- 
gehört, alle die rüctändigen Gülten, Steuern und Strafgefälle ent- 
richten, die man ihm binnen Jahresfriſt nachweifen Tann. 

9. Kein Theil fol die Feinde der andern haufen, hofen, fpei- 
fen oder tränfen, nod deren Schlöffer, Veften, Städte oder Güter 
in feinen Schirm nehmen. 

10. Zur Beendigung von Kriegen, die aus diefem Bündniſſe 
entfpringen, hilft man ſich gegenfeitig auch über die ‘Dauer deijelben 
hinaus, bis die Neune erkennen, daß der Sache genug gethan fei. 

11. Zur Belagerung von Städten, Schlöffern und Velten darf 
fi) jeder Theil Werkleute und Zeug von den andern ausbitten; es 
bat derfelbe jedoch die Koften allein zu tragen und darf auch über das 


48 


Eroberte und die Gefangenen verfügen unter Beobachtung berfelben 
Vorfichtsmaßregeln, wie wir fie im Badener Vertrage vorgefunden. 

12. Werden Belagerungen von allen drei Theilen zu gemeinem 
Nuten unternommen, jo fommt auf jeden ein Drittel der Koften fo- 
wohl als des Gewinnes. Die Abrechnung findet im nächſten Monat 
nad dem Ende des Feldzuges in Ulm Statt, und im nädjitfolgenden 
Monat wird bezahlt. 

13. Die Diener und Beamten eines jeden Theiles haben das 
Bündniß zu befchwören. 

14. Stirbt einer der Schiedsleute oder der gemeinen Leute, fo 
fegt der Theil, dem derfelbe angehört hat, binnen Monatsfrift im 
Einverftändnig mit den andern Theilen einen Nachfolger an deffen Stelle. 

15. Alle Theile fünnen während der Dauer des Bündniſſes 
neue Diener und Bürger annehmen, die dann auch den Schuß deſſel⸗ 
ben genießen, nachdem fie es zunor bejchworen haben. Keinem fol- 
hen hilft man aber in einer Sache, die fi) aus einer Zeit herfchreibt, 
da er noch nicht aufgenommen war. 

16. Keiner der drei Theile darf einen Fürften, Grafen oder 
andern großen Herrn oder Bifchof von ſich aus in diefen Bund auf- 
nehmen, fondern wenn er einen foldjen, der aber in den oben be= 
zeichneten Kreifen gefeffen fein muß, aufnehmen möchte, fo hat er von 
feiner Seite vier Mann zu ftellen, wozu die andern beiden fünf hin⸗ 
zugeben, und diefe Neune entfcheiden über die Aufnahme. 

17. Die Diener der Verbiindeten, welche das Bündniß nicht 
bejchwören, find auch feines Schutes nicht theilhaftig, und werden, im 
Falle fie ein Stück deſſelben übertreten, von allen Bundesgliedern mit 
vereinter Macht überzogen. 

18. Da das Bündniß der Kömengefellfchaft auf nächte Weihnacht 
ausgeht, fo können die Deitglieder derjelben, die wollen, austreten, doch 
haben die Hauptleute der Gefellichaft ihre Namen, da man ihnen dann 
nicht mehr zu helfen verpflichtet ift, den Verbündeten anzuzeigen. 

19. Alle drei Theile bleiben bei ihren Freiheiten, Briefen, Rech⸗ 
ten und guten Gewohnheiten, wie fie die von Röm. Kaifern und Köni- 
gen hergebracdht haben. Befonders vorbehalten werden noch die Briefe, 
welche der Graf von Wirtemberg und die Stadt Eplingen gegen ein- 
ander haben. 

20. Die Anzahl der Reichsſtände, die jeder Theil außer dem 
Könige und dem Reiche noch als feine Verbündeten ausnimmt, ift 
ziemlich groß. 

Durch dieſes Bündniß hätte bei den ſehr zweckmäßigen und den 
BVerhältniffen angemefjenen Bedingungen , die e8 enthielt, der Grund 
zu einer feſten Handhabung der Ruhe in ganz Schwaben fünnen ge- 
legt werden. Allein die verfchiedenen Parteien, welche dajjelbe einge- 
gangen, verfolgten zu verjchiedene Intereſſen, ftanden fich zu jchroff 
gegenüber, als daß an ein wirklich aufrichtiges Entgegenfommen zu 
denken gewejen wäre und ein feſter Anfchluß hätte zu Stande kom⸗ 
men fünnen. Sie fuhren fort einander mißtrauifch zu beobachten. 


49 


Herzog Leopold, der bald nad) Abfchlug deffelben in offenen 
Krieg mit den Baiernherzogen gerathen war, am 8. December fi 
aber mit denfelben verfühnte, ließ fich bei diefer Gelegenheit von ihnen 
verfprechen,, ibm beizujtehen, wenn ihn die Reichsſtädte oder die ver- 
bundenen Gejellfchaften wider Recht angreifen würden, indem er aud) 
ihnen hinwiederum für den gleichen Fall feine Hilfe zuſagte. Graf 
Eberhard mochte durch die immer zunehmende Weberjiedlung feiner 
Unterthanen in die Städte diefen nicht gerade günjtig geftimmt wer- 
den; er ſah ſich genöthigt, um derfelben Einhalt zu thun, im Januar 
1383 die Bürgerfchaften von Leonberg, von Bradenheim und die 
Einwohnerfchaften vieler nordweſtlich von Stuttgart gelegener Dörfer, 
Mann für Mann eidlich fich verpflichten zu laffen, ewiglic) unter ber 
Herrſchaft von Wirtemberg zu verbleiben und zu figen. — Dieſes 
Ueberjiedeln berrichaftlicher Unterthanen in die Städte fcheint damals 
überhaupt bedeutend zugenommen zu haben; in demfelben Jahre 1383 
Ge fih Anna von Hohenlohe eine ähnliche Verfchreibung von der 
Stadt Dehringen ausitellen. — „Den edlen Leuten gefchah gar un⸗ 
gnädiglich“, jagt eine Aufzeichnung aus jenen Zeiten, „denn ihre Ei⸗ 
genleute flohen oft von ihnen, und wollten ihnen nicht dienjtbar fein 
wie zuvor, und wenn fie in den Städten Bürger wurden, fo nahmen 
fie diefe Städte ein, und fie wurden gefchirmt gegen ihre eigenen Her⸗ 
ren“ !. — Das war aber nicht gerade geeignet, ein gutes Verhältniß 
zwifchen Herren und Städten herzujtellen. Uebrigens feinen die 
Mitglieder der Nittergejellfchaften, welche einen Haupttheil des Bünd⸗ 
niſſes ausmachten, unter fich felbjt durch Feine befonders feiten Bande 
vereinigt geweſen zu fein. Königshoven berichtet ?, fie hätten bald 
ein Ende genommen, und in der That finden wir fchon in den näch- 
ften Jahren feinerlei Nachrichten mehr, die uns auf ein Fortbejtehen 

elben fchließen laffen. Bloß die St. Jürgen-Geſellſchaft taucht 
fpäter wieder auf. 


ı C Ghr. 32. ⸗ 6. 168. 


II. 


Berfuche des Königs, Städte und Fürften unter feiner 
Leitung zu vereinigen. — Verhältniſſe ded Städtebuudes 


zur ſchweizeriſchen Eidgenoſſenſchaft. 


Wenn ſich auch das Bündniß von Ehingen feines nachhaltigen 
Erfolges erfreute, fo war es doc) in fehr großartiger Weife angelegt und 
mußte bedeutendes Aufjehen erregen. Namentlich Tonnte König Wenzel 
nicht ohne Beforgniß die Nachricht davon vernehmen. Nicht genug, 
dag die Städte und die Ritterfchaft felbitändige, zur Reichsverfaſſung 
in feiner Beziehung ftehende Bündniſſe abfchloffen, und einzelne Für⸗ 
ften unter einander fich vereinigten, jetzt ſah man die verfchiedenen 
Stände einer ganzen großen Landſchaft zu einem Bunde ſich zuſam⸗ 
menthun, deffen Anjehen das des Königs in den betreffenden Gegen- 
den leicht verdunfeln fonnte. Ueberhaupt wenn die Sache fo fortgieng, 
fo mußte Wenzel, wie Stälin treffend bemerft, ganz überflüffig wer- 
den. Er beichloß deshalb, wie einjt fein Vater, einzugreifen, alle 
eigenmächtigen Bindniffe der Neichsftände unter ſich aufzulöfen, umd 
einen Landfrieden zu errichten, deſſen Haupt er felbft als König fein 
würde. Wenn einjt Karl die frühern Verbindungen der Städte auf- 
gelöft und an ihre Stelle ein gleichfalls aus Städten gebildetes Land- 
friedensbündniß gejett hatte, fo wollte jetzt Wenzel, um Vereinen in 
der Art des Ehinger Bündniſſes entgegenzutreten, einen Bund jtiften, 
an welchen, wie bei diefem, Fürſten, Herren, Ritter und Städte ſich 
in gleicher Weife betheiligen follten, aber nur zur Handhabung des 
Landfriedens und unter jeiner Autorität. Solche Pläne mußten die 
Städte zur größten Wachſamkeit anfpornen. Jetzt galt es, auf der 
Hut zu fein und durch feftes Auftreten zu verhindern, daß fie nicht 
auf eine Weiſe in einen folchen Yandfrieden eingefügt würden, wodurch 
ihre Selbftändigfeit gefährdet oder vernichtet würde. Wenn wir da> 
ber jehen, wie fie fich im Laufe des Jahres 1382 enger an einan- 
der Tchloffen, fo werden wir dieß wohl mit den Abfichten, welche der 
König im Sinne trug, in Zufammenhang zu bringen haben. Den 
6. Juni verlängerten die rheinifhen Städte ihren Bund bis zum 24. 
Juni 1392, den 28. Septeinber die ſchwäbiſchen den ihren bis zum 
23. April 1395, und am 15. October wurde nun aud) die Vereini⸗ 


61 


gung biefer beiden Bimdniffe bis auf Weihnachten 1391 erftredk. 
So fomnten fie mit um fo mehr ZJuverficht den Verſuchen des Kö⸗— 
nigs entgegenfehen. Beachtenswerth ift es, daß die Schwäbischen Städte, 
indem fie ihr Bündniß verlängern, unter den Fällen, welche gegenfei- 
tige Hilfeleiftung bedingen, neben den Angriffen auf ihre Freiheiten 
jegt au Raub, Mord, Brand und ımrechtes Widerfagen bezeichnen, 
die vier Punkte, deren Abwehr und Beſtrafung den jtehenden Sat 
bildet , mit welchem alle Landfriedensbündniffe eingeleitet werden. Sie 
thaten das offenbar, um auch ihrem Bunde dadurd) gewiffermaßen 
den Anftric eines folchen zu geben und dem Könige, wenn er etwa 
dem Wortlaute der goldenen Bulle gemäß die Auflöfung beffelben 
verlangen wirde, damit entgegen zu kommen: e8 gehöre ja in bie 
Reihe der in jenem Neichögefege erlaubten Vereine. 

Im Frühling 1383 hielt der König einen Reichstag zu Nürn- 
berg, auf welchem unter Mitwirkung der Kurfürften und vieler ans 
derer Fürſten und Herren der neue Landfriede errichtet wurde, der ſich 
über das ganze Reich Hin erftreden follte. Am 11. des Monats Merz 
wurde er verkündet, und in einem Ausfchreiben vom 14. forderte Wen⸗ 
zel alle Fürſten, Grafen, Freien, Herren, Ritter und SKnechte zum 
Beitritt auf, und gebot ihnen, alle etwanigen Verbindungen mit Reichs⸗ 
ftädten aufzufagen. Dieſe letzteren hatten fic) vom Befuche des Reichs- 
tages fern gehalten und betheiligten fic) an der Aufrichtung des Land⸗ 
friedens in Feiner Weife. Doc war der Wille des Könige, daß aud) 
fie noch in denfelben hineingezogen würden. Die an der Gründung 
des Landfriedens betheiligten Fürften und Herren fammt den übrigen 
Großen des Reiches wurden durd die Bündnißurkunde vom 11. Merz 
in vier Parteien gruppiert. 

Die erfte umfaßte: das Königreich) Böhmen und was zu ber 
Krone diefes Königreiches gehört, die Mark Brandenburg, die Her: 
zogthümer Sachſen und Lüneburg. 

Die zweite: die Erzbifchöfe von Trier und von Köln, die Pfalz- 
grafen Ruprecht den älteren und den jüngeren, den Landgrafen von 
Heffen und die Markgrafen von Baden. 

Die dritte: die Herzoge Albrecht und Leopold von Oeſterreich, 
die Herzoge Stephan, Friedrid) und Yohann von Baiern, den Herzog 
von Lothringen, die Bijchöfe von Straßburg, von Augsburg, von Res 
gensburg, die Grafen Eberhard und Ulrich von Wirtenberg. 

Die vierte: die Bifchöfe von Bamberg, von Würzburg und von 
Eichftädt, die Landgrafen Balthafar, Wilhelm und ihre Vettern, Mark⸗ 
grafen zu Meißen und Landgrafen zu Thüringen, Pfalzgraf Ruprecht 
den Jüngſten, Friedrich) Burggrafen zu Nürnberg. 

Die Übrigen aufzunehmenden Fürften, Herren, Ritter und Städte 
follten dann den zunächft gelegenen Parteien beigegeben werden. Won 
den Aufgezählten fcheinen mehrere, wie der Erzbiſchof von Trier und 
der Herzog von Lothringen, nie beigetreten zu fein !; Herzog Albrecht 

2 Im Mergentbeimer Bünbniffe, wo die Theilnehmer auch nach ben vier 
Barteien aufgeführt werben, fehlen dieſe. 


4* 


62 


bon Oeſterreich ließ fich erft aufnehmen, als er nad dem Tode 
feines Bruders auch die Regierung der vorderen Lande übernom⸗ 
men batte. 

Diejer Landfriedensbund follte dauern bis zum 23. April 1395, 
und während diejer Zeit follten weder Fürften, Herren, Ritter, nod 
Stüdte irgend eine andere „gemeine Einung oder einen Bund“ machen. 
Die Verordnungen, welche er enthielt, zielten auf gegenfeitige Unter 
jtügung zur Handhabung der Ruhe, Hilfsleiftung gegen unrechtmäßige 
Angriffe, friedliche Ausgleihung der zwifchen den Bunbesgliedern ſich 
erhebenden Etreitigfeiten. Alle verjpradhen, dem Könige getreu zu 
bleiben und ihm zu helfen gegen Jedermann hiediesfeitd des Lampart⸗ 
chen Gebirges in deutfchen Yanden und im Königreiche zu Böhmen. — 
Zu gemeinfanten Berathungen ſchicken der König und die Yürften, 
Grafen, Herren und Städte der einzelnen Parteien, jedesmal am näch⸗ 
ften Sonntag nad) Fronfajten, und fonjt, wenn es nöthig ift, je zwei 
aus ihren Räthen an den Ort, welcher jeder Partei bequem ift; ift 
es nöthig, daß ſich alle Parteien zuſammen befprechen, fo geſchieht 
dieg in Nürnberg. Das Ausfchreiben vom 14. Merz, wodurd Für- 
jten, Herren und Ritter zum Beitritte eingeladen wurden, enthielt zu⸗ 
gleich die Anzeige, daß den im Bündniffe befindlichen Kurfürften, Für⸗ 
jten und Grafen die Vollmacht ertheilt werde, andere Fürſten, Gra- 
fen, Herren, Ritter und Städte in daffelbe aufzunehmen, wenn es 
ihnen jcheine, daß e8 dem König, dem Reiche und diefer Einung nütze, 
nothdürftig und gut fei. 

Nach diefen Verordnungen hätten alfo aud) die Städte von ihrem 
befondern Bund, der noch kürzlich durch die Aufnahme der fränfi- 
hen Städte Windsheim und Weißenburg war verftärft worden, ab» 
laſſen und der neuen Einung beitreten müſſen; allein fie waren fei- 
neswegs gemeint, das was fie während der legten Jahre in blutigen 
Kämpfen errungen und behauptet hatten wieder aufzugeben ; fie konn» 
ten unmöglich ſich freiwillig dazu verftehen, es fragte fi, ob der 
König verfuchen werde, fie mit Gewalt dazu zu zwingen. Wie ganz 
anders jtanden doch diegmal die DVerhältnijje ale im Jahre 1350! 
Die feite Haltung des fchwäbilch-rheinifchen Bundes bewog Wenzel 
von einem ſolchen Vorhaben abzujtehen, und er fuchte nun auf eine 
andere Weiſe fich feinem Ziele zu nähern. Da die Städte von ei 
nem Eintreten in den Yandfrieden, wobei fie auf ihren befondern Bund 
hätten verzichten müſſen, nichts wifjen wollten, fo gab er diefe For—⸗ 
derung auf, fuchte aber wenigjtens eine Vereinigung der zwei Städte 
bünde und der Herren welche den Nürnberger Landfrieden bejchworen 
hatten zu Stande zu bringen. Gr befchied deshalb die legtern im 
Sommer 1384 nad, Heidelberg, während die Städte in Speier zu 
jfammenfamen. Es wurden Unterhandlungen gepflogen, und am 26. 
Juli gelangte in Heidelberg die gewünfchte Cinung zum Abfchluffe. 
Sie follte bis nächfte Pfingften über drei Jahre dauern, und enthielt 
folgende Artikel: 

1. Wird ein Theil befchädigt mit Mord, Raub, Brand oder 





63 


mrechtem Widerfagen, fo leiften die nächftgelegenen Gtieder des andern 
Zheiles Hilfe von einem Mittage zum andern. 

2. Iſt die Sache weitläuftiger, fo fchiden auf die Mahnung 
der Herren die ſchwäbiſchen oder die rheinischen Städte oder im Noth- 
falle auch beide je 50 Spieße, 14 Tage, nachdem die Mahnung er: 
folgt ift, besgleichen die nächiten Herren, wenn fie von den Städten 

t werben, entweder der einen oder den beiden Abiheilungen 
derielben, je 50 Spieße, und zwar auf eigene Koften. Der mahnende 
Theil Hat immer felbft wenigftens eben fo viele Spieße zu ftellen, ale 
die Zahl beträgt, um welche er den andern mahnt. 

3. Liegt man nun zu Felde, jeder Theil mit 100 Spießen, 
und das Kriegsvolk fürchtet, dag diefe Macht nicht ausreiche, fo wer: 
den von dem DBolfe der Fürften und Herren fowohl als von dem 
Volke der Städte je drei Schiedsleute aufgeftellt, und wenn die Sechfe 
erlennen, daß fernere Hilfe nöthig fei, fo fehict jeder Theil noch wei- 
tere 100 Spieße zu den 100, weldje er bereits gejtellt hat. 

4. Weber die Belagerung von Schlöfjern, über Croberungen 
und Gefangene ungefähr diefelben Beſtimmungen, wie in den Verträ⸗ 
gen von Baden und Ehingen. 

5. Mahnen beide Theile zugleich, fo geht die erfte Mahnung vor. 

6. Rührt ein Schloß, das belagert werden muß, von einem 
der Verbiindeten, von einem Herrn oder einer Stadt, zu Lehen, oder 
ft von ihm verpfändet oder fein offenes Haus, fo kann der Betref- 
fende einer Einnahme diefes Schloſſes zuvorkommen, indem er fidh 
dazu verfteht, all den Schaden zu vergüten, der aus demfelben zuge- 
fügt worden ift. Doc, hat er gute Sicherheit dafür zu leiften, daß 
während der Zeit diefer Cinung den Verbündeten fein Schade mehr 
daraus gefchehe. 

7. Angriffe wegen verbriefter Schulden, unleugbarer Gült, Hub- 
geld, Vogtrechtes, Steuer und Zinfes werden nicht als Raub ange- 

fehen ; doc) follen die, welche wegen folcher Sachen angreifen, mit 
ihren Pfändern pfandlich verfahren. 

8. Gefchehen Angriffe auf Kaufleute, Fremdlinge, Landfahrer 
und Pilger, geitliche oder weltliche Yeute, fo haben die, in deren 
Gebiet es gefchehen ift, oder die zumächit geſeſſen oder zuerft darauf 
aufmerffam geworden find, zu friicher That dazu zu thun, oder, wenn 
die Sache mehr Anftrengungen erfordert, die Andern zu mahnen. 

9. Sm Kriegen, die ſich wegen der oben verzeichneten Stüde 
erheben , fchließt fein Theil Frieden, ohne den andern mit einzufchließen. 

10. Kein Theil darf die Feinde des andern, welche denfelben 
mit einem der vier Stüde (Raub, Mord, Brand und ımrechtem Wi- 
derfagen) angreifen, haufen oder hofen, fpeifen oder tränfen. — Dan 
hat hier vorfichtiger Weife nicht den Ausdrud Feinde im Allgemeinen 
bingeftellt, fondern eine genaue Bezeichnung und Begrenzung dejjelben 
gegeben, da das Nündnig bloß ein Yandfriedens-, kein eigentliches 
Schutzbündniß ift. 

11. Die Vögte und Amtleute der Fürjten und Herren haben 


54 


diefe Einung zu beſchwören und dafür zu forgen, daß fie auch von 
den untern Amtleuten, Schultheißen u. f. w. gehalten wird. 

12. Zn Kriegen und auf Zügen, welde von diefer Vereinung 
wegen entftehen, foll man den Gütern der Freunde, den Kirchen, den 
geiftlichen Leuten und ihren Gütern feinen Schaden zufügen, bloß mit 
dem augenblidlich nöthigen Bedarf an Speife darf man ſich verfor- 
gen, doch ohne dag man aus Kirchen und Klöftern etwas nimmt. 

13. Jeder der beiden Theile verpflichtet fih, Städte, Märkte, 
Dörfer oder Weiler, welche Gliedern des andern Theils angehören, 
nicht in feinen Bund, in Einung oder zu Nürgern zu empfangen, jo 
lange dieß Bündniß währt. Einzelne Perfonen darf man wohl aufs 
nehmen, wie das von Alter herfommen ift. Doch foll kein Theil Pfal- 
bürger annehmen während der Dauer des Bündniffes. 

14. Jeder Theil behält fich feine Rechte u. |. w. vor. 

15. Die Grenzen des Bezirks, innerhalb deſſen man fidy ge 
genfeitig Hilfe leijtet, ziehen fi) vom Hauenftein dem Gebirge nad) 
bis ing Land der Herren von Baiern, an den Böhmerwald, und vor 
demſelben hin an den Thüringer Wald, von da an die Lahn, und über 
die Lahn bis zum Echelterwald, und vom Echelterwald nad Dridorf, 
Hademar, Montabaur, Lahnſtein, über den Rhein bis auf den Hunds⸗ 
rüden, von da nad Kaiferslautern, Dagfpurg, dem Gebirge nadı bie 
Rotenberg, und von da wieder an den Hauenftein. 

16. Beide Theile nehmen den König Wenzel und das heilige 
Reich aus, ebenſo alle Bündniffe und inungen, die fie fonft ge 
Ichloffen haben. Die Fürften und Herren behalten ſich noch befon- 
ders vor, daß ihnen diefes Bündniß an der Einung, die der König 
zu Nürnberg errichtet hat, keinen Schaden bringe. Die Städte dage- 
gen nehmen jede Vereinung und Bündniß aus, die fie vorher unter 
einander abgefchloffen haben und alle die noch in diefelbe eintreten, 
es feien Fürften, Grafen, Herren, Ritter, Knechte oder Städte, und 
verwahren fich dagegen, daß diefe Einung ihnen hieran feinen Scha⸗ 
den bringe. — 

Trotz diefer äußerlichen Vereinigung wurde aber die Spannung 
ziwifchen den Fürften und dem mächtig emporftrebenden Städtebunde, 
der im Juni auch Bafel und Nürnberg aufgenommen hatte, immer 
größer. Namentlich war die Stellung des leßtern dem Herzog Xeo- 
pold gegenüber noch immer feine fehr freundfchaftliche und die Auf- 
nahme von DBafel war nicht gerade geeignet, diefelbe zu verbeſſern. 

Diefe Stadt war durch eine Reihe von Unfällen und durdy Kluge 
Benutzung derfelben von Ceiten bes Herzogs dazu gebracht worden, 
fi ihm mehr und mehr anzufchließen auf eine Weife, wodurd ihre 
Selbftändigfeit jehr beeinträchtigt wurde. Das oberrheinifche Bünd⸗ 
niß der Städte Straßburg, Baſel und Freiburg war durch die Ues 
bergabe des letteren an Dejtreich (1368) gefprengt, Baſel überdieß 
durch die Niederlage, die e8 in Gemeinfchaft mit den Freiburgern bei 
Endingen erlitten hatte, geſchwächt und durch innere Unruhen, welche 
in Folge diefer Niederlage entjtanden, zerrüttet. Als einige Jahre 


55 


darauf ein Krieg mit dem Bifchof ausbrach, ſchlug fic) der Herzog 
auf dejfen Seite, und vermittelte dann einen Frieden, aus dem der 
meifte Vortheil ihm zufloß (1375). Vom Biſchof Tieß er fich zum 
Dank für feine Hilfe die Stadt Klein-Bafel und mehrere andere um« 
liegende Befigungen verpfänden. Die Stadt aber bewog er zum Ab⸗ 
fchluffe eines Bündniſſes, das fie vollfommen in feine Abhängigkeit 
brachte. Im Jahr 13833 nahm er fie auch in den Nürnberger Land- 
friden auf. Die Gefahr lag nahe, daß Bafel das Schickſal feiner 
Schweſterſtadt Yreiburg werde theilen müſſen. Da ermannte fi) 
aber die Bürgerfchaft, und al8 es bei Gelegenheit einer ziwiefpältigen 
Biſchofswahl NReibungen mit dem Herzoge gab, bejchloß fie, dem 
ſchwübiſchen Städtebunde beizutreten, indem fie glaubte, auf dieſe 
Weiſe ihre Selbjtändigkeit anı beiten wahren zu fünnen. Sie Tieß 
id am 1. Juni aufnehmen, ohne daß fie in ihrer Beitrittserflärung 
den Bund mit dem Herzoge oder den Nürnberger Landfrieden irgend- 
wie vorbehielt Zugleich mit ihr ſchloß ſich auch der Bifchof Ymer 
von Ramjtein, dejjen Gegner, Wernher Schaler, vom Herzoge unter> 
fügt wurde, dem Bunde an. 

Das mußte den Herzog Leopold erbittern, und wenige Tage, 
nahdem er mit den Städten, denen Baſel fchon beigetreten war, die 

idelberger Einung abgefchlojien hatte, ließ er fich, (28. Juli) von 

‚Wenzel verfprechen, er werde ihm gegen dieſe Stadt behilflich fein, 
wenn es ihm nicht gelinge, fich mit ihr auszuföhnen. Auch ſein Ber- 
hältniß zur Stadt Giengen war noch immer nicht geregelt ', und 
außerdem dauerten die Zwiltigfeiten in Betreff der Herrichaft Hohen- 
berg fort, da die Bundesjtädte die Städte Oberndorf und Schömberg, 
die fie in Folge ihrer Pfandfchaft bejettt hatten, fortwährend inne be- 
hielten, und bie Rotweiler in ihren Namen dafelbit die Gerichte ver- 
walteten und die Gefälle bezogen. Diefe Sache wurde nun zwar 
den 7. December durch ein Schiedsgericht zu gütlichem Austrage ge= 
bracht , indem man fich dahin verglich, daß die Städte dem Herzog 
nad; Empfang von 3500 fl. die verpfändeten Orte zuftellen follten, 
aber gleichwohl blieben noch genug Punkte übrig, welche das Miß- 
trauen zwifchen den beiden Parteien wach erhalten und die Weberzeu- 
gung fördern ınußten, es werde über furz oder lang zum Ausbruche 
fommen. 

Deshalb hielten e8 die Städte für gerathen, fi nad neuen 
Bundesgenoffen umzujehen, und zwar fuchten fie diefelben diesinal 
nicht im Lager der Fürften, fondern in einem ihrem Bunde in mans 
cher Hinſicht fehr ähnlichen Vereine von Städten und Yändern: die 
Beziehungen, welche die Bodenjeeftädte früher zu den Städten Zitrid) 
und Bern und zu den Ländern im Gebirge gehabt hatten, wurden 
wieder aufgegriffen und ein Bündniß mit der fchweizerifchen Eidge⸗ 
noſſenſchaft geſucht. Mit wen follte man ſich aber eher zum Schutze 
gegen Defterreich verbinden, al8 gerade mit biefer, die ja im Kampfe 


2 DBeg. 220, 


56 


mit Oefterreich ſich herangebildet hatte, und deren Spannung zum 
erzoge neuerdings durch deſſen zweideutiged Benehmen im Kyburger : 
iege fowie durch die Aufrichtung neuer Zölle aufs höchſte fid) ge - 
fteigert hatte. Deshalb bemrühten fich die ſchwäbiſchen Städte aufs 
eifrigfte, eine Vereinigung zu Stande zu bringen, und zwar eine : 
folche, in der nicht fie allein, fondern auch ihre rheinifchen Eidgenof- 
fen begriffen fein follten. Allein fie ftießen auf Schwierigkeiten. 
Die Leute von Schwyz waren derfelben Anfichten, wie früher bie 
weifen Herren von Straßburg, fie glaubten, daß ein Meines Bimd⸗ 
niß viel ficherer fei als eine fo weit ausfehende Verbindung, und 
fürchteten überdieß, das Gleichgewicht der Länder und Städte möchte 
durch den Anfchluß der Eidgenofjenfchaft an einen großen Städtebund 
leiden. Deshalb weigerten fie fich felbft beizutreten, und verhinderten 
auch die Urner, Unterwaldner, Quzerner und Glarner, e8 zu thm, 
wozu ihnen die Bundbriefe da8 Recht gaben. Bern, Züri, Stadt 
und Amt Zug hingegen, welche fich bei ihrem Beitritte zur Eidge⸗ 
nofjenichaft das Recht vorbehalten hatten, nach Belieben neue Bünd⸗ 
niffe einzugehen, fowie die, mit Bern in einem ewigen Bunde ftes 
hende Stadt Solothurn ließen fich bereit finden. Sie fürdhteten den 
baldigen Ausbruch eines Krieges mit dem Herzog, dem fie, nament- 
(ih Bern, nicht ohne Beforgniß entgegenfahen, und waren froh, Bım- 
desgenofjen für denjelben zu finden. So traten fie mit den rheini- 
chen und fchwäbifchen Städten in Conftanz zufammen, und fchloffen 
dort den 21. Febr. 1385 ein Bündniß ab, das bis zum 23. April 
1395 dauern follte, alfo gerade fo lange als das fchwäbifche Bünd⸗ 
niß felbft, und das feiner ganzen Anlage nach gegen Oeſterreich gerichtet 
war. Die Luzerner wußte man auf einem Umwege auch noch Hin: 
einzubringen. Sie ftellten nämlich eine ausdrüdliche Urkunde dar⸗ 
über aus, daß fie während der Dauer diefes Bündniſſes allen Mah— 
nungen der Zürcher folgen wollten, wofür ihnen dann hinwieder diefe 
zufagten, in ihren Nöthen die Reicheftädte zu ihren Gunften zu mah- 
nen. Den Luzernern, welche der Herzog als abtrünnige Unterthanen 
feines Haufes ganz befonders hate, und die er durch die Aufrichtung 
des Zolles zu Rotenburg aufs äußerfte erbittert hatte, mußte e& vor 
allen andern darum zu thun fein, in diefen Bund aufgenommen zu werden. 
— Die Artifel des Vertrages lauten fehr günftig für die Schweizer '. 
Man fieht deutlih, daß die ſchwäbiſchen Städte e8 find, von wel: 
hen die Sache ausgeht; fie lafjen es ſich gerne gefallen, den Schwei⸗ 
2 Wir erlauben ung, ber Einfachheit wegen biefen Namen zu gebrau: 
hen, um nicht immer bie einzelnen Stäbte aufzählen zu müflen. Wenn wir 
die fchwäbifchen Städte im Gegenſatze zu ihnen als die Neichöftäbte bezeidh- 
nen, was auch ungenau iſt, ba Bern, Züri und Solothurn ja gleichfalls 
ſolche waren, fo fchließen wir und einer Ausdrucksweiſe an, bie wir ſchon in 
den Urkunden finden, welche dad Gonftanzer Bündniß betreffen. Die Ruzer: 
ner verfprechen ben Zürdern: „Und fol aub die vorgefeite Gelübde ſtätt be: 
liben bie Jarzal uß, als ed in der obgenanten unfer Eydgenoſſen von Zürich 


und in bed Riches Stetten Pundt Briefen, bamit fi zu einander verbunden 
find, begriffen iſt“. 


57 


zen manches zuzugeitehen und größere Verpflichtungen zu übernehmen 
als diefe und als felbjt die rheinischen Städte, damit fie den Abſchluß 
des Bundniſſes durchfegen. — Die Beitimmungen defjelben find folgende: 

1. Der Kreis, innerhalb deifen die Schweizer den Städten zur 
Häfeleiftung verpflichtet find, beginnt da, wo die Aare entfpringt, was 
man bie Grimſel nennt, und zieht ſich der Aare nach vor Hasle, 
vor Bern, vor Solothurn vorbei bis zur Stelle, wo fie in den 
Rhein minder, dann rheinaufwärts bis zur Mündung der Thur, 
und biefem Fluſſe entlang bis zu deffen Urfprung, dann durch Kur: 
walchen hinauf bis zur Veſte NRingenberg, und von dort jenfeits des 
Gotthards bi8 auf den Platifer ', von dort auf den ZTöffel und wei- 
ter wieder nad) der Grimfel zurüd. — 8 ift genau derjelbe Be⸗ 
zirt, innerhalb deijen nad den Biindniffen von 1351 und. 1352 Zü- 
rih, Zug und die 4 Waldftätte einander behilflich fein follten *, und 
der nım am einfachiten auch hier zu Grunde gelegt wurde. Indem 
dann die Tuzerner innerhalb deſſelben den Mahnungen der Zürcher 
folgten, erfüllten fie nur ihre Bundespflicht. — In dieſen Kreifen 
nm helfen die Schweizer den fchwäbifchen Städten, gleich als ob die 
Sache ihre eigene wäre, außer denjelben die Städte den Schweizern, 
welche die Birrgermeifter und Käthe von Bafel, Conftanz, Ulm oder 
Rotweil mahnen; nur die rheinischen Städte find nicht zu dieſer 
Hilfe verpflichtet. Außerhalb ihrer Kreife haben die Schweizer durd)- 
aus feine Hilfe zu leiten, wenn fie e& nicht aus freiem Willen thun. 

2. Auswendig und inwendig der Kreije erhalten die Schweizer 
für bie Kriegszüge von den Städten 100 Spieße in den nächſten 
14 Zagen nad) der Mahnung und weitere 100 in den nädhitfolgen- 
den Tagen. Auch an die Koften diefer Spieße haben die rheinifchen 
Städte nichts beizutragen. ‘Die mahnende Stadt giebt den Spießen 
Dehaufung ; zu verköftigen aber haben fie fich jelbit. 

3. Erleiden die Schweizer außerhalb ihrer Kreife gähen Angriff, 
fo fahren die Städte, und zwar hier auch die rheiniſchen, gleich zu, 
und umgelehrt helfen die Schweizer den rheinischen und den fchwäbi- 
then Städten auf gleiche Weife, wenn diefe innerhalb ihrer Kreiſe 
befchädigt werden. 

4. Wäre die Sache fo groß, daß fie eines Gefäßes bedürfte, 
fo tagen die Bundesgenoſſen zuerft in Zürich. (Auch bier wird 
nochmal® hervorgehoben, daß die Schweizer außerhalb ihrer Kreife 
zur Hilfe durchaus nicht verpflichtet find). — Die Koften von Bela 
gerungen hat die mahnende Stadt zu tragen, und fie auch die Beute 
zu genießen. 

5. Wenn die Städte derer von Luzern und Zug, die jekt noch 
durch den Frieden mit Deftreich gebunden find, bedürfen, jo mahnen 
fie die von Zürich und die mahnen jene, ebenfo, wenn die von Luzern 


2 Wfatifer (Monte Piontino) im heutigen Canton Teſſin. Platiner bei 
Tſchudi und Platin bei Lehmann ift unrichtig. Das Basler gwB hat beut: 
lich „Blatifer.“ 

= ©. 3. B. Bluntſchli, Schweizerifches Bundesrecht II, & 17. 


58 


und von Zug Hilfe wollen, fo mahnen fie die von Zürich, und diefe 
die Räthe von Bafel, Eonftanz, Ulm, Rotweil. Nach Ablauf des 
Friedens können dann die von Zug direkt gemahnt werden, nicht aber 
die von Luzern, aus dem oben bezeichneten Grunde. 

Der Friede, deifen bier gedacht wird, ift der fogenannte Thor⸗ 
bergifche, den am 7. Merz 1368 der öſterreichiſche Landvogt Peter von 
Thorberg mit Quzern, Uri, Schwyz, Unterwalden und Zug abgefchlofs 
fen hatte, und der feitdem mehreremale durch Herzog Leopold war 
verlängert worden, zulegt im J. 1376 bis zum 23. April 1387. 
In diefem Artikel wird aljo als felbftverftändlic vorausgeſetzt, daß 
die Hilfe, welche verlangt wird, gegen Oeſterreich gerichtet ift. 

6. Entftehen Stöße, fo ftellt jeder heil zwei Männer, die 4 
jegen nöthiger Weife einen Obmann und tagen zu Zürih. Dabei 
wird beftimmt ausgemacht, daß man nirgend darum Tag leiften folle 
als in Züri), und daß feine Stadt Gewalt habe, die andern Städte 
irgend wohin font zu Zagen zu mahnen. 

7. Belriegt Jemand die fchwäbifchen oder rheinifchen Stübte, 
der außerhalb ber Kreife wohnt, fo geht das die Schweizer nichts an, 
wohl aber, wenn die Herrichaft von Defterreich oder Jemand anders, 
der innerhalb derfelben wohnt, den Feinden hilft. 

8. Die Schweizer haben durchaus feinen Antheil an den Koften 
zu tragen, welche den fchwäbifchen und rheinischen Städten in Folge 
diefes Bündniffes erwachjen. 

9. Kein Laie foll den andern um weltliche Sache vor ein geijt- 
liches Gericht, ein Hofgericht oder Landgericht laden, fondern in der 
Stadt, wo der Anfpredhige ſeßhaft ift, foll gerichtet werden. 

. 10. Es darf Niemand von Schulden wegen verhaftet werben 
als wer rechter Schuldner oder Bürge ift. Niemand foll für den ans 
dern Pfand fein. 

11. Diefes Bündniß geht Allen vor, welche etwa einzelne Städte 
ſonſt Schließen mögen. 

12. Die Rechte und Freiheiten der einzelnen Theilnehmer blei⸗ 
ben vorbehalten. Und was die Herrfchaft von Defterreid oder Je⸗ 
mand anders zu allen insgemein oder zu irgend einer Stadt insbe- 
fondere zu fprechen hat, darüber follen die betreffenden weder vor 
dem Bund noch fonft irgendwo gebunden fein, zu Recht zu ftehen, 
fondern fie follen bei der Gewohnheit bleiben, wie fie von Alter her- 
fommen find. 

Diefer Artikel iſt wohl hauptfächlich auf Veranftaltung der Schwei- 
ser aufgenommen worden, um jeder fremden Kinmifchung in ihre in- 
neren Verhältniffe vorzubeugen. Der fchwäbifche Städtebund Hatte, 
wie wir fpäter fehen werden, nad) vielen Seiten hin eine fehiedsrichter- 
liche Thätigkeit entfaltet, und fo mochten es die Schweizer für nöthig 
halten, fich im Voraus gegen die Ausdehnung derfelben auf ihre An⸗ 
gelegenheiten zu verwahren. 

Ausgenommen werden die Rechte des rom. Neiches und 
der Gotteshäufer. 


59 


Daß das Bündniß gegen Oeſterreich gerichtet war, ift Mar, auch 
täufchte ſich der Herzog hierüber durchaus nicht. Vielmehr fuchte er 
fofort fein Meöglichftes zu thun, um dafjelbe wieder aufzulöjen. Er 
erjejien felbft in Zürich, um für biefen Zwed zu wirken: „bie von Bit 

ihm gar ehrlich, fagt Tſchudi, und empfiengen ihn gar 
Berrfid, bei i feinem Einreiten, man that ihm große Zucht und Ehre 
an” — allein das Bündniß ließ man in Kraft beftehen. Daſſelbe 
wurde nun in allen Städten, die e8 umfaßte, von der gefammten 
Bürgerichaft befchworen, indem jeder ber beiden Theile feine Boten in 
die Städte des andern Theiles abſchickte, um dort die Eide in Empfang 
a namen. Sonntags den 11. Yuni fand diefe Beſchwörung in Zü- 

De Stretigteiten des Herzogs mit den Städten, denen im Merz, 
dem Beifpiele des benachbarten Bafels folgend, Mülhanfen im Elfaß 
noch beigetreten war, nahmen inzwifchen eine folche Gejtalt an, daß 
die letzteren befchloffen loszubrechen und um Johannis die Schweizer 
mahnen liegen. Allein diefe zeigten ſich lau umd entfchuldigten ſich 
mit der Ernte?. Die Städte unterliegen num vor der Hand einen 
Angriff. Es kam ihnen zu Statten, daß der Herzog um dieſe Zeit 
mit dem Könige zerfallen war 3; am 17. Aug. nahm ihm Wenzel die 
beiden Landvogteien Ober- und Niederſchwaben ab, und übertrug ſie 
feinem „Hofgefinde und Diener“ Wilhelm Frauenberger vom Hage, 
einem niederbairiſchen Edelmanne. Es war ein großer Gewinn für 
die Städte, nicht nur, daß Leopold die Landvogteien verlor, ſondern 
auch, daß ſie einem Manne wie dieſem Frauenberger übertragen wur⸗ 
den, und nicht, wie es bisher meiſt der Fall geweſen war, einem mäch⸗ 
tigen Fürften oder dem Gliede eines in Schwaben begüterten Grafeie 
haufes. Wenzel hetzte num die Städte recht eigentlich gegen den Her 
zog auf, er ließ ein Dankfagungsfchreiben an fie ergehen dafür, daß 
fie der Anerfennung des Gegenpabſtes Clemens bis dahin fo Fräftig 
entgegengearbeitet, und zeigte ihnen an, daß er dem Landvogt in Ober- 
und Niederfchwaben und ihnen Vollmacht ertheilt habe, die Anhänger 
deifelben, wer fie auch feien, unter des Reiches Panier anzugreifen *. 
Unter den Anhängern des Clemens war aber der wichtigfte gerade 
Leopold; es ift recht bezeichnend für die damalige Unordnung im Reiche, 
daß ein einzelner Fürft Jahre lang dem Gegner des vom Kaifer und 
den meiften Reichsſtänden anerkannten Pabjtes (e8 war Urban VI.) 
ungeftört anhangen fonnte, bis e8 bei irgend einer Gelegenheit bequem 
ſchien, diefen Umſtand hervorzuziehen und als Vorwand zu Feindjelig- 
feiten .zu benugen. Mit Eröffnung der legteren glaubten die Städte 
nicht mehr lange zögern zu dürfen ; denn ihre Verwicklungen mit dem 
—* mehrten ſich. Beſonders die Basler hatten ſich zu beklagen. 

nur hatte er die Veſten Bipp, Wietliſpach, Erlisburg und Neu⸗ 


1 Tſchudi I, 517. 2 Ebendaſelbſt. 
s Am iefebe Zeit hatte Wenzel aud Streit mit Herzog Albredt. 
a IV, *8 





61 


befchwerte und beeinträchtigte die Bürger und Kaufleute der Stübte 
auf alle Weife, und legte ihrem Handel eine Menge von Hindernijjen 
in den Weg, flüchtige Aufrührer aus den Städten fanden bei ihm 
Alles deutete auf baldigen Ausbruch eines Krieges. Unter 
foldyen Umſtänden mußte e8 den Reichsſtädten fehr erwünfcht fein, als 
’ Leopold ihnen Vorſchläge machte, die eine Befriedigung ihrer 
prüdye und Forderungen in Ausficht jtellten, und jehr unangenehm 
mußte es fie überrafchen, als bald darauf der Krieg mit den Schwei- 
zern ausbrach. Hätten fie fich jet in den Kampf geitürzt, fo würden 
fie e8 geradezu mit allen benachbarten und umliegenden Herren haben 
aufnehmen müſſen (der Graf von Wirtemberg war einer der erjten 
gewefen, die an die Schweizer ihren Tehdebrief gejandt), und einen fol 
den allgemeinen Krieg hervorzurufen, wenn er fich vermeiden ließ, 
wäre eine nicht zu vechtfertigende Zollfühnheit gewejen, die ſchwerlich 
zu einem glücklichen Ausgange geführt hätte, wie die fpätern Creig- 
niſſe uns zeigen. 

Die Städte fuchten alfo zu vermitteln, und wir haben Grund 
anzunehmen, daß diefes den Echweizern felbft jehr lieb war, da die 
meisten Drte die Art, wie die Feindfeligfeiten ausgebrochen waren, nicht 
billigten und den Krieg Lieber noch vermieden gefehen hätten. Es ge- 
lang auch in der That, einen Waffenjtillitand zuwege zu bringen, der 
vom 22. Februar bis zum 17. Juni dauern follte !. Während dei- 
felben wurde an einer endgültigen Ausſöhnung gearbeitet. Kine folche 
gelang den Städten in Betreff ihrer eigenen Streitigfeiten mit dem 
Herzoge. Am 15. Mai 1386 kamen ihre Boten Jos Deklin von 
Nürnberg, Peter Gotmann von Eflingen, Jos Zutenheimer, Bürger: 
meifter von Memmingen, und Claus Beſſerer, Bürgermeifter von. 
Ueberlingen, zu Baden im Aargau mit den öjterreichifchen Bevollmäch⸗ 
tigten zufammen. ‘Die Streitigkeiten wurden in einer den Städten 
gimjtigen Weife gefchlichte. Die Forderungen, welche fie im Namen 
ihrer beeinträchtigten Bürger erhoben, wurden entweder fofort als be⸗ 
rechtigt anerkannt oder rechtlicher Unterfuchung überwiefen, die Ans 
Iprache der Basler wegen Bipp und der anderen Veſten fowie wegen 
Olten follten auf fehiedsrichterlihem Wege ihre Entfcheidung finden; 
was denn auch nad) einigen Wochen gejchah *. — Weniger glücklich 
waren die Derfuche, welche die fchwäbifchen und mit ihnen die rheini- 
ſchen Städte machten, die Schweizer mit dem Herzoge auszufühnen; 
es wurde ein Tag abgehalten, bei dem aber nichts herausfam, als daß 
ein zweiter auf den 3. Yuni nad) Züri angejagt wurde, zu dejjen 
Befendung die ſchweizeriſchen Städte aud) den Rath von Frankfurt ein⸗ 
Inden 3. Auch diefer war vergeblich, wie es fcheint, weil die Eidge⸗ 
noffen fich weigerten, den Städten des Bundes, gleich wie der Herzog 

hatte, volle Gewalt zur fchiedsrichterlichen Entfcheidung zu ges 
ben. Nach Ablauf des Waffenftillftandes brach der Krieg wieder aus, 


? Reg. 257. 2 Reg. 261. 3 Reg. 259, 
* Detmar, Lübedifche Chronik zum 3. 1386. Ausg. v. Grautoff I, 337. 


62 
und wenige Wochen fpäter (9. Juli) fand die Blüthe des Adels, an 


der Spige Herzog Leopold felbjt, ihren Untergang auf dem Schlach⸗ 


felde von Sempach. Die Reichsſtädte, welche den Schweizern erklärt 
hatten, daß fie ftille figen müßten, wenn ihre Vermittlung abgewiefen 
würde, erneuerten jest fofort ihre Verſuche zur Herftellung des Frie⸗ 
dene, und es gelang ihnen, am 25. Juli einen l4tägigen Stillitand 


auszuwirken, der aber von feinem weitern Erfolge war !. Hingegen - 


kam am 8. October ein neuer zu Stande, der bis Lichtmeß 1387 dauern 
jollte und fpäter durch die Bemühungen der Reichsſtädte noch auf 
ein weiteres Jahr verlängert wurde *. Erft im Frühling 1388 brad 
der Krieg wieder aus. Obgleich damals die Städte von ihren eige 


nen Angelegenheiten fehr in Anfpruch genommen waren, verloren fie ° 


die Sache doch nicht aus den Augen, und kurze Zeit vor dem Uns 
tergange ihres Bundes gelang es ihnen, was fo lange der Gegen: 
ftand ihrer Bentühungen gewefen war, einen dauernden Frieden zwi⸗ 
ſchen den Eidgenoffen und Oeſtreich zuwege zu bringen 3. 

Die Schlacht bei Sempach wurde widtig für die Städte nicht 
nur in ihrer Stellung al8 Verbündete der Schweizer, fondern auch 
ihrer eigenen Angelegenheiten wegen. Der unruhige Herzog Leopold 
war vom Schauplage abgetreten, und fein Bruder Albrecht, welcher 
nach dem Willen der Söhne des Verſtorbenen die Regierung der 
ſämmtlichen habsburgifchen Yande, die eine Zeitlang zwifchen beiden 
geteilt gewefen waren, übernahm, war ein Mann von friedlichen 
Charakter, von dem weniger zu befürchten war, daß er gleich wieder 
in Reibungen mit den Städten gerathen würde. Diefe fegten in- 
zwifchen die Rüſtungen gegen Herzog Stephan und ihre übrigen Geg⸗ 
ner fort. Es war bereit fo weit gekommen, daß der Herzog Kauf: 
mannsgüter der Ulmer in Bejchlag nehmen ließ, und man fich gegen» 
feitig raubend und brennend ind Yand fiel*. Am 26. Juli lieg der 
Kath zu Regensburg die DBürgerfchaft fchwören, in der Zeit bes 
Strieges treulich bei einander zu bleiben mit Xeib und mit Gut. — 
Allein auch hier fchien fich eine Ausföhnung anzubahnen, wozu wohl 
der Eindrud, den die Sempacher Schlacht bei den Fürften bervorgeru- 
fen, weſentlich beitrug. In den erjten Tagen des Auguft fand zu 
Mergentheim eine Zuſammenkunft Statt. Die Schiedsrichter, von 
Seiten der Herren ‚Herzog Friedrich von Baiern, Biſchof Lamprecht 
von Bamberg, der Deutſchmeiſter Siegfried von VBenningen und Graf 


ı Tichubi 934. 

2 Lichnowsky IV. Reg. 2019. Quftinger, Berner Chronik 219, 

5 ©. unten. Ih glaube, der Grund, warum bie [hwäbilhen Stäbte 
nicht gegen Teftreih losſchlugen und marım fie beftindig Frieden zwifchen 
diefem Kaufe und den Eidgenoſſen zu vermitteln fuchen, läßt fih ans ihren 
Verhältniſſen gut erklären, obne daß mir die Gembination von Hagen (Ueber 
die politifchen Verbältniſſe zur Zeit der Sempacherſchlacht, im Ardhiv für 
ſchweizeriſche Geſchichte XII, 27. 28) brauchen zu Hilfe au nehmen, ba fie 
ohnebin durch die Art und Weife, wie Wenzel im J. 1385 bie Städte gegen 
Leopold aufhetzt, widerlegt wird. 

+ Nah dem Schiedsſpruche von Augsburg, f. unten. 


63 


—— — Spanheim, von Seiten der Städte Hans von Steinach, 
eifter zu Regensburg, Conrad Ilſung, Buͤrger zu Augsburg, 
Berthold Pfinging, Bürger zu Nürnberg, und Beter Leo, Bürger 
zu Ulm, gaben am 3. diefes Monats ihre Entfcheidung ab. Sie 
betraf die Streitigkeiten der Städte mit folgenden Herren: Burggraf 
Friedrich von Nürnberg, Bifchof Gerhard von Würzburg, Herzog 
Stephan, Graf Eberhard, Herzog Friedrich) von Ted und den Gras 
fen Ludwig und Friedrich von Dettingen. Für die meiften Fälle 
wurden gemäß dem Ausſpruch der genannten Vermittler befondere 
Schied6gerichte aufgeftellt, zu denen die beiden Parteien die Schieds⸗ 
lente und die Obmänner in gewohnter Weile gaben. Die Rotenbur⸗ 
ger wurden aufgefordert, von den Uebergriffen abzulajjen, die fie in 
Betreff ihres Landgerichtes gegen den Burggrafen von Nürnberg und 
den Biſchof von Würzburg fich hatten zu Schulden kommen lafjen. 
Alle PBfalbürger, die feit der Heidelberger Einwig aufgenommen wors 
den, follten ab fein. — Zur gleichen Zeit, in welcher diefe Unters 
bandlungen geführt wurden, rüjteten die Städte eifrigft, um auf alle 
Bälle vorbereitet zu fein. Es murde befchloffen, jede Stadt folle um 
die Hälfte mehr Spieße aufitellen, als ihr gewöhnlicher Anſchlag bes 
tmg und ſich mit dem nöthigen Kriegsgeräthe verfehen; in dieſer 
Stellimg wollte man vor der Hand ein Jahr lang verharren !. Na⸗ 
mentlich aber fuchte fich die ihrer Entlegenheit wegen befonders ge- 
fährdete Stadt Regensburg, fo viel fie fonnte, in Vertheidigungs⸗ 
ftand zu jegen, und aus der ganzen Umgegend flüchtete fi vom 
Yande eine Menge Leute dorthin, um nicht bei einem ausbrechenden 
Kriege all ihr Habe zu verlieren. Da fich darunter auch manche 
Angehörige fremder Herren befanden, fo gab das wieder Anlaß zu 
neuen Streitigkeiten. Die Stadt nahm die Flüchtlinge bereitwillig 
auf, ja, um die Zahl ihrer Vertheidiger zu vermehren, geftattete fie 
allen Perfonen männlichen Gejchlechtes, die in den legten Jahren 
verbannt worden waren, mit Ausnahme der eigentlichen Verbrecher, 
die Rückkehr; um junge Leute hereinzuzichen, wurden alle Spielver- 
bote aufgehoben. Zugleich forgte man aber dafür, daß fein Mangel 
an Lebensmitteln eintrete; die Steuer vom Korn wurde aufgehoben 
und Jedermann aufgefordert, fich hinreichend zu verproviantieren. 
Hafer dagegen durfte Niemand einkaufen, ale wer Pferde befaß ?. 
Es fcheinen ſich auch wirklich im weitern Verlaufe der Unterhand- 
lungen, namentlid was den Streit mit Herzog Stephan betraf, noch 
mandherlei Anjtände und Schwierigkeiten dargeboten zu haben, und 
die ſchwäbiſchen Städte fanden e8 fogar nöthig, die rheinischen zu 
mahnen, welche fofort ihre Hilfsmannfchaft zur Verfügung jtellten. 
Indeſſen gelang es noch einmal, einen Auffchub der Feindfeligkeiten 
zı bewirken; am 23. Novbr. Fonnten die ſchwäbiſchen Städte den 
rheinifchen fchreiben, daß zu Augsburg eine Ausſöhnung ftattgefuns 
den, und daß fie ihres Zuzuges vor der Hand nicht bedürften. Dem 


2 Bemeiner UI, 225. 8 Bemeiner II, 226 ff. 


64 


für die Streitigkeiten mit Herzog Stephan niebergefeßten Schiedsge⸗ 
richte unter dein Obmann Hans von Steinad) war es gelungen, 
die beiden Parteien in Beziehung auf ihre gegenfeitigen Anſprüche 
in Minne zu verrichten !. 

In eine große Aufregung geriethen um diefe Zeit die Städte 
durch die Ausdehnung, welche die Thätigkeit der Vehmgerichte zu 
gewinnen anfieng, und bie fchon hie und da zu Mißbräuchen benupt 
wurde. Als mehrere Fälle vorgefommen, dag Bürger mit Umgehung 
der jtädtifchen Gerichte vor die Vehme geladen und, wenn fie nidt 
erfchein:n würden, mit dein Tode bedroht wurden, konnten fich die 
Städte dieß nicht erflären als durch eine geheime Verfchwörung ihrer _ 
Gegner. In dem erwähnten Briefe an ihre rheinijchen Cidgenojjen . 
zeigen fie ihnen an: „daß etliche Fürjten und Herren einen Yandfrie 
den aufgebracht hätten, der Fayın genannt, der augenfcheinlich zum 
Schaden und Nachtheile der Städte erdacht fe. Die Fürften und 
Herren Liegen nämlich ihre Unterthanen diefen Faym fehwören, umd 
dadurch hielten fich diefe gebunden, bei ihnen zu verbleiben, und wür⸗ 
den verhindert, mit den Städten in Bünduiſſe zu treten oder dafelbit 
Bürger zu werden. Auch würden ehrbare Bürger aus den Bundee- 
jtädten vor den Faym geladen, ohne dag man ihnen gejtatte, fich da- 
heim vor ihren Räthen zu verantworten. Wenn fie fi) nicht vor 
dem Faym ftellten oder deſſen Ausfprüchen nicht nachlämen, fo wür⸗ 
den fie verfaymt und die Faymgrafen, Vorſteher deſſelben, feien ver- 
pflichtet, alle Verfaymten, wo fie fie anträfen, aufzulnüpfen“. 

Sehr wichtig war es für die Städte, deren Stellung den Für: 
jten gegenüber eine unmer feindfeligere wurde, daß der Konig ſich 
ihnen immer mehr und mehr näherte. Er erfannte immer Elarer die 
Nothwendigfeit, gegen die fteigende Anmaßung der Großen fich einen 
feften Rückhalt zu verfchaffen. Hatte er fi) ſchon 1385 den Stäbd- 
ten günjtig gezeigt, um mit ihrer Hilfe den Herzog Leopold in 
Schranken zu halten, fo gieng er, als immer lautere Stimmen ber 
Unzufriedenheit von Eeiten der Fürften fi über ihn vernehmen lies 
gen und er befürchtete abgejett zu werden, im Jahre 1387 eine be⸗ 
fonders enge Verbindung mit ihnen ein. Im Merz diefes Jahres 
bejchied er ihre Boten zu fid) nad) Nürnberg, bejtätigte ihnen alle 
ihre Zreihoiten, die von ihm und von feinen Vorfahren erhalten 


’ Lehmann 763 giebt den Brief, den die Schiedsrichter ausgeſtellt haben, 
ohne Datum; dagegen hat er ibn mit der Ueberſchrift verfchen: „die Berichti⸗ 
gung zu Augspurg auf Nicolai def Jahrs 1386“. Diefe Angabe, mit wel: 
her auch Gemeiner 225 übereinftimmt, bereitet Schwierigkeiten, denn das 
Schreiben ber fhwäbifchen an die rheinifhen Städte, batiert Freitag vor Ka- 
therinae 1386 (23.Nov.), fpricht, weninftens nach dem Auszuge von Wencker, 
davon, daß „die Sache zu Nugfpurg gütlich verrichtet feye‘. Bean muß nun 
entweder annehmen, es fei zur Zeit, wo dick Schreiben abgefaßt wurbe, bie 
Ausſöhnung erft angebabnt, aber noch nicht zu Ende geführt, oder bie be: 
treffende Urkunde noch nicht außgeftellt geiwefen, ober man muß flatt des ge: 
wöhnlihen Nicolanstages den 13. Nov., der fonft als Brictiustag bezeichnet 
wird, auf den aber auch das Felt des Nicolaus Papa jällt, annchınen. 





feiten, und gelobte, fie beim Reiche zu behalten. Zugleich ertheilte 
er ihnen mündlich das Verſprechen, ihren Bund nimmer abzuthun, fo 
Inge er lebe (20. Merz). Sie hingegen ſagten ihm (21. Merz) ihre 
Hilfe zu für den Fall, dag man ihn vom Reiche verdrängen wolle !. 

So nahmen die Städte wieder diefelbe Stellung ein wie zu 
ben Zeiten Kaifer Ludwigs. Das Keichsoberhaupt erkannte fie als 
eine felbftändige Macht an, um mit ihrer Hilfe feinen Feinden die 
Spige bieten zu können. Die Form freilich, unter der es gefchah, 
war eine andere. Ludwig hatte feine Söhne ein eigentliches Bündnig 
mit ihmen fchliegen laſſen, Wenzel dagegen, der, theils um es mit 
den Fürſten nicht zu verderben, theils um feine Stellung als König 
za wahren, durchaus den Schein vermeiden wollte, als habe er ſich 
mit den Städten in irgend eine bejondere Vereinigung eingelaffen, 
ftelite ihnen nur einen Freiheitsbrief aus, in welchem nicht einmal 
die Beftätigung des Bundes, den fie unter fich hatten, direct enthalten 
war; denn er wollte nit, daß man ihm fchwarz auf weiß einen 
Berftoß gegen die goldene Bulle feines Vaters vorwerfen konnte, des⸗ 
halb gab er ihnen das betreffende deutliche Verſprechen nur mündlich). 
Das er fich jeinerfeits von ihnen zujagen ließ, war auch nichts Weir 
teres, als da fie ihrer Huldigung gemäß ihm gegen Jedermann, der 
ihn verdrängen wolle, helfen würden, alfo eigentlich, nichts Beſonderes, 
mihts, was fie nicht von felbft ihm als König fchuldig waren; nur 
bie beiden freien Städte Regensburg und Bafel, welde ihn ja nicht 
in der gleichen Art wie die Reichsſtädte gehuldigt Hatten, gelobten, 
ihm nichts deito weniger gleich diefen beholfen zu fein. Später han» 
delte er den rheinischen Städten gegenüber auf ähnliche Weife; in der 
Urkunde, die er von diefen am 11. uni erhielt, treten aber nur die 
Reichsſtädte auf; wie es fich mit den freien Städten, Mainz, Worms, 
Speier und Etraßburg, gerade den wichtigjten des Bundes, verhielt, 
willen wir nidt. 

Durch die königlichen Verficherungen ermuthigt, rüfteten fich die 
Städte, ben Krieg mit Baiern, der nicht mehr ausbleiben konnte, 
mit Machdruck zu führen. Sie giengen zu dem Ende am 25. Yuli 
1387 en Bündniß mit dem Erzbiſchof Pilgrim von Calzburg ein, der 
feit vielen Jahren mit den Baiernherzogen immer entweder in offenem 
Kriege oder wenigitens in fehr geſpanntem Verhältniſſe jtand. Dieſes 
Bündniß mit dem fernen Salzburg hatte durchaus nur Sinn, wenn 
man auf baldigen Ausbruch des Krieges mit Baiern zählte und ſich 
für dieſen Fall einen mächtigen Verbündeten verfchaffen wollte. Auch 
wurde der Bundesurfunde ein befonderer Beibrief beigegeben, nad) 
welchem die Hilfe ausschließlich gegen die Herzoge von Baiern, deren 
Zreunde, Diener und Helfer gerichtet fein follte. 

Trotz alle dem gelang es den Räthen des Königs, im Herbſte 
biefes Jahres eine Verlängerung der Heidelberger Einung zu bewerk⸗ 


2 Wenn die C. Chr. 320 fagt: „tem dar nad kam ber römſch kung 
VWentzlaus och mit den ftetten in ain, das er ain ainung mit in hielt, und 
verbiefl im ze dienent mit zwain hundert ſpieſſen“, jo bezieht fich dag wohl auf 
bie Heidelberger Einung. 


Io. 5 


66 


ftelfigen, welche Pfingften 1388 hätte ablaufen folfen. Zu Mergent- 
heim erfchienen von Seiten ter Fürften Herzog Stephan von Baiern', 
Der3o Albrecht von Defterreih und Burggraf Friedrid von Nürn- 
erg, don Seiten des Städtebundes Gefandte von Augsburg, von 
Nürnberg und von Ulm; auch die rheinifchen Städte hatten ihre Ab- 
georbneten hingeſchickt, wollten jedoch) von einer Verlängerung des 
Bindniffes nichts wiffen?. Die beiden übrigen Parteien aber fchloffen 
einen Bund ab, der bis zum 23. April 1390 dauern follte und bei 
nahe gleich lautet mit dem früheren. Doch fand man es nöthig, für 
Streitigkeiten, die zwifchen Mitgliedern der beiden Theile entftehen 
würden, ein beftimmtes Verfahren feftzufegen, da diefer Fall feit 
Abſchluß des Heidelberger Bündniffes jehr oft vorgefommen war. 
Es wurde der gewöhnliche fchiedsrichterliche Weg angeordnet. Der 
Obmann oder gemeine Mann, der aus dem Rathe bes beflagten 
Theils vom Kläger gewählt wird, beftimmt den Parteien in den näch⸗ 
ften zwei Wochen einen Tag in einer bequem gelegenen Stadt, wohin 
jede derjelben ein oder zwei Sciedsleute giebt. Doch ift diefes Ver⸗ 
fahren da nicht anzumenden, wo ein Bürger an den andern irgend 
einen Anfpruch zu machen hat. Diefe mögen vor den betreffenden 
Gerichten ihr Recht ſuchen. Auch wurde bejtimmt, daß, wenn von 
irgend einem Mitgliede des Biindniffes oder einem feiner Angehörigen 
ein Uebergriff gejchehe, binnen 14 Tagen diefer abgethan und den 
Beichädigten zum Wechte verholfen werden müſſe. — ine neue 
Einrichtung bei diefem Bündniffe war e8 ferner, daß hier, was un 
Heidelberger nicht der Fall gewejen, Fürſten und Städte nad) je vier 
Varteien gruppiert erfchienen, die Fürften fo wie fie fi) im Nürn⸗ 
berger Landfrieden abgetheilt hatten, die Städte nad) ihren Geſell⸗ 
fchaften oder Revieren. 

So mochte wohl die Eintracht zwifchen Fürften und Städten 
wieder bergejtellt und neu befeftigt fcheinen. Allein der Gegenfaß der 
beiden Parteien hatte fich ſchon zu fchroff ausgebildet, als daß eine 
nachhaltige Vermittlung defjelben denkbar war. Ein richtiges Gefühl 
hatte die rheinifchen Städte geleitet, als fie fich weigerten, der Erneue⸗ 
rung des Bündniſſes beizutreten; kaum war diefelbe vollzogen, als 
das unter der Aſche glimmende Feuer neu ausbrach, und ein Kampf 
begann, in welchem es jich auf die Dauer entfcheiden follte, ob den 
Fürſten oder den Städten fortan im Südweſten Deutfchlands das 
Vebergewicht gehöre. Doch bevor wir zu diefem Kampfe übergehen, 
wird es angemeſſen fein, das Weſen und die Einrichtung des Stüdtes 
Dundes etwas näher ins Auge zu falfen. 


‚I Das gefchah jebod nicht, mie Schaab meint, aus dem Grunde, daß 
fie im Sinne batten, einen Zug genen den Pfalzgrafen Ruprecht auszuführen, 
benn was er I, ©. 363 aus der Chronik von Zorn anführt, gehört ind 3. 1388. 

® Diefer wird in der Urkunde genannt, welche die Herren ausftellen; Reg. 
282. Doch muß auch Kerzog Friedrich bei den Verhandlungen thätig geweſen 
fein; benn gerabe er wird in den eindfchaftöbriefen ber Städte und des Kö— 
nigd (Reg. 220. 294) als Thädinger bei der zu Mergentheim flattgefundenen 
Verlängerung ber Heidelberger Einung bezeichnet. 


IV. 
Weſen, Beſtand nnd Einrichtung des Bundes. 


a Umfang und Gliederung. 


Der Bund umfaßte zu feiner Blüthezeit 40 Städte und das 
Land Appenzell. Gegründet wurde er, wie oben bejchrieben ijt, den 
4. Zuli 1376 dur die 14 Städte Ulm, Conftanz, Ueberlingen, 
Ravensburg, Lindau, St. Gallen, Wangen, Buchhorn, Reutlingen, 
Kotweil, Memmingen, Biberah, Isny und Leutkirch. In dem- 
felben Jahre traten noch 3 weitere Städte bei, vor dem 3. Sep⸗ 
tember Kaufbeuren, am 3. Sept. felbft Weil, vor dem 23. Okt. 
Kempten. Im J. 1377 den 1. Januar Eflingen, den 9. Auguft 
Nördlingen, den 16. diefes Monats Nopfingen, den 17. Hall und 
Heilbronn, den 18. Dinkelsbühl und Weinsberg, den 19. Gmund 
amd Aalen, den 25. Wimpfen und den 26. Sept. das Yand Appen- 
zei. Ins Ende diefes Jahres oder ins J. 1378 vor den 13. Febr. 
fällt der Beitritt von Buchau, den 17. Mai folgte Rotenburg 
an ber Zauber, den 28. Sept. Giengen. Noch vor diefem war 
Pfullendorf beigetreten, den 4. Juli 1379 finden wir Wyl im Thur⸗ 
gan als im Bunde befindlich aufgezählt, den 27. Yuli 1379 endlich 
lieg fich Augsburg aufnehmen, und der Bund umfaßte nun die ſämmt—⸗ 
lichen fchwäbifchen Reichsſtädte, wenn man das in die Fchweizerifche 
Eidgenoffenfchaft übergetretene Zürich abrechnet. Cine weitere Aus- 
dehnung gewann er durch den Anſchluß von Regensburg den 2. Sept. 
1381, von Windsheim und Weißenburg den 16. Yan. 1383, von 
Baiel den 1. Juni 1384, von Nürnberg den 4. deifelben Monats, 
von Mülhaufen im Elſaß den 24. März und von Schweinfurt den 
23. Mai 1385. Diefe Städte werden zufammen bezeichnet als die 
Reichsitädte oder gemeine Städte welche den Bund in Schwaben 
halten. Die Bezeichnung Bund für ihre Vereinigung tritt uns gleich 
von Anfang entgegen. In der Stiftungeurfunde zwar kommt der 
*usdrud nicht vor, es ijt dort von der Errichtung eines Gelübdes 
und einer Freundſchaft die Rede, aber gleich die erften Aufnahmsur- 
tunden weiterer Städte reden von einem Bunde, und aud) die Für- 
ften und Herren bedienen fich diefer Bezeichnung, bloß in den kaiſer⸗ 
5 * 





68 


fichen und Königlichen Urkunden wird fie, und überhaupt jede Bezeich- 
nung der Städte als einer Gejammtheit vermieden. Nach dem Un- 
tergange diefes großen Bundes wagen es die Städte nicht mehr fid 
dieſes Namens zu bedienen. Selbſt als ſich im Laufe der erſten 
Hälfte des 15. Jahrhunderts wieder eine bedeutende Anzahl derfelben 
zuſammengethan, ſprechen fie nicht mehr von einem Bunde, fondern 
bon einer „Vereinung.“ 

Die Bezeihnung „Bund in Schwaben“ wurde auch da nod) 
beibehalten, als fich derjelbe durch den Beitritt mandyer Städte aus 
andern SLandfchaften vergrößert hatte. Doc, ift bisweilen auch die 
Rede von den Städten als von folchen, weldje den Bund in Echwa- 
ben, Franken und Baiern halten, bisweilen heißt es aber auch: die 
Städte in Schwaben, Franken und Baiern, welde den Bund in 
Schwaben halten. Bejonders hochtönend Elingt e8, wenn im Heidel- 
berger und im Mergentheimer Bündnig die Städte Augsburg, Nürn- 
berg und Ulm auftreten: im Namen der Städte in Ober- und Nie 
derſchwaben, am Rheine (Bafel), in Franten und zu Baiern, die 
den Bund mit ihnen halten in Schwaben. Man wollte offenbar 
den Herren von Nürnberger Landfrieden gegenüber fi) das mög- 
lichfte Anfehn geben. — Auch die rheinischen Städte nennen fid 
in der Heidelberger Cinung die Städte an dem Üheine, im Elſaß 
und in der Wetterau, die den Bund halten auf dem Rheine. 

Cine eigenthümliche Stellung inmitten der vielen Städte nimmt 
das Yand Appenzell ein. Die Fleinen Yändlein im Gebirge, aus 
denen fich daffelbe zujammengefügt hat, waren zum größten Theil 
von Gotteshausleuten des Klojters St. Gallen bewohnt; die niedere 
Öerichtsbarfeit wurde von Ammännern verwaltet, über deren Erwäh- 
lung fi) damals die Gemeinden und der Abt ftritten. Die Reichs⸗ 
vogtei war gleichfall® pfandweije in die Hände des Abtes gelangt !. 
Das Streben nach Selbjtändigfeit machte ſich in diefen Ländlein um 
jo mehr geltend, als die Beamten des Klofters fich vielfach Bedrü⸗ 
dungen zu Schulden konnen ließen. Um in demjelben gefördert zu 
werden, ſchloſſen ſich Appenzell, Hundwyl, Urnäfchen, Gais und 
Zeufen im J. 1377 dem Bunde der Reichsſtädte an, mit denen fie 
Ichon feit einer Anzahl von Jahren in Verbindung ftanden *. Der 
damalige Abt, Georg von Wildenftein, mußte felbjt feine Erlaubniß 
dazu geben; ed mochte ihm auch diefe Verbindung noch lieber fein 
ala eine mit den Yandleuten in den Waldftätten, wie fie wirklich 
jpäter zu Stande fam. Den 22. Mai 1378 ordneten nun die 
Städte in Ulm die Angelegenheiten der vier Yändlein Appenzell, Hund⸗ 
wol, Urnäfchen und Zeufen, indem fie den Städten Conftanz und 
St. Gallen eine bejondere Auflicht über diefelben empfahlen und 
ihnen auftrugen, dafür zu forgen, daß 13 Männer gewählt würden, 


2 Zellweger, Urkunden zur Geſch. des appenzell. Volkes I, 1, 145. 
® Landleute aus jenen Gemeinden hatten fchon bei Altbeim neben den 
Et. Gallern mitgekämpft. Zellweger I, 200. 


wide für bie Geſammtheit ber Länblein eine Stellung erhielten, 
miprechenb ber bes Nathes in den Städten, und namentlich auch 
drüber wachen follten, daß die Steuern nicht über Gebühr erhoben 
würden. Man erwartete, daß fich an biefes neu errichtete Gemein- 
wien, für welches von nun an die Gefanmmtbenennung „Land Ap⸗ 
penzell“ gebraucht wurde, auch die übrigen benachbarten Gemeinden 
anichließen würden '. In der That traten den 24. September 1378 
die Hofleute der Stadt Altftätten, des Hofes zu Marbach und des 
— zu Bernang in dem Rheinthale den: Städtebunde bei, ſcheinen 
mit den Appenzellern nicht vereinigt worden zu fein, fondern 
gleichfall8 dem Schutze Lindaus und St. Gallens empfohlen, eine 
geſonderte Stellung eingenommen zu haben. Unter dein folgenden 
Abte, Euno von Stoffeln, erhoben fich mancherlei Streitigkeiten über 
die Anfprüche des Klofters und der Landleute der vier Ländlein, welche 
durch die Städte geichlichtet wurden. Dieje erfannten zwar bem 
Abte das Recht zu, die Anımänner zu fegen, hoben aber die Stel- 
fung der 13 wieder mit Nachdrud hervor, und wiejen die Yändlein 
an, daß, wenn der Abt fie mehr als einmal im Jahr oder überhaupt 
über Gebühr beftenern wolle, fie ſich jofort bei den Städten beflagen 
foliten. Durch diefe Einrichtung der 13 wurde offenbar der Grund 
gelegt zu einer gemeinfamen felbjtändigen Verfaffung der Yändlein. 
Bas hatten nun die Appenzeller für eine Etellung im Bunde 
den Städten gegenüber? Ich glaube, aus der Urkunde von 1378 
därfen wir fchließen, daß ihre Boten nicht ſelbſt auf den Bundes⸗ 
tagen erfchienen, fondern daß ihre Angelegenheiten durch die Con⸗ 
ftanzer und St. Galler vertreten wurden. Die Appenzeller werden 
auch foft nirgends in den Urkunden, wo die Städte aufgezählt wer- 
den, neben diefen genannt, bloß zweimal ift dies der Fall, in dem 
Badener Vertrage von 1379 und in dem Bündniſſe, weldjes die Städte 
im %. 1384 mit Ulrich von Hohenlohe abfchloffen. Warum fie ges 
rade diefe beiden Male aufgeführt werden, in den andern uns erhal- 
tenen nicht, vermag ich nicht zu erklären. Ihre Leiſtungen für den 
Bımd waren in ähnlicher Weife angejchlagen wie bei den Städten. 
In dem Schiedsſpruche von 1379 wurde bejtimmt, daß, wenn fie 
um Spieße „gemapnt würden, der Abt in ihrem Namen einen zu 


en . 
In ähnlicher Weife wie das Land Appenzell hatte die Stadt 
Wyl im Thıngau, deren Vogtei im 13. Jahrhundert von den Gra- 
fen von Toggenburg an die Abtei Ct. Gallen gekommen, fpäter 
durch König Albrecht and Reich gezogen, aber durch Heinrich VII. 
dem Kloſter wieder zurückgeftellt worden war, die bedrängten Um- 
ftände bes letztern benußt, um in den Städtebund einzutreten und 
fi ale Reichsſtadt geltend zu machen. In allen Urkunden, in denen 





2 Zellweger a. a. DO. 259. Die Benennung „Land Appenzell” findet fich 


zuerfi im Badener Bertrage. 
s6©. unten ©. 73, 3 Tichubi I, 253, 


70 


fie vorfommt, wird fie als folche bezeichnet. Doc, fehlt fie in dem 
befannten Treiheitsbriefe Wenzels von 1387, der fonft alle Städte 
enthält, woraus hervorgeht, daß fie ihre Reichsunmittelbarkeit nicht zur 
rechtlichen Anerkennung zu bringen vermochte. Daß ihrer, obgleich 
fie dem Bunde bis zu feiner Auflöfung angehörte', auch im Mer: 
gentheimer Bündniffe, wo die Städte nad Parteien aufgeführt werden, 
und in bem bald zu erwähnenden Vertrage der Ceeftädte mit Graf 
Heinrich) von Montfort feine Erwähnung gefchieht, zeigt, wie fie eine 
jehr untergeordnete Stellung im Bunde eingenommen. Bald nad) 
dem Untergang des legten, im %. 1391, wurde fie durch den Abt 
von St. Gallen mit Waffengewalt erobert ?. 

Als die Zahl der verbündeten Städte ſich ſchon zu einer be 
trächtlichen erhoben hatte, nahm man, nad) dem Vorgange der frü- 
heren Städteblindniffe von 1331 und 1347, eine Eintheilung derfelben 
in verfchiedene Geſellſchaften, Reviere oder Parteien, vor, welche dann 
die minder wichtigen Angelegenheiten, friedliche und Triegerifche, unter 
ſich abmadıten. Die Eintheilung muß fpäteftens im J. 1382 ftatt- 
gefunden haben, da ihrer bereits im Ehinger Bündniſſe gedacht wird. 
Bei den Bündniffen von 1331 und 1347, welche nur die ſchwäbiſchen 
Städte umfaßten, waren e8 deren drei, die der „obern Städte gegen dem 
Eee“, oder „Conſtanz und feine Geſellſchaft“, ferner „Augsburg und feine 
Geſellſchaft“, und die „Gejellichaft der Städte jenfeits der Alb“ (und Nie⸗ 
derfchwaben); hier hingegen finden wir deren vierdaher fie auch wohl Vier- 
theile genannt werden. Im Ehinger Bünbdniffe werden fie bezeichnet ale 
die Städte um den ee, die Städte ımter ber Alb, die Städte Ulm, 
Augsburg, Memmingen, Biberach und die zu ihrem Revier gehören, 
und endlich die Städte in dem Ried. Das Mergentheimer Bündniß 
zählt fie dann in folgender Weife auf: als erftes Viertel Regensburg, 
Augsburg, Nürnberg, Nördlingen, Rotenburg a. d. T., Dinkelsbühl, 
Windsheim, Cchweinfurt, Weißenburg und Bopfingen; das wären 
die Städte in dem Kies des Ehinger Bündniffes, mit den ſpäter dazu⸗ 
gekommenen fränkischen und bairischen fammt Augsburg, das damals 
einem andern Revier angehört hat; als zweites Viertel Bafel, Con⸗ 
ftanz, Weberlingen, Lindau, Ravensburg, Mülhaufen, St. Gallen, 
Pfullendorf, Wangen, Buchhorn, alfo die VBodenfeeftädte und die ober- 
rheinischen; als drittes Eflingen, Keutlingen, Rotweil, Weil, Hall, 
Heilbronn, Gmünd, Wimpfen, Weinsberg, Aalen (die Städte unter 
der Alb); als viertes endlich Ulm, Memmingen, Biberady, Kempten, 
Kaufbeuren, Leutkirch, Isny, Giengen und Buchau, entfprechenb dem 
dritten Revier des Ehinger Bündniffes, jedoch ohne das jett den Städten 
im Nies zugewielene Augsburg. Unter biefen vier Gefellfchaften 
zeichnet fich num namentlich die der Städte um den See durch eine 
gewilfe Selbitändigfeit aus. Sie waren, wie wir gefehen haben, 
diejenigen, unter denen ſich in Schwaben zuerit der Trieb zu Ver: 
bindungen geregt hatte, fie waren auch die einzigen, die ſich mit den 


2 Daß beweift Reg. 368. ° 9, Arr, Geld. v. St, Sallen I, 95. 





Bandfriedensbündniffen Karls IV. nicht begnügten, fondern fogar nad) 
ber goldenen Bulle noch felbftändige Verbindungen unter einander 
eingiengen; fo traten namentlich im J. 1362 die 8 Städte Con- 
fanz, Züri, St. Gallen, Lindau, Ravensburg, Wangen und Bud; 
fern zufammen und fchlojfen ein Bündniß, das 2 Jahre über den 
Tod bes Kaifers hinaus dauern follte. Als im J. 1377 auf An⸗ 
trieb Ulms zum Schutze gegen Verpfündungs- und Befchagungsver- 
fudye der große Bund gefchloffen wurde, traten ihm mit Ausnahme 
Zürichs die ſämmtlichen genannten Städte bei, fuhren aber fort 
ihren bejondern Bund um den See zu halten und verlängerten ihn 
fogar über die feitgejeßte Zeit hinaus !. Zürich hatte ſchon unmit- 
telbar nad) dem Tode Ludwigs von einer Verbindung mit den Städ- 
ten des nördlichen Schwabens nichts mehr willen wollen, und war 
denfelben jetzt durch feinen Eintritt in die ſchweizeriſche Eidgenoffen- 
ſchaft noch mehr entfremdet; es Schloß fich daher weder dem Bunde 
von 1377 noch der DBerlängerung des Bündniffes mit ben See—⸗ 
ftädten an, durch welche es jetzt in die Binde der übrigen hätte ver: 
widelt werden müljen. Als der große Bund fi) fpäter in Reviere 
abtheilte, bildete der Bund um den See ein ſolches, e8 wurden dem⸗ 
felben aber zu den Städten, die ihn urfprünglich gebildet hatten, noch 
einige weitere zugetheilt; im %. 1384 ? befteht er aus 10 Städten, 
den 7 obengenannten, ferner Pfullendorf, Isny und Leutkirch. Im 
%. 1387 hingegen 3 finden wir die beiden leßtern einer andern Ge⸗ 
felljichaft zugewiefen, dagegen die oberrheinifchen Städte Bafel und 
Mülhaufen mit den Bodenſeeſtädten zu einer Partei vereinigt. In 
jedem Fall fcheinen die 7 Städte, welde den Bund um den See 
gegründet, immer als der eigentliche Kern defjelben befonders feit zu- 
fanımengehalten zu haben. Bei der Auflöfung des großen Bundes 
im %. 1389 wollen fie fi nicht von einander trennen lafjen; alle 
Sgriedensverhandlungen mit den Gegnern verfchmähend, willen fie das 
Fortbeftehen des Bundes um den See gegen die Angriffe derfelben 


fiegreidy zu behaupten. 


b. Bundesverfammlung. 


Mar etwas von gemeinfamem Intereſſe zu berathen, fo traten 
die Abgeordneten der Städte zufammen, und was auf diefe Weife 
befchlofien wurde, von dem hieß es, daß gemeine Städte es erkannt 
hätten. Zu folhen Zuſammenkünften ſchickten Augsburg, Ulm, Con⸗ 
ftarız, Eßlingen, Regensburg * und Nürnberg? je zwei aus ihren 
Räthen. Die Stadt, welde einen ausgefchriebenen Tag nicht be 
fuchte,, hatte Strafe zu zahlen, eine noch höhere die, welche den Des 


2 Gine Urkunde über biefe Verlängerung ift mir nicht bekannt, da aber 
der Bund die nächſten Jahrzehnde hindurch fortbeiteht, muß eine ſolche wohl 
ausögefertigt worden fein. 

2 Reg. 209. 5 Im Mergentheimer Bündniſſe. 

* Beg. 165. 182. 5 Reg. 214, 


12 


ichlüffen eines ſolchen Tages nicht nachkam. Hiebei war, als im 9, 
1382 das Bündniß erneuert wurde, für die Städte St. Gallen, 
Kempten, Isny, Wangen, Leutkirch, Kaufbeuren, Bopfingen, Wim- 
pfen, Weinsberg, Giengen, Aalen und Buchhorn bloß die Hälfte 
der Summe feitgefett, welche die übrigen zu entrichten hatten. Als 
Ort, wo bie Städte zuſammenkommen follten, war urſprünglich Bi⸗ 
berach allein, dann diefe Stadt abwechjelnd mit Ulm beftinmt wor 
den !; doch hat man es mit dem Befolgen diefer Beftimmung richt 
fehr genau genommen, fonft würden ſich aud Spuren in Biberach 
abgehaltener Bundestage auffinden laffen, was mir wenigitens nicht 
gelungen iſt. Die meiften Zufammenfünfte fanden in Ulm jtatt. 
Diefes bildete durch feine Lage recht eigentlich die Vermittelung zwi. 
ſchen Ober- und Wiederfchwaben, und die Ulmer find immer die thä- 
tigften gewejen, wo e8 ſich darum handelte, die fchwäbifchen Städte 
in Bündniffe zu vereinigen, von ihnen war auch der Anftoß zur Ers 
richtung des gegenwärtigen Bundes ausgegangen. Dadurd), daß bie 
meiften Zage in Ulın gehalten und die Bundesichriften dort aufber 
wahrt wurden, kam die Stadt in eine gewiſſe vorörtliche Stellung. 
Die Ulmer lafjen Einladungen zur Beſchickung von Tagen ergeben ?, 
und bringen die dafelbft gefaßten Beſchlüſſe folhen, die nicht anwe⸗ 
jend waren, zur Kenntniß’. Auch übernehmen fie es, Mittheilungen, 
welche von Seiten der ſchwäbiſchen Etädte 3. B. an die rheinischen 
zu machen find, zu beforgen +. Uebrigens fanden nicht alle Zufam- 
menfünfte in Ulm Statt, e8 wurden diefelben auch in irgend einer 
andern Stadt abgehalten, 3. B. in Augsburg 5, Nürnberg, Roten⸗ 
burg, Hall. Die Beichlüffe und Ausjchreiben der Bundestage wur: 
den mit dem Siegel der Stadt verfehen, in welcher diefelben gehalten 
wurden 6. Verträge und Aufnahmsurfunden werden in ber Hegel 


Im Bünbdniffe von 1376 heißt es, bie Mahnungen follten gefchehen 
„gen Biberah, es wäre benn, baß bie Städte einer andern gelegenen Stadt 
zu Rathe würden“ ; in dem v. 1377 wird die Auswahl einer anbern Stadt 
dem Gutfinden ber Städte oder ber Mehrzahl derfelben überlaffen; in 
dem v. 1382 endlich treffen wir die Veftimmung, es folle immer eine Mab: 
nung gen Ulm und die andere gen Biberach aefchehen, wenn nicht die Städte 
gemeinlih oder mit dem mehreren Theile fänden, daß eine andere Stadt zu 
ben Zeiten der Sache beffer gelegen fei. 

2 Reg. 168. 285. 3 Reg. 256. + Reg. 268. 

s 3.8. U. Chr. 121; wo ed auftatt: „U. D. 1381 jar bo kam bie flatt 
von dem pund zu Herzog Stefan“ beißen muß: „bo famen bie flett“ u.f.w. 

s Mit dem Siegel von Ulm z. B. Reg. 117. 148. 242, vgl. Tfehudi I, 
501, mit dem von Eßlingen Reg. 120, mit dem von Hall das Reg. 204 er: 
wähnte Schreiben, mit bem von Rotenburg Reg. 197. In biefen Urkunden 
ift jedesmal die betreffende Stadt auch als Auöftellungdort genannt. Wem 
das Bündniß mit Ulrich v. Hohenlohe mit dem Siegel von Hall verfehen ift, Reg. 
207, fo läßt uns bieß fchließen, daß die Urkunde auch in biefer Stadt auss 
gefertigt wurbe. — In eben ber Weife werben die Urkunden, welche ber 
Bund um ben See audftellt, von ber Stabt beſugelt in welcher der Tag ge⸗ 
baen gird, einige von Buchhorn, Reg. 142. 143, andere von Conſtanz 140. 


73 


Vurch einige der bebeutenderen Stäbte befiegelt, fo die Aufnahmeur- 
fıude von Regensburg dur Ulm und Augsburg, die von Bafel 
dacch Ulm, Augsburg, Eonftanz und Eflingen, von den beiden Ver⸗ 

i den, welche 1386 in Mergentheim ausgeſtellt werden, die 
wor ben ftädtifhen Schiedsrichtern ausgefertigte durch Augsburg, 
Kürnberg, Ulm und Eßlingen, das Heidelberger und das Mergent⸗ 
keimer Bündniß durd Augsburg, Nürnberg und Ulm, welche dort 
eds die auftreten, die es im Namen der ſämmtlichen Städte ab» 


Mandyrlei war es, was auf den Bundestagen den verfams 
melten Städteboten zur Berathung vorgelegt und von ihnen befpro- 
den wurde. Es betraf fowohl die innern Angelegenheiten des Bun⸗ 
bes ale aud feine Stellung nad) außen. Zunächſt fonnten dort 
de Bundesartikel nach Umftänden gemehrt oder gemindert werben. 
Doc; war man forgfältig bemüht, jebe leichtfinnige Veränderung zu 

Die Bindniffe von 1376 und 1377 beftimmten, daß 
gend ein Stüd oder Artikel derjelben wohl könne „gebefjert“ wer- 
den, wenn ſich die Mehrzahl dafür entfcheide, „gemindert“ nur durch 
ven einftimmigen Willen aller Mitglieder. Die Erneuerung von 1382 
aber fette feit, daß auch zur Beſſerung mindeſtens zwei Drittel der 
Stimmen ſich einigen müßten. Gleichwie die Veränderung der Bundes» 
ertikel, fo geſchah auch die Aufnahme neuer Städte durch die allges 
weine Bundesverfammlung, indem durd) bie einfache Mehrheit iiber 
Nejelbe entſchieden wurbe. 

Es kam nım darauf an, daß die YBundesglieder unter fich felbit 
eintrüchtig waren, und wenn ſich etwa Zwiſtigkeiten erhoben, diefelben 
fofort gefchlichtet wurden, und zwar im Schooße des Bundes felbft, 
ehne irgend welche Einmifhung von außen. Bei der Erneuerung 
des Bimdniffes im J. 1377 wurde ein Artifel aufgenommen, wel⸗ 
der befagte, daf, wenn irgend eine Stadt des Bundes mit einer an- 
dern Streit befüme, fie nicht ſich felbft Recht verfchaffen und diefelbe 
befchädigen dürfe; es follten vielmehr die Streitpunfte vor „gemeine 
Städte“ gebracht und dort Klage, Rede und Widerrede von beiden 
Barteien angehört werden. Was dann die Städte oder die Mehr- 
zahl umter ihnen entfchieden, mit der Minne oder mit den Rechten, 
dem follten fich die beiden Theile fügen, und dabei follte es verbleiben. 
Us fpäter die Eintheilung in mehrere Gefellichaften vorgenommen 
wurde, beftimmte man, wie wir aus der Erneuerung von 1382 jehen, 
daß die Sache zuerft vor die Gefellfchaft, der die betreffenden Stäbte 
angehören, follte gebracht werben. Wenn die Städte der Gefellihaft 
aber die Sache fo befchaffen finden, daß fie diefelbe allein nicht ent- 
ſcheiden mögen, fo kommt fie vor die Verfammlung der ſämmtlichen 
Städte. — Wir kennen mehrere Beifpiele von der ſchiedsrichterlichen 
Thätigkeit, welche der Bund nach Anweifung diefer Vorſchriften ent- 
feltete. Der Abt von St. Gallen, Cuno von Stoffen, hatte ſich 
in Lindan als Bürger aufnehmen lafjen, und bradıte als folder die 
Etreitigfeiten, in die er gleich nad) Antritt feiner Negierung mit Ap- 


74 


penzell ımb mit Et. Gallen gerathen war, vor bie Städte. Der 
Bund um den See nahm id) der Sache an, gebot den Appenzellem 
und St. Gallern, welche bis dahin die Huldigung verweigert hatten, 
diefelbe zu leiften, und ftellte die beiderfeitigen Rechte aufs gemauefte - 
feſt. Die Ausfprüche, welche Appenzell berührten, gefchahen auf bau - 
Zagen zu Conſtanz und zu Buchhorn, den 11. Oct. und den 16. 
Nov. 1379. Der erjte in Betreff St. Gallens wird wohl auf: 
1379 erfolgt fein, der Abt beflagte fi), daß ihn die Bürger nicht : 
hielten, und wandte ſich nad) Ulm an den großen Bund; der forberte - 
den Bund um den Zee auf, die Sache nochmals an bie Hand u 
nehmen, und es wurde diefelbe auch durch mehrere Sprüche des Bun - 
destages zu Conftanz den 26. Juni 1380, den 5. April 1381 mb 
den 17. Juli 1382 endlid ins Reine gebracht. — Kin anderer 
Fall, Streitigkeiten der Nürnberger und der Basler betreffend, kam 
den 15. uni 1385 in Ulm zum Austrage. Die lettern hatten 
fraft eines Föniglichen Privilegs einen Zoll auf dem Rheine errichtet 
und denfelben auch von den Schiffen der Nürnberger gefordert. Al⸗ 
fein dieje weigerten fi), ihn zu bezahlen, und wiefen audy ihrerfeits 
ein Fönigliches Privileg vor, durch weldyes ihnen Zollfreiheit verliehen 
wurde. Beide Theile gaben den Städten volle Gewalt der Entfchei 
dung. Dieſe fiel dahin aus, daß die Basler den Nürnbergern nur 
halb fo viel Zoll abfordern follten als bisher. Auch außerhalb feis 
nes eigenen Kreiſes wirkte der Bund in fchiedsrichterlicher Weiſe. 
Den 1. Mai 1383 that er auf Anfuchen der befreundeten rheinifchen 
Städte einen Ausſpruch in Betreff eines Zolles zu Speier, durch 
den die übrigen Städte fi) beeinträchtigt fühlten. Er entſchied, daß 
der Zoll während der Dauer des Bundes aufgehoben fein folle, und 
bezahlte als Entfchädigung der Stadt Speier 2000 FL, von denen 
anzunehmen ift, daß die betreffenden rheinischen Städte fie ihm zus 
rüderftatteten. — Ya, das Anfehn, das der Bund genof, war fo 
groß, daß nad) dem Zeugniffe des Chroniften aud Herren, Ritter 
und Knechte ihre Zwilte vielfad) vor denjelben zogen und ſich feinem 
Entfcheide unterwarfen!. So wurden im Juni 1380 auf einem 
Bundestage in Ulm dur Ludwig von Allmannshofen von Kaufbeuren, 
Heinrihd Märk von Biberach und Görg den Ammann von Ysny, 
welche die Städte aus ihrer Mitte Hiezu auserforen, die Grenzftrei- 
tigfeiten zwijchen Abt Heinrich von Münchrot und dem Probft von 
Ochſenhauſen entjchieden. Allein während Fürften und Herren vor 
dem Bunde Recht fuchten, kam es vor, bag unter den Stübten felbft 
ſich mande feinen Ausſprüchen nicht fügen wollten. Es mußte auf 
einem Tage zu Rotenburg an der Zauber den 9. Nov. 1387 ber 
Beſchluß gefaßt werden, daß in einem ſolchen Falle die Städte dem ge⸗ 
horſamen Theile gegen den ungehorfamen wollten beholfen fein. 
Gleichwie der Bund die Etreitigfeiten der Städte ımter fich 
Ichlichtete, fo wandte er auch fein Augenmerk auf die Parteiungen, 


% 


ı C. Ehr. 321, 


75 


bie fich innerhalb der einzelnen Städte erhoben. In dem Bündniffe 
sea 1347 fand ſich die Beftunmung, daß, wenn fich ein Auflauf in 
euer Stadt erhebe, die beiden Parteien die Städte nach Ulm mahnen 
Sunten; was dort entfchieden wird, dem ift Folge zu leiften ohne 

,‚ und wenn ein Theil fich deſſen weigert, fo find die Städte 
dem anbern, der fich ihrem Ausſpruche fügt, gegen denfelben beholfen. 
In den Briefen unferes Bundes findet fih nichts auf diefen Fall 
Bezügliches, hingegen wird uns erzählt, daß 3. B. im %. 1382 bie 
Bundesftädte einen Streit fchlichteten zwiſchen ber Geiftlichfeit und 
ven Bürgern in Augsburg '. Eine Verordnung von befonders ges 
waltfamem Charakter wurde im %. 1384 erlaſſen. Es hatte fid) im 
Lanfe diefes Jahres in mehreren Städten nad) einander das Volt 
gegen die Juden erhoben, denen man unrichtige Verfteuerung und 
endere Betrügereien mehr Schuld gab ?. In Regensburg gelang es 
em Rathe mit Mühe ernftliche Unruhen zu hintertreiben, in Augs⸗ 
burg wurden die Juden gefänglich eingezogen und mußten ihre Los⸗ 
gbung um 22000 Fl. erfaufen. In Nördlingen dagegen wurden 
fe ſämmtlich, gegen 200, Männer, Weiber und Kinder, niederges 
macht, ebenfo wurden fie in Windsheim und Weißenburg blutig ver- 
felgt, und in leßterer Stadt, wo der Rath Einhalt thun wollte, hatte 
ſich alsbald die Wuth der Unruhftifter gegen ihn gewandt. Die 
Eadye kam vor die gemeinen Städte, elf von den Rädelsführern aus 
ben drei Städten wurden gefangen, und am 8. Sept. füllte in Nürn- 
berg die Bundesverfammlung das Urtheil. Jene wurden verbannt, 
einige auf 5, andere auf 10 Jahre und weiter, bis ihnen die Städte 
die Rückkehr gejtatten würden, und zwar nicht nur aus den Städten 
bes Bundes in Schwaben, fondern auch des Bundes am Rhein, was 
darauf hinweiſt, daß mit diejen ein Uebereinfommen getroffen worden. 
Einer follte 10 Jahre über da8 Lampartiſche Gebirge verwiefen wer: 
ben. Die Flüchtigen wurden für vogelfrei erklärt in den ſämmtlichen 
Städten de8 Bundes, und es follten auch die Fürften und die frem- 
den Städte aufgefordert werden, fie zu greifen ?. Es fcheint, daß 
dieſes Einjchreiten der verhaßten Juden wegen vielfach, wohl nament- 
(ich in den untern Volfsklaffen, großen Unwillen erregte. Als Hans 
Goſſenbrot von Augsburg, der fich bei der Verhaftung jener 11 bes 
theiligt hatte, bald darauf in Folge eines Sturzes mit dem “Pferde 
ſtarb, hielt man dieß für eine gerechte Strafe des Himmels +. Die 
flüchtigen Nördlinger aber fanden Aufnahme bei Herzog Stephan, 
entgegen den Beitimmungen ber Heidelberger Einung?. AU diefes 
bewog die Städte, fofort am 12. Sept. die Verordnung ergehen zu 
laſſen, daß, wenn fich in irgend einer Stadt Aufläufe gegen den 
Rath erhöben, man die Uebelthäter gleich greifen und ohne Urtheil 
aufs Rad ſetzen folle. Bleiben in einer Stadt die Uebelthäter unge: 


2 %. Chr. 123. 2 X. Ehr. 124. Gemeiner II, 213. 214. 
5 Reg. 225. A. Chr. 124, 
s Es ift bieß einer ber Klagepunkte, die bei ber Berichtigung zu Aug: 
burg (Reg. 269) von den Städten zur Sprache gebracht werben, 


76 


ftraft, oder kommen fie dafelbft anpor und werben Meifter, fo mahnt - 
die nächſte Stadt die Städte des Bundes; die ziehen aus, ftrafen 
und fchaffen Ordnung. Solche Auflaufanftifter werden aud) überall, - 
wo fie fich Hinflüchten, aufgegriffen und Hingerichtet. lieben fie m 
eine fremde Stadt oder zu einem fremden Herrn, jo verlangt man - 
die Auslieferung, und erfolgt diefe nicht, jo wirb fie mit Gewalt ere 
zwungen. Alle Städte follen das in ihr Geſetzbuch fchreiben mb 

jährlich erneuern und verlejen laſſen. | 


e. Kriegsweſen. 


Wir gehen über zu der Art und Weiſe der Hilfsleiſtung und 
zu den Einrichtungen, welche das Kriegsweſen de8 Bundes betreffen. 
Wenn eine Stadt angegriffen wurde, fo mahnte fie ihre Nachbarn, 
und diefe hatten ihr dann Fräftige Unterftügung zu leiften, gleich als 
ob die Sache fie felbft angienge. Diefer Fall kam ſehr oft vor; 
fo mahnt 3.93. im %. 1378 Rotenburg bie Dinfelsbühler t, fo 
wird Nürnberg häufig von Regensburg gemahnt?. Oft auch fuhren 
die Etädte ungemahnt zu, wenn foldhe, die ihre Verbündeten beſchä⸗ 
digt hatten, in ihren Bereich famen. — DBedurfte es in ſolchen 
Fällen bejonderer Zurüftungen, fo trugen die ſämmtlichen Städte des 
Bundes die Koften. Tiefe Kojten, fo wie alles Geld, was man für 
Bundeszwecke brauchte, wurde in der Weiſe auf die einzelnen Stübte 
vertheilt, daß man die Neichsfteuer, welche fie bezahlten, zu Grumde 
legte und die Geldbeiträge für den Bund im Verhältniffe zu diefer 
anjegte. Da man damals in den Städten nod) feine Tabellen führte 
über die Zahl und den Vermögensftand der Einwohner, fo war bieß 
der beſte Anhaltspunft, nad) welchem man fich richten konnte, ob» 
glei natürlich) von vollfommener Genauigkeit und Richtigkeit nicht 
die Rede war. Für Regensburg und Bafel, weldye als freie Städte 
feine Reichsſteuern zahlten, legte man Summen zu Grunde, melde 
den Steuern entſprachen, die Städte von ihrer Größe and Reich zu 
entrichten pflegten. So erflärte Regensburg bei feiner Aufnahme, 
daß es fich fiir Bundeszwecke befteuern wolle, gleid) al8 ob es jährlich 
800 Pd. ans Reid) zahlte. Nürnberg, welches finden mochte, daß feine 
Reichsſteuer (2000 Pfd.) einen zu Hohen Anfchlag ergeben würde, 
bedang fich bei feinem Kintritte aus, daß es beitragen folle gleicher 
Weife, als ob c8 dem Reiche nicht mehr gübe als 800 Pfd. Haller. 
Es fcheint oft vorgefommen zu fein, daß einzelne Städte um Er- 
leichterung nadjfuchten; das Bündnig von 1382 beftimmte hierüber, 
ed folle feiner Stadt ein Vortheil gegeben werden, c8 wäre denn, 
daß eine folche oder mehrere in befonderer Armuth, Schaden und 
Gebrechen ſich jett befänden oder füro darein fielen, die könnten es 
vor die Bundesftädte bringen, umd nachdem diefe genaue Kundfchaft 
eingezogen, jtände eg ihnen frei, eine Erleichterung zu geftatten. Nach 


2%. Chr. 115, ® Bemeiner II, 219, 221, 9 u. ſ. f. 








77. 


biefem Artikel ſcheinen auch die Eßlinger das Vorrecht aufgegeben zu 
heben, die Zahl der Spieße, die fie zu Hilfe ſchickten, nad ihrem 
Gmtbünlen zu beitimmen. 
. Den Kern der ftädtifhen Truppen bildete die ſchwere Reiterei. 
Um diefe berzuftellen, fchlojjen die Städte Verträge mit benachbarten 
‚ wodurch diefe jich verpflichteten, gegen eine Summe Gel- 
des eine beſtimmte Zeitlang den Städten mit einer Anzahl von Epies 
fen zu dienen. Der Ausbrud Spieß, Gleve oder Ölene, in biefer 
Beife gebraucht, bedeutet in der damaligen Zeit gewöhnlich einen 
Schwerbewaffneten zu Pferde (mohlerzeugte, ehrbare Leute mußten es 
fein), mit 2 gleichfalls berittenen Begleitern, einem Edelknechte und 
anem Jungen '. Außer den eigentlich in Sold genommenen Spießen 
Reites die adlichen Ausbürger ſolche, und an vielen Orten finden wir 
gen, wornad) die reidhern Bürger verpflichtet waren, nad) 
Maigabe ihres Vermögens Dienjte zu Pferde zu leilten. Neben den 
Spiegen, den Schwerbewaffueten, treffen wir auch noch berittene 
Schügen , wohl größtentheil® angeworbene Leute. Auch das Fußvolf 
bettand theils aus Söldnern theils aus Bürgern. Die leßtern bes 
feiligen fich hauptjählih nur da am Kriege, wo es gilt, in ber 
Nähe ihrer Stadt irgend eine Unternehmung auszuführen. Da zies 
ben oft aus einer Stadt, wie Augsburg und Nürnberg, mehrere 
Zaufende zu Roß und zu Fuß aus, fei es, daß es gilt, einer Ab» 
Seilung der Ihrigen, die auf einem Plünderungszuge von den Fein⸗ 
den überfallen worden ift, beizufpringen, ſei es, daß es fid) darum 
benbelt, dem Feinde Schlöffer und Burgen zu bredjen, und mandhe 
saadliche Waffenthaten find auf diefe Weile verrichtet worden. 

Bisweilen erforderten es aber die Uniſtände, daß eigentliche grö⸗ 
fere Kriegszüge unternommen wurden, zu denen jede Stadt dem 
Bunde eine bejtimmte Anzahl von Spießen zu jtellen hatte, und da 
wurden dann meijt nur Söldner ausgeichidt. Die Zahl der Spieße, 
die den Städten auferlegt wurde, richtete fi), wie alle ihre Leiſtun⸗ 
gen für den Bund nad der Reichsſteuer. Auf jede 100 Pfd. der» 
ilben famen 3 Spiefe?. Dod konnte natürlid nad) Umſtänden 
darch die Bundesſtädte bejchlojjen werden, die Zahl zu vermehren 
ser zu vermindern. Auch pflegte nach Anordnung derfelben bei den 
Auszügen den Spießen eine entiprechende Anzahl von Armbruft- 

ſchitzen und bewaffneten Fußfnechten beigegeben zu werden. Die 
Saar, in deren Nähe fid) die Unternehmung bewegte, unterjtüßten 
Dejeibe. mit zahlreihem Zuzuge, auch hatten fie für die Herbeiſchaf⸗ 
fing von Lebensmitteln und Kriegsgeräthe zu forgen. 

Es fragt fi) nun: Waren die Städte verpflichtet, während ber 
sunzen Dauer des Bundes fo viel Spieße aufgeftellt zu halten, als ihr 
tegelmäßiger Anfaß betrug, oder hatten fie nur in den Fällen, wo fiedarum 
gmahnt wurden, diefelben zu bejtellen? Bei den rheinifchen Städten 

3 Bal. Amold, Zglfaſſungsgeſchichte ber deutſchen Freiſtädte II, 2395 ſ. 


ach Lehmann 744. 
8 Gemeiner U, KR 





18 


finden wir einen großen und einen Kleinen Anfat. Der erftere wurde 
auf ergangene Mahnung hin geſtellt, der leßtere, der den vierten Theil. 
davon betrug (bei Straßburg 25:100, bei Epeier 16:65, bei Ha 
genau 4:16 u. ſ. w.), mußte bejtändig in Bereitfchaft gehalten werden. 
Die fchwäbifchen Städte hingegen hatten nur Einen regelmäßigen 
Anſatz, und diefer wurde bloß auf Mahnung geitellt. Vom Abt vos 
St. Gallen heißt es, er habe die Appenzeller mit einem Spieße m 


verweſen, wenn der Fall eintrete, daß der große Bund oder der Bund 
um den See ihnen um reifig Volt und Spieße zuſpreche und fie um - 
Hilfe mahne, nicht aber, er folle für fie beftändig einen Spieß halten, : 
und auch ſonſt finden wir feine Anzeichen, welche für die Annahme : 


einer jtehenden Truppe von Spießen fprechen. Unter Umftänden 


fonnte natürlich” für eine Zeitlang die Aufitellung einer foldyen bee : 


chloffen werden. So fam man im Herbjt 1386, wie bereits er⸗ 


wähnt worden ift, überein, um den halben Theil Spiege mehr zu Ä 


bejtellen als gewöhnlich, je 4 derfelben mit einem Schützen zu ver⸗ 


jehen, in jeder Stadt 2 Büchſen, 2 Schilde, d. h. Schilddächer, & - 
Leitern und 1000 Pfeile in Bereitihaft zu Halten und in diefem 


Bertheidigungszuftand vor der Hand ein Jahr lang ftehen zu bleiben. 

Als gemeinjames Feldzeichen wurde bei den Unternehmungen 
de8 Bundes das Reichsbanner vorangetragen '. Bisweilen führten 
neben demjelben die Städte noch ihre bejonderen Banner. Als im 
Nov. 1388 ſich die ftädtiichen Truppen bei Windsheim fammelten, 
und es fid) fand, daß die Nürnberger die Mehrzahl derfelben aus» 
machten, befhlog man, unter dem Banner des Reiches und der 
Stadt Nürnberg auszuziehen ?, 

Der Befehl über die Truppen des Bundes fowohl al® der 
Vierteile und der einzelnen Städte wurde bald kriegskundigen Bür⸗ 


gern anvertraut, bald übernahmen denjelben benachbarte Herren in -. 
Folge eines befondern Vertrages. So werden 3.2. in der Schlacht 


bei Döffingen die Nürnberger durch einen Grafen von Henneberg 
geführt, die Augsburger durch Heinrich von Apsperg und ihren Mit⸗ 
bürger den Patricier Hand Yangenmantel; als gemeiner Städte 
Zeuptann treffen wir den Bürgermeiſter Konrad Beſſerer von Lim. 


im Ausbrud) des Krieges war zum oberjten Hauptmann der Städte . 
Graf Heinrid) von Montfort ernannt worden. Mit diefem hatten . 


den 22. April 1384 die Städte um den See einen Vertrag abge 


ichloffen, daß er fünf Jahre lang ihr Hauptmann fein und ihnen 
mit 10 Spießen dienen, auch die fünf nächjtfolgenden Jahre bei dem . 


1 S. unten ©. 81. 2 Chron. Nor. 326. 


5 Grabſchrift dejielben im Ulmer Deünfter. Damit ift nicht gefaqt, daß 


er der oberfte Hauptmann geweien. Graf Heinrih von Montfort, von dem 
glei im Terte die Rede fein wird, erfcheint als foldher in einem Lager vor 
Gmünd (Gemeiner I, 240), das eben auf dem Auge gegen Wirtemberg wird 
bezogen worden fein, und Conrad Bejlerer war wohl Anführer eines der Bier: 
tel an ber Stelle des in ber Kriegsordiung von 1387 bezeichneten Hartmann 
Ehinger. 


79 


Junbe verbfeiben und bemfelben mit Leib ımb Gut wider alfermän- 
glich beholfen fein folle. In diefem Bertrage war bereits der Fall 
mgeichen, dag auch die andern Städte wünfchen würden, fich diefes 
Kriegsmarmes, der fchon in feiner Yugend an den Käm⸗ 
ſen der italiänifchen Städte theilgenommen, fpäter in den ‘Dienften 
ner Karls und Herzog Leopolds ſich hervorgethan hatte, auch 
euptmann ber Töwengefellichaft gewefen war, zu bedienen und ihm 
ne höhere Stellung als den übrigen Hauptleuten einzuräumen; es 
arbe beftimmt, daß er in eimem folchen alle jich den Wünfchen 
r Städte fügen und von ihnen dafür eine Belohnung erhalten folle, 
che der Bund um den See zu beitimmen habe. In der That 
er dann zu Ende des J. 1387, als der Krieg mit Baiern 
feinem Ausbruche nahte, zum oberjten Hauptmanne des Bundes 
und trat an die Spige der geſammten Streitmadht deffelben. 
Gleichwie man mit Edelleuten für die Uebernahme der Haupt- 
santchaft und Ausrüftung von Spießen Verträge abſchloß, nahm 
eu auch tüchtige Werkleute in Cold, die bei der Belagerung von 
eften eine große Rolle fpielen. So verfpridht 3. B. den 25. Aug. 
377 Meiſter Heinric der Behan den Bundesjtädten, ihnen um 150 
L ein Jahr lang als ſolcher zu dienen. 
Den beiten Begriff von den Kriegseinrichtungen des Bundes 
ben uns die Beitimmungen, welche zu Ende des %. 1387 für den 
Krieg gegen Baiern getroffen wurden!. Da ward 
rordnet, daß jede Stadt für den vorzunehmenden Zug noch einmal 
viel berittene Spieße haben folle al8 vorher und je zu 2 Epießen 
sen guten berittenen Schügen, der weder mit Kleiderfäcen noch 
it anderem Gepäd überladen fer, ferner zu jedem Spieße zwei 
gehende“ Knechte; von diejen follten zwei Drittel mit Spießen 
sd mit Zſchoppen (Wänmfern), ein Drittel mit Armbrüjten, 
wertern und Zſchoppen verjehen fein. Für je zwei Schützen, fie 
m zu Roß oder zu Fuß, führt jede Stadt 100 Pfeile mit fi). 
Ye drei Städte Regensburg, Augsburg, Nürnberg, als die dem Kriege- 
hauplatze nächſten, beitellen jede auf Koften der gemeinen Ctüdte 
0000 Bfeile, desgleichen Schilde, Leitern, Büchfen und Pulver. 
Die Stadt, von welcher der Zug ausgeht, ſchickt diefen Kriegsbebarf 
sfert mit, die beiden andern fenden den ihren erit dann ab, wenn 
w Städte fie barum erjuchen, Alles auf gemeine Koften. Die ge 
wunten Städte haben auch für Koft zu forgen, die der Mannschaft 
wtgeführt umd um redlich Geld gegeben wird. ‘Desgleichen follen 
mc alle andern Städte, die in der Nähe gelegen find, den Truppen 
deft und Kriegsgeräthe zuführen, wenn fie darum gebeten werden. 
kener follen bie drei Stüdte auf allgemeine Koften gute gewiſſe Kund⸗ 
haft Haben, und ebenfo die andern Städte, ob Jemand den Feinden 
miehen wolle, und wer deijen inne wird, es fofort den Leuten im 
beide und den übrigen Städten melden. 


R 


1 


I Reg. 236. 


8. 


Zum oberjten Hauptmann des Zuges wird Graf Heinrich von 
Montfort beftunmt; die Feitfegung des Lohnes, den er erhält, wird 
dem Ermeſſen der Städte des Bundes um den See anheungeitellt; 
will er die Stelle nicht annehmen, fo bejenden die Ulmer 2 oder 3 der 
nächften Städte au ſich und beftellen mit diefen zufammen Herrn Lut 
von Landau zu einem oberften Hauptmann; Hauptleute der einzelnen 
Biertel find Hug Sinerlin von Conftanz, Hartmann Ehinger Bi 
germeifter zu Ulm, Heinrich Kantzler der junge von Rotweil und 
Heinrich Toppler von Rotenburg; jeder diefer vier Hauptleute ſoll - 
Pferde haben, dazu ordnen die Städte, welden die Hauptleute an 
gehören, ihnen von den Schüßen, die fie zu ftellen verpflichtet find, 3 - 
bei; die Hauptleute felbft zählen aber nicht mit an der Anzahl ihrer 
Spieße. Yeder Hauptmann erhält täglich als Sold 3 Gulden; im : 
Voraus befommt er ald „Naufchgeld“ 40 Gulden; dauert der Zug : 
nicht fo lange, daß jich fein Sold ebenfall® auf 40 Gulden belau⸗ 
fen wiirde, fo behält er das ganze Kaufchgeld nebft feinem Solde; 
im entgegengefegten alle werden ihm 20 der vorausgezahlten Gul⸗ 
den am Eolde abgerechnet, und es bleiben ihm jomit als eigentliche : 
Raufchgeld nur nod) 20. — Die vier Hauptleute follen auch oberfte 
Hauptleute heißen, und Graf Heinrid) oder Herr Lutz von Landau 
ſoll nichts unternehmen, ohne fie und die Kathsglicder, deren jede 
Stadt eines mitſchickt, zu befragen (ein ſolches Rathsglied kann als 
Inhaber eines Spießes feiner Stadt mitziehen).. Was auf dieſe 
Weiſe befchloffen ift, das follen dann die vier obern Hauptleute den 
untern Hauptleuten, die ein jedes Viertel von Rittern und von Knech⸗ 
ten hat, verkünden, und die Käthe der Städte beholfen fein, daß ihr 
Volk den Befehlen derfelben nachkomme. 

Die Spiege und Diener der Städte haben auch, bevor fie aus- 
ziehen, zu jchwören, daß fie den Boten ihres Rathes gehorfam fein 
und bei etwanigen Zerwürfnijfen fi) dem Ausſpruche derfelben fügen 
werden. Iſt einer widerfpänftig, jo bringt das Rathsglied die Sache 
bor die vier oberjten Hauptleute, und diefe haben volle Gewalt, ihn 
nad) Gutfinden zu ftrafen. 

Die Städte forgen aud) dafür, daß die Räthe, die fie ausſen⸗ 
den, den vier obern Hauptleuten gehorfam feien. Hat ein Diener oder 
Bürger einer Stadt irgend Feindſchaft oder Krieg mit einem Diener 
oder Bürger einer andern Stadt, fo ſchwören fie, bevor fie auszie⸗ 
ben, daß fie während des ganzen Zuges die Sache ruhen laſſen. 

Alle, die von der Städte wegen reiten, haben in allen Städten 
des Bundes Frieden und Geleite. 

Die Hauptleute und die Käthe der Stüdte, die mitziehen, haben 
volle Gewalt, fobald man in Augsburg, das als Sammelplak be 
ftinmt iſt, zuſammengekommen, einen Marjchall und Bannerträger 
zu ernennen und fürbag ihre Ordnung für den Krieg zu entwerfen, 
jo jedoch, daß die vorgenannten Artifel gebejfert, nicht „gefränft“ werden. 

Die vier Hauptleute führen ein jeder 2 oder 3 Pfeifer auf 
gemeiner Städte Koſten. 


81 


Die Hauptleute und da8 Wolf des Zuges führen des Reiches 
Banner und Nennfähnlein, und fein anderes. 

Das Volk der Städte, das auszieht, ſoll bezeichnet werden mit 
ſchwarzen Kreuzen in weißen Feldern, ımd ſoll auch au den Spießen 
ſchwarze Kreuze in weißen Fähnlein führen. 

Das find die wichtigſten von den Beichlüffen jenes Städtetager, 
infofern fie ſich auf die Einrichtung des Heerweſens beziehen. Es 
find und nun noch einige weitere Beitimmungen der Art erhalten, 
die umgefähr aus derjelben Zeit ftammen müjlen '. So ein Ber: 
zeichniß der Städte, die nad) Parteien gruppiert find, mit Angabe der 
Anzahl von Spießen, welche jede zu jtellen hat. Die erjte Partei 
beiteht aus Üegensburg, den fräntifchen Städten und denen des nord- 
öftlichen Schwabens; fie entjpricht ganz dei erjten Viertel de8 Mer⸗ 
gentheimer Bündnifjes, nur dag Augsburg fehlt. Dieſes ift wieder, 
wie im Ehinger Bündniffe, der Bartei beigeordnet, welche Ulm und bie 
ihm benachbarten Städte enthält und die im Mergentheimer Bünd- 
niſſe als die vierte, hier als die zweite aufgeführt wird. Dadurch, dag man 
Augsburg wieder hiehergezogen, wird der Abjtand, der fonft zwiſchen 
der Zruppenzahl der beiden Parteien cin fehr beträchtlicher geweſen 
wäre, zu Gunften der zweiten etwas gemindert. ‘Die dritte Partei end- 
lich umfaßt die niederjchwäbifchen und ihnen beigegeben auch noch die 
oberrheinifchen und Bodenfeejtädte. Vergleichen wir die Anzahl der 
Spieße, welche von jeder Stadt gefordert werden, mit dem, was ung 
über ihre damaligen Reichsſteuern befannt ift, fo ergiebt ſich, daß fie 
boppelt jovicl betrügt, als wozu die Städte in gewöhnlichen Zeiten 
angelegt waren, aljo ganz wie die eben angeführten Beltimmungen 
aus dem December 1387 verlangen. Kinige Städte allerdings ftellen 
nur die einfache Zahl, oder doc) weniger, als die doppelte betragen 
würde, fcheinen fich jomit der Vergünftigungen zu erfreuen, von de- 
nen im Bündniſſe von 1382 die Rede iſt. Buchau und Wyl im 
Thurgau fehlen ganz. Nun wird aber neben der „Anzahl“ der 
Spieße von den Städten noch ein „Zuſchub“, ein zweites Aufgebot ver- 
langt, und dieß beträgt bald etwas mehr, bald etwas weniger als 
das erjte, bei einigen iſt es diejem gleich, andern ift es auch ganz 
erlaifen. Das legtere ift der Fall bei Kaufbeuren, Weil und Heil: 
bronn, und dann bei fänumntlichen oberrheinifchen und Bodenjeeftädten. 
Es ergiebt ſich nun, Anzahl und Zufchub zufanmengerechnet, für die 
erite Partei die Summe von 396 Spießen, für die zweite 300, für 


mLehmann 750. Daß biefe Anordnungen mit dem Conftanzer Bündniſſe, 
binter welchem Lehmann es in einem Städtebuche fcheint verzeichnet gefunden 
zu haben, nichts zu thun hat, beweist ihre ganze Anlage und ſchon der Um: 
Kand, dag Schweinfurt und Mülhaufen, die hier als dem Binde angehörig 
aufgeführt werben, zur Zeit des Gonftanzer Bündniſſes demjelben noch nicht 
i en waren. Daß Augsburg wieder ber Gefellfhaft von Alm, Mem⸗ 
mingen, Biberady u. f. w. zugetheilt ift, während ed fchon 1384 (Reg. 210) 
und noch 1387 im Diergentbeimer Bündniſſe der Geſellſchaft im Ries beigeord: 
net erjcheint, fpricht auch für die von und angenommene Zeit. 


DI. 6 


82 


diedritte 416 ', im ganzen alſo eine Zahl von 1112 Spießen. Nach 
der Aufzählung der Städte der erften Partei heißt e8: Won welder 
Stadt der Zug ausgehet, die foll dann mit Macht damit ziehen, zu 
Roß und zu Fuß. Dieß weift deutlich darauf Hin, dag der Zug ges 
gen Baiern gerichtet war. ‘Damit ftimmt aud) ganz gut, daß die 
Städte des Bundes um den See, welche vom Kriegeichauplage am 
meiften entfernt waren, feinen Zuſchub zu ftellen hatten und feinen 
befondern Heerhaufen bildeten. — Es folgen dann auf diefe Aufs 
zählungen noch einige weitere Artikel, weldje darauf hindeuten, daß 
der Feitfegung derfelben kürzlich Kämpfe vorangegangen fein müffen. 
Wir fegen fie am beiten ins Frühjahr 1388, um die Zeit, wo der 
Krieg gegen Baiern aufs neue losbrad). 

1) heißt e8: Jegliche Stadt foll verforgen, daß den Ihren, die 
jet bei dem Fechten gewejen find, „die Flucht in Uebel nicht auf 
gehebt werde zu diejen Zeiten“. 

2) Jegliche Stadt foll verforgen, daß ihre Diener alle Ord- 
nungen halten und ihren Hauptleuten gehorfam feien, und daR aud) 
fürbaß Niemand mehr von dem Banner fliehe, und wer der Stüde 
eines überführe, daß deſſen Leib und Gut der Stadt verfallen ſei und 
auch weder er noch fein Weib noch fein Kind in die Etadt noch in 
irgend eine Reichsſtadt ewiglich kommen fol. 

3) Jegliche Stadt foll ihre Diener nit Geld verforgen, daß 
fie bei den Leuten bleiben mögen, wenn man fte ausfendet, und nicht 
wieder heintzureiten brauchen. 

Diefe Artikel zeigen, daß ed mit der Kriegszucht nicht immer 
ſehr glänzend muß ausgefehen haben, und eben dafjelbe beweist eine 
Verordnung, welche im Felde vor Gmünd Graf Heinrid von Meont- 
fort und die vier Hauptleute ergehen zu laſſen für nöthig fanden, alfo 
lautend: Es follen auch die Ehrbaren mit ihr felbjt Yeib wachen, und 
follen nicht Knechte an ihrer Statt auffegen, und wen man fdhidt 
zu brennen, die follen auch brennen, und foll das Niemand wider⸗ 
reden, weder Ehrbarer noch Schüß ?. 

Es war offenbar ein Fehler, daß die Söldner und namentlid) 
die ritterlichen Söldner eine fo große Bedeutung im Heerweſen der 
Städte einnahmen. Wenn die Herren auch, ftatt die Städte zu 
befriegen und ihre Kaufleute anszuplündern, zur Abwechslung einmal 
in deren Dienfte traten, um ſich auf diefe Weife Beichäftigung und 
Erwerb zu verfchaffen, fo lag ihnen dod) die Sache berfelben wenig 
am Herzen, fie zogen in den Krieg ihres eigenen Vortheils wegen, 
und waren wenig zuverläffig. Auffallend ift es, wie in v Schlacht 
bei Döffingen am Anfang zwar tapfer gekämpft wurde, ſobald ſich 
aber der Sieg auf die Seite der Feinde neigte, Alles in wilder Flucht 
auseinanderlief. Ein Bericht von ſtädtiſcher Seite behauptet wenig⸗ 


ı Im Verzeichniß ſelbſt werden 412 berechnet; ob dieſe Zahl zu Hein 
oder einer ber einzelnen Poſten zu groß angegeben ift, läßt fidy nicht fanen. 
2 Gemeiner 1, 240, 


— 83 


ſtens. dag von 700 Todten kaum 100 auf der Wahlſtatt gelegen 
Sätten, ebenfo feien die Gefangenen der Mehrzahl nach auf der Flucht 

t worden!. — Es werben den Herren im Dienfte der 
Städte wohl auch Verräthereien vorgeworfen; gerade die Schlacht 
ven Möffingen foll verloren gegangen fein, weil der Graf von Hen- 
neberg, vom Grafen Eberhard beftochen, mit den Nürnbergern zuerft 
gewichen fei?. Wir möchten auf folche Behauptungen fein zu großes 
Gewicht legen. Nach dem unglüdlichen Ausgang einer Unternehmung 
regt ſich leicht ein folcher Verdacht, auch wenn er nicht begründet ift. 
Dan ift geneigt, feinen Unmuth und Zorn an beftimmten Perſön⸗ 
tichleiten auszulaffen, und namentlich das niedere Volk denkt gleich 
an Berrathen und Verkaufen. So mußte nad) der Schlacht bei En- 
dingen in Baſel der damalige Oberftzunftmeifter in Folge ſolchen 
Berdachtes verbannt werden °; nad) der Schladjt bei Altheim herrfchte 
in Ulm eine ſolche Gährımg, daß ein Aufftand befürchtet wurde; 
eines der auffallendften Beifpiele treffen wir im J. 1798, wo nad) 
dem Zreffen un Grauholz und der Uebergabe Berns die Truppen, 
weiche die Frucht ihres heldenmüthigen Widerftandes vereitelt fahen, 
alfenthalben ihre Offiziere niedermachten, die doch gewiß an nichte 
weniger als an Verrath gedadjt hatten. 


d. Verbindungen nad außen. 


Betrachten wir nun die Verhältniffe und Beziehungen des Yun» 
des nad) außen hin. Die natürlichſten und vortheilhafteten aller 
Verbindungen find ohne Zweifel die, welche er mit andern ihm gleid)- 
ertigen Geſellſchaften eingieng. Hieher gehören die Bündniſſe mit 
den rheinifchen und mit den fchweizerifchen Städten Das BVerhält- 
niß zu den rheinifchen Städten, mit denen am 17. Yuni 1381 in 
Speier ein Bündniß abgefchloffen wurde, das bis Weihnachten 1384 
dauern follte, aber fchon im folgenden Jahre bis Weihnadjten 1391 
verlängert wurde, blieb fortwährend ein fehr enges. Man gab ſich 
Nachricht, wenn man wußte, daß Gefahren drohten *, und leijtete fid) 
kräftigen Beiftand in der Zeit der Noth. In den eriten Jahren 
nach Abſchluß des Bündniſſes Fam Tein Theil in den Ball, der Hilfe 
des andern zu bedürfen; der einzige bedeutende Krieg, den die ſchwä⸗ 
biſchen Städte zu führen hatten, war der gegen die Nittergefell- 
idaften; hier begnügten fie ſich aber, wie es fcheint, die rheinifchen 
anfzufordern, auf die Löwengejellfchaft am heine ein wachſames 

zu Igben und dieſe dadurch von ber Betheiligung am Kampfe 
abzuhalten. Als aber im Spätjahr 1386 Krieg mit DBaiern aus- 
zubrechen drohte, rijteten die rheinischen Städte fofort ihre Hilfe- 


ı 6. Chr. 325. 

2 Die Zeugnifie für die Verrätherei de3 Grafen von Henneberg j. bei 
Stäfin IN, 346 Anm. 3. Königshoren, die N. und die E. Ehr., aud Yu: 
Ringer berichten nichts davon. 

3 Ochs, Geſchichte von Bafel II, 213. 227. t Reg. 204. 208. 


6* 


84 


truppen aus, ımd als ein Jahr fpäter es wirflicd zum Kriege kam, 
da zögerten fie feinen Augenblid, jondern fandten fofort ihre Mann⸗ 
[haft nad) Augsburg, und haben auch den ganzen Krieg hindurch 
jtandhaft ausgeharrt und Gut und Blut eingejegt für die Sache ihrer 
Berbündeten, die, wie fie richtig erfannten, auch die ihrige war. — 
Auch weitere Verbindungen haben die ſchwäbiſchen und die rheinifchen 
Städte zufammen eingegangen, fo das Conftanzer Bündniß mit den 
Schweizern und die Heidelberger Cinung mit den Yürften. ‘Dabei 
biieben fie aber immer zwei gejonderte Bündnifje und Haben fid) 
nicht etwa zu einem großen Bunde verjchmolzen. Die Hilfeleiftung 
war in der Weife geordnet, daß die rheiniihen Städte den fchwäbi- 
fchen, wenn fie gemahnt wurden, die Kleine Summe ihrer Glefen zu- 
ſchickten!. Die ſchwäbiſchen dagegen fetten als Zuzug für die rhei- 
nischen ungefähr zwei ‘Drittel ihres eigenen Anſatzes feit’. Jedesmal 
bei der Aufnahme einer neuen Stadt in den einen der beiden Bünde 
wurde dem andern Anzeige davon gemacht und die Zahl der Spieße 
genannt, welche diefelbe zu dem gemeinfamen Bimdniſſe jtelle, worauf 
diefer fie dann als feine Bundesgenofjin anerkannte”. 

So widtig diefes Verhältniß der ſchwäbiſchen Städte zu den 
theinifchen war, jo wenig weitere Folgen hatte, wie wir oben ge- 
jehen, die Verbindung diefer beiden mit den Schweizerjtädten, obgleid) 
e8 zuviel gefagt ift, wenn Tſchudi bemerft: „Diefer Bund war beider- 
feit8 wenig nüß und eben nur dazu gut, daß fie einander nichts zu 
veide thaten, jo lange er währte”. 

Mit den Fürften und Herren hatten die Städte vielfache DBe- 
ziehungen der verfchiedenften Art, theils feindliche, theils friedliche. 
Als die Macht der Städte wuchs, da wurde auch ihre Freundfchaft 
gefucht, und eine Menge von Fürſten und Herren giengen Berbindim- 
gen mit ihnen ein. Won folgenden haben wir Nachricht erhalten. 
Am 13. Februar 1378 traten die Herzoge Albreht und Leopold 
nit ihren vorderen Landen in ein Bündniß zu den Neichsitädten, 
das bis zum 23. April 1382 dauern follte; am 4. Yuli 1379 ver- 
biindeten fich die Baiernherzöge und die Markgrafen von Baden mit 
ihnen bis zum 23. April 1385; den 12. Februar 1380 Graf Rudolf 
von Hohenberg auf drei Jahre; vor dem 17. Yuni 1381 Graf 
Rudolf von Montfort, Herr zu Feldkirch, Graf Heinrid von Wer- 
denberg zu Sargans, genannt von Vadug, die Grafen Ludwig und 


2 Reg. 170. 181. 184. 187. 188. 

? Megensburg war zu 24 Spießen angefchlagen und ftellg,. ben rheini⸗ 
ſchen Städten 18; Beg. 169. Bafel ftellte ihnen 14; in bEM ©. 81 fi. 
angeführten Verzeihniß, wo, wie wir gefeben haben, ber gewöhnliche Anja 
ber ſchwäbiſchen Städte verdoppelt ift, hat Bafel 40 Spieße, fein gemöhnlidyer 
Anfag wäre mithin 20. In eben jenem Verzeihniß ijt Nürnberg zu 48, 
Windsheim zu 12, Weißenburg zu 6 Spießen angefchlagen, ber gemöhnlicye 
Anfag der 3 zufammen wäre alfo 33. Im Sabre 1382 verfprechen aber bie 
ſchwäbiſchen Städte, daß, wenn fie diefe 3 Städte in ihren Bund nehmen 
würden, fie ihre Hilfstruppen um 22 Spieße vermehren würden; Reg. 185. 

5 Reg. 169. 212. 


85 


Friedrich von Dettingen, Graf Conrad von Wontfort, Herr zu 
Bregenz, und der Abt von Murrhard, auf wie lange, willen wir 
nicht"; den 9. April 1382 Herzog Leopold; ferner die Grafen von 
Birtemberg und die drei Rittergefellichaften bis zum 6. Januar 1384; 
den 27. Februar 1384 Ulrich von Hohenlohe auf zehn Jahre; am 
1. Jumi diefes Jahres ließ ſich zugleich mit der Stadt Bafel auch 
der dortige Biſchof Yıner in den Bund aufnehmen. Den 26. Juni 
fand bie elberger Einung zwifchen den Städten und den Genoſſen 
des er Landfriedens Statt, welche bis Pfingften 1387 dauern 
follte. Den 18. October ſchloß Bifchof Friedrich von Eichſtädt ein 
Bimdniß mit den Städten bis zum 11. November 1389, den 25. 
Juli 1387 Erzbiſchof Pilgrim von Salzburg, den 2. Novenber 1387 
Graf Johann von Wertheim bis zum 23. April 1395. Den 5. 
Rovember wurde die Heidelberger Einung zu Mergentheim erneuert 
und bis zum 23. April 1390 ausgedehnt. ‘Den 16. Februar 1388 
endlich trat Markgraf Bernhard von Baden auf drei Jahre mit den 
Städten in Berbindung. Als ihre Verbündeten werden uns auch drei 
Grafen von Nellenburg genannt, fowie Herr Heinrich von Höwen*, 
von denen wir aber nicht erfahren, wann fie ihnen beigetreten. 
Diefe Bündniſſe der Städte mit Fürſten und Herren haben nun 
je nad der Macht und der Bedeutung der Theilnehiner einen ver⸗ 
jchiedenen Charakter. Entweder find es Bündniffe ziveier mächtiger 
Parteien, oder aber es find Verträge, durch welche einzelne Herren 
jih in den Schutz des Bundes begeben, wofür fie danı hinwiederum 
ihm mit einigen Spießen Zuzug leijten und ihm ihre Schlöffer offen 
halten. Sie treten zum Bunde in dajjelbe VBerhältnig, in welchen die 
adeligen Ausbürger den einzelnen Städten gegenüber ftehen. Dieſe 
jind e& auch, die bisweilen in den Urkunden mit den Städten zuſammen 
als Glieder des Bundes erwähnt werden, 5.3. in der Verlängerung 
des Städtebündniffes von 1382, wo e8 von denen, die in bdeinjelben 
begriffen find oder noch in daffelbe treten könnten, heißt: es wären 
Deren, Nitter ober Knechte, Prälaten, Gotteshäufer oder Städte. 
halb ift aber nicht anzunehmen, fie hätten im Bunde diefelbe 
Stellung eingenommen wie die Städte, und hätten 3. B. auf den 
Bundestagen Sit und Stimme gehabt; gleid) wie die Ausbürger fich 
auch nicht in die immern Angelegenheiten der Städte mifchten, mit 
denen fie verburgrechtet waren, fo nahmen aud) fie außer der Hilfe- 
leiftung, zu welcher fie verpflichtet waren, feinen weitern Antheil an 
der Thätigkeit des Bundes; ſehr deutlid ift dies im der Urkunde 
ausgedrückt, in welcher Graf Yohann von Wertheim feinen Beitritt 
erflärt. Er verfpricht, bei den Städten zu bleiben bis zum 23. April 
1395, der Friſt, auf welche fie ihren Bund verlängert haben, und 


° ie werben ald Berbündete der Städte genannt im Bündniß mit deu 
rheinifchen Städten und, mit Ausnahnie des zuleßt genannten, im Ehinger 
Bünbniß; die zwei Srafen von Monfor giebt auch bie C. Chr. 3209; über 
die Sale en. 32 Zutingen vgl. oben S. 4 

r. 


86 


den Bundbrief zu halten in allen Stüden, ausgenommen die Artifel, 
welche von den Geldbeiträgen handeln, und von den auf Nichterfchei= 
nen bei den Städtetagen und das Wichtbefolgen ihrer Beſchlüſſe ge- 
jegten Bußen. Daraus erhellt die Stellung diefer en ganz 
deutlich, und es ergiebt fi, daß es mit ihnen ganz ten wurde 
wie in den Bündniffen von 1331, 1347 und 1349. — Wenn der 
Biſchof von Bafel und die Stadt durch eine und bdiefelbe Urfunde . 
ihren Beitritt erflären und beide mit denjelben Worten aufgenommen 
werden, ohne daß dabei angegeben wird, wie viel Spieße der eritere 
zu ftellen bat, fo ift das wohl fo zu verftehen, daß er von der An⸗ 
zahl, zu welcher die Stadt angefchlagen wird, einige auf feine Koften 
ausrüften muß, gleich wie der Abt von St. Gallen den Appenzellern 
einen Spieß liefert. 

Durch die Verbindung mit foldhen Herren gewannen die Städte 
anjehnliche Verftärfungen für ihre Kriegsmacht, und ficherten ſich zu⸗ 
gleich), was noch wichtiger iſt, vor Feindfeligfeiten von Seiten diefer 
ihrer unruhigen Nachbarn. Verbindungen diefer Art Tonnten aud) die 
einzelnen Reviere und die einzelnen Städte eingehen, doch mußten fie 
in einer Weife abgefchlojjen werden, daß dabei auf die Verpflichtungen 
gegen den allgemeinen Bund Nückficht genommen wurde. Bei den 
einzelnen Städten ift e8 vorzugsweife die Aufnahme von Herren und 
Edelleuten ind Bürgerrecht, die hier in Betracht fommt. Die Städte, 
welche in den rheinifchen Bund aufgenommen wurden, mußten ver: 
Iprechen, Alle, die fie zu Bürgern empfangen würden, vorher ſchwören 
zu laſſen, daß jie den Bund halten würden. Bei den ſchwäbiſchen 
Städten finden wir zwar gerade in den Beitrittsurfunden eine jolche 
Stelle nicht, aber wir erfahren fonft, dag die Aufnahme benachbarter 
Herren ins Bürgerrecht der einzelnen Städte von Bundes wegen über- 
wacht und befchränkt wurde. Das Bürgerredht der Stüdte war ba- 
mals fehr gefucht. Welcher Herr, geiſtlich oder weltlich, heißt es bei 
einem unfrer Berichterftatter, ficher wollte fein und das Seine be 
halten, der mußte Bürger fein in einer Stadt!. So haben wir ge- 
fehen, daß der Abt von St. Galler das Biürgerrecht von Lindau 
annahm, um echt zu erhalten gegenüber feinen dem Bunde ange- 
börigen Leuten von St. Gallen und Appenzell. Wir können nicht 
fagen, daß dies fiir die Stüdte nadjtheilig war; denn es war doch 
gewiß befjer, er zog feinen Streithandel vor fie, al8 wenn er ihn 
vor ein Fönigliches Hofgericht bradjte oder benachbarte Fürften um 
Hilfe anrief, allein häufig wurden die Städte durch foldhe Aufnahmen 
in eine Menge Streitigkeiten verwidelt, die ihrem eigenen Intereſſe 
durchaus fremd waren; zudem zeigten ſich Herren und Edelleute meift 
nur da als gute Bürger, wo e8 galt die Hilfe der Städte in An⸗ 
jpruch zu nehmen, wein man aber von ihnen etwas verlangte, fo 
wußten fie ſich gefchickt zu entziehen, gaben auch wohl ihr Bürger⸗ 
recht geradezu auf. Daher verlangte der Bund, daß ſich die Städte 


TG. Chr. 321. 


87 


von ihren Ausbürgern bejtinnmte Verfchreibungen follten geben laſſen, 
in welchen diefelben verjprechen mußten, während einer Anzahl von 
Jahren das Bürgerrecht nicht aufzugeben und diefe Zeit hindurch mit 
isren Beiten, Sclöffern und Spießen der Stadt zu dienen und zu 
werten. er fich weigerte, wurde fofort des Bürgerredhts verluftig erflärt 
und durfte daſſelbe erit nad) langen Jahren oder gar nicht mehr er- 
werben. Das letztere widerfuhr 3.9. den 17. April 1387 in Bafel 
dem Strafen Walraff von Thierjtein, dem Markgrafen Rudolf von 
‚ dem Ritter Claus vom Hus und dem Edeling Burkart 

ünch von Landskron. Junker Heinrich Münch von Münchenftein, 
der im “Jahre 1385 aufgenommen worden war, hatte ſchwören müffen, 
den Bund zu halten und Bürger zu bleiben, fo lange der Bund 
währe!. Den 25. Juli 1387 wurde fogar von gemeinen Städten 
beichloffen, daß gar Leine folchen Ausbürger mehr follten aufgenommen 
werden”. Doch fcheint dies Verbot entweder wieder abgejchafft oder 
nicht fehr genau beobachtet worden zu fein, wenigftens findet ſich aus 
dem Jahre 1388 eine Verordnung der Käthe von Bafel, dag Aus- 
(este, welche das Bürgerredyt wünfchten, dafjelbe empfangen fünnten, 
uuter der Bedingung jedoch, daß fie es auf wenigſtens fünf Jahre an- 


Bon befonderer Wichtigfeit waren für die Städte die Verbin: 
dungen, in welche jie mit mächtigen Fürſten, wie Herzog Leopold 
oder den Baiernherzögen, oder auch mit ganzen TFürftenvereinen traten. 
Bei einzelnen diefer Bündniſſe war die gegenfeitige Hilfsleiftung die 
Hauptfache, wie 3. B., für die Städte wenigiteng, bei dem Bündniſſe 
mit Herzog Leopold im Jahre 1378, ferner bei dem Badener Ber: 
trage von 1379 mit den Baiernherzögen und den Markgrafen; aber 
bei andern war diefe offenbar Nebenſache, und die Hauptfache, auf 

ed ankam, war die Herjtellung eines geordneten Friedenszu— 
ftandes und die Regelung der gegenfeitigen Verhältniſſe. So ganz 
gewiß bei dem Bünbdniffe von Ehingen ınit Yeopold, den Grafen von 
Wirtemberg und den Wittergefellichaften und namentlich bei den 
Einungen von Heidelberg und von Mergentheim. Doc finden wir, 
wie 3. B. im fahre 1384 der Bund in Folge der Heidelberger 
Finung den Herzögen von Baiern Hilfe leijtet zur Unterwerfung 
igrer Stadt München“. 

Es war jchon ein großer Vortheil für die Städte, wenn durch 
Eingehen eines ſolchen Bündniffes mächtige Herren, die ein großes 
Gebiet ımd zahlreiche Vaſallen hatten, verfpradjen, daß fie und ihre 
Untergebenen gegen fie feine Teindfeligfeiten ausiiben wollten, daß 
fie fich vielmehr verpflichteten, jeden Angriff, der im ihrem Gebiete 
auf bie Angehörigen derjelben erfolgte, zu bejtrafen. Ferner war e8 


. veftungdbuh im Basler Staatsardiv I, Cxxxii. 
2 . 278. 
> Leiſtungsbuch im Basler Archiv I, S. 3 des nach Fol. Cxxiii einge: 


fügten Heftes. 
8 ’ “ (hr. 125. 


88 


von Wichtigkeit, daß die Verbiindeten einander verſprachen, die Feinde 
der andern nicht zu haufen und zu hofen. Den Städten, die meifteng 
fleine Gebiete befaßen, welche, durch fürjtliche und herrſchaftliche Be⸗ 
jigungen von einander getrennt waren, mußte ein ſolches Verſprechen 
Sehr erwünfcht fein, da nun mancher Angriff auf ihr Gebiet unter- 
blieb, indem der Räuber oder Feind wußte, daß er auf dem fürit« 
lichen Gebiete nicht mehr eine erwünfchte Zufluchtsitätte finde, ſondern 
ihn auch da die Strafe erwarte. Sodann wurde durch diefe Bünd⸗ 
niffe auch ein regelmäßiges Rechtsverfahren zwiichen den Angehörigen 
beider Parteien feftgefeßt. Das eigenmächtige Pfänden ohne Rechts- 
gang wurde außer bei unleugbaren Schulden und Achnlichem unterfagt; 
bevor die Klage erhoben wurde, mußte der normale Belitftand wieder 
hergeftellt werden; der Kläger durfte den Beklagten nur vor deifen 
ordentlichen Richter, nicht aber vor auswärtigen Gerichten auffuchen. 
MWird Klage gegen einen Fürften oder Herrn oder den Diener eines 
jolden erhoben oder gegen eine Bundesttadt, jo kommt das ſchieds⸗ 
richterliche Verfahren zur Anwendung; der Kläger wählt einen ge 
meinen Dann (Obmann) aus den Räthen des Beklagten, dazu giebt 
dann jeder Theil einen oder zwei Schiedsleute; diefe haben die Sache 
entiweder auf dem Wege gütlicher Vermittelung (mit der Minne) oder, 
wenn das nicht möglich ift, durch einen Rechtsſpruch (mit dem Rech⸗ 
ten) zum Austrag zu bringen. 

Es leuchtet ein, wie vortheilhaft e8 für die Städte fein mußte, 
durch ſolche Verträge die Beziehungen zu ihren Nachbarn zu regeln 
und auf feite Beſtimmungen zurüdzuführen. Nur auf diefe Weije 
war es möglicd), einen einigermaßen geficherten Zuftand im Lande 
herbeizuführen, obwohl eine vollfoınmene Waffenruhe nie ganz herge- 
jtellt werden konnte, und es nicht an Kleinen Striegen fehlte, durd) 
welche die einzelnen Städte und Viertel unaufhörlich beläftigt wurben. 

Mehr aber ald Compromiſſe, als Verträge, wodurch die gegen- 
jeitigen Verhältniffe für einige Jahre auf friedliche Weife geordnet 
wurden, waren die Bündniſſe der Städte mit Fürſten und Herren 
nicht, und e8 wäre irrig, ihnen eine größere Bedeutung beizumeffen. 
Man fünnte zwar verfucht fein, zu denken, c8 Hätte fi unter gün⸗ 
ftigen Umftänden eine Art jtändifcher Reichsverfaſſung mit Hilfe der⸗ 
jetben bilden können, aber die Zeit, in welcher dies möglich geweſen 
wäre, war längit vorüber. Die Kluft, die fich zwifchen den verfchie- 
denen Ständen aufgethan hatte, war ſchon zu groß, als daß fie ſich 
nit leichter Mühe wieder hätte fchliegen laffen. Dazu hätte es einer 
großen gemeinfamen Gefahr bedurft, welche die bisherigen Feinde 
gezwungen, ihrer alten Zwiſte zu vergejlen und feſt an einander zu 
halten; es hätten z. B. die ſämmtlichen Theile durch die Webergriffe 
eines mächtigen Kaifers gleichmäßig bedroht fein müſſen; allein eine 
jolhe Gefahr war nicht vorhanden. Der Hauptwiderftand gegen die 
fürftlihen Anmaßungen gieng fchon längjt nicht mehr vom Kaiſer 
aus fondern von den Städten, und umgefehrt war es nicht der 
Kaifer, welcher dem Aufftreben der Städte die meiften Hinderniffe 


89 


entgegenfegte, fondern die Fürften; denn wenn fie au Grund zum 
Mißtrauen gegen jenen hatten, fo war es nicht, weil er ihre Autonomie 
za feinen Sunjten befchränfen wollte, wie eö bei den lombarbifchen 
Stüdten der Fall geweien war, fondern weil er durch Verpfändung 
an die Fürſten ihre Reichöfreiheit bedrohte. Bündniſſe der TFürften 
md der Städte, deren Intereſſen in jo geradem Gegenfage zu einans 
der fanden, konnten alſo zu feiner innigen Vereinigung führen, fons 
dern im beften Falle gegenfcitige Duldung und friedliches Neben- 
einanderleben bewirken. Eher hätte man erwarten follen, daß Ritter 
md Städte, beide gleichmäßig in der Bewahrung ihrer Reihsunmit- 
telbarfeit durch die Fürſten bedroht, ſich, wenn auch nicht ohne viel 
serangegangene Reibungen, doch endlich zufammengefunden hätten; 
allein bier trat die Entwicklung, welde das ftüdtiiche Yeben in der 
legten Zeit genommen, hindernd in den Weg; einer Stadt, wie Bern, 
wo das adeliche, Eriegerifche Clement immer das Vorwiegende blieb, 
mochte es gelingen, auch den Adel des umliegenden Landes fich nad 
amd nach eng zu verbinden, aber in den meijten Städten hatten die 
Zünfte das Webergewicht über die Gefchlechter erworben, die handel- 
treibende DBevölferımg über die grumdbejitende gejicgt, und da mochte 
der ftolze Ritter wohl Alles daran fegen, um feine Unabhängigfeit 
mdyt mit der Unterordnung unter die veradhteten Krämer, Schufter 
md Schneider vertaufchen zu müſſen. 


e. Berhältniß zu Kaifer (König) und Neid). 


Wir betrachten fchließlic) nod) die ‚Stellung zum Reiche und zu 
dejien Oberhaupte. | 

Das Verhältnig zum Reiche wird überall aufs nachdrücklichſte 
betont. Im Bumdbriefe von 1376 fprechen die Städte e8 aus, 
dag fie dem heiligen Reiche feine Rechte halten wollen, und die Ur- 
kunden, in welchen neue Städte ihren Beitritt erklären, legen immer 
em befonderes Gewicht auf diefen Sag. An allen Bündniſſen ferner, 
welche fie eingehen, nehmen fie das heilige Reich aus. In ihren 
Kriegen laſſen fie das Neichsbanner wehen. 

Aber gerade, indem fie dem Reiche feine Rechte halten wollten, 
konnten fie in Widerfpruch mit dem Oberhaupte dejjelben gerathen, und ein 
jolcher Widerſpruch ift ja eigentlich die Urſache durd) den der Bund hervor- 
gegangen. Furcht vor Berpfändungen und widerrechtlichen Befchatungen, 
wie ſolche in der legten Zeit vorgefommmen waren, hatte die Städte 
vornehmlich zum Abfchlug deijelben bewogen; fie beftimmten damals, 
dan fie auf alle Forderungen, welche der Kaiſer oder der König ſelbſt 
oder durch Jemand anders an fie jtellen würden, nur gemeinfam 
antworten, nie einzeln ſich in bejondere Vereinbarungen einlaffen 
wollten. Demgemäß haben fie auch gehandelt und dein Keichsober- 
haupte, fo oft es ihre Freiheiten verlegte, fich energiſch entgegengefekt. 
Durch gemeinfame Verweigerung der Huldigung zwangen fie Wenzel, 
den TFreiheitsbrief feines Vaters, die Zuficherung der Nichtverpfändung 


90 


enthaltend, ihnen zu erneuern und die dem Grafen Eberhard gemach⸗ 
ten Verpfändungen wieder zurückzunehmen. Die Verpfändung der 
Landvogteien an Herzog Leopold blieb bei dem Widerſtande, den ſie 
ihr entgegenſetzten, kraftlos, und mußte gleichfalls zuletzt wieder zu⸗ 
rückgenommen werden. Auch den Verſuchen außerordentlicher Be⸗ 
ſchatzungen gegenüber wußten fie mit Erfolg ihre Rechte zu wahren. 
Es war in den letzten Jahrzehnden mehrmals vorgefommen, daß der 
Kaifer oder der König ausdrücklichen Privilegien, welche ſie den 
Städten ertheilt hatten, zuwider, die in denjelben wohnenden Juden 
mit außerorbentlichen Steuern belegten oder benachbarten Fürſten 
Seldfunmen auf diefelben anwiefen. Im Jahre 1383 nun Batten 
die ſchwäbiſchen Städte in Erfahrung gebracht, Wenzel gehe wieder 
damit um, eine folche Schatung auf die in den rheinischen Städten 
gefeffenen Juden zu legen. Sie ſchickten deshalb einen Brief an den 
Rath zu Speier, mit der Bitte, feinen Inhalt den andern rheinifchen 
Städten mitzutheilen, damit dieſe Feine übereilten Beſchlüſſe in der 
Sache faßten, ſondern die Botſchaft abwarteten, welche fie auf den 
nächſten rheinischen Städtetag abfenden würden‘. Wir erfahren nım 
nichts weiter von einer wirklich erfolgten Forderung des Königs an 
die rheinifchen Städte, hingegen Fam bald darauf eine foldhe an die 
Ihwäbischen felbft. Durch eine Uebereinkunft, welche fie den 12. Juni 
1385 mit den königlichen Abgeordneten Herzog Friedrich von Baiern, 
Biſchof Niclans zu Conftanz, Landgraf Johann zum Yeuchtenberg, 
Heinrich von der Zuben und Ulrid) von Hohenloh in Ulm trafen, 
wurde die Sache berichtigt”. Die Städte verftanden fich dazu, dem 
Könige oder wen er es verfchaffen würde, bis zum 2. Februar 1388 
die Summe von 40000 Gulden zufommen zu laffen, erhielten aber 
dafür die Zuficherung, daß feinerlei weitere Anfpracdhe au fie gemacht 
werden follte, um Alles das, was fie bis jett von den Juden ge- 
noffen hätten oder bis zu dem eben beſtimmten Zermine von ihnen 
noch genießen würden. Auch wurde feitgefett, daß fie fürbag mehr 
Juden in ihre Städte aufnehmen und heimen dürften in der Weife, 
daß fie von 2. Februar 1388 an die Hälfte dei, was fie von ihnen 
einnehmen witrden, dem Könige entrichten follten. Bedenken wir, daß 
im Jahre 1374 die Städte Ulm und Augsburg jede 10000 Gulden 
den König von den Juden entrichten mußten”, fo werden wir bie 
Summe von 40000 Fl. unter den eben genannten Bedingungen feine 
jehr drüdende finden. Schwerlich wären die Städte, wenn jede für 
ſich allein hätte handeln müfjen, fo gut weggefommen. Auch ließen 
fi) einzelne von ihnen nad) der Auflöfung des Bundes vom Hofge- 
richte in Rotweil die Erklärung ausjtellen, daß die Briefe, in welchen 
jene Zuficherungen enthalten waren, noch in Kraft beitanden, um das, 


T Reg. 204. 
2 Beg. 240. 241, 243 fi. N. Chr. 125. 126. 
3 Zäger, Schwäbifches Städteweſen des Mittelalters, Bd. I: Ulms Ver⸗ 
faffungs-, bürgerlihes und commercielles Leben 404 Anm. 130. Paul v. 
Stetten I, 121. 





91 


was ſie damals gemeinſchaftlich errungen hatten, nicht jetzt in ihrer 
Vereinzelung wieder zu verlieren!. 

Dervorgegangen aus der Beitimmung, auf alle Forderungen des 
Kinigs nur gemeinfam zu antworten, ift auch die, daß die ſämmit⸗ 
ſichen Städte fich verpflichteten, beim Bunde auszuharren und fich 
emem andern Biindnilfe oder Landfrieden nur dann anzufchliegen, 
wenn zwei Drittel aus ihrer Mitte fi dafür erklärten. Als nun 
im Jahre 1383 Wenzel feinen Nürnberger Kandfrieden errichtete und die 
S:eädte aufforderte, nad) Auflöjung ihres Bundes beizutreten, weigerten 
fie ſich deifen und behaupteten ihren Widerſpruch; Wenzel felbft mußte 
es zugeben, daß die Städte in ihrer Gejammtheit, als Bund, nicht 
une faftifch, fondern mit ausdrüdlichen Worten anerkannt, eine Einung 
mit den Fürſten und des Nürnberger Yandfriedens abfchlofjen. 

Daß nun ein folder Bund, der dem Reichsoberhaupte fich als 
kibjtändige Macht entgegenftelite und ihm nur gehorchte, wenn es 
ihen beliebte, nicht in den Organismus des Reiches paßte, ijt Kar. 
Des einzig wahre Mittel aber, dem Aufkommen und Lmfichgreifen 
derartiger Verbindungen entgegenzumirfen, war, daß die SKönige den 
Städten gegenüber ihre Pflicht erfüllten und fich nicht bei jeder Ge⸗ 
legenheit wortbrüchig und treulos zeigten. So lange dies lettere der 
dell war, fonnten die Städte fein Vertrauen zu ihnen faffen und 


mußten zur Selbithilfe fchreiten. 


f. Bergleihung mit der Schweizerifhen Eidgenofienfchaft. 


Dei einer Betrachtung der Verhältniffe und der Einrichtungen 

Städtebundes fowie feiner Stellung zum Reiche muß fid) uns 
eifach eine Vergleihung mit der ſchweizeriſchen Eidgenoſſenſchaft 
enforängen. Wenn wir diefelbe anjtellen, jo werden wir finden, daß 
ich neben manchen Aehnlichleiten auch große Verſchiedenheiten zeigen. 
Der Trieb zur Erhaltung und Fortbildung reichsunmittelbarer Selb: 
kändigfeit hat den einen wie den andern Bund ins Leben gerufen, 
eber auf ganz verfchiebene Weiſe. Nicht um eine unbeftrittene Reiche» 
freiheit im Allgemeinen vor Verpfändung zu jhügen, ſondern um cine 
wielen Einwendungen unterworfene gegen die Anfprüche eines beſtimm⸗ 
ten mächtigen Fürftenhaufes zu vertheidigen, treten im Jahre 1291 
die drei durd) ihre Lage eng zufammengehörigen Länder Uri, Schwyz 
web Unterwalden? zu einem ewigen Bunde zufanmen, und nachdem 
Re ihm in heibenmiitbigen Kampfe behauptet haben, erneuern fie den⸗ 
felben im Jahre 1315. Indem fie nad) und nad ihren Bund er- 
weitern, nehmen fie darauf Bedacht, dag durch diefe Erweiterungen 
re Widerſtandskraft gegen Oeſterreich, das feine Bemühungen, fie 
z unteriwerfen, noch immer nicht aufgegeben hat, verjtärft werde. 


& Reg. 365. 367. 374. 
82 ober vielmehr Nidwalden, dem Obwalden erft nad einigen Jahren 
ki Gelegenheit ber Vereinigung ber beiben Gemeinweſen folgte. 


92 


Im Jahre 1332, aljo fiebzehn Fahre nad der Erneuerung des = 
Bundes, tritt Lnjern bei, um in ſeinem Streben nach größerer Un- 
abhängigfeit der Herrichaft Defterreich gegenüber, deren Rechte es 
übrigens in dem Vertrage noch vorbehält, gefördert zu werden. Eine 
vermehrte Bedeutung erhält die Eidgenofjenfcaft durch den Anfchluß 
der Reichsjtadt Zürich, die im SYahre 1351 einen ewigen Bund mit : 
ihnen eingeht, um Zife gegen die Anfeindungen des umliegenden 
Adels zu erhalten. Der daraus hervorgehende Krieg mit Oeſterreich 
giebt den Eidgenoſſen Gelegenheit, dieſem Glarus und Zug zu ent- 
reißen und nun auc in ihren Bund aufzunehmen, das eritere unter 
Bedingungen, welche es zu den übrigen Orten in ein nicht gleichbe- : 
rechtigtes, jondern ziemlich abhängiges Verhältniß ftellen. Im Jahre 
1353 endlich geht die mächtige Reichsſtadt Bern mit den drei Län⸗ 
dern einen ewigen Bund ein. Mit Züri umd Luzern tritt die Stadt 
mittelbar in Beziehung, indem Beibriefe derfelben Art ausgeftellt : 
werden, wie im Conſtanzer Bündnijje von 1385 zwifchen den ſchwä⸗ 
bifhen Städten und Luzern. — Mit der Aufnahme Berne ift der 
Kreis der acht alten Orte gefchloffen und wird mehr als hundert 
Jahre lang durd die Aufnahme Feines neuen Gliedes erweitert. 

So bejteht die Eidgenoifenichaft aus einer ziemlid) compacten 
Maſſe von Yändern und Städten, die fi um einen feiten Kern, den 
die drei Waldjtätte bilden, zufammenschliegen, langfam, im Laufe der 
Zeit, aber dann fo, daß fie fi auf ewig binden. “Dabei behalten - 
die einzelnen Glieder noch immer eine große Zelbitändigkeit, und 
manche unter ihnen beſitzen auch das Recht, für fid) befondere Bünd⸗ 
niffe einzugehen, wenn diefe der Wohlfahrt der iibrigen Eidgenoſſen 
nicht zumider find. 

Ganz anders bei den fehwäbifchen Städten. Da fehlen die 
Yänder fo zu jagen gänzlich; denn das Fleine Appenzell kommt neben 
den vielen Städten gar nicht in Betracht. Cs find die Städte der 
Landſchaft Schwaben, alle in gleihem Verhältnig zum Neiche jtehend 
und demfelben gegenüber fchon in manchen Beziehungen eine Gefammt- 
heit bildend, welche, um dieſes Verhältniß ſich ungeftört zu erhalten, 
in einem Augenblicle, wo c8 gerade beſonders bedroht erjcheint, zu 
einem Bündnijfe zujammentreten. Die Beltinunungen ihres Bünd⸗ 
nifjes find viel ftraffer gezogen als bei der Eidgenojjenfchaft, die 
Bundesverfammlung hat den einzelnen gegenüber eine viel größere 
Bedeutung als die fehmweizerifche Tagſatzung, das Kriegsweien ijt 
einheitlicher geordnet. Allein, indem die Städte ihre Selbjtändigfeit 
dem Ganzen gegenüber auf diefe Weife befchränfen, behalten fie fich 
vor, nach Ablauf einer bejtimmten Zeit von Jahren diefelbe wieder 
zurückzunehmen, wenn e8 ihnen fcheinen follte, daß die Gefahr vor- 
übergegangen; die Eidgenofjen dagegen, die nimmer ruhenden An⸗ 
ſprüche Oeſterreichs vor Augen, binden fid) auf ewig. Es liegt in 
der Natur der Sache, daß das Bündniß der Schwäbischen Städte fid) 
nicht im Yaufe vieler Jahre bildete. Im Jahre 1376 wird es ab- 
gefchloffen, im Jahre 1379 umfaßt es Schon alle Reichsftädte ganz 


93 


ESchwabens. Zu diefen kommen dann nad) und nad) aud) die Frankens 
md Baierns ſammt einigen oberrheinifchen Hinzu. Der Bund fucht 
fh möglichjt weit auszudehnen! und, wo gleichartige Vereine ihm 
begegnen, enge Beziehungen mit denjclben anzufnüpfen. Die Eidge- 
moſſenſchaft will ein Gebiet abrunden, innerhalb deffen fie frei fchal- 
ten und walten kann, und befiimmert fid) wenig um das, was draußen 
sergeht;; der ſchwäbiſche Bund dagegen will fid) übers Reid) hin er- 
Areden ımd die Städte den Fürften gegenüber zu felbftändiger Be- 
beutung erheben. Bei der Eidgenoffenfchaft ift das Intereſſe, wenn 
man fo fagen darf, ein territoriales, bei dem ſchwäbiſchen Bunde 
ein ftändifches. Das Ziel, das die Eidgenoffenfchaft verfolgte, war 
erreichbar, das der Städte nicht. Die Macht der Fürften war ſchon 
wel zu groß, als dag die allenthalben zerftreut liegenden Städte 
neben ihnen in der Reichsverfaſſung eine angemeffene Bedeutung 
hätten erhalten können. Es handelte fich um Unterordnung der einen 
meter die andere; in Schwaben, wo neben den vielen Reichsſtädten 
fein bedeutendes Fürftenhaus den Stern feiner Yande hatte, wäre viel- 
leicht ein befinitiver Sieg der erjtern möglich gewefen, obgleich das 
wirtembergifche Grafenhaus ſich durch eine ganz befondere, ſchwer zu 
Eberwindende Zähigfeit auszeichnet und außer diefem auch das müd)- 
tige 8 Deiterreih vielfadh im Wege ftand. In „jeden alle 
hätten ſich die fchwäbifchen Städte auf fich allein beſchränken und auf 
bie !:ufnahme der fränkiſchen und bairifchen verzichten müffen. Durd) 
dieſe befamen jie eine Reihe neuer mächtiger Feinde, und wurden doc) 
im entfcheidenden Augenblid von ihnen verlafjen. Hätte ſich aber der 
Bund auf Schwaben befchräntt, fo hätten die Städte bei der Ueber- 
ſchuldung der meiften Herren nad) und nad) durd) angemejjene Er⸗ 
weiterungen ihre Gebiete in Zufanmenhang gebracht und die Herren 
zum Theil ganz verdrängt, zum Theil zu einer untergeordneten Stel- 
tung herabgedrüdt, wie das in der Schweiz und in Graubündten der 
Fall war. Die jeweilige Erneuerung des nur auf eine Anzahl von 
Jahren abgeſchloſſenen Bündniffes wäre nad) und nad) zu einer bloßen 
görmlichkeit herabgelunfen und dajjelbe factiſch ein ewiges geworden, 
gleich der fchweizerifchen Eidgenoffenfchaft, vor der es fid) fogar durch 

eine feitere Bundesverfaffung ausgezeichnet hätte. Cine Ablöfung vom 
—* wäre bei dieſem Verlaufe der Dinge wohl fo wenig vermeid- 

gewefen als in der Schweiz. Allein die ganze Entſtehungsge⸗ 
2 des ſchwäbiſchen Bundes bediugte einen andern Gang derſelben. 


= Schon im J. 18379 ſuchen fie bie entfernte bairiſche Stadt Regensburg 
zam Cintriti in ben Bund zu bewegen (Gemeiner I, 191), im %.1382 hofſen 
ne auf ben baldigen Anfchluß der fränkifchen Stäbte Nürnberg, —— 
unb Weißenburg (Reg. 185); bie beiden letztern laſſen ſich einige Monate 
fpäter aufnehmen, aber bie Nürnberger warten noch beinahe zwei Jahre, che 
fie beitreten; Reg. 191. 213. 214. 


V. 
Entſcheidnugskampf und Untergang des Bundes. — Schluß. 


Kaum war das Mergentheimer Bündniß abgeſchloſſen, als der 
Friede, den es neu hatte befeſtigen ſollen, durch die Baiernherzoge 
auf gewaltſame Weiſe gebrochen wurde. Herzog Stephan hatte mit 
dem Erzbiſchof von Salzburg eine Zuſammenkunft im Kloſter Raiten⸗ 
haslach verabredet, wo fie über die zwiſchen ihnen obwaltenden Zwiſtig⸗ 
keiten übereinkommen wollten. Während fie dort zuſammen ſich be⸗ 
ſprachen, ohne zu einer Verſtändigung zu gelangen, hatte ſich Herzog 
Friedrich heunlich mit ftarfer bewaffneter Macht genähert und brad 
nun plöglic, ins Klofter ein. Er nahm den Erzbifchof fammt feiner ° 
Begleitung gefangen und führte fie in feine Stadt Burghaufen!. Diefe ' 
Nachricht brachte die ſchwäbiſchen Städte in die größte Aufregung. ' 
Sofort ſchickten die Regensburger Boten nad) Ulm und baten den 
Kath, einen Städtetag zufammıen zu berufen, zugleich ließen fie ihre 
Bürgerfchaft aufs neue ſchwören (2. December), in Zeiten des Krieges 
treulich zuſammen zu bleiben und der Stadt Ehre und Seligfeit zu 
fördern, forgten auch dafür, daß die nöthigen Anftalten getroffen 
wurden, den Krieg mit Nachdrud führen zu können. ‘Die Augsburger 
hatten gleichfalls auf die Nachricht von der Gefangennahme des Erz- 
bifhof8 eine Mahnung nad) Regensburg gefandt. Bald darauf em⸗ 
pfieng der Rath diefer Stadt das Antwortsfchreiben von Ulm, datiert 
vom 4. December. Die Ulmer verfündeten, daß fie auf den 15. d. M. 
einen Bundestag in ihre Stadt angefagt hätten, und erfuchten die 
Regensburger, Botfchaft in das Yand des Grzbifchofs zu fenden und 
den dortigen Bögten und Amtleuten zu empfehlen, daß fie die Schlöffer 
und Feſten in gutem Gewahrſam haben follten, und fie zu tröften, 
damit fie fejt und ek feien. Im Salzburgifchen hatte man ſich aud) 
bereits in Vertheidigimgszuftand gefeßt, das Capitel belegte das ganze 
Baierland mit dem Banne. 

Das weitere Benehmen der Herzöge ließ die Städte feinen Augen- 
blif im Zweifel, daß durch den Ueberfall von Raitenhaslach der Krieg 


2 9.Chr. 258. Etwas minder genau Königshoven 169. Beide ſtimmen 
aber barin überein, daß Herzog Friedrich in eigener Perfon Yen Friedensbruch 
verübte, während das Chron. Nor. 324 ibn Ruprecht den jüngften zu Gunften 
Friedrichs ausführen läßt. 


95 


auch gegen fie eröffnet worden fe. Den Kaufleuten der Stüdte 
wurde das fichere Geleite durch Baiern abgefchlagen, die Leute des 
Herzogs Stephan nahen ſechs Bürger von Augsburg gefangen, und 
gaben fie erft los, als die Augsburger Gleiches mit Gleichen vergal- 
ten. Den Regensburgern wurde eine Sendung Wein geraubt, denen 
von Gmind eine Ladung von vier ſchweren Geſchirren; befonders 
ſchlecht ergieng es aber den Nirnbergern, denen man neun Wagen 
mit Spezereien abnahm'. Als fie ſich beflagten, erwiderten die Her- 
zöge, fie wüßten von gar feinem Frieden mit den ſchwäbiſchen Städten, 
fie befüänben fi) vielmehr mit ihnen in offenem Kriege?. 

Mitte Decembers verfammelten fih die Städte in Ulm umd 
beſchloſſen dort die Aufftellung und Ausrüjtung einer Kriegsmacht 
in der oben angegebenen Weiſe. Der herbefehl über die Truppen 
wurde dem Grafen Heinrich von Montfort übertragen. Den 20. 
FJannar follten fie fi) in Augsburg fammeln und die Hauptleute 
fefort mit einander zu Rathe werden, wie fie zu den Sachen greifen 
unten nad, gemeiner Städte Nuß und Chre. Werden irgendivelche 
Friedensvorſchläge an fie gebradht, fo haben fie diefelben den gemei- 
nen Städten zu überweifen, die von eben demſelben Tage an ihre 
Abgeordneten zu Ulm figen Haben, mit den nöthigen Vollmadıten 
rerſehen, über etwanige sriedensvorfchläge zu berathen, den Krieg 
m beftellen, zu mindern oder zu mehren, ohne daß fie nöthig haben, 
die Sache wieder hinter ſich zu bringen. Kommt in der Zwiſchen⸗ 
zit vor dem 20. Januar ein Friedensvorfchlag an irgend eine Stadt, 
jo hat dieſelbe feine Gewalt, die Städte zuſammen zu mahnen vor 
der genannten Zeit und den Zug rüdgängig zu machen, „ımd haben 
das bie Städte feitgefegt von ſolchen fünftigen Gebrejtens wegen, als 
das jeglicher Stadt Botſchaft wohl fagen fann“. — Auch wurde bes 

dag, wenn irgend ein Fürſt oder Herr, Ritter oder Knecht, 
—— anders den Herren von Baiern wollte beholfen ſein, 

deß dann alle Städte ohne Verzug die angreifen ſollten und fie an 
veib und an Gut fchädigen nad) der Bumdbriefe Yaut und Cage. 
Jede Stadt foll ſich im Stillen rüften und fid) verforgen mit Koft, 
mit Salz und mit allem dem, deſſen jie in diefer Angelegenheit be⸗ 
bürftig ift. Was die Städte mit einander zu fchaffen haben oder 
wit Den en, NRittern und Knechten, die zu ihnen gehören, das 
follen fie Alles während der Dauer der gegenwärtigen Verwidelungen 
raben laſſen und, wenn diefe abgethan find, dann vor gemeine Städte 


bringen. 

ie dieſe vorgeſchriebenen Stücke und Sachen haben die gemei⸗ 
sen Städte bei dem Eide, ben fie dem Bunde geſchworen, zu voll⸗ 
führen, und wer daran brüchig oder nicht gehorfam erfunden würde, 
der ſoll an dem Bunde meineid, treulos und ehrlos heißen und fein‘. — 


a Reg. 290. A. Chr. 258. Königshoven 169. 
s Nöonigshoven a. a. DO. 
s Die Reg. 286 aufgeführte Kriegsordnung der Städte. 


96 


Zugleich Tieß man eine Mahnung an die rheinischen Städte er- 
gehen. Am 17. Januar wurde dann die Kriegeerflärung an bie 
Herzöge Stephan und Friedrich erlaffen, weil erjterer den Erzbiſchff, 
den Bundesgenofien der Städte, treulojer Weife gefangen genommen : 
und leßterer ihre Bürger beraubt, unwiderfagt während der Stallung 
und Bereinigung, die Fürzlich erft zu Mergentheim abgeichloffen wor: : 
den, wobei Herzog Friedrich felbjt einer der Unterhändler gewejen. 
„Darum, heißt e8 am Schluß, wollen wir Eure Feinde fein, und wollen - 
auch unfre Ehre damit gen Euch und Euren Dienern, Landen und . 
Leuten bewahrt haben“. " 

Zur beftimmten Zeit fanden fih die Zruppen an dem verab- ; 
redeten Sammelplatze ein. „An St. Agnes Abend (20. Januar) und - 
darnad) vier ganze Tage, da kamen des Reiches Städte gen Augsburg - 
von Schwaben, von Franken, von Regensburg, von Nürnberg, - 
von Elfaß, von dem Bodeniee und gemeinlic) von dem Rheinſtrome 
mit dem allergrößten Volf, reitend und gehend, alle gewappnet, umd 
der war fo viel, daß man vorher nie gehört hatte, daß nad) Augsburg . 
je fo viel Volk gekommen wäre”!. Es galt zunädft, der Stadt 
Regensburg, welche den Angriffen der Herzöge am meiften ausgeſetzt 
war, zu Hilfe zu eilen. Die Truppen zogen über den Lech, und in 
dem fie das bairijche Gebiet zu beiden Seiten des Weges weit und 
breit vermwüjteten, Märkte, Burgen und Dörfer verbrannten und weg- 
nahmen, was fie fanden, gelangten fie nach Regensburg. Dort blie- 
ben fie eine Zeitlang, brachen aber, als ſich fein Feind zeigte, viel- 
feicht auch, aus Mangel an Yebensmiitteln, wieder auf, umd nahmen, 
indem fie zu Regensburg über die Brücke zogen, ihren Heinnveg auf 
dem linken Ufer der Donau. Während ihrer Rückkehr fiel ein jo 
groger Schnee, wie man feit 20 Jahren feinen erlebt Hatte, fo dag 
man nur mit großer Mühe Bahn brechen Eonnte und das Volk der 
Städte fich theilen mußte. Doc) kamen fie endlich Alle glücklich und 
wohlbehalten in Am an. Hier wurden fie vor der Hand entlaffen, 
da die durch den Schnee angefchwollenen Wafjer eine größere Unter- 
nehmung für die nächſte Zeit unmöglich machten, und fehrten in ihre 
Städte zurüd. Um diefelbe Zeit erließ der König (7. Febr. 1388) 
von Prag aus einen Feindſchaftsbrief an den Herzog Friedrich wegen 
der Gefangennahme des Erzbiichofs und wegen der Beraubung könig⸗ 
licher Uinterthanen, und forderte zugleich, die Städte in Schwaben, 
am Rhein und in der Wetterau auf, den Friedensbruch an dem 
Fürſten zn rächen. Bald darauf, den 16. Februar, fchloffen auch die 
Städte ein Bündniß mit Mlarfgraf Bernhard von Baden ab, das 
ihnen zwar feine neuen Streitkräfte zuführte, indem der Markgraf 
ausdrüclich den gegenwärtigen Krieg mit Baiern ausnahın, aber doch 
als Neutralitätserkflärung diefes Herrn von großer Wichtigkeit war. 
Denn begreiflicher Weife fuchten die Baiernherzöge die umliegenden 
Fürſten und Herren zum Anjchluffe an fie gegen den ihnen Alfen 


r a Chr. 258. 259. 


97 


gefährlichen Stäbtebund zu bewegen, und ſchon finden wir den Grafen 
Uri von Wirtemberg in der Umgebung des Herzogs Stephan, der 
über den Lech ritt, um die Augsburger für die Einnahme feiner Veſte 
Möhringen zu züchtigen, aber mit Berluft zurückzuziehen genöthigt 
werde, worauf die Bürger von Augsburg unter dem Banner ihrer 
Stadt mehrere glüdliche Streifzüge nach Baiern unternahmen. „Da 
fomen“, heißt es, „Briefe von Nürnberg von Herren und von Städten, 
wie der Krieg verrichtet wäre, Schade gegen Schaden, Brand gegen 
Brand, Tod gegen Tod“!. 

Die Herzoge hatten fich geneigt finden laſſen, in Friedensunter⸗ 
hendlungen einzutreten, wobei e8 ihnen wohl hauptfüchlich darum zu 
them war, Friſt zu gewinnen, um fich mit dem Könige zu verjtän- 
digen und denfelben von der Betheiligung am Kriege zurückzuhalten. 
Halzgraf Ruprecht der Aeltere übernahm das Gefchäft des Vermitt⸗ 
lers. Die Herzoge kamen nad) Neumarkt, während die Bundesftädte 
fh in Nürnberg verfammelten?. Nachdem eine Zeitlang Boten hin 
amd ber gegangen, entfchloffen jich die beiden Parteien, dem Pfalzgrafen 
die Vollmacht zu geben, mit der Minne oder mit dem Rechte über 
ihre Streitigkeiten zu entſcheiden, und diefer that den 15. Merz fol- 
genden Ausiprud: 

1. Der Schaden, ben man fich beiderjeits zugefügt hat, foll 
verfühnt fein, die Gefangenen werden zurüdigegeben. Brandichagungen 
umd Gedinge, die noch nicht entrichtet worden find, haben feine Gül⸗ 
tigfeit mehr. 

2. Der Erzbifchof und feine Diener follen ihres Gefängnijjes 
(od und ledig "und alle ihnen etwa abgenonmmenen Verſprechungen 
ungüftig fein, fie follen nur Urfehde nad) Yandesgewohnheit lei» 
ften. Um die Habe, welche der Erzbijchof und die Seinen verloren 
haben, wird für beide Parteien auf den 12. April ein Tag nad) Heir 
deiberg angefett. — Auch foll der Grabifchof den Herzogen aus dem 
Banne helfen jo jchnell als möglid). 

3. Um das Gut und die Habe, welche die Herzoge denen von 
Nürnberg und etlichen andern Städten des Bundes genonmmen, und 
die Bürger, die fie ihnen gefangen haben vor Beginn des Strieges, 
wird freundlich entjchieden: Was von dem Gute noch vorhanden ijt, 
das Tollen die Herzoge dem Sohne Ruprechts, Herzog Ruprecht dem 
Jüngften?, an jenes Statt einhändigen. Die Gefangenen und ihre 
Vürgen follen ledig fein, und was fie verfprodyen haben, ungültig. 
Ras von dem Gute nicht miehr kann aufgetrieben werden, darüber 
ſoll gleichfalls auf den 12. April in Heidelberg Tag gehalten werden. 

4. Um die „Nahme“, welche fid) Herzog Stephan den Städten 
gegenüber ſchon Tängere Zeit vor diefem Kriege hat zu Schulden 
kommen. lafjen, foll e8 bei dem bleiben, was früher vertheidingt und 
verbrieft worden ijt. 

ı 4. Chr. 259. 2 Chron. Nor. 324. 


= Sn eigentbiinTiger Weiſe bezeichnet hier Ruprecht feinen Großneffen, 
der ihm einſt in zweiter Linie nachfolgen follte, als feinen Sohn. 


IL 7 


98 


5. Die Herzoge follen fofort iden. Ihrigen die Sühne verkün⸗ 
den laſſen nad) Herebrud, Sulzbad), Pilpoltitein, Freiſtadt, Rieden⸗ 
burg, Ingolſtadt und was dazwiſchen liegt, damit ſie von ihnen ge⸗ 
halten werde, die Städte dagegen nad) Nürnberg, Regensburg, 
Weißenburg, Eichſtädt, Berching, Heided und was dazwijchen liegt. 
Was bis zum nächſten Mittwoch (18. Merz) noch erobert oder ge- 
fangen genommen wird, muß zurüderftattet werden. 

6. Kein Theil foll diefen Ausſprüchen zuwider handeln!. 

Allein den Dergogen fiel e& nicht em, den Spruch zu halten. 
Der Erzbifhof blieb nach wie vor gefangen. Die Brandſchatzungen 
wurden von den Bürgern und Klöftern fortwährend ohne alle Nady- 
fiht eingetrieben und im Weigerungsfalle Pfänder mitgenommen. 
Auf der Straße wurden Bürger und Pfaffen ausgeraubt. Selbſt dem 
Stadtboten, der den Ausfpruh des Pfalzgrafen nad Regensburg 
überbrachte, wurde von einem Abensbergiichen Söldner der Brief und 
ein Hengit ſammt Panzer und Schwert unter vielen Spottreden abge- 
nommen, ein Stadtdiener in Bande gelegt, ein anderer gemartert. 
In Herzog Stephans Land wurde der Verkehr mit Regensburg ver- 
boten, vom Beine, der durch dajjelbe geführt ward, ein hoher Auf- 
fchlag gefordert. Die Placfereien, weldyen die Städte, namentlich aber 
die Regensburger ausgefegt waren, hatten feine Grenzen. Als ſich 
daher die Sefandten der Ietteren in Heidelberg eingefunden und dem 
Pfalzgrafen ihre Klagen und Bejchwerden vorgetragen hatten, fegten 
fie Hinzu: „Wir getrauen Gott, dem Recht und unjerm gnädigen Herrn 
Ruprecht, dag uns das Unſrige wiedergefehrt werde, oder wir müßten 
wiederum angreifen“ ?. 

Ruprecht, dem es mit feinen Bemühungen um die Erhaltung 
des Friedens Ernſt war, that nach Anhörung der beiden Parteien 
einen zweiten Ausspruch, den 23. April, der im Wefentlichen eine 
Befräftigung des erjten war und namentlich auch die fchleunige vos— 
lafjung des Erzbiſchofs verlangte Da fid) die Städte mit einem 
bloßen Verſprechen auf Schadenerfag nicht wollten abfertigen laffen, 
fo verftand er ſich dazu, einen Theil der feltgefegten Summe, im 
Betrag von 4000 Gulden ihnen fofort auszuzahlen, indem er fich 
von den Herzogen verfprechen ließ, daß fie ihm diefelbe in Jahres⸗ 
frift wieder zurüdzahlen mwirden?. Der Schiedefprud) murde mit- 
befiegelt durd) Boreſch von Riefenburg und Graf Johann zu Span⸗ 
a welche als Königliche Räthe den Nerhandlungen beigewohnt 
atten. 


2 Mender, von Außburgern 142, gedenkt einer „Vereinigung ber Städte 
deß Nheinifchen und Schwäbifchen Bunds, mit den Fürften und Herren über: 
fommen zu Würgburg Arno 1388 anf Oftern“. Da er aber nichts daraus 
anführt ald einige Artifel, Bürgeraufnahmen betreffend, fo willen wir nicht, 
was mit dieſer Notiz anzufangen if. 

2 Gemeiner IT, 245. 

’ Reg. 302. Könighoven 170, welcher die von Ruprecht angebotene 
Summe auf 6000 Gulden augiebt, den ganzen Schabenerfat auf 12000. 


99 


Allein der Friede war damit nicht hergeſtellt. Zwar wurde der 
Erzbiichof bald darauf Losgelaffen, und ftellte den 15. Mai in Satz- 
burg eine Urkunde aus, worin er nach Anleitung des Ausſpruchs 
derzog Ruprechts Urfehde für ſich und feine Diener ſchwor. Auch 
verſprach er, den Herzogen aus dem Banne zu helfen!. Allein er 
batte feine Beireiung mit 60000 Gulden erfaufen und vor feiner 
Yoslafjung drüdende Verpflichtungen eingehen müſſen, welche das 
Sapitel nicht halten wollte, weil es ohne jeine Einwilligung gefchehen 
war?. — Auch mit den Städten fam es zu feiner Verjtändigung. 
Königshoven mißt ihnen jelbjt die Schuld bei, indem er behauptet, 
fie hätten das Anerbieten Ruprechts wegen des Schabenerfages als 
ungenügend zurüdgewiejen. Die genaueren Umftände vermögen wir 
nicht anzugeben; fo viel ijt gewiß, dak um Pfingiten der Krieg mit 
erneuerter Wuth ausbrach, und dag ji auch Ruprecht fpäter auf 
die Seite feiner Vettern jchlug. Ueberhaupt benügten nad) und nach 
fait alle umliegenden Herren die Gelegenheit, ihre alten Streitigkeiten 
mut den Städten auszufechten, und der Krieg nahm einen inmer 
größern Mafitab an. Ter König aber, der die Städte zum Kampfe 
ermuthigt und den Herzogen gegenüber fich erſt drohend hatte ver⸗ 
nehmen lajfen, jogar perjünlid) in die Oberpfalz gerüct war’, bejaß 
den Muth nicht, den Fürjten ernftlid) die Spitze zu bieten; cr 308 
ih zurüd und ließ die Städte die Sache allein ausfechten. 

Der Krieg bewegte ſich anfangs wieder in den öftlichen Yand- 
ſchaften, namentlich in der Llingegend von Augsburg und Negensburg. 
Im Juli wurde Kaufbeuren von Herzog Ruprecht (dem Jüngſten) 
ieben Zage lang belagert. Die Bürger wehrten ſich tapfer; was 
ihnen bei Tage zuſammengeſchoſſen wurde, das mauerten jie in der 
Nacht wieder zu, zwei Stürme fchlugen ſie ab und tödteten dabei 
den Feinden 70 Dann guter Ritter und Knechte, fo daß diefe es 
fir gut fanden, ſich eine Strede weit zurüdzuzichen. Unterdeſſen hatte 
fich ein Heer der Bundesjtädte in Memmingen gefammelt, und zu 
gleicher Zeit waren die Augsburger bereit, mit der halben Stad. 
auszurüden. Da zogen die Baiern weg, in jolder Eile, daß fie eine 
Menge von ihrem Belagerungszeug auf dem Felde Liegen ließent 
Durch neue Truppen verftärft, kamen fie dann in die Gegend von 
Augsburg, wo jie wehrere Tage lang raubten und brannten. „Die 
Stadt Augsburg war verzagt, cs traute fi) Niemand vor das Thor 
‚u kommen. Rüger Rappold war DBürgermeifter und Hans end, 
da war feine Treu, noch Ehre noch Hilfe, fie waren verzagt, davon 
nahm die Stadt groß Schand und Laſter und Yajter und Schand“*. 

Inzwiſchen hatte ſich aud) der alte Städtefeind Graf Eberhard 
von Wirteniberg wieder erhoben, um jegt unter günftigeren Umftänden 


I Reg. 304. 305. 2 Königshoven 169. 

2 Palacky, Gefhichte von Böhmen IH, 1, 50. 

* %. Chr. 260. St. Aleranderd Tag (18. Werz), ben fie für den Ans 
jang ber Belagerung von Kaufbeuern angiebt, muß nah Zenng 261 in St. 
Alczistag (17. Zuli) verändert werden. — Chron. Nor. 325. 


7* 


100 


die Demlithigungen zu rüchen, die er tm lebten Kriege erlitten hatte. 
Eßlingen und Reutlingen, hart von ihm bebrängt, riefen die Hilfe 
der Bundesftäbte an. Dieſe beriethen fi in Ulm und befchloffen 
dem Grafen ein ftattliches Heer ins Land zu fchiden, mahnten auch 
die rheinifchen Städte um Hilfe. In den eriten Tagen des Auguft 
fand der Auszug Statt; unter Verwüftung des wirtembergifchen Ge- 
bietes kamen die ftädtischen Schaaren nad Eflingen!. Von dort 
zogen fie, füblich an Stuttgart vorbei, über das Dorf Döffingen, in 
deſſen befeftigten Kirchhof die Bauern der Umgegend ihre Habe ges 
flüchtet Hatten, und verftärft durch den Zuzug aus dem benachbarten 
Weil, beftiirmten fie denfelben mit Macht. Allein Graf Eberhard, 
der von dem Zuge Kunde erhalten Hatte, rüſtete fich eilig zum Ent» 
fage, und rief heimlich Herzog Ruprecht den Aeltern und den jungen 
Markgrafen Rudolf von Baden, welche jo eben den Städten wider: 
fagt hatten und gegen Heilbronn gerückt waren, zu Hilfe. Sie ſtießen 
fofort zu den Wirtembergern, mit denen fi) auch noch der Burggraf 
von Nürnberg, der Bifchof von Würzburg, der Graf von Katzeneln⸗ 
bogen, die Grafen von Dettingen und von Helfenftein nebſt andern 
Herren und Rittern vereinigten. Graf Eberhard, fein Sohn Ulrich 
und fein Enkel Eberhard ftellten ſich an die Spike ihrer Xeute, und 
zogen mit ihren Verbündeten rafch gegen Döffingen. Es war am 
Morgen des 24. Augufts, an einem Sonntage, als die beiden Heere 
einander erblidten. Die Städter, bei denen ſich auch die rheinifchen 
mit der Heinen Summe ihrer Glefen befanden, zählten 800 Spieße 
und gegen 2000 Fußgänger, auf Seiten der Herren befanden fid) 
600 Spieße und etwa 2000 wirtembergifche Bauern. Den Städtern 
fam der Angriff völlig unerwartet, doch richteten fie ſich raſch zur 
Gegenwehr und ftellten ihre Reihen auf. Die Herren waren, fobald 
fie der Zeinde anfichtig geworden, zum größten Theil von den Heng- 
jten gefprungen, und begannen, an ihrer Spige Graf Ulrich, der die 
Schmach von Reutlingen rächen wollte, mit hitzigem Ungeſtüm ben 
Angriff; aber es fchien, als wolle fi) das Unglück von Reutlingen 
ernenen, Ulrich ſelbſt ward erjchlagen, mit ihm ein Graf von Löwen⸗ 
itein, einer von Werdenberg und gegen 60 Ritter und Edelknechte; 
die Reihen des fitrftlichen Heeres fingen an zu weichen. ‘Doc der 
alte Graf Eberhard verlor feine Geiftesgegenmwart nicht: „Seht zu, 
wie die Feinde fliehen“, rief er mit lauter Stimme, indem er den 
Angriff erneuerte, „fechtet unerſchrocken, wir haben fte fofort in unferer 
Gewalt“. Da glaubten Etliche im ftädtifchen Heere, es verhielte ſich 
aljo, und fiengen in der That an zu fliehen, zuerft, wie es heißt, bie 
Söldner vom Rheine und die Nitenberger. In diefem Augenblide, 
al® der Sieg ſchon anfleng fich auf die Seite ber Herren zu neigen, 
erfchienen auf der Wahlftatt 100 neue Spieße, welche Werner von 
Roſenfeld, mwirtembergifcher Vogt in Herrenberg, und die Elfäffifchen 
Herren von Bitſch herbeiführten. ALS diefe frifchen Streitkräfte ſich 


° Mainzer Chronik bei Schaab I, 364. 





102 


drängt wurde, ohne Hilfe von feinen BVerblindeten zu erhalten. Vom 
Juli bis in den Spätherbft wurde die der Stadt verpfändete Veſte 
Donauftauf belagert und mehrmals vergeblich beftürmt, auch Regens⸗ 
burg felbft beftändig von ihren Schaaren umftreift. Das gab den 
Bürgern Gelegenheit, einſtmals eine glückliche Unternehmung auszu⸗ 
führen, durch die fie fich großen Ruhm erwarben. Am 13. November 
erfehienen gegen 200 bairifche Ritter und Knechte nebft 100 Schüten 
vor der Stadt, und riefen den Bürgern zu, fie möchten herauskom⸗ 
men und Ehre an ihnen erjagen. Die Regensburger fdhieten einige 
hundert Bewaffnete unter dem Banner der Stadt heraus, bie Uebri⸗ 
gen hielten fich gerüſtet, um ihnen zur rechten Zeit zu Hilfe zu kom⸗ 
men. Die Baiern, angegriffen, zogen fich zurück und wichen bis zu 
einer glnftigen Stelle; dann wandten fie ſich unverfehens um und 
warfen fi mit Macht auf die Verfolger, bie fie beinahe in die Flucht 
getrieben hätten. Allein inzwifchen hatte der Bürrgermeifter Hans von 
Steinady ein anderes Thor öffnen und die Vaiern von hinten um⸗ 
ziehen laſſen, fo daß fich diefe plöglich von zwei Seiten angegriffen 
ſahen und eine ſchwere Niederlage erlitten. 40 der beiten Ritter 
wurden gefangen, 32 erjtochen, und der Reſt zerftreut. Die Regens⸗ 
burger hatte der Sieg nur vier arme Knechte gefoftet. Es war das 
die glänzendfte Waffenthat, welche im Lanfe bes Krieges den Etädten 
gelungen ift, und lange noch wurde der 13. November, St. Brictins 
Tag in Regensburg als Volklsfeſt begangen. 

Diefer Sieg verfchaffte der Stadt einige Erleichterung, unı fo 
mehr, als ſich die Hauptmacht der Baiern bereits aus ihrer Nähe 
entfernt hatte, um dem Erzbiſchof von Salzburg zu begegnen, der, 
auf die dringenden Bitten der Regensburger hin, endlich einen Angriff 
auf die Lande Herzog Friedrichs unternommen hatte. 

Pald nad der Schlacht bei Döffingen hatten die rheinifchen 
Städte, auf Bitten der Schwäbischen, den Pfalzgrafen und den andern 
benadjbarten Herren abgefagt und die große Summe ihrer Glefen 
gerüftet. In Speier verſammelten ſich deren 900, und brachen, noch 
ehe die drei Tage des Widerfagens vorüber waren, ins Gebiet Her: 
zog Ruprecht des Aeltern, dem fie mehrere Dörfer verbrannten. 
Als aber der feine Macht fammelte, zogen fie wieder heim. Ruprecht 
ließ fih nun vom Junker Ottmann von Ochfenftein bie Stadt 
Nichenshofen übergeben, und legte 300 Spieße in diejelbe, welche den 
ganzen Winter über die Städte dur unaufhörliche Streifzüge be; 
(äftigten. Geraume Zeit nad) dieſem erften Auszuge unternahmen bie 
Städte Mainz, Worms, Speier und die Heinern in ihrer Nähe einen 
zweiten, indem fie Ruprecht dem Jüngern ins Land fielen. Er aber 
farnmelte heimlich eine Anzahl von Glefen, überfiel die Städter bei 
Worms und jagte fie vollftändig auseinander. 200 kamen um, 
0 wurden gefangen. Unter den Gefangenen befanden fich auch 
(30 Knechte des Blutharſtes. Blutharſte oder Blutzapfen nannte 
man Schaaren arıner Leute, meiftens vom Lande, die durch den Krieg 
brod- und obdachlos geworden waren und ſich in die Stübte geflüch- 


— — — —— ee 5 


103 


tet hatten, dort ſich zuſainmenrotteten, um durch Raubzüge in Feindes 
Yand ihren Lebensunterhalt zu ſuchen. Empörend iſt es zu vernehmen, 
wie der Herzog mit denen verfuhr, die er in ſeine Gewalt bekam. 
Er ließ ſie alle ſechzig in einen Ziegelofen werfen, indem er höhnend 
binzufügte: „Ihr habt auf mid) gebrannt bei Wacht, fo will ich ehr⸗ 
fiher thun und euch bei Zage brennen“. Das Alles geichah Freitags 
vor Martini, den 6. Noveniber. 

„Nach diefen beiden Niederlagen, bei Döffingen und bei Worms, 
jagt Königshoven, begannen die rheinifchen und die ſchwäbiſchen 
Städte ſich fehr zu entjegen, daß fie nicht mehr viel reiften auf bie 
Herren, als wo es ihnen gelegen war, daß fie deffelben Tages wieder 
beim kommen mochten und nicht über Nacht brauchten auszubleiben“ '. 

So dauerte der Krieg noch bis ins Frühjahr 1389 fort, indem 
die einzelnen Städte mit mehr oder minder Glück fi der Angriffe 
der benachbarten Herren zu ermwehren juchten. Der Schaden, ber 
überall angerichtet wurde, war furchtbar. „Dieweil dieſer Krieg 
währte, jagt Königshoven, wurden die Lande der ſechs Baiernherzoge 
und ihrer Helfer und alles Schwabenland und Franken und Eljaß 
und der andern Herren und Städte Lande, die des Krieges waren 
‚u beiden Seiten, fo fehr gefchädigt mit Raub und mit Brand, daß 
mehr Yeute verdarben und mehr arme Yeute gemacht wurden, als 
vorher in viel hundert Jahren gefchehen war. ‘Denn faft alle Dorf- 
inte in diefen Yanden mußten den ganzen Winter fich in den Städten 
und Beſten enthalten von dieſes Strieges wegen. Und fonderlidh 
Schwaben Yand und der Herren von Wirtemberg Yand wurden fo 
gänzlich verheert und verbrannt, dag an manchen Orten außerhalb 
der Städte und Velten zehn oder zwölf Meilen weit fein Dorf noch 
Haus Stand. Aber im Elſaß murden gebrammt umd gebrandſchatzt 
gegen 200 Dörfer, und mand) Dorf ward fo gänzlich verbrannt, daß 
weder Haus noch Kirche da blieb“. — Beide Theile, die Fürſten und 
tie Ztüdte, waren aufs äußerfte erfchöpft, und wenn der König jebt 
mit Nachdruck als Wermittler auftrat, fo konnte er einen Frieden zu 
Stande bringen, wie er ihn dem Wohle des Neiches angemefjen er- 
ahtete. Allein von Wenzel ließ fich ein folches Benehmen nicht er- 
warten. Er hatte in der ganzen Angelegenheit die möglichite Unficher- 
beit an den Tag gelegt. Nachdem er durch feine Zuficherungen in 
Nürnberg den Städten den Muth gegeben hatte, fich in den weit- 


ı Königshoven 175. Das Chron. Nor. 326 berichtet von einem Auge, 
weichen bie Stäbte ben 11. Nov. von Windsheim aus, wo ber Sammelplag 
mar, nach Frankfurt hätten unternehmen wollen, bei dem aber nichts heraus: 
aefommen. Tie Nürnberger feien mit 1000 (!) Reitern und 1500 Fußgängern 
eridhienen, ihr Zuzug babe aber auch mehr betragen als ber aller anbern 
Städte zuſammen. Tie ganze Sache ift offenbar übertrieben, es wird eine 
Unternehmung einiger fränkifcher Städte geweſen fein. An eine gemeinfame 
aller Städte ıft gewiß nicht zu denken, am wenialten an eine nad Frankfurt. 
Mainz, bie Nachbarin von Frankfurt, unternimmi um bdieje Zeit einen Zug 
nach Eüben, und bie fchmwäbifchen Städte, bie im ihrer nächften Umgebung 
senug zu thun hatten, follen nach jener entjernten Stabt gezogen fein! 


104 


ausfehenden Krieg mit Baiern einzulaffen und fie dann fpäter felbjt 
zum Kampfe aufgefordert, auch durch den Brief an Herzog Friedrich 
offenbar feine Hilfe in Ausficht geftellt hatte, überließ er fie nachher 
ganz ihrem Schickſale. Doc fcheint ihn ihr Mißgefchid wieder jo 
geärgert zu haben, daß ihm Alles verleidete, und er daran dachte, 
die Regierung niederzulegen. Wenigſtens ftellte er den 4. October 1388 
dem Erzbiichof Adolf von Mainz eine Urkunde aus, die eine Ver⸗ 
fiherung enthielt für den Fall, daß er das Reich aufgeben follte. 
An bemjelben Tage erlaubte er dem Erzbifchof, einen Bund mit den 
Städten Mainz, Worms und Speier einzugehen, der auch den 30, 
October abgefchloffen wurde; am 31. October dagegen ermahnt er 
den Erzbifhof von Salzburg, mit Herzog Friedrich, der perfünlid) 
am königlichen Hofe erſchienen war und dafelbft mit Gewandtheit 
feine Sache führte, Frieden zu halten und für die Beilegung des 
Städtekrieges zu wirken, was denfelben auch endlich bewog, den 
7. December dem König feine Bereitwilligfeit zu erklären, fich mit 
Baiern zu vertragen. Um diefelbe Zeit wurden Verſuche gemadıt, 
die Eriegführenden Theile zu einer Webereinfunft zu vermögen. Am 
25. Yanuar kamen bern auch Fürften und Städte in Mergentheim 
zuſammen?; als Abgeordnete des Königs wohnten Premislaus von 
Tefchen, Biſchof Johann von Cammin, der Deutfchmeilter Siegfried 
von Venningen und Graf Johann von Spanheim den Verhandlungen 
bei. Allein es kam nicht viel dabei heraus. Den Stüdten wurde vor⸗ 
geworfen, fie Hätten die Ausfprüche des Pfalzgrafen Ruprecht nicht 
befolgt. Sie vertheidigten ſich und erboten fi, dem Könige die Sache 
zur Entfcheidung zu überlaffen, daß er fie mit der Minne verrichte 
oder, wenn das nicht gelinge, mit Zuziehung einiger unparteiifcher 
Fürſten und Herren ein freundliches Necht ſpreche. Der Vorichlag 
wurde angenommen nnd al8 Ort der nädjten Verhandlungen die 
Stadt Rotenburg bezeichnet. Um mit Nachdruck auftreten zu können, 
veranftalteten die Städte große Kriegsrüftungen. Sie befdjloffen nod) 
in Mergentheim, das Fünffache ihrer gewöhnlichen Beiträge zu ent- 
richten, und braditen in Weißenburg ein zahlreiche Volk zufammen?. 
Zu gleicher Zeit arbeiteten fie an einer Vermittlung zwifchen Oeſter⸗ 
reih und den Eidgenofien, die fi ein Fahr lang mit äußerjter Er⸗ 
bitterung befämpft hatten. Die Boten der jüdlicheren Städte Conftanz, 
Rotweil, Ravensburg, Weberlingen, Lindau, Baſel und anderer famen 
am 9. Merz nad) Zürich, und es gelang ihnen, nachdem fie fich drei 
Wochen lang mit Eifer der Sache angenommen hatten, am 1. April 
einen fiebenjährigen Frieden zu Stande zu bringen‘. Weniger glück⸗ 
(ih waren fie in den DVerfuchen, fich felbft mit ihren Widerfachern 
auszuföhnen. Der Tag in Rotenburg kam nicht zu Stande, dagegen 


2 Das Schreiben des Königs fowie bie Antwort des Erzbiſchofs befin- 
ben fi im Ulmer Archiv in Abfchriften, bie wabrſcheinlich Pilgrim ben 
Städten zur Entfchuldigung feines Benehmens zugeſchickt bat. 

Reg. 327. Königshoven 180, 
5 &emeiner UI, 258. 259, *Tſchudi I, 555. 





r ee ——— — 
— eng Sie 
— 





107 


Seiernherzogen einen vorläufigen Vergleich, und bald waren es nur 
och die ſieben Bodenſeeſtädte, welche von feiner Ansföhnung und 
ksem Landfrieden wiſſen wollten, fondern nach wie vor an ihrem 
kindern Bunbe fefthielten'. 

Sp war nun, wie es fchien, das erreicht, mas Wenzel im Jahre 
1383 umfonft durchzuführen verfucht hatte; der Bund der Stübte war 
eprengt und die letztern einem aus Gliedern der verfchiebenen Reichs⸗ 
Hede zuſammengeſetzten Landfriedensbündniſſe eingefügt. Aber hatte 

gegründete Urſache, ſich über dieſen Ausgang zu freuen? 
Ber nicht das Verhältniß jetzt ein ganz anderes als im Jahre 13837 
er nicht ſeitdem gerade in den Städtebünden eine Stütze, einen 

t gegenüber den Anmaßungen der Yürften geſucht? Und jegt 
kmanbte er fich felbft diefer Stüte, ohne daß er durch die charafter- 
ik Weiſe, wie er fie preisgab, fich den Dank der Fürften verdient 
ie. Die fpätern Ereigniffe haben gezeigt, wie thöricht Wenzel ger 
adelt, und wie er fiir feinen eigenen Sturz gearbeitet bat. 

Und die Städte? Was für Folgen hat der unglüdliche Aus⸗ 
un des Kampfes, die Auflöjung des Bundes für fie gehabt? Wir 
ziffen erwidern: Ihre Anjtrengungen, das Uebergewidht der Yürften 
a brechen, find volltommen gefcheitert, und es ift dieſes vielmehr 
erh Die eingetretene Entfcheidung auf immer befeftigt worden, aber 
e Fürften haben ebenfo wenig vermocht, die Städte gänzlid zu 
zterbrücken oder auch nur die Entwiclung ihrer Selbitändigkeit zu 
mmen. Durch das beharrliche Anfämpfen gegen die Verpfändungss 
&erfuche, das die Grundlage aller ihrer Bündniffe gebildet hatte umd 
mmentlich während der Dauer biefes legten mit Erfolg durchgeführt 
seden war, hatten die Städte der Anfchauung Bahn gebrochen, daß 
w Reichsgüter, namentlich die Neichsitädte nicht nad) dem Belieben 
x Könige veräußert werden dürften, daß er vielmehr verpflichtet 
&i, fie beim Neiche zu behalten. So geichah es, daß die Verpfün- 
ungen immer feltener wurden und feit König Sigismund ganz aufs 
fieten?. Beſonders förderlich für bie allmähliche Befeitigung diefer die 
wre Exiſtenz der Reichsſtädte fort und fort bedrohenden Gefahr 
zer es, daß diefe fich nicht mit den Verſprechen begnügten, welche 
nen die Könige ertheilten, fie nicht mehr verpfänden zu wollen, 
iendern vielmehr dafür forgten, daß diefen fo wenig als möglich zu 

en übrig blieb. Diefes bewertitelligten fie, indem fie die Zeit 
der Macht benügten, um die hoheitlichen und nutzbaren Rechte, welche 
we Könige noch bei ihnen befaßen, an ſich zu bringen, ein Verfahren, 
tes ihnen fchon durch den jedem Gemeinwejen natürlich inwohnenden 
Bari); feine innern Angelegenheiten felbft zu verwalten, nahe gelegt 
Bon diefem Wunſche befeelt, fuchten fie fich dann auch von 


ı G. Chr. 321. (Das Chron. Nor. 325 nennt irrigermweife flatt Wange 
Jim.) Die fieben Städte (f. oben ©. 71) fehlen auch bei der Ausſöhnung 
zit Strafen von Zollern (Reg. 368) allein von allen Städten bes ‚ehemaligen 
chen Bundes; vergl. auch Reg. 369. 370, 

2 Hugo, Mebtatifirung 18. 







106 


niß von 1385), doch folfte fie fortbejtehen gegen ſolche Städte, welche 
jäumten, fi mit ihren Gegnern zu vertragen. Das Verbot der Auf: 
nahme von Pfalbürgern wurde natürlich aud in dem Xanbfrieden 
nachdrüdtich hervorgehoben. 

Es fragte fih mım: Wollte der Städtebund diefer Auflöſung 
Folge leiften, oder wollte er fich weigern und den Krieg noch ferner 
fortfegen? Manche Städte waren der legtern Anfiht, aber andere 
mochten finden, daß man ber Laften und Mühen genug getragen 
babe. Sofort bei Errichtung des Landfriedens erflärten in Eger bie 
Boten von Regensburg, Nürnberg und Weißenburg ' ben Beitritt 
ihrer Städte. Als Entfhuldigung wird in einem Stadtbuche ber 
Regensburger angeflihrt, daß fie von ihren Bundesgenoſſen keine Untere 
ftügung erhalten hätten: „Etliche der ſchwäbiſchen Städte, obwohl fie 
uns nicht weniger als wir ihnen gefchworen, haben ſich ungetreulich 
gegen uns gehalten, haben uns in der Noth ſtecken und alle unfere 
Weinberge Iefen und ausroden, unfere Güter öde legen und verbren- 
nen laffen; daher find wir gezwungen worden, den Nandfrieden zu 
ſchwören mit den Fürften“?. — Nach dem Abfalle diefer mächtigen 
Städte blieb den übrigen nichts anderes librig, als entweder aud) 
dein Landfrieden beizutreten oder aber mit bedeutend verringerten 
Kräften der Möglichkeit eines Reichskrieges ſich auszufegen. ‘Daß der 
König ſich gewaltig anftrengen werde, war allerdings nicht zu be⸗ 
fürchten, wohl aber, daß die Fürften fich alle mögliche Mühe geben 
würden, die Städte endlich einmal gründlich zu demüthigen Der 
Muth der letzteren mußte um fo mehr gebrochen werden, al8 während 
der Verhandlungen zu Eger in der Mitte des Mai die Frankfurter durd) 
den wetteranifchen Adel, der von den Pfaligrafen Zuzug erhalten 
hatte, eine ſchwere Niederlage erlitten. Die erfte ſchwäbiſche Stadt, 
welche ji) dem Landfrieden anſchloß, war Eßlingen, das von allen 
die gefährlichfte Yage Hatte?. Doc, jtanden die Sachen inmmer noch 
fo, daß den 23. Mai Herzog Stephan mit dem Grafen Albrecht von 
Heiligenberg einen Vertrag über gegenfeitige Hilfeleiftung „jego in 
dem Krieg gegen die Stübte des Bundes“ abſchloß. Allein den 
3. uni vereinigten fich die rheinischen, elſäſſiſchen und wetterauijchen 
Städte, und um dieſelbe Zeit, wie c8 ſcheint, auch die niederſchwäbi⸗ 
chen zu Heidelberg mit den Pfalzgrafen, indem fie fid) zur Entrich⸗ 
tung beträchtlicher Entfchädigungsfnmmen verftanden*. Etwas jpäter 
erjt folgten die oberjchwäbifchen; den 15. Juni famen die Augsburger 
mit den Qaiernherzogen, ihrem Biſchof Burkart und den Grafen von 
Dettingen überein, auf einem feitgeießten Tage ihre Streitigkeiten 
Ichiedsrichterlich austragen zu laſſen. Ihrem Beifpiele folgte den 
17. Juni Kaufbeuren, den 23. Kempten, ben 25. Memmingen. 
Den 3. Juli fchloffen dann auch die Ulmer in ähnlicher Weife mit den 


! Reg. 336. In ber Griündungsurfunde bed Randfriedens bei Datt 71 
werben fic bereitö als Glieder deſſelben genannt, 
8 Gemeiner II, 261. 5 Reg. 337. + Reg. 344. 


107 


Iniernherzogen einen vorläufigen Vergleih, und bald waren es nur 
noch Die ſieben Bodenſeeſtädte, welche von feiner Ausjöhnung und 
ffmem Landfrieden wiffen wollten, fondern nach wie vor an ihrem 
befondern Bunde fefthielten!. 

Sp war nun, wie es fehlen, das erreicht, was Wenzel im Jahre 
1383 umfonft durchzuführen verfucht hatte; der Bund der Städte war 
giprengt und bie letztern einem aus Gliedern der verfchiedenen Reichs⸗ 
Ninde zuſammengeſetzten Landfriedensblindnifjfe eingefügt. Aber hatte 
Benzel gegründete Urfache, fich über diefen Ausgang zu freuen? 
Bar nicht das Verhältniß jet ein ganz anderes als im Jahre 13837 

er nicht feitdem gerade in den Stäbteblinden eine Stüße, einen 

t gegenliber den Anmaßungen ber Fürften gejucht? Und jegt 
keranbte er fich felbft diefer Stüte, ohne daß er durch die charalter- 
ie Weiſe, wie er fie preisgab, fich den Dank der Fürjten verdient 
itte. Die ſpätern Ereigniffe haben gezeigt, wie thöricht Wenzel ges 
kendelt, und wie er für feinen eigenen Sturz gearbeitet hat. 

Und die Städte? Was für Folgen bat der unglüdliche Aus⸗ 
sang des Kampfes, die Auflöfung des Bundes für fie gehabt? Wir 
müffen erwidern: Ihre Anftrengungen, das Uebergewicht der Fürſten 
a brechen, find vollfommen gefcheitert, und es tft Diefes vielmehr 
"ech die eingetretene Entſcheidung auf immer befeftigt worden, aber 
te Fürſten haben ebenfo wenig vermodt, die Städte gänzlich zu 
mterdrücken oder auch nur die Entwicklung ihrer Selbitändigfeit zu 
hemmen. Durch das beharrliche Ankämpfen gegen die Verpfändungs⸗ 
Zerfuche, das die Grundlage aller ihrer Bündniffe gebildet hatte und 
samentlich während der Dauer diefes legten mit Erfolg durchgeführt 
worden war, hatten die Städte der Anfchauung Bahn gebrochen, daß 
die Reichsgüter, namentlic, die Reichsjtädte nicht nach dem Belieben 
des Königs veräußert werden dürften, daB er vielmehr verpflichtet 
ei, fie beim Neiche zu behalten. So geichah es, daß die Verpfän⸗ 
Kmgen immer feltener wurden und feit König Sigismund ganz aufs 
hörten?. Beſonders förderlich fin die allmähliche Befeitigung diefer die 
une Eriftenz der Reichsſtädte fort und fort bedrohenden Gefahr 
war es, daß diefe fich nicht mit den Verfprechen begnügten, welche 
imen die Könige ertheilten, fie nicht mehr verpfänden zu wollen, 
iondern vielmehr dafür forgten, daß bdiefen fo wenig als möglich zu 
verpfänden übrig blieb. Dieſes bewerkſtelligten fie, indem fie die Zeit 
ihrer Macht benütten, um die hoheitlihen und nugbaren Rechte, welche 
Ne Könige noch bei ihnen befaßen, an ſich zu bringen, ein Verfahren, 
das ihnen ſchon durch den jedem Gemeinweſen natürlich inwohnenden 
Bunſch, feine innern Angelegenheiten felbft zu verwalten, nahe gelegt 
wor. Bon diefem Wunſche befeelt, juchten fie fich dann auch von 


ı 6. Chr. 321. (Das Chron. Nor. 325 nennt irrigerweife ftatt Wangen 
lin.) Die fieben Städte (f. oben ©. 71) fehlen auch bei ber Ausſöhnung 
zit Grafen von Bollen (Reg. 368) allein von allen Städten des ehemaligen 
schen Bundes; vergl. auch Reg. 369. 370. 

= Hugo, Mebtatifirung 18. 


108 


den Befugniffen frei zu machen, welche etwa benachbarte Herren in 
ihren Mauern befaßen. Sie löjten die Aemter bes Reichsvogtes, des 
Schultheißen an fich, verfchafften fich Befreiung von auswärtigen 
Gerichten, erwarben bas Recht, fich felbft befteuern zu dürfen und 
anderes mehr, wodurch fie nach und nad) fich zu unabhängigen Ger 
meinwefen ummandelten, welche den Fürften als ebenbürtige Reichs⸗ 
glieder zur Seite ftanden. Für das Zuftandefommen diefer Entwick⸗ 
Iung aber hat der Bund die wefentlichiten Dienfte geleiftet. Nicht, 
daß fie während ber Dauer deffelben auf einmal befonder® viele Pri- 
pilegien erhalten hätten, das war auch nicht bie Hauptſache; viel 
wichtiger war, daß fie e8 vermochten, fich eine geraume Zeit un Des 
fige derer, welche fie erhielten, zu behaupten, und fie namentlich gegen 
die Anfeindungen von Seiten ber Herren, die fich dadurch beeinträch- 
tigt glaubten, zu vertheidigen. Auch finden wir nicht, daß fie nad) 
dem Ausgange bes Krieges genöthigt worden wären, bas wieder aufs 
zugeben, was fie in diefer Beziehung errungen hatten. Das, wozu 
fie fi in den Friedensverhandlungen bequemen mußten, war die Ent» 
rihtung großer Entfchädigungsfummen, dafür wurden ihnen aber gerade 
bie und da Rechte, über die man fich bisher geftritten hatte, jetzt 
ausdrüdlich anerlfannt, fo den Augsburgern von Seiten bes Biſchofs 
die Erhebung des Ungeldes?. So waren die einzelnen Städte nad) 
der Auflöfung des Bundes, wenn auch die im Kriege erlittenen Ver⸗ 
Infte fie augenblicklich etwas erfchöpft Hatten, ftärfer umd mächtiger 
als zur Zeit ihres Eintritts in denfelben. Manche hatten den Wohl- 
itand, der mit der zunehmenden Macht bei ihnen eingelehrt war, dazu 
berrüßt, fi zum Theil bedeutende Gebiete zu erwerben; fo faufte 
Ulm im Jahre 1377 die Dörfer Ober- und Unter-Pangenau, im Jahre 
1383 die Herrichaft Alpe von den Grafen von Werdenberg, und 
legte im Jahre 1382 durch ein an die Grafen von Helfenftein ger 
machtes Tarlehen den Grund zu der fpäter erfolgten Beſitznahme 
des Geislinger Amtes?. 

In dem Diaße aber, in welchem ein Gemeinwefen an Macht 
zunimmt umd feine Unabhängigkeit nad) Außen hin fejtftellt, wird 
auch in feinem Innern ein Streben der verfchiedenen Claſſen der 
Bevölkerung nad) Gleichberechtigung ſich fühlbar machen und mehr 
oder weniger von Erfolg begleitet fein. Kein aufftrebender Staat 
wird fi von demofratifchen Regungen fern halten können, und fie 
werden gerade in der Zeit, in welcher er am frifcheften aufblüht, am 
ftärfften zur Erſcheinung kommen. Schon Griedienland und Rom 
bieten fprechende Beweiſe, und fo dürfen wir uns aud) nicht wundern, 
wern im 14. Jahrhundert in den zu politifcher Bedeutung fich auf- 
fchwingenden Reichsftädten folche Parteitämpfe fich erheben, und bie 
untern Stände mit in den vollen Genuß der politiichen Rechte ein- 


Reg. a7 206. ©. auch ben Vergleich zwiſchen 1m und Wirtemberg, 
eg. 310. 
2 Stäfin III, 368. 690. Pfiſter, Geſch. von Schwaben IV, 269 fi. 


109 


treten wollen, für deren Behauptung gegen üußere Feinde fie ebenfo 
et mitgelämpft haben als die Vornehmen. So gehen mit bem erften 
Aufidnoung unter Kaifer Ludwig die Zunftbewegungen Hand in Hand, 
fe treffen wir auch in der Zeit unferes Bundes, wo bie Macht der 
Städte auf ihrem Höhepunkte fteht, allenthalben demofratifhe Re 
gungen", biesmal ift es aber weniger die Eiferfucht der Zünfte gegen 
ke GSefchlechter, als vielmehr eine Kundgebung des Mißtrauens von 
Seiten der Bürgerfchaft gegen oligarchifche Tendenzen der aus Ge 
Wlehtern und Zünftigen beftehenden Regierung, wie fich folche fpäter 
uch reist zünftigen Regierungen gegenüber geäußert hat?. Ganz ums 
grehtfertigt ift jedenfalls die Anficht, die man fich hie und da aus 
ter Gleichzeitigfeit der demofratifchen Bewegungen und dem Wbfchließen 
wa Städtebimdnifjen gebildet Hat, als feien die Demofraten, d. 5. 
ve Zünfte, die Beförderer der letztern geweſen, während die Arifter 
beten, d. h. die Geichlechter, mehr eine Annäherung an die Fürften 
mgeitrebt hätten, und irrig ift es deshalb auch, wenn man ver⸗ 
meintliche Schwankungen in der Bolitit des Stüdtebundes durch 
ke Annahme erflärt, es habe das einemal die demofratifche, das 
mderemal die arijtofratiiche Partei die Oberhand gehabt. Die Ge 
ſchlechter blieben der Politik, welche fte beobachtet hatten, fo Lange 
fe allein regierten, und die auf die Beförderung der ftädtifchen Un⸗ 
ehängigkeit gerichtet war, auch treu, nachdem fie einen Theil ihrer 
Rechte an die Zünfte hatten abtreten müffen; diejenigen, welche den 
Serluft nicht zu verfchmerzen vermochten, traten zum Landadel über; 
ve aber, welche in den Städten zurücblieben, haben fich immer ale 
dürger gezeigt, die für das Wohl derjelben nicht minder thätig waren 
ils die Handwerker; ja wir dürfen annehmen, daß fie, die den letztern 
m politifhem Tact unzweifelhaft überlegen waren, vielleicht an der 
EHrimdung und Ausbildung der Städtebündniffe einen größern Antheil 
hatten als jene. Mit diefer Annahme ftimmt die große Anzahl von 
Kutriciern überein, die uns als Gefandte bei Verhandlungen oder als 
Anführer in den Kämpfen genannt werden. So willen 3. B. die 
Nürnberger keine bejjern Gefandten zu wählen, durch welche fie ihre 
Stadt in den Bund aufnehmen Tießen, als die vier Patricier Ulmann 
Stromeyr, Berthold Pfinging, Jobs Tegel und Conrad Haller. Den 
Binging und den Tegel finden wir auch mit drei andern Standes⸗ 
genoffen, dem Berthold Böheim, dem Michael Grundherr und dem 
Kirlaus Muffel, als Vertreter der Stadt Nürnberg unter den Städte 


2 9. Langen, Geſch. von Rotweil 81 fi. Ruckgaber, Gef. von Rot: 
sl —5 4 fi. Pfaff, Geſch. von Eßlingen 99 fi. U. Chr. 258. C. Chr. 
ll. 320. 

s Die ©. Chr. 326 fagt von dem im %. 1389 zu Conftanz ftattgefun: 
sen Auflaufe: „Item ber Fef6 ufflowff beſchach nit ben alter gefchlächten ze 
it, es beſchach nomen, allain ettlichen von ben zünfiten ze fait, die ſich vil 
xwalg annoment im rat und in ber ftatt, und in bie andern zunfftmaifter 
seB vertragen muftent von fordt; und dad verbrojj die gemaind gar übel, 
md umb diſſes beſchach ber ufflowff“. Arch in Rotweil begegnen wir ber Klage, 
5 die Zunftmeiſter immer in ihren Aemtern bleibenz v. Langen 83. 









112 


Biberach, Dinkelsbühl, Pfullendorf, Jsny, Leutlirch, Giengen, Aalen 
und Bopfingen, um ihre Pflichten gegen den Landfrieden beſſer ge 
nügen zu können, wie fie fagen, ein beſonderes Bündniß bis zum 
23. April 1391 ein, ben 20. November 1392 verbünden fih Ulm, 
Nördlingen, Rotweil, Memmingen, Hall, Gmünd, Biberach, Pfullen- 
dorf, Dinkelsbühl, Kempten, Kaufbeuren, Jsny, Leutkirch, Aalen und 
Bopfingen, da fie während des auch von ihnen befchworenen Land⸗ 
friedens manderlei Angriffe auf ihre Freiheiten erbuldet haben, bis 
zum 1. Mai 1395, und am 23. April biefes Jahres erneuern dies 
felben mit Ausnahme von Rotweil und Kaufbeuren das Bündniß auf 
eine weitere Anzahl von Jahren. Während der Randfriede, der aller- 
dings nach feinem erften Ablaufen wieder verlängert wurde, in den 
erften Jahren des 15. Jahrhunderts fcheint eingegangen zu fein“, 
fuchen die Stäbtebündniffe wieder zu ihrer alten Bedeutung zu ge 
langen. In ihren Bündnißbriefen berufen fie ſich auf die Privilegien 
Karls und Wenzels von 1348, 1377 und 1387, von welch Tetterem 
bie ſämmtlichen darin genannten Städte nach der Auflöfung des 
Bundes durch den Hofrichter zu Rotweil fich beglaubigte, mit einem 
Spruch des Gerichtes, daß der Brief noch in Kraft beitehe, verfehene 
Abfchriften ertheilerr zu Lafjen für nöthig erachtet hatten. Durch die 
Anführung diefer Privilegien entkräfteten fie die Widerſprüche, welche 
auf Grund der goldenen Bulle gegen ihre Verbindungen erhoßen 
werben Tonnten; die lange Dauer des Bundes von 1376 hatte den- 
felben gewiffermaßen eine hiftorijche Berechtigung erworben, man hatte 
fih an ihr Vorhandenfein gewöhnt, und fo darf es uns nicht wun⸗ 
dern, baß, während von 1350 — 1376 fein größeres felbftändiges 
Bündniß ſchwäbiſcher Städte ſich erhoben hatte, von nun an dieſe 
Berbindungen, fo zu fagen, gar nicht mehr aufhören. Allerdings hat 
feine derfelben fi) wieder zu der Bedeutung emporgehoben, welche 
der Bund von 1376 gehabt, und das Webergewicht erhält jich im 
Ganzen auf der Seite der Fürften, aber immerhin bleiben fie wäh— 
rend der erften Hälfte des 15. Jahrhunderts eine felbftändige, wich 
tige Macht im Reiche, unter deren Schuß die Freiheiten der einzelnen 
Städte ſich vermehren, ihr Wohlftand wächſt, ihr Gebiet fich vergrößert. 
Erft durch den unglüdlichen Krieg von 1449, in welchem die Städte, 
deren PVereinung, fo heißt fie jegt, wieder 31 Glieder zählt, zum 
zweiten Dale den Fürften unterliegen, erreicht diefe großartige Stel- 
lung ein Ende. DVergeblich waren fortan alle Bemühungen, eine feite 
Berbindung zu gemeinfchaftlihen Handeln herbeizuführen. Doch bie 
Biündniffe hatten ihre Dienfte gethan. Die Fürften hatten nicht ver- 
mocht, die Städte in den Kreis ihrer Yandeshoheit mit hineinzuzichen; 
in dem Maße, wie diefe ihrer Vollendung entgegenfchritt, entwickelten 
fich jene zu felbjtändigen Kleinen Freiſtaaten, und es konnte fich in 
ihnen das Weſen des Bürgerthums ausbilden, das flir die fpätern 
Zeiten von fo ungemeiner Wichtigkeit geworben ift. 
ı Im St. U. Reichsſtädte indgemeine Ausföhnungs: und Cinungsbriefe 

u. f. mw. finden fih Spuren beffelben bis 1403. 


Beilagen. 


A. Regeſten. 


— — — 


1307. 

April 29. Speier. K. Albrecht errichtet einen Landfrieden zwiſchen den edlen 1307. 
Leuten Graf Ludwig von Oettingen dem Alten, Graf Ulrich von Hel: 
fenftein, Conrad von Weindberg, Albrecht von NRechberg, Wernber dem 
Vogt von Ted, Heinrich dem Truchieß von Diekenhofen und den in 
ihrer Pflege gelegenen Städten Augsburg, Eplingen, Ulm, Reutlingen, 
Gmünd, Heilbronn, Weil, Wimpfen, Mosbach, Werd, Sinsheim, Heideld- 
beim, Lauingen, Nördlingen, Giengen, Bopfingen, Dinfel3bühl, Feuchtwan— 
gen, Kirchheim, Burgau, Günzburg, unb allen Edelfeuten und Bürgern, die 
in der Geburde wohnhaft find; er fol dauern bis Pfingften 1309. — 
Datt 29, mit einer FleinenLüde; in der außgelaffenen Stelle, die im Original 
unleferlich gewejen zu fein fcheint, war eine zweite Stabt genannt, deren 
Abgefandter zugleich mit dem von Nördlingen die in ber Pflege des Grafen 


Ludwig v. Dettingen gefefjenen Städte vertreten follte — Nah Datt 

geben die Urkunde: Lünig, Reichsarchiv part. spec. cont. I, 9 und Pertz, 

Mon. Legg. H, 488. 1. 
1312, 


Mai 24. Conſtanz. Die Räthe und Bürger von Eonftanz, Zürich, St. Gallen 1312. 
und Schaffhaufen verbünden fich nach des römischen Königs Heinrich Heißen und 
Gebot big zun 24. Zuni 1316 zur Beſchirmung ihrer Städte unb ihres 
Gutes gegen Jedermann, ber mit Gewalt und wider Recht fi Unfug 
gegen fie erlaubt. — Kopp, Urk. zur Geſch. ber eigen. Bünde IL, 194. 14. 


1327. 

Mai 20. Die Städte Worms, Mainz, Speier, Straßburg, Bafel, Freiburg, 
Conſtanz, Zürich, Lindau, Weberlingen, Graf Eberhard von Kyburg, Lanb: 
graf zu Burgund, die von Bern und bie von St. Gallen verbünden fich 
bis zum 23. April 1329, einander getreulich zu vathen und zu belfen 
in allen Kriegen, welche fie anfallen würden. Es fiegeln die Städte Eon: 
ſtanz, Zürich, Lindau, Ueberlingen und St. Gallen. — Knipſchildt 484. 2. 

8* 


| "3 


327. 


116 


1327. Zuni 5. Die Landleute von Uri, von Schwyz und von Unterwalden befen- 
nen, baß fie durch die Näthe und die Bürger von Zürih und Bern in 
bad Bündniß find aufgenommen worden, weldyes biejelben mit den Städten 
Mainz, Worms, Speier, Straßburg, Bafel, Freiburg, Conftanz, Lindau, 
Veberlingen und bem Grafen Eberhard von Kiburg gefhloffen, das bauern 
fol bi8 zum 23. April 1329, und baß fie gefhmworen, den Beftimmungen 
beffelben nachzufommen. Es fiegeln die Lanbleute von Uri, von Schwyz 
und von Unterwalden. — Tſchudi I, 306, 3. 

1329. 

1329. Januar 14. Züri. Bifhof Rudolph von Eonftanz, Graf Uri von Mont: 
fort, Herr zu Felbfirdh, fein Bruder, Graf Eberhard von Kiburg, Land: 
graf zu Burgund, die Stäbte Conftanz, Züri, Bern, Lindau, Ueberlingen, 
St. Gallen und Ravensburg, und bie Lanbleute von Uri, Schwyz und 
Unterwalden verlängern ihr Bündniß, das bis zum 23, April 1329 dauern 
fol, um drei Jahre, und verfprecdhen einander zu belfen nach ben befiegel: 
ten Briefen, welche die Städte jüngft von diefer Verlängerung wegen 
einanber gegeben. Es fiegeln die fänmtlichen Theilnehmer. — Tſchudi I, 
309. 4. 

Merz 16. Die Städte Straßburg, Bafel, Freiburg, Conftanz, Züri, Bern, 
Lindau, Meberlingen, Ravenzburg und St. allen verbünden fi bis zum 
23. April 1331, einander getreulih zu rathen und zu beifen in allen 
Kriegen, welche fie anfallen würden. Es fiegeln die fämmtlichen Stäbte. 
— Tſchudi I, 310. 5. 

1330. 

1330. Oct. 4. Augsburg, K. Ludwig errichtet einen Lanbfrieden zwifchen Bifchof Friedrich, 
von Augsburg, Graf Ludwig dem alten von Dettingen, Graf Berthold 
von Graisbach und von Marftetten, genannt von Neyffen, Graf Lubwig 
von Dettingen bem jüngern und Graf Friedrich feinem Bruber, Graf 
Heinrih von Werdenberg, Lanbvogt in Oberfhwaben, und Graf Rubolf 
feinem Bruder, Peter von Hohenegg, Landvogt zu Augsburg, ben zweien 
von Mindelberg, dem alten unb dem jungen, den Fraßen, bem alten 
und bem jungen, Berthold dem Truchfeflen von Küllental, Heinrig von 
Gumppenberg, feinem Bistum in Oberbaiern, und den Städten Augsbura, 
Landöberg, Schongau, Füßen, Kaufbeuern, Memmingen, Biberach, Ulm, 
Lauingen, Dillingen, Nördlingen, Werd, und bazu al feinen Dienftleuten 
zu Baiern und feinen Städten zu YBaiern, Münden, Ingolftabt und Weil: 
beim. Er foll währen biß zum 23. April 1332. — Jahresber. S. 52, 
Böhmer Reg. Lud. 1223, 6. 

1331. 

1331. Juni 29. Die Stäbte Eplingen, Reutlingen, NRotweil, Heilbronn, Hal, 
Gmünd, Weil und Weinsberg fchließen mit Gunft, Gebot und Willen K. 
Ludwigs einen Landfrieden ab. ES fiegelt die Stadt Weinsberg. — 
Datt 30. 7. 

Nov. 1. Münden. K. Ludwig ertbeilt dem Grafen Berchtold zu Graisbad, 
und zu Marftetten, genannt von Neiffen, feinem lieben Heimlichen und 


117 


Hauptmann in Oberbaiern, volle Gewalt, zu thädingen mit allen Städten, 1331. 
fie fein in ber Pflege bed von Wirtemberg, Graf Rubolfs von Hohen: 
berg, Graf Heinrih3 von Werdenberg oder Peterd von Hohened, ihrer 
Landvögte, um ein Bündniß mit ihm, feinen Kindern und feinem Lande zu 
Baiern. — Jahresber. 55. Böhmer Reg. Lud. 1368. 8. 

Rev. 20. Ulm. K. Ludwig errichtet ein Bündniß zwifchen feinen Söhnen Lud⸗ 
wig, Markgrafen zu Brandenburg, Stephan und Lubwig bem jungen, 
Herzogen zu Baiern, dem Lande in Oberbaiern, dem eblen Mann Ber: 
tbold, Srafen zu Graiſpach und zu Marftetten, von Neiffen, feinem lieben 
Hemliden und Hauptmann zu Baiern, feinem Vitztum Heinrich von 
Gumppenberg, oder wer fürbaß Hauptmann oder Vitztum in Oberbaiern 
wird und ift, dem Bifchof Ulrih von Augsburg, und den Städten Augs- 
burg, Ulm, Biberach, Memmingen, Kempten, Kaufbeuren, Ravensburg, 
Pfullendorf, Überlingen, Lindau, Conftanz, St. Gallen, Zürich, Reutlingen, 
Rotweil, Weil, Heilbronn, Wimpfen, Weinsberg, Hal, Eßlingen und 
Gmünd, das mähren foll biß zwei Jahre nach feinem Tode. Die Urkunde 
iR im Namen des Königs ausgeſtellt und befiegelt durch ben hiezu bevoll: 
mächtigten Berthold, Grafen zu Graisbah und Marftetten, von Neiffen, 
Hauptmann in Oberbaiern. — Augsburger Ardiv. 9. 

Rev. 20. Ulm. Markgraf Ludwig von Brandenburg und feine Brüder 
Stephan und Ludwig, alle Pfalzgrafen bei Rhein und Herzoge in Baiern, 
ſchwören, das Bündniß, durch welches fie ſich jeßt au Ulm mit Herren 
und Städten verbündet haben, zu halten nad Laut der Briefe, weldhe ihr 
Bater, K. Ludwig, darüber gegeben hat. — Augsb. Ardiv. Datt 31. 10. 

Dec. 5. ohne Ort. K. Ludwig ſtellt einen mit feinem kaiſerlichen Inſiegel verfie: 
gelten Brief aus, gleichlautend wie die Urk. Nr. 9, mit alleiniger Abänderung 
des Schluffages, — Jahresber. 56. Böhmer Reg. Lud. 1388. 11. 

1333. 

Juni 10. ohne Ort. K. Ludwig errichtet einen Landfrieden zwiſchen Biſchof 1333. 
Ulrich von Augsburg, Graf Ludwig dem alten von Dettingen, Graf Berch⸗ 
told von Graisbach und von Marftetten, genannt von Neiffen, Graf Zub: 
wig von Dettingen, dem jungen, und Graf Friedrich feinem Bruder, 
dem Truchfeflen Zobhann von Waldburg, Landvogt in Oberfchwaben, Peter 
von Hohened, Kandvogt zu Augsburg, dem zweien von Mindelberg, dem . 
alten und dem jungen, Burkhart dem alten von Ellerbah und Burf: 
bart feinem Sohn, den Fraßen, dem alten unb dem jungen, Berchtold 
dem Truchſeſſen von Küflental, Heinrih von Gumppenberg, feinem Vitz⸗ 
tum in Oberbaiern, und den Städten Augsburg, Landöberg, Schongau, 
Füßen, Kempten, Kaufbeuren, Memmingen, Biberach, Ulm, Lauingen, 
Gundelfingen, Giengen, Dillingen, Werd, Nördlingen, Bopfingen, Dinkels⸗ 
bühl und dazu feinen Dienftlenten zu Baiern und feinen Städten Müns 
hen, Ingolftadt und Weilheim, bis zum 11.Nov. 1335 (Erneuerung ded 
Lanbfriedend vom 4. Oct. 1330). — Jahresber. 61. Böhmer Reg. Lud, 
1551. 12. 


118 


3. Juli 20. Baden. Johann Truchfeß von Dießenhofen, Johann von Hallwyl, 
Hermann von Landenberg, Johann von Aarwangen, Witter, Landvögte, 
Pfleger und Amtleute ber Herzoge von Defterreih in beren Ländern und 
Gebieten zu Aargau, Thurgau, Suntgau, Elfaß und Breißgau, und bie 
Räthe und Bürger ber berzoglichen Städte in den genannten Ländern, das 
it Freiburg im Nechtland, Breifah, Neuenburg, Enſisheim, Rheinfelden, 
Sedingen, Waldehut, Schaffhaufen, Frauenfeld, Winterthur, Dießenbofen, 
Ace, Villingen, Zug, Bremgarten, Surfee, Sempach, Baden, Brugg, Mel- 
lingen, Lenzburg, Aarau, Zofingen, das niedere Amt zu Glarus und 
Sundgau, dad Land und auch andere Leute, die in ben @ebieten ber Her: 
zoge unter ben vorgenannten Vögten ftehen, ferner bie Räthe und Bürger 
der Städte Bafel, Zürih, Conftanz, St. Gallen, Bern, Solothurn, ſodann 
Graf Rudolf von Nibau, Graf Heinrih von Yürftenberg und Graf Eder: 
hard von Kyburg verbünben fi bis zum 11. Nov. 1338 zu gegenfeitiger 
Hilfsleiftung in allen Kriegen, die fie wider Recht anfallen, innerhalb 
genannter Kreife und Ziele. (Die von Bafel behalten fi vor, am 11. 
Nov. 1334 wieder auß dem Bünbdniffe auszutreten). — Tſchudi I, 328, 
Schreiber, Urkundenbuch ber Stabt Freiburg I, 1, 287, 

Die Herzoge Albrecht und Otto, Gebrüder, beftätigen in einem beſon⸗ 
dern, wie es fcheint, an demſelben Drt und bemfelben Tage ausgeftellten, 
Briefe den auf ihr Gebot bin durch ihre Landvögte abgefchloffenen Bund. 
— Tſchudi 1, 332, 13. 

1338. 

3. Nov. 16. ‘Ze Ulme do die stet bi ain ander waren’. Eberhard von Königs⸗ 
et von Fronhoven tritt in ‘die puntnüsse der herren und stet, die zwi- 
schun hie ennunt Sewes und disehalb Sewes und ennunt Albe aitgenosse 
sint, als an dem puntbriefe stat, den der keyser herren uud steten hat 
gegeben’. — St. A. 14. 

Dec. 18. Friedrich von Freiberg, Landvogt zu Augsburg, feine Brüder Ulrich 
und Heinrich und fein Sohn Friedrih treten in den Bund und Frieden, 
welchen 8. Ludwig und andere Herren und Städte im Jahre 1331 ge: 
madt. — Schmid, aus dem Augsb. Archiv. 15. 

1339, 

9. Jan. 15. Nürnberg. K. Ludwig meldet den Städten Rotweil, Eflingen, 
Reutlingen und andern ihren Eibgenoffen und Gefellfchaften, daß er Abt 
und Convent zu (Herren:) Alb in feinen und bed Neiches Schirm genom: 
men und ihnen Graf Ulrich von Wirtemberg, feinen Landvogt, zum Schirmer 
gegeben; diefem und dem Clofter follten die Städte, fo oft fie gemahnt 
würben, in allen Dingen nah Kräften behilflich fein. — Sattler 87. 
Böhmer Reg. Lud. 1958. 16. 

Merz 11. Frankfurt. K. Ludwig gebietet ber Stabt Schwäbiſch Hall, es nicht 
zu geftatten, daß Jemand Veſten in ihrem Gebiet oder ‘gewaltsam’ baue 
ober wieder mache, die von Unthat oder von Raub wegen zerbroden 
worden; bebürfenden Falles folle bie Stadt zu dieſem Zwecke die andern 


119 


Städte, welche in der Geſellſchaft zu Schwaben find, von bes Kaifers 1339, 
wegen um Hilfe mahnen. — Böhmer Reg. Lud. 1968. 17. 
1340. 

Sr 11. Münden. K. Ludwig giest der Stadt Augsburg und allen andern 1340. 
Herren und Städten, welde mit ihnen im Bündniß find, den Auftrag, 
wegen bed Raubed, der auf der Alb und zwifhen Augsburg und der Alb 
bisher gefcheben ift, vor bie Burgen Brenz und Stoßingen zu ziehen und 
fie zu zerftören, verbietet auch allen Herren, Grafen, freien, Rittern, 
Suchten u. |. w., fie irgendwie hieran zu bindern oder zu befchweren. — 
Zahrezber. 66. Böôhmer Reg. Lud. 2057. 18. 

Juni 1. Graf Ulrich von Helfenftein, Graf Johanns fel. Sohn, und Graf 
Alrich von Helfenflein, Graf Ulrichs fel. Sohn, verfihern den Städten 
Augsburg, Ulm, Eplingen, Reutlingen und allen ihren Eibgenoffen, Hel: 
fern und Dienern, Herren und armen Leuten, feinen Haß und Feine Feind: 
fait zu tragen wegen der That, die jetzo vor Brenz beſchehen, und nicht 
zu geflatten, daß es einer der Ihren thue. S.Stälin HI, 214 Anm.3. 19. 

mi 17. Nördlingen. K. Ludwig errichtet zwifchen feinen Söhnen, Mark: 
graf Ludwig zu Brandenburg, Stephan, Ludwig und ihren andern Brü- 
bern, Pfalzgrafen bei Rhein und Herzogen in Baiern, ihrem Lande Ober: 
baiern und dem Bißtum daſelbſt, dem Bifchof Heinrih von Augsburg, 
ben Grafen Ludwig zu Dettingen dem alten, Ulrich zu Wirtemberg, Ber: 
told von Neifien, Ludwig und Friedrich Gebrüdern zu Dettingen, Eber: 
bard und feinen Brüdern zu Werbenberg, Albrecht, Hug und Heinrich zu 
Hohenberg, Cunrad und Nubolf Gebrüdern den Scherern genannt von 
Herrenberg, Götz und Wilhelm von Tübingen, und den Städten Augsburg, 
Um, Biberah, Memmingen, Kempten, Kaufbeuren, Ravensburg, Pfullen⸗ 
dorf, Weberlingen, Lindau, Conftanz, St. Gallen, Züri, Notweil, Weil, 
Heilbronn, Neutlingen, Wimpfen, Weinsberg, Hal, Eßlingen und Gmünd 
ein Bündniß, welches zwei Sabre über feinen Tod hinaus währen und ge: 
meinfamed Auftreten der Bunbdesgenoffen bei eier neuen Königswahl fo: 
wie gegenfeitigen Schuß in ihren Kriegen und Stößen zum Zwede bat. 
Als gemeine Leute, bie um Raub, Brand, Nahme, unrechtes Entfagen und 
alle Unthat zu ſprechen haben, bat der Kaifer nach Rath und Bitte ber 
Bunbeögenofien vier genannte Männer ald Vertreter der Herren, vier als 
Vertreter der Städte, und als Uebermann von feinet und des Reiches wegen 
den Grafen Eberhard von Nellenburg gegeben. Zum Hauptmann bed 
Bündniſſes wird Herzog Stephan beſtimmt. — Urkunden I. 20. 

Juni 18. Nördlingen. K. Ludwig weift ben Bürgern von Augsburg zum 
Erſatz des Schadens, den fie vor Brenz und Stoßingen genommen, 1000 
Mark Silber an, welche fie durch Nußnießung aller zu den vorgenannten 
zwei Beften gehöriger Güter fich verfchaffen follen, und giebt ihnen, damit 
Niemand fie hieran bindere, ald Schirmer alle Herren unb Stäbte, bie 
zu dem Lanbfrieden und Bünbniffe gehören. — Jahresber. 67. 208. 

Juli 28. Ulm. 8. Ludwig erlaubt den Bürgern von Augsburg, um Schul: 
ben durch ihren Vogt aud in feiner Kinder Land zu Baiern unb in 


340. 


120 


Schwaben pfänden zu Tafien. Wenn fie in bes Reiches Dienft von be3 
Bündniſſes wegen, das er jetzo gemacht, auf das Feld Fommen, und man 
da Geldes ſchuldig wird, fo fol man ihnen das aulegen nad ihrer ge- 
mwöhnlichen Steuer, wie ed vormals angelegt worden. Wenn fie um Hilfe 
gemaknt werben von feinen Söhnen Markgraf Ludwig und Herzog Stephan 
oder von Bifhof Heinrich von Augsburg, fo follen fie zu Hilfe ziehen nad 
Rath der neune und andere Herren und Städte zu fi mahnen, fo viel 
ihnen nöthig fcheint. — Sahresber. 67. Böhmer Reg. Lad. 2090. 21. 


Suli 29. Ulm. 8. Lubwig verfügt, daß ber Lanbfrieben unb bie Bünbniß, 


bie er jeßt unter Herren und Städten in Schwaben gemadit bat, dem von 
Wirtemberg und ben Bürgern von Eßlingen, nody ihren Briefen und Thei: 
dungen, bie fie vormals unter einander gemacht haben, keinen Schaden 
bringen follen. — Tatt 31. Sattler 97. Böhmer Reg. Lud. 2091. 22. 


De. 3. Münden K. Ludwig gebietet ben Neichäftäbten, welche nach feinem 


Gebote die alten Bündniffe zufammen geſchworen hatten und auch in ben 

neuen Bündniffen zu fein geſchworen haben, daß fie den Augsburgern das 

Geld, das diefe auf der Fahrt gen Brenz und gen Stogingen bargeliehen, 

erſetzen jollen, mie fie e8 zuvor den von Gonftanz und den obern Städten 

gethban. — Jahresber. 68. Böhmer Reg. Lud. 2125. 23. 
1342, 


342. Oct. 7. Münden. K. Ludwig befichlt dem Friedrich von Freiberg, Gerwig 


dem Güffen von Güffenberg und Dtto dem Groffen, feinem Lanbvogt, fo: 

wie ben Städten Augsburg und Memmingen, der Adelheit der Schrierini, 

Bürgerin zu Augsburg, behilflich zu fein, von ber Stabt Ulm die 80 Pf. 

Pfennige zu erhalten nach der Briefe Laut, welche die neun über ben 

Landfrieden darum gefandt haben. — Jahresber. 71. Böhmer Reg. Lud. 

2274. 24. 
(1345.) 


345. Mai 1. Münden. K. Ludwig fchreibt der Stadt Ravensburg, daß fein Sohn, 


Herzog Stephan, ihm Hinterbradht, die neune Über ben Lanbdfrieben geſetzt 
hätten jo eben auf einem Stäbtetag zu Ulm erkannt, daß man ben Stäbdten, 
die der von Haböburg beraubt, zu frifcher That beholfen fein ſolle. Da 
nun bie neune ſchon vorher gefprochen, daß man bem Saifer von des 
Reich? wegen gegen bie Grafen von Feldkirch nach Kurwalchen mit dem 
Landfrieden zu Hilfe fommen folle, und die Städte auf einer Zufammen- 
kunft in München ihre Hilfe zugefagt, fo bittet er die Stadt, auf Mittwoch 
vor Pfingften (11. Mai) zwei oder drei Bevollmächtigte aus ihrem Rathe 
nad Ulm zu Herzog Stephan zu fhiden, um fi mit ihm zu beratben, 
damit man gemeinfchaftlich zuerft gegen den von Habsburg, dann nad 
Kurwalchen zieben könne. — Kopp, Geſchichtsblätter aus b. Schweiz, 58. 25. 
1346. 


46. Mai 11. Augsburg. K. Ludwig thut dem Grafen Eberhard von Nellenburg 


und den achten über den Landfrieden zu Schwaben fund, daß er den im 
Bündniß zu Schwaben befindlichen Städten die befondere Faiferlihe Gnade 
getban, daß fie nur um Nahm, Brand, Raub und unrecht Wiberfagen 


121 


ver ben Landfrichen geladen werden könnten, um all andere Sachen da: 1346. 

gegen in ihren Städten ſelbſt richten dürften und follten. — St. A. Kopp 

a. a. D. 248. Böhmer Reg. Ind. 2494, 26. 
1347. 

Od. 2. Ulm. Die Städte Augsburg, Ulm, Memmingen, Kaufbeuren, Leut: 1347. 
fr, Wangen, Biberach, Ravendburg, Lindau, Buchhorn, Weberlingen, 
Bfullendorf, Eßlingen, Reutlingen, Rotweil, Nördlingen, Gmünd, Hall, 
Heldrom, Weil, Wimpfen und Weinsberg fchliegen nad dem Tode R. 
Subwigd ein Bündniß ab zu gegenfeitigem Schuß und zu gemeinfamen 
Handeln in Betreff der Anerfennung eines neuen Könige. Wenn fi bie 
Städte über bie Anerfennung eines ſolchen geeinigt haben, foll fih das 
Bündniß auflöfen, ed wäre denn, daß fie vom König bie Erlaubniß erbiel- 
ten, e8 weiter fortzuführen. — Jahresber. 72. Böhmer Reg. Lud. Land⸗ 
frieden und Stäbtebündnifle 127. 27. 

Ort 27. Conſtanz. Die Städte Conftanz, Zürih und St. Gallen, ferner 
Schaffhauſen verbünden fi auf brei Jahre, einander zu helfen und zu 
ratben wider Jedermann. — ©. Tichudi I, 376. 28. 

Tee. 14. Augsburg. Die Städte Augsburg, Um, Nörblingen, EBlingen, 
Reutlingen, Rotweil, Heilbronn, Gmünd, Hall, Weil, Wimpfen, Weind- 
kerg, Memmingen, Ravensburg, Ueberlingen, Lindau, Pfullendorf, Biberad), 
Kempten, Kaufbeuren, Buchhorn, Leutfirh, Wangen und Buchau machen 
mit Markgraf Ludwig zu Brandenburg und Herzog Stephan zu Baiern 
einen freundlichen, getreuen und ftäten Sat und Frieden, von binnen bis 
zum 16. Oct. 1349. — Auszug in den Abhandlungen ber hiftor. Claſſe 
der königl. bayer. Akademie der Wiffenfchaften Ila. (1837), 220. Ungenau 
in ben Reg. Boic. VIII, 119. 29, 

1348, 

Yan. 9. ohne Ort. 8. Karl beftätigt ben Stäbten Augsburg, Ulm, DMem: 1348, 
mingen, Kempten, Kaufbeuren, Leutfirh, Wangen, Biberach, Ravensburg, 
Lindau, Buchhorn, Neberlingen, Pfullendorf, ERlingen, Reutlingen, Rot: 
weil, Weil, Nördlingen, Gmünd, Hal, Heilbronn, Wimpfen und Weind: 
berg, welche er fo geneigt, jo untertbänig und fo geftändig an ibm unb 
an dem h. R. Reiche gefunden, ihre Freiheiten, und verfpricht, fie in Feiner 
Noth des Reiches zu verfegen, indem er binzufügt, daß, wenn Jemand 
einen biefer Artifel überfahren und fie von ihren Freiheiten drängen wollte, 
fie einander bebolfen fein und fich deß wehren dürfen, ohne damit wider 
ibn ober wiber ba3 Neich etwas zu verfhulden. — St. N. 30. 

Jan. 27. Ulm. Wiederholung dieſes Privilegs. — Lünig, Reichsarchiv part. 
spec. cont. IV, 16. — Wegelin MI, 38 Nr. 37. — In dieſen Abdrücken 
feoft durd ein Verfehen bes erften Heraußgeberö in der Reihe ber Städte 
Kempten. — Die Wiederholung bed Briefe von 9. Ian. haben wir und 
wahrfcheinlich fo zu erffären, daB von bem legtern nur ein Eremplar an bie 
Stadt Ulm zu Handen ber verbündeten Städte war abgegeben worben, 
jetzt am 27. Zan. die einzelnen Stäbte von ber föniglichen Kanzlei Copien 
befielben erhielten. Vgl. Reg. Boica VIII, 124. 123. Hugo, Mebdiatifi- 


122 


1348. rung der Reichsſtädte 39. — Wenn bei Errichtung eined Bünbniffes die 
Städte fi auf das Privileg berufen, wirb immer der Brief vom 9. Zan. 
citirt. ©. Nr, 381. 387. 31. 

Jan. 27. o. O. K. Karl erlaubt den Städten Augsburg, Ulm, Memmingen, 
Kempten, Kaufbeuren, Leutfirh, Rotweil, Weil, Gmünd, Wangen, Biberach, 
Navendburg, Lindau, Buchborn, Ueberlingen, Pfullendorf, Eßlingen, Reut: 
fingen, Nördlingen, Hal, Heilbronn, Wimpfen und Weinzberg, in Sab 
und Stallung zu fein mit ber Herrfhaft und dem Lande zu Baiern von 
bein nädjften St. Gallentag (16. Oct. 1348) und bannen über ein Jahr. 
— Schmid, au der Herwart. Samml. Augsb. Urfunden. Beg. Boica VIll, 
124, 32. 

Suni 29. Die Stäbte Augsburg, Ulm und Nördlingen fchließen ein Bünb: 
niß, das bis zum 16. October 1349 dauern fol und gemeinfchaftliche 
Mafregeln gegen wiberredytliche Angriffe und gegen Verpfänduͤngsverſuche 
fowie Ausgleichung der zwifchen ben brei Städten ober zwiſchen feindlichen 
Parteien innerhalb der einzelnen Stäbte fich erhebenden Streitigkeiten zum 
Zwede bat. — St. A. 33. 

1349. 

1349. Aug. 10. Die Reichsſtädte Augsburg, Ulm, Nördlingen, Werd, Conftanz, St. 
Gallen, Ueberlingen, Lindau, Ravensburg, Biberad, Memmingen, Kempten, 
Kaufbeuren, Leutfich, Wangen, Buchhorn, Pfullendorf, Buchau, Reutlin: 
gen, Heilbronn, Hal, Gmünd, Weil, Wimpfen und Weinsberg verbünben 
fi ihrem gnädigen Herrn, 8. Karl, und dem Reihe zu Lob und zu 
Ehren big zum 23. April 1353, um ihre Freiheiten zu behaupten, mit der 
Beicheibenheit, daß, wenn ber König dagegen fei, fie es wieder auflöfen 
würden. — Schmid, nach der Herwart. Samml. Augsb. Urkunden. 34. 

1352. 

1352. Dee. 13. Graf Albrecht von Dettingen verbindet fi) zu bed Reiches Stäbten 
gemeinlich, bie ben Landfrieden in Schwaben Balten, mit allen Bünden 
und Rechten, ala 8. Karl von Rom benfelben jüngft zu Nürnberg ge: 
bot und feßte, wo er, Graf Albrecht, ihm auch geſchworen, und als fie ben 
felben erfiredt haben von nächſt St. Martini über ein Zahr big auf Karla 
Widerruf. — St. U. 35. 

1353. 

1353. Mai 1. Schultheiß, Rath und Bürger ber Reichsftadt Schaffhaufen befennen, 
daß fie von ben Reichsſtädten, welche den Landfrieden in Schwaben halten, 
am beutigen Tage in Ulm zu Eidgenoffen aufgenommen worden find und 
den Landfrieden vor den Boten der Städte Rotweil, St.Gallen und Weber: 
lingen beſchworen haben, wobei die Reichsſtädte den Vorbehalt gemacht, 
daß fie ben Schaffhaufern wegen Feines alten Kriege, es fei von ber Herr: 
haft von Defterreih, von Graf Albrechts von Werdenberg oder von der 
Züricher wegen, Beiftand zu Teiften verpflichtet find, wenn fie ed nicht aus 
freiem Willen thun. — Es fiegeln die vier genannten Stäbte. — St. A. 36. 

Sept. 17. Wien. Herzog Albredyt von Oeſterreich verfpricht iu Rüdfiht auf 
die befondere Gunft und Freundfchaft, welche die Reichsſtädte in Schwaben 


123 


und ihre Eidgenoſſen ihm erzeigt haben in bem Landfrieben, den 8. 1353. 


Earl gemacht, daß diefelben in allen feinen Veften, Landen und Herrichaf: 
ten fiher wandern und fahren follen, und wenn einer ſich vergehe, biefer 
nad Gewohnheit ber herzoglichen Herrichaften und Lande das Recht zu 
leiden babe, ohne daß die Andern darüber befchädigt würden. — Schmid, 

aus ber Herwart. Samml. Augsb. Urt. — Reg. Boica VIIl, 277. 37. 

De. 2. Conſtanz. R. Karl verordnet, daß, wenn zwiſchen Stäbten, bie in 
dem Lanbfrieben zu Schwaben find, oder Bürgern einer einzelnen Stabt 
Auflauf und Krieg entftehe, die drei nächſten Städte Botfchaft hinſenden 
und die Sache ſchlichten, wofern ihnen dies aber nicht gelingt, fie an alle 
die andern Städte hin gen Ulm auf einen benannten Tag bringen follen, 
we fie nach Vorladung der beiden Theile endgültig entfchieden wird. — 
6. A. 38. 

| 1355. 

25. Regensburg. K. Karl befichlt ben Städten bes Landfriedens zu 

:  Gämwahen, befonderd den Städten Augsburg, Ulm, Ehlingen, Heilbronn 
und Nördlingen, bad Klofter Kaisheim zu fchirmen und zu beſchützen. — 
Reg. Boica. VIII, 325. 39, 

1356. 

Yan. 10. Nürnberg. Die goldene Bulle K. Karla verbietet im Artifel de 
eoaspiratorihus alle Einungen und Verbindungen innerhalb und außerhalb 
ber Stäbte, zwiſchen Stadt und Stadt, zwilchen Perfon und Perſon oder 
zwiſchen Perſon und Stadt, mit Ausnahme ber Landfriedensbünbniffe. — 
Sünig, Reihsardiv I, ©. 11. 40. 

Rem. 7. Die Reihöftädte Augsburg, Ulm, Memmingen, Kempten, Kaufbeu: 
teu, Werd, Nördlingen, Dinfelabühl, Bopfingen, Biberach, Ravensburg, 
Lindau, Buchhorn, Weberlingen, Pfullendorf, Conſtanz, St. Gallen, Schaff: 
baufen, Leutfirh, Wangen, Eßlingen, Reutlingen, Gmünd, Hall, Heilbronn, 
Rotweil, Weil, MWimpfen und Weinsberg treten, da ber Landfriede, ben 
8. Karl ‘nun nechst zu Ulme gebot und sazt, nun uf den negsten Sant 
Martins tag uzgat’, und ber Raifer ihnen erlaubt bat, ſich aufs neue 
zu verbünden, zufammen, ben Frieden, den ber Kaifer nun jüngft gemacht 

- bat, fernerhin fo, wie derfelbe früher gemacht worden, bis zum 23. Aprif 
1358 zu halten (wenn der Kaifer nicht wiberruft) und allem widerrecht: 
lichen Rauben, Zangen, Morben, Berbrennen, Schädigen und allem wiber: 
rechtlichen Widerfagen zu fteuern, zu welchem Behufe fie fich in drei Ge: 
ſellſchaften theilen. — Es fiegeln die Stäbte Eßlingen, Reutlingen, Gmünd, 
Hall, Heilbronn, Rotweil, Weil, Wimpfen und Weinsberg. — Datt31. 41. 

1358. 

Ins. 9. Conſtanz. Die Städte Conftanz, St. Gallen, Lindau und Schaff: 
haufen verbünben fih bi zum 6. Sanuar 1361, einander getreulich zu 
ratben und zu helfen gegen Alle, die fie mit Gewalt und ohne Recht an: 
greifen. Es fiegeln die vier Städte — Knipfchildt 486. Lünig, Reiche- 
archiv part. spec. contin. IV, Thl. I, ©. 21. 42. 


1355. 


1356. 


1358. 


124 


1359. 
1359. San. 2. Breslau. K. Karl verfpricht den Städten in Schwaben, feinen und - 
des Neiches Getreuen, daß fie um ſolche Geſchicht, Schaden oder That, - 
bie fie von feiner und de Reiches oder von bed Lanbfriebend wegen, ben 
fie von feiner und des Reichs wegen in Schwaben aufgerichtet, unter bem 
faiferlihen und bes Reiches Fahnen und Bannier zu Felde oder fonft ge: 
than baben oder thun werden, nirgends zur Verantwortung flehen bürfen, - 
als vor ibm und dem Reihe und dem faiferlihen Hofe — St. A. 43. 
Jan. 2. Breslau. K. Karl verſpricht den Städten in Schwaben, welde bie - 
Landvogtei in Schwaben um ihr Geld and Reich gelöft haben, diefelbe 
fürbaß allen Landvögten ſchlechtiglich zu empfehlen und fie ſammt ihren 
Zugehörungen und den gewöhnlichen Reichäfteuern nie mehr zu verfeßen. — 
St. A. Wegelin OD, 39 Nr. 38. 44. 
San. 5. Bredlau. K. Karl befichlt allen geiftlihen und weltlichen Fürften, 
Grafen, Herren, Freien, Städten und bed Reichs Unterthanen, den Land: 
frieden zu balten, den die ſchwäbiſchen Städte zum allgemeinen Bejten mit 
des Kaiſers Bewilligung gemadt. Wenn die Städte von Reichs und Land: 
friedend wegen, Unrecht und Unthat zu ftrafen, mit be Reichs Sahne und 
Panier ausziehen, fol man fie nicht hindern, fondern fördern. Die Da: 
wiberhandelnden werde er mit Rath ber Kurfürften firafen. — Schmid. 45. 
San. 6. Breslau 8. Karl gebietet allen Grafen, Freiherrn, Dienftmannen, 
Rittern und Knechten in Schwaben, daß fie zur Aufrechterhaltung bes 
Landfriedens, den er nach Rath der Städte in Schwaben gemacht und be 
feftigt, daS Ihrige beitragen und fi) ber ſchädlichen Leute in Feiner Weife 
annehmen follten. — St. A. 46. . 
Febr. 20. Bregenz. Burkart von Elrbach von Pfaffenhofen und Markward 
von Schellenberg fühnen fih mit Lindau aus wegen Burg und Belte 
Wafferburg, welche Lindau und die Reichsſtädte gebrodhen. — Schmib, 
nady (Heider) Gründl. Ausführung der Neichsftabt Lindau S. 669. 47. 
Zuni 7. K. Karl errichtet einen Landfrieber in Schwaben, der bis zum 11. 
Nov. 1361 währen fol, zwifchen Bifhof Markwart zu Augsburg, Ludwig 
dem ältern und Ludwig dem jüngern, feinem Better, Grafen von Dettin: 
gen, den beiden Grafen Ulrich von Helfenftein, und ben Städten Augsburg, 
Um, Memmingen, Kempten, Kaufbeuren, Werb, Nördlingen, Dinkelsbühl, 
Bopfingen, Eplingen, Reutlingen, Rotweil, Gmünd, Hall, Heilbronn, 
Wimpfen, Weil, Weinzberg, Gonftanz, St. Gallen, Lindau, Weberlingen, 
Ravensburg, Biberach, Buchau, Pfullendorf, Buchhorn, Leutlich und 
Wangen. Diefer Landfriede, der allein um Raub, um Mord, um Brand 
und um unrecht Widerjagen gemacht ift, erhält 11 Vorſteher, von denen 
die Fürften 5 und bie Städte 5 geben, ben elften ber Kaifer ftelt. — 
Schmid, Auszug auß einer Urf. ber Herwart. Samml., mit dem Datum 
Freitag vor Pfingfttag (7. Juni); bie Artikel bes Landfriedens bei Glafey 
466 mit bem Datum: Sunabend vor Pfingften. 48. 
136). 
1360. Juli 22. Nürnberg. K. Karl, welcher bed Dienſtes ber Städte in Ober: 


125 


und Nieberfchwaben bebarf zu der Heerfahrt gegen bie von Wirtemberg, 1360. 


bie ſich freventlich gegen ihn und das heilige Neid, geſetzt haben, beftinmt, 
wenn Jemand von den genannten Städten oder auch Herren, bie ſich in 
fünftigen Zeiten zu ihnen verbünden, die von Wirtemberg und ihre Diener 
und Helfer, ober wenn fpäter die Stäbte ober ihre Eidgenoffen, indem fie 
auf faiferlicheß Gebot in andere Heerfahrt ziehen, oder um eines gemeinen 
Sandfriedens willen, ben fie auf Faiferliche® Gebot machen würden, bie 
Uebertreter dieſes Landfriedend fchädigen, fo follen bie Stäbte in Schwaben, 
jenfeit und biesfeit des Sees, alle ihre Eidgenofien und Nachkommen vor 
keinem Richter dafür können belangt werden, fie follen Macht haben, die 
Burgen ihrer Gegner zu brechen und über bie Gefangenen mit dem 
Schwerte zu richten; wer fie in der Ausübung biefer ihrer Rechte nicht 
beſchirmt, wird ala Friedensbrecher behandelt. — St. A. — Glafey 285. 
Regelin I, 42 Nr. 43. Sattler 115. 49, 
ins. 31. zu Felde vor Schornborff. K. Karl nimmt die Grafen Eberhard 
and Ulrich von Wirtemberg, welche ihr Bündniß mit Herzog Rudolf von 
Defterrrich aufgegeben und Gehorfam gelobt haben, in feine Gnade auf, 
ebenjo ihre Helfer mit Ausnahme de vorgenannten Herzogd. Ihre ver: 
Iorenen Güter erhalten fie zurüd mit Ausnahme des ihnen früher verpfän- 
beten Aalen, über welches eine befondere Verfügung getroffen wird. Sie 
unb bie ſchwäbiſchen Städte follen einander gegenjeitig des Rechten gehor- 
fam fein. — Sattler 116. Glafey 322. 50. 
ept. 16. Reutlingen. 8. Karl bringt eine Ausſöhnung zu Stande zwifchen 
ben Grafen Eberhard und Ulrich von Wirtemberg und ben Reichsſtädten 
vor der Alten in Schwaben. — Sattler 117. Glafey 366. 51. 
ept. 17. Reutlingen. 8. Karl erlaubt den Grafen Eberhard und Ulrich, 
die im Kriege zerftörten Veſten, Höfe und Geſeſſe wieder zu bauen. — 
Sattler 118. Glafey 337. 52, 
sv. 4. Nürnberg. K. Karl verjpricht den Reichsſtädten in Schwaben, welche 
ibm und bem Reiche die Landvogtei, die jährliche Steuer, die Schultheißen: 
ämter, bie Uingelder und alle andern Rechte des Meiches in den Stäbten 
und auch die Klöfter in Schwaben und alle die Sachen, melde in bie 
Land vogtei diesſeit und jenfeit der Alb irgendwie gehören, um feiner Bitte 
und bed Reiches Nothdurft willen mit ihrem eigenen Gelde gelöft haben, 
diefelben nie wieder dem Reiche zu entfreniden ober zu verjeßen. — St. A. 
— Glafey 427. Wegelin II, 40 Nr. 39. Sattler 119, 53. 
1361. 

Ing. 20. Prag. 8. Karl fchlichtet die Streitigkeiten zwifchen den Grafen 
Eberhard und Ulrih von Wirtemberg und der Stadt Eflingen. — Satt: 
fer 121. 54. 

Yet. 5. Nürnberg. K. Karl ſpricht die Neihäftädte in Schwaben von dem 
Landgericht im Stadelhof zu Ulm frei, welche Begünftigung außerdem nur 
Land und Leuten des Herzogs von Defterreih in Schwaben zu Theil wird. 
— Schmid. 55. 


1361. 


126 

1361. Oct. 6. Nürnberg. K. Karl wiberruft alle Privilegien, welche Befreiung von 
dem Landgericht zu Rotweil enthalten, nimmt aber bavon die der Öfters 
reichiſchen Herzoge tiber ihre Leute und Lande in Schwaben und jene ber 
dortigen Reichsſtädte aus. — Lichnowsky IV, Reg. 303. 56. 

1362. 

1362. Febr. 23. Conſtanz. Die Reichsſtädte Conftanz, Züri, St.Gallen, Lindau, 
Ravensburg, Weberlingen, Wangen und Buchhorn fliegen, einander mit 
Leib und Gut zu belfen und zu ratben, ein Bündniß, das zwei Sabre 
über den Tod K. Karla hinaus dauern fol. — S. Tſchudi I, 455. 57. 

Merz 31. Laufen. K. Karl entjcheidet die Streitigkeiten zwiſchen Eberhard, 
Wrih und Ulrich, Eberhard Sohn, Grafen von Wirtemberg und der 
Stabt Eplingen, bauptfählih Aufnahme von Pfalbürgern betreffend. — 
Sattler 130. 58. 

Mai 5. Die Stadt Pfullendorf tritt in das Bündniß ber Städte Conſtanz, 
Züri, St. Gallen, Lindau, Ravensburg, Ueberlingen, Wangen unb Buch- 
born. — S. Tſchudi I, 455. 59. 

1364. 

1364. Juli 23. Conftanz. Abt Heinrih von Kempten bekennt, daß er wegen der 
zwifchen ihm und ben Bürgern zu Kempten flattgefundenen Stöße, nad) 
feiner unb des Gotteshaufes Dienftleute und anderer ehrbarer Leute Rath, 
namentli nach Rath und Unterweifung ber Stäbte, bie auf diefem heu— 
tigen Tag zu Conftanz bei einander gewejen, auf den Grafen Uri von 
Helfenftein, Landvogt in Oberfhwaben, und Bruder Rudolf von Homburg, 
Landcommentur des deutfchen Ordens zu Böhmen und zu Mähren, Lands 
vogt in Unterfchwaben, gegangen und durch fie gütlich verrichtet werben 
fei. — Gegenverfchreibung der Stadt. Sie fpricht von Rath und Unter: 
weifung der Bitte ihrer Eidgenoffen, die auf diefen heutigen Tag zu Con: 
ftanz bei einander gewejen find. — Wegelin II, 36 und 37. Bei ber erften 
Urkunde giebt er blos das Jahr 1364 an. Bol. Haggenmüller, Geld. 
v. Kempten I, 151. 60. 

1367. 

1367. Mai 26. Ulm Burggraf Friebrid von Nürnberg, von K. Karl mit der 
Zandvogtei Oberfhwaben betraut, fagt den Städten Ulm, Memmingen, 
Kempten, Kaufbeuren, Leutfich, Wangen, Isny, Biberad, Buchau, Na: 
vendburg, Lindau, Buchhorn, Konftanz, Weberlingen und Pfullendorf, die 
ihm gehuldet und ihn als Landvogt empfangen, zu, fie bei ihren Rechten 
u. f. w. zu laffen. — St. A. unter „Ulm“. 61. 

1370, 

1370. Sept. 16. Märk von Hattenberg, Heinrich von Hattenberg, fein Vetter, Frik 
von Rotenftain, genannt Zaphe, Brun von Utenried, Ritter, und Heinrid) 
Rauper, fein Schwager, bezeugen, daß fie mit den Städten Ulm, Mem: 
mingen, Kempten, Isny und Leutkirch und allen andern Reichsftädten, bie 
mit ihnen den Landfrieden in Schwaben halten, verrichtet find um des er- 
littenen Schadens willen und der Gefangennahme ber brei erfigenannten 
und der Entleibung dreier Mannen vor der Vefte Kallendin, fie verfprechen, 


127 


daß bie Städte ihret und ber Freunde der Entleibten wegen nicht befchä: 1370. 

digt werben follen, worüber 20 genannte Männer aus bem Nitteritande 
ein Gelũbde geftellt haben, indem fie ſich verpflichtet, über ben, ber fein 
Berſprechen übertreten wird, berzufallen. — St. A. Ebendort befinden 
fi$ noch zwei weitere Urfunden diefelbe Angelegenheit betreffend, vom 16. 
und vom 18. Sept. Aus der erftern geht hervor, daß bie Gefangennahme 
der brei betreffenden durch die Ulmer gefchah wegen ber Hilfe, welche jene 
dem Eberhard von Afpermunt geleiftet. 62. 
Dt. 29. Kariftein. 8. Karl beauftragt Borefh von Nyfenburg, mit ben 
Städten Augsburg, Ulm und aU ihren Eidgenoffien um alle Gebrechen 
nady bes Landes Nothdurft nnd alle andern das Neich betreffenden Sachen 
zu reden, zu thäbingen und auszutragen. — Schmib. 63. 

Der. 6. Boreſch von Rijenburg, des Kaiſers Hauptmann in Baiern, errichtet 
auf Taiferlichen Befehl einen Landfrieden in Ober: und Niederfchiwaben, 
der bis zum 23. April 1375 dauern und Schuß gegen Raub, Brand, 
Mord, unrecht Widerfagen und fonflige widerrechtlihe Handlungen gewäh— 
ren fol. Die Theilnehmer find Graf Ulrid von Helfenftein der ältere 
al3 Hauptmann und bie Städte Augsburg, Ulm, Wörd, Nördlingen, Din: 
kelsbũhl, Bopfingen, Nalen, Eplingen, Gmünd, Reutlingen, Hall, Heil: 
bronn, MNotweil, Weil, Wimpfen, Weinsberg, Steinheim, Pfullendorf, 
Biberach), Buchau, Ucberlingen, Buchhorn, St. Gallen, Lindau, Ravensburg, 
Bangen, Isny, Memmingen, Kempten, Kaufbeuren und Leutkirch. — 
Schmid, aus einem Copialbude im Nördlinger Archiv. 64, 

1371. 

Det. 20. Stephan von Schwarzenburg befennt, daß er in Folge der Klage, 1371. 
welche die Reutlinger, ihrer Mitbürgerinn Elöbeth von Rain wegen, gegen 
ihn geführt, feine Veften, feinen Leib und fein Gut dem Grafen Ulrich 
ron Helfenſtein dem ältern, Hauptmann bed Friedens in Schwaben, ben 
Neichaftädten und bem Frieden in Schwaben eingeantwortet und ſich dem 
Ausſpruche des letztern unterworfen, welcher dahin geht, er jolle mit ben 
bei der Sache Betheiligten Freundfchaft halten, fein Leben Yang mit feiner 
Befte zu Eggental dem Reiche, den Reichsſtädten in Schwaben und bent 
Landfrieden, fowie bem Grafen von Helfenftein, wenn er bem Reidye und 
den Reichsſtädten zu Hilfe deſſen bebarf, warten, und ben Reutlingern vier 
Sabre über die Dauer bed Landfriedend hinaus felb viert ‘erber mit 
spiessen’ auf ihre Koft und Zehrung dienen, fo oft fie ihn mahnen, wenn 
fie von des Reiches wegen zu Felde ziehen. — St. U. 65. 

Oct. 20. Gerwig von Nordholz verfchreibt ſich aus derſelben Veranlaſſung 
in ähnlicher Weife; mit feiner Veſte Norbholz wartet er zehn Sabre, ben 
Reutlingern dient er, wie vorher angeführt ift; da er fid) der Hattenberg 
wegen früher etlihen Neichsftäbten verbunden bat, folgt er jedesmal ber 
erfien Mahnung. — St. U. 66. 

1372. 

April 23. Bürgermeifter, Rath und Bürgerfchaft zu Ulm ſetzen feft, daß, wer 

aus Beranlafjung bes großen Schabeng, weichen die Stabt durch den von 


1372. 


1373. 


128 


Wirtemberg empfangen, fi aufrübrerifche Neben zu Schulden kommen 
laffe, der Stadt mit Leib und Gut verfallen fei, daß Niemand von ber 
Stadt fahren nocd ziehen folle ohne des Bürgermeifterd und des Rathes 
Erlaubniß, und baß, wer es dennoch thue, nichtödeftoweniger alle bie 
Koften, weldye der Stadt aus bem Kriege erwachfen feien und noch er: 
wachen würden, mitzutragen habe. — Ulmer Archiv. — Anzeiger für Kunde 
der beutfchen Vorzeit 1859. ©. 404 fi. 67. 
Mai 14. Würzburg. Graf Eberhard zu Wirtemberg unb Graf Ulrich, fein 
Sohn, verkünden, baß fie die Schlihtung der Zweiungen, Mißhellungen, 
Kriege und Stöße, welche zwiſchen ihnen und bed Reichs Städten in 
Schwaben ftattgefunden, den Kaifer anheimgeftelt haben, und verfprechen, 
fi in allen Punkten an den Ausſpruch zu halten, den er thun wird. — 
Sattler 145. 68. 
Aug. 18. Die Stadt Ulm verfpricht, wegen des Auflaufes und Streites, den 
fie mit Graf Eberhard zu Wirtemberg und feinem Sohne Graf Ulrich, 
gehabt bat, und wegen der Stöße und Aufläufe, die fi von biefer Sache 
feither verlaufen, keinerlei Feindfeligfeiten gegen bie Grafen und ihre 
Helfer zu unternehmen, fondern den Ausſpruch K. Karls abzuwarten. — 
Sattler 144. 69. 
1373. 
Merz 13. Bubiffin. K. Karl erläßt ben Bürgern zu Bopfingen ben britten 
Theil der ihm auf nächſte Pfingften und Michaeli zu zahlenden Sunme. 
— Reg. Boica IX, 293. 70. 
Merz 13. Budiſſin. R. Karl erläßt den Bürgern zu Weinsberg, Wimpfen, 
Weil, Nördlingen, Werd, Dinfelsbühl den fünften Theil der ihm auf 
nächſte Pfingften und Michgeli zu bezahlenden Summe — Reg. Boica 
IX, 293. 71. 
April 4. Budiſſin. K. Karl erlaubt der Stadt Kempten bis auf Widerruf, 
nach ihrer Nothöurft von den Bürgern und Infaflen dafelbft Steuer, Gab, 
Ungeld und Gefeße zu erheben. — Reg. Boica IX, 294. 72. 
April 7. Sittau. K. Karl ertbeilt der Stadt Augsburg die Freiheit, ein 
redli Ungeld von Neuem auffeßen, nehmen und in ihren Nutz und 
Frommen wenden und Ffehren zu bürfen, bis auf Widerruf. — Reg. 
Boica IX, 295. 73. 
Mai 25. Mülberg. K. Karl befiehlt den Bürgern zu Wimpfen, daß fie die 
ihm auf Pfingften zu bezahlenden 1200 Gulden dem Bürgermeifter und 
Rath) zu Nürnberg übergeben follen. — Reg. Boica IX, 297. Ebendert 
u. ©. 298 bie Vefehle Karls an Weinsberg wegen ber fchuldigen 800, 
an Weil wegen 1600, Nördlingen wegen 3200, Bopfingen wegen 1000, 
Rotweil wegen 5000, Reutlingen wegen 17500, Werd wegen 800, Hall 
wegen 2400, Dinkelsbühl wegen 2000, Gmünd wegen 1600, Eßlingen 
wegen 10000 Gulden. 74, 
Suni 4. Luckau. 8. Karl quitliert ben Rath zu Nürnberg über bie 18000 
Gulden, welde die Stadt Ulm ihm zu entrichten ſchuldig war und zu 
Nürnberg erlegt bat. — Beg. Boica IX, 298. 75. 


129 


Sing. 18. Fürftenwalde. K. Karl verpfänbet die Reichsſtädte Nördlingen, 1373, 
Schwäbiſch Werd, Dinkelsbühl und Bopfingen an feinen Eidam Herzog 
Dit von Baiern unb befien Erben um 100,000 @ulden. — Reg. Boica IX, 
SR. Den 14. Oct. 1374 wurde von Seite Baiernd auf diefe Pe 
verziätet. ©. Stälin II, 312 Anm. 1. 

1374. 

gr. 8. Münden. Herzog fzriedrih von Baiern, von 8. Karl zum Land: 1374, 
vegt in Oberſchwaben beftellt, verfpricht, die Städte Ulm, Memmingen, 
Sempten, Kaufbeuren, Leutfirh, Wangen, Isny, Biberach, Buchau, 
Ravensburg, Lindau, Buchhorn, Sonftanz, Ueberlingen und Pfullendorf bei 
igeen Freiheiten zu erhalten. — St. A. 77. 

Det. 3. Bolf von Magenbuch, einer von den Neunen bed Landfriedens zu 
Schwaben, verhört die Klage ber Bauerfchaft von Nieberftabion, welche 
von ben Biberachern war beraubt worden, und entſcheidet zu Recht. — 
Schmid, aus Pflummern, Annales Biberacenses. 78. 

1375. 

ai 17. Gtuttgart. Die Städte Chlingen, Reutlingen, Notweil, Gmünd, 1375. 
Hall, Heilbronn, Weil, Wimpfen, Weinsberg, Nördlingen, Werd, Dinkels⸗ 
bũhl, Bopfingen und Aalen fohlieken mit ihrem Landvogt Graf Eberhard 
von WBirtemberg ein Bündniß zu gegenfeitigem Schutze ab; es foll dauern 

bis zum 25. Zuli 1376, wofern 8. Karl es nicht wiberruft. Es fiegeln 
die Städte Eflingen, Reutlingen, Rotweil und Gmünd. — Sattler 157. 79. 
1376. 

Sani 24. Frankfurt a. M. K. Karl verpfändet ben Baiernberzogen Otto, 1376. 
des 5. Reichs Erzkämmerer und Kurfürften, Friedrich und Hans, Gebr: 
dern, bie Reichsſtadt Schwäbifch Werb für 60000 Gulden, unb gebictet 
den Scultheißen, Schöffen und Bürgern ber genannten Stadt, ihnen zu 
Buldigen. — Hugo, Mebiatifirung 227 mit bem Datum: an fand Johanns⸗ 
tag des taufferd; die Reg. Boica geben IX, 351: Freitag nach St. Johannstag, 
b. i. den 27. Juni, weldes bei Hugo ber nun folgende Erlaß an bie 
Stabt hat. 80. 

Semi 27. Frankfurt a. M. K. Karl gebietet den Bürgermeiftern, bem Rath 
unb ben Bürgern gemeinlih ber Stabt zu Schwäbifch Werb, welche er 
den WBaiernherzogen Dtto, Friedrih und Johann verpfänbet bat, daß fie 
denfelben ohne Verzug und Hinberniß hulden follen. — Hugo Mediati: 
firung 228, 81. 

Yıli 4. Die Reichsſtädte Ulm, Conftanz, Ueberlingen, Ravensburg, Lindau, 
St. Ballen, Wangen, Buchhorn, Reutlingen, Rotweil, Memmingen, Bis 
berach, Isny und Leutlird, verbünden fi bis zum 23. April 1380 zu 
gemeinfamer Hilfäleiftung wider Jedermann, der fie angreifen, befümmern, 
drängen ober beſchädigen wollte an ihren Rechten, Freiheiten, Briefen oder 
guter Gewohnheiten, die fie von römiſchen Kaifern oder Königen haben, mit 
Schatzung, mit Verjegen oder mit andern Sachen, Niemand ausgenommen, 
mit der einzigen Einſchränkung, daß fie dem beiligen Meiche feine Rechte 


I. 9 


130 


1376. Halten und thun wollen. — Knipſchildt S. 487. Lünig, Reichsarchw 
part. spec. cont. IV, 27. 82, 
Aug. 24. Nürnberg. K. Karl verpfändet bem Grafen Eberhard von Wir: 
temberg um 40000 Flor. Gulden bie Reihsftabt zu Weil mit dem Schult⸗ 
heißenamt unb ber Vogtei dafelbft, fammt allen Rechten, Nutzen, Zinfen, 
Steuern, Ungelten und allen Zugehörungen, bad Schultheißenammt in der 
Reichsſtadt zu Eßlingen, ba8 Schultheigenamt in ber Reihsftabt zu Gmünd 
mit allen Rechten und Nuten, bie Dörfer in der Birfe bei Notweil, er: 
laubt auch ihm und feinen Erben, alle vom Reiche verpfänbeten Schult⸗ 
beißenämter oder andern Aemter oder Ungelter, inwendig oder auswendig 
ber Reichsſtädte in ber niedern Landvogtei zu Schwaben und in ben Städten, 

bie er jebt vom Kaifer und vom Reihe inne bat und bie in der Land⸗ 
vogtei Niederfehwaben nicht begriffen find, um die Summe, um welde fie 
verpfänbet find, an ſich zu löſen. — Sattler 161. 83. 
Spt. 3. Die Stadt Weil verbündet fih mit den Städten Alm, Conſtanz, 
Neutlingen, Rotweil, Weberlingen, Memmingen, Biberah, Ravensburg, 
Lindau, St. Gallen, Wangen, Buchhorn, Kaufbeuren, Leutlich und Isny. 
— Schmid. 84. 
Dct.. 23. Hand von Rot von Rieden, ber alte, und Hans von Rot, fein 
Sohn, verfprehen, gegen den Bund der Reihfläbte in Schwaben, Ulm, 
Eonfanz, Memmingen, Rotweil, Weil, Reutlingen, Ravendbnrg, Ueberlin: 
gen, Lindau, St. Gallen, Biberach, Kempten, Isny, Leutkirch, Wangen, 


Kaufbeuren und Buchhorn, nicht? zu unternehmen. — &t. A. 85. 
Det. 23. Aehnliche Verfchreibung der Agnes, Gräfin zu Kirchberg unb Hers 
zogin zu Ted, biß zum 23. April 1381 bindend. — St. U. 86. 


Det. 26. Aehnliche Verſchreibung Burkarts des Wichslers, gefeffen zu Tale, 
bis zum 23. April 1381 bindend. — St, A. 87. 

Nov. 10. Aehnliche Verſchreibung Conrads vom Stein, gefelfen zu nr 
bis zum 23. April 1381 bindend. — Gt. X. 

Nov. 21. Urach. Graf Eberhard von Wirtemberg erflärt in einem Sören 
an bie Stadt Straßburg, daß ihn die ſchwäbiſchen Bundesſtädte fälſchlich 
beſchuldigten, ben burch bie Baiernherzoge Stephan und Friedrich aufge: 
richteten Frieden gebrochen zu haben; vielmehr Hätten die Städte, auf bie: 
fen angeblichen Friedensbruch geſtützt, ben angefepten Tag in Nürnberg 
nicht befucht, fondern während beffelben die Feindfeligkeiten wieber eröffnet. 
— Sattler 162. 89. 

1377. 

1377. Jan. 1. Bürgermeifter, Rath und Gemeinde zu Reutlingen verfprechen dem 
Bürgermeifter und dem Rath von Eflingen, ihren Freunden und Eidge⸗ 
noffen, in ihrem und anderer Meichäftädte, ihrer Eidgenoſſen, Namen, fol: 
gende Punkte zu halten: 1) Den Eplingern wird Teinerlei Betheiligung an 
Schaden und Koften, die bis auf bdiefen Tag ergangen, zugemuthet. 2) 
Auf Zufanmenfünfte ber Städte fenden die Eßlinger zwei aus ihrem Rathe, 
wie es von Alter Herfommen if. 3) Söldner und Spieße, welche bie 
Reichsſtädte fih nah Anzahl ihrer Steuer auferlegt haben, ftellen bie Eß⸗ 


131 


Enger nur, in fo weit fie ed gerne thun. 4) Die Bunbesftäbte bringen 1377. 
bis künftige Lichtmeß 5000 FI. für bie Ehlinger auf und tragen den näd): 
Ken Jahreszins gemeinſchaftlich; die Eßlinger dagegen ftellen Briefe aus, 
ba fie die 5000 FI. nach Ablauf des Jahres wieder auszahlen werben. 
5) Die Reulinger und mit ihnen bie von Ulm, von Rotweil und von 
Beil verbürgen, baf alle diefe Stüde gehalten werben, unb fliehen gut für 
allen Schaben, der aus bem Nichtbefolgen berfelben erwachſen würde — 
Berfiegelt mit dem großen Stabtfiegel von Reutlingen. — Datt 35. 90. 
Yan. 29. Rotweil. Graf Friedrich ber alte, Herr zu Schalföburg, und 
Graf Friedrich von Zollern, fein jüngerer Sohn, den man nennt Graf 
Mälin, geloben dem Schultbeiß, dem Bürgermeifter, dem Rath und ber 
Bürgerihaft zu Rotweil, mit ihnen und mit allen ihren Eidgenoſſen, bie 
in ihrem Bunde jeßo find oder noch darein fommen, einen fleten und ge⸗ 
treuen Sat zu haben und zu halten bis auf Fünftige Weihnachten, alfo, 
ba fie und ihre Veſten Schallöburg, Balingen und Mülheim unb alle die 
SHrigen nicht? gegen jene unternehmen, auch ihre Feinde nicht baufen 
wollen, mit bem Borbehalt jedoch, daß, wenn ber Kaifer oder jemanb 
anders fie Kriege benöthen ober beliegen wolle, fie beö alten Grafen ältern 
Sohn, Graf Friedrich, den man ben Ritter nennt, ob er gleich ber Reichs⸗ 
Ridte Feind, in ihre Veſten aufnehmen bürfen, um dbiefe vertheidigen zu bel: 
fen. In dem Satze find auch inbegriffen ber Grafen Diener Walger Ke⸗ 
ruf von Byfingen und Heinridy von Werbenwag. — Stillfried und 
MRärker, Monumenta Zollerana 1, 232, No. CCCLXX. 91. 
April 12. Friedrich, Pfalzgraf bei Rhein und Herzog in Baiern, ftellt ber 
Stabt Ulm eine Quittung aus über bie Bezahlung von 82 Gulden, guter 
ungar. und böhm., ihres Antheild an den 500 Gulden, melde ibm bie 
Bunbesftädte in Schwaben zu Ulm verbeißen auf St. Midaeldtag zu 
geben wegen ber Zebrung, die er zu Ulm that, als er in Thädigung ritt 
zwifchen bem Raifer und ihnen unb ihren Eibgenofjen. — Ulmer Archiv. 92. 
Rei 21. Schreiben ber Reutlinger an Ulm, eine Befchreibung des an eben 
biefem Tage über Graf Ulrih von Wirtemberg erfochtenen Sieges ent: 
Baltend, mit ber Bitte, fie auch den nächltgelegenen Städten mitzutheilen. 
— Gayler, hiftorifhe Denfwürdigkeiten von Reutlingen bis 1577. 
Daſſelbe Schreiben, jedoch bie und da etwas abgefürzt, an die Con 
Ranzer gerichtet, findet fi (ohne Datum) E. Chr. 321. Anftatt ber Bitte, 
es andern Städten mitzutbeilen, fteht bier bloß: und bittent üch, das ir 
die tatt an schribent an der stett büch da üch denu dunkt, da es nottirff- 
tig sig, und tünd alz wir üch getrüwent, Von uns dem burgermaister 
und der statt Rüttlingen. 922° 
Rai 41. Rotenburg. 8. Karl und K. Wenzel beben bie Acht auf, welche 
über bie Städte Gonftanz, Ulm, Eflingen, Reutlingen, Weil, Rotweil, 
Weberlingen, Memmingen, Biberah, Ravensburg, Lindau, St. Ballen, 
Bempten, Kaufbeuren, Leutkirch, Zany, Wangen und Buchhorn verhängt 
geroefen, und verorbnen, daß, was in Jahresfriſt auf die Städte erklagt 
worben, von bed Kaiſers und bed Königes wegen auf ben Landrichter zu 
9% 


1377. 


182 


Memmingen, auf die Bürgermeifter, bie Räthe unb die Bürger gemeinlich 
der Städte zu Memmingen und zu Biberad, und namentlich die Klage 
und Acht, welche Konrad von Rechberg von Weſchenburg auf die von 
Memmingen gethan bat, gänzli ab fein fol, daß auch Us von Holkbein, 
Veter und Ulrich die Stammler und die Bürger gemeinlich der Stabt zu 
Ulm, die durch Hand Arnold von Dinkelsbühl, Yedlin ber Zub von Ulm, 
ber burch den Grafen von Wirtemberg in bie Acht gelommen, aus berjel- 
ben gethan werben. — St. X. Reg. Boica IX, 376. 93. 


Mai 31. Rotenburg. K. Wenzel empfängt auf Geheiß K. Karls bie Städte 


Ulm, Eßlingen, Conftanz, Reutlingen, Rotweil, Weil, Weberlingen, Wem: 
mingen, Biberach, Ravensburg, Lindau, St.Gallen, Kempten, Kaufbeuren, 
Leutfich, Zarıy, Wangen und Buchhorn, die ſich wider ihn und feinen 
Bater gefett, in feine Gnade, Holde und Gunſt; er will, daß um bie 
Kriege zwifchen ihnen beiden und ihren Helfern, ben Grafen Eberhard unb 
Urih von Wirtemberg, Graf Heinrich von Werbenberg, genannt von 
Albeck, Herzog Friedrih zu Ted, Kraft und Götz von Hobenloh u. ſ. f. 
einerfeit3, und ben Stäbten ſammt ihren Helfern und Dienern andrerfeitz, 
eine rechte ftäte und ganze Sühne fein fol, und erflärt Ladung, Klage, 
Anleitung und Acht, die bis heut auf den Städten und ihren Angehörigen 
gelegen, für abgethan. — St. A. 94. 


Mai 31. Rotenburg. 8. Wenzel verfpridt, daß an Statt ber beiden 


Briefe, welhe K. Karl den Städten Ulm, Gonftanz, Eflingen, Reutlingen, 
Notweil, Weil, Ueberlingen, Memmingen, Biberah, Ravensburg, Lindau, 
St.Gallen, Kempten, Kaufbeuren, Leutkirch, Isny, Wangen und Buchhorn, 
die fich wider ihn und Wenzel gejeßt, ertheilt, von denen ber erſte den 
Auftrag an Wenzel enthält, zwifchen ben Städten unb ben Helfern des 
Kaiſers zu thädingen und jene zu Gnaden aufzunehmen, der zweite eine 
Zufiherung an die vier Städte “uber Albe’ Eflingen, Rotweil, Reut: 
lingen, Weil, daß fie nie mehr unter die Landvogtei ber von Wirtemberg, 
der von Hohenloh und ihrer Diener fommen folten, weil dieſe Briefe nur 
mit dem Fleinen Infiegel verfehen find, ben Städten bis zum St. Michaels: 
tag gegen Zurüdgabe derfelben andere Briefe mit bem Faiferl. Majeftätz- 
infiegel follen überantwortet werden. — St. X. 95. 


Mai 31. Motenburg. Privileg 8. Wenzeld für bie Städte Ulm, Conftanz, 


Eßlingen, Reutlingen, Rotweil, Weil, Weberlingen, Memmingen, Biberach, 
Ravensburg, Lindau, St. Gallen, Kempten, Kaufbeuren, Leutficdh, Isny, 
Wangen, Buchhorn, gleidhlautend mit bem von K. Karl ben 9. Januar 
1348 den ſchwäbiſchen Städten ertheilten. — St. X. Lünig, Reichsarchiv 
part. spec. cont.IV, 1, 29. Wegelin II, 48 Nr. 49. Reg. Boica IX, 376. 96. 


Juni 15. Tangermünde K. Karl beftätigt die buch K. Wenzel mit den 


Städten vorgenommene Sühne durch einen mit feinem Laiferlichen Infiegel 
verfehenen Brief. — St. U. 97. 


Juni 17. Nürnberg. K. Wenzel thut ben Stäbten Ulm, Conſtanz, Eflingen, 


Reutlingen, Rotweil, Weil, Ueberlingen, Memmingen, Biberach, Ravens⸗ 
burg, Lindau, St. Gallen, Kempten, Kaufbeuren, Leutfich, Isny, Wangen 


133 


mid Buchhorn Fund, daß, nachdem zu Rotenburg bie Sühne mit ihnen 1377. 
vellzegen worben, er den Edlen Witlen von Landeftein, feinen Rathgeben 
unb lieben Getreuen, und ben Probſt Yacob zu Wolframskirchen, feinen 
heimlichen Schreiber, als Bevollmächtigte zu ihnen fende, um ihnen bie 
Briefe zu bringen, ihre Gegenverfchreibungen ſich geben zu laffen, und bie 
Hulbigung zu empfangen. — St. 2. 98, 
Yi 18. Nürnberg. Wenzel, römifcher König und König zu Böhmen, be- 
Mätigt bie Webertragung der Landvogtei Ober Schwaben durch feinen Vater 

8. Karl an Stephan und riebrich, Herzoge von Bayern. — Reg. Boica 

' EX, 378. 99. 
ig 9. Die Stadt Rörbfingen tritt in ben Bunb ber Städte Ulm, Conſtanz, 
Ghlingen, Reutlingen, Weil, Ueberlingen, Memmingen, Biberach, Ravens⸗ 
burg, Linbau, St. Gallen, Kempten, Kaufbeuren, Leutkirch, Isny, Wangen 
wnb Buchhorn. — Ulmer Ardiv. 100. 
Ung. 11. Conſtanz. Die Abgeordneten ber Reichsſtädte, welche das Bünbniß 
Baben um ben See, nämlich Conftanz, Ueberlingen, Ravensburg, Wangen 
und Buchhorn, ftiften eine vollfommene Sühne zwiſchen Bruber Rudolf 
von Homburg und andern Brüdern bed beutfchen Ordens einerfeits, ihren 
Eidgennofien, ben Bürgern von Lindau und St. Gallen anbrerfeits, wegen 
ber Stöße, bie fi erhoben darum, baß Bruder Heinrich der Schen? von 


Landbegg zu Lindau gefangen ward. — Reg. Boica 1X, 380. 101. 
Ing. 16. Bopfingen tritt in den Bund. — Kurze Notiz bei Schmid. 102. 
Ing. 17. Desgl. Hall. — Ebenbort. 103. 
Img. 17. Degl. Heilbronn. — Ebendort. 104, 


Ing. 18. Weinsberg tritt in den Bund der Reichsſtädte Ulm, Eonftanz, Ch: 
fingen, Reutlingen, Rotweil, Ueberlingen, Demmingen, Biberach, Ravens⸗ 
burg, Lindau, St. Gallen, Wangen, Buchhorn, Kaufbeuren, Isny. — 
St. U. 105. 

Eng. 18. Dinkelsbühl tritt in den Bund, welden die Städte Ulm, Eonftanz, 
Eflingen, Reutlingen, Rotweil, Weberlingen, Memmingen, Biberach, Ra: 
vensburg, Lindau, St. Ballen, Wangen, Buchhorn, Kaufbeuren, Leutkirch 


und ZIsny geichloffen. — St. A. 106. 
Bing. 19. Gmünd tritt in den Bund. — Kurze Notiz bei Schmib. 107. 
Ung. 19. Bedgl. Aalen. — Ebenbort. 108. 
ng. 25. Desgl. Wimpfen. — Ebenbort. 109, 


Ung. 25. Ulm. Meiſter Heinrih ber Behan verbindet fih ben Städten 
Um, Eonftanz, Ehlingen, Reutlingen, Rotweil, Weil, Weberlingen, Diem: 
mingen, Biberach, Ravensburg, Lindau, St.Gallen, Kempten, Kaufbeuren, 
Leutfich, Isny, Wangen und Buchhorn, die jegt ben Bund mit einander 
Kalten, auf ein Jahr ihr Tiener, Werkmann und Meifter zu fein um 
450 Sulden. — Schmib. 110. 

Sept. 21. Graf Rubolf von Hobenberg quittiert der Stadt Lindau ben Em: 
pfang von 188 ungar. und böhm. Gulden und 162 rheinifchen, als Antheil 
an ben 10000 Gulden, welche bie Städte in dem Bunde zu Schwaben laut 
ber hierüber empfangenen Briefe aufbringen follen. — Reg. Boica 1X, 382, 111. 


134 

1377. Sept. 36. St. Gallen. Wlrih Häh, Ammann zu Appenzell, Heinrich auf 
der Halden, Ammann zu Hunbwyl, ‚Eunrab Geppenfteiner, Ammann zu 
Gais, und bie Landleute alle gemeinlih zu Appenzell, zu Hundwyl, zu 
Urnäſchen und zu Gais, und alle bie, bie in biefelber Xemter gehören, und 
bie von Teuffen, reih und arm, treten mit Erlaubniß ihres gnäbigen 
Herren, bed Abted Georg von St. Ballen, in ben Bund ber Reichsſtädte 
Um, Conftanz, Rotweil, Weil, Reutlingen, Weberlingen, Memmingen, 
Biberach, Ravensburg, Lindau, St.Gallen, Kaufbeuren, Leutfird, Wangen 
und Isny. — Zellweger, Urkunden I*, CXIV. SKnipfchilbt 489. Lilnig, 
NR. A. part. spec. cont. IV, 1, 30. 112. 

Dec. 2. Bien. Vollmacht ber Herzoge Albrecht und Leopold von Deſterreich 
an Ludwig von Hornſtain und Götz den Müller, mit des Reiches Städten 
zu Schwaben oder zu Elſaß, und ſonderlich mit den Städten, die jetzt 
daſelbſt zu Schwaben verbunden find, ein Bündniß abzuſchließen. — 
St. A. 113. 

Dec. 20. Die Städte Ulm, Conſtanz, Eßlingen, Reutlingen, Rotweil, Weil, 
Ueberlingen, Memmingen, Biberach, Ravensburg, Lindau, St. Gallen, 
Kempten, Kaufbeuren, Leutkirch, Isny, Wangen, Buchhorn, Gmünd, Hall, 
Heilbronn, Nördlingen, Dinkelsbühl, Bopfingen, Wimpfen, Weinsberg und 
Aalen verbünden fi bis zum 23. April 1385 zu gemeinfamer Hilfßleiftung 
wider Jedermann, ber fie angreifen, befümmern, brängen ober befchäbigen 
wollte an ihren Rechten, Freiheiten, Briefen ober guten Gewohnheiten, bie 
fie von römischen Kaiſern oder Königen haben, mit Schakung, mit Ber: 
feßen oder mit andern Sachen, Niemand ausgenommen, mit ber einzigen 
Einfhränfung, daß fie bem heiligen Reiche feine Rechte halten und thun 
wollen. Es fiegeln bie fämmtliheu 27 Stäbte. — Zellweger, Urkunden 11, 
CXV, mit einigen Heinen Lüden, nad einem nicht fehr correcten Original. 
— Das Verzeihniß ber Städte Reg. Boica IX, 388 muß auf irgenb einer 
Verwechslung beruhen. 114, 

1378. 

1378. Febr. 13. Ludwig von Hormitain, ber Gebrüber Albrecht und Leopold, Her: 
zoge von Defterreih, Landvogt in Schwaben, Gottfried der Müller, ihr 
Landvogt in Aargau und Thurgau und auf bem Schwarzwald, Walther 
von ber Dikke, Landvogt in Breisgau, Eberhard von Lupfen, Landgraf 
zu Stülingen und Burggraf zu Tirol, Conrad Schnewly, Schultheiß zu 
Freiburg, Hand von Bonftetten, Vogt zu Kiburg, Heinri von Randegg, 
Bogt zu Schaffhaufen, Wernder ber Schent von Bremgarten und Cunrad 
von Tainhain, Vürgermeifter zu Villingen, fchließen auf Grund ber den 
beiben erfigenannten ertheilten herzoglichen Bollmadt ein Bündniß zwifchen 
ben Herzogen und ihren Landen Elfaß, Breisgau, Sundgau, Aargau, 
Thurgau, Kurwalden und Schwaben, und allen ihren Städten und Die- 
nern, Herren, Rittern und Knechten in benfelben Lanben und Kreifen einer- 
feits, und bed heiligen R. Reichs Städten in Schwaben, Ulm, Conſtanz, 
Ehlingen, Reutlingen, Rotweil, Weil, Memmingen, Ueberlingen, Biberach, 
Ravensburg, Lindau, St. Gallen, Kempten, Kaufbeuren, Leutfich, Isny, 


135 


Bangen, Buchhorn, Nördlingen, Dinkelsbühl, Bopfingen, Gmünd, Hall, 1378. 

Heilbrom, Wimpfen, Weinsberg und Aalen andererſeits. Den Bunbbrief, 
mit ben Siegeln ber Herzoge verfehen, wollen fie bis zum 23. April nad 
Um fchiden, worauf die Stäbte ben ihnen eingehändigten Vollmachtsbrief 
wieber zurüdgeben. — St. U. — Ten von den Stäbten audgeftellten 
Brief, in welchem auch Buchau genannt ift, ſ. Lichnowsky IV, Reg. 1346. 
Etendort 1347 unter bemfelben Datum: Verfiberung ber Geſandten biefer 
Keigäfläbte wegen dieſes abgejchloffenen und beſchworenen Bunbes bis zur 
Sufrument-Zertigung. K. T. g. 9. 115. 
Bei 17. Rotenburg an ber Tauber tritt in ben Stäbtebund. — Schmid. 116, 
Bi 22. Die zu Ulm verfammelten Reichäftäbte, welche den Bund mit einan- 
ber halten, ordnen bie Berfaffung ber Ländlein Appenzell, Hunbwyl, Ur: 
nähen und Teufen und empfehlen biefelben ber befondern Obhut ber 
Städte Conſtanz und St. Gallen. Es fiegelt die Stadt Ulm, Zellweger 
Urf. 11, CXVi. 117. 
Nug. 20. Graf Rudolf von Hobenberg beſcheinigt der Stabt Ulm, baß fie 
feinem Wirthe, Hand Schefolten, 95 Gulden bezahlt babe als Theil der 
12000 Gulben, welche bie Stadt Ulm unb andere bed ſchwäbiſchen Bundes 
Städte ihm, dem Grafen, treulich geliehen. — Schmid. 118. 
Ing. 30. Nürnberg. K. Karl verkündet, daß er zwifchen Bifhof Gerharb von 
Wirzburg, ben Grafen Eberhard und Ulrich von Wirtemberg und Craft von 
Hohenlohe einerſeits, den Reichsſtädten in Schwaben, Rotenburg an der 
Zauber und andern Städten andrerfeits, eine Auzföhnung zu Stande ge: 
bracht, und zählt die Punkte auf, welche den Grafen Eberhard betreffen. 
Er fol erftend dem Ehlinger Spital die zwei Dörfer Möringen und Bat: 
kingen wieder geben, ebenfo den Eßlingern bie Güter, bie er ihnen feit ber 
Richtung zu Laufen (f. Nr. 58) genommen oder fleuerbar, zindbar und 
vogtbar gemacht bat (in zweifelhaften Fällen ientfcheidet ein Schiedsgericht, 
dem Herzog Friedrich von Baiern und Ulrich Beſſerer, Bürger zu Ulm, 
zufammen vorftehen); ferner fol er bie Klöfter, welche zum Reiche gehören, 
nidgt hindern, ihren Wein und ihr Korn Hinzuführen, wohin fie wollen, 
und endlich bie Briefe, bie er vom Kaiſer über die Stadt Weil und über 
die Bird empfangen hat, herausgeben, die Gefangenen zu beider Seite 
follen mit einer fchlechten Urfehde ledig gelaflen werden, Verfprechen wegen 
Schatzungen u. dgl., bie noch nicht erfüllt find, ungültig fein. — Sattler 
165. Im Auszuge bei Datt 36. 119. 
Sept. 4. Eßlingen. Die Reihsfädte in bem Bund zu Schwaben thun Fund, 
baß fie ihre lieben getreuen Eidgenoffen, die Hofleute der Stadt Altftetten 
des Hofes zu Marbad und bed Hofes zu Bernang in bem Rheinthale, 
welche zu ibnen geſchworen, ber befonbern Fürſorge ber Städte Lindau unb 
St. Gallen empfohlen haben. Es fiegelt die Stadt Eßlingen. — Gt. 
Galler Stadtardiv. 120. 
Sept. 28. Giengen tritt in den Bund ber Stäbte in Schwaben, Ulm, Con⸗ 
Ranz, Eßlingen, Reutlingen, Rotweil, Weil, Ueberlingen, Memmingen, 
Biberach, Ravensburg, Lindau, St. Gallen, Kempten, Kaufbeuren, Leut⸗ 


136 


1378, kirch, Isny, Wangen, Buchhorn, Buchau, Rörblingen, Dintelsbühl, Gmünd, 
Heilbronn, Hal, Wimpfen, Weinsberg, Bopfingen, Aalen, Rotenburg a. d. 
Tauber, Pfullendorf. — St. A. 121. 

Det. 4. Eßlingen. Walther von Höchenriett, Nitter, verbindet fi mit ben 
ſchwäbiſchen Reichsſtädten, welche fi, dem 5. Reiche zu Trofi und Ehren, 
ihnen felbft und dem Lande zu Frieden und Gemad, vereinigt haben. 
(So ift wohl bie Faſſung ber Reg. Boica X, 18 zu berichtigen). 122. 

Dct. 10. Chucheim. Friedrich, Pfalzgraf bei Rhein, Herzog in Baiern, ober: 
fer Landvogt in Ober: und Nieberfhwaben, verſpricht den Städten Eß— 
fingen, Reutlingen, Rotweil, Weil, Hal, Heilbronn, Wimpfen, Bopfingen, 
Weinsberg, Gmünd, Aalen, Dinkelsbühl und Nördlingen einen Brief zu 
geben in aller ber Maß unb Weiſe, wie ber Brief, den er den Stäbten in 
ber obern Lanbvogtei gegeben, welche er fchon früher inne gehabt. — Datt 
37. Sattler 163. 123. 

Nov. 1. Prag K. Karl verbietet allen Fürſten, Grafen, rein, Edlen, 
Rittern und Knechten, welchen in dem leßten Kriege zwiſchen Graf Eber⸗ 
bard von Wirtemberg unb den Stäbten ihre feften Häufer oder Schlöfier 
gebrochen worben, biefelben wieber zu bauen, biß er gen beutfchen Landen 
fomme: dba wolle er nad ben genannten Städten fenben unb bie Sache 
fo austragen, wie e8 dem Reiche nüglich und gut fein werde. — St. A. 124, 

1379. 

1379. Febr. 1. Eßlingen. Herzog Friedrih von Baiern, der mit Ulrich bem Beſſe⸗ 
rer, Bürger zu Ulm, gemäß der durch ben Katfer fel. gemachten Richtung 
einem Schiedßgerichte in Sachen Graf Eberhards von Wirtemberg und ſeines 
Sohnes Ulrich einerfeit3 und ber Stabt Eßlingen andrerſeits vorgeftanden bat, 
verfünbdet den Ausspruch befielben; bie beiden Theile geloben, bem Spruche 
nachzukommen und hängen ihre Siegel neben das bed Herzogs. — Eingang 
und Schluß des Briefe bei Datt 31. 125. 

Febr. 1. Nürnberg. 8. Wenzel verfchreibt dem Herzog Friebrih von Baiern 
bie Landvogtei in Ober: und Nieberfhmwaben, die ibm durch bes Kaiſers 
Tod Tedig geworben, alfo, baß er biefelbe mit ben gewöhnlichen Steuern 
der Städte, Nutzen und Zinfen von ben Juden und all anbrer Rente 
drei Jahre inne haben mag. — Reg. Boica X, 26. 126. 

Febr. 8. Nürnberg. Derfelbe gebietet den Unterthanen ber Lanbvogteien in 
Dber: und Niederfhwaben, bem Herzog Friedrich, feinem Obeim, als ihrem 
Landvogte gehorfam und gewartenb zu fein. — Reg. Boica X, 26. 127. 

Febr. 25. Frankfurt a. M. K. Wenzel verpfändet an ben Herzog Leopold 
von Defterreih um 40000 Florentiner Golbgulden bie beiden Lanbpogteien 
in Ober: und Nieberfchwaben, empfiehlt ihm zugleih damit Augsburg und 
Giengen, unb weiſt ihm 6526 Gulden an, bie er bort jährlih aufheben folle; 
alle Gülten und Lehen, welche in den Landvogteien ledig werben, fallen 
ihm zu, auch bat er dad Mecht, alles dafelbft vom Reiche Verpfänbete an 
fi zu löfen, bie Landvogteien aber follen durch Niemand eingelöft werben 
fünnen als durch den König ober feine Nachfolger. — Wegelin 49 Nr. 50. 
Lichnowstky IV, Reg. 1403. 128, 


137 


Fehr. 25. Frankfurt a. M. K. Wenzel giebt dem Herzog Leopolb Gewalt, als 1379. 
Zanbvogt in Schwaben alles burd ben Tob K. Karla dem Reiche ledig 
Geworbene, Aemter, Lehen, Güter, Anfälle und Nutzungen, einzuforbern. 

— Lichnowsky IV, Reg. 1408. 129. 

debr. 25. Frankfurt a. M. K. Wenzel erläßt einen Befehl, ben Herzog 
Leopold als Lanboogt in Ober: und Niederſchwaben zu erfennen und bem: 
felben gehorfam zu fein. — Wegelin 51 Nr. 51. 130. 

Febr. 25. Frankfurt a. M. Daſſelbe befieblt er in einem fpeciellen Brief 
den Ständen und Städten in ber niebern Landvogtei Schwaben. Lid: 


nowäly, IV, Reg. 1404. Lünin, Cod. dipl. Germ. II, 887. 131. 
gebr. 25. Frankfurt a. M. Daſſelbe denen der obern Landvogtei. Lich⸗ 
nowsty IV, Reg. 1405. Wegelin 52 Nr. 52. 132. 
sehr. 25. Frankfurt a. M. Daſſelbe ber Stabt Augsburg. Lichnowsky IV, 
Reg. 1406. 133. 
gebr. 25. Frankfurt a. M. Daſſelbe der Stabt Giengen. Lichnowsky IV, 
Reg. 1407. 134. 


Suni 23. Znaim. 8. Wenzel verfprigt dem Herzog Leopold bie ihm ver: 
pfänbete Landvogtei in Schwaben bis fünftigen St. Martindtag einzuant: 
worten, unb flellt ihm dafür zwölf Bürgen. Lichnowsky IV, Reg.1431. 135. 

JIuli 4. Baden. Ruprecht ber Ältere, Ruprecht der junge, Dito, Stephan, 
Friedrich, Johannes und Ruprecht ber jüngfte, Pfalzgrafen bei Rhein und 
Herzoge in Baiern, Bernbard, Markgraf zu Baden, für fih und feinen 
minderjährigen Bruder Marfgraf Rudolf, verbünden fich mit den Reichs⸗ 
Aädten Ulm, Eonflanz, EBlingen, Reutlingen, Rotweil, Weil, Weberlingen, 
Memmingen, Biberach, Ravensburg, Lindau, St. Gallen, Kempten, Rauf: 
beuren, Leutlicch, Isny, Wangen, Pfullendorf, Buchhorn, Buchau, Nörb: 
fingen, Dinkelsbühl, Rotenburg a. b. Tauber, Gmünd, Hall, Heilbronn, 
Bimpfen, Weindberg, Bopfingen, Aalen, Giengen, Wyl im Thurgau und 
Appenzell dem Land bis zum 23. April 1385 zu gegenfeitiger Hilfsleiftung 
gegen Jedermann, ber fie angriffe ober ſchädigte mit Nahme, mit Brand, 
mit Raub oder mit andern Saden. — St. A. Datt 39 (im Verzeichniß 
der Städte fehlt dort irriger Weife Weil nach Rotweil). Aus Datt: Zell: 
weger, Urt. 11, CXIX. 

Die Begenverfchreibung ber Stäbte ift aus Ulm datiert nach Gemeiner II, 
191 Anm. 136. 

Juli 4. Baden. Die obengenannten Zürften verſprechen den Städten, daß 
fie die edlen Graf Eberhard und Graf Ulrich von Wirtemberg unb Craft 
von Hohenloh in Feine Einung und fein Bündniß aufnehmen wollen, fo 
lange bie eben mit ben Städten abgefchloffene Einung währe. — St. A. 137. 

Juli 27. Die Stadt Augsburg tritt in den Städtebund. — Kurze Notiz ei 
Edmid. 138. 

©ep. 4. Herzog Ruprecht der ältere jchreibt an bie ſchwäbiſchen Bundesſtädte, 
daß der Biſchof von Speier fi) der Feinde angenommen babe und ben 
Bund befriege; er begehrt daher nach Inhalt der Einung, daß man 100 
ebrbare Leute mit Gleven beftelle; 50 fol man 8 Tage nad) Memigestag 


188 


1379. nach Heibebheim ind Schloß ſchicken und 50 auf den Remigistag (1. Oct.) 
ſelbſt oder alle 100 zuſammen. — Schmib („aus dem Nördl. Archiv mit- 
geteilt"). 139. 

Det. 11. Gonftanz. Die Reichsſtädte, melde das Bündniß halten um den 
Ser, ſchlichten bie Mißhellungen zwifchen Abt Cun von St. Gallen und 
ben Landleuten zu Appenzell und fchreiben ben letztern ben Eib vor, ben 
fie dem Abte ſchwören follen. Es fiegelt bie Stadt Conſtanz. — Zell: 
weger, Urk. 1°, CXZ1. 140. 

Det. 13. Wiesbaden. Wilhelm Graf zu Wied, Wilhelm Graf zu Katzenellen⸗ 
bogen, Johann Graf zu Naffau, Wilhelm Probſt zu Achen, Herr zu Zen: 
burg, Erkenerus Herr zu NRobenftein, Ulrich zu Cronenberg, Bistum im 
Rheingau, Johann von Eronenberg, Johann von Reiffenberg, Walther 
von Eronenberg, Rudolf von Waffenhaufen, Friedrich von Meiffenberg, 
Nitter, Cun von Reiffenberg, Frank von Eronenberg und Wolf von Waf: 
fenbauen, Edelfnechte, fliften zu gegenfeitigem Schuß eine Geſellſchaft, welche 
bis Weihnacht 1382 währen fol, und deren Mitglieder, wenn fie Ritter 
find, einen goldenen, wenn Edelknechte, einen filbernen Löwen ald Wahr: 
zeihen tragen. — Schannat, Sammlung alter hiſtoriſcher Schriften und 
Dokumenten 1, 9 Nr. IV. Herzog, Elſaſſer Ehronit (Straßburg 1592) 
©. 70. 131. 

Nov. 16. Die Reichsſtädte in dem Bunde um ben See ſprechen aus, daß bie 
Länder zu Appenzell bie noch ausftehenden Steuern, Zinfen, Zehnten u. f. w. 
dem Abt Cuno von St. Gallen entrichten follen. Es fiegelt die Stadt 
Buchhorn. — Zellweger, Urt. 11, CXXIV. 442. 

Nov. 16. Buchhorn. Die Reichsſtädte, bie ben Bund halten um ben See, 
ſetzen als Schiebörichter die Artikel feſt, durch welche die Stöße und Miß— 
heilungen zwifchen Abt Gun zu St. Gallen und den vier Länblein Appen: 
zell, Hundwyl, Urnäfhen und Zeuffen follen gejchlichtet werben. Es fie: 
gelt die Stabt Buchhorn. — Zellweger, Urk. 11, CXXV. 143. 

1380. 

1380. Jan. 13. Die Bunbesftäbte in Schwaben beichließen, daß bie Botfchaften 
feine Gefchente nehmen follen. — Schmid („bie Urt, im Ulmer rothen 
Buche fol. 65°). 144, 

Febr. 12. Graf Rudolf von Hohbenberg tritt auf brei Jahre dem Städte: 
bunbe bei. — St. X. unter Reichsſtädte indgemein, nad Stälin I, 382 
Anm. 2%. 145, 

Merz 17. Frankfurt aM. Quittung 8. Wenzeld über Empfang ber Steuer 
ber Städte durch Friedrih, Pfalzgraf bei Rhein und Herzog in Baiern. 
— Schmid. 146. 

April 1. Nbfagebrief der Bunbesftäbte an Hohenlohe wegen bed Schwäbiſch 
Hal, Rotenburg und Dinkelsbühl zugefügten Unrechts. — Schmid, nad 
Hofmannd Chron. v. Crailsheim 72. 147. 

Juni 14. Die Reichsſtädte in dem Bund zu Schwaben, zu Ulm verſanmmelt, 
ſchlichten anf Erſuchen der beiden Parteien bie Greuzſtreitigkeiten zwiſchen 
Abt Heinrih von Mündrot und bem Probft von Ochſenhauſen. Es flegelt 


139 


bie Stabt Ulm. — Stabelhofer, Historia imperlalis et exemti Collegii 1380. 
Rethensis in Sueria I, 187 Rr. L. 148. 
Semi 26. Gonflanz Die Reichöftäbte, die das Bünbniß haben um ben See, 
erfennen im Sachen ber Streitigkeiten des Abted Kuno von Gt. Ballen, 
Bürgers zu Lindau, und ber Stabt St.Gallen, welche ſchon einmal dur 
ben Bunb um den See behanbelt, dann vom Abt vor ben großen Bund 
nad Ulm gebradt und von biefem wieder an ben Bunb um ben Sce 
zurüdgewiefen worben, folgendermaßen: Es foll ber Abt ben Bürgern von 
&t. Gallen einen Brief anäftellen, wie der, den Abt Georg vormals ge 
geben, woranf bie Bürger ihn aufzunehmen und ihm zu bulbigen haben. 
Weiter fi ergebende Streitpunkte follen zur Schlichtung wieder vor den 
Bund gebracht werden. Mit biefem Spruch haben fi auch beide Parteien 
zufrieden erflärt. Es fiegelt die Stadt Conſtanz. — Tſchudi I, 501. 149. 
Yani 21. Richenwiler. Graf Heinrich von Montfort, Herr zu Tettiang, 
Wrid, Graf zu Birtemberg, Boemund von Ettendorf, Herr zu Hobenfels, 
und Martin Malterer, Ritter, Hauptleute ber Geſellſchaft mit dem Löwen 
zu Schwaben, zu Lothringen, zu Elſaß, zu Franken, verfpreden in ihrem 
und ber Gefellihaft Namen, ber Stabt Bafel, welche in bie Geſellſchaft 
gekommen if, zu beifen, gleichwie Herren, Rittern und Knechten und wie 
ber Hauptbrief ſage. — Leiſtungsbuch I im Basler Gtaatdardiv fol. 
CXXxIV. Ochs, Geſchichte von Bafel I, 255. Sollte vielleigt in ber 
Originalurkunde ftatt donrstag vor sant Johanstag geftanden haben: nad 
St. Johanstag (28. Juni)? f. die folgende Nummer. 150. 
Suni 28. Lutolb von Berenweld, Ritter, Bürgermeifter, und ber Math zu 
Bafel verbinden und verpflichten fi in ihrem unb all ber Ihrigen, Reicher 
und Armer zu Bafel, Namen, zu den Herren, Rittern und Knechten, die 
da halten bie Gefellihaft mit dem Löwen, und verfprechen, ihnen zu bie: 
nen innerhalb der Bisthümer Straßbnrg und Bafel und der Herrfchaft 
von Birtemberg. — Basler Leiftungsbuch I, fol. CXXXII. Ochs II, 254. 151. 
Aug. 16. Hergartöhaus auf bem Feld. Graf Heinrih von Montfort, Herr 
zu Tettnang, Ulrich, Graf zu Wirtemberg, Könige ber Geſellſchaft mit dem 
Löwen zu Schwaben, Lothringen, zu Eljaß, zu Franken, Ulrich von Hohen: 
Ich, Ott von Hachberg, Markgraf Hand von Hachberg, Graf Friedrich von 
Hohenzollern, Graf Tägli von Zollern, ber Schwarzgraf von Zollern, Graf 
Mülin von Zollern, Rudolf Herr zu Kyburg, und die Sefellfchaft gemein: 
lich, Herren, Ritter und Knechte, wie fie jebt auf dem Felde find, ſchicken 
der Stabt Frankfurt einen Abfagebrief. — Auszug im Archiv für Frank: 
furts Geſchichte und Knnſt, 2. Heft, S. 91. 152. 
Nov. 3. Prag. K. Wenzel befieblt ber Stabt Lindau, daß fie bie bem Reiche 
ſchuldige Steuer auf nächſten St. Martini:Tag dem Herzog Friedrich von 
Baiern bezahlen folle. — Reg. Boica X, 62, 153. 
Rov. 27. Rotweil. Eglolf von Wartemberg, Hofrichter an Statt unb im 
Ramen Graf Rudolf von Sulz, ertbeilt ben Ulmern ein Vibimus bes 
Freiheitsbriefes K. Wenzel v. 1377 (oben Nr. 96). . 354. 


140 


(1331.) 

1381. (Sehr. 11). Einladung an den Rath zu Frankfurt, daß er auf nächſten 3. Merz 
feine Freunde nach Speier fenden möge, um bei ber von Seiten ber Rit⸗ 
tergefellfichaften drohenden Gefahr bort mit andern Städten eined Bundes 
überein zu kommen. (Die Zeitbeflimmung in der Urkunde ifi bloß: Datum 
ferla secunda proxima ante Valentini martiris ohne Jahrzahl. Bon wen 
die Einladung abgeſchickt wird, ift auch nicht bemerft). — Böhmer, Cod. 
dipl. Moenofraneofurtanus I, 757. 155. 

Merz 20. Speier. Die Städte Mainz, Straßburg, Worms, Speier, Frank: 
furt, Hagenau und Weißenburg verbünden fi) bi8 Weihnacht 1384 zu 
gegenfeitigem Schuß gegen Jedermann in allen Kriegen, welche fie anfallen 
würben. — Lehmann 743. Lünig, R. 9. part. spec. cont. IV, 1,30. 156. 

April 5. Conſtanz. Die NReichöftäbte, die den Bund haben um ben See, be= 
fimmen im Auftrage des großen Bunbes in Schwaben ben Eid, welchen 
die St. Galler dem Abte Cuno zu ſchwören haben. Es fiegelt bie Stadt 
Gonftanz. — Tſchudi 1, 501. 157. 

Quni 15. Speier. Die Stadt Pfeddersheim tritt mit Cinwilligung ihres 
(Pfand:) Herrn Philipps, Herrn zu Yalfenftein und zu Müngenberg, in 
ben Bunb ber Stäbte Mainz, Straßburg, Worms, Speier, Frankfurt, 
Hagenau und Weißenburg, unb verpflichtet fich, zu ber großen Summe 
mit brei Bleven, zu ber kleinen mit einer zu dienen. — Schaab I, 267 
Nr. 203. 158. 

uni 17. Speier. Die Reichsſtädte Augsburg, Ulm, Conſtanz, Eßlingen, 
Reutlingen, Rotweil, Weil, Ueberlingen, Memmingen, Biberach, Ravens⸗ 
burg, Lindau, St. Ballen, Pfullendorf, Kempten, Kaufbeuren, Leutkirch, 
Isny, Wangen, Buchhorn, Gmünd, Hal, Heilbronn, Wimpfen, Weins⸗ 
berg, Rörblingen, Dinkelsbühl, Rotenburg a. d. Zauber, Giengen, Bopfin- 
gen, Aalen, Wyl im Thurgau und Buchau verbinden fih mit den Städten 
Mainz, Straßburg, Worms, Speier, Frankfurt, Hagenau, Weißenburg unb 
Pfeddersheim zu gegenfeitigem Schutze bi? Weihnachten 1384. Es fiegeln 
bie ſämmtlichen ausftelenden (fhwäbifhen) Städte. — Lehmann 746. 
Lünig, R. X. part. spec. cont. IV, 1, 30. Gebr ungenauer Auszug Reg. 
Boica X, 75. 159. 

Juni 17. Speier. Die Stäbte Mainz, Straßburg u. ſ. w. (alle mit Namen 
aufgeführt) verjprehen ben Städten Augsburg, Ulm u, |. w. (gleichfalls 
alle aufgezählt), wenn einer der genannten Herren, bie fie in ihrem Bünb- 
niſſe ausgenommen baben, gegen fie etwas unternehmen würbe, ihnen auf 
ergangene Mahnung Bin auch gegen dieſe beizuſtehen. Es fiegeln bie 
fämmtlihen Städte. — Datt 54. Schaab IL, Nr. 206. 160, 

Juli 3. Landshut. Die Baiernberzoge Stephan und Friedrich, Gebrüber, 
bitten die ſchwäbiſchen Städte um Hilfe gegen bie Stadt Regensburg, und 
erfuchen fie, diejelbe in feinem Fall in ihren Bunb aufzunehmen, dba fie in 
offenem Kriege mit berfelben ſtänden. — Gemeiner II, 198. Reg. Boica 
X, 76. 161. 

Juli 3. Landshut. Johann, Landgraf zum Leuchtenberg, Graf zu Hals unb 


141 


bes Herzogs Albrecht von Holland Pfleger in Nieberbaiern, erſucht die 1881: 
ſchwäbiſchen Bundesftäbte, die Stadt Regensburg, welche den Herzogen in 
Baiern feind ift, nicht in ihren Bund aufzunehmen. — Reg. Boiea X, 76; 
vgl. Semeiner II, 199. 162. 
Salt 6. Die Stabt Ulm giebt beit Bürgern von Regensburg Nachricht von 
der Berbindung mit ben rheinifhen Stäbten, theilt ihnen insgeheim bie 
ihr von ben Herzogen von Baiern und dem Landgrafen von Leuchtenberg 
überfendeten Briefe abfchriftlich mit, und verfpricht, bei der auf den 7. Zuli 
fegefeßten Zuſammenkunft ber Stäbte ihr Möglichftes zu Gunſten ber 
Stabt Regensburg zu thun. — Beg. Boica X, 76; vgl. mit Gemeiner UI, 
199. 163. 
Juli 10. VBürgermeifter, Rath und Gemeinde zu Regensburg befennen, daß 
fie binfichtlih der Yorderungen, welche Herzog Friebrih in Baiern und 
Landgraf Johann zum Leuchtenberg zu ihrer Stabt von wegen der Juden 
gehabt, gemäß Taiding des Herzogs Ruprecht des jüngfien bie Entfcheidbung 
des römifchen Königd anrufen wollen. — Beg. Boica X, 77. &benbort 
biefelbe Zufiherung von Seiten Herzog Friebrihg und Landgraf Johanns 
von bemfelben Tage, in Donauftauf ausgeftellt. 164. 
Sept. 2. Die Stadt Regendburg tritt in ben Bunb ber Stäbte Augsburg, 
Um, Conſtanz, Ehlingen, Reutlingen, Rotweil, Weil, Ueberlingen, Mem⸗ 
mingen, Biberach, Ravensburg, Lindau, St. Ballen, Pfullendorf, Kempten, 
Kaufbeuren, Leutfich, Jany, Wangen, Buchhorn, Gmünd, Hall, Heilbronn, 
Wimpfen, Weinsberg, Nördlingen, Dinkelsbühl, Rotenburg a. db. Tauber, 
Giengen, Bopfingen, Aalen, Wyl im Thurgau und Buchau, mit der Ver: 
pflihtung, an ben Leiftungen für den Bund theilzunehmen, glei als ob 
fie 800 Pfunb zum Reiche fteure, und dem Rechte, auf Bundestage zwei 
Abgeordnete zu ſchicken. — Ueber bie Urkunde ber Stabt Regensburg |. 
Gemeiner U, 201, bie Urkunde ber Bunbesftädte, welche Augsburg und 
Ulm befiegeln, Reg. Boica X, 80. 165. 
Sept. 2. Ulm. Die ſchwäbiſchen Bundesftäbte vernachrichten bem Grafen 
Johann zum Leuchtenberg, Pfleger in Nieberbaiern, baß fie die Bürger 
von Regendburg in ihren Bund aufgenommen haben, und fordern benfelben 
auf, Feine Beſchwerung biefer ihrer Eidögenoffen zu geftatten. Es fiegelt bie 
Stadt Ulm. — Gemeiner: U, 202. Reg. Boica X, 80. 166. 
Sept. 4. Ulm. Die ſchwäbiſchen Bunbesftäbte laſſen den Marſchalk Heinrich 
von Pappenheim willen, daß fie bie Bürger von Regensburg in ihren 
Bund aufgenommen haben, und fordern denfelben auf, bie von ihm ge: 
fangenen Bürger von Regendburg wieder ledig zu lafſen. — Reg. Boica 
x, 80. 167. 
Sept. 14. Die Stadt Ulm erläßt an die Stabt Regensburg eine Einladung, 
ihre Boten den nächſten Miitwoch zu Naht vor St. Michaelstag (25. 
Sept.) zu gemeinen Städten nah Ulm abzuorbnen, um in Saden bed 
Bundes gegen bie Georgerhauptleute und wegen ber Herzoge von Defter: 
veich, bie den Bund wider Colmar gemahnt haben, und ber Herren von 
Baiern das Nützeſt unb bad Befte zu rather. — Genteiner U, 201. 168. 


142 


1881. Oct. 18. (Freitag nach St. Gallentag, was Schaab unrichtig auf ben 23. 
Dct. berechnet). Die freie Stadt Regensburg, welche dem Bund in Schwa⸗ 
ben beigetreten ift, verfpricht, da bie Städte diefed Bundes fih mit ben 
Städten Mainz, Straßburg, Worms, Speier, Frankfurt, Hagenau, Weißen: 
burg, Pfeddersheim, Schlettftabt unb Oberehenheim verbündet haben, auch 
ihrerfeitß dieſes Bündniß zu halten und auf Mahnung bin 18 Bleven zu 

ſtellen. Es fiegeln die Städte Negendburg und Augsburg. — Schaab II, 
Nr. 208. 169. 
Det. 31. Die Städte Schlettftabt und Oberebenheim verbünden fi) mit ben 
Städten Mainz, Straßburg, Worms, Epeier, Yranffurt, Hagenau, Weißen: 
burg und Pfeddersheim, welche fih mit einander und darnach mit den 
Städten bed gemeinen Bundes in Schwaben vereinigt haben, und ver- 
ſprechen, ben rheinifchen Städten zur großen Summe Sclettftabt mit acht, 
Oberehenheim mit vier Blefen, zur Meinen Summe Sclettftabt mit zwei, 
Oberehenheim mit einer, ben fchwäbifchen Städten zu ihrem Bunde 
Schlettſtadt mit zweien, Oberehenheim mit einer zu warten. — Schaab II, 
Nr. 209. 170. 

1382. 

1382. Febr. 21. Budweis. K. Wenzel fagt die Stadt Regensburg aller Anfprüche 
und Forderungen ledig und los, welche Friedrich, Herzog zu Baiern, und 
Hand, Landgraf zum Leuchtenberg, von bed Reichs wegen an bie Bürger 
zu Regensburg binfichtlich der Juden gemacht haben. Reg. Boica X,88. 171. 

April 8. Ehingen. Herzog Leopold, von ben Grafen Ludwig und Friedrich) 
von Dettingen, der Stabt Rotenburg a. d. Tauber und der Stabt Nörb- 
lingen einerfeit3, der Hauptleuten und der Geſellſchaft mit St. Jörgen in 
Franken andrerjeit?, zum Schiedsrichter über ihre Kriege genommen, ftellt 
eine Sühne zwiſchen ben beiben Parteien und ihren Helfern auf. Die 
Helfer der erftern find bie Städte, die ben Bund mit einander in Schwahen 
halten, bie der letztern bie Gefelfhaft mit bem Löwen zu Schwaben und 
bie Geſellſchaft mit St. Wilhelm. — St. N. 172. 

April 9. Ehingen, Die Hauptleute der Gefelfhaft mit St. Georg und bie 
Geſellſchaft gemeinlich mit St. Georg verfprehen, fich wegen bed Krieges 
mit Ludwig und Friedrich, Grafen von Dettingen, der Stadt Rotenburg 
a. d. Tauber, der Stabt Nörblingen unb andern Herren und Städten, die 
den Bunb mit ihnen halten, nach dem Ausfprude zu richten, ben Herzog 
Leopold thun wird. Daffelbe verfpredhen bie Gefellfchaft mit dem Lömen 
zu Schwaben und bie Gefelfhaft mit St. Wilhelm ſammt ihren Haupt: 
leuten, al? Helfer der St. Georgengefelfchaft. — St. X. Das Datum 
if: an Gutemtag nad d. 5. Oftertag, wofür Schmid Montag nah Oftern 
giebt (7. April), Ich weiß nicht, ob guter Tag für Montag genommen 
werden darf, wie man heutzutage auch noch die Montage, an denen nicht 
gearbeitet wird, namentlich auch ben Dftermontag als gute Montage be- 
zeichnet. Der Ausdruck: guter Tag ſchlechthin wirb fonft in ben biploma- 
tiſchen Handbüchern immer als Mittwoch erflärt. Dafür, daß nicht ber 
Mittwoch gemeint fei, könnte vielleicht der Umftaub fprechen, daß bie am 


148 


9. April ausgeftellten Bündnigurfunden bie Bezeichnung Mittwoch haben, 1382. 
unb anzunehmen wäre, daß bie Audfertiger ber Urkunden fih an demfel- 
ben Tage auch berfelben Bezeichnung bebient hätten. Im Hinblid auf bie 
vorhergehende Nunmer möchte man die Erflärung ald Montag vorziehen. 
Doch laßt fi and fehr wohl denken, daß die fchon früher gegebene Er: 
Märung ber Geſellſchaft erſt am 9. April urkundlich aufgeſetzt wurbe. 
Bol. unten Nr. 217 f., 218, 219. 173. 

April 9. Bunmdniß zwifchen 1) Herzog Leopold von Oeſterreich, 2) Graf Eber: 
hard von Wirtemberg, den Hauptleuten der Gefellichaft mit dem Löwen zu 
Schwaben, Graf Heinri von Montfort, Herrn zu Tettnang, Graf Alrich 
von Wirtemberg und Graf Heinrih von Zoller von der Hobenzoller, 
ben Hanptlenten ber Gefellihaft mit St. Wilhelm, ben Hauptleu: 
tern ber Gefelfchaft mit St. Georg, und ben Herren, Rittern und 
Nnechten gemeinlih in ben brei Gefellfchaften, und 3) der freien Stadt 
Regensburg und ben Reichsſtädten Augsburg, Ulm, Conſtanz, Ep: 
lingen, Reutlingen, Rotweil, Weil, UWeberlingen, Memmingen, Biberach, 
Ravendburg, Lindau, St. Gallen, Pfullendorf, Kempten, Kaufbeuren, 
Leutfich, Isny, Wangen, Rotenburg a. b. Zauber, Nördlingen, 
Dinkelspihl, Hal, Gmünd, Heilbronn, Wimpfen, Giengen, Weinsberg, 
Bopfingen, Aalen, Buhhorn, Wyl im Thurgau und Buchau, bie den 
Bund mit einander halten in Schwaben. Es foll währen biß zum 6. 
Sanuar 1384. 

Ueber dieſes Bündniß hat jeder ber drei Theile jebem ber beiden an: 
dern einen eigenen Brief ausgeſtellt. Die Briefe, melde Herzog Leopold 
und die Städte den Grafen von Wirtemberg und ben Gefellfchaften ge: 
geben, befinden ſich beide im Stuttgarter Archiv unter der Rubrik: Einun⸗ 
gen mit den Städten. Der bed Herzogs (gebrudt bei Sattler 172) ift in 
Ehingen auögeftellt, derjenige ber Städte in Ulm. Die beiden Briefe, 
welche Herzog Leopold erhielt, Tiegen nad Lichnowsky IV, Reg. 1663 
1665, im k. k. a. A., ber bed Grafen unb der Nittergefellfchaften ift in 
Ehingen außgeitellt, derjenige der Städte enthält Feine Ortsangabe. Von 
den beiden, welche bie Stäbte empfangen haben, finden fi Abfchriften in 
dem Memminger Copialbuche (f. ©. 5); der von Graf Eberhard und den 
Geſellſchaften ausgeſtellte ift abgedrudt bei Datt 44. Sattler 171. Lünig, 
MR. U. part. spec. cont. I, 2. Fortſ. 23. (Lichnowsly verwechſelt ihn 
uungenauer Weife mit bem von Eberhard und den Gefellichaften an Leopold 
außgeftellten). — Weber die Memminger Copien, welche ben Schluß ber Ur: 
kunden abgefürzt geben, noch ber Abbrud bei Datt u. f. w. ber ben voll: 
ſtändigen Schluß bat und wahrfcheinlich nach dem Driginalvriefe felbft 
gemacht worden ift, enthalten eine Ortdangabe. — In allen Briefen werben 
am Anfang alle drei Theile aufgeführt, doch fo, baß immer derjenige, 
welchem der Brief gilt, gleich nach dem ausftellenden genannt wird, alfo 
in den zuletzt genannten die Städte vor dem Herzog, in bem von ben 
Städten bem Grafen und den Geſellſchaften gegebenen dieſe letztern eben: 
falls vor dem Herzog u. f. w. 174. 


144 


1382. Juni 6. Mainz Die Städte Mainz, Straßburg, Worms, Speier, Franf- 
furt, Hagenau, Weißenburg, Schlettitabt, Ehenheim und Pfeddersheim 
verlängern daß am 20. Merz 1381 gefchloffene Bündniß bi? zum 24. Juni 
1392, — Saab II, Nr. 201. 175. 

Suni 7. Ritter Konrad vom Stein, Unter-Landvogt in Oberſchwaben, und 
Benz von Bochingen verheißen dem Grafen Rudolf von Hobenberg die 
in bem Teidigungsbriefe mit Herzog Leopold wegen Friftverlängerung zur 
Bezahlung bed Kaufſchillings für Hohenberg enthaltenen Artikel genau zu 
erfüllen. — Lichnowsky IV, Reg. 1681. 176. 

Juli 17. Conftanz Die Reichsſtädte, welche bag Bündniß haben um ben 
See, ſchlichten durch einen Schiedsſpruch die Zwiftigfeiten des Abtes Cuno 
und der Bürger von St. Gallen. Es fiegelt die Stadt Conſtanz. — 
Tſchudi I, 504. 177. 

Sept. 5. Budweis. K. Wenzel befiehlt den in ber Lanbvogtei in Ober: 
ſchwaben Geſeſſenen, dem Herzog Leopold, als Landvogt in Ober: und 
Nieber-:Schwaben, zu ſchwören unb gehorfam zu fein. Lichnowsky IV, 
Reg. 1704. 178. 

Sept. 5. Budweis. Derfelbe, Befehl an bie Angehörigen ber Landvogtei in 
Niederſchwaben. — Lünig, Cod. dipl. Germ. II, 887, mit unrichtig berech⸗ 
netem Datum 1383, desgl. Wegelin 53 Nr. 54. Lichnowsky IV, Reg. 1801. 
Es heißt: Budweiß am Freytag vor U. F. Tag, als fie geborn warb, 
unferer Reiche des Wöheimifchen in dem zwaingigiften und bes Nömifchen 
in den fiebenden Jahren. 179. 

Sept. 8. Ulm. Spruch der Bunbesftäbte, baß Gotteszell ewig in der von 
Gmünd Schub bleiben und dafür eine bedingte Jahresſteuer von 20 Gul- 
ben an die Stadt entrichten fol. — Schmib. 100. 

Sept. 24. Die Stabt Weglar tritt in den Bund der Stäbte Mainz, Straf: 
burg, Wormd, Speier, Frankfurt, Hagenau, Weißenburg, Schlettitadt, 
Ehenheim und Pfebdersheim, und verfpricht, zur großen Summe mit zehn, 
zur Heinen mit drei Gleven zu bienen (wenn fi aber ihre Umftänbe 
beffern, mit einer größern Anzahl), auch gelobt fie, das Vünbdniß ınit den 
Städten des Bundes in Schwaben zu halten und ihnen mit brei Gleven 
zu dienen. — Lünig, R. A. part. spec. cont. IV, 1439, 181. 

Sept. 28. Die freie Stadt Regensburg, die Reichsſtädte Augsburg, Ulm, 
Conſtanz, Eßlingen, Reutlingen, Rotweil, Weil, Ueberlingen, Memmin: 
gen, Biberach, Ravensburg, Lindau, St. Gallen, Kempten, Kaufbeuren, 
Pfullendorf, Leutlich, Jay, Wangen, Buchhorn, Buchau, Nördlingen, 
Dinfelzbühl, Rotenburg a. d. Tauber, Bopfingen, Aalen, Giengen, Gmünd, 
Hall, Heilbronn, Wimpfen, Weinäberg und Wyl im Thurgau verbünden 
ſich bis zum 23. April 1395 zu gemeinfamer Hilfßleiftung wider Seber: 
mann, der fie angreifen, befünmern, brängen ober beſchädigen wollte an 
ihren Rechten, Freiheiten, Briefen, ober guten Gewohnheiten, die fie von 
römischen Kaifern und Königen haben, oder mit Raub, mit Worb, mit 
Brand oder unrechtem Widerfagen, ober es wäre mit Schatzung, mit Ver: 
jeßen oder mit andern Sachen, Niemand ausgenommen, als allein bem 


148 


Heiligen Reich feine Rechte zu halten und zu thun. Es fiegeln bie ſammt⸗ 1882. . 
lichen Städte. — Urkunden 1 482. 
Oct. 15 (Mittnod nah St. Dionpfientag). Die freie Stabt Regendburg 
und bie NReichäftäbte Augsburg, Ulm, Conſtanz, Ehlingen, Reutlingen, \ 
Rotweil, Weil, Ueberlingen, Memmingen, Biberach, Ravensburg, Lindau, 
St. Gallen, Heilbronn, Wimpfen, Nördlingen, Dinkelsbühl, Rotenburg 
a. d. Zauber, Weinsberg, Aalen, ‚Bopfingen, Giengen, Wyl im Thurgau 
und Budau verlängern ben Bund, den fie mit ben Städten Mainz, 
Straßburg, Worms, Speier, Frankfurt, Hagenau, Weißenburg, Weblar, 
Schlettſtadt, Ehenheim und Pfeddersheim am 17. Juni 1381 geſchloſſen, 
bis Weihnachten 1391, und verfprehen, ihnen mit 218 Glefen bebolfen 
zu ein. Es fiegeln alle Städte. — Schaab II, Nr. 216. 183. 
(Oct. 15). Die Städte Mainz, Straßburg u. f. w. verfpfkchen den Städten 
NRegendburg, Augsburg, Ulm, Conftanz u. f. w., baß, wenn fie die Städte 
in ber Wetterau, Friedberg und Gelnhaufen, ober bie Reichsſtädte im 
Elfaß in ihren Bund aufnehmen würden, fie biefelben ben Bunb mit ben 
ſchwäbiſchen Städten auch kalten laſſen und diefen zu ben 104 Glefen, 
die fie ihnen im Hauptbriefe zugefagt, noch ben vierten Theil ber Glefen 
ftelien wollten, zu welchen biefe neu aufgenommenen Städte angeſchlagen 
würden. Es fiegeln die Städte Wormd und Speier. — Schaab UI, 
Kr. 221, 184. 
(Oct. 15). Die freie Stadt Regensburg und bie Reihöftäbte Augsburg, Ulm, 
Gonftanz u. ſ. w. verfprehen ben Städten Mainz, Straßburg u. f. wır 
baß fie ihnen, wenn bie Städte Nürnberg, Windsheim und Weißenburg 
in ihren Bund kämen, zu ben 218 Glefen bed Hauptbriefed 22 weitere, 
im ganzen alfo 240 ftellen wollten. Es fiegeln die Städte Ulm und 
Eplingen. — Schaab II, Nr. 222. 185. 
(Dct. 15). Speier. Die freie Stabt Regensburg und bie Neichäftäbte Augs⸗ 
burg, Ulm, Gonftanz u. ſ. w. verſprechen ben Stäbten Straßburg, Mainz 
u. f. w. mit welchen fie fi verbunden haben, daß, wenn einer ber im 
Hauptbriefe audgenommenen fie bedränge, fie ihnen Hilfe gegen benfelben 
leiften wollten, gleih als ob er nicht aufgenommen wäre. 3 fiegeln alle 
Stäbte — Schaab II, Nr. 223. 186. 
Rev. 7. Die Stadt Gelnhaufen tritt in den Bunb der Städte Mainz, Straß: 
burg, Worms, Speier, Frankfurt, Hagenau, Weißenburg, Schlettftabt, 
Ehenheim, Weblar und Piebbersheim, und verpflichtet fi, ihnen zu der 
großen Summe mit ſechs, zu ber Kleinen Summe und zu dem Bunde zu 
Schwaben mit zwei Glefen zu bienen. — Lünig, R. 9. part. spec. cont. 
1V, 1440. 187. 
Rov. 15. Die Stadt Friedberg verbündet fi) mit den Städten Mainz, Straß: 
burg, Worms, Speier, Frankfurt, Hagenau, Weißenburg, Schlettftadt, 
Ehenheim, Weblar, Gelnhauſen und Pfebbersheim, und mit ihnen zu ben 
Stäbten des Bundes in Schwaben; fie verpflichtet fi, zu der großen Summe 
mit acht, zur Heinen Summe und zu dem Bunde zu Schwaben mit zwei 
Glefen zu dienen. — Lünig, R. U. part. spec. cont. IV, 1440, 188. 
II. 10 


146 


1882. Dec. 8. Burghaufen. Herzog Leopold befennt, ben Herzogen Stephan, Fried⸗ 
rih und Johann von Baiern verfprochen zu haben, im Fall die Reiche: 
ftädte ober die mit einander verbundenen Geſellſchaften fie angreifen wür: 
ben, ihnen beizuftehen. — Lichnowsky IV, Reg. 1748. Ebenbort 1749 das 
gleiche Berfprechen von Seiten ber brei Baiernherzoge an Herzog Leopold. 189. 

1383. 

1383. Jan. 10 (an dem nechſten ſamßtag nad dem Baifigen Oberoften tag). Schult: 
heiß, Richter, Bürger und arme Leute von Leonberg und von Cltingen 
Ale mit Namen aufgeführt, verſchwören fi, nie bem Grafen Eberhard 
oder feinen Erben oder der Herrfchaft Wirtemberg fich zu entziehen ober zu 
entfremden, fonbern ewiglich unter ber Ietern zu bleiben und zu figen. — 
Aehnliche Verfchreibung der Bürger zu Bradenbeim, ber Einwohner von 
Haberſchlacht, Clebronn, Meimpheim, Nordheim, Haufen und Dürrenzim: 
mern vom 11. Januar, der Dorfbewohner zu Gerringen, Weil, Mänchin⸗ 
gen, Höfingen und Dikingen vom 13. Jan. — Sattler 173. 174.175. 190. 

Jan. 16. Die Städte Regensburg, Augsburg, Ulm, Conſtanz, Eplingen, 
Neutlingen, Rotweil, Weil, Ueberlingen, Memmingen, Biberad, Raven: 
burg, Lindau, St. Gallen, Pfullendorf, Kempten, Kaufbeuren, Leutkirch, 
Isny, Wangen, Buchhorn, Gmünd, Hall, Heilbronn, Nördlingen, Dinkels⸗ 
bühl, Rotenburg a, d. Zauber, Wimpfen, Weinsberg, Aalen, Bopfingen, 
Giengen und Buchau nehmen bie Städte Windsheim und Weißenburg in 
ihren Bund auf, und geloben, biejelben getreuli zu ſchirmen. Mit den 
Snfiegeln der Stäbte Ulm und Nörblingen. — Reg. Boica X, 106. 191. 

Merz 11. Nürnberg. K. Wenzel richtet mit Rath Erzbifchof Adolf von 
Mainz, Erzbifchofs Friedrichs von Köln, Pfalzgraf Ruprechts des ältern, 
Herzog Wenzeld von Sachſen, der Bifchöfe Lampredt zu Bamberg, Gerhard 
zu Wirzburg, Raben zu Eihftädt, Dietrich zu Negendburg uud Burkart 
zu Augsburg, bed Herzogs Leopold zu Defterreich, der Baiernherzoge und 
Pfalzgrafen Stephan, Friedrich, Johann und Ruprecht bes jüngiten, des 
Markgrafen Wilhelm zu Meißen, des Burggrafen Friebrih zu Nürnberg 
und ded Grafen Eberhard zu Wirtemberg, fo wie anderer feiner und des 
Reichs Fürften, Grafen, Herren und Getreuen, einen Landfrieden auf, der 
währen fol bis zum 23. April 1395, und beffen Glieder zu feiner Hand⸗ 
babung fih in vier Parteien gruppieren. — Basler gwB. fol. XXVII. 
Wender, Apparatus 233, XLU, mit einigen Fleinen Lüden, wo, wie es 
fcheint, die Schrift feined Originals verborben war. Aus Wender in ber 
Neuen Sammlung der Neichdabfchiebe I, 88. 192. 

Merz 14. Nürnberg. K. Wenzel gebietet allen Fürften, Grafen, Freien, Her: 
ren, Rittern und Knechten, der Einung, welche er nah Rath ber Kur: 
fürften und anderer Fürften, Grafen und Herren gemacht bat, beizutreten 
und alle Bürgerrechte in Neichsftädten ober Verbindungen mit biefen auf: 
zufagen; auch bevollmächtigt er alle Kurjürften, Fürften und Grafen, welde 
in der Einung find, neue Mitglieder in diefelbe aufzunehmen. — Sattler 
176. Im Basler gwB. fol. XXIX ohne Ort und Datum. 193. 

April 6. Brugg. Herzog Leopold von Defterreih nimmt die Stadt Bafel in 


147 


ben Bund auf, ben auf Veranlaſſung ®. Wenzels Kurfürften, Fürſten, 1388. 
Stäbte u. f. f. auf 12 Jahre beſchworen haben unb bie Stabt ihrerſeits 
verpflichtet fich zu einer beflimmten Hilfsleiftung. — Basler Staatsarchiv 
VV. F. 194. 
April 22. Baden. Walther, Herr zu Altenklingen, Herzog Leopolds Landvogt 
in Aargau ꝛc., veripriht, ba bie Stadt Bafel durch ben Herzog in ben 
neuen Bund, ben 8. Wenzel mit Kurfürften, Fürſten u. f. w. errichtet, 
aufgenommen worben fei, ihr, fo lang er Landuogt fei, nach Laut jenes 
Briefes zu helfen, aud feinem andern Landvogt die Städte und Beſten 
bes Herzogs abzutreten, es babe denn berfelbe den gleichen Eib geſchworen. 
— Basler Staatsarchiv VV. Z. 195. 
Imi 15. Biſchof Burkart, Dit von Sentheim Domprobft, Ulrich Burggraf 
Dekan und bad Domcapitel zu Augsburg einestheils, dann ber Bürger: 
meifter, die Räthe und Bürger der Stadt zu Augsburg anberntbeils ver: 
gleichen fi auf Vermittlung der Städte des ſchwäbiſchen Bundes über 
alle bisher zwiſchen ihnen beflandenen Irrungen wegen Binßgeltes, Bür: 
gerrecht3, Wein- und Bierungelded. — Reg. Boica X, 116. 196. 
Juli 25 (St. Jacobstag). Rotenburg a. db. Tauber. Die Stäbte, welche ben 
Bund mit einander halten in Schwaben, entjcheiden ald Schiebärichter eine 
Etreitfache zwifchen ben Städten Mainz, Straßburg, Frankfurt, Hagenau, 
Weißenburg, Weblar, Friedberg, Gelnhaufen, Schlettfladt, Ehenheim und 
Pfebdersheim einerfeit? und ber Stabt Speier andrerfeit3 wegen des kürz⸗ 
lich von letzterer aufgerichteten Zolled dahin, daß bderjelbe während ber 
Zeit des Bundes nicht folle erhoben werben, und zahlen dafür ber Stabt 
die Summe von 2000 Gulden aus. 3 fiegelt die Stadt Rotenburg. — 
Schaab U, Nr. 226. 197. 
Lug. 24. Zum Bettler (Zebrad in Böhmen). K. Wenzel verleiht dem Der: 
zog Leopold bie Vogtei zu Wugsburg bis auf Widerruf, und befiehlt ber 
Stabt Augdburg, ihm als Lundvogt geborfam zu fein und alle bazu ge: 
hörigen Nupungen zu erfolgen, — Lichnowsky IV, Beg. 1796. 198. 
Aug. 4. Prag. 8. Wenzel befiehlt der Reichsſtadt Ueberlingen, bie jährliche 
Reichsſteuer dem Herzog Leopold auf Martini abzutragen. — Lichnowsky IV, 
Beg. 1797. 19. 
Aug. 24. Zum Petler. Derfelbe Befehl an die Reichsſtadt Buchau. — Lid: 


nowäly IV, Reg. 1798. 200. 
Aug. 24. Zum Petler. Derfeldbe an bie Reichsſtadt Kempten. — Lid: 
nowsty IV, Reg. 1799. 201. 


Dct. 16. Nürnberg. K. Wenzel überträgt dem Herzog Leopold von Defter- 
reich, Landvogt in Schwaben, die Vogtei zu Augsburg, und ertheilt dem 
bortigen Rathe ben Auftrag, demfelben gehorfam unb gewärtig zu fein. — 
Reg. Boiea X, 121. 202. 

Oct. 21. Reutlingen. Herzog Leopold von Oeſterreich gelobt Wernhard den 
Vfettner, weldem er 100 fl. von wegen feiner Mubme, der Gräfin Anne 
von Helfenftein geb. von Dettingen, jchulbig ift, bed Ainmannamtes zu Kauf: 
beuten vor Bezahlung diefer Summe nicht zu entfeßen.—Reg.BoicaX,123. 203. 

10° 


148 


83. Det. 31. VBürgermetfter und Rath zu Speier ſchicken dem Rath zu Frankfurt 
die Abſchrift eines mit dem Siegel von Hall verfehenen, vom 28. Det ober 
batierten Schreibend ber in Hall verfammelten ſchwäbiſchen Städte, bie 
Anſprüche betreffend, welche K. Wenzel auf bie Juden zu machen gedenke. 
Böhmer, Cod. dipl. Moenofr. I, 761. 204. 

Nov. 25. Kontab vom Stein, Unter-Lanboogt in Ober:Schwaben, und Benz 
von Bochingen verſichern dem Grafen Rubolf von Hobenberg, bie in dem 
legten Teiding wegen Verlängerung ber Friſt zur Zahlung für Hobenberg 
enthaltenen Artifel genau zu erfüllen. — Lichnowsky IV, Reg. 1826. 205. 

1384. 

84. Febr. 4 (Donnerdtag nad Lihtm.). Die Bürger der Stadt Selz treten in 
ben Bunb der Gtäbte Mainz, Straßburg, Worms, Gpeier, Yrankfurt, 
Hagenau, Weihenburg, Friedberg, Wehlar, Gelnhaufen, Schlettftabt, Ehen: 
beim und Pfeddersheim, und verbünden fi mit ihnen zu ben Stäbten bes 
Bundes in Schwaben. Gie verfprechen, bdiefen ihren Verbündeten zur 
Ueberfahrt über ben Rhein bei ihrer Stabt ſtets zu Dienften zu fein und 
in ihren Stößen mit ihnen auszuziehen zu Pferd und zu Fuß, als ob bie 
Sache ihnen ſelbſt gefchehen wäre, doch fo, daß fie an demſelben Abend 
wieder nach Selz kommen mögen. — Schaab U, Nr. 228. 206. 

Gebr. 28. Die freie Stadt Regensburg und die Reichsſtädte Augsburg, Ulm, 
Eonflanz, Eplingen, Reutlingen, Notweil, Weil, Ueberlingen, Memmingen, 
Biberach, Ravensburg, Lindau, St. Gallen, Kempten, Kaufbeuren, Leut⸗ 
kirch, Isny, Pfullendorf, Wangen, Buchhorn, Buchau, Nördlingen, Din: 
kelsbühl, Rotenburg a. d. Tauber, Gmünd, Hall, Heilbronn, Wimpfen, 
Weinsberg, Bopfingen, Aalen, Giengen, Wyl im Thurgau, Appenzell das 
Land, Windsheim und Weißenburg vwerbünden fih auf zehn Sabre mit 
Harn Ulrich von Hohenloh. — Schmid, aus Hanfelmann, Beweis ber 
Hohenloh. Lanbeshoheit J. — Aus eben bdemfelben bat es Zellweger, Urt. 
I', CXXXII. (3ellm. vergikt bei ber Berehnung bed Datums „an bem 
wißen Suntag“, daß 1384 ein Schaltjahr ift und ſetzt irriger Weife 27. 
Febr.). 207. 

Merz 10. Baden. Herzog Leopold von Oeſterreich befiehlt ſeinem Landvogt 
in Schwaben, Konrad vom Stain von Reichenſtein, das Kloſter Königs: 
brunn zu ſchirmen. Wegelin II, 54. Lichnowsky IV, Reg. 1849. 208. 

April 22. Conſtanz. Die Neichsſtädte Conſtanz, Ravensburg, Lindau, Weber: 
lingen, St. Gallen, Pfullendorf, Wangen, Buchhorn, Isny und Leutkirch 
auf der Heide ſchließen mit Graf Heinrich von Montfort, Herrn zu Tett⸗ 
nang, einen Vertrag, daß er fünf Jahre lang Hauptmann ihres Bundes 
um ben See fein und ihnen mit zehn Spießen dienen, bie fünf nächſtfol⸗ 
genden Jahre aber bei ihrem Bunde bleiben und ihnen mit Leib und But 
gegen allermänniglih bebolfen fein ſolle. — v. Banotti, Geſchichte der 
Grafen von Montfort und von Werdenberg 559. 209. 

Mai 15. Hans von Sedenborf, genannt von Jagsperg, verpflichtet ſich gegen 
bie Städte Megenäburg, Augsburg, Nördlingen, Rotenburg, Dinkelsbühl, 
Windsheim, Weißenburg und Bopfingen, welche in dem Biertheil de 


149 


Bundes gu Schwaben find, benfelben mit vier Spießen, nämlich mit Conz 1384. 
ZöUner von Sugenhem, Frib Ochs, Appel von Sedendorf von Snotzenbach 
und Peter Swarkenberg, ein Jahr lang gegen männiglich beholfen zu fein 
unb benfelben mit feiner Behaufung Jogsperg zu gemwarten. — Reg. 
Boiea X, 133. 210. 

Juni 1. mer von Ramftein, Biſchof zu Bafel, in feinem, feines Gapitels 
unb ber Stift zu Bafel Namen, Johannes Puliant von Eptingen, Ritter, 
Bürgermeifter und der Rath der Stabt Bafel in ihren und ber Bilrger 
Ramen erflären ihren Beitritt zu dem Bunde, welchen bie Stäbte Regens⸗ 
burg, Augsburg, Ulm, Eonftanz, Eflingen u. f. w. gefchloflen haben. — 
St. A. Basler gwB. fol. XIX. 

Die vom 2. Juni bdatierte Begenverfchreibung ber freien Stadt Negens⸗ 
burg und der Reichsſtädte Augsbuͤrg, Um, Conſtanz, Eßlingen, Reutlin⸗ 
gen, Rotweil, Weil, Ueberlingen, Memmingen, Biberach, Ravensburg, 
Lindau, St. Gallen, Pfullendorf, Kempten, Kaufbeuren, Leutfich, Isny, 
Wangen, Nördlingen, Rotenburg a. b. Tauber, Dinfelsbühl, Windsheim, 
Weißenburg, Hal, Heilbronn, Gmünd, Wimpfen, Weinsberg, Giengen, 
Aalen, Bopfingen, Wyl im Thurgau, Buchhorn und Buchau, die den 
Bund mit einander halten in Schwaben, befiegelt durch bie Städte Augs⸗ 
burg, Ulm, Gonftanz und Eflingen, befindet fich im Basler Staatsarchiv 
VV. E. 211. 

( ODhne Tag). Die Städte Mainz, Straßburg u. |. w. bekennen, daß fie Biſchof und 
Stadt zu Baſel, die in den Bund der Städte Regensburg, Augsburg, Nürn⸗ 
berg u. ſ. w. getreten find, als ihre Eidgenoſſen behandeln werben, ba dieſe 
Städte gelobt Haben, ihnen in Folge beren Aufnahme mit 14 Gleven mehr 
als bisher zu warten. Es fiegeln bie Städte Wormd und Speier. — 
Basler gwB. fol. LVIb. (Der Schluß, welcher das Datum enthalten follte, 
iſt ausgelafien). 212. 

Ami 18. Die Nürnberger bevollmäcdtigen ihre Bürger, Freunde und Math: 
geſellen, Ulmann Stromeyr, Bertholt Pfinking, Jobs Tetzel und Eon: 
rad ben Haller, ihre Stabt mit ben Städten Regensburg, Augsburg, 
Um, Conftanz, Eßlingen, Reutlingen, Rotweil, Weil, Weberlingen, 
Memmingen, Biberach, Ravensburg, Lindau, St. Gallen, Pfullendorf, 
Kempten, Kaufbeuren, Leutlicch, Isny, Wangen, Buchhorn, Gmünd, Hall, 
Halbronn, Nörblingen, Dinkelsbühl, Rotenburg a. d. Tauber, impfen, 
Weinsberg, Aalen, Bopfingen, Giengen, Buchau, Windsheim, Weißenburg 
unb mit den Städten allen, die ben Bund in Schwaben halten, zu ver: 
bänden. — SQ 213. 

Imi 21. Bürgermeifter, Räthe und Bürger zu Nürnberg erflären ihren Bei- 
tritt zum Bunde ber Städte Regensburg, Bafel, Augsburg, Ulm, Eon: 
Ranz, Eßlingen, Reutlingen, Rotweil, Weil, Ueberlingen, Menmingen, 
Biberach, Ravensburg, Lindau, St. Ballen, Pfullendorf, Kempten, Kauf: 
beuren, Leutfirh, Jany, Wangen, Hal, Heilbronn, Gmünd, Wimpfen, 
Weinsberg, Nörblingen, Rotenburg a. b. Tauber, Dinfelsbühl, Windsheim 
Weißenburg, Aalen, Bopfingen, Giengen, Buchhorn und Buchau mit bem 


150 


Borbehalt, daR fie im Fal einer Verlängerung bed Bündniſſes nicht ge- 
bunden fein follten, Tänger bei bemfelben zu verbleiben, als bis zum 23. 
April 1395, dem Ziel, bad ber jetzige Bunbdbrief weile, es geſchähe denn 
mit ibrem guten Willen; ferner wirb befiimmt, daß ihre Leiftungen für 
den Bund follten berechnet werben, gleich als ob ſie nur 800 Pfund Reichs: 
fteuer bezahlen, und daß fie zu den Städtetagen zwei aus ihrem Natbe zu 
f&iden Hätten. — St. U. 214. 
Juli 21. Heidelberg. K. Wenzel befiehlt der Stabt Weinsberg, bie jährliche 
Reichsſteuer an Herzog Leopolb zu entrichten. — Lichnowsky IV, Reg. 
1861. 215. 
Juli 22. Heibelkerg. Derfelbe Befehl an die Stadt Nördlingen. — Reg. 
Boica X, 137. Desgl. an bie Stabt Augsburg. — Reg. Boica X, 137. 
Desgl. an bie Stadt Kempten. — Lichnowsty IV, Reg. 1862. 216. 
Juli 24. Heidelberg. K. Wenzel beftätigt die Stallung, bie er aufgerichtet, 
und befiehlt allen barin Begriffenen, fie ftetiglich und feftiglich zu halten. 
— Sattler 179. 217. 
Juli 25. Heibelberg. K. Wenzel, der eine Stallung aufgerichtet hat zwiſchen 
Fürften, Grafen, Herren, Rittern und Knechten einerfeitö umb ben Reichs⸗ 
ſtädten andrerfeitd, erflärt, baß bie letztern ihm verfprocden, Feine Eigen— 
Jeute, die verſchworen hätten, nicht von ihren Herrn zu ziehen, auch Feine 
unverrechneten Amtleute einzunehmen. — Sattler 177. 218. 
Kult 26. Heidelberg. Die Städte Mainz, Straßburg unb Frankfurt für fich 
und alle andern Städte an bem Rheine, im Elſaß und in ber Wetterau, 
bie den Bund mit ihnen haften auf bem heine, und bie Stäbte Augs— 
burg, Nürnberg unb Ulm, für fi und alle andern Städte in Ober: und 
Niederfchwaben, an dem Rheine, in Franken und zu Baiern, bie ben Bund 
mit ihnen halten in Schwaben, befennen, daß K. Wenzel zwifchen ihnen 
und ben Fürflen und Herren, Erzbifhof Adolf von Mainz, Pfalzgraf 
Ruprecht dem alten, Biſchof Gerhard von Würzburg, Herzog Leopold von 
DOefterreih, YBurggraf Friedrih von Nüruberg, Graf Eberhard von Wir: 
temberg und auch allen Kurfürften und Fürſten, geiftlihen und welt: 
lichen, Grafen, Herren, Dienftleuten, Rittern und Knechten, und Stäbten, 
bie fih zu dem Könige vereinigt haben, eine Stallung gemacht, welche 
bis Pfingften über drei Jahre innerhalb genannter Kreife bauern foll, und 
deren Theilnehmer einander gegen Raub, Morb, Brand und unrechtes 
Wiberfagen zu fehlten verſprechen. — Basler gwB. Datt 55 (ben Erz: 
bifhof von Mainz nennt er irrigermweife Rubolf, den Bifchof von Würzkura 
Bernhard). Nah Datt: Sattler 178. Lünig, R. A. part. spee. cont. IV, 

1, 35. — Schaab I, Nr. 230 giebt ungefähr das erfte Drittel. 
Die Urkunde, welche bie Herren den Städten ausgeſtellt, befinbet fich 
im St. A. — Sie fleht auch im Basler gwB. — Eingang und Ausnahmen 
bei Bender, Apparatus ©. 246. Schaub Il, Nr. 231 mit einer großen 
Lücke. 219. 
Juli 27. Heidelberg. K. Wenzel mahnt den Herzog Leopold, ſich mit den Reichs⸗ 
ſtädten wegen ber Stadt Giengen zu einigen. — Lichnowsky V, Reg. 1865. 220, 


151 | 


Juli 28. Worms. 8. Wenzel verfpricht dem Herzog Leopolb von Defterreih, 1384. 
ihm gegen bie Bürger ber mehreren Stabt Bafel behilflich zu fein, wenn 
ea fih mit denſelben nicht vereinigen könne. — Basler Staatsarchiv 
YY. A. 221. 

Aug. 11. Lüpelburg K. Wenzel tbut den Städten in Ober: und Nieber- 
ſchwaben fund, daß er Colman von Donerftein und Neplachen von Oſtrow 
als Bevollmädhtigte zu ihnen fenben werde. — St. U. 222. 

Aug. 31. Rotweil. Leopold Herzog zu Deiterreih quittiert bie Bürger zu 
Kempten über den Empfang ber Steuer, welche fie ihm nad Laut feiner 
Faiferl. Briefe von des Reiches wegen unb als Reichslandvogt ihrer Stabt 
(folte bier nicht noch einzufügen fein: „und des Geldes, bad fie noch” ?) 
Binfichtlich ber Löfung von Oberndorf und Schömberg zu entrichten haben. 
— Reg. Boica X, 139. 223. 

Aug. 31. Rottweil. Derfelbe quittiert der Stabt Memmingen den Empfang 
ber ihm von Reid wegen und als Landvogt bed Reichs zu entrichtenbe 
Steuer. — Beg. Boica X, 139. — Desgl. ber Stabt St. Ballen. Eben: 
dort 139. — Desgl. ber Stabt Lindau. Ebenbort 139. 224, 

Sept. 3. Nürnberg. Die ſchwäbiſchen Bundesſtädte erlaffen gemeinfame Straf: 
urtheile gegen mehrere Bürger von Nördlingen, von Weißenburg, von 
Windsheim, welche fih an Aufläufen bie Juden betreffend betheiligt haben. 
— Basler gwB. fol. XXVib. 225. 

Sept. 12. Nürnberg. Die Städte bed Bundes zu Schwaben befchließen, wenn 
fih in irgend einer Stadt Aufläufe gegen ben Rath erheben follten, ge: 
meinfame Maßregeln zur Unterdrüdung berfelben und zur Beſſerung der 
Anftifter zu ergreifen. — Basler gwB. fol. XXVl. 226. 

Oct. 18. Friedrich, Biſchof zu Eichſtädt, ſchließt ſich dem Bunde an, welchen 
die Reichsſtädte Regensburg, Augsburg, Baſel, Nürnberg, Ulm, Conſtanz, 
Eßlingen, Reutlingen, Rotweil, Weil, Ueberlingen, Memmingen, Biberach, 
Ravendburg, Lindau, St. Gallen, Pfullendorf, Kempten, Kaufbeuren, 
Leutlich, Isny, Wangen, Hall, Heilbronn, Gmünd, Wimpfen, Weinsberg, 
Nördlingen, Rotenburg a. db. Zauber, Dinkelsbühl, Windsheim, Weißen: 
burg, Aalen, Bopfingen, Giengen, Buchborn und Buchau in Schwaben 
und Franken mit einander geſchloſſen haben, und zwar vom nächſten St. 
Martindtage an auf 5 ganze Jahre, und verfpricht benfelben zu bienen 
mit 16 Gleven, wohl erzeugten Leuten, acht Tage nach der Mahnung, 
auch mit mehr, nach der Beflimmung beiberjeitiger Räthe; er öffnet alle 
feine Schlöffer und Städte dem Bunde in dejien Kriegen und Nöthen. — 
Reg. Boica X, 141. 227. 

Dec. 7. Ravensburg. Jos ber Duttenhaimer ald gemeiner Mann, Brun 
von Hertenftein, Conrad vom Stain, Nitter, Henggi Humpis und ber 
Berner von Gmünd, Schieböleute von Herzog Leopold und der Stäbte 
wegen, bie den Bund in Schwaben halten, thun hund, daß die bevollmäd;- 
tigten Räthe bed Herzogs von Defterreih und Graf Rudolf von Hohen: 
berg, fowie die Städte zu ber Minne und zum Recht auf fie gekommen 
find wegen ber Stöße über bie Schlöffer Oberndorff und Schömberg und 


152 


41384. anberer Güter, fo bamit verfeht wären. Sie entſcheiden nun einhelliglich, 
baß bie Städte dem Herzog gegen Empfang von 3500 XI. die beiden 
Städte und alle andern Güter gänzlich losgeben, bie Reutlinger, von 
benen ber von Hohbenberg behauptet, daß fie ihm vom Hauptgute noch 
200 Fl. ſchulden, binnen breimal 14 Tagen beweiſen follen, baß fie bie- 
felben entrichtet Haben, oder aber fie nachzahlen, und bie Rotweiler heraus: 
geben, was fie etwa von ber gemeinen Städte wegen von ben Gerichten 
von DObernborff und Schönberg über 245 Malter Korns unb 100 Pfunb 
Haller eingenommen. — St. 4. 228, 

1385. 

1385. Jan. 11. Prag. K. Wenzel ermahnt bie Bürger zu Megenöburg, wegen 
ihrer Handlungen gegen bie Juden bdafelbfi mit dem Herzog Albrecht in 
Baiern, defien Pfand biefe Juden find, fich gütlich zu vereinigen. — Reg. 
Boica X, 1-17. 229. 

San. 11. Prag. K. Wenzel verheißt ben Bürgern zu Dinkelsbühl Hinfichtlich 
ber @ült, welche fie ihm von den ingefeflenen Juden bafelbft zu entrichten 
haben, daß fie an ihren erworbenen Nechten gegen erwähnte Juden un: 
verkürzt bleiben follen. — Reg. Boica X, 147. 230. 

San. 15. Prag. Gewaltbrief K. Wenzels für Landgraf Johann von Leud- 
tenberg, auf nächſten Sonntag nad) Lichtmeß (5. Febr.) mit den rheinifchen, 
ſchwäbiſchen und fränkiſchen Stäbten von des Neid Nothburft wegen 
ohne Pramislau Herzog in Tefchen, feinen Oheim und Verweſer in beut: 
fen Landen, ber zu bdemfelben Tag nicht kommen kann, zu taibingen, 
daß fie in de Königs Dienft bleiben, und auch von wegen ber Zuben, 
bed Reichs Kammerknechten. — Reg. Boica X, 147, 231. 

San. 22, Albrecht, Herzog in Baiern, befennt, baß er an bie Bürger zu 
Negendburg binfiätli ihrer Beſchwerung ber Juden daſelbſt feine Forde⸗ 
rung zu maden habe, und erläßt ben Juden ben Theil ber Gült, welchen 
fie ihm noch zu entrichten hätten. Taibinger: Johann, Landgraf zum Leuch: 
tenberg, Graf zu Hals und Pfleger in Nieberbaiern. — Reg. Boica X, 
148, " 232, 

San. 23. Die Stabt Regendburg verfpricht, die 5800 Fl., welche fie dem 
Landgrafen Johann zu bem Leuchtenberg auftatt bed Herzogs Albrecht won 
wegen der Juden zu Regensburg zu entrichten bat, bis Tommenden Sonn: 
tag Judica (19. Merz) zu bezahlen. — Reg. Boica X, 148, 233. 

Sehr. 21. Conſtanz. Die freien Städte Mainz, Straßburg, Worms und 
Speier unb bie Neichsftäbte Frankfurt, Hagenau, Weißenburg, Weblar, 
Schlettſtadt, Ehenheim, Friedberg, Pfebbersheim und Seltz, die den Bunb 
halten bei bem Rheine, bie freien Städte Regensburg und Bafel, und bie 
Reichäftädte Nürnberg, Augsburg, Ulm, Conſtanz, Ehlingen, Reutlingen, 
Rotweil, Weil, Ueberlingen, Memmingen, Biberach, Ravensburg, Lindau, 
St. Gallen, Kempten, Kaufbeuren, Leutkirch, Isny, Wangen, Buchhorn, 
Gmünd, Hal, Heilbronn, Wimpfen, Nördlingen, Dinfel3bühl, Rotenburg 
a. d. Tauber, Winböheim, Weißenburg, Weinsberg, Aalen, Bopfingen, 
Giengen, Wyl im Thurgau, Pfullendorf und Buchau, die den Bunb in 


153 


Schwaben und in Franfen halten, verbünden fi mit benen von Zürich, 1988. 
von Bern, von Solothurn, von Zug und bem Amt zu Aug bis zum 23. 
April 1394, innerhalb genannter Kreife einander beizuftehen gegen Alle, 
die fie an Leib und Gut, an Ehren, an ihren Nechten, Freiheiten unb 
guten Sewohnbeiten angreifen würden. Zwei gleichlautenbe Briefe, beide 
verfiegelt durch bie fchwäbifchen Stäbte (in ihrem unb ber rheintfchen 
Namen) und die fchweizerifchen, werben barüber ausgeſtellt. — Basler 
ewB. fol. XXIb. Tſchudi I, 512 (einige Eigennamen find entſtellt). Leh⸗ 
mann 748. 749, vervollfländigt durch 751 — 753. Lünig, R. X. part. 
spee. eont. IV, 1, 89. 234, 

zebr. 21. Luzern. Die Stabt Luzern verpflichtet fi, ber Stabt Zürich, jo 
lange beren Bündniß mit ben Reichsſtädten währe, nach Laut ihres ewigen 
Bundes auf jede Mahnung bin Zuzug zu leiſten und zu helfen, gegen 
wen eB fei, innerhalb ber Kreife, welche die Bünde Luzerns mit Zürich, 
Uri, Schwyz und Unterwalden weifen. — Tſchudi I, 516. — Basler gwB. 
fol. XXI, ohne Ort und Datum. Auch in einem Memminger Copialbuch 
(j. oben ©. 5). . 

Die Gegenverfchreibung ber Zürcher, in welcher fie verfprechen, falls 
fie von den Luzernern um Hilfe gemahnt würben, zu beren Gunſten bie 
Reichsſtädte zu mahnen, findet fich, gleichfalls ohne Ort und Datum, im 
Basler gwB. fol. XXI. 235. 

Merz 24. Ulrich Gutterolf Ritter, VBürgermeifter, der Rath und bie Bürger 
ber Reichsſtadt Mülhaufen, im Basler Bisthum gelegen, erflären ihren 
Beitritt zum Bunde der Städte Bafel, Regendburg, Nürnberg, Angsburg, 
Um, Conſtanz, Eßlingen unb viel anderer Stäbte, bie ben Bunb zu Schwa⸗ 
ben mit einander halten. — St. X. 

Ser Brief, welchen bie Bunbesftäbte Baſel, Regensburg, Augsburg, 
Rürmberg, Ulm, Conftanz, Ehlingen, Reutlingen, Rotweil (hier wirb im 
Driginal wohl Weil gefolgt fein), Weberlingen, Memmingen, Biberach, 
Ravensburg, Lindau, St.Gallen, Pfullendorf, Kempten, Kaufbeuren, Leut: 
fırd, any, Wangen, Nördlingen, Rotenburg a. db. Tauber, Dinkelsbühl, 
Windsheim, Weißenburg, Hall, Heilbronn, Gmünd, Wimpfen, Weinsberg, 
Giengen, Aalen, Bopfingen, Wyl im Thurgau, Buchhorn und Buchau, 
der Stadt Mülhaufen ausflellten, war befiegelt mit deren von Bafel, Ulm, 
Eonftanz und Ravensburg Infiegeln. Die Stadt Mülhaufen beſchwor 
den Bund unter ihrem Bürgermeifter Ulrih von Dornach, genannt Outerolff, 
in Beifein Hand Puliants von Eptingen, Rudolf Vicedoms unb Heinrich 
Murnharts, der Räthe zu Baſel, Hannfen des Schwartzen von Eonflanz 
und cine von Ravensburg. — af, Heinrid) Betri, der Stabt Mühlhauſen 
Geſchichten. Herauögegeben Mühlh. 1838. ©. 88. Er giebt (aus Ber: 
fehen?) als Tag bed Schwurs ben Freitag vor Lätare (10. Merz) an, 
während das Datum ber Urkunde im St. A. Freitag vor Balmtag if. 236. 

April 7. Wolfhart und Hans bie Zenger machen ſich verbindfich, die nächſt 
fommenben zwei Jahre, von Georgi (23. April) anfangend, wider bie ge- 
meinen Gtädte des Bundes und wiber bie Stabt Regendburg nichts Nach⸗ 


1385. theiliges zu unternehmen, es gienge denn gegen bie Herten von Baier, 
biefen würden fie bebolfen fein. — Reg. Boica X, 153, 237. 
Mai 23. Die Bürger und ber Rath ber Stadt zu Schweinfurt vereinen fich 
mit ben Reichöftädten, welche ben Bund mit einander halten in Schwaben, 
Franken und Baiern, boch mit der Bebingniß, baß fie ihrem Herrn, bem 
Bifchof zu Würzburg, zuerft ihre Lofung anbieten, bie zwifchen und dem 
nächſten St. Martinstage (11. Noobr.) oder 14 Tage darauf. — Reg. 
Boica X, 157. 238, 
Mai 24. Eberhard und Michel die Hofferer geloben mit ihrer Veſte Neubaus 
gegen die Stabt Regensburg und die Bundesſtädte die nächſtfolgenden brei 
Sabre nichts unternehmen und denfelben außer genen Baiern gegen aus: 
wärtige Eingriffe beiftehen zu wollen. — Reg. Boica X, 157, Bergl. 
Gemeiner II, 220 und 221 Anm. 239, 
Juni 12. Friedrich, Pfalzgraf bei Rhein und Herzog in Baiern, Niclauz, 
Biſchof zu Eonftanz, Johann, Landgraf zum Leuchtenberg und Graf zu 
Hals, Heinrich von der Tuben und Ulrich von Hohenloh, von 8. Wenzel 
beauftragt, mit den Städten Bafel, Augsburg u. f. w. von ber Juden 
wegen zu tädingen, verkünden bie Webereinfunft, welche fie mit denfelben 
getroffen: Die Städte entrichten dem König, ober wen er ed verſchafft, 
bis Lichtmeß über zwei Jahre (2. Febr. 1388) 40000 FI. rhein. Ver: 
ſchafft der König dag Geld irgend einem Yürften, Grafen, Herm ober 
fonft Jemanden, fo follen die Stäbte, in welchen diejelben Tuben Schulden 
haben, von biefen glei fo viel austilgen, ald die Summe beträgt, welche 
fie nad) dem Anfage der Städte an bie 40000 Bulben zu zahlen haben. 
Berfchafft es der König Niemanden, jo follen fie ihm gleih von bem 
erften baaren Gelde, das ihnen von den Juden eingeht, an die 40000 Fl. 
zu bezahlen anfangen. Außerdem werben in Betreff ber Judenſchulden 
folgende Anordnungen getroffen: bie Summen, welche bie Juden innerhalb 
Jahresfriſt ausgeliehen haben, erhalten fie ohne Zinfen zurüdbezahlt, bei 
ältern Schulden bagegen werben Hauptgut und außjtehende Zinfen zufanı- 
mengeredhnet, und nad Abzug eines Viertel der fid) ergebenden Summe 
über die andern brei Viertel als über ein neued Hauptgut fichere Pfänder 
audgeftelt. Zur Berichtigung biejer Angelegenheit werben jemweilen vier 
Männer niebergefeht, wovon zwei der Schuldner, zwei bie betreffende Stadt 
ftellt; wenn nötbig, nehmen biefe noch einen gemeinen Mann; Können fie 
fi über einen folchen nicht vereinigen, fo geben Lanbgraf Hans zum Leudh: 
tenberg und Berdtold Pfinging, Bürger zu Nürnberg, einen im Namen 
der Städte. Diefe Vereinigung foll gefchehen bis nächſten St. Bartholo⸗ 
mäustag (24. Aug. 1385), zum Zahlen haben bie Schuldner Friſt bis 
zum 2. Februar 1388 fo, daß fie jührlih 10 Procent Zins zahlen; die 
Räthe der Städte Türmen ihren Bürgern auch über bie beftinmte Zeit bin: 
aus Friſt geben. Wer fidy gegen biefe Thäding feht, gegen ben bürfen die 
Stäbte einander beholfen fein, auch haben fie bad Recht, mern nach dem 
geſetzten Ziel die Schulden nicht bezahlt werben, die Pfänder anzugreifen. 
Au Sgenommen von biefer Uebereinkunft find bie von Dintelsbühl, welche 


155 


bei berjenigen bleiben, bie fie früher für Ihre Juben mit bem Könige ge: 1885. 
troffen. , 

Weber biefe Uebereinkunft foll mit den Worten, in welchen fie getroffen 
werben, ber König ben Städten einen mit feinem Majeſtätsinſiegel ver: 
fehenen Brief geben, überdies bat er ihnen noch zwei andere auszuſtellen, 
deren Wortlaut angegeben wirb. 

Im erften eritfagt er den Städten gegenüber jeglihem Zufpruh um 
alle das, befien fie von ben Juden biäher genoflen haben ober bis zum 
2. Yebruar 1388 von des Geldes wegen, das fie ihm verſprochen haben, 
genießen werben, unb verordnet, daß Juden, welche aud ben Stäbten ent: 
weichen, ehe biefe das verſprochene Selb ganz entrichtet haben, von ben 
Fürften oder andern GStäbten, zu welchen fie geflüchtet, follen ausgeliefert 
werben. 

Im zweiten ertbeilt er ben Städten bie Freiheit, fürbaß mehr Juden 
in ihre Städte aufzunehmen, alfo, daß fie von dem, was fie vom 2, Februar 
1388 an von benfelben genieken, ihm und bem Reiche das Halbe geben, 
koch unſchädlich ben Städten, welche vormals PWreiheiten der Juden halben 
empfangen baben, und den Juden, die vom Reiche verſetzt find. Solche 
Stäbte treten dann nad Ablauf ihrer Altern Freiheiten in ben Genuß ber 
in biefem Briefe enthaltenen, wenn fie es nicht vorziehen, biefelben fchon 
früber anzunehmen. 

Außerdem foll der König noch ben Städten Briefe unter feinem Da: 
jeftätzfiegel geben über die Münze in der Weife, wie fie mit Landgraf 
Hanſen vormals übereinfommen find. Alle diefe Briefe werben ihnen in 
Monatsfriſt nah Ulm geſchickt, wofür fie 4 Gufden an die Kanzlei ent: 
richten. — Der Vertrag im Basler gwB. fol. XXIVb., die betreffenden 
Föniglihen Briefe |. Nr. 243. 248, 249. 240. 

Sani 13. Ulm. Landgraf Johann zum Leuchtenberg, Graf zu Hals, und 
Berchtold Pfinking, Bürger zu Nürnberg, geben nach Laut bed Briefes, 
in welchem Landgraf Johann, Herzog Friedrich von Baiern, Biſchof Niclaus 
von Eonftanz, bie eblen Herren Heinrich von ber Tuben und Ulrich von 
Hohenloh nah Anweifung des Königs mit ben Gtäbten gemeinlidh, bie 
ben Bunb mit einander halten in Schwaben und in Franken, eine Täbing 
aufgerichtet haben, für ben Fall, daß Städte einen gemeinen Mann nöthig 
haben, den Städten Augsburg, Nürnberg, Ulm, Rotenburg a. d. Tauber, 
Windsheim und Weißenburg als ſolchen Herrn Hand von Steinach, zu 
ben Zeiten Bürgermeifter zu Regenöburg, den von Bafel und allen andern 
Städten unter der Alb, an bem See und im Albgäu Henggin Huntpis, 
Bürger zu Ravensburg. — Gt. U. Beg. Boica X, 158. 241. 

Juni 15. Ulm. Die [hwäbifchen Bunbesitäbte Tchlichten eine Zollſtreitigkeit 
zwifchen ben Städten Nürnberg unb Bafel, welde ihnen bazu volle Ge: 
walt ertbeilt haben. Es fiegelt bie Stadt Ulm. — Basler Staats archiv 
Bı. JJ. 242. 

WA 2. Bern (Beraun in Böhmen?). K. Wenzel verfündet den Gtäbten 
Augsburg, Nürnberg, Ulm, Gonflanz, Eßlingen, Reutlingen, Rotweil, 





167 


NRörblingen, Rotenburg a. b. Tauber, Gmünd, Hall, Heilbronn, Dimkels⸗ 1885, 
bũhl, Windsheim, Weißenburg, Wimpfen, Weindberg, Giengen, Walen, 
Bopfingen, Wyl im Thurgau, Buchhorn und Budau, ben in ber Ueber: 
einfunft vom 12. Juni erwähnten Brief, die fernere Aufnahme von Juden 
beireffenbd, ſ. Rr. 240. — St. A. in einem Vidimus vom 20. April 1391. 249. 
Yali 17. Zu Burgleind. 8. Wenzel befiehlt den ſchwäbiſchen Reihaftäbten, 
ba fie von ben 40000 @ulben, welche fie ihm von ber Juden wegen zu 
entrichten haben, 3000 @ulben feinen Räthen, Niclauß, Bifchof zu Eon: 
ſtenz, Johann, Landgraf von Leuchtenberg, und Heinrich von ber Duben 
bezahlen follen. — Reg. Boica X, 161. — Den 31. Juli ftellen biefe brei 
ber Gtabt Nürnberg über ben Empfang ber 3000 Gulden eine Quittung 
aus. — Reg. Boica X, 162, 250. 
Kg. 4. Johann, ber junge Landgraf zum Leuchtenberg, Graf zu Hals, be 
teunt, von den Bürgern zu Nürnberg bie ibm vom König Wenzel anges 
wiejenen 400 Fl. erhalten zu haben. — Reg. Bolca X, 162. 251. 
Ang. 17. Bern (Beraun?). R. Wenzel meldet allen Fürſten u. |. w. und be Reiches 
Städten Gonftanz, Augsburg, Ulm, Eßlingen, Lindau, Ravensburg, St. 
Gallen, Rotweil, Reutlingen, Nördlingen, Biberach, Dinkelsbühl, Mems 
mingen, Pfullendorf, Hal, Buchau, Buchhorn, Kempten, Wangen, Isny, 
Heilbronn, Wimpfen, Weil, Kaufbeuren, Leutfirh, Bopfingen, Giengen 
und allen in Ober: und Niederfhwaben Gefeilenen und in die bortige 
Landvogtei Gehörigen, daß er die Lanbvogteien Ober: und Nieberfchmaben, 
welche bem Herzog Leopolb verfchrieben geweſen, wieber ans Reich gezogen, 
ben Herzog und wer von feinetwegen Unterlanboogt gewefen, abgefegt und 
bie Landvogteien von feinet und bed Meiches wegen bem Edlen Wilhelm 
dem Frauenberger, feinem Hofgefinde, Diener und lieben Getreuen, em: 
pfoblen habe. — St. U. 252. 
Sept. 1. Bern (Beraun?). K. Wenzel dankt ben Städten Augsburg, Ulm, Eßlin⸗ 
gen, Reutlingen, Rotweil, Memmingen, Leutkirch, Isny, Kempten, Wangen, 
Biberach, Giengen, Bopfingen, Nördlingen, Dinkelsbühl, Aalen, (Kauf:) 
Beuren, Gmünd, Hall, Heilbronn, Wimpfen, Weinsberg, Rotenburg a. d. 
Zauber, Winbeöperg (d. h. Windsheim) unb Nürnberg, baß fie feines 
Gebotes und Geheißes wegen ben Unglauben bed Widerpabſtes Ruperti 
von Genf, der ſich Clemens nennt, tin beutfchen Landen und namentlich 
im Bistbum Conſtanz geftört und abgetban, ermahnt fie, da Rupert auch 
im beutfchen Landen Anhang habe, eifrig auf bem betretenen Wege fortzu: 
fahren, alfo baß in benfelben bdeutfchen Landen chriftliher Glaube und 
Gehorſam des allerheil. in Gott Vaters, Herrn Urbans VI, Pabſtes zu 
Rom, geftärkt und gehalten werbe; fie follen die Anhänger bed Gegenpabfteg, 
wer fie auch feien, angreifen. Dies unter bes Neichs Panier auszuführen, 
habe er vormals feinem und bed Reichs Landvogt in Ober: unb Nieber: 
ſchwaben fowie ben Städten Vollmacht ertheilt. — St. U. 253. 
Det. 9. Der Rath ber Stabt Nürnberg verfpricht, dem Bürgermeifter unb 
dem Rath der Stadt Negensburg hinſichtlich ber widerrechtlichen Eingriffe 
des Hans Auer, dann wegen wiberredtlicher Unforberung von Geite bes 


158 


1388. Burngrafen von Nürnberg ketreffö bed Zolles behilflich zu fein. — Reg. 
Boica X, 167. Nach Gemeiner II, 221 wurbe über biefe Angelegenheit 
am 13. October in Weißenburg getagt. 254, 

Dct. 15. Zum Burgleind. K. Wenzel weift bie Stäbte Conſtanz, Augsburg, 
Nümberg, Ulm, Eplingen, Reutlingen, Weil, Weberlingen, Memmingen, 
Biberach, Ravendburg, Lindau, St.Gallen, Pfullendorf, Mülbaufen, Kemp: 
ten, Kaufbeuren, Leutlirh, Jay, Wangen, NRörblingen, Rotenburg a. b. 
Tauber, Omünd, Hall, Heilbronn, Dinkelsbühl, Windsheim, Weißenburg, 
Wimpfen, Weinsberg, Giengen, Aalen, Bopfingen, Wyl im Thurgau, 
Buchhorn und Buchau an, dem edlen Gerlach von Hohenloh von den 
40000 der Juden wegen verjprochenen Gulden 4300 einzubändigen, worauf 
er ihnen eine Quittung augftellen werde. — St. U. 255. 

1386. 

1386. Febr. 21. Die Stabt Ulm benadridtigt den Rath ber Stabt Regensburg, 
daß bdiefe bei ber abgehaltenen Stäbtezufammenfunft auf 394 Bund 
16 Schock italiger Haller (die madten 343 Ungariſche Gulden 6 Schill. 
Haller) angefhlagen worden. — Gemeiner II, 224, 256. 

Gebr. 22. Schultheiß, Räthe und Bürger der Stadt Luzern, Ammann, Räthe 
und Bürger der Stadt Zug und dad Anıt Zug, Bürgermeiiter, Räthe und 
Bürger ber Stadt Zürich, die Landammänner und bie Landleute der drei 
Länder Uri, Schwyz unb Unterwalden befennen, bag durch ihre befonterz 
guten Freunde, bie Herren von Straßburg, Bafel, Regensburg, Augsburg, 
Couſtanz, Ulm, Rotweil, Nördlingen, Ravensburg, Ueberlingen und Diem: 
mingen zwijchen ihnen und dem im Krieg mit ihnen befindlichen Herzen 
Leopold von Defterreih ein Stillftand errichtet worden fei bis auf ben 
Sonntag zu audgehender Pfingſtwoche (17. Juni). Es fiegeln die aus— 
ftellenben Orte, ferner Eberbarb von Mülnbein, Ritter, von Straßburg, 
Ehunr. zer Sunnen von Bajel, Johans Vend von Augsburg, Ulr. Habch 
von Conftanz, Peter Loijw von Ulm, Wilheln Meijenberg von Ravens- 
burg und Heinrich Brümfi von Weberlingen. — Schweizerifcher Geſchichts⸗ 
jorſcher X, 233. 257. 

April 29. Brugg (im Yargau). Herzog Leopold zeigt den Freiburgern im 
Breidgau, benen er früher die gegen fie erhobenen Klagen ber Reichäftädte 
mitgeteilt bat, an, daß auch die Basler ſich beflagen, es würden ihre 
Bürger dur den Stag, Bürger zu Freiburg, ungerechter Weife befümmert, 
bamit fie auf bem Tag zu Baben fi) biegegen zu verantworten müßten. 
— Schreiber, Urkundenbuch der Stadt Freiburg H, 1, 48. Lichnowsky 
IV, Reg. 1989. 258. 

Mai 1. Die von Züri, von Bern, von Solothurn, von Luzern und von 
Zug [reiben dem Math zu Frankfurt, daß zur Veilegung ihrer Streitig- 
feiten mit Herzog Leopold von Defterreih ihre Cidgenofien, die von Straß: 
burg, von Mainz, von Speier, von Bafel und die Reichsſtädte zu Schwa: 
ben und in Franken wiederum einen Tag gen Züri auf Sonntag vor 
Pfingſten (3. Juni) angejagt, und bitten ihn, feine Boten dahin zu ſchicken. 
— Böhmer, Cod. dipl. Moenofr. I, 763. 259. 


Rai 15. 


158 


im Hargau, Thurgau und auf dem Schwarzwald, Graf Rudolf von Sultz, 
Heinrich von Randegg, Bogt zu Schaffhaufen, Hennmann von Bubenborf 
und Wernder Shen? von Bremgarten find als Bevollmächtigte bed Her: 
zogs mit den ehrbarn und weifen Jos Deplin von Nürnberg, Peter Götz⸗ 
mann von Gflingen, Jos Tütenheimer, Bürgermeifter zu Memmingen, 
und Glaud Beiferer, Bürgermeifter zu Ueberlingen, ben Boten ber Reichs⸗ 
ſtädte, welche den Bund zu Schwaben mit einander halten, einer freund: 
Ugen Thäbing übereingefommen, in welcher verfchiedene Beſchwerden ber 
Städte Baſel, Ulm, Augsburg, Rotweil, Ueberlingen, Reutlingen, Ravens- 
burg, Biberach, Rotenburg a. b. Tauber und Conſtanz theils erledigt, 
tbeils zur gänzlidden Erledigung durch befonbere Schiebögerichte vorbereitet 
werben. — Urt, im St. A. — Außerdem ein Entwurf auf Bapier in ber 
Shmibfden Sammlung fasc. II, Nr. 1. . 260. 
Alt 11. Gonflanz. Rudalf von Hallwyl, Hana Schultheiß von Schafihau⸗ 
fen, Ritter, Heinri von Nanbegg, Vogt zu Schaffhaufen, Heinrich Roſegg, 
Altammeifter der Stadt Bafel, und Hand Wernher Tyröweler, Bürger ba- 
ſelbſt, entfcheiden in Betreff der Stöße, Forderungen und Anſprachen, 
welche bie Bürger von Bafel an Herzog Leopold haben von wegen der 
Städte und Velten Wietliſpach, Erlifpurg, Bipp, Neu-Bechburg unb an⸗ 
berer Dörfer und Güter, weldhe dazu gehören, baß ber Herzog ben be: 
treffenden, mit Namen genannten Bürgern von Bafel, welchen rau Anna 
von Nidau, Graf Hartmanns von Kyburg fel. ehelihe Hausfrau, ferner 
Graf Rubolf fel. von Kyburg, Landgraf zu Burgund, und Graf Egen 
von Kyburg, ihre Söhne, Graf Rudolf fel. von Neuenburg, Herr und 
Graf zu Ridau und zu Froburg, näber bezeichnete Geldſchulden auf bei 
genannten ütern verkauft haben, und benen bisher bie Zinfe verfeflen 
worden find, entweber die betreffenden Unterpfänder einzubänbigen oder 
ihnen neue Briefe in feinem Namen auszuftellen habe. — Basler gwB. 
fol. XLVI. 261. 
Jali 26. Die Bürger zu Regensburg ſchwören, in ber Zeit des Kriegs treu- 
li bei einander zu bleiben mit Leib und mit Gut, und an einander ge: 
ratben zu fein und zu gehorfamen, wenn die Achte an Roffen unb Sölb- 
nern anlegen. — Gemeiner U, 229. 262. 
Yali 28. Der Rath zu Regensburg macht bekannt, daß, wer etwas in die 
Stadt flüchte, Getreide, Roſſe, Bettgewand, Vieh, ober was es fei, ber 
jolle für feine Berfon ſowohl als für fein Hab und Gut Sicherheit und 
Geleit Haben und dafelbfi von Niemanden um felbes belangt werben 
fonnen. 

An bemfelben Tag eröjinet der Rath allen Leuten männlichen Geſchlech⸗ 
teß, welchen in vorbergegangener Zeit die Stadt verboten geweien, bie 
Rüdkehr, mit Ausnahme ber Mörder, Kirhbrücel und Morbbrenner. — 
Gemeiner II, 227. 263. 
Nug. 3. Mergentheim. Friedrich, Pfalzgraf bei Rhein und Herzog in Baier, 
Biſchof Lampredt von Bamberg, Giegfrieb von Venningen, Meifter des 


Baben. Hans Truchſeß zu Walbburg, Herzog Leopolds Landvogt 4988, 


160 


deutihen Ordens in beutichen Landen, unb Graf Heinrich von Spanheim, zur 
Schlichtung etlicher Zweiungen zwifchen mehreren Fürften und Herren und 
den Städten, bie ben Bund halten in Schwaben (von Seite ber Herren), 
als Schiedsrichter aufgeitellt, verfünden ben Ausfpruch bed Schlebsgerichtes: 
Die Streitigkeiten zwiſchen dem Burggrafen von Nürnberg unb ber Gtabt 
Nürnberg, die Geleite und Zölle um Nürnberg betreffend, anbere Stöße 
zwiſchen bem Burggrafen unb den Städten Nürnberg, Rotenburg und 
Windsheim, zwiſchen Bifhof Gerhard zu Würzburg unb ben GStäbten 
Rotenburg, Windsheim, Schweinfurt, Hall, Heilbronn und Nürnberg, 
zwifhen Herzog Stephan von Baiern und ben Städten bed Bundes, 
zwifchen Graf Eberhard von Wirtemberg einerfeits, den Stäbten unter 
ber Alb und der Stabt Ulm andrerjeits, zwifchen Herzog Friedrich von 
Ted und den Stäbten Augsburg, Nörblingen, Gmünd, Memmingen, (Kauf:) 
Beuren, zwifchen den Grafen Ludwig und Friedrich von Dettingen unb 
den Städten Nörblingen, Dinkelsbühl, Bopfingen und Aalen, werben be: 
fondern Schiedsgerichten zur Schlichtung überwiefen, Eßlingen fol ben 
Grafen Eberhard von Wirtemberg im Befige ber Vogtei zu Nellingen nicht 
irren, bie Stadt Rotenburg den Biſchof von Würzburg und ben Burg: 
grafen von Nürnberg, auch ihre Diener und Bauern nicht vor das Bericht 
daſelbſt laden, bie Fehde zwifchen Markgraf Rudolf von Baben und etlichen 
Rotweilern beigelegt fein, die Pfalbürger, bie von beiden Sciten nach Ab⸗ 
ſchluß ber Heidelberger Einung aufgenommen worben, follen wieder ent: 
laffen werben. — St. 4. 

Die am gleihen Tage von ben ftäbtifchen Schiebärichtern Hans von 
Steinah, Nitter, Bürgermeifter zu Regensburg, Cunrad Ilſing, Bürger 
zu Augsburg, Bertold Pfinkinger, Bürger zu Nürnberg, und Peter Leo, 
Bürger zu Ulm, erlafiene Urkunde gleichen Inhalts ſteht bei Lehmann 761, 
und nah ihm bei Lünig, R. U. part. spec. cont. IV, 1, 43. ©. aud 
Reg. Boica X, 188. 264. 

Sept. 1. Städtezuſammenkunft in Eßlingen. Gemeiner II, 225. 265. 
Det. 5. Lamprecht, Bifchof zu Bamberg, erkennt als erwählter Schiebärichter 
zwifchen dem Bilhof Gerhard zu Würzburg und ben Bürgern von Winds: 
beim hinſichtlich der Anſprüche des genannten Biſchofs auf das Gericht zu 
Rotenburg und binfichtlih ber Aufnahme von Pfalbürgern, daß es be: 
züglich des erſten Punktes bei den fein Verbleiben haben folle, was bie 
Fürften unb Herren eincrfeitd und die Städte andrerfeitd zu Mergentheim 
getaibingt haben, dann, daß Feiner der beiden Theile aus bed anbern 
Gebiet Leute ald Bürger aufnehmen folle, bie dann wieder auf ihre 
Güter ziehen und ihren Herren feine Dienſte thun. — Beg. Boica X, 
191. 266, 
Oct. 19. Prag 8. Wenzel gebietet den Stäbten Augsburg, Ulm, Conftanz 
und ben andern, die zu ihnen gehören in Ober: und Nieberfhwaben, zu 
verfchaffen, daß Graf Eberhard zu Wirtemberg burd bie Bürger zu Eß— 
lingen an ber Vogtei zu Nellingen, an feinen Rechten in ben Dörfern 
Plodingen, Scharnhauſen, Ruith und Heumaben, buch bie Bürger zu 


161 


Aalen wicht mehr am ber Boglei zu Lauterburg u. a. unb durch bie Bürger 1386. 
von Reutlingen au dem Schultheißenamt daſelbſt, das gen Achalm gehört, 
nicht mehr gehindert werbe, ba Fürzlih auf bem Tage zu Mergentheim 
bekinumt worben fei, baß er bei all biefen Rechten zu verbleiben babe. — 
Sattler 180. 267. 

Rev. 23, Die Stabt Ulm fchreißt im Ramen ber Städte bes ſchwäbiſchen 
Bundes an bie Stabt Speter, dankt für bie Hilfäbereitwilligkeit, welche 
bie rheiniſchen Städte auf bie Mahmıng wider bie Fürſten bezeigt und 
meldet, daß eine Ausföhnung mit den Iebtern zu Augsburg flattgefunden. 
Zugleich giebt fie Kunde über einen Landfrieben, ber Faym genannt, ben 
etliche Fürſten unb Herren zum Verberben ber Stäbte aufgebracht. — 
WBender, Apparatus 247. 268. 

Dee. 6. Augsburg. Hans von Steinach, 3. d. 3. VBürgermeifter zu Regens⸗ 
burg, als gemeiner Obmann, Werner von Staudach, Nitter, Schweigger 
der Mufchebrider, Jobſt Tebel, Bürger zu Nürnberg, und Sunrab ber 
Befferer, 3. b. 3. Bürgermeifter zu Ulm, als Schiebsrichter, ſchlichten ein- 
helliglich die Zwiftigfeiten, die zwiſchen Herzog Stephan von Baiern und 
den Städten obgeſchwebt. — Lehmann 763. Der Schluß mit dem Datum 
febft. Das Ganze bat die Ueberſchrift: Die Berichtigung zu Augſpurg 
auf Ricolai bei Jahrs 1386.., 269, 

"1387. 

San. 14. Die zu Conſtanz verfammelten Städte, welche ben Bund mit einan: 1387. 
der halten in Schwaben, flehen den Städten Ulm und Eßlingen, bie ihrer 
Aufforderung gemäß für bie Stadt Giengen, welche in Speier ein jährlich 
mit 210 Gulden verzinsliches Anlehen von 3020 Bulden aufgenommen 
hat, für allen Schaden gut, der aus biefer Bürgfchaft entfliehen möchte, 
alfo, daß bie einzelnen Städte nach ihrer gewöhnlichen Steuer beitragen. 
Es fiegeln die Städte Augsburg, Reutlingen, Ravensburg — Original: 
urfunde in der Schmibfhen Sammlung fasc. XXI, Nr. 1. 270. 

Der; 20. Nürnberg. K. Wenzel beftätigt ben freien Städten Regensburg 
und Bafel, den Reichsſtädten Augsburg, Nürnberg, Conſtanz, Ulm, Ep: 
fingen, Reutlingen, Rotweil, Weil, Weberlingen, Memmingen, Biberach, 
Ravensburg, Lindau, St. Gallen, Kempten, Kaufbeuren, Leutlirch, Isny, 
Bangen, Pfullendorf, Buchhorn, Nördlingen, Dinkelsbühl, Rotenburg 
a. d. Tauber, Bopfingen, Aalen, Gmünd, Hal, Heilbronn, Wimpfen, 
Weinsberg, Windsheim, Weißenburg, Giengen, Buchau, Schweinfurt in 
Franken und Mülbaufen im Elfaß alle Freiheiten, bie fie von ibm und 
feinen Vorfahren am Reiche erhalten baben, und verfpricht, fie beim Reiche 
zu behalten. — St. A. in mehreren Vidimus von 1390. Datt 59. — 
©. aud Rr. 273. 271. 

Merz 21. Nürnberg. Die freien Stäbte Regensburg und Baſel und bie 
Reichsſtädte Augsburg, Nürnberg, Conſtanz, Ulm, Eßlingen, Reutlingen, 
Rotweil, Weil, Ueberlingen, Memmingen, Biberach, Ravensburg, Lindau, 
St. Gallen, Kempten, Kaufbeuren, Leutkirch, Isny, Wangen, Pfullendorf, 
Buchhorn, Nördlingen, Dinkelsbühl, Rotenburg a. d. Tauber, Bopfingen, 

II. 11 


162 


Aalen, Gmünd, Hal, Hellbronn, Wimpfen, Weinsberg, Winböheim, 
Weißenburg, Giengen, Buchau, Schweinfurt in Franken und Mülhaufen 
im @lfaß geloben, gemäß der Hulbigung, bie fie einft bem K. Wenzel als 
tömifhem König und zukünftigen Kaiſer gethan, ihm gegen Jebermann 
beizufteben, der ihn von bem Königreiche dringen wollte, unb ihm zu belfen 
in beutfchen Landen bie dieſſeit des Gebirges. Regensburg und Bafel ala 
freie Stäbte haben zwar dem Könige vormals nicht geichworen, wie bie 
genannten Reichsſtädte, verfprechen aber, bie Hilfe in gleicher Weife zu 
leiften. — Im Badler gwB. und bei Lehmann, nach biefem auch bei Lünig. 
©. d. folgende Nummer. 272. 
Archivnote über ben am 21. Merz in Nürnberg flattgefundenen Empfang 
ber mit Namen aufgeführten Boten ber Bunbesfläbte durch K. Wenzel, 
ber ihnen das mündliche Verſprechen ertheilt, baf er den Bund nie ab: 
nehmen noch widerrufen wolle fein Leben lang, unb ihnen ben Brief 
Nr. 271 ausgeftellt, wogegen fie ihm den Per. 272 gegeben. — Lehmann 
766. Lünig, R. A. part. spec. cont. IV, 1, 45. — Basler gwB. fe. XIV. 
(Zn diefem die beiben Briefe ohne Datum). 273. 
April 24. Der Math zu Bafel fagt dem Grafen Walraff von Thierftein, dem 
Markgrafen Rudolf von Hachberg, Herm zu Rötelen und zu Sufenberg, 
dem Herrn Claus vom Hus, Ritter, und dem Burkart Münd von Lands⸗ 
ron, Ebeling, dad Burgrecht, das fle dafelbit gehabt, auf immer auf, 
weil fie der nach Schluß der gemeinen Städte des Bundes zu Schwaben 
an fie gerichteten Aufforderung, befiegelte Briefe auszuftellen, daß fie eine 
beftimmte Zeit lang Bürger bleiben und mit ihren Velten, Schlöflern und 
Spießen ber Stabt warten wollten, nachzulommen fi geweigert. — 
Leiftungsbud I, fol. CXVIL, im Basler Staatsardiv. 274. 
Juni 11 (Dienstag nach Bonifaciustag). Die Reichsſtädte Frankfurt, Ha: 
genau, Schlettſtadt, Weißenburg, Wehlar, Friedberg, Gelnhaufen, Ober: 
ebenheim und Seltz verfprechen dem K. Wenzel, dem fie vormals gebuldet 
und gefhworen haben, beizuftehen, wenn fi ein Anderer zum römifchen 
König aufwerfen und ihn vom Reihe dringen wolle. — Böhmer, Cod. 
dipl. Moenofr. 1, 764. 275. 
Juli 1. Dietrich Staufer von Ernfels mahnt im Namen Herzog Friedrichs 
von Baiern, von ber Finung wegen, die Hilfe der Stabt Regensburg gegen 
ben Hofmeifter von Winzer. — S. Gemeiner LI, 232, 276. 
Juli 25. Bünbniß zwiſchen den Stäbten des fhwäbiihen Bundes und Erz⸗ 
bifchof Pilgrim von Salzburg. „Der Erzbifhof fowohl als bie Städte 
verfchrieben fich gegen einander vorerfi (Urkunde Erzbifchofs Pilgrims von 
Salzburg d. 1387 an S. Zacobstag) gegen alle und jebe Angreiffer und 
Befchädiger, nachher aber (in einer befondern Urkunde unter eben biefem 
Dato) ausfchließlich gegen bie Herzoge von Baiern, beren Freunde, Diener 
und Helfer“. Gemeiner OD, 231. — Die Urkunde ber Städte iſt nad 
Gtälin IH, 342 gebrudt in der: Anzeige, was dem Erzſtift Salzburg auf 
ben Tod des Kurfürften Maximilians III. von Baiern für Anſprüche ausftehen. 
Salzburg 1779. Urkundenb. S. 60. 277. 


164 


Ente Inlb. Huf ber Zuſammenkunft der Gtäbte in Nürnberg, wo ber Ber: 1987. 
ag mit Dem Erzbiſchof gefchloffen wurde, faßten bie Stäbte aud ben 
Beſchluß, „Leinen Bürger weiter anzunehmen, weil ber Bund durch eine 
elizu Häufige Annahme von Bürgern allzu viele Verbindlichkeit auf fi ge 
nommen baben würde, und viele Edelleute, lediglich ihres Vortheils 
wegen unb um fich ungeftxäft an ben Fürſten reiben zu Fönnen, fi) hatten 


verburgrechten lafiım’. — Gemeiner II, 232. 278. 
Ung. „Mahnung der Bunbesgenofien nach Eßlingen gegen ben Grafen von 
Würtemberg". — Gemeiner II, 232. 279. 


Sxpt. 25, Herzog Ruprecht ber alte und. Erzbiſchof Adolf von Mainz feben 

ben Gtäbten eine Tagfahrt an (wohl nad) Mergentheim). ©. Gemeiner I, 
282. 280. 

Rev. 2. Graf Sofann von Wertheim verbünbet ſich mit den freien Städten 
Regensburg unb Bafel und den Reichsſtädten Augsburg, Nürnberg, Son: 
Ranz, Um, GEflingen, Reutlingen, Rotweil, Weil, Ueberlingen, Memmins 
gen, Biberad, Ravensburg, Lindau, St. Gallen, Kempten, Kaufbeuren, 
Leutfich, Isny, Wangen, Buchhorn, Gmünd, Hall, Heilbronn, Wimpfen, 
Weindberg, Nördlingen, Dinfelsbühl, Rotenburg a. b. Tauber, Winbähelm, 
Weißenburg, Schweinfurt, Giengen, Aalen, Bopfingen, Pfullendorf, Wyl 
im Thurgau und Buchau, auf ſo lange, als der Bund währt, den dieſelben 
unter einander geſchloſſen haben, nämlich bis zum 23. April 1395. — 
St. u 

Die Gegenverfchreibung der Städte, datiert vom 3. November und 
verflegelt durch Nürnberg, Rotenburg a. db. Tauber und Heilbronn, findet 
fi abgebrudt bei Aſchbach, Geſch. der Grafen von Wertheim II, 158. 281. 

Rev. 5. Mergentheim. Die Städte Augsburg, Nürnberg und Ulm, für ſich 
und alle andern Gtäbte ihres Bundes, befennen, ba bie Stallung, welche 
der König zwifchen ihnen und ben Fürlten errichtet babe, unb bie auf 
fünftige Pfingften ausgehe, durch bie Räthe des Königs auf Lönigliches 
Geheiß verlängert worben fei bis zum 23. April 1389, und daß fie in 
den geriannten Kreifen auf die angegebene Weiſe treulich folle gehalten werben. 
Es fiegeln die Städte Augsburg, Nürnberg und Um. — Basler gwB. 
fol LIlIb. — Wender, Apparatus 242, XLUI giebt ben Eingang, bie 
Bartien, in welche die Fürſten getbeilt find, bie Begriffe und Terminien, 

‚ innerhalb derer die Hilfe fol geleiftet werden, bie Ausnahmen unb den 
Schluß. — Ter Auszug bei Lehmann 754 giebt hauptfächlich bie Eintheis 

. Iung ber Fürfen unb ber Städte und die Ausnahmen. (In der erften 
Ausgabe von 1612 ift bas Datum unrichtig, indem St. Mathiastag ftatt 
St. Martinstag fteht). 

Die Gegenverſchreibung ber Fürften, in ihrem Namen ausgeftellt durch 
Herzog Sterban von Baiern, Herzog Albrecht von Defterreih und Burg- 
grai Friebrih von Nürnberg, findet fi im einer modernen Eopie in der 
Schmibſchen Sammlung fase. II. 232. 

Nov. 9. Rotenburg a. d. Tauber, Die ſchwäbiſchen Bundesftäbte beſchließen, 
wenn einzelne Gtäbte, wie auch ſchon vorgefommmen, ſich ben Ausfprüchen 


11* 


164 


1387. des Bundes nicht fügen wärben, in ſolchen Fällen dem gehorfamen Theile 
gegen den ungehorfamen behilflich zu fein, zuvor jedoch Rede und Wider: 
rebe ſolcher Sache in allen Gtäbten zu verfünden. — Basler gwB. fol. 
LI. ° 283. 

Dee. 2. Die Bürgerfchaft zu Regensburg ſchwört, die Zeit des Krieges treu: 
lich bei einander zu bleiben, der Stabt Ehre und Geligfeit zu fördern 
und bem Rathe gehorfam zu fein, auch nach dem Kriege nach eine jeg: 
lichen gleichen Anzahl bezahlen zu helfen, was ber Krieg gefoftet. — ©. 
Gemeiner II, 236. 284. 

Dec. 4. Bürgermeifter und Rath zu Ulm fchreiben an Bürgermeifter und 
Rath zu Megendburg, baß fie die gemeinen Stäbte auf ben Sonntag zu 
Naht nah S. Lucien Tag (15. Dec.) zu fi in ihre Stadt gemahnt haben, 
und erfuchen fie, dieſen Tag zu befhiden; zugleich möchten fie Botfchaft 
gen Salzburg in das Land ſchicken, um bie bortigen Beamten zum Wider: 
ftande gegen bie Herren von Baiern zu ermutbigen. — Gemeiner II, 237. 285, 

(Dec) Ulm (nach Zellweger). Die Stäbte des ſchwäbiſchen Bundes erlajien 
eine Kriegsordnung für ben bevorſtehenden Feldzug. — Basler gwB. fol. 
LV. Bergl. Zellweger, Bei. ded appenz. Volles I, 293. 286. 

1388. 

1388. Yan. 4. Die von Nechberg, welche Weißenhorn als bairifches Pfand in Hän- 
den haben und mit ber Stabt int Ulmifchen Bürgerrechte find, verſprechen, 
im Kriege Baiern nicht zu helfen, auch die Auzlöfung während ber Dauer 
bed Krieges nicht zu geflatten; dagegen verfpricht Ulm, von und In Weißen: 
born Baiern Feinen Schaden zuzufügen. — Schmid. 287. 

San. 6. Parcival und Ott die Zenger von Schwarzened verpflichten fich, 
ber Stadt Regenöburg ein Jahr lang mit ſechs Spießen und zwei Schützen 
zu bienen. — Reg. Boica X, 216. Aebnliche Verträge, aus welchen ber: 
vorgeht, wie man ſich mit Eifer rüftete, finden fi in den Reg. Boic. 
auf der angeführten Seite und auf ben folgenben, ebenfo ©. 217: Verkauf 
eines Leibgebingd von 100 Gulden um die Summe von 700 @ulden 
burch die Regensburger u. ſ. w. 288. 

San. 15. Landshut. Friebrih, Herzog in Baiern, nimmt Hilpolten den 
Hohenfelfer in feine Dienfte um 400 Gulden, wofür er ihm bienen unb 
warten fol zu der Sulzburg mit ſechs Spießen wohlgerittener und wohl- 
gewappneter Leute bis nächſten St. Zürgentag (23. April) und zu dem 
Holnftein auch mit ſechs Spießen von U. L. Frauentag zu Lichtmeß über 
ein Jahr (bis 2. Febr. 1389). — Beg. Boica X, 217. Aehnliche Ber: 
träge des Herzogs mit Ebdelleuten |. ebenbort und auf ben folgenden 
Seiten. 289. 

San. 17. Ulm. Die gemeinen Städte, bie ben Bund mit einander halten 
in Schwaben, in Franken unb in Baiern, wiberfagen ben Herzogen Stephan 
unb Friedrich, Gebrübern, weil Herzog Friebrih ben Erzbifhof Pilgrim 
von Salzburg, ber Städte Verbündeten, auf einem gütlihen Tage, auf 
welchen ihn Herzog Stephan vertröftet hatte, gefangen genommen, weil fie 
ferner denen von Nürnberg neun Wägen mit Specerei genommen und 


165 


avei Bürger gefangen, trogbem daß fie ihnen einen bejonbern Sicherheit: 1388... 
brief auägeftellt hatten, benen von Regensburg ihren Wein genommen und 
fie wicht auf Recht ſicher fagen wollen, benen von Gmünd. vier ſchwere 
Eeſchirre genommen, benen von Memmingen zwei Bürger gefangen unb 
bei Ihren-beraubt, weil ferner Herzog Stephan benen von Augsburg auf 
echt nicht ſicher fagen wollen, unb fie das Alles in ber freundlichen 
Bereinigung, bie kürzlich zu Mergentheim verlängert worden, wobei Herzog 
Friedrich felber Thäbinger geweien, gethan, ohne baß fie ihnen je entfagt 
Hätten. Es fiegelt bie Stabt Ulm. — Lehmann 756. 290. 
Yan. 17. Die Bürger von Nürnberg ſchreiben ben Bürgern zu Regensburg, 
be fie die 50 Mann mit Spießen, welche fie benjelben leihen. jollen, 
gegenwärtig nicht entbehren Tönnen. — Reg. Boiea X, 217. Vergl. 
Gemeiner I, 238, 291. 
an. 23. Hans ber Auer zu Prennberch kommt mit dem Rath in Regens- 
burg babie überein, daß er auf bie Dauer bed Kriegeß ber Bunbesftäbte 
gegen bie Herzoge von Baiern flille figen foll. — Reg. Boica X, 217. — 
benbort und auf ben folgenden Seiten ähnliche Zufiherungen von Ebel: 
leuten en bie Stadt Regensburg. 292, 
zer. 1. Bilhalm Mäflenhaufen, Chunrad Preifinger, Hofmeifter, Asm Lay: 
minger und Sartprecht Harschircher Chammermeiſter, Wilhalm von ber: 
ſtain und Hans Berger tbun dem Bürgermeifter Hans von Steinach und 
ben Bürgern in Regensburg Tund, baß fie benfelben zur Zeit von wegen 
des Herzogs Friebrih von Baiern nicht dienen mögen, fondern ſich gegen 
biefelben und ibre Helfer verwahrt wiffen wollen. — Beg. Boica X, 
218. 293. 
gebr. 7. Prag. Feindſchaͤftsbrief K. Wenzels an Herzog Friebrich von Baier, 
welcher den Erzbiſchof Pilgrim von Salzburg gefangen. genommen und 
bes Meichb Unterthanen beraubt bat. — Lehmann 756. Fepmaier, Uiber 
bas Entſtehen und Aufblühen beö oberteutfchen Stäbtebundes u. ſ. w. 
©. 41. 294. 
sehr. 22. Heinrich von Rans von Viſchin beurfundet feine Webereinkunft mit 
dem Gtäbtebund in Schwaben, in Franken und in Baiern, daß er mit ber 
Befte zu Viſchin und mit feinen Leuten unb Gütern wiber die Stäbte und 
die Ihrigen brei Jahre hindurch nicht fein wolle — Beg. Boica X, 
219. 295, 
ger. 22, Deßgleicien Friedrich von Ellerbach, Chorherr zu Augsburg, Cun⸗ 
rad von Werdenſtein, Bogt zu Rotenberg, Ulrich Wiernt, Vogt zu Neſſel⸗ 
weng und zu Berthulzhovin, und Cunrad von Rottenſtain, Vogt zu 
Matnuſith. — Reg. Boica X, 219. 
Haggenmäller, Geſch. von Kempten I, 192. 193, verlegt biefe beiden, 
„uw bem nächſten Samstag vor fant Matiastag bed hailigen zwelfboten“ 
auägeftellten Urkunden in ben Geptember, indem er wahrſcheinlich ben 
Mattbäustag (21. Sept.) mit dem Mathiastag verwechſelt. 2%. 
gehe. 24. Hanns und Chunz von Wildenftein beurfunden, baf fie in Folge 
ihrer Uebereinkunft mit bem Bund ber Städte in Schwaben, Franken und 


166 


1388. Baiern mit ihrer Veſte Wildenftain und ihren Leuten nichts wider die ge⸗ 
nannten Stäbte thun wollen. — Reg. Bolea X, 219. 237. 
Merz 13. Zum Neuenmarkt. Friedrich, Pfalzgraf bei Rhein und Herzog in 
Baiern, überträgt in feinem und feiner Brüder, ber Herzoge Stephan und 
Sobann, feined Schwagers, bed Grafen Alrich von Wirtemberg, und aller 
feiner Helfer und Diener Namen dem Pfalzgrafen Ruprecht dem ältern 
die Vollmacht, die Streitigkeiten, welche fie mit ben verbünbeten Reichs⸗ 
ſtädten gehabt Haben, zu ſchlichten. — Eingeſchaltet in ber folgenden 
Nummer. 298, 
Merz 15. Zum Neuenmarft. Ruprecht ber ältere, Pfalzgraf bei Rhein, des 
h. R. R. oberfier Truchſeß und Herzog in Baiern, weldem Stephan, 
Friebrih und Johann, Gebrüder, Pfalzgrafen bei Rhein und Herzoge in 
Baiern, feine lieben Vettern, auf einer Seite, und die ehrbaren weiſen 
Leute, bie gemeinen Städte, welche den Bunb halten in Schwaben, in 
Baiern und in Franken, andrerſeits, gänzlich anbeimgeftellt haben, wegen 
des gehabten Krieges mit der Minne ober mit dem Rechten zu entfcheiben, 
wofür auch der Vollmachtsbrief Herzog Friedrichs wörtlich aufgeführt 
wirb, hat freundlich entichieden, daß ber Schaben beiderfeits verfühnt fein, 
ber Erzbifhof von Salzburg mit den Seinen bed Befängniffes, da3 zu 
Raitenhaslach gefhah, auf fchlechte Urfehde Tedig gelaffen werben und 
bafür ben Herzogen fo ſchnell als möglich aus dem Banne beifen foll; bie 
ben Nürnbergern und etlidden andern Bundesftäbten abgenommenen Güter 
follen, fofern fie noch vorhanden, Herzog Ruprecht dem jüngften eingeant: 
wortet unb über den Erfag bed nicht mehr vorhandenen ein Tag nad 
Heidelberg angefegt werden. Die Sühne wird von ben beiben Parteien 
an benannten Stätten verfündet, bamit jeder weitern Seindfeligfeit vor- 
gebeugt werde. — St. U. Auszug bei Feßmaier 43. 299. 
Auf Oftern (Oftern: 29. Merz). Würzburg. Die Städte des rheinifchen und 
des ſchwäbiſchen Bunbes fchließen eine Webereintunft mit ben Fürſten und 
Herren. — Wender, von Außburgern, ber jedoch nicht# giebt ala einine 
Artikel die Ausbürger betreffend, unter ber Weberichrift: Auß ber Vereini⸗ 
gung ber Städt deß Meinifhen und Schwäbiſchen Bunbs, mit ben Fürſten 
und Herrn überlommen zu Würgburg Anno 1388 auf Oftern. 300. 
Aufzählung ber Belchäbigungen, welde ber Stabt Regensburg, ſeitdem 
Herzog Ruprecht ber Ältere ausgeſprochen bat, von ben Herren von Bayern 
und berjelben Dienern, indbefondere von zwdlf genannten, zugefügt worben 
find. — Beg. Boica X, 232. Vergl. Gemeiner II, 246. 301. 
April 22. Ruprecht der ältere, Herzog in Baiern, bekennt Binfichtlich ber 
4000 Gulden, welche er denen von Nürmberg, Regensburg. unb andern 
Städten anftatt der Herzoge von Baiern, Stephan, Friebrich und Johann, 

zu bezahlen bat, und welche ihm biefe Herzoge bis zum 23. April 1389 
zurüdbezahlen follen, baß dasjenige, was er an biefe Städte nicht wirklich 
bezahlen wirb, an obgenannter Summe wieder abgerechnet werben folle. — 
Reg. Boica X, 222. 302. 
Aprit 23. Heidelberg. Ruprecht der Altefte, bei v. Reichs oberſter Truchſeß 


167 


unb Herzog in Baiern, entſcheidet hinſichtlich des Krieges zwiſchen feinen 1388. 
Bettern, ben Herzogen Stephan, Friedrich und Johann in Baiern, einer: 
ſelrs baum den Bunbesſtädten und bem Erzbiſchof von Salzburg, andrer⸗ 
* sah beide Parteien gute Freunde fein, cUe Gefangenen, namentlich 
ber. entgegen dem lehten Ausfpruche Ruprechts, noch immer in Saft ge: 
haftene Erzbiſchof, auf Urfehde Iebig gefagt, und alle genommenen Güter 
** ober erſetzt werben follen, und daß ber Erzbiſchof von Salz⸗ 
barg ben obengenannten Herzogen und ben Ihrigen, bie es bebürfen, ans 
ben Banne helfen fol. Mitfiegler: Boreſch von Rifenburg und Johann 
Gref A Spanheim, Töniglihe Räthe. — Reg. Boica X, 223. Bergl. 
einer II, 246, 303, 
Mei 15. Galzburg. Pilgreim Erzbifchof von Salzburg, welcher von Herzog 
Friedrich in Baiern zu Mattenbaslach gefangen wurbe, ſchwört nach Aus⸗ 
foruch bes Herzogs Ruprecht bed Ältern Urfehde für ſich und feine Diener 
(34 genannte). — Reg. Boica X, 224. 304. 
Mei 15. Galzburg. Erzbiſchof Pilgrim gelobt, dem Herzoge Friedrich in 
Baiern aus bem Banne zu helfen. — Reg. Boica X, 224, 305. 
Mai 25. Uri von Treuchtlingen, Ritter, befennt, für bie Dienfte, welche 
er der Stadt Nürnberg ald Hauptmann gethan bat, gänzlich bezahlt zu 
fein. — Reg. Bolca X, 224, 306. 
Jali 234. Die Bürger von Nürnberg jcpreiben ben Bürgern von Regenäburg, 
Daß fie denjelben Leine Hilfe gegen den Herzog Friedrich leiſten könnten, 
weil fie eine Anzahl breifacher Spieße dem Stäbtebunde und 50 gewapp: 
mete Schühen gegen Schweinfurt gefendet hätten, ferner, weil ihnen von 
Uli von Auffeß und Hand Stieber, bed Biſchofs von Bamberg Dienern, 
bie Veſte Rabeneck abgenommen worben fei, unb fie täglich Angriffe von 
den Herzogen von Baiern zu erwarten hätten. — Beg. Bolca X, 227. 307. 
Aug. 8. Der Rath zu Amberg fchreibt ben Bürgern zu Regensburg, baß bie 
Stadt Amberg in bed Herzogs Ruprecht des jüngfien Frieden und Unfrie: 
den fein und ſonach an ihren Ehren gegen bie Bürger von Regensburg 
bewahrt fein wolle. — Reg. Boica X, 227, 308. 
Aug. 10. Der alte Kazelfiorfer fchreibt ben Bürgern zu Regensburg, baß er 
ihnen von wegen feines Gern, beö Herzogs Ruprecht bed jüngiien, zur 
Zeit nicht dienen wolle — Reg. Boica X, 228, 309. 
(Ohne Tag). Heidelberg. Pfalzgraf Ruprecht ber ältere verpfändet dem Gra⸗ 
fen Gerhard von Kirchberg, ber Wohlthat wegen, bie er mit feinem, des 
Binlzgrafen Banner getban, als dieſer bie Stäbte kürzlich vor Weil nieber: 
geworfen, bas Amt zu Gutenberg und Falkenberg um 400 @ulben. — 
Gattler 181. 310. 
Eept. 2. Schweinfurt. Der Bürgermeifter, der Rath unb bie Bürger der 
Stadt zu Schweinfurt und ihr Herr, Gerhart, Biſchof zu Wirzburg, bes 
. geben und beteibingen einen Waffenftillftand, welcher gegenfeitig ein halbes 
Jahr vorher aufgefagt werben müſſe, mit dem Anhang, daß ber Biſchof 
einen Zentgrafen auf dem Gerichte zu Schweinfurt haben bürfe. — eg. 
Beica X, 228, 311. 


168 


1388. Sept. 6. Straubing. Albrecht ber junge, Herzog in Baiern, verfündet ben 
Bürgern zu Regensburg, daß er binfichtlich ihre Krieges gegen feine 
Bettern, bie Herzoge Stephan, Friebrih unb Johann, mit feinen Bettern 
in berfelben Frieben und Unfrieben fein unb feine Lande unb Leute gegen 
bie Bürger von Regensburg bewahrt haben wolle. — Beg. Boies X, 229, 
— Ghenbort ein an bemfelben Tage an bie Regendburger eriaflener Fehde⸗ 
brief einiger Edelleute, Diener bed Herzogs, batiert aus Keffering. 312. 

Sept. 18. Bürgermeiſter and Rath zu Regensburg bitten den Erzbifchof von 
Salzburg um Hilfe gegen die Herzoge Ruprecht ben jüngften und Albrecht 
von Nieberbaiern, welche vor ber Veſte Donauftauf liegen unb die Um: 
gegenb mit Raub und Branb verwüflen. — Reg. Bolea X, 229. Bergl. 
®emeiner OH, 25i. 313. 

Sept. 29. Hans unb Gonrab von Kümborff geloben, gegen bie Stabt Nürn: 
berg und bie mit berfelben im Bunde ſtehenden Städte in ben nächften 
brei Jahren nichts zu unternehmen. — Beg. Boica X, 280. 314, 

Det. & Bern. 8. Wenzel verfpricht, im Falle er das r. Reich aufgeben 
follte, bem Erzbiſchof Adolf zu Mainz zur Sicherung unb Beſtätigung 
feiner Rechte und Briefe beholfen zu fein, wenn einer feiner Brüber ober 
feiner Bettern, ber Markgrafen von Mähren, zum römifchen König erwählt 
würbe. — Reg. Boica X, 230. 315. 

Det. 4. Bern. Derſelbe erlaubt dem Erzbifchof Abolf zu Mainz, mit ben 
Städten einen Bund zu fchließen, jeboch unbefchabet dem König, dem römi: 
[hen Reiche und ber Krone von Böhmen. — Reg. Boica X, 230. 316. 

Det. 8. Ulrich unb Kaſpar von Butenborf, Gebrüder, gefeflen zu Emmec;: 
beim, verbinden fi und ihre Erben, mit ihrer vorbenannten Behaufung 
gegen ihre gnäbigen Herren, Friedrich ben ältern, Johannes unb Friebrich 
den jüngern, Burggrafen zu Nürnberg, in Teiner Weife zu thun und zu 
fein, und nad dem Ausgang ihres Bündniſſes mit Weißenburg ſich mit 
feiner Stabt bed Reiches unb bed Bundes wiber obige Fürften zu verbin: 
ben. — Reg. Boica X, 230. 317. 

Det. 28. Erzbiſchof Adolf von Mainz verfpricät ben Stäbten Mainz, Worms 
und Speier, baß, wenn er auch in ben früheren Berbinbungen ben römi⸗ 
[hen K. Wenzel audgenommen hätte, er bemfelben Teine Hilfe leiften werbe, 
wenn er ihn gegen bdiefe Städte dazu auffordere. — So Schaab II, 
Nr. 235, aus Würbtmwein, Nov. subs. dipl. IX, 325, 318. 

Det. 30. Erzbiſchof Adolf von Mainz gelobt ben Stäbten Mainz, Worms 
und Speier, in allen ihren Kriegen bebolfen zu fein, nur nicht gegen ben 
römifchen König und das römiſche Reich und unbefchabet ber Bündniſſe, 
welche er mit der Mark Brandenburg und mit dem Lauſitzerland bat. — 
Reg. Roica X, 230. 

Die Gegenverfchreibung ber Stäbte giebt Schaab IE, Nr. 237 nad 
Mürbtwein a. a. O. IX, 313 alfo an: Die drei YBunbesfläbte Mainz, 
Worms und Speier verkinben ſich, dem Erzbiſchof Abolf gegen eben bei: 
jufteben, der ihm Unrecht thun würbe. 319. 

Ott. 30, Erzbiſchof Adolf verfpricht ben brei Bunbesftäbten Mainz, Werms 


169 


unb Speier, baß ber neu zu wählende römifche König ihre Freiheiten bes 1888, 
fätigen ſolle. — So Schaab II, Nr. 241. Rad ihm if bad Original 
in ber Erhtbiälisthet zu Rein; ein Abbruck bei Würbtwein a. u D. 
iX, 327. . 820. 

Oct. MW. Die drei Stäbte Mainz, Worms unb Epeler verfpreiien bes. Enz: 
diſchof Abelf, ihn nicht zu befriegen, aafspen R. eng e8 befahlen Betr. 
Go Schaab II, Rr. 236, nah Würbtwein a. a. D. 306. - . 

Det. 30. Die Bunbesfläbte Mainz, Worms und Speier verbinden ſich je 
ben Ergbtichof Adolf über einzelne Beflimmungen. So Saab U, Rz. 238, 
na Bürbiwein a. a. D. 315 - 827. 322. 

Det. 80. Die brei Bundesſtädte Mainz, Worms und Speer geloben. bem 
Erabiſchof Adolf von Mainz, ben für ben römifhen König zu erkennen, 
ben ex mit zwei ober mehreren Kurfürften wählen würde. — So Schaab II, 
Re. 240, nad Würbtwein a. a. D. 307. 323. 

De. 31. Zum Bethlern. 8. Wenzel gebietet dem Erzbiſchof Pilgrim von 
Salgburg, von aller Feindſeligkeit gegen Herzog Zriebrih von Baiern abs 
chen, auch ben Stäbten wider bie Yürften nicht zu helfen noch Ba 
legen. Herzog Friedrich Habe fi zu bem echten erboten, und er, ber 
König, werde mit Mathe der Fürflen die Sache fchlichten. — Breiäneiige 
Goyie im Umer Archiv. — Lehmann 765. 

Dee. 7. Salzburg. Erzbiſchof Pilgrim antwortet dem K. Wenzel auf ein 
Schreiben (vom 31. DOct.), ex werde geborchen, hoffe aber, ber König werbe 
ihn bei feinem’ Rechte erhalten, wie er es ihm unb bem Gotteshauſe zu 
Galzburg ſchuldig fei. — Gleichzeitige Copie im Ulmer Archiv. 325. 

1389 


Ian. 22. Detingen. Lubwig und Friedrich, Grafen zu Detingen, zeigen bem 1389, 
Herzog Ruprecht bem ältern in Baiern an, daß Chunz non Mechenberg, 
feitdem er biefed Herzogs Gefangener gewefen, ihre Feinde ſchühe und för: 
bere, und ben Gtäbten einen Berratber unb Hingeber zugefandt babe. — 
Reg. Boien X, 233. Diefe Beſchuldigung erflären ben 31. Januar bie 
Bürger von Dinkelsbühl für unrihtig, beögleichen ben 4. Yebruar bie 
Bürger von Nördlingen. — Reg. Boica X, 235. 326. 

(Ian. 27. Mergentheim). Archivnote Über ben von ben Stäbten, die ben 
Bunb wit einander Halten in Schwaben, in Yranfen und in Baiern, ge 
braten: und von den yürften und Herren angenonmenen Vorſchlag, bie 
Entfcheibung aller Streitigkeiten bem Könige zu überlafien, ber zu bem 
Ende ein freundliches Recht mit unparteiifchen Fürften und Herren nie 
berfepen foll, doch jo, baß die Musfprüde, melde Herzog Ruprecht ber 
Vtere zu dem Neuermarkt und zu Heibelberg gethan, in Kraft und bie 
fämmtlichen Jürften und Herren fowie bie Städte bei ihren Rechten unb 
Sreigeiten Bleiben follen. — Schmid, nach einer Gopie im Nörblinger 
Aechiv ohne Ort und Datum. Es if offenbar ein Stüd des bei Gemeiner II, 
258 erwähnten Protocolls über ben von ben Stäbten an ben König ge: 
nommenen Sintergang, 4. Mergentheim am Aftermoniag nad) Pauli Bekeh⸗ 
rung 1388 (bloßer Drudehler ftatt 1389, wie ber Juſammenhang zeigt). 327. 


170 


1389. Mer; 1. Tie Herzoge Friedrich, Ruprecht ber jünafte und Albrecht vereinigen 
fig mit der Etabt Regendburg babin, daß bis fommenden Somntag zu 
Kittervaften (28. Merz), auf welden Tag in Bamberg bie Zuſammenkunft 
zwiſchen Fürſten und Städten beſtimmt if, Fein Brand, Eturm und Bein: 
sartreuten geſchehen, daß das beiberfeitige Gebiet und Gut ſicher jein foll 
und die Aeder und Weinberge ungeflört bebaut werben fünnen. — Beg. 
Boica X, 237. Gemeiner II, 259, ber bad Tatum „am Montag nad 
Herrn Vaſnacht“ irrig auf den 3. Merz beredinet. 328. 

In diefe Zeit gehört folgende Rotiz bei Bemeiner 1, 249: Gonrab Enynchl, 
einer des Raths [zu Regendburg], ber nah Augsburg bie Mahnungs- 
briefe ũberbracht hatte, berichtete berat, daß ber König bie Gtäbte von 
fernerweiten Feindfeligleiten abmahne, daß er einen Zag nad Bamberg 
anberaumt, nachher wieder abgeflellt und nun etlihe Fürſten zu fich nad) 
Eger berufen babe. Tiefe Nachricht hatte Enynchl unterm 18. bed Monats 
Julius [1338] gemeldet. Es fcheint, dag Gemeiner zwei in einem Stadt: 
buche zufällig unter einander jtehende Notizen zufammengeworfen bat, von 
benen bie eine mit jenem Datum verfeben, bie andere, welche ſich auf die 
beabfichtigten Friedensverbandlungen bezieht, ohne Zeitbeflimmrung war. 329. 

Merz 38. Stuttgart. Burkart von Mannsperg, Ritter, und feine Brüder 
Buppenlen, Berchtold und Bolmar von Mannsperg verjpredhen, ihr Leben 
lang nichts wider den Brafen Eberharb von Wirtemberg, feine Grben oder 
Rachkommen oder bie Herrfhaft zu Wirtemberg zu unternehmen, ben Gra⸗ 

fen gehörigen Orteß zu Recht zu ſtehen und im Fall eine Lrieged mit den 
Neichsftäbten zu helfen. — Mit ihnen fieneln noch einige andere Edelfeute, 
welche ſich verpflichten, im alle jene wider ben Brief handeln würden, 
fi auf die Seite des Grafen zu flellen. — Sattler 183. 330. 

April 27. Eger. Johann von Krenlingen, Freiherr zn Tüngen, verfpricht 
den Städten in Schwaben, feine weitere Feindihaft zu hegen wegen ber 
Einnahme von Tüngen, das fie ihm auf Geheiß bed Königs zurüdgegeben; 
er bat auch bie Angelegenheit wenen Moſes bed Juden mit ber Gtabt 
Bafel berichtigt, und verfpricht, gegen ben Bund nicht zu fämpfen, fo lange 
er währt. — Basler Staatsarchiv Al. M. 331. 

Mai 2. Eger. 8. Wenzel gebietet den Reichsſtädten in Obers und Nieder: 
ſchwaben, im Elſaß, am Rheine, in der Wetterau, in Franken und in 
Baiern, bag fie alle Bünde, bie fie zufammen gehabt, namentlich ben ge: 
meinen Bund, als wiber Gott, den König, bad 5. Reich und das Recht 
ftreitend, abthun und bem Lanbdfrieben beitreten follen, ben ex gemacht, 
widrigenfalls er fie ihrer Rechte und Freiheiten entweren und ald meineidige, 
ungetrene und ungerechte Leute behandeln werde. — Datt 61. Lünig, 
R. U. part. spec. cout. IV, 1, 46, mit ber falfchen Jahreßszahl 1388. 332. 

Mai 3. Eger. Johann von Stille, Ritter, Dertelin Manße und Herr Wilhelm, 
ein Alt:Ammannmeifter, Abgeordnete der Stadt Straßburg auf dem Reichs 
tage zu Eger, benachrichtigen Meifter und Rath ihrer Stabt von bem 
Verlaufe der Unterhandlungen und ben ſchwankenden Benehmen des Königs. 
— Bender, von Außburgern 145. 333, 


m 
Mai 4. per. Gtepban, Friedrich und Zobame, Gebrüder, Herzoge in Baiern, 1988. 
verfühuen id mit ber Etabt Regenäburg um alle Feinbſchaſt mub Ber: 
beraug von biefe Srienes wegen, und nehmen fie im ihre Ouabe, in ihren 
Frichen und Schirm; was fir ibr an Beten cher aubern Gütern abgenem: 
men Gaben, follen fie ibe gänzlich wiebergeben; alle Gefangenen za beider 
Seite ſollen ledig fein ohne Ecdapung und Bünbuik anf ſchlechee Urfebör, 
au, «lie Branbfdjafung und alles GBebinge ſoll ab fein. — Meg. Bolsa X, 
29. 334, 
Re 5. Eger. 8. Benxl richtet einen allgemeinen Landirieden für ſecht 
anf am Rhein, In Schwaben, in Baietn, in Franken, in Hefſen, in 
Tıhringen und im Meihen. — Datt 66. Lehmann 758. — Gtett des 
Schtuſſes, den Tatt giebt: „Und wir Kunig Wenplaumwe haben bes zu 
befennen und waren gezügnuffe unfer Sunigl. Majelate ingefigel an bifen 
brieff gebenfel, der geben if zu Egern nad Griftus geburte brüpeben 
Yanıdert jere und darnach in dem rnün und achtzigſten jare des nehften 
Mittwochen nach Philippi und Jacobi ber zweier zwölfi botien bay“, bat 
Lehmann: „Mit Urfund diß Brieffö &Ke. Actum Balburgis (4. Mai) &e 
Anno &e. LXXXVIII”. Tas Iebtere ift offenbar bloß verihriebm ober 
verdrundt für LXXXVIOIL Die nädfte Duelle Lehmanns war wohl ein 
Mäptifäes Copialbuch, und dieſes ſcheint ſich hier an einen noch nicht mit 
dem endgültigen Schluſſe verfehenen Gntwurf gehalten gu baben, wie denn 
auch die Theilnehmer an der Errichtung bes Landfriedens, welche bie Ur: 
unbe bei Datt anfzählt, bier mır im Allgemeinen al „Ghurfärften, Fürften, 
Grafen, Herren, wie bie genant find”, bezeichnet werben. — Beibe Ab⸗ 
brüde, der bei Datt und der bei Lehmann, enthalten viele Fehler und 
nrüffen eimer aus bem anbern beridgtigt werben. So heißt es 3. B. bei 
Lehmann: „Auch follen all und jegliche Beftallungen, wer bie bett, gänzlich 
abfein”, während bei Datt das Richtige: „alle Phalburger“ fteht; bei Datt 
heikt ed, man werde ben Lanbfriebendgliedern, wenn ihnen Jemand wegen 
ihres Beitrittes „friben ober vientigafft” trage, behilflih fein, Lehmann 
Hat: „Behb aber Geinbigafft” u. f. f 
Was Datt 71 unter ber Ueberſchrift: „Ber Gtette Deolaration” giebt, 
enthält keineswegs, wie er annimmt, Bemerkungen ber Gtäbte, fondern 
bie Untwort, welche ſolchen Gtäbten, bie no am Bunde feſthalten und 
it, wie die von Regensburg, Nürnberg und Beißenburg, ben Landfrie⸗ 
den unbebingt annehmen wollten, auf ihre Ginwenbungen ertheilt wurde. 
In was für eine Zeit fie zu fehen iR, Tönnen wir nidt genau erkennen, 
dem Schluſſe nah zu urtbeilen, if fie an bie rheinifgen Städte ge- 
richtet. 335. 
Mu 5. Hans von Steinach fdhreibt ben Bürgern zu Regensburg, daß er 
und feine @efellen, dann die von Nürnberg und Weißenburg den Land: 
frieben geſchworen, baß fie ſich mit den Herren von Baiern vergliden 
Saben, und daß alle Gefangenen gegen ſchlechte Urfehde ledig fein follen. 
G. am Mitihen nach bes hl. Ghräuz um Veſper Zeit (ES if Kreuz⸗ 
erfinbung gemeint, nicht Kreugerhöhung, daher ber Tag ber 5. Mai, nicht 





112 


1989. ber 15. September, wie Beg. Boica X, 249 berechnet if). Vergl. 
Gemeiner I, 260. 336. 
(Ohne Tag). Bürgermeifter, Rath und Bürger der Stabt zu Eplingen bekennen, 
baß fie bem Landfrieben, welchen 8. Wenzel jebt zu Eger gemacht, bei- 
getreten in all ber Weile, wie bie Stäbte Megenöburg, Nürnberg und 
Weißenburg, bie vor ihnen in benfelben gefommen. — Datt 62. 337. 
Mai 9. Bamberg. Adolf, Erzbifchof zu Mainz, und Lamprecht, Bifchof zu 
Bamberg, entfcheiben bie Streitigkeiten zwifchen Bifchof Gerhard von Würz⸗ 
burg und ben Städten Rotenburg, Schweinfurt und Windsheim. — Die 
ganze Urkunde gebrudt bei Friefe, in Ludwigs Gefchichtöichreiber von bem 
Biſchoffthum Wirkburg 664, ausführlicher Auszug in ben Reg. Boica X, 
239. Der Sprud enthält namentlich einige Beftimmungen über daß Land: 
gericht zu Rotenburg unb bie Zente zu Schweinfurt, nadıtbeilig für bie 
beiden Städte, daher proteflieren am 16. Mai bie Bürger von Schwein: 
furt, am 12. Juni bie Bürger von Rotenburg gegen biefen ohne ihr Wiſſen 
und ihren Willen erlafienen Spruch. Reg. Boica X, 241. 42, — Tie 
letztern treffen bann ben 28. Januar 1392 eine Uebereinkunft mit bem 
Biſchof. ©. Nr. 380. 338. 
Mai 9. Bamberg. Mbolf, Erzbiſchof zu Mainz, und Lamprecht, Bifchof zu 
Bamberg, entfcheiben in den Zweiungen unb Forberungen Herrn Gerhards, 
Biſchofs zu Würzburg, und ber Städte Nürnberg, Rotenburg, Schweinfurt 
und Windsheim: bie vorgenannten Parteien follen gänzlih gefühnt fein 
und alle Gefangenen ledig gelaflen werben auf eine alte Urfebbe; alle 
Schatung, Brandfhakung, Gedinge und alle andern unbezahlten Selber 
follen ab fein; von bem Gelbe, bad Biſchof Gerharb den genannten vier 
Städten an ihren Schulden in feinem Lande eingenommen bat, follen ihm 
viertaufenb Gulden bleiben; welche von ben Städten biefed Spruches nicht 
gehorfam fein wollte, foll auch in ben Lanbfrieben nicht genommen mer: 
den, unb mag ſich dann Herr Gerhard wiber biefelbe Stabt mit ber Fürften 
und Herren Einung behelfen, ohne daß es ihm an dem Landfriedben Scha: 
ben bringe; er foll jedoch bie Städte, bie biefen Spruch Balten wollen, 
bei ihren Lehen, Eigen, Erbe und Leibgebing ungehindert bleiben laſſen; 
wegen bed Weinungelbed, das bie von Nürnberg auf ihre Bürger gefebt 
haben, finb fie dem Biſchof Gerhard, ber e8 anfpricht, nicht pflichtig, ba 
bas bem Neiche angehört; bie Bürger in ben vier Stäbten, bie bes Biſchofs 
Mann find, follen ihm fürbaß von ber Lehen wegen thun, als ein Mann 
feinem Lehenherrn billig thun fol. — Reg. Boica X, 240. 339, 
Mat 19. Amberg. Ruprecht ber jüngfte, Herzog in Baiern, verſpricht, von 
wegen des Angriffs, melden bie Stabt Windsheim gegen bie Stadt Am: 
berg gethan bat, Feine Forderung an Windsheim zu maden. — Reg. 
Boica X, 240. 340. 
Mai 20. Gerhard, Biſchof zu Wirzburg, befennt, daß bie Bürger von 
Windsheim ben zu Eger feftgefegten Lanbfrieben beſchworen haben — 
Reg. Boica X, 241. 341. 
Mai 21. Straubing. Albrecht der Sunge, Herzog in Baiern, vergleicht fich 


178 


wit Burgermeiſter und Rat; ber Stadt Regensburg mm alle Etöße, Feirib⸗ SBER. 
fhaft und beiberfeitige Forberungen vom bed Kriegs wegen; unter Rüd- 
gabe ber beißerfeltigen @roberungen unb Gefangenen ſowie Aufhebung 
der noch nit entrichteten Brandſchazungen. — Reg. Bolca X, 241. . 342. 
Mai 23. Wa. Stephan, Herzog in Batern, bekennt, daß Graf Wibrecht 
von Heiligenberg bei jüngere fein Helfer geworben jetzo in dem Krieg gen 
ben Stetten des Bundes, und verfpricht, ſeinerſeits demſelben auch behol⸗ 
fen zu fein und ihm 25 Spieße gutes und wohlbezeugtes Vvolle zuzu⸗ 
ſchiden. — Reg. Boles X, 241. 343, 
uni 3. Die rhehrifchen, elfaffifchen und wetterauiſchen Stäbte vertragen ſich, 
gemäß dem ſchiedsrichterlichen Ausſpruche Erzbiſchof Mbolfs von Mainz, 
Biſchof Lamprechts von Bamberg und bed Deuntſchmeiſters Siegfrieb von 
Benningen (und wohl noch zweier von Seiten der Stadte emiimmnter 
Göhtebsriter), mit Kurfürft Ruprecht unb Herzog Rupredit bem jÜngern 
dahin, daf fie ihnen verfprechen, in drei Zielen 60000 Gulden zu erlegen, 
wofür die Städte Mainz, Worms, Speter und Frankfurt Bürgfchaft Teiften; 
bie Gefangenen follen beiberfeitö ohne Löfegelb frei gegeben werben, und 
Beibe Partelen bei ihren Freiheiten, Rechten, guten Gewohnheiten unb Her⸗ 
fommen verbleiben. — Auszug bei Lehmann 767. Rad Königähonen 180 
fand am Pfingftabend (5. Juni) zu Helbelberg eine Ausſohnung ber rn 
nifchen und der meiften ſchwäbiſchen Städte mit ben Herten flatt. 44. 
Juni 15. Die Bürger zu Augsburg kommen mit ben erzogen *8* 
Friedrich und Johann in Batern, mit dem Biſchof Burkart von Augsburg 
und ben Grafen Ludwig und Friedrih von Dettingen überein, ihre Gtrei- 
tigfeiten ben 4. Juli zu Ingolftadt auf ſchiedsrichterlichem Wege jur Ent: 
ſcheidung zu bringen. — Reg. Boica X, 242. — Deögleihen am 47. mi 
die Bürger zu (Kauf⸗) Beuren. — Ebenbort X, 243. — Desgleigen am 
23. Juni die Bürger zu Kempten. — Ebenbort X, 243 unb Haggenmrüller, 
Gef. v. Kempten I, 193. Diefer giebt an, es fei ausgemacht worden, 
daß die beiderfeitigen Gefangenen und Eroberimgen mit Ausnahme ber 
eroberten Feſten zurlcdgegeben, alle Brandſchatzungen und Gebinge auf: 
gehoben, bie Übrigen Streitpunkte aber auf bem Tage zu Ingolftabt 
entfchteben werben follten. Aehnlich wird es ſich wohl auch mit ben von 
Augsburg und von Kaufbeuren gefchlofienen Webereintommen verhalten. 
Als Obmann des Schiebögerichted, das jedesmal aus vier Mitgliedern 
beſtehen ſoll, wird in allen drei Urkunden Landgraf Johann (der ältere) 
zum Leuchtenberg bezeichnet; doch beſtimmten bie Augsburger In einem am 
gleihen Tage wie bie Haupturfunbe ausgeftellten Beibrlefe, daß Ihre Miß⸗ 
helligkeiten mit dem Bifchof Burkart vom Nitter Heinrich von Gumppen- 
berg entfchieben werden follten, im alle fi Herzog Ruprecht in Baiern, 
Burggraf Friedri zu Nürnberg unb Landgraf Johann zum Leuchtenberg 
um biefe Entſcheidung nicht annehmen wollten (Reg. Boica X, 242); In 
Betreff Kemptend wurde, wohl aud in einem befonbern Briefe feſtgeſetzt, 
bag, wenn Landgraf Johann nicht erfcheine, Ruprecht ber jüngfte ober 
Burggraf Friedrich follte genommen werden (Haggenmilller .a.0.). 348. 


174 


1388. mi 22. Nürnberg Lamprecht, Biſchof zu Bamberg, entfcheibet binſichtlich 
der Befchädigung, welche Ruprecht ber jüngfte und Kuprecht der ältere, 
Herzoge in Baiern, durch bei Biſchofs Friedrich zu Eichftätt Diener erlit: 
ten haben, daß alle ®efangenen ledig fein und den Herzogen von Baiern 
vom Biſchof zu Eichſtädt bis kommenden Micheldtag 250 Pfuud Amberger 
Pfenning bezahlt werben follen. — Reg. Boica X, 243. 346. 

Juni 24. Albrecht von Rechberg von Hchenrechberg, ferner Ammann und 
Richter zu Weißenhorn, bezeugen, wegen bed Salzes und Eifend, das 
einigen ihrer Mitbürger burd der von Ulm Diener und Mitbürger ge: 
nommen worben, völlige Genugtbuung erhalten zu haben. — St. A. 347. 

Juni 25. Der Rath unb die Bürger zu Diemmingen bekennen, um alle ihre 
Forderungen und Anſprüche an bie Herren Stephan, Friedrich und Johann, 
Gebrüber, Herzoge in Baiern, an Herru Burkart, Bifhof zu Augsburg, 
und die Grafen Lubwig und Friedrich zu Dettingen, auf vier Schiedmann 
und Herrn Johann ben Truchfefien von Walpurg ald Obmann gegangen 
und eined freundlichen Tags gen Lanböberg auf ben 4. Auguft überein: 
gefommen zu fein. — Reg. Boica X, 243, 348. 

Juli 3. Winterftetten zu Feld. Herzog Stephan zu Baiern urkundet für ſich 
und feine Brüder Friedrich und Johann, baß fie um alle zwifchen ihnen 
und ber Stabt Ulm verlaufenen Zufprüde gänzlih auf vier Schiedsmänner 
und den Ritter Hand ben Truchieflen von Walpurg ald Obmann fich ver: 
einigen wollten auf eimen in Lauingen ben 26. Zuli zu baltenden Tag. — 
Reg. Boica X, 244. Vergl. mit Schmid, der jedoch Samstag vor Gt. 
Urbandtag (22. Mai) bat anftatt Samstag vor St. Ulrichſtag, wie bie 
Reg. Boica wohl richtiger geben. 344. 

Suli 18. Die Bürger zu Augsburg befennen, daß ihre Mißhellungen mit 
denn Biſchof Burkart daſelbſt von vier Schiebdmännern und bem Ritter 
Heinrihd von Gumppenberg als Obmann am 29. Juli zu Donaumerd 
entichieden werben follen. — Beg. Boica X, 245. 350. 

Juli 19. Ludwig und Friedrich, Grafen zu Detingen, verjprechen für ſich 
und ihren Schwager, Friebrih, Grafen von Helfenftein, binfichtlich der 
zwiſchen ihnen und den Bürgern von Dinkelsbühl vorgefallenen Feind: 
feligkeiten, diefer Stadt Freunde zu fein, mit Ausnahme besjenigen, was 
von den genannten Bürgern dem Probft im Klofter zu Roth widerfahren 
if. — Reg. Boica X, 245. 391. 

Juli 20. Ingolſtadt. Des Landgrafen Johann von Leuchtenberg Schiede⸗ 
ſpruch in der Streitfache zwiſchen ben Herzogen Stephan, Friedrich und 
Zohan von VBaiern und ber Stabt Augsburg. — Reg. Boica X, 245. — 
Nach Paul von Stetten, Gef. von Augsburg I, 131, wurde entjchieben, 
„daß die Stadt dem Herkog 10000 oder, nad Aventint Bericht, 6000 
Gulden bezahlen, der Hertzog bingegen alle neuzangelegte Zölle, Mauthen 
und Geleit abſchaffen, und den Augsburgern den freien Handel und Waıı: 
bei in fein Lanb geftatten mußte”. ©. auch Gassarus, Annales Auget- 
burgenses, bei Wende, Soriptores reram Germanicarum I, 1530. 352. 

Juli 22, (Mark) Gröningen. Die Stadt Eßlingen ift mit ben beiden Grafen 


278 


@berbarb von Wirtemberg, Großvater und Enkel, folgenbermaßen über: 19850. 
eingekennnen: 1) Die Eßlinger hindern ben Grafen nicht mehr an ber 
Bogtei zu Rellingen unb was dazu gehort, an der Vogtei und bem Bericht 
zu Dbereßlingen unb was dazu gehört. . 2) Den Leuten, bie aus den ge 
nannten Bogtelen und auß Oberehlingen in bie. Gtabt gezogen und Bürger 
geworben find, fell mau erlauben, ihr Bürgerrecht aufzugeben ‚nnd wieder 
hinaus zu ziehen. Die, welche es nicht thum wollen, forwie andere Bürger 
zu Gflingen, welche. an. ber genannten Orten Höfe und Güter haben, ſollen 
bafür forgen, daß ben Grafen ben denfelben bie ihnen gebüßrenben Dienſte 

zukommen, wibrigenfalls jene Söfe ımb Güter biefen verfallen - find. 
Haben aber Bürger freie @üter zu Rellingen unb zu Obereßlingen, ſo 
follen biefe bei ihren Freiheiten bleiben. 3) Solche als Bürger aufgenom⸗ 
mene Eigenleute der Grafen, weiche biefen vorher verſchworen umd ver: 
bürgt haben, follen ihres Bürgerrechtes Tedig fein und hinausziehen; falls 
fie vorzieben, zu bleiben, ſind ihre Güter den Grafen verfallen. Es fiegeln 
bie beiden Grafen und bie Stabt Eßlingen. — Sattler 185. Nach Stalin III, 
350 Anm. 2 befindet fi das Original biefed Briefes ſowie ber Gegen: 
verfehreibuug ber Grafen, von welcher Datt ben Eingang und ben Schluß 
giebt, im Stuttgarter Archiv, 353. 

Aug. 11. Johann ber Ältere, Landgraf zum Leuchtenberg und Graf zu Hals, 
enticheidet Binfichtlich der gegemfeitigen Anfprüche und Kriege zwiſchen ben. 
Herzogen. Stephan, Friedrich uhb Johann in Baiern einerfett3 und den 
Bürgern zu Nürnberg anbdrerfeits, daß alle Feindſchaft aufgehoben fein folle, 
bie hinweggenommenen Velten, Stäbte, Märlte, Dörfer und Tiegenben 
&üter wieder eingeantwortet, bie Gefangenen losgegeben und binfichtlich 
be3 während bed Krieged Worgefallenen weber bie vorgenannten Herzöge 
von den Bürgern zu Nürnberg, noch letztere von ben Herzogen bei irgend 
einem Gerichte beklagt werden follten. Mitfiegler: bie Bürger von 
Nürnberg. 34. 

Oct. 5. Freyſing. Die Herzoge Stephan und Friedrich von Baiern ertheilen 
ihrem Bruder Johann die Vollmacht, fie bei ben in ber Stadt Weißenhorn 
von denen von Um, Biberah und Buchau auf ben Gt. Ballentag 
(16. Oct.) vorgefcglagenen Vergleihäverhandlungen zu vertreten. — Bag. 
Boica X, 251. 

Den 20, October bezeugt dann in Weißenhorn Herzog Johann im fei: 
nem und feiner Brüber Namen, „durch ben Gemeinen unb vier Zufäße” mit 
der Stadt Ulm verrichtet und vereint worden zu fein um alle gegen unb 
auf einander geflagten und gehabten Zufprüde, ausgenommen verbriefte, 
vebfiche, alte und unleugbare Schuld, Zins, Gült unb Hubgelt, in Be: 
ziehung auf welche jedem Theile fein Recht vorbehalten ſei. — Schmid. 355. 

Rov. 17. Aichach. Vergleich zwiſchen dem Biſchof Burkfhart von ‚Augsburg 
und bem Rathe daſelbſt bezüglich ber Jrrungen über das Ungeld, has 
Burggrafenamt, ben Maierhof zu Augsburg, die von ben Bürgern ab: 
gebrochene Pfalz und die Münze u. a. Mitfiegler: Herzog Stephan von 
Baiern. — Bag. Boica X, 255, — Gafiarus, bei Wende 88. I, 1530, fagt, 


1389. 


176 


bie Streitigkeiten zwiſchen ber Stabt und dem Biſchof feien auf Michaelis 
zu Werd, nach andern Berichten zu Aichach auf ſchiedsrichterlichem Wege 
gefchlichtet worden; einer der fläbtifchen Wbgeorbneten, Rappold, ber ohne 
Willen bes Rathes bas Gtabtfiegel mitgenommen, Babe fi burch die 
Schlauheit bes Obmanns, Heinrich) von Gumppenberg, bazu bringen laſſen, 
bie Urkunde zu befiegeln, bevor ber Schiedsſpruch erlaflen worden. — Es 
ſcheint, daß im Laufe bed Sommers ober des Herbfted Verhandlungen des 
Schiedsgerichtes zu Donauwörth flattfanden, wie Nr. 350 war beftimmt 
worden, daß aber erft durch ben zu Aichach abgefchlofjenen Vergleich die 
Sade ihren endgültigen Abſchluß fand. Nach Gaflarus mußte die Etabt 
eine Entfhädigungsfumme von 7000 @ulden zahlen (f. Nr. 357), der 
Biſchof Hingegen verzichtet auf alle Aniprüche au das Ungeld. 356. 


Nov. 24. Der Rath und bie Bürgerfchaft von Augsburg erflären, bie dem 


Biſchof Burkhart ſchuldigen 7000 Bulden, halb ungarifcher und behaimer 

Gulden, halb rheinifcher Gulden an Bol entweder in Augsburg oder in 

Schwäbiſchwerd an ber Stabt geſchwornen Boldwage in brei Zielen zu 

zahlen, in der Urt, baß, wenn bie Termine nicht eingehalten würden, der 

Bifhof das Recht Haben folle, fie ſowohl an fahrendem als an liegenden 

Gute zu pfänben. — Reg. Boica X, 255. 357. 
1390, 


1390. Febr. 9. Die Stadt Eßlingen fchließt einen Freundſchaftsvertrag mit den 


beiden Grafen Eberharb von Wirtemberg, der bis zum 23. April 1343 
währen ſoll. — Datt 64, 358. 


Febr. 25. Die Städte Ulm, Nördlingen, Memmingen, Gmünd, Biberach, 


Dinkelsbühl, Pfullendorf, Isny, Leutkirch, Giengen, Aalen und Bopfin— 
gen machen, um ihren Pflichten gegen ben Landfrieden beſſer genügen zu 
können, ein befondered Bünbniß bis zum 23. April 1391.— St. A. 359. 


Merz 3. Kirchheim unter Ted. Schiedsſpruch in Sachen ber Streitigkeiten 


zwifchen ben Grafen von Zollern und ben Städten, ſ. Nr. 368. Tas 
Schiebögeriht wird wohl aus ben brei Herren, welde ben Spruch ver- 
fünben, einem als Obmann, den beiden andern als Schiedsrichtern und 
zwei von Eeiten ber Städte aufgeftellten Schiedßrichtern beftanben haben. 360. 


April 8. Münden. Herzog Stephan von Baiern verſpricht dem Herzog 


Friedrich von Ted für die treuen Dienfte, die er ihm vor und in dem 
Kriege gegen bed Reiches Städte geleiftet hat, 800 ungarische und böhmiſche 
Gulden auf den 25. Juli zu bezahlen, und gefteht ihm das Pfändungs- 
reht an feinen, bes Herzogs Stephan, Land, Leuten und Gütern zu. — 
Reg. Boica X, 263, — Aehnliche Schulbverfhreibungen, auch Verpfän: 
dungen von Seiten ber Herzoge von Baiern, bed Burggrafen Friedrich 
von Nürnberg u. f. w. ſowie der vorbergegangenen finden jich viele in 
den Reg. Boic, — Vergl. auch Nr. 366. 361. 


Juni 7. Rotweil. Graf Rudolf von Sulz, Hofrichter, verfünbet ben Gefanbten 


ber Stäbte, welchen ber bier eingefchaltete Freibrief K. Wenzeld vom 20. Merz 
1387 (Nr. 271) ertbeilt worden tft, baß fie Taut Spruch bes Hofgerichtes in 
dem Genuß ber darin enthaltenen Freiheiten bleiben follen. — St. A. 362. 


117 


Zuni 7. Rotweil. Gben berfelbe vibimiert benfelben Brief den Boten ber 1390, 


Stabt Ulm. — St. 9. 363. 
Juni 7. Rotweil. Ebenfo denen ber Stadt Biberah. — St. U. 364, 
Juni 7. Rotweil. Ebenſo ben Brief Wenzeld vom 16. Juli 1385 (Nr. 248) 

ben Boten der Stabt Ulm — Gt. N. 365. 
Jımi 19. Jörg Knolle bekennt, vom Burggrafen Friedrich zu Nürnberg hin⸗ 

figtlich feines Soldguthabens und feiner Dienftesfhäden bezahlt zu fein mit 

Ausnahme eines Pferbed, das ihm vor Windsheim hinfend wurbe und 

eined vor Weipenburg verlornen Harnaſches. — Reg. Boica X, 270. 366. 
Juni 28, Rotweil. Graf Rudolf von Sulz, Hofrichter, ertheilt den Boten 

der Stabt Ulm ein Bidimus bed Briefes K. Wenzels vom 16. Juli 1385 

(Nr. 248). — SU 367. 
Aug. 12. Graf Friedrich von Zolern, Ehorherr zu Straßburg, Graf Fried⸗ 

ri, Graf Oftertag, Gebrüber, Graf Friedrich der Schwarzgraf und Graf 

Dftertag, Gebrüber, fämmtlid Herren zu Hohenzollern, befennen, durch 

ihre lieben Herren und Obeime, Graf Eberhard von Wirtemberg ben Altern, 

Siegfried von VBenningen, Meifter deutſchen Ordens in beutfchen Landeh 

und Graf Friebrih von Dettingen, mit ben Städten Regensburg, Bafel, 

Augsburg, Nürnberg, Ulm, Ehlingen, Reutlingen, Rotweil, Weil, Nörb: 

lingen, Dinkelsbühl, Hal, Rotenburg a. b. Tauber, Heilbronn, Wimpfen, 


Gmünd, Schweinfurt, Memmingen, Biberach, Winbäheim, Weißenburg, — 


Mülhauſen, Kempten, Kaufbeuren, Leutkirch, Jsny, Pfullendorf, Aalen, 
Bopfingen, Giengen, Wyl im Thurgau, Weinsberg und Buchau lieblich 
und tugendlich verrichtet zu ſein, wie der von jenen Herren ausgefertigte, 
hier eingefügte Brief d. d. Kirchheim unter Ted 3. Merz 1390 weiſt: 
Die Städte geben bie Stabt Brülingen durch bie Hand bed Grafen 
Eberhard den Grafen von Zollern zurüd, zahlen an ben Grafen Friedrich 
von Dettingen 1250 51. auf St. Johannstag, entlaffen Heinrich und Eber: 
bard von Blumberg ber Verbünbniß, bie fie benen von Rotweil und ben 
andern Städten getban haben, geben bie Güter ledig, bie zu Blumberg 
gehören, und verfchaffen, daß bem Grafen von Dettingen mit ben 1250 I. 
auch die 250 ZI. gegeben werben, über welche die drei Brüder Biffinger, 
Bürger zu Gmünd, einen Brief an Fritz, Georg und Hann? Wichinger 
und Wild. Behaim audgeftellt. Die Gefangenen beider Parteien find Tedig 
auf fchlechte Urfehde, ungegebene Schagung bleibt ungültig. — St. A. 368. 

Sept. 27. Der Sandfriede verurtheilt zu Augsburg bie Lindauer, welche feiner 
Ladung nicht Folge geleiftet, dem Rüdiger von Ebersperg auf feine Klage 
bin Schabenerfag wegen Raubes zu erſtatten. — St. 9. 369. 

Sept. 27. Daſſelbe Urtheil wirb über bie Ravensburger gefällt. — St. A. 370. 

1391. 

Jan. 17. Betlern. 8. Wenzel thut kund, daß alle in bem legten Kriege ge: 
fchehenen Webergriffe gänzlich abgethan fein und ber Stadt Regenäburg 
feinen Schaben bringen follen. — Reg. Boies X, 280. 871. 

April 3. VBürgermeifter, Rath und Bürger zu Ulm verkünden, baß fie mit 

den beiden Grafen Eberhard, bem Altern und dem jüngern, von Wirtemberg, 

12 


II. 


1391. 


178 


1391. gänzlich verriätet und verfdhnt find um alle Zufprüde, bie fie zu ihnen 
gehabt. — Sattler 187. 372. 
April 3. Bergleih der Grafen von Wirtemberg mit Ulm, in Betreff der For⸗ 
- derungen, welche fie an diefe Stadt geftellt. Weber benfelben berichtet ein 
zu Ende be3 16. oder zu Anfang des 17. Jahrhunderts verfaßter Auszug 
bei Schmid folgendermaßen: Montag vor 6. Ambrof. in ber Oſterwoche, 
entbält ff. 20 Punkte: 1) dag Ulm Wirtemberg befriegt und bes ältern 
Grafen Eberhard Sohn, Grafen Eberhard [foll wohl heißen: Graf Eber: 
hard bes füngern Bater, Grafen Ulrich] erfchlagen. 2) Deſſelben Schweiter 
[fol heißen: beffelben, nämlich Eberhard bes ältern, Schmwiegertochter] 
Elifabeth, Herzogin in Baiern und dann Antonie, geborene von Mailand, 
bes Erfchlagenen [fol heißen: Graf Eberhard des jüngern] Gemahlin, auch 
ihre Armenleute in Gundelfingen, Greingen, Bietigheim und anderswo 
ausgeplünbert, 3) den ältern Grafen Eberhard von Pfandbung wegen an: 
gegriffen und beſchädigt, 4) Häufer u. f. w., zu S. Jörg Eapell gehörig 
nebft andern Häufern, die Lehen von Wirtemberg, abgebrochen und ihre 
Pfarrkirche darauf geſetzt [1377 wurbe ber Bau bed Münfterd begonnen], 
5) die Mühlen an ber Blau zu Ulm, 6) Peter Rothen unb andere Häufer 
wider bed von Witemberg Willen abgebrochen unb ihren Salzſtadel barauf 
geſetzt, 7) „von ber Herbbrüd wegen unb auch von ber Häufer und Fra: 
men wegen mit ben Nöhren”, 8) „von des Ehingers Ader und bes Statt: 
ſchreibers Baumgarten über ber Herbbrüd und von ofen bed Ehingers 
Nütte wegen an ber Thonaw”, 9) de von Ulm abgebrodhenen Schwaighofs 
wegen, 10) daß Ulm viele wirtembergifche Lehen in der Stabt nicht ent: 
pfangen, 11) de8 Schadens, den Ulm an ben Häufern u. f. w. berer von 
Bebenhaufen verübt, 12) wegen ber ®üter zu Derningen und Wippingen, 
die gen Arned gehören unb Ulm ben Grafen von Wirtemberg entwährt, 
13) wegen Hans Beſſerers von Ulm, der wirtembergifchen Armenlenten 
ihr Vieh abgenommen, 14) Abbruch des Wengenkloſters durch Ulm und 
befjen Entweihung, welches Klofter „der Herrfchaft zu Werbenberg gehört 
und auch all ihr von Werbenberg Vorfarn begraben ligen“ [bei der Be: 
lagerung im Sabre 1376 wurde das vor der Stadt gelegene Klofter ab: 
gebrochen und in biefelbe hinein verſetzt), 15) wegen des Schabens, ben 
Um Wirteinberg im Löwenkrieg gethan, 16) daß Heinrich von Sullme⸗ 
fingen, Bürger zu Ulm, einem Wirtembergifhen Armenmann zu Urach 
ba8 Seine genommen, 17) wegen bed Schadens zu Ulm, an Yuben und 
Chriſten, Wucher, Leiftung u. a. Ulmifcher feits an Wirtemberg begangen. 
18) von Leipheim wegen aller Juden Schulden und andern Anforderungen 
deshalb gegen Ulm, welche abgethan fein follen, ausgenommen bie Lofung 
ber Stadt Leipheim, als welche zu dieſer Zeit der Stadt Ulm Pfand if, 
für 10000 Fl., 19) Wirtemberg begiebt fi aller feiner feitherigen lehen⸗ 
herrlichen und Eigenthumsrechte in Ulm, bie St. Jörgen-Gapelle, welche 
Wirtemberg nod verleihen fol, ausgenommen, doch follen bie Häuſer, 
welche Ulm abgebrochen ober zur Pfarrfiche in Ulm gezogen, hei biefem 
bleiben und Wirtemberg feine Anſprache deshalb haben, 20) bie Stabt 


170 


Um bat Wirtemberg „alle ber von Bebenhaufen Brief, wiber die Stabt 1991. 
Ulm jagend, übergeben”, und bamit fol Um bem Inhalt bes Landfriebens⸗ 
briefed, ben ber R. König zwifchen Fürften, Herrn und. auch Gtäbten zu 
Eger errichtet, genug gethan und Wirtemberg klaglos gemacht fein, — 373. 

April 20. Rotweil. Graf Rudolf von Sulz, Hofrichter, ertheilt ben Beten 
ber Stadt Ulm ein Vidimus bed Briefes 8. Venzels (Nr. 240) vom 
16. Juli 1385. . 374, 

Juli. Die Stabt Kempten tritt in den Bund, welchen bie Städte Ulm, 
Nörblingen, Memmingen, Biberach, Gmünd, Dinkelsbühl, Hal, Aalen, 
Pfullendorf, Isny und Leutlich zur Erhaltung des Lanbfriebend ge: 
ſchloſſen. — Stabt:Kemptifche Urkunde in Münden, nad Haggenmüller, 
Geſch. von Kempten I, 193. 375. 

Aug. 15. Die beiden Grafen Eberhard von Wirtemberg (ließen einen Freund⸗ 
fHaftsvertrag mit der Stabt Eßlingen zur Regelung ber gegenjeitigen 
Rechtsverhältniſſe und zur Ausgleihung aller etwa fich erhebenden Strei⸗ 
tigfeiten. — Datt 64. Gattler 186. 376. 

Sept. 15 (Freitag nad Kreuzeserhöhung). Heidelberg. Biſchof Niclas von 
Speier befennt, daß die Stabt Speier für ben Schaden, ben fie ihm, feinem 
Stift, feinen Bürgern, armen Leuten unb den Seinen in dem Kriege 
zwifchen Fürften, Herren und Städten zugefügt, ihm 3000 @ulben ent: 
richtet und fid) dadurch nänzlih mit ihm außgeföhnt habe. Doch find in 
biefer Ausföhnung bie Pfaflen, die Ebelleute und die von Landbau nicht 
begriffen. — Schaab U, Nr. 254. 377. 

Oct. 27. Richart, Stadtſchreiber zu Ulm, erſucht ben Rath zu Negenäburg, 
bie von wegen bed Stäbtebunbes rüdftändigen 280 ungarifchen unb behaimi: 
fen und 160 rheinifchen Gulden zu bezahlen. — Reg. Boica X, 297. 378, 

Rov. 24. Bürgermeifter und Rath zu Ulm befennen, die Summe erhalten 
zu baben, welche ihnen die Stabt Regensburg binfichtlich ber zu Raven: 
burg von wegen bes Stäbtebunbes gefhehenen Rechnung. ſchuldig war. — 
Reg. Boica X, 299. 379, 

1392, 

Jan. 28. Die Bürger zu Rotenburg a. d. Tauber vereinigen fi mit Bifchof 1392 
Gerhard zu Wirzburg binfichtlich ihrer Mißhellungen von wegen ber Ge 
richtsbarkeit. — Reg. Boica X, 308. 380, 

Mai 22. Die Städte Mainz, Wormd und Speer beſcheinigen im Namen 
der fämmtlihen Städte im Elſaß und in ber Wetterau, bie ben Bund 
miteinander hielten auf dem Rheine, ben Stäbten in Schwaben, Franken 
und Baiern, welde den Bund in Schwaben mit einander Hielten, ben 
Empfang von 6000 Gulden, ihres Antheils an den 12000 @ulden, welde 
bie Städte dem Erzbiſchof Adolf fel. von Mainz zu geben verfproden. 
Es fiegeln bie drei Städte. — Ulmer Archiv. 381. 

Nov. 20. Die Sädte Um, Nördlingen, Rotweil, Memmingen, Hal, Gmünd, 
Biberach, Pfullendorf, Dinkelsbühl, Kempten, Kaufbeuren, Jsny, Leutkirch, 
Aalen und Bopfingen, welche auch den von K. Wenzel angeordneten Land⸗ 
frieden beſchworen, aber während deſſelben Angriffe auf ihre Freiheiten 

19* 


180 


. erlitten haben, verbinden ſich, geſtützt auf Briefe K. Karls (Nr. 30) 
und 8. Wenzels (Nr. 96. 271), zu gegenſeitiger Hilfsleiſtung bis zum 
1. Mai 1395. — St. U. 382. 

1393. 

Merz 6. Die Stadt Weil, welche mit dem Klofter Maulbronn zu einem geift: 
lichen Recht gefommen wegen des Schabend, ben fie ihm und feinen Leuten 
zugefügt, bittet baffelbe, von diefem Rechte abzuftehen und ihr zu verzeihen, 
verfpricht, dem Klofter Fünftig fi nüßlich zu erzeinen, und begiebt fich 
aller Anſprache an daſſelbe. Sie bat fih auch zu Fürkittern erbeten bie 
Pfalzgrafen Ruprecht, Bater und Sohn, und beren Amtleute Wiprecht 
von Helmftabt, Vogt zu Bretten, Cung Münd, Vogt zu Steinsheim, 
ferner ung Leber im Namen ber Stadt Heilbronn und Albrecht Harſch 
im Namen ber Gtabt Wimpfen. — Sattler 188. 383, 

Juni 8. Die Bürger zu Hall vereinigen fi mit dem Biſchof Gerhard zu 
Wirzburg binfichtlich ber Mißhellungen, welche zwifchen ihnen von wegen 
bed Krieges ber Fürften und Städte flattgefunden haben, dahin, baß alle 
ihre Gefangenen auf fchlechte Urfebde gegenjeitig loögegeben werben follen. 
— Reg. Boica X, 329. 384. 

Juni 26. Ingolſtadt. Herzog Stephan von Baiern verpfändet bie Stadt 
Donauwörth an Bifchof Burkarb von Augsburg für 4250 Gulden, welde 
er ihm für Hilfe im Krieg gegen bie Reichsſtädte ſchuldig geworben ift. 
— Bag. Boica X, 331. 385. 

Det. 19. Der Spruch über bie Klage bed Wilhelm von Helmfladt wegen 
Schabend von 1000 Gulden, ben ihm bie Ulmer im Städtefriege follen 
angerichtet haben, was fie nicht zugefichen, wirb durch den gemeinen Mann 
Wernher von Rofenfelb auf zwölfmal 14 Tage nad Eßlingen vertagt. — 
St. A. 386. 

1395. 

5, April 23. Die Städte Ulm, Nördlingen, Gmünd, Memmingen, Biberach, 
Dinfelbühl, Pfullendorf, Kempten, Isny, Leutlich, Bopfingen und Aalen 
verbünden fi mit Berufung auf drei Freiheitsbriefe ber Könige Karl und 
Wenzel (wie Nr. 382), — St. U. 387, 

1396. 

6. April 15. Prag K. Wenzel, ber vormals zu Eger mit Kürfürften, Herren, 
Rittern und Knechten eines gemeinen Landfriebend überein gekommen ift, 
ber ſechs Jahre dauern follte, und ihn in Franken und Baiern aufgerichtet, 
auch ſeitdem nach Laut eines darüber ertheilten Majeſtätsbrieſes daſelbſt 
verlängert hat, entbindet bie Stadt Regensburg, welcher er ungelegen und 
die ihm zu ferne gefefien ift, ihrer Pflichten gegen denfelben. — Lehmann 
764, 388, 


B. Urkunden. 


Bündniß und Landfrieden, durch Kaifer Ludwig in Schwaben 
errichtet. Nördlingen, 17. Juni 1340. j 


(Gleichzeitige Copie im Wiener Haus:, Hof: und Staatsarchiv). 


Wir Ludowig von Gots gnaden ro’mischer keiser, ze allen 
ziten merer des richs, verjehen offenlich an disem brief, 
daz wir, mit bedahtem sinne und nach unsers rats rat, unsern 
lieben sumen und fursten Ludwigen marchgraven ze Bran- 
denburch, Stephan, Ludwigen ‘und andern iren bruderen, 
pfallentzgraven bi Rein und hertzogen in Beyern, und dem 
selben land in obern Beyern und .. dem, der vicztum. in 
obern Beyern ist, und unserm fu’rsten bischof Heinrichen von 
Auspurch und den edeln mannen Ludwigen ze Öttingen dem 
alten, Ulreichen ze Wirtenberch, Berchtolden von Nyffen, 
Ludwigen und Friderichen gebrudern ze Oettingen, Eber- 
harten und sinen brudern ze Werdenberch, Albrechten, Hugen 
und Heinreichen ze Hohenberch, Chunraten und Rudolfen 
gebrudern den- Scherern! genant von Herrenberch, Gorczen 
und Wilhelmen von Tüwingen?, grafen, und dar zu den 
steten die her nach geschriben stend, daz sint Auspurch, 
Ulm, Bibrach, Memmingen, Kempten, Koufbu‘rn, Ravenspurch, 
Pfullendorf, Überling, Lindaw, Kostentz, ze Sant Gallan, Zu‘rch, 
Rotwil, Weil, Heilprunn, Reutling, Wimpfen, Winsperch, Hall, 
Ezzling und Gemund, geboten und si geheizzen haben, daz 
sich di selben herren, für sich und ir diener, und die stet 
zu unsern vorgenanten kinden bindent und verbunden haben 
getrewlichen mit irn eyden durch frides und schirmes willen, 


2 So ergänge ich das in ber Wiener Handſchrift niit mehr ganz leſer⸗ 
fihe Wort na Stälin III, 704 1. 
s ©. Stälin II, 706 k. Die W. Hofchr. hat Tanigen. 


182 


und si sich her wider zu in, und sullen an ander zu legen 
und beholffen sin des rehten und redlicher sache, als verr in 
leib und gut geraichet, und sol dis buntnuzz weren, des wir 
in gunnen und gunt haben, als lang wir leben, und darnach 
zwey gantzer jar die nechsten nach ein ander. Wir haben 
auch unsern sunen Ludwig margraven ze Brandenburch, 
Stephan hertzogen und irn brudern, bischof Heinrichen von 
Auspurch und den steten, di zu dirre bu‘ntnuzz geho‘rnd 
oder die noch zu in dar kommend, behalten und von sundern 
gnaden gunnet, ob ez dar zu ko.m, daz in den vorgnanten 
zwein jaren ein ainmatiger und ein ainweliger römischer 
kunik uf stund, und si des geinnert wuerden, so sullen die 
selben unser suen, der bischof von Auspurch und die stet, 
die zu diser buntnuzz geho-rnd, ze sammen reiten gen Auspurch 
und sullen da gemeinlich ze rat werden, und komend si des 
all uberain oder der merer tail under in, daz si in wizzen 
und erkennen für einen ainmustigen und ainweligen romischen 
kunik, so sullen si im all gelich und gemeinlich gehorsam 
sin, als von reht einem ro<mischen kunig, und sullen sich dar 
an nicht saumen noch scheiden mit dheinen sachen, und sullen 
dann diser buntnuzz ledigen sin. Wer auch daz zwen oder 
mer von den fu’rsten erwelt wurden zu dem rich, alsbald si 
daz vernemen, so sullen si dar nach in dem nechsten monayd 

eh Auspurch konıen, und sullen unser vorgnante sun und 
—* ey dar geben von irm rat, ob si selben dar nicht 
komen mo°hten, und bischoff Heinrich von Auspurch oder 
sin nachkommen, ob er sich in di bu’ntnu'zz zu in verbindet, 
als der getan hat, einen dar geben oder sich selben, und die 
burger von Auspurch zwen von irm rat, und dar zu all di 
stet di zu irr buntnuzz geho‘rnd, die des richs sint und mit 
rat in dis buntnuzz kommen sint oder noch kommend, der 
sol ieglichiu einen dar geben, und sullen die all gemeinlichen 
zu den heiligen swern, daz sie erkenn®n nach ir eyd, welher 
herr under in redlicher oder rehter erwelt si, und wo si 
duncht gemeinlichen oder den merern teil, der reht hab, den 
sullen si all erkennen und haben fur einen romischen kunig, 
und sollen dem gehorsam sin sinen reht ze tun als einem 
romischen kunig, und soll der minner teil dem merern des 
gevolgich sin, on widerred, und sullen dann aber der bunt- 
nuzz ledig sin. Wer ouch daz etlich der ietzo genanten her- 
ren oder stet, die zu diser buntnuzz geho‘rnd, saumich wur- 
den und nicht enkomen uf den vorgenanten tag, kom dann 
der merer teil dar, swes si dann uf den ayd uberain ko'men 
oder ir der merer teil, des sol der minner teil aber gevolgich 
sin. Auch haben wir den vorgenanten unsern sunen und 
fürsten und bischof Heinreichen von Auspurch behalten und 
gunt, dazsi in dem bunt, als si mit den steten uberein komen 





184 


ouch in beholffen sin an fürzog als vor geschriben stet. Wer 
ouch daz dem von Wirtemberg oder andern herren, den ste- 
ten oder andern di in der buntnuzz sint oder noch dar in 
kommend, dhein schad widerfur, den der oder die, den der 
schad beschehen ist, nicht geobern mochten, so sullen si ez 
bringen an die newn, und swes die dann oder den merrern 
teil under in duncht uf ir eyd, dar nach sullen in all di zu 
der buntnuzz gehornd, die von den newnen oder von dem 
merern teil darzu gemant werden, beholffen sin, als oft und 
als vil on geverd, iz den, den der schad beschehen ist, der 
sto'zz geendet wirt. Auch sullen dann die newn auf ir eyd 
iedem herren und der stat ir helf nach ir mu‘gen schepfen 
und machen on geverd nach der gelegenheit. Ez ist ouch 
gerett, swer der iet der in der buntnuzz ist oder ander un- 
schedlich lust, di durch daz land varnd, der uf wazzer oder 
auf land beschadigt, gevangen, gewundet, beraubt oder ge- 
minert wurd, so soll der nehst herr und stat oder ander die 
zu der buntnuzz gehoernd, bi den ez beschehen ist, zu eylen 
mit ir mugend, und sullen di allez daz dar zu tun als ob 
ez in selben beschehen wer, und mu’gen si ez niht geobern, 
so sol man in furbaz nach der newner heizz beholffen sin 
als vor stat. Wer ouch daz ieman deheinen der. zu diser 
buntnuzz gehort wolt schadigen oder apeis schiken den die 
uf si zogten und iren schaden wurben, daz sullen die andern 
di in diser buntnuzz sint, wi si daz wizzent und erkennent, 
auf den ayd wern und wenden, als verre si kunnen und 
mugen. Wer ouch daz ein auflauf ufstund zwischen den 
herren und steten oder andern di in der buntnuzz sint oder 
noch dar in komen, den sol man bringen an di vorgenanten 
newn, und swis die oder ir der merer teil ze rat werdent 
dar umb uf ir eyd, des sullen im baid tail gevolgich sin 
umb di sach, als vor geschriben stet, und swer daz widerret 
und sin nicht gehorsam wer, so sullen herren und stet und 
ander die in der buntnuzz sint, dem andern beholffen sin 
und zulegen in dem vorgenanten rehten. Wer ouch daz di 
newn oder ir der merer teil deucht daz man gesezz bedo*rft, 
ez wer herr oder stat, wo man sin hin dann bedurrffen wirt, 
da bi sullen di nehsten drey herren und stet die kost dar 
lihen, der man bedarff zu werchen oder zu bawen, und swann 
daz gesezz zergat, so sullen die newn dar nach in einem 
monayd ze sammen, und wie si alle oder ir der merer teil 
under in uf den eyd di kost an legent iedem herren oder 
stat oder ahdern di in dem gesezz gewesen sint, daz sullen 
die] dar nach in einem monayd den herren und stetten die 
ie kost dar gelihen hant uz richten uf den ayd on geverd. 
Ez ist auch gerett, wer daz iemant beschedigt wurd, di in 
diser buntnuzz sint oder noch dar in komend, von wem daz 





186 


sint ze verho’rn, und da uz richten di selben gebresten, so 
si dann best ze rat werden. Wer ouch daz iemant zwischen 
den kottemmern ichtz bescheh, daz er clagen wolt, der sol 
ez an den u-berman bringen, duncht danne den, daz er ez 
alein nicht us mug gerichten und daz er der echter dar zu 
bedurffe, ob die sach als redlich und als notdurftig ist, so 
sol er si zu im besenden an di vorgenant stat gen Ulme. 
Gescheh ouch daz der echter einer krank oder uswendig 
landes wer, daz er zu den vir kottemmern gen Ulm nicht 
kommen möht, oder wann si allvon manung wegen des uber- 
mannes dar komen solten, ist er uz der herren diner, so 
sullen di herren, der diener er gewesen ist, ainen andern an 
des stat und uf den selben tag gen Ulm senden, und sol der 
swern allez des der gesworn hat, der nicht komen moht, und 
sol ouch man im in den ayd geben, daz dirre von ehafter 
not nicht komen moht gen Ulme, und daz selb sullen die 
stet ze gelicher weis tum uzzer ir steten als die herren on 
geverd. Mer ist berett, wer daz der echter einer oder mer 
ab gieng, so sullen die andern und der uberman einen andern 
oder ander an des oder an der stat di abgangen sint kiesen 
und nemen, ez si uz der herren diener oder uzzer den ste- 
ten in dem nehsten monayd dar nach; wurden si sich aber 
zweyen an der wal, daz si nicht uber ain komen möhten, 
so sull wir einen andern oder ander an ir stat geben uz der 
herren diener, ob der selben einer abgangen ist, oder us den 
steten, ob der selben einer abgangen ist. Gieng ouch der 
urberman ab, so sullen wir einen andern, der als schidlich 
ist, in dem nehsten monayd dar nach an des selben stat 
geben on geverde. Wir Behalten uns ouch, wer daz uns 
under den echten iemant misseviel, er wer von den herren 
oder von den steten, daz wir den ab nemen sullen, und sullen 
dann di herren, ist er von iren wegen do gewesen, uz ir 
dienern ainen andern mit unserm rat an furrzog an des stat 
geben, den wir ab genomen haben. Ist ouch der von der 
stet wegen, so sullen si us ir steten daz selb ze gelicher weis 
tun als di herren. Ez hat ouch graf Ulreich von Wirten- 
berch unser oheim selb zehen siner diner die hernach ge- 
schriben stand, Johann von Gilting vogt ze Leonberg, Hein- 
reich von Rechberg von Huchling, Albrecht Hak, Ulreich 
von Wirtenberch probst ze Sand Gwiden ze Spyr, Chunrat 
von Hornstain, .. der vogt von Urach, Friderich Sturmveder, 
Chunrat Rüzz und Ernst von Giltling vogt ze Ettlingen, dis 
buntnuzz, als si an diesem brief verschrieben eint, fur sich 
und fur all ander sin diner gesworn zu den heiligen stet 
und gantz ze haben und ze halten on geverd, und des sol 
uns ouch von im benu‘gen. Wir nemen och in dis buntnuzz 


all stift, gotshuser, kloster, pfaffen, geistlich und werltlich, 


187 


wie die genant sint, di in den zilen sint, als sich dis bunt- 
nuzz strechet. Wer ouch daz iemant ichtz us kirchen oder 
us kirchhofen oder viche us pflugen frevelichen nem, das 
wer in raysen oder uswendig, den sol man haben und halten 
fur einen offen strasnrauber. Gescheh o«ch das iemant us 
lantfrid ze Franken ! her uber in dis buntnusse beraubt wurd 
oder ieman us dirre buntnusz hin uber, so sol ein lantfrid 
dem andern beholffen sin, so er best kan und mag, bis das 
ez widertan wert. Wir wellen ouch, waz iemand mit dem reh- 
ten vor unserm hofgericht erklag und erlang, daz man dem 
dar zu mit dem lantfrid beholffen sey getrewlich. Dirre lant- 
frid und buntnuzz sullen als weyt sin, als verre sich herren 
und stet land und gebiet strechend, die in dirre buntnuzz 
sint. Wir haben ouch den vorgenanten hochgeborn Stephan 
fallentzgraven bi Reyn, unsern sun, herren und steten, die 
ın dirre buntnuzgs sint, ze einem hauptmann geben, und wer 
daz er in landes nicht gesin mocht, #b sol er einen andern 
an sin stat, der als schidlich sey, und in dem selben rehten 
geben in den nehsten zwein monayden dar nach, und sol der 
selb swern ze gelicher weis als er gesworn hat, und den ayd 
sullen die newn vodern und ein nemen, und wo man in ouch 
daz verzu‘g oder verzihen wolt, so sint herren und stet und 
all di in diser buntnuzz sint gen der herrschaft ze Bayern 
unser sun und si gen in irer ayd ledig und los. Und des 
habent all herren und stet di in diser buntnuzz sint gemein- 
lich gelert ayd zu den heiligen gesworn allez daz ze halten, 
ze volfuren, swaz geschriben stat an disem brief und da 
wider nicht ze tun on alle geverd, daz ouch all herren und 
stet di in dis buntnuzz furrbaz komend ze gelicher weis tun 
sullen und swern. Wir behalten uns ouch den gewalt, daz 
wir dis ayd und buntnuzz ab nemen mugen wann wir wellen, 
und wer daz wir ze rat wurden daz wir si ab nemen woltef, 
daz mugen wir tun mit der bescheidenheit, daz wir di vor- 
genanten herren und stet besenden sullen auf einen tag, und 
sullen si do nach rat und mit ir wizzen ab nemen. Wer aber 
daz wir in landes nicht enwern, swer dann unser pfleger ist 
und der in unsern offen brief mit vollem gewalt an unsrer 
stat zaigt und bringt, der sol und wag si als „gralticlichen 
ab nemen als wir. Wir haben in ouch di genad getan, all 
di weil dis buntnuzz wert, daz wir der vorgenauten stet 


2 Durd eine ben 1. Juli 1340 erlaflene Urfunbe errichtete K. Ludwig 
zwifchen feinen Söhnen, ben Bifchöfen von Bamberg, Eichſtädt und Würzburg, 
dem Abt von Fulda, einigen fränlifhen Herren und ben Städten Bamberg, 
Bürzburg, Eichſtädt, Nürnberg und Rotenburg ein auf biefelbe Zeitbauer 
wie dad obige feſtgeſetztes, ganz in ber pleisen Weiſe organifierted Bündniß, 
auch mit neun gemeinen Leuten, bie in Nürnberg tagen und dem Herzog 
Stephan ald Hauptmann. 


| 478 
439. ganzlich verrichtet umb verſohnt find um alle Zuſpruche, bie fie zu ihnen 
gehabt. — Sattler 187. 372. 
April 8. Bergleich ber Grafen von Wirtemberg mit Ulm, in Betreff ber For: 
- berungen, welche fie am biefe Stadt geftelli. Weber benfelben berichtet ein 
zu Ende bes 16. ober zu Anfang des 17. Jahrhunderts verfaßter Auszug 
bei Gchmid folgenbermaßen: Montag vor S. Ambrof. in der Ofterwoche, 
entbäft ff. 20 Punkte: 1) daß Um Wirtemberg befriegt und des Altern 
Grafen Eberhard Sohn, Brafen Eberhard [fol wohl heißen: Graf Eber: 
hard des füngern Bater, Grafen Ulrich] erfchlagen. 2) Deflelben Schweiter 
[fol heißen: befielben, nämlich Eberharbs bes Altern, Schwiegertochter] 
Elifabeth, Herzogin in Baiern und dann Antonie, geborene von Mailand, 
‚ bes Erſchlagenen [fol heißen: Graf Eberhard bed jüngern] Gemahlin, auch 
ihre Armenlente in Gundelſingen, Oreingen, Bietigheim und anderswo 
außgeplündert, 8) ben Altern Grafen Eberharb von Pfandung wegen an: 
gegriffen und beſchädigt, 4) Häufer u. ſ. w., zu S. Jörg Eapell gehörig 
nebft andern Häufern, bie Lehen von Wirtemberg, abgebrochen und ihre 
Pfarrfirche darauf gefeht [1377 wurbe ber Bau bes Münfterö begonnen], 
5) die Mühlen an ber Blau zu Ulm, 6) Peter Rothen und andere Häufer 
wiber des von Witemberg Willen abgebrochen unb ihren Salzſtadel barauf 
gefeht, 7) „von der Herbbrüd wegen und aud von ber Häufer und Kra⸗ 
men wegen mit den Möhren”, 8) „von be# Ehingers Ader und bed Statt: 
ſchreibers Baumgarten über ber Herbbrüd und von ofen des Ehingers 
Nütte wegen an ber Thonaw”, 9) des von Ulm abgebrochenen Schwaighofs 
wegen, 10) baß Ulm viele mwirtembergifche Lehen in ber Stadt nicht em: 
pfangen, 11) des Schabens, ben Ulm an ben Häufern u. f. w. berer von 
Bebenhaufen verübt, 12) wegen ber Güter zu Derningen und Wippingen, 
bie gen Arned gehören und Ulm den Grafen von Wirtemberg entwährt, 
13) wegen Hand Beſſerers von Ulm, ber wirtembergifchen Armenleuten 
ihr Vieh abgenommen, 14) Abbruch bes Wengenkloſters buch Ulm und 
deſſen Gutweihung, welches Kloſter „ber Herrſchaft zu Werdenberg gehört 
und auch all ihr von Werbenberg Vorfarn begraben ligen“ [bei der Be: 
lagerung Im Sabre 1376 wurde das vor ber Stadt gelegene Klofter ab: 
gebrochen und in biefelbe hinein verſetzt), 15) wegen des Schabens, den 
Um Wirtemberg im Lowenkrieg gethan, 16) daß Heinrich von Sullme⸗ 
tingen, Bürger gu Ulm, einem Wirtembergiſchen Armenmann zu rad; 
das Seine genommen, 17) wegen bes Schadens zu Ulm, an Zuben und 
Chriſten, Wucher, Leitung u. a. Ulmiſcher ſeits an Wirtemberg begangen. 
18) von Leipheim wegen aller Juben Schulden und andern Anforderungen 
deshalb gegen Ulm, welche abgethan fein follen, ausgenommen bie Lofung 
ber Stadt Leipheim, ala welche zu biefer Zeit ber Stabt Ulm Pfand ift, 
für 10000 Fl., 19) Wirtemberg begiebt fi aller feiner feitherigen lehen⸗ 
herrlichen und Eigenthumsrechte in Ulm, bie Gt. Jörgen-Gapelle, welche 
Wirtemberg nod verleihen foll, ausgenommen, doch follen bie Säufer, 
welche Ulm abgebrochen ober zur Pfarrkirche in Ulm gezogen, bei biefem 
bleiden und Wirtemberg keine Anſprache deshalb haben, 20) bie Stabt 


178 


Um Hat Wirtemberg „alle der von Bebenhaufen Brief, wiber bie Stadt 1891. 
Um jagend, übergeben“, und bamit fol Ulm dem Inhalt bes Landfriebens: 
driefes, den ber R. König zwiſchen Fürften, Herrn und auch Städten zu 
Eger errichtet, genug gethan und Wirtemberg klaglos gemacht fein. — 373. 

April WW. Rotweil. Graf Rudolf von Sulz, Hofrichter, ertheilt den Beten 
ber Stadt Ulm ein Vidimus des Briefes K. Bereit (Nr. 249) vom 
16. Juli 1385. . 374. 

Zuli. Die Stadt Kempten tritt in ben Bnnd, welchen die Städte Ulm, 
Nördlingen, Memmingen, Biberach, Gmünd, Dinkelsbühl, Hall, Aalen, 
Pfullendorf, Isny und Leutfich zur Erhaltung des Lanbfriebend ge: 
ſchloſſen. — GStabt:Kemptifche Urkunde in München, nach Haggenmüller, 
Gef. von Kempten I, 193. 375. 

Aug. 15. Die beiden Grafen Eberharb von Wirtemberg fchließen einen Freund⸗ 
Thaftsvertrag mit der Stadt Eßlingen zur Regelung ber gegenfeitigen 
Rechtsverbältniffe und zur Ausgleichung aller etwa ſich erhebenden Gtrei- 
tigfeiten. — Datt 64. Sattler 186. 376. 

Sept. 15 (Freitag nad) Kreuzederhöhung). Heibelberg. Biſchof Niclas von 
Speier befennt, daß die Stadt Speier für den Schaden, ben fie ibm, feinem 
Stift, feinen Bürgern, armen Leuten unb ben Seinen in bem Stiege 
zwifchen Fürſten, Herren und Städten zugefügt, ihm 3000 @ulben ent: 
richtet und fi dadurch nänzlih mit ihm ausgeföhnt habe. Doch find in 
biefer Ausföhnung bie Pfafien, die Ebdelleute und bie von Landau nicht 
begriffen. — Schaab U, Ar. 254. 377. 

Det. 27. Richart, Stadtfchreiber zu Ulm, ‚erfucht den Rath zu Megendburg, 
bie von wegen des Stübtebundes rüdftändigen 280 ungarifchen unb behaimi- 
Then und 160 rheinifchen Gulden zu bezahlen. — Reg. Boica X, 297. 378. 

Nov. 24. Bürgermeifter und Rath zu Ulm befennen, die Summe erhalten 
zu baben, welche ihnen die Stabt Regensdurg binfichtlih ber zu Ravens⸗ 
burg von wegen bed Stäbtebunbes gefchehenen Rechnung ſchuldig war. — 
Reg. Boies X, 299. 379. 

1392. 

Jan. 28. Die Bürger zu Rotenburg a. d. Tauber vereinigen fi mit Bifchof 1392 
Gerhard zu Wirzburg Hinfichtlich ihrer Mißhellungen von wegen ber Ge⸗ 
richtsbarteit. — Reg. Bolea X, 308. 380. 

Mai 22. Die Stüdte Mainz, Worms und Speier beideinigen im Ramen 
der fämmtlihen Städte im Elſaß unb in ber Wetterau, bie ben Bund 
miteinander bielten auf dem Rheine, ben Stäbten in Schwaben, Franken 
und Baier, welde den Bund in Schwaben mit einander hielten, ben 
Empfang von 6000 Bulden, ihres Antheild an ben 12000 Gulden, welche 
bie Städte dem Erzbiſchof Adolf fel. von Mainz zu geben verjproden. 
Es fiegeln die drei Städte. — Ulmer Archiv. 381. 

Nov. 20. Die Sädte Ulm, Nördlingen, Roͤtweil, Memmingen, Hall, Gmünd, 
Biberach, Pfullendorf, Dinkelsbühl, Kempten, Kaufbeuren, Jsny, Leutkirch, 
Aalen und Bopfingen, welche auch den von K. Wenzel angeordneten Land⸗ 
frieden beſchworen, aber während deſſelben Angriffe auf ihre Freiheiten 

12* 


ind ara alle geverde, dez skin wir die obgen. stete, die 
jietzo in dem bund sint oder die noch füro zü uns 
dar in kamen, es weren herren oder stetc, ain 
ander getsüwlich beholfen und beraten sin, den selben die 
also under uns beschadiget sint, es sien herren oder stete, 
am alle erde, als ob es unser selbs sache were und uns 
allen selber beschechen were, und war daz kayn vordrung 
oder mutange bescheche von unserm herren dem kaiser, dem 
ro’mischen ku’nige oder von iemant andre von iren wegen, 
dar umbe sol sich doch kain stat umb sorlich sache ver- 
sprechen noch verantwürten noch kaynen vortail dar inne 
schen noch uflnemen, si beru’ffe denne vor alle stete ge- 
mainlich in diser buntnüzze ze samen, und sol die sache 
nach gemsyner stett rat und nach dem merren tail ir er- 
Kantnlaze az verantwürten, und sol och bi den aiden da bi 
seliben. 

2. Were aber, daz der stette dehayniu die ietzo in 
diser gelübde sint oder die noch füro dar in tra-- 
ten oder karmen, es warren herren oder stete dar 
über von ieman angegriffen würden, so süln wir andren! 
stete geinainlich den zog und den angriff wenden an herren 
und an iren dienern, und süln alle die die den schaden ge- 
tarn hant oder tün worlten, ald die hilflich dar zü ge- 
woson sint, angriffen und beschadigen an lib und an 

fit, als verre unser? vermügent geraichet, an alle geverde. 
Ind wa’r das dehayner der selben herren diener die den 
angriff tarten, stille sitzen worlten, den sol man dennocht 
angriffen und boschadigen, es were denne daz der selbe 
sworen und briof über sich selb geben worlte, daz er in vier 
gantzon jaren den nehsten nacheinander wider uns noch 
— bunde° nicht sin woelt, noch uns beschadigen 
worite. 

3. Were och daz dehain stat, ain oder mer, die ietzo 
in diser gelübde sint oder noch füro dar in kacmen, 
os warron herren oder stete, von iemant angegriffen 
würde, wer die wa’rent und die den andren steten nicht 
kündig warrent, wenne denne die selben beschadigeten her- 
ren vdor stete uns andren steten den oder die verkündent, 
die den schaden getan hant oder die hilflich dar zü ge- 
wesen sint, den oder die süln denne aber die selben stete 
under uns, den cs also verküntt wirt, angriffen und bescha- 
digen an inselbe und och an ir Jüt und gu-tern ungevarlich 
und als ob in der schade selber beschechen war. Und war 
das dehain herre, ritter oder kneht dero dehainen husety 
older hatety oder kust gebe, die uns beschadigoten oder das 


ı die & ihr 5 die Stäu nicht sin wuülf im Jieser Gelübe. 


191 


er weren worlte, daz man den steten kost süfürte, den stıln 
wir stete och angriffen und beschadigen, als vorgeschriben stat. 

4 War ouch, daz dehain stat unsers bundes, die 
ietzo dar inne sint oder noch füro zü uns darin 
ka men, es warren herren oder stete, von der vorgen. 
artikel wegen angegriffen würden, weren denne der oder die, 
die den angriff! getan heten, der selben iffnen stat 
gesezzen, und woelte denne die selben stets oder stat die 
selben och dar umbe angriffen, und dühte sy, das es ir ze 
stark were, die selben mo«hten denne wol die nehsten zu 
in manen, besenden und ruffen, das sy in dar zü be- 
holffen weren, ala manig si düht daz in dar zü notdürfftig 
weren. Werent aber die die den schaden getan hetten ainer 
andren stat bas gesezzen, so mag diu angegriffen stat den 
selben steten och gebieten, das sie die dar umbe angrifien, 
war es aber den ze stark, die mochtent aber den nehsten 
steten zü in rüflen und gebieten, untz daz diu sache erobert 
würde und der schade würde abgeleit. Ä 

5. Waer ouch daz dehain stat, die ietzo bi uns in 
unserm bunde ist oder die noch füro zü uns dar 
in kam, also angegriffen und mit geliger besezzen würde, 
diu sol und mag die nehsten dry* stete manen und gebieten, 
daz si ir unverzogenlich ze helff komen mit ir lüten, mit 
ziug, mit kost und mit andren sachen ungevarlich, da mit 
si ir stat besorgen und geretten mugen, und war daz si dez 
fürbaz notdürftig würden, so mügen si di andren stete och 
die nehsten in ayner bilichy 20 in manen in der selben wise, 
und waz kost denne dar uff gieng, dıe kost süln wir die 
stete gemainlich liden und tragen, ieglichiu stat nach anzal 
ir gewonlicher stiure, und sol och die kost ieglichiu stat in 
zwayn manoden bezaln nach dem , so die stette gemain- 
lich die kost an geleit hant. Welhiu stat och kost dar lihi, 
din mag die andren stete alle dar umbe manen uff ainen 
tag, und sond da die stete die kostan an legen nach irem 
besten a'n alle geverde. 

6. War och daz ieman, es weren herren, stete 
ritter oder knehte?, begertent in dise gelübde und 
friuntschafft ze komen, der oder die mugent das bringen an 
welh stat si wend unsers bundes, und dunket denne die 
selben stat, daz die stete dar umbe ze manent sien, daz mag 
siwol tän, und wez sich denne die stete da gemainlich oder 
mit dem merren taile erkanten, wie der in ze nement were, 
da bi sol es beliben. 

7. Waer och das ieman uns vorgen. stete ain oder mer, 
die ietzo bi uns in unserm bunde sint oder noch 


2 Schaden. 8 dehein Statt, Herr, R’tter oder Knecht, 


192 


füro zü uns dar in karmen, worlt fehen oder vigentschaft 
antragen umb sorlich angriffe, die im von uns in diser 
gelübde und friuntschafft beschechen oder widerfaren 
waren, den selben steten oder stat, ir war ain oder mer, 
sodn wir die andern stete alle bi guten trüwen und bi unsern 
aiden dar umbe beraten und beholffen sin nach dem zit, so 
disiu gelübde ain ende hat, untz daz diu sache gentzlich 
erobert und usgetragen! wirt, an alle geverde, 
und hant och die selben stete, die also beschadiget 
weren oder wurden, vollen gwalt, uns dar umbe 
ze manent und zü ze sprechen alz vorgeschri- 
ben stat. 

8. Wir sien och mit rehtem namen dez über 
ain komen, ob daz war, daz dehayn stat ain oder 
mer die ietzo bi uns sint oder noch fürbaz zü 
uns kamen, mit sainer andren steten oder stat 
unsers bundes iht brüche, stozze oder misshe- 
lung heten oder gewünnen, umb waz sache daz 
werr, daz da entwedre stat selb dar zu nihtz tün, 
angriffen, noch die andren stete oder stat dar 
umbe beschedigen noch ufheben sol, alle die wile 
und diser unser bunde weret. Und die selben 
stete oder stat die soelich storzze mit einander 
heten, süln daz bringen für gemain stete und 
den baidenthalbe ir klag, red und widerrede 
für legen und erzellen, und wez die stete ge- 
mainlich oder ir der merre taile sich denne dar 
umbe erkennent, ald wie si daz entschaiden und 
usrihtent, es si mit minne oder mit dem rehten, 
oder wes ald wa hin si die wisent, dez süln baid 
taile geforlgig sin, und sorln och bi dem aide da 
bi beliben, a'n alle geverde. 

9. Wir haben och disen unsern bunde also ge- 
ordent und uns dar uff also ze samen versprochen, wer 
daz wir kain stukke oder artikel dar inne? bessren woelten, 
daz wir dez volle maht und gwalt haben süln und 
och wol getün mugen, ob sich dez oder wie sich dez 
die stete oder ir der merr tail erkennent und ze rat 
werdent, doch sol disiu unsriu gelübde und friuntschafft 
die obgen. zit und jare beliben, und daz wir kain stükke 
niht mindren süln, es bescheche denne mit unser vorgen.stete 
gütem ainbern willen. 

10. Es suln och umb alle vorgeschribne stükk und 
artikel alle manunge beschechen gen Bibrach in die stat, es 


! ussgericht. 2 in dieser Gelübt und Fründschaflt. 
5 das mügend wir wol thun. 


183 


were denne daz wir stete oder unser der merr tail 
ainer andren gelegner stat ze raut würden, da bi sol es 
denne aber beliben. Es shln och die von Ulme, von 
Costentz und von Ezzelingen ieglichiu stat! zwen von 
iren raten zü dem spruche setzen und der andren stette 
ieglichiu ainen. Und wenne wir och ze samen gemant 
werden, were denne daz kain stat dar an sümig ware und 
niht kam alz si gemant were, der git ieglichiu stat zwaintzig 
guldin an der gemainen stett kostan, usgenomen allayn der 
von Sant Gallen, von Isnyn, von Wangen, von Liutkirch, 
von Koufbürren, von Büächorn, von Winphen, von 
Winsperg, von Pophingen und von Aulun, der ieg- 
lichiu stat git zechen guldin, und sol och sich dez kayn stat 
nicht sperren noch widren, es war denne daz sich ain 
stat mit ayden da von genemen mochte, daz si ehafft not 
geirret het. 

11. Were och, dez wir zu Got niht getruwen, daz kain 
stat in diser gelübde sich dar an übersehe und niht hielte 
noch vollfuerte die artikel die vorgeschriben sint ungevarlich, 
würde diu dez überwunden mit dem rehten, mit erkant- 
nüzze dez merren tails der stete, diu soelte denne geben ze 

enne von hundert phunt hallern zway hundert phunt güter 
er, nach anzal ir gewonlicher stiure, aber an gemain 
kostan der stette, ez were denne daz si sich mit aiden da 
von genemen mo°hten, alz vorgeschriben stat, das si ehaft not 
geirret het. 

12. Und sol och diu vorgeschriben unser ? bunt 
nüzze und gelübde in aller der wise alz vorgeschriben 
stat? weren, krafft haben und sta-t beliben a'n ge- 
verde die vorgeschribnen zit und jare, daz ist 
hinnan bis uff sant Go’rien tag der nehst kumpt und dar 
nach syben* gantziu jar die nehsten nachainander’, alz 
och daz vorbegriffen ist, es waer denne daz uns ander 
bünde® oder lantfrid ze handen giengent, die uns uff ze 
nement werent, dez sich die zwen tail oder mer under uns 
erkanten und dühten uff ze nemen, daz sol also beliben, und 
sol der dritt taile dem merren tail dar an geforlgig sin. 

Und? haben och also alle vorgeschribene sache, stukk, 
busnde und artikel gelobt bi den vorgeschribnen gesworn 
ayden®, start ze haltent und ze vollfurent luterlich und 
an alle geverde alz vorgeschriben stat. Und dez allez ze 
warem offnem urku‘nde und daz es sta-t belibe, so haben 
wir die obgeschribnen dez hailigen richs stette alle siben 


I jedwedre. 2 diese. 5 unter uns allen. 
* währen und bestehen ohngeverlich. 5 drü. 
6 nach einander ze zahlen. T ein Bund. s Wir. 


9 Ayden und geschwornen Gelübd. 
II. 13 


194 


und zwaintzig unserr stett gemainiu aigniu insigl offenlichen 
gehenket an disen briefe, der geben ist an sant Thomans 
abent dez hayligen zwelfibotten vor wihennehten, do man 
zalt nach Gotz gebürt driuzehenhundert jar und dar nach in 
dem syben und sybentzigosten jare !. 


⸗ 


m. 
Bündniß der ſchwäbiſchen Reichsſtädte vom 28. September 
1382. 


(Original im Stuttgarter Staatsarchiv). 


Diejenigen Stellen, welche Erweiterungen ober erheblichere Abänderungen 
‚bes Briefes von 1377 enthalten, find zur bequemeren Ueberſicht mit ge: 
fperrter Schrift gedrudt. 


Wir die von Regenspurg ain fryu stat und ouch 
wir dez hailigen romischen richs stette gemainlich, mit namen 
Augspurg, Ulm, Kostentz, Eßlingen, Rütlingen, Rotwil, 
Wile, U’berlingen, Memmingen, Bibrach, Ravenspurg, Lin- 
dowe, Sant Gallen, Kemptun, Koufbürren, Pfullendorf, 
Liutkirch, Yeni, Wangen, Buchorn, Büächow‘, Norrdlingen, 
Dinkelspuhel, Rotenburg uf der Tuber, Bopfingen, 
Aulon, Giengen ‚ Gemund, Halle, Hailprunnen, Winpfen. 
Winsperg und Wile in Turgo*, bekennen uns offenlich mit 
disem brief und tuen kunt allen den die in ansehent oder 
ho’rent lesen: Wan rechter fürsatz go’tlicher wißhait gebüt 
und natürlich geschribniu recht wisent und saßent, daz alle 
lüt gebunden sind gemainen nutz und frid ze furdren und 
den schaden dez gemainen gütz ze wenden und ze verkomen, 
dar an haben wir gedaucht, und haben ouch furgesetzt, an- 

ehen und betrachtet, wie daz hailig rich und gemains 
and, gotzhüser, gaistlich lüte, pilgrin, kouflüt, 
koufmanschatz, lantfarer, geste, witwen und waisen 
mit dehainen sachen in unsern rivieren und gebieten 
alz nutzlich, alz wol und als trosstlich beschirmet wer- 
den, beliben und besta"n mügen, alz mit dem das frid und 
gemach geschepft und gemachet werde. Wan aber sich daz 
nü aigenlich erfunden ha-t, daz gemains land mit dehainen 
sachen alz wol geschirmet und daz hailig rich gesterkt und 
gemerret werden mag, alz mit dem daz wir ainhellig und 
ain ander zü fride bipestendig, beholffen und beraten sien, dar 
umb und von sorlicher manigvaltiger tugent, wirde und ere, 


2 Gtatt des ganzen Schlußſatzes von und dez allez ze warem u. f. w. 
fteht bei Kuipfchild blog: Datum anno Domini M. CCC. LXXVI. die Udalrici, 
was zeigt, daß das ihm vorliegende Oriyinal Teine förmliche Urkunde, fondern 
ein Entwurf war. 


195 


die nü und ouch in künftigen ziten dar uß wachsen und 
gan mag, so haben wir uns gar berartenlich mit rechter 
vorbetrachtung und güten fürsatzen, Got ze lobe, dem hai- 
ligen ro-mischen rich ze nutz und ze eren, uns selb und ge- 
mainem land zü frid und ze gemach, uns selb ainer lieplicher 
friuntschafft und gelübde gesampnet, ze samen verstrikt, ver- 
bunden und verainet, verstriken und verbinden ouch uns 
ietzo mit rechter wißent und mit kraft ditz briefis mit güten 
trüwen und geswornen aiden, die wir alle dar umb liplich 
zü Got und ze den hailigen mit gelerten worten und uf 
gebottnen vingern gesworen haben, hinnan bis uf sant 
Goryen tag der aller schierost komet und dannen hin 
zwelif gantziu jar diu nechsten na-ch ain ander ze zellent, 
allez daz ze halten, ze laisten und ouch ze vollefuren a'ne 
alle geverde daz hie nach an disem brief begriffen und ge- 
schriben stast. 

1. Bi dem ersten sien wir über ain komen, ware das 
debain herre, ritter oder kncecht, gesellschaft oder ieman 
andre, wer die warren oder wie die genant waren, uns 
vorgen. stett gemainlich oder ain oder mer under uns besun- 
der die ietzo bi uns waren oder die noch füro zä uns kar- 
men, ez waren herren, ritter oder knecht, prelarten, 
gotzhüser oder stett, in der zit alz diser bund wernn sol, 
angrifen, bekumbern, drengen oder beschadigen worlten an 
unsern rechten, frihaiten, briefen oder güten gewonhaiten die 
wir von rormischen kaisern und küngen haben, oder mit 
roube, mit mord, mit brand oder unrechtem wider- 
sagen, oder ez ware mit schatzung, mit versetzen oder mit 
andern sachen, wer der ware, der uns oder die unsern also 
angriff und ze beschadigen mainte, niemant ußgenomen denne 
allain dem hailigen rich siniu recht ze halten und ze tünd 
arne alle geverde, dez sullen wir obgen. stett die ietzo bi 
uns in disem bund sind oder die noch füro zü uns dar in 
trarten oder karmen, ez waren herren oder stett ald wer 
die wa'ren, ain ander getrüweclich beraten und beholfen 
sin den selben die denne also under uns beschadigot oder 
an gegriffen sind, ez sien herren oder stet, arne alle geverde 
alz ob ez unser selbs sach ware und uns selb widerfaren 
und beschechen ware, und ware daz dehain vordrung oder 
mütung an uns bescha’ch von romischen kaisern oder kungen 
oder von iemant andre von iren wegen, dar umbe sol sich 
doch dehain stat under uns verantwürten noch versprechen 
noch dehainen vortail dar inne süchen noch uf niemen, sy 
berüffe denne vor alle stett in diser buntnuß und gelübde 
ze samen, und sol die sach nach gemainer stett ra't und 
nach dem merrentail ir erkantnuß daz verantwürten, und 
sol ouch bi dem aide da bi beliben. 


13* 


196 


2. Ware ouch daz der stett dehainiu, ainiu oder mer, 
die ietzo in diser buntnuß sind oder die noch füro dar in 
ka-men, ez waren herren oder stett, dar über von ieman 
angegriffen würden, wer die warren, so süllen wir andern 
stett gemainlich den zog und angriff wenden und sullen alle 
die, die den angriff getan hant oder hilfllich darzu gewesen 
sind, angriffen und beschadigen an libe und an gut, alz verre 
unser vermügent ist a«ne alle geverde. Und ware daz kainer 
der selben herren diener, die den angrif tasten oder tün worl- 
ten, stille sitzen worlten, den oder die sol man dennocht an- 
griffen und beschadigen, ez ware denne daz si sweren und 
brief über sich geben worlten, daz si in ziten und ja'ren, 
alz diser bund und verainung werun sol und ge- 
machet ist, wider uns noch unsern bund nit sin woelten 
noch uns beschadigen worlten. 

3. Waere ouch daz dehain stat under uns, ainiu oder 
mer, die ietzo in diser buntnuß sind oder die noch furo dar 
in kamen, ez waren herren oder stett, von iemant an ge- 
griffen wurden, wer die wa’rren und die den andern stetten 
nit kundig warren, wenne denne die selben beschadigoten 
herren oder stett uns andern stetten den oder die verkun- 
dent, die den schaden geta°n hand oder hilflich darzü ge- 
wesen sind, den oder die sullen denne aber die selben stett; 
den ez also verkunt wirt, angriffen und beschadigen a'ne alle 
geverde alz vorgeschriben start. 

Ware ouch daz dehain stat unsers bunds die ietzo 
dar inne sind oder die noch füro dar in Kaemen, ez waren 
herren oder stett, von der vorgen. artikel wegen von iemant 
angegriffen würden, waren denne der oder die, die den an- 
griff getan hetten, der angegriffnen stat geseßen, und worl- 
ten denne die selben stett oder stat die selben ouch dar 
umb angriffen, und duchte ei, daz ez in ze stark warre, die 
selben mochten denne wol die nechsten stett bi in zü in 
manen und besenden, daz si in darzü beholffen waren, alz 
masnig si duchte der in darzü notdurftig warre. Warren 
aber die, die den schaden geta'n hetten, ainer ander stat 
baß geseßen, so mag diu angegriffen stat den selben stetten 
ouch gebieten, daz sie die dar umb angriffen; ware ez aber 
den ouch ze stark, die mochten denne aber den nechsten 
stetten zü in rüfen und gebieten, untz diu sach erobert wirt 
und der schad wirt abgeleit a"ne alle geverde. 

5. Ware ouch daz dehain stat unsers bunds die ietzo 
bi uns waren oder die noch füro zü uns ka-men also an- 
gegriffen und mit geliger beseßen würd, diu sol und mag 
die nechsten dry stett zü ir manen und in gebieten, daz 
si ir unverzogenlich ze hilff komen mit iren lüten, mit ge- 
ziug, mit kost und mit andern sachen ungevarrlich, da mit 


197 


si ir stat besorgen und geretten mugen, und wa‘re daz si 
dez füro notdürftig wurden, so mügen si die andern stett die 
nechsten in ainer bilichi ouch zü in manen in der selben 
wise, und waz kost dar uf ga*t, die selben kost sullen wir 
stett gemainlich liden und tragen, ieglichiu stat nach anzal 
ir gewonlicher stiur. Wa’re aber daz wir stett ge 
mainlich oder ain tail under uns besunder, doch 
von haissentz wegen gemainer stett und na:ch ir 
aller oder ir dez merrentails erkantnuß, in den 
ziten ditz verbunds icht geliger oder beseße habent 
wurden, ez wa‘re vor ainer stat, vestin oder schloß, 
sinost oder mer, waz schadens oder kost denne dar 
über gieng und wachsent wurd von geziug und 
werklüt wegen, die selben kost und schaden sullen 
aber wir vorgen. stett gemainlich liden und tragen, 
ieglichiu stat nach anzal ir gewonlichen stiur, alz 
vorgeschriben stast, und welhi stett oder stat under uns 
sorlich oder ander kost und gelt uff unser aller notdurfft und 
nutze uß geben und dar gelihen hart, die mügen uns alle 
ander stett wol dar umb ze samen manen uff ainen tag und 
da ouch wir alle gemainlich hin komen sullen und die kostan 
an legen und verraiten a'ne alle geverde, und sol ouch ain 

lichiu stat under uns die kost, waz ir dez nach ir anzal 
gebüret, in zwain manoden den nechsten na’ch dem so die 
stett gemainlich die an geleit ha’nt, bi dem aide bezalen 
ame alle geverde. 

6. Ware ouch daz ieman, ez waren herren, ritter oder 
knecht, stett oder ander geistlich oder weltlich lüte, 
begerten in ditz friuntschaflt und gelubdnuß ze komen, der 
oder die mugent daz bringen an welhi stett oder stat unsers 
bunds si wend und dunkt denne die selben stett oder atat, 
daz die stett gemainlich darumb ze manent sien, daz mügen 
si wol tün, und wez sich denne die stett gemainlich oder 
mit dem merrentail dar umb erkennent und dar umb ze 
ra*t werdent, wie der oder die in ze niement sien, da bi sol 
ez beliben. 

7. Warre ouch daz ieman uns vorgen. stetten ainer oder 
mer, die ietzo bi uns sind oder die noch füro zü uns ka’men, 
vehen oder vigentschafft antragen worlt umbe so’lich angriff 
die in diser unser verbuntnüß und gelübden beschechen 
waren, den selben stetten oder stat, ir wa‘re ainiu oder mer, 
sullen wir die andern stett alle bi gäten trüwen und ge- 
swornen aiden beraten und beholffen sin nach dem zit als 
disin gelübde ain ende hat untz daz diu sach gentzlich er- 
obert und ußgetragen wird arne alle geverde, und haend ouch 
die selben beschadigoten stett oder stat vollen gewalt uns dar 
umb ze manen und zü ze sprechen alz vorgeschriben start. 


198 


Wir haben o-ch uns mit besundern worten also verainet, 
daz wir kainer stat under uns kainen vortail nit 
eben sullen, ez ware denne daz ain stat oder mer 
in sorlicher armnut', schaden oder gebresten ietzo 
wa'ren oder noch füro dar in vielen, si waren 
roß oder elain, die selben stett mügen sorlich 
ır schaden, arnmüt'! oder gebresten wol bringen 
für gemain stett dez bunds, so süllen denne gemain 
stett ain kuntschafft dar umb erfaren, wie ez dar 
umb gestalt sy, und wez sich denne die stett ge- 
mainlich oder mit dem merrentail erkennent 
und nach sorlicher kuntschafft, underwisung ze 
rart werdent, ob si soelichen stetten vortail geben 
wellen oder nit, oder in an diensten oder an an- 
leggung liben sullen oder nit, da bi sol ez be- 
liben. 

8. Ware ouch sach daz dehain stat unsers bunds, ir 
ainiu oder mer, die ietzo bi uns sind oder die noch füro 
zü uns ka-men, mit ainer ander stat oder stetten unsers 
bunds icht brüch oder sto'ß hetten oder gewünnen, umb 
waz sach daz ware, da sol entwedre stett oder stat selb nit 
zü tün, angriffen, noch die andern dar umb bekümbern noch 
ufbeben in dehainen weg alle die wile diser bund werot?, 
und die selben stett süllen sorlich ir sto-ß bringen an die 
stett in der gesellschafft si sind, und den baidenthalb 
ir sach fürlegen und ze erkennent geben, und wie die 
solben stett, gemainlich oder mit dem merrentail, 
in der gesellschafft si sind, die sach zwischan in 
ußrichtent, oder ob si daz ane gemain stett nit uß- 
gerichten mochten, ald diu sach alz harftig warre 
oder also gestalt daz man daz ye für gemain stett 
bringen musst, wez sich denne die stett gemainliclı oder 
mit dem merrentail dar umb erkennent oder wie si daz 
mit minne oder mit friuntlichen rechten entschaident, ald 
wez oder wa hin si die wisent, dez süllen baid taile ge- 
vorlgig sin und ouch bi den aiden da bi beliben. 

9. Wir haben ouch disen bund in sorlicher ma'ße ge- 
ordnet und ouch uns dar uf also ze samen versprochen, ob 
wir dehain stukk und artikel dar inne zu den vorgen. ar- 
tikeln bessern woelten, daz wir dez vollen gewalt haben, und 
ouch da bi beliben sol, wenne oder wie sich die zwen tail 
oder mer der gemainen stett dar umb erkennent, und sol 
der drittail den zwain tailen dar inne bi dem aide 


2 Er läßt fich nicht genau erfennen, wie bie fünf Striche unter m und 
n zu vertbeilen find. Tas erſtemal fcheint es eher mn, daß zweitemal nm. 
0 Nicht ganz beutlich, ob werot ober weret.. 


198 


gevo’lgig und gehorsam sin und ouch da bi beliben. 
Doch sullen noch mügen wir dehain stak in disem bund- 
brief nit mindern, ez beschech denne mit unser der vo 
stett aller gütem ainbarem willen und ainhelleclich. 

10. Wenne ouch wir vorgen. stett alle ze samen ge- 
mant süllen werden, da sol alleweg ain manung be- 
schen gen Ulm und diu ander gen Bibrach, ez ware 
denne wir obgen. stett uns bekanten gemainlich oder 
mit dem merrentail, daz ain andriu stat zü den ziten der sach 
baß gelegen ware. Ez sullen ouch die von Regenspurg, 
von Auspurg, von Ulm, von Kostentz und von Eßlingen, 
ieglichiu stat zwen von iren rasten zu dem spruch setzen 
und der andern stett ieglichiu einen. Und wenne ouch wir 
ze samen gemant werdent, wa’re denne daz dehain stat dar 
an slúmig ware und nit karme uff die zit alz siu gemant 
ware a’ne alle geverde, der git ieglichiu stat zwaintzig 
guldin an gemainer stett kost, uß genomen der von Sant 
Gallen, von Kemptun, von Yeni, von Wangen, von Liut- 
kirch, von Kouffbürren, von Bopfingen, von Winpfen, von 
Winsperg, von Giengen, von Aulon und von Bächorn, der 
ieglichiu stat git zehen guldin, und sol ouch sich dez kain 
stat widern noch sperren, ez ware denne daz sich ain stat 
mit aiden da von geniemen mo*cht, daz sy ehafft no"t! ge- 
irret het. 

11. Ware ouch, daz wir ze Got nit getruwen, daz sich 
dehain stat in diser buntnüß dar an übersarhe und nit hielti 
und vollefärti die artikel alz vorgeschriben sta«t, wurd diu 
denne überwunden mit dem rechten mit erkantnüß der stett 
oder ir dez merrentails, diu sol denne ze pene geben von 
ye hundert phund hallern ir gewonlicher stiur zwai hundert 

hund haller, aber an gemain kost der stett, es ware denne 
—* si sich mit aiden da von geniemen moechten, alz vor- 
geschriben sta”t, daz sy ehafft no't! geirret hett. 

12. Und sol ouch mit namen disiu unger vorgeschriben 
gelabde und buntnüß werun und krafft und macht haben 
in aller der wise alz vorgeschriben ‚ sta.t a"ne alle geverde 
und ouch die vorgeschriben zit und ja're hinnan bis uff 
sant Gorryentag ze nechst und dar nach zwelif gantziu 
jaer diu nechsten nach ain ander, ez ware denne daz uns 
ander bünd und lantfrid ze handen giengen, die uns uff ze 
niemen waren und dez:sich die zwen taile oder mer under 
uns erkanten und dühte uff ze niemen, daz sol denne ouch 
also beliben und sol der drittail den zwain tailen dar an 


gevoclgig sin. 


2 Das Zeichen auf dem o ift fehr ſchwach, ſcheint aber doch ein v zu 
bebeuten, 


200 


Und also haben wir vorgen. stett alle gelopt bi den vor- 
iben aiden, alle vorgeschriben sach, stükk, bünde und 
artikel war und stet ze halten, ze laisten und ouch ze volle- 
furen, luterlich und ane alle geverde nach ditz brieffs sag, 
und des alles ze warem urkund haben wir vorgen. stett alle 
und ouch ieglichiu stat besunder ir stat gemains und gro«B! 
insigel offenlich gehenkt an disen brief. Ware aber daz 
der selben insigel ir ains oder mer ungevarrlich 
an disen brief nit kacme oder zerbrochen würd, 
dennocht sol dirr bund und brieff bi allen sinen 
krefften beliben, der geben ist an sant Michels aubent, 
do man zalt von Cristz geburt driuzehen hundert jar und 
dar na'ch in dem zwai und achtzigosten ja"re. 


2 Das Zeichen auf bem o ift fehr ſchwach, fcheint aber doch ein v zu 
bebeuten. 

Am großen weißen Buche bed Basler Staatsarchives (f. db. Vorwort 
©. 4) fiebt an ber Spike ber auf den Stäbtebundb bezüglichen Urkunden 
(fol. XVIII), unmittelbar vor ber Beitrittäurfunde des Bifchofs und ber Etadt 
zu Bafel, ein Bünbnißbrief der Städte. Es ift begreiflich, daß die Basler, die 
in ber Beitrittöurfunde fi den Städten verbunden unb verpflichtet hatten: 
in alle wise und forme und wege und mit allen artigklen, als in irem bund- 
brife geschriben stat, ben Bundbrief, bem fie nachzufonımen verjpraden, in 
ihr Stadtbuch eintrugen; merkwürdig ift. aber, daß das, was fie eintrunen, 
durchaus nicht eine Copie bed damals, im Jahre 1384, in Kraft beſtehenden 
Bündnißbriefes von 1382 ift, ſich vielmehr als ein bebenfliches Flickwerk er- 
weiſt. Es beginnt: Wir die von Regenspurg, ein frye stat, und ouch wir 
des heiligen roemischen richs stette Ougspurg, Ulm, Costentz, Esselingen etc. 
bekennen alle offenlich und einmurtlich .... und fchließt: Und dez allez ze 
warem steten und offen nrkünde und das ez stete belibe, so haben wir die 
vorgen. stete alle gemeinlich und iegliche besunder unser stette gemein in- 
sigel offenlich gehengkt an disen brief,. der geben ist, do man zalt von 
Gottes gebürte drüzehen hundert jar und darnach in dem ein und achtzigosten 
jare. Ter Inhalt ftimmt in Allem mit bem Briefe von 1377 überein, außer 
in folgenden Punkten: Betreffenb die Dauer bed Bündniſſes heißt es, es folle 
währen biz uf sant Georien tage der nechst komet und dannanthin zworlf 
gantze jar, ferner, die Mahnungen follten gefcheben gen Ulm oder gen Bi- 
berach, es were denne ..., und endlich zu ben Beratbungen follten bie von 
RBegenspurg, von Ougspurg, von Ulm, von Costentz und von Esselingen je 
zwei aus ihren Räthen fchiden. Der BVerfertiger bes ben Baslern zugejchid: 
ten Eremplares hatte offenbar den Brief von 1377 vor fi, in welchen er 
dasjenige auß ber Erneuerung von 1382 bineinbeflerte, was ihm aerade in 
den Sinn fam. Ten Tag ber Auöftellung, ber ihm beareiflihermeife nicht 
erinnerlid war, Tieß er ganz weg, unb zum Schluffe machte er noch ben 
Febler, daß er 1381 flatt 1382 ſetzte. 


Inhalt. \ 


— — — 


VorworttttttSeite 3 


Einleitung. . . . 93 
L Gründung bes Bundes und Befeftigung deſſelden durch ben glüd- 
lichen Krieg gegen Wirtemberg . . . . 2 


IL Erweiterung ber Bedeutung des Bunbes durch feine Berbinbung 
mit Fürſten unb Herren unb mit den rheinifchen Stäbten. — 
Krieg mit den Rittergefellfhaften . . „ 34 
1. Verſuche des Königs, Stäbte und Fürften unter feiner Reitung au 
vereinigen. — Berbältniffe des Städtebundes zur chweineriſchen 
Eidgenofſenſchaft ... .,80 
IV. Weſen, Beſtand und Einrichtung deB Bundes 
a. Umfang und Gliederung . » © 2 220 ec 67 


db. Bundesverfommlung - 2 2 0 0 ne. „a 
e. Kriegsweſen „ 76 
d. Verbindungen nad aufen .. ne „ 83 
o. Verhältniß zu Kaifer (König) und Keich .... „ 8 
f. Vergleihung mit ber ſchweizeriſchen Eibgenofienfchaft . .„ 9 
V. Entſcheidungskampf und Untergang bed Bundes. — Schluß „ 


Beilagen. 
A. Regeſite... 4118 
B. Urkunden. 4181 


Sejchichte des Bundes der Sachienftädte 
bis zum Ende des Mittelalters 
mit Rükſicht | 


anf die Territorien zwifchen Weſer und Elbe. 


Von 


W. 3. £. Zode. 


en 


Vorwort. 


Der am 20. April 1854 verftorbene frühere Stadtbirector Dr. 
ode zu Braunfchweig hat fid) während eines langen verdienftvollen 
bens auf das eifrigfte und eingehendfte auch mit ber Gefchichte Nieder- 
hjens, namentlich Braunfchweigs und der benachbarten Städte und 
nde, befchäftigt, und davon auch bei feinen Lebzeiten mehreres ver- 
entliht, worunter das bedeutendfte ift: „Das ältere Munzweſen 
: Staaten und Städte Niederſachſens. Braunfchweig 1847. 8.“ 
er Berfaffer erwähnt bier in der Vorrede der reichen Urkunden 
3 Braunfchweiger Stadtardivs zur Gefchichte der Stadt und ihrer 
bindung mit andern Städten, die als Bund ber Sächſiſchen Städte 
ie nicht geringe Bedeutung in der Gefchichte des Deutſchen Städte, 
jens erlangt hat. Es fcheint längere Zeit hindurch feine Abficht 
wefen zu fein, eine vollitändige Geſchichte diefes Bundes mit dem 
zu gehörigen urkundlichen Material auszuarbeiten und zu veröffent- 
jen; und die reichen Sammlungen, die er für diefen Zwed angelegt 
tte, babe ich felber bei ihm früher einzufehen Gelegenheit gehabt. 
oh Hat er dann jenen Plan fpäter wejentlich erweitert und ein 
tfafjenderes Werk unternommen, dem er den Titel gab: „Geſchichte 
e Entwidlung des Staatslebens zwiſchen Wefer und Elbe, unter 
m Ginfluffe der zur Sefbftftändigkeit emporgewachfenen Städte, wie 
e gortbildung defjelben in den welfiichen, befonders den jet das Her- 
gthum Braunſchweig bildenden Landen. Nach größtentheilg dem 
iv der Stadt Braunfchweig entlehnten Urkunden“. 

Der Tert defjelben ift von dem Verfaſſer im wefentlichen voll» 
det worden und zerfällt in acht Bücher, von denen das erfte bie 


206 


ältere Zeit bis zum Jahre 1384 umfaßt, das zweite bis zum Anfang 
des 16. Jahrhunderts geht, das dritte bis 1613, das vierte bis 
1666, das fünfte bis 1735, das fechste bis 1806, das ſiebente bis 
1823, das achte bi8 1831. Daneben geht eine Eintheilung in Ab- 
fehnitte ber, deren bald mehr bald weniger auf ein Bud) gerechnet 
werden: zufammen find es 21. 

Schon diefe Ueberficht läßt erkennen, daß die Bearbeitung eine 
ziemlich ungleiche ift: auch die Bedeutung der einzelnen Theile muß 
es nothivendig fein. Während in den legten Büchern der Verfaſſer 
als Augenzeuge, ja als mithandelnde Perfon berichtet und ohne Zweifel 
wichtige Beiträge zur Zeitgefchichte Liefert, haben wir es in früheren 
mit den Reſultaten urkundlicher Forfchungen, in den erften mehr nur 
mit einer UWeberficht der älteren Gefchichte, ohne theilweiſe wenigftens 
recht fpecielle eigene Stubien, zu thun. 

Ganz vollendet ift die Arbeit Übrigens nicht. In den Theilen, 
die mir vorgelegen, fehlen die ohne Zweifel beabjichtigten Quellen: 
nachweife und andere Anmerkungen — für bie in dem Manufcript 
überall befondere Blätter eingeheftet find — fo gut wie ganz; eine 
Anzahl von Urfmdenabfchriften war wohl dem Text der erften Bücher 
beigelegt, aber ohne jeden näheren Zufammenhang mit demfelben; wo—⸗ 
gegen bie hier berührten meiftens fehlten. Auch Karten und andere 
Beilagen, die für dus erfte Buch beftimmt waren, find zu feinem 
rechten Abfchluß gebracht. | 

Einer Berdffentlihung des Ganzen haben fich verfchiedenartige 
Hinderniffe in den Weg geftellt. Dem Unterzeichneten wurden von 
den Erben die beiden erften Bücher mitgetheilt zur Prüfung, inwiefern 
fie zur Aufnahme in die Forſchungen geeignet erfchienen. 

Bon Intereſſe zeigt ſich beſonders das zweite Buch (deffen Titel 
in der Handjchrift lautet!: „Allgemeiner Kampf ber Territoriafherren, 


2 Auch die einzelnen bier mitgetheilten Abfchnitte (IV—VIL bed ganzen 
Werks) haben im Manufeript oder in einer beiliegenden Weberficht des Werts 
beſondere Ueberfchrijten, bie ich bier angebe: 


207 

der freien Stände, befonbers aud) ber felbftfiindig. gewerbenen Städte 
und des Bundes der Safjenftäbte gegen wechſelſeitige Uebergriffe und 
sr GSicherftellung erkaufter und angemapter, ber Ordnung ber 
Staaten entgegenjtehenber Hinbernifje. - Seit der Seiten 'Häsfte bes 
14. bis zum Anfange des 16. Jahrhunderts“), das ſich faft: ganz 
wit ber Geſchichte jenes. Bundes bes Sachſenſtädte (oder Saſſenſtudte, 
wie der Verfaſſer ſchreibt), von der Bobe überhaupt: bei. feiner Arbeit 
ausgegangen ift und für die er ein fehr reiches, bicher unbelanntes 
urtundliches Material benuten konnte, beſchäftigt. Dies war in jeder 
Weiſe, auch ohne die näheren Nachweife und urkundlichen Beilagen, der 
Beröffentlidking werth. Wenn einiges über die Geſchichte der benach⸗ 
barten Territorien ober andere Stübtevereinigungen oder des Reiches 
eingefhoben ift, das nur das fonft Bekannte wiederholt, fo jchien 
die Achtung vor der Integrität ber Arbeit, die fo vorliegt, die Bei⸗ 
behaltung deſſelben zu fordern oder doch zu rechtfertigen. Auch fonft 
ift fo gut wie nichts an dem Text geändert, nur die Berechnung der 
alten Data, die der Verfaſſer zu geben verabjäumt hatte, beigefügt, 
auch zu Anfang einiges über die erften Anfänge der Vereinigung der 
Sädhfifhen Städte aus dem erften Buche aufgenommen. Aus dem- 
felben ift als Anhang eine Schilderung der innern Verhältniffe der 
Städte Hinzugefügt, die in mancher Beziehung mit der Geſchichte in 
Zuſammenhang fteht, und in der ebenfalls auf ungedrudtes Material 
Rückſicht genommen wird. 


IV. Grrihtung und Fortbildung bed Bundes ber Saffenftäbte bis zum 
Sabre 1432. Verhältniffe, unter welchen berfelbe zu einer vorberrfhenden 
Macht fich erhob. 

V. Der Bund der Saffenftäbte in der Mitte des 15. Jahrhunderts, ber 
Zeit feined größten Umfanges, auch Einfluffes auf öffentliche Verhältniſſe 
zwiſchen Weſer und Elbe, 

VI. Steigende Macht einzelner beutfcher Fürftenhäufer gegen dad Ende 
des 15. Jahrhunderts und Trennung mehrerer, beſonders geiftlihen Territorien 
angeböriger Städte aus bem Bund der Saſſenſtädte. 

VH. Vorgänge befonderd zwiſchen Wefer und Elbe von 14% bis zum 
Abfeben des kriegsluſtigen Herzogs Heinrich des Altern von Braunſchweig 1514. 


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ö—LÆCC.I 
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ee - . 
EEG. I 
— re— 


— des vierzehnten Jahrhunderte häuf⸗ 
rrrrriten, welche in dem Zerfalle des Reichs ſich 
— 


ie, faiferlichen Gebote zur Heritellung und Er⸗ 
ı8 zeigten fich unwirkſam, wie die zu diefem 
——ereine Die heimlichen weitphälifchen Gerichte 
u in die entferntejten Gegenden des Reichs, und 
‚den beläjtigten durch eigennützige Eingriffe im die 
Anfrürer in den Städten wie Naubritter und 
u. Landſtraßen fuchten die allgemeine Verwirrung 
ter reiheten fich an Telfenneiter. ‘Die durch 
md gefhwächten Fürften fonnten mit dem 
en, und wo fie angeblich zur Hülfe in Vereine 
‚ußerte fidh ihre vereinte Macht in der Unter⸗ 
:n Behandlung freier Territorialgenoffen. Nein 
dern trauen, und tiefes Mißtrauen leuchtete aus 
u hervor. Im Herzen Sachſens kämpften wel- 
ı einander und mit auswärtigen Prätendenten, 
ı Städte in ihr Intereſſe und ftellten auch diefe 
gegenüber. Dean fuchte ſchützende Auswege nach 
bald durch Verfuche den Yandfrieden zu begründen, 
3’ Schuß: und Trugbündniffe; Heil war aber weder 
ij der anderen Weife dauernd zu finden. Die Stäbte 
: ihre Wälle und Mauern, verftärkten ihre Feſtungs⸗ 
-theidigungsmittel und fchloffen feitere Verbindungen 
zur gemeinfamen Belämpfung aller der Gebrechen, 
t herbeigeführt hatte. Es war diefe die Zeit des Ent- 
eines Bundes der Saffenftädte, für welchen ich 
ung beibehalte, weil fie in den betreffenden Urkunden 
: and damit nur die Städte angedeutet werden, welche 
urkundlich beitraten. 
Die erjten Anfänge ftädtifcher Bünde in Sachſen gehen in 
e Zeit zurüd. Die! meiften fchloffen ſich der Vereinigung 










ıe bier in Klammern eingefügte Stelle ift aus bent 3. Abfchnitte des 
ichs herübergenommen. 
14 


208 


Der Bund der Sachſenſtädte dauerte auch noch im 16. Jahr 
bundert fort, und das dritte Buch kommt mehrmals auf denfelbe 
jurüd. Doc feine Bedeutung war num eine wefentlid andere, i 
ber Hauptſache ſehr geminderte, und fo konnte dieſe Dariteltun 
paſſend da abgebrochen werben wo der Verfaſſer felbft den Abjchni: 
gemacht hat. Sie iſt fo ein gewiß vielen willkommenes Seitenjtü 
zu der in eben diefem Bande veröffentlichten Gejchichte des E<chmi 
bifchen Städtebundes von Viſcher. 


6. W. 






rl Brauuſchweig —— die 
 Slehtvegiinent war. hier übermältigt, gen 
0 Inaretı in empörender Weiſe ermordet. Die 
I bi 1383, in welcher Zeit, um 16 ber 
rg erivehren und Berbiudumgen —A 
Te Da era a a Basar De 
I D 
er _ un mar. Die Eimdt Derfor wegen 


‚sg ei erli ua — 
n Erfolg. Die Stäbte Lühed, 


ar Mur im Nomen ber wrbiaheen 
Ha Hate ur Eher —— 1880 


murde ein im Archive ber Stadt noch aufbemahrter 
ol abgefaßt, der über bie über das 
: umd bie Ausgaben forgfam Auskunft gab nachwirs, 
us Bolt dur) Borgeben ber — i fe 
5 man es indeß nicht: beivenden; Lkr 


mgen nad) allen Seiten Bin ef um gegen 
unge nicht nur, fondern auch gegen übrigen 

7 Sicherheit zu erlangen. “ 

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220 


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fucht genahrt. Itde Leranlatiom; wurde beuagr. m nm urn 
über Helmiuedt geltend zu machhen. Tet Mazimar 7 Sit: vor 
134) ın Aufrur vertrieben. Herzog Mayr I. m Fromitena 
nahm fih ale Schutzherr deielben an, und ta Be Nticzier 
broheren, fi einen antern Schutzberrn wählen :: weler, wien Nr 
Aurft ihre yeitellte Bedingungen nicht erfüllen wir. fa virrmnultiate 
er die Aufrurer, lieh die Rädeleiuhrer entbanpten zr> icete den 
alten Magiſtrat wieder ein. Tas war im Irtereſe der Städte, 
nun mollte aber der Herzog die von dem Abte ertden:e TVrivilegien 
nicht anerkennen. Er fuchte die hoheitlice:: Kedte ax 1: zu sieben. 
Tagegen aber trat die Ztadt wie der Abt in die Zirenken. Jene 
errichtete 1.349 mit Braunſchweig Verträge, nab zeiden tie sich der 
Hilfe, zumächſt durch Fürſprache, dann aber, mer dieſe rruchtlos 
fein würde, mit 25 :Reitern und 25 Fußknechten. wriiherte. Nach 
ben Vertrage mit Magdeburg 1351 verhiek Mer Zi 46 Mann 

36 mit Gleven und 9 Schützen. Es geicxess dedei einer Linie 
gung der Städte Goslar, Iraunfchiweig, DER. Tuedlinburg 
und Aichersleben Erwahnung, nad) welder vier Mammer aus den 
Städten zufanımentreten und darüber berathen und earicheiden jollen, 
ob einer der “Städte Hilfe erforderlich fei. Sie tollen ermächtigt 
fein, die Hülfe dahin zu leiten, wo fie Noth tbun würde. Zu der 
Vehörde aber follen Magdeburg und Goslar jede einen Abgeordneten, 
Hraunſchweig und Helmſtedt einen, die übrigen drei Städte aber 
gleichfalls einen Deputirten ftellen. Halberjtadt, Tuedlinburg und 
Afchersleben verhießen noch in bejonderem Dertrage Hülfe (1351), 
und hatte die Einigung bei Erfolg, daß (Hewalt vermicden wurde. — 
Der Abt Hatte in anderer Weife fich gewappnet. Er wirfte 1350 
ein kaiferliches Mandat an den Herzog aus, nad) welchem diefer den 
Abt in feinen Hoheitsrechten nicht jtören follte. Es heißt darin, 
daß der Abt das Necht, Vögte an: und abzufegen, von dem Kaifer 
erhalten habe; und _ eigenthinlicher Weiſe trägt der Kaifer an dem⸗ 
felben Tage der Stadt Brannſchweig auf, den Herzog über bie 
Angelegenheit belehren zu wollen. Einer folchen Belehrung entzog 
ji) der Fürft auf dem damals geeignetften Wege. Er verpfändete 
die Vogtei mit den Neumarkt — einer Vorſtadt — und anderen 








212 , 


3. Unterhandlungen, um in einzelnen Vereinen den Landfrieden 
aufrecht zu erhalten, dauerten bisher faft unausgejegt fort. Schon 
1383 waren die Bürger Braunſchweigs eidlid) darauf verpflichtet; 
die darüber aufgenommenen Protocolle find noch vorhanden. Mit 
dem Erzbifhof von Magdeburg hatten in dem Jahre der Kurfürft 
von Sachſen und der Diarfgraf von Meißen fi) zu dem Bündniffe ver 
einigt, dem 1385 andere Fürften und Dynaſten beitraten: [H.' Otto der 
Quade von Braunfchweig-Göttingen, H. Friedrich von Braunfchweig, 

. Mbreht von Braunfchweig- Grubenhagen, der Erzbiſchof von 

ainz, der Biſchof von Halberftadt, die Grafen von Keinftein, von 
Hohnftein, von Stolberg, von Werningerode, von Mansfeld, famınt 
anderen Herren und Junkern. Es fei, heißt es, vor Gott Sünde 
und vor der Welt Schande, daß die Kaufleute nicht mit Sicherheit 
Handel treiben könnten. In Sachſen fei e8 jet am unficherften, 
umd bei ſolchem Wefen möchte endlich aller Handel vernichtet werden. 
Doch zeigte ſich, daß diefe Webereinkunft dauernde Folgen nicht Hatte, 
und am wenigjten durften die Städte ihr Heil von den Dynaften er 
warten). Die Etadt Magdeburg erfuhr aber zuerit, welchen Sinn 
die wechjelfeitige Zufage der Fürſten hatte, fid) gegen ihre Feinde 
Beiſtand leijten zu wollen. Der Erzbifchof befand fich unter den 
beftellten Landrichtern; er ſuchte aud) die Stadt Magdeburg in den 
Friedensvertrag zu ziehen; ihre Weigerung aber und darauf folgende 
Vorgänge beibeifen, wie wenig man Yandfrieden vertrauen konnte, 
wenn auch das: „Zraue dem Landfrieden nicht!“ noch nicht fprüdy 
wörtlich) geworden war. Der Erzbiſchof bauete eine Veſte an der 
— welches Unternehmen ihm die Angriffe der Nachbarn zuzog. 

ie Stadt glaubte ihm dadurch gefällig zu fein, daß fie ſeinem Auf—⸗ 
rufe zur Hülfe folgte. Diefe war dankbar angenommen, die Stadt 
aber wurde, eben diefer Hülfsleiftung wegen, nach dem Urtheile der 
Yandrichter, zu welchen der Erzbifchof felbft gehörte, zu einer Strafe 
von 200 Mark verurtheilt. Der Erzbifchof hatte zwar der Stadt 
erklärt, daß er ihrer Hülfe ftetS eingedenf fein werde, num aber, nad) 
Erreichung feines Zwedes, war die Ausrede, daß Magdeburg, um 
Gehör zu finden, zuvor dem Xandfrieden beitreten müſſe. Die 
Stadt mußte 200 Mark Silbers in Goslar niederlegen, erhielt aber 
das Geld bald erftattet; denn der Vertrag, bei welchem man immer 
wieder die planlofe Unterwerfung der Städte im Auge hatte, war 
nicht von Dauer, und fchredte das BVerfahren gegen Magdeburg 
auch Braunfchweig und andere Städte zurüd. 

4. Das Jahr 1383 war für die Stadt Braunfchweig denkwür⸗ 
dig, nicht nur weil die Folgen bes Aufrurs befeitigt wurden, fondern bes 
jonders auch in Beziehung auf den Ausgang der Streitigkeiten zwifchen den 
welfiſchen Fürſten. Durd das Ableben H. Wilhelms von Limeburg 
(1369) wurde dieſe welfifche Herrfchaft erledigt. H. Magnus LI. 


» Dies iſt aus dem 3. Abjchnitt des erjten Buchs genommen, wo zuerit 
von dieiem Bund gehandelt ift. 





214 


die, wie immer wieder fich zeigte, einen tüchtigen Nährſtand bildeten, 
aber wenn e8 galt ale Wehrſiand einzutreten, die Obrigkeit und 
Berfaffung zu fchügen, lieber zufahen, was fie nidyt ändern zu können 
glaubten, gefchehen ließen, und vorzogen, es demnächſt durch Terhund- 
lungen in das alte Gleis zurüdzuführen. Unter ſolchen Verhältniſſen 
vereinigten ſich die jüngeren Mitglieder der Gejchlechter und wohl: 
habender Bürgerfamilien in Braunfchweig zu einem Xeitercorps, das 
gegen die ftädtifchen Proletarier jich bewaffnete und zur Erhaltung 
der Ordnung im Innern der Stadt ſich gebrauchen ließ. 

Ein gefährlicher Feind wurde fo gezügelt, des unruhigen H. Otto 
von Göttingen hatte man ſich erwehrt, Braunichweig bot nun 1384 
alle Kräfte auf, um fonitigen Gefahren zu begegnen und zu dem 
Zwede Xereine feiter zu begründen. 

5. Der Wirkſamkeit der Landfriedens⸗Verträge jtand entgegen, 
dag man keine Landrichter finden fonnte, die das Vertrauen aller 
nad) den verjcjiedenartigiten Intereſſen gruppirten Betheiligten be: 
ſaßen. Die Fürften wollten niemand als Yandrichter anerkennen, 
der nicht ihres Standes war, Städte und Ritter fanden aber die 
Fürften verwerflich, weil fie ihre Macht al8 Landrichter zum eignen 
Bortheile mißbrauchten. Der Erzbifhof von Magdeburg erklärte 
1383, daß er dem &dlen von Warberg, der damals als Yandrichter 
für Sadjfen gewählt war, fich nidjt unterwerfen wolle. 1384 und 
noch fpäter war Yambert von Alten Yandrichter, und aud er fand 
mit feinen Verfügungen fein Gehör. Die Städte beriethen für fich, 
welche Fürften man mit Vertrauen zu den Verhandlungen und Ver⸗ 
trägen ziehen fönne, und Mißtrauen trennte auch die Fürſten unter fich. 

Am LValentinstage [14. Februar] 1384, che noch das umfafjen- 
dere Bündniß 1385 geichloffen wurde, tagten füchfifhe Fürften, 
Stüdte und Kitter mit einander. Es wurde vereinbart, daß alle vor 
den Landrichter Geladenen wie auch SKaufleute und Weifende in 
Schutz genommen werden follten, daß man mit den Landvögten in 
Thüringen und Wejtphalen in Verbindung treten wolle, daß eine 
Stadt durch zwei Rathsherren vor dem Xandgerichte vertreten werden 
könne. Hannover erklärte, wenn Dilbeshein und Halberjtadt zu- 
träten, auch Antheil nehmen zu wollen, aud) wurde eine Matrikel 
entworfen, nach welcher die erforderlich werdende Mannfchaft geftelit 
werden follte: die Lüneburgſchen Fürften 150 Neiter und 1000 Fuß- 
fnechte, die Braunſchweigſchen Fürſten 100 Keiter, die Stadt Braun- 
ſchweig 300 Fußknechte, die halben Herren und Städte, Anhalt, 
Regenftein, Werningerode 150 Reiter und 1000 Fußknechte. Da- 
neben traf man Verabredung wegen zu erbauender Sclöffer und 
Bergfrieden. 

1384 (die palmarum [3. April]) gab auch der Bifhof von 
Hildesheun feine Erflärung dahin ab, daß er die Herzoge von Göt- 
tingen und Grubenhagen wie die Stadt Hildesheim in die Einigung 
ziehen und aud) andere Fürſten und Städte zum Beitritt auffordern 














oltfe ie nicht 
mehr "zumt Iwece Iaifetidhe Dale fich zu vermitteln, fondern Ber 


Der Mädtigere fiel unbebenklich über ben Schwächeren her, 
wen ber Kaiſer jenes noch. fo ungerechte Sache gut hieß. 
“sch gegen ihre Territorialherren erboten fi) bie Bunbdesftäbte 
zu allem dem, was fie ihnen. von Rechtswegen ſchuldig wären; es 
war dies aber gleichfalls eine müßige Klaufel, weil bie Herren ihre 
echte in ben Städten veräußert hatten, und wenn ttigfeiten 


biefer -Borgängen 
Göttingen, eine der fehbeluftigften Städte jener Zeit,. war 
1387 mit ihrem Otto malus in Str 
war Thellnehmer des Im Jahre 1885 Fürftenbunbes 
und ‚ben rationen von Seiten 
mit Schlage ein Ende machen zu koͤnnen. Schon Spangen- 


Se re ee fen 
er 


8 





218 


von Braunfchweig-Tüneburg hatten, um ihre Städte und Ritterihe: - 
ten nad) glüdlicher Beendigung der Fehde gegen die ſächſiſchen Prü- 
tendenten ſich geneigt zu madyen und ihrer Hülfe gewiß zu fein, 
Zugeſtändniſſe gemacht, die allerdings in Staatägerechtiame tief ein- 
griffen, wenn man in den Berbältnijjen der Fürſten jener Zeit zu 
ihren Zerritorialgenojfen nur die ſchwächſten Grundlagen zu einem 
wirflihen Staatsgebäude finden konnte. In den Lüneburger Satzungen 
— den fogenannten Satebriefen — 1392, wurden den Städten, 
namentlich Yüneburg, Hannover, Uelzen, nicht nur ihre alten Privi- 
fegien beftätigt, iondern auch neue hinzugefügt. Es follten feine neuen 
Schlöſſer erbauet, feine Schagungen auferlegt und die Zölle nicht 
erhöht werden. Aus Territorialgenofjen wurde eine die Erfüllung 
der eingegangenen Verträge Eontrolirende Behörde zuſammengeſetzt; 
fie follte aus fünf Mitgliedern der Ritterjchaft zwiſchen Deifter und 
Xeine, drei vom Yüneburgichen Adel, vier aus dem Rathe zu Lüne—⸗ 
burg, zwei aus Hannover und zwei aus Uelzen beftehen. Es wurden 
Strafbeſtimmungen hinzugefügt, und den Ständen, für den Fall eines 
Verſtoßes gegen die Verträge von Seiten der Fürſten, nachgelafjen, 
fih in den Schuß eines andern Herrn zu begeben. Solche Berträge 
bejtätigten Kaiſer diefer Zeit, Verträge, die, wollte man den Maßſtab 
nach dem wahren Begriffe vom Staat anlegen, unhaltbar erfcheinen. 
Die Fürften wollten keine auf Grundgeſetze ſich ſtützende Staaten. 
Sie hatten ſelbſt die Verhältniſſe herbeigeführt, nach welchen fie ihren 
Zerritorien Schuß nicht gewähren konnten, und von dem Mangel 
aller an den Srundbegriff vom Staat ſich anfchliegenden Principien 
war die natürliche Folge, daß die Staatsgenoſſenſchaft den Schutz 
fuchte, wo fie ihn zu finden hoffen durfte, dag man der Geſetzloſig— 
teit ein Verfahren entgegenjtellte, da8 immer nur die jo veränderlichen 
und die augenbliclichen Verhältniffe verfolgte und Willführ als Geſetz 
nicht anerkannte. Wie Sünde Sünde gebiert, fo folgten aus Staate- 
widrigfeiten neue Verftöße, die das Staatsleben immer tiefer hinah- 
finfen ließen. Was Willkühr geichaffen hatte, das fuchte man, wenn 
es läjtig, d. h. wem fernere Willkühr dadurd) befchränft wurde, auf 
demfelben Wege wieder zu vernichten. So erfuhren aud) jene Satungen 
bald "infechtungen. Die ernannten Schugmänner verbiindeten ſich 
1894 mit den Markgrafen von Brandenburg zur Bertheidigung 
ihrer Srrungenfchaften, und auch Otto malus bewährte feinen Cha- 
rafter durch Betheiligung gegen die Vettern, denen die Stadt Bram: 
ſchweig ſich angefchlojjen hatte. Die Witterfchaften ſprangen fchnell 
ab; fie entjagten zum Theil den in den Satungen gegebenen Ber: 
heißungen. Der Kampf fchien erntlich werden zu wollen, indem 
Hamburg und Yübel dem zu den wendifchen Städten zählenden 
Lüneburg Hülfe leifteten; allein es zeigte ſich auch hier, wie eben die 
Vetheiligung Braunfchweigs den geguerifchen Städten Nuten brachte. 
Meittelft Urkunde vom Bertholditage 27. Yuli] 1396 trugen die Beam 
von Bramfchweig-Yiineburg dem Magiſtrate der Stadt auf: den Frieden 
zwiſchen ihmen, den Herzogen Friedrich, Bernhard und Heinrich an 


u. 


219 


einent, und ben Stäbten Lübeck, Hamburg, Limeburg und Hannover, 
auch diefer Fremden, am andern Theile zu vermitteln. gefchah 
dies in längere Zeit fortgefegten Verhandlungen. | 

12. Eine thatſächliche Mahnung, nur eigenen Kräften unb ber 
palfe befreimdeter Städte zu vertrauen, erhielt in berfelben Zeit 

agbeburg. Während der Erzbifchof am kaiſerlichen Hofe abweſend 
war, wurden feine Stiftslande nicht nur von den benachbarten Mär: 
fern, fondern auch 1395 von dem Kurflirften Rudolf III. von 
Sachſen angegriffen und verheert. Der Dompropft Heimid von 
Warberg rückte ihm entgegen mit Zuzuge aus ben ten Magde⸗ 
burg nnd Halle, erlitt aber eine ſchwere Nieberlage, die zahlreiche 
Vaſallen, aud Krieger der beiden Städte in Gefangenfchaft brachte. 
Nur die Stadt Magdeburg fette den Krieg noch ein Jahr lang fort. 
Ihr Kriegsweſen war in gleicher Weife geordnet wie das der Stadt 
Braunfchweig. Sie hielt 100 geharnifchte Reiter zum Geleit ber 
Waarenzüge und Kaufleute. Die Bürger waren friegspflichtig und 
zum Kriegsdienſte mußten, nöthigen Falles, alle brauchbaren Pferde von 
der Dürgerfchaft gejtellt werden. Mit diefer Mannſchaft durchitreifte 
die Stadt in damaliger Weife fengend umd brennend bie benachbarten 
furfinftlihen Yande, fchoß, da Magdeburg ſchon 1377 im Belige 
von Donnerbüchfen war, das ſächſiſche Schloß Rabenſtein in Brand 
unb verfolgte auch die Sache des Erzbifchofs bis zu deſſen Rückkehr. 
Er verglih ſich mit dem Kurfürſt auch über die Auslieferung feiner 
Vaſallen, der gefangenen Bürger wurde aber in dem PVertrage nicht 
gedacht. Sie mußten endlich von den Städten Magdeburg und Halle 
mit großen Koften eingelöft werden. 

13. Nach dem erjten umfajjenderen Bundesvertrage wurden 
die überheidiichen Städte (unter diefer Benennmg waren bie an ber 
Südoftfeite der großen Lüneburger Heide belegenen Stübte im Ge 
genfage zu den wendifchen, zu welchen Limeburg und Uelzen gehör- 
ten), wie die mit Magdeburg in näherer Verbindung geftandenen 
Städte in vielfältige Händel gezogen. Sie wurden abgehalten ihre 
begoimenen Verbindungen fürerjt weiter zu befejtigen und, auszubehs 
nen, doc, verjäumten die, welche nicht fo unmittelbar betheiligt waren, 
keineswegs, gemeinfane Maßregeln den ‘Drangfaten der Zeit ent⸗ 
gegen zu ftellen. 

Scon 1374 hatte 8. Karl IV. den Biſchof Gerharb von Hil- 
desheim ermächtigt, in Peine und Gerftebt Freiftühle zu errichten, 
in derfelben Weife ımd Form wie fie in Weftphalen beftänden. ‘Diefe 
Freiftühle waren, wie es in der Urkunde heißt, aufs Neue zu begrün- 
den, und fie, benen auch andere Fürſten zwifchen Wejer und Elbe nach⸗ 
trachteten, waren eines der Diittel, mit welchen man Willkühr zu 
deden fuchte. Sie fcheinen aber auf der Oſtſeite ber Wefer nie 
fefteren Buß gefaßt zu haben, doch überfchritten längft die weitphäli- 
ſchen Stillgerichte die angedeutete Grenze. Es vereinigten fich baher 
1396 die Städte Goslar, Hildesheim, Einbed und ftedt am Johan⸗ 
nistage 24. Juni], um gemeinfchaftlich fich den weitphälifchen Gerichten 


220 


fowohl als den Uebergriffen der geiftlichen Gerichte zu widerfeken. 
Die Yürger, welche vor jenen Gerichten Klage erheben ober ſich 
einlaffen würden, follten aus der betreffenden Stadt verwiejen und 
in den andern nicht zugelaffen werden. In gleicher Weife jollte 
auch gegen die verfahren werden, welche vor geiltlichen Gerichten fid 
ftellen und nicht vor den ftädtiichen Gerichten Recht nehmen wollten. 

14. Ein neues Bündniß der Herzoge von Braunjchweig mit 
den Dearfgrafen von Meißen und den Yandgrafen von Thüringen 
und Helfen 1403 ftellte zwar die Erhaltung des Landfriedens, die 
Antegrität ihrer Befitungen und die Ausgleichung ihrer Etreitigfeis 
ten durch Austräge ald Hauptzwed auf, war aber auch ausdrüdlic 
auf wechfeljeitigen Beiftand gegen aufrüreriſche Unterthanen gerichtet; 
was man darunter verjtand, ift oben bemerkt und war vielfältig 
fchon fund gegeben. Um die Zeitbegebenheiten richtig zu beurtheilen, 
muß immer im Auge behalten werden, daß man jett am weitejten 
von den Pflichten ſich entfernt Hatte, die den Fürſten mit der Aus- 
übung landeshoheitliher echte auferlegt worden. Man hatte meder 
flare Begriffe von Staats⸗ noch von Gemeindegeredhtfamen.. Daß 
den Machthabern Unterjohimg und Vernichtung gleichbedeutende Be⸗ 
griffe waren, daß mit der Unterwerfung den Städten da® Fundament 
ihres Wohlftandes und ihres Jahrhunderte hindurch mühſam fort- 
gebildeten Städtelebens entzogen werden würde, fonnten diefe vorher 
fehen; die Tolgezeit bejtätigte e8. Die beiden mit Magdeburg und 
Braunfchweig vereinten Städtegruppen traten von jekt an feiter in 
die Schranfen. 

Am Tage Antonii abbatis [17. Ianuar?] 1404 errichteten 
zunäcjft die Städte Magdeburg, Braunſchweig, Hildesheim, Göt- 
tingen und Einbeck ein umfajjendes Schutz⸗ und Trutzbündniß. Zwar 
habe ich diefen Vertrag felbft noch nicht auffinden können, doch er- 
giebt die Urfunde iiber den Beitritt Hannovers vom Tage ©. Mauritii 
er Eee.) 1408, daß derjelbe wichtige eingreifende Beitimmungen ent- 

ält. In der Urkunde find die Intereſſenten des Vertrags von Jahre 
1404 namentlich aufgeführt, auch ift das Jahr und der Tag des 
Bündniſſes ausdrüdlich bemerkt. Der Rath von Hannover verpflichtet 
fich zu der in dem Hauptvertrage von jeder der Stüdte zu ftellenden 
Hülfsmannſchaft 83 Fußknechte zu überjenden oder dag auf diefe 
Mannſchaft zu rechnende Geld. Die Stadt will nad den in dem 
Hauptvertrage angedeuteten Berhältnijfe der bedrängten Stadt einen 
Vorſchuß von 3750 Gulden (damals noch Goldgulden) zuftellen 
laffen und alle die Bedingungen puünktlich erfüllen, auf welche die 
übrigen Betheiligten fid) geeinigt haben. Die Urkunde über die Bei- 
trittserflärung fol, zum Behuf auch der übrigen Städte, bei dem 
Rathe in Braunſchweig verwahrt werden. 

Wahrſcheinlich iſt der Vertrag auf zehn Jahre, wie mehr vor⸗ 
kommt, unter dem Vorbehalte geſchloſſen, daß er, im Falle eine Kün⸗ 
digung nicht erfolge, ſtillſchweigend fortlaufen ſolle; auch haben andere 
Städte, wie aus den folgenden Begebenheiten hervorgeht, ſich angeſchloſſen. 





222 


fam 1409 abermals eine Theilung zwifchen den Brüdern Bernhard 
und Heinrich zu Stande, womit bie mittleren Häuſer Braunschweig 
und Yimeburg ihren Anfang nehmen; jie kamen aber 1414 überein, 
ſich wechjeffeitig Beiftand leiften, ohne beider Zuſtimmung feine 
Bündniffe eingehen, Streitigkeiten nur von Austrägen, aus ihren 
Räthen zujammengejeßt, enticheiden lajfen zu wollen. Es war als 
wenn bie Tolgen ihres Werfahrens ihnen deutlicher vorjchwebten, 
denn der Bertrag von Jahre 1415 griff noch weiter aus. Sie 
vereinigten ſich über die Wiederzufammenjegung ihrer Yande, die 
Rechte der Eritgeburt, Vormundſchaft, eidliche Anerkennung der ein- 
gegangenen Qerbinblichfeiten, da8 Verfahren im Falle der Regent 
blödfinnig fein werde, Verforgung der nadgeborenen Prinzen und 
der Prinzejfinnen, die Gefammthuldigung, Verleihung der geiftlichen 
unb anderer Lehne, Verſorgung der Wittwen, gemeinſchaftliche An⸗ 
ftellung der Staatsdiener, Gemeinfchaft der Ktriegehülfe, Abführung 
der Schulden, Beichränfung der Anleihen, Empfang der Fahnlehen ꝛc. 
Ein Kollegium von 25 Perjonen und Näthen: neum aus dem Yande 
Xiimeburg, von Overheide und bei der Aller, vier aus dem Lande 
zwifchen Deifter und Xeine, vier aus den Herrichaften Homburg und 
Eberftein und acht aus der Herrſchaft Braunfchweig, follte die pünkt⸗ 
fihe Erfüllung der Beſtimmungen fontroliren. Nteinem Prinzen, 
auch wenn ein folcher nicht zur Mitregierung gelange, jollte der Eid 
auf diefe Union nach zurückgelegtem 14. Yebensjahre erlaffen werben, 
die Huldigung im Gegentheile vor der Eidesleiſtung nicht jtatthaft 
fein. Stürbe das Gefchlecht bis auf zwei noch nidyt 14 Jahre alte 
Prinzen, oder nad) den Grlöfchen einer der Linien bis auf einen 
Unmündigen aus, fo folle das Kollegium der 25 Perfonen in Gelle 
zuſammen kommen, zwei Räthe aus jeder der Etädte Braunſchweig, 

annover, Uelzen, Lüneburg und Helmftedt zuziehen, und durch 

tehrheit der Stimmen feftftellen, wie es mit dem Regimente ge: 
halten werden jolle, ohne jedoch berechtigt zu fein, einen auswärtigen 
Vormund zu wählen. 

Es lagen in dem Vertrage Bruchſtücke zum Staatsbaue, man 
verfolge aber da8 Buch der Gefchichte einige Blätter weiter, um ſich 
zu überzeugen, daß nur augenblidliche Aufwallung foldye Verträge 
fchuf, von welchen weiterhin fanım die Rede war. 

Die Grundherrlidjfeit fiegte auch durch die Erfindung über bie 
Zandeshoheit, daß Verträge der Art nur für directe Nachkommen 
verbindlidy wären, daß eine fuccedirende andere Linie des Haufes jid) 
nicht an ſolche Handlungen der Vorgänger zu binden brauchte. 
Griffen auch foldye Verträge tief in das Staatsleben ein, war aud) 
die ganze Xerritorialgenoffenfchaft noch fo fehr dabei betheiligt, fo 
hatten die Paciscenten doch nicht den Staat vor Augen. Cie woll 
ten ihn nicht, weil fein Weſen Willkühr ausfchließt und nicht zu der 
Annahme Raum läßt, daß der Staat des Regenten wegen gejchaffen jei. 

17. Hielten verkehrte Grundſätze Territorien, wie die welfifcheı, 
in ihrer Bildung zum geregelten Staate zurüd, jo fonnte man 


223 


miger nod in Fleinen Dynaftien auf Vorfchritte zum Beflern red 
n, auch ftößt man überall auf Befchwerden über Raubanfälle, bie 
n ſolchen geringeren Herren unterftügt wurden. Das Bündniß, 
(es 1412 Graf Günther von Schwarzburg mit einem von 
eldrungen errichtete, war zwar angeblich gegen die Markgrafen von 
teißen errichtet, veranlaßte aber den Zuſammenlauf des gemein 
n Raubgefindels, da8 unter der Benennung der Flegler nur Plün- 
mng und Brandftiftungen betrieb. „Es foll jedoch niemand 
ſſen — fagt Spangenberg in feiner Mansfeldfchen Ehronit — 
T wäre oder von weßwegen oder aus was Urfachen 
fe Flegel ſolchen Muthwillen trieben, denn es kam ihrenthalben 
cher in Schaden und Beichwerung, der mit feinem Menfchen in 
igüte zu thun hatte“. 

Es fönnen hier nur einzelne Zeitbilder gegeben werben, um bie 
mrigen Verhältniſſe anzudeuten, unter welchen die Städte ſich 
ehr und mehr ifoliren und auf eigene Kraft verlaffen mußten. 

18. Der Bundesvertrag vom Jahre 1404 war abgelaufen, als 
ramſchweig 1415 fid) angelegen fein Tieß, denfelben zu erneuern 
d auf neue Bundesgenoffen zu erftreden. Zuerſt fam am Sonn 
ge Lätare [10. März] 1415 ein Vertrag mit Lüneburg und Han⸗ 
ver zu Etande, dem am Eonitage nad) Martini [17. November] 
: Städte Deagdeburg, Halberftadt, Quedlinburg umd Afchersleben 
itraten. Andere früher jchon dem Bunde angehörig gewejene Städte 
tten entweder noch fortlaufende Verträge oder Sonderbündniffe 
t Braunfchweig und anderen Bundesftädten, die in den Verhand⸗ 
ngen 1415 ausdrüdlich vorbehalten blieben und aud die Theil» 
hme an dem jetigen Vertrage ficherten. Zwar ſchloß Braunſchweig 
t jeder der genammten Städte abgefondert ab, die verfchiedenen 
stunden find aber übereinjtimmenben Inhalts. 

Die Städte felbft wollen mit einander in Frieden leben, würde 
ıe derjelben aber „verunrechtet“, fo follen die anderen zunächit 
th Fürſprache, würde diefe aber nicht zum Zwecke führen, durch 
taffengewalt helfen. Dies folle auch gefchehen, wenn geijtliche ober 
eltliche Perfonen, weh Standes fie fein möchten, fi) vom Papite, 
m Kaifer oder den Herren Privilegien ertheilen Liegen, die den 
echten der Städte zuwider liefen. In feiner der Städte follen 
(che geduldet werben, die nach rechtlichen Gründen aus einer ber- 
ben veriwiefen worden. Die Fehden der Städte follen gemeinfchaft- 
h zu Ende gebracht, und e8 foll wechjelfeitig Hülfe geleiftet werben, 
mn eine der Städte wider Recht und Gewohnheit vor auswärtige 
iftliche oder weltliche Gerichte geladen werden würde. Der Handel 
Ile, mit Vorbehalt der Zölle und des Geleits, frei fein. In keiner 
r Bundesſtädte follen Feinde einer derfelben gehaufet oder in irgend 
er Weiſe unterftügt werden, auch wolle man feine geraubte Sachen 
laſſen oder fie doc anhalten. Einer bedrängten Stadt folle daß 
effnungsrecht und den Fliehenden Geleit in die Heimath gewährt, 
e Schuldner einer der verblindeten Städte follen in allen zur Er⸗ 


224 


füllung ihrer Verbindlichkeiten angehalten, im Falle aber in einer ber 
Städte Zwietracht entftehen würde, fchleunigft Hülfe geleiftet werben. 
Zur Befeitigung von Streitigkeiten wurden Schiedsgerichte und Ob- 
leute eingefeßt. 

19. Dem Vertrage vom Jahre 1415 war Uelzen noch nidt 
beigetreten, erft 1423, nad) der Urkunde vom Tage Matthäi [21. 
September] dieſes Yahres, ſchloß auch diefe Stadt Braunfchreig, 
Lüneburg und Hannover fi) an. Lüneburg blieb dem Bunde nicht treu, 
nicht nur weil fie zu den wendifchen Städten ſich zählte und von diejen 
ichneller Hülfe erwarten durfte, fondern auch weil Handelsneid die 
Stadt mit Braunfchweig Häufig in Zwieſpalt brachte. Die mieber- 
holten Verſuche diefer Stadt, die Schiffahrt mitteljt der Dfer, Aller 
und Wefer auf Bremen zu fördern, wurden von Lüneburg vereitelt. 
Deshalb waren die Bündniffe zwifchen den beiden Städten nicht 
dauernd. Dagegen vereinigten fi) am Jacobstage 25. Yuli] 1424 
Magdeburg und Braunfchweig zur Worbereitung eines erneuerten 
und erweiterten Bundes der Safjenjtädte, da der letzte Vertrag im 
Jahre 1425 ablief. Die beiden Städte fagten fid) wechfeljeitig 
Hülfe gegen jedermann, Würften, Herren und Ritter oder Knechte, 
zu. Den Feinden follte keine Art von Unterjtütung geleiftet werden: 
weder mit Leuten, Epeifung, Getränk und Futter, noch mit Schoß, 
Pulver und Waffen. Neben früheren Beitimmungen wurde aud) 
die in den Vertrag mit aufgenommen, daß man auch foldhe gemein: 
fchaftlich verfolgen wolle, die Hanfegenofjen befchädigten. Magdeburg 
erklärte fich, die Städte Halle und Zerbit, Braunſchweig aber Lüne⸗ 
burg und Hannover in den Derein ziehen zu wollen, auch machte 
man ſich verbindfid), nody andere Städte zur Theilnahme an dem 
erneuerten Bunde aufzufordern. Der Vertrag wurde auf ſechs Jahre, 
jedod) unter der Verheißung gefchlofjen, daß er in Wirkſamkeit blei⸗ 
ben folle, wenn er nicht ein halbes Jahr vor Ablauf der Frift ge 
kündigt werde. Unter diefer Bedingung follten auch andere Städte 
nur in den Bund aufgenommen werden, die unter einzelnen Städten 
aber beitehenden Sonderverträge in Kraft bleiben. Halle trat noch 
an den Tage der geichloffenen Uebereinkunft bei. 

20. Magdeburg und Braunfchweig hatten ſich durch Fräftige 
Verfolgung der Straßenräuber Verdienjte und großes Anfehen er- 
worben. Sie hatten die Raubburg Zrueflingen geftürmt, erobert und 
gejchleift, und als fie twiedererrichtet werden follte, abermals die Funda⸗ 
mente vernichtet, fo daß die wichtigen Straßen auf Erfurt und, Magde⸗ 
burg aus jenem Raubnejte nicht weiter beläftigt werden konnten. In 
gleicher Weife wurde 1425 das Raubſchloß Umzleben, an den genamı- 
ten Straßen belegen, erftürmt, gebrochen und für die Folge unjchädlid) 
gemacht; und daß man zu foldien Unternehmungen vorzüglich auf 
die Macht der beiden Städte rechnen mußte, beweifen die faiferlichen 
Mandate und Privilegien aus diefen Fahren, nach welchen ihnen die 
Eäuberung ber Reichsſtraßen anvertraut und die Verfolgung ber 
Miſſethäter in fremder Herren Länder gejtattet worden. 





Bebrängniß in ben müchtigeren Städten Hülfe. Mit Braunſchweig 
ſchloſſen (1424) die Bifchöfe von Pan Sal und Camin Sonder⸗ 
bündniſſe, fo auch 1426 der Biſchof von Halberſtadt, und ſelbſt die 
Herzoge Dtto, Wilhelm und Bernhard von Braunfchweig fuchten 
gleichzeitig ein gutes Verhältniß mit den Städten zu erhalten, von 

— die meiſten in ähnlichen Sonderbündniſſen wie Braunſchweig 
anden. 

Es war dies die Zeit, in welcher die Städte allgemeiner mit 
Feuergewehr ſich waffneten, in welcher ſie Gießereien beſaßen und 
zu großer Vollkommenheit gebracht hatten, in welcher fie mit Hand 
büchfen bewaffnete Schützen aufjtellten und durch alles diefes ein 
entfchiedenes Uebergewicht erlangte. 

Der Kaiſer wie der Papſt bejtätigten Braunſchweig und andern 
Städten ihre privilegia de non evocando. Auch die Hanfe ging 
gern auf eine nähere Verbindung mit den Eaffenjtädten ein, die in 
dem Plane der Etüdte Magdeburg und Braunfchweig lag, und mit 
Eifer fuchten nahe und entferutere Städte ſich anzufchliegen. 

22. Am Eonntage Yubilate [21. April] 1426 kamen Abgeordnete 
der Stüdte Magdeburg, Braunſchweig, Hildesheim, Halberſtadt, 
Göttingen, Quedlinburg, Afchersleben, Dfterode, Einbeck, Helmſtedt 
und Nordheim in Goslar zulammen. 

An dem zwifchen Magdeburg und Braunſchweig 1424 errichte: 
ten Bertrage war der Hanfe gedacht; man wollte, wie oben erwähnt 
worden, vermitteln, bag der Bund der Saffenftädte auch die verfolge, 
welche Hanfegenofjen befchädigen würden. Es kam 1426 diefe An- 
gelegenheit zunächſt zur Verhandlung, und im Cingange des neuen 
Vertrags werden bie Stüdte Magdeburg, Braunjchweig, Hildesheim 
und Göttingen, die alle der Hanfe ſchon angehörten, aufgefordert 
und ermädtigt, die Saffenftädte auf dem Hanfetage zu vertreten. 
Es war ein folcher von Xübe auf den Yohannistag ausgefchrieben, 
und dann follte die Angelegenheit in dem Convente geordnet werden. 
Würden dann ferner auch die noch nicht zur Hanje gehörige Städte 
geladen, jo follten Abgeordnete von Braunfchweig und Magdeburg 
zu einer Berathung darüber zufanmentreten, ob vorgängig eine Ver⸗ 
fammlung der Saffenftädte erforderlich fei, aud) hätten fie den Tag 
ber Zufammenkunft ‚zu bejtimnen. Den Abgeordneten zu den Hanfe- 
tagen follten die Koften von den Eaffenftädten erjegt, die Beiträge 
an ben Kath zu Braunfchweig eingefandt, die zu Lübeck gefaßten Bes 
ſchlüſſe aber wie die Koſtenrechnungen jeder betheiligten mitgetheilt werden. 

So bildete der Bund der Eafjenftädte auch eine Abtheilung des 
banfeatiichen Bundes. Die Mitglieder jener Einigung, welche noch 
nicht Hanfegenoffen waren, erlangten gleichfalls diefe Kaufmannsrechte, 
und Magdeburg mit Braunjchweig wurden die Vororte, wie fie es 
Ihon in Beziehung auf den Bund der Eaffenftädte waren, auch in 
dem Verhältniffe diejer zur Pa nur zählten Lüneburg und Uelzen, 
wenn fie auch mit den Saffenftädten in Verbindung traten, zu ber 
der Hanſe angehörigen wendifchen Stäbtegruppe. 


Dabel wurde ber Bund der Saffenftäbte, wie nh die folgenden‘ 
Bertrüge beweifen, ale für fich beftehende und ſ eigenthum⸗ 
lichen Verhãltnifſe verfolgende Einigung fortgeſetzt. 

Nachdem in Goslar die Beſtimmungen in Betreff eines anzu⸗ 
bahnenden Verhältniſſes zur Hanſe vereinbart waren, gingen die 
Abgeordneten zu den Verabredungen über, welche für die Saſſenſtädte 
in Beſonderen Kraft haben follten; und diefe find: Schu des 

dels, Forderung des Friedens mit den Herren, fo lange e8 fein 
ann durch Geld und Bermittelung, Feitftellung einer Matrikel zu 
den erforderlid; werdenden Hilfsleiftungen. Die nächſten Städte 
ſollen mit bewaffneter Mannſchaft, die entfernteren mit Gelde aus⸗ 
helfen. Dem Feinde foll feine Art von Unterftügumg gewährt, 
leichtfertige unbeichloßte Gefellen aber, die rauben und brennen und 
den Adersmann bejchädigen würden, follen aufgegriffen werden. Zum 
Schuge gegen Aufwiegler und Aufrur im Innern der Stüdte wird 
die Aufhebung aufrürerifcher Gilden, Verweifung aus ber betreffen- 
den Stadt und Nichtaufnahme in eine ber Bundesſtädte verabredet. 
An der Oftfeite der Wejer will man feine Freigrafen zulafjen, auch 
fol fein Angehöriger der Bundesjtädte fich den heimlichen weſtphäli⸗ 
ichen Gerichten ftellen, fondern an den der Fürften und Städte ſich 
genügen laſſen, widrigenfall® ein folder aus der Etadt vertrieben 
und in feiner der Bundesftädte aufgenommen werden foll. ‘Der Ver- 
trag foll drei Jahre in Kraft bleiben, Abgeordnete der Städte follen 
aber an eimem von Braunfchweig zu beftimmenden Tage zwiſchen 
Oſtern und Pfingften dajelbjt jährlich zufammen kommen, der be⸗ 
ftimmte Tag den Betheiligten acht Tage vor der Zuſammenkunft 
befannt gemacht werden. 

Dem Bertrage traten noch bei: Hameln am Tage Petri und 
Bault 29. Juniſ, Alfeld am Tage Bartholowmät |24. Auguft] 1426, 
Gronau am Palmjonntage [13. April] und Bofenem Donnetstäg 
vor Palmarım [10. Aprit] 1427. J 

23. Die Gebrechen in Staat und Kirche waren ſtändig ge⸗ 
worden, und fo wurden es auch die von den Städten ergriffenen 
Segenmaßregeln. Meiitentheils enthalten bie Bundesverträge eine 
Erneuerung früherer Verabredungen, denen nur dann Neues beige 
mischt ift, wenn neue Gebrechen ſich Fund geben und die früheren 
Beftimmungen den Zweck verfehlt hatten. | 

Den 1426 getroffenen Verabredungen gemäß Tamen die Ab; 
georbnneten der Stäbte Goslar, Magdeburg, Braunſchweig, Halle, 

ildesheim, Halberitabt, Göttingen, Hannover, Quedlinburg, Aſchers⸗ 

‚ Einbed, Am Nordheim, Hameln und Mierfeburg im 
Braunfchtweig zuſammen. Es wurde der Vertrag vom Sonntage 
Quaſimodogeniti [3. April] 1429 errichtet, dem am Tage Philippi 
Jacobi Mai] 1430 die Städte Erfurt, Mühlhauſen und Nord 
banfen ſich anfchlojfen. Sie machten fich verbindlich, alle Beſtim⸗ 
mungen des Bundesvertrages zu erfüllen und in die Bundesmatrifel, 

15* 


228 


Erfurt mit 250 rheinifchen Gulden, Mühlhaufen und Nordhaufen 
je mit 80 Thlr. ©. fi aufnehmen zu laſſen. 

Am Yahre 1432, am Sonntage Cantate [12. Mai], fand wie 
berum eine Zuſammenkunft ftatt, der damals errichtete Vertrag 
fcheint aber mit dem vom Jahre 1429 ganz gleichlautend geweſen 
zu fein, denn die im Stadtardhive zu Braunſchweig fich vorfindende 
Originalausfertigung enthält am Schluffe Jahr und Tag beider 
Verträge. Es find in diefen Verträgen die Beſtimmungen vom 
Fahre 1426 wiederholt, die aber, daß aufrürerifche Innungen auf: 
gehoben werben follen, ift dahin beichränft, daß nur die an dem 
Aufrure Theil nehmenden Gildegenoffen aus ihrer Innung geftoßen 
werden follen. Weftphälifchen Gerichten follte Teine Bundesftadt 
fi) unterwerfen, wenn fie auch von mehreren der Herren anerkannt 
würden. Die jährlihen Zufanmenkünfte in Braunſchweig follen 
ferner ftattfinden und ift am Schluffe Hinzugefügt: „düſſe verdradht 
fhall anftan von datum düßes breveß und werd wahren und gehol- 
den werden von düßen Pingften to aller erft tofomende und vord dre 
jahre alle umme erft na einander volgendt*. — Es fcheint daraus 
hervorzugehen, daß der Bundesvertrag, wenn in der Berfammlung 
der Betheiligten feine Aenderung erfolge, in allen feinen einzelnen 
Beltimmungen in Kraft bleiben folle. 


I. 


1. Gefetlofigkeit und Wilfführherrfchaft traten einem Reichs⸗ 
verbande wie dem Baue einzelner beutfcher Staaten entgegen. Treu- 
lofigfeiten von allen Seiten her vermehrten das Mißtrauen, das im 
14. Jahrhundert fchon fo tief Wurzel gefchlagen hatte. Man Tonnte 
und wollte auch im 15. Jahrhundert den Staat mit feinen ſchützen⸗ 
den, aber bindenden Elementen nicht. Die Verbindungen, in welchen 
man augenbliclichen Vortheilen nachftrebte oder drohende Gefahren 
abzuwenden fuchte, durchkreuzten ſich in mannigfaltigfter Weife. Ceit 
bem Untergange der Hohenftaufen, dem Zerfalle des Reichs in Ter⸗ 
ritorien, für welche man die, noch von K. Friedrich II. projectirte 
Grundlage nicht anerfennen wollte, ſchien auf dem großen herrlichen 
Reihe ein Fluch zu haften. Es gab keine Reichsverſammlung, in 
welcher die wichtigften Intereſſen des Volks unparteiifche Beurtheis 
lung fanden, feine zur Aus» und Fortbildung der Einzelftaaten geeig« 
nete landftändifche Verſammlung, fein Zutrauen erweckendes Reichs⸗ 
gericht und ebenfowenig Zerritorialgerichte der Art. Der Zuftand, 
wie er in Sachſen ſchon nad) Heinrichs des Löwen Falle von Hel⸗ 
mold dargejtellt wird, ber hier durch die Hohenftaufen, K. Otto IV. 
und 9. Otto puer nod) einigermaßen wieber eingebeifert war, trat 


BO DERFURDEHOURDER 


re ee ne 


— BRNREERONE SOCHDEN) 








230 


Geſchlecht blühete fort, mar die Burg Deftebt wurde Damals von 
ben Brammfchweigern, die Häufig mit ben von Veltheim im Fehde 
lagen, erobert und verbramt. Schon 1432 ftanden die Städte 
Braunjchweig und Magdeburg mit bem H. Heinrid) von Bram- 
fchweig in einem neuen Bündniffe gegen die von Veltheim. 

So ſchnell als man Verträge der Art einging, fprang man 
auch wieder ab, je nachdem fich neue oder größere Vortheile in einer 
andern Verbindung darboten; doc, unterftüßten bie Städte, wem 
ihre Intereſſen dabei nicht in Gefahr kamen, vorzugsweiſe ihre Ter⸗ 
ritorialherren.. Mit den welfifchen Fürſten jtand 3. B. die Stadt 
Braunfcweig im Bunde: 1433 gegen Ulrich von Weferlingen, aud) 
gegen den Grafen von Spiegelberg, 1434 gegen bie Grafen von 
Hoya und die von Spiegelberg, 1437 zum Beiftande im Allgemei- 
nen, 1441 mit den Herzogen Otto, Friedrid) und Heinrich von 
Braunfchreig - Lüneburg gegen den H. Wilhelm den ältern von 
Braunſchweig. 

3. Zwiſchen die oft blutigen Fehden, im Gefolge der Bünd⸗ 
niffe, mifchten ſich Angriffe auf einzelne Saffeuftädte und Aufrur 
in denselben. Die Stadt Magdeburg hatte ihre Befeitigung verſtärkt, 
neue Gräben angelegt und andere Vorrichtungen getroffen, die dem 
Erzbifchofe mißfällig waren. Die Städte, welche geijtliche Herren 
hatten, waren im noch mißlicherer Yage als die der weltlichen 
Fürjten. Während diefe durch Theilungen ſich ſchwächten und mit 
einander in Hader lagen, kamen die den Städten daraus erwachſen⸗ 
den Vortheile den bifchöflichen Städten, 3. B. Magdeburg, nicht zu 
ftatten. Der Erzbifchof befehdete die Stadt 1431, nachdem er fie 
mit dem gefammten Domkapitel verlaffen hatte, und erhielt 1432 
auch einen Abjagebrief der Magdeburger. Auf den Hülferuf ver: 
fuchte zunächſt Halle, ale die Teindfeligfeiten fchon ihren Anfang 
genommen hatten, fchiedsrichterliche Entfcheidung zu erwirfen, wiewohl 
vergebens. Mit Hülfe der Zerbſter wurden nun erzbifchöfliche Stäbte 
und Veſten erobert, der geiftliche Herr aber wandte ſich an ben K. 
Sigismund, ber zwar der Stadt im vorhergehenden Yahre ihre Pri- 
pilegien beftätigt hatte, nun aber gegen fie und ihre Helfer die Acht 
verhängte. Die Angelegenheit wurde zugleich vor das Basler Kon- 
cilium gebracht und der Erzbifchof belegte die Stadt dann auch noch 
mit dem Interdicte. Es traten num andere YBundesftädte, Halle, 
Braunſchweig, Quedlinburg, Ajchersleben und Zerbit, mit Zuzug 
heran, und auh Markgraf Johann von Brandenburg gefellte ſich 
ihnen zu. Der Erzbifchof wurde aus dem Lande verdrängt, und ging 
zum Kaifer auch auf das Basler Koncilium, bewirkte noch ungünjtigere 
Entfcheidungen gegen die Stadt, und da Halle derjelben jich noch 
feiter anjchloß, wurde aud) diefe Stadt mit dem Banne und der 
Reichsacht heimgefucht. Nun verfprach der Kath zu Halle zwar 
Unterwerfung, allein die Bundesjtädte, unter ihnen Braunfchweig, 
jandten Abgeordnete, erwirkten Aenderung der Beichlüjfe und ver- 
mittelten die Ernennung von dreißig Bürgern, mit welden der 


ehren ea 


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th 8 ch 

eiferſucht zwiſchen den erften beiden Städten fort; man ſetzte aber 
das allgemeine, durch Bundesverträge befeftigte Intereſſe dem ein 
feitigen nicht nad. Schon im 14. Yahrhundert waren der Stadt 
Braunſchweig in Beziehung auf ihre Schiffahrtspläne Schwierigkei- 
ten entgegen geftellt worben!. Als die Angelegenheit im 15. Jahr⸗ 
hundert wieder zur Sprache Tam, beriefen fich Lüneburg und Magde⸗ 
burg 1429 auf entgegenftehende Privilegien. Sie erflärten dem 

. Bernhard von Lüneburg, daß fie alle von Celle nach Bremen 
—** mit Korn beladenen Schiffe anhalten würden. Sie brad; 
ten e8 1439 zu einer Vereinigung mit dem H. Wilhelm dem äftern 
von Braunfchweig, in deren Gefolge diejer erklärte, die Schiffahrt 
aus der Dfer in die Aller nicht ferner geftatten und, ehe er darın. 
nachgäbe, den fchwerften Krieg nicht fcheuen zu wollen. Bram: 
fchweig trat darauf mit Lüneburg befonders in Verhandlungen, und 
wie fehr jener Stadt der Plan am Herzen lag, beweift der Um- 
ftand, daß fie einen Aufwand von 8400 rheinifchen Gulden (jeder 
gleih 2 Lothen feinen Silbers) nicht fcheuete, nur um die 1440 in 
Uelzen eingeleiteten Unterhandlungen zu fördern. Dieſe endigten ſich 
damit, daß die behuf der Schiffahrt getroffenen Einridhtungen für: 
erit fieben Jahre ruhen follten und man eine endgültige Einigung 
inzwifchen ermi wolle. 


Magdeburg führte fein Bördekorn auf ber Elbe aus, dabei 
war Lüneburg, befonders wegen des Abfakes in das an Korn 
ärmere Limeburgſche, weſentlich betheiligt. Bei den Hinderniffen, die 
man Braunfchweig, das auch eine Kornkammer um fich hatte, auf 
dem Wege liber Lüneburg entgegen ftellte, blieb Bremen der Hafen, 
von wo aus die Kornausfuhr Ber Braunfchweiger bewerfftelligt wer: 
den mußte; die weiten Landwege bahin waren aber faft umfahrbar. 
Mean glaubte, 1440 noch, einen Ausweg dadurch gefunden zu haben, 
dag den Braunfchweigern die Ausfuhr über Liineburg freigegeben, 
dagegen aber die Wafferfahrt auf Bremen in 23 Yahren nicht er 
öffnet werden follte. Mit diefer Uebereinkunft fcheint Braunfchweig 
nichts gewonnen zu haben. Die Stadt ging fchon 1459 auf ihren 
alten Plan zurüd. Die Herzoge Bernhard LI. und Otto von Line 
burg geftatteten ihr die Schiffahrt auf Bremen unter ber Bedingung, 
dag Salz und Eifen nicht abwärts, Heringe aber und andere Fiſche 
nicht aufwärts verfahren werden follten, daß auch den Herzogen, wie 
der Stadt Lüneburg, die Berechtigung vorbehalten bleibe, den britten 
Theil des nad) Bremen verfchifften Korns in Celle, Nethen ober 
Ahlden, zu den in Braunſchweig gängigen Preiſen und gegen Er- 
ftattung des Ungeldes, zurüd zu behalten. Die Zölle follten nicht 
erhöht werden, und obſchon der Vertrag 1461 mit dem H. Friedrich 
von Lüneburg erneuert worden, fo fcheint derfelbe doch um fo mehr 


2 S. darüber den Anhang. 





6. Daß bie Städte in der. Diitte bes 15. Jahrhunderts ben 
hepunct ihrer Macht und ihres Einfluſſes erreichten, lag eben fo 
ehr in der inmeren, ftaatögemäß abgefchloffenen Verfaſſung derfelbe, 
als in der immer noch fortgejegten grundherrlichen und Feudalwirth⸗ 
ichaft, die weder Macht⸗ noch Staatsentwidelumg, wie fie, um ber 
Selbfthälfe Einhalt zu thun, erforderlich geweien fein würde, zuließ. 
Einem wirklichen Staatsleben, das nur auf eine, fir alle Zweige 
der Staateverwaltung verliehene, aber auch gegen Uebergriffe ge 
ſchützte Macht fich ftügen kann, mußten die entfprechenden Opfer 
ebracht werben; welche Mittel aber hatten jest die Fürjten, um 
ihre Macht umd eine Staatsverwaltung zu entwidelr, wenn fie dies 
auch Ioon verftanden und gewollt hätten! 
Ws H. Heinrich der Friedfame von Braumfchweig, deifen guter 
Wille, die Geſammtheit feiner Territorialbewohner zu ſchützen, aus 
manchen Verfügungen hervorleuchtet, die Stände um Hülfe anfprad), 
wurden ihm eime Anzahl Kühe (127 Stück) und 254 Scheffel Hafer 
(1 Scheffel gleih 12 Hinten), auch Dienfte fir feinen Haushalt be 
willigt (1436). Die Bewilligungen hatten noch die Natur erhöheter 
Dominialgefälle, ganz den von den Türjten fo fehr gehegten und 
von den Ständen gern anerlannten grundherrlichen Brinzipen gemäß. 
Diefe nütten dafjelbe für fich aus, wiejen die erhöhten Gefälle auf 
Unterthanen an, die bei den öffentlichen Verhandlungen nicht vertres 
ten waren, umd legten fie noch dazu auf bis dahin meiſtens frei ge⸗ 
weiene Gemeinden. Mit folhen erhöhten Gaben, wenn man fie 
auch bald in Gelde abführen ließ, war wenig auszurichten; fie halfen 
der Dünftigfeit der Fürften nicht ab; diefe führte vielmehr zu An⸗ 
trägen und Unternehmungen, die mehr noch Widerſtand erregten und 
das Mißtrauen weten. Welfifche Fürften erlangten 1442 die kai⸗ 
ferliche Genehmigung, daß alle von ihnen und ihren Vorfahren, 
wenn auch urkundlich, gegebenen, aber dem Staate ſchädlichen Ber» 
heigungen nichtig Iein, auch verpfändete Schlöffer ofme Weiteres zu⸗ 
rücgenommen werden follten. ‘Dazu ermächtigte der jöläfrige 8. 8. 
Friedrich ILL, der übrigens fo bereit war, Privilegien zu geben und 
zu beftätigen, und durch dergleichen Beginftigungen nur mehr nod) 
gegen die Fürſten aufreizte. Man wußte in jenen Zeiten nur zu 
gut, wie folche Anfinnen auszulegen waren; dag man den Staat 
nur noch vorfchügte, um Hülfe zu willührlichen Verwendungen zu 
erlangen. 

Wie groß Geldverlegenheiten ber fürftlichen Häufer damals 
waren, beweifen manche, an ſich geringfügig fcheinende, aber doch be- 
zeichnende Vorgänge. 

Die Herzogin Margarethe, Tochter des Landgrafen von Heilen und 
Mutter H. Heinrich des Friedfamen von Bramfchweig, hatte gegen 
ein mäßiges Darlehn eimem Hildesheimer Bürger ihre Kleinodien 
verfet; der Rath der Stadt Braunfchweig mußte die Verpflichtung 
übernehmen, entiveder für die Einlöfung zu forgen oder 1000 Gulden 
zu zahlen (1433). So wurde aud für 100 Gulden, die der Herzogin 








236 


Unruhen in Schweden ımd der Hülferuf 8. Erichs fetten zwar 
Ihon im folgenden Jahre die Seeftädte wieder in Bewegung, bie 
Angelegenheit wurde aber in Güte erledigt, und die Städte konnid 
1437 wieder freier handeln, als ihre Privilegien in England ge 
ihmälert werben follten. Mit Mühe war das Fortbejtehen alter 
Verhältnijfe vermittelt, als 1438 ſich Streitigkeiten mit Holland ent- 
fpannen, in deren Gefolge 23 meiſtens den preußifchen Städten an 
gehörige Schiffe gelapert wurden. Dazu fam 1439 die Entſetzung 
K. Erichs von Schweden und der Kampf mit feinem Nachfolger, 8. 
Chriftoph, für welchen fich die Seejtädte betheiligten. rich fuchte, 
um feinen Nachfolger wieder zu verdrängen, die Hülfe der Holländer 
gegen die Städte. Dieſe rüjteten eine Flotte aus, nahmen holländische 
Schiffe und zwei von Erich Velten, wodurch diefes Pläne vereitelt 
wurden. Doch waren auch von der Yandfeite her den Seeſtädten nabe 
Gefahren zu befeitigen. Ein von Quitzow trieb fi) 1445 mit einer 
Bande von 600 Mann in den der Oſtſee nahe gelegenen Gegenden 
umher umd dadurch wurde die thatfächliche Hilfe der Binnenitädte 
den Seeftädten befonders wichtig, ba jene zum Landfriege beſſer ge 
rüftet und eingeübt waren. 

8 Nach faft ununterbrochen fortgefegten Seefriegen und Fehden 
zwifchen Wefer und Elbe traten die Städte Braunfchweig, Magde⸗ 
burg, Halle, Halberitadt, Quedlinburg, Afchersleben, Hildesheim, 
Göttingen, Hannover, Einbed, Hameln, Nordheim und Helmſtedt 
am Dienftage nad) Thomä [23. December] 1450 zur Erneuerung ihres 
Bündniſſes umd zu der erforderlich gefundenen Erweiterung und Verän⸗ 
derung der alten Vertragsbeftimmungen zufammen. Zuvor gefchieht 
in ber Urkunde vom erwähnten Jahre und Tage bes Verhältniffee 
Erwähnung, in welchem der Bund der Saffenftädte zur Hanfe ſteht. 
Es heißt: daß auf dem Konvente zu Lübeck, am Tage S. Tihomä, 
ein Receß errichtet fei, nach welchem zwifchen dem Bunde der Saffen- 
jtädte an einem, und den Städten Lübeck und Cöln, aud den in 
den dritten heil gehörigen Hanfeftädten, am andern heile, Tols 
gendes verabredet worden: Die Hanfeftädte des britten Theils follen 
in den Bund ber Saffenjtädte mit eingefchloffen fein und gegen 
leichtfertige Gefellen und Verunrechtung gefhütt werden. Die Saf- 
jenftädte werben dagegen alle als Hanfegenoffen bezeichnet, Braun⸗ 
ſchweig und Magdeburg aber Häuptlinge de8 Bundes der Safjen 
jtädte genannt. Sie follen, wenn eine der Städte in Noth gerathen 
würde, zufammentreten und darüber berathen, inwieweit eine Zus 
ſammenkunft mit anderen Städten erforderlich fein möchte und welde 
Deagregeln zu ergreifen wären. Es wurde das Verhältniß feitgeftellt, 
nad) welchem die verfchiedenen Betheiligten Hülfe zu leiften hatten: 
Magdeburg 12, Braunſchweig 12, Hildesheim 8, Göttingen 8, 
Halberjtadt 6, Quedlinburg 6, Aichersleben 6, Einbed 6, Hans 
nover 5, Hameln 3, Helmjtedt 3, Nordheim 2. 

Obwohl die Städte des dritten Theils der Hanfe — die wen. 
difchen — XTheilnehmer des Bundes ber Saffenjtädte geworden waren, 





238 


9. Der Bund der Saſſenſtädte lief als in fich abgefchloffene 
Einigung fort, und verhandelte auch in diefer Stellung mit der 
Hanfe. Schon ber nächſte Bundesvertrag erwähnt aber der Verhäf- 
niffe zur Hanfe nicht, obwohl dieje fortbeitanden. 

Am Freitage nach dem Eontage Cantate [27. April] 1459 
erneuerten ihr Bündniß die Saſſenſtädte Goslar, Magdeburg, 
Braunjchweig, Halle, Hildesheim, Göttingen, Hannover, Kinbed, 
gemein und Nordheim, auch traten Hinzu Stendal und Tangermünde. 

eide leßteren Orte waren wegen ihrer Induſtrie und der da Hin 
durchlaufenden Straßen widtig. Tangermünde war ſchon 1457 
Eigenthiimerin einer dafelbit Über die Elbe führenden Fähre Die 
Stadt hatte ein feftes Schloß und war jeit 1478 in dem Belige 
der Gerichtsbarkeit. Sie wurde daher in den Bund gern mit auf 
genommen. . 

In dem erneuerten Vertrage find ältere bekannte Bedingungen 
enthalten, doch gefchieht des Werluftes der hanſeſchen echte nicht 
weiter Crwähnung Die Etüdte Braunfchweig und Magdeburg 
werden wieder als „Häuptlinge” bezeichnet, aud) ijt die frühere Dia- 
trifel eingefchaltet, in weldyer Stendal mit 9, Tangermünde mit 
5 Gewaffneten in Anſatz gebradht jind. An demfelben Jahre, 
Montags nad) Egidii [3. September], erklärten auch Halberftadt, 
Quedlinburg und Afchersleben ihren Beitritt zu dem Vertrage; und 
wie die Zeitverhältniffe feites Zufammenwirfen der Städte gebieteriſch 
forderten, mögen einzelne Vorgänge zeigen. 

10. Bon des H. Wilhelm des älteren von ee: 
(f 1482) beiden Söhnen, Wilhelm dem jüngern (F 1503) md 
Friedrich (F 1495) führte der letttere jehr bezeichnend den Beinamen 
bes Unruhigen, weiler, wo es im Reiche Unruhen und Unorönungen 
gab, zu finden war. 1462 hatte er feinen Sig im Schloſſe Morin⸗ 
gen. Bon hier aus überfiel er zwifchen Nordheim und Nörten einen 
Waarenzug, bei welchem Staufleute aus Köln, Lübeck, Trankfurt und 
Braunfchweig betheiligt waren. Die geraubten Gegenjtände hatten 
nad der Schägung den Werth von 2700 Goldgulden; außer dem 
aber hatte der Fürft im Stifte Hildesheim, befonders gegen die von 
Steinberg und von Bortfeld, Gewaltthaten begangen und des Stifte 
Mannen in der Herrſchaft Homburg hart bedrängt. Er wurde am 
geklagt, auch librigens die Straßen unficher gemadjt, Kaufleute und 
Wanderer beraubt zu haben. Es traten daher gegen ihn die Bun⸗ 
desftädte Goslar, Magdeburg, Braunjchweig, Halle, Halberjtadt, 
Quedlinburg, Ajchersleben, Hildesheim, Göttingen, Hannover, Ein 
bet, Hameln und Nordhein in Verbindung mit dein Bifchofe von 
Dibeöheim unter die Waffen. Das Bündniß wurde durd) zahlreiche 

itter verftärft, denn es galt nicht allein den Fürſten von feinen 
Unthaten abzuhalten, fondern auch gegen den Anhang gerüftet zu fein, 
den er in jenen Zeiten leicht erlangen konnte. Die Werbündeten 
wollten nebenbei auch Croberungen machen; daß fie darüber ınit 
andern Fürjten in Händel gerathen würden, war vorberzujehen. 

















240 


erlittenen Befchädigungen aber, infoweit nicht den Fürften Zahlung 
geleiftet war, gegen einander aufgehoben. Bei der Zufiherung, die 
in Beziehung auf Sicherftellung der ee va gegeben worden, 
war vorbehalten, daß nicht kaiſerliche und päpftliche Befehle en 
gegen ftänden. Das war e8 aud, was foldyen Befehlen noch Beach 
tung verfchaffte: die Ausſicht unter Freibriefen rauben und plünbdern 
zu können. In diefem Sinne wurde in dem Vertrage noch beftimmt, 
daß Gegenjtände, welche der Vermuthung nad) Geächteten gehörten, 
bis zu einer rechtlichen Erörterung und Entjcheidung nur in Ver: 
wahrung genommen werden follten. Es würde hier zu weit führen, 
ein Verzeichniß aller der Plünderungen, Brandftiftungen und Mord— 
thaten einzufchalten, welche in dem Vertrage wechſelſeitige Beſchädi— 
gungen genannt werden. Kleinere Städte und Torfichaften wurden 
verbrannt, die nicht erfchlagenen Einwohner an den Bettelſtab ge 
bracht; von dem, was ihnen, die bei der Fehde nicht betheiligt waren, 
geraubt und vernichtet worden, ift nicht weiter die Nede; das Geld 
dafür ftrichen die Herren ein. 

Der Urheber alles diefe8 Ungemachs, H. Friedrich, der der 
Neverfalen und Verträge ungeachtet zu befchden fortfuhr, mußte 
endlid unter Bezugnahme auf eine Gemüthstranfheit deffelben in 
Gefangenschaft gebracht werden, worin er auch (1495) jtarb. 

11. Gleidjzeitig ſah man ſich auch durch die fo lange ſchon 
befämpften Uebergriffe der weftphälifchen Stiligerichte bedrängt. Hier 
will id nur ein Beifpiel anführen, welche Wege man zu verfolgen 
hatte, um entfchieden ganz unbefugter Richter fi) zu erwehren. Vom 
Kaiſer war der Stadt Braunfchweig noch 1415 ein privilegium 
de non evocando ertheilt. Danad) wurde von ihm aud) ein Execu⸗ 
tor des Privilegiums, ein Beſchützer des Rechts, welches feiner be 
vorrechtenden Urkunde, wenn der Kaiſer feine Autorität hätte geltend 
machen fünnen, bedurft hätte, eingefegt. 1464 war Graf Ulrich von 
Regenftein Erecutor; er erhielt nur den Beweis, daß, wer ſelbſt feine 
Macht hat, auch andere nicht mit Erfolg ermächtigen Tann. Der 
Graf verurteilte fech8 Freigrafen zu Craſſenſtein und zwei Gebrüder 
Meinhardefien, diefe weil fie Bürger der Stadt Braunſchweig vor 
dem Freiſtuhle angeklagt, jene weil fie vorgeladen, alle aber, weil ſie 
auf die Ladung des Grafen zu Blankenburg fid) nicht geftellt Hatten, 
als der Acht Verfallene. Er hatte ihnen eine Strafe von 50 Marl 
Goldes auferlegt, und gebot nun den Erzbifchöfen und Bifchöfen von 
Cöln, Münfter, Baderborn, Osnabrüf und Minden, dem 9. von 
Berg, den Herren von der Lippe, auch den Stublherren, Freigrafen. 
und Schöffen zu Dortinund und Arnsberg, den Geächteten, bei einer 
Strafe von 10 Mark feinen Goldes, feinen Vorſchub zu leiften. — 
Der Graf wurde nur an die alte Fabel vom Herrn erinnert, der 
zahlreiche Helfer, einen nad) dem andern, fruchtlos endet. 

12. Die Städte erhielten der thatfächlichen Mahnungen fo viele, 
dag fie ihr Bündniß allen anderen Verträgen und Friedensfchlüffen 
borzogen. Am Mittwochen nad) Vitus [19. Juni] 1471 erneuerten 





242 


liche Gewalt infoweit zu begrenzen, al® dies erforderlich wurde, 
um die Handelsftädte in ihrem Weſen zu erhalten und fie wegen 
ihrer Sntereffen zu berubigen. Wäre auch in einem der Xerritorien 
die Ordnung gefchaffen, um ftädtifchen Intereſſen und den damit 
ihon enge verbundenen Auſprüchen, auch der Landbebauer, zu ge 
nügen, war mehr erforderlid,. Es bedurfte einer auf alle Territorien 
ſich erſtreckenden Handelspolizei: der Wege, Zoll-, Geleite:, Mlinz- 
ordnung ꝛc. Die Städte hatten ſich mit Waffengewalt hindurchſchla⸗ 
gen oder in Verträgen fih Hülfe fuchen müffen; alles diefes durd 
bindende Gefege zu erfegen, war am wenigften von einem K. Friedrich II. 
zu erwarten. Co beftand zwar die Zeit der Selbfthülfe fort, doch 
mußte den Städten ſchon einleuchtend werden, daß ihre Gewalt 
maßregeln bald nicht mehr ausreichend fein wirden. Die zahlreichen 
geijtlichen Herren, mit welchen die Saſſenſtädte zu thun hatten, 
wußten mehr und mehr ſich Eräftige Hülfe zu verfchaffen. “Die Dom- 
fapitel, die längft aus müfligen Pfründnern zuſammengeſetzt waren 
und dennod) ein reiches Einfommen zu hüten hatten, wählten ihre 
Biſchöfe aus mächtigeren Fürftenhäufern. Der Kapitel felbft hatten 
nur Mitglieder ftreitbarer Familien ſich bemächtigt, die wohl bered) 
neten, was die Pfründen ihnen und ihren Nachkommen waren. 
Die Fürften traten in engere Verbindungen mit einander und fingen 
an, ihre perfönlichen und Hausintereffen mehr zu würdigen, wie 
wenig fie auch noch Staatsinterejfen erwogen; doch wurden die der 
rohen Kämpfe müde, weldje noch zu verlieren und Cigenthum zu 
fhüten hatten. Die Etädte waren ſchon längft nicht mehr durch ben 
Gebrauch des Teuergewehrs vorzugsweife begünftigt, und auch die 
Fürften fingen an, die eigentlich jchon untergegangene Ritterfafte und 
den Lehnsdienſt durch Fußvolk zu erfegen, das fie aus den Landleu⸗ 
ten und den in ihrer Gewalt befindlichen Städten zogen oder aud) 
ermietheten. 

Unter ſolchen Verhältniffen wurde ein letter ernftliher Verſuch 
gemacht, den Yandfrieden, jedoch nur in der alten, fo oft fruchtlos 
verfuchten Weife zu erzwingen und wenigftens einen Theil der zwiſchen 
Weſer und Elbe belegenen Yande unter eine fichernde vertragsmäßige 
Ordnung zn ftellen. Die Vorgänge im oberen Deutfchland mochten 
dazu mitwirfen; wenigftens treffen die Anftrengungen im nördlichen 
Deutfchland mit den Siegen der Schweizer im Jahre 1476 zufam- 
men, denen eine Reihe fruchtlofer, den Landfrieden angeblich bezweden- 
der Verträge vorher ging, die endlich nur den Beweis lieferten, daß 
der gute Wille mangelte. Es muß bier in der Kürze zuvor der Treu: 
lofigfeiten Erwähnung gefchehen, die auch das obere Deutfchland 
enblid) überzeugten, daß dem Staatsleben eine andere als bie bisher 
verfuchte Grundlage gegeben werden müſſe. 

2. Die Städte im oberen Deutſchland befanden ſich infoweit 
in noch mißlicherer Yage, als öfterreichifche Fürften hier unmittelbarer 
betheiligt waren und Kaiſer dieſes Stammes hier häufiger Veran 
lafjung fanden, ihr Hausintereffe auch mitteljt Taiferlicher Gewalt zu 


243 


fördern. Das 15. Jahrhundert bot der traurigen Erfahrungen, der 
ägennügigen, verräterifchen Verhandlungen noch in reichlicherem Maße, 
als es fchon im 14ten der Fall gewefen war. 

Während die mächtigern Fürften den Stäbten das Hecht der 
Einigung ftreitig machten, ftellten diefe den Grundfaß auf, zu Bund⸗ 
mfjen felbft gegen den Kaifer berechtigt zu fein, wenn derfelbe feinen 
pereierpfähten ungetreu werde. Strengere Kaifer, wie nach Wenzels 

tſetzung Ruprecht von ver Pfalz; (1400-1410), führten indeß 
dürften und Städte wieder zu vereinten Kraftanftrengungen zuſam⸗ 
men. Schon vor Ruprechts Wahl war Graf Eberhard von Würtem- 
berg mit mehreren jchwäbifchen Städten im Bunde. Unter Vermitte- 
lung des Kurfürften von Mainz verftärkte ſich dies Bündniß zu 
Marbach (1405) durch den Beitritt des Markgrafen von Baden, 
17 ſchwäbiſcher Städte und Straßburgs. Bemühungen des Kaifers, 
die Bundesgenojjen zu trennen, blieben fruchtlos. 

Die Verheerungen ber Huffiten in Sachſen und Meißen machten 
zu umfafjenderen, gegen den gefährlichen Feind zu ergreifenden Maß- 
regeln geneigt. Zu Nitenberg entwarfen 1431 ſechs ‘Deputirte ber 
Fürſten mit eben fo vielen Abgeordneten der Etädte die Grundlage 
zu einem Landfrieden. Die Fehden follten bis zur glückliche Aus- 
führung eines Zuges gegen die Huffiten eingeftellt werden; ber Zug 
aber endete fchimpflich, und die Abrede war ohne Erfolg. 

Der thätige und umfichtige K. Albrecht II. (1438— 1439) be⸗ 
abfichtigte behuf allgemeineren Landfriedens eine Kreiseintheilung und 
die Einfegung von Hauptleuten für die verfchiedenen Kreife, allein 
die Befürchtung der Städte, daß ihre Freiheiten von den mächtigeren 
Fürſten gefährdet werden würden, verhinderte die Ausführung. Der 
auf dem Reichstage zu Nürnberg 1438 gemachte Vorfchlag, die 
Städte nach Landesbezirfen zu einander zu orbnen und ihnen einen 
unmittelbaren Gerichtsftand zuzugeftehen, fand gleichfalls Wibderftand, 
weil die Städte danach Feine abgefonderte Partei bilden follten, auch 
die Kurfürften den unmittelbaren Gerichtsftand nicht einräumen woll- 
ten; der frühe Tode bes begabteren Kaiſers hemmte feine Pläne. 

Sein Nachfolger Friedrich III. (1440 1493) erneuerte und 
verfchärfte zwar die Fehdegejege, gab aber bald zu dem äußerſten 
Mißtrauen und zu neuen Epaltungen felbft die Veranlaffung. Den 
Schweizer Eidgenoffen verfagte er die Betätigung ihrer Rechte, wie 
er fie anderen gewährt hatte. Er forderte die feinem Haufe ange 
hörig gewefenen Herrſchaften zurück, die theils von feiner Botmäßig- 
feit fich losgekauft, theils von Sigismund fchon den Eidgenoffen als 
Reichspfandſchaft überlaffen waren. Bel den Deutſchen konnte er 
Hüffe gegen die Schweizer nicht erlangen; er 30g daher den König 
von Frankreich, den Herzog von Burgund und ſelbſt den Papft in 
ein Bündniß. Der Sieg des Dauphins bei S. Jacob 1444 für- 
derte die Sache des Kaifers nicht; die große Tapferkeit der Schweizer 
fchredtte vielmehr zurück; bald ftand Frankreich mit ihnen im Bunde. 
Der Anſchluß einzelner beutfcher Fürften und der Ritterſchaft vom 

16* 


244 


©. Georgenfhilde an den Kaifer Hatte nur ſchimpfliche und nutlofe 
Berheerungen im Gefolge. Faſt jede der Reichsſtädte Hatte ihren 
fürſtlichen Widerfacher, der fie zur Landftadt herabzubrüden beabſich⸗ 
tigte, und diefe Stimmung fuchte der Kaifer zu benuten. 31 
ihwäbifhe und fränkiſche Städte verbanden ſich aufs neue. Sie 
fochten mit wechfelndem Glück gegen Albreht von Brandenburg, 
Urih von Würtemberg, Jacob von Baden, den Erzbifchof von 
Mainz und endlich) auch gegen Albredt von Defterreih; das Cr: 
gebnig aber war, daß alle Theile, nadydem 200 Dörfer eingeäjchert 
und von den Städten 80000 Gulden aufgewandt waren, ſich ge 
ſchwächt fühlten. 

Die Eroberung Conſtantinopels 1453 weckte endlich ben Kaifer 
aus feiner Eorglojigkeit. Der Reichstag zu Regensburg 1454 hatte 
zunächſt die Berathung über geforderte Hilfe gegen die Türken zum 
Vorwurfe; übrigens wurde beichlojjen, einen Landfrieden fürerft auf 
fünf Jahre zu errichten. Die Verſuche, Reichsſtädte zu übermältigen, 
erneuerten fich indeß, und im Gefolge des Angriffe Ludwigs von 
Baiern auf die Reichsſtadt Donauwerth 1458 wurden die Rhein⸗ 
lande, «Schwaben und Franken abermals gewifjenlos verheert. Gin 
Bild der Zeit ftellt fih in den fchnell wechjelnden Parteiungen und 
den dabei vorkommenden Treuloſigkeiten, in den zahllofen unfrucht⸗ 
baren Reicheverfammlungen und den Nebenrüdfichten und Hinter: 
gedanken dar, welche den Kaiſer, den Papſt, die Fürften und Etädte 
leiteten. Der Ruf nad Hülfe gegen die Türfen wurde oft wieder- 
holt, allein eben dabei wird augenjcheinlich, wie zerfallen das Reich 
war, wie wenig darauf gerechnet werden Tonnte, eine Reichsmacht 
bei großer Gefahr zu entwideln, und welche Bedingungen an die Zur 
fage ganz ungenügender Hülfe geknüpft wurden. Der Landfrieden, 
der jegt mehr als je Noth that, blieb unter einem Kaijer wie 
Friedrich DIL unerreichbares Gut. Die Städte felbjt würden in 
Beziehung auf Landfriedensverbandlungen für eigennügige Stören- 
friede gelten, hätten fie nicht die meiste Vorjicht anwenden und Rück⸗ 
ficht nehmen müſſen, um den ihnen von allen Seiten her drohenden 
Gefahren zu entgehen. 

Neue Drangfale wurden den fchwäbifcdhen Städten dadurch ver- 
anlagt, daß Erzherzog Sigismund, von Rachegefühl und Bedürftig- 
feit geleitet, Borderöfterreich 1468 fiir 50000 Gulden an den mäch—⸗ 
tigen Herzog Karl von Burgumd verpfändete. Die umfafjenden, gegen 
die Eidgenoffen gerichteten Pläne diefes Fürften wurden durch den 
Tchlauen Ludwig IX. von Frankreich und die Tapferkeit der Schweizer 
vereitelt. Mit ihnen verbanden fich der König und die von burgundie 
chen Landvögten hartbedrängten vorderöfterreichifchen Lande. Die 
Städte dafelbft kündigten, durch Ludwig angereizt, die Pfandfchaft, 
und neben andern deutfchen Fürften ftand num auch der Kaifer dem 
ftolzen Herzoge gegenüber. Diefer rückte vor Neuß im Erzſtifte 
Cöln, um dem entjeßten Erzbifchofe Beiſtand zu leiften und in der 
Hoffnung, feine Schutherrlichkeit auch über das Erzftift erſtrecken zu 








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Er Ohringen einen ans der Dion ; bie Herrichaft 

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Gericht port ch ei Bel u ng AH 

verfahren pr en, elle Sorge dafür 
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luftigg en, me wenn nidt. eine ei un ***— 


247 


Würden dem Bunde nicht angehörige Furſten, Herren oder 
andere einen ber Bundesgenoffen angreifen, fo follen bie übrigen 
jofert Hilfe leiſten. 

Wenn gegen einen ber Bunbesgenoffen Gewalt gebraucht wird, 
wollen bie Fürften, fobald fie Kunde bavon erhalten haben, auf der 
gewöhnlichen Mahlſtelle mit einer Berfon aus jeder der Ritterfchaften 
und einer aus jeder der Städte zufammenlommen, um wegen ber 
zn ergreifenden Maßregeln zu berathen. 

Wenn Städte, Schlöffer oder Velten des Bisthums Hildesheim 
ober einer ber herzoglichen Herrfchaften genommen werben, bie als 
Lehen oder Eigen von dem Bifchofe oder ben Herzogen abhängig 
find, fo foll das Lehnsverhältnig ober Eigenthumsrecht bei der Wie⸗ 
dereroberumg beachtet werben, und der Gegenftanb feinem Herrn vers 


So fol e8 auch mit den verpfändeten Schlöſſern gehalten wer 
* Die Eroberer ſollen nur den Pfandſchilling in Anſpruch nehmen 
en. 


Auswärtige Schlöffer und Städte follen nach der Eroberung 
abgefchäßt, und nach dem Betrage des gefundenen Werthes follen die 
beteiligten Bundesgenofjen abgefunden werben. 

Gefangene Reifige und genommene Habe will man vertheilen. 

Dime Zuftimmung aller Bundesgenoſſen fol auf Sühne nicht 
eingegangen werben, auch joll Feiner der Bundesgenoffen fich des 
andern Lande, Schlöffer, Städte, Dörfer und Gerichte anmaßen. 

Schlöffer, die man nicht behalten will, follen abgebrochen, Berg» 
frieden aber nah Mannzahl mit einer Berghort befegt werden. 

Jeder, er ſei geiftlich oder weltlich, joll bei feinen echten ges 
(affen werben, auch niemand Reiter mit eigenen Pferden oder Fuß⸗ 
gänger zum Rauben, Morden 2c. halten oder bei fich haufen. 

Der Vertrag foll erworbenen echten, Privilegien, Herfommen 
und Gewohnheiten keinen Eintrag thun, auch nicht den Vertragsver⸗ 
bindlichkeiten entgegengeftellt werden, welche einzelne Städte gegen 
einander übernommen haben. 

Dos Kapitel zu Hildesheim ermächtigt den Bifchof zum Ab- 
fhluffe des Vertrags, in welchen andere dann nur aufgenommen 
werben follen, wenn fie denjelben anerfannt und unterfiegelt haben. 

Dean erfieht aus diefen Bedingungen, was man für Necht hielt, 
wern nicht Verträge entgegenftanden. Die Rechte des Stärkern 
wurden als Pegel zur Anwendung gebradit. 

4. Der fhwäcte Punct in dem für einen engeren Bezirk ab- 
gefchlofjenen Friedensvertrage blich die Anordnung bes Bundesgerichts. 
Die Zahl der in das Schiedsgericht aufgenommenen herrjchaftlichen 
Räthe und ritterfchaftlichen Abgeordneten war eine überwiegende, fie 
fonnten ein über den Barteien ftehendes Neichögericht nicht erjegen. 
Die Städte hatte man feit länger als einem “Jahrhundert bald in 
diefer, bald in jener Weife aus ihrer Stellung zu verdrängen gefucht, 
und inwieweit den Fürften und Nitterfchaften zu trauen war, lag 


‘ 


248 


in zahlreichen Beifpielen vor. In demfelben Jahre 1476 am Mitt 
wochen nach Johannis [26. Juni] erneuerten daher die Saflenjtäbte 
Goslar, Magdeburg, Braunfchweig, Halle, Halberitadt, Hildesheim, 
Göttingen, Stendal, Einbed, Hannover, Nordheim und Helmſtedt 
ihr altes Bündniß. Alle früheren nach und nad) getroffenen Ber: 
abredungen wurden in biefen Vertrag mit aufgenommen, auch ſchal⸗ 
tete man die Matrikel vom Jahre 1471 wieder ein. Braunſchweig 
und Magdeburg wurden mit ben denfelben früher fchon zugeitande 
nen Befugniffen als Vororte bezeichnet, auch deutete man auf die 
Gefahren hin, welche den Städten durch Verſtärkung der Macht der 
Fürften mit Böhmifchen Kriegsfnechten droheten. 

Auch dabei ließ man es nicht bewenden. Am Tage aller Hei- 
figen [1. November] 1476 kam zwifchen jenen Saffenftädten an 
einem und ben Bürgermeiftern und Nathmännern der Städte Lübeck, 
Bremen, Hamburg, Roftod, Stralfund, Wismar, Lüneburg, Stade 
und Uelzen am andern Theile ein dritter Vertrag zu Stande, der 
die früher fchon vereinbarten Schugmaßregeln, daneben aber aud 
neue Beitimmungen- enthielt. Es wurde feftgefegt, nicht nur wie 
Streitigleiten zwifchen den Bundesgenoffen jelbft ausgeglichen werden 
follten, fondern auch, daß die Händel zwifchen diefen und außerhalb 
des Bundes Stehenden durch ein Schiedsgericht beizulegen ſeien. 
Die der bedrängten Stadt zumächft belegenen Städte follen vier Per 
fonen ernennen, die, nachdem über den Gegenftand des Streites 
Schriftliche Inſtruction eingezogen ift, binnen vier Wochen zuſammen⸗ 
fommen und über die Verhältniffe fich äußern follen. Sind fie ver 
ſchiedener Anficht, fo follen die Acten einem Obmanne, wozu Ludolf 
von Walmoden erwählt worden, eingefandt unb die Anfichten hinzu⸗ 
gefügt werden; der Obmann foll dann binnen drei Wochen urtheilen. 

Wenn eine gütliche, dem Urtheile entfprechende Ausgleichung nicht 
zu erreichen ift, joll zur Waffengewalt gefchritten werben, auch ift für 
diefen Fall die zu beachtende Matrikel eingefchaltet. Es find ber 
gewaffneten oder anderen wehrbaften Leute zu ftellen: von Lübeck 20, 
Bremen 12, Hamburg 15, Roftod 8, Stralfiund 10, Wismar 5, 
Liineburg 12, Stade 4, Uelzen 2; von ben Saffenftüdten: Magde⸗ 
bırg 12, Braunfchweig 12, Halle 12, Halberſtadt 6, Goslar 5, 

üdesheim 8, Göttingen 8, Stendal 8, Hannover 5, Einbed 6. 
tfernte Städte, die nicht zu ber Fehde gezogen werden können, 
follen Geldzufchüffe, monatlih 4 Gulden für einen Reiter, zahlen. 

Erbeutetes Vieh und andere Sachen follen der „Köfen“ der 
befehdeten Stadt zufallen, Gefangene aber unter die Theilnehmer an 
der Tehde jo vertheilt werden, daß nur, was nach dem Austaufche 
der wechfelfeitigen Gefangenen übrig bleibt, zur Theilung kommt. 

Städte, Schlöffer und Velten follen ber verbündeten Stadt, 
von welcher fie eingelöft werden mußten, verbleiben, jedoch ſollen vier 
Stübte — entſcheiden, was den übrigen Bundesgenoſſen darauf 
zu vergüten iſt. 

Der Bundesbruch ſoll mit 10 Mark Goldes, das Zurückbleiben 


re rg 





260 


Mittelbere und Reicheftädte — ſich früher dann weni- 
ger von einander, wenn jene, wie dies in den meiſten Saſſenſtüdten 
der Fall war, in Beſitz der Briifegien en gefett hatten, bie ihnen 
das Hecht der Waffen, die Verfügung über ihr Geridhte- und Boficei 
wefen, bie Selbftbefteuerung und die Macht, ihre Berhältnifje unter jelbft- 
gewählter Obrigkeit ftatutarifch zu orbnen, zuficherten. Sie ftellten ſich, 
was fie auch factifch waren, ben Reicheftädten gleich, und befümpften 
vorzüglich alle die territorialherrlichen Cinmifchungen, welde fie als 
mittelbare Städte bezeichneten. Der Kaifer beitärkte fie darin durch 
bie Aufnahme folder Städte in die Reichsmatrifel, durch die Zu 
laffung unmittelbarer Kontingente zu der geforderten ehe nad und 
durch Annahme unmittelbarer Zahlungen in die Reichskaſſe. 
Zerritorialherren war befonders dies Verfahren, worüber fie * 
bei dem Kaiſer fruchtlos ſich beſchwerten, anſtößig; ihr gemeinſames 
— ging daher dahin, eine ſolche Unmittelbarkeit zu verhindern 

und th t aller ber Gewalten ſich wieder zu bemächtigen, bie 
ben Städten meiftens gegen Zahlung zugeftanden waren, und deren 
ſie fich micht entänßern durften, wenn fie ihren eng damit verbunde⸗ 

nen Tommerciellen Standpunct und ihre Verbindung mit anderen 
Sanbefeftäbten nit aufgeben wollten. Den größten Reiz fiir die 
ürjten hatten bie wohlgeordneten ade chen Abgaben, befonders die 
Acciſe. Ste fuchten fich nicht nur ein gleiches Einkommen aus ihren 
Zerritorien zu verfchaffen, ſondern fich auch in den Befig der in ben 
felbftftändigeren Städten gehobenen Accifegefülle zu fegen. Es fdhien 
ben Städten das eingreifendfte Mittel zum Schutze ihrer Stellung 
als Handelsftäbte nur das zu fein, dem Reiche wenigften® ummittel⸗ 
bar anzugehören und fo ihre Intereſſen auf Reichstagen vertreten 
zu Türmen. Darliber fam e8 zu dauernden Händeln mit den Terri⸗ 
torlalherren, in welchen eine Stadt nad) der andern unterlag und bie 
Städte, welche itberwältigt worden, fofort den Verluſt ihres blühen⸗ 
den Zuſtandes zu beklagen hatten. 

6. Zumähft erlagen bie Stüdte geiktiger haften den 
einflugreicheren Verbindungen, welche durch die Wahl der Herren aus 
mächtigeren Hänfern erzielt waren. Die Stadt Queblindurg hatte 
fih, nach dem Ausiterben des Turfächfifchen —* und dem Anfalle 

des Landes an Meißen (1422), unter den Biſchofs von 
—* geſtellt; daruͤber war ſie ſchon in — Zwiſtigkei⸗ 
ten mit dem neuen ſächſiſchen Haufe gerathen. Die Aebtiſſin Hedwig 
von Queblinburg, Nachfolg der Aebtiffin Anna von Plauen 
(+ 1400), war eine fächfifche Prinzeffin, Sanveiter bes Kurfürften 
Ernft und des H. Albert von Sachſen. In Vertrauen auf biefe 
verwandfihaftlichen Verhältniffe wollte fie weder die Schutzherrlichkeit 
bes Biſchofs über bie Stadt Quedlinburg nod die Selbftftändigfeit 
diefer anerfennen. Sie forderte von dem Magiſtrate die vogteiliche 
Gerechtſame, mit “ weicher bie felbftftänbigeren Verhältnifſe der Stadt 
enge verfrüpft waren, zurüd. Dieſer ſtutte fi auf den Schuäheren, 
den Bifchof von Salberftadt, die Stabt aber wurde num plößlic 


von en Truppen umzingelt umb erobert. Das Zeichen ber 
tänbigfeit, der Roland, wurbe niebergetvorfen und zerbroden. 
Man nahın der Stadt die über ihre Privilegien ausgeftellten Ur⸗ 
Imben. Die Herzoge wurden 1479 von ber NWebtiffin mit ber 
Schutzgerechtigkeit beliehen; ans der Urkunde ift erfichtfich, was man 
damals zu der Schugherrlichkeit noch rechnete: die Vogtei zu Qued⸗ 
finburg, Gerichte über Hals und Hand im Felde, ben Dörfern und 
Wüftungen, die Halbgerichte über die Vorftädte und Zubehörungen 
von Quedlinburg, Fronengelder, Vogteifchillinge und Stettegelder x. 
Der Magiftrat mußte die Schußherrlichleit der Herzoge anerlennen, 
zur Abtretung von Gittern und zu bedeutenden Zahlungen fich ver 
pflichten. Die Bürgermeifter wurden ferner von ber Aebtiſſin bes 
ftätigt, mußten derfelben Rechnung ablegen und durften keinen Haupt⸗ 
mann für die Stadt einfeken. E 
7. Aehnliche Wege verfolgte das ‘Domkapitel zu Halberftadt. 
Daffelbe wählte den fächlifchen Prinzen Ernft, welcher 1476 Ery 
bifhof von Magbeburg geworben war, auch zum Koadjutor des 
ſchwachen Bifchofs von Halberftadt, der fchon 1480 ber Regierung 
entfagte. Das Kapitel beachtete in den bei der Wahl des Koadjnu⸗ 
tors geftellten Bedingungen die Verhältniffe, welche der Entwidelung 
einer willführlichen Gewalt entgegen ftanden. Zwar bebormortete 
daffelbe die Beftätigung der den Bürgern und den übrigen Leuten 
iftehenden Rechte, ohne Willen, Rath und Vollwort bes Kapitels 
ſollten aber Teine Hauptleute, auch nicht in ben Stüdten und Burgen, 
angeftellt werden. Erledigte Lehne follten mit geringen, feftgeftellten 
Ausnahmen wieder an das Stift gezogen, die Landesfchulden 
führt und das dem Stifte entzogene Eigenthum wieder damit ver 
einigt werden. Allerdings bedurfte e8 folder Vorkehrungen, wenn 
das Regiment fich wieder kräftigen, und namentlich auch, wenn ben 
ihon bevorzugten ablichen Familien die Gelegenheit erhalten werben 
follte, ihren nachgeborenen Söhnen durch Pfründen ein ficheres Ein⸗ 
bommen zu verichaffen; allein ben Reclamationen, zu welchen bie 
Bedingungen aufforderten, gab man eine Ausdehnung, bei welcher 
vertragsmäßig erworbene Rechte, am wenigiten der blühende Zuftand 
der Städte, Beachtung fanden. Halberſtadt wurde durch innere Un- 
ruhen bedrüngt. Die Stabt hatte fi) auch aus ihren, durch wieder 
holte Verträge gefnüpften Verbindungen zurücdgezogen, und dieſen 
Zeitpunct benntte der Biſchof, um ihr durch Kündigung der Vogtei 
da8 Fundament der Berfaffung zu entziehen. ‘Die Stabt weigerte 
fih, und da man ihr auch unter andern vorwarf, daß fie früher 
Quedlinburg Hilfe habe gewähren wollen, fo rüdte der Erzbifchof 
von Magdeburg als Biſchof von Halberftabt mit einem auf 12000 
Mann angegebenen, mit fächfifchen Truppen untermifchten e bor 
die Stadt. Nach einer vier Wochen lang fortgefegten enwehr 
mußte fie fich ergeben (1486). Der Erzbiichof gab dem Rathe und 
der Bürgerfchaft die Verfiherung, daß ihnen an ben Privilegien Bein 
Abbruch gefihehen folle; dieſe Zufage wurde aber, wie Ehroniften 


252 


verfichern, zur Beängftigung bes Bifchof8 am Ende feines Lebens, 
nicht erfüllt. Die Stadt büßte ihre Verfaffung ein, auf welcder ik 
Flor beruhete, und gerieth, da man aud hier Erfak in einer Ge 
meindeordnung nicht zu fchaffen wußte, in Armuth und Dürftigfeit. 

Die ſchwächere Stadt Afchersleben konnte ſich, von ihren Nad- 
barn getrennt, nicht in ihrer alten Stellung erhalten. Sie hatte 
noch 1475 der Aufforderung bes Kaifers Folge geleifte. Ihr Zu 
zug zu der Heerfahrt nach Neuß beftand aus 9 ſchwarz uniformirten 
Neitern, 3 mit eifernen Flegeln bewaffneten Knechten und 1 Heer 
wagen mit Proviant und Rüſtzeug. Aud hier mußte jeder ans 
fällige Bürger ein gerüjtetes Pferd halten, deren auf den eriten 
Stodenfhlag 70 zufammengebradyt werden konnten, und als bie 
Gefahr, mit ſächſiſcher Hülfe überwältigt zu werden, ſich fteigerte, 
hatte die Stadt ſchon im Jahre 1475 ſich in den Schuß des Herzogs 
von Braunjchweig begeben, dem ein jührliches Schutgeld von 100 
Gulden zugefichert worden. Einen gleichen Vertrag hatten auch 1477 
die Quedlinburger unter Zugeſtändniß eines Schuggeldes von 200 
Gulden mit dem Herzoge abgefchloffen. Allein am wenigften durften 
die Städte auf De der Fürften rechnen, wenn dieje fi in ben 
Verhältniſſen fahen, ein Webergewicht wieder geltend zu machen. 
Der Fürft, an weldien Ajchersieben fid) gewandt Hatte, war 9. 
Heinrich der ältere von Braunfchweig (F 1514), deifen den Städten 
feindjelige Gefinnungen bald in einer Reihe von Fehden fich Fund 
gaben. Afchersiceben fah fich gezwungen, auch felbftftändigere Ges 
meindeverhältniffe aufzugeben, und ſchon 1486 mußte die Stadt 
Besen Dalberftabt, mit dem fie hundert Jahre verbündet war, Zu 
zug ftellen. 

8. Früher noch als Halberftadt wurde Halle dem Städtebunde 
entzogen. In einem Streite zwifchen dem Magiſtrate und den 
Pfännern der Stadt nahmen die Parteien das Urtheil der Magiftrate 
von Magdeburg, Braunfchweig und Halberftadt in Anſpruch; dem 
widerfegte ſich aber der Erzbifchof, indem er die Streitfache vor feine 
Gerichte zog (1478). Mit ſächſiſcher Hülfe nahmen die Händel 
darüber den Ausgang, daß Halle feine meiften Privilegien verlor, 
bie Urkunden darüber verbrannt wurden, 1484 die Morigburg, um 
die Stadt in Unterwürfigfeit zu erhalten, erbauet werden mußte, umd 
der Erzbiihof unbefchräntt das, was man damals Hoheitsrechte 
nannte, ausübte, unter welchen dann auch diefe Stadt ihre Blüte 
zeit beſchloß. 

Bei der Behandlung, welder die Städte, wenn fie unterworfen 
werden konnten, fid) ausgeſetzt fahen, worüber fo viele Beifpiele vor: 
lagen, erſchien die Reichsunmittelbarkeit als das fchägenswertheite 
Gut. Die nordbeutjchen Seeftädte und mehrere Binnenftädte, wie 
Magdeburg und Braunfchweig, gehörten zu den größten Handels: 
pläten des Reiche, während viele geringere Ortichaften, beſonders 
auch ſüddeutſche Städte, ſich einer durch mancherlei Zufälligkeiten 
unterftügten Unmittelbarkeit rühmen durften. Alles, was zur Selbft- 





biefer nicht erreicht werben köune, Bericht, bamit bie Streitfache von 
ihm felbft entfchieden werde. Der Ausbruch einer verheerenden Belt 
unterbrac) zwar bie Berhandlungen, auch konnte bie Stadt fich Taum 


zahlreichen erwehren, 
bie ſolche Zeiten ber Noth für ihre ehrlofen Zwecke vorzugsweiſe be 
nüsten, es kam aber 1486 zum Bergleihe. Der Erzbifchof fee 
ber tobt umter Zermittelung des ©. Albert von Sachfen ben 
Revers aus, nad) welchem er derfelben ihre Rechte und Privilegien 
ferner anerlemen zu wollen verſprach, die Stadt aber ihren An- 
fprüchen auf Reichsunmittelbarkeit entjagte und den Prälaten als 
ihren Oberherrn auerfannte. Wegen der verweigerten Quote zur 
Zürtenhülfe mußte der Biſchof abgefunden werden. 
9. Der fehdeluftigfte Yürft zwifchen Weſer und Elbe war jetzt 
. Heinrich der ältere von Braunfchweig. Sein umd feines Vaters 
sülhehn Beiſtand reizte den Bifchof Bertold von Hildesheim zu dem 
Verſuche, ‚die Stadt Hildesheim ſich unterwürfig zu machen, wenig⸗ 
ſtens einer Acciſeabgabe derſelben ſich zu verſichern. Im Gefolge 
der darüber in Rom und bei dem Kaiſer eingeleiteten Verhandlungen 
ernannte dieſer Kommiſſarien zur Vermittelung. Die bedrängte Stadt 
erhielt Zuzug von Braunſchweig, Magdeburg, Liineburg, Göttingen, 
Einbeck, Goslar und Hannover, zog auch viele umliegende 
bie den Gefinnungen H. Heinrih nicht trauten, uud) die ifchöfe 
von Dsnabrüd, Minden und Paderborn, diefe mit Geldanerbietungen 
ber Städte, in ihr Intereſſe. Ein zweimaliger Angriff des 09% 
auf Hildesheim war fruchtlos. Er buechfteift fengend bren- 
—— — und in gleicher Weiſe verfuhren auch ſeine 
Gegner in den Braunſchweigſchen Landen. Goslar hatte ihm Br 
Harzburg genommen, er bagegen hatte viele Goslarer Bürger ab- 
gefangen, die den Räubern ihrer Kuhheerden nachſetzten, Tief fie ge 
fünglid verwahren und bedeutende Löfegelder zahlen. Der Krieg 
wurde von 1484 bis 1486 unter unerhörten Verwüſtungen fortge 
ſetzt, in dem legteren Jahre aber kam Mittwochs nach (?) Zuctü 
10. December] zwifchen ben Herzogen Wilhelm und Heinrich von 
aunjchweig und den Städten Magdeburg, Braunfchweig, Lüneburg, 
Hildesheim, Göttingen, Stendal, Hannover, Einbeck und Nordheim 
ein Friedensvertrag zu Stande. Die erlittenen Schäben, die, wie 
immer, unfchulbige Landleute betroffen hatten, wurden gegen eilanber 
aufgehoben, die noch übrigen Gefangenen von beiden Stäbten ohne 
Löfegeld freigegeben, den Herzogen aber von den betheiligten Städten 
8000 FL. vorgeliehen, der Streit mit Goslar endlich zur Eutſchei⸗ 
dung des H. Albrecht von Sachen ausgefest. Sie erfolgte 1488 
dahin, daß den Herzogen die Harzburg wieder zu, überantworten fei, 
der Stadt aber noch zehn Fahre lang das Holz zum Verbrauche 
auf ven Hütten verabreicht werben folle. 
Wie man ein Steuereinfommen fich verichaffen Tönne, 
—* "hie Städte gelehrt. Die Fürſten hatten den en einer 
bgabe, wie befonder& deu ber Acciſe, erlannt; man war Ober noch 


veit davon entfernt, fie zu Staats- und zu andern als willkührlichen 
Sweden zır heben. Der Kurfürſt Johann von Brandenburg führte 
ine Abgabe vom Biere ein; fie wurde auch von den Bewohnern 
Stendals gefordert (1488), fie verweigerten aber den Beitrag. Ein 
Aufrur in der Stadt, der gewöhnliche Begleiter der von außen Ber 
zregten Drangfale, erleichterte dem Kurfürften die Ueberwältigung 
er Stadt. Sie wurde aus ihren felbftftändigeren Verhältnifſen ge 
iffen, Widerfpänftige wurden mit dem Tode beitraft; der Bundes 
xrtrag vom Jahre 1486 war ber lebte, dem Stenbal ſich anfıhlof. 

Kurfürft Johann, als ein Cicero feiner Zeit bezeichnet, fcheint 
in folcher am wenigiten in Beziehung auf Staatskunjt geweien zu 
en. Sein Teftament enthielt zwar ernftlihe Ermahmmgen an 
einen Nachfolger: gerecht und wohlthätig zu fein, die Unterthanen 
gegen Mächtigere fchügen und befonders der Zügelloſigkeit des Adels 
nicht nachjehen zu wollen; allein an Stendal bewährten fich folche 
Sefinnungen nicht. Er wußte der Stadt und fich felbit die Vortheile 
nicht zu erhalten, die fie aus ihren bisherigen Handelsverbindungen 
zezogen hatte. Die außerordentlich blühende Tuchweberei befonders 
jing mit ber Weberwältigung der Stadt unter, deren geitempeltes 
Silber bis dahin im nördlichen Deutſchland geſucht und als vorzugs⸗ 
weife zum Großhandel geeignet weithin im Gebrauch war. 

11. Wichtiger noch war für den Flor des deutfchen Handels 
die Erhaltung Erfurts, einer Stadt, die zwilchen den Städten des 
ſchwäbiſchen und des Bundes der Saſſenſtädte in der Mitte ag 
and in welcher wichtige Handelsjtragen zujfammenliefen. Sie fuchte 
fich in jener ftürmifchen Zeit unter den Schub der Herzoge von 
Braunschweig, der Yandgrafen von Thüringen, Heſſen und anderer 
zu ftellen, unterhielt auch dauernd eine Verbindung mit den Saffen- 
ftädten, nahm Kriegshauptleute aus mächtigeren Dynaftenfamtlien, 
der Grafen von Gleichen, ara Schwarzburg ꝛc. in Dienſt; allen 
die durch das Zufammenfallen der meißenfchen und ſächſiſchen Lande 
jehr vermehrte Macht des ſächſiſchen Haufes brachte aud) Erfurt die 
größte Gefahr. 1482 wurde der ſächſiſche Prinz Albert SKurfürft 
von Mainz, und damit zu Anfprücen auf Landeshoheit über bie 
Stadt ermädtigt. Daneben nahmen die fähfiihen Fürften eine alte 
Schußgerechtfame über diejelbe wieder in Anſpruch. Nacd) richtigen 
Begriffen von Staat und Landeshoheit beurtheilt, beweifet der An⸗ 
ſpruch auf folche Schugherrlichkeit, deren Ausdehnung und Kollifion 
mit der Landeshoheit fich nad dem, was die Aebtiffin von Qued⸗ 
Iinburg darauf einräumte, ermeijen läßt, nur, wie unvollfommen die 
Anfichten über ein geregeltes Staatsleben immer nody waren. “Die 
Stabt wollte weder die Schußherrlichfeit noch die Landeshoheit ans 
erfennen. Sie hatte ein Nonnenklojter auf dem Cyriaksberge ab- 
gebrochen und dafelbit die Cyriaksburg erbauet, fam aber gleich nad 
der Wahl des ſächſiſchen Prinzen zum Erzbifchofe von Mainz in 
Händel. Bon füchfifchen Gebiete umgeben und durch andere Vor⸗ 
Hänge fchon unterrichtet, was fie von einem feindlichen Zuſammen⸗ 


ftoße mit Sachſen zu frrchten hätte, Tamen Vergleiche zu Stande 
(1483), nach welchen die Stadt den Erzbifchof als ihren vechtmäßt- 
gen Erbherrn zwar anerkannte, jedoch die zur Aufrechthaltung ber 
elsverbindungen ihr erforderlichen Rechte unter zahlreichen Klan⸗ 

ein erhalten wurden. Gleichzeitig wurde zu Weimar mit bem Kur 
von Sachen über die Schut- und Schirmgerechtfame unter 
handelt. Er fagte gegen Anerkennung derfelben die Beibehaltung 
ihrer Rechte, ihres Herkommens und ihrer Gewohnheiten zu, verhieß 
ihr die ungeftörte Benutzung des Schloſſes auf dem Cyriaksberge, 
auch dag niemand die durch die Stadt laufenden Straßen verfim- 
mern folle. Das Maß der zu leiftenden Hülfe wurde fejtgejtellt 
und fiir den Schuß die jährlich zu zahlende Summe von 1500 Gulden 
ausgeſetzt. Dem Erzbifchofe von Mainz, einem Sohne des Kur 
fürften, mußten, nach der erfurter Chronif, 40000 Gulden gezahlt 
werden, und insgefammt foll die damals an Mainz und Sachſen 
gezahlte Summe 200000 Gulden, außer ben Gefchenten, die einzel: 
nen vermittelnden Perfonen entrichtet werden mußten, betragen haben. 

Da aud Magdeburg in den um diefe Zeit gefchloffenen Ber: 
trägen befonder& die Handelswege offen zu erhalten juchte, Braun⸗ 
ſchweig aber die Hinturchziehenden Straßen noch ficher jtellte, fo 
waren die Opfer nicht zu groß, welche Erfurt der gemeinen Sache 
brachte. Die Stadt konnte ihren Handel fortfegen und blieb in 
Danbeiöverbinbung mit den nördlich belegenen Handelsſtädten, die 

der großen Entfernung und der Nähe Sachſens behindert waren, 
Erfurt mit Zuzug zu unterſtützen. 

Den Städten Mühlhaufen und Nordhaufen blieb die Ummittel: 
barkeit, nach welcher andere Städte jett vergebens ftrebten. Nach 
dem Halberjtadt, Queblinburg ımd Ajchersleben aus dem Bunde ber 
Saffenjtädte gezogen waren, konnten jene wie Merfeburg nicht mehr 
auf wirkfame Hülfe der vormaligen Bundesgenoffen rechnen; von 
biefen waren gegen das Ende des Jahrhunderts die füdlihen Städte 
getrennt. Magdeburg hatte, obwohl Landftadt, feine Privilegien noch 
gerettet. Die Stadt erhielt fi in dem Rechte ber Waffen umb 
Einigungen und bracdte fie ferner im Vereine mit den noch im 
Bunde gebliebenen Saffenjtädten zur Anwendung. 


IV. 


1. Die Verhältniffe der Parteien, der weltlichen Fürſten, ber 
geiftlichen Herren, der Städte und NRitterfchaften zu einander, waren 
gegen das Ende des 15. Jahrhunderts andere als früher. Ginzelne 
FSürftenhäufer, wie das fächfifche, hatten ein bedeutendes Uebergewicht 
erlangt, und auch bie welfiichen Fürſten ftrebten mit allen Mitteln 


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F — en ſchützen —— und mit Waffengewalt 
Geb. Ifmen die Verbindung offen. 

”r ei hrofenben Berhältniffen erneuerten die Welſiſchen 
Hauptftädte Braumfchweig, Göttingen, Hannover, Einbed und Nord 

mit Hildesheim ben alten Bundesvertrag am Sonntage nad 

ätare |28. März] 1490 auf ſechs Jahre. In den Vertrag find 
bie Mn Beitimmungen mit aufgenommen. Es ift bie Matrilel 
eingeichaltet, nach welcher die Hülfsleiftungen abgemefjen werben 
follen, und bat Braunfchweig danach die fernere Zuſ 
wegen Fortſetzung des Vertrages zu beſtimmen. 

Noch lebte zwar d. Wilhelm ber jüngere von Braunfchweig. 
&r hatte zuerjt feinen Söhnen Heinrih dem ältern und Erich L 
das Land zwifchen Deifter umd Leine abgetreten, 1491 erhielten fie 
ben Braunfchweigichen und Calenbergichen Landestheil, in welchem 
dem Bater nur noch einzelne Stücke vorbehalten blieben, der auf 
das Göttingfche für fich behalten wollte. Indeß war längft ber 
unrubige Heinrich der ältere ber Vorfechter und Treiber, der auch 
feinen Bruder Erich I. von Braunfchweig-Galenberg bei beffen bäu- 
figer Abwefenheit zu vertreten Vollmacht hatte. 

In dem —5 — Heinrich dem ältern, Heinrich von Lüneburg 

un P- Johann von Lauenburg 1491 errichteten Erbvertrage war 
augle h ein Schutz⸗ und Trugbindniß enthalten. Ihre Unterthanen 

und Vaſallen follten bei Berluft ihrer Lehen nicht in bie Dienfte 
der Gegner treten. Dafern ein Vaſall oder Unterthan mit einem 
der Herren in Streit gerathen würde, follte die Sache von befien 
Näthen, und wenn biefe fie nicht ausgleichen könnten, von einem 
Deannengerichte des anderen Lanbesherrn entjchieden werben. Die 
Verblindeten wollen fich wechjelfeitig zur Wiedererlangung ber von 
ihren Fürſtenthümern abgelommenen Städte, Schlöffer, Lande mb 
Leute behülflich fein, und feiner von ihnen foll ohne des andern Herrn 
Willen und Willen in eine Angelegenheit ſich einlaffen, bei ber bie 
anderen Betbelligten entgegenftehende Intereſſen haben könnten. 

Doß vor allem die Städte Braunfchweig und Lüneburg bes 
zwungen werden — wenn man ungehindert ſchalten und walten 
wollte, ſchien den welfiſchen Fürſten einleuchtend. Dies gebt aus 
dem lange geheim gehaltenen, ſpäter erſt bekannt gewordenen 1492 
zwifchen ben beiden Heinrichen von Braunſchweig und Luneburg ges 
ſchloſſenen Vertrage hervor; er bezeugt aber auch die Rohheit bes 
damaligen Verfahrens. Man verhieß ſich wechieifeitig, alles auf 
bieten zu wollen, um die beiden Städte zu erobern. Die Herren 
vertheilten im Voraus unter fich alles, wie es in dem Vertrage heißt: 
„de wu den von Brunswid unde ben ören affteen roven ebber neh» 
men mögen“. Sie beftimmten, wer von ihnen dieſes oder jenes Gut 
der Stadt erhalten follte, und verhießen fich nochmals den krü 


Beiltand, 
4. Die NRüftungen von beiden Seiten waren außerordenilich 
Die Herzoge verbündeten fid) mit dem Erzbiſchof von aRoghelre, 


269 


dem Bifchof von Osnabrück, dem Könige von Dänemark, dem Kurs 
fürften von Sachen, dem Herzoge bon Sadhfen-Sauenburg, dem Land⸗ 
grafen Wilhelm von Helen, den Grafen von Mansfeld, Schaum 
burg, roller, Wunftorf, Hobenftein, Shwarzburg, Spiegelberg, 
Regenftein, Ricklingen und von der Lippe, neben zahlreichen Rittern 
und Junkern. Daneben wurde die Mannfchaft folder Städte ein- 
gefordert, bie nicht oder nicht mehr dem Bunde ber Safjenftädte an⸗ 
gehörten: Bodenwerder, Celle, Dannenberg, Eldagfen, Gifhorn, Hameln, 
ine Lutter, Lüchau, Minden, Neuftadt, PBattenjen, Lamſpringe, 
gen, Scheppenftedt, Falfersleben, Uelzen, Werningerode umd 
Wittingen. Alles diefes um fi) Braunfchweigs zu bemüchtigen. 
Die Stadt war aud auf den Kampf vorbereitet. Weder geiftliche 
Pan noch anſäſſige Ritter trauten folchen. Unternehmnngen der 
ürften, die, werm fie das Lebergewicht gewinnen konnten, Teine Ver⸗ 
träge und Privilegien anerkannten und den Schwächern, welches 
Standes er fein mochte, nur niederzutreten fuchten, ohne zu berüd 
fichtigen, welches die Folgen felbit im eigenen Intereſſe fein witrden. 
Die Aufforderung der Herzoge an den Bifchof von Hildesheim, um 
ihn zum Deitritte zu bewegen, war fruchtlos; er machte ſich im 
Gegentheile 1492 vertragsmäßig verbinblih, feine freien Straßen, 
jeine Lande, Städte und Dörfer den Bramfchweigern nicht zu ver« 
ſchließen, ihnen vielmehr freien Kauf und Verkauf zu geftatten. Dazu 
errichtete er 1492 mit den Städten Braunfchweig, Hildesheim, Göts 
tingen, Hannover und Einbed ein Schutzbundniß; dem im folgenden 
Jahre auh ein Bündnig der Stadt Braunſchweig mit dem Erz⸗ 
biichof von Magdeburg und dem Biſchof von Hildesheim folgte. 
Die verblindeten Städte leijteten Zuzug. Befonders fühlten aber 
jegt begliterte ablihe Familien der Nachbarſchaft, wie wichtig ihnen 
eine mächtige freie Stadt fowohl in Beziehung auf Abſatz dahin 
als wegen der Sicherheit eines foldhen Zufluchtorts war. Mit ihren 
Sähnlein, zum Theil mehr als 10 Reiter enthaltend, waren in der 
Stadt: von Bulsleve, zwei Gebrüder von Oberge, zwei Gebrlider 
von Weige (Weihe), von Wullen, von Bortfeld, Sivert von Bults⸗ 
(me, von Manndorp, Roleff von Weyhe, von Nücdershufen, von 
Wulve, Heinrih von Weyhe, von Sweden, von WWetberge, von 
Openfen, von Bodenhufen, von Fyrmen, von Grafchafft, von der 
orft, von bern, von Kenjtene, von Levenftedt, von Guernem, von 
eyn, von Rybbesbüttel, von Uslar, von Wendt, von Tzerfe, zwei 
von dem Gubdenberge. Sie, und wie aus den vorhandenen Quittun⸗ 
gen erhellt, viele andere erhielten Soldgeld zum Unterhalte ihrer 
Mannſchaften und Pferde, ſicher aber dürfen ſie einem großen Theile 
nach ſchon nicht mehr zu den Freibeutern gerechnet werden, die zu 
Fehden des Soldes wegen ſich ſtellten 
5. Die größte Gefahr traf die Stadt durch) ben von einem Ehr⸗ 
geizigen, Lüdeke — erregten Aufrur (1491). Noch hatte die 
Mannſchaft zur Vertheidigung gegen die nahen Angriffe H. Heinrichs 
fi nicht gefammelt, als, wie gewöhnlich, ein Menſch, dem ſein Ich 
17* 


260 


tönne, und gab — e zur —& innerer Unruhen. Er rieth, 
Zwieſpalt zwiſchen dem Magiſtrate und der Bürgerſchaft zu veran- 
laffen, und *— den Glauben an die Macht und den Beiſtand ſeiner 
Partei zu wecken. Zwar wurden manche ſeiner Rathſchläge, als der 
Kampf begann, befolgt, fie bewährten fi) aber nicht. Die Stadt 
brandmarkte ihn als feigen ehrgeizigen Verräther, verfolgte ihn mit 
Spottgebichten in damals fehr beliebter Weife, und auch der Herzog 
nahm fich feiner in der Folge nicht weiter an. 

6. Die Gelegenheit, ben Streit mit der Stadt zu eröffnen, 

gegeben. Der Herzog forderte die Huldigung; * indeß die 
Berhältriffe der Stadt zu bem Landesherrn auf zahlreichen Verträgen 
und Privilegien beruhten, fo waren diefe, wie früher immer gefchehen, 
in einem Vertrage mit dem Fürſten zu umfchreiben. Es mußte, 
ch dem Herkommen, der Huldebrief, in welchem die Rechte der 

ht zu verzeichnen waren, entworfen werben, und erjt, wenn ber 

Territorialherr diefe anerkannt und fein Anerfenntniß beglaubigt hatte, 
erfolgte die feierliche Huldigung. Auf diefe vorgängigen Zufagen 
wollte der Herzog ſich nicht einlaffen. Er beftritt vielmehr der Stadt 
den rechtli fit ihrer Landgüter und aller ber Rechte, bie fe 
von feinen Vorfahren erworben hätte. Er hatte nur die Wi 
herrſchaft vor Augen, die ſich berechtigt glaubt, ſelbſt alles das a 
brecden, was in Grundverträgen zwifchen Fürſten und Staatdange 
hörigen vereinbart worden. Der in ber bezeichneten Richtung be 
queme, oft in der Folge noch gemißbrauchte Grundſatz läßt den Staat 
als ein dauerndes, zwei actoren, Regenten und Staatsangehörige, 
enthaltendes Inſtiin nicht zu. Er ſchreitet über alle Grundbedingun⸗ 
gen des Staatslebens hinweg, und ſeine Anerkennung war in einer 
Zeit wie die H. Heinrichs doppelt gefährlich, in welcher man, um 
zu ernten, ben Bauer mit ben Früchten niederhieb. 

Der Herzog erflärte ausdrüdlich, daß er die Handlungen feiner 
Vorgänger im Negimente nicht anerfennen wolle. Es fam zwar eine 
gütliche Ausgleihung in Vorſchlag, die Stadt aber lehnte die Ver⸗ 
mittelung des Kurfürften von Brandenburg, des Erzbiſchofs von 
Magdeburg und der füchfifchen Herzoge, weil jie in diefen Partei 
männern feine gerechte Vermittler finden konnte, ab; aber auch bie 
Berufung Brannſchweigs auf den Biſchof von ilbesheim und bie 
Bundesftädte wurde zurückgewieſen, und ein Waffenftillitand bis zum 
28. Juli 1492 war das alleinige Refultat der Verhandlungen. 

Der Herzog fandte Botfchaft an feine Bundesgenoſſen und alle 





262 


8. Bon entfchiebenem Einfluß war jetzt die Zuziehung af 
Univerfitäten gebilbeter Rechtögelehrter zu öffentlichen Verhandlungen. 
Wurden bie Fürften auch noch meiſtens durch Geiftliche und Hoflente 
geleitet, fo Hatten doch die Städte fchon die anerfannteften Gelehrten 
in ihre Dienfte gezogen; bie ftäbtifchen Synbilen waren es, denen mm 
fih, wern aud, wie fpätere Fülle beweifen, als zu Hartnädigen 
Widerſachern umngebilbeter fürftficher Näthe, vorzugsweiſe vertraute. 
Ehriftoph Enzener, Ritter und Doctor der Rechte, war Kanzler in 
Friesland, und trat 1494 ganz in den Dienft der Stadt Braunfchieig, 
und, was damals ungewöhnlich war, für einen Zeitraum von zwanzig 
Jahren. Er war es, der die Verträge, bei welchen Braunfchmweig 
und andere Städte betheiligt waren, damals vermittelte: zu Zerbſft, 
mit dem DBifchofe von Hildesheim und andern. Zwar hatte Bram: 
ſchweig auch geitbte Kriegshauptleute im Dienfte, wie 3. B. 149% 
Andreas von Wartensleben, allein bei allen Streitigleiten mit ben 
Fürften ging das Beſtreben nur dahin, den Handel zu ftgen und 
bie Handelsftragen offen zu erhalten, dies war die Politik Cuzeners 
und anderer Syndiken. War diefer Zwed wenn auch mit großen 
Geldopfern erreicht, fo hatte man einen glnftigen Vertrag gemadit, 
denn dann fehlte e8 nicht an den Mitteln, die weitere VBortheile und 
Zuftände erfaufen Liegen, bie mit gewaffneter Hand nur ımter nod 
größeren Opfern erhalten werden mußten. Die Summen, zu melden 
die Yundesftäbte ſich verpflichteten, wenn einer der Städte Hilfe er- 
forberlich war, wurden immer bedeutender; da im äußerften Falle 
Söälöner in großer Zahl herbeiftrömten, und es dann nur baranf an- 
kam, den Sold zu befchaffen. 

Dagegen war den Fürften nichts fchädlicher als die Fehden mit 
ben Städten. Diefe durften auf eine den Handel beglinftigende Ge 
meindeverfaſſung nicht rechnen, wenn fie ältigt wurden, und 

cherten ſich Hinter ihren mehr und mehr befeftigten Wälfen und 
anern, während jede Fehde wechjeljeitiges Sengen und Brennen, 


mm grumdherrlichen Abg 
und Beden zogen. So kam es, daß die befchwerlichiten Hündel end- 
lich mit Geldopfern Teicht ausgeglichen und die Parteien damit ge- 
fprengt wurden. ’ 

9. In Oberbeutfchland waren die öffentlichen Verhältniſſe nicht 
weniger verworren als tn den niederen Regionen. Seit 1 bie 
Burgundiſche Marie geftorben war, wurde es Politik Ludwigs XI. 
mehr noch Burgund von Defterreich getrennt zu ſehen. Zu ben mit 
Sranfreich darüber entitandenen Hündeln kam der Einfall der Türken 
1479 umb der erneuerte Krieg mit Ungarn 1480, in welchem K. Matthias 
ganz Oefterreich mit Ausnahme nur von Wienerifch-Neuftadt eroberte 
und der Kaifer aus feinem Staate vertrieben wurde. Friedrich fah 
ſich dadurch und durch den kundigen Grafen Hug von Werbenberg 
zur Thätigkeit auch in dem Verfaſſungswerke aufgeregt. Er fette 
1486 die Wahl feines Sohnes Maximilian zum röomiſchen Könige durch. 





264 


mb ein Kammergericht fogleich begründen zu wollen verhieß. Ti 
zweitägige angeftrengte Arbeit bes thätigen Kaiſers führte zu den 
Entwurfe, welcher am 7. Auguft 1495 veröffentlicht und bei be 
Beſchluſſen zum Grunde gelegt worden. 

Das Fehderecht wird danach unbedingt aufgehoben und ei 
ewiger Landfrieden georbuet, ber bei Strafe der Reichsacht um 
2000 Marl Goldes nicht geitört werben fol. Zugleich wurde da 
lange erfehnte Reichögericht, das Kammergericht, eingefet und ben 
felben die Befugniß beigelegt, die Reichsacht zu erfennen. Da 
Kammergericht war dennoch erft an verfchiedenen Orten, folgte Mar 
milian fogar in die Niederlande, und erſt 1527 wurde e8 in Speit 
firirt, von welchem Orte e8 in den Kriegen mit Zudwig XIV. 169 
mehr in das Innere des Reiche nad) Weblar verlegt worden. Da 
Kammergericht follte in einer beftimmten Stadt immer verfanme 
fein, aus einem Richter, der ein Fürft, Graf oder Freiherr fei 
mußte, und aus fechzehn Urtheilern, zur einen Hälfte Rechtsgelehrte 
zur andern wenigftens aus der Nitterfchaft Geborenen, beitehen un 
von dem Kaifer und den Reichsſtänden befegt werden. Bor biefen 
Kammergerichte follte wegen Rechtsverlegung nur gegen Reichsunmi 
telbare, gegen andere aber vor den gewöhnlichen Berichten gekla— 
werben, mit dem Vorbehalte jedoch, daß Kınfürften, Fürſten un 
fürftenmäßige, wenn fie mit einander über Entfcheidung durch Ant 
träge fi) vertragen haben würben, dieſe benuten, wenn aber eir 
ſolche Uebereinkunft nicht getroffen jei, andere regierende Herren ihre 
Standes oder deren Räthe als Austräge eintreten laſſen fürmte 
Prälaten, Herren, Ritter oder Knechte und Städte follten ſich dab 
begnügen, wenn die Kurfürften, Fürſten zc. auf Mittheilung de 
Klage binnen Monatfrift ſich bereit erflärten, vor ihren Räthe 
Recht nehmen zu wollen. Bon folchen Austrägen folle nur an da 
Kammergericht appellict werden können. Eine jährliche Verſanmlun 
fol über Erhaltung des Landfriedens und die Erfenntniffe des Kan 
mergerichts wachen, die erforberliche thatſächliche Hülfsleiftung abı 
fol in einer jährlichen Berſammlung des Kaifers und ber Reich 
ftände befchloffen werben. 

Im Jahre 1500 wurde der Beſchluß gefaßt, die Gewalt bi 
zur Erhaltung des Landfriedens, der Ueberwachung der Erfenntnif 
des Kammergerichts und der Ausſchüſſe vereinbarten Verfammlum 
einem zu Nürnberg verfanmelten Reichsregimente zu übertragen, ba 
unter dem Kaiſer oder einem Statthalter beffelben aus perfünli: 
anwefenden Reicheftänden und zwanzig Abgeordneten folcher Stänt 
aller Klaſſen beftehen follte. 

Es kam bie Eintheilung des Reiche, wie fie K. Albrecht I 
beabfichtigte, in fechs Kreife, mit Ausfchluß der burgundifchen Land 
wieder in Anwendung, und dem wieder ind Stocken gerathenen Reid 
gerichte Tam man mit einem Anfchlage auf 10000 Zhlr. zu Hilf 
wies demfelben auch Nürnberg zum Site an. 

Nahdem Maximilian, der ungern feine Macht fi) Hatte Bi 


265 


fhränfen Taffen, bisher aber immer noch von äußeren Feinden 
bedrängt war, ſich in freieren Verhältniffen ſah, fing er an, den erb⸗ 
(ändifchen Hofrath in Oeſterreich mit dem fogenannten inmerlichen 
fatferlichen Rathe zu verbinden, aus welcher Verbindung der nach⸗ 
malige Reichshofrath hervorging. 

Die Befoldung der Reichskammerrichter war immer noch nicht 
feft geordnet; 1507 wurde daher zur einjtweiligen Beſoldung ber 
fogenannte Heine Reichsanſchlag entworfen, woraus die Kammer 
gerichtsmatrikel entitand; auch wurden jährliche Bifitationen des Ges 
richts befchloffen. 

Der Reichstag zu Cöln ergab endlih 1512 zur Stütze bes 
Landfriedens ımd des Reichsgerichts eine feitere Reichserecutionsorbs 
nung, und ftatt der früheren fech& wurde das Reich nun in zehn Land⸗ 
friedenstreife abgetheilt, jeder der Kreife aber unter einen Kriege: 
oberften geitellt, dem man Räthe heigab. Diefe Kreisbehörde hatte 
den Landfrieden und die gleichförmige Vollſtreckung der Reichsſchlüſſe 
zu überwachen. 

11. Dem SKreife Niederfacdyfen wurde der größte Theil der 
Lande zwiichen Wefer und Elbe einverleibt. Er beftand aus heilen, 
welche meiſtens dem alten Oftfachfen angehört Hatten, auch dem zu 
Deutichland angehörigen überelbiſchen. ‘Die Kreiseintheilung war nicht 
ohne Beachtung der Berfchiedenheit deutfcher Stämme beiwertitelligt. 
Riederfachjen enthielt die welfifchen, mecklenburgſchen, holfteinfchen und 
fachfenlauenburgfchen Lande, die Erzbisthiimer Bremen und Magdeburg, 
die Hochftifter Lübeck, Hildesheim, Schwerin, Ratzeburg und Hafberftadt, 
die in ber Folge ſeculariſirt worden, dann die Reichsftüdte Lübeck, Goslar, 
Mühlhauſen und Noröhaufen, aud) Hamburg und Bremen, denen 
jedoch die Reichsunmittelbarkeit fpäter noch harte Kümpfe veranlafte. 

Wie in allen Kreifen der Kreishauptmann oder Oberft von ben 
Ständen des Kreifes gewählt werden jollte, fo mußte es auch in 
Niederfachfen fo gehalten werden; doch kam fpäter (1522) das Amt 
der Treisausjchreibenden Fürſten hinzu, welches der jedesmalige regie- 
rende Senior des Braunſchweig⸗Lüneburgſchen Haufes umd, von einem 
Kreistage zum andern abwechſelnd, die Erzbifchöfe von Magdeburg 
und Bremen zu verjehen hatten. 

In Niederfachien ließ zwar bie neue Kreiseintheilung nicht bie 
Vermwirrungen nach, welche in den oberen Kreifen und am Rheine 
die Folge waren, wovon Häberlin im Handbuche des deutfchen Staats» 
rechts bemerkt: „Es ift ſchlimm, wenn etwas geſchehen foll, wobei 
das Oberhaupt felbjt Vortheil davon hat, wenn es nicht gefchieht“; 
allein es fehlte auch dort an Widerfachern der neuen Ordmung nicht. 
Eine Verfaſſung, die nicht allen freien Reichsgenoſſen, Bürgern wie 
Landbebauern, die Gelegenheit verlieh, ihre Bedürfniſſe und die Drang» 
fale, an welchen fie litten, durch Abgeordnete zu den Reichsétagen 
herauszuftellen, mußte Städten wie Rittern bedenklich erfcheinen. 
Unbedeutende Städte genoffen in Beziehung auf zufällige Verhältniſſe 
den Vorzug der Unmittelbarfeit vor viel reicheren und blühenberen 


Handeleftäbten, und ebenfo wurden ohne zutreffende Motive Witter- 
vereine vor andern, oft bedeutenderen Grundbefigern und Prälaten 
begünftigt, die nur Zufälligleiten in der geſchützteren Lage erhielt. 
Die fo wichtige Vertretung nad) den weſentlichſten Standesintereſſen 
war verfehlt, die aber, welche unter Entfagung der Waffen un 
Einigimgen fi) für landſäſſig anfehen follten, famen in eine um fo 
bedeuflichere Lage, als fie den neugeordneten Gerichten bei dem den 
Fürſten eingeräumten Cinflujfe nicht trauen zu können glaubten. 
Daß bie anertannten Reichsſtädte eben fo egoiftifch als andere Reiche 
ftände nur ihre Eonderinterefjen verfolgen und nichts weniger als 
DBertreter und Förderer des Handels und der Gewerbe fein würden, 
konnte nicht zweifelhaft erfcheinen: das allgemeine und nachhaltige 
Urtheil wurde daher: Traue dem Landfrieden nicht. 

Die Bolitif größerer Handelsftädte führte num dahin, alles auf 
zubieten, um entweder die NReichsunmittelbarfeit noch zu ermirten, 
oder ſich Doch thunlichit gegen den Zerritorialherrn ferner abzufchließen. 
Die Gutsherren, welche unter der alten Benennung „Ritterfchaft‘ 
auf Landtagen zufammen ftanden, fuchten wenigitens Corporationen 
zu bilden und gemeinfam Sonderintereffen durchzuführen. Wie die 
Reichsſtände nicht als Neichövertreter, als Vertreter des wefentlichjten 
Theils des Neiche, des Volks, angefehen werden konnten, jo waren 
dies in Beziehung auf Territorien auch nicht die Landjtände. Sie 
vertraten fich felbit, und es wurde ihnen die Erreichung ihrer Zwecke 
dadurch erleichtert, daß fie, fo lange es vorzüglich nur auf Gaben 
und Leiſtungen zu willtührlichen Zweden ankam, nur den Finger auf 
die viel größere Maſſe der neben ihnen ftehenden nicht vertretenen 
Territorialgenoſſen zu richten hatten. 

12. In Niederfachien dauerten Selbithülfe, Befehdungen und 
beides betreffende öffentliche Verhandlungen noch lange fort. Von 
Gevettern von Beltheim wurden 1495 zwei DBürgermeifter der Stadt 
Braunſchweig auf offener befriedeter Landſtraße aufgegriffen, nad 
Pommern geichleppt und nur gegen ein beträchtliches Löfegeld wieder 
freigegeben, weil Braunfchiweiger den von Veltheimfchen Knecht Hans 
von Berge erfchlagen haben follten. ‘Die Fehde dauerte nod) 1497 fort, 
fie wurde unter Zuftimmung und dem Berfprechen der Hülfsleiftung 
H. Heinrichs von Lüneburg fortgeiegt. Die Hamburger Straße war 
inzwifchen unficher und auch der oben (8) erwähnte Syndikus Cuzener 
wurde von den von Beltheim abgefangen und erjt nach Entrichtung 
eines Löfegeldes von 416, Goldgulden wieder freigegeben. Waren 
auch feit der Errichtung des Landfriedens und Einfegung des Reichs⸗ 
fammergerihts 1506 ſchon elf Jahre verflojfen, fo wurden doch die 
Gewaltthaten der Vettern Othrave und Cord von Veltheim in dem 
Yahre noch in alter Weife verfolgt. H. Heinrich von Lüneburg war 
von den Braunfchweigern wegen feiner Betheiligung in Anfpruch ge 
nommen, und die Städte Magdeburg, Lüneburg, Hildesheim, Göt- 
fingen, Hannover und Einbed vermittelten 3506 den Vergleich, nad) 
welchem der Herzog fich verbindlich machte, innerhalb fünf Jahren 


'367 


lährfich 1000 Gulden zu zahlen, fir, welche Schuld die Käthe bes 
Sürften fi) unter der Zuficherung verblirgen mußten, im Falle nicht 
geleifteter Zahlung in Braunfchweig Einlager halten zu wollen. 

Wie unwirkſam die neue Reichsverfaſſung noch war, geigte fich 
m allen Enden Niederſachſens. Die vom Kaifer genehmigte Anlage 
eines neuen Zollhaufes vor Wehnde war den Göttingern zuwider. 

ie verbrannten 1503 das Gebäude, auch wurde zwar die Acht 
gegen die Stadt verhängt, allein beffen ungeachtet die Angelegenheit 
it 1512 unter Vermittelung der Städte dahin gefchlichtet;, daß bie 
Zollerhebung zu Wehnde nicht ftattfinden ſolle. 

Städte ſuchten ſich ferner mit Umgehung ihres Territorialherrn 
fremde Schueherren, und Fürſten boten fich dazu dar. Für ein 
Schußgeld von 200 FI. jährlih übernahm & Heinrich der ältere 
ven Schub der Stabt Magdeburg auf zehn Jahre, und der dariiber 
1498 gefchloffene Vertrag wurde 1506 bis in das Jahr 1523 ver- 
ängert. Einen ähnlichen Vertrag errichtete der Herzog auf fünf Jahre 
mit der Stadt Bremen gegen ein jührliches Schußgeld von 100 Fl., 
während er fchon begonnen hatte, das ihm entfernte Stadt- und 
Budjadinger Land für den Erzbifhof von Bremen angeblich zu be 
drängen. Es wurde bis 1513 und 1514 erobert, allein unter bie 
Derzoge von Braunfchweig und Lüneburg vertheilt, die zu verfchiede- 

en Zeiten den Grafen von Oldenburg damit beliehen. 

Ebenfo beweifet das Verfahren bes Herzogs gegen bie Grafen 
son Hoya, bie er aus ihrem Lande vertrieb, wie gegen die Friefen, 
yeren Herr auch gezwungen wurbe feine Lande zu verlaffen, wie 
Selbfthülfe noch an ber Tagesordnung war umb eaifertiche wie reichs⸗ 
jerichtliche Einmiſchung noch unbeachtet blieb. 

13. Die Saffenjtäbte, welche ſich leicht überzeugten, daß fie 
von ben neuen Reichsfagungen verbefferte öffentliche Zuftände lange 
noch nicht zu hoffen hätten, die fich fortwährend noch von Wege⸗ 
lagerern und beuteluftigen zufammengerafften Heerhaufen umfchwärmt 
jahen, ergriffen zwar jedes Weittel, von weldem fie wenn auch nur 
inftweiligen Schuß hoffen durften, das eingreifendfte aber blieb ihnen 
der Selbſtſchutz und die Fortfegung der Verbindung mit befreundeten 
in gleicher Tage befindlichen Städten. 

Gleich nad) dem Bundesvertrage vom Jahre 1490 trat für 
ie im Bunde verbliebenen Städte eine drangfalvolle Zeit ein, in 
welcher fie zu augenbliclichen Hülfsleiftungen unter fih und mit ben 
in ihr „intereffe zu ziehenden Fürften Sonderverträge fchloffen. Ein 
ſolcher kam auch 1500 zwifchen ben Städten Braumfchweig, Magde⸗ 
surg und Hildesheim zu Stande, nad) welchem fie für ben Fall einer 
—— — ſich wechſelſeitig, die erſteren beiden jede 200, Hildesheim 

Mann zu ſtellen verhießen. Das Wichtigſte aber war bie 
— vereinbarte Geldhülfe, da, wie bemerkt worden, bei der ſeit 
Yahrhunderten andauernden Bermwilderung Kriegstuechte überall zu 
haben waren, wenn man nur zahlen konnte. Magdeburg und Braun⸗ 
ſchweig erklärten ſich jede Stadt zu einem Hilfsgelde von 12000 


268 


rhein. Gulden und Hildesheim zu 8000 rhein. Gulden bereit, wen 
eine der Städte angegriffen werden follte. 
— zwiſchen ben Saſſenſtüdten Magdeburg, Braumfchweig, 
heim, Göttingen ru Einbeck am Mittwochen nad) (?) Antoni 
24. Januar] 1504 auf zehn Jahre erneuerte Bundesvertrag ver 
mehrte noch die fir den Nothfall zu leiftende Hülfe. Sie wurde 
unter den in früheren Berträgen wiederholt feftgeftellten ausführlichen 
Bedingungen von Magdeburg mit 200, Braunfchweig 200, Hildesheim 
134, Göttingen 134 und Einbeck 100 Mann zugelagt, das Wid- 
tigere aber war auch nad biefer Uebereinkunft die Geldhülfe. Der 
bedrängten Stadt ift überlaffen, ftatt der Mannſchaft Geld — 2 rhein. 
Gulden monatlich fir jeden Mann — zu fordern, daneben aber haben 
an Hülfsgeldern übrigens zu entrichten: Magdeburg 9000, Bram- 
ſchweig 9000, Hildesheim 6000, Göttingen 6000, Einbeck 4500 Bulben. 
Auch Hannover trat 1508 dem Bertrage wieder bei, mit ber 
Berpflichtung, 83 Mann und 3750 Gulden an Lohnungsgelbern zu⸗ 


Das Verhältniß des Bundes ber Saffenitäbte zur Hanſe 
blieb feit 1426 fi glei. Beide Bünde betanden als getrennte 
Stüdtegruppen_ fort, die, wenn bringendere Veranlaffung ſich fand, 
als getrennte Körper mit einander in Verträge traten und fich wech⸗ 
f fe teitige Hüffe zufagten, wenn auch mehrere größere jaffiiche Han 

delsſtädte beiden Blinden und ſchon von älteren Zeiten ber der Hanfe 
angehörten. Beide hatten wichtige Intereſſen mit einander gemein, 
die Saffenftäbte, daß ihnen durch die Hanſe Auefuhriege un Ca 
und Großhandel offen erhalten, die Seeftädte, daß die Straßen, 
welche in das innere Deutſchlands führten, zur Anfuhr bon Pros 
ducten und zu Rückfrachten nicht gefperrt, fondern von den Binnen 
ra gefhügt würden. Jeder der Binde hatte feine ihm eigen- 
ümlichen Widerfadher: die Seeftädte beſonders überfeeifche Staaten 
und Seeräuber, die Saffenftädte Territorialherren, welche Vernich⸗ 
tung droheten, Raubritter und Schnapphähne. Als letztere anfingen, 
* ben Seeſtädten gefährlich zu werden, einigten ſich beide Bunde 
zu gemeinfamen Maßregeln und zu einer Matrikel, nach welcher 
Hülfe gegen Landräuber gewährt werden follte, wie 1450 (II, 4); 
allein die Süuberung des Birmenlandes blieb ferner Aufgabe ber 
Saffenftädte und Gegenſtand ihrer abgefonderten Berathungen umd 
Bundesverträge. 

Die meilten der dem Bunde der Saffenftädte angehörigen, zum 
Theil geringeren und nur als Stationsorte fir ben Handel bes 
achtenswerthen Städte wurden in den hanfefchen Receſſen feit 1426 
genannt und als Hanfegenofjen in den Verzeichniffen fortgeführt. 
Allein die, welche dem Bunde ber Safjenftädte nad) und nach ent- 
zogen worben, blieben auch nicht weiter Sanfegenoffen, wenn fie 
nicht etwa als einflußreichere Handelsjtädte ſchon vor 1426 auch der 
Hanfe angehört hatten. Die Verhältniffe, welche das Ausfcheiden 
mehrerer Städte aus dem ſaſſiſchen Bunde veranlaßt hatten, wurden 


in Lubeck zum Shell wol nicht einmal befammt, und daher kam es, daß 
hier mande Stübte noch lange fir Hanſeſtädte angefehen wurben, 
die es längft nicht mehr waren. 

15. Wie im Innern bes Reichs gegen bas Ende bes 15. Jahr⸗ 
hunderts ein Uebergewicht der Fürſten über die verbiindeten und felb- 
jtändigern Städte fich geltend zu machen fuchte, fo wurde auch der 

e der Handelskreis nach außen bin mehr und mehr befchräntt. 

dem Dieere ging es wie bei ven Fchden auf bem Lande. Waren 
rohe Haufen eingefchifft, jo unterfchieden fie, wie die Banden, bie 
mit den ftübtifchen Kriegsfnechten zu Lande ausgezogen, nicht Freumde 
von Feinden. So nahm 1452 ein gegen englifche Schiffe ausgerüfte- 
tes Geſchwader felbft Hamburger und Danziger Schiffe und gab die 
geraubten Gegenftände nur fiir Löfegeld wieder heraus. 

Die Privilegien der Hanfe in ben Niederlanden, England, 
Dänemarl, Norwegen, Schweden, Preußen und Rußland waren jchon 
den Beeinträchtigungen ber betheiligten Nationen ausgeſetzt, deren 
Handelsftand die ihm befannt gewordenen Handelswege für ſich aus⸗ 
zubeuten fuchte. Seeräubereien nahmen feit der Mitte des 15. Jahr⸗ 
hundert in furdhtbarer Weife zu, fo daß Flotten unterhalten werden 
mußten, um den Kaufleuten durch ein ftarfes Geleit Sicherheit zu 
gewähren. Die darauf auf Deputationen und Opfer zur Erhaltung 
der Privilegien verwandten Koften wurden unverhältnigmäßiger und 
die Parteinahme verwidelter, zu welcher die Betheiligung der ver- 
fchiedenen Nationen am Großhandel führte. Der ruffiiche Großfürft 
ließ 1494 bie in Nowgorod anmejenden Kaufleute drei Jahre im 
Gefängniſſe ſchmachten, weil die Hanfe den Schweden Unterftüßung 
gewährt hatte. Die Unglüclichen famen auf der Rüdreife in einem 
Sturme um. 1498 forderte 8. Johann von Dänemark Hülfe zur 
Unterjodung ber Ditmarjen, dagegen ımterfagte 8. Morimilian I. 
1500 allen Deutfchen, an irgend einem Kriege gegen das Völkchen 
Theil zu nehmen, und fo gerieth die Hanfe aus einer DVerlegenheit 
in die andere. :Derfelbe Johann forderte 1502, daß die Seeftädte 
des Handels nad) Schweden, das der Union fich entzogen hatte, ſich 
enthalten follten. Die Städte fügten fi) zwar nicht, rüfteten viel» 
mehr fünf Schiffe zur Unterftügung ihres Handels aus, auch wurde 
dann von dem mit Ablaßkram im nördlichen Deutfchland beichäftig- 
ten und auf ben Wunjch des Königs vom Papfte dazu ermädhtigten 
Cardinal Raimund ein Friedensvertrag vermittelt; der Köntg hielt 
ihn aber nicht, gab die geraubten Güter nicht zurüd, erfegte feine 
Schäden, wozu er ſich mit vielen Bürgen verpflichtet hatte. 1505 
forderte er abermals Einftellung des Handels nad Schweden, umd 
fam es wieberum zu einem Dergleiche, den jedoch der König, ber 
Lübecker Güter und Schiffe genommen hatte, unerfüllt ließ, wie feine 
frühere Zufage. Die äußerſte Erbitterung der Seeftädte führte diefe 
der ſchwediſchen Partei zu; in dem baranf folgenden Kriege wurde 
mit abwechjelndem Glücke gefochten, bis endlich 1512 ein dauernderer 
Frieden vermittelt worden. 


270 


Die Koften und Folgen folder Seckriege trafen ummittelber 
mr bie zunächft dabei betheiligten Städte, wie Xübe, Hamburg, 
Bremen, Wismar, Rofiod, Limeburg, während die Saſſenftädte bie 
Koften ihrer Landiriege trugen. Der Hanfebund war zu ausgedehnt 
und locker, als daß die Kräfte an Einem PBuncte hätten ini 
werden lönnen; entierntere Städte hatten oft, namentlich in den 
Seekriegen, ganz entgegenitehende Intereſſen. Doch bot der weitere 
Verband für alle Theilnehmer das wictigite Dlittel, im alle der 
Wiberfeglichteit gegen ftäbtijche Obrigteit, empfindlich zu_züchtigen 
dadurch, daß der Aufwiegler in jo zahlreichen Städten verfolgt und 
von ber Gelegenheit ausgefchlojfen wurde, hier fein Gewerbe zu be 
treiben. Welchen Werth man in ber bezeidneten Hinſicht auf bie 
Betheiligung bei den Bunde legte, beweifet das Bemlihen der 1470 
wegen verweigerter Zheilnahme an den in Lübed gegen England 
vereinbarten Maßregeln ausgeſtoßenen Gölner, die erft 1475 ihre 
Wiederaufnahme betwirken konnten, ımd zwar unter Vermittelung des 
Kaifers und anderer. 


Anhang. 
Innere Berhältniffe. 


Die Gefchichte der Bündniffe fächfifher Städte in dem mittleren 
Jahrhunderten würde, wie die zahlreicher Hleinerer deutfcher Staaten, 
die nicht viel mehr als die Erinnerung an Ranfereien und Bedrüdun 
gen bietet, geringen Werth haben, wenn nicht mit Sorgfalt hervor⸗ 
gehoben würde, um was es bei den Bündnifjen ſich handelte. 

Während die deutfchen Territorien fich noch keineswegs zu Star 
ten im rechtlichen Sinne des Worts empor gehoben hatten, während 
Grundherrlichkeit vorherrfchend blieb und alles, was berfelben nidt 
mit Kraft und Gewalt entzogen werden konnte, wie Eigenthum und 
nad befchränften Grundjägen des Privatrechts beurtheilt wurde, 
boten die Städte, welche jelbjtändig fich entwideln konnten, ben 
ermitorialherten dag Beijpiel zur Begründung eines geregelten Stant# 
gebäudes, 

Schuß des Handels und der Gewerbe gaben den Antrieb zu 
großer SKraftentwidelung; mit Beſonnenheit und dem großen Zwecke 
gemäß wurden aber auch alle Zweige ber Verwaltung fo geordnet, 
daß fie den CErfordernifjen eines in fich abgefchlofjenen, widerſtands⸗ 
fähigen Staats entfprachen und fchligen und vermitteln konnten. 

Während die Fürften von der mit Gütern erfauften Lehnsmann⸗ 
Ihaft mehr und mehr verlafjen wurden und eine ganz veränderte 
Kriegsweiſe diefe ganz unzulänglich machte, benugten die Städte fofort 
jede neue Erfindung auch im Kriegswefen, verbanden mit einer Stabt 


\ 
ben Söldner i 
wehr für Nothfall und ſorgten für Sriegebebärfnifie 


‚Die Rechtspflege in den Städten wurde früh an geſetzliche Vor⸗ 
Schriften geknüpft und fo geordnet, daß fie den bei fteigendem Han⸗ 
delsverkehr und größerer Verwickelung der Rechteſtreitigkeiten fehr 
veränderten Bedürfniſſen entſprach, während übrigens im Territorium 
die Befugniß zu richten und Urtheil zu finden als Gegenſtand des 

dels und der Vergleichung und als Anhängjel des umfaſſenderen 

dbefiges behandelt wurde. 

Den frühen Mittelalter gehören in den Städten bie einfluß- 
reichten Policeianftalten an, während man in den Zerritorien an ein 
Zufammenwirten zu policeilichen Zwecken noch nicht dachte. 

Was die Territorialherren neben ihren grundherrlichen Gefällen 
zu perfönlichen — nicht Staatsbebürfniffen — bewilligt erhielten, 
hatte nach dem vorherrfchenden grumdherrliden Syiteme bie Natur 
erhöhter :Dominialgefälle, dagegen wurden in den Städten wirkliche, 
zur Ordnung und Erhaltung des Gemeinwefens beſtimmte Steuern 
von Anbeginn eines Stadtregiments an gehoben. 

Der Reichthum, zu welchem die Städte durch Handel und Ges 
werbe, die in der Verfaſſung eine feitere Stütze hatten, fich hoben, 
verlieh ihmen die Mittel, theils fördernde Hanbelseinrichtimgen und 
Anlagen im Innern der Städte zu treffen, theils den Aufwand zu 
beftreiten, welchen die Sicherftellung der Handelsſtraßen erforderlich 
machte, beionders aber alle die Nechte und Befugnifje abzulaufen, 
mittelft welcher der Verkehr geitört werden Tonnte. 

Schwades Regiment, Vernachläſſigung wichtiger Volksintereſſen 
und eigennügiges, denfelben entgegengefetes Widerſtreben haben jeder 
Zeit Einigungen zur Bewältigung der Schwächen und Bosheiten 
hervorgerufen. Die Städtebindnijfe waren eine nothiwendige Folge 
der Zerriffenheit des Ddeutfchen Reichs und der Unkunde bdeutfcher 
Macıthaber, die, was Noth that, nicht zu fallen vermochten und aus 
den erbeuteten Trümmern des Reichsſtaats Teine Einzelſtaaten zu 
ihaffen verftanden. 

Die Städte bilden in jenen wilden bunfeln Zeiten den Slanz- 
punct befonder8 in Beziehung auf Zwedmäßigleit ihrer Verfaſſung 
mb Politik. Die größeren felbjtändigen Städte ftanden in allen 
ihren Ginrichtungen mit einander in Webereinftimmung. Hier Tann 
ih zwar nur nad Urkunden des Archivs der Etadt Braunfchweig 
Ipeciellere Nachweiſungen geben, fie aber zeigen auf ſolche Ueberein⸗ 
fimmung hin, und prüfe man nur, was andere ftädtijche Archive er⸗ 
geben, um meine Behauptung bejtätigt zu finden!. 

* * 
* 


* Hier bricht das Fragment unvollendet ab. Ich laſſe einen Theil des 
zweiten Abſchnitts aus dem erjten Buche folgen, der ven den Zuftinden ber 
Suchfiſchen Städte im 13. und Anfang bes 14. Jahrhunderts Fe 


. 212 


Die reicheren ftädte hatten fchon im 14ten Jahrhundert 
eine feite tief eingreifende Militärordnung, nach welchem in der Stadt 
Braunfchweig Kriegshülfe geleiftet werden mußte. Jeder Bürger 
und waffenfähige Einwohner war zum Kriegsdienfte verpflichtet, md 
dapon wurde auch bei denen Feine Ausnahme gemacht, die fonft ihres 
Amts wegen von öffentlichen Laſten befreiet waren. Auf den erften 
Ruf mußten fi) die Diannfchaften auf ihren Marktplätzen mit ber 
porgefchriebenen Ruſtung jtellen. Sie zogen mit ihrem Banner, an 
geführt von einem der Natheherren, der, fobald der Zug bie Thore 
hinter fi) hatte, das Kriegsgeſetz handhaben durfte, aus, nachdem 
gleichzeitig mit Aufftellung der Mannfchaft alle den Bürgern an 
gehörigen verfügbaren Wagen mit Gejpann und alle Reitpferbe vor- 
geführt waren. Die Stadt hatte einen Stamm von Neifigen und 
Hauptleuten, und wenn Kriegshülfe erforderlich wurde, vermehrte 
man die Mannſchaft, bejonders die Neiterei durch Aufruf nad) außen 
hin. Es ftellten ſich Ritter- und Reiterfähnlein, gewöhnlich aus 
einem Anführer und 3 Dann beftehend; fie fchloffen fi den t⸗ 
leuten an, auch waren die Bedingungen, unter welchen dieſe mit 
Lanzen dienenden Reiter eintraten und für Verluſte an Pferden Ber: 
gütung fordern konnten, ftatuarifch feftgeftellt.. In der Mitte des 
14. Yahrhunderts ſchon vertaufchte die Stadt ihr altes großes, zum 
Sturme auf Veſten eingerichtete und damals verzeichnetes Krieg 
- geräth mit Feuerfchlünden, auch unterfchied ſich bald der zu Pferde 
dienende Lanzenknecht dadurch von dem zu Fuße dienenden Schilten, 
daß diefer mit Handbüchſen verfehen wurde, die in der erften Hälfte 
bes 15. Jahrhunderts Schon in Braunfchweig ſelbſt angefertigt wurden. 

Die Städte, die in allen ihren Einrichtungen Webereinftimmung 
erftrebten und fchnell ergriffen, was ſich mit Vortheil nachahmen lieh, 
erlangten durch ihr ftantsgemäßeres Kriegsfyftem das, was die Fürften 
in ihrer Weiſe und durch eigenes Verfchulden nicht erreichen konnten. 
Die fo gerüfteten Städte ftiegen nicht nur in ihrem Werthe ald 
DBundesgenofjen, fie ſchwangen ſich zugleich zu einer Selbftändigkeit 
empor, deren fie je mehr die Verwirrung zunahm je mehr bedurften. 

8. Die Kriegseinrichtungen gaben der Selbftändigkeit der Stadt 
den Anhaltspunct, und diejer mußte gewonnen werben, ba er im 
Staate in einem die welfifchen Lande umfajfenden geordneten Ger 
meindewefen nicht gefunden wurde, 

Die Rechte des Iandesherrlichen Vogts innerhalb der Stadt 
waren jchon nad den älteften Etadtgefegen befchräntt, mehr noch 
geihah 1296, in welchem Jahre die in dem Vertrage vereinbarten 
Beſchränkungen dem richterlichen Amte allen fisfalifchen Werth nahmen 
und danad) die dauernde Erwerbung der Advocatie, an welche damals 
jo manche tief eingreifende Befugnijje geknüpft worden, erleichterte. 
Sfeichzeitig ſuchten andere Sajjenjtädte fi) in den Beſitz der Vogtei 
zu jegen und ihre Bürger von allen den Anforderungen zu befreien, 
die damit verbunden waren. 

Es war die von den Städten allgemein befolgte Politik, feine 


273 


Art von richterliher Gewalt innerhalb ihrer Mauern von anderen 
zar Anwendung bringen zu laſſen. Für ben all, daß erhebliche 
Streitigkeiten zwifchen den Bürgern entftehen würden — nicht Streit- 
fachen ber Einzelnen, bei welchen der Vogt mit feinen Schöffen Ur⸗ 
tbeil finden mußte — war in Braunſchweig ein Friedensgericht ge» 
orbnet, das jeit dem Anfange des 14. Jahrhunderts ſich thätig zeigte 
und den Zweck hatte, die Berufung auf den Nichterfprud) des Lan⸗ 
besherrn oder gar kaiſerlicher Hofgerichte ganz auszuschließen... Die 
aus den verjchiedenen Weichbildern der Stadt gemählten Nichter 
wurden eingefperrt, bis fie entweder den Frieden hergeftellt oder über 
eine Enticheidung fich geeinigt Hatten !. 

Bor allem ſuchten die Städte ber Einwirkung der weftfälifchen 
Stillgerichte fih zu entziehen. Niemand follte vor einem folchen 
bei Strafe der Ausweifung aus der Stadt ſich einlaffen; denn auch 
ſächſiſche Bifchöfe und Herren hatten fich bei den Gerichten betheiligt, 
und ihre Städte durften nichts Gutes von diefer Stellung erwarten. 
Welchen Urfprung die Fehmgerichte auch genommen haben mögen, 
die Rohheiten und der fchon verwilderte Zuftand im 14. Jahrhundert 
war ihrer Thätigkeit zuträglich und vermittelte ihnen die Gunſt der 
Kaifer, wie Karl IV., die Beſſeres nicht an die Stelle zu ſetzen 
vermochten und fie auch, al8 dem Eigennutze dienjtbar, ausbeuten zu 
fönnen glaubten. Ehe die Städte dem gefährlichen Inſtitute noch 

% Inter pascha et pentecosten absque dilatione ulteriori semper duobus 
annis revolutis apud fratres (im Klofter ber Franziskaner) eligendi, et jurare 
debent ad concordiam quatuor de antiqua civitate, duo de Indagine, duo de 
nova civitate, de vetere vico et de Sacco tantum unus, et juxta formam sul 
jaramenti prestiti perdurabunt in officio faciendi concordias per duos annos 
eontinuos,, et dicti electi eligent alios suo termino expirante, et tales sunt 
seribendi ad locum certum et notum. Quicunque autem juraverint, hec infra 
seripta observare jurabunt, et Consules debent eis assistere: 

In welkeme wicbilde tweyinge wert under borgern, der scal de rad des 
wicbeldes sik der tweyunge underwinden to likende de tweyinge en si also 
dat dar eyn vestinge to höre. Weret aver dat de, under den de tweyinge 
were, de voresproken rad eder erer sülves vründ nicht kunde vorliken unde 
dat se de rad sende vor de, de to der söne sworen hebbet, de scolden den 
na de tyd, dat se vor se ghesant worden, binnen ver weken vorliken. We- 
ret dat der nicht enschulde, so scollen desülven de ghesworen hebbet gan 
uppe de Müntsmede, unde enscolden dar nicht uthkomen se en hedde se 
vorliket an vruntscop eder an rechte. Vorbat wenne se aldüs eyn recht eder 
eyne vrüntscop ghesproken hebbet und gheheten to holende under den de 
tweyinge is, welke denne des rechts edder dere vründscop nicht wolde hol- 
den, de scolde unser stad veftich mark gheven, unde man scolde ene 
vorfesten. Were he aver also arın, dat he des gheldes nicht gheven ne 
mochte, so scolde man one vorfesten, un he scolde evelecken buten der 
stad wesen also lange wente he dat ghelt gheve unde helde de vrüntscop 
sder dat recht, unde wes de meiste menye der sönelüde over eyn komet, 
latsc olen de audern volgen. Disser ding wil de rad instan. 

Wanne de personne to der eindrechtichheyt ghekomen sin un da dith 
zuelesen is, 50 scal upstan de de des rades wort holt un scal en staven 
ien edh in dysser wise: Dat ju hir is ghelesen, dat gi dat holden twey 
jar umme alse gi best kunnen ande moghen; dat ju god so helpe unde de 
hilghen. 


II. 18 


274 


in Xereinen entgegentraten, führten manche derielben ein ähnliches 
Verfahren gegen Raub, Branbditiftung, Tiebitahl und andere große 
Verbrechen ein, die ganz an der Tagesordnung waren, und gegen 
welche die ordentliche Rechtöpflege nicht ausreihte. Tas „Nemeding“ 
wurde in Braunichweig nad) dem Ermeſſen ;weier Bürgermeiſter, 
bie zwei ber geachtetiten und einjichtvolliten Deänner der Stadt babei 
zuzuziehen hatten, verlündet. Tie zu dem Gerichte gehörigen Per 
fonen waren der Vehmegraf (Nemegreve), der Vemeſchreiber, die 
Berwahrer der Demenoten, die Bürtel, der Scharfrichter und der 
Henker. Zwifchen 1332 und 1362 wurden 13 jolder Vehmgerichte 
gehalten; der Hergang war dabei folgender: Tie Herren, welde bie 
Serichtsjigung beichloiien hatten, verjammelten jih um Mitternacht 
auf dem Deartini-Rirchhofe und beriefen dahin auch die übrigen Raths⸗ 
perfonen. Die Thore wurden dann geichlojien und bejegt und mit 
Hüffe des Vemenoters, der das Verzeichniß der vorgefommenen 
itrafbaren Handlungen zu führen hatte, und der Demejchreiber das 
Verzeichnig ergänzt. Die Bannermeilter hatten zugleich in den Häw 
fern anzufagen, daß die Bewohner, wenn mit der großen Glode ge 
läutet werde, auf dem Marfte ſich zu jtellen hätten. Im Gefolge 
des Geläuts fanden fih auch die zum Gerichte gehörigen Perfonen 
an und nachdem dreimal ein Zturmgeläut gehört war, begab ſich die 
ganze Verfammlung in den Vemegraben am Betrithore. Der Bene: 
graf mit jeinen Gehülfen nahın auf der einen Zeite des Wallgrabend 
Pla, das Volk jtellte ji) an der gegenüber belegenen Böſchung 
auf. Dem Qemegrafen zur Seite wurde eine Monjtranz aufgeitellt, 
an der andern Zeite aber von den DBütteln und dem Henker em 
Teuer angezündet und Eifen glühend gemadt. Dem Volke wurd 
vom Vogte die Cidesformel vorgelefen, die fie nachſprechen mußten. 
Zunächſt wurden dann die Beraubten vorgefordert, die den Dieb 
namhaft machen, oder, daß jie denfelben nicht fennten, mittelft Eides 
erhärten mußten. Der Angeklagte fonnte ſich das erftemal mittefft 
Eided reinigen, die zweite Anflage entfräftete er nur durch 
jieben Cidesleifter, bei der dritten aber wurde er verpflichtet, das 
heiße Eiſen unverlegt neun Fuß weit zu tragen, wodurd denn von 
dem (Serichte abhängig wurde, unverbefferlihe Diebe und Räuber 
wie auch andere Verbrecher völlig unjchädlicd zu machen. Ein 
Diebftahl unter 4 Schillingen durfte nicht vor diejes Gericht gebracht 
werden, mit feierlichen Formen aber, an welche das Verfahren ge- 
knüpft war, fuchte man im Geifte der Zeit auf den rohen Haufen 
zu wirken; auch feßten ſich die einer befonderen Unterfuchung und 
Beitrafung aus, weldye der Berufung nicht Folge geleiftet hatten. 

Als Zeichen der Zeit verdienen ſolche Auswege in der Gefchichte 
de8 Städtewefend und der Verhältniffe, unter welchen die Städte 
endlich zum Theil als Staaten im Staate ſich ausbildeten, eine Stelle. 
Die Rohheit zeigte ſich auf allen ihren fie charafterifirenden Abwegen, 
befonder8 auch in ber Spielſucht, der ftrenge Etatute gegen das 
Dobbeln entgegengeftelft waren. 


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278 


werben, immer bem Reiche verbleiben mußten. Zölle an Land⸗ um 
Waſſerſtraßen wurden mit größter Willtühr vermehrt, bie vielen de 
biete aber, durch welche Frachter und Schiffer ihre Yadungen hindurch 
führen mußten, wurden eben fo viele, nur mit willlührlich auferlegie 
Haben zu überjchreitende Barrieren. Die ben Zoll- und Geleitk 
geldern entſprechende Pflicht, fir Erhaltung und Sicherheit ba 
Straßen zu forgen, fand keine Anerkennung. Bei dem fo fehr a 
ſchwerten Yandtransporte waren die an Flüſſen belegenen Städte be 
müht, zu ihrem umfafjenderen Verlehre der Flußſchifffahrt fih gr 
bedienen. Die an ber Elbe und Wejer belegenen Städte hatten in 
diefer Dinficht große Vorzüge, aber auch die Leine, Aller, Oker und 
andere geringere Ylüffe wurden bei damals höherem Waſſerſtande 
zu Schiffstransporten mehr als ſpäter benugt, und Kanalbauten Yamen 
im 14. Jahrhundert fchon zu Hülfe; dabei trat aber der Mangel 
eines von oben her orönenden Regiments in feiner ganzen Bedeut⸗ 
ſamkeit hervor. Was von den Reichsſtraßen zu Lande galt, ſollte 
and) auf Flußſtraßen Anwendung finden; diefe wie jene ermangelten 
elnes kräftigen Reichsſchutzes. Braunfchweig war um 1232 in dem 
Wefige einer Flußfahrt auf Bremen mittelft der Dier, Aller umd 
Weſer. Die Etadt hatte vom Kaijer Otto IV. 1199 das Privile 
gimm der Sollfreiheit durch ganz Deutjchland erhalten, allein die 
Verechtigung ging Schon mit der Macht diefes Kaifers umter. Im 
der Witte des 14. Yahrhunderts fparte die Stadt keinen Aufwand, 
un den Waſſerweg, befonders zur Kornausfuhr auf Bremen, fid 
wieder zu eröffnen, Sie wurde ermächtigt, die der Wafferfahrt hin 
berlichen Weühlen anzufaufen, das Hol; an den Ufern hinweg m 
nehmen, Scyleufen anzulegen und Xeinpfade einzurichten. Für bie 
Sirecke bie Selle wurde ihr Zollfreiheit zugefichert, und den betheilig- 
ten WDilitern lich DH. Magnus torquatus andeuten, daß ihmen das 
Wahlen nicht weiter zugeftanden werden würde, wenn fie die Mühlen 
nicht verfaufen wollten. Die Unruhen nad 9. Magnus Tode und 
ben Wuofterben des älteren Lüneburgfchen Hauſes binderten das 
Umernehmen, und auch in der Folge traten ihm getheilte Intereſſen 
und ber Anhalt, den andere Handelsſtädte darin fanden, hemmend 
enigegen.  Vlllgemeine Klagen veranlaßten die Beläftigungen, welde 
bie Fluſffahrt durch jeden Herrn erlitten, der mit feinem Zerritorium 
bus Ufer eines fchiffbaren Fluffes, wenn auch nur auf ganz kurzer 
<irefe, erreichte, und nicht nur Sollerprefiungen waren es, mit 
welpen man den Kaufmann drücte, fondern aud die Grundrur — 
ua Vercht auf ben (rund gerathene Schiffe ihrer Ladung zu beran- 
hen wurde auf die Slupfchifffahrt in Anwendung gebracht. Nach 
bein alten ottonifchen Stadtrechte wurde Braunfchweig gegen folde 
Anſpruche gefchligt '; allein wie vieler Herren Gebiete mußten bald nachher 


’ Bweliuh ınan schepbrokich wert twischen hir unde dero solten se, 
was Is niten godes uth gewinnen mach, dat is sin, unde dar ne mach ne- 
—RWf vwurdern, 





280 


diefelbe Reiter in Bereitſchaft halten mußten. Helmftebt war zwiſcher 
Magdeburg und Braunfchiweig beiden Städten wichtiger Stationsert, 
und weiterhin nach Magdeburg zu legten bie beiden Städte eine ge 
meinfame Burg in Errleben an und verfahen biefelbe mit 40 Reitern, 
bie das Geleit geben und die Straße rein erhalten mußten. Au 
berfelben waren eine Zeit lang Rüubereien und Mordthaten fo ge 
wöhnlich, daß das Kloſter Ludgeri vor Helmſtedt ſich bereit finden 
ließ, eine am Wege belegene Holzung „im Mordthale” ganz auszu⸗ 
rotten, um den Räubern den Hinterhalt im Didicht zu nehmen. 

Ein anderer Handelsweg lief von Braunſchweig aus in die 
Altenmarkt und bei Tangermünde über die Elbe. Die Stadt Braun 
Ihweig gewann zum Schutze derfelben „die Burg Campen, wo fie 
lange Zeit für Befakung zu forgen hatte, dann auch Vorsfelde. 

Die wichtige Straße auf Yüneburg, Lübed, Hamburg, über 
Uelzen wurde durch Niederbrennen der Raubburgen Thune und Lawes⸗ 
büttel, dann durch den Pfandbefik des Schloffes Neubrück umd die 
der Stadt eigenthümlich zugehörig gewejene Erdburg an der Ole 
unweit Beltenhof, ficher geftellt; auch befaß die Stadt in ihrer Rähe 
die Werneburg. 

Die Straßen auf Hannover und Bremen fowie auf Hildesheim 
und am Harze hinaus auf Goslar veranlaften die Stadt Braunfchweig, 
um in ihren Bereiche Sicherheit zu gewähren, bie an= und umliegen⸗ 
den Schlöjjer und Burgen pfandweije oder eigenthümlich zu eriwerben, 
darin Befatung zu unterhalten oder unter der Bedingung andern 
in Nutung zu geben, daß ihre Mannfchaft die Straßen rein zu er 
halten und den Braunfchweigern die Veiten jeder Zeit offen zu er 
halten hätten. So erwarb die Stadt an diefen Wegen das Schloß 
Bechelde pfandweiſe mit bedeutenden Zubehörungen, die vom Kloſter 
Bergen vor Deagdeburg Ichnweife eingethan waren, die Burg Schladen, 
in welcher die Stadt 10 Reiter und andere Dienftleute zu unterhal⸗ 
ten hatte, Antheil an der Burg Lichtenberg. Die Affeburg war 
früh ſchon der Stadt Veſte, und auf kürzere oder längere Zeit 
befaß jie felbjt das Schlog Wolfenbüttel und, ie Burgen zu Gifhorn 
und Hornburg. Wurden auch foldye Veſten zurlicigegeben, fo erwarb 
man doch dafür bald andere, und im 15. Jahrhundert kamen noch 
fefte Plüte der Art Hinzu. Der große Aufwand fonnte nur durch 
entfprechenden Handelsgewinn und ein zwedmäßiges Steuerfpiten 
übertragen werden. Die Affeburg wurde ber Stadt mit einem 
Aufwande von 32000 Goldgulden gewonnen, und die Zahl der in 
den Burgen unterhaltenen Ritter überftieg 300. Um nahmbaften 
erprobten Rittern den ftädtifchen Dienft in den Burgen angenehm 
und wüuſchenswerth zu macen, ließ die Stadt fchöne Pferde im 
Auslande auflaufen, die den Hauptleuten in den Veſten zu beftinm- 
ten Preifen angerechnet und überwiefen wurden. 

.Alles diefes mag beweiſen, wie beſchwerlich das war, was man 
im 14. Yahrhunderte zu leiften hatte, um die Nachtheile eines ganz 
geftörten, regello8 gewordenen Staatélebens auszugleidien. Wohin 


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- waltung vorbehielten und zu biefem Zwede wirkſame Ginrichtunge 
unterhielten. Näheres findet fich darüber bejonders in der Geſchicht 
der Stadt Braunfchweig. 

Die höchſten ftädtiichen Stellen waren dajelbit die ber Bürger 
meifter und ber Kämmerer. Im 14. Sahrhundert findet man’ einen 
Verein, ber vorzugsmweife aus folchen Perſonen beftand, bie, ober 
deren Vorfahren, eines jener Aemter befleideren. Die Aufnahme im 
den Verein war von ber Senojfenfchaft abhängig, wurde mit Opfern 
für die gemeinfame Sache erfauft und war jo geſucht, daß reichere 
Bürger noch auf dem Sterbebette bedeutende Summen ausjegten, 
um nur ihren Namen in das VBerzeichnig der Genoffen aufgenommen 
zu fehen. Dieſe ichloffen fich enge aneinander, hatten ihre regelmä 
Big wiederfehrenden und außerordentlichen Feſte, bildeten den erjten 
Stand, und wurden dadurch) mehr noch von anderen Ständen abge 
fondert, daß die Frauen und Töchter an den Gaſt⸗ und Tanzgelagen 
Theil nehmen und ihren leinlicheren Sinn für Aeußerlichkeiten hier 
geltend machen konnten. Weil anfcheinend die Gefellfchaft fich nur 
zu Gelagen und Zanzlujtbarfeiten zufammen fand, fo erhielt fie die 
Benennung der Lagbrüder, auch Klippgefellichaft; geheimer Zwed 
aber war der, über öffentliche Angelegenheiten Abrede zu nehmen, 
gemeinjame Intereſſen gemeinjchaftlich zu fördern und ſich Antheil 
an dem Stadtregimente zu erhalten. Zu den Gelagen wurden, wen 
Uebereinfommen zu treffen und wichtige Angelegenheiten der Stadt 
zu fördern waren, benachbarte Fürften und Adliche gezogen. Hierher 
wurde in folchen Fällen die höhere Geijtlichkeit eingeladen, und zur 
Unordnung der Yeitlichkeiten, wozu Häufer in und vor ber Stadt, 
auch das Rathhaus der Altitabt, benutt wurden, wählte man älteren 
jüngere Mitglieder der Genofjenfchaft, unter der Benennuag Konſta⸗ 
bel. Ueber die Perjonen, welche die Bürgermeifter- oder Cämmerer⸗ 
würde befleideten, oder zu den fungirenden 12 Konftabeln gehörten, 
führte man fortlaufende Verzeichnijfe, die zugleich eine Nachweifung 
bilden, welche Perſonen zu den ftädtiichen patricifchen Gefchlechtern 
gerechnet worden. Das Yuftitut beftand vorzugsweife für die Alt- 
ftadt, doch wurden auch einzelne aus dem Regimente der librigen 
Weichbilder aufgenommen. 

Es mag fein, daß die Geichlechter, welche in den Etädten des 
Negiments fich bemädjtigten, in einigen Städten adlihen, vom Lande 
in die Stadt überjiedelten Familien, oder den der Burgherren ange 
hörten, die in der elite, in deren Umgebung Anfiedlungen fich bilde: 
ten früher ſchon hauften; in Braunſchweig und in andern Saſſen⸗ 
jtädten war das Patriciat eines folchen Lrfprungs niht Aus den 
Innungsregimente entjtand, wie oben bemerkt worden, das allgemei- 
nere Stadtregiment. Die alten zur Wahl berechtigten Gilden er 
hielten fi in diefer Berechtigung, jie wählten aus ihren Genoſſen⸗ 
Ichaften Rathsherren, und auch die nicht im Gildeverbande geitandenen 
Stadtbewohner erhielten die Berechtigung, aus ihrer Mitte und um 
ter ihren Hauptleuten Rathsmitglieder zu ernennen. Es finden fi 











netere Staatsverhältnifie gewonnen werben konnten, Hatte indeß in 
anderer Hinſicht wichtige gedeihliche Folgen. 

Man fing im 14. Jahrhundert an Archive zu ordnen, während 
man vorhin die einzelnen Urkunden und Aufzeichnungen in Brieftiſten, 
die gewöhnlich in den Gehrhäuſern — ben Sacrriſteien der Kirchen — 
niedergeſetzt wurden, verwahrte. Tür einzelne Zweige der Verwal⸗ 
tung wurden &ecretäre angenommen, bie, was ihnen übertragen war, 
als. abgefonderten Theil des Ganzen zu behandeln umd in den ihnen 
anvertraueten Büchern zu regijtriren hatten. Man führte gejonderte 
Bände über. die allgemeinen Angelegenheiten und täglich vorkommen: 
dent Häubel, bie, wo fie noch auf unfere Seit gefommen find, bejon- 
dere Berückſichtigung verdienen. Sie enthalten wichtige Beiträge zu 
der Kulturgefchichte: über Verträge mit auswärtigen Staaten und 
Städten, im Auslande erlangte Privilegien, den Gebrauch des Feuer: 
gewehrs, die älteren Kriegsinftrunmente, die Aushebungen zum Kriege: 
diente, die angeorbneten Deputationen ꝛc. Es find dies Degedings⸗ 
Bücher, in welchen man in der Kürze anmerkte, was man im Ge: 
dächtniſſe behalten wollte. Das -erfte folder fir die Statt 
Braunichweig angeorbneten Gedenkbücher hebt um das Jahr 1340 
an, und ift auch das ältefte der auf Papier gefchriebenen Bücher. 
Als Grundlage für bie Rechtspflege trennte man, obwohl in unvoll- 
fommener Weiſe, die Polizeigefege von dem alten Stadtrechte, legte 
gefonderte Teftamentenbücher, Bände zur Eintragung der Urfunden 
über Rentenkiufe, Urtheilsbücher an, und fügte, z. B. in Braut: 
fchweig, den öffentlichen ‘Documenten, bei welchen die Stadt als 
Korperation betheiligt war, am Rande das Zeichen einer Hand bei. 
Man ließ in befondern Bänden bie Urtheile und Rechtsgutachten ver 
zeichnen, welche den Stabtbehörben vorzüglich wichtig waren, oder 
welche diefe auf Anforbern anderer Magiftrate wmitgetheilt hatten 
(libri Consulum), aud) fanmelte man in Urkundenbücdern alle die 
Diplome, welche auf Güter und Gerechtfame ber gefammten Stadt 
ſich bezogen. So trennte man im 14. Jahrhundert in. Braunfchweig. 
Es findet ſich aber ein ähnliches Verfahren auch in anderen Saſſen⸗ 
ftädten, und ift hier zu wiederholen, daß biefelben in allen ihren in- 
neren Einrichtungen Webereinftimmung zu begründen und zu erhalten 
fuchten. Die Anlegung von Acten fam erſt am Ende des 14. Jahr⸗ 
bumderts, als das Papier wohlfeiler wurde, in Gebrauch, und muß 
id) bier in Beziehung auf die Beweiskraft der Urkundenbücher, wozu 
man meiftens noch Pergament benugte, bemerken, daß man fie nicht den 
gewöhnlichen Kopialbüchern gleich jegen darf. In Braunfchwein 
war ftatutarifch feſtgeſetzt, daß die Urkunde nur wie fie den Büchern 
einverleibt worden Kraft haben folle, und daß ımterjagt fei, die 
Urfchrift den Büchern anzuhängen.. Diefen war gewöhnlich eine 
Ueberjchrift gegeben, die ben Zweck der Einrichtung des Buchs und 
fir welche Art von Docnmenten es beſtimmt ift, Elar andeuten. 
Dean bedurfte dabei der Beglaubigung durch ein Siegel, wie fie übri- 
gens üblich. war, nicht. | je | 


Beiträge zur Gefchichte des Geld- und 
Münzweſens in Deutſchland. 


Dritter Abſchnitt. 
(Schluß) 


Von 


Ad, Soetbeer. 


Dritter Abfchnitt. 


Geld- und Münzweien im fränfifchen Reiche unter den 
Merovingern. 


8. 5. Münzverwaltung. Rechnungs⸗ und Zahlungsweiſe. Breife. 


Sm vorigen 8. find die im fränfifchen Reiche unter den Merovin- 
gern geprägten Münzen auf Grund der davon uns erhalten geblie- 
benen Stüde in NRüdficht ihrer Bedeutung als Circulationsmittel 
und Werthmaßftab befprocdhen worden; hieran ſoll ſich jest eine kurze 
Grörterung der fonjtigen auf das damalige Geld- und Miünzwefen 
bezüglichen Verhältniffe knüpfen. Wir werden uns übrigens darauf 
bejchränten, die vornämlich in Betracht zu ziehenden einzelnen Stel: 
len aus Schriften der damaligen oder der nächftfolgenden Zeit ſowie 
die durch Auffchriften der Münzen felbft beurfundeten Zhatfachen 
vorzuführen und die nad) einfacher Auslegung daraus abzuleitenden 
Schlußfolgerungen darzulegen, ohne uns weiter in das Bereich blo- 
Ber Bermuthungen zu ‚wagen. 


Münzverwaltung. Das Meiinzwefen betreffende Verordnun⸗ 
gen aus der merovingifchen Zeit find nicht befannt, wenn man 
nicht ein Edict des Königs Chilperih (um d. J. 574) dahin rech⸗ 
net, wodurch frühere, nicht mehr erhaltene Verordnungen oder auch 
nur das alte Herkommen in Bezug auf das Gewichtsweſen aner- 
fannt werben!. Die gegen Falfchmünzerei u. a. erlaffenen äfteren 
faiferlihen Strafverfügungen, welde der Codex Theodosianus 
enthält, werden aud im fränfifchen Gallien in Geltung geblieben 
fein, wenn wir auch hierüber nicht fo ausdrückliche Angaben finden, 
wie in den Rechtsblichern der Burgunder, Weftgothen und Longobarden. 

Es muß dahingeftellt bleiben, wie früher ſchon bemerkt ift, ob 
die rohen Nachbildungen der byzantinischen Trientes, welche über Münz⸗ 
ort und Münzer feine Andentung enthalten, von Privaten oder Kor: 

& Mon.G.Leg Il,p. 11. . . .: De tronia vero sic convenit observare, 
ut, sicut antea consuaetudo fuit sub temporibus patri [patrui] vel genitoris 
nostri, sic sequatur, et mali homines reprimantur. 

20* 


296 


porationen, ohne weitere Sanction ber neuen Landesherren, blos für 
eigene Rechnung geprägt find, oder mit Ermädtigung und auf Ver 
anlaffung der leßteren, etwa durch die Goldjchmiede, die auch fonft 
für fie thätig waren. Die Anficht, daß einzelne Municipien und 
größere Grundeigenthümer aus eigener Machtvolllommenheit und für 
ihre Rechnung haben münzen laffen, daß insbefondere diejenigen Dlün- 
zen ber merovingifchen Periode, welche neben den Namen der Münzer 
nur ben Namen einer Stadt tragen, als Municipahnünzen zu be 
trachten feien, und daß ebenjo geiftliche Stiftungen aus eigenem Rechte 
hätten münzen laſſen, während die unter königlicher Autorität gepräg- 
ten Münzen dies durch die Beifügung der Namen des Königs oder 
durch folche fpecielle Bezeichnungen wie in palacio oder racio fisd 
etc. fund gegeben hätten, entbehrt bis jet näherer Begründung '. 

In rechtlicher Beziehung wird während der merovingifchen Herr. 
fchaft die Ausübung des Münzregals von den Verhältniffen in den 
legten Zeiten des römischen Reichs nicht wejentlich verfchieden ge 
weien fein, und fämmtliche Ausmünzungen, ſoweit fie nicht heimlid 
gefehahen, unter befonderer königlichen Genehmigung ftattgefunden 
haben. Eine Urkunde vom Jahre 685, wodurch König Theoderich IIL 
den Bifchöfen von Mans das Münzrecht verleiht, ift anerfannt m 
echt?. Ebenfo wenig begründet erfcheinen die auf merovingifche Könige 
zurüdgeführten angeblihen Meünzrechtverleihungen an das Kfofter 
Weißenburg und das Stift Trier, fowie das vermeintlich vom Her- 
zoge Kunzo von Alamannien (600—615) ausgeübte Münzrecht. In 
welcher Weife die Ausübung des allgemeinen königlichen Münzregals 
ftattfand, ob die Münzanftalten, welche nicht direct für Rechnung des 
königlichen Fiscus prägten, dafür beftimmte Abgaben oder einen Theil 
de8 Gewinns dem Könige zu entrichten hatten, und namentlich aud, 
welchen Abzug die autorifirten Münzer von den ihnen zur Ausmiün 
zung übergebenen Quantitäten edlen Metalls als Erfag ihrer Koften 
und zur Dedung ihrer Abgaben an den Fiscus machen durften, dar 
über fehlt uns jeder nähere Nachweis. Wenn fpäter König Pippin 
den Münzern vorfchrieb, von den aus einem Pfunde Silber zu prä 
genden 264 Denaren (22 Silber -Solidi) 12 Denare (1 folden 
Solidus) zurüczubehalten, alfo ungefähr 44 Brocent, fo wird man 
bei der Goldausmünzung unter den Merovingern, in Betracht der 
verhältnigmäßig geringeren Koften, hierfür einen minberen Sag an 
nehmen dürfen. 

AS befondere Münzanſtalten in ber älteren Zeit der merovin⸗ 
giſchen Herrſchaft ericheinen nad) den bereits im Vorhergehenden er 
wähnten Typen eine Officina Laurenti in Vienna und eine Officina 
Maret in Lugdunum, welche lettere längere Zeit beſtanden haben 


2° Diefe Anficht iſt befonbers vertreten worden von B. Fillon in feiner 
Schrift: Considerations historiques et artistiques sur les monnalcs de France. 
Fontenay-Vendede 1851. und in den ſchon früher angeführten Lettres & M. Ch. 
Dugast-Matifeux sur quelques monnaies frangaises inddites. Par, 1853. 

® Brequigny, Diplomata ed. Pardessus Nr. CCCCV., 


298 


1. Die Functionen bes Münzers werden in der Regel mit bem 
vielfach ausgeübten Goldfchmiedegewerbe verbimden gewefen fein, wie 
dies auch der Natur der Sache nad) angemefjen erfcheint, und was 
andererfeits die große Deenge der Münzen und der Orte wo ge 
minzt worden erklärt. 

2. Die ausdrüdlihe Erwähnung einer publica fiscalis 
monetae officina in Limoges macht es wahrjcheinlih, daß noch 
andere Münzanftalten beftanden, die, wern auch unter Töniglicher 
Auffiht und vielleicht abgabenpflichtig, doch für Rechnung von Kor: 
porationen ober einzelner Großen arbeiteten. 

3. Im Allgemeinen galten die Golbfchmiede und alfo aud 
die Münzer als nicht ſehr gewiffenhaft, und man traute ihnen zu, 
daß fie unter verfchiedenen Vorwänden einen Theil des ihnen zur 
Verarbeitung anvertrauten Goldes zurückhehielten. 

4. Die Abgaben auf den Lüniglichen Domänen wurden in Gold 
erhoben, bies jedoch, bevor man es an den Fiscus ablieferte, umge⸗ 
fhmolzen und gereinigt. ‘Der domesticus und monetarius fungir: 
ten dabei zufammen. Daß indeß letzterer zu anderem Zwecke thätig 
gewefen als zum Afftniren des Goldes, baß namentlich das Gold an 
Ort und Stelle der Abgabenerhebung wieder ausgemünzt worden, 
geht aus den obigen Stellen nicht hervor. Die zulegt angeführte 
Stelle deutet vielmehr darauf, daB die einzelnen Goldquantitäten 
nad dem Palatium gebradht und erft dort ausgemünzt wurden, io 
alfo Münztätte und Schatzkammer in unmittelbarer Verbindung ftan« 
den. Die Abgaben werden höchft wahrfcheinlich meiftens in Zrien- 
tes bezahlt fein, während ihre Berechnung noch nach der Praris der 
legten römischen Katferzeit nach Pfunden Gold oder doc nach Solidi 
ber älteren ſchwereren Art geſchah. Da nım ſolche Solidi im Laufe 
der Zeit wenig mehr vorfommen mochten, fo wird das Normalgewicht 
derjelben bei der Abgabenerhebung in Anwendung gebracht fein. Der 
Franke, deſſen Gebeine man nebft Ueberreften von Rüftung, Waffen 
und einer Gold-Wage an feinem Gürtel, nebft einem 4.40 Gramm 
ſchweren Gewichtsſtück auf dem alten meroningifchen Kirchhof zu Evermeu 
i. J. 1855 ausgegraben bat, ift aller Wahrfcheinlichkeit nad, ein 
Domeſticus oder Thefaurarius gewefen, ber jenes Gewicht bei Erhe- 
bung und Gontrolirung der königlichen Einkünfte zu feinen Lebzeiten 
benugt batte!. — Unter den monetarii der merovingtjchen ⸗ 


2 Diefer antiquariſche Fund, deſſen ſchon oben (I, S. 615) beiläufig Er⸗ 
wähnung geſchah, iſt für unſere Unterſuchung von zu großem Intereſſe, als 
daß nicht die Hauptpunkte ſeiner Beſchreibung Bier mitzutheilen wären. Cochet, 
Sepultures gauloises, romaines, franques et normandes p. 253ff.: Le 6 sep- 
tembre 1855, dans la fosse d’un guerrier armd d’une lance, d’un angon, 
d’une épée et d’un bouclier, j’ai recueilli, & la ceinture du ınort, .... . le 
fleau d'une balance accompagnd de ses deux plateaux, ainsi que d’un roids 
ou peson. . . . Entier, le fieau devait avoir 10 centimötres, à en juger par 
celui des deux cötes qui est conserve. Le manche avait 5 contimötres, juste 
la moitie du fleau. La totalit6 pdse 3 grammes. Des deux plateaux de la 
balance, un seul ost assez bien conserve. La forme en ost plate et non 





sw 


Münzen genannt werden, haben Einige daraus erklären wollen, daß 
daſelbſt königliche Einkünfte erhoben feien und daß die eingehenden 
älteren Münzen dort gleich an Ort und Stelle eingeſchmolzen und 
umgeprägt feien. Unferer Anficht nad ift eher anzunehmen, baf 
eine Einrichtung, die einige Jahrhunderte jpäter in Deutjchland und 
Frankreich vielerwärts und fehr häufig aus Urkunden nachzuweiſen 
ift, bereit8 im merovingifchen Zeitalter ihren Urfprung bat und bier 
aus bie fraglichen Ausmünzungen an fo zahlreihen Orten zu erfii 
ren find. Bekanntlich find fpäter unzählige Male für einzelne Ort 
fchaften gleichzeitig Markt, Zoll und Münzrecht verliehen. Diele 
drei Dinge ftehen auch unter einander in unmittelbarem Zuſammen⸗ 
hange. Die Bewilligung eines Marktes gab Gelegenheit zur Erbe 
bung von Zöllen, deren Belaftung, wenn fie mäßige Sätze nicht über- 
fchritten, im Intereſſe des Verkehrs weit überwogen wurde durch den 
ihm gebotenen Vortheil eines geficherten und befuchten Marktes; und 
um die zur Entrihtung der Zölle und vielleicht auch zur Erleichte 
rung der Umfäge unter den Gefchäftsleuten verlangten Münzſor⸗ 
ten anzufchaffen, mußten eine Miünzanftalt und damit verbundene 
Wechfelbanf vorhanden fein, welche ebenfalls eine öffentliche Ein 
nahme lieferten. In der merovingifchen Zeit wird bei der Abhaltung 
größerer Märkte ebenfalls fchon das Bedürfniß einer gleichzeitig 
thätigen Münzſtätte am Orte fich geltend gemacht haben, und 
es liegt nichts näher, als daß die fo geprägten Münzen gerade für 
diefen ihren Zwed regelmäßig mit dem Namen des Markt» und 
Münz-Orts bezeichnet wurden. Daß auch manche Pläße, wo fonft 
ſchon größere Einnahmen des Fiskus vorkommen, ‚unter den 

ftätten mit erjcheinen, beeinträchtigt unfere Erklärung nicht im Min⸗ 
deiten, denn es liegt in der Natur der Sade, daß gerade ſolche 
Orte, wo ohnehin ſchon ein lebhafterer Verkehr ftattfinden mußte, 
zur Abhaltung von Märkten befonders geeignet waren. 

In Betreff der Silberausmünzung fcheinen, wenigitens im letz⸗ 
ten Jahrhundert der merovingiichen Herrfchaft, eigenthümliche Vers 
hältniffe obgewaltet zu haben !. Mit Hecht hat der Denar, welcher 
auf der Hauptfeite um ein rechtshin gewandtes Bruftbild die Um⸗ 
ſchrift Rodemarus permutäiich Namen bes Münzers) führte und 
auf deffen Kehrfeite Ebroino fteht, großes Intereſſe erwedt, da man 
hierin eine Münze des bekannten Majordomus Ebroin erkennen zu 
müffen glaubt, welcher 659 die Leitung der öffentlichen Angelegenhei- 
ten in Neuftrien übernahm und nach wechſelvollen Geſchicken 681 er- 
nıordet wurde. Ein anderer merovingifcher Denar trägt die Aufs 
ſchrift Lambertus ips. und wird dem Biſchof Lambert von Lyon 
679—688) beigelegt. Ein zu Chartres geprägter merovpingifcher 

enar zeigt das Monogramm des Adeodatus, der um das Yahr 


2 Man vergleiche hierüber Longpsrier in ber dfter citirten Notice ber 
früheren Rouſſeauſchen Münzfammlung S. 38 und 75, fowie die Bemerkungen 
befjelben Berfafferd in ber neuen Ausgabe ber Leitres du baron Marchant p. 
121—125;; ferner Deloche in ber Revue numism. fr. 1858. p. 405—409, 





902 


Sn Teftament des Remigius v. 3. 530, des Aredius v. J. 
573 und des Bertrammus v. J. 615 werden immer nur einfad 
Solidi genannt '. Im Teſtament bes legteren wird in Bezug auf 
die vermachten Geldfummen noch befonders bemerkt, daß die Solibi 
in verfiegelten Beuteln fi) befänden (quos solidos per saccellos 
separatim cum brevicellis sigillatis ad unumquemque saccum 
.... in manus fidelis dispensatoris commendavi), wahrjchein- 
lich eine Vorforge, daß nicht fchlechtere Goldmünzen fubftituirt wür⸗ 
den. Dagegen heißt es in einen Kaufcontract der Abtei Moiſſac 
v. J. 6802: Et accepimus a vobis pretium et nobis bene 
complacuit, hoc est solidos auri purissimi septingentos. Und 
in den Kaufcontracten des Klofters Weißenburg ih etwa vom “Jahre 
712 an eine ausdrückliche Angabe der Befchaffenheit der gezahlten 
oder zu zahlenden Solidi die feititehende Regel. So heißt es in Ur- 
funden von 712: unde accepimus solus probamus [solidos pro- 
batos] atque pensantes numero XX, und: probus adque pen- 
sanes numero XII solidi; fowie in einem Contracte v. J. 115: 
unde accepi a te de re sancti etri solidos probatos atque 
pensatos numeroque quingentog°, 

In den Formularen des Marculf, ungefähr aus der Zeit Ehlo- 
dovechs IL, 638—6856, finden fi in Verkaufsurfunden fowohl So⸗ 
lidi allein: als auch mit Zufägen angeführt. XX. Venditio de 
area infra civitate: Accepi a vobis in pretio auri solidos 
tantos. XXI Venditio de campo: auri solidos tantos. XXI. 
Venditio de servo aut ancilla: pro quo accepi a vobis in pre- 
tio, juxta quod mihi complacuit, auri solidos probos atque 
praesentes |pensantes] numero tantos. 

Es ift früher bereits beiläufig erwähnt, wie in Gallien, wo 
vor der fränfifchen Eroberung der Denar nur eine Kupfermlinze aller« 
Heinften Betrages oder 4 der gewöhnlichen kleinen Kupfermünze bes 
deuten Tonnte, der neue fränfifche Silber-‘Denar durch den allgemei⸗ 
nen Ausdrud argenteus bezeichnet worden zu fein fcheint*. Hiermit 
fteht in Uebereinftimmung, daß in dem Zeftamente des Aredius vom 


1 Brequigny, No. CVIU. CLXXX. COXXX. 

2 Brequigny, No. CCCXCIU. 

5 Traditiones possessionesque Wizenburgenses , edid. C. Zeuss. Spirse 
1843. No. CCXXV. CLXXXV. CCXVII, CCXVIU, CCXXXIX. 

+ Bet ben Gefchichtsfchreibern und in ben Urkunden bietet fih der Natur 
ber Sache nach verbältnigmäßig felten, ja nur ausnahmsweiſe Gelegenheit zur 
Erwähnung ber Tleineren Müngforten. Wie wichtig auch bie Rolle ift, bie biefe 
im täglichen Verkehr bed gewöhnlichen Lebens fpielen, fo wenig haben Ge 
ſchichtsſchreiber und urkundliche Aufzeichnungen in ber Negel Anlaß bie Schei⸗ 
bemüngzforten auch nur nebenbei zu erwähnen. Um fo aufmerffamer aber find 
die etiva einzeln vorfommenden Stellen biefer Art zu beachten. — Welcher Namen 
im fränfifhen Reiche den Unterebtpeiltungen bed Silber-Denard und ben Ru: 
pfermünzen beigelegt wurbe, barüber fcheinen Feine Angaben erhalten zu fein. 
Die einmal bei Gregor von Tours vorkommende Erwähnung minutum für eine 
Kupfermünze Meinften Betrages iſt nur ein Eitat and ber Bulgata, Lucas 
XXI, 2 (aera minuta duo). 


304 


daß derfelbe ein feiner Kirche gemachtes Gefchent eines Landguts ab 
gelehnt, dajfelbe aber aus dem Kirchenvermögen gefauft habe, damit 
der Verkäufer den erhaltenen Kaufpreis unter die Armen vertheilen 
fünne, et sic de thesauro ecclesiastico taxatum pretium, quin- 
ue scilicet millia libras argenti, Eulogio dedit!. Den Biſchof 
Öregor ſelbſt fuchte die Königin Fredegunde (um db. J. 577) bu 
das Verfprechen von 200 Pfund Silber zu einem falfchen i 
zu beftechen (Greg. V, 19)?. In der Neihefolge der Weißenburger 
Urkunden erfennt man, wie die Zahlungsmweife in Silber etwa feit 
dem Ende des Tten Jahrhunderts neben den Goldfolidi immer mehr 
bervortritt. In Kaufcontracten vom %. 695 (Nr. XLVI) heißt 
e8: accepimus a te de rebus sancti Petri, hoc est argentum 
libras septem; v. J. 696 (Nr. XLV): accepi de argento li 
bram unam; v. %. 712 (Nr. CL): unde accepi pretium .... 
in argento libras III; v.%. 737 (Nr. XXXV): accepi pretium 
pro ipsa ..... . in argento, hoc sunt libras XX tantum. 

En einigen Urkunden der merovingifchen Zeit findet fich als 
Beitimmung der Zahlungsweife eines in Solidi bedungenen Preifes: 
inter aurum et argentum. So heißt es in Raufcontracten v. 9. 
60 ımd 7085: unde accepimus a vobis in precio taxato 
. . . . inter aurum et argentum solidos mille quingentos tan- 
tum; und: unde accepi in precio ... . inter aurum et ar 
gentum solidos mille quingentos tantum *. 

In einer Webertragungs-Urkunde an das Stift von St. Gallen 
v. Se 744 heißt e8: accepimus .... . precium adtaxatum, hoo 
est auro et argento solidos LXX et cavallos V etc. Der Sim 
biefer Bezeichnung feheint kein anderer zu fein, als daß die betreffende 
Summe wirflid in baarem Golde bezahlt werden follte, wobei bem 
Käufer freigeftelit war, ob er in Gold oder in Silber zahlen wollte. 

Aus den vorftehenden Beifpielen läßt ſich abnehmen, wie bie 
Zahlungen in Silber, trogbem daß die in den Solidi repräfentirte 








2 Bouquet Seriptt. rer. Gall. etc. III, p. 878. 

2 Ein anderer von Oregor IV, 45 erwähnter Fall it: Die Longobarben 
hoben im J. 576 bie Belagerung von Air auf, XXII libris argenti acceptis. 

5 Brequigny, No. CCCCLX u. CCCCLXX. 

+ Man bat die Meinung geäußert, es fei jenes *inter’ fo zu verfichen, 
baß bie eine Hälfte in Gold, die andere in Silber zu bezahlen ſei, was ber 
Sache nad Feine ungwedmäßige Beftimmung wäre Dies kann aber wohl 
nicht ber Sinn fein, da dieſe nicht felten vorfommende Ausdrucksweiſe an an⸗ 
beren Stellen außer dem Edelmetall noch auf fonftige Zahlungsmittel Bezug 
nimmt; fie bebeutet nicht? Anderes, als daß dem Zahlenden geiigen ben ge: 
nannten verſchiedenen Zahlungsmitteln bie Wahl frei ſtehe. Bal. u. A. Tokc. 
Urf. v. 3%. 763: recipimus pretinm inter bobes et auro adpreciato sol. XXL 
Brunetti, Cod. dipl. Tosc. Doc. LIX ; Luccaifche Urt. v. 3. 805: recepimus .... 
pretio placito et deliverato capitulo inter argento et uno tauro solid. duodeei 
(Luce. Urk. ©. Doc. CCCXXIV); Florentiner Urk. v. J. 973: pretium recepitum 
inter aurum et argentum seu aliis speciebus invalentes adpreciatas libras. 
(Bol. Bött. G. A. 1650. S. 629 über die Bebeutung: in beiden zuſammen nad 
Umftänden ober Belieben, auch bei andern Maß⸗ ober Orößeangaben. G. W.). 


306 


und Fett geitohlen waren, gemißhanbelt und auferdem in eine Geb» 
ftrafe von 4000 Solidi verurtheilt; König Sigibert hob dieſes Ur- 
theil auf und hielt den Albinus an, dem Vigilius das Bi 

ner Summe zu zahlen, alfo einen Betrag von 16000 Solibi !. Um 
die nämliche Zeit verfprach Ardacharius, ein ehemaliger Höriger, ber 


fi) aber allmählich zu großem Anfehen und Vermögen empor ger . 
beitet hatte, der Frau eines reichen Bürgers in Elermont 16000 


Solidi, wenn fie ihm ihre Tochter zur Ehe gebe, und reclamirte fpä- 
ter diefe angebliche fchon beponirte Summe ?. Solche Erwähnungen 
von Bußen zum Belauf von 16000 Solidi, und daß ein Brivat- 
mann, ohne daß es an fi) als etwas befonders Auffälliges erfcheint, 
eine gleihe Summe baar deponirt haben will, beuten unverkennbar 
auf einen anjehnlichen Betrag des damals in Umlauf befindfich ge 
weienen Goldes und Silbere. Sehr große Summen werden fi in 
den Schaglammern der fränkiſchen Könige in Folge der Einkünfte 
aus den Königlichen Domänen, durch die aus Conftantinopel, Italien 
und Spanien mehrfach eingehenden Subfidien-, Tribut⸗ oder 
Zahlungen, durch Eonfiscation u. a. m. angehüuft haben. Der Be 
fig des Löniglihen Schatzes bildete befanntlid, eine der wi 
Grundlagen für die Gewinnung und Erhaltung der haft 5. 
Außer den Künigen batten bie Königinnen und die Töniglichen Brin- 
zen fowie auch die Großen des Reiches ihre eigenen Sch 

wo fich bedeutende Vorräthe an Gold und Silber anfammeln umß⸗ 
ten*. Dos hauptſächlichſte Mittel, wie die fi fo bei Einzelnen 
anfammelnden Baar-Vorräthe wieder in Umlauf kamen, fcheint in 
ben Schenkungen beftanden zu haben, welche die Könige bei häufigen 
Gelegenheiten an angejehene und einflußreihe Männer oder auch an 
maffenhaften Allmofen machten, namentlih aber in Gefchenfen an 
Kirchen und Klöfter, welche dann ihrerjeit8 wieder das Gelb durch 
Ankäufe verfchtedener fonftiger Gegenftände oder auch von Landgü⸗ 
tern und Hörigen in andere Sünde übergehen ließen, wodurch bie 
Eirculation bes Geldes unterhalten wurde. Daß der Edelmetallvor- 

I Greg. Tur. IV, 44: Quatuor millibus solidorum archidiaconem con- 
demnavit; qui, in praesentia regis Sigiberti veniens, quadrupla satisfactione, 
insequente Jovino, composuit. 

2 Greg. Tur. IV, 47: (Andarchius) dicens mulieri: Quia multitudinem 
sureorum meorum amplius quam sexdecim millia in hac libellari reconditam 
tibl commendo . . 2... :.... Alioquin mihi liceat res ejus possidere, 
donee sexdecim millibus solidoram acceptis, me ab hac causa removeam. 

3 Vergl. Waitz, Deutfche efaflungagefihiite I, S. 124 f. unb bie ba: 
ſelbſt angeführten zahlreihen Stellen aus Gregor u. Fredegar. U. a. Gregor 
IV, 22: Chilpericus ;post patris funera thesauros qui in villa Brinnaco 
erant congregati accepit, et ad Francos utiliores petilt ipsosque muneribus 
mollitos sibi subdidit. 

+ Vergl. Waib a. DO. Gregor (VH, 40) berichtet von einem Theil ber 
Schäte ber Mummolus: Ferunt ducenta et quinquaginta talenta argenti fuisse, 
auri vero amplius quam triginta. Sed haec, ut ferunt, de reperto antiquo 
thesauro abstulit; welche Stelle und auch deshalb von Intereſſe erfcheint, weil 
fie ein Beifpiel giebt vom Verhältniß bed Goldes und Silber in ſolchen 
Schätzen und das Vergraben großer Summen bezeugt. 


308 


öfter ſolche Schäge entbedit worden, aber aus naheliegenden Rüdfid. 
ten darüber nichts zur Öffentlichen Kunde und die alten Diünzen 
alsbald heimlich eingefchmolzen fein, und anderentheilg werden, je be 
trächtlicher die zu vergrabenden Schäge waren, um fo forgfältige 
nicht leicht zu entdeckende Verſtecke ausgefucht worden fein, bie and 
fpäter durch gewöhnliche Erdarbeiten nicht leicht zu Tage geförbert 
werden. Große Summen von 5000 Pfund Silber ober 4000 und 
16000 Gold⸗Solidi, wie wir fie beifpielsweife aus Vorgängen des 
Brivat- Verkehrs im fechsten Jahrhundert vorhin angeführt Haben, 
fommen zu Ende der meropingifchen Zeit für ähnliche Fälle aud 
nicht entfernt mehr vor. 

Zu einer Zeit, wo ber Credit im volfswirthichaftlichen Leben 
von fo gut wie keiner Bedeutung ift, wie im merovingifchen Zeital- 
ter, muß natürlich der im Umlauf befindliche oder doch dazu dispo⸗ 
nibele Edelmetallvorrath einen ganz außerordentlichen und ummittelbe- 
ren Einfluß auf die Gejtaltung der Preiſe oder den Werth bes &el- 
bes haben. Es läßt fich daher faft mit mathematifcher Gewißheit 
annehmen, daß im achten Jahrhundert in Gallien die in Gold⸗ oder 
Silber- Währung ausgedrüdten Preife ganz anderer Art gewefen fein 
müffen als in der erften Hälfte des fechsten Jahrhunderts ober felbft 
noc etwas fpäter, und daß die nämlichen Geldbußen in biefen frü- 
heren Zeit bei weiten nicht jo läſtig oder gar erdrückend waren, ale 
etwa 200 Jahre fpäter, wofern nicht eine einigermaßen erleichterte 
Devalvation der Münzen bei gleichbleibendem Nominalbetrage zu Hülfe 
kam. Eine Bußezahlung von 200 Eolidi etwa um das Yahr 740, 
[ee wenn fie auch in den gegen früher um ein Achtel im Innern 

th, reducirten Gold» ZTrientes geleiftet wurde, war eine gar fehr 
viel empfindlichere Strafe oder Leiftung als eine Buße beffelben Be⸗ 
trages um das Jahr 540, die damals im Münzfuß der fchwereren 
Solidi zu zahlen gewefen war, fofern nicht in beiden Fälfen bie 
Facultät einer Convertirung in andere Werthgegenftände nach einem 
und demfelben Tarif geftattet war. Hätten wir eine ausführliche und 
fortlaufende Lifte von Preisangaben im fränlifchen Reiche während 
der merovingifchen Herrichaft, jo würde fi ohne Zweifel beim eriten 
Bid die große Verſchiedenheit derjelben und die progreffive Steige: 
rung des Geldwerths ausweifen, und ſich daraus entnehmen Laifen, 
daß von bdurchfchnittlichen Preifen während dieſer Periode, um fie 
mit entjprechenden Preisverhältniffen anderer Zeitabfchnitte zu ver⸗ 
gleichen, eben jener eigenthümlichen Umftände wegen nicht fitglich bie 
Rede fein künne. Die uns erhaltenen Preisangaben während ber me 
rovingifchen Periode gelten mithin eben nur für die Jahrzehnte, in 
welche fie fallen, geben aber feinen Maßſtab fiir die ganze Periode. 

Dies vorangefchidt, theilen wir im Nachjtehenden einige jener 
Preisangaben mit, mit Ausfchluß der fpäter befonders zu erwähnen- 
un Notizen in den Rechtsblichern der Ripuarier, Alamannen und Bas 
umarier. 

Ueber Getreidepreife find uns nur zwei Angaben befannt von 





310 


siae fratribus annuatim persolvere debet...... Item in 
festo sancti Remigii centum malta tritici. In eodem die ve- 
hunt nobis, si volumus, usque Dietenhoven centum octoginta 
quatuor malts tritici; sin autem, undecim uncus [unciis] et 
quinque den. hoc redimunt. 

Da in diefer nämlichen Urkunde solidi ohne weiteren Beifag 
angeführt werden, da außerdem in anderen Urkunden diefer Periode 
Unzen Gold als Preisangaben vorlommen, fo wird man bei der 
fraglichen Angabe, wo nur das Gewicht, ohne Beibemerkung, welches 
Edelmetall gemeint fei, angeführt ift, ficher nur an Unzen Gold zu 
denken haben. Daß die Angabe nicht in der Münzſorte der Solidi, 
Sondern nach dem Gewicht geſchah, und der minutiös angegebene Be- 
trag führen darauf, daß man bei Feitftellung bes Ablöfungs-Kanons 
mit befonderer Sorgfalt zu Werke gegangen und einen möglichſt rich⸗ 
tigen Durchfchnittswerth des Getreides zu ermitteln gelucht haben 
wird, weshalb diefe Stelle für die Gejdjichte der Preife von nicht 
geringer Wichtigkeit erfcheint. Die Benutung der Notiz hängt freis 
lich wejentlid) davon ab, daß man für das angegebene Getreidemaß 
eine zutreffende Reduction hat; allein e8 fcheint Tein Bedenken gegen 
die Annahme vorzuliegen, daß der fpätere trierfche Malter auch fchon 
in älteren Zeiten in Geltung gewefen ſei. Auf Heine Unterſchiede 
fann es natürlich bei folchen ungefähren Schägungen, wie uns hier 
befchäftigen, nicht antommen. Der trierfche Malter für Weizen und 
Roggen ift nun gleih 213.2 Liter oder 3.88 preußiſche Scheffel, 
alfo 184 Malter find gleid) ca. 714 preußifche Scheffel, und 114 
Unzen fein Gold röm. Gewicht (das Pfund zu 325 Gramm gerech⸗ 
net) find gleich ca. 305 Gramm Gold oder (500 Gramm Gold 
zu 154 X 30 Zhlr. oder 465 Thlr. gerechnet) 277 Thlr., was 
mithin, auf. jetige Maße und Münze reducirt, einen Ablöſungska⸗ 
non von ca. 12 Ser. für den preußiichen Scheffel Weizen ergiebt. 
In ben Jahren 1816 bis 1860 war der Durchſchnittspreis des 
Weizens im ganzen preußifchen Staat 694 Sgr. und in ber Rhein⸗ 
Provinz 793 Sgr. für den Scheffel, fo daB hiernarh, wenn man ben 
durchfchnittlichen Weizenpreis in den Gegenden an der Mofel als 
vergleichenden Maßſtab anwendet, angenommen werden Tann, ber 
Werth des Geldes (in Goldwährung) fei um die Mitte des neun⸗ 
zehnten Jahrhunderts um ſechs bis fieben Mal geringer als zu Ans 
fang des achten Jahrhunderts. Wir wifjen fehr gut, wie außeror- 
dentlich mißlich und bedenklich e8 ift, allgemeine Vergleiche über das 
ungefähre durchfchnittliche Verhältniß des relativen Werth der Edel⸗ 
metalle, als Zaufchmittel und Maßſtab für die Preife im Allgemei- 
nen, für verfchiedene Zeitperioden aufzuftellen; allein wenn folche 
Aufftellungen dennoch, wie Jeder einräumen wird, troß aller Unvoll« 
fommenheit höchſt wichtig find für die richtige Beurtheilung der all- 
gemeinen volfSwirthfchaftlichen und fonjtigen focialen Zuftände, fo 
muß die urkundliche Angabe eines Ablöſungskanons für Getreide, bei 
bem durchaus feine ausnahmsweifen Umftände mit von Einwirkung 





beim Verkauf an geiftliche Stiftungen nicht der wirlliche Preis, 

im gewöhnlichen fonftigen Verlehr zu erzielen geweſen wäre, fondern 
ein viel niedriger gezahlt wurde, fo daß ſolche Berfänfe zugleich den 
Charakter von annahmen. Einige Beiipiele der Preiſe 


werden aus ber merovingifchen Periode beifpielsweife folgende Kauf⸗ 


praie aufgeführt: 
%. 695 für ein Gut nebft allem Zubehör 7 Pfund Silber; 
„ 666 für en Gut 1 Pfund Silber; 
für ein Gut 20 geprägte und vollwichtige Solidi; 
" 712) cn mansas cum ampi pre ie.3 Pınb Cie, 
a arabili jurnales X mit Zubehör 12 
0 ; 
713 für einen campus cum silva 10 Solidi; 
115 für verfchiedene Befigungen zufammen 500 Solibdi; 
137 für mehrere Güter 20 Pfund Silber; 
139 für eine villa 54 Pfund (Silber), zu zahlen in Gold, 
Silber und Pferden. 
Im Zeftamente bes Aredius 6 vom Jahre 573 findet ſich eine 
I Brequigny, No. CCCXCII. 
8 Brequigny, No, CCCCLX u. CCCCLXX. 
8 Schvepflin Alsatia dipl. I, p. 13. 
% Traditiones possessionesque Wizenburgenses ed. C. Zeuss. Spirae 1842. 
® Auch bier und in bem folgenden Angaben wirb bei ben Solidi regel: 
mAflg ber Zufah probati et pensantes gemacht. Bol. o. ©. 
UBrequlgny, No. OLXXX. 


ze zu zu ; 


814 


Denare geprägt worben feten, ftellen den Silber - Solidns als eine 
durh 12 ausgemünzte Silber⸗Denare vertretene Wertheinheit oder 
Nechnungsmünze dem in der Regel durch drei gemünzte ſ. g. Zrien- 
tes oder Tremiſſes repräfentirten Gold⸗Solidus gegenüber. 

Man nahm hiernach an, die Denare feien bei den Ripuariern 
biefelben gewejen wie die in der Lex Salica erwähnten, die Solidi 
aber verfchieden, indem der ſaliſche Solidus 3% mal fo viel gegolten 
babe al& der ripuarifche. 

Diefer Anficht ift letterer Zeit mehr und mehr die Auffaffung 
entgegengetreten, daß bis zu den legten Zeiten der merovingiſchen 
Herrſchaft ein befonderer Silber-Solidus, als ideelle Wertheinheit, 
verschieden vom Gold-Solidus, nirgends gegolten hat, daß vielmehr 
durchweg, wo immer Solidi während des in Rede ftehenden Zeit 
raums in den Rechtsbüchern oder fonft in Aufzeichnungen (Gefchichts- 
werfen, Urkunden 2c.) vorfommen, nur ein und derfelbe Münzwerth, 
nämlich der Gold-Solidus, zu verftehen fel. Unter den Rarolingern 
fei dann allerdings allgemein im fränfifchen Reich die ideelle Werth- 
einheit des Silber-Solidus, als Rechnungsmünze, als Complex von 
12 gemünzten Denaren, an bie Stelle des Gold-Solidus getreten, 
und und e8 feien hierauf zu beziehende, fpäter in die ältere Faſſung 
der Rechtsbücher merovingifcher Redaction eingefhobene Erläuterun⸗ 
gen, nicht urfprüngliche Bejtandtheile des Textes, wenn ſich an ein- 
zelnen Stellen derfelben jeßt eine Reduction des Solidus zu 12 De- 
naren angegeben finde. Es wird hiernach für die merovingifche Zeit 
bei den verfchiedenen Völkern des fränkischen Reichs ein umd daſſelbe 
Münzweſen, oder wenigftens für Salter und Ripuarier eine Iden⸗ 
tität forwoht der Denare wie der Solidi angenommen. 

Unſere Anficht über diefe Verhältniffe geht dahin, daß während 
der merovingifchen Zeit bei allen germanischen Völkern, die nad 
Metallgeld rechneten, der Solidus überall einen und benfelben Werth: 
begriff bezeichnet hat, nämlich den Gold-Solidus (beziehentlich nad) 
dem gefetzlichen Münzfuß von 72 und fpäter 84 Stüd auf das rö- 
mifche Pfund Gold und in ganzen ober in Drittel-Stüden ausge- 
mimzt), daß aber daneben zwei wefentlich verfchiedene Arten von De- 
naren in Geltung geweſen find: die eine zu 40 Stück auf den Gold- 
Solidus in der Lex Salica und für die officielle Rechnungsweife 
in NeichBangelegenheiten fowie allgemein in Neuftrien; — die andere 
zu 12 Stüd auf den Gold-Sofidus in der Lex Ribuaria und unter 
den Namen saiga auch in den älteren Rechtsbüchern der Alaman- 
nen und Baiern, fowie vermuthlich im gewöhnlichen Verkehr bei dies 
fen Völkern (in Auftrafien) '., — Diefe Auffaffung ift übrigens durch⸗ 


1Unſere Anficht, daß im merovingifchen Zeitalter bie in ben damals auf: 
gezeichneten Rechtsbuͤchern der verfchiebenen Völferfchaften bes fränkiſchen Reichs 
vorfommenden Solidi eine und biefelbe Münzſorte und Wertbeinheit, nämlich 
den Goldfolidus nach dem geſetzlichen Münzfuß von 24 ober 21 Siliquen, be 
zeichnen, daß es aber gleichzeitig Denare verfchiebener Art im fränfifchen Reiche 
gegeben babe, nämlich foldhe, von denen 40, und ſolche von denen 12 auf ben 


816 


netten überhaupt auch fein mochten, fich anfchließende Rech 
nungsweije 

In ber Lex Ribuaria, deren uns erhaltene Handfchriften bei 
weitem nicht fo große Verfchiebenheit zeigen wie bie vn meijten übri- 
gen Volksrechte aus der merovingifchen Zeit, umterfcheidet man nad 
den neueften Unterfuchungen ? folgende Beſtandtheile. Titel 1—-31, 
bei denen ſich ein fremder Einfluß in keiner Weife bemerkbar macht, 
müfjen als der ältefte Theil angefehen werden. Außer altem Ge 
wohnheitsrecht enthalten fie auch einzelne Beſtimmungen (in Bezug 

die ecclesiastici, homines regii, ingenui in truste regia), 
welche fpäter erft im Wege der Gefetsgebimg feftgeftellt fein Können. 
Nach der Notiz im befannten Prolog, der diefer, der alamannifchen 
und der bajuwarifchen Lex zufammen vorangejtellt zu fein pflegt, 
würden diefe Titel unter König Theoderich L (531—534) entftanden 
fein. — Titel 32—35 und 37 —56 zeigen eine fortlaufende Bes 
rüdfichtigung der Lex Salica; die Entftehungszeit ift ungewig. — 
Gleiches gilt für Titel 57—89, welcher Abfchnitt indeß fpäter ver- 
faßt fein wird als der eben erwähnte Beftandtheil. Folgt man ben 
allgemeinen Angaben im Prolog, möchte man die Abfafjung im die 
Zeit des Königs Dagobert fegen. — Am fpäteften, meint man, fei 
Tit. 36 entitanden, der gerade für unfere Unterfuchungen am meis 
ften in Betracht kommt. inige ſetzen diefen Titel in die karolingi⸗ 
che Zeit, jedoch, wie es fcheint, ohne Hinlänglichen Grumd; die 

dichriften geben zu einer folden Annahme keinerlei Anhalt. 

engler, Merkel und Stobbe find der Anſicht, daß es für eine ka⸗ 

—3 che Reviſion der Lex Ribuaria an beſtimmter Beglaubigung 
ehle. 
reh Abgeſehen von den beiden wirklichen oder angeblichen Einſchal⸗ 
tungen der Reduction bes Solidus auf 12 Denare (in Tit. XXIII 
und XXXVI, 12) uud einer anderen Erwähnung, wo indeß nur 
von einer befannten Formalität bei Frellaffungen, nicht. von einer 
Wertbangabe die Rede ift?, kommen in der Lex Ribuaria nur 
Solidi, halbe Solid und Tremiſſen als Bußſätze oder fonftige Werth- 
beftimmungen vor. Die Bußanfüte zeigen wefentlich einfachere Ver 
hältniffe als die in der Lex Salica und weifen folgende Zahlen auf: 
4,1, 14,2, 3, 4, 4), 5, 74, 9, 15, 18, 25, 36, 45, 50, 60, 
90, 160, 200, 300, 600, 900 Solidi?. Es iſt nicht zu verfennen, 
daß dieſe Anſätze auf Grund der Solidi felbit entftanden, nicht erft 
aus einer Reduction aus älteren urfprünglichen Beftimmungen nad 
Denaren abgeleitet fein werden. 

Im 8. 1 dieſes Abfchnittes, wo wir die älteften Geld⸗ und 


1 Stobbe, Gefhichte der beutfchen Rechtsquellen I, S. 56—65. 

® Tit. LVII, 1: Et nullus tabularius denarium sute regem praesumat 
jactare. 

5 Die Bußanfäße ber Lex Balica find in ben Titeln I—CIV ber außgabe 
von Merkel folgende: 4 Solidus (7 Denare), 1, 3, 6, 7,78, 9, 12, 15, 174, 
20, 30, 35, 45, 50, 624, 100, 187}, 200, 600, 700, 900, 1800 Solibi. 





818 


ders wegen des Zuſatzes: sicut antiquitus est constitutum. Wir 
haben bei jener früheren Veranlaffung ſchon daran erinnert, wie felbft 
für den Fall der Annahme, dab Titel XXXVI, 12 erft in karo⸗ 
lingiſcher Zeit eingefchaltet ſei (was übrigens nach dem eben Be 
merkten über da8 Vorkommen der Stelle in allen Handichriften kaum 
zuläffig), der Hinweis auf das alte Herfommen unmöglich auf bie 
neue Einführung des Silber-Solidus bezogen werden Tann, fondern 
daß hierdurch die Zwölftheilung als ältefte Einrichtung, ber falifchen 
Rechnungsweiſe von 4O Denare auf ben Solibus gegenüber, hat be- 
zeichnet werden folfen. Die Stelle beftätigt nur dasjenige, was unab- 
bängig davon durch fonftige Nachweife und Anzeichen, insbefondere 
durch den Miünzfund im Grabe Childerichs I., als im höchſten Grade 
wahrjcheinlich hingeftellt werden darf. 
Der dem eben beſprochenen Sate (Tit. XXXVI, 12) unmit- 
telbar vorangehende Theil beffelben Titels XXXVI enthält einen 
Zarif, zu welchem Betrage verfchiebene Werthgegenftände, die in da- 
maliger Zeit, außer Lanbdbefig, Fruchtvorräthen und baarem Gelbe, 
bei den Franken das Vermögen hauptſächlich ausmachten, bei Bezah- 
lung von Bußen geredjnet und angenommen werden jollten. 

Es Heißt dafelbft: 

Si quis weregeldum solvere debet, bovem cornutum vi- 
dentem et sanum pro duobus solidis tribuat, vaccam cornu- 
tam videntem et sanam pro uno solido tribuat, equum viden- 
tem et sanum pro sex solidis tribuat, equam videntem et sa- 
nam pro tribus solidis tribuat, spatam cum scogilo pro se- 
ptem solidis tribuat, spatam absque scogilo pro tribus solidis 
tribuat, bruniam bonam pro duodecim solidis tribuat, helmum 
cum directo pro sex solidis tribuat, bainbergas bonas 


sex solidis tribuat, scutum cum lancea pro duobus solidis Kri-. 


buat, commorsum um pro sex solidis tribuat, accepto- 
rem mutatum pro duodecim solidis tribuat. 

Einen fehr ähnlichen Tarif, wie verfchiedene Werthgegenftände 
bei Bezahlung von Bußen zu berechnen und anzunehmen feien, finbet 
man im Siarlag, jo genannt von fe (bonum) und lag (lex), ale 
Anhang zum Kaupa⸗balkr der Graugans, wo biefelben mit dem 
Kuh⸗Werth, kugildi, verglichen werben. Diefer gefeglihen Werth: 
einheit — einer drei bis zehn Jahre alten, tragfähigen, milchgeben» 
den, gehörnten und fehlerfreien Kuh — werden dort unter Anderm 
gleichgefeßt: drei einjährige Kälber, zwei zweijährige oder ein vierjäß- 
riger Ochfe, ein vier⸗ bis zehn-jähriger Hengft, 8O Pfund Wolle u. |. w. 

Wie oben erwähnt, wird der ganze Titel XXXVI als ber 
fpätefte Theil ber Lex Ribuaria in ihrer uns erhaltenen Faſſung an 
gejehen, und es liegt uns fern, diefer Meinung, die ſich vornämlid 
auf die darin mitenthaltenen gejteigerten Bußen für die Zöbtung 
geiftlicher Perfonen begründet, entgegentreten zu wollen. Der unter 
cap. 11 in diefem Titel mitgetheilte Tarif fcheint folder Annahme 
vielmehr günftig zu fein, fobald man nur nicht ohne allen Grund 


820 


ten oder die wieder mit diefen in engere Verbindung traten, unter 
Solidus an ſich die römifche oder die derfelben nachgebildete Gold 
münze biefes Namens verftanden wurbe und den allgemeinen Werth 
maßſtab abgab, ebenfo ausgemacht darf es betrachtet werden, daß 
beffenungeachtet die eigentliche Geldwirthſchaft in Deutfchland felbit, 
alfo zunächſt bei einem großen Theil der Ripuarier, der Alamannen 
und Baiern, fehr zurücblieb, und daß die allgemeine Rechnung nad 
Solidi noch keineswegs die allgemeine Zahlung mittels gemünzter 
yanzer oder Drittel-Solidi, ober auch nur mittel hiernad) abgewo⸗ 
gener Stücke Edelmetall, zur Folge hatte Der einfahe Grund 
hiervon war die Seltenheit der Münzen und des Edelmetalls in ben 
genannten Gegenden. Bei einzelnen Vornehmen und bei geiftlichen 
Stiftern mochten ſich vielleicht auch bier größere Summen baaren 
Geldes als Schätze anfammeln, im gewöhnlichen Verkehr wird 
der Münzumlauf in Deutfchland zu jener Zeit nicht entfernt eine 
folche Ausdehnung gehabt haben wie 3. B. in Gallien oder Italien. 
Dies läßt ſich ſchon darans fchließen, daß, mit Ausnahme von Trier, 
Berdun, Zoul, Cöln und vielleicht noch einigen wenigen anderen weft- 
lich vom Rhein gelegenen Plägen, in Auftrafien Teine merovingifchen 
Münzftätten thätig gewefen find, woraus nach den damaligen Zus 
ftänden auch eine geringe Münzeireulation gefolgert werden Tann. 
Diefe wird nicht minder durch das feltene Vorkommen merovingifcher 
Miünzfunde dieſſeits des Rheins beftätigt. Bei der früheren unbe 
greifliden Gleichgültigfeit in Deutfchland rüdfichtlid der Münzen 
der von uns jeßt in Betracht gezogenen Periode mögen hier vielleicht 
manche Funde der fraglichen Art unbeadhtet geblieben und die gefun- 
denen merovingifchen Münzen entweder eingefcjmolzen oder in ver- 
fchtedene Kabinette ohne Notiz des Fundortes zeritreut fein; allein 
in den legten Decennien ift man doch auch in ‘Deutfchland auf dies 
fen antiquarifchen Gegenftand aufmerkfamer gewefen, und wären 
folche Funde gewiß meift zur öffentlichen Kunde gefommen '. 

Einige der im vorigen $. angeführten Beifpiele von Preifen und 
Werthangaben aus Urkunden des Klofters Weißenburg haben bereits 
gezeigt, wie während des achten Jahrhunderts im Elfaß die Zahlung 
mittels anderer Werthgegenftände als baares Gelb oder Edelmetall 
im ungemünzten Zuſtande üblich gewwefen. Diefe Art und Welfe der 
Bezahlung wirb bei der Entrichtung größerer Bußen die Regel ge 
bildet haben. In der Lex Alamannorum und ber Lex Baju- 
wariorum wird, um bie8 des überfichtlichen Zufanmenhanges wegen 
bier vorweg zu nehmen, ſolche Art der Bezahlung mehrfadh in au 
drücklicher Weife erwähnt. 

In Tit. LV, 3 und Tit. LVI, 2 der Lex Alamannorum 
(Hlotharii) heißt es: 


2 Im Großherzogthum Baben find, wein wir und recht erinnern, ei- 
nige Funde merovingifher Münzen vorgelommen; aus anderen beutfchen Ge: 
genden ift ung hierüber nichts bekannt geworben. 





322 


bunderts, gerade gegen Ende der meropingifchen Periode, im fränfi- 
ſchen Weiche die Subjtitution der Silberwährung an die Stelle der 
Soldwährung allmählicd) und ohne hervortretende große Störungen 
fowie ohne daß die uns erhaltenen Gejege und Urkunden hierüber 
auffällige Momente aufweifen, erfolgen Tonnte Es ift nicht zu ver- 
fennen, daß dieſe Umgeftaltung der Währung und die damit verbun: 
dene Einführung der ideellen Wertheinheit eines Solidus, thatſächlich 
bargeftellt durch 12 Sülber-Denare, als NReichsgeld, ftatt des früheren 
meiſtens durch drei Gold-Tremifjen repräfentirten und zu 40 Dena⸗ 
ren gerechneten Solidus, von Auftra ausgegangen ift und gleich 
zeitig mit dem Emporkommen des Gefchlehts der Karolinger, das 
befanntlich unter ripuarifchem Rechte ftand, zur allgemeinen Geltung 
im Neiche gelangte. Unſerer Anficht nad) kann man feinen befonde 
ren Werth auf ganz allgemein gehaltene Bemerfungen legen, wie 
etwa folgende: die Einführung ber Silberwährung im fränfifchen 
Neiche fei eine Folge des von den Auftrafiern gewonnenen Ueber: 
gewichts, fie fei wejentlich eine politifche Maßregel geweſen, die ka⸗ 
rolingifchen Hausmeier und erften Könige hätten durch die Einfüh- 
rung der Silberwährung fi die Zuneigung der Auftrafier fichern, 
jie hätten durch Herabfegung des Solidus von 40 auf 12 Denare 
und die damit verfnüpfte Ermäßigung der Bußen die neue Herrſchaft 
beliebt machen wollen. Spuftematifche obrigkeitliche Vorkehrungen zur 
Veränderung der Währung und Verbindung derjelben mit politifchen 
Zweden find für jenes Zeitalter kaum bdenfbar. Man kann einräu- 
men, daß derartige Momente, wenn man fich ihre Wirkſamkeit nad) 
den damaligen öffentlichen Zuftänden vorzuftellen verfucht, nicht ganz 
ansgefchloffen gewefen fein mögen bei der jchließlichen Durchführung 
und Sanctionirung jener Umgeftaltung, allein die eigentliche Entſchei⸗ 
dung hierbei kann nur durch die Entwidelung der allgemeinen, den 
Geldumlauf und eine davon abhängige unwillfürliche Münzpolitik wie 
Rechnungsweiſe bejtimmenden Verhältniffe gegeben fein. Solche Ver⸗ 
bältniffe waren vor Allem die im vorigen 8 befprocdene fehr beträcht- 
liche Abnahme des disponibelen Goldvorraths im fränkifchen Weiche 
tim Laufe der beiden Jahrhunderte von etwa 540 bis 740 und die 
damit Hand in Hand gehende Steigerung des Werths des Geldes; 
ferner das Bedürfniß des größten Theile der auftrafifchen Bevölke⸗ 
rung, bei der unaufhaltfamen allmählichen Verringerung des Borrathg 
an älteren römifchen Denaren, aber fortdauernder herfümmlicher Rech⸗ 
nung nad) diefer Münzforte, 12 davon auf den Goldfolidus gehend, 
neue zum Erſatz geeignete Silbermünzen in genügender Menge zu er» 
halten, welches Bedürfniß auf die Vermehrung und Verbefferung der 
Silberausprägung gegen Ende der merovingifchen Periode hinwirken 
mußte; endlich) der im größten Theil von Auftrafien unverändert 
bleibende, ja eher fid) noch ausdehnende Gebrauch der Zahlungslei- - 
ftungen vorwiegend in anderen Werthgegenftänben ftatt in Münze, 
nach einer beibehaltenen feiten Taxe. Es ift nämlich einleuchtend, 
dag eine effective Werthverringerung des Solidus, als Münze, auf 





824 ' 


nicht die Facultät zu einer Zahlung mittels fonftiger Wertbobjecte 
ausdrücklich geftattete, vielmehr die Zahl der Denare, 40 Stüd auf 
den Solidus, durchweg und unzweideutig vorgefchrieben hatte. Durch 
das progreffive Seltenwerden der Gold-Tremiffen, die häufigere und 
beffere Ausmünzung fränkiſcher Silber-Denare, den von Auftrafien 
aus fi) auch für den gewöhnlichen Verkehr des übrigen Reich ver: 
breitenden Gebrauch der Rechnung von 12 Denaren auf den Solidus, 
was den veränderten allgemeinen Werthverhältniſſen entſprach, wird 
im Ganzen und Großen der Uebergäggagur Silberwährung, wie biefe 
unter den Karolingern ausgebildet t, faft unmerflich und ohne 
bejonbere Fürforge der Regierung und Gefetgebung ſich vollzogen haben, 
wogegen aber die in der Lex Salica liegende Schwierigkeit einer aus⸗ 
drüdlichen Sleichftellung des Solidus mit 40 Denaren bejonderer Abhülfe 
bedurfte. Die Verordnung felbft, wodurd) diefem Umſtande zur Zeit 
Pippins Rechnung getragen wurde, ift uns leider nicht erhalten; 





— — 


daß eine ſolche aber erlaſſen worden iſt, wird in beſtimmteſter Weiſe 


durch einen Beſchluß des im Jahre 813 zu Rheims abgehaltenen 
Concils bezeugt, welcher dahin ging, den Kaiſer zu erſuchen: ut 
secundum statutum b. m. d. Pipini misericordiam faciat, ne 
solidi qui in lege habentur per 40 denarios discurrant, quo 
niam propter eos multa perjuria multaque falsa testimonis 
reperiuntur. 

In der Einleitung zum vierten Abfchnitt diefer Beiträge, web 
cher die Geld- und Müngverhältniffe im fränkifchen Reiche unter den 
Rarolingern behandeln foll, wird diefer Uebergang zur Silberwährung 
und zur allgemeinen Zwölftheilung des Solidus noch weiter zu be 
Sprechen fein. Wir wenden uns alfo hier von der Trage ab, indem 
wir nur noch bemerken, daß die in den Verdacht fpäterer Kinfchal- 
tung gezogene Stelle Tit. XXXVI, 12 der Lex Ribuaria: quod 
si cum argento solvere contigerit, pro solido duodecim dena- 
rios, sicut antiquitus est constitutum, nad ihrem Zufammenhang 
mit dem inhalt des Tit. XXXVI, 11 und dem einfachen Wort: 
laute mur dahin verftanden werden Tann, daß wenn bie Buße oder 
ein Theil derjelben, ftatt mit anderen Werthgegenftänden, mit Silber 
bezahlt wurde, alsdann je 12 ‘Denare fir einen Solidus gerechnet 
werden follten. Es fett die Beitimmung, in diefem Sinne verftan- 
den, alfo voraus, daß bamals, als fie beigefügt wurde, ber Solibus, 
auf den die Bußen lauteten, noch nicht der fpätere ideelle Silber⸗ 
Solidus war, wie folcher zuerft im Jahre 743 in officieller Aner- 
kennung nachzuweiſen ift, fondern der gemöhnliche merovingifche 
Gold⸗Solidus, fo daß diefe nachträgliche Einfchaltung vor Pippins 
Zeit gefchehen fein muß; denn nach diefer Zeit wäre fie offenbar im 
jeder Hinficht ganz unmöthig und zwecklos gewefen. 


Die mit der Lex Ribuaria in wefentlicher Uebereinſtimmung 
ftehende Lex Angliorum et Werinorum hoc est Thuringorum 
enthält nur Werthangaben in Solibi, mit ber Untertheilung in Tremiſ⸗ 


8325 


fen (Tit. IV, 8: Qui pollicem absciderit, 33 sol. et tremissem 
conponat. — Tit. IV, 20: si sexta pars digiti est, unum tremis- 
sem. — Tit.X, 4: Qui liberam non parientem occiderit bis 86 sol. 
ot duos tremisses conponat), Man wird annehmen dürfen, daß, 
Joweit diefe Rechtsaufzeichnung nicht erft unter karolingiſcher Herrfchaff 
verfaßt worden, unter dem Soplidus ber gewöhnliche Goldjolidus zu 
verftehen ei, worauf auch die mehrfache Erwähnmg der Tremiſſen 
führt. Ueber die Eintheilung des Solidus in ‘Denare oder eine be= 
jondere Benennung ber legtepfiwglebt diefe Lex feine Andeutung. 
Alemannen?. 

In den uns erhaltenen älteſten Aufzeichnungen des Volksrechts 
ber Alamannen (den Fragmenten eines Pactus lex Alamannorum), 
welche aus der Zeit vor Chlotar II. (vor 613) herſtammen, gejche- 
hen die Werthangaben in solidi, durchweg ohne alle weitere Beifü⸗ 
gung, in tremisses und saigae. Lebtere Angaben kommen in fol« 
genden Stellen vor: 

‚43. 44. Si quis superius mortuum suum de alienas 
res qua valuerit solidos in terra miserit, solvat solidos 40. — 
Et si tremissis aut duos valuerit, solvat solidos 12 etc. 

oO, 48. Si litus fuerit in ecclesia ut in heris generationis 
dimissus fuerit, 13 solidos et tremisso componat. 

H, 51. Si leta fuerit, 26 solidos et duos tremissus com- 

nat. 
” IH, 7—10. Si alius altero pra altero pignorat aut fo- 
rore tollit, si domitum armento retullit, tremisse componat. — 
3i indomitus fuerit, duas sagias conponatur. Si aequus fuerit, 
solidum 1. — Si veltos fuerit, dimedium solidum. — Si ju- 
nentus fuerit, tremisse. 

Die zu Zeiten bes Königs Chlotar II. (613—622) veranftal- 
tete Aufzeichnung der Lex Alamannorum in 75 Titel und die in 
sinigen Handfchriften benfelben noch beigefügten Zufäge (c. 67—104), 
m der Ausgabe von Merkel als zweites und brittes Buch bezeichnet 
und wahrjcheinlicdh um die nämliche Zeit oder doch nicht viel ſpäter 
aiedergeichrieben, zeigen in ber Art der Werthangaben feine Verſchie⸗ 
venheit vom älteren Pactus. Die Bußen und vorfommende Schät- 
jungen des Werthes werden angegeben in Solidi und bei kleinen Be⸗ 
rägen in halben Solidi (LIX. LXU, 1 u. LXX, 2: solidum 
anum et semis; LXII, 5: 2 semis solidos; LXXII, 3 u. XCVIL, 
L: medio solido u. a.), in Tremiffen (XXII: porco valente tremisse 
ano; LXXVII, 2: mellissima vacca 4 tremisses u. qa.), und in 
ven Zufägen einmal auch wieder in saigae, nämlid) CI, 5: si 
juis capriolum occiderit, saiga ſcomponatj. 

infichtlich der Bezahlungsweife find die bemerfenswerthen Stel- 
en LV, 3 und LVI, 2 bereits früher zur Erörterung gefommen, 

? Lex Alamannorum edente Joh. Merkel in ben Monumente Germaniae 
ıistorica. Legum T. III, 1 - 183 (1851 erfdienen). 

II. 


826 


und erwähnen wir hier noch zur Vervollſtändigung folgende Beſtim⸗ 
mungen der Lex, welche ebenfalls auf die fubjibiäre Zahlung mit 
anderen Werthobjecten al8 Geld: hinmweifen. 

LXX, 1. 2. Si quis alterius amissarium involaverit, 
elle cujus est debet probare quod valet. — Si enim dieit, 
quod 12'solidos valuit, cum duos juret, quod sic valuisset; 

ostea solvat illi fur tale quale ille juraverit in caput, et 

* alios 8 wirigildos solvat medietatem in auro valente 
pecuniam, medietate autem quale invenire potuerit pecunia 
Wogegen e8 im folgenden Titel LXXI beim Diebſtahl eines big 
auf 6 Solidi zu fchägenden Pferdes heißt: aut minus, quantum 
illi ad sacramentum adpreciaverit in caput tantum restituat 
fur; 8 enim geldos in quale pecunia habet solvat. 

Die unter Herzog Lantfrid (um das Jahr 720) renovirte Zu: 
fammenftellung der Lex Alamannorum zeigt rücfichtli der Werth 


angaben und des Geldweſens keinerlei Verſchiedenheit von der Aufzeich⸗ 


nung unter König Chlotar I. 


Dagegen enthält die in den Handfchriften am häufigften vor- | 


konnnende letzte Recenfion dieſes Nechtsbuches, welche man Karl dem 
Großen (um das Jahr 802) beilegt ‚und die tm Allgemeinen von 
dem Gefeßbud) Lantfrids nur durch befjere Latinität, Meinere Zuſätze 
und unbedeutende Meodificationen fich unterfcheidet und nur an ſechs 
Stellen neuere Gefege eingefügt hat, in Bezug auf das Gelbwefen 
eine fehr beachtensmwerthe Erläuterung. Einer der neu hingekommenen 
Titel nämlid), der über die Eibeshelfer handelt und zwifchen Titel 
IV u. V des Geſetzbuchs von Lantfrid (oder zwifchen Titel VI und 
VL der älteren Redaction unter König Chlotar) feine Stelle gefun- 
den Hat und den Titel LXXXV jenes Geſetzbuchs abändert und 
ergänzt, befagt Nadhitehendes: Ä 
‚1. De minoribus causis usque ad solidum valentem 
licet unicuique qualem sacramentalem unum secum habere vult 
in suo sacramento continere. Nam si duas saigas valentem 
supra solidum res valuerint, de qua causa orta fuerit, tunc 
debet homo qui causam requirit tres electos denominare, et 
- ex denominatis tribus licentiam babet excusator reicere duos, 
tertium vero reicere non licet, sed ipsum secum in sacramento 
habere debet. 

2. Saiga autem est quarta pars tremissi, hoc est dena- 
rius unus. Duo saigi duo denarii dicuntur. Tremissus est 
tertia pars solidi et sunt denarii quatuor. Ä 

3. Ita observandum est usque ad tres solidos. Et supra 
tres solidog iterum duas saigas valentes sqq. 

Die unter 2 angeführte Stelle unterbricht offenbar den Zu⸗ 
fammenhang des Gefeges, fehlt auch in einigen Handſchriften und 
erfcheint unverfennbar al8 nachträglich eingefügte Erläuterung. 

Im Uebrigen hat in Rüdficht der oben angeführten Werthan⸗ 
gaben (Lex Hloth. etc. Tit. LIX. LXU. LXX. CU. LV. LVI. 


327 


LXXT) weder in der Recenſion Lantfrids noch in der f. g. Karo⸗ 
lingifchen eine irgend relevante Veränderung ftattgefunden. 

Die in der Lex Alamannorum (Hlotharii) vorkommenden 

Bußiäge find folgende: 4, 1, 14, 2, 24, 3, (5), 6, 8, (10), 12, 
18, 36, 40, 50, 60, 80, 160, 200, 400, 600 Soli. .-. 
‘ Wenn man die vorftehend zufammengeftellten Auszüge unbefan- 
gen ‚prüft und dabei,dasjenige, was wir von. den gleichzeitigen Münz⸗ 
verhältniffen im übrigen fränkifchen Reiche kennen, in. Betracht -zieht, 
fo ergeben fich für das Geld» und Rechnungsweſen der Alamannen 
im meropingifchen Zeitalter in der Hauptſache folgende Refultate: 

1. Der Solidus, wonach gerechnet wird, ift der nämliche Gold⸗ 
Solidus, 72 und fpäter 84 Stück auf das Pfund Gold, welcher 
gleichzeitig bei den Branfen, Burgundern, Weftgothen, Longobarden 
in Geltung war. Schon im älteften Pactus ift unter dem Solidus 
effectives Metallgeld, nicht ein ideeller Werthbegriff verftanden. In 
Uebereinftimmung mit der zur meropingifchen Zeit wirklich umlaufen- 
den Hauptmünzforte, den Zrientes, kommt die Werthangabe hiernach 
(unter der Bezeichnung Tremiſſen) vorzugsweife vor. 

Merkel Hat freilich die Meinung geäußert, daß in dem Pactus 
noch nicht nach jenen gewöhnlichen Gold-Solidi zu drei Tremiſſen, 
fondern nach einer bejonderen Art Solidi von geringerem Werthe, 
nämlid von nur 2 Tremiſſen, gerechnet werde '. Zur Begründung 
diefer Behauptung macht er geltend, unter Berufung auf die bekannte 
Stelle in der Lex Saxonum, in welder zwei Arten Solidi, bie 
eine zu 2 Zremiffen und die andere zu 3 Tremiſſen, erwähnt wer- 
den, und eine analoge Beftimmung in ber Lex Frisionum, daß fid) 
durch diefe Annahme die Verfchiedenheit der Wergelöbeitimmungen tm 
Pactus und in ben fpäteren Recenfionen des alamannifchen Rechts⸗ 


2 Merkel, Note 64 ©. 30: .... Causam diversi quod videtur esse 
juris modum nummorum propono; Alamanni enim quum Francorum institu- 
tionibaus jam non ita imbuti erant, ut ieges ipsae a victoribus constitueren- 
tur, solidum duabus partibus sive tremissibus, sicut Saxones antiqui et Fri- 
siones inter Wisaram et Laubachi accolentes videntur divisisse. . .. . Po- 
stea quum Franci magis magisque mores suos ad ceteros populos ditioni 
Merowingorum subjectos transferrent, Alamannos etiam nummos mutare docu- 
'erunt et solidum trium tremissium introduxerunt. Et hoc credo momentum 
fuisse, quod vis imperii in legem transtulerit, ubicunque poenae pecuniariae 
statuebantur, re vera leviores effectae, quum pretia rerum, quas pro pecunia 
majores nostri habebant, augerentur, et id, quod antea 3, tunc 4 tremissibus 
valceret. Insignis igitur mutatio wirigildi facta est... ... Quae diversitates 
Inter Pactum Alamannorum [III, 28. 51. 54] et Hlotharli legem cap. XVII. 
LXIX obveniunt, eae tolli non possunt, nisi pecunia wirigildi diverss ratione 
ad solidum modo trium modo duarum tremissium numerabatur ij. — Die vor 
wierkel angezogene Stelle über den zwiefahen Solidus in ber Lex Saxonum 
ift von ung bereit oben I, S. 595 vorläufig befprochen. Diefelbe iſt gänz: 
ih verfchiedener Art von der in Bezug auf die Solidi ber Lex Alam. obne 
weitere pofitive Grundlage aufgeftellten Hypotheſe. Auch die von Merkel 
neben bem Hinweis auf ben zwiefahen Solidus ber Lex Saxonum citirte 
Stelle auß Paulus Diaconus de gestis Langobardorum HI, 6, worauf wir 
fpäter zurüdfommen müflen, paßt hierauf ganz und gar nid. 


22* 


328 


Buches erklären würben. Vergleicht man aber diefe bezüglichen Be 
ftimmungen mit einander: 

‚ Pactus I, 37—39. Si baro fuerit de mino flidis, solvat 
solidos 170 [verfchrieben ftatt 160]. — Si medianus Alamannus 
fuerit, 200 solidos componat. — Si primus Alamannus fuerit, 
240 solidos Componat etc. mit 

Lex Alam. Hloth. Tit. XVII. Liber qui per cartam 
firmitatem [andere Lesart libertatem] acceperint, si occidantur, 
80 solidos conponantur etc.; und Tit. LXIX. Si quis autem 
liber liberum occiderit, conponat eum bis octuaginta solidos 
ad filios suos ..... Medius vero Alamannus, si occisus 
fuerit, 200 solidos solvat eum parentibus, 
fo ergiebt fi) dem einfachen Wortlaute nach keine DVerfchiebenheit, 
fondern vielmehr wejentliche Uebereinjtimmung in den Bußfägen, und 
eine Abweichung findet nur darin ftatt, daß die im Pactus mit auf 
geführte Buße für den primus Alamannus in den fpäteren Recen⸗ 
fionen in Wegfall gelommen iſt. Der Vergleich jener Steffen iſt 
alfo ein Beleg für die Gleichheit des Solidus in beiden Aufzeid- 
nungen, fein Anzeichen der Verſchiedenheit derfelben. Hätte eine 
foldje Abänderung in dem Werthe des Solidus ftattgefunden,, wozu 
an und für fi) fonft gar Feine Veranlafjung irgend bekannt tft, fo 
wäre diefe ungemein tief eingreifende Neuerung vor Allem tin ber 
neuen Aufzeihnung ber Lex zu erwähnen ober doch irgendwie anzu⸗ 
deuten getvefen; hiervon findet fich aber Feine Spur. Es kommt mm 
noch der Umftand in Betracht, dag im Pactus felbft (f. o.) an einer 
Stelle eine Werthangabe auf 26 solidos et duos tremissus lautet, 
woraus hervorgeht, daß damals der Eolidus bei den Alamannen 
nicht zu zwei Tremiſſen gerechnet werden Tonnte, denn font hätte es 
ja heißen müſſen 27 solidos, und daß ebenbafelbft III, 9. 10 un« 
mittelbar Hintereinander dimedium solidum und tremisse aufge 
führt werben !, 

2. Daß in der Lex Alamannorum bei den Bußfäten bie 
Beitinnmung eines halben Solidus häufig vorfommt, beftätigt unfere 
früher erörterte Anficht, daß die urfprüngliche Wertheinheit der Buße 
anfäge nicht die Goldmünze diefed Namens geweſen, fondern biefe 
nur an bie Stelle eines älteren Werthbegriffs getreten ift. 

Dagegen bezeugt anbererfeits die mehrfach wiederkehrende Angabe 
des Werths von Vieh 2c. nach 4 oder 5 Tremiffen die auch an und 
für ſich höchſt wahrfcheinliche Annahme, daß diefe Miünzforte im 6. 
und 7. Jahrhundert das Hauptzahlungsmittel bei den Alamannen 
geworden war, wie ſchon vorhin bemerkt ward. 

2 Nachdem Obigeß gefchrieben war, bin ich darauf aufmerffam gemacht, 
daß Hr. Watt bie Vermuthung Merkels wegen eines befonberen alamannifchen 
Solidus zu 2 Tremiffen in ben Gött. Gel. Anz. i. 3.1850, St. 41, bereits zu: 
rüdgemiefen bat. Wenn biefelbe dennoch in ber 1851 erfchienenen Ausgabe 
ber Lex wiederholt ift, fo liegt ber Grund wol nur barin, baß biefer Theil 
der Ausgabe bereit? nedrudt war, als jene Mecenfion über bie Schrift Res- 
publ. Alamannorum veröffentlicht wurde, 





>. Eird pre umezsenmen, daß tie r Rebe fichente Erſan⸗ 
zrurg, mund te Senpe der ;zwöljte Theil eires Seldus umb bem 
Zee ei fer, erik mb larolingiſcher Zeit, etwa ans dem Sehr 
MB Yerrüßer, je fan bie Stelle, ohne baram die eben begrũndete 
Arche über die mrfprüngliche Ydentität ter Suige mit dem alien 
runter Teens zu beeinträchtigen, auch noch enber& im befriedigen 
der aut eufudher Weiſe ausgelegt werden. War bat dann 
der Ferfauf sch etwa wie folgt Ju deufen. Seit <43 war an bie 
Ztxrfie des früheren Gold-Solidus zu 40 Tenaren in folge des pro- 
giimer Schzrmwerbens der Soldmünze und der beñeren Aneprãgung 
des Silber⸗Denars in Auftrafien und darnach im frärkijchen Reiche 
überhaum 2er ideefle Silber-Zofidus ;u 12 Tenaren diejer ſchwere⸗ 
ren Art getreten, der bei geftiegenem Berthe dee Metallgeldes unge 
fühe Dieicbe Suufbefähigung gewährte, wie zmeifumbert Jahr früher 
der Gold⸗Solidus. Ter neue karolingiſche T als „%, des Silber: 
Solidus konnte alfo Ende des oder zu Anfang des 


chen Gold-Solidus zu drei Tremifjen nad) ımd nad) im ganzen frän- 


Baiern. 


Ueber feinen Theil der älteren deutfchen Drünzverbältniffe find 
die bisher geäußerten Anfichten und verjuchten Erklärungen fo mans 
nigfach und fo unter fich abweichend, wie über die Werthbeftimmuns- 
gen und Münzwerthe, welche in der Lex Bajuwariorum vorkom- 
men. Es werden in diefem alten Rechtsbuche aufgeführt solidi ohne 
weiteren Beifat, solidi auro adpretiati, tremisses, saicae, dena- 
rii. Hieran haben fi) nun vornämlich die Fragen gefnüpft, ob die 
in der Lex erwähnten Solidt durchweg berfelben Art feien, nämlich 
Gold-Solidi, oder ob neben diefer Münzforte, welche durch auro ad- 
preciati fpeciell bezeichnet würde, gleichzeitig auch nach Silber⸗Solidi 
gerechnet fei, — ob unter dem bairifchen Gold-Solidus derfelbe Werth 
zu verftehen fei wie bei den Franken, nämlich 40 Denare, ober ein 
Werth von nur 30 Denaren, — in welchem Verhältniß die saica 
recht erhalten. Im Uebrigen verweifen wir auf Anmerkung IL, wo eine mög: 


lichſt umfaffende Zufammenftellung der auf bie saiga bezüglichen Notizen mit: 
getheilt werben foll. 





332 


R: u saioas (oder saicis) et semi; in A 3 ift VIIEI in VII 
cerrigirt. 

2. Die Abfaffung der Tit. IL. VII—XXIU wird in de 
Zelten Childeberts I. und Chlotars II. gefegt. Diefe Titel enthal- 
ten theils veformirtes altes Hecht, theils neue Geſetze. Wenn men 
ble Angaben im bekannten Prolog zu biefer Lex berückfichtigt und 
zugleich in Betracht zieht, daß in dem hier in Rede ftehenden Ab⸗ 
fhnitte des alten bairifchen Nechtsbuches mehrere Capitel ber Lex 
Wisigothorum, wie folche vor der Reviſion berfelben i. J. 649 
galt, übergegangen find, fo läßt fich die Entftehung dieſes Beftandtheiles 
der Lex Bajuwariorum wohl nicht fpäter als die Mitte des fie 
benten Jahrhunderts annehmen. (Tit. IV, 4 und append. 3—5 
werben bald nachher zu feten fein). | 

Auch Hier finden fi die Werthangaben in Solidi ohne weitere 
Beifügung ; außerdem kommen ebenfalls vor medius solidus, tre- 
missis und saica. Diefe letztere Geldforte an folgenden Stellen: 

Tit. IX, 2. Et si in ecclesia, vel infra curte ducis, vel 
in fabrica, vel in molino aliquid furaverit, triuniungeldo con- 
ponat, hoc est ter nove reddat: quia istas quattuor domus 
casas publice sunt et semper patentes. 

Et si negare voluerit, secundum qualitatem pecuniae ju- 
ret. Si una saica, id est 3 denarios, furaverit, solus juret se- 
cundum legem suam. Si duas saicas, hoc est 6 denarios, vel 
amplius usque [ad] solidum, quod sunt tres tremisses, cum 
sacramentale uno juret. 

Es ift zu beachten, daß die Erläuterungen “id est 3 denarios’ 
und oc est 6 denarios’ in Feiner der Handfchriften fehlen oder 
nachträglich eingetragen find, daß alfo ein äußerer Grund zur An« 
nahme einer fpäteren &infchaltung derſelben hier nicht vorliegt. 

Tit. XII, 4. Si quis contra legem porcos ad pignus 
tulerit, unumquemque cum 2 saicas conponat. Illam ductri- 
cem cum tremisse conponat. 

Tit. XIV, 9. Si quis bovem alterius cornu a capite ex- 
cusserit, cum tremisse conponat; si cornu exilierit et oasa re- 
manserit, 2 saicas donet. 

10. Si vaccam excusserit, 2 saicas conponat. 

13. Similiter qui alterius bovem caudam amputaverit 
vel aurem, cum tremisse conponat. 

14. Si vaccam alterius hujusmodi laederit, cum duas 
salcas Conponat. 

3. Mit. I u. O der Lex Bajuwariorum, fowie Tit. IV, 30. 
31 fcheinen in den erften Jahren des achten Jahrhunderts unter dem 
Herzog Theodo II. entftanden zu fein, und zwar Tit. I offenbar 
vornämlich auf Anhalten und unter dem Einfluß der Geiftlichkeit. 
Die Abfaffung ift jedenfalls in die Zeit vor Bonifacius, aber nad) 
et I. zu fegen. Hierin find folgende Werthangaben zu be⸗ 
achten. . 


834 
si dux illi concesserit aliquid habere, conponat [cum] 80 »- 
08, 

Die fpäteften Beftandtheile der Lex Bajuwariorum in be 
und erhaltenen Recenfionen find Tit. VII, 1—3 (de nuptiis pro- 
hibendis inlieitis) und Appendix c.2 in Merkels Ausgabe, welde 
zur Zeit Herzogs Taſſilo M., im Anfang der Regierung Karls des 
Gr. beigefügt find. In ihnen findet fich keine Werthangabe. 

Die Texte II und III der Lex. in Merkels Ausgabe zeigen 
Binfichtlich der Werthangaben feine irgend weſentliche Abweichung von 
fon vorftehenden Nachweifen zum Grunde gelegten älteften Re 
cenfton. 

Die im alten bairifchen Rechtsbuch vorkommenden principalen Buß. 
anjäge find: 4, 4, (3), 1, 14, 2, 3, 4, 5, 6, 9, 10, 12, 15,.20, 
40, 7 160, 200, la 640 und 900 Solidi. 

8 mögen hier gleich einige Werthangaben ſich anreihen, welche 
in bairifhen Urkunden bis zum erften Viertel IA —* Jahr⸗ 
hunderts vorkommen. Wenn auch keine (oder etwa doch nur die erſie) 
derſelben unmittelbar derjenigen Periode noch angehört, welche wir 
hier betrachten, fo erfcheint ihre Berückſichtigung doch ſchon deshalb 
nicht unpaffend, weil man vorausjegen darf, daß die für das fränfi- 
fche Reich im Allgemeinen getroffenen Verordnungen ober ftattfinden- 
den DVeränderumgen gerabe in Baiern, welches eine mehr felbftändige 
und eigenthlimliche Stellung bewahrte als die meiften anderen Landes⸗ 
theile, Iangfamer zu Geltung gelangten, und daß die älteren Einrich⸗ 
tungen, wie in anderen Dingen fo auch im Münzwefen fich dort länger 
erhielten; außerdem erinnern mehrere Werthangaben in den Urkunden 
fpeciell an bie Bezeichnungsweiſe im alten bairifchen Nechtsbuche, und 
der fich vorbereitende Webergang von dem älteren zum Tarolingifchen 
Munzweſen muß fich darin erkennen laffen. 

745. Schenkung einiger Grundftüde an bie Freifinger Kirche 
feitens eines gewiffen Moatbert und feiner Gattin Totana. Actum 
in castro Frigisinga mensis septembris die 12., anno glorio- 
sissimi ducis Oatilonis 8. 

..... Si quis de haeridibus meis vel qualibet Oppo- 
sita persona contra haec donationem venire vel frangere vo- 
luerit, inprimis Dei iram incurrat ..... et judice terreno 
culpabilis sit auri D solidos'! (Meichelbeck, Hist. Fris. I, 45). 

In mehreren Freifingifchen Schentungsurkunden aus ben Jah—⸗ 
ren 750, 752, 753, 755, 757 (Meichelbed a.B. I, 48 ff. u. In- 
strumenta Nr. 8 u. 10), und mitunter auch noch aus fpäterer Zeit, 
werden als Strafe für Verlekung der Schenkungen auri librae 
(II, V, X u.f. mw.) vorgejchrieben. Dagegen enthalten Schenkungs⸗ 
urfunden aus den Jahren 760, 765, 769 u. f. w. bie entfprechende 


! Der gleiömäßige Ausbrud judice terreno in biefer Freifingifchen Ur⸗ 
kunde von 745 und in bem zu Anfang bes 8. Sabrhundert3 geſehten Tit. I 
ber Lex Bajuw. (f. 0.) ift beachtenswerth. 


Androhung solidos [ECCC oder D] solvat, ofme Zufak über die 


Art des Solidus. 

In einer S sub duce nobilissimo Tassilone 
ohne nähere Angabe des Jahre, wird ein census beftinmt auf duo- 
decim denarii (Meichelb. Nr. 89). 

Eine, wenigiten® in der erhaltenen Form, umechte Freifingifche 
Urkunde (v. J. 796?) enthält die Beitimmung: annis singulis 
exinde censum redderet, hoc est sex denarios vel sex dena- 
riorum pretio in victu vel vestitu aut in cera aut in pecodi- 
bus (Meichelb. Nr. 68). Wenn aber aud) das Datum regnante 
Karolo Magno imperatore anno VIIIL bei der Abfchrift verändert 
ift, fo mödjte doch im Uebrigen der Inhalt der Urkunde in die an⸗ 
gegebene Zeit reichen. Die in Meichelbeck's Sammlung unmittelbar 
vorangehende Urkunde datirt vom “Jahre 775 und die nädjitfolgende 
vom Jahre 777, nämlid dem 28. und 30. Regierungsjahre bes 
Herzogs Taffilo. 

797. (anno regnante domno Karolo X.)...... in 
fisco XL solidos conponat auro adpreciatos (Meichelb. Nr. 173). 

799. <(regnante domno nostro Karolo rege in Bajowaria 
anno XIL).... ut annis singulis censum solvere debeam 
dimidium solidum in argento aut grano (Meichelb. Nr. 274). 

(788—810 unter dem Bifchof Hatto, ohne nähere Zeitbeſtim⸗ 
mung). Als Zaufh und Kaufpreis für verfchiedene Grundſtücke 
werben aufgezählt: jurnales XL, pratas VI carradas et unum 

um cum scutum et lancea, und heißt es hernach noch: ac- 
ceperunt inde septem solidos de argento (Meichelb. Nr. 250). 

807. (anno VII. imperii domni nostri Karoli Magni im- 
peratoris) Beilegung einer Streitfahe ....... dedit eis wadium 
„dvocatus Ottoni episcopi pro solidos XXX — ohne weiteren 
Zuſatz der Art der Solidi — (Meichelb. Nr. 124). 

808. (anno gloriosissimi imperatoris Karoli augusti VIIL) 
. .. . censum debet reddere duos solidos de argento (Meichelb. 
Nr. 155). Eine andere Urkunde deſſelben Jahrs (Meichelb. Nr. 
156) beftimmt als jährlichen Cenſus tres solidos, ohne weitere Ber 
zeichnung ber Art der Solidi. 

815. (anno I. imperii Hludowici). ..... pro censum omni 
anno decen argenti solidos franciscos darı constituit (Mei- 
chelb. Nr. 323). | 

816. (anno imperüi Hludowici augusti II.) ..... . wadia- 
vit... annis singulis unum solidum de auro solvere aut 
XXX denarios (Meichelb. Nr. 349). 

Nachdem die hauptfächlich in Betracht zu ziehenden verfchiedenen 
Werthangaben im Vorftehenden zufammengeftellt find, wollen wir 
zunächft einige hierüber vorgebrachte Aufftellungen und Vermuthun⸗ 
gen erörtern, welche ung als an ſich unzuläffig, oder doch der Wahr⸗ 
ſcheinlichkeit nach nicht zutreffend erfcheinen. 

Es ift behauptet worden, baß in der Lex Bajuwariorum 


886 


zweierlei .Solidi vorfämen, die auch deutlich unterfchieden würden, 
nämlich Silber-Solidi zu zwölf fränfifchen Denaren, welche in allen 
den Füllen zu verftehen felen, wo man dafelbft solidi ohne weiteren 
Zufat finde, und Gold⸗Solidi, bezeichnet durch den Ausdruck solidi 
auro adpreciati. Hiergegen ift aber ſchon von Anderen mit Grund 
eingewendet, daß die Webereinftimmung mander Bußanſätze und 
Werthbeftimmungen in der Lex Bajuwariorum mit denen in ben 
Nechtsbüchern der benachbarten Alamannen und Ripnarier ! darauf 
binweife, daß auch die Wertheinheit der Solidi die nämliche geweſen 
jein werde, da nicht anzunehmen, daß die gleichen Vergehen bei den 
Baiern nur mit dem Dritttheil deſſen, was bei ihren Nacdhbaren zu 
entrichten war, zu büßen, oder die wirklichen Preife der Dinge in 
ſolchem DVerhältniffe verfchieden gewefen wären. Es tritt hier das 
nämliche Verhältniß ein, welches wir früher zwifchen Salifchen und 
Ripuarifchen Franken zu bemerken hatten. Daß bei den Baiern 
Gold» Solidi und Tremiffen als die gewöhnlihe Münze gegolten 
haben, wird auch noch dadurch an und fir ſich wahrſcheinlich, weil 
die Longobarden, mit denen die Baiern in näherer Verbindung ftan- 
den, bi8 zum Jahre 796 nur diefe Art Solidi kannten, und weil bei 
den öftlichen Nachbarn der Baiern, bei den Avaren?, bie byzantini⸗ 
hen Goldmünzen in Folge der davon als Tribut oder Beute ge 
wonnenen großen Summen, in beträchtlicher Menge vorhanden fein 
mußten, wovon Einiges wieder weiter nach Baiern gelangen mochte, 

Die an mehreren Stellen bes bairifchen Nechtsbuches vorkom⸗ 
mende Bezeichnung solidi auro adpreciati bedeutet nicht Gold⸗So⸗ 


1 18 Beifpiele erwähnen wir: Lex Rib. XXXVI, 4. Bi quis Ripus- 
rius advenam Alamannum ... . . vel Bajuwarium . . . . interfecerit, oentum 
sexaginta solidis culpabilis judicetur. — Lex Alam. (Hlotharii) LXIX, 1. Si 
quis liber liberum occiderit, conponst eum bis octuaginta solidos ad filios 
suos. — Lex Bajuw. IV, 28. Si quis liberum hominem occiderlt, solvat 
nen. bis 80 solidos, hoc sunt 160. 

Lex Rib, I. Si quis ingenuus ingenuum ictu perousserit, solido uno 
culpabilis judicetur. — Lex Alam, LIX, 1. Si quis alium per iram perous- 
serit, quod Alamanni pulislac dicunt, cum uno solido conponat. — Lex. 
Bajuw. IV, 1. Bi quis liberum per iram percusserit, quod pulislao vocant, 
1 solidum donet. — zür das Schlagen eines Unfreien wirb in ber Lex 
Ribuar. wie in Lex Bajuw. bie Buße einer tremissis beftimmt. 

Der Werth eined acceptor commorsus gruarius in ber Lex Ribuar., eines 
acceptor, si gruem mordet, in ber Lex Alam. unb eine acceptor, quem chra- 
nohari dicunt, in der Lex. Bajuw, wirb in allen biefen Rechtsbüchern gleich: 
mäßig auf 6 Solibi angelegt. — Der gewöhnliche Werth eines Sflaven 
ſcheint überall 12 Solidi gemwefen zu fein. 

2 Die Avaren erhielten im flebenten Jahrhundert längere Zeit hindurch 
einen jährlichen Tribut von 100,000 Solidi von ben oftrömifchen Kaifern 
ausbezahlt. SKaifer Heraclius mußte ihnen zuletzt gar 200,000 Solidi zuge 
ftehen, — vowsouarwv uvgradas elxocs, Theophanes (Bonner Ausg.) S. 451. 
Melde enorme Summe von byzantinifhen Golbjolidi mußte fih auf biefe 
Weife innerhalb einiger Jahrzehnte bei ben Avaren anhäufen! Sollte barin 
nicht auch eine Erflärung liegen, weshalb gerabe bie Golbmünzen ber dama⸗ 
figen Kalfer in ben Müngfammlungen häufiger vorlommen? 


837 


‚im Gegenfag zu Silber-Solidi, fondern nur die Verpflichtung, 
ben Fällen, wo diefer befondere Vorbehalt bei den Bußſätzen Bin» 
ım, den Betrag in effectiver Goldmünze zu entrichten, nicht in 
eren Werthgegenftänden nach einer herfüömmlichen Taxe. Daß der 
zdruck adpreciare in ſolchem Sinne zu verftehen und fehr ge 
uchlich war, ift durch mehrfache fonftige Belege nachgewiefen !. 

Wenn wir hiernach mit Hrn. Waitz darin völlig übereinftimmen: 
ift gar nicht daran zu zweifeln, was doch an fich gewiß auch das 
tärliche ift, daß in der ganzen Lex Bajuwariorum überall von 
jelben Solidis die Rede ift“, fo fcheint und dagegen die Vermu⸗ 
ng dejjelben Verfaffers, daß die Baiern den mancosus auri, eine 
italienischen und mitunter auch in deutfchen Urkunden vorkommende 
mzſorte zum Werthe von 23 fpäteren fräntifchen Silberfoliden, 
J. 30 Denaren, bei ihren Geldverhältniffen zu Grunde gelegt 
en, in feiner Weife zuläſſig. Dieſer Anficht zufolge würden die 
tern zur merovingifchen Zeit allerdings ebenfo wenig wie die an⸗ 
m deutfchen Völker nach Silber-Solidi, fondern auch nad) Gold- 
Inze gerechnet haben, allein diefe Wertheinheit wäre bei ihnen 
ch eine befondere Art Solidus, der nur drei Viertel des gewöhn⸗ 
m Goldfolidus gegolten hätte, vertreten gemefen. 

Die diefem Abfchnitt als Beilage ſich anfchliegende Anmerkung 
enthält über die Mimzſorte oder den Werthbegriff der Mancosi 
° Mancusi eine umfaffende Unterfucdhung, auf welche wir bier 
Uebrigen Pezug nehmen. Aus derfelben wird man erfehen, daß 
Vorkommen der Mancosi erft in eine Zeit fällt, welche jeden⸗ 
3 fpäter ift al8 die Abfafjung der Lex Bajuwariorum, daß die 
m eine eigenthümliche Art der byzantinifchen Gold-Solidi gewefen 
werden, daß aber Nichts darauf führt, fie jeien im Werthe bes 
end verschieden von den gewöhnlichen Solidi, und fyfſtematiſch 
‚ einem etwa um 4 geringeren Münzfuß ausgeprägt geweſen, und 
die Angabe wegen ihrer Berechnung zu 30 Denaren anders zu 
iren fein dürfte. ' 

Diefer legte Punkt fteht indeß, wie wir gleich fehen werden, 
ı in befonderer Beziehung zu der Auffajfung des älteſten batrifchen 
N und wir müffen denfelben aljo auch bier näher ins 
e faſſen. 

Es ift nämlich leßthin nachzumweifen verfucht worden, daß bei 
Baiern ber Solidus urfprünglic) eingetheilt worden fei in 10 
gä, oder, da nad) einer unzweifelhaften ausdrücklichen Erflärung 
er Lex felbft (Tit. IX, 2) eine Saiga 3 Denare galt, in 30 
are?. Diefe Anficht wird hauptfächlich auf die oben mit ange- 


2 Bol. die ſchon augeführten Stellen aus einer Freiſingiſchen Urkunde 

der Lex Alaman., und im Uebrigen Waitz a. B. ©. 26 und Merkel in 

Lex. Alam. ©. 48 und zur Lex. Bajuw. ©. 272. 

= Maik a. Abb. ©. 24 u. 385 Deutfche Verfaffungsgefchichte IV, 73. 
den Baiern findet ſich ein Golbfoliduß zu 30 Denarien“. — „Dieje Rech: 

‚ gilt ſchon überall in ber Lex Bajuwariorum“. 


hrien Stellen ber Lex, Tit. L, 3 und Tit. V,2, begründet, wen 

nm noch bie bereits bei Gelegenheit der alamannijchen WRünzeer 
halle erwähnten Rotizen aus einer Grager Handſchrift des zwäll- 

ten Jahrhunderts und der Umſtand, nd, dab fpäter in Baiern ber Gel- 
Eolidus zu 30 Denaren gerechnet jei, binzutreten. 

Bir wollen dieje verfchiedenen Momente einzeln betrachten, und 
beginnen mit dem eben zulegt erwähnten, welches dem Aufchen neh 
eine befondere Bedeutung in Anfprud nehmen darf. Wenn nändid 
wirflih um das Jahr 816 in Baiern der Gold-Solidus zu 30 De 
naren gerechnet wurde, jo ift in Ermangelung gewichtiger Gegengründe 
eine ſtarke Bräfumtion dafür, Daß auch früher ein gleicher 
dort beftanden habe. In der in Rede jtehenden Urkunde v 
816 (j. 0.) verpflichtet ſich ein geoiller Nidhart jährlich zu zahlen 
unum solidum de auro aut XXX denarios. Dieje Worte ent: 
halten feine Angabe über die Eintheilung der Solidus, fondern befagen 
nur, daß der Werth eines Gold: Eolidus und von 30 Denaren, 
worunter offenbar nur gewöhnliche karolingiſche Silber - Denare ber 
damaligen Zeit verftanden jein können, gleich war oder doc) damals für 
gleich geachtet wurde. Es war alfo in biefer Urkunde daſſelbe [e 
geſetzt, was wir in einer Yudwig dem Frommen und ebenfalls dem 
Jahre 816 6 ageihricbenen Urkunde zu Gunften des Klofters des h. 
Zeno in Verona finden, in welder 25 Mancusi greichgejegt werben 
mit 50 Silber-Eolidi, aljo 1 Mancusus mit 30 Denaren !. Diefe 
Uebereinftimmung zweier völlig verſchiedenartiger Urkunden, deren 
Ausftellung nad) ihrer eigenen Angabe in daſſelbe Yahr fälkt, umd 
von welden bie eine für Verona, bie andere für Freifingen ausge 
ftellt war, erſcheint als ein ſehr merfwürdiger Beleg für die Authen⸗ 
ticität ber fraglichen Werthbeſtimmung, bag der Goldſolidus (demm der 
Mancosus ift, wie in der Anmerkung III näher nachgeiviefen werben 
foll, nur eine Varietät des Bon), zu jener Zeit wirklich 30 
Denare ber damaligen Art gegolten bat. 

Wenn man fich nicht auf die Auskunft befchränkt, welche bie 
Auslegung des Wortlauts der alten Pergamente verſchafft, fondern 
zugleich noch erhaltene Munzſtücke, welche die Werthe, von denen in 
jenen Urkunden bie Rebe iſt, damals in Wirklichkeit dargeſtellt haben, 
zur Hand nimmt und forgfältig prüft, fo erhält man eine überra- 
chende Beftätigung von der Nichtigkeit der vorhin angeführten Stel- 
len, woraus ſich dann aber auch von felbjt eine genügende einfache 
Erläuterung des wahren Sachverhältnifjes ergiebt. 

Fragt man, an welde Art Münzen man um das Jahr 816 
gedacht haben wird, wenn man in Baiern bie Zahlung von solidi auri 
vereinbarte, fo kann die Antwort, welche unjere Münzkunde darauf 
ertheilt, nur dahin gehen, daß man entweder fränkiſche oder longo⸗ 
bardiſche Tremiſſen (3 für einen Solidus gerechnet) wie fie im fie 
benten unb beziehentlih noch bis zum legten Viertel des achten 


2 Das Nähere hierüber ſ. in Anmerkung IN 


339 


Sahrhunderts geprägt worden waren und fich theilweife noch im 
Umlaufe erhalten haben mochten, meinte, oder, was wahrfcheinlicher, 
daß man, in Ermangelung fonftiger Goldmünzen, deren Ausprägung - 
damals im übrigen Europa (vielleicht mit alleiniger nennenswerther 
Ausnahme der Iongobardifchen Fürftenthiimer in Süditalien) fett län- 
gerer Zeit aufgehört Hatte, nur noch an biyzantinifche Gold-Solidi 
der gleichzeitigen oder vorangegangenen Wegierungen dachte. Der 
durchfchnittliche innere Werth der damaligen gewöhnlichen byzantini⸗ 
ſchen Solidi war, wenn wir ebenfo wie nachher bei den Silber-Des 
naren, die Legirung außer Betracht laffen, ca. 4.40 Gramm Gold, 
oder, bei Annahme einer Werthrelation des Goldes zum Silber wie 
1:12, ca. 54 Gramm Silber. Die unter der Regierung Ludivig 
des Frommen geprägten Denare aber wiegen, um auch hier das Er» 
gebniß fpäterer fpecieller Darlegung unferer Beiträge vorweg zu neh⸗ 
men, durchichnittlih 1.66 Gramm, fo dag 30 Denare mithin ein 
Duantum von ca. 50 Gramm Silber enthielten . Zieht man bie 
verhältnigmäßig höheren Münzkoſten und ftärkere Abnutzung des Sil- 
bergeldes in Betracht, jo wird man mit ziemlicher Zuverficht behaupten 
können, daß die gleichzeitig (816) für Fälle in Baiern und in ber 
Lombardei ausgefprochene Gleichſtellung des Goldfolidus und 30 
Denare ihren Grund in den effectiven Gewichtöverhältniffen beider 
Münzforten und der damaligen Werthrefation hatte, daß man alfo 
nicht nöthig Hat, für den jo berechneten Solidus eine um ein DVier- 
theil verringerte befondere Goldmünze anzunehmen, daß vielmehr das 
nachgewiejene thatjächliche Verhältniß .entfchieden der Bermuthung wis 
derfpricht, als ſei der bairiiche Goldfolidus und ‚ser Mancosus nur 
3 des gewöhnlichen byzantinischen Solidus gewefen. 

Wenn fpäterhin in einigen Gegenden Baierns der Gebrauch ber 
ftanden und noch bis in neuere ‚Zeit fich. gehalten hat, nach Schillin- 
gen & 30 Pfennigen zu rechnen 2, fo kann diefe Rechnungsweife, wie 
fo mandye andere in verfchiedenen Gegenden, feiht aus beſonderen 
Berhältniffen zur Zeit der Münzwirren zu Ende des Mittelalters 


ı Mir geben bier das Ergebniß ber in ber Anmerfung UI mitgetheiften 
betaillirten Notizen, welche bei der Erörterung über bie Münzforte der Man- 
eosi mit in Betracht fommen mußten. 

8° Diefe Gewichtsannahme für die Denare Lubwigs bed Frommen beruht 
auf einer von Gusrard angeftellten Gewicht3ermittlung von 125 Stüd, welche 
einen Durdfchnitt von 1.67 Gramm ergab, und ber Unterfuchung Longperierz, 
ber bei Wägung von 53 Denaren ber fraglichen Art in ber Rouſſeauſchen 
Sammlung ein Durdfchnittögewicht von 1.685 Gramm fand. 

5 Mobad, Zafchenbuch der Münze 2c. Kunde. Lpz. 1850. I, 692: „Frü- 
berbin warb in Baiern, zumal im ehemaligen Hochftift Megensburg, . . . - 
bei Grundzinſen, gerichtlichen Strafgeldern 2c., und lediglich bei biefen, nad 
f. 9. ſchwarzer Münze oder fchwarzer Währung gerechnet. Das Verhältniß 
Biefer Rechnungsmünzen war folgenberweife geordnet. Ein Regensburger Pfund 
== 5} Pfund Heller = 41 ſchwarze Schillinge = 1230 ſchwarze Dfenniger. 
Das Pfund Heller wird mithin zu 8 Schillingen unb ber Schilling zu 30 
Pfennigen gerechnet. 


840 


oder det 16. und 17. Jahrhunderts Kervorgegangen und bie Ueber 
vituumung mit ber im 9. Jahrhundert bezeugten Gleichſtelluug ds 
Goldſolidus mit 30 frankifchen Denaren nur zufällig fein; hält mes 
aber einen Zufammenhang diefes Gebrauchs mit dem älteften Mün- 
weien für wahrfcheinlich (und Hierfür fpricht allerdings der Umfian, 
daß diefe Rechnungsweiſe gerade nur bei Grundzinfen und gerichtli 
hen Strafgeldern ſich erhalten hatte), fo kann der Gebrauch eben ans 
der Gewöhnung an dieſes thatfächliche Verhältnig, welches bleiben sufte, 
10 Lange die Kyzantinifchen Golbjolidi und bie fränfifchen Denen 
dort umliefen und nach weientlich unverändertem Münzfuß gemünzt 
wurden, abgeleitet werben, ohne daß man aus diefem Umftand auf 
die Rechnungsweiſe in der noch älteren Zeit der Abfaffung der 
ex Bajuwariorum fchließen darf. 

Aus dem oft fchon befprocdenen von Hrn. Wattenbach mitge 

ten Auszuge aus einer Grager Handfchrift gehört hierher die 
Notiz: Secundum legem Bawariorum secundus semis dena 
rıus scoti valet, 3 duobus scotis, 5 denarios valet saiga, 7 
denarios tremissa, ter 5 semisolidum faciunt, sexies 5 denarü 
solidum faciunt, 8 solidi libram faciunt. Wenn diefe Nachricht 
in der vorliegenden Faffung auch unverkennbar durch Schreibfehler 
oder fchon durch Mißverftändniß ihres Urhebers theifweife entftellt 
ift und offenbaren Widerfpruch enthält, worauf fpäter noch zuräd 
zu fommen, fo ift andererfeits doch einleuchtend, daß die Gleichſtel⸗ 
lung des Solidus mit 30 Denaren darin Har ausgefprochen ift, in 
dem die Angaben ter 5 [denarii] semisolidum faciunt und se- 
xies 5 denarii solidum faciunt fowie 8 solidi libram [d. h. ein 
Pfund Silbermünze oder 240 PN faciunt fich gegenfeitig bes 
ftätigen. Ebenfo unzweifelhaft ift, daß unter dem Solidus fein an- 
derer als der Gold-Solidus verftanden fein kann. Indem aber bie 
Werthbezeichnung bes scotus, als einer halben Saiga, in der Lex 
Bajuwariorum überall nicht vorfommt, fo ergiebt fich fchon daraus, 
bof ber Verfafjer jener Notiz dabet nicht fpeciell an dieſes Rechte 
buch gedacht haben Tann, fondern daß der Ausdrud secundum le- 
gem Bawariorum in einem allgemeineren Sinne, nämlich von dem 
in Baiern geltenden Recht überhaupt, zu verftehen if. Daß im neun 
ten Sahrhundert aber in Baiern, und auch fonft, wo die gleichen 
Münzwerthe vorfamen, der byzantinifche Goldfolidus 30 Denaren 
des damaligen Münzfußes im effectiven Werthe ungefähr gleich ftand, 
baben wir eben nachgewiefen, und fo können wir in jener Notiz eine 
Beftätigung diefer an und für fich unzweifelhaften Thatſache erbli- 
den, allein durchaus Leinen Beleg dafür, daß der in der Lex Ba- 
juwariorum erwähnte Solidus zur merovingifchen Zeit zu 30 Der 
naren oder zu 10 Saigä gerechnet fei. 

Wie man in der Steigerung ber Anfäge in Tit. I, 3: una 
Baica, — duae saicae vel tres et usque ad tremisse, — qua- 
tuor tremisses, eine Beftätigung der Zehntheilung des Solidus, und 
nidyt vielmehr ein Zeugniß zu Gunften der Zwölftheilung finden 


Sind 12 Saigä auf den Solidus zu rechnen, fo Hätte es folgerid- 
fig im mittleren Anſatz 9 Saigi lauten müflen (6:9:18 Saigi); 

iner Eintheilung des Solidus in 10 Saigä wäre das Berbält 
niß 5:74:15 Saiga. Da nm eine der älteften Codices (Al) 
d g are-g e sgele 

meiften lejen, verborben werben fonnte, fo zweifelt Hr. Weit nick, 
daß dies als das Urjprüngliche angejehen werden müſſe, und betrach⸗ 
tet die Stelle, jo bergeitellt, ala einen Beweis, dag in dem betref- 


fenden Theil der Lex Gold-Solidi mit der eigenthümlich bairij 
Eintheilung in 10 Saigä (= 30 nun wohl fränfifhen Denaren) g 
Wir geftehen, dab, wenn fonftige gewicdhtige Gründe für 
nahme der bairiichen Zehntheilung des Eolidus fprücdhen, dad vorfte- 
hende Moment als fait entſcheidend erachtet werden könnte, allein, 
da die fonftigen Belege für jene Zehntheilung des Solidus entieber 
gar nicht vaflen oder doch jehr problematiich erjcheinen, und ba fer- 
ner anderweitige Rüdfichten bie —— der Zwolftheilung tutfchieden 
empfehlen, auch Irrthümer in den Zahlenangaben in der vorliegenden 
Necenfion ber Lex Bajuwariorum fonft noch vorfommen, fo glaw 
ben wir bie in Rede ftehende Stelle für einen überz 
daß bei den Baiern die Saiga als ber zehnte Theil des Golbfolides 
gegolten Habe, nicht anerkennen zu dürfen. Dieſe Annahme wärbe 
dahin führen, dag wir in allen Fällen, wo Anſutze in ‚ Zresmifen 


* 


en 





gen, fein Zweifel fein kann; Hierdurdy würde aber, wie aus 
ren obigen Stellen zu erfehen, die unpaffende Brogreffion von 1:2 
: 34 Saigä entftchen, während bie aus der Zwölftheilung hervorge⸗ 
hende 1: 2: 4 Saigä einfach und natürlich ift. 

Als Beleg dafür, daß felbft in ſolchen Fällen, wo das Ned 
nımgsverhältniß fehr Har vorliegt und bie unmittelbare Controlle 
an bie Hand giebt, Verſehen in den Zahlenangaben der alten Leges ', 
und fpeciell im alten bairifchen Rechtsbuche, vorkommen, erinnern wir 
on Zit. IV, 11 in legterem. Es werden bier die verfchiebenen Dub 
anſätze fur das Abhauen einzelner Se mit beziebentlih 12, 
und 5 Solidi beftimmt, und dann heißt es 

Et ai non fuerint abscisi, et est mancus, statrectus, ut non 
possit plicare, hoc a est ad arma bajulare: er 
est conpositio quam de absciso; tertiam partem supra addet. 

Die Hinzulegung des dritten Theils zu 12, 9 und 5 Solidi er⸗ 
giebt 16, 12 und 6% Solidi, oder für den [egten Anfag 6 Solidi und 
2 Tremiffen, Die beiden erfteren Neductionen finden fi) nun and) 
richtig im Texte der Lex, nicht aber bie letzte; denn die an den 
oben angeführten Sat fi unmittelbar anfchließende Erläuterung bes 
Tertes ift folgende: 


ı In ber Lex Alam. Pactus I, 37 findet fi 3. B. CLXX ftatt CLX, 
was unzweifelhaft nur ein Verſehen fein Fann. 


344 


fcheinfich ift und mannigfache Schwierigleiten und Wiberfprüde her 
vorruft. Hätte es überall ſolche Goldmünzen zu brei Biertel dei 
Werth der gewöhnlichen Solidi oder Tremiſſen gegeben, fo milder 
doch wohl einzelne Exemplare folcher Münzjorten nachzuweiſen fein, 
was indeß durchaus nicht der Fall ift. 

Nac Erörterung der uns unzuläffig erfcheinenden Anfftellungen 
und Vermuthungen, über die der Lex Bajuwariorum zu Grm 
liegenden Münzverhältniffe, wollen wir jet verjuchen, unfere eigem 
Anficht hierüber, wie überhaupt in Bezug auf die in Baiern his zu 
vollftändigen Durchführung des karolingiſchen Münzwefens üblich ge 
wefene Rechnungs⸗ und Zahlungsweife, im Zufammenhange 
gen, geſtützt auf die oben mitgetheilte Veberficht der in Betracht Tom 
menden Stellen des alten Nechtsbuches und ber älteften Yreifingi- 
fhen Urkunden. 

1. Bon der Zeit ber früheften fhriftlichen Aufzeichnungen au 
bis dahin, daß unter den Karolingern die neue Werthmünze bes Sil- 
ber-Solidus zu 12 fräntifchen Denaren als allgemeine Reichemäng 
zur gefeßlichen wie thatfächlichen Geltung kam, aljo bis ungefähr um 
bie Mitte des achten Jahrhunderts, ward in DBaiern, wie bei elle 
übrigen germanischen Völkern, unter Solidus lediglich die bekanne 
Goldmünze diefes Namens oder deren Werth verftanden, gleichriel 
ob zu Solidus eine Erläuterung beigefügt war ober nicht. Es gab 
weber einen befonderen bairifchen Gold⸗Solidus nod war in Baiem 
vorzugsweife eine befondere fremde Goldmünze etwas geringeren 
Werths als die gewöhnliche Münze diefes Namens in Anwendumg, 
fondern es galten Hier die nämlichen Solidi wie bei ben Franken, 
Aamannen, Burgunden, Weftgothen und Longobarden . Ob im 
Berfehr ein gewilfer Unterfchied gemacht wurde zwijchen ben nad 
etwas Teichterem Münzfuß und meiftens in Drittelftüden geprägten 
fränfifchen und Iongobardifchen Goldmünzen und ben fehwereren by 
gan hen Gold-Solidi, welche von den Avaren her vermuthlich ins 

and kamen, muß dahingeftellt bleiben; irgend eine pofitive Angabe 
hierüber ift uns nicht erhalten. Es ift indeß der Natur der Sache 
nach fehr wahrfcheinlich, daß mit dem Seltenerwerden der fränkifchen 
Goldausmünzungen und auch des Umlaufs älterer fränfiicher Gold⸗ 
münzen im Allgemeinen, auch in Baiern die Benugung diejer Miünz 
forte fich allmählich wefentlich einfchräntte, und daß dort feit dem 
Anfange des achten Jahrhunderts, foweit eine Goldeirculation ſich er 


2 Bis um bie Mitte ober gegen Ende bed neunten Jahrhunderts fchemt 
in Baiern überall nicht gemünzt zu fein. Die biß jet mit einiger Wahrſchein⸗ 
Iichfeit nachgewiefenen älteften autonomen bairifhen Münzen find Denare, welde 
bem Herzog des Sorabifchen Gebiet? und Burggrafen von Regensburg Rathold 
in den Jahren 837—874 genannt) beigelegt werden. Bol. H. P. Eappe, Di 

tüngen der Herzöge von Baiern, der Burggrafen von Regensburg und ber 
Bilchöfe von Augsburg aus dem zehnten und eilfien Se nbert. Dredden 
1850. — Es ift immerhin möglih, daß barbarifhe Nachbildungen byzanti⸗ 
nifher Solidi oder Tremiffen im 6. Jahrhundert auch von aurifices bairifcher 
Herzöge angefertigt find, allein nähere Anzeichen hierfür liegen nicht vor. 





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nee ale Ars Ma ei om Jere 743) 
ar Minze: vo Zen 12 Hei Texten, der foge 
am Elm: Zinn: lies de armsım‘ Ir elle 
nramusenei Zuhe Tun = Sim Benno fällen, moin 
Mumie Diaz Sen Eier, res vn Gexicht, nicht in 





nanerı reeken ns seen weinen Binreirds, neh Be 
tr: Set ureem ala zei Sr mean anderen Stellen, Sil: 


um Le 2m: ımmert im Us Bier Kaöı int venmiefen werben 


zw’ nmı Dx Wırz. mo se, In VL 22 I Berg 225 pecanis et mancipia 
sm sm arm. Zum 28 ma KRötun niie, hits entaegengeiegt 
zor ri an ed Srorcap. r Seitt: Mater moriens filio terram. mancipia, 


M Amar. Ze vero spolis eiili. id est murenss. muscas, monilis, 
asres, vasıze, armlias eic. Ausrıcmeweie fzrın pecunia in ehr einzelnen 
im en 2n Bıssarımerm Lermegen im Rügemeinen bedeuten; allein im ber 

nl Yasnänıı gd zen Geld im Coreifsg zu jonſtigen DBermögensgegen- 


= Im Berte wo? Lex Bajuw. Tit. X, 1 und I, 6, mo vom Nicherkrei: 
vor ini: Sf Sr Kesz in, bat dies Waitz a. A. S. 21 überzeugend nad: 


3 Erin Srnsshareen jcheint bie Bezeichnung auri solidi ſchon lange 
der: nech an Lie aolidi de argento und bie fränkiichen Denare ge: 


e, Sehr gewebnlich geweſen zu fein, wie unter Anderm zablreide 
ithinzen ber Kirchen von Lucca darthun. 





348 


neben den Solidi und Tremiſſen von Gold als Heinere Diünzforte, 
ebenfo wie bei den Ripuariern und Alamannen, nur der alte römifdge 
Denar in Gebrauch geweſen fein. Spuren anderer Münzforten fee 
nen ſich nicht vorzufinden, wenn man nicht dahin die beſondere Er⸗ 
wähnung des scotus, als ber Hälfte der Saiga, rechnen will, was 
auf eine eigene Münzforte hinzuweiſen ſcheint. Es konuten bies äl- 
tere Quinare ober bie fpäteren knapp ausgeprägten Siligud fein. 
Bei zunehmenden Beziehungen zum übrigen fränfifchen Reiche Tonnte 
es jedoch nicht ausbleiben, daß auch die meropingifchen Silber- 
Denare als allgemeine Kleine Reichsmünze in Baiern bekannt unb 
gebraucht wurden. Es war dies vermuthlich fchon deshalb der Fall, 
weil das allmähliche Seltenerwerden der römifchen Denare — ber 
Saigä — zu einem Erfage drängen mußte, Bei den kleineren Münz⸗ 
forten, die nur zur Ausgleichung dienten, war es faft felbjtoerftänd- 
ih, daß eine möglichft einfache Reduction der neuen und der bishe⸗ 
rigen Silbermünzjorten, der römifchen und der fränfifchen Denare, 
eintrat, und da konnte nichts näher Liegen, als 3 (ftatt genau 34) 
fränfifche Denare auf die Saiga zu rechnen, wie dies auch in dem 
fpäteren, aber noch in merovingifcher Zeit redigirten Beſtandtheil der 
Lex ausdrüclich vorgefchrieben wird, jo daß aljo der Gold⸗Solidus, 
bis zur Einführung des Rechnungs⸗Solidus zu 12 neuen fränfifchen 
Denaren, in Baiern, ftatt zu 40 Denaren wie in ber Lex Salica, 
zu 36 ‘Denaren gerechnet wurde. 

6. Die Notiz in der Gratzer Handfchrift aus dem 12. Jahr⸗ 
hundert über das alte bairifche Münzwefen tft in Betreff ber Schluf- 
worte, welche die Rechnung des Solidus zu 30 Denaren bezeugen, 
oben bereits beſprochen. Die unmittelbar vorhergehenden Bemerkun⸗ 
gen derfelben: Secundum legem Bawariorum secundus semis 
denarius scoti valet, 3 duobus scotis, 5 denarios valet saigs, 
7 denarios ‚tremissa, find offenbar fehr verdorben und mit ſich 
felbft im Widerfprud. Was bedeutet 3 duobus scotis? Und wei 
ter: nach den Schlußworten follen 30 Denare einen Solidus aus« 
maden, und andererfeitö follen 5 Denare eine Saiga gelten; bier 
nad) würde der Solidus gleich zu rechnen fein 6 Saigä, was völlig 
unerklärlich ift. Wenn ferner in der fraglichen Notiz 7 Denare auf 
die Tremiſſis kommen, jo müßte entweder der Solidus gleichgefegt 
fetn mit 43 Tremiſſen ober auch mit 21 (vielleicht 20) Denaren, was 
natürlich Solidi oder Denare ganz anderer Art vorausſetzt als die 
fonft unter diefen Namen befannten Werthe oder Münzen und felbft 
als die jonft in der Notiz vorfommenden. Das Einzige, was diefer 
Notiz in der vorliegenden Faſſung zur Aufklärung der alten bairifchen 
Münzverhältniffe zu entnehmen ift, dürfte fi) darauf befchränfen, 
daß bei den Baiern die Werthangabe scotus (nad) einer von uns 
früher ausgejprochenen Vermuthung eine Latinifirung des deutjchen 
Ausdruds skat) in Gebrauch war, woburd ein Münzſtück zum 
Werth einer halben Saiga oder von 14 Denaren bezeichnet wurde, 
Die Werthbezeihnung scotus oder scoti fommt, foweit uns befannt, 


349 


außerdem nur noch vor in ben Leges portoriae, bie durd ein zu 
Raffoltftädten abgehaltenes Placitum (um das J. 906)! beftätint 
wurden. 

6. Der Üebergang zu der neuen Rechnungsweiſe vollzog fich in 
Baiern in ganz ähnlicher Weife wie im übrigen fränfifchen Reiche, 
und wird berfelbe alfo bier nicht befonders zu erörtern fein, fondern 
e8 darf auf die nähere Beiprechung diefer Verhältniffe im Eingang 
des vierten Abfchnittes unferer Beiträge, welcher die Gold- und Münz« 
verhältniffe des fränkifchen Reichs unter den SKarolingern darlegen 
foll, verwiefen werben. 


2 Diefe Leges portoriae finden ara jet abgebrudt als zehnte Beilage au 
Merfeld Ausgabe ber Lex Bajuw. © f. und bie Stellen lauten: Cap. 1 
. . . donent pro thelonio scmidragmam, id est scoti 1. Cap. 6... ... 
de sogma una de cera duas masgiolas, quarum uterque seoti unam valet, 
Vgl. hierüber die Anmerkung IL. 


Sumerfung I. 


Literatur⸗Nachweis in Betreff des Münzwefens im fräuf:- 
ſchen Reihe unter deu Merovingern. 


C. Bouteroue. Becherches curieuses des monoyes de France depsis 
le commenesment de la monarchie. T. 1 (u. einz.) Paris 1666. Fol (kt 
handelt, außer einer Einleitung und Abhandlungen über ba8 Münzweſen über: 
haupt, über die galliſchen Münzen und über bie römifhen Münzen, nur bas 
merovingifche Zeitalter). 

Le Biane. Traits historique des monnoies de France depuis le com- 
mencement de la monarchie jusques à present. Paris 1690. 4. (Premiäre 
race. ©. 1-68). 

J. G. von Eckhart. Commentarli de rebus Francise ozsientalis ete. 
T. I. Wirceburgi 1739. Fol. (Die ben verfchiebenen fränfifhen Königen kei: 
gelegten Münzen werben bei ber Erzählung ber einzelnen Regierungen mitge 
theilt; 3. B. von Theobdebert ©. 74; Childebert I, S. 87 u. ſ. w. — Ei 
Münzen ber monetarii S. 290—299. Die faft ausfchließlidden Quellen der 
Abbildungen merovingifcher Münzen in biefem Werke find bie vorermwähsten 
Schriften von Bouteroue und Le Blanc). 

3.8. von Lubewig. Einleitung zu bem deutſchen Münzweſen mitt: 
lerer Zeiten, mit Anmerkungen, berausgeg. von 3. 3. Moſer. Ulm 1752. 

Bonamy. Histoire de Gondevald, pretendu fils de Clotaire L, pour 
servir d’explication & des medailles frappes à Arles et à Marseilles au coin 
de l’empereur Maurice. Memoires de l’academie des inscriptions et des bel- 
les lettres. T. XX. Paris 1753. 4. 

von Praun. Gründlide Nahridt von dem Münzweſen indgemein, 
insbefondere aber von bem Teutſchen Münzweien älterer und neuerer Zeit x. 
3. verbefl. u. verm. Auflage. Leipzig 1734. (Gap. I. S. 29—37. Bon 
bem Müngzmwefen ber Römer wie auch ber fränfifchen Könige). 

3. Mader. Kritiſche Beiträge zur Münzkunde bes Mittelalters [1. ©.] 
Prag 1803. (S. 1—31. Merovingifhe Münzen). — 3. B. Prag 1810. 
(S. 1—49. Ueber die fränkiſch-merovingiſchen Münzen). 

J. Lelewel. Numismatique du moyen Age, consideree sous le rapport 
du type. 2 voll. Par. 1835. (Monnaies des Merovingiens. I, 233 — 78). 

F. de 8sulcy. Becherches sur les fonctions des monetaires de la pre- 
miöre race des rois de France. Bevue numumismatique francaise I, 90—98. 
18386. 

A. Hermand. Considerations sur l’histoire monetaire de la premiöre 
sace. B. num. fr. I, 321—341. 1836. 

P. de Saulcy. Evaluation des monnaies courantes sous la premitre race 
des rois de France. R. num. fr. I, 242 fi. 1836. 





851 


Peyre6. Observations sur l’article pröcödent. BR. num. fr. I, 242-- 
349. 1886. 

J. Lelewel. Vingt-trois pi&ces des monetsires merovingiens. R. num. 
fr. I, 821—330. 1836. 

J. de Pe6tigny. Eclaircissements sur la valeur des monnaies méro- 
vingiennes. R. num. fr. I, 331 —341. 1836. 

E. Cartier. Lettres sur l’histoire monetaire de France. 8. lettre. 
Monnaies Merovingiennes. RB. num. fr. I, 389—412. 1836. 

— — Supplement à la 3. lettre. B. num. fr. II, 181208. 1887. 

Peyr6. Nonuvelles observations sur le prix des denrdes sous la premidre 
et la denuxiöme races; und 

F. de Saulcy. Addition & la note de M. Peyre. — R. num. fr. H, 
238—36. 1837. 

J. de P&etigny. Continustion de la discussion sur la valeur des mon- 
naies courantes au temps de la premitre race. RB. num. fr. II, 193— 208. 
1837. 

J. de Petigny. Monnaies attribudes aux premiers rois merovingiens. 
R. num. fr. II, 321—333. 1837. 

B. Gu6rard. Du systöme monötsire des Frranos sous les deux pre- 
niöres races. B. num. fr. II, 406—440. 1837. 

C. A. Bethaan Macare. Verhandeling over de by Domburg gevon- 
dene romeinsche, frankische, britannische, noordsche en andere munten. Mid- 
delburg. 1838. 

J. de P6etigny. Encore quelques doutes sur le systäme mon6taire des 
Merovingiens. R. num. fr. III, 169—185. 1838. 

B. Guörard. Note relative au syst&me monetaire des France. — J. 
de P6tigny. Note. — R. num, fr. III, 275—280. 1838. 

Chaudruc de Crazannes. Triens merovingiens des villes d’Auch, 
de Basas, et de Saintes. R. num. fr. II, 247—256. 1838. 

E. Cartier. Notice sur les tiers de sol d’or portant le nom de saint 
Martin, et sur quelques autres monnales merovingiennes. R. num. fr. I, 
2357 —265. 1838. 

F. de Sauley. Monnales merovingiennes inddites. BR. num. fr. IH, 
266 - 274. 1838. 

A. Duchalais. Bestitution & Bannassac, près Maryejols, des monnaies 
merovingiennes port. le nom de Bannacilaco. R. num. fr. IV, 133 - 169. 1839. 

E. Johanneau. Lettres à M. Duchalais sur l’attribution de la legende 
Briossovico & Brioux et de Teodoberciaco à Thierville.e RB. num. fr. IV, 
185—190. 1839. 

Chaudrue de UOrasannes. Monnaies merovingiennes de Cahors. 
R. mım. fr. IV, 191—197. 1889. 

BE. Cartier. Notise sur douse tiers de sol merovingiens in6dits. RB. 
num. fr. IV, 198—3203. 1839. 

A. Duchalais. Restitution à Baugé et à Loudun de deux monnaies 
merovingiennes attribudes & Baugency, àb Baugy et à Laon. B. num. fr. IV, 
204 - 2123. 1839. 

E. Cartier. VIIo lettre sur l’histoire monétaire de France. Nouvelles 
considersations sur les monnaies möärovingiennes. RB. num. fr. IV, 417—440. 
1839. 

‘de Lagoy. Description de quelques monnaies merovingiennes , decou- 
vertes en Provence. Aix. 1839. 4. (Bergl. R. num. fr. IV, 469 ff.). 

Catalogue raisonnd des monnaies nationales de France. Essai de G. 
Conbrouse. Paris 1839. 4. (Premitre partie. Troisidme Categorie. — 
Monnaies frankes: 1. Serie. Monnaies me6rovingiennes, pag. 1—59. Nr. 
1-—945). 

— — [Continnation]. Monnaies de France [n. 1. et a.} Monnaics 
merovingiennes, p. 61-83. Nr. 912—1046 et Rectifications. 


& 
Cumlsgue dıs kigundes des memmalıs mnirevingisunes , sulvant Vordıe 
BR sm V, 214— 242. 1840. 

A. Duckalsis Peiis de [mem rumein dans is Geule. EB. nem. 
Er. V. 251— 2535 1840. 

LeceizsreDupszt. Sefire zur zeis ers de sol d’or merovingiens. 
RE sm. fr. V. 3714-373 1840. 

Millingen Lese 3 W de Lengpirier sur une monnale inddite altri- 
tsse 5 Theodstert. RB sem fr. U, 424 —426. 1840. 

Chsbeuillet. Esssi d'sztribetion da tiers de sol meroringien de Vin- 
dev. R sm fr. V. 427—1430. 1840. 

de Lagey. Tiers de sel d’er de Cistaire, ftappé à Arles. BR. nım. 
fr. VE. 14 — 18. 1841. 

Disezssion sur les mondtsires de la premitre race, au Congres du Mans. 
RE zum fr. VI 72—77. 1841. 

Voillemier. Des premitres monnaies d’er mirovingiennes, et spöciale- 
ment de quelgquesunes de Thöodebert L R zum. fr. VI, 91—123. 1841. 

4A. Barthelemy. Notice sur un sceau meiroringien et triens trourds 
dans le Doubs. R zum. fr. VI, 177. 1841. 

(Quelques pieces de la premiire race, dams une notice de M. 8. Qui 
tins. — Quelgues triens merovingiens, dams une notice de M. Soret. R 
zum. fr. VI, 56f.; 397 fi. 1840.) 

A Duchalais. ÖObservations sur quelques monnaies merovingiennes. 
E. zum. fr. VII, 35—32. — 2. artiele. IX, 417—438. — 3. art. XII, 95— 
116. 1842. 1845. 1847. 

C. Robert. Tiers de sou d’or frappe en 557—558, au nom de Chil- 
debert L et de son neveu Chramme. RB. num. fr. VII, 340—343. 1849. 

E. Cartier. Catalogue des monetsires merovingiens. — Suppläment. 
R. num. fr. VII, 436—439. 1842. . 

H. Bordier. Notice sur la monnaie genevoise au temps des rols 
bourguignons de la premiäre race, et sur quelques monnaies merovingisnnes. 
Mem. de la socidts d’histoire etc. de Gendve I. 1842. 

Monetaires des rois merovingiens. Becueil de 920 monnaies en #3 
planches, avec leur explication. Paris 1848. 4. 

8. Fossati. De ratione nummorum ponderum et mensurarum in Galllis 
sub primae et secundae stirpis regibus. Memorie della male accademia di 
Torino. Ser. II, T. V. Scienze morali storiche e filologiche. Torino 1843, 4. 


B. Fillon. Tiers de sol d’or inddit de Sigebert I., roi d’Austrasie. 
R. num. fr. VIII, 196—200. 18463. 

De Laponce. Triens merovingiens trouves & Baint Aubin. EB. num. 
fr, VII, 466—468. 1843. 

B, Gu6rard. Polyptyque de l'abbé Irminon ete. T. I. Prolegomönes, 
commentaires et 6elaireissements. Par. 1844. 4. (ChapitreIV. se. 54—78. 


Monnsies). 
Akerman. Description of some merovinglan and other gold oolns. 


Lond. 1844. ° 
V. Duhamel. Quelques observations sur les triens de Quentovic. 


R. num. fr. IX, 37—40. 1844. 

A. Duchalais. Explication des sigles mörovingiennes C. A. BR. vum. 
fr. IX, 159—161. 1844. 

E. Cartier. Attribution de quelques triens merovingins. B. num. 
fr. IX, 386-390. 1844. 


3653 


@. A. Davoud-Oghlou. Histoire de la l#gislation des aneiens Ger- 
mains. 2 tomes. Berlin 1845. (Chap. II. De la monaaie. T. I. Introd. 
XXIU—XXV und Sect. B. bei jedem einzelnen Abfchnitte). 

C. Boach Smith. Merovingian coins, discovered at Bt. Martin’s near 
Canterbury. Numismatice chronicle VII, 187—191. 1845. 


E. Hucher. Essai sur les monnaies frappees dans le Maine. Le 
Mans 1845. 

B. Fillon. Tiers de sol merovingiens inedits. B. num. fr. X, 14— 
25. 1845. 

B. Fillon. Monnaies royales inedites merovingiennes; sol d’or de 
Childeric II. BR. num. fr. X, 345. 1845. 

A. Duchalais. Observations sur quelques monnaies merovingiennen. 
2. articee R. num. fr. X, 417—438. 1845. (ſ. 0.%.1842), — Nachtrag. 
R. num. fr. XV, 238. 1860. 

J. G. A. Wirth. Die Gefhiähte der Deutſchen. 1. Bd. 2. Abt. 
Stuttgart 1846. (Erſtes Buch, viertes Hauptſtück. Die beutihe Münzvers 
faffung im Zeitraum vom 5. bis zum 8. Jahrhundert. S. 72-108). 


C. Robert. La numismatigue merovingienne, consideree dans 865 rap- 
ports avec la geographique. Compte rendu de la 13. session du congrös 
archeologique à Meta, 1846. BR. num. fr. XIII, 239— 241. 


Voillemier. Notice relative aux triens de Choe. R. num. fr. X 
90—106. 1846. 

C. Robert. Tiers de sol d’or frappe & Mauriace. B. num. fr. XI, 
281—284. 1846. 

BE. Cartier. Monnaies merovingiennes du pays Chartrain. B. num. 
fx. XI, 117—123. 1846. 

A. de Longpe&rier. Notice des monnaies francaises-composant la col- 
luetion de M. J. Rousseau, accompagnee d’indications historiques et geogra- 
phiques , et prec&d6e de considerations sur l’&tude de la numismatique fran- 
eaise. Paris 1847. I. 

E. Cartier. Notice sur des monnasies merovingiennes trouvdes em 
Angleterre. R. num. fr. XI, 17—21. 1847. 


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RB. num. fr. XTI, 95—116. 1847. (f. 0. 3. 1842). 

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premiere race. — Annales archeologiques ed. p. Dideron. T. VHI, 17 ff. 
88ff. 192 ff. 1848. 

A. Senckler. Monnaies mörovingiennen. Lettre & M. Duchalais. R. 
num. fr. XIU, 76—80. 1848. 


C. Lenormant. Lettres A M. de Saulcy sur les plus anciens monu- 
ments numismatiques de la serie merovingienne. 1—4. R. num fr. XI, 
106—131; 181—212. — 5. R. num. fr. XIV, 17—39. 1848. 


C. Piot. Recherches sur les ateliers monétaires des Meörovingiens, 
Carlovingiens ete. en Belgique. R. num. beig. IV, 322 - 372. 1848. 

C. Lenormant. öde. lettre & M. de Saulcy sur les plus anciens monu- 
ments de la serie merovingienne. R. num. fr. XIV, 17—39. 1849. 


Chaudruc de Crazannes. Notice sur un nouveau tiers de sol 
d’or merovingien de Toulouse. RB. num. fr. XIV, 350-355. 1849. (j. o. 
%. 1848). " 

C. Robert. Tiers de sou d’or inedits. R. num. fr. XV, 23 - 27. 1850. 

A. Barthölemy. Lettres & M. Lecointre-Dupont sur les magistrats 
et les corporations pröposes & la fabrication de monnaies. 8. lettre. BR. num. 
fe. XV, 119-138. 1850. | 

A. Duchalais, Triens de Lyon. R. num. fr. XV, 822—826. 1850. 


354 


Voillemier. Lettre à M. Cartier sur Jos monnaies de Choe. RB. num. 
fr. XV, 527—538. 1850. 

C. Piot. Premier suppl&ment aux recherehes sur les ateliers mondtaire 
des Merovimgiens etc. en Belgique. RB. num. beig. VI, 366—376. 1850. 

B. Fillon. Considerstions historiques et artistiques sur les monnaies 
de France. Fontenay-Vendee 1851. 

C. Robert. Considerations sur la monnaie à l’&poque Romane et de 
scription de quelques triens merovingiennes. Metz 1851. 

C. Bobert. Monnaies merovingiennes de la collection de feu M. Be 
nault de Vaucouleurs. Metz 1851. 

A. Duchalais. Note sur un triens merovingien, frappe & Dourdan 
(pres d’Etampes). Memoires de la Societ6 archeol. de l’Orleanais. Orleans 
1851. T. I. (f. R. num. fr. XVII, 151— 153). 

de la Grange. Monnaies merovingiennes d’argent. R. num. fr. XVI, 
19—26. 1851. 

J. de Petigny. Monnayage de la Gaule depuis le commencement du 
V. siöcle jusqu’& la chute de l’empire d’Occident. RB. num. fr. XV, 113 - 
141; 185— 217; 301—332. 1851. 

M. Ardant et de Gourgue. Monnaies races du Limousin (merovin- 
giennes). RB. num. fr. XVI, 252—262. 1851. 

J.B. A.A. Barthelemy. Nouveau manuel complete du numismatigue 
du moyen age et moderne. Paris. (1852.). (Epoque merovingienne, S. 1—41). 

C. Robert. Etudes numismatiques sur une partie du Nord-Est de h 
France. Metz 18593. 4. 

Berry. Etudes et recherches historiques sur les monnaies de Franer. 
2 tomes et planchen. Paris 1853. 58. (Monnaies mörovingiennes I, 1— 90). 

J. de Petigny. Monnayage de la Gaule au milieu du VlIe siöcle R. 
num. fr. XVII, 98— 134. 18562. 

A. Duchalais. Observations sur quelques monnales merovingiennes 
publides en Belgique et en Russie. B. num. fr. XVII, 387--256. 18532. 

A. de Longpe&rier. Öbservations sur une monnale m 
trourde ä Eiseghem prös d’Audenarde. EB. num. beig. 2. s. HU, 129—138. 
1852. 

F. Clouet. Becherches sur les monnaies frappees & Verdun surMeuse, 
depuis l’&poque celtigue, ou Histoire de la monnaie verdunoise et de cell 
de quelques autres lieux du departement de la Meuse. Verdun 1858. 

B. Fillon. Lettres & M. Ch. Dugast-Matifeux sur quelques monnasies 
francaises inedites. Paris 1858. 

C. Lenormant. Letires & M. de Saulcy sur les plus anciens monu- 
ments numismatiques de la serie Mörovingienne. 6—9. let. R. num. fr. 
XVII, 99 - 130; 277—316. 1853. (f. o. 3. 1848 u. 1849). 

E. Vanderstraeten. Nouvelles observations sur la monnaie möro- 
vingienne trouvede aux environs d’Audenarde. B. num. beig. 3. s. II, 1—B. 
1853. 

C. Buvignier. Anzeige der Schrift von C. Robert, Etudes zumis- 
matiques sur une partie du Nord-Est de France. RB. num. beig. 2. 4. II, 
219—234. 1858. 

P. Cuypers. Une monnaie merovingienne frappee & Anvers. R. num. 
beilg. 2. s. III, 358— 356. 1858. 

E. Thomas. Description de cing monnaies franques inedites, trourdes 
dans le cimitidre merovingien d’Envermeu, precedee de considerations hi- 
storiques sur les systtmes monetaires en usage chez les Francs, aux V. et 
VL siecles. Dieppe 1854. 

A. Duchalais. Triens de la Frise. RB. num. fr. XIX, 51 60. 1854. 

C. Lenormant. Lettres & M. de Saulcy sur les plus anciennes moms- 
ments numismatiques de la serie merovingienne. 10. et 11. lettre.. B. num. 
fr. XIX, 257 — 274; 405—346. 1854. (f. o. 3. 1848. 1853), 


"365 


J. de Petigny. Etudes. sur le monnayage den tems meroviatiens R. 
num. fr. XIX, 373—418. 1854. 

Bretagne. Tiers de sou d’or au nom da rol Clotaire I. R. num. 
fr. XIX, 419—428. 1854. 

C. Burvignier. Considerations sur la monnaie y l’6poque romane. 
(Beiprehung ber Schrift gl. X. v. Robert). R. num. beig. 2, s. IV, 120 — 
135. 1854. 

ö Grote, Neberficht der Sefiäte des beutfchen Gelb: und Münze: 
fend. Münzftudien Nr. 1, ©. 139—144. Leipzig 1855. 

Cartier fils. Fragment d’un Manuel de numismatique Francaise. R. 
num, fr. XX, 242—270. 1855. (Monnaies de la premiäre race, 254 — 270). 


Bretagne. Tiers de sou d’or frappé dans le Gövaudan au nom du 
roi Childebert II. R. num, fr. XX, 386—340. 1855. 

E. Cartier. De quelques nronnaies nouvellement publides. (Mero- 
vingiennes ete.) RB. num. fr. XX, 896—411. 1855. 

P. Salmon. Notice sur deux monnaies merovingiennes d’argent inedi- 
tes de Troyes. R. num. beig. 2. s. V, 163—169. 1855. 

P. Salmon. Fragments de numismatique senonaise. R. num. belg. 
8. 3. V, 173-197. 1855. ebbj. 3. s. I, 61--95. 1857. 


E. Cartier. Tables generales et raisonnees par ordre des matiöres 
des 20 volumes de la I serie de la revus numismatigue. Par. 1856. Chap. 
IV. Monnaies merovingiennes ©. 143— 226. 

de Lagoy. Becherches sur l’explication des monogrammes de quel- 
ques medailles inedites des derniers temps de l’empire d’Occident et de l’e- 
poque merovingienne. Aix 1856. 4. 

C. A. Bethaan Macare. Tweede Verhandeling over de by Domburg 
gevonden romeinsche, frankische, britannische en andere munten. Middel- 
burg 1856. 

Chaudruc de Crazannes. Lettre sur un tiers de sol attribue à 
Charibert I. roi de Paris. Bevue archeologique.. 1856. 

 P. Salmon. Notice sur un triens inedit d’Avallon. R. num. belg.. 2. s. 
VI, 392—398. 1856. 

0. Piot. Monnajies trouvdes dans "un camp franc du VI. aidelo. R. 
num. beig. 2. s. VI, 70-73. 1856. 

F. Rabut. Tiers de sou mörovingiens inedita trouvds en Savois, et 
appartenant & l’ancien royaume de Bourgogne. Chambery 1857. 

Bretagne. Tiers de sou inedits. B. num. belg. $. 3. I, 25850. 1857. 


M. Deloehe. Description des monnaies merovingiennes du Limousin. 
Parties I-IX. RB. num fr. 2. s. II, 415—440; III, 58-70; 319— 830, 898 
—409; IV, 158-185; V,:2395—310; VI, 30—44; 290-807; 348 - 363. 
1857 — 1861. 

BRondier. Monnaies aux initiales ME. R. num. fr. 2. a. III, 451— 
456. 1858. \ | 

RB. Chalon. Tiers de sol merovingiens,. BR. num. beig. 3. s. II, 
261—266. 1858. 

Chaudruc de Crazannes. Numismatique merovingienne; monnaies 
de Metz et de Saintes. R. num. belg. 3. s. u, 344 - 362. 1858. 

L. de la Saussaye. Notice sur la vie et les ouvrages de M. de 
Pötigny (enthält eine Analyfe der Anfichten Petigny's über das fränfifche Gelb: 
weſen.) BR. num. fr. 2. s. IV, 60-79. 1859. 

A. de Barthelemy. Monnsies et medailles insdites (Nr. 2, 30.6. 
Merovingifhe Münzen). R. num. fr. 2. s. IV, 186—198. 1859. 

3. 9. Müller. Deutſche Münzgeſchichte. 1. Th. Deutſche Müngge: ⸗ 
ſchichte bis zu der Ottonenzeit. eeipaig 1860. 2. Abſch. Anfänge des fr 
fiihen Münzweſens. ©. 61—% u. a. St. 

A. Carpentin. Quelques monnaies rares ou inedites de la bibliothöque 


de Marseille (Monnaie de cuivre de Theodsbert. — Deuier attribné à St. 
Vietor de Marseille). B. num. fr. 2. s. V, 44. 1860. 

Beilleau. Bestitutien & Tours d'un tziens merovingien. B. zum. fr. 
2. s. V, 811-314. 1860. 

A. Namur. Interpretation d’un triens merovingien da peys des Au- 
lerques, frapp6 à la fin du 7. ou au commencement du 8. siöcle. BR. zum. 
beig. 3. s. IV, 133— 148. 1860. . 

&. Baip. Weber die Münzverhältniſſe in den älteren Rechtsbüchern bei 
frinfifhen Reichs. Aus dem 9. B. der Abhandlungen ber königl. Geſellfchaſt 
der Willenfchaften zu Göttingen. Göttingen 1861. 4. 

A. Carpentin. Piöces gallo-greeques de Marseille. — BR. zum. fr. 3. 
a. VI, 397—406. 1861. (befp. daj. S. 404 — 406 cinen merovingifchen 
Denar von Marfeille). 

H. Grote. Die Solidi und Denarii der Merovinger. Münzflubien. 
Neue Folge der Blätter für Münzkunde. 8. II, ©. 789-858; u. 1008 fi. 
Leipzig 1862. 

A. Namur. Trois tiers de sou d’or semi-romains, ou imitations bar- 
bares franques du type byzantin. Rev. num. beig. 3. s. VI, 12— 382, 18862. 


Gumerkung IE. 
Ueber die Saigae. 


Die in einigen Rechtsbüchern ber fränkifhen Zeit fowie in Urfunden be 
Mittelalters vorkommenden Erwähnungen ber Münzſorte oder Werthbezeich⸗ 
mung en salga (oder salca) find im Weſentlichen folgende. 

Lex Alamannorum. 

Pactus 1Il, 8. Si [armentum] indomitus fuerit, duas sagias conponatur. 

Addit. ad legem Hlioth. CU, 5. Si quis sapriolam oceciderit, saiga 
[componatur]. 

Karolina VI, 1. Nam si duas saigss valentem supra solldum res va 
Inerint ete. — 3. Baiga autem est quarta pars tremissi, hoc est denarins 
unus. Duo saigi duo denarii dicuntur etc. -— 8...... Et supra tres 
solides iterum duas saigas valentes aliquis interpellatus fuerit ete. 

Epitom, leg. Alam. 88. Bi capriolam occiderit, saica. — 

Lex Bajuwariorum. 

V, 1. Biineum [frilas] sanguinem perfuderit, cum 8 saicas et semi 
eonponat. — XIII, 4. Si quis contra legem porcos ad piguus fulerit, weum- 
.quemqus cum 23 saicas conponat. Illam duetricem cum tremisse coupomat. 
— XIV, 9. Si cornu [bovis) exilierit et ossa remanserit, 2 saicas donet. - 
xIV, 10. Si vaccam alterius hujusmodi laederit [caudam amputavegit vel 
aurem], cum duas saicas conponat. 

IX, 2. Si una saica, id est 8 denarios, furaverit, solus juret secan- 
dum legem suam. Si duas saioas, hoc est 6 denarios ,. . . . cum 58 
cramentale uno juret. 

I, 3. De una saica solus juret. De duabus saicas vel tres et 
usque ad tremisse cam uno sacramentale jaret. — 

Notiz in einem Manufcript der Gratzer Bibliothek, gegen Ende des zwölf: 
ten Jahrhunderts geichrieben, mitgetheilt von Wattenbady, gedrudt in Merlelt 
Ausgabe der Lex Alamannorum p. 132. 

Secundam legem Francorum et Alamannorum et Saxonum et During“ 
rum et Linbarinorum 5 denarios valet saiga, 4 denarios tremissa, 4 saige 
solidum faciunt. Secundum legem Bawariorum secundus semis denarios seoti 
valet, 3 duobus scotis, 5 denarios valet saiga, 7 denarios tremissa, ter 5 
semisolidum faciunt, sexies 5 denarii solidum faciunt, 8 aolidi libram facimt. 


867 


Traditiones Sancti Galli. 

u. b. J. 761 (©. 16): 

exinde annis singulis censum solvam, hoc est de annona spelda modias 
10 et de avina 20 et frisginga seigit valenti. 

761 (&. 17): eensum aolvat per singulos annos 20 siglas de cervisa 
et maltra de pane et frischinca saiga valente. 

763 (&. 20): censum exsolvere debeas, id est tringinta siclas cervisa 
et quaranta panis, friscinam tremissalem et pullos duos, in quisqua sitione (?) 
saigatam unam ares (?). 

765 (©. 23): frisginge saiga valente; (eine anbere Urkunde beifelben 
Sabrs 765: friseinca tremisso valente). 

769 (&. 30); frisginga saiga valente. 

774 (©. 42): frisginga seige valente. 

776 (©. 45): frisgings saiga valente. 

779 (S. 50): frisginga saiga valente. 

783 (©. 55 u. 57): frisginge saigada valente; — frisginga saica 
valente. 

7% (©. 83): frischinga saiga valente; (in einer Urkunde des folgenden 
jahres 797: denarius 5 aut frischinga sic valente). 

799 (S. 98): berbicem saiga valente. (Diefe Stelle ift die nämliche 
welche Merkel a. D. aus dem Wirtemberger Urkundenbuche, No. 52, anführt). 
Mi 3) (S. 127): duas saigas anone (au im Wirtemb. Urkundenbuch, 

0. . 


812 Specimen breviarii — rerum flscalium Caroli Magni (Eckhard, 
Comment. de rebus Francise orientalis UI, 902 fj.). 
de lino ad pisam seigam 1. 


Traditiones Frisingenses. 
825 ala jährliche Abgabe friskinga 2 saicas valente; zwei Mal (Mei- 
cheibeck I, No. 481). 


906. Leges portoriae beftätigt durd) dag Placitum von Raffoltestetum 
(Additio X in Merfeld Ausgabe der Lex Bajuwariorum, ©. 481). 

Als Zollabgaben werben unter Anderm aufgeführt: 

de servo saigam 1, similiter de equa. 


1143. Paſſauer Schenkungsurfunde (Monum. Boiea, XXVIII, 1, 104). 
... ut ille Geroldus .. .. . ad predictum altare seigam auri an- 
nuatim persolvat, 


Außer dem bereitö bei ben Rechtsbüchern ber Alamannen und Baiern 
Bemerkten ift hier nur noch darauf binzumeifen, daß feine ber fonft vorkom⸗ 
menden Erwähnungen der Geige, weder in ber Gloffe ber Gratzer Hanbfchrift, 
nod in den Urkunden, ber früher nach Anleitung der Angaben in den Rechts⸗ 
büchern gegebenen Erflärung wiberfpricht, wonach die Saiga urfprünglich diefelbe 
Münze und benfelben Werth bezeichnet hat wie ber denarius bei den Ripua= 
rifhen Franken, nämlid den alten römifchen Silber:Denar, ald zwölften Theil 
des Gold⸗Solidus gerechnet, 


Für die Anſicht, daß die Saiga urſprünglich mit dem alten römiſchen De: 
nar identiſch geweſen, dürfte vielleicht noch folgende Combination zu erwähnen 
fein. In der zu Raffoltſtädten u. db. J. 906 beſtätigten bairiſchen Zollver⸗ 


ordnung, in welcher, wie wir geſehen, die Werthangabe saiga vorkommt, 


wird auch noch des scoti gedacht mit der Erläuterung: semidragmam, id est 
seoti 1. Die Notiz der Gratzer Handfchrift erwähnt andererfeit3, daß ber 
scotus gleich fei 14 (fränfifchen) Tenaren, alfo, da 3 Tenare auf die Saiga 
gingen, auch gleih 4 Saiga. Sind beide Angaben rihtig, fo folgt daraus 
weiter, daß die Trachme unb bie Saiga gleihgefhäßt wurden. Bon der 
Drachme wiffen wir aber wiederum, daß zwijchen I und dem bamaligen 
guten römischen Tenare in ber Prariß fo gut wie kein Unterichieb gemacht 


U. 24 


wurde?. Hiernach würde alfo das Zeugnig von ber Tebereinftimmmung be 
Gaiga mit der Drachme zugleih als eine Beftätigung dafür anzufehen fein, 
ba die Saiga urfprüngli dem römiſchen Denar glei, ober vielmehr um 
eine deutſche Bezeichnung für den römifhen Denar geweien if, währe 
ber Name Stay oder Skatt (scotus) für den Duinar ober fpäter die Siliqu 
bei ben Baiern in Gebrauch kam?. 

Als im Laufe der Zeit diefe Dünzforte in Alamannien und Baiern, we 
ber Name saiga vornämlich in Gebrauch geweien fein muß, verſchwand, ſcheint 
man biefe Bezeichnung für den ibeellen Werthbegrifi von brei gewöhnlichen 
(fränkifchen) Denaren beibehalten und bisweilen noch in Anwendung gebracht zu 
baben. Die außerordentliche Seltenheit des Borfommend biefed Namens ſeit 
dem Ende des achten Jahrhunderts läßt jebodh abnehmen, baß bdiefe Wert: 
bezeihnung ſeitdem mehr und mehr verloren ging, und daß man faft voraus 
fegen darf, daß, wo der Name nad Anfang bed neunten Jahrhunderts noch 
erſcheint, er eigantlih nur bie Wiederholung einer vorgefundenen berfömmli: 
hen Werthbeftimmung war; fonft müßte natürlich berfelbe viel häufiger in 
ben Urkunden vorkommen. 

Es ift zuweilen die Meinung geäußert, daß saiga neben ber Benennung 
einer Münze ein Gewicht bezeichnet babe. Die Gegenftände, binfichtlich deren 
dies nach einzelnen Angaben in den Urkunden der Fall fein könnte, find indeß 
zu verfchiedenartig — saiga annonae, saiga lini; saiga auri —, ala daß biefe 
Annahme für irgenb zuläffig eradhtet werden Tann; saiga bezeichnet in allen 
diefen Fällen ofjenbar nur indirect ein Duantum, nämlid immer basjenige, 
welches für eine saiga anzuſchaffen ift oder dem Werthe ber saiga entipridt. 


Ueber die Etymologie bed Namens saige oder saica theilen wir fchliek- 
li bie Anfichten der deutſchen Sprachforſcher mit. 

Nachdem ſchon Schilter in feinen Bemerkungen zur Veberfeßung ber 
Lex Alamannorum im Anhange zu Königshovens Straßburger Chronik zur Er: 
läuterung der saiga an bie nad) Tacitus Bericht bei den Germanen beliebten 
nummi serrati erinnert unb dbemgemäß saiga durd „Säge erflärt Hatte, iR 
auch Jacob Grimm (Deutſche Grammatik, 3. Aufl. I, 103) dieſer neh 
beigetreten, ohne fie indeß mit voller Beftimmtbeit als unzweifelhaft Binzufel- 
len. Er äußert fich darüber wie folgt. 

„As findet fi öfter und organifcher (denn bier kann fein Tateinifcher 
Schreibgebrauch einwirken) in einzelnen Denkmälern ftatt des gemeinalthod: 
beutfchen es, alfo dem gothifchen as in Lagen, wo fein w, A, r nachfolgen, 
gleich ..... Beide dad alamannifche und bairifhe Geſetz haben daisähumt 
(canis ductor), verſchiedentlich aber bei ſoviel als Denar bebeutenden Ausdrud 
saiga. Gr entipricht dem lateinifchen aerra; serrati nummi, bie geränberte 
Geldmüngze der Römer war bei den Germanen beliebt. Gothiſch Tautete sage 
vielleicht säiha? Denn ich möchte ed auf bie Formel seiha, sdäih, sdihum 
leiten, um das lat. seco wie das ahd. säh (vomer), sögensa (falx) und sk 
chila damit zu vereinen; da8 agf. säge, sAga würbe, wenn bad & richtig iſt, 
genau zu saiga paflen, doch habe ich Fein gemein ahd. seiga, fondern sage und 
söge (Schm. 3, 208) aufzumweifen. Das & beflimmt der mtb. Reim: söge: 
pflöge Geo. 4694, obgleich altn. nög, ſchwed. säg, dän. savr, engl. saw ein a 
fund geben; wie follte aber das alte saiga für siga ober saga (sagge leſen 
einige codd.) zu fehreiben fein?“ 


186 Bol. F. Hultſch, Griedifhe und römiſche Metrologie. 1862. S. 184 

⸗ Die Erklärung in einem von Graff (Diutisca I, 205) mitgetheilten 
altdeutfchen Gloffar: Dragma trimise, dragma est scriptolus ist anderbalp 
cs; \ augenſcheinlich durch Schreibfehler oder Auslaffung entftellt und völ 
ig unklar, 


859 


In Graffs althochdeutſchem Sprasfgap 8. VI, ©, 143 findet ſich bei 
biefem Worte weitered nicht angegeben als nur bie Stellen aus ber Lex Alam. 
und ber Lex Bajuw., und eine Gloffe: seige — denarius. Graff fcheint alfo 
bie Deutung be3 Namens saiga ober saica durch das altbochbeutiche saga 
(serra) nicht für zuläffig, oder doch nicht für ficher gehalten zu haben, benn 
fonft würde er vermuthlich hierüber eine Bemerkung haben einfließen laſſen. 

Anbere haben ben Namen saiga in Verbindung gebracht mit dem fpäter 
beim Münzwefen öfter vorkommenden Ausdruck faigen oder feigen (vergl. 
Schmeller, Bair. Wörterbud II, ©. 209), allein ohne irgend einen einfachen 
Zufammenbang nachzuweiſen. 


SCumerfung III. 


Ueber die Hancosi. 


Die bei der Beſprechung des älteren bairiſchen Geld- und Münzweſens 
vorgekommene Erwähnung der mancosi ober mancusi giebt Veranlaſſung, bie 
über diefe raͤthſelhafte Münzforte oder Wertbbezeihnung uns befannt gewor⸗ 
benen Stellen der Schriftfiellen und Urkunden des Mittelalter fowie die ſich 
bataus ergebenen Folgerungen überfihhtlich zufanımenzuftellen, was bisher noch 
nicht geſchehen if. Allerdings find im Glossarium von Du Cange, bann 
von Girolamo Zanetti im Ragianomento della moneta Venetiana (Argelatus, 
De monetis Ital. dissert. III, append.), vom Grafen Carli in ber Disserte- 
tio IV. delle Zecchi d’Italia, und endlich unter Aufnahme alles früher geſam⸗ 
melten Materiald, von G. X. Zanetti in feiner Abhandlung Delle monete di 
Faenza (Nuova raccolta delle monete e zecche d’Italia, t. II, 341—452, $. II 
dei Mancosi d’oro) eine große Zahl von Eitaten und Bemerkungen gefammelt 
worden, allein ohne Rückſicht auf bie chronologifche Neihefolge und die vers 
fiedenen Länder. Nur wenn man zuvor von biefem Gelihtöpunfte aus bie 
vielfach zerftreueten Notizen georbnnet bat und fie mit beutlicher Unterfcheibung 
defien was nicht zufammengehört und deſſen was in einem unverfennbaren 
natürlihdem Zuſammenhange fteht, prüft, wird fi mit einiger Zuverſicht eine 
beftimmte Anficht über bie mancusi begründen, ober auch die Ueberzeugung 
gewinnen laflen, daß bie bis jet beigebrachten Angaben noch nicht genügen, 
um mebr als bloße VBermuthungen auffellen zu können. 

Wir beginnen mit ben Nachweiſen, welche fih auf das Vorkommen biefer 
Münzforte oder Wertbbezeihnung in Stalien und Deutfchland beziehen, und 
führen dieſelben nad dem Wortlaut der in. Betracht kommenden Stellen, foweit 
wir dazu im Stande find, in chronologifcher Reihefolge auf. 

n Urkunden aus den Zeiten bed felbfländigen Iongobarbifchen Reichs, 
bis 774, fcheint der Augbrud mancosus, mancusus ober mancusa nirgends 
vorzufommen. 

Die früheſte Erwähnung ber mancusi, für bie man eine beftimmte Jah: 
reszahl angeben kann, findet fich in einer in der Abtei von Sefto in Friaul 
aufbewahrten Urkunde vom Jahr 778, und die letzte uns befannte vereinzelte 
Erwähnung in Italien datirt vom Jahre 1184. 

778. Urkunde über eine Schenkung an das Klofter Sefto in Friaul, da⸗ 
tert Regnante viro excellenti domino nostro Carolo regi, ex quo Austriam 
preoccupavit, anno tertio de mense Januario per indict. prima. 

Si aliquis autem praesumpserit inquietare predictam donationem, subja- 
ceat persolvere XX mancoseos auri domno regi qui tunc tempore erit. 

(Carli a. 8. II, p. 109 ff.). 

um 784. Anastasius bibliothecarins de vita Hadriani (Pabſt von 772 
bis 795). 

. ). . haeredes praedicti Mastalis dederunt atque venundarunt eldem 


magno praesuli cum fundis atque casalibus ecclesiae 8. Leucii portionem eis 


24* 


eompetentem posita via Flaminia milliario ab urbe Roma plus minus qguin- 
que et in auro solidos mancusos numero ducentos. 

Ausgabe Rom 1718. Fol. I, 265). 

94. Concambium inter Mauroaldum abbatem monasterli Sanctae Marias 
Farfensis et Usualdum abbatem monasterii Sancti Salvatoris Restini. Im 2i. 
Sabre der Regierung König Karla in Stalien, 2. indict. 

Et si qua pars removere voluerit, componat parti alterae aurimancos XX. 

(Chronicon Farfense bei Muratori, Scriptores rerum Italicarım II, 2, 355). 

Anf. des 9. Jahrh. Schenkung bes Medi an dag Klofter Nonantola: 

sit pena compositura da me vel da hereditas mea componere et dare 
00... auri idibire mancosos centum. 

(Tiraboschi, Storia dell’ augusta badia di Nonantola T. II, p. 33). 

Anf. ded 9. Jahrh. Eine von Marini (Papiri Nr. CXXVII) mitgetheilte 
Verkaufsurkunde, ohne nähere Angabe des Jahres. 

precium auri solidos mancusos bisantheos 270. 

Ebendaſelbſt (Nr. CXXVI). 

solido mancosos. 

800. Placitum missorum Caroli regis ad populos Histriae. 

eo... . Unde nos interrogastis de justitiis dominorum nostrorum, quas 
Graeci ad suas tenuerunt manus usque ad illum diem, quo ad manus domino- 
rum nostrorum pervenimus, ut scimus, diecimus veritatem. De civitate Po- 
lensi solidi mancosi sexaginta etsex. De Ruvinio solid. mancosi40; 
de Parentio mancosos Sexaginta etsex. Numerus Tergestinus mancosos 
sexagintae, de Albona mancosos 30, de Pedena mancosos 20, de 
Montanna mancosos 30, de Pinquento mancosos 20. Cancellarius Cr 
vitatis novae mancosos 1%. Qui faciunt insimul mancosos 344. Isti 
solidi tempore Giraecorum in palatio eos portabant. .... e.. Omnia ista 
dux ad suaın tenet manum, exceptis illis 344 solidis, sicut supra scriptum 
est, quod in palatio debent ambulare. 

(Ughelli, Ital. sacra, V, 1097). 

808. Schenkung eines Grundſtücks bei Sinigaglia an bad Klofter Seſto 
in Friaul, batirt vom 13. Jahre des Pabſtes Leo, imperante domuo Carolo 
eo 0... anno VIII. 

qui hac mea donatione disrumpere vel evacuare voluerit, ante omnis Htis 
initium aut interpellationem pene nomine auri mancusios et solidos lib. 
12 etc. 

(Carli a. B. — G. A. Zanetti II, 375). 

814. Placitam Spoleti habitum ab Adalhardo abbate. 

Si... . removere quaesissent per qualecunque ingenium , componerent 
mihi mancos [mancosos] 190. 

(Muratori, Script. rer. Ital. II, 2, 361). 

816. Urkunde des Kaifers Ludwig L zu Aachen in Betreff des Kloſters 
beö h. Zeno zu Verona. 

aut manculos [mancusos] viginti aut quinquaginta solidos argenti ac- 
cipere debeat pontifex. 

(Ughelli, Italia sacra V, 706). ©. u. bein %. 1024 und über die Echtheit S. 363. 

815—826. Inventarium Fortunati, patriarchae Gradensis, zur Zeit Kai⸗ 
fer Ludwigs 1. 

. . . lineas duas cortinas historiales, quae ceircundant tota sedilia, unde 
misi (bier fehlt etwag in der Hoſchr.) velo majore ante reges, que emi de 
Christophoro episcopo m&anc0sos viginti. Auro facto pensante manco- 
sos 30 et 3, argento facto de mesa lib. 72. . . ... Ad augendum trans 
misit in Franciam mancosos 50 et bonas gemmas adamantinas et jaguntos. 
ut faceret meliore [calicem], si sanus est et vivus. Ludowicus. 

(Ughelli, Ital. sacra V, 1103). . 

827. Tabularium Casauriense, an. 13. Ludov. imp. indict. 11. 

Ut componerent ipsi Totoui vel suis haeredibus mancosos 50. 


861 


833. Urkunde des Kaifers Lothar I. für das Mofter des heil. Jeno in Verona. 

Scis$ se compositurum mille mancusos auri obrisi. 

(Ughelli Ital. sacra V, 718). 

840. Urkunde des Kaiferd Lothar I. zu Pavia außgeftellt. 

Volumus ut pro 6 mancosis solidis ab uno homine sacramentum 
recipiatur; ot si plus fuerit usque ad 12 mancosos, duorum hominum sa- 
eramento sit satisfactum, et ita usque ad 12 librarum Veneticarum Semper 
addendo ad duodecim electos juratores perveniat, ut quantae sint librae tanti 
sint juratores. 

G. A. Zanetti a. B. II, 372). 
7—855. Im Leben bed Pabſtes Leo IV. wirb erwähnt: 

multosque ei argento manc0803 praebuit. 

(Anastasius biblioth. yit. Leonis IV. p. 197). 

857. Im einer Urkunde des Kaifers Ludwig IT., worin einem Mailänder 
Diaconus mehrere Güter gerichtlich zuerkannt werben, wirb als Strafe für 
die, welche dies anfechten, feftgefebt: 

mille mancusos auri. 

(G. A. Zanetti a. B. U, 372). 

861. Ducenti manicosi. 

‘(Mittarelli, rerum Faventinarum Scriptores. f. Zanetti a. B. II, 355). 

1. Urkunde von Kaifer Karl II. 

duo milia mancosorum. 

(Neugart, Cod. dipl. Alemann. I, 426). 

Entſcheidung über gewiffe Schenfungen an ba8 Klofter St. Gallen durch 
bie missi domini regis Nordpertus episcopus et Folhroch comes in fine Clu- 
sins (in Stalien); das Jahr nicht angegeben, in ben Tradd. 8. Gall. nach 816. 

... Folchartus et Adalolfus ejus fideijussores sunt in mancosos mille. 

(Goldast, Alamannicarum rerum scriptt. II, 77. Tradd. 8. Gall. ©. 129). 

883. Schenfungdurfunde bed Kaiferd Karl II. an das Monasterium 
Casauriense. 

Si quis contra hanc traditionem venire aut eam infringere voluerit, mille 
mancosos auri eidem monasterio persolvere culpabilis habeatur. 

(Chronicon Casauriense, lib. 1, bei d’Achery Spicileg. II, p. 939). 

894. Urkunde 8. Arnulfs für das Klofter St. Ambroſio. 

duo milla mancosos auri obrisi. 

(Fumagalli, Cod. diplomatico Sant. Ambros. p. 536). 

894. Charta precariae, per quam Grifo et Leo fratres a Majore Vul- 
turnensi abbate in emphyteusim recipiunt cellam et ecclesiam 8. Valentini. 

Et sic debeamus qualescungue de nobis dare et persolvere censum .... 
annualiter de argento mancusos duo. 

953. Tabularium Casauriense, u. d. 

argenti mancosos 20 componamus,. 

998. Urkunde bed Kaiferd Dtto IH. zu Gunften bed Bifhof von Cre⸗ 
mona. Die Zumiberbanbelnden werden mit einer Strafe bebrobt von 

duo millia mancosos auri. 

(G. A. Zanetti a. B. II, 372). 

1014. Betätigung einer, Urkunde von Raifer Ludwig I. v. 3. 816 in 
Betreff des Kloſters des 5. Zeno zu Verona durch Kaiſer Heinrih U. 

ut in festivitate ipsius 8. Zenonis annis singulis aut mancosos vi- 
ginti aut quinquaginta solidos argenti accipere debeat pontifex ip- 
eius civitatis cum suis clericis ab ipsis monacis etc. 

(Zanetti a. 8. II, 379). 

1014. Placitum Rainerli ducis Thusciae, in quo litem de duabus eccle- 
siis dirimit pro Farfense monasterio. 

Exinde misit bannum domni imperatoris, ut si quis monasterium hoc de 
eis disvestire praesumserit, duo millia mancösofum aursorum composi- 
tor ezistat. 


Muraterrf Besige. zes. ini. DI, 2, 325 

, Ar een Pieckum zı Momur  Tgheii. Eule zum. I. 10, 

Ind), een zaüeı zz Alscaız : Fissenciui — hellıs. gu omanrass 
Muttlda ai. 2. da Mass. Dee g- 43. mu 

1%, een faſex zı Korur . kai I, I37, zu 
nie Errsfe fir Sie Jesmerfartemer Setmem:: 

dan miles Mannes 202 aLrass 

17. Hrtraıse sc Marzussi. Deile Antich. Estems g. BB, onperlle: 

maneseis sıren. 

1%. ECıfomme Haze Dez cr Einem 

u CmmESEn zegis veh mueszcarns GE ERLMEITEIGE MUMHEEEESE. BUTEOS 
yeruiva. 

“Mia Bries III. p- 314), 

154. Gfrııe u Chresisse Velkurnsnse. 

Compsanasss üb . EARCOSij SrLmnginmn. 

(Mzestsei Script. rer. ka. L 2. Sir 

Bezı ur sex inter Grulfucıer ver mancesi zicz Tr: 


2 : zertcherter zni tıbe 
wilden x Exinex eigen Ikonen Kalieit air ur —5— 
fein tiriten, iz Safeı & Yerat m Beintüiger mir Exrherkeit ober Igie 


4 
Auſichten ar ide Mizzierte ever Beriban; 
1. Zu itagſiche Mazzierte wirt in ben labgeſeben ren dr 
dinen, efientar cerrumyirien Perazuugn wie mancasia x.) tbrilä mamessi, 
theiſs mazensi yenamm; bie erkere Ecreibweiie jdeni bie birfiyere zmb ur 


Iprinafige zu fein. 


ein ober zwei Mal rorlemmende Bezeichnung mamcosi argentei wirb fatt 
Gricben ı ober in ber Handſchrift nicht ar geleſen ſein. 

3. Der solidus maneosus wirb byzantiniſchen Urſprungẽ fein. Hierauf 
führt die in einer von Marini mitgetheilten Papyrus-Urkunde vorkounmenbe 
fpecielle Bezeichnung: auri solidos mancusos bisantheos, und baun kefonbers 
ber Umfland, daß man bie erſten wieberbolten Angaben in kiefer — 
in Gegenden "findet, welde mit bem oftrömifhen Reiche | in näherer Berbind 
verblieben waren (Jitrien, Venedig, Ravenna u. a.), und einige biefer Angaben 
fi gerade auf Zahlungen beziehen, bie früher nad Gonflantinopel bin gelei: 
flet worden waren. 

4, Tie Art ber Erwähnung in einer iſtriſchen Urkunde zur Zeit bei 
Kaiferb Ludwig 1. zeigt, baß bie maneosi aud, eine Gewichtsangabe bezeihne- 
ten. Es bat dies aber nicht? Auffallendes , da befanntlid die solidi ebenfalls 
häufig zur — eines beſtimmten Gewicht⸗ (von „3 röm. Pfund), ohne 
Müdfiät auf Prägung bienen. Dan barf aus jenen &i ellen in 1 (Ofichen, 
daß ber mancosus ur/prüngfid unb bauptfählih nur ein beſtimmt icht 
Edelmetall, keine wirfligde Münze geweſen fei, jonbern e3 Tiegt barin vielmehr 
nur noch ein weiteres Anzeihen, daß mancosus in gleihem Sinn wie solides 
gebraucht wurde. 

b. Benngleich der mancosus nur eie Art ber allgemeinen Münzſorten 
ber —R war (ſ. o. unter Nr. 2), ſo ward er doch zuweilen auch von 


32 
13 


363 


ben solidi, fobald hierunter fpeciell die gewöhnliche Art biefer Drünzen ver: 
fRanten wurde, unterfchieben. 

Ueber den Werth bed mancosus geben zwei unter den oben gefam: 
melten Belegftellen einen beflimmten Nachweiß ober doch eine kaum zwei⸗ 
felhafte Andeutung. Die eine ift die von Kaifer Heinrid IL. im Jahre 1014 
beftätigte ältere Urkunde zu Gunften des Biſchofs von Verona, indem es darin 
beißt: mancosos viginti aut quinquaginta solidos argenti. Hiernach würde 
ber mancosus gegolten haben 30 Silber:Denare wie fie damals Reichsmünze 
waren. Die ältere Urkunde, welche 1014 nur beflätigt wurbe, fol urfprüng: 
lich von SKaifer Ludwig zu Aachen im %. 816 außgeftellt fein, und würde 
alfo, wenn biefe ältere Urfunde echt wäre, Gierburd eine Werthbeſtimmung 
des mancosus gegeben fein, welche ziemlich nahe an bie Zeiten hinanreicht, in 
denen wir zunächſt eine Erwähnung diefer Münzforte antreffen. Wenn mın 
auch jene auf Kaiſer Lubwig I. und das Jahr 816 zurüdgeführte Urkunde in 
ber beftätigten Faſſung untergefhoben fein mochte, fo wird damit nicht aus: 

eſchloſſen, daß nicht in einer echten alten Urkunde Kaifer Ludwigs, welche ber 
m Intereſſe des Biſchofs von Verona gefälfchten zum Grunbe Tag, bie bier in 
Betracht kommende Erwähnung ber mancasi und "ihre NRebuction auf Silber: 
Denare ſchon geftanden hat. Daß nämlich in einer erſt um 1014 fabricirten 
und vorbatirten Urkunde jene damals doch nur felten vorkommende Angabe 
in mancosi und bie ungewöhnliche Beifü ng der Reduction auf Silber-Denare 
entftanden feien, erfcheint an und für fih höchſt unmahrfcheinlih. Die Ueber: 
einftimmung jener Nebuction mit einer ebenfalls im Sabre 816 in Freifingen 
ausgeſtellten Urkunde, wo eine jährlihe Abgabe auf 1 Gold⸗Solidus ober 30 
Denare angeſetzt wird, ift früher ausführlich erörtert (f. ©. 338). Auch wol: 
len wir bier die Bemerkung fhon mit aufnehmen, baß die Gleichftellung bed 
mancosus mit 30 Denaren damit übereinftiimmt, daß bei ben Angelſachſen ber 
ſ. g. mancus ebenfall® in 30 Denare getheilt wurbe; allein wir glauben, baß 
bierauf ein befondere® Gewicht nicht gelegt werben barf. 

Dagegen fcheint eine andere, der Zeit nach nicht eben ferne ftehende kai⸗ 
ferlicde Urkunde, nämlich die oben angeführte bes Kaiſers Lothar IL. vom Jahre 
840, ben Werth be Mancosus nicht zu 30, fonbern zu 40 Silber-Denaren 
anzunehmen. Wenn in berfelben nämlich deutlich beflimmt wird, daß für ben 
Betrag von je 6 mancosi Ein Eideshelfer erforderlich fei, daß damit fortzu: 
fhreiten fei bi zum Belauf von 12 venetianifchen Pfund und dem entipre: 
chend bis zu 12 Eideshelfern, baß aber von letzteren darüber hinaus nicht 
mehre eintreten follen, falls es ſich aud) von einer größeren Summe als 12 
librae handele, fo ergiebt ſich aus biefem Zufammenbang, daß bier der Wert 
des mancosus nicht auf 30, fondern auf 40 Denare angenommen if. Daß 
unter der libra nur dad Pfund Silber zu 20 Silber-Solidi oder 240 Denaren 
verftanden werden kann, erfcheint nicht zweifelhaft, und e8 werben alfo 6 mancosi 
gleichgerechnet 240 Denaren, ober 1 mancosus gleich 40 Denaren, waß ber 
alten Berechnung der Solibi der Lex Salica ſich genau anfchließt. 

Erwägt man jedoch, daß es ſich in der Urkunde de Kaiſers Lothar J. 
von 840 um eine allgemeine Vorſchrift für das Gerichtsweſen handelt, wo es 
nit barauf ankommen konnte, den Werth des mancosus für einen gegebenen 
eoncreten Fall genau zu beitimmen, und der Name mancosus ftatt solidus ber: 
muthlich ohne befondere Abficht nur deshalb gewählt wurde, weil zur. bama= 
ligen Zeit diefe Bezeichnung in Venedig geläufig fein mochte, daß aber in ber 
anderen, 1014 beftätigten, aber binfichtlich der fraglichen Wertbangabe gewiß 
viel älteren Urkunde es aus unmittelbaren praftifchen Rüdfichten auf bie ge: 
genaue Werthbeftimmung des mancosus anfam, fo wirb der Mebuction ber 20 
mancosi auf 50 Silber:Solibi, oder, was baffelbe, des einzelnen mancosus auf 
30 Denare, eine vorwiegende Geltung eingeräumt werben bürfen. 

7. Die Werthangabe nad) mancosi fcheint hauptfächlich nur zu Ende bes 
achten und im neunten Jahrhundert in einigen Gegenden Staliend üblich ge: 
wefen zu fein. Die fpäter vorfommenden Erwähnungen biefer Münzſorte, bie 


meiftens nur bei Strafanbrohbungen fi finden, werben ihren Grumb ber 
haben, daß bie Älteren Formulare, melde bei ber abtaflung der betreffenden 
Urkunde benupt wurben, von früher ber bie Normen von 1 ober 2000 mar 
eosi auri einmal enthielten. Daß die mancosi niemald® auch mur kurze Zei 
hindurch eine allgemeine Geltung erlangten, läßt fih unter anderm baras 
entnehmen, baß in ber ununterbroden fortgehenden Urfunbenfanunfang ve 
Lucca, welde für die Jahre 780 bis MO nahezu I00 Urkunden euchält, m 
deren Mehrzahl eine Werthangabe vorfommt, nicht ein einzige Wal eine Ax 
gabe in mancosi ſich findet. — Was Deutſchland betrifft, fo ift uns bis jeht, 
außer in ben oben mit aufgeführten alamannifchen und bairiſchen Urkunden, 
feine Werthangabe in mancosi befannt geworben. Die Art ber Erwähmm 
in biefen Urfunden ift aber der Art, daß fie aus ber abfichtölofen Kopirum 
eines italienifhen Formulars erflärt werben kann und nod keinenfalls ben 
Schluß geftattet, daß bie Rehmung nah mancosi in Deutfchland üblich 
gewefen fe. Anbererfeits ift aber nicht zu überſehen, daß in althochdeutſchen 
Gloffarien fih ber Ausdruck wieberbolt angeführt findet, unb zwar überem: 
ftimmend mit ber Erflärung durch Goldmünze ober beftimmter noch durch so- 
lidi und bizantei. Schmeller (Bair. Wörterb. II, 594) ſagt: „Manchus, Man: 
cus, Plur. Mandufla”, und führt ald Gloflen an: atater, philippus, solidus, 
nummus aureus. Graff (Althochdeutſcher Sprachſchatz II, 808), meift aus den⸗ 
felben Quellen, giebt Folgenbe?: mancusa, aureos; — philippos. — manchess, 
aureos; Mangusa, nummos aureos; manchussa, philippos; — solidos. Dief⸗ 
fenbach (Glossarium latino -germanicum m. et. inf. aet. ©. 340): maancones, 
philippos, numos bisanteos. Hieraus wird man annehmen müflen, daß be 
Gebrauch dieſes Namens in Oberdeutſchland im neunten und zebnten Jahı: 
hundert nicht ungewöhnlich geweſen und man im Allgemeinen bie byzantiniſchen 
Solibi öfterer auf diefe Weiſe bezeichnet habe. 

Died find im Allgemeinen bie Schlußfolgerungen, die fi unferer Anſicht 
nah aus ber obigen Zufammenftellung und ber Berüdfihtigung unmfaflender 
Urkundenfammlungen in Bezug auf Stalien und Deutichland für bas ade 
bis zwölfte Jahrhundert in Betreff der mancosi abnehmen laſſen. Wegen ei 

auptpunfte bleiben wir troß ber zahlreichen Belegftellen im Dunkeln und find 
öchftend auf Vermuthungen angewiefen, namentlich welde nachweisbare Münz⸗ 
forte, unterfchieden von fonftigen Bold-Solidi, mit jenem Namen bezeichnet wor: 
ben ifl. Am beachtenswertheften erfcheint bierfür die von Garli und von ©. 
A. Zanetti geänßerte Vermuthung, daß unter Mancofi bie im achten und 
neunten Jahrhundert fchlechter ald bisdabin geprägten Gold-Solidi einiger 
byzantinifcher Kaifer zu verſtehen feien. Hiermit würde bie Bezeichnung man- 
cosi in der Ableitung von mancus (unvolifländig) paflen, wobei ber gemadte 
Einwand, baß folcher Begriff damals noch nicht mit diefem Worte verbunden 
newefen, durch den Hinweis auf ben Sprachgebrauch in einigen ber 
barbarorum wiberlegt wird. Wenn aber beffenungeachtet diefe Ableitung an fid 
nicht fehr plaufibel erfcheint, fo ift die noch weniger ber Fall mit ber Ablei⸗ 
tung von manu cusi (mit ber Hand angefertigt). Dem fteht in formelle 
Hinficht entgegen, daß bie Schreibart mancosi Älter und üblicher gewefen if 
als mancusi, und ferner der Umſtand, baß in der Art und Weiſe ber Prä- 
gun ber damaligen Goldmünzforten ein Unterſchied, welcher bie fragliche 
enennung, im Gegenfab gegen anbere Münzen ber nämlichen oder ber un 
mittelbar vorangegangenen Periode, rechtfertigt oder erflärt, ſich durchaus nit 
nachweifen Täßt. Die Ausmünzung im achten, neunten und zehnten Jahrhun⸗ 
dert erfcheint freilich in jeber Hinficht auf bedeutend niedriger Stufe als frü- 
ber; aber dies ift ganz allgemein, und ift auch allmählich vor fi gegangen. 

Was das Gewicht der byzantinifchen Goldmünzen im achten Jahrhundert 
betrifft, fo giebt Queipo in feinem ſchon oft angeführten Werke hierüber fol 
gende Notizen: 

Justinianus Bhinotmetus (685—695 u. 705—1712): 4.05; 4.25; 4.90; 


865 


Tiberius Absimarus (898-705): 4.00; 4.05; 4.83 Gramm. 

Artemius Anastasius (718—716): 4.32 Gramm. 

Leo Isaurus et Constantinus (720 —741): 1.30 (Tremiffiß); 3.82; 4.42; 
4.45 Stamm. 

Michael I. (811—813): 4.42 Gramm. 

Eine Unterfuhung ber im Berliner Münzkabinet ſich vorfindenden gut 
erhaltenen byzantinifhen Goldmünzen bed in Rede ftehenden Zeitraums Dat 
folgende Gewichtdermittlungen ergeben. 

Justinianus II. Rhinotmetus: 4.37; 4.83; — 1.48; 1.41 Gramm. 

Justinianus II. und Tiberlus V.: 4.41 Gramm, 

Bardanes (711—713): 4.40; — 1.38 Gramm. 

Artemius Anastasius: 4.47 Gramm. 

Leo III. Isaurus (717— 741): 4.80; 4.43 Gramm. 

Leo Ill. unb Constantinus V.: 4.30 (etwas abgenubt); — (Semiſſes) 
2.17; 2.10 Gramm. Bu 

(Zwei Tremiffen mit biefen Kaifernamen, aber barbarifcher Fabrication, 
ben Tongobarbifhen Münzen ähnlich, wiegen 1.30 und 1.32 Gramm). 

Constantinus V. unb Leo IV. (751—775): 4,38; 4.38 Gramm. 

Constantinus VI. und Irene (780—790): 4.81 Gramm. 

Unter einigen ber nachfolgenden Regierungen, von Michael Balbus und 
Theophilus im neunten Jahrhundert, Tommen dann aller inge mehrfach Gold: 
müngen von nur 3.65 bis 3.92 Gramm vor, allein dieſe Münzverfchlechterung 
iſt nur partiell und vorübergehend gewefen, und gleich darauf erfcheint wieder 
ber ſchwerere Münzfuß der Solibi. Auch find biefe Goldftüde, fowie einzelne 
bed Leo Iſaurus zu 3.82 Gramm, immer noch viel zu fchwer, um bie Aus: 
münzung eined etwa um 4 verringerten Golb-Solibuß als |. g. mancosus bar: 
aufbin anzunehmen. 

Ueberblidt man die vorftehenden Angaben, fo wirb man barin feinen Be: 
Ieg für die Anficht finden, daß unter den byzantiniſchen Münzen des 8. u. 9. 
Jahrhundert ſich eine befondere Sorte finde, welde man, etwa zum Wertbe 
von brei Viertel des gemöhnlichen vollhaltigen Goldfolibus ausgemünzt, als 
f. g. mancosi betrachten könnte; es ift allerdings möglich, daß eine weiter aus: 
gebehnte Unterfuchung der und noch erhaltenen Goldmünzen ber genannten 
Periode bes Mittelalterd Belege dafür beibringen kann, allein bis jetzt Tiegen fie 
noch nicht vor. 

Nichtsdeſtoweniger erfcheint die Notiz, daß zu Ludwig bed Frommen Zeit 
ber maneosns im wirklichen Verkehr zu 30 Silber:Denaren gerechnet fei, auch 
fo ben thatfächlihen Verhältniffen entſprechend. Um dies zu begründen, 
müſſen wir freilich eine Angabe vorwegnehmen, welche erft im vierten Abjchnitt 
unferer Beiträge zur Erörterung fommen wird, nämlich bie Einführung eines 
anfehnlich ſchwereren Münzfußes für die Silber:Denare gegen Ende bey Regierung 
Karls db. Gr., und noch mehr unter feinen nächſten achfolgern. Wir haben 
oben (S. 339) bei Beſprechung ber im alten bairifchen Rechtsbuch vorkom⸗ 
menden Solidi bereits nachgewieſen, wie das Durchſchnittsgewicht der Denare 
unter Kaiſer Ludwig I. auf ca. 1.66 Gramm anzunehmen ſei, daß 30 
Stüd dieſes Denard alfo ein Gewicht von ca. 52 Gramm Silber barftell: 
ten, und nach ber damaligen Werthrelation bed Silbers zum Golde wie 12:1 
biefer Betrag Silber dem Quantum Gold, welches bie bamaligen byzantinifchen 
Gold⸗Solidi durchſchnittlich enthielten, an Wertb fat fand. Es Tiegt 
alfo in der gedachten Mebuction von 20 Mancofi auf 50 Silber:Solibi in 
einer Urkunde vom Jahre 816 nicht nur Fein Anzeichen für eine bedeutend ge⸗ 
ringere Werthung des Mancofus im Vergleich mit dem Solibuß, als vielmehr 
eine Beftätigung, baß jene Münzforte Tediglich eine Varietät bed gewöhnlichen 
byzantiniſchen Gold-Solidus war, wie man in ähnlicher Weife für gewiſſe Ar⸗ 
ten biefer Solidi in einzelnen Gegenden und eine Zeitlang befondere Namen 
gebraucht findet, wenn biefelben auch nicht fo Häufig vorfommen wie bie Mancofi. 


SA . . 
tem Bertbs oder Gewichts beibehalten, wie man bemm ſchon im neusten Jahr⸗ 
Hundert Mancus oder Mancufa Eilber oft erwähnt finde; bie Begeidmung 
a a orum Ganeiie ud, bag an eine Münge biefed Ramens nid 
zu besten fei. 

Von Shmib? wird in ben Griänt zu ben fiſchen Se 
fegen in Bezug auf ben mancns unter —— — Fra 
meıt ober & Piunb gewefen, — barnad) berei- 

3, bu echnung nah Marf und Mancus frmme im Demosday beck 


4 
{ 
F 
; 
4 
155 


& 
er 
g 
® 
3: 
E 
5 
7 


ess auri für dieſelbe Sache angegeben werben; daſſelbe Berbälnnik 
bei ber Silberberehmung, indem in Aelfrics Grammatik (zu Enbe bes 
—— — 30 Pfennige einem mancas gleiygejet werden und in den 
egen Athelſtans ein Ochſe einmal zu einem maneus unb au einer 
Stelle zu 30 Pfennigen gerechnet wirb. 

Rechnet man bie angelfähfiihe Mark zu einem Gewidte von 
Gramm, glei ber Mölnifhen Mark, fo bedeutete der Mancus, als ber vi 
Theil ber Mark Eifer, einen Betrag von 58 Gramm Silber, was wenn ber 
Begriff bed Mancus oder der Mancufa als urfprünglid von dem mit biefem be 
fonderen Namen bezeichneten byzantinifchen Gold-Solidus (zu ca. 4.40 Gramm) 

orgenengen , eine außerordentlich hohe Wertbung der Goldmünzen heraus: 

Mt. Wird dagegen dad Gewicht ber bamaligen Mark els die Hälfte bes al: 
ten englifden Pfundes (bed f.g. Tower pound) alfo nur zu ca. 175 Gramm 
angenommen, fo daß die Mancuſa & Pfund oder ca. 44 Gramm Silber bar- 
t‘, oder wirb ber Betrag ter Marcus nach dem Silbergehalt von 30 an: 
— Pfennigen berechnet, ſo ergiebt ſich ein viel geringerer Werth in 
ilber, und zwar nur ein ſolcher Werth, wie wir ihn zur Zeit bed Kaiſers 
Ludwig I. für den Gold-Solidus und den Mancofus gefunden haben, ba ber 
Munzfſuß ber angelfächfiichen Piennige mit bem_ ber fräntifhen Denare umter 
bem genannten Kaifer ziemlich übereinfommt. Wie bem auch fein mag, fo 
viel iſt unverkennbar, daß das Werthverhältniß nicht gegen die Annahme zu 
ſprechen fcheint, die angelfächfiiche Mancufa oder Mancus fei urfprünglich aus 
em auri solidus mancosus hervorgegangen und babe fpäter dann in England 


Di 


r 


1840. R. Ruding, Annals of the coinage of Great Britsin. 8 ed. Lond. 
4 1, ı1l. 
® Die Geſetze der Angelfahfen. In der Urſprache mit Weberfehung, 


Erläuterungen und einem antiquarifhen Gloſſar beraußgeg. v. R. Schmid, 
2. Mu. Eon 1868, quariſch far herausgeg ch 


367 


nad) der Reduction auf den Werth in Silber vormwiegenb bie Bedeutung eines 
beftimmten Gewichts erhalten. 

Die Bezeichnung mancusa auri, mancusa auri obryzi u. a. fommt in ben 
angellähfifchen Urkunden vom neunten Jahrhundert biß zur normännifchen 
Eroberung unzählige Male vor. 

Die Älteften Erwähnungen ber mancusa, bie mir bier befannt geworben, 
finb folgende. 

785. Urkunde bed Königs Offa von Mercien (Kemble , Codex diploma- 
tieus aevi saxonici I, Nr. 149): 

.... dedi S. Petro et plebi domini degenti in Torneia .... .. quan- 
dam partem terrae, accepto quoque ab ecclesiae ejusdem abbate Ordbrihto 
placabili praetio 100 mancusas auri obrizi in una armilla. 

811. Urkunde des Königs Coenwulf von Mercien wegen Weberlaffung 
einiger Srunbftüde an den Erzbifhaf Wulfreb (Kemble, Codex diplomaticus 
I, Nr. CXCV]): 

. +. pro ejus larga pecuniarum remuneratione, hoc est centum et vi- 
ginti et 6 mancosas pro his rebus. 

811. Urkunde deſſelben Königs (Kemble, Cod. dipl. I, Nr. CXCVUI): 

.. . et universis qui agros non habebant, libram in argento purissima 
tribui, atque in auro mundissimo unicuique presbitero wancussum tradidi 
unum, et omni servo dej solidum unum. 

822. Urkunde beffelben Königs (Kemble, Cod. dipl. I, Nr. CCXVI): 

“0... Rec non pro ejus placabili pecunia, id est anulus aureus abens 
75 mancusas. 

Bei den in obigen Stellen vorfommenden goldenen Ringen (armilla und 
anulus) von einer beitimmten Anzahl mancusae wird man an bie in unferm 
erftien Abſchnitt (3. I, 260) vorfommende Erwähnung aus einer angeljächfi- 
ſchen Dichtung erinnert, wo ein Baug oder Ring feinen Goldes nah Schil- 
lingswerthen geführt wird, was ebenfalls auf die Bleichftellung von mancusa 
und solidus (Schilling) hinzuweifen ſcheint. 

Merkwürdig ift aber jedenfalls, daß in England fhon im Jahr 785 bie 
mancusa auri erwähnt wird, während man nad ben biöherigen Unterfuduns 
gen in Stalien und fonft den mancosus nur einige Jahre früher (im 3. 778) 
zuerſt nachweifen Tann. 

Sn einem alten angelfächfifchen Gloffar wird mancones durch bizantes 
erläutert (Dieffenbach Gloss. lat.-germ. ©. 364), Dagegen führt Ducange 
aus einem altfranzöfifhen Roman de Guillaume au faucon eine Stelle an, 
worin ber mangon gleichyefeßt wirb mit zwei Byzantinern: 

Deux besans valent un mangon 

ce fut bien dit deux mots & un. 


Ueber das Borlommen und den Werth der Mancufi in Spanien werben 
im Gloſſarium von Du Gange folgende Belege aufgeführt. 

Diago de comitibus Bareinon. II, 53. Hier werben 7000 mancusi 
monetae Bareinonensis gleichnefett mit 1000 unciae auri. 

Urkunde bes Grafen Wilhelm v. 3. 1067: Et accipio a vobis pro hao 
donatione . . . . . quattuor millia mancusos Bercheonenses. 

Urkunde eines Königd Sanchez: Convenit Almutadyr dare regi Banctio 
120 mancussos auri vel argenti, ita quod, si vult argentum, accipiat sep- 
tem solidos monetae Caesaraugustanae pro mancusso. 

Usatiei Barcinonenses v. “%. 1351: Mancussus auri Valentise valet 
16 denarios ipsius monetae [Barcinonensis de Terno] et non ultra, 


Kadträge zum erfien und zweiten Abſchnitt der Beiträge 
zur Geſchichte des dentſchen Geld und Münzwefens. 


Zur Wumertung 1 des erken Abſanittes. Ueber Funde rämiſcher Münxe 
in Deutiälans. 


Zu den dort angegebenen Münzfunden fügen wir noch folgende 
Rotizen hinzu. 

1. Zu Slagelſe auf Seeland wurden 428 römifche Silber: 
münzen von Ziberins bis IM. Aurel gefunden (Antiquarist Tidftrift. 
1843 45. S. 38). 

2. Unter etwa 1000 zu Jever aufgefundenen römiſchen Der 
naren aus der Zeit von Galba bis Antonius Pius waren von Iekte 
rem Kaifer nur ein einzige® Stüd, die Münzen aus den NRegierun 
en von Trajan und Dadrian fehr zahlreih, von Domitian ımd 
Titus zahlreich, von den übrigen Kajfern Galba bis Vefpafian we 
Ghevertändilihe Nachrichten, 1850. Vgl. Mommfen, Geſch. d. 
M. S. 77: 


nige 
röm. . 

3. Minzfund zu Niemegk, im Zaud-Belzigfchen Kreife, neun 
Meilen füdlih von Berlin, im Jahre 1854 gemacht. Die nachfol⸗ 
genden numismatijchen Notizen über die Zufammenfegung diefes Fun⸗ 
des find einem Auffage des Hrn. Friedländer im VII. Bande ber 
Märkiſchen Forſchungen, Berl. 1861, entnommen. Die 74 filbernen 
römifchen Münzen lagen in einer etwa fünf Zoll hohen Urne von 
ebranntem Thon, fehwerfälliger Form, mit einem ungenau paffenden 

edel verjchloffen. Sie ftand zwei Fuß tief im gelben Sande, neben 
einem etwa 3 Fuß im Würfel meſſenden Feldftein; Yeine andere Ge- 
genftände, Teine Knochen fanden ſich vor. Die zum Theil verfchliffe 
nen Münzen tragen lbereinftimmende Spuren von grünem Roſte. 
Es find lauter wohlbelannte Denare. 

Außer 19 meijt fehr abgenugten Legionsbenaren des M. Antos 
nius (der Zegionen III, V, VIII, X, XV) und 2 Denaren des M. 
Brutus befanden ſich bei diefem Funde noch 29 Denare aus ber Zeit 
der Republik. Die ältefte Münze wird ein Denar der gens Lucre- 


tie fein, da berfelbe den Typus der Dioskuren hat. En. Qucretius 
Erio, der fie geprägt hat, war Monetar im Jahre 635 der Stadt, 
219 v.Chr. — Die Zahl der Kaijer-Denare beträgt 24, unter ihnen 
der jüngfte einer von Kaifer Hadrian und zwar von 881 d. St., 128 
n. Chr. Der Fund umfaßt aljo Münzen von 219 v. Chr. bis 127 
n.Chr. Da ſich von Hadrian nur diefe Eine Münze findet, während 
von feinen Vorgängern mehrere, fo dürfte daraus zu folgern fein, 
daß die Münzen während Hadrians Regierungvergraben oder doch nad) 
Norddeutfchland gefommen find. — Diefer Schatz wird hiernach un» 
gefähr um die nämliche Zeit vergraben fein, als Tacitus niederfchrieb, 
daß die Germanen eine befondere Vorliebe für gewiſſe Sorten der 
römischen Silberdenare hätte, für bie bigati und serrati, und es 
drängt fich aljo gleichſam von felbft die Frage auf, wie verhält ſich 
der Miünzfund zu Niemegk zu diefer Mittheilung des Verfaffers der 
Germania. 

Zunächſt bezeugt diefer Fund, daß die Germanen, felbjt tief im 
Innern des Landes entfernt von der römifchen Grenze, vorzugsweife 
die republifanifchen ‘Denare genommen haben werden; denn es kann 
in der That nicht al8 bloßer Zufall angejehen werben, wenn in einem 
etwa um das Jahr 127 n. Chr. vergrabenen Schag römischer Sil- 
bermünzen fich zwei ‘Drittel republifanifche und nur ein Drittel Kai⸗ 
fer-Denare befanden. Wenn in den fpäter vergrabenen Schägen, bie 
zu ımferer Runde gelangt find, dies Verhältnig fajt ganz aufhört 
und meiftens nur Kaifer-‘Denare fich vorfinden, jo wird der Grund 
nicht darin zu fuchen fein, daß die Vorliebe der Deutfchen für die 
Münzforte der fchwereren Denare aus der Zeit der Republik aufges 
hört hatte, ſondern daß thatfächlid; die Mittel ausgingen, diefe Vor⸗ 
liebe zu befriedigen, indem im Laufe der Zeit, außer durch das Ein- 
fchmelzen, gerade durch fortgefegten Abflug nach Deutſchland im rö⸗ 
mifchen Reiche der durch neue Ausmünzung nicht wieder ergänzte 
Vorrath an der gedachten Münzforte ausging, und man nothgedruns 
gen zur beinahe ausfchließlichen Verwendung von Kaiſer⸗Denaren fid) 
bequemen mußte. Daß es aber im Anfang des zweiten Jahrhun⸗ 
derts unferer Zeitrechnung, ale Tacitus über die Zuftände Germa- 
niens fchrieb, fi) noch nicht fo verhielt, fondern damals im Verkehr 
zwifchen Deutjchen und Römern die älteren Denare, 84 Stüd auf 
das Pfund, noch eine bedeutende Rolle im Verkehr fpielten, wird 
durch den Münzfund zu Niemegt in einleuchtender Weiſe beftätigt. 
Und felbft die befondere Bemerkung des Tacitus, daß die bigati und 
serrati borzugsweife gefchägt wurden, bleibt in diefem Funde nicht 
ohne gewiſſe Beftätigung. Die einzige Art Denare, von der in dem 
Bunde ein doppeltes Eremplar angetroffen ward, ift ein Denar der 
gens Naevia, und zwar ein serratus, was wir aud) nicht für ei- 
nen bloßen Zufall gelten Taffen möchten. Außerdem kommen freilich 
nur nod) ein oder zwei serrati vor, aber eine Anzahl der Denare 
hat den Typus ‚der biga oder quadriga. 

Hr. Friedländer hat in dem erwähnten Auffage noch eine län⸗ 


370 


gere Reihe von römifchen Münzen, welde in ber Mark Dres 
burg auf dem rechten Elbufer gefunden worden find, mitgetheilt, mb 
macht dabei die Bemerkung, es fei anzunehmen, daß die Münzen ws 
Kriegsbeute herrühren würden, da in die Gegenden der Fundorte ie 
Römer felbft nie hingefommen feien und eine Straße des Beruikw 
handels diefelben auch nicht berührt habe. 

Zu Anm. 1 ©. 277. Es ift ein Mißverftänbniß, wenn dei 
bemerft wird, daß Herr Mommſen den nummus in ber Ravennetr 
ſchen Urf. (Marini Pap. LXXX) für „I, Solidus angefehen hebe 
Derfelbe hat richtig 60 diefer nummi dem „I; Solibus gleichgefet 





Zu Kap. IL des zweiten Abſchnittes. J. Ueber bie Münzverhältniſſe der 


Banbalen. . 
In dem Literatur-Nachweis ift noch anzuführen: ML. Borrell 
Coins of the Vandals in Africa, minted during the period a 


D. 439 —543, im Numismatic Chronicle, vol. XVII, 3 — 12. 
London 1855. — Der Ynhalt diefes Auffates, welcher auch Teint 
fpecielle Gewichtsangaben der vandalifhen Münzen enthält, giebt 
übrigens zu Berichtigungen oder Ergänzungen unferer ‘Darftellung 
der vandalifchen Münzverhältniffe keinen Anlaß; es find vielmehr di 
im Auffage des Chronicle mitgetheilten Deutungen der Werthzahlen 
C, L und XXV auf den Silbermünzen, und von XL, XXI, 
XU und IV auf den Kupfermünzen der Vandalen durch die im ben 
Beiträgen (B. I, S. 280 f.) gegebene Erläuterung bereits widerlegt 
und berichtigt worden. 


Zu ebend, TIL 1. Ueber bie Münzverhältniſſe der Oſtgothen. 


Im Literaturnachweis hätte noch angeführt werden können: 
Lettres du Baron Marchant sur la numismatique et Y'histoire. 
Nouv. say Par. 1851. yetires XII et und ae 
gehörigen Annotations p. V. Langlois und de .— f 
Explication de uelques medailles des rois Goths Tale 
Aix 1843. — C. Lenormant, Lettres (1 et 2) à M. de Saulcy 
sur les plus anciens monuments numismatiques de la serie 
merovingienne. Rev. num. fr. XIII, 106 ff. und 181 ff., worin 
die oftgothifchen Goldausmünzungen mit dem Namen ber Kaiſer Ju 
ftinus und Anaftafius befprochen werben. 

Neuerdings ift nun noch folgende Schrift Hinzugelommen: Sulle 
monete auree dei Goti in Italia. Osservazioni di B. Bion 
delli. Milano 1861. 


Beranlaffung zu derfelben Bat Hr. E. Robert gegeben, indem 








872 


felbe mithin zu der nämlichen Anficht, welche von uns im ber Nete? 
S. 286 im zweiten Abfchnitte diefer Beiträge ausgefprocdhen worden!. 


Zu ebend. 111, 2. Ueber die Müngverhältuifie der Weſtgothen. 


Seit Herausgabe der erften Abfchnitte diefer Beiträge ift um 
die ©. 285 citirte Schrift: L. J. Velazquez, Congeturas sobn 
las medallas de los reyes Godos y Suevos de Espaüa. Mr 
laga 1759. zu Händen gefommen. Diefelbe giebt die Bejchreibumg 
von 136 weftgotbifchen Münzen. Unter diefen befinden fi) 5 & 
bermüngen, deren kurze Beichreibung, der außerordentlichen Seltenheit 
der weftgothijchen Silbermünzen wegen, bier aufgenommen werden möge. 
Nr. 41. RECCAREDVS REX; Brb. v. v. 

Rev. TOLETO IVSTVS. Daſſ. Brb. 
Nr. 67. D N SISEBVTVS REX; Brb. 

Rev. DEVS ADJVTOR MEVS; Kreuz, babei CIVITAS EBORA. 
Nr. 77. SVINTHILA RE. Brb. v. v. 

Rev. CORDOBA TOPROM (?). Brb. u. Kreuz. 
Nr. 130. I. D. N. N. EGICA RX. Zwei Bruftbilder, dazwiſchen ein Kreuj 

Rev. VVITTIZA RX. Kreuz mit den Buchftaben CRGS (C ). 
Nr. 181. IN. D. NM. EGICA RX. Zwei Brb., dazw. ein Kreuz. 

Rev. VVITTIZA RX. Kreuz mit den Buchſtaben EM RA (Emerite). 

Das Gewicht diefer Silbermünzen ift leider ebenſo wenig ange 

geben wie das der Goldmünzen. Der Verfaſſer bemerkt in der Eiw 
leitung (S. 3): eine andere Gelegenheit werde paffender fein, um 
liber da8 Gewicht, den Feingehalt und Werth der Münzen zu han 
deln. Es ift uns nicht befannt, ob und wo fid) diefe Gelegenheit 
gefunden hat. 


2 Wir Finnen e8 und nicht verfagen, einige Bemerkungen biefes italien⸗ 
[hen Auffages wörtlich wiederzugeben, welche eine gerechte Anerfennu 
Hrn. Dr. Julius Friebländer enthalten, und dann das wahre Verhältnig ber 
von Hrn. Lenormant aufgeftellten und von manchen franzöfifhen Numismati- 
fern angenommenen Hypotheſen Mar darlegen. ©. 19. Ui signor Robert ha 
torto di attribuire al Senckler la scoperta del solido aureo d’Anastasio ceel 
monogramma di Teodorico, asserendo che prima di lui la moneta d’oro dei 
re Ostrogoti non era stata conosciuta; mentre tre anni prima il chiaro G. 
Friedländer nella sua opera Tie Münzen ber Oftgotben, pubblicata a Ber 
lino, non solo fa cenno dei nummi aurei da quei principi coniati, ma paris 
ancora delle monete e dei monogrammi dal Senckler riferii, come di cose 
gia note, sebbene di dubbia attribuzione. — ©. 17. Siccome avviene d’or 
dinario che colui che, indagado un vero, si prefigge prima in mente cid che 
vuol trovare, crede rinvenirlo ovunque, e, cedendo alla propria illusione, 
scambia la ipotesi col fatto, cosi accadde, a nostro avviso, in questa rioeres. 
©. 22. Dapo cid non esiteremo a dichiarare ipotesi gratuite le attribuzioni 
on... dedotte dalle semplici variazioni dell’ ultima sillaba nelle iscrizione, 
o dalla varia grandezza delle lettere stesse. Gli errori grammaticali ed or 
tografici degli incisori di zecca nello scompegliato periodo di cui si tratta, le 
omissioni ed inversioni di lettere, la irregolaritä nelle forme ed altretali scoondl, 
sono troppo frequenti, non solo nelle ultime sillabe, ma altresi nelle inisiall 
e nelle intermedie, perch& vi si possa attribuire qualche importanza , meno 
ancora uno scopo prestabilito. 






373 


“Die vorftehend angeführten Silbermünzen haben übrigens das 
-nämliche Gepräge wie die gleichzeitigen Goldmünzen der Weftgothen, 
"amd find dazu unverkennbar die gleichen Stempel verwendet. Es liegt 
deshalb die Vermuthung nahe, daß biefe Silbermünzen urſprünglich 
zu dem betrügerifchen Zwecke, vergoldet zu werden und als Tremif- 
fen zu gelten, angefertigt worden find. 

Die Auffchriften mehrerer Münzen find von Velazquez unrichtig 
gelejen und gedeutet, 3. B. wenn er auf einer Tremifjis von Recca⸗ 
red Nr. 36 und ©. 59 VICTORIA AVIONV zu finden glaubt 
end auf einen Sieg bei Avignon bezieht, wo ohne Zweifel nur das 
befannte Victoria Augustorum hat wiedergegeben werden follen, und 
wenn die angeblich auch auf einzelnen weftgothifchen Tremiffen vor- 
fommende Wertbzahl VII auf das Negierungsjahr des Kaiſers Mau- 
ritius bezogen wird. 


— — — — — —— 


Zu ebend. IV. Ueber die Münzverhältniſſe der Burguuder, 


Zu Charnay an der Saöne, in Departement ber Saöne und 
Loire, hat man in den Jahren 1833 bis 1860 nad) und nach einen 
alten burgundifchen Begräbnißplag unterfucht, worüber feitdem eine 
ausführliche und genaue Beschreibung erfchienen ift!. Der Verfaffer 
derjelben ift der Anficht, daß diefe Begräbnißftätte zu Ende des fünf- 
ten oder Anfang des fechsten Jahrhunderts, vor der Unterwerfung 
der Burgunder unter die fränfifche Herrfchaft, zu jegen fei. 

Unter den vielen bei diefen Aufgrabungen zu Tage geförderten 
intereffanten antiquarifchen Gegenjtänden befanden fi) aud) 19 Müns 
zen, unter diefen 3 alte galliiche aus Gelbfupfer und gewöhnlichen 
Kupfer, und 14 römifche, nämlich eine Silbermünze des Kaiſer Ale- 
zander Severus zu Trier geprägt, eine Heine Broncemünze des Kai⸗ 
fers Eonftantin, auch zu Trier geprägt, ferner zwei Kleine Bronce- 
münzen von ZTetricus und Gallienus, eine mittlerer Größe von Gri- 
fpina und die übrigen wegen der Orydirung nicht mehr erkennbar; 
Fu Broncemünze von großem Modulus war in zwei Hälften zer: 

rochen. 

Außerdem fanden ſich dabei noch zwei ſehr roh gearbeitete Nach 
bildungen Faiferliher Goldmünzen, ein nad rechtshin gewandtes Bruft- 
bild und auf dem Revers eine rechtshin chreitende Victoria, auf bei⸗ 
den Seiten unverftändlicdhe Auffchriften ?; die eine diefer Münzen war 
aus reinem Golde, die andere eine f. g. gefütterte Münze, aus 


ı H. Baudot, Me&moire sur les sepultures des barbares de l’epoque 
merovingienne decouvertes en Bourgogne et particuliörement & Charnay. Di- 
jon 1860. 4. 

2 Baudot a. B. S. 81. Auf der Hauptfeite etwa die Buchſtaben 
VTA9JVTVNTI; auf der NRüdfeite VIHIV INTV. — Auf ber gefütterten 
Münze find, außer ONO (Conob) im Abſchnitt, nicht einmal einzelne Bud: 
ftaben zu erfennen. 


1. 25 


874 


ıipfer mit einem binnen Golbüber In ber dhreibung 
ı leider die Gewichtsangaben. Fr 2 " 

Diefe Münzen erfcheinen in der Hinficht von Intereſſe, als ſe 
igen, daß die Verſuche der Nachbildung kaiferlicher Golduränzen mu 
n Barbaren, vermuthlich durch ihre Goldarbeiter , ſchon frikgeitig 
allerrohejter Form veranftaltet worden jind, und daB trog kit 
angelhaften Technik dennoc) eine ſyſtematiſche Fälſchung dur Be 
dung von Kupfermünzen betrieben wurde. 

Durch die in diefen burgumdiichen Gräbern neben den cben ie 
rochenen barbarifchen Goldmünzen gefimdenen römiſchen Münze 
In ganz verjchiedenen Perioden und Sorten wird die gleichzeitige 
ireulation derfelben zu Ende des fünften Jahrhunderts bei ben = 
jallien angefiedelten germanijchen Stämmen aufs Nene beftätigt. 


Zu ebend. V. Ueber die Münzverhältuifle der Lonugsbarden. 


Doß die Longobarden bis zur Einführung der Si 
nd der damit verbundenen Eintheilung des neuen Silber-Solidus ut 
2 Denare unter Karl dem Großen (j. u.) kleinere Beträge alt 
‚remiffen nad) siliquae redjneten, alfo die nämliche Rechnungsvweiſt 
eobachteten, welche wir im 6. und 7. Jahrhundert in Ravenna unter 
ftrömifcher Derrichaft und in den Briefen des Pabſtes Gregor dei 
Srogen antreffen (j. B. I, 277 f. u. 284), dafür können folgende 
Belege erwähnt werden. 

%m Edictum Rotharis cap. 253 und 254 (ed. Baudi a 
/esme) wird bei Beurtheilung des Diebftahls unterfchieden, ob der» 
elbe 10 Siliquen lberfteigt: si usque ad decem seliquas furtum 
uerit, und: et tentus in ipsum furtum fuerit usque ad decem 
eliquas. Der Betrag von 10 Siliquen ift offenbar als runde Zahl 
jenommen, denn er paßt nicht gut mit dem Solidus, welcher befamt- 
ih zu 24 Siliquen gerechnet wurde. — Cap. 346..... Et 
i in curte permenaverit, tunc ille cujus peculius est, rogit 
sum ut reddatur, sic tamen, ut dit pignus per ultimum valente 
seliquas tres. — Cap. 351. Si porcus in isca alterius paverent 
. -. ille qui eos invenerit teneat unum ex ipsis et habeat 
salvum, et conponatur ei per porco seliquas tres. 

In dem von Baudi a Vesme herausgegebenen Longobardifchen 
Negulativ für die Bauhandwerker heißt e8 in sectio LXI: si vero 
peuma fecerit, quantos pedes habent, tantas siliquas lebant. 

Bon fonftiger Bezeichnung Heiner Werthe oder von Silber- und 
Kupfermünzen bei den Yongobarden haben wir feine Angaben auffin 
den können. Es ift überhaupt bemerfenswerth, wie außerordentlid 
jelten in Urkunden jener Zeit geringere Werthangaben vorkommen. 
In den etwa 200 Urkunden, melde aus den Archiven von Yucca 
aus der Zeit bis zum Jahre 780 herausgegeben find, haben wir 
z. B., obſchon fehr häufig Werthangaben darin vorkommen, nid 


375 


eine einzige Erwähnung angetroffen, woraus hervorginge, wie Beträge 

unter einer Tremiſſis berechnet und bezeichnet wurden, weder siliquae 

noch andere Kleine Münzwerthe. 

Außer dem früher (B. 1, 290 f.) angeführten Munzfunde zu 
Biella, welcher ca. 1600 fehr Kleine und leichte longobardifche Sil- 
bermünzen enthielt, haben wir aller Nachforfchung ungeachtet feine 
Spur eigener longobardifcher Silber- oder Kupfermünzen bisher aufs 
finden können, und müfjen daher annehmen, daß entweder außer dem 
erwähnten Funde ſämmtliche Exemplare folcher Münze verloren ge⸗ 
gangen find, oder daß die Longobarden ſich mit den Weberreften früs 
berer römijcher und oftgothifcher Ausmlünzungen diefer Art und: den 
von den byzantinischen Statthaltern in Ravenna neu geprägten Ku⸗ 
pfermünzen beholfen haben. 

In Rüdfiht der longobardiſchen Goldmünzen und des Weber» 
ganges von der Goldwährung zur farolingifchen Silberwährung kön⸗ 
nen wir jeßt dur Benutzung der uns inzwifchen zu Händen gekom⸗ 
menen Abhandlungen von G. di S. Quintino, Sulle monete au- 
tonome battute in Lucca prima che quella cittä fosse riunita 
al regno dei Longobardi, und: Delle monete coniate in Lucca 
durante il dominio dei Longobardi, und ber fchon erwähnten Ur» 
tundenfammlung von Lucca weitere Aufflärung geben !. 

Die Stadt Lucca hat in der Zeit nad) dem Aufhören der oft 
gothifchen Herrichaft bis zu ihrer Unterwerfung unter die Botmä⸗ 
Bigkeit der longobardifchen Könige, etwa um d. J. 640, eigene Gold» 
münzen geprägt, nämlich Zremifjen, denen der allgemeine römijche 
Münzfug der Gold-Solidi zum Grunde lag, deren Gepräge indeß kei— 
neswegs eine Nachbildung der gleichzeitigen byzantinischen Münzen 
war und die weder das Bildniß noch die Aufichrift der Kaifer führ- 
ten. Die Behörde der Stadt hatte offenbar da8 Münzweſen jelb- 
ftändig in die Hand genommen, denn es ijt faum denkbar, daß die 
Kaifer in Conſtantinopel die Ermächtigung gegeben haben follten, 
Goldmünzen ohne den kaiſerlichen Namen zu prägen. 

Dieſe autonomen Tremiſſen von Lucca zeigen übereinftinmend 
das Monogramm der Stadt Yucca, wie ſolche Monogramme befannt- 
fich bei den Oſtgothen üblich gewejen waren, und auf der Rückſeite 
ein ſ. g. potenzirtes Kreuz mit einer Umfchrift, in der nur die Buch⸗ 
ftaben V und I beftändig wiederholt werden. Die von QDuintino 
mtgetheilten Befchreibungen enthalten über das Gewicht diefer auto- 
nomen Tremiſſen von Lucca doigende Angaben: 

Taf. I, 3 Feingehalt ? ewicht 264 par. Gran 1.91 Gramm 
1,4 n 17 Sar. „ 26) „14 „ 
„15 " 16 u 24 „ n 128 „ 

„ 16 " 5 „ 23) „ „1235 „ 


2 Die oben erwähnten Abhandlungen von Duintino find aufs Neue 
herausgegeben im XI. Banbe ber Memorie e documenti per servire alla atoria 
di Lucca. Lucca 1860, 4, 

25* 








318 
einfach nur auri solidi angegeben; in einzelnen Füllen Tehrt bie ſpe 


cielle Bezeichnung boni Lucani wieder. 

149. Berlauf eines Grunditüd® .. . acceptis in praesesti 
.... loco preti... . cavalli sex pro solidis 60 et ai 
cocto pensanti solidos 340. (Cartul. dı Farfa). 

761. Berfauf eines Grimbftüds ..... accepimus pretium 
in praesenti bovem 1, vaccas 2, jumento 1, et auri solide 
6. (Cart. di Farfa, Doc. LXL). 

162. Als jährliche Abgaben erwähnt: porco uno valente te 
misse uno, camisia valente tremisse. Lucca. (Doc. 

165. Verkauf einiger Acder: „Ireium auro trimissi sepfe. 
(Cod. diplom. Toscano, Doc. LXIH). 

173. Als jährliche Pachtzahlung beitimmt: auri soledos bonos 
Lucanos numero quinque, tales quales tunc facti fuerint ex- 
pendibiles.. Yucca. (Doc. CXLVI). 

773. Preis eines Grundftüds: auri soledo nomero sexz 
genta ..... soledi boni nobus in tigula adluminatus Lucani 
et Pisanus. Lucca. (Doc. CXLVII). 

781. Scenktungsurfunde. Et accepit pro supra dicta de 
nationem camixia una et bragas pars uno valentem solidum 
uno, exemplare uno valente tremissi duo. (Toriglas, Cod. dipl 
S. Ambrosiano, Doc. XVI). 

In den erften 23 Jahren der Herrichaft der Franken, von 774 
bis 797, behält die Goldwährung und die Rechnung nad) Gold So— 
fidt in Ober-$talien ihren ungeftörten Beitand, und in den dortigen 
Urkunden diefes Zeitraums fcheinen nur einzelne Fälle vorzufonmmen, 
wo Werthe in Eilber nach dem Gewichte angegeben werden und die 
künftige Silberwährung fi) gleihfam ankündigt, wie 3. B. in einen 
Verfaufscontract in Lucca vom %. 787: dedit episcopus unam li- 
bram de argento ! (Doc. CCXII). 

Für die Fahre des Uebergangs vom Gold-Solidus zum Silber 
Solidus mögen mehrere Beifpiele angeführt werden, welche über ben 
Zeitpunkt diefer Veränderung feinen Zweifel laſſen. 

796. Preis eines Grundftüds: auri solidi Deitraginta et 
quinque in prefinito et deliverato capitulo. Lucca. (Doe. CLVI) 

496, Jährliche Abgabe berbice uno valentes tremissi duo. 
Qucca. (Doc. CCOLVMI). 

797 Mai. Jährliche Abgabe: justitiam redendi in natalem 
Domini due soledis in oleo. Lucca. (Doc. CCLXI). 

797 September. Verkauf eines Grundftüds: et recepi a te 


2 NIS Strafe für Nicht: Erfüllung eines Contractd® kommt bie Angabe 
nah Pfund Silber allerdings fchon früher vor, nämlich in einem Florentiner 
Document vom %. 724: componituri esse debeant pena numerum per arges- 
tum libras centum (Cod. dipl. toscano, I, 471); allein biefen allgemeinen or: 
meln iſt ſelbſtverſtändlich Peine folche Bebeutung für bie Beurtheilung ber be 
ſtehenden Kar ne und Zahlweiſe ald bie Angabe vereinbarter Preife ober 
Abgaben in Geld beizulegen. 





380 


Die älteren Stüde, vermuthlich bis zur Unterwerfung unter bie Yen: 
gobarden, zeigen das Dionogramm der Ztadt, wie joldye Monogrammı 
auf den oftgothifchen Münzen üblid) geweien waren; von da erſcheint 
ftatt deſſen fortdauernd der Stern — daher der Name solidi stellst 
in einigen Urkunden —, um den Stern eine Zeitlang die Umſchift 
Flavia Lucca, dann jeit Aiftulf der Name des jedesmaligen Könige. 

2. Tas durdjichnittliche Gewicht der Luccaniſchen Tremifien ik 
* den Exemplaren, für welche dieſerhalb eine Ermittlung uns ver⸗ 


iegt: 
bei den älteſten, mit dem Monogramm 1.38 Gramm 
bei denen, die nur Flavia Lucca haben 1.33 


bei denen mit den Namen von Aiftulf und Deſiderins 1.12 

Man erjieht hieraus, daB die älteren Tremilfen ungefähr daſſelbe 
Gewicht haben wie die nämlihen Münzen, welche die longobardiſchen 
Könige vor Yiutprand prägen ließen, und wie die im fiebenten Sahr- 
hundert geprägten fränkischen Zrienten. Der Feingehalt verürt ki 
allen diefen Münzen in ähnlicher Weife, und iſt beträchtlich geringer 
als derjenige der gleichzeitigen byzantiniichen Goldmünzen 1. 

3. Ob bei den Zahlungen zwiſchen den an ſich werthvolleren 
byzantinischen und den aus den eigenen Münsftätten hervorgegangenen 
Goldmünzen bei den Longobarden ein Unterfchied gemacht worden ift, 
und welcher, darüber geben die Urkunden feinen Aufichluß. Dagegen 
erfieht man aus einigen derjelben, daß mitunter Zahlungen in unge 
mlnztem Golde nad) Eolidus-Gewicht bedungen wurden, daß einzeln 
Zahlungen nach Pfunden Silber vorlamen, und daB um jene Zeit 
auch in Italien zuweilen andere Werthobjecte al8 Zahlungsmittel 
ausdrüdlich vorbehalten wurden. 

Daß die Tremijfen das eigentliche gewöhnliche Zahlmittel 
waren, nicht ganze Solidi, obſchon nad) diefen gerechnet wurde, läßt 
fi) nit allein aus den erhaltenen Münzſtücken abnehmen, fondern 
auch aus den Urkunden, indem in diefen mitunter Summen einfach zu 
5 oder 7 ıc. Zremiffen angegeben werden, und dann aus folgender 
Stelle des Paulus Diaconus (de gest. Longob. V, 36): Cum 
die quadam solidos super mensam numeraret, unus ex tremis 
sis de eadem mensa cecidit, quem filius Aldonis, adhuc pue 
rulus, de terra colligens eidem Alachis reddidit. 

6b. San Quintino hat (Xab. IL, 14) eine Kupfermüngze befannt 
gemacht, von gleicher Größe und ganz gleichen Gepräge wie die äl- 
teren Iuccanifchen Gold-Tremifjen (Stern und Flavia Lucca). Höchſt 
wahrjceinlih waren Münzen diefer Art dazu bejtimmt, übergofdet 
zu werden und zum Betruge zu dienen. Auch andere Anzeichen weis 
fen darauf hin, daß die Verfertigung falſcher Goldmünzen bei den 
Yongobarden im Gange war. Das vorhin erwähnte Beifpiel einer 


? Tie in dem Werfe von Quintino mitgetheilten Angaben über ben ein: 
gebalt fünnen Übrigens nur ald annähernd gelten, ba eine Ermittlung durch 
Elnſchmelzen bei fo feltenen Münzen nicht ftattgefunden bat. 





382 


eingeführt fei, daß indeß noch in einem Capitulare Longobardicum 
vom %. 813 die Goldwährung vorfomme, indem dort ein Pfund 
Gold zu 72 solidi gerechnet werde. Beide Punkte bedürfen einer 
Berichtigung. Das Capitulare, welches die leßtermähnte Angabe 
enthält, ift in den Monum. G.H. (Legg. I, 192) nur deshalb un⸗ 
ter da8 genannte Jahr 813 gejtellt worden, weil der Zeitpunft, wenn 
es erlaffen, nicht näher angegeben werden kann und es aus diefem 
Grunde mit andern Tongobardifchen Edicten Karls d. Gr. am Schluffe 
der Regierung deffelben zufammengejtellt ift; die bezligliche Verord⸗ 
nung gehört, eben wegen jener Werthangabe, ohne Zweifel der Zeit 
vor 797 an. Die angezogene Stelle des Capitulare Mantus- 
num enthält noch feine beftimmte Vorſchrift wegen Einführung der 
Denare und der Eilberwährung, fondern zunächſt nur eine Außer: 
courserflärung der früheren leichteren fränkiſchen Denare, die ver: 
muthlich auch in Italien ſchon eireulirten, wenn e8 gleich dahingeftellt 
bleiben muß, in welchem Verhältniß zum Gold-Solidus. Die Ur: 
tunden von Lucca und aus anderen Gegenden SYtaliens von 781 bis 
796 zeigen feine Spur von der Rechnung nad Silber - Solidi ımd 
Denaren. Man wird daher anzunehmen haben, daß bis 796, wo 
in Folge des gleich zu beiprechenden allgemeinen Capitulare F'ran- 
cofurtense von 794 die neue Münzverordnung aud in Italien zur 
Ausführung kam, hier die früheren longobardiſchen Münzverhältmiſſe 
bis dahin in Geltung geblieben weren. 
Dagegen iſt das Capitulare Francofurtense vom Jahre 794 
Mon. G.H. Legg. I, 72), wenn aud) no nicht ſogleich, doch nad 
erlauf von zwei bis drei Jahren in Ytalien, foweit e8 unter frän- 
kiſcher Herrſchaft ſtand, um fo volljtändiger zur Ausführung gefom- 
men und hat das bisherige Tongobardifche Münzweſen mit feinen Gold» 
Solidi, Tremiffen und Siliquä gründlich befeitigt. Es beftimmte: 
De denariis autem certissime sciatis nostrum edictum, quod 
in omni loco, in omni civitate, et in omni empturio similiter 
vadant isti novi denarii, et accipiantur ab omnibus. Si au- 
tem nominis nostri nomisma habent, et mero sunt argento, 
pleniter pensantes, si quis contradicit eos in ullo loco, in ali- 
quo negotio emptionis vel venditionis, si ingenuus est homo, 
quindecim solidos conponat ad opus regis etc. — Mit ber 
Ausführung diefes Ediets konnte die Goldwährung, auch wenn die 
Tremiſſen bedeutend fehlechter an Gewicht wie Feingehalt ausgeprägt 
wurden, fich nicht vertragen; fie mußten hiernad) aufhören, ohne daß es 
einer befonderen Verordnung dafür bedurfte. Denn da e8 feititand, daf 
12 Denare für den Solidus gerechnet wurden, fo konnte nunmehr Nies 
mand ſich weigern, nad) diefem Berhältniß in den neuen Denaren Zahlung 
anzunehmen, und das bisherige Gold-Courant ward nun fo zu fagen 
Dune enge Die oben mitgetheilten Auszüge aus Urkunden des 

rchivs von Yucca laffen die Webergangsperiode deutlich erkennen. 
In Urkunden des Jahres 796 finden wir noch, wie durchweg in ben 
vorangegangenen Jahren, auri solidi und tremisses. Im darauf 


383 


folgenden Jahre 797 beftimmt eine Urkunde bie Zahlung von zwei 
Solidi „in Del”, was freilich auch fonft noch in einzelnen Fällen 
aorfommt, allein hier vielleicht feinen befonderen Grund darin hatte, 
dag man über den Fünftigen Münzwerth im Unflaren war, und des⸗ 
halb den Werth in einer beliebten Waare feftzufegen vorzog. In 
einer anderen Urkunde des nämlichen Jahrs, im September, wird der 
Preis in Silber feitgefett, allein merfwürdiger Weife fehlt neben der 
Zahl die Angabe solid. War der Schreiber vielleicht in Verlegen- 
beit, ob er die neue Wertheinheit von 12° Silber-Denaren, welde an 
die Stelle der bisherigen Wertheinheit von 3 Gold-Tremiffen trat, 
auch mit demfelben Namen solidos benennen folle; — oder ift es 
reiner Zufall, daß gerade hier da8 Wort solidi fehlt, welche Aus- 
laſſung jonft wohl felten vorlommt. Das Vebergangsftadium zeigt fich 
auch in einer Urkunde des Jahres 798, wo eine jährliche Abgabe 
nach den neuen Münzverhältniffen in denari sex arto (verfchrieben 
ftatt argento) mundo boni expendibili ftipulirt ift, mit der Op⸗ 
tion diefelbe in Del oder Wachs zum gedachten Werth von 6 Dena⸗ 
ren abzutragen, während die Straffjumme für Verlegung des Con 
tracts noch nach früherem Gebraud) in auri solidi angegeben wird. 
Außer diefer, offenbar aus früherem Formular übertragenen Ermwäh- 
nung find uns in Urkunden von Lucca oder anderen Städten Ober» 
italiens in den nächſten Fahren nah 797 keine Angaben in Gold- 
Solidi oder Tremiffen vorgefommen, und fcheint alfo das neue frän⸗ 
kiſche Münzweſen dort mit aller Strenge durchgefeßt zu fein. Die 
Neuheit deffelben giebt fi) übrigens während des eriten Jahrzehnts 
noch dadurch zu erkennen, daß in manden Urkunden ausdrüdlich bei⸗ 
bemerkt wird, es feien Solidi zu verjtehen jeder zu 12 Denaren ge 
rechnet, oder daß das Pfund Silber durch Gleichftellung mit 240 
Denaren erklärt wird. 





Ueber die prineipes in der Germania 
des Tacitus. 


Bon 


G. Waih. 


Di principes von denen Zacitus in der Germania handelt find 
die von dem DVolf gewählten Vorjteher bei allen den Stämmen 
welche feine KRönigsherrfchaft ausgebildet haben: fie üben als folche 
vor allem gerichtliche Functionen aus, find außerdem aber auch im 
Kriege als Führer der einzelnen Abtheilungen thätig; fie und nur fie 
halten ein Gefolge, das ihr Anfehn erhöht, das fich dergeftalt den 
allgemeinen Ordnungen des Staates einfügt, wenn daffelbe aud) den 
ftätigen, auf dem Grundbefig beruhenden Ordnungen der Staaten ge: 
genüber zugleich ein mehr bewegliche Element in das Leben der als 
ten Deutfchen bringt. 

Das ift die Auffaffung welche der erfte Band der Deutfchen 
Verfaffungsgefchichte ausführte und auf welche die hier vertretene 
Anfchauung der älteren deutſchen Berfaffungsverhältniffe überhaupt 
wefentlich beruht. Zunächſt durch die interpretation der betreffenden 
Nachrichten in der .Germania gewonnen, fand diefe Anficht in alle 
dem Bejtätigung was ſich über den Charakter der älteren Verfaſſung 
felbjt und ihren Zufammenhang mit den fpäteren Zuftänden ermit- 
teln ließ. Und von mehr als einer Seite her ift ihr dann auch er⸗ 
freulihe Zuftimmung zu theil geworden. 

ALS ic) zulegt etwas eingehender diefer Sache gedachte (Zur 
Deutſchen BVerfaffungsgefchichte, Allg. Monatsfchrift für Wiffenfchaft 
und Literatur 1854 April S. 274) Hatte ich überwiegend folder 
beipflichtender oder unterftügender Darlegungen zu gedenten. Nur 
einzelne, nicht eben tief eingreifende Ausführungen gingen bier einen 
anderen Weg, und ich durfte mich mit ein paar kurzen, den früheren 
Standpunkt vertretenden Bemerkungen begnügen. Seitdem hat die 
Sache Sic allerdings wefentlich geändert. Wieder und wieder find 
diefe älteren deutſchen Verfafjungsverhältniffe Gegenftand der Erör⸗ 
terung gewefen, und wenn mandes was ich früher ausführte auch 
bier Anerkennung und Beftätigung erhalten hat, jo ift jett gerade in 
Beziehung auf die Frage nach der Bedeutung der princıpes und die 
Verhältniffe der Gefolgfchaft überwiegend eine von der oben erwähn- 
ten Auffajfung abweichende Anficht „vertreten. 

Zu der Meinung, daß die principes Adliche feien, und Adliche, 
nur Adlihe und alle Adliche, ein Gefolge halten durften, ift freilich 
feit Watterich, von dem früher (a. a. D.) die Rede war, niemand 
zurückgekehrt. Manche der Neueren haben ftatt deſſen vielmehr das 


ii! 
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im in den Mind). Gel. An;. 1859. R. 50 ff.), 
marmigfach abreichenden Anfichten, bier zu einem im We 
ichen gleichen Rejultat gelangen. Jedenfalls haben diefe Arbei⸗ 
ten, in Berbindung mit einem Aufiage, der in den von mir geleite 
ten hiftoriichen Uebungen vor einiger Zeit vorgelegt worden ift, mi 

veranlafjen mirjen, die Sache einer neuen möglidit jorgfältigen und 
unbefangenen Prüfung zu unterwerfen, die mid) dann in der Haupt⸗ 
fahe nur in meiner Auffajjung bejtärtt, in manchen Ginzelheiten 
aber allerdings zu einer etwas andern Anficht oder wenigftens an- 
dern Begründung als früher gebracht hat, und mir Reranlaffung 
giebt noch einmal etwas ausführlicher den Gegenftand zu behandeln. 

Ich werde hier wie früher (®. ©. I, 97. 149 ff.) davon aus- 
gehen müſſen, den Zuſammenhang der Taciteifchen Darftellung ins 
Auge zu fafien. Germania c. 11. 12 (nad) unferer üblichen, oft 
nicht eben glücklichen Gintheilung) ift von den Grundlagen der ſtaat⸗ 
lichen Verhältniffe überhaupt die Nede, von der Berfammlung in wel- 
cher die öffentlichen Angelegenheiten behandelt werden, ohne Rückſicht 
darauf ob Königsherrſchaft beiteht oder nicht (c. 11. Mox rex vel 

rinceps etc.). Dabei wird zu Anfang der principes gedacht ale 
—* die kleinere Sachen allein erledigen, größere auch berathen, 
dann nachher nochmals in der Weiſe daß erwähnt wird, wie in die 
fer Verfammlung die principes gewählt werden, qui, jura per px 
gos vicosque reddunt. — folgt die Wehrhaftmachung: in 
welchem unmittelbaren Zuſammenhang werde ich nachher noch erwäß- 
nen. Außer den Verwandten kann fie vornehmen principum aliquis. 
Unmittelbar daran fliegen fi die vielbefprochenen und ebenfo 
wichtigen wie fehwierigen XBorte: Insignis nobilitas aut magna 
petrum merita principis dignationem etiam adolescentulis as- 

signant. Gleich hernad) ift von den comites, dem comitatus bie 
Nede, von dem Verhältniß diefer zum princeps. Und da alles er: 
fedigt was ſich auf das Gefolge bezieht oder ſich an das Gefolge 
anschließt, heißt e8 endlih: Mos est civitatibus ultro ac viritim 
conferre principibus vel armentorum vel frugum etc. 

Ich muß jegt wie früher fragen: wie ift es deufbar, daß in 
diefem Zuſammenhang, diefer Aufeinanderfolge princeps, principes 
zwei ganz verſchiedene Dinge, gemählte Lorjteher, Nichter des Volls 
und Gefolgsführer, wie viele wollen, bedeute? Gewiß ift von jenen 
wie zuerjt aud) in der legten Stelle wieder die Rede: dazwiſchen 


TER 
An 
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PT 
Ei; 
BER 





390 


rin als Gefolgeherr für ben Gefährten “princeps sum’ 
——** wird, fo iſt das natürlich ohne alle Bedeutung: dem Ge 
folgsgenofjen iſt der allgemeine princeps ja gewiß Drinceps sun. 
Und wenn andererfeitd einmal ftatt beifen fih der Ausdruck finde: 
judicio ejus quem sectantur, fo ift das nur eine ftylifitide 
Wendung, um das fo ſchon fo oft wiederkehrende “princeps’ zu ver 
meiden; baß eben jener der princeps tft, ergiebt ber Zuſ 

jo deutlich, daß es gewiß nicht noch von Tacitus hervorgehoben zu 
werden brauchte. Die Worte fpäter: nec solum in sua gemte 
cuique, sed apud finitimas quoque civitates id nomen, ſcheinen 
mir aud) vorzugsweife auf den princeps als Vorfteher des Boll 
su paffen: ihm gegenüber kann die gens befonder8 prägnant "sus 
genannt werben; und wieder zu der Völkerfchaft, der der princeps 
ganz oder theilweife vorfteht, bilden die fremden civitates erft einem 
recht beftimmten Gegenjaß. 

Wenn dagegen Dahn (S.76) behauptet, aus dem zumächft Fel⸗ 
genden ergebe fi), daß die principes al8 Gefolgsführer c. 13 um 
die principes als ftaatliche Vorfteher verjchieden fein, fo kam ih 
auch dem nicht beipflichten'. Expetuntur enim legationibus e 
muneribus ornantur et ipsa plerumque fama bella profli 
Das, meint er, hätte von den Häuptern ber ftaatlihen Gemeinden 
nicht gefagt werden können: theil® babe es fich von felbft nerftanden, 
daß diefe Gefandtichaften empfingen, andererfeits fei nicht zu denlen, 
daß jene mit ihren Gefolgichaften da hätten eingreifen können, wo 
die Staaten fi im Frieden befanden. Allein dem Legten wider 
Spricht fo ziemlich alles was wir von ber älteren germanifchen Ge 
ſchichte wiſſen. Die Neigung fi) an kriegeriichen Zügen und Aben- 
teuern zu betheiligen, ohne viel Rückſicht auf die Verhältniffe die mit 
den Nachbarn bejtehen mochten, zeigt fich bei Deutfchen unb Nor⸗ 
mannen alle bie folgenden Yahrhunderte hindurch. Gegen Selten 
und Römer find die Deutfchen, wie fpäter gegen die fränkifchen und 
angelfächfiichen Gebiete die Normannen, in —* Bewegung; umb 
ebenjo hat es nicht an Kämpfen der Germanen unter einander ges 
fehlt; und wenn dabei vielfach auch ganz andere Verhältniffe als bie 
Sefolgfehaften in Betracht kommen, man entfernt nicht, wie früher, 
daran denken darf, diefen den Hauptantheil an allem was der Art 
entgegentritt beizulegen, fo ift doch deutlich, daß ſich Gelegenheit genug 
fand für die Fürften in der Weife einzugreifen wie es Tacitus ſchil⸗ 
dert, ohne daß dadurch die beftehenden Ordnungen in Frage geftellt 
und erfchüttert wären. Hier ift die oft angeführte, mit Unrecht ® 
(auch wieder von Köpfe ©. 23 und von Wietersheim S. 380. 
383, während diefer fih ©. 388 zweifelhaft äußert) freilich auf das 


2 Auh Danield I, ©. 336 folgert gerade daß Gegentheil: das von 
Tacitus Erzäblte pafle nur, wenn man ſich die Gefolgsherren zugleich als die 
beftändigen Landesfürften vorftelle. 

2 Michtig dagegen Daniels I, ©. 342, 





392 

ſondern Gefolgsleute find (vgl. namentlich auch Roth, Beneficialweſen 
S. 18, der nur etwas zu weit geht in der Anfidht von der „Unterord- 
numg ber Comitate* unter die Gemeinde), erkennt auch Köpfe (S. 22n.) 
an (ebenfo Bornhak in einer unten anzuführenden Abhandlung S. 235, 
Thudichum S. 14, Schulte, Lehrbuch der d. R. und R. ©. ©. 15 
n. 2); während Dahn fi zweifelhaft äußert (S. 76 n. 2), Wie 
tersheim (S. 381) die entgegengefegte Auffaffung vertritt. Aber 
felbft wenn man mit den neuern Herausgebern, Haupt, Haaſe, Halm, 
Krig, “tuentur’ aus den beiden Handſchriften A und B (nach Haupts 
Bezeichnung) lieſt, nicht “tueare’, wie C umd andere haben und id 
früher mit Gerlach vorzog (V. G. J, S. 149), aud) Köpfe (a. a. O.) 
vertheidigt, werden nicht die plerique nobilium adolescentium als 
Subject anzunehmen fein, fondern das ift hier und bei dem Bor- 
hergehenden “clarescunt’ aus ‘gens’ zu entnehmen (vgl. Jeſſen in der 
Anzeige von Kritz's Ausgabe in der Zeitfchr. für Gymnaſialweſen 
1862.1, S. 72). Dagegen tritt mit dem folgenden ‘exigunt’ das Sub 
ject des Hauptjaßes, die Gefährten, von welchen vorher die plerique 
nobilium adolescentium al8 ein Theil, der bejonders in Betradt 
kam, genannt find, wieder ein. 

Hiernach ift auf die nähere Erflärung der Worte, die, wie be 
merft, den Uebergang zu der Befchreibung des Gefolgewefens über 
haupt machen, einzugehen. Ich erfreue mich da in mancher Bezie⸗ 
hung einer Webereinftinnnung auch mit denen welche ich bisher mit 
einer in der Hauptfache abweichenden Auffaffung gegenüber fah; wäh 
rend es freilich auch hier nicht an Abweichungen fehlt. Einzelnes it 
jetzt jedenfall8 genauer und beffer gefaßt als früher. 

Zunädjft kann e8 gewiß nicht weiter einem Zweifel unterfiegen, 
daß die Bezeichnung ‘robustioribus ac jam pridem probatis’ mit 
Köple (S. 17) auf das vorhergehende: sed arma sumere non 
ante cuiquam moris quam civitas suffecturum probaverit, be 
zogen und daraus erflärt werden muß. Ich habe jchon früher be 
merkt (8. ©. I, ©. 150. 151), daß jener Ausdrud für die princi- 
pes ein ganz unzuläffiger, unpaffender ift; wogegen er den wehrhaft 
gemachten, von der Verfammlung des Volfs dazu würdig erklärten 
Fünglingen durchaus entipriht. Ihnen gegenüber ftehen die “ado- 
lescentuli’, eine Bezeichnung die ficher auch nicht ohne Abficht gewählt 
ift: ganz junge Männer, die die Bedingungen der Wehrhaftmachung 
noch nicht haben. Sie werden den andern angereiht, d. 5. gleichge- 
ftellt: an die Lesart ‘ceteri’, die handſchriftlicher Begründung voll: 
ftändig entbehrt, iſt auf die Weife nicht zu denken; es giebt außer 
den adolescentuli auf der einen und den robustiores ac jam pri- 
dem probati auf der andern Seite gar feine mehr die als ceteri 
bezeichnet werden Tönnten. Nur dann wäre diefe Lesart möglich, 
wenn man fo auslegen wollte, daß unter den Wehrhaftgemachten 
unterjchieden würden einige, die als adolescentuli principis di- 
gnationem erhielten, und andere, die denen angereiht würben welche 
Ihon früher, bei einer früheren Gelegenheit, die Probation erlangt. 





894 


Männern verfchafften, oder auch nur fo ficher in Ausficht ftellten, daß 
diefelben dadurch von den andern abgejondert wurden, nach dem ganzen 
Zufammenhang unmöglid. Es fehlt dann entweder aller Fortgang 
in ber Darftellung, ober wenn man einen ſolchen bineinbringt, ge 
ſchieht es in einer Weife die fi in der That mit den Worten, wie 
fie lauten, fonft gar nicht verträgt. Namentlih das ‘aggregantur 
wird häufig in einer Bedeutung genommen die es nicht bat. Qui 
aggregatur, fagt Franz Ritter, non subicitur (coordinatur, non 
subordinatur): e8 bedeutet die Aufnahme in die grex in Beziehung 
auf die andern Mitglieder derfelben, nicht auf den Führer und Für 
ften. (Das Gegentheil jagt unrichtig Roth, Beneficialweſen S. 12, der 
fonft in der Auffajfung diefer Stelle und des ganzen Verhältniffes mit 
mir übereinftimmt). Außerdem bezieht man zum Theil ‘robustioribus 
etc. auf bie Fürften; und auch fo fommt man meift ohne die Aen- 
derung ‘ceteri’ nicht aus. Wenn alles drei bei Sapignys Deutung 
zufammen kam und fie als ganz unmöglich erfcheinen ließ (V. ©. 
a. a. O.), fo zeigt fich bei anderen wenigſtens das eine oder andere. 
So erklärt Phillips (a. a.O. ©. 355): fie werden den übrigen Für. 
ften angereiht, gleichgeftellt: ift ‘ceteris’ beibehalten und “aggregan- 
tur richtig genommen, fo hat dagegen ‘robustioribus’ etc. die m 
zuläffige Beziehung auf die Fürften erhalten, und außerdem fehlt 
aller Uebergang zum Gefolge; das ‘nec rubor inter comites aspici 
beginnt etwas ganz Neues; wie es bei einer fonjt ganz verfchiedenen 
Erflärung aud Köpfe S. 18 will, mir aber weder an ſich ange 
meſſen noch Zaciteifcher Weife entiprechend erfcheint. Um einen fol- 
hen Uebergang zu finden, fagt Horkel (Gejchichtsfchreiber der beut- 
ſchen Urzeit S.709): „fie werden einem der älteren Fürften beigege- 
ben, treten in fein Gefolge“; und ähnlich nimmt Roth d. &. ale den 
eigentlichen Sinn der Stelle an (a.a. D.): „ünglinge, denen ihres 
hohen Adels oder des Verdienjtes ihrer Väter willen fürftliche Würde 
zufommt, fließen fih an Fürſten an, die ſchon fräftigeren Alters 
umd längft erprobt find“. Abgeſehen davon dag aud) hier die unzu- 
läffige Beziehung des ‘robustioribus’ etc. auf die Fürften wiederfehrt, 
und “aggregantur nicht in feiner wahren Bedeutung gefaßt ift, mag 
man einfach fragen, ob e8 benkbar ijt, daß Tacitus einen fo 

Gedanken in der Weife wie wir die Worte Iefen ausgedrückt haben 
würde. In anderer Weife faßt die Sache Krig: „die Jünglinge 
weiche früh und außer der Ordnung mit der Würde eines Fürften 
geehrt — und das heiße nicht, daß fie wirklich Fürften geworden, 
fondern nur daß fie die Gewißheit erhalten, fobald fie erwachſen, 
Fürſten zu fein (man mag die Frage aufwerfen, wie dann gleich ein 
Play für fie frei gewefen), diefe feien dadurch nicht ftolz geworden 
nnd hätten nicht verſchmäht, bis fie erwachfen, unter den Gefolgsge⸗ 
nofjen zu leben und deren Gefchäfte zu theilen“: das ‘nec rubor in- 
ter comites aspici’ eng mit dem Vorhergehenden verbunden, gewiſſer⸗ 
maßen zu demjelben heraufgezogen, fol diefen Sinn ergeben. Aller 
dings kommt feines von den fprachlihen oder Tritifchen Bedenken, 





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bie vonteni cunniten erſcheinen als die IOUO Mitglieder der uriprüngfi- 
oem Hunderte, melde das Gericht unter dem Boriig des princeps 

bilden (8.&. I, ©.%9. 113 n.), die comites find die frei gewähl- 
ten, frei fi anfdylieenden Gefolgegenoſſen. Die jo angenommene 
verſchiebene Mebeutung ber comites iſt wohl ein Grund geweſen, 


auch für bie principen mehr als eine zu ftatuieren (Dahn S. 75). 
Ich bin auch Vortwährend der Meinung, daB in der Sadıe kei⸗ 
nerlel Werbindung oder Zuſammenhang beſtand. 

Wenn Zopfl(VNechtsgeſchichte 8. 8. 32, wenigſtens ſchon in 
ber zinchten duflage, und Landau von einem doppelten, einem amtli⸗ 
den mb einem freiwilligen (Sefolge fprechen, fo ift das in Wahr: 
I nur eine Werwendung beffelben Ausdruds für ganz verfchiedene 

Kluge, ad) Söpfl wäre jenes von der Gemeinde gejtellt, theils 
ule Null) (Clorin. ©, 12), theils al8 Landwehr (Germ. c. 6), dies 





aciem locant, obwohl auch Zöpfl diefe Stelle mit dem 
angenommenen amtlichen Gomitat in Verbindung bringt. — 
diefe Erklärungen wendet fi) Daniels (I, ©. 337 ff. ), will 
auch von ben Hunderten und ihren Mitgliedern nichts 
haupt die Worte des Zacituß: centenis singulis etc. nid mit 
Gerichtsbarkeit in den pagis et vicis, von der vorher bie —* 
in Verbindung bringen; er meint vielmehr, ſie ſeien auf die 
meinen Verſammlungen der Landesgemeinde zu beziehen, wo auch 
Fürſten zuſammen kamen: da hätten dieſe eine ſolche kriegeriſche 
gleitung mitgebracht, um durch dieſelbe ihr fürſtliches Anſehn af 
recht zu erhalten und bei den wichtigen Angelegenheiten ſich 
Raths zu bedienen: was aber die Zahl betreffe, ſo könne man zwei⸗ 
feln, ob gerade hundert dazu auserlejen feien, oder ob eigentlich ge 
jagt fein folle: „die Fürften feien mit ihrem in Hunderte abgetheil⸗ 
ten Kriegögefolge erfchienen“ ; der Verfaſſer iſt geneigt fich für det 
Letzte zu entjcheiden. Dadurch erhält dann das Gefolge wieder em 
jehr große Ausdehnung, wie fie wenigftens bei Fürften, Die den Ab 
theilungen der civitas — mag man fie num als Hunderte anfchen 
ober nicht — vorftanden, | Swerlich wird vorausgejegt werden bürfen 
Das Ganze jcheint mir aber dem deutlichen Zuſammenhang der 
Worte bei Zacitus dergeftalt zu widerſprechen, daß man fich nicht 
länger dabei aufzuhalten braudt. 

So vermag ich feinem der verfchiebenen Borfchläge beizupflichten 
die gemacht find, um eine wirkliche Verbindung zwiſchen den centeni 
comites mit den nadjher genannten comites herzuftellen. —— 
gleichwohl ſcheint es mir, daß Tacitus an einen ſolchen gedacht Bi | 
ohne fi) dann freilich felbft die Sache deutlich zu machen’, 
mentlich die Art und Weife wie mit den Worten: nec rubor * | 
comites aspici, diefe comites eingeführt werben, ift nicht wohl zu be 
greifen, wenn man nicht annimmt, daß der Autor meint dieſelben fchen 
vorher genannt zu haben: feine Anficht wäre gewefen, daß die welde 
‚mit dem princeps zufammen das Gericht bilden, oder wie er ſich 
ausdrückt demſelben consilium simul et auctoritas assunt, ſolche 
find welche mit ihm in das eigenthlimlich enge, durch einen Eid bes 
gründete Verhältnis des Comitats getreten; während ihre Zahl an 
ſich verfchieden fein fonnte — wie es die Worte: cui plurimi et 
acerrimi comites; si numero ac virtute comitatus emineat, 
deutlich ergeben —, feien es hier hundert gewefen. 

Bei diefer Auffaffung wird der ganze Zufammenhang der Stelle 
noch beſſer und deutlicher, als wir vorher ſahen?. Die Fürſten, 


58 
* 
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12Thudichum meint S. 32 n., es babe vielleiht im Deutjchen baflelbe 
Wort für beide Begriffe gegeben, legt übrigen? Gewicht barauf, daß bei ben 
centeni comites ber Zuſatz ‘ex plebe’ ſich finde, währenb Daniels S. 341 ge 
rade dieſen bei den eigentlichen Gefolgsgenoſſen beſonders paſſend findet; vgl. 
Bemeiner ©. 

s:. Menu ſiatt deſſen Wietersheim ſagt, S. 371, Tacitus handle hier 
von Kriegsdienſt, und zwar zunächſt vom Eintritt in folgen (Aushebung zum 


399 


wird erzählt, Haben im Gericht eine ſolche Begleitung. Auch bier 
erjcheint diefelbe bewaffnet. Bon der großen Verſammlung ift fchon 
vorher gefagt: considunt armati. Das ‘nihil autem neque pu- 
blicae neque privatae rei nisi armati agunt’ muß fidh alfo, 
wenn es aud eine allgemeinere Bedeutung hat, zunächft auf jene ge- 
richtlichen Verfammlungen beziehen. Diefe Sitte überall Waffen zu 
tragen führt auf die Wehrhaftmadhung, die in dem concilium, von 
dem vorher hauptfächlich die Rede war, wenigftens mitunter durch 
einen princeps, erfolgte, und die den Jüngling zur pars rei publi- 
cae machte. Ausnahmsweiſe konnte aber auch ber adolescentulus 
fhon — und der Sinn ift wahrjcheinlih, wie oben bemerkt, ohne 
förmliche Wehrhaftmachung — von dem princeps gleicher Beachtung 
gewürdigt werden. Dazu führten insignis nobilitas aut magna 
patrum merita Auch für ſolche, wie überhaupt, war es feine 
Schande ‘inter comites aspici. Und diefer Comitat hatte auch 
noch Abftufungen. 

Es ift nicht die Abficht, Hier weiter auf die Gefolgichaft und 
ihre Bedeutung einzugehen, namentlich die, allgemeinen Betrachtungen 
zu würdigen, mit denen die oben genannten Schriftfteller, welche das 
Recht ein Gefolge zu halten auf andere. als die Vorfteher des Vol⸗ 
kes ausdehnen, ihre Anficht zu begründen denken. Ich bemerke nur, 
daß, wenn die Snterpretation des Tacitus zu einer entgegengefetten 
Auffaffung führt, meines Eradhtens auch die Gefchichte damit in vol⸗ 
fer Uebereinſtimmung ift. Nur verfteht es fich freilich von felbft, 
daß, was den principes zukam, wie jpäter, jo ebenfalls in diefer 
älteren Zeit auch und vorzugsmweife, wo es Könige gab, für diefe in 
Anfpruch genommen werden muß (V. ©. I, S. 127. 140. 145. 
154. 171; fehr mit Unrecht hat Dahn S. 78 angenommen, id) 
fühe das Gefolge bei den Königen als etwas Spätere an). Und 
ebenfo läßt ſich nicht zweifeln, daß der dux, mochte er nad) Bedas 
Erzählung von den Sachſen aus der Zahl der principes, oder ganz 
frei gewählt werben, ein folches Gefolge hatte. Nehmen wir aufßer- 
dem principes in verfchiedener Stellung an, fo liegt es zunächſt und 
fcheint dem Bericht des Tacitus entfprechend, nicht blos Einer Klaffe 
das Gefolge beizulegen. 

Dben wurde erwähnt, wie Köpfe wenigſtens principes pago- 
rum und civitatum unterfcheidet, Wietersheim gar drei Arten ges 
wählter Voltsvorfteher annimmt, folche die ganzen Völkern (Völker: 
fchaften), andere die den Gauen und Centenen vorgefet waren. Da⸗ 
gegen Spricht Dahn zunächft von Vorftehern der Bezirke (S. 9), 
als Ausnahme läßt er Vorfteher der Stämme (d. h. Völferfchaften) 
zu; während Thubihum (S. 1ff. 22. 38. 53), mit Roth, Beth- 
mann⸗Hollweg u. a., nur an folche denkt welche den Hunderten vorge: 


Necruten im modernen Sinn), fodann von der Ausbildung für folden, ba 
nur dad Somitat dazu bie gewöhnliche Schule gebildet, fo verkennt er ganz 
ben Gedankengang bed Autors. 


400 


fest waren, biefen aber eine größere Ausbehmmg als andere gi, 
indem er fie von vornherein als Pereimigungen von 100 Zehutiäe: 
ten anfieht (S. 34): daneben wilf er aber, ebenfo wie Wietersheim (E. 
367), die Vorfteher der Dörfer unter den principes verftanden hela. 
Die legte Annahme ſtützt fi) auf da® ‘per pagos vicosge 
jus reddunt”. Allen diefe Worte enthalten in feiner Weife, dei 
die vici wie bie pagi eigene principes al® Richter über ſich hatte, 
fondern erklären ſich befriedigend daraus, daß die Vorſteher der pagi 
ihr Gericht in den verfchiedenen vicis ihres Diftricts hielten. © 
iit deshalb aud) fein Grund, die principes regionum atque pagr 
rum, von denen Kaejar in der oben angeführten Stelle fpricht, hier: 
mit in Zufammenhang zu bringen; regiones foll ficher nicht, we 
Thudichum mit einigen Früheren annimmt (S. 37), bie Kleinere 
Bezirke, Dörfer, oder wie Dahn (Mind. Gel. Anz. 1859. N. 58, 
©. 446) für möglich hält, die Hundertſchaften, fondern eher größer 
Diftriete bezeichnen: vielleicht ift aber eine genaue Unterfcheibung, 
wie auch der zulegt angeführte Autor meint, gar nicht vorauszufegen. 
Es handelt fid) um die frage, ob es innerhalb Der civitas 
noch verichiedene Gliederungen, abgefehen von den Dörfern und ihres 
Gebieten, gab. Zaritus jpridyt nur von pagi. Das Wort ift m 
beftimmter Bedeutung, bezeichnet aber in römiſchem Spradhgebraud 
ftetS die Unterabtheilung eines größeren Ganzen '. Ich Habe eben 
als folche Linterabtheilung auch fchon in älterer Zeit eine nad) ſoge⸗ 
nannten Hunderten angenommen, und in der Eintheilung des Heer 
nach Hunderten (c. 6), in ber Bezeichnung ber Gericht&verfamm 
{ung des princeps al® centeni comites, dann in den 100 pagi 
der Eueben bei Saefar, der Semonen bei Zacitus, Spuren bes Be 
handenfeins des Begriffs und Namens gefunden (vgl.c.6: centeni ex 
singulis pagis sunt, idque ipsum inter suos vocantur, et quod 
rimo numerus fuit, jam nomen et honor est — die Beziehung 
diefer Etelle auf das Heer überhaupt, nicht blos auf die vorher ge 
nannten außerlefenen Strieger, billigen Thudichum ©. 29, S 
©. 38 n. 1, während Dahn S. 14 n. 1 und früher Müllenhoff, 
bei Haupt Zeitfehrift für Deutfches Altertfum X, ©. 550, fie be 
ftreiten, auch Peucker, Das Deutfche Kriegewefen der Urzeiten ], 
©. 40. OD, ©. 32 das andere annimmt. Dahn, wie fchon 
bemerkt, fieht dagegen in ben pagi Wbtheilungen bie er Be 
zirfe nennt, und denen er einen größeren Umfang und größere Be 
deutung beilegt, als man zunächſt bei Hunderten im Auge haben 
fanıı, wenn diefe in älterer Zeit entfchieden auch nie jo beſchränkt 
gedacht werden dürfen, wie jener Autor meint, der ihnen faft nur 
gemeindliche Bedeutung zugeftehen, fie aber überhaupt nicht als eine 


2 68 if ganz ohne Grund, wenn Dahn fagt, ©. 10: ich gebe von ber 
Annahme aus, baf regelmäßig Stamm (was ich Völkerſchaft nenne) und pagus 
zufammenfallen. Gerade im Gegentheil trenne ich fie in ältefter Zeit auf bad 
beftimmtefte, unb nur die fpäteren pagi — Gaue find nad) nieiner Anſicht 
theifweife aus ben alten civitates entſtanden. 


401 


allgemein vorfommende Gliederung gelten laſſen will (S. 19). Doch 
fehe ich zu diefer Annahme keinen ausreichenden Grund. Die fpätes 
ren Verhältniffe zeigen durchgängig doch nur die Gliederung nad) 
Gauen und Hunderten, und wenn jene im allgemeinen den Gebieten 
ber felbftändigen Völferfchaften (civitates) entfprechen, fo biefe ihren 
Unterabtheilungen, den pagi des Tacitus, bei denen die angeführten 
Umftände deutlich genug auf den Begriff und Namen der Hunderten 
hinweifen. Neben oder über biefen noch größere in fich verbundene 
Diftriete anzunehmen, könnte nur das ‘regiones’ bei Caefar veran- 
fafjfen; wenn aber fpäter gerade regio wohl für Gaugebiet genommen 
wird (V. G. I, S.111 n. 5), fo darf man daraus doch faum be- 
ftimmte Schlüffe für diefe ältere Zeit ziehen. Nur fo viel ergiebt 
fich fonft, daß der Umfang der civitates ein verfchiedener und wed)- 
felnder war, daß ſich bald größere bald Kleinere Gemeinfchaften po- 
litiſch felbftändig organifierten !, danach auch die Namen bald umfaf- 
fendere bald befchränktere Bedeutung haben ?; und es konnte dann 
auch gefchehen, daß von einer folchen ftaatlihen Bildung ſich einzelne 
Theile abjonderten, ohne daß es gerade eine einzelne Hunderte zu 
fein brauchte, wie die Bataven von den Chatten, welches Beispiel 
Dahn (S. 15) anführt. Cher mag fpäter, in der Zeit der ſich 
ausbildenden Königsherrfchaft, eine weitere Gliederung durchgeführt 
fein, wie fie bei den Saliſchen Franken zu beftehen fcheint; während 
wir bei den Sachſen umgefehrt auch fpäter noch überhaupt nur Eine 
Art der Verbindung nachweifen können. — ‘Das Gebiet der felbjtändi- 
gen Völkerſchaft habe ich fonft Gau genannt. Ob. der Name, ber 
fpäter für diefe Gebiete, aber als Unterabtheilungen größerer Reiche, 
galt, in diefem Sinne ſchon der älteren Zeit bekamt war, muß aber 
dahingeftellt bleiben. Vielleicht fagen wir richtiger: Landſchaft, Land, 
wie fich diefes als Endung in einzelnen Namen findet, Rugiland, Ha- 
maland, Friesland, Holland, — Wenn Dahn übrigens feinen Bezirken 
eine befondere politifche Selbftändigkeit, im Gegenfaß einer blo8 gemeind- 
lichen, beilegt (S.10), fo handelt es ſich im wejentlidyen nur darım, 
einmal daß nad) ihm die civitas feinen gemeinfchaftlichen Vorſteher 
ober Fürften (princeps) hatte, fodann daß auch die Bezirke unter 
Umftänden ftatt principes Könige (reges) an ihrer Spige haben 
fonnten. Das Yette gehört eigentlich nicht in diefe Erörterung, und 
ich bemerfe nur, daß, wenn etwas derartiges vorgefommen, wie es 
bei den Salifchen Franken und den Quaden (Dahn S. 116) der 
Fall gewefen fein foll, die Völferfchaft jedenfalls aufhörte eine civi- 
tas im Sinn des Tacitus zu bilden; in den meiften Fällen, 3. B. dem 
der Alamannen, handelt es fich entjchieden überhaupt nicht mehr um 


2 Es ift infoweit richtig, wenn Dahn fagt S. 68, bie civitas bezeichne, 
ohne Rüdfiht auf den Raum, die Heinere oder größere politifhe Genoſſen⸗ 
ſchaft als ſolche; — aber nie ben pagus, wie er annimmt, wenn er meint, der 
princeps civitatis fünne, nad) feinem Ausdrud, ein Bezirksgraf fein. 

2 Tacituß mochte auch manchmal eine Völferfchaft für Eine civitas hal: 
en, bie ed nicht wirflih war; vgl. Allg. Monatſchrift a. a. O. ©. 272. 





alle Helvetier, andererfeits bilden die Ubier eine ſolche. Bei Zac 
tus it die Sache nicht völlig Mar. Doch mögte ich neben dem prin- 
ceps civitatis (c. 10; Jeſſen in der angeführten Recenfion S. 70 
bemerft, das könne gar nicht bedeuten: ein Fürft) namentlich noch 
c. 15 geltend maden, wo die Worte: Mos est civitatibus ultro 
ac viritim conferre principibus vel armentorum vel frugum, 
mir entfchieden auf principes der civitates hinzuweifen ſcheinen 
fonft hätte gejagt werden müſſen, daß die Einzelnen in den pagis 
den principes als Vorſtehern berfelben die Geſchenke darbradgten. 
Ich dann auch ſehr geneigt, gerade dieſe auf die principes ci 
vitatum zu befchränten, wie jpäter die Könige folche empfingen. Def 
felbe auf die Gefolgſchaft auszudehnen, und auch diefe nur dem ober 
‚ften Vorfteher der civitas beizulegen, wie man wohl geneigt fein 
Tönnte, wage ich jedoch nicht. 

Weiter auf die ſtaatliche Stellung und Thätigkeit der principes, 
auch nur foweit Tacitus von derjelben handelt, gehe id) 
ein. Nur das eine mag ich bemerken, daß ich mich nicht entfchlichen 
kann, mit den meiften Neueren (Dahn S. 69 n. 2, der felbft ande 
rer Anficht, macht fie namhaft; auch Bornhak S. 237, Krig n.a. 
fchliegen fi) ihnen an) die Worte: Mox rex vel princeps, 
prout aetas cuique, prout nobilitas, prout decus bellorum, 
prout facundia est, audiuntur auctoritate suadendi i 
Jam jubendi potestate, fo zu faſſen, daß bie aufgezählten &- 
genfchaften fi nur auf den princeps beziehen: dann müßte aud) 
an mehrere Könige gedacht werden. — Die principes wurden ge 
wählt frei, ohne Rüdficht auf ein Geſchlecht. Zu dem “eligunter 
etc. c. 12, kommt bier c. 22: de asciscendis principibus con- 
sultant '. Ich zweifle auch nicht zu jagen: lebenslänglich gewählt, 


ı Menn Watterich bier alle Wahl bat ausſchließen wollen (j. Monats⸗ 
ſchrift a. a. O. ©. 269), fo ſagt Danield nicht eben richtiger I, ©. 337: 
„Unter der Wahl in ber Volksverſammlung darf man fih nicht eine von dem 
Bolt ausgehende freie Auswahl feiner Obrigkeiten vorftellen, fondern nur eine 
durch Beifallszeichen erflärte Zuftimmung in ben Beſchluß des Fürſtenrathes, 
ber fich in feinen vertranlihen Zufanmenfünften darüber geeinigt hatte, wen 


408 


obgleich Köpfe (S. 22) und Thudihum (S. 40) das Gegent 
Wahl auf Zeit, etwa jährlichen Wechfel, chen (Dahn ar: 
zweifelt). Aber das ift ganz gegen alle8 was wir von den Ver⸗ 
bältniffen der alten Deutſchen wilfen, verträgt fich nicht mit dem 
dauernden Charakter der Gefolgſchaft, nicht mit der. im Gegenſatz 
gegen die Stellung ber principes hervorgehobenen kurzen Zeit der 
Heerführerfchaft, nicht mit den Nachrichten über Armin ! und andere 
Verfönlichkeiten der älteren Gefchichte, die längere Zeit hindurch als 
principes erſcheinen. 

Ich glaube auch nicht, daß in diefer Beziehung ein Unterſchied 
zwifchen den principes pagorum und dem princeps civitatis ges 
macht werden Tann. 

Um fo eher konnte Tacitus für beide daffelbe Wort brauchen 
im Gegenfag gegen den König, der ‘ex nobilitate’ erhoben wurde. 
Dagegen mochte im Deutfchen der Ausdruck verfchieden fein. Er 
war es auch wohl bei den verfchiedenen Stämmen. 

Das fpätere „Graf“ Hier in Anfchlag zu bringen, find wir 
ſchwerlich berechtigt, auch wenn e8 nach 2. Meyers Deutung (Zeit- 
fchr. für vergl. Sprachkunde V, 3, S. 157 ff.) allgemein den Ge⸗ 
bieter, Vorfteher, bedeuten follte; es Scheint mir unpaffend und ftörend, 
wenn Dahn überall fhon von Grafen fpricht. Wenigſtens Hinwei⸗ 
jungen auf einzelne andere Namen finden fih. Dem ‘“judex’ als 
Bezeichnung des Athanarich bei den Wejtgothen wird ein zunächft 
die richterliche Thätigkeit bezeichnender Name entfprocdhen haben; ein 
folcher jcheint nad) Müllenhoffs Deutung thunginus für den Vor- 
fteher der Hunderte bei den Salifhen Franken zu fein. Wir haben 
feinen Grund zu zweifeln, daß auch ein dem fpäteren Hunnen ent 
fprechendes Wort fih fand. Bei den Sachſen wird eine Bezeich⸗ 
nung wie das angeljächfiiche ealdorman, womit die Heberfegung des 
Beda das Wort satrapa, das diefer für die altſächſiſchen Vorfteher 
der einzelnen Abtheilungen braucht, wiedergiebt, üblich gewefen fein. 
Der Heliand kennt thiodan als Vorſteher des Volle, entfprechend 
dem gothifchen thiudans (V. ©. II, ©. 114 n.). Dagegen das 
kindins derjelben Spradje foll nad) Ammian, der e8 als hendinos 
wiedergiebt, bei den YBurgundern vom König gebraucht fein. Ob 
die römifchen und griechifchen Quellen, wenn fie rex oder princeps 
fagen, immer genau bie wirklichen Verhältniffe beachten, wird zwei» 
felhaft bleiben. Zacitus aber thut es, wenigjtens in der Germania, 
ohne daß wir nun angeben können, welches deutfche Wort und ob 
ein beftimmtes dem legten Ausdrud zu Grunde liegt. Wir haben 
uns feit einiger Zeit gewöhnt „Fürften” zu fagen. ‘Dagegen er- 
hebt Thudihum Einſpruch (S. 1) und meint, diefe Bezeichnung 


er aus dem Geſchlecht eines abgeygangenen Gaufürften in feine Mitte aufneb: 


men wollte”. 
2 Bol. Köpfe ©.24 ff., ber ihm als princeps civitatis eine ganz anbere 


Stellung giebt ald den Vorjtehern der pagi. Dagegen Dahn S. 73. 120. 


404 


irre, erwede Vorſtellungen, bie an und für fidh nichts mit der 
nllang der principen ıı Kun haben Allein zum Theil ift dei 
nur der Ball, weil er diefe zu fehr herabdrüdt, fie namentlich mid 
lebenslänglic; fein läßt. Was er ftatt deſſen vorfchlägt, SDberfte, 
oder tmann, aud) Vorfteher und dol. fcheint mir feinen Borzmy 
zu und ift umferem Gebraud fremd. So halte ich es in je 
der Weife unbedenklich, auch fürder zu fpreden von den Fürften, im 
Gegenſatz gegen die Könige, der alten ‘Deutfchen. " 


Geſchichte des Iangobardiichen Herzogthums. 


Von 


9. Pabſt. 


Nachdem ſchon Baronius in feinen Annales ecclesiastici einige 
Nachrichten über das Langobardifche Herzogtum zufammengeftelit 
hatte, war es vornehmlich Muratori, der hier, wie auf den übrigen 
Gebieten der mittelalterlichen italifchen Gefchichte, zuerst wirkliche 
Refultate gewann und allen. Nachfolgern entfchiedene Bahn brad). 
In zweien feiner größeren Werke, in den Annalen und in den Al- 
terthHümern Staliens, hat er über den langobardifchen Dufat gehan- 
delt. Der Natur der Aufgaben entfprechend fuchte er in jenen mehr 
die äußere Gejchichte, in dieſen wejentlich die inneren Verhältniſſe 
defjelben zur Anfchauung zu bringen. Das Material, das er zu- 
fanımengetragen, ift in beiden Fällen höchft bedeutend, und auch feine 
Behandlung und Verwerthung zeugt von großem Talent und Geſchick; 
doch hat man wohl neuerdings nicht mit Unrecht bemerkt, daß bie 
ganze Fülle auch nur des vorgelegten Stoffes zu bewältigen Mura- 
tori nicht völlig gelungen ift, wie denn ein genaues Eingehen in das 
Detail Schon durch die umfaffende Anlage feiner großartigen Arbeiten 
verhindert wurde. 

An Muratori’s Forſchung fchloffen ſich zunächft die Ausführun- 
gen der zahlreichen Lofalhiftorifer an. Unter diefen nimmt entjchie- 
den den eriten Pla& ein Lupi, deſen auf ſehr genauem Studium be⸗ 
ruhendes Buch über Stadt und Kirche von Bergamo eine weit all⸗ 
gemeinere Bedeutung hat, als der Zitel vermuthen läßt, der auch für 
bie hier in Betracht kommenden Verbältniffe feinen Vorgänger nicht 
felten in erfreulicher Weife ergänzt und berichtigt. — 

An unferem Jahrhundert, und befonders in Deutfchland ift 
die Frage nach dem langobardifchen Herzogthume vorzüglid an die 
nad) der Entwicklung der DVerfaffung in den Iombardifchen und tu8- 
ciſchen Städten angeknüpft. Savigny hat fie in der Gejchichte bes 
römifchen Rechtes im Mittelalter, freilich nur fehr allgemein, berührt, 
erst Leo fie wieder ernftlich aufgenommen, mehr entwidelnd und 
begritndend in einer Hleineren Schrift'!, mehr nur die Ergebnifje zie⸗ 
hend in feiner Gefchichte Italiens. Weiter geführt ijt dann die Un- 
terfuchung von Bethmann-Hollweg und Hegel; ihnen gebührt dabei 
vornehmlich das Verdienft, auf die Wichtigkeit des Gaftaldats, auf 
fein Verhältnis zum Dufat bingewiejen zu haben, wenn ich auch 


. % Entwidfung ber Berfaffung der lombardifhen Städte, Hamburg 1824. 
27* 


408 


nicht fagen kann, daß daffelbe „in feinem ganzen Umfange dargelegt" 
worden fe. ine neuere Schrift von Tlegler dagegen ' tritt zwar 
mit gewaltigen Prätenfionen auf, ift aber jo mangelhaft in Stoff 

und Ausführung, daß durd fie unfere Kenntnis in Teinerlei Weile 
gefördert worden. 

Indeſſen find num neue Quellenwerfe veröffentlicht, fo beſonders 
die Ausgabe des Tangobardifchen Edifts von Baudi a Vesme und 
Troya's Codice diplomatico langobardo?. Freilich Hat gerade 
derjenige Zeitraum, welcher am Meiften der Aufflärung bedürftig 
fhien, der von der Einwanderung der Langobarden bis auf Rothari, 
auch durch diefe Publikationen wirklich Neues nicht empfangen ; doch 
fann man nun wenigftens das Edift mit einiger Sicherheit benuken, 
und für bie fpätere Epoche ift gar manches bisher Unbekannte Hier 
zum erſten Dale zugänglich gemacht. 

Da lag am Ende auch der Gedanke an eine neue Bearbeitung 
nicht fehr fern. Bei einer folchen aber mußte e8 weſentlich auf ein 
Doppeltes ankommen. Hatten die früheren Forfcher alle nur auf die 
lokalen Berfchiedenheiten in den Verhältniffen der Herzoge hingewie⸗ 
fen, Hatten fie eine Periode von zwei Jahrhunderten in eine kurx 
Schilderung zufammengefaßt, ohne aud) nur dem Gedanken Ram 
zu geben, daß während derfelben eine Entwicklung könnte ftatt gefmm- 
den haben, fo mußte bier vor Allem Gewicht gelegt werden auf die 
Veränderungen, welhe im Laufe der Zeit der langobardiſche 
Dufat erfahren. Eine befriedigende Löfung diefer Aufgabe aber war 
unmöglih ohne ein genaues Eingehen theils auf das Köni 
theil8 auf die den Herzogen zur Seite ftehenden höheren Beamten, 
felbft die äußere Politit mußte mehr als einmal in den reis ber 
Unteriuchung bineingezogen werben. Denn eine auch nur oberfläd- 
liche Betrachtung Tieß Leicht erfennen, daß einerfeits die Schwäche 
oder Stärke des Königthums in der innigften Wechfelwirkung ftand 
mit der Stärke oder Schwäche des Dukats, wie anbrerfeits bie Stel- 
lung des Xegteren weſentlich bedingt war durch den Gaftafbet. 
Ueber die zeitliche Begrenzung ein Wort am Schluffe. 


2 Das Königreich der Langobarden in Stalien, Leipzig 1851. 

8 Weber bie Art, wie ber Letztere, namentlich für verfaſſungsgeſchichtliche 
Arbeiten zu benugen ift, vol. Waitz, G. G. A. Jahrgang 1856, und Th. Wi- 
ftenfeld in ben Estr. dall’ archivio storico Italiano nuova serie, parte X: 
Delie falsificazioni d’ alcuni documenti concernenti la storia d’ Italia nel 
medio evo. Ich babe noch andere Urkunden, als die bort behandelten Gre 
monefer und Nonantulaner, von ber Betrachtung ausgeſchoſſen; vieleicht iſt es 
mir nächſtens vergönnt, barüber ausführliche Hehenfhaft zu geben. 





410 


um von ihnen aus ben Angriff gegen die zerftüdtelten Gebiete ber 
Feinde wiederaufzunehmen. Won einem Frieden, der in diefer erflea 
‚Zeit zwifchen den beiden Völkern gefchloffen wäre, hören wir nirgenb: 
man lebte eben in einem andauernden Kriegszuftande, felbft eine feir 
Grenze fehlte noch lange. 

Waren dergeftalt die Langobarden fortwährend im Süden m 

Oſten bedroht, fo mußten fie im Nordweiten nicht minder auf der 

ut fein. Die Franken, im gothifchen Kriege zeitweife Herren von 

beritalien, waren durch Narfes allerdings aus demfelben verdrängt 
worden; aber man hat es doc im Norden der Alpen nie vergeffen, 
dag man einft auch die Südabhänge des Gebirges beherrfcht hatte: 
faſt inftinktiv richtete fich hier die Politik eines jeden Träftigen Herr 
ſchers auf die gefegneten Fluren des Pothales. Dazu kam eine alte 
Feindfchaft beider Völker!, die jegt an den Grenzen mit ihrer gan | 
zen Macht auf einander ftießen. Es mag fein, daß die unrubig vor 
dringenden Langobarden bier den nächſten Anlaß zum Kampfe gege 
ben haben: feft jteht, daß ein folcher fchon im erften Jahre der 
Sinwanderung erfolgte, ımd zwar, wie es ſcheint, zum ——— 
der Anſtürmenden; wenigſtens erzählt der burgundiſche Chroniſt 
rius von Avenches?, daß von dieſen gleich darauf eine Menge Ge 
fangener in Gallien verkauft worden fei. 

So waren bie Langobarden zwifchen zwei Vöolker eingekeilt, bie 
niit gleicher Begehrlichkeit auf da8 von ihnen errungene Rand hin 
ſchauten, nur die Gunft des Augenblids erfpähend, um über bafjelbe 
berzufalfen. Und damit nicht genug, erhob im Nordoften, im ben 
Gebieten, welche man fo eben verlaffen, ein Volk fein Haupt, von 
deffen ungebändigter Beuteluft freilid) nicht gerade Vernichtung, befto 
mehr aber ftete Unruhe au den Grenzen zu erwarten war. Dem 
daß die Avaren nicht mit ängftlicher Gewiffenhaftigkeit an die mit 
Alboin gefchloffene Uebereinkunft fich binden würden, lag doch auf 
der Hand. 

Sn bedeutenden äußeren Gefahren gegenüber mußte ein ftraffes 
Zufammennehmen aller Kräfte im Inneren als erftes, dringendites 
Debürfnis erfcheinen. Ein folches aber konnte, wie die Dinge Lagen, 
nur don dem Königthume ausgehen. 

Das Königthum galt zwar den Kangobarden felbit nicht als ein 
urfprünglicher Beftandtheil ihrer Verfaffung: die Ueberlieferung kannte 
eine Zeit, wo der Stamm noch nicht unter der Herrichaft eines Ein⸗ 
zigen vereint gewejen war; aber dem ungeachtet fehlten ihm die Bes 


2 Auf eine folche weift die merfwürbige Nachricht Profops bin, nach ber 
bie Franken dem Narfed und feinem Heere den Weg burch Oberitalien nicht 
hätten geftatten wollen axmyiv zıva ou liav singöownor dökaoev elvas ag0- 
Beßlnulvas, on day Aayyoßigdas tous agıcı nolsmwsdtous obros dnayüus- 
vos nxeı, Bell. Goth. 1V, 26, p. 642 A. ed. Bonn. 

2 Ghron. 569, Roncallius II, &, 412: Eo anno ctiam in finitima loca 
Galliarum ingredi praesumpserunt Langobardi, ubi multitudo captivoram gen- 
tis ipsius venundata est. 


411 


dingimgen eines ftarfen und Fräftigen Lebens nicht, man wußte wohl 
von Kämpfen verjchiedener Prätendenten, nie aber hatten, wie etiva 
bei den Herulern, Bewegungen für die Rückkehr zu republikanifcher 
Ordnung ftatt gefunden. Im Gegentheil erhellt aus den Berichten 
Prokops, wie fehr in allen Verhältniffen, wie ganz befonders in den 
Beziehungen zu anderen Mächten die Könige von hervorragender Bes 
deutung waren. An Waco ſchicken Vitigis und die Gothen ihre 
Geſandten, als fie den Beiſtand des langobardifchen Volkes wünfchen, 
und Audoin iſt es, der fpäter alle Verhandlungen mit dem byzantis 
nischen Hofe leitet 2, der durch Gefchenfe Yuftinians beivogen Hilfe: 
truppen mit Narſes nad) Stalien entfendet. Diefe Macht des Kö⸗ 
nigs hatte unter Alboin nur fteigen können. Der Glanz feiner 
Thaten, deren Ruhm die damalige Welt erfüllte *, die mächtige Kraft 
feiner Perfönlichteit mußten um fo eher dahin wirfen, als in biefer 
Zeit Triegerifcher Bewegung überhaupt dem Rechte des Heerführers 
ganz von felbjt manches zufiel, was ihm vielleicht fonft fern geblies 
en wäre. 

Aber gerade je mehr die Tönigliche Macht in den Vordergrund 
getreten war, je mehr man ſich gewöhnt Hatte, in allen wefentlichen 
Dingen auf den Herrfcher zu fehen, defto heftiger mußte auch die 
Erfchütterung fein, welche fein plößlicher gewaltfamer Tod herbei» 
führted, deſto mehr dadurch alles in Zweifel geftellt werden, was 


I Prok. B. G. I, 22, p. 441 A: ds dd dayyoßapdu» Toy Gpyovıa 
Odaxıy notoßsıs Eneuar. 

2 Siehe befonderd Prok. B. G. IV, 25, p. 638 A: "4udosiv» re ö da 
yoßupdüv Banlsös ıwr os inoulvur mvüs is Buldynov näupas svayyklın 
uiv Iovonvyıova Bacılsi Idylov, kuluper di ov. Ragayıricdas ol xzara To 
Fupnayızor. . 

8 Prok. B.G. IV, 26, p. 641 B: Aödoviv 6 Aayyoßapdar Hyouussog 

onuaos noAlois avansıcdkisx "lovanyıava Panlsi xai Tj ins Önmyuias 
—* nsvıaxooiovs Ts xab dıayıklious zur ob inoutvor dnolskausvos 
ärdoas dyasoos sa nolima sis Evauayiav aunp Insuyer, ols zai epa- 
nsiay uayiuwr avdowv Idwxs nldov 7 rosoyıliwr. 

* Brief bes Biſchofs Nicetius von Trier an bie erfie Gemahlin bes 
Königs Chlodeſwinda, abgebrudt in ben Beilagen zu Ruinarts Gregor von 
Tours: Stupentes sumus, cum gentes illum (Alboinum) tremunt, cum reges 
venerationem inpendunt, cum potestates sine cessatione laudant, quid animae 
remedium non festinus requirit? Talis ornatus, talis vir, qualis Alboinus rex 
esse dicitur, talis fama, quem mundus sic praeponit, quare non convertitur? 

s Johannes von Biflaro Ehron. 573, Roncallius ©. 383: Alboinus Lan- 
gobardorum rex factione conjugis suae a suis nocte interficitur; Marius von 
Avendyed Chron. 572, Roncallius S. 413: Hoc anno Alboenus rex Langobar- 
dorum a suis, id est Hilmegis cum reliquis, consentiente uxore sua, Verona in- 
terfeetus est; Gregor von Tours IV, 41; Histor. Epitom. 66; Origo gentis 
Langobardorum VII; Paul. II, 29; Agnellus, lib. pont. pars II, vita Petri 
senioris cap. 4. Die Anficht Fleglers, daß bie That von dem gepibijchen 
Gefolge bed Königs ausgegangen fei, ſcheint mir im Grunde richtig, unbe⸗ 
grünbet find dagegen bie ferneren Kombinationen deſſelben Schriftfiellers, wie 
namentlich die Annahme einer weit verzweigten Partei, welche bie Hand im 
Spiele gehabt haben fol. 


413 


vorher feit umd begründet erfehie. Dazu kam bie —— *— be 
Succefjion. Denn einen Sohn hatte Alboin nicht Hinterlaffen, um 
feine einzige Tochter Alpfuinda, der nad dem ommen be 
Volles wohl ein Anrecht auf die Krone zugeftanden Gätte, ſiel 
noch ehe irgend etwas für fie geſchehen konnte, in bie Gewalt 
des griechifchen Exarchen Longinus und wurde von dDiefem nad 
Conftantinopel gefendet '. ilmedji8 aber, der zumädjjt unte 
den Beiſtande der Königin Roſamunde eine Rolle zu fpielen ver 
fuchte, mußte bald inne werden, daß ihm das auf die Dauer nick 
gelingen fünme: die Zangobarden, denen er als der Mörder des ge 
feierten Königs verhaßt war, brohten ihn zu tödten? und zwangen 
ihn fo zu fchleumiger Flucht nad) Ravenna, wo die Strafe für fer 
nen Frevel ihn ereilte. 

So war mit jenem einen Schlage thatfächlich ein I serregumm 
eingetreten: es gab tm Augenblide nicht nur Teinen Inhaber det 
Thrones, fondern, foweit wir fehen, nicht einmal jemanden, der ir⸗ 
gendiwie gegründete Anſprüche auf denfelben hätte erheben mögen. 
Konnte es da fehlen, daß diejenigen, welche bis dahin dem Könige 
an Madıt, Würde und Anfehen am Nächften geftanden hatten, jeht 
noch bedeutender hervortraten, als vorher, daß wenigitens für ben 
Moment fih in ihnen die volle Herrfchermadht concentrierte? 6 
waren das Die Herzoge. 

Nicht His Über die Zeit der großen Reichsgründung Hinaus läßt 
fih das Langebarbifche Herzogthum an der Hand der einheimischen 
Quellen verfolgen. Denn Ybor und Ajo, obwohl von Paulus als 
Duces bezeichnei 3, find doch ihrer ganzen Stellung nad) von ben 
fpäter fo Genannten dermaßen verjchieden, daß fie faum in Betracht 
fommen dürfen; das Königthum, nicht der Ducat hat vom ihnen aus 
fi) entwidelt. Kann fo die eigentliche Gefchichte des Letzteren al 
auf italifchem Boden beginnen, jo ift e8 doch nothwendig, bei feiner 
Betrachtung in eine frühere Zeit hinabzufteigen, um bie Grundlagen 
fennen zu lernen, auf denen er auch in feiner nachherigen eigenthüm 


! Origo G. L. VIII: Tunc Longinus prefectus tulit thesaurum Lango- 
bardorum et Albsuinda fılia Alboin regis; jussit eam ponere in navem et 
transmisit eam Constantinopolim ad imperatorem ; vgl. Paul. U, 30. Es if 
bemerfenswertb für bie langobardifche Anfchauung, daß gerabe bie einheimi⸗ 
ſchen Quellen auf dieſen von allen Fremden vernadhläffigten Pout ſo viel 
Gewicht legen. Ueber bie weibliche Nachfolge im Königthum ſiehe O. Abel, 
Paulus Diakonus und die übrigen Selbictiähreiber ber Langobarben 6. 251. 

Origo @G. L. VIII: Voluit Helmechis regnare et non potuit, quia vo 
lebant eum Langobardi occidere. 

5 Paul. I, 14: Mortuis igitur Ibor et Ajone ducibus, nolentes jam ul- 
tra Langobardi esse sub ducibus, regem sibi ad exterarum instar gentium sta- 
tueruant. Regnavit igitur super eos primus Agelmundus filius Ajonis. Dem 
entfpricht e8, wenn fie in der Älteren Quelle, ber Geſchichte vom Wrfprunge 
des Tangobarbifchen Volles, mit einem febr allgemeinen Ausdrucke Princi⸗ 
pes“ genannt werben, cap. II: Gambara cum duobus filiis suis, id est Ibor et 
Ajone, qui principes erant super Winnilis, vgl. cap. I: Ipsi (I. et A.) cam 
matre sua nomine Gambara principatum tenebat supra Winnilis. 


414 


in diefem Zuſammenhange ein; e8 wäre das um fo ımthunlicher, als 
wir bei dem Mangel aller beftimmten Nacrichten aus ber erften 
Periode nad der Einwanderung doc lediglich) auf Rückſchlüſſe vom 
einer fpäteren angewiefen wären; aber der allgemeine Charakter des 
Dufats muß doch gleich bier bezeichnet werden. War er erblih, 
oder, wenn nicht, doc lebenslänglich, das find zwei Fragen, melde 
dringend Antwort erheifchen. 

Wie wenig die erftere Annahme berechtigt fein wiirde, zeigen am 
Schlagendſten einige Beifpiele aus ber erſten Zeit des Aufenthaltes 
in Italien, wo Herzoge auftreten, welche nicht einmal dem herrfchen 
den Volke, nicht den Langobarden angehören. So Droktulf vom 
Berfello, welcher fpäter dem König Authari feine Anerkennung ver 
fagte: ein Triegsgefangener Alamanne hatte er rein durch perfönlice 
Tapferkeit fich zu feiner hohen Würde emporgefchtwungen !; fo Agir 
lulf, der Herzog von Turin und fpätere König, der eigentlich aus 
Thüringen ftanımte?. Pofitivere Nefultate ergibt gleich die Nachricht 
von der Begründung des erften Herzogthums in Italien. Als Ab 
boin, beißt e8 bei Paulus 5, die Grenzen von Friaul überfchritten 
hatte, überlegte er lange, wen er die Leitung biefes eroberten Ge 
biete8 übertragen ſollte. Endlich entichloß er fich für feinen Neffen 
Sifulf, einen Mann von hervorragender Tüchtigteit, zugleich feinen 
Marſchall. Und als diefer erklärte, nur dann das Regiment arme 
men zu wollen, wenn er ausgejuchte Gefchlechter feines Volkes zur 
Mitanfiedlung erhielte, wurde ihm zu Theil, was er begehrte, e 
empfieng die gewählten Familien, und dann erjt erlangte er bie Würde 
eined Herzogs. Sehen wir ab von dem Sagenhaften ber Ueberliefe⸗ 
rung: fo viel erhellt, daß es nad) der Auffafjung der Langobarben 
‚felbit der König war, welcher von Anfang an in ien den Her 
zog beitellte: von einem erblichen Stammfürftenthume ift ebenfo we 
nig bie Rede, wie von einer Mitwirkung des Volles + Wohl der 
gegen ift e8 wahrjcheinlih, daß bei der Wahl der Perfönlichleiten 
auf die hervorragenden Gefchlechter, auf den Adel, foweit ein folder 


? Raul. II, 18. 

® Origo g. L. X: Et exivit Aquo dux Turingus de Taurinis; König: 
verzeichnis bed Prologs von Rothari: Quartodecimus Agilulf Turingus. 

3 Paul. I, 9: Dum Alboin animum intenderet, quem in his locis de 
cem constituere deberet, Gisulfum, ut fertur, suum nepotem, virum per ommnis 
idoneum, qui eidem strator erat, Forojulianae civitati et toti regioni illius pra® 
ficere studuit. Qui Gisulfus non prius se regimen ejusdem civitatis et po- 
puli suscepturum edixit, nisi ei quas ipse eligere voluisset Langobardorum 
faras, hoc est generationes vel lineas, tribueret. Fiactumque est et anmuenie 
sibi rege quas optaverat Langobardorum praecipuss prosapiss, ut cum &0 
habitarent, accepit: et ita demum ductoris honorem adeptus est. 

* Ganz gleich ſteht bie Sache bei dem angelfähfiihen Ealdorman, wie 
diefer denn überhaupt mit bem langobardiſchen Herzog bie größte Aehnlichlen 
zeigt. Auch er erſcheint in der ganzen hiſtoriſch erkennbaren Zeit nicht als ein 
vom Volke gewählter, fondern als ein vom König beſtellter Volksvorſteher, bem 
in feinem Diftricte höchſtens eine Akklamation ber Gaugenoflen zu Theil wurde. 
Kemble, The Saxons in England II, 148. 


415 


fich erhalten hatte, befondere Rücficht genommen wurde !: ift es 
doch in dem erwähnten alle ein Verwandter des Töniglichen Haufes 
felbft, der eingefeßt wird, ähnlich wie etwas fpäter Authari den aus 
Boiern flüchtigen Gundwald, den Bruder feiner Gemahlin Theode⸗ 
finde, zum Herzog von Afti erhebt ?. 

Stellen wir fo eine Erblichfeit des Dufats diefer erften Pe- 
riode entfchieben in Abrede, fo dürfen wir andrerfeits mit derjelben 
Sicherheit feine Lebenslänglichkeit behaupten. ine folche tritt, wie 
unten nachzuweiſen, uns in der fpäteren Zeit bis auf Rachis Hin 
fortlaufend entgegen; fie der früheren nicht zu vindicteren, iſt um fo 
weniger Grund, als auch die Analogie der Verhältniffe in allen übri» 
gen germanischen Reichen ganz entfchieden zu ihren Gunſten fpridt. 
Zugleich ergibt ſich ſchon aus den oben angeführten Nachrichten, daß 
es ein ganz beſtimmter Bezirk war, an den bie Vorfteherichaft der 
Herzoge fi) anſchloß, ein Punkt, der in größerer Ausführlichkeit 
zwar erjt fpäter erörtert werben kann, der aber doch gleich hier Er⸗ 
wähnung verdient. — Ä 

Nach diefen nothwendigen Bemerkungen Tehren wir zu dem Au⸗ 
genblide zurüd, wo durch Alboins Tod die Duces der einzelnen 
Gebiete faktifch eine Selbftändigkeit erlangten, wie fie feit der Be— 
gründung des Königthums doch niemals erfehen war. Freilich dauerte 
diefer Zuftand nicht allzulange an: bald wurde ein neuer König, 
Klef, erhoben; aber troßdem, werden wir nicht annehmen müſſen, 
daß durch jenes Interregnum wenn auch nicht die Macht, fo doch 
das Selbitgefühl der Herzoge gefteigert wurde, daß fie dem aus ihrer 
Mitte Hervorgegangenen 5 gewiß mit ganz anderen Anſprüchen ge 
genübertraten, als früher dem angeftammten Herrfcher ? 

Dies allmähliche Wachsthum des Herzogthums verbunden mit 
eben dem Umſtande, daß es von Alters her im Wolfe begründet war, 
macht wohl erflärlich, wie man bei einer neuen plöglichen Erledigung 
Des Thrones es wagen konnte, denfelben zunächſt ganz unbeſetzt zu 


Et venit cum Theodelenda frater ipsius nomine 
Gundwald et ordinavit eum Authari rex in civitatem Astense; vgl. Paul. 
IV, 42. 

s Daß Hlef wirflich früher Herzog geweſen, erhellt au Marius, Chron, 
573, Roncallius S. 413 : Hoc anno dux Langobardorum nomine Cleb genti 
ipsius rex ordinatus est, et plures seniores atque mediocres ab ipso interfecti 
sunt. Dagegen entbehrt die Verſicherung von Lupi, Codex diplomaticus ec- 
elesine et civitatis Bergomatis I, 142, er fei aus Bergamo gewefen, aller Be: 
grünbung. Im Mebrigen könnte e8 vielleicht zuerft zweifelhaft erfcheinen, ob 
man bier unter ben Senlore8 und Mediocres Langobarden oder Römer zu 
verfichen habe. Für das Letztere enticheibet ber Sprachgebrauch des Marius 
(vgl. zum Sabre 500: Pluresque seniores atque Burgundiones multis exqui- 
sitisque tormentis morte damnavit Gundobadus), wie bie Nachricht bei Paul. 
I, 31: Cleph multos Romanorum viros potentes alios gladio extinzit, alios 
ab Italia exturbavit. Wenn Flegler S. 41 ben Inhalt diefer Worte mit ben 
ſtürmiſchen Ereigniſſen in Verbindung bringt, welche den Tod Alboins herbei: 
führten, fo ift das eine ganz unbegrünbete und unmwahrfcheinfiche Conjektur. 


2 Mit Necht fchon hervorgehoben von Hegel I, 454. 
2 Origo g. L. IX: nit 


416 


faffen, trog der von Außen drohenden Gefahren, obwohl bes Ge 
Schlecht Klefs noch in Authari fortblühtee Und biejer jdyeinz nd 
zunächſt gar nicht einmal Anfprüche auf die Krone gemacht zu babe: 
wahrjcheinlich war er noch unmündig !, zudem fehlte ihm gr ü» 
recht, welches erft der längere Befig in der Familie verlieh. Ude 
die Thatjache jelbit kann jedenfalls fein Zweifel obiwalten, ba ver 
hältnismäßig jo viele und meilt von einander unabhängige Zengrijt 
ihrer gedenten. 

So zunächſt eine um das Jahr 641 wahrſcheinlich um nördk 
hen Italien gefchriebene Chronit?: „Nach Klefs Tode waren die 
Langobarden zwelf Jahre lang ohne König, nur Derzoge jtandes 
ihnen vor“. Weiter die Gejchidhte vom Urjprunge des langobarkr 
fchen Volkes 3: 3: „Klef herrichte zwei Jahre und jtarb. Und dx 
Herzoge der Langobarden richteten zwelf Jahre, ohne einen Kick 
zu haben“. Drittens der fogenannte redegar *: „Nach dem Te 
Klefs, des Langobardenkonigs, lebten die zwelf derzoge der Lange 
barden zwelf Jahre lang ohne König“. Am Redjften im 
endlih Paulus’: „Nach dem Tode Klefe befanden ſich die Lange 
barden zehn Jahre lang ohne König nur unter erzogen. 

zog nämlich hatte feine Civitas ime: Zaban Bavia, Alboin Die 
d, Wallari Bergamo, Alachis Breſcia, Evin Trident, Gifulf Friel 


et 


Man fieht leicht: in der Hauptſache ftimmen alle überein ®, 
Unterfchied iſt nur in den Zahlenangaben ’; welde von diefen fo 


2 Meniaftend erfheint er zehn Jahre ſpäter noch als fehr jmgembfib, 
wenn er glei nicht obne Ernfl und Kraft auftritt. Die im Terte angegeben 
Bermutbung findet ſich übrigens jchon bei WMuratori, Annali IV, 492, zz 
nachher bei Lupi I, 144, bier mit_einer anderen, mir wenig prokakeln. Der: 
bunden: exspectantes forte duces, dum ipse Authari adolesceret, nullaum ere- 
runt regem. 

2 Bisher ungedbrudt. Tas bier Benebene verbanfe ih ber Freumblidket 
meined verehrten Lehrers, bed Herm Profi. Waitz: Quo (Clepphone) mortze, 
per 12 annos absque rege fuerunt Longobardi, tantummodo duces praserzet. 

5 Origo g. L. cap. IX: Et regnavit Cleph annos duos et mortass 
est. Et judicaverunt duces Langobardorum annos duodecim regem nen he 
bentes. 

* Chron. 45: Defuncto Clip ipsorum (Langobardorum) principe, daodi- 
cem duces Langobardorum duodecim annis sine regibus transierunt. 

5 Maul. H, 31: Post enjus (Cleph) mortem Langobardi per annos de 
cem regem non habentes sub ducibus fuerunt. Unusquisque enim ducem 
suaım civitatem obtinebat: Zaban Ticinum.. Alboinus Mediolanum „ Vuallari 
Bergamum, Alsachis Brixiam, Evin Tridentum, Gisulfus Forumjulii. Bed «& 
alii extra hos in suis urbibus triginta duces fuerunt. 

* Undbefriedigend if bier der ſenſt für langebardiſche Verbältnifſe wehl 
unterrihtete Marius, Ebren. 514, Roncallius 414: Hoc anno Clebas rex La» 
gobardorum a puero sno interfectus est. Der einzige Schluß, den mau aus 
dieſer Kachriht und der Nichterwähnung eine? Rabielaers zichen fennte, iR 
ber, tan es chen feinen jelden gegeben, daR das Königtbum wirklich eine 
Zeit lang fiftiert geweſen ſei. 

Denn die Meinung Treya's, Cod. dipl. I, 5 N. 1 und 3, daß Fre 


417 


richtigere, wird daher zunächft zu unterfuchen fein. Da würbe mın 
zu Gunften des Paulus vielleicht ſchon der Umftand fprechen, daß 
e8 in der fpäteren Zeit erweislich viel mehr als zwelf Herzoge im 
fangobardifchen Reiche gab; unzweifelhaft aber wird man ſich für ihn 
entjcheiden, wenn man nur etwas näher auf die Nachricht Fredegars 
eingeht. Dieſer führt nämlich am angegebenen Orte in folgender 
Weife fort !: „Zu derjelben Zeit brachen die Herzoge, wie oben ge- 
fchrieben fteht, durch die Päffe in das Reich der Franken ein, wofür 
fie dann al8 Buße die Städte Aoſta und Sufa mit ihrem ganzen 
Gebiete und Volke an König Guntchramn abtreten mußten. Darauf 
richteten fie eine Gejandtfchaft an den Kaifer Mauritius, diefe zwelf 
Herzoge beftimmten je einen Gejandten, um Frieden bittend und um 
den Schuß des Raiferreiches. Zugleich ſchickten fie andere zwelf Ge- 
fandten an Guntchramm und Childebert, erbaten ſich den Schug und 
die Vertheidigung der Franken und verjprachen dafür an die beiden 
Könige jährlich einen Tribut von zwelftanfend Solidi zu zahlen. 
Zugleich traten fie den oberen Theil des Dorabalteathales an Gunt- 
chramn ab, um fich fo an pafjenderer Stelle einen Schuß zu füchen; 
und dann erwählten fie in tieffter Ehrfurcht den Schuß ber Franken. 
Bald nachher erhoben die Langobarden mit Guntchramns und Chil- 
deberts Erlaubniß den Herzog Authari auf den Töniglichen Thron. 
Ein anderer Authari aber, ebenfalls Herzog, überlieferte fich mit fet- 
nem Gebiete der Herrfchaft des Imperiums und blieb darunter, wäh- 
rend der König Authari den von den Langobarden gelobten Tribut 
jährlich entrichtete. Nach deſſen Zode hat ihn fein zum König erho- 
bener Sohn Ago in ähnlicher Weife gezahlt“. 

Es ift nun auf den erften Blick Mar, daß diefe Stelle gar kei⸗ 
nen biftorifchen Werth Hat. Nicht nur weil Ago, d. 5. Agilulf, ein 
Sohn des Authari genannt wird: ber ganze Zufammenhang der Dinge 
ift verfchroben. Offenbar konnte den Königen Guntchramm und Chil- 
bebert nichts ferner liegen, als die Erlaubniß zur Erhebung eines 


begar bie zwelf Duced nur als einen Theil der von Paulus angeführten ſechs⸗ 
undbreißig babe bezeichnen wollen, wird doch Feiner billigen können. 

Chron. 45: Ipsoque tempore, sicut supra scriptum legitur, per loca 
in regnum Francorum proruperunt (duces); pro es praesumptione in compo- 
sitione Augustam et Siusium civitates cum integro illarum territorio ac populo 
partibus Guntchramni tradiderunt. Post haec legationem ad Mauricium impe- 
ratorem dirigunt, hi duodecim duces singulos legatarios destinant pacem et 
patrocinium Imperii petentes, iidemque et alios legatarios duodecim ad Gunt- 
ehramnum et Childebertum destinant, ut patrocinium et defensionem Franco- 
rum habentes duodicem millia solidorum bis duobus regibus in tributa inple- 
rent, vallem cognomento Ametegis partibus Guntchramni cassantes: ut his 
legatis ubi plus congruebat patrocinium sibi firmarent. Post haec integra 
devotione patrocinium eligunt Francorum. Nec mora: post permissu Gunt- 
ehramni et Childeberti Autharium ducem super se Langobardi sublimant in 
regno. Alius Autharius idemque dux cum integro suo ducatu se ditioni tra- 
didit Imperii ibique permansit: et Autharius rex tribute, quae Langobardi 
spoponderant, annis singulis reddidit. Post ejus discessum filius ejus Ago 
in regnum sublimatus similiter implesse dignosecitur. 


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gr Te mama Lomlrimen : ıma Miralia, de prope Lass 
1. I 2:77 Tiereoz a2 zarte orientis, 

2 wert 2:17 Isıre T_ _: X vero rex in Italiam abul. 
Ga; am azlsemt Lirgriar, Semi 22 ab 2j08 exercitm caederentur 

. 2 


zuiter” Zü:ımı eiza, zul ei Zumies muzera ac promittentes , se pafü 
Be nasa Ziels asıza sztizıısı IX, 22: Inzerea Childebertus rex exerc- 


oo ;;mensrei et ie lalsz 3 debeliandam Langobardorum gentem pergere 
parı:. 9 La-2.:ari: Lis aulitis legatos cum mauneribus mittunt dicentes: 
Sir amicitia Irier 6,5 ei DON prreamus ac dissolvamus certum ditioni tuae 
trivaetum. Ac ubicanyue n«ceszarium fuerit, contra inlinicos ferre auxilium 
non pigebit. Miitque Childebertus legıtos ad Langobardos, ut, si haec gu 
promis«rant conlirmarent, ezercitus reverteretur ad propria: sed minime & 


inplstum. 


419 


Wie aber follen wir gegen das Zeugnis einer verhältnismäßig 
wohl unterrichteten Quelle! dem einen Theile einer Nachricht trauen, 
deren anderen wir abfolut verwerfen müſſen, nicht zu gedenken bes 
albernen Spiels, da8 in der ganzen Stelle mit der Zwelfzahl getrie- 
ben wird, und mit dem die falfche Chronologie zufammenhängen mag? 

Es waren alſo ſechsunddreißig Herzoge, welche die Herrichaft 
in den einzelnen Gebieten führten. Beſſer als iiber den Anfang find 
wir über den weiteren Verlauf ihrer Gefchichte unterrichtet. 

Zunächſt läßt fich nicht verfennen, daß fie, wie verfchieden 
auch immer nach äußerer Macht und perfünlichen Neigungen, doch 
eine gewifje Gemeinfamfeit nicht verläugnen, im Großen und Gan- 
zen ein und diejelbe Politik verfolgen. Es ift das, Tann man wohl 
fagen, die Fortfegung der unter dem letzten König Klef begonnenen: 
nur fchärfer und Tonfequenter, freilich auch rüdfichtslofer und rober, 
als unter diefem, verfährt man jekt. 

Im Inneren tritt als befonders charakteriftiich eine ſtarke Aus⸗ 
prägung des nationalen Elementes? hervor, wie fie allerdings nicht 
ganz aus den Tauterjten Motiven hervorgehen mochte. War das Loos 
der unterworfenen Römer fchon unter Alboin und Klef kein benei- 
benswerthes gewefen, fo wurde e8 jeßt ohne Frage erft recht uner- 
träglih, und gerade je reicher und angefehener jemand war, defto 
härter und fchwerer traf ihn die Hand der zügellofen Sieger, die 
Furcht und Habfucht in gleicher Weile bewegte ?. ‘Diejenigen, welche 
dem Schwerte entrannen, fielen zum größten heile in Knechtfchaft 
oder wurden doch ihres Eigenthums beraubt in den Aldionat herab- 
gebrüdt, einen Zuftand, der zwifchen Freiheit und Unfreiheit die Mitte 
hielt. — Aber nicht nur gegen die Römer, . auch gegen die andern, welche 
nicht unbedingt fi fügen wollten, gieng man an. So gegen einen 
nahe verwandten deutjchen Stamm, der feit Alboin an der Unter- 
werfung Italiens treulich mitgeholfen, Mühe und Gefahr wie Sieg 


ı Denn offenbar bat Paulus bier weſentlich aus dem gleichzeitigen und 
trefflih berichteten Secundus von Trident geſchöpft. Noch if ber Verſuch 
nicht gemacht worden, bad dieſem Angehörige auszuſcheiden, aud von Beth: 
mann nicht, vermuthlich weil bie Sache zu problematifh ſchien. Mindeſtens 
werben wir ihm die zahlreichen Tridenter Lokalnachrichten bdiefer Zeit vindicie⸗ 
ren müffen, auf ihn werden auch bie genauen Daten von ber Einnahme meh- 
rer Stäbte, von Autharis Tode und Agilulfg Erhebung zurüdzuführen fein. 

2 Ganz das Wefen ber Sache verfennt Flegler, ©. 10: „Von einem 
Har bewußten nationalen Gegenfaß ift Feine Rebe“. Allerdings gab es unter 
den Einwanbernden zahblreihe Schaaren aus verfchiedenen unlangobarbifchen 
Völferfchaften; aber fie wurden eben bem berrfchenden Volke amalgamiert, 
namentlih in Allem, was Recht und Verfaffung betraf. 

® Paul. II, 32: His diebus multi nobilium Romanorum ob cupiditatem 
interfecti sunt, reliqui vero per hostes divisi, ut tertiam partem suarum fru- 
gum Langobardis persolverent tributarii efficiantur. Ohne bier weiter in bie 
berühmte Streitfrage von der Behandlung der Römer burd bie Langobarden 
eingehen zu wollen, bemerfe ich nur, daß ich in der Auslegung ber Worte Lupi, 
Zroya und Hegel gefolgt bin. Was Flegler und Schupfer dagegen bemerkt 
baben, erfcheint mir unerheblich, . 


Gadjen jdgeinen bis bakın ihr eigene6 Recht, wohl auch fonft cin 
gewiffe Abjonberung bewahrt zu haben; jegt wollte man das umier 
keiner Bedingung weiter geftatten, und ſo blieb denn. da beide Theile 
hertnädig auf ihrem Siun beitanden, am Ende nichts übrig, als ber 
Abzug der früßeren Derbündeten nad) ihren alten Zigen '. 

Suchten bergeitalt die Herzoge im Juneren fich feftere Grund 
lagen zu ichaffen, io zeigten jie jich and nad) Aufen Hin rührig und 
thätig, im Eüden wie im Norden: häufig freilich weniger mit dem 
nei = nambem (rmerbe, aid and vober, wurubiger Plände 
rungs 


Neoch am Meiften einen erobernden Charakter tragen ihre Ränıpfe 
gegen die Griechen ”. Zur Zeit Benedikt I (574578), fo berid> 
tet die Pabjtgefchichte 3, verwüſtete das Boll der Yangobarden gan; 
Italien, und eine Menge von Kajtellen ergab fich ihm in Folge der 

igen Hungersnoth, welche damals eintrat. Im jahre 576 
hören wir bei dem Abte von Biflaro* von einem Siege der Duces 
über Bandarius, den Schwiegerſohn des Kaiſers Yuftin, und wahr: 
ſcheinlich um diefelbe Zeit nahm Faroald, der erjte von 
Epoleto, die Hafenftadt von Ravenna. Sicher ift, daß 578 der 
Nachfolger des eben genannten Pabftes, Pelagius II, ohne Zuftim- 
mung des griechifchen Kaifers gewählt werden mußte, weil die Lan⸗ 
gobarden gerade zur Zeit feiner Erhebung Rom felbft belagerten ®; 
am 13. ‘December 581 hielten fie fogar Neapel eingejchloffen 7. 

Neben dem nationalen ift e8 namentlid) der religiöje Gegenſatz, 
welcher diefen Kämpfen von vorn herein das Gepräge einer befonde 
ren Rohheit und Graufamfeit aufdrückt. „Warum feufzet ihr nicht, 
während faft unter euren Augen fo viel unfchuldiges Blut vergoffen, 
fo das Heiligthum der Altäre entweiht, der katholiſche Stande von 
Gößendienern befchimpft wird“ ? alfo klagt der geängftete Pelagius 
dem Biſchof Aunacarius von Auxerres; und daß feine Schilderung 


| 


2 Gregor voh Tours IV, 43; V, 15: aus ibm Paul. II, 6. 

s Gut und außführlih bei Lupi I, 149 ff. 

5 Gests pontificum Bomanorum 63; mit falfcher Chronologie Beba, 
Ghron. 585: Gens Langobardorum comitante fame et mortalitate omnem 
invadit Italiam ipsamque Romanam vastatrix obsidet urbem. 

* BRoncallius S. 387: Anno 10. Justini imperatoris Bandarius gener Justini 
principis a Langoburdis praelio vincitur et non multo post vitae finem accipit. 

5 Paul. OI, 13. 

6 Gesta p. R. 64; vol. Johannes von Billaro, Chron. 578, Boncallius 
&. 389: Anno 2. Tiberii imperatoris Romani contra Langobardos in Italis 
lacrimabile bellum gerunt. 

7 Cod. dipl. I, 31: Ego Petrus notarius emendavi sub die Iduum Decem- 
brium imperatore domino nostro Tiberio Costantinopolis agusto anno sep- 
timo, post consulatu ejusdem agusti anno tertio, indictione quinta decima, 
obsidentibus Langobardis Neapolitanam civitatem. 

s In einem Briefe vom 5. Oct. 581, Cod. dipl. I, 25 ff: Car non 
gemiscitis, dum pene in conspectu vestro tantus sanguis innocentium ait ef- 
fusus, ita sacra violentur altaria, ita catholicas fidei ab idolatris insultetur? 





422 


ten die beiden Anbern. Kaum aber hatte ber frünkiſche Patrict 
Mummolus von diefen Vorgängen Nachricht erhalten, als er fh 
fofort mit überlegener Mannfchaft auf Rhodanus warf ber ca 
mit der Belagerung von Gratianopel befchäftigt war. Das Langober 
difche Heer wurde geiprengt, der Herzog jelbft, durch einen Lane 
wurf verwundet, mußte fich in die Gebirge ziehen; nur mit fünf 
hundert Mann gelangte er nad) Valence, wo er mit Zaban fi ve: 
einigte. Beide wurden dann aber in der Nähe von Embrun di 
Mummolus gänzlich gefchlagen; und nun fah auch Amo fich gen= 
thigt, troß der ungünftigen Jahreszeit den Rückweg anzutreten. De 
gefammelte Beute mußte er zum größten Theil im Echnee der U 
pen zurüdlaffen, nur mit Mühe gelang es ihm perfönlich, Ytalım 
wieder zu erreihen. — 

Die Möglichkeit fo kecker Angriffe von Seiten der Herzoge, ih 
günſtiger Erfolg wenigftens auf italifhem Boden jcheint fich einzk 
aus der Vorausfegung zu erklären, daß zunächſt, wohl innerer Ir 
ruhen wegen !, weder von griechiicher noch von fränkifcher Seite mit 
rechtem Ernft und Nachdruck verfahren wurde, während es zugled 
an einer Einheit des Operationsplanes ganz fehlte. 

Jetzt änderte ſich das. 

Schon im Jahre 578 war eine Verbindung zwifchen Kal 
Chilperic und dem byzantinifchen Hofe eingeleitet worden: fräufifde 
Große hatten lange Zeit beim Kaifer Tiberius als Gefandte ver 
weilt 2. Einen entſchiedeneren Charakter nahn dies Verhältnis aber 
erft unter Mauritius (feit 582) und Childebert II an; Hier wurk 
auch zuerft die Wertreibung der Yangobarden als der vornehmſte 
Zwed des Bündniffes Hingeftellt. Dafür follte der Grieche dem raw 
ten funfzigtaufend Solidi zahlen ®. 

Zu diefen Beftrebungen des Hofes von SKonftantinopel, ben 
Mächtigften und Entfchloffenften der fränkiichen Könige gegen die Lan- 
gobarden aufzuregen, kamen die der italifchen Geiſtlichkeit, vor Allem 
der römifchen Kurie. Nichts wurde verabfäumt, das religiöfe Ge 
fühl Chilbeberts zu erhigen: Gott ſelbſt follte ihn und die Franken 
zu Beichligern des heiligen Stuhles gegen die Angriffe der Arianer 
erwählt haben. In dieſem Sinne fchreibt Pelagius II ſchon 581 an 
Aunacarius, der eines befonderen Anfehens bei dem Könige genoß*: 





2 Aus Konftantinopel wird uns in biefer Zeit von einem Aufftanbäver- 
fuche Zuftinians gegen ben Kaifer Tiberiuß berichtet, Paul. III, 12. Relamn: 
ter find ja bie gleichzeitigen Kriege zwifchen Chilperich, Guntchramn und 
Ghildebert. 

’ 2 Gregor von Tourd VI, 2 (581): Interea legati Chilperici regis, qui 
ante triennium ad Tiberium imperatorem abierant, regressi sunt 

5 Gregor von Tours VI, 42; Hift. Epitom. 92, 

* Cod. dipl. I, 25: Vos decuerat, qui illic catholicae membra estis 
ecclesiae, uni corpori unius capitis gubernatione conjuncta, omnibus quibus 
viribus valeretis paci quietique nostrae pro ipsa sancti spiritus unitate com 
currere. Nec enim credimus otiosum.nec sine magna divinae providentis® 
admiratione dispositum, quod vestri reges Romano Imperio in orthodozse 


423 


„Euch, die ihr dort Glieder der Tatholifchen Kirche feid, einem Leibe 
durch die Leitung eines Hauptes verbunden, hätte es geziemt, ber Ein- 
beit des heiligen Geifte® gemäß uns nad) allen Kräften zu Ruhe und 
Srieden zu verhelfen. Denn wir halten e8 nicht für überflüffig oder 
ohne die göttliche Vorfehung geordnet, daß eure Könige dem römi- 
fen Reiche im rechten Glauben ähnlich find, fondern damit diefer 
fie fowohl für unfere Stadt, aus welcher er entiprungen ift, als für 
ganz Italien zu Nachbaren und Befchügern made.“ Mean fieht, es 
ift diefelbe Volitik, welche ſpäter die Arnolfinger über die Alpen führte. 
Wie ſehr folche VBorftellungen aber ſchon damals wirkten, bemeift ein 
wahrfcheinlich im Jahre 583 gefchriebener Brief, in welchem Chil- 
debert an den Erzbifchof Laurentius von Mailand, damals in Ge- 
nua befindlich, folgende Zroftworte richtet : „Im UVebrigen haben 
wir die Abfiht, wenn die Zeit des nächſten Jahres herangelommen 
ift, mit Chriſti Hilfe ein Heer in der Angelegenheit zu fenden, da⸗ 
mit die Hand des Herren auf eure Bitte das verruchte Volk zer- 
fchmeiße, welches feine graufamen Hände mit Unrecht gegen bie Hei- 
ligen, mit dem Morde ihrer Gläubigen und mit Blutvergießen be- 
waffnet hat“. 

Endlich waren aud die inneren Verhäftniffe des Frankenreiches 
einem Traftvollen Auftreten nach Außen hin günftiger, als feit Ian» 
ger Zeit. Chilperich war vor dem Bunde Guntchramns und Chil- 
deberts nad) Kammerich geflohen und nicht im Stande, im Felde zu 
erfcheinen. So befam der Lettgenannte freie Hand gegen Italien. — 

Den Iangobardifchen Herzogen konnte diefe Wendung der Dinge 
nicht verborgen bleiben. Schon hatte der fränkifche Herzog Chram- 
nichis das Grenzfaftell Anagnis genommen; er fchlug den Komes 
Ragilo von Lagare und näherte fi) Trident. Wreilich gelang es 
zunächſt noch dem Herzog Evin, diefes Heer bei Salurnis zu ver» 
nichten 2; allein dadurch war die Lage der Langobarden in Allge⸗ 
meinen keineswegs gebeflert. Im Gegentheil, die eigentliche Ge⸗ 
fahr drohte erft; jetzt erſt follte es fich zeigen, ob ſechsunddreißig 
durch das Gefühl gemeinfchaftlicher Nationalität nur loſe verbumdene 
Staatskörperchen im Stande waren, den Angriffen zweier mächtigen 
Reiche die Spige zu bieten, von denen jedwedes eine ftarfe, wohl 
koncentrierte Regierungsgewalt befaß. 

Daß man es auf diefe Probe gar nicht ankommen ließ, daß 
man gerade in dem entfcheidenden Augenblide (Anfang des Jahres 
584) wieder einen König erhob, zeigt, wie deutlih man die Lage 


fidei sunt similes, nisi ut huic urbi, ex qua fuerat oriunda, vel universae Ita- 
liae finitimos adjutoresque praestaret. 

1 Cod, dipl. I, 33 ff: Quod fuerit vero residuum, si Christo placuerit, 
adveniente anni futuri tempore optamus exercitum in causa dirigere, quate- 
nus manus domini gentem exsecrabilem, Vobis exorantibus, dignetur elidere, 
quae injuria Sanctorum et morte suorum fidelium, sanguinis effusione crude- 
litatis manus armavit. 


2 Paul. IU, 9. Wahrfcheinlich Lofalnotiz des Secundus von Trident. 
28* 


nad) 

So zunähit das ungebrudte Chronifon ? von 641: „Den Law 

in Italien wird nad der Herridhaft der zoge wieder 
en Konig vorgeiegt, Authari; ſechs Jahr und ſechs Monate‘. 

—** weiter die Geichichte vom Urſprunge des Volks 3: „Usb 


es richteten die Herzoge der Yangobarden zweif Fahre ohne König | 
Darauf erhoben fie jih einen König mit Namen Authari, den Son 


Kiefs”. 

le Wieder reicher in Einzelnheiten Paulus *: Nachdem die „Law 
gobarden zehn Jahre hindurch unter der Herrſchaft von og 
geftanden hatten, erhoben jie endlich unter allgemeinem Beſch 
thari, den Sohn des oben erwähnten Fürften Klef, zum Könige * 


gaben ihm ſeiner Würde wegen den Beinamen Flavius, welchen alle 


hadfolgenden Könige der Yangobarden mit Glück geführt haben. 
In feinen Zagen gaben bie damaligen Herzoge der Wiederherjtellung 
des Königthums halber die ganze Hälfte ihrer Beligungen heran, 
damit davon der König felbjt, feine Anhänger und alle, welche ihm 
in den verfchiedenen Aemtern dienten, unterhalten würden“. 

Der vierte Bericht, der des Fredegar, würde uns allerdings eine 
ganz andere Auffaffung nahe legen; allein wir haben ſchon oben ge 
fehen, wie wenig demfelben zu trauen ift. 

Scwieriger bleibt e8, die Art und Weife zu beftimmen, wie 
diefe Reftauration des Konigthums eingeleitet wurde. Waren es die 


2 Nach dem Vorgange Muratori's zuerſt wieder Leo, Italien I, 119, ber 
aber weſentliche Momente, beſonders das Heranrücken der Frauken gar nicht 
in Anſchlag bringt. Aehnliches ſcheint Hegel, I, 447 anzudeuten: „Das lan⸗ 
gobardifche Königthum, nach einer furzen ůnierbrechung in weicher man ſich 
aufs Neue von Feiner Notbwendigfeit überzeugte, tiederhergeftellt“. 

% Langotardis intra Italiam post ducum principatum rursus praeficitar 
Autharich annos 6 menses 6. 

5 Origo cap. IX: Et judicaverunt duces Langobardorum annos duode 
cim regem non habentes. Post haec levaverunt sibi regem nomine Authari 
filio Clepphoni. 

* Maul. III 16: At vero Langobardi, cum per annos decem sub potestats 
ducum fuissent, tandem communi consilio Authari Cliephonis filium suprs 
memorati principis regem sibi statuerunt. Quem etiam ob dignitatem Fu- 
vium adpellaverunt, quo praenomine omnes qui postea fuerunt Langobardo- 
rum reges feliciter usi sunt. Hujus in diebus ob restaurationem regui duces 
qui tuno erant omnem substantiarum suarum medietatem regalibus usibus 
tribuunt, ut esse possit unde rex ipse sive qui ei adhaererent ejusque obse 
quiis per diversa officia dediti alerentur. 





gilt 





Add: i 
dam Fafez des Grande Sherurdie fü mi 
feinen Crler unb iczıem garen Der be Imperium m ergeben‘ 
Eos Euer ‚ meaX zur 'elher Umitizten Aurheri trog mas 
teı naher Lie’? Minzı m deu Unterfangen jtarb er, am 
5. Sevternther des Jahres 39), am erzählte, an Gift >: wer möchte 
entiheiben, ob das Zahrkeit, oder ob tie Zege, wie jo vieles an 
feinem Leben, fo auch ferien Tod um'weli? Cr hinterlieh weder 
wieder auf: die Thatiachen zeigen, dag in dem Xolfe wie bei ben 
za große Fortjchritte gemacht hate, als dag man einen ähnlichen Zu 
ſtand wie vor fechzehn Jahren hätte zulafjen wollen. Dazu wodke 
die perfönliche Yiebe und Anhänglichleit kommen, deren bie Könige 
Theobelinbe, jelbft aus dem alten Serrichergeichledite der Rangober 
den entiproffen, überall fid) erfreute: den, welden fie zum Gemahl 


Verwandter Authari’s, die Krone; durch allgemeinen Bollsfchluß ward - 
fie ihm bejtätigt. 
Seine Regierung zeigt nad) Außen Bin einen mehr friebficen 


% Gbenbafelbft: Ravennam remeantes in Histriam provinciam contra 
hostem Grasoulfum deliberavimus ambulare: quam provinciam venientes Gr 
sulfus Vir magnificus dux filius Grasoulfi in iuvenili aetate meliorem se 
patre cupiens demonstrare occurrit nobis, ut cum omni devotione sandte 
reipublicae se cum suis prioribus et integro suo exereitu sicut fuit subdere. 
Muratori glaubte in biefem Gifulf den erften Herzog von Friaul zu erken 
en; Lupi I, 159 ff. hat die Unwahrſcheinlichkeit diefer Annahme gezeigt. 

2. Gregor von Tours X, 3. 

5 Maul. III, 34. 

* Paul. Il, 34: Reginam vero Theudelindam, quae satis placebet 
Langobardis, permiserunt in regia consistere dignitate suadentes ei, ut sibi 
quem voluisset ex omnibus Langobardis virum eligeret, talem scilicet, qui 
regnum regere utiliter posset. Illa vero consilium cum prudentibus habens 
Agilulfum ducem Taurinatium et sibi virum et Langobardorum genti regem 
elegit. Quid plura? Celebrantur cum magna laetitia nuptise, suscepit Agi- 
lulfus, qui erat cognatus regis Authari, incohante iam mense Novembris 
regiam dignitatem. Sed tamen congregatis in unum Langobardis postes 
mense Maio ab omnibus in regnum apud Mediolanum levatus est. Wahr: 
ſcheinlich aus Secundus von Trident, der ja dem Hofe Agilulfd und ber 
Theodelinde fo fehr nahe fand; vgl. Bethmann, Paulus Leben und Schriften 
im zehnten Bande des Archivs für Ältere deutſche Geſchichtstunde, und Baubi 
di Vesme, Edicta regum Langobardorum p. LXXII—LXXVI. Die einander 
wibderfprechenden Berichte des fogen. Fredegar, Chron. 13 und 45, find früher 
behandelt worden. 


427 


Charakter, als die vorige: währten auch die Kämpfe gegen den Babft 
und die Griechen noch fort, fo war doch wenigftens mit den Fran- 
fen gleich zu Anfang ein bdauernder Friede gefchloffen. Das gab 
dem neuen Herrfcher die Möglichkeit, fich mit Erfolg dem inneren 
des Reichs zuzuwenden, bie hier gührenden Elemente zu beruhigen 
und unfchädlich zu machen. 

Offenbar nämlich hatten die Herzoge noch nicht gelernt, ſich 
der Herrichaft jemandes zu fügen, den fie kurz zuvor als einen 
Gleichen betrachtet hatten; noch fühlten fie fich viel mehr als bie 
wnabhängigen Herren, welche fie zeitweife geworden, benn als bie 
Bertreter des Königs, welche fie wenigftens auf itafifchem Boden 
ursprünglich gewefen waren. Wollen wir fragen, wohin es geführt 
hätte, wenn ſolche Anfprüche Leben und Wahrheit wurden? Geben 
uns nicht die dicht vorhergegangenen Zeiten deutlichen Auffchluß? 
Soviel erfcheint Kar: follte das langobardifche Volk nicht von anftür- 
menden äußeren Feinden mit leichter Mühe unterdrückt werben, jollte 
es noch eine langobardijche Entwiclung, eine langobardifche Geſchichte 
geben, fo mußte ein Königthum da fein, und das ein ftarles und kräf⸗ 
tiges. Das Königthum mußte die widerfpenftigen territorialen Gewal- 
ten nicht nur zur Anerkennung zu zwingen fuchen: fein Streben mußte 
dahin gerichtet fein, fie ganz zu brechen und fo eine wahre Reichs⸗ 
einbeit herzujtellen. 

Agilulf erfaßte wenigftens die Nothwendigfeit einer Löfung ber 
erfteren Aufgabe. Mit unerbittliher Strenge fchritt er namentlich 
gegen diejenigen Herzoge ein, welche ihres perfünlichen Nutzens wegen 
zu den Feinden des Volkes übergegangen waren. So büßte gleich 
zu Anfang feiner Regierung der Herzog Minulf auf der Inſel 
S. Giulio einen früher begangenen Verrath an die Franken mit 
bem Tode 1; daſſelbe Schickſal erlitt fpäter Maurifio, Herzog von 
Me als er fih und feinen Dukat den Griechen in die Hände 

pielt ?, 
j In der Ziwifchenzeit hatte fih Gaidulf von Bergamo erhoben ?, 
war aber bald gezwungen worden, Geifeln zu ftellen und feinen 
Frieden mit dem Könige zu machen. Als er bald nachher. wieder 
rebellierte, rückte Agilulf gegen feine Verfchanzungen auf ber im 
Romerfee gelegenen Inſel heran, vertrieb die hier aufgeftellte Mannſchaft 
und führte den gewonnenen Schag des Herzogs nad) Pavia. Gaidulf 
mußte nach Bergamo fliehen, wurde dann aber nochmals begnadigt *. 
Schlimmer ergieng es ihm, als er nad) einem dritten Aufftande dem 
Könige in die Hände fiel: da ward er wie Zangrolf von Verona 
und Warnekautius von Pavia hingeridhtet5. Weit gleichem Unglüd 
verfuchte Herzog Ulferi von Zrevifo eine Empörung: er wurde in 


Origo g. L. X; Paul, IV, 3. 

Paul. IV, 8. 

Biel unnüge Bermuthungen darüber bei Lupi I, 191 ff. 
Baul. IV, 3. 

Origo g. L. X; Paul. IV, 14, 


a» a Rn mw 


428 


feiner Hauptſtadt belagert ımd gefangen!. Auch Gaidoalb von Tu 
dent und Gifulf von Friaul, die fih vom Könige losgeſagt hatea 
mußten fchließlich feine Oberhoheit anerkennen 2. 

So mag uns die Regierung Agilulfs als eine tüchtige mb 
kräftige erfcheinen, für die Stärkung der königlichen Gewalt in hohen 
Grade geeignet 3. Noc mehr würde diefe Anficht fich befeitigm, 
hätten wir ftatt einer bloßen Vermuthung die Gewißheit, daß ei 
ihn die Anfänge einer inneren Entwidlung zurüdzuführen fein, de 
in der Folge von unberechenbarem Gewinn für das Königthum we 
den ſollte. Wenn er fonft im Großen ımd Ganzen mehr zei 
augenblidlicher Anerkennung ftrebt, al8 nad der Begründung ve 
Ynftitutionen, welche die Macht der Herzoge dauernd zu ſchwäche 
im Stande gewefen wären, jo werden wir ihm das nicht zum Ber 
wurf machen dürfen; denn es fcheint faft, als fei eine foldde New 
rung in diefer Zeit kaum möglich gewefen ohne die gemaltigite Er 
fchütterung des gefammten Staatsorganismus, die jedenfalls für ba 
Moment nur Unheil und Verwirrung hätte bringen Tönnen. wer 
felhafter mag es bleiben, ob ben König nicht der Tadel trifft, df 
er die mächtige Erhebung der Herzoge von Benevent und Spolen 
vernacdjläffigt, dag er nicht einmal den Verfucd gemacht habe fie p 
rüdzudrängen. — 

Sicher aber gieng manches von bem, was er gewonnen, fd 
durch feinen Sohn Adelwald wieder verloren. Allerdings find de 
Nadjrichten, welche wir über diefen, wie über feinen Nachfolger Arie 
ald Haben, nicht nur fehr dürftig; fie beruhen zudem auf eine 
Duelle, deren Glaubwürdigfeit wir früher einmal in ‚Zweifel ziehe 
mußten. Frebegar * nämlich berichtet uns über beide Könige Feb 
gendes: „Nah dem Rathe des Eufebius falbte fi) Adelwald einft 
im Bade, ich weiß nicht mit welchen Salben, und ſeitdem konnte er 
nichts mehr thun, es fei denn daß er dazu von Euſebius ermaßnt 
worden wäre. Da wurde er von diefem überredet, alle Fürſten md 
Edlen im Reiche der Langobarden umzubringen und darauf fich mit 
feinem ganzen Volfe dem Kaifer Mauritius zu übergeben. Wie a 


r Raul. IV, 3. 

2 Paul. IV, 28. 

5 So faßt fie auch Hegel I, 447. 

* Ghron. 49: Jnunctus in balneo Adaloaldus nescio quibus unguetis 
ab ipso Eusebio persuadebatur, et post hanc unctionem nequicguam alind 
nisi quod ab ipso Eusebio hortabatur facere poterat. Persuasus ab ipso, 
ut primates et nobiliores cunctos in regno Langobardorum interficere ordine 
ret, eisdem exstinctis se cum omni gente Langobardorum Imperio Maurieli 
traderet. Quod cum iam duodecim ex eis nullis culpis exstantibus gladio 
trucidasset, reliqui cernentes eorum esse vitae periculum, Charoaldum ducem 
Taurinensem, qui germanam Adaloaldi regis habebat uxorem nomine Gunde 
bergam, omnes seniores et nobilissimi Langobardorum gentis uno conspiran- 
tes consilio in regnum eligunt sublimandum. Adaloaldus veneno hausto in 
teriit, Charoaldus statim regnum adripuit. Nur ein Auszug aus biefer Stelle 
ift offenbar Paul. IV, 43: Sed cum Adaloaldus eversa mente insaniret, de 
regno ejectus est, ot a Langobardis in ajus loco Arioaldus substitutus est, 


439 


ift diefe Sefchichte doch gewiß nichts anderes, als eine Zarziz 
ber ganz ähnlichen vom Morde der Herzoge Tafs und Sala mm 
Arion, wie fie uns Paulus !' erhalten hat. Und zwar ſiekt ie 

die Sache fo, daß wohl beide Berichte als jagenhaft audgeidemik 
zu betrachten find, daß aber dem ungeaditet die Faffuug des Img 
bardifhen Geſchichtſchreibers weitaus die grüßere Glaufmrürkigbi 
verdient. Denn gegen Fredegar nimmt —“ in die 3 



















zeichnung Taſo's als eines Tur von Tuscien: Aber nie mE, 
daß ipäter wenigiten® in dieſer Yandichaft mehre Derzoge meazer, I 
in Yuffa und in Chiufi. Paulus dagegen hat zwar gerabe rar ie 
Geſchide des heimathlichen Friauls und ſeiner Herzoge um Tomi 
viel Sagenhaftes °, und ift darin immer nur mit B a ie 
nugen; doch mit dem Kern der Ereigniſſe zeigt er fich weit gu 
wohl befannt und vertraut. — 

Nicht viel beifer find wir über das Verhältuns der Serge J 
dem nächiten Könige unterrichtet: auh für jeine Herrichañt fo 
diefer Dinficht Fredegar faft einzige Quelle. Nach ihın fehite es and 
jetzt nicht an Widerfeglichleiten, aber Rothari trat —— Irık 
und Glück entgegen, wiewohl er früher jelbft Herzog uvex Ber 
gewefen und nur durch die Zahl der Gundeberga, nicht darch üb 
fhaft zum Throne gelangt war. Tiefe Radricht zu be;mwerfein ing 
fein Grund vor: vielmehr weiſt alles, was wir jonft über dk 





Regierung willen, auf einen Znjtand bin, wo die Großen zer 
Macht einer gewaltigen Berfönlicdhkeit, wenn aud; vielleicht wibermlig, 
fi) beugen, wo ihre Kräfte, fonjt fo oft in verberblicher X ypefkiie, 
zum Heile des Ganzen vereint find. In der jegt erfolgten Gejeger 
redaktion wirb die Gewalt des Königs san} beſonders fcharf bereut; 
hier erhielt fie eine Grundlage, welche jelbjt die beitigiten Exkrme 





ungebörige Romkinierung ber Cuellen, wie fie ven Murateri, Unmali IV, 73 
verſucht werten if. 

3 Zaufl. IV, 4ü: Hos duos fratres Gregorius pairieius Romsserum I 
eivitate Opitergio dolasa fraude peremit: nam promittens Tascni, ut ei barkem, 
sicati moris est, incideret eumque sibi flium faceret, ipse Taso cum Chess 
germann sun et electis iuvenibus al eundem Gregorium nikil mali mnetuses 
sävenit. Gui mox ()pitergium cum suis esset ingressus. statim isdem pm 
tsieius portas elandi praecepit et armatos milites super Tascnem ejnäget 
soehss misit Quod Taso cum suis comperiens amdacter se ad pugmm 
prasparavit sltimumque sibi data pace valedicentes per singulas eivisilis 
plateas hae illae dispersi quoscunque obvios habere poteramt trachdanses cuB 
magnam stragem de Romanis fecissent. sl exiremum etiam ipsi perempti zenl 

2 Echte das teindt zur alte Kieter surufsehen? Merkiräreig men 
nens, wie tie im Steñe liesente Teehe ieldñ in ver Iateiniiben Ferm gem 
unte Ckũrſlich su Tage tritt. Sc Ander ñch in ter Erziklung ven ber End 
tuna &:3 funıen Grimeald aus tem Hinten der Ararın, | ‚Fiäder ren mieman 
temech, eim aan: teselrechter Hexameter: Exil. IV, 33: Ingentes anime 
angzatn in peciore versans. 

I «£ren 71: Chrotarius cum regnare coepisıet mul:os nobilium Ler 
g-’Aariı,ram. quos sibi sensersi coniumaces, interfecit. Chrotarias fortissimam 
#isciplinase et timorem in omne rezuum Langobarüorum pacem sectans fecit. 


431 


der nädjften Zeit nicht zu unterwühlen vermochten. Arichis von 
Denevent !, der mächtigſte Herzog des Reiches, fendete feinen einzigen 
Sohn an den Hof von Pavia, und fräftiger und ruhmvoller, denn 
jemals ſeit Alboins Tagen erhob ſich das Volk zum Kampfe gegen 
die Griechen. — 

Wir haben die äußere Gefchichte der Iangobardifchen Herzoge 
bis zu dem Augenblide verfolgt, wo ung zuerft das Recht des Vol- 
kes aufgezeichnet entgegentritt. Weſentlich das Verhältnis derfelben 
zum Königthume war e8, was bier unfere Aufmerkſamkeit in An- 
fpruh nahm; jett gilt es, eine andere Seite ihrer Stellung ins 
Auge zu faffen, den Grundlagen nachzuforfchen, auf welche geftütt 
fie fo mächtig nach Oben Hin auftraten. Ihre Beziehungen zum 
Volke und zu den neben ihnen ftehenden Beamten, den Gaftalden, 
find es, weldje uns zunächſt befchäftigen werben. 


2. Herzogthum und Gaftaldat. 


Früher haben wir darzulegen verſucht, wie die Herzoge, ur- 
fprünglid) vom Volke gewählte Vorfteher der größeren Abtheilungen 
deffelben, doch fchon bei der Einwanderung der Langobarden nad) 
Stalien als vom Könige beftelit erfcheinen. Nach dem Tode Klefs 
verfhwand natürlich zunächſt ein folches Verhältnis, aber nur um 
ſogleich unter Authari wieder zurückzukehren: foweit wir fehen, wurde 
and, fpäter da8 Recht der Ernennung von den Herrſchern feitgehal- 
ten und im Allgemeinen zur Geltung gebracht. So feßte, um einige 
Beifpiele aus der nächften Zeit hervorzuheben, gleich Authari feinen 
Schwager Gundwald in Afti, Agilulf in Zrident nach bein Tode 
Evins ? den Gaidoald, in Benevent nad) dem Ableben Zotto’8 den 
Arihis ein®; von dem Leßtgenannten wird es uns dabei ausdrlid- 
lich bezeugt, daß er vorher in gar keiner Beziehung zu feinem neuen 
Gebiete gejtanden habe: aus Friaul gebürtig war er bis dahin Er- 
zieher der Söhne Herzog Gifulfs gewefen. Freilich tritt uns im 
Gegenſatze zu dieſem allgemeinen Princip in einigen Herzogsfamilien 
Schon früh eine faktiſche Erblichfeit entgegen *; das hieng dann aber 
einerjeit8 mit ben ganz befonderen Verhältniffen derfelben zufammen, 
die fpäter berückjichtigt werden müffen, andrerfeits finden wir doch 
felbft Hier, wie die Könige nicht felten wenigftens den ftrengen Erb- 
gang unterbrechen, wie fie den Dufat wohl an ein Mitglied der 


3 Paul. IV, 11: Evin quoque duce in Tridentino mortuo datus est 
eidem loco dux Gaidoaldus vir bonus ac fide catholicus. 

5 Maul. IV, 19: Mortuo Zottone Beneventanorum duce Arigis in loco 
ipsius a rege Agilulfo missus successit, qui ortus in Forojulii fuerat et Gi- 
sulfi Forojuliani ducis filios educarat. 

* Die Meinung von Leo, Entwidlung ber Verfaffung der Iombarbifchen 
Städte S. 17, daß dies bie Megel gewefen, ift ohne Grund in den Quellen. 


432 


wurde Grajulf, der Bruder ihres Vaters Gifulf, 
geſetzt; und jenen blieb, da fie unter dem Oheime nicht | 
am Ende nichts übrig, al® der Abzug in ein anderes Herzogiäeum, 
nach Benevent. — 

War dagegen der Dur einmal beftelit, jo blieb er in ber Ne 
gel auch lebenslänglich in feiner Würde. Das beweifen zumädhft bie 
Angaben des Paulus über die einzelnen Berfönlichleiten, deren er 
Erwähnmg thut. Co ift Gijulf?, der bei dem Cintritte der 9er 
gobarden Eingejegte, bis an feinen Tod Herzog von Friauf, ebeufs 
feine vorher erwähnten Söhne Taſo und Kako; Evin, welcher ſche 
zur Zeit der Alleinberrichaft der Herzoge fo bebeutfam bervorgerast 
und ſpäter dem Konigthume die weſentlichften Dienfte geleiftet, wer 
läßt erſt mit dem Leben zugleich auch feine wichtige Stellung in 
Zrident *; ber töblide Pfeil, der unter Agilulfs Regierung auf bes 
Sundwald entfendet wird, trifft diefen noch immer 
Afti*. Und in jpäterer Zeit zeigen bie Urkunden wenigen 3 
jemand fehr Lange einen Dufat verwaltete: fo tritt ums in Zul 
noch im Jahre 736 derjelbe 09 Walpert entgegen 5, der fen 
im Februar 716 als folder bezeichnet wurde ®. 

Dazu konmt ein Weiteres. Nirgends finden wir in bem Chile 
Rothari’s, ja ſelbſt nicht in den Zujägen Grimoalds umd Lintprande 
die Strafe der Abfegung für die Duces ausgeiprochen, wegen Amis 
vergehen wird einfah mit Gelde gebüßt?. Anders jteht natärih 





















® Baul. IV, 41: His ita peremptis dux Porojulianus Grasulfus Giselk 
germanus constituitur. Radoaldus vero et Grimoaldus despectui ducemies sub 
patrui sui Grasulfi potestate degere, cam essent jam prepe javemilem zetalem, 
ascensa navicula remigantes ad Beneventi fines perveaimt. Exmde ad Ar 
chim Beneventanorum ducem suum quondam paedagogum properamtes ab eo 
gratissime excepti et filiorum loco sunt habiti. 

2 »#aul. IV, 38: Huie Cacano Gisulfus Porojuliauus dux cum Lange 
berdis, quos habere poterat, saudacter ocewrit. Sed quamvis forti amimesi- 
tste contra immensam multitudinem bellum cum pancis gereret, undigue innen 

ptus cum omnibas suis pene exstinctus est. 

5 Baul. IV, 11, oben angeführt. 

* Baul.1V,42: Gundualdus etiam Thendelindae reginae germanes, gei 
erat dux in eivi:ste Astensi, nemine sciente auctorem mortis ipsims oe ipe® 
in tempore sagitta ietas interiit. 

5 Cod. dipl. 11, 618: Constat me Lupo vindedit vobis dommo Wal 
perto duei per misso vestro una casa. 

* Cod. dipl. ITI, 250: Dum conjunxisse ego Ultiasas notarius et mie 
sus domni regis ad intentionem, quam vertebatur inter V. B. Talesperisne 
episcopo (Lucensi), nee nom et Joanne idem episcopo Pistoriensi, ege qui 
suyra una cum Walpert duci et Alsis gastaldio. 

7 Ed. Roth. 25: Si dox veritstem aut jastitiam mem servaverit csup%- 
aat regi solidos vegenti cause manentem. 


438 


die Sadje, wenn der Herzog einen Aufftand gegen den König erhebt 
oder jonft eines todeswürdigen Verbrechens ſich ſchuldig macht: die 
im erjten Abfchnitte angeführten Beifpiele zeigen deutlich genug, daß 
man in diefem Falle aud) nicht fchonte, obwohl es als bezeichnend 
für die allgemeine Negel gelten mag, daß dem Gaidulf, nachdem 
ihm einmal verziehen ift, nicht nur das Leben, fondern auch die 
herzogliche Würde bleibt. 

Ebenfo wenig aber als von einer Abfegung ijt in diefer Zeit 
von einer Verſetzung der Herzoge die Rede; eine folche laſſen die 
uns erhaltenen Zeugniſſe erjt weit jpäter in einem einzigen Yalle er⸗ 
fennen; doc) fteht aud) hier die Sache nicht einmal feit und trat zu⸗ 
dem, wenn überhaupt, jedenfall unter ganz befonderen, exceptionellen 
Berhältniffen ein. Als nämlich Traſamund von Spoleto, zum zwei⸗ 
ten Male aufitändifch, von YLiutprand unterworfen war, wurde an 
feine Stelle ein Neffe des Königs, Agiprand, eingefegt, wahrjchein- 
lich derfelbe, welcher vorher Dur von Chiufi gewefen !. 

Sehen wir fo, wie der Herzog nicht eine für jeden Krieg be⸗ 
ſonders beftimmte, in der Zeit beſchränkte Obrigkeit ift, jo werden 
wir uns gleicher Weife gegen die Anficht? erklären müſſen, nad) 
welcher er außerhalb der beftimmten Localbeamten ftünde, nur Ans 
führer im Felde und höchſtens mit einer außerordentlichen Gerichts⸗ 
barkeit über das gerade fommandierte Heer ausgeſtattet. Nicht als 
ob bier in Abrede geftellt werden follte, daß es derartige für ein« 
zelne Fälle ernannte Oberbefehlshaber überhaupt bei den Langobar- 
den gegeben. habe: weit doch ein Gejeg Rothari's beftimmt genug 
auf fie hin; aber eben dajjelbe identifictert fie nicht mit den Duces, 
ſondern jet fie ihnen in bejtimmter Weife entgegen 3. 

Wir halten demnach feit daran, daß bie Gewalt der Letzteren, 
wie ftändig und dauernd, fo zugleich an einen ganz bejtimmten Bes 


ı Mäheres darüber weiter unten. 

2 Beide Meinungen vertreten von Savigny, Gefchichte bed römiſchen 
Mechtes im Mittelalter I, 280, wefentlih auf Grund von Ed. Roth. 25: 8i 
quis res suas ab aliom in exercitum requisierit et noluerit illi reddere, tunc 
ambolit ad docem, et si dox aut judex qui in loco ordinatus est veritatem 
non servaverit, conponat regi solidos vegenti, welche Beſtimmung, wie auch 
bei Leo, Stalien I, 79 N. 2 und Hegel I, 457 nur auf den Krieg bezogen 
wird. Allein aus anderen Wendungen berjelben Art, wie aus ber Lesart des 
Mabrider Cober: ‘ab alio exercitale’ geht hervor, baß “alius in exercitum’ 
bier eben nichts weiter beißt als „ein anderer Erercitale*, während zugleich 
ber neben dem Dur genannte judex qui in loco ordinatus est ziemlid beſtimmt 
auf den Frieden binweift. 

5 Ed. Roth. 6: 8i quis foris exercitum seditionem levaverit contra 
ducem aut contra eum, qui ordinatus fuerit a rege ad exercitum gobernandi 
etc. Daß ‘aut’ bier wirflih als trennende Partikel anzufehen ift, ergibt 
fih aus dem fonftigen Gebrauche deſſelben in Rothari's Edikte; fiehe bie ähn⸗ 
lichen Verbindungen Ed. Roth. 15: gastaldius regis aut sculdahis, Ed. Roth. 
25: dox aut judex qui in loco ordinatus est, Ed. Roth. 182: filiam aut qua- 
levit parentem, Ed. Roth. 189: puellam aut mulier liberam, Ed. Rotn. 210: 
aldiam aut ancillam alienam. 


434 


zirt gefnüpft war, der als Glied des ftaatlidden Organismus mi 
Civitas genannt wird. Co regiert nad dem Tode Keks jeder ie 
zelne Herzog eben feine Civitas, diejenige natürfich, im welche a 
fon vorher eingefegt war; Dur der Civita® Turin heißt Ay 
bevor er König wird !; für die Civitas Aſti wirb Gundwalbd kei 
Doch genug der Beifpiele, wo fat jede Seite bes Panlıs A 
nis abgibt für unfere Dleinung: fragen wir Tieber nad, bem Em, 
nad) der Bedeutung des Ausdrude. An fi könnte er ja 
bezeichnen, einmal blos die Stadt, danı aber auch ein mit en 
verbundenes größeres Gebiet; in dem einen Falle wären Die Her 
wirklich ſtädtiſche Behörden und zwar weiter nichts als das?; u 
dem anderen würden ihre Befugniife in gleicher Weiſe, wie die in 
Grafen in Gallien fi) auf Stadt und Yand eritreden. Daß m 
die Yangobarden nicht minder als bie Franken den zulept erwähsk 
Begriff mit dem Worte verbanden, würde fhon aus einem uns 
haltenen Fragmente des Secundus von Zrident folgen, an bee 
Schluſſe es heißt 2: „Alles oben Weichriebene ift in der Givites m 
Zrident, im Orte Anagnis gefchehen unter Norfig des Wü 
Agnellus“ ; weiter beweift e8 der Ausdrud „Zerritoruum“, 
wentifh mit Civitas bei Paulus fchon für die älteften Zeiten m 
in Berichten vorkommt, welche offenbar aus dem Secundus geihä 
find +. Unter diefen ift für uns derjenige von beionderer Wichi 
feit, in dem die Namen von zehn Kaftellen oder Oppidulen auf 
zählt werden, welche die hereinbrechenden Franken in dem Tribentiat 
Territorium zerftörten°; das zeigt, wie umfangreich dieſe Berk 
fein fonnten. Dagegen wurde “ducatus’ urfprünglich wohl wm 
der Stellung der Herzoge gebraucht ° und erjt fpäter auf das Ye 
übertragen 7. 


i 


J 


2 Raul. II, 29: Erat autem tunc ibi inter ceteros Langobardorum de 
ces Agilulf dux Taurinensium civitatis. 

2 Segel I, 462 faßt bie Sache im Terte infofern ganz richtig, ald a 
die amtliche Wirkſamkeit eines Tur auf „eine Stadt und deren Gebiet” be 
zieht. Es fragt fh mur, ob er bier unter Gebiet nur bie Feldmark ber Etat 
verfieht, eder auch umliegende Kajtelle, Dörfer reip. Einzelnhöfe. T 
kann es nur vermirren, wenn man R. 3 ben Herzog geradezu als „AIMi 
Obrigkeit“ bezeichnet findet. Out fhen Bethmann-Hollweg, Lombarbiiät 
GStädtefreibeit €. 62. 

5 Cod. dipl. I, 21: Acta sunt suprascripta omnis in eivitate Tridentiss 
in loco Anaguis presedente Agnello episcopo; vgl. dazu bie Note nen Bonelli. 
Mouum. eccl. Trident. p. 12: Secundus pro civitate Tridentina, ubi locas et 
Ansgnis, accepit more veterum nedum urbem gentis caput, sed et dioecesim 
universam. 

* Yaul.111,9: Expuleisque Francis Evin Tridentinum territorium recepk; 
IV, 2: Venit quoque magnus locustarum multitudo in territoriam Tridentinun. 

$ %aul. III, 30: Xomiua autem castrorum seu oppidulorum, quae & 
ruerunt Vrauci in territorio Tridentino ista sunt: Tesana, Malcrum, Sermisss, 
Apiuuum, Fagitang, Cibra, Britianum, Brentonicum, Belenes, Ennemase. 

° auf. II, 18: Droetulfus ducatus honorem mernerat: vgl. IV, 17, 
46: V, 17, 22. 4. 

7 Paul. IV, 40: Taso et Cacco filii Gisulfi eundem ducatum regendem 


435 


| Was aber waren dieſe Gebiete? Waren fie neu von ben Lan⸗ 
gobarden eingerichtet, oder Tnüpften dieſe, fo feindlich fie auch fonft 

en die Römer verfahren mochten, doch wenigftens hier an das 

ber Beftandene an? Gehen wir nochmals auf die Gejchichte von 
&ifulf ein, fo läßt hier fchon die Faſſung der Ueberlieferung erken⸗ 
sen, daß das Letztere ber Fall war; nicht ein neuer Bezirk, oder 
wie es genauer heißt, eine neue Provinz wird gefchaffen, jondern nur 
Für die längſt beftehende eine neue nationale Obrigkeit eingefet ', 
welcher dann andere Mitglieder des erobernben Volkes ſich zugefellen. 
Und e8 erfcheint das nach der ganzen Natur der vorgefundenen Ver: 
el nach der Art der bisherigen territorialen Entwicklung in 

alien faft als eine Art Nothwendigfeit: nur eine radikale Bertil- 

ng alles Beitehenden — das darf man, wie ich glaube, getroft be- 

upten — Würde zu einem anderen Ergebniffe haben führen können. 

enn wie feſt und dauernd dieſe Eintheilungen des Bodens unter 
allen Stürmen blieben, welche über bdenfelben hinmweggiengen, zeigt 
am Beften der Umijtand, daß die Städte, felbjt wenn fie bis auf den 
Grund zerftört waren, doch nicht nur fich ftetS wieder aus ihren 
Trümmern erhoben haben, fondern auch immer wieder die Mittel- 
punkte ftaatlichen Lebens geworden find. So das von Agilnlf ver- 

annte Padua 3, das von Rothari vernichtete Genua *; in weit ſpä⸗ 
terer Zeit hat Mailand ja den fchlagendften Beweis für diefe Mei- 
nung geliefert. Cine Oppofition gegen frühere Eintheilung finden wir 
in unferen Quellen nur einmal bemerkt, gerade hier aber zeigt eben die 
ansbrüdliche Erwähnung der Sache felbft wie der ganze innere Zuſam⸗ 
menhang, daß bei Opitergium eine Ausnahme von der Regel ftatt fand. 
Dieſe Stadt, ſchon von Rothari 5 eingenommen und zerftört, muß fehr 


susceperunt, fiehe auch IV, 46; V, 86; VI, 830; Geste pont. Rom. 42: In- 
teramnam urbem ducatus Spoletini; 97: ducatus Firmanus, Auximanus 
et Anconitanus. Auch in Urkunden; fo in einer Beltätigung Liutprands 
für Farfa von 15. Juni 739, Cod. dipl. HI, 660: quaecunque singuli 
duces nostri Spoletani seu et reliqui judices vel populus de ipso ducatu 
nostro Spoletano contulere. — Ganz vereinzelt fteht der Fall da, daß ein Her: 
3209 zwei Xerritorien unter ſich vereinigte. Nur ein Beiſpiel davon ift 
und erhalten in Alachis, der zu dem von Trident noch bad von Breſcia hinzu: 
erhielt; fiehe Paul. V, 36; Hegel I, 453 N. 2. 

2 Paul. II, 9: Alboin perpendere coepit, cui potissimum primam pro- 
vinciarum quam ceperat committere deberet. 

2 Auf die Stätigfeit bderfelben bat ohne weitere Begründung ſchon 
bingewiefen Bereita, Dissert. chorographica bei Muratori, Scriptores Tom. X, 
p. XXX1: Liquet Langobardos et Carolum Magnum variasse quidem formam 
provinciarum et nomina, non autem singularum urbium. Verum in urbibus 
ingens illa variatio non contigit. 

5 Maul. IV, 24: Usque ad haec tempora Patavium civitas, fortissime 
militibus repugnantibus Langobardis rebellavit. Sed tandem injecto igne 
tote flammis vorantibus concremata est et jussu regis Agilulfi ad solum us- 
que destructa. 

*Fredegar, Chrom. 71; näheres weiter unten. 

5 Paul. IV, 47: Opitergium quoque civitatem inter Tarvisium et Foro- 
julii positam pari modo expugnavit et diruit Rothari. 


436 


kurze a ee a Dane Der Griechen gelangt {ci 
dann wurde fie von Srimoald zum zweiten Male & 
war aber, wie Paulus berichtet, dieſem Könige in ganz nn befochems 
Maße verhaft ', weil bier feine beiden älteften Brüder darch ka 
treulofen Anfchlag des Exarchen Iſaak umgelonmen waren. Des 
halb, Heißt es ausdrücklich, vertheilte Grimoald ir Gebiet unter ik 
Bewohner von Friaul, Zrevijo und Eeneda, um fo ge za 
Gedaächtnis des Ortes für ewige Zeiten anszulöfchen. Wir 
ihn das felbft fo auf die Dauer gelungen, beweift das f —— 
blühende Oderzo. 
Wollen wir weiter in das Einzelne eingehen, fo ſcheint ſich fir 
als be 
er 








diefen Zweck zunächft nichts Paſſenderes darbieten zu können, als 
fogenannte Anonymus von Ravenna, der es ja als feine 
fündigt, „die Civitates oder die Zerritorien der Civitates“ zu wer 
zeichnen *. Allein ganz abgejehen von der Zeitbeſtimmung biefe 
Autors, ber doch nur von einigen in das fiebente, von anderen — 
und wie mir fcheint mit größerem Recht — in das neunte Yale 
hundert der driftlihen Aera gefetst wird, Haben fchon frühere Fer 
fcher richtig erfannt ?, daß feine Angaben für die politifche Geſtel 
tung Italiens ohne jeden Werth find, indem er „einerfeits nicht fe 
ten Namen nennt, von denen fonjt weder das Alterthum nod be 
Neuzeit Kunde und Spur gibt, andererfeits zu den Stäbten unbebew 
tende Dörfer oder Kaftelle rechnet, welche niemals zu einer f 
Würde fi emporgejhwungen haben“. Ich möchte hier ftatt 
anderen ein fchlagendes Beijpiel anführen, von dem, foviel idh * 
bisher noch feine Notiz genommen worden ift. Im dreikigften Se 
pitel des vierten Buches fährt der Anonymus, nachdem er mehr 
Städte der eigentlichen Lombardei nambaft gemacht, zulegt Sirui 
und Garda al8 am Zuße der Alpen gelegen, in folgender Weik 
fort*: „&benfo die Civitas Ligeris, Trinkto, Tridentum“. De 
ganzen Sachlage nad kann jenes Grite nichts anderes fein, als dab 
von Paulus 3 erwähnte Yagare, und fo iſt es denn auch von alla 






I Raul, V, 28. 

® Anon. Rav. IV, 81; Binder und Partbey ©. 256: Sed quia jem 
antes alias civitates nominavimus, ut membratim eas per singulas provimeiss 
ezpuneremus, attamen ut significemus quae sint civitates vel civitatam teri- 
toria , ideo exponimus nominando. 

5 Murstori, Antiquitates italicae medii aevi II, 185: Idem vero ano 
nyınus ınultas enumerat civitates, quarum non solum nulla nunc vestigia re 
stant, sed no mentio quidem apud antiquos occurrit. Praeterea is in urbes 
recens«t aut minutos vicos aut castella, quao nunquam ad dignitatem urbis 
asnurrexere et contra omittit quae temporibus barbaricis in honore fuerst; 
Beretta, Dissert. chorogr. p. XV: Cum anonymus plures urbibus vicos is 
miscont, 

% Binder und Parthey ©. 253: Item civitas Ligeris, Trincto, Trr 
dentum. 

s Paul. 1, 9: His diebus advenientibus Francis Anagnis castrum, 
quod super Trideniumn in confinio Italiae positum est, se eisdem tradidit. 


—X 
Interpreten genommen worben. Nun ergibt ſich aber aus dem' ger 
nannten Gefchichtfchreiber,, wie ich glaube, mit unzweifelhafter Ge⸗ 
wißheit, daß dies Lagare zu dem Zerritorium, zu der Civitas bon 
Trident gehörte, daß der Komes deſſelben, Ragilo, während der Al- 
leinherrſchaft der Herzoge dem Evin unterftand. Mit dem Trinkto 
aber hat man gar nichts zu machen gewußt und fich ſchließlich mit 
der Meinung begnügen müſſen, daß es wohl burd) Dittographie aus 
dem nachfolgenden Worte, aus Zridentum, entftanden fein möchte, 
Wir fehen alfo, daß anf diefem Wege nichts zu gewinnen ift; 
befjer werden wir auf einem anderen vorwärts fommen. Erinnern 
wir uns, wie urfprünglich die Tirchlichen Ordnungen ftets fih an 
die früher beſtehenden politifchen angejchloffen hatten, wie die älteren 
Eivitates immer auch mit den Sprengeln der einzelnen Biſchöfe zu⸗ 
fammenfielen !, fo wird e8 möglich fein, eben aus ben Verzeichniſſen 
der Lebteren auch eine Ueberſicht über die Erjteren zu gewinnen, wie 
diefe fich geftaltet hatten, al8 die Langobarden nach Italien einwan⸗ 
derten. Daneben ftelle ich eine Tabelle derjenigen Städte, für welche 
uns langobardifche Herzoge genannt werden; zu ihnen mögen nachher 
noch zwei andere fich gejellen, welche wenn auch nicht als Dukate, 
fo doch als politiiche Meittelpunkte in der früheren langobardiſchen 
Zeit hervortreten. Ich wähle die Verhältniffe Oberitaliens, eines⸗ 
theil® weil diefe uns am Klarften vorliegen, Harer 3.8. als bie von 
Zuscien, dann aber auch, weil wir in ihnen offenbar das Urſprüng⸗ 
fiche zu fehen haben, während das Abweichende, was in Benevent 
und Spoleto fpäter zu Tage tritt, fich noch in feiner hiſtoriſchen 
Entwidlung, in feinem Werben verfolgen läßt. Die Bifchofsftädte 
d nad) Schelftrate und Ughelli gegeben, die in der anderen Reihe: 
efeßten Zahlen bezeichnen die Stellen des Paulus, wo von den 
betreffenden Herzogthümern die Rede ift; ausgefchrieben aber habe 
ich fie nur bei denen, bie fonft nicht weiter in der Abhandlung ge 
zannt find. 


Bistümer, Herzogthümer. 
Kaftrum Julienſe, nachher Friaul. Friaul; II, 9. 
Gere Sutlenf, ma Ceneda 2; VI, 24. 


Quam ob causam comes Langobardorum de Legare Ragilo nomine Anagnis 
veniens depraedatus est. Qui dum cum praeda reverteretur, in campo Rota- 
Bano offendit Chramnichem ducem Francorum, & quo cum pluribus suis pe- 
remptus est. Qui Chramnichis non multo post Tridentum veniens ipsum 
devastavit. Quem subsequens Evin Tridentinas dux in loco qui SBalurais 
dieitur suis cum sociis interfecit praedamque omnem quam ceperat exeusait. 
Expulsisque Francis Tridentinum territorium recepit. tte Lagare eine eis 
gene Eivitad gebildet, fo würde in biefer Zeit fein Woriteher eben nicht Ko: 
med, fondern Dur genannt worden fein. 

2 Sehr gelehrt und ausführlich hat hierüber gehandelt Schelstrate, An- 
tiquitas ecclesiae II, 218 ff. 

® Paul. VI, 24: Munichis, qui pater post Petri Forojulianorum et 
Ursi Cenetensis ducum exstitit. 


II. 29 


Izmir Zıerüs; 8 3. 
Firm: =, * 
Terms Zen‘: I, 28 
Iren Zsıem; D, 32. 
rec rras; I, 32. 
Bergumr: II, 32. 
Komera Ieid bes * Fulins ® (Rev): 
Mailand Miiasr: IL 32. 
Faran Furu: I, 32. 
Regzio Rezaio. 
Farma Farm 
Fiacenʒa Biacecʒa 
Modena *. 
Terielio #eriells; IIL, 18. 
Afti Ati; IV, 2. 
Jorra Iorea ®. 
nn II, 29. 
ĩvitates. 
Mantua Mantuo. 
Altınım Altimm 6. 
Mariana 
Feltre 
Belluno 
Kremona 
Komp 
Lodi 


2 Paul. VI, 64: Peredeo Vincentinus dux. 

® Paul. O, 28: Giselbertus, qui dux Veromensium fuerat. 

5 An bem Herzog Minulf von biefer Inſel glaubte Muratori, Autige 
I, 151 beweifen zu fönnen, daß es auch Tuces gegeben babe, in deren Be 

irfe feine Etabt gelegen geweien fei. Allein es * faſt, als babe zu em 

ttorium des nntn aud Novara gebirt; vgl. Beretta, Dissert. ebe 
rogr. LXXVIII: Infra et in medio Novariensis dioecesis, ubi lacus Hortat 
et insula 8. Julii, cui praeerat sub Langobardis Minulfus dux. Territoriem 
enim suum habebat, ut ostendit Carolus a Basilicap. in sua Novaria a. p- 
174, demonstrans ad comitatum Novariensem etiam ante Ottones vetera co®- 
firmantes pertinuisse. Tann hätte ji Minulf bei dem Kampfe gegen Agilulf 
le die Infel zurüdgezogen, ganz ähnlid wie Gaidulf auf bie im Komer⸗ 
ee belegene. 

* Denn der Dur Johannes, welcher Muratori, Antigg. I, 1532 und II, 
197 ff. ald Ausfteller von Urkunden erfcheint, ift nicht, wie dort angenommen, 
Herzog von Berficetum, fondern von Modena. Ich werde dad noch an eine 
anderen Stelle zu begründen ſuchen. 

5 Gesta pont. Rom. 97: Direxit missos suos Desiderius, id est 
Theodicium ducem Spoletinum, Tunnonem ducem Eburoregiae et Prandulum 
vestiarium suum. 

°c Daß dieſe Civitates fhon vor Autbari ben Lannobarben gehörten, 
zeigt ber oben angeführte Brief des Erarchen Romanus, Cod. dipl. I, 131 ff. 
in bem von ihrer Receptio durch die Griechen bie Rebe if. 





440 


aber wie der Heerbann wird ihm auch der Gerichtsbann zugeime 
chen: feiner Ladung Folge zu leiften ift jeder verpflichtet bei Girk 
von zwanzig Zolidi !. In dieielbe Buße verfällt derjenige, weihe 
ihm feine Hilfe verjagt zur Ausführung einer gerechten Sade, px 
Vollſtreckung eines gefüllten Urtheils ?. 

Dies find die Befugniſſe, welche das Edikt dem Dur alkı 
bindiciert; man fieht, die hier gegebenen Andeutungen find gerin 
aber fie laſſen doch erfennen, daß jener die oberfte militairide, 
rihterliche und polizeiliche Gewalt in feiner Hand vereinigte. Ga 
zu der Letztgenannten wird es zu rechnen fein, wenn man neben ia 
Biſchöfen die Herzoge um Crlaubnis zur Gründung geiftlicher Stk 
ter bat, fo Lange die Geſetze feine ansführlichen Vorfchriften üe 
diefen Punkt enthielten. Dagegen hatten die Herzoge mit ie 
Finanzverwaltung nur imfoweit zu thun, als fie die Bank 
einzogen, von denen ein Theil, wahrfcheinlich die Hälfte an fie fehR 
fiel. Doch ergibt ſich ſchon hieraus, wie groß unter Umſtänden ik 
Einkommen fein konnte. Erwägen wir ferner, wie fie unzweifelhet 
ſchon jetzt durch ein höheres Wergeld geſchützt und ausgezeicee 
waren, WIE ausgedehnte Ländereien, ganz abgejehen von ihrem Par 
vateigenthum, von Amts wegen ſich in ihrem Beſitze befanden *, we 
bequem diefe ihnen die Mittel boten zu felbjtändigem Auftreten ua 
zum Halten eines ihnen ganz ergebenen Gefolges, wozu in diefer Zeit 
außer dem Könige nur fie das Recht hatten >: wahrlich, wir werde 
geitehen muſſen, dag ihre Stellung eine höchſt bedeutende war, def 
fie dem Königthum wohl gefährlich zu werben vermochten. 

Doch war die Yage des Lesteren in der {hat nicht fo fehl, 
als fie auf den erften Blick ausfehen könnte Denn wie bie Her 
zoge einerfeits nicht die Gefammtheit der Töniglichen Rechte im bes 
Territorien üben, fo handhaben fie andererfeits nicht einmal alle bi, 
welche ihnen zuftehen, allein in dem ganzen Umfange derfelben, ſe 
find nicht die einzigen unmittelbaren Vertreter des Könige, fondern 
nur bie verzüglidhiten. 


Neben ihnen erfcheinen Komites und Gaftalden ©. 


nandi aut aliquam partem exereitum seduxerit, sanguinis smi imcurrat pe 
riculum, 

ı Ed. Roth. 20: Si quis de exercitalibus docem suum contempserit sd 
justitiam, vigenti solidos regi et doci suo conponat. 

2 Ed. Roth. 22: Si quis de ipsum exercitum ducom suum nd justem 
eausam persequendam denegaverit solacia, unusquisque conponat regi et doc 
suo solidos vigenti. J 

5 So heißt es in ber Stiftungsurkunde von Kirche nnd Kloſter bei 
heil. Petrus in Kaſſiano aus dem Jahre 713; Cod. dipl. II, 133: Petimss 
(die Stifter) licentiam domno Talesperiano dei gratia episcopo et cum gratis 
dom. Walperti duci nostro civitatis noatre Lucensis. 

+ Raul. I, 16 oben angerübrt. 

s Siehe den Anhang über dad Gefinde bei din Langobarden. u 

*$ Marfgraien gab es nicht; bie brei Diplome, in welchen fie ‚für bit 
rein langobardiſche Zeit erwähnt werden, ſind fämmtlich gerälicht, wie ſelbſt 
Treya zugeitehen muß, ebwobl er bartnädig an einem Marchionate ferbält. 


441 
"Daß jene dem Range nach zwifchen diefen und den Herzogen 


in der Mitte ftanden, beweiſt vornehmlich die gewöhnliche Schluß" 


formel der föniglichen Urkunden !: „Wir beauftragen alle Duces, 
Komites, Gaftalden und alle unfere Aftoren“, oder „kein Dur, 
Komes, Gaftalde oder Aktor von uns möge es wagen, jemals 
gegen diefe unfere Vorfchrift anzugehen“ ?. Die weiteren Nachrich- 
ten, welche wir von ihnen haben, find fehr dürftig; doch können wir 
aus einer Erzählung des Paulus wenigſtens den Umſtand entneh- 
mens, daß ber fränfifche Name Grafio ben Langobarden eigentlich 
fremd war. Erwähnt werden fie fonft bei diefem Gefchichtfchreiber 
nur an drei verjchiedenen Stellen, einmal * der fchon genannte Komes 
Nagilo vom Lägerthale im Gebiete von Trident, dann zweimal 
Komites von Kapuad, welche den Herzogen von Benevent untergeben 
find. Außerdem erjcheinen fie noch in einem Briefe Gregors des 
Großen an feinen Gejchäftsträger in Konftantinopel, den Diafonus 
Sabinianus 6, und in einigen Urkunden, befonders in folchen von 
Benevent ımd Spolete. So ftellt Giſulf I. im September 745 
eine Schentung aus auf die Bitte feines Komes Majo?, und in 
einem Diplome für Farfa kommen gar drei auf einmal als Zeugen 
vor, Rabenno, Anſuald und Zeutprand 8. Beſondere Schwierigfei- 
ten macht der Komes Petrifung, welcher einer Inſchrift zufolge zur 

it des Bifchofs QTalesperianus in S. Mafarto bei Lukka eine 

irche gründete. Wir willen nämlich, aus anderen ganz ficheren 
Originaldofumenten, daß eben in biefer Zeit Walpert Herzog von 
Lukla war, und werben alſo zu der Annahme gezwungen, daß Petri- 
funs in einer anderen Civitas als in ber ihm eigentlich unterftehen- 
den eine Stiftung machte, wenn wir nicht etwa zu der fehr unwahr- 

?! Damus in mandatis omnibus dueibus comitibus gastaldiis nostrisque 
actoribus. So 3. B. in ber entfchieben echten Beftätigung Liutprands für 
Farfa vom 15. Juni 739, Cod. dipl. III, 663. 

3 Nullus dux comes gastaldius vel aetionarius noster contra hoc prae- 
eeptum audeat ire quandogus; Cod. dipl. IV, 118. 

5 Paul. V, 36: Alachis dum esset in Tridentina civitate cum comite 
Bajoariorum, quem illi gravionem dicunt, conflixit. 

* Paul. II, 9: Comes I,angobardorum de Lagare Ragilo nomine 
Anagnis veniens depraedatus est. 

s Paul. IV, 53: Trasemundum vero comitem Capuanum per Spoletum 
et Tusciam direxit Grimoaldus; V, 9: Cuius (Oonstantis) exeroitum Mittola 
Capuanus comes vehementer atirivit. Dagegen find bie Komites bed Weltari 
Baul. V, 23 wohl einfach feine Begleiter. | 

6 Cod. dipl. I, 325: Si ego in morte Langobardorum me miscere 
voluissem, hodie Langobardorum gens nee regem nee duces nee comites 
haberet, 
| 7 God. dipl. IV, 178: Per regum Majonis comitis nostri. ine unda⸗ 
tierte Infchrift aber aus Sant’ Agatha im Königreid Neapel: Hoc Radoald 
conjux comitis ift ohne Grund in die langobardiſche Zeit geſetzt. 

8 Cod. dipl. IV, 389: Signum + manus Rabennonis comitis testis 

Signum + manus Ansualdi comitis testis 
Signum + manus Teutprandi comitis testis. 

9% Cod. dipl. II, 497: Tempore Talesperiani episcopi Petrifunso oo- 

mes feeit. 





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Anfauee eigerstich richtiger. ale die Media, obwohl felbft Grimm im 


wöhnlihe Schreibung feihäl. Die Ableitung ift verſchieden verfuck. 
Leo'd Amĩchtꝰ, nad) welcher Gaftaldius daijelbe fei, wie „Gall“ 
(hospes, hostis) und „ald“ nur ein Zujag, ſcheint ſich der Bill 
gung der erfahreneren Sprachroricher wenig zu erfreuen; Grimm’ 
bringt das ort wohl richtiger mit dem sethiihen en 'gastaldan „beſi⸗ 
gen, baben,Terwerben“ zujammen; daher gastal = se 

minister. Ch es ſchon früher Beamte Diefeg reed für Brivat | 
feute gegeben habe, wie Yeo verfichert, ift nicht gewiß; ficher erichei 


ı Sarigny, RR. im MA. I, 267 ff.; Waitz, Teutfche Verfgefch. IL, 32. 
Das Refultat unferer Unterfucjung über die Komites findet fih fon bei Hegel. 

s Leo, Stalien I, 95. 

5 Deutfche Srammatit u, 527; Rectöalterthümer S. 754; Gedichte 
der deutſchen Spracde II, 527; vgl. auch Diefenbadh, Wörterbudh ber gothi: 


[hen Sprade II, 306. 


443 

nen fpäter Gaftalden und Gaftaldate ber Königin‘. Ganz wilffir- 
ih und unbegründet ift dagegen die Unterfcheidung, welche Troya 
zwifchen Königlichen und öffentlichen (pubblici) Gaftalden gemacht 
hat ?; gerade das ift das Charafteriftifche in der Entwicklung biefer 
Berhältniffe bei den Langobarden, dag bie urfprünglich fpecififch 
Föniglichen Beamten allmählich neben den Herzogen zu öffentlichen 
werden. 

Sehen wir weiter auf das räumliche Gebiet, welches den Ga- 
ftalden fir ihre Thätigkeit angewiefen war, fo wird fich für die Zeit 
Rothari's als Regel aufftellen laſſen, daß in je einer Civitas dem 
Herzog ein Saftalde entſprach. Denn nur bei einer foldhen An⸗ 
nahme erklären ſich die Beitimmungen über die gegenfeitige Kon⸗ 
trofe® diefer beiden Gewalten, die wir noch fpäter näher betrachten 
werben: offenbar fegen fie voraus, daß immer nur ein Gaftalde an 
den betreffenden Herzog ſich wenden konnte und umgelehrt. 

Sm diejen Zerritorien aber waren fie nicht etwa, wie man 
wohl gemeint hat *, diejenigen Beamten, welche die römifche Bevöl⸗ 
ferung vor dem Könige vertraten, wie die Duces die Tangobardifche; 
nirgend, weder in ben Gefegen noch in den Urkunden findet fich 
and nur bie leiſeſte Spur einer foldhen Unterfcheidung, die doch 
ganz nothiwendiger Weile wenigftens angedeutet fein müßte. Und 
ebenfo wenig traten fie in die Stelle der imperatorifchen Defenſoren 
ein; fondern fie erfcheinen als diejenigen, denen die Wahrung recht 
eigentlich der königlichen Intereſſen obliegt, ähnlich wie im deutfchen 
Neiche den Pfalzgrafen des zehnten und elften Jahrhunderts. Vor 
Allen beforgen fie das Krongut 3: wahrſcheinlich verwalteten fchon 
damals unter ihrer Aufficht die geringeren Beamten, die Altores, 
bie einzelnen Höfe oder Kurtes, welche in den Civitates Eigenthum 
des Herrſchers waren. Aber auch fonft haben fie die Sachen bes 
Letzteren zu führen. Sie ziehen bie ihm zufallenden Erbfchaftsquo- 
ten ein®, mögen biefe nun in Grundbefig oder in fahrender Habe 


2 So unterfäreibt Cod. dipl. V, 139: Lazaro gastaldio domne regina, 
und V, 712 heißt e8 in einem Diplome bes Adelchis für St. Julia in Bres⸗ 
cin: Ipsa precellentissima domna Ansa regina suavissima genitrix nostra 
singulas res moviles atque curtes et possessiones innominatas et locas infra 
Brexiana civitate regie proprietatis sue seu gastaldias suas inibi per suum 
confirmavit preceptum ; vgl. Muratori Antigg. I, 524. 

2 Cod. dipl. II, 437 ff. 

5 Ed. Roth. 23: Si dox exercitalem suum molestaverit injuste, gastal- 
dius eum solaciet; Ed. Roth. 24: Si gastaldius exercitalem suum molesta- 
verit contra rationem, dux eum solaciet. 

+ Leo, Lomb. Städte S. 37; Flegler ©. 13. 

s Dies ift bei aller fonftigen Meinungsverfchiebenheit bie übereinftim- 
mende Anficht aller Forſcher; fiehe Muratori, Antigg. I, 524; Lupi I, 132; 
Leo, Stalien I, 95, Lomb. Städte S. 24; Savigny I, 255; Bethmann=Holl- 
weg ©. 65 ff., Hegel I, 456. 

* Das ergibt fi) aus Ed. Roth. 158: Si parentes proximi non fuerent, 
tune curtis regies suscipiat ipsas quattuor uncias; vgl. 159, 160, 163. 


444 


beſtehen; fie haben das Recht und ben Auftrag ', die Freie, welde 
einen Sklaven geheirathet hat und von ihren Verwandten nicht des 
wegen getödtet ober verfauft ift, auf die königliche Kurtis zu bruw 
gen und fie unter die Spinnmäbchen einzureihen. 

Da man indes in einer Art pripatrechtlicher Auffaffung ber 
öffentlichen Verhältniffe keinen Unterfchied machte zwiſchen dem Ein 
fommen, welches ber König aus feinen Gütern zog, und dem, wel. 
ches ihm auf andere Weiſe zufloß, fo gelangten die Gaftalden bald in 
den Befit der ganzen Finanzverwaltung, fo weit diefe überhaupt in 
den Territorien und nicht am Hofe des Königs beforgt ward. Nun 
zahlte mar aber bei bem Letteren nur die Friedensgebühren? und 
diejenigen Strafgelder ein, welche von Beamten erhoben wurden ®, 
alles andere bei den Königlichen Kurtes *: fo läßt fi ermeſſen, wie 
bedeutend gerade in diefer Beziehung die Wirkſamkeit der Gaftal- 
den geweſen ſein muß. 

Nur eine fernere Konfequenz jener Anſchauung iſt es, wenn 
diefe weiter auch Rechte verwalten, die der König allerdings nur 
als folcher befigen Fann, bei deren Ausübung aber gerade feine Ber- 
fünlichleit mehr als anderswo in Betracht kommt. So namentlid 
das Mundium derjenigen rauen, welche keine gefeglichen Verwanb⸗ 


2 Ed. Roth, 221: Bi servus libera mulierem aut puellam ausus fiuerlt 
sibi in conjugio sociare, anime suse incurrat periculum, et illa, qui servram 
fuerit consentiens, habeant parentes potestatiem eam oecidendi aut foris pro- 
vincia transfendendi et de rebus ipsius mulieris faciendi quod voluerit, Et 
si parentes ejus hoc facere distolerit, tunc leceat gastaldius regis aut senl- 
dahis ipsaın in courte regis ducere et in pisele intra ancillas statuere. Wehn: 
ih ift ber Ed. Roth 189 behanbelte Fall: Si puellam aut mulier Hberam 
volontariee fornigaverit, cum liber tamen hominem, potestatem habeat pares- 
tes, in eam dare vindicta. Et si forte ambarum partium steterit, ut ille gai 
fornigavit eam tollat oxorem, conponat solidos vigenti et alios XX; et #i 
non convenerit ut habest oxorem, conponat solidos centum. Et si parentis 
noluerit aut neglexerit in eam dare vindictam, tuno leesat gastaldius regis 
aut sculdahis ipsam ad manum regis tollere et judicare de ipsa quod regi 
placuerit. 

® Ed. Roth. 37: Si quis liber homo In eadem civitatem ubi rex pre 
est aut tuno invenitur esse scandalum penetrare presumpserit, id est «li 
incitaverit et non percusserit, sit culpavelis solidos daodicem in palatio regis; 
vgl. Ed. Roth. 38, 89, 40. 


3 Ed. Roth 150: Si quis judicem interpellaverit et judex dilataverit 
ipsa causa deliberare aut licentiam dederit averse parti ipsum molinum erver- 
tendi, conponat solidos vigenti in palatio regis districtus ab stolesazo; Ed. 
Roth. 350: Si sculdahis dilataverit facere, sit culpavelis in palatio regis 
solidos XII. 


* Ed. Roth. 185: Vir, qui matriniam vel privignem suam duecit, co» 
ponst pro culpam in curte regis solidos centum ; Ed. Roth. 186: Ipsi ner 
genti solidi a curtis regi exegantur; Ed. Roth. 201: Ipsa conpositio in in- 
tegrum ad curtis regis perveniat; Ed. Roth. 206: Sit culpavelis in sourtem 
regis solidos XX. Gänzlid verwirrt bie Sache Muratori, wenn er Antigg 
I, 524 behauptet, daß mit dem Worte „Kurtis" bas fönigliche Palatium 3 
ber Königliche Fisfus bezeichnet werbe. 


446 


ten mehr haben ', oder von bdenfelben hart und ungerecht behandelt 
worden find ?. 

Alle dieſe Befugniffe übten die Gaftalden im Allgemeinen offen« 
bar für die ganzen Zerritorien, ſchloſſen alfo die Herzoge völlig 
davon aus. Ob wir ihnen in Rothari's Zeit noch andere, weiter- 
gehende zufprechen können, wird von der Erklärung eines Ausdruckes 
abhängen, der in dem Edikte des genannten Königs neben Dur und 
Gaftaldins mehrfach zur Bezeichnung eines höheren Beamten begeg- 
net. Er ift von etwas allgemeinerer Bedeutung, und es wird noth» 
wendig fein, ihn bier einer näheren Erörterung zu unterziehen, ba 
wir nur fo hoffen dürfen, zu genügenden Ergebnifjen zu gelangen. 
Das Wort Yuder ift es, auf welches e8 ankommt. 

Daffelbe ift bereit8 vielfach verhandelt worden. Gegen Mura⸗ 
tori?, der unter Judices diejenigen Beamten verjtand, welche bei den 
Langobarden den fränkifchen Grafen entfprochen hätten, wurde zu- 
nächſt von Lupi der entjchiebenfte Widerſpruch erhoben *, ohne daß 
doch diefer nun feinerfeits zu einem recht runden Nefultate gelangt 
wäre. Komites und Gaftalden will er nicht unter bem Namen von 
Indices, fondern unter der Bezeichnung Seniores begreifen, wobei 
er eich den Erjtgenannten größeres Anfehen und höhere Würde 
vindiciert. Offenbar aber ſtützt fich diefe Meinung nicht auf die 
Berhältniffe der rein langobardiſchen Zeit, fondern auf die ber lan⸗ 
gobardiſch⸗fränkiſchen, iſt alfo fir uns von feinem Belang. Wie 
deraufgenommen ift die Sache dann von Savigny , der in den Aus⸗ 
drücden Yuder, Komes und Dur nur Ueberfeungen eines und deſſelben 
unbelannten Iangobarbdifchen Titels fieht, von dem er die Gaſtalden 
anszufchließen fcheint, während Hegel 6 und Baudi di Vesme? ben 


3 Ed. Roth. 182: Si parentis non fuerent legetimi, tune mundius ille 
ad curtis regi perteneat. Et si parentis non habuerit, tuno ad ourtis regis 
habeat refugium. 

2 Ed. Roth. 195: Si quis mundium de puella libera ant mulierem po- 
testatem habens, excepto pater aut frater, et in animum ipsius puello aut 
mulieris insidiatus fuerit, aut aliis invitam tradere ad maritum voluerit,, aut 
volentibus ad ejus violentia faciendum consinsum prebuerit, aut consilium 
dederit et provatur: amittat mundium ipsius, et illa potestatem habeat de 
duas vias, vuit ad parentes reverti, vult ad curtem regis cum rebus suis 
propriüs, quae ad eam per legem conpetit, se commendare, qui mundium 
eius potestatem debcat habere; vgl. aud) Ed. Roth. 196, 197. 

5 Antigq. I, 402: Familiare fuit non secus Langobardis ac Franeis 
eomitum munus, verum apud illos plerumque appellare mos fuit judices, non 
vero comites; I, 187: Nomen autem judicis comitibus ipsis tributum vi- 
dimus in Langobardorum legibus. 

* Cod. dipl. Bergom. I, 458 ff.: Deponenda igitur omnino est hacc 
opinio, quae omni prorsus probatione destituta est et ne conjecturis quidem 
fulcitur, ac tenendum, comites Langobardorum in eorum diplomatibus memo- 
ratos regni proceres fulsse altioris subsellii majorisque dignitatis quam 


cos. 
s MR. im MA. I, 282. 

s Italiſche Stäbteverfaflung I, 450 ff. 

7 Edicta regum Langobardorum col, 854. 


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sıme Fig: Z2:2re 

3 E2 Beil. 35: Preöicä gzaörsgenta solidi per sculdahis aut jJudicem 
ui in Jıc2 Irüustıs u8° eIeganıur. 


447 


mannt war. Dagegen wird er genau vom Dur gefchieben ?; 
Wenn jemand feine Sache von einem anderen Exercitalen fordert, 
ad diefer fie ihm nicht zurückgeben will, dann wende er ſich an den 
ur, und wenn der Dur oder der judex qui in loco ordinatus 
st a rege’ nicht Wahrheit und Necht aufrecht erhält, foll er zwan⸗ 
g Solidi büßen“. Später verfchwindet diefer Unterfchiedb mehr 
ad mehr, fo daß judex de loco’ in Liutprands Gefeßen daſſelbe 
zeichnet, wie da8 einfache Yuder ?. 

Der Gaſtalde ift aber auch der Letzte in der Stufenfolge ber 
zeamten in den einzelnen Civitates, welcher noch als Juder bezeich- 
t wird. Daß man ſchon den Skuldahis nicht mehr umter diefem 
Zorte verjtand, ergibt fich deutlich genug aus der direkten Gegen- 
yerftellung beider Ausdrücke namentlih in Liutprands Edikte. So 
enn beftimmt wird, der Skuldahis folle dem, welcher feine Sache 
Hamiert, ſechs Solidi zahlen und ebenfo ſechs Solidi feinem Ju⸗ 
7, oder wenn von dem Procefje zweier unter einem “uber, aber 
ıter zwei Stuldahis ftehenden Leute die Rede ift *. 

Offenbar Duces Komites und Gaftalden zufammengenommen 
zeichnet Judices auch in der einzigen Stelle, wo e8 bei Baulus be⸗ 
onet 9: „Aripert pflegte in der Zeit feiner Regierung bei Nacht 
ı# Pavia hinaus hier und dorthin zu gehen, um fo felbft zu er- 
rfchen, was über ihn von den einzelnen Civitates gefagt würde und 
eißig nachzufehen, welche Gerechtigkeit die Judices ihrem Volke an« 
deihen ließen.“ 

Gehen wir endlich zu den Urkunden über, fo müffen wir einen 
ppelten Sprachgebraud) unterfcheiden. Der Singular Juder 
imlich fteht auch Hier immer nur von dem höheren Beamten, mag 
rfelbe mn als Dur, Komes, Gaftalde in den Territorien oder an 
m Hofe des Königs vefp. der Herzoge von DBenevent und Spo⸗ 
to malte. So urkundet Romuald II von Benevent®: „Nies 
als möge es von einem Juder unferes heil. Palatiums entzogen 
erden“, und allgemeiner Giſulf U.: „Gifulf dir, dem Ajo, unfes 
m uber“ 7; fo heißt es in dem Zeugenverhöre vor Guntheram, 

2 Ed. Roth. 25: Si quis res suas ab aliom in exercitum requisierit ot 


imerit illi reddere, tunc ambolit ad docem, et si dox aut judex qui in loco 
dinatus est a rege veritatem aut justitiam non servaverit, conponat solidos 


ti, 

* Sollte das vielleicht ſchon in einer Beſtimmung Rothari's ber Fall 
n, Ed. 343: Ille qui cavallum in damnum invenit ducat eum ad judicem 
d in loco ordinatus est aut certe ante ecclesia in convento ? 

5 Ed. Liutpr. 25: Conponat ei qui causam suam reclamavit ipse acul- 
his solidos numero sex et judici suo similiter solidos sex. 

* Ed. Liutpr. 26: Si homenis de sub uno judice, de duobus tamen 
uldahis causam habuerit. 

5 Paul. VI, 35: Aripertus in diebus quibus regnum tenuit noctu egre- 
ins et hac illacque pergens quid de eo a singulis civitatibus diceretur per 
metipsum cxplorabat ac diligenter qualem justitiam singuli judices populo 
o facerent investigabat. 

6 Cod.dipl. TII, 116: Nunquam a nostri sacri palatii judice subtrahatur. 

7 Cod. dipl. IV, 377: Gisolfus tibi Ajoni judici nostro. 


448 


dem Miſſus König Yiutprands!: „Gewählt gieng ich wit einem 
Briefe des Judex von Siena“, wo der Gaſtalde gemeint ift. Em 
ein;ige Ausnahme Fünnte der uber Andreas eines Farfeſer Di 
plome ? vom April 706 zu machen fcheinen, da wir wifjen, daß iı 
diefer Seit nicht ein Andreas, fondern Hilderich Gaftalde von Riei 
war. Doch bat einerſeits die Urkunde im der Geftalt, wie fie ver 
liegt. auch junit mandes Anſtößige und Tropa felbft gefteht zu, dei 
er dus Ylurt, worauf er tie kopiert, verloren habe; andererfeite abe 
iſt ce recht gut möglich, daß dieſer Andreas neben den Funktionen 
RW Notare uuch die eined Referendars des 098 von Spoles 
übte: wenigſtens wird fur; vorher ein fol gleiches Namens 
ermibnt 3. 

Der Plural „Yudiced“ fan num einmal, ganz wie im Gbifte, 
die Geſammtheit dieſer böberen Beamten ausdrüden; er bat aber 
außerdem im den Urkunden auch noch eine andere Bedeutung, er be 
zeichnet dieienigen, welche dag Urtheil im Gerichte finden, mögen fi 
nun jelbit wieder Veumte oder einfache Freie fein, die fpäteren 
Schoffen. So ſchon in der Entiheidung König Perthari’s über ben 
Streit wilden Parma und Piacenza*t: „Wir mit unferen Indice 
verbandelnd“ und „wir mit unjeren Judices haben befchloffen‘; 
wieder in einem Urtheile des Herzogs Yupo von Spoleto ’: „WS 
ich Yupo zu Gericht ſaß zugleich mit unferen Judices, nämlich ben 
Diakonen Suidemarius und Arechis, dem Stolefaz Perto, dem Skul⸗ 
daſius Alto u. ſ. w.“, und in einem anderen Farfeſer Diplome ©: 
„Wir die genannten Judices“, wo bdiefe aus dem Bifchof Teuto, 
den Gaſtalden Probatus und Preko, dem Stuldabi8 Adualdus, dem 
Altor Goderiſius und den Gemeinfreien Lulanıs, Mortinianus, 
Stepbanus und Yucianus beitehen. Aehnlich in einer Urkunde Liut 
prands von Wenevent?: „Sch Yeoprand zu Gericht fitend, als gegen 
uns ftand Ingilberto, der Eohn des Sofigenes, der Marſchall Io 
bannes und unfere übrigen Judices“; im einer Entſcheidung Gifulfs 
von Spoleto®: „Giſulf figend zugleich mit dem königlichen Miffus 
Sumpert und unferen übrigen Judices, das heißt dem ehrwürdigen 
Biſchof Zeuto, dem Gaſtalden Alfred . . ., den Skuldahis Marti⸗ 


I Cod. dipl. III, 189: Electus ambulavi cum epistola judici de Bena. 

8 Cod. dipl. V, 536: Actum in Reate per Andream judicem. 

3 Cod. dipl. IV, 262, 368. 

* Cod. dipl. II, 535: Nos tractantes cum judicibus nostris; 536: Nos 
cum nostris judicibus decrevimus, 

5 Cod.dipl. IV, 371: Dum ego residerem Lupo una cum judicibus no- 
stris, idest Gaidemario Arechis diaconis, Perto stolesazo, Allone sculdasio eto. 

° Cod. dipl. IV, 479: Tunc nos iam dicti judices. 

” Cod. dipl. IV, 620: Residentes Leoprand adstantibus erga nos Ingil- 
bertone filio Sosigeni et Joanne marepahis vel scveris (ceteris?) judieibus 
nostris. 

® Cod. dipl. V, 108: Gisolphus residentes una cum Glumperto misso 
domini regis atque reliquis nostris judicibus, hoc est V. V. Teutone epis- 
copo, Alefrido gastaldio . . ., Martiniano vel Hisimundo sculdore vel Chite- 
roso et plurimis adstantibus. 





449 


nianus und Hiſimundus, indem Chiteroſus und: ſehr viele herum⸗ 
ftanden“, und ſchließlich in einem Erlaſſe für Farfa!. „Am Gegen⸗ 
wart der obengenannten Judices“, wo als foldhe genanst find Gum» 
pert Bischof, Teudatus Skuldahis, Arnuald von Valva, Petrus der 
Sohn des Taurus, Leorandus Sohn des Grimoald, Audepert Sohn 
eines Aino und andere herumitehende. 

Dieler letzte Sprachgebraudy vermittelt den Uebergang zu ben- 
jenigen Zeiten, wo das Wort Yuder bald gar nicht mehr die höhe 
ren Beamten, fondern eben nur noch die Schöffen bezeichnete, neben- 
bei auch geläufiges Beiwort der Notare wurde. 

Darüber haben wir hier nicht weiter zu handeln; wir gehen 
vielmehr auf das Edikt Rothari's zurüd, um die Befugniffe kennen 
zu lernen, welche in demjelben dem Judex zugefchrieben werden. Da 
heißt es denn zunächſt?, daß vor den Dur oder dem ‚judex qui 
in loco ordinatus est a rege’ bie Klage gebracht werden foll; fie 
berufen und leiten die Gerichtsverfammlung der Freien, welche das 
Urtheil finden und fprechen?. Der Yuder ordnet auch den Zivei- 
fampf an und unterfucht ben Rämpfer, ob er nicht verderbenbringende 
Kräuter oder ähnliche ungebührliche Dinge bei fich trägt *. 

Weiter erfcheint er als polizeiliche Gewalt, weiche auch von 
Amtswegen einfchreitet. Ohne feine Erlaubnis darf feiner den Um⸗ 
kreis der Stadt verlafjen oder in ihre Mauern eintreten‘; werthvolle 
gefimdene Saden, wie Gold und Kleider, müſſen bei Strafe des 
neunfachen Erſatzes an ihn abgeliefert werben ©, Gr hat dafür zu 
forgen, daß der Ausſätzige aus der Nühe der menfchlichen Sefellfchoft 
in die Einfamkeit gejchafft werde”, fein Befehl genügt, um eine 


% Cod. dipl. V, 700: Unde in praesentia supraseriptorum judicum. 

2 Ed. Roth. 25: Si quis res suas ab. aliom in exercitum requisierit et 
noluerit illi reddere, tunc ambolit ad docem, et si dox aut judex qui in loco 
ordinatus est a rege veritatem aut justitiam non servaverit conponat regi 80- 
Hdos vigenti. 

5 ine folche ift in Abrebe geftellt von Bethmann⸗Hollweg, Lomb. Stäbte: 
— 6.68; nachgewiefen, wie mir ſcheint mit überwiegenden Gründen, von 
Hegel 1, 468 Fi. Eine weitere Ausführung der Sache bleibt wünſchenswerth. 

* Ed. Roth. 365: Nullus camphio presumat, quando ad pugnando con- 
tra alio vadit, herbas, quod ad maleficias pertinit, super se habere nec alias 
tales semelis res, nisi tantum arma sua que convenit: et si suspicio fuerit, 
quod eas occulte habeat, inquiratur ad judicem, et si inventus super eum 
faerit, evellantur et jactentur:; et post ipsam inquisitionem tendat manum ipse 
camphio in manum parentis aut conliberti, aut ante judicem satisfaciens dicat, 
quod nullum talem rem, quod ad maleficiam pertinit, super se habeat. 

5 Ed. Roth. 244: Si quis per murum de castro aut civitatem sine no- 
titia judeci sui exierit foras aut intraverit, si liber est, sit culpavelis solldos 
vigenti etc. 

6 Ed. Roth. 260: Si quis aurum aut vestis seu qualevit rem in viam 
invenerit et super geniculum levaverit et non manefestaverit aut ad judicem 
non adduxerit, sibi nonum reddat. 

7 Ed. Roth. 176: Si quis lebrosus effectus fuerit et eognitum ju- 
diei vel populo certa rei veritas, et expulsus foris a civitatem vel casam 
suam ete. 





zurücgegeben ?. 

Eo fehen wir, wie neben bem Herzoge auch dem Gaftalden — 
denn auch diefer ift ja unter dem Worte Judex begriffen — {des 
zu Rothari's Zeit richterlihe und polizeilihe Rechte zuftanden. 
Nur waren diefe offenbar nicht fo wmeingefchränft, wie die be 
Persoge ; vor Allem der Bann wird ftets allein auf dieſe bezogen. 

ie bier im Ginzelnen die Kompetenz beider Gewalten abgegrenzt 
war, fäßt ſich mit Sicherheit aus den Quellen nicht erfennen; u 
VBermuthungen können darüber aufgeftellt werden. Vielleicht daß dw 
Saftalden eben in den Sachen richteten, welche mit der Perfon ode 
mit dem Einkommen des Königs zufammenhiengen, die Duces in d- 
fen übrigen. Wollte man das nicht, fo bliebe noch eine doppelte 
Möglichkeit. Entweder nämlich müßte man annehmen, daß ber 
fang des königlichen Gutes fchon damals Veranlafjung geboten 
Stüde defjelben an Private zu vergaben, die dann aus ber unmib 
telbaren Verbindung mit dem Herzoge heraus und unter die Ber 
waltung ber königlichen Priv ten getreten wären. Oder be 
ihon oben erwähnte Abtretung der Herzoge an Authari traf mit 
nur das Privatgut der Erjteren, fondern das ganze von ihnen be 
berrfchte Gebiet, fo daß dafjelbe fortan in zwei Hälften zerfiel, von 
denen eine direlt unter dem Dur, die andere wenigftens in gewiſſer 
Beziehung zunächſt unter dem Gaftalden ftand. Das ift um fo 
wahrjcheinlicher, als einerfeits Paulus ®, die einzige Quelle für dieſe 
Verhältniffe, an der betreffenden Stelle von einer neuen Vertheilunz 
der Römer unter die Yangobardben fpricht, andererjeits Analogieen 
für ein ſolches Verfahren fid auch in der fpäteren Entwidlung fin 
den. Eo hat denn Hegel fogar die Entftehung des Gaſtaldats an 


ı Ed. Roth. 264: Si quis molinum alterius capelaverit: vel sclusa rm 
perit sine auctoritate judecis, conponat solidos duodicem Älli, oujus molinss 
esse invenitur. 


2 Ed. Roth. 264: Si liber aut servus voluerit foris provincia fugire, 
et judex aut quicunque in finis provinciae resedit eum presurit, teneat eum 
et res quas secum detolerit salvas faciat, et mox mandit ad judicem de lo- 
cum unde fugire cepit, quatinus eum recipiat et dit pro unum fogacem solk 
dos duo, ita ut cum rebus, quas secum detolerit, reddatur. Et si contegerit 
eum de legamen fugire, preveat sacramentum ille qui eum tenuit, quod nos 
asto eum laxassit, sed cum tota virtutem custodire voloissit: post datum sr 
cramentum res quas ci tolit reddat, presura autem non querat. 


® Maul. III, 16: Populi tamen aggravati per Langobardos hospites 
partiuntur. 





451 


jene Reftauration des Königthums angelnüpft !: eine Behaup 

die jedenfalls nur den Werth einer Konjektur hat. Doch range 
in ber That faſt, als habe der Gajtalde, während der Herzog ftets 
feinen Sig in der Stadt bebielt, welche bem Territorium den Na: 
men gab, meiſt in einer weniger bedeutenden oder in einem Flecken 
gewohnt, woher fi denn auch feine Bezeichnung als judex qui in 
oco ordinatus est a rege’ erflären würde. Denn daß irgendivo 
Ban und Gaftalde in einer Stadt neben einander geſeſſen hätten, 
ift nicht zu erweilen. Das Beifpiel Mailands, welches Leo für 
diefe Anficht geltend gemacht ?, füllt weit in die fränfifche Zeit hin- 
ein ®; wie e8 mit Bergamo ftand, dem Lupi beide Beamten zugleich 
zufpricht, wird noch fpäter erörtert werden. — 

Am Wenigften hatten offenbar die Gaftalden diefer Zeit mit 
den militairifchen Verhältniffen zu thun*, wenngleich fie perfünlich 
mit in den Krieg ziehen mochten, vielleicht fogar an der Spike ber 
Krongutsmannen. 

Dagegen ift e8 noch von befonderer Wichtigkeit, daß der Ga⸗ 
ftalde eine Art Kontrole über den Herzog übt, wie diefer über ihn 
felbft?. Wenn der Herzog, heißt es, feinen Erercitalen ungerechter 
Weife bedrückt, fo joll ihm der Gaftalde helfen, bis er demfelben 
vor dem Könige oder ficher doch bei feinem Herzoge Recht verfchafft 
bat. Umgekehrt, wenn der Gaſtalde feinen Erercitalen gegen das 
Recht plagt, fo foll der Herzog dem Bedrückten helfen, bis er zu 
feinem Rechte gelangt. Man fieht, daß bier ein Unterfchied in 
der Art der Intervention hervorgehoben wird, ohne daß doch bie 
Natur bdefjelben ganz deutlich wäre. Vielleicht, dag der Herzog .ben 
Gaſtalden wirklich vor fein Gericht ziehen durfte, während der Ga⸗ 
ftalde gegen den Herzog nur durch gütliche Vorftellungen oder durch 
den König zu wirken vermochte. — 

Wie fehr fo auch der Gaftaldat dem Dukat untergeordnet ers 
feinen möge, unbedeutend war das Amt in der That fchon jekt 
nicht, und gewiß waren e8 nicht Aldien oder Sklaven, die dazu ge⸗ 


2 al, Stäbteverfafiung I, 461. 

82 Lomb. Stäbte S. 27 und 37, 

5 Giulini, Memorie di Milano I, 238 ſpricht ausbrüdlich vom Jahre 842, 

* Sie werben gar nicht erwähnt Ed. Roth. 6: Si quis foris in exerei- 
tum seditionem levaverit contra ducem suum aut contra eum qui ordinatus 
fuerit a rege ad exercitum gobernandi etc. 

s Gut hat barüber gehandelt Hegel I, 451; nur das in Note 3 Ges 
fagte kann ich nicht billigen. 

6 Ed. Roth. 23, 24, fhon ©. 443, N. 3 angeführt. 

7 So Troya, Cod. dipl. Il, 436. Der Beweis für biefe Annahme fol 
in Ed. Roth, 377 liegen: 8i quis sculdahis aut actorem regis occiserit uti- 
litatem regis facientem, adpretietur pro libero hominem, sicut in hoc Edictum 
legitur, et parentibus legetimis conponatur. Dan braudt aber nur eine 
©telle, wie Ed. Roth. 75 zur Vergleihung heranzuziehen: Si infans in utero 
matris nolendo ab aliquem occisus fuerit, si ipsa mulier libera est et evase- 
rit, adpretietur ut libera, um fich zu überzeugen, baß durch jenen Ausbrud 
bie Aftored gerade als Freie bezeichnet werden follen, was auch dadurch be- 


452 


wählt wurden, fonbern ü mb weblbegikterte 

ehe blieben aber hoc burcbens Dem Könige abhängig, ns 

bängig, daß fie 3. B. ohne ausdrüdfiche Erlaubnis beffelben währs 

ihrer Amtszeit nichts erwerben durften ?. 
ui beiden, en aus mußten fie im Wligemeines 

vorzüglich geeignet erjcheinen, um ein Gegengewicht abzugeben geger 

bie drohende Mash ber Herzoge. 


Im Nligemeinen fage ich; denn anders noch, als bisher ker 
gelent ift, ftand die Sache mit den Herzogen von Penrsent mb 
Spoleto, zunächft wohl auch noch denen von Friaul. Taf ——— 
die beiden erſten ſchon früh eine von den übrigen Duces gem; 
dene Stellung errangen, hat bereits Muratori erfannt ® md fie der 
halb als duces majores bezeichnet. Savigny* vergleiche jur bes 
balrifhen und alamannifhen Herzogen in ihrem Verkälris 
fränfifhen Weiche. Das fcheint mir darum nicht ganz | 
weil die Beneventaner und Spoletaner nicht ftanınıerfchieben Bez 
den iibrigen Yangobarben waren, wie von den Franken die Dal 
und Alamannen, während doc) gerade biefer Umitand bei den 
ren für die Gntwidlung der herzoglichen Macht von der lern 
Vedentung war. Auch Hegel läßt jene —— — wohl geften, 
erinnert aber zugleich daran, daß die genannten beiden Serzage er 
gentlich ganz neh waren, was die anderen auch, beſonders weil 
gegen Wuratori?, der die Sache jo faßt, als fei ihnen — 
vorn herein und abſichtlich von den Konigen eine größere Machtfulle 
beigelegt worden. Das Hat gewiß feine Richtigkeit ; Wo er 
fennbar aber treten fie ſogleich bedeutender auf, al& die 
dem fie nach Außen ihr urſprüngliches Amtögebiet bebeutend * 


ſtätigt wird, daß die Buße an bie Verwandten fällt und nicht, wie bei ben 
Ellaven und Aldien, an ben Herren. Wie viel mehr müflen war ek die 
Geſieiden Zreie geweſen fein! 

» Tab geht namentlih aud ber Größe ber Etrafen hervor, bie fie in 
beftimmten „Allen zu zablen hatten. So ein Mal einen Sklaven, eim ambereö 
Mai 40 Solibi; vgl. Ed. Roth. 210, 271. 

® cd. Koth. 375; beſonders iR wohl an Grunbbefig zu beufen. 
fie ie In je höheres (81 der ueber PR wir nicht, vo Re 8 
wahrſcheinli iel vielleicht der Ueberſchu er das der balichen Ireien 
an die lenigliche Kurtis, wie bei dem Skuldahis ? * 

Antiqg. I, 150. 

° AR, im DA. 1, 283. Eigenthümlich, aber chne Grund in den Quel⸗ 
fen, baber auch wohl biöber noch ganz unberüdiichtigt Bereita, Diss. chorogr. 
XXXVili: Langobardorum jurisdictio duplicis erat naturse, seiliest regalis 
seu regni et ducalis seu provinciae. Haec erat illorem ducem, qui admis* 
strandam provineiam, plures urbes vel oppida insignia complectentem sortie- 
bantur, ut duces Forojuliensis, Taurinensis etc. cis Tiberim, trans vero Sp 
letanus et Beneventanus, quorum ditio amplissima e quibes alüi minores de- 
eæn unius urbis parebant. Begalis erat regis, quae proprie regnum 
et «ui immediste suberant urbes et duces urbani a jurisdietiewe dacum provis- 
ejalium Immunes. 

s tal. Stäbtereri. I, 455 N. 1. 
































ie 





453 


F und dabei zugleich im Inneren ihren Stand ſtärken und 
äftigen. | 

Die Anfänge dazu fallen wahrfcheinlich ſchon in die Zeit der 
Alleinherrichaft der Herzoge; doch fehlen uns bier genauere Nach» 
richten. Sicher finden wir erjt im Jahre 592 den Herzog Arichis 
von Benevent ! im Bunde mit Ariulf von Spoleto eifrig befchäftigt, 
fein Territorium auf Koften ber Römer zu vergrößern. Während 
jener ſich Rom nähert, fucht er Neapel zu nehmen?. Die Gefahr, 
in welcher diefe Stadt damals fchwebte, muß fehr dringend geweſen 
fein; wenigftens fendete ihr Gregor der Große einen befonderen Ver⸗ 
theidiger in der Perfon des Tribunen Konftantius und ermahnte 
den Exarchen zu fchleuniger Hilfeleiftung *._ So wurde den Griechen 
allerdings dieſer wichtigſte Pla Unteritaliens erhalten; dagegen 
konnte man nicht verhindern, daß Arichis 595 Venafrum nahm *, 
dag 596 felbft Kapua in feine Hände fiel‘. Noch in demfelben 
Jahre wurde Kalabrien verwüftet und Kroton erobert; doch fcheint 
dies wie Miria und Lokri bald wieder verlaflen zu fein 6. 

Wie unabhängig vom Könige Arichis bei allen diefen Unterneh. 
mungen verfuhr, erfieht man daraus, daß er die Feindfeligleiten noch 
fortſetzte, als fhon lange ein Waffenftillftand zwifchen Agilulf und 
Gregor abgefchloffen war (Ende des Jahres 598)7. Erſt einer be= 
fonderen Gefandtjchaft gelang es, ihn zum Frieden zu bewegen ®. 
Eine ähnliche Selbjtändigfeit zeigt fein fpätere® Verfahren. ALS 
nämlih nad) feinem Webertritt zur fatholifchen Kirche die Kämpfe 
zwifchen Langobarden und Griechen aufs Neue ausgebrochen waren, 


2 Die vielfach ventilierte Frage nad dem Entſtehungsjahre biefed Her: 
zogthums wird, wie ich glaube, mit Sicherheit nicht entjchieden werden können. 
Doch ift ſoviel Har: wenn ber erfte Herzog Zotto, wie Baul. IH, 32 angibt, 
wirflih zwanzig Jahre geberrfcht bat, fo ift die IT, 31 angeführte Sage von 
der Gründung dur Authari durchaus unbiftorifh. Uebrigens ift es wahr: 
ſcheinlich, daß die oben erwähnte Belagerung Neapel im Jahre 581 von 
einem Beneventaner Herzoge außgieng; vgl. Troya Cod. dipl. I, 31 n. 3%, 
Dagegen greifen die Annalen von La Cava, Monum. 8S. III, 186 wohl etwas 
zu früh, wenn fie Zotto 570 ſetzen. 

8 Cod. dipl. I, 269. Die hier Note 2 ausgefprochenen Zweifel über bie 
Identität biefes Arichis mit dem gleichnantigen Herzog von Benevent find ganz 
unbegrünbet. 

Cod. dipl. I, 270, 373. 

* Das ergibt fi aus einem Briefe Gregor? an ben Bifhof Fortunat 
von Neapel, Cod. dipl. I, 375: Fraternitatem tuam a nobis petisse recolimus, 
ut Gratianum ecclesiae Venafranae diaconum tuae cederemus ecclesiae ordi- 
nandum. Et quoniam nec episcopum, cui obsecundare, nec propriam habet 
ecelesiam, hoste scilicet prohibente etc. 

° Darauf bezieht ſich ein Brief Gregor an den Subdiakon Anthemius 
von Neapel, Cod. dipl. I, 882: Quantus dolor quantaque sit nostro cordi 
afflictio de his, quae in partibus Campaniae contigerunt, dicere non possumus; 
sed ex calamitatis magnitudine ipse potes colligere ; vgl. dazu bie Note Troya's. 

° Siehe die Briefe Gregors Cod. dipl. I, 390, 894, 896. 

7? Cod. dipl. I, 453 n. 1; 1, 435 n. 1. 

8 Cod. dipl. I, 445 ff. 


U. 30 


% 


454 


ftritt er gar nicht mit, fondern unterhielt ein dauernd fremblde 
Verhältnis mit dem Pabfte !. 

In Spoleto war auf ben erften Herzog Faroald Ariuff g 
folgt. Wie Arichis führte er den Krieg gegen die Römer auf eig 
Fauſt und mit glüdlihem Erfolge. So fchreibt Gregor ſchon m 
‘tahre 591 an die Magiſtri Militum Maurilius und VBitaliamme!: 
„Aldio hat uns benachrichtigt, daß Ariulf ganz nahe fei; und we 
haben gefürchtet, die Soldaten, welche zu eud) gefenbet werben, möd 
ten in feine Hände fallen.“ Wahrfcheinlich gegen Ende des Jahrel 
hatten die Einwohner von Soana mit ihm über ihre Un 
verhandelt und Geiſeln geſtellt. Im Januar 592 lagerte er ki 
Yard ®, wenige Wochen fpäter ftand er vor Rom. Die hier ki 
der Velagerung geübten Graufamtleiten, verbunden mit der fchmeni 
hen Kinficht in die Unmöglichkeit, ihnen zu fteuern,, wirkten fo ei 
das Seth Des Pabjtes, daß er in eine Kolif verfiel *. Im Im 
des Jahres hatte Ariulf noch andere Truppen, die bes Authari um 
Nordulf, an fid) gezogen und erklärte nun, ſich auf keinen Frieder 
einlaffen zu wollen, wenn ihm nicht die Prefarien der Letzteren gege⸗ 
ben würden. Trotz diefer Forderung rieth Gregor zur Nachgiebiglet, ' 
In er knüpfte felbft Unterhandlungen mit dem Spoletaner an, vi: ' 
leicht in der Abſicht, ihn ganz auf die Seite der Griechen hinliber 
anziehen. Das wurde ihm aber am kaiſerlichen Hofe fehr verübelt, 
fo daß er fid) genöthigt fah, einen befonderen VBertheidigungsbrief 
Diefer Angelegenheit nach SKonitantinopel zu fenden®. Durch das 
Fehlſchlagen feiner Erwartungen erbittert betheiligte ſich Ariuff an 
den fpäteren Kämpfen gegen die Griechen mit befonderem Eifer. Er 
war 68, der im Verein mit Arichis von Benevent dem Frieden von 
DHD die größten Dinderniffe in den Weg legte; und als er ihn md 
lid) beſchwor, that er das abweichend von König Agilulf umter fol- 
chen Pedlugungen, daß Gregor jeden Augenblid einen Bruch be 
fuͤrchtete?. 

Yu Friauls endlich unterwarfen Taſo und Kako das nordöſt 


! Cod. dipl. I, 529 n. 1; 533 n. 1. 

® Cod. dipl. 1, 2583 ji. 

® Cod, dipl. I, 255. Daß biefe Stadt auch fpäter noch zum Herzog: 
tbume nehörte, ernibt fi aus dem Zuſammenhange, in dem ihr Name Gests 
puut. Rom. 93 erfcheint: Zacharias pontifex perrexit in locum Interamnen- 
sium urbia, ubi in finibus Spoletinis ipse residebat rex Liutprandus. Qui 
dum in Ortanam civitatem convenisset, ipseque rex ejus cognovisset adrven- 
tum, misit Grimoaldum missum suum, qui ei obvius factus usque ad Narnien- 
son perduxit civitatem. 

* Cod. dipl, 1, 267. 

s Wenigſtens fchreibt er fpäter an ben Kaifer, Cod. dipl. I, 358: In 
oa nutem re, quam do Ariulfo perhibui, quia toto corde venire ad rempubli- 
cam parutus fuit. 

© Cold. dipl. I, 367 if. 

7 Eiche feinen Brief an den Kurator Theoboroß von Ravenna, Cod. 
dipl. I, 444 ff. 

® Murstori, Antigq. I, 167 und Savigny RM. I, EIN. g. wollen 


455 


Ude Gebiet der Slaven bis in die Nähe des heutigen Cilli in 
Steiermarl. Den Bewohnern diefeer Gegenden wurde ein Tribut 
auferlegt, welchen fie bis auf die Zeiten des Rachis hinab an bie 
Herzoge von Friaul gezahlt haben !. 

Alle diefe Gebiete Tagen entfernt vom Mittelpunkte des Reiches 
an der Grenze der langobardifchen Herrfchaft, und daraus wohl we⸗ 
fentlih erklärt fich die mächtige Entfaltung der herzoglichen Macht 
gerade in ihnen. ‘Durch die hier häufigen Kriege mit Römern, 
Slaven und Avaren, die meift ohne Zuthun des Königs nur von 
den Herzogen geführt wurden, mußte fich einerfeits bei dieſen ein 
bedeutendes Selbitbewußtfein bilden und erhalten, namentlich wenn 
glücklicher Erfolg ihre Unternehmungen krönte. Auf der anderen 
Seite war es nothwendig, daß das Volf auch der alten Amtsgebiete 
bier mehr als anderswo fich gewöhnte, recht eigentlich die Herzoge 
als die rettenden und ſchützenden Führer und Häupter zu betrachten. 
Und wie ganz anders noch mochte das Verhältnis der Letteren zu 
ben neu eriworbenen Gebieten ſich gejtalten, die allein durch fie mit 
dem Reiche, mit dem Königthume in Verbindung gebracht waren ? 

Kann es uns ba wundern, daß gerade in diefen Territorien 
fhon früh jene Erblichkeit eintrat, die wir oben berührten; daß auch 
das Bolt, oder doch der angefehenere und mächtigere Theil deffelben 
eine folche begünftigte? So folgte auf Arichis von Benevent zu⸗ 
nächſt fein leiblicher Sohn Ajo, fpäter nad) einander die beiden von 
ihm angenommenen, Radoald und Grimoald, die er, wie erzählt wird, 
auf dem Sterbebette feiner Umgebung ausdrüdlich empfohlen hatte 3; 
in Spoleto erfämpfte ſich nach Ariulfs Tode einer der beiden Söhne 
des eriten Duktors Faroald die herzoglicde Würde. Ya, fo fehr 
wurde diefe al8 privates Eigenthum des betreffenden Haufes angeje- 
ben, dag man ſich nicht fcheute, zu einer Theilung derfelben zu fchrei- 
ten, wenn auch zu feiner reellen, fo doc zu einer ideellen. Das 
erite DBeifpiel einer folchen bietet uns Friaul dar, wo nad) dem 
Tode Gifulfs die beiden älteren Söhne deſſelben, Tafo und Kafo, 
die Regierung gemeinfchaftli in die Hand nahmen und fie jo bis 
an ihren Tod fortführten °. 

Wir bürfen nicht zweifeln, daß in dieſen Gebieten aud das 


bie größere Herzogsgewalt in Friaul erft feit der fränfifchen Periode batieren. 
Ich benfe, da im zarte Angeführte wird diefe Anficht geniigenb widerlegen. 
Paul. IV, 40. 

3 DBielleiht war für die Entwidlung von Spoleto auch ber Umftand 
von Bedeutung, daß der Dufat bier zu eben ber Zeit entftanden war, wo es 
fein Königtbum gab. — Intereſſant ift übrigens die Vergleihung biefer lan: 
gobarbifhen Grenzgebiete mit den fpäteren deutfchen Marken. Wie jene fich 
befonderö geeignet zeigten zur Erhaltung und Förderung der herzoglichen Macht, 
ſo dieſe zu einer vorzugsweife leichten und fchnellen Entwidlung einer flarten 
Fürſtengewalt. 

5 MBaul. IV, 45, 46. 

+ Baul. IV, 17. 

s Baul. IV, 40. 


30* 


456 


Verhältnis der Herzoge zu ben Baftalben ein anderes war, wie i 
ben übrigen Territorien, demjenigen ähnlich, wie e8 nachher bort 
ftand. Dod finden ſich pofitive Angaben darüber aus dieſer Periode 
gar nicht; es wird alfo paffend fein, wenn wir die Darftellung die 
fee Bunftes wie die ber vielleicht fehon in Agilulfs Regierung fal- 
enden Anfänge einer Bortbildung des Gaftaldars im eigentlichen 
Reihe von Pavia bis auf fpätere Zeit verfchieben. Hier nur ned 
ein kurzer Weberblic über den Gang der bisherigen Entwicklung. 

Auf italifchem Boden Anfangs mehr Vertreter des Königs und 
feiner Gewalt, zugleich aber auch feit mit den Wolle verbunden, 
eine Fortfegung der alten, gewählten Vorfteher defielben, find die 
Herzoge durch die Gunft der Ereigniffe eine Zeit lang zu unabhän- 
gen Herren ber Zerritorien geworden, welche ihnen als 
verliehen waren. Das fteigert ihr Selbftgefühl wie ihre Macht und 
Kun ihnen zunüchſt felbjt dem neuen, aus Noth erhobenen Her 

gegenitber eine bedeutende Selbſtändigkeit. Bald aber erhebt 
ſich das Königthum aus feiner Schwäche, feine Unentbehrfichkeit we 
nigſtens wird mehr als einmal thatfächlic) anerlannt, im bem neuen 
Edikte tritt es wefentlich in den Vordergrund. Und zudem find in 
den einzelnen Gebieten den Herzogen andere Gewalten an die Seite 
gefeßt, welche dem König gänzlich ergeben, bei geſchickter Benutzung 
mindeftens die Möglichkeit bieten, den Einfluß der Eriteren zu pare 
Iofieren. Nur Benevent, Spoleto und Friaul wiflen die gewonnene 
Stellung im vollen Umfange zu behaupten und durch bedeutende Er⸗ 
weiterung ihrer Grenzen nach Außen wie durd größere 
im Inneren die Bedingungen einer dauernden Sonderftellung zu ent 
falten. Um Ende diefes Zeitraumes find freilich auch fie zur Aner- 
fennung gezwungen. 

Und doch: werden wir behaupten dürfen, daß die Zuftünde einen 
völlig befriedigenden Charakter an fi tragen? Ich glaube Taum. 
Noch immer tft e8 mehr die Perſönlichkeit des jeweiligen here, 
welche über die Bedeutung feiner Stellung entfcheibet, als fein Recht, 
wie fehr das Lettere auch theoretifch ausgebildet eeiheihen möge 
Dagegen find die einzelnen Herzoge wohl zeitweife gebeugt, die —* 
lagen des Herzogthums noch nicht genügend erſchüttert. Das 
mochte zurücktreten, ſo lange ein Mann wie Rothari die Zügel der 
Herrſchaft hielt; deſto deutlicher kamen die verdeckten Schäden in 
der Folgezeit zu Tage. 


Fo 





458 


Vebergewicht in voller Klarheit erjcheinen ließ und in ihm felix 
Hoffnung auf die Krone erwedte. In folden Gedanken von ke 
töniglichen Abgeſandten beftärkt, fette er feinen Sohm Noumald zu 
itellvertretenden Herzog in Benevent ein; dann brach er unter ve 
Vorwande, als ziehe er dem Gobepert zu Hilfe, mit einer ausele 
jenen Schaar nad) Oberitalien auf. Aus allen Gebieten 
der Weg ihn führte, ftrömten ihm Verſtärkungen zu ; 

an der Spike eines bedeutenden Heeres in Pavia, mo 
niglichen Palafte Quartier gemacht wurde. Nicht Lange darauf, 
ehe die Operationen begannen, wußte dann Garibaldi eine 
heit herbeizuführen, bei ber Grimoafd den König eri . 
diefer Kunde erfchredt verlieh Perthari mit Zurüdlaffing feiner 
mahlin Rodelinde und feines Kleinen Sohnes Kunipert Das Laub, 
bei dem SKalan der Avaren eine Zuflucht zu ſuchen. So 
Grimoald mit einem Schlage Herr bes ganzen Reiches geworden; 
bezeichnend ift e8 nun, wie er feiner Ujurparion wenigftens ba 
Stempel einiger Yegitimität aufzubrüden ſuchte. Cr beirathete® F 
diefem Ende die ihm verfprochene Tochter König Ariperts, von ber 
er einen Bruder getödtet, den anderen verjagt hatte. 

Durch Hinterlift und Gewalt hat Grimoald ben Thron erlangt, 
darüber kann fein Zweifel fein; ebenjo wenig aber werben wir ver 
tennen dürfen, daß dies Greignis trogdem eher ein Glüd für bei 
langobardifche Reich war, denn ein Unglüd. Niedergeſchlagen it 
nit einem Male der innere Krieg, und jtatt zmeier Knaben left 
eine fräftige Dianneshand das Steuer des Staates. Der Angriff 
der Franken, wie der noch einmal umer Konjtans ſich mächtig erhe⸗ 
benden griechiſchen Macht wird zurüdgewieien®, felbit nenes (Gebiet, 
‚sorlimpopoli und Ipitergium, dem Reiche gewonnen. 

Peionders merkwürdig für uns iſt die Art ımb Weile, wie 
(Srimoald gegen den Herzog Yupus von Friaul auftrat, als dieſer, 
um der Strafe für eine unredlihe Verwaltung des königlichen Pala⸗ 
jtes zu entgehen, gegen ihn jich auflehnte. Der König, heißt eke, 
wollte feinen inneren Krieg erregen, cr jandte deshalb an den Kalan 
ver Avaren die Aufforderung, Friaul mit Waffengewalt zu überzie 


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Xu? 


2 Raul. IV, 53. Ser ganze Bericht icheint eigemlich ben Grimoalb et: 
was meirbrennen zu jellen, wäbrend dem Garibaldi vie ganze Schuld in bie 
Schube geſcheben wire. Tech iſt e& bei dem Mangel aler jonitigen Zeugnifie 
nigı mialid, im Einzelnen bier Wabres und Falſchet zu ſcheiden. 

2 Qaul V, 2: Confirmatas in regno Grimonldus apad Ticinum noa 
ınul:o post tempore jam dudum pactam sibi Ariperti regis Gliam, cajus ger- 
manum Godepertam exstinzerat, duxit Bxorem. . 

’ Raul. V, 7, 27, 28. 


459 


ben. Jener fiel in die Provinz ein, fchlug die fich ihm entgegen- 
ftellenden Langobarden in einer viertägigen Schlacht, in der aud) 
Zupus fiel, und zwang den Reſt zum Rückzug in die feften Pläße !. 
Jetzt aber jollte Grimoald. erfennen, was e8 heißt, den Teufel durch 
Beelzebub austreiben zu wollen: bie Avaren ſchickten Boten an ihn 
mit der trogigen Meldung, fie würden Friaul, das fie mit ihrem 
Blute erworben, nicht wieder räumen. “Der König fah ſich gezwun⸗ 
gen, das Heer gegen fie aufzubieten; doc vermied er eine Schladjt 
und es gelang ihm endlich auch, die üblen Güfte durch Lift zum Ab- 
zug zu bewegen. 

Sehen wir fo einerjeits, wie Grimoald durchaus nicht gewillt 
tt, einen Aufitand zu dulden, wie er dagegen felbft zu den verzwei⸗ 
feltiten Deitteln greift, fo zeigt fi) auf der anderen Seite bei ihm 
ein deutlih ausgeprägtes Streben, möglichit feine Anhänger und 
Freunde in den Befit der bedeutendften Herzogtgiimer zu bringen. 
Damit verbindet ſich wohl eine Praxis, die auch fonft bei kräftigen 

hern erkennbar ift, und die weſentlich darin beftand, daß man 
den Givitates folche Herzoge zu geben fi) bemühte, die nicht aus 
benfelben gebürtig, nicht mit ihrem Grund und Boden verwachſen 
waren’. So verlieh Grimoald, während fein Sohn Romuald Be- 
nevent verwaltete, das wichtige Spoleto nad) dem Tode Atto’8 an 
Zrafamund, den früheren Komes von Kapna, der nächſt Garibaldi 
von Zurin ihm am Meiſten zur Erlangung der herzoglichen Würde 
behilflich gewefen war. Um ihn nod) fejter mit den Intereſſen fei- 
nes Haufes zu verfnüpfen, gab er ihm zugleich feine Tochter zur 
Frau. Und als in Friaul ein Verſuch, den Warnefrid, der Sohn 
des Lupus, machte, mit jlavifcher Hilfe den Dukat ſich zu erfämpfen, 
an der nationalen Gefinnung der Bewohner felbft gefcheitert war ®, 
wurde hier Weltari aus Vicenza eingejett *. 

Alte angewendete Vorficht aber war nicht im Stande, der Dy⸗ 
noftie die Krone zu erhalten. Freilich bei den Lebzeiten des gewal- 
tigen Mannes wagte, foweit wir fehen künnen, niemand mehr, fid 
ihm zu widerfegen; faum aber hatte er die Augen geſchloſſen, fo 
brad) der gefunde, treue Sinn des Volkes mächtig durch. Am 
ZTriumphzuge wurde Perthari von ber Grenze des Reiches nach Pa⸗ 
via geleitet und mit lautem Jubel zum Herrfcher erhoben: fpurlos 


2 Maul. V, 20: Ibi itaque Lupo duce perempto reliqui, qui remanse- 
rant, sese per castella communiunt. 

2 Am die Wichtigkeit dieſes Verhältniſſes zwifchen den Beantten und 
ihren Bezirfen zu erläutern, möge ber Hinweid auf eine Analogie im Fran 
Tenreiche genügen. Chlotach. edict. cap. 12, Monum. Legg. I, p. 15 bebin: 
gen die Großen fich befonderd aus: ut nullus judex de aliis provinciis aut 
regionibus in alia loca ordinetur. Weber bie Motive bazu vgl. Waig, Deutſche 
Verfgeſch. II, 335. 

5 Der Abenteurer wurbe bei Nemae in ber Nähe von Civibale gefchla- 
gen, Paul. V, 22. 

* Paul. V, 23: Deinde ordinatus est apud Forumjulii dux Wectari, 
qui fuit oriundus de Vincentina civitate. 


460 


berfhwindet ber Treimonatsfönig Garibaldi, ber Sohn Grimoafht 
und der Theuderata, der Tochter König Ariperts . Die Zeit, u 
der Perthari fortan allein berrichte, ift wieder dunfel; erit die In 
genden Jahre, wo er in Gemeinſchaft mit feinem Sohne Kunipet 
regierte, find durch einen neuen, gewaltigen Kampf bezeichnet. 
Alachis, der e Herzog bon Trident, übermüthig gemacht burd & 
nen glänzenden Sieg, den er über baierfche Grafen an ber er 
bavongetragen, hatte fi) gegen die Könige erhoben. Perthari rüdt 
heran, um ihn in feiner Givitas zu belagern, vermochte aber nick, 
diefelbe zu nehmen. Im Gegentbeil überrunpelte ber Herzoͤg 
einen plöglichen Ausfall das Yager des Königs und zwang biejen 
felbft zur Flucht. Später wurde durch Kumiperts ein 
Vergleich zwiſchen den Streitenden hergeitellt, nicht lange baranf av 
hielt Alachis fogar das wichtige NP rer Breſcia zu feinem fri 
beren Hinzu. Man meinte wohl, ihn durch Wohlthaten feiida 
zu können: die Zukunft lehrte, wie arg man fidh ba 
hatte. Nach dem Tode Perthari’s nämlich benutzte Alachis eine zw 
fällige Abwejenheit Kuniperts, um den Palaft von Pavia zu befehen 
und fi zum Könige ausrufen zu laſſen?. Sumipert murfte auf eis 
Infel im Komerfee fliehen , Pavin wieder zu erobern vermochte er 


FIRE 


Reichstheile zu 

Seht, erit der Tod, eher er in ber ——— 
ſicherte dem rechtmäßigen Könige die Herrſchaft wieder 

Weniger gefährlich, aber doch bezeichnend für bie Lage der Dinge 
ift ein anderer Kampf, den Runipert jpäter zu beitehen hatte. 
Friaul Hatte ein gewiſſer Ansfrit den Herzog Rodoalb vertrieben; 
damit nicht zufrieden zog er gegen Pavia felbjt heran. Doch wurde 
er fchon in Verona ergriffen, feiner Augen beraubt und in die Ber: 
bannung gejagt*; Friaul erhielt Aldo, der Bruder Rodoalds, unter 
dem Zitel eines „Loci Servator* zur Nermaltung °. 

Bei feinem Tode hinterließ Kunipert das Rei einem ummän 
digen Sohne Yiutpert, für den er den Ansprand zum Bormunde be 


P 


2 Paul. V, 33, 

2 Raul. V, 38. 

°” Maul. V, 41. Weber ben Ort berfelten bat zulegt Lupi L 359 er: 
ſchörfend unb mit ſehr vollſtãndiger Berũcſichtigung ber früberen Literatut 
gehandelt. Gr findet ibn bei Kornate an. ber Abda zwiſchen Pente Aureeli 
und Brivium, in ber Nähe von Komo. An demſelben verkei führte bie Haupt: 
firaße von Auftrien nah Neuftrien. 

* Bauf. VI, 3. 

6 Paul. VI, 3: Forojulianorum autem ducatum post hace Aldo frater 
Kudunldi loci servatoris nomine gubernavit; Vi, 24: Mortuo apead Forum- 
juiii Aldone, quem dixeramus loci servatorem fuisse. Es ift Lied baB cm: 
ut Keilpiel eines folden aus ber rein langobardiſchen Zeit; inäter ericheinen 
(u an unser, vgl. Murstori, Antigg. I, 532 ff.; Wais, Taurice Xerigeid. 

, 23 


461 


ftelit Hatte. Diefe Minderjührigfeit des Königs eröffnete eine Reihe 
der traurigften inneren Zwilte, die ihren legten Grund wefentlich 
darin hatten, daß jedes Glied des Füniglichen Gefchlechtes ein Anrecht 
auf die Krone zu haben glaubte. Als jener Godepert von Grimoald 
erjchlagen war, hatte man feinen Sohn Raginpert vor einem ähnli- 
chen Scidfale zu retten gewußt!. Unter feinen Verwandten war 
er bis zum Herzog von Turin emporgeftiegen; jet erhob er fich, 
um fein Anrecht auf die Krone geltend zu machen. Auf dem Felde 
von Novara, dem Orte, wo fpäter fo oft über die Geſchicke Italiens 
entfchieden worden ift, befiegte er Ansprand und den mit biefem ver: 
bundenen Herzog Rothari von Bergamo, und erlangte fo das ent- 
fheidende Uebergewicht. Nach feinem nicht lange darauf erfolgten 
Zode nahm Aripert die Beitrebungen des Vaters auf: bei Pavia 
lieferte er dem Liutpert und deffen Anhängern - eine neue Schladht ?, 
durch die er den jungen König jelbft in feine Hand befam, während 
Ansprand gezwungen wurde, nach der Inſel im Komerfee, Rothari 
nad) Bergamo zurücdzugehen. ‘Der Letztere an der Sache Liutperts 
verzweifelnd und doch dem Steger hartnädig grollend ergreift das 
einzige Meittel, welches feinem Widerftande einigen Erfolg zu ver- 
fprechen fcheint: er wirft fich felbft zum Herrſcher auf ®. Aripert 
aber zieht gegen ihn heran, erobert mit leichter Mühe Bergamo *, 
läßt dem Pfeudefönig, wie Paulus ſich ausdrüdt, Haupt- und Bart⸗ 
haar fcheeren und ftedt ihn nach Turin, wo man ihn nach wenigen 
Tagen ermordet findet. Um diejelbe Zeit wird auch Liutpert im 
Bade umgebracht, und Ansprand muß feinen legten Zufluchtsort in 
Stalien verlaffen, um über die Alpen zu fliehen 5. Aripert herrfcht 
unbeftritten. 

Als König ift er, wie vorher im Kampfe um die Krone, nicht 
felten ftreng, ja graufam aufgetreten. Dem SKorvulus von Friaul$, 
der ihn beleidigt Hatte, Tieß er die Augen ausreißen, an feine Stelle 


2 Paul. VI, 18: Dehinc elapsis octo mensibus Ragunbertus dux Tau- 
rinensium, quem quondam rex Godepertus cum exstingueretur a Grimoaldo 
reliquerat parvulum, cum valida manu veniens adversus Ansprandum et Ro- 
tharit Bergomensium ducem apud Novarias conflixit eosque in campo exsu- 

s regnum Langobardorum invasit, sed eodem anno mortuus est. 

2 Saul. VI, 35. 

5 Dbne rechte Einfiht in bie Verhältniffe des langobardiſchen König: 
thums fucht Lupi I, 373 feinen Landsmann nit nur zu rechtfertigen, fon: 
bern flimmt ihm fogar noch ein Loblied an. 

+ Meiner Lokalpatriotismus ift es, ber Lupi I, 374 bie banbfchriftlich 
feſtſtehenden Worte: ‘sine aliqua difficultate exsuperans’ in ‘non 8. a. d. 6.’ 
ändern läßt. Aus berfelben Duelle fließt die Wermuthung I, 375, Rothari 
babe zugleich Lodi unter fich gehabt. ' 

5 Paul. VI, 21. 

6 Paul. VI, 25: Corvulus dum regem offendisset evolsis oculis dede- 
corose vixit; VI, 26: Deinceps vero Pemmo ducatum promeruit, qui fuit 
homo ingeniosus et utilis patriae. Hic patre genitus Billonense, qui de Bel- 
luno fuerat: sed propter seditionem, quam illic fecerat, in.Forumjulii post 
veniens ibi pacifice vixit. 


463 


fette er: den Pemmo, deſſen Gefchlecht eigentlich aus Belluno ftanmk. 
Daneben aber findet ſich bei ihm ein Streben nad) Popularität, wie 
es in biefer Zeit fonft felten vorfommen mochte, und mit demjelbes 
verbunden eine große Sorgfalt für gute Handhabung der Gerichte 
Es wird erzählt, wie er häufig bei Naht Pavia verlafjen habe, um 
unerfannt felbjt in den einzelnen Gebieten nachzuforſchen, was mes 
bon ihm fpräde, und wie die Rechtspflege von den Judices gelt 
würde '. 

Dennod vermochte er Schließlich die Herrichaft nicht zu behamp 
ten. Neun Jahre lang hatte Ansprand am Hofe des Baiernherzoge 
Theubebert geharrt, ohne die gewiinfchte Hilfe zu erlangen, im zei 
ten endlich ward fie ihm zu Theil. Mit einem ftattlichen Heere a 
fchien er in Oberitalien, um nun die Stone, welche er dem Münbd 
nicht hatte erhalten fännen, auf das eigene Haupt zu drüden. Pau 
lus berichtet *, wie die Schlacht, welche er dem Aripert lieferte, & 
gentlich zu Gunſten des Letteren ausgefallen, wie diefer es trotzden 
vorgezogen habe, nach Pavia zurüczumeichen. Darüber gerieth bei 
Heer in Aufitand, das Leben des Königs felbft ſchien gefährbet, a 
entſchloß fih zur Flucht. Mit Golde befchwert verfuchte er ben 
Teſſin zu durchfchwimmen, da zog die Laſt ihn nieder, und er ertrank, 
Ansprand aber bemächtigte ſich der Herrſchaft, ein Mann ausgezeich 
neten Muthes und feltener Weisheit, Nur noch drei Monate frer 
fi) genoß er des lang erftrebten Glückes; doch nahm er fterbend dk 
Freude in das Grab, feinen Sohn Liutprand auf den Thron erhoben 
und in feierliher Verfammlung des Volkes anerkannt zu fehen. 


2. SHerzogthum und Gaftaldat. 


Ganz anders als in König Rothari's Edikte erfcheint die Om 
ganifation des höheren Beamtenthums in Liutprands Gejegen. Wer⸗ 
den wir annehmen dürfen, daß fie einzig ein Produkt der ſchöpferi⸗ 
ſchen Kraft diefes mächtigen Herrichers fei, mit einem Schlage ber 
gründet, ohne alle Vermittlung dem Alten gegenübergejtelit? Ich 
glaube, fchon eine allgemeine Betrachtung wiirde und geneigt machen, 
eine folche Frage zu verneinen. Wir wiſſen, wie felten es une ver 
gönnt ift, namentlich der inneren Entwicklung eines Volles Schritt, 
für Schritt zu folgen: fertig, wie Pallas Athene dem Haupte des 
Jens entfpringt, tritt da8 Gewordene uns entgegen, und es ift fchon 

ewinn, wenn unfer Blick auch nur einzelne Fäden entdeckt, de 
von dem Alten zu dem neu Entitandenen hinüberleiten. Wir find 
fo ati, in unferem Falle wenigftens einige derjelben auffinden 
zu lönnen. « 

Bor Allem die Weiterbildung des Gaftaldats ift es, welde 
bier in Betracht kommt. Die Anfänge derfelben reichen wahrſchein⸗ 


? Paul. VI, 35, 
2 Paul. VI, 36. 


463 


- ig ſchon in eine verhältnismäßig frühe Zeit zurück; doch Tann fie 
im Aufammenhange erft bier betrachtet werden. Sie t fnüpft, wie 
? pietleidht die Entjtehung des Amtes, zunächſt an das Krongut an, 
—2 vermögen wir am Klarften bei Parma und Piacenza zu 
° verfolgen 
3 Wir erinnern nns, daß unter Authari die Herzoge, welche in 
- Bieten Städten faßen, ihre Gebiete dem Exarchen Romanus überga- 
Doch kann die Abhängigkeit von den Griechen nicht Tange 
— ã haben: wenigſtens Parma finden wir ſchon zur Zeit 
- des nächſten Königs wieder dem Verbande des langobardiſchen 
= NReices eingefügt. Dann gab es unter Gallicinus einen meuen 
: Angriff, die Stadt wurde zum zweiten Male erobert, dabei aud 
die Tochter Agilulfs nebft ihrem Gemahle Gottfchalt ' gefangen und 
nad) Ravenna geführt. In dem Frieden von 604 fcheint aber der 
: alte Beſitzſtand hergeftellt zu fein; ficher waren beide Städte unter 
Arioald mit deſſen Herrichaft vereinigt *. Und das dod) in ganz eigen⸗ 
tbümlicher, von anderen Berhältniffen abweichender Weiſe. War bei 
der Reftauration bes Jahres 584 dem Authari das Reich gewiffer- 
maßen aus den Händen der Herzoge übergeben, fo hatte hier nun 
recht eigentlich der König erworben, feine Perfönlichkeit die Entjchei- 
dung herbeigeführt. Dieſe Thatfache erklärt es, wie das eroberte 
Land in Beziehung zu der Perfon des Herrfchers gejegt, wie es 
als im privaten Eigenthum beffelben ftehend angejehen werden Tonnte. 
Richt als ob nun wirklich jeder von feinem Grund und Boden ver» 
trieben worden wäre: gewiß blieben viele der alten Einwohner, die 
ja zum Xheil langobardifchen Herfommens waren, im Beſitze ihrer 
Ländereien 3: ihren realen Ausdrud fand jene Auffaſſung darin, daß 
über die ganzen Zerritorien nicht Herzoge, fondern diejenigen Beam- 
ten gejegt wurden, welche von vorne herein die Intereſſen des könig⸗ 
lichen Gutes wahrzunehmen hatten, die Gaftalden; daß die Einmoh- 
ner zu diefen in eben das Berhältnis traten, in welchem fonft wohl 
bie Krongutsmannen gejtanden hatten. ‚Aber doch mit einer wejentli- 
“chen Berfchiedenheit. Hier gab es nicht, wie in den anderen Terri— 
torien Herzoge, welche die Thätigkeit der Geftalden gehemmt und 
beichräntt hätten; die einzige Gewalt, welche über ihnen jtand, war 


2 Paul. IV, 20. Daß biefer Herzog ber Stadt geweſen, wie Beretta, 
Diasert. chorogr. CXXI behauptet, ıft nicht gefagt, und mir beöhalb aud 
nicht einmal wahrfcheinlih, ba Paulus fonft eine folhe Angabe nie verab: 
füäumt. Aus diefen Agnellus, liber pont. Vita Mariniani; Muratori SS. Il?, 129. 

2 In dem fpäter anzuführenden Diplome Perthari's, Cod. dipl. IT, 
534 heißt ed: Et detulit nobis pars Placentina judicatum b. m. Arioldi regis, 
ubi legebatur, quod pro ipsius tempore causa (inter Parmam et Placentiam) 
Bnita fuisset, 

* Berthari, allerbings ſchon erheblich fpäter, ſpricht ausbrüdli von 
ſolchen, welche aus Erbrecht; von anderen, welche in Folge einer Verleihung 
von Seiten bed Königs befißen, Cod. dipl. II, 586: Et hoc decrevimus, ut 
euilibet homo intras ipsas fines possessione, aut de jure parentum aut de 
concessione regum habere videtur, liceat etc. 


464 


der König. So kam es mit Nothwendigfeit dahin, daß hier ik 
Brivatbeamten des Herrſchers die volle Summe der Befugnifle ® 
hielten, weldye anderswo die Duces ausübten, und daß fie mit die 
fen nocd ihre urfprünglichen Funktionen, die Verwaltnng der Tiny 
lichen Kurtes und das unmittelbar daran ſich Anfchliegende verbanden 

Dog dem wirflid fo war, erfehen wir aus dem Urtkeife‘, 
weldyes König Perthari am 22. Auguft 644 über einen zwilde 
den Gaftalden von Parma und Piacenza geführten Grenzftreit an% 
ſprach. Hätte es in diefen Civitates Herzoge gegeben, fo wäre d 
fiher deren Aufgabe gewejen, die Sadje in die Hand zu nehme, 
fie müßten wenigftens irgendwo erwähnt fein. Aber nicht mur kl 
Wort von ihnen; im Gegentheil nennt Perthari die Städte mb 
ihre Gebiete ausdrücklich „Civitates unferes Haufes“ 2, und be 
mehr als einmal ihre Verbindung mit den dort befindlichen Töxig 
lichen Kurtes fcharf hervor *. 

Ganz ‚daffelbe aber wie hier fand offenbar in Reggio Stall, 
welches von vorne herein das Schickſal der beiden ihm ben 
Territorien getheilt hatte. Freilich erfcheint erft in einer weit fpäte 
ren Epoche, der des Defiderius, dort ein Gaftalde Namens Bohrer 
boaldus °; erft für fie können wir alfo beftimmt nachweiſen, wie be 
Civitas Gaftaldat und nicht Dukat war; denn daß in einem Gebiek 
beide Beamten neben einander am Wenigften feit Liutprand vorken 
men Tonnten, wird ſich noch weiter unten zeigen. Allein 
wir die Nehnlichfeit der Verhältniffe mit denen von Parma mi 
Piacenza, bringen wir dazu die Dürftigleit der Ueberlieferung in X 
fchlag, fo werden wir, glaube ich, faum Bedenken tragen, diefen Zw 
ftand ſchon einer früheren Zeit zuzufchreiben. 

. Ebenfo wie in diefen wiedergewonnenen Territorien verfuhr men 
im Allgemeinen wohl auch bei den ganz neu eroberten. So wib 
Rothari in den von ihm unterworfenen Küftenftädten des Tigurifchen 


2 Cod. dipl. II, 538 ff. 

= Später fommt allerdings einmal ein Herzog von Piacenza vor ; Cod. 
dipl. III, 125: fila doni Dagilberti qui gloriosi ducis civitatis Placentine, maß 
fi denn Troya gar nicht zu erflären weiß. Seht kennt man bie Sache; be 
Urkunde ift nämlich eines ber berüchtigten Fabrikate bed Kremoneferd Dragoni, 
über welche zu vergleihen Waitz, G. ©. A. 1856; MWüftenfeld, Archivio sto- 
rico Italiano nuova serie p. X. 

® Cod. dipl. II, 534: Nos vero volueramus, si aliter cognovisset, ut 
per pugnam aut per sacramentum in tempore domus nostrae civitates deter 






minaret. Die Ronjeftur von Campi: ‘dominii nostri civitates’ fommt af ' 


bafjelbe heraus. 

* Cod. dipl. I, 533: Dicebat Dagilberto gastaldio nostro, quod ad 
civitatem Placentina curte nostra pertinent ipsa loca. Respondebat Amo 
gastaldius noster, quod a Parmense civitate et curte nostra pertinerent ip 
sas loca. 

° Urkunde bed Adelchis für St. Julia in Brefeia vom 11 Nov. 772, 
Cod. dipl. V, 765: Necnon et concedimus ad ipso sancto monasterio res 
illas, quas inibi Vobrandoaldus gastaldius civitatis nostre Regiense venunds- 
vit. 774 als Jahr ber Ausſtellung bei Beretta, Dissert. chorogr. CXXII. muß 
auf einem Irrthume beruben. 


465 


Meeres, in Genua, Albinganum, Varikottis, Saona und uni nicht 
zoge, fondern nur Gaftalden eingejegt haben. Ich fchließe das aus 
Nachricht des hier, wie wir oben jahen, genauen und wohlunter- 

richteten Fredegar! von der Zerftörung diejer Civitates und ihrer 

Degradation zu Weilern, womit ich einfach den Ausdruck fombiniere, 

ben der erobernde König in feinem Edikte für den Gaftalden anwen⸗ 

bet: judex qui in loco ordinatus est a rege. 

Endlich mochte wohl auch der Fall vorfommen, daß ber König 
webellifche Herzoge ganz wie aufrührerifche Private behandelte ?, ihr 
But Tonfiscierte und die Verwaltung bdeffelben mit der des ganzen 
Sitadtgebietes an feine Rammerbeamten übertrug. So wifjen wir ® 
von Zrevifo, daß e8 in fpäterer Zeit nicht einem Herzoge, fondern 
nur einem Gajtalden unterjtand. Und zwar fcheint es fait, als fei 
bie bier vorgegangene Umwandlung fchon durch Agilulf erfolgt, der, 
wie wir oben gefehen, in dem genannten Territorium die Erhebung 
Herzog Ulfari’8 niedergeworfen hatte; wenigjtens bietet die Weberliefe- 
zung der jpäteren Zeit feinen Punkt, an den wir fonft anzufnüpfen 
vermöchten. 

Und ähnlich ijt es wohl am Ende diefer Periode der Civitas 
von Bergamo ergangen. Lupi freilich vermuthet, daß es auch [päter 
noch in feiner Vaterſtadt Herzoge gegeben, daß fie mit ihrer Mann⸗ 
ſchaft an den Kriegszügen Liutprands theilgenommen hätten *. 
Allein er geiteht felbft. einmal zu, daß beftimmte Nachrichten darüber 
mangelten. Denn die von Benaleus in einem Manuffripte erwähnte 
Inſchrift, in welcher Liutprand und ein Herzog Rothari von Ber: 

o neben einander vorkommen, ift jelbft ihm nicht unverdächtig; 

—* weiß er ſchließlich ſeine Bedenken niederzuſchlagen und ſich 

bann ſogar zu der Vermuthung aufzuſchwingen 3, dieſer Rothari 

möchte wohl ein Neffe des früheren gleichnamigen Herzogs geweſen 
ein. Uns, die wir leider nur zu oft erfahren haben, was von 
niſchen Manufſkripten dieſer Art zu halten ift, wird eine ſolche 

Nachricht nicht beſtimmen können. Und wenn ein anderer Lokalhiſtori⸗ 

fer Bergamo’s, Cöleftinus, noch zu erzählen weiß, wie ein Dux Lupus 


2 Chron. 71: Chrotarius cum exercitu Genavam maritimam, Albin- 
ganum, Varicoltim, Saonam, Ubitergium et Lunam civitates litoris maris de 
Imperio auferens vastat rumpit incendio concremans , populum diripit spoliat 
et eaptivitate condemnat murosque earum usque ad fundamenta destruens 
vieos has civitates nominare praecepit. 

8 Ed. Roth. 1: Si quis hominum contra animam regis cogitaverit aut 
sonsiliaverit, anime suae incurrat perlculum et res eius infiscentur. 

5 Urkunde aus Trevifo vom 20. Merz 768, Cod. dipl. V, 449: Con- 
stat me Badussione filio quondam Juliano habendum vindedisse et vindedi 

tradedisse et tradedi tibi Ermuald gastaldio terram araturicia ; vom 
November 772, Cod. dipl. V, 674: Constst me Danaele et Urso habendum 
vendedisse et vendedimus atque tradedisse et tradedimus nobis Ermuald 
gastaldio etc.; vom September 773, Cod. dipl, V, 723: Placuet atque con- 
venet inter Ermoald gast. necnon et ex alia parte comudationem facere. 

* Cod. dipl. Bergom. I, 379. 

5 (od. dipl. Bergom. I, 882. 


466 


bier Karl dem Großen einen beſonders Bartnädigen Widerftand 
leiftet habe, fo ift das mit richtigem Takte ſchon von Lupi verweris 
worden . Herzoge find alfo nach Aripert II. nicht bezeugt. Dep 
gen erfcheint? in einem Saufvertrage vom 29. Merz 769 ein 
wefener Gaftalde von Bergamo Namens Arichis; fiher war 
damals das Gebiet von Bergamo nicht Herzogthiun, fondern Gef 
dat. Wann dieſe Aenderung eingetreten, wiſſen wir nicht gewm; 
boch weifen biefelben Gründe, welche uns bewogen, für die in Te 
vifo ftattgehabte. die Zeit Agilulfs anzunehmen, bier auf die Eye 
Ariperts II. hin, der ja dem Pfeudolönig Nothari Bergamo entüj 

Nicht fo Leicht wie bisher läßt fich bei anderen Civitates Im 
Nachweis führen, wie fie in die Hand des Königs und fo zu ein 
unabhängigen Verwaltung durch Gajtalden gekommen find. So ki 
Siena. Bon biefem heißt es in einem Bruchftüde des Primiceril 
Gerhard von Arezzo 3, der allerdings erft um das Jahr 1061 
fchrieb, aber aus fehr alten Quellen jchöpfte, folgendermaßen : „De 
Civitas Siena war im Eigenthume des Langobardenkönigs Aripen, 
und es wohnte in ihr ein Judex des Königs Aripert mit Name 
Gundipert.“ Daß diefer Judex wirklich ein Gaftalde war, erfahre 
wir aus den Urkunden * über den Streit der Bifchöfe von Ara 
und Siena, aus denen zugleich erhellt, daß feine Befugniffe fich wicht 
auf die Stadt befchränften, fondern auf da8 ganze Gebiet 5 berfe- 
ben ich bezogen, da8 Wort in dem weiteren Sinne gefaßt, wie mu 
es früher für Die Herzoge angewendet haben. So wird denn ad 
der füniglihen Kurtis von Siena mehrfah Erwähnung gethan; ix 
ihr trifft der von König Liutprand gleich zu Anfang feiner Regie 
rung gejendete Majordomus Ambrofius die Entfcheidung des alten 
Zwiftes®, in ihr fit auch fpäter der Fönigliche Notar und Miffes 


2 Cod. dipl. Bergom. I, 559. 

® Cod. dipl. V, 485: Constat me Natalia, ipso tamen Adelberto 
meo consentiente et subtus confirmante necnon etiam et parentibus meis Ar 
richis, qui fuit gastaldus in Bergamo etc. und V, 487: Signa manus Arigis, 
qui fuit gastald in Bergamo. 

3 Cod. dipl. III, 119: Dlo autem tempore Senensis civitas erat dom 
nicata ad manus Ariberti regis Langobardorum, habitabatque in ea judex regis 
Ariberti nomine Gundipertus. 

* Cod. dipl. II, 201 (vom Sabre 679 handelnd): Sed quia fuemu 
homines Senenses, subtraxit nos exinde Wilerat gastaldius ; III, 198: Sed 
Warnefrit gastaldus de sua substantia hic beneficio fecit. But und ausführ: 
lich bat Über die Verhältniſſe von Siena fon gehandelt Bethmann=Hollweg 
Lomb. Städtefreiheit S. 66 ff. 

*s Protofol vom Jahre 715, Ausfagen mehrer Priefter aus den verfhie 
benften Landgemeinden; Cod. dipl. III, 189 ff.: Nisi si seculares causas nobis 
oppressio fiebat, veniebamus ad judicem Benensem eo quod in ejus territorio 
sedebamus; III, 213: De diocesis ecclesiis et monasteriis in finibus Senensis 
territorii ejusdem civitatis. 


6 Cod. dipl. III, 166: Bed cum se ambe partis in nostris conjunxerust 


pre sentiis in curte a domini regis; Ill, 168: Actum in curte regis domisi, 
in civitate Senis. 


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467 


4 Guntheram über diefelbe Sache zu Gericht !. Zugleich haben wir 
u Bier die beite Gelegenheit zu fehen, wie abhängig vom Könige dieſe 


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Gaſtalden waren, wie häufig fie wechſelten?. 


Noch weniger ald von Siena wiffen wir über Arezzo und Vol⸗ 
terra: von beiden können wir nur vermuthen, daß fie fchon ziemlich 
lange vor Liutprand vom influffe eines Herzogs abgetrennt nur 
unter Saftalden ftanden; von dem Erſteren, weil auch in ihm im 
den oben angeführten Urkunden ſtets nur ein Juder, nie ein Dur 


i erfcheint, von dem Anderen, weil in einer dortigen Inſchrift neben 


dem König und dem Bifchof nur der Saftalde genannt ift. 
Offenbar aber konnte eine ſolche Erhebung bes Oaftaldats in 


- einigen Gebieten nicht ganz ohne Einfluß auf bie anderen bleiben. 


Mehr und mehr müffen ſich die Bande gelodert haben, welche den 
Saftalden noch ag ben Herzog knüpften, mehr und mehr einer von 


‘, beiden fortgefallen und fo der Zuftand vorbereitet fein, den wir umter 


Liutprand finden. Auc der Fall mochte vortommen, daß aus ber 
einen alten Givitas, wo früher Herzog und Gaſtalde gemeinfchaftlich 
neben einander gewaltet hatten, zwei neue entitanden. So wiſſen 
wir, das Sirmio noch zu Evins Zeit bem Herzoge von Tridenr 
untergeben war, — e8 iſt in der Zahl der zehn Städtchen, welche 
damals in feinem Zerritorium von den Franken zerjtört wurben* — 
fpäter finden wir es als eigenes Gebiet ®. 

Doch erfolgte diefe Entwidlung nicht gleichmäßig in allen Du⸗ 
Toten. Wahrjcheinlich Schon nicht in Friaul, wo der Herzog in die⸗ 
fer ganzen Zeit, ja jelbft noch unter Liutprand, immer als Heerfüh- 
rer des gefammten Aufgebotes erfcheint®, ficherlich nicht in Benevent 
und Spoleto. 

An Benevent hatte in ununterbrochener Reihe das Geſchlecht 
König Grimoalds die Herrfchaft behauptet: dem Water war ber 
Sohn, dem Bruder der Bruder gefolgt. Zugleich hatte man Sorge 
getragen, durch würdige Vermählungen den Glanz des Haufes zu 
erhöhen. Romuald I. war noch von feinem Vater? mit einer Toch⸗ 
ter des mächtigen Herzogs Lupus von Friaul vermählt worden, Gri⸗ 


2 Cod. dipl. III, 155: Ego Guntheram notarius in curte regia Senensis 
inquisibi. 
8 Vergleiche bie forgfame Tabelle, Cod. dipl. I, 193 n. 3: 
703. Warnefrit nad) bem Zeugniffe bed Tanigi. 
711. Godepert getödtet, 
714, Auguft. Xaipert. 
715, 20 Juni. Warnefrit. 
s Cod. dipl. IH, 49: Ore (honore) sci justi Alchis illustris gastaldius 
Beri jussit tempore Cuniperto regi et Gaudentiano episcopo. 
* Bauf. I, 30: Nomina autem oppidulorum, quae diruerunt Franci in 
territorio Tridentino ista sunt: Tesana, Maletum, Sermiana etc. 
5 Cod. dipl. V, 730: Judieiaria Sermonense. 
6 So bei Paulus VI, 24, 51. 
? Baul. V, 25: Mortuo Lupo duce Grimoaldus rex filiam ejus nomine 
Theuderadam suo filio Romoaldo, qui Beneventum regebat, in matrimonium 
tradidit. 


468 . 


moald II. nahm bie Tochter König Perthari’s, die Schwefter Aw 
perts, zur Frau!, Romuald II. endlich verbeirathete ſich zuerſt mi 
der Buntberga, einer Nichte König Liutprands und fpäter mit Ka 
gunde, der Tochter Herzog Gaidoalds von Brejcia ?. 

Dazu kamen glückliche Kriege, weldhe den Umfang des Herzp 
thums erweiterten und feine Mittel vermehrten. Während der durh 
Alachis von Trident hervorgerufenen Unruhen und Wirren hatt 
Romuald I. fih in den Befig von Brunduſium, Tarent und der 
ganzen umliegenden Landſchaft geſetzte; fein Sohn Gifulf entriß den 
Römern Sora, Hirpinum und Arce, fpäter drang er fogar verwi 
ftend nach Kampanien ein, und wich erft zurüd, als der Papft Je 
hannes ihm Prieſter mit reichen Gefchenken entgegenſchickte und ſich 
bereit erklärte, die fämmtlichen Gefangenen loszulaufen +. — 

Das alles wirkte zufammen, um biefen Herzogshaufe bie be 
fondere Liebe und Anhänglichkeit der Maſſen zu fihern. Das Boll 
der Samniten, fagt Paulus einmal 5, erhob nad) dem Tode bei 
Baters Romuald II. ſich zum Herrfcher, und an einer anderen Stelk 
wirb daſſelbe wegen der teten Treue gegen feine Duces gefeiert ®. 

Schon hieraus würde ſich ergeben, wie durchaus unabhängig 
vom pavefifchen Reiche die Herzoge von Benevent lebten. Beftätigt 
wird das durch erhaltene Urkunden, in welchen ihnen echte vin 
diciert werden, die bem Edikte nach nur den langobarbdifchen Kö— 
nigen zuftanden. So zieht Romuald DI. 708 die Erbſchaft des 
Zranspadaners Toto als eines Wargangen ein”, um fie fpäter an 
den Abt Zacharias zu verfchenfen, und im folgenden Jahre beftätigt 
er diefem noch andere Gitter, welche offenbar auf diefelbe Weife er 
worben waren. So find denn auch bie Diplome aus Benevent 
immer nur nach den Jahren der Herzoge, nie nach denen der LK 
nige datiert. 


2 Raul. VI, 2: Huic Grimoaldo in conjugio socista fuit Wigilanda, 
soror Cuniberti, filia Pertaridi regis. 

2 Waul. VI, 50: Romoaldus quoque dux Beneventi uxorem sortitus est 
Guntbergam nomine, quae fuit filia Auronae Liutprandi regis sororis. Ha- 
buit et rursum post hanc et aliam conjugem nomine Ravigundam filiam Ga 
doaldi Brexiani ducis. 

® Paul. VI, 1: Dum ista apud Langobardos trans Padum geruntur, 
Romoaldus Beneventanorum dux congregata exercitus multitudine Tarentum 
expugnavit et cepit parique modo Brundusium et omnem illam quae in cir 
euitu est laetissimam regionem. 

* Baul. VI, 27. 

s Maul. VI, 39: Defuncto igitur Gisulfo Beneventanorum duce Samni- 
tum populus Romualdum ejus fililum ad regendum se sublimarvit. 

6 Paul. VI, 56: Beneventanorum populus, qui suis ductoribus semper 
fidelis exstitit. Wie fehr das Herzogthum als im Beſitze des Gefchlechtes be 
findfih angefehen wurde, zeigt Paul. VI, 58: Tunc Liutprandus Gisulfem 
suum nepotem iterum in loco proprio ducem constituit. 

7 Cod. dipl. IH, 101; vgl. Ed. Roth. 367: Si filius legitimus [habue- 
rint (weregang), heredes eorum exsistant, sicut et filii Langobardorum; si 
filius legitimus non habuerint, non sit illi potestas absque jussionem regis 
res suas cuicumque thingare aut per quodlibet titulum alienare. 


469 


Aehnlich wie hier, nur nicht ganz fo ftätig war der Entwick⸗ 
Iungsgang, den das Herzogthum in Spoleto nahm. Hier war auf 
ben von Grimoald eingefegten Trafamınd, der die Herrfchaft ge⸗ 
meinfchaftlih mit feinem Bruder Wacilapıs geführt hatte ', Faro⸗ 
ald II gefolgt, deſſen Regierung bis in Liutprands Tage hinein⸗ 
reiht. Nocd vor dem Mai des Jahres 725 aber, den Annalen von 
Farfa zufolge im Jahre vorher, erhob fich gegen ihn der eigene 
Sohn, nad) dem Ahnen Traſamund genannt und wie biefer voll 
unruhiger Thätigfeit: er ftectte den Vater in ein Klojter und brachte 
fo die herzogliche Würde an fich ?. 


In beiden Landfchaften Hatte fich eine ganz eigenthümliche Vers 
fafjung ausgebilbet, welche während der ganzen Folgezeit herrfchend 
blieb, in Benevent fogar den Untergang bes eigentlichen Langobar⸗ 
denreichs lange überdauerte. Sie zu entwideln feheint hier der paſ⸗ 
fendfte Ort; wenn ic dabei Dokumente aus fpäterer Zeit benute, 
fo wird das nad) dem eben Gefagten keiner weiteren Rechtfertigung 
bedürfen. 

Die beiden Herzogthlimer zerfielen in kleinere Gebiete, welche, 
wie auch fonjt bet den Langobarden, meift um Städte fich gruppier- 
ten und daher Civitates oder auch Territorien der Civitates hießen >, 
im Beneventanifchen wohl auch Aftiones® oder Aktus genannt wur⸗ 
den *. Für Spoleto find uns deren vier ficher bezeugt, die von 
Rieti, Pontanum, Balva und Nuceria 5; dazu kamen wahrjcheinlich 
bie Bezirke der Hauptftabt felbft, von Marſicum, Yorconia und 


2 Paul. VI, 30: Igitur defuncto Trasamundo duce Spoletanorum Faro- 
aldus ejus filius in loco patris est subrogatus. Wachilapus germanus fuit 
Trasemundi et cum fratre pariter eundem rexit ducatum. 

8 Maul. VI, 44: Contra hunc Faroaldum ducem filius ajus Trasemun- 
dus insurrexit eumque clericum faciens locum ejus invasit. Die gegebene 
Zeitbeftimmung erhellt aus ber Urkunde Trafamunds für Farfa, Cod. dipl. 
II, 404 und den Annales Farfenses zum Jahre 724: Lucerius abbas. Trans- 
mundus dux filius Faroaldi. Anders Bethmann, Historiae Farfenses, Monum. 
88. XI, 527 n. 8. Nach ihm wäre Faroald ſchon zwifchen 718 und 720 abgeſetzt. 

5 Gedichte von der Niederlaſſung Alzeko’3 und ber Bulgaren in Bene 
vent bei Paul. V, 29: Quos Romoaldus gratanter excipiens eisdem spatiosa 
ad habitandum loca, quae usque ad illud tempus deserta erant, contribuit, 
seilicet Bepianum, Bovianum et Iserniam et alias cum suis territoriis civita- 
tes, ipsumque Alzeconem mutato dignitatis nomine de duce gastaldium- voci- 
tari praecepit; Cod. dipl. IV, 190 (Nov. 744): in territorio Beatino; IV, 229 
(Oft. 746): in territurio civitatis nostrae Reatinae; vgl. den faſt flehenden 
Eingang der Farfefer Diplome: Temporibus gloriosi et summi ducis ... . 
et... . magnifici gastaldii civitatis Reatinae,. 

* Cod. dipl. IV, 118 (Nov. 743): Qui habitare videntur in Papiano, et 
fuit de actione Consina; IV, 239 (Mer; 747): Et fuerunt de actu Canusino, 
quem modo gastaldus noster tenere videtur; V, 171 (762): Concessimus 
pueros duos, qui fuerunt de actu Casianense, quem modo Cunasius gastaldus 
noster tenere videtur. 

5 Cod. dipl. IV, 837 (Dec. 748): Ego Bona relicta cujusdam Averolfi 
gastaldii castri Pontani; IV, 371 (Dec. 750): Cum Camerino gastaldo de 
Valva, Immo de Reate gastaldo; V, 148 (Sept. 761); Cum Alfrido gastaldio 
de Reste, Heleutherio de Noceria gastaldio. 


1. 31 


470 


Penna; von Kamerino ?, Teramo ?, Narnt, Amiternum und Afkılım. 
Dagegen fällt der zeitweife Anner der Pentapolis in eine weit ſpi⸗ 
tere Epoche, und auch Fermo bildete in der rein langobardiſchen Zt 
ftet8 ein eigenes Herzogthum*. Nicht fo genau find uns in biee 
Hinfiht die Verhältniffe von Benevent belfannt; nur das vermögen 
wir mit Sicherheit zu erkennen, daß die Anzahl der Civitates ber 
noch eine weit größere war. 

Als die Vorfteher diefer Adtheilungen erfcheinen Gaftalben‘, 
nicht felten mit dem ehrenden Zitel von Komites 6, ftets von dm 
Herzogen ernannt” und, ſoweit wir fehen, diefelben nach allen Rich 
tungen vertretend, auch als Anführer im Kriege thätig &._ Wenn fr 
trotzdem nie zu irgend einer felbftändigen Bedeutung gekommen fin, 
fo erflärt ſich das wefentlic) daraus, daß fie von vorne herein Pri 
vatbeamte der Herzoge waren und diefen Charakter auch f 
immerfort beibehalten haben?. Das Maß ihrer Abhängigkeit erſehen 


2 Siehe die Aufzählung Gesta pont. Rom. 92: Trasimundo se sub& 
derunt Marsicani et Forconini atque Balvenses seu Pennenses. Deinde ven» 
runt in Reatinam civitatem. Exinde pergentes ingressus est Spoletum; vgl 
Muratori, Antigg. 1, 66. 

2 Paul. IV, 17: Ariulfus (Spoletanorum ductor) cum bellum coat 
Romanos in Camerino gessisset. 

5 Gesta p. RB. 92: Pontifex perrexit in loeum Interamnensium urbis, 
ubi in finibus Spoletinis ipse residebat rex. 

*Ohne Grund macht es Fatteschi zu einem Theile von Spoleto, firke 
Cod. dipl. V, 532 N. 2. Bagenen fpridht Geste p. R. 97: Habitatores 
ducatus Firmani und eine unverbächtige Infchrift vom Sanuar 770, od. 
dipl. V, 571, in weldyer ein Tasguni dux civitate Firmane erfcheint. 

s Bol. außer ben oben angeführten Stellen noch folgende auf Benevent 
bezügliche, Cod. dipl. IV, 342 (Sept. 749): Florentius qui fait de subastiene 
Trasarij gastaldii et vestararij nostri; IV, 367 (750): Silva a Rotulo gr 
staldo nostro nobis tradita est, quae fuit de actu nominati Rotuli; IV, 449: 
Fuit mulier de subactione Ferdolphi gastaldei nostri. 

°* So Trafamınd und Mittola von Kapua, ber Konıed Majo im Bene 
ventanifchen, brei Komites, Rabenno, Anfuald und Teutprand in einem Far: 
fefer Diplome, alle fhon in anderem Aufammenbange erwähnt; vgl. die Ur: 
unbe Herzog Lupo's von Spoleto, Cod. dipl. IV, 191: Et nullus comes, 
gastaldius aut quilibet actionarius noster contra hoc preoeptum audest ire. 
A Komes Livizo von Kapua aber, Cod. dipl. V, 301, ift ein Machwerk Pra⸗ 
tilli's. 

"Das beweift bie ſehr häufige Schlukformel in den Diplomen ber Her: 
30ge: A nullo gastaldio vel actore nostro exinde aliquando contradicatur, dit 
ſelbſt dann angewendet wird, wenn man ben König von Pavia entfchieben 
anertennt; fo Cod. dipl. IV, 225. 

8 Gesta p. RB. 90: Cumanum etiam castrum ipso fuerat tempore & 
Langobardis pacis dolo pervasum. Tunc consilio inito moenia ipsius castri 
virtute sub nocturno ingressi sunt silentio, Joannes scilicet dux Neapolitanus 
cam Theodimo subdiacono et rectore atque exercitu, et Langobardos pene tre 
centos cum eorum castaldione interfeoerunt. Der ganze Zufanımenbang ber 
Stelle zeigt, daß hier nur von eimem beneventanifchen Gaftalden bie Rede 
fein kann, und daß man daraus nicht wit Hegel I, 457 N. 2 unbedingt auf 
bie bes Reiches von Pavia fchließen barf. 

9” Vergl. bie früheren. Noten, wo berzoglide Sklaven als unter ber Ber: 
waltung von Gaſtalden ſtehend angeführt find. 


471 


wir namentlich aus der Gaftaldenreihe von Rieti, die wir mit ziem- 
licher Genauigkeit zu verfolgen im Stande find. Hier fällt nicht 
nur mit dem Untergange des Herzogs faſt immer auch der betref- 
fende Gaftalde, fondern diefe wechieln fogar unter einem Dux fo 
raſch!, dag man nicht immer den Tod als die Urfache ihres Ver- 
fhwindens wird anjehen können. Dagegen fcheint es faft, als ob 
einige mit längeren oder fürzeren Unterbrechungen mehrmals zu dem 
Amte berufen wurden ?, wie aud), daß alle ihren Titel und den officiellen 
Zuſatz Vir Magnificus’ felbft nad) abgelegter Amtszeit führen durften. 

Niedere Beamte, Schultheißen und Aktoren, treten uns vielfad) 
entgegen; unter ihnen in eigenthiimlicher Bedeutung der Archiporka⸗ 
rius, Oberfauhirt *, deffen Stellung wohl mit der höheren Würdi⸗ 
gung zufammenhängt, welcher überhaupt die Schweinehirten vor ihren 
Mitknechten bei den Langobarden genoſſen 5. 


Den eigentlichen Mittelpunkt der Negierung und Verwaltung 
aber bildete der herzogliche Hof, hier von um fo größerer Wichtigkeit, 
je geringer die Selbjtändigkeit der Beamten in den Unterabtheilungen 
der Herzogthümer war. Wir finden an diefen beiden Höfen alle die 
Aemter, welche auch an dem des langobardiſchen Königs vorkommen; 
einzig der Majordomus ift nicht bezeugt, doch möchte ich daraus nicht 
Ichliegen, daß er überhaupt gefehlt habe. Urkundlich dagegen treten auf 
vor Allem der Referendarius ©, welcher die Ausfertigung der Urkun⸗ 


2 ch gebe bier nur einen kurzen Weberblid über die Zeiten des Dei: 
derius. I. Herzog Albuin 757—759; Gaftalden: Alfred (Cod. dipl. IV, 684), 
1330 (Mai 757, Cod. dipl. IV, 644). IL Herzog Giſulj 759-762; Ga: 
alde: Alfred (Cod. dipl. V, 78). M. Herzog Theodicius; Gaftalden: Alfred 
(Merz 764; Cod. dipl. V, 257), Hilberih (April 766, Cod. dipl. V, 354), 
Alfred (Sept. 773, Cod. dipl. V, 709). 

2 Man müßte denn annehmen, daß 3. B. die Alfreds ber vorigen Note 
alle verfchieden gewefen wären. 

s Go Cod. dipl. IV, 649: Signum + manus Probati castald, während 
Hizzo altiv iſt; V, 564: Ego Alefridus castaldus in hoc testamentum testem 
me subscripsi, während Hilderich altiv; V, 594: Ego Hildericus vir 
Geus castaldius consentiens subscripsi neben einem anderen Gaſtalden deſſelben 
Namens, welcher der eigentlich damals fungierende gewefen zu fein fcheint. 

+ Urkunde Gifulfd von Spoleto vom April 761, Cod. dipl. V, 127: 
Datum jussionis in civitate nostra Reatina sub Alifrido gastaldio et Lupone 
archiporcario nostro. 

s Sie hatten z. B. ein Wergeld von 50 Solidi, während bie Rinder⸗ 
birten nur mit 20 gebüßt wurden; vgl. Ed. Both. 133 und 135. 

° In Benevent häufig zugleich mit dem Titel eines Vicedominus oder 
Duddus. Urkunde Romualds II, Cod. dipl. III, 85: Quod vero praeceptum 
ex jussione nominatae potestatis dictavi ego Persus vicedominus et referen- 
darius tibi Theodaldo notario scribendum; Ill, 118: Dietavi ego Audelachis 
vicedominus et referendarius tibi Adelcho notario; IV, 117: Quod vero 
praeceptum firmitatis dictavi ego Arefusus duddus et referendarius; IV, 148: 
Nos eam tradedimus in manum Theautpert duddi et referendarii,; IV, 174: 
Andefusius referendarius; IV, 185 und 373: Andefusius duddus et referen- 
darius; IV, 449 und 558; V, 170 und 171: Gaidemarius duddus et referen- 
darius. Für Spoleto Cod. dipl, IV, 191, 262: Ex dicto Andresti referendarij 


31* 


472 


den beforgt, überhaupt ber herzoglichen Kanzlei vorfteht; weiter der 
Marpahis ! oder Marfchall, der Kubikularius? oder Kämmerer, ber 
BVeitararius 3 oder Kleiderwart; endlich der Stolefaz * oder Schatzmei⸗ 
fter, einmal mit lateiniſchem Ausdrud als Theſaurarius bezeichnet. 
Nicht felten führen diefe Hofleute zugleich den Titel eines Ge 
ſtalden? und erhalten dann wohl wirklich auch noch einen Diftrilt 
zur Verwaltung 6; andererfeits fönnen fie aber auch als Beifiker? 
des berzoglichen Gerichtes fungieren, neben ihnen andere geiftlide 
und weltliche Beamte, während die einfachen Yreien den Umftand ge 


seripsi ego Dagarius notarius; IV, 365: Ex jussione potestatis ex dicto An 
dreatis referendarij scripsi ego Laudemarius notarius. 

1 Diplom von Sfauniperga und Liutprand. Cod. dipl. IV, 443: Pe 
rogum Radoald marepahis nostro; IV, 619: Joannes marepahis. Aus Spo⸗ 
Icto Cod. dipl. V, 424: sub Rimone marepaso nostro; IV, 189: Unde exiri 
fidejussor Pando marepasus und unten: Signum t manus Pandonis marepasi 
testis; IV, 241: Cum Immone gastaldio et Pandone maripasu. Ueber bie 
Ableitung ded Worte von marh (equus) und paizo (frenare) vgl. Grimm, 
Deutfhe Sprade II, 481. 

Nur einmal erwähnt, Cod. dipl. IV, 449: Per rogum Athenolpki 
eubicularii nostri. 

5 Cod. dipl. IV, 89: Direximus Portionem vestararium. Häufiger im 
fpoletanifchen Urkunden, Cod. dipl. IV, 189: Signum + manus Anselmini 
vestararü; IV, 193: Signum manus Alfredi vestarari; V, 132: Ego Adeoda- 
tus vestararius subscripsi; V, 301: Ego Tacipertus vestararius subseripsi; 
V, 308: Tacipertum vestararium seribendum postulavimus; V, 346 und 684: 
Ego Adeodatus vestararius subscripsi. 

* Cod. dipl. IV, 443: Theautpald te tradidit in manum Johannis ste 
lesatin; IV, 632: Liutprandus per rogum Ansonis stolari; V, 171: Atrichis 
per rogum Griserici stolesari nostri; für Spoleto Cod. dipl. IV, 371: Pertw 
stolesaz. Der Thefaurarius Cod. dipl. IV, 342: Concessimus tibi Urso the 
saurario nostro. — Daß ber Stolejaz wenigfiend anı Hofe von Pavia der 
Schapmeifter war, zeigt Ed. Roth. 150: Judex conponat solidos vigenti is 
palatio regis districtus ab stolesazo. Daraus bie unfinnige Glofie des Kober 
von Madrid: stolesaz i. e. districtus. Cine noch andere Bedeutung würde 
fi ergeben aus der Kavenfer Gloſſe: Stolesas i. e. qui ordinat conveatum 
unb aus dem Chron. Salernit. Monum. 88. Ill, 489: Grimoalt, qui lingus 
todesca stoleseyz fuit adpellatus, quod nos in nostro eloquio ‘qui ante 
obtutus principis et regis milites hine inde sedendo perordinat’ possumus 
vocitare; vgl. Grimm, Deutfche Sprache II, 482. 

s &o Cod. dipl. IV, 378: Dictavi ego Johannes gastaldus et referen- 
darius. 

6 Cod. dipl. IV, 151: Fuit de subactione Secundi gastaldi et vestararli 
nostri; IV, 842: Qui fuit de subactione Trasarij gastaldi et vestararij nostri. 
Einmal find auch Notarind und Veſtararius in einer Perfon vereinigt, Cod. 
dipl. V, 257. 

7 Cod. dipl. IV, 619: Dum residentes Leoprand adstantibus erga nos 
Ingilbertone filio Sosigeni et Johanne marepahis; aus Spoleto IV, 371: Dum 
residerem ego domnus Lupo una cum judicibus nostris, idest Gaidemario, 
Arichis diac. Perto stol. Allone sculd. Camerino gustaldo de Valva, Immo 
de Reste gastaldo vel aliis pluribus adstantibus; V, 108: Nos Gisolphus 
gloriosas dux residentes una cum Gumperto misso domni regis atque religuis 
nostris judicibus, hoc est V. V. Teutone episcopo, Alfrido gastaldio de Reate, 
Heleutherio de Noceria gastaldio, Aldone sculdore, Martiniano vel Hisemundo 
sculdore vel Chiteroso et plurimis adstantibus. 


473 


bildet haben mögen. Den VBorfig führte hier regelmäßig der Herzog, 
von dem eine Appellation an den König in biefer Zeit ficher nicht 
ftatt fand; ob feit Liutprand kann wenigftens zweifelhaft fein, da bie 
einzige Urkunde, welche eine folche erwähnt, dem Klofter des heiligen 
Bincentins am Volturno angehört! und ſchon darum im höchſten 
Grade verdächtig ift. — 

So hatten diefe Herzoge im Laufe ber Zeit eine Stellung ge- 
wonnen, welche fie weit über alle anderen hinaushob; ihre Selbjtän- 
digkeit war in der That eine vollfommene, und eine Wahrheit der 
ftolze Titel, mit dem fie ſich fhmücten: „Die ruhmvollen Herren 
und Herrfcher des langobardifchen Volkes“. — “ 


Wir verweilen nod einen Augenblid bei diefer Periode, um 
ihren Charakter und ihr Ergebnis kurz zufammenzufaffen. ‘Dem 
flüchtigen Beſchauer mag fie ziemlich gleichartig vorfommen; näher 
betrachtet zeigt fie doch eine bedeutende Verfchiedenheit. Zu Anfang 
erfcheint das Königthum geſchwächt durch kurze Regierungen, durch 
Meinderjährigkeit, durch Theilung. So kommt es, daß die Herzoge 
fi) gewaltig erheben. Anders ift e8 in dem zweiten fürzeren Ab- 
fehnitte des Zeitraumes. Hier treten meijt Prätendenten auf, welche 
dem Nechte nach gleich find, unter denen nur faktiſch das Schwert 
entfcheidet. ‘Dabei wird das Königthum behauptet, wie es gewonnen 
-ift: mit Gewalt, zunächft gegen die beiiegten Verwandten, Schließ- 
lich find alle Glieder des alten Königshaufes vernichtet oder doch 
unfähig gemacht der Herrfchaft nachzuſtreben, und feinen begründeten 
Anſpruch hat der neu erhobene König zu fürchten. Gewalt gebraucht 
man auch gegen die Anhänger der unterdrüdten Partei, Gewalt gegen 
die Herzoge. Schon ift der Fall vorgelommen, bag einer der Mäch- 
tigften unter ihnen der Augen beraubt ift, und das wegen einfacher 
Beleidigung des Königs, nicht wegen Aufruhre. Und wenn fo etwas 
mehr als augenblidliche Tyrannei erfcheinen mag, denn als ein Be⸗ 
weis von der wahren Stärke des Königthums, fo hat das Letztere 
durch die neue Entwicdlung des Gaftaldats doch auch an wirklicher 
Kraft gewonnen, die nur erft noch recht nutzbar gemacht werden muß. 

Freilich haben andererfeits zwei Duces, die von Benevent und 
Spoleto, fi) völlig unabhängig zu machen gewußt und leben unbe: 
kümmert um das Neid) von PBavia wie Fleine Könige in ihren Laud⸗ 
fhaften. Sie zum allgemeinen Unterthanenverbande zurüdzuführen, 
mußte das erfte, da8 vornehmlichfte Beitreben des neuen Herrfchers fein. 


2 Cod. dipl. V, 865: Pertraxit causam (Alachis) etiam ad judicium 
domni Aistulfä regis Ticino pariter conjungere debuissent, quod et factum 
est. Beide Parteien, Alachis wie dad Klofter, find Beneventaner. 

2 Bol. Paul: VI, 58: Eo quoque tempore floruit Ticinensis ecclesize 
episcopus Petrus, qui, quia regis erat consanguineus, ab Ariperto quondam 
rege apud Spoletum exsilio fuerat retrusus. 


474 


IL. 
Lintprand,. 


1. Königthum und Herzogthum. 


Am zwelften Juni! bes Jahres 712 beftieg Liutprand ben 
Iangobardifchen Thron, eine reichbegabte Natur voll Klarheit mb 
Energie, über die Bolitif, welche er den noch übermächtigen ® 
gen gegenüber einzufchlagen hatte, gewiß ſchon jegt völlig mit fid 
im Reinen. Trotzdem hat er nicht glei zu Anfang feiner Regie 
rung den Kampf gegen fie aufgenommen; ja es Tonnte zumächft fogar 
fcheinen, al8 wolle er fie ganz vernacjläffigen. Wir wiffen, dag de 

zoge von Benevent und Spoleto ? auf den erjten all 

eichstagen fehlten: Liutprand ignoriert es, er thut fogar, ale ob 
jene beiden Landichaften gar nicht zum Neiche gehörten. So mir 
noch in einem Geſetze von 723 ale Mieldungszeit, daß man einen 
Stlaven oder Dieb aufgefangen habe, für Auftrien und Neuftrien 
ein Monat feitgefegt, für Zuscien das Doppelte, und im folgenden 
Jahre beftimmt, dag wer Eideshelfer fuche, dazu einen Zeitraum 
von zwelf Nächten haben folle, wenn er nahe wohne, einen von 
vierundzwanzig, wenn in Tuscien oder Auftrien ?. 

Dies Verfahren Hatte, fomweit wir fehen, einen doppelten Grund. 
Einmal wünfchte Pintprand offenbar feine noch junge Macht zunädt 
in den Reichstheilen geſtärkt und befeftigt zu fehen, welche ihn von 
vorne herein als König anerkannt hatten: gerade in dieſe Jahre fal- 
len die wichtigften auf die Organifation der inneren Verhältniſſe zie 
lenden Beitimmungen, durch welche hier dem Köntgthum das entfchel 
dende Uebergewicht gefichert ward. Dann aber lanerte er wohl auf 
die Gunft der Zeit: in neunjähriger Verbannung mit der Kunſt des 
Warten® vertraut gemacht hielt er auch jett zähe aus, bis er den 
rechten Augenblid gelommen glaubte Dann erſt trat er auf; dam 
aber auch mit einer jolchen Kraft, daß es zu einem wirklichen Kriege 
eigentlich nirgend gekommen iſt. 

2 al. Troya Cod. dipl. III, 123: Osservazione sulla data dell’ esalte- 
zione di Liutprando. 

8 Nur die Judices von Auſtrien, Neuftrien und Tuscien find betheiligi. 
Siehe Prol. I (713): Una cum omnibus judicibus meis tam de Austrisse et 
Neustriae partibus necnon et de Tusciae finibus; Prol. I (718): Cum om- 
nibus judicibus nostris de partibus Austrise et Neustriae necnon et de Tus- 
ciae finibus; Prol. IIL (720): Una cum inlustribus veris Neustriae, Austrise 
et Tuscise partibus. Freilich find einmal auch die tußcifchen nicht babei: 
fiehe Prol. VII (726): Quin etiam et judicis atque fedelis nostri de parti- 
bus Austriae et Neustriae nobiscum adfuerunt. 

5 Ed. Liutpr. 44: Et sit spatio de ipso mandato faciendum in istis 

partibus in uno mense, trans Alpes vero in partibus Tuscie in menses duo. 
ü * Ed. Liutpr. 61: Ipse postes, qui jurare devit, habeat spatium noctis 
XII, qui prope sunt, et qui de longinquo sunt, quomodo sunt vel de Tuscia 
vel de Austria, noctis XXIV. 


475 


So benußte er zur Antervention in Friaul einen Streit, ber 
dort zwiſchen dem Erzbifchofe Kaliftus von Aquileja und dem Herzog 
Pemmo ausgebrochen war und von beiden Seiten mit der größten 
Erbitterung geführt wurde '. Der König ſcheint dabei in Verbin- 
dung mit einer Partei gehandelt zu haben, an deren Spike der äl- 
tefte Sohn des Herzogs felbit, der nachherige König Rachis, ftand. 
Wenigſtens verlieh er diefem fpäter das dem Vater abgefprochene 
Herzogtum, während er ben Xeßteren felbft wie feine mächtigften 
Anhänger in langer und ſchmachvoller Kerkerhaft hielt. 

Mit Benevent und Spoleto hatten unterdes die Beziehungen 
vielfach gewechſelt. Zunächſt müſſen zeitweife etwas bejjere Verhält- 
nijfe eingetreten fein. Darauf deutet wenigjtens ein im Jahre 727 
erlaffenes Geſetz Hin, in welchem beftimmt wird, daß ein Dert, der 
entlaufene Sklaven fucht, dazu drei Monate Frift haben folle, wenn 
er in Benevent oder in Spoleto fei, zwei Monate in Zuscien, einen 
in Aufwien und Neujtrien?. Docd war das nicht von langer Dauer: 
ſchon 729 find wieder nur die Großen von Auftrien, Neuftrien und 
Tuscien in Pavia verfammelt*, nur diefe drei Neichstheile in einer 
Beitimmung genannt’. — 

Die neue Bewegung hängt aufs Engfte mit der äußeren Politik 
des langobardifchen Königs zufammen; es wird nicht möglich fein, 
jene ganz zu verjtehen, wenn wir nicht vorher diefe wenigſtens in 
furzem Abriſſe geichildert haben. | 

Mit faft peinlicher Sorge hat Liutprand während feiner ganzen 
Hegierungszeit den Frieden mit den: Franken und Avaren bewahrt ®; 
mit dem Fürften der Erfteren, dem mächtigen Karl Martell, ver- 
banden ihn fogar perfönliche Beziehungen. Seinem Wunfche gemäß 
hatte er dem jungen Pippin, den ber Vater nach Italien gefendet, 
Haupt» und Barthaar gejchoren, was nad) alter Sitte ein bejonders 
nahes Verhältnis zwifchen den Betheiligten begründete: im Jahre 
739, al® die Araber zum zweiten Male aus Spanien hervorbrechend 
Schon Arles erobert hatten, z0g er fogar perfünlich über die Alpen, 
um bem bedrohten Herrfcher Hilfe zu leiften. Doc Hat Liutprand 
nicht darum dieje Völker. und ihre Leiter ſich verpflichtet, um ſich 


2 Muratori, Annali IV, 273 fett ihn ohne recht durchichlagende Grünbe 
in bad Jahr 737. 

2 Sehr ausführlich über diefe heimifhe Sache Paul. VI, 51. 

3 Ed. Liutpr. 88: Modo vero ita prospeximus, ut si fuerit in Beneven- 
tum aut in Spoliti, habeat spacium dominus ejus in menses tres, quod si 
fuerit intra Tuscia, habeat spatium menses duo, et si fuerit iste parte Alpe 
mensem unum. 

* Prol. XI: Cum nostris judieibus tam de Austriae et Neustria et de 
Tusciae partibus. 

$S Ed. Liutpr. 108: Si per XXX dies pignera ipsa debitor aut fidejussor 
recollegere neglexerit, si in Neustria aut in Austria fuerent, amittat ipsa 
pignera; si vero in Tusciae partibus fuerit habeat spatium in dies LX. 

$ Paul. VI, 58: Maxima semper cura Francorum Avarımque pacem cu- 
stodiens, 


476 - 


wie etwa Grimoald, bei Gelegenheit ihrer e in ben inneren %s 
gelegenheiten des Reiches zu bedienen; im entheil fucht er We 
jede frembe Einwirkung möglicht auszujchließen, mit eigenen Kräfte 
das durchzuführen, was er als nothwendig erkannt bat. Aber ih 
hindern follen fie ihn in feinen Planen, fie jollen ihn in Italien g 
währen laffen. Denn auf Italien ift fein ganzes Streben gerichkt; 
bier dem herrfchenden Dualismus ein Ende zu machen, die neh 
griechifchen Befigungen feinem Reiche einzuverleiben, das ift es, wei 
als Hares, bewußtes Ziel vor feinem Geifte fteht. Und das off» 
bar nicht blos um der Eroberung, um des Landerwerbs will 
Mehr als einmal waren feit Droftulfs Tagen gerade Rom mh 
Ravenna die Stügpuntte der aufrührerifchen Herzoge gewefen; nad 
der Schwächung der kaiſerlichen Gewalt in Stalien ift es befonben 
der Pabft, der in fteter Verbindung mit allen unruhigen Elemente 
des langobarbifchen Reiches fich befinde. Darum vornehmlich wer 
es wefentlich, daß biefe Macht gebrochen wurde. War das ber Fell, 
wurde ganz Italien langobardifh, fo hatte die innere Lnzufriebes 
heit feinen äußeren Anhaltepuntt mehr und ſank ſchwach in fi we 
fammen. Dann wurde auch bie Yage der Herzoge von Beneven 
und Epoleto ganz von felbjt eine andere; dann gab es feine Gele⸗ 
genheit mehr, auf eigene Fauſt Kriege zu führen und durch bie ge 
wonnene Beute die Herzen der Menge zu gewinnen. Der änferm 
Kräftigung mußte mit Nothwendigkeit die innere folgen. 

Bis zum Yahre 729 waren fchon weſentliche Fortfchritte neh 
diefer Richtung hin gemacht worden. Mit der ihm eigenthimlices 
Art auf die gegebenen Verhältniſſe einzugehen, Hatte Liutprand den 
zwifchen Kaifer und Pabjt ausgebrochenen Bilderftreit zu nutzen ge 
wußt; gar nicht ald Feind trat er nun den Nömern entgegen, nem 
freundlih und milde, als Theilnehmer und Schüter ihres Glaubens 
fuchte er bei ihnen Eingang zu gewinnen. “Die unmittelbare | 
davon war bie freiwillige Uebergabe ! mehrer Städte der alten Pro 
vinz Aemilien, der Pentapolis und Oſimo's. Selbft Ravenna war 
eine Zeit lang in feinen Händen ?; und nun konnte es wefentlid 
nur noch auf eine Stadt anfommen, auf die melde einft der Sij 
der Weltherrfchaft geweſen, die felbft in ihrem tiefften Verfalle den 
Germanen noch fo gründlich imponiert hatte: auf Rom. Die Erwer 
bung Roms war die Bedingung für die Einigung Italiens. 
Im Jahre 729 ſchien Liutprand diefem Ziele nahe. Sein fiegreiches 
Heer lagerte auf dem neronifchen Geftlde 3; der Exarch den Langobarben 


2 Gesta pont. Rom. 90: Langobardis vero Aemilise castra Feronianım, 
Montebelli, Bononia, Verablum cum suis oppidis Buxo et Persiceto ‚, Pents- 
polis quoque et Auximana civitas se tradiderunt. 

® Maul. VI, 54: Eo tempore idem Liutprandus rex Ravennam obsedit: 
Classem ejus invasit atque destruxit; vgl. Muratori, Annali IV, 253; Troys, 
Cod. dipl. IV, 47. 

5 Gesta p. R. 90: Rex cum tota sua coborte in Neronis campum s#= 
cessit. Ad quem egressus pontifex eique praesentatus studuit ut potuit regis 


477 


verbunden, dem Pabfte entfchieden feindlich, Karl Martell noch nicht in 
das Intereſſe der Kirche gezogen, zudem wohl in Gallien befchäftigt, 
woher follte da Hilfe fommen? Daß Gregor II in biefer verzweis 
Lage nicht verzagte, daß er mit richtigem Takte das einzige 
ettungsmittel ergriff, wird immer bewundernswerth bleiben, fo fehr 
wir es auch vielleicht im Intereſſe der Langobarden, im Intereſſe Italienus 
bedauern mögen. Mit feierlihem Pompe zog er aus der Stadt in das 
Lager der Feinde und trat unerfchrocden vor den König bin, um ihn 
zur Aufhebung der Belagerung zu bewegen. Liutprand war durchdrun⸗ 
gen von der innigften Anhänglichkeit an die katholiſche Kirche, als deren 
-fichtbares Oberhaupt er den römijchen Bifchof verehrte !; Leider zeigte 
er fich jett nur zu jehr geneigt, ähnliche Gefühle auf feine Politik 
wirken zu laffen. Er legte Mantel und Schmud zu ben Füßen des 
Babites nieder und verſprach abzuziehen. So gieng durch verkehrte 
Frömmigkeit der entjcheidende Augenblid verloren. Wohl hat Liut- 
prand fpäter noch einmal Rom belagert, allein da unter ganz ande- 
ren Verhältniffen; denn fchon war das Band zwifchen der Kirche 
und den fränkifchen Herrfchern gefnüpft, das in der Folge den Lan⸗ 
gobarden jo verderblich werden ſollte. Und die vier Orte, welce 
damals wirklich bejegt wurden, Amelia, Orta, Bomarzo und DBieda, 
find noch von Liutprand felbjt dem Pabſte zurücgegeben?, wie er 
auch Ravenna und die Pentapolis nicht zu behaupten vermochte. 
Den letzten Anlaß zu jenen DBelagerungen Noms bot beide 
Male bie Unterftügung, welche der Pabit den Herzogen von Bene 
vent und Spoleto gewährt hatte. - Daß diefe, Romuald IL und 
Traſamund, im Jahre 729 dem Könige feindlich gegenüberftanden, 
—* wir ſchon aus den Geſetzen erfahren; hier findet ſich die Be⸗ 
ätigung. Liutprand war eben in Aemilien beſchäftigt, als er die 
Einmiſchung des Pabſtes in dieſe Angelegenheiten vernahm. Schnell 
ſchloß er mit dem Patricius Eutychius *, den er eben noch bekämpft 
hatte, einen Bund: dieſer follte Rom bedrängen, er perfönlich die 


mollire animum commonitione pia, ita ut se prosterneret ejus pedibus et pro- 
mitteret se nulli inferre laesionem. Atque sic ad tantam conpunctionem plis 
monitis fiexus est, ut quae fuerat indutus exueret et ante corpus apostoli 
poneret, mantum, armilausium (armillam) balteum, spatam atque ensem deau- 
ratum, necnon coronam auream et crucem argenteam. 

ı Ed. Liutpr. 33: Hoc autem ideo adfiximus, quia Deo teste papa 
urbis Romae, qui in omni mundo caput ecclesiarum Dei et sacerdotum est, 
per suam epistolam nos adortavit. 

2 Gesta p. R. 92. 

8 Siehe auch Muratori, Annali IV, 257 ff. 

* Gesta p. R. 90: Eo vero tempore (ind. 12; 729) saepius dicti Euty- 
ehius patricius et Liutprandus rex inierunt consilium nefarium, ut congregatis 
exercitibus rex subiceret ducem Spoletanum et Beneventanum et exarchus 
Romam, et quae pridem de pontificis persona jussus fuerat impleret. Qui 
rex Spoletum veniens susceptis ab utrisque ducibus sacramentis atque obsi- 
dibus, Romam secessit. Daß hier nit von einem bireften Bunde zwiſchen 
bem Babfte und ben Herzogen bie Rebe ift, erflärt fih aus ber Natur der Quelle, 


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Zrog dieſer für Yintprand günftigen Wendung entit 
neue, jchlimmere VBerwidlungen, die wir leider nur aus 
Driefe kennen lernen, den Gregor III Ende Mai des Jahres 
an Karl Martell richtete. Darnach hatte Liutprand 738 die Her 
zoge von DBenevent und Spoleto zur Theilnahme an einem Kriege 
zuge gegen den Pabft aufgefordert, jene aber die unter 
bem Vorwande verweigert, daß fie einen befonderen Bertrag mit ber 
heiligen Kirche abgefchloffen. „Darum“ — heißt es weiter — „wi 
be das Schwert der Könige Yiutprand und Hildeprandb ” gegen fir. 
ie genannten Herzoge waren zwar bereit und find es noch, ned 
der alten Gewohnheit zu gehordyen; aber bie Könige find Kartnädig 


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2 Maul. VI, 54 ff. iR ungenau. 

8 Cod. dipi. III, 612: Temporibus domni viri gloriosi Transmundi. 

5 Gesta p.R. 91: Hujus (Gregor? HI) temporibus Galliensium castrum 
recuperatum est, pro quo cotidie expugnabatur ducatus Romanus a ducata 
Bpoletino, dans pecunias non parvas Trasimundo duci eorum. 

* Paul. VI, 55. Ob ber Herzog Audelaus, ben das Chronicon 8. Be- 
phiae erwähnt, etwa in biefer Zeit bie Herrihaft an ſich zu reißen fuchte, 
bleibt unentfchieben. 

®Waulus a. a. D. erzählt diefe Vorgänge erft nad ber Einſetzung bei 
Hilderich in Spoleto. Falſch. Das Richtige ergibt ſich aus Folgendbem. 738 
mußte Gregorius ſchon geftorben fein; benn gewiß war nicht er, ber Ber: 
wanbte bes Könins, mit dem Pabſte verbündet, fondern fein Nachfolger Gott: 
ſchalk, der ganz ohne Liutprands Beftätigung ſich aufgeworfen zu haben fcheint. 
Nun herrfchte aber Gregorius nah Paul. VI, 56 fieben Jahre, von 738 ab: 

esogen macht 731 oder, wenn man bedenft, bag Paulus fiet nur volle 
Jahre nibt, vielleicht 732. Der letzteren Meinung ift auch Troya, anbere wol: 
en 733, Murstori, Annali, IV, 263 läßt die Sache unentfchieden. Die vom 
Hunuft 732 datierte Urkunde des Bregorius, Cod, dipl. IN, 575 ff. Tann nidts 
beweifen, ba fie offenbar unccht ift. 

7 Cod. dipl. Ill, 668 ff.; Leo, Stalien I, 180; Waig, Deutfche Verfgeſch. 
111, 77 fi. 

? Der Lebtere war feit Anfang 736 zum Mitregenten erhoben. 


479 


und ſuchen eine Gelegenheit, jene und uns zu verderben. Deshalb 
berichten fie Eud) Falſches, um die fehr edlen Herzoge ab- und ftatt 
berjelben ihre fehr üblen Herzoge einzufegen“. Das ift römijche 
Auffaffung; doch fehen wir ſelbſt aus ihr, wie vollwicdhtigen Grund 
Liutprand hatte, gegen die Empörer einzufchreiten. Er drang mit 
Glück gegen fie vor, fhon am 15. Juni finden wir ihn in Spoleto 
felbft ', wo er dem Kloſter Farfa alle feine Beſitzungen bejtätigt 
und den Mönchen die VBergünftigung ertheilt, nach dem Tode eines 
Abtes ſelbſt die Wahl des neuen vorzunehmen. An die Stelle bes 
nad) Rom entflohenen Zrafamumd ? fegte er ben Hilderih. Daß 
Benevent anf diefem Zuge erreicht worden fei, ift mir nicht wahr- 
ſcheinlich; wenigſtens behauptete hier Gottfchalf, der nad) dem Tode 
des Gregorius fih zum Dur aufgerworfen hatte, unbeftritten die 
herzoglihe Würde. Im Auguft des Jahres war Lintprand ſchon 
wieder in Pavia. 

Ym December 739 erwähnt noch eine Urkunde den Hilderich 
als Herzog von Spoleto?. Schon aber hatte der raftlofe und un- 
ermüdlihe Zrafamund die Römer zur Hilfeleiftung beiwogen und 
brach mit zwei Heeren in das Herzogthum ein. Raſch Hinter ein— 
ander ergaben ſich ihm die verfchiedenen feiten Pläte, noch vor dem 
Schluß des Yahres zog der Vertriebene in feine Hauptjtabt ein *, 
im Sammer ift er überall al8 Dur anerfannt. Näher als je 
Scheint er mit den Intereſſen der römifchen Kurie verfnüpft. Bald 
aber follte fich zeigen, wie wenig die jo Verbundenen fich gegenfeitig 
trauten. Traſamund hatte vor feiner Zurüdführung fich anbeifchig 
gemacht, den Römern zur Wiedereroberung der ihnen von Liutprand 
entriffenen Städte behilflich zu fein, auch einiges andere verfprochen. 
Im Befite der Macht zögerte er, feine Zufage zu erfüllen. Dar⸗ 
über entrüftet und zugleich in Furcht vor dem heranrüdenden Heere 
des mächtigen Liutprand fieng Zacharias jett plöglid an, mit dem 
Letteren zu unterhandeln. Dieſer verſprach die Rückgabe des Er⸗ 
oberten und wendete jo mit einem Schlage die ganze Lage der Dinge. 
Die treulofe Politit des Pabſtes wendete ſich gegen ihren früheren 
Verbündeten: vereint rückten Zangobarden und Römer gegen Traſa⸗ 
mund heran. Beftürzt wie er war vermochte dieſer nichts befjeres 


2 Cod. dipl. III, 659 ff. 

2 Gesta p. R. 92: Zacharias invenit totam Italiam valde turbatam si- 
mul et ducatum Romanum, persequente Liutprando Langobardorum rege ex 
occasione Trasimundi ducis Spoletani, qui in hac Romana urbe eodem rege 
persequente refugium fecerat. Et dum a praedecessore ejus b. m. Gregorio 
papa atque ab Stephano quondam patricio et duce vel omni exercitu Romano 
praedictus Trasimundus redditus non fuisset, obsessione facta, pro eo ab 
codem rege ablatae sunt a Romano ducatu civitates quattuor. Et sic isdem 
rex ad suum palatium est reversus per mensem Augustum ind. 7. 

3 Cod. dipl. II, 675 ff. 

* Gesta p. R. 92. 

° Daß zeigt die Urkunde Cod. dipl. III, 677, fon angezogen von Mu- 
ratori, Annali, IV, 279. 


f 
# 
af 








jegt michte 
fegt und erkin 
bereitet hate '. 

Und dies 
Thal wagte mich, 
er beicloß nadı Örieipenlanb zu | 
weißes ihm nad) Zoritantinsne mit 
milie und iemen Zchägen bereit, eben wollız er es telbir befteign; 
da erhob fih das Zolf, wie e& heikt in treuer Eri an ka 
angeltanmten Herzog, und ermordere den liiurmeror. Un jew 
Stelle fegte Yintprand den, welchen die Menge begehrte, Gijuff, ka 
Eohn Romualds IL3, denielben, welcher icdjen einmal furze Zeit la 
den Tufat verwaltet hatte. Durch periönlibe Zohlthaten mode 


er ihn fich verpflidytet glauben. Tiefe Creigniite fallen zwij 
Februar und November be Jahres 712 ®. 

ährend der Zmilheneit (eint Spolete uubeiegt gewefen 
Wenigſtens finden wir am 12. November 742 den König 


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Geſchenkte. Eben jegt reftituierte er auch der römiſchen Kirche meh 
der ihr entriffenen Patrunonien ®, einige von ihnen, wie das je 
nenfiihe und narnienfijche aus dem Gebiete von Spoleto. 

Etwas fpäter wurde ein Neffe des Könige mit Namen Agipres 


I Gesta p. R. 92; Panl. VI, 57. 
, 8 Maul. VI, 57: Cum vero Beneventum properaret Liutprandus, G 
desesleus audito ejus adventu navem conscendere atque in Graeciam fagem 
molitus est. Qui postquam uxorem et cunctam supellectilem suam in navem 
inposuisset et novissime ipse adscendere vellet inruentibus Beneventanis G 
sulfi fidelibus exstinctus est. 

® Maul. VI, 55, 58. 


* Tas erfehen wir aus ben Urfunden. Die letzte echte von Gottſchall 
ift aus dem Februar 742, Cod. dipl. III, 683; bie erfte echte Giſulfs am 
bem November beflelben Fahres, Cod. dipl. IV, 105. Die Cod. dipl. IV, 
94 und IV, 103 ftehenden find gefälfcht. 

® Cod. dipl. IV, 112: Donamus atque cedimus tibi molinum unum is 
Auvio, qui percurrit prope muros civitatis nostrae Reatine. Necnon et o0® 
firmamus tibi medietatem casalis in loco qui dicitur Pontianus, quam tibi 
jam antesa concessimus et minime nostrum emissimus praeceptum, sicut tibi 
jpsum molinum et medietatem casalis Lupo actionarius noster tradere visus eg. 


© Geste p. R. 92: Nam et Sabinense patrimonium, quod per annos 
prope triginta fuerat ablatum atque Narniense, etiam et Auximanum atget 
Anchonitanum necnon et Numanatense et vallem, quae vocatur magna, sitam 
in territorio Butrino, per donationis titulum ipsi beato Petro apostolorum 
principi reconcessit. 


481 


bier zum Herzog gemacht !, vielleicht eben der, welcher früher als 
Dur von Chiuſi erwähnt wird?. 

Doch vermochte er fich nicht allzulange zu behaupten. Traſa⸗ 
mund muß auf irgend eine Weife aus dem Klofter, in welches man 
ihn gefteckt hatte, entfommen fein und ſich noch einmal der Herrfchaft 
bemächtigt haben. Im April 744 wird er in einer Urkunde für 
Farfa wieder als — erwähnts, neben ihm als Gaſtalde Pikko. 
Aber auch er mußte bald wieder weichen: ob, wie Troya meint, 
Agiprand ihn vertrieb, wiſſen wir nicht. Dagegen fcheint es fchon 
im Februar 745 gar feinen Herzog in Spoleto gegeben zu haben *, 
in November deifelben Yahres war e8, wie uns ficher bezeugt ift, 

upo 5, 


So hat Liutprand mehr als einmal die getrennten Yandfchaften 
zur Reichögemeinfchaft zurücgeführt; er hat in ihnen Herzoge ein- 
und abgejett, wie fein anderer König vor oder nad ihm. Bei der 
Wahl der nenen leitet ihn namentlich) das verwandtfchaftliche Inte⸗ 
reffe: die ihm ergebenen Nepoten Gregor und Agiprand erhalten die 
wichtigften Stellen. Ob er aber hier alles gethan, was hätte ges 
fchehen können, diefe Frage drängt fi) wohl unwillfürlich jedem auf, 
wenn man fieht, wie der zweimal verjagte Trafamımd fchlieglich doch 
noch einmal mächtig fein Haupt zu erheben vermag, wie in Benevent 
nach mancherlei Verfuchen endlich doch dem Sproß des alten Her- 
zogsgeſchlechts die herzogliche Würde übertragen, und fo gleichjam 
deren Erblichfeit fanktioniert wird. So etwas zeigt klar, dag es zu 
einer feften, dem Königthume entfchieden günftigen Ordnung hier 
noch nicht gefommen ift, daß Benevent und Spoleto noch immer in 


2 Maul. VI, 57: At vero Liutprandus Spoletum perveniens Trasemuu- 
dam ducatu expulit eumque clericum fecit. Cujus in loco Agiprandum suum 
nepotem constituit. | 

2 Gesta p. R. 92: Rex misit in ejus (papae) obsequium Agiprandum 
ducem Clusinum nepotem suum. So würde zugleich unſere Annahme einer 
Bafanz in Spoleto fehr unterftüßt werben; denn diefe Begleitung wurde bem 
Pabſte ſchon ziemlich lange nad) Traſamunds Gefangennahme gegeben. Sehr 
Iehrreich für diefe ganzen Verbältniffe find die Ausfagen mehrer Perfonen, 
welche im April 788 von Inſarius, dem Miffus bed Königs Rachis, nach dem 
Befigtitel ihrer Grundftüide gefragt werden; Cod. dipl. IV, 248: Prosentes 
fuerunt Theodepertus et Martinianus actionarii, quando b. m. Liutprandus rex 
pius ad 8. Heleutherium precessit (praecepit?) Picconi, ut nobis continen- 
tiam faceret et posteaquando Agiprandus dux, dum esset in valle Cassia, de- 
mandaret Picconi, ut nobis de ipso gualdo alicubi foris de una parte daret 
casales; Cod. dipl. IV, 245: De altero autem casale, quem dicebat Pardus 
presbiter de S. Jacintho, quod domnus Liutprandus rex dopasset in ipsa tasilica. 

5 Cod. dipl. IV, 148. 

+ Sn der Urkunde vom angeführten Datum, Cod. dipl. IV, 159 heißt 
e3 abweichend von ben fonftinen Gebraudhe nur: Temporibus V. M. Picconis 
gastald. civit. Beat. was ſchon Fatteschi zu der im Terte gegebenen Annahme 
beivonen hat; fiebe Troya, Cod. dipl. IV, 1589 n. 2. 

Cod. dipl. IV, 187: Temporibus domni Luponis gloriosi et summi 
ducis de gente Langobardorum anno ejus in Dei nomine primo. 





483 


nun unter Herzogen, welche unter Gaftalden ftanden, fo tritt ung 
hier die Dürftigfeit der Quellen in hohem Grade Hinderlich entgegen. 
Die folgende Zufammenftellung wird daher mehr noch, als die frü- 
here der Bollftändigfeit entrathen, gar mandjes zudem, was in ihr 
gegeben, unficher und ſchwankend bleiben; trogdem mußte fie gewagt 
werden, follte das Verhältnis von Dukat und Gaftaldat in dieſer 
legten Periode des unabhängigen Langobardenreiches auch nur eini- 
germaßen zur Anfchauung gebracht werden. Ganz außgefchloffen 
find bei diejer Weberficht natürlich die Zerritorien, für deren Beur⸗ 
theilung in unferer Frage ſich gar Feine Anhaltspunkte finden, ba es 
ja bier nicht darauf ankommen konnte, einen Begriff von dem räum⸗ 
lichen Umfange der Herrjchaft zu geben. 


Herzogthümer: Köuigliche Gaſtaldate: 
Friaul Treviſo 
Ceneda Parma 
Vicenza Piacenza 
Verona Reggio 
Breſcia Bergamo 
Ivrea Lodi? 

Lukka Genua 
Florenz (7) Albinganum 
Chiuſi Varikottis 
Spoleto Saona 
Benevent Luni 
Fermo -Biftoja > 
Modena Siena 
Rimini Arezzo 
Oſimo Toskanella“* 
Ankona Volterra 
Frignano ® 


Kaſtel Felicità © 

2 Ob Florenz ſchon in ber rein langobardiſchen Zeit Mittelpunkt eines 
Herzogthums, vermögen wir nicht zu erfennen; fiher war es im Jahre 784 
der Fall. Val. den Brief des Pabſtes Hadrian an Karl den Großen bei Cenni, 
Monumenta dominationis pontificiae I, 437: Invasionem, quam Gundibrandus, 
dux civitatis Florentinae, in eodem monasterio ingerit, emendare jube- 
mini (jubeatis ?). 

2 Taufchvertrag zwiſchen Anfilyerga uud Natalia vom 10. Sept. 761, 
Cod. dipl. V, 136: Natalia clarissima conjuge Alechis V. M. gastaldii regis, 
jpso jugale suo consentiente, et Pelagia dicata dei abbatissa monasterii sancti 
Johannis, que sito est intra civitatem Laudersi. 

5 Wrfunde vom 20. Sept. 716, Cod. dipl. IL, 255: Ego Eldept in 
civitate Pistoriensi gastaldus. 

* Gesta p. R. 92: Ramingum gastaldum Tuscanensem. 

s Schenkungsurkunde für St. Julia in Brefeia vom Jahre 767 bei Mu- 
‚ratori, Antiqq. II, 219: Piscarie sortis nostras, que ex integro in loco ubi 
.nuncupatur Rio Torto, terreturio Feronianensi per designatas locas, idem de 
uno lanterio, quod tenet fine inter ipsis donanti et Martino gastaldius. 

6 Brief Hadriaus an Karl aus dem Jahre 776, Cenni I, 837: Interea 






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leijten Betten. 
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tate dux esse vidstur.. Tas ‘dudum’ nötbigt doch wohl, für WReginalb's 
Gaftaldat auf die Zeit vor bem Jahre 774 zurüdzugehen. ' 

! Ed. Liutpr. 83: De omnibus judicibus quando in exercito ambolare 
necessitas fuerit, non dimittant alios homenis nisi tantummodo qui unum 
eavallo habent hoc est homines sex, et tollant ad saumas suas ipsos cavallos 
sex, et de minimis hominibus, qui nec casas nec terras suas habent, dimit- 
tant homenis decem, et ipsi ad ipsum judicem faciant per ebdomata una operas 
tres, usque dum Ipse judex de exercito revertitur. 

8 Ed. Liutpr. 825: Si quis causam habuerit et sculdahis suo causam 
direzerit. 

8 Ed. Liutpr. 81: Si quis homo cavallum perdederit aut aliam qualem- 
cunquse rem, vadat ad Judicem, qui in loco positus est ubi furtum factum 
fuerlt, et dicat ei omnia, qualiter ei contegit, et si judex neclectum fecerit ad 
Inquirendum Ipsum furtum etc. 

* Kd. Liutpr. 25: Si ipse sculdahis ei (causanti) justitiam intra 
quattuor dies facore neclexerit, tunc conponat ei, qui causam suam reclamarit, 
Ipse souldahis solidos numero sex et judiei suo similiter solidos sex. BE 
si forsitan ille, super quem reclamavit, infirmus est, aut pro utilitatem suam 
in alla civitatom easo nuscitur, expectit eum dum revertitur aut de infirm+ 
tate aua convalecit. Si voro talls causa fuerit, quod ipse sculdahis delibe- 
raro menimo poasit, diregat ambas partes ad judicem suum, et si judex ejss 
causam ipsam dilataveorit ot intra Sex dies inter eos per legem non judier 
verit, couponat illi qui reclamavit solidos numero duodicem. Si neo judex 
ipse deliberare non potuerit, diregat intra duodicem dies ambas partis in pre 
sentia regis; nam si aliter fecerit ipse judex, et intra duodicem dies, ut die 
tum est, justitiam non invenerit qui proclamarit, tane conponat ei ipse jeder 
solidos numero XII et regi sit culparelis solidos XX; vyl. Ed. Liutpe. 26. 


485 


anderen Bezirke ſich aufhielt. Wagte aber der Stuldahis Yeinen 
Sprud, weil er den Vorfall für zu bedeutend hielt, fo hatte er beide 
Parteien an den Juder zu fenden, der gehalten war, fie innerhalb 
eines Zeitraumes von ſechs Tagen vorzunehmen. Ergab ſich hier, 
daß die Sache auch über feine Kompetenz hinausgieng, fo mußten 
Mäger und Bellagter binnen zwelf Tagen vor das Gericht des Kö- 
nigs geladen werden, um hier ihr endgiltiges Urtheil zu empfangen. 
Waren die Parteien aus verfchiedenen Civitates, fo lag das Gericht 
bei dem Juder des Beklagten, an den fich der ‚Kläger mit einem 
Briefe des ihm Vorgeſetzten zu wenden hatte !. 

Ausgebildet haben ſich vor allen Dingen die Gefchäfte der Po- 
fizeiverwaltung; bier ift denn auch die Macht der Audices am Mei- 
ften gewachſen. So liegt ihnen zunächſt die Perfonalfontrole ob. 
Wurde jemand durd Krankheit verhindert ?, nach dreijühriger Abwe⸗ 
fenheit in feiner Civitas wieder einzutreffen, fo foll er durch den 
Fuder davon Meldung machen, deifen Stelle hier aber auch wohl 
durch einen bejonderen Boten vertreten fein Tann. Umgekehrt mußte 
jedes verdächtige Individuum, das fich in einer fremden Yudiciaria 
fand, jtet8 vor den Yuder gebracht werden; diefer hatte es zu un⸗ 
terfuhen ımd, wenn er in ihm einen ‘Dieb oder einen entlaufenen 
Sflaven erkannte, in feine Heimath zu befördern. Vor dem Yuder 
fol ein amund reigelaffener, der nachher nur aus gutem Willen 
noch feinem früheren Herren geholfen, öfter feine Freiheit fund thun, 
damit er von jenem nicht fpäter zu Dienftleiftungen herangezogen 
werden könne“; der AYuder hat Wahrfager und Hexen aufzufpüren 
und feine Unterbeamten durcd einen Eid auf das Evangelium zu be= 
ſonderem Fleiß und Eifer in diefer Beziehung zu verpflichten ®. 


ı Ed. Liutpr. 27: Siquis in aliam civitatem causam habuerit, vadat cum 
epistola de judice suo ad judicem qui in loco est. 

2 Ed. Liutpr, 18: Si quis negotium peragendim vel pro qualicumgue 
artificio intra provincia vel extra provincia ambolaverit et in tres annos 
regressus non fuerit, et forsitan infirmitas ei emerscrit, faciat scire per judi- 
cem aut per missum suum. 

5 Ed. Liutpr. 44: De servus fugace et advena homine si in alia judi- 
ciaria inventus fuerit, tunc deganus aut saltarius qui in loco est conprehen- 
dere deveat et ad sculdahis suum perducat, et ipse sculdahis judici suo con- 
signet. Et ipse judex potestatem habeat eum inquirendum unde ipse est, et 
si inventus fuerit quod servus sit aut fur, mox mandet ad judicem aut ad 
dominum ejus, unde ipse fuerit. Si autem post inquisitam causam ipse homo 
qui conprehensus aut inquisitus fuerit liber aparuerit,, nulla sit culpa ei, qui 
eum presit aut inquisivit. 

* Ed. Luitpr. 55: Si quis servum suum fulfrealem thingaverit et amund 
a se fecerit, et postea ipse libertus voluntatem patroni sui fecerit, manefes- 
tare deveat libertus ipse libertatem suam sepius judici vel ad vicinos suos, 

5 Ed. Liutpr. 85: Si quis judex aut sculdahis atque saltarius vel de- 
ganus de loco ubi arioli aut ariolas fuerit neglexerit amodo in tres mensis 
eos exquirere etc. Et ita volumus atque precepimus, ut unusquis sculdahis 
et saltarius atque deganus jurare debeat judici suo ad sancta Dei evangelia, 
quod in ists causa nullum neclictum ponant. 


D. 32 


486 


Weiter liegt auch bie Strafpolizei in ihren Händen. See 
uber mußte nach einer ausdrüdlichen Beſtimmung Liutprande?! a 
feiner Civitas ein unterirdifches Gefängnis haben, um darin einm 
lige Diebe auf zwei ober drei Jahre einfteden zur können. \ym 
Rückfalle follte er fie feheeren, peitfchen und ihnen Zeichen auf dx 
Stirn und das Geficht brennen; wenn fie auch fo. nicht gebeſſen 
würden, fie außer Landes verlaufen und den Erlös fir fich fel 
behalten. Das Lestere durfte er auch bei Zauberern und Hem 
thun, welche er felbft entbedte; dagegen empfieng er nur die Hälfe, 
wenn ihm einer feiner Sfuldahis Anzeige davon gemacht hatte ?. 

Endlich aber vertreten die Judices den König auch in fe 
alfgemeinen Schußgewalt: Frauen und Waiſen find ihrer befonderen 
Sorge empfohlen. Sie follen beide nur in Gegenwart eines Juder 
von ihrem Eigenthume verfaufen dürfen ®, es ſei denn daß dieſer 
im legteren Falle ein königlicher Miſſus, im eriteren die Verwandta 
der Frau vertreten. Vor dem Yuder* follen Unmündige die ihme 
zufalfenden Erbfchaften mit Brüdern oder anderen Verwandten the 
Ien, in ihren Sachen wird jenem gerechtes Handeln zur einer befow 
ders heiligen Pflicht gemacht, auch foll er bei jedem Vorfall de 
Verwandten des betreffenden Kindes hinzuziehen ®. 


ı Ed. Liutpr. 80: Ut unusquisque judex in civitatem suam faciat car 
cirem sub terra, et cum inventus fuerit fur, ipsum furtum conponat, et eor 
praehindat eum et mittat in ipso carcire ad annos duo vel tres et poste 
dimittat eum sanum Et si postea iterum ipse in furto tentus fuerit, decalrit 
eum et cedat per disciplinam, sicut devit furonem et ponat ei signum ia 
fronte et faciae, et si nec sic emendare voluerit et postea ipsas diatrictiones 
iu furtum tentus fuerit, vindat eum forie provincia et habeat sibi judex pra* 
tium ipsius. 

2 Ed. Liutpr. 85: Si per judicim inquisiti aut inventi fuerent (ariel 
aut ariolae) sine noditia de sculdahis, tunc habeat Ipse judex potestatem foris 
provincia eos vindendum et pretium sibi tollendum atque habendum. Nen 
si per sculdahis inventi fuerent, mediaetatem de ipso praetio tollat judex 
et mediaetatem sculdahis. 

5 Ed. Liutpr. 22: Si in presentia de ipsis parentibus suis mulier illa 
violentias aliquas se dixerit pati, non sit stabilem quod vindederit; nam si 
in presentia parentuum suorum vel judici qui in loco fuerit violentias se peti 
non reclamaverit etc.; vgl. Ed. Liutpr. 29; Ed. Liutpr. 151: Item de infan- 
tibus, qui intra aetatem sunt et necessitatem majorem habent et a fame mo- 
riuntur, conparuit nobis ut dum tempus fames fuerit licentiam habest eım 
misso principis aut cum judici suo de terra aut de rebus suis vindere. 

* Ed. Liutpr. 74: Si infans dum intra aetate est res suns cum fratri- 
bus aut cuın parentibus suis dividere voluerit, aut si ipsi cum ipso infante 
dividere voluerint, facist judici noditiam, et ipse judex faciat venire parentes 
ipsius etc. 

5 Ed. Liutpr. 75: Si infans dum intra aetatem est et causam habuerit 
cum qualemeungue hominem, similiter faciat judex parentis ipsius propinquos 
venire et accedat aput locum cum ipsis parentibus et deliberit causam ipsam 
per justitiam et faciat noditiam, in quorum presentiam causam ipsam delibe 
ravcrit et judicatum suum emittat, ut ipse qui causam suam querit non per- 
dat justitiam suam eo, quod ipse infans intra aetate esse vedetur. Judex 
autem quomodo ordinaverit aut qualiter fecerit causam in his capitulis de 0 


487 


In allen diefen Angelegenheiten konnte übrigens der Beamte, 
wenn er verhindert war perfönlich zu erfcheinen, Miſſi! abfenden, 
welche dann feine Gewalt im vollen Umfange übten. Dagegen gab 
ed regelmäßige Stellvertreter deſſelben nirgend. 

Für bloße Amtsvergehen wird, wie früher der ‘Dur, fo jet 
der Yuder nicht durch Abfegung, fondern nur durch Geldbußen be- 
jtraft, wie er hinwiederum aus der Unachtfamfeit feiner Unterbeam- 
ten pefuniäre Vortheile zieht. Beide Fälle fommen namentlid in 
der gerichtlichen und adminiftrativen Thätigfeit vor. So hatte der 
Skfuldahis?, welcher feinen Spruch über eine ihm vorgelegte Sache 
länger als zehn Tage hinausjchob, ſowohl dem Kläger wie feinem 
Juder ſechs Solidi zu zahlen. Zeigte im weiteren Verlaufe diefer 
fih nadläflig, fo gab er zwelf Solidi an den Kläger und zwelf an 
den König; urtheilte er gar gegen das Ebift®, fo fteigerte fich auch 
die Buße für den Erfteren auf zwanzig Solidi. Gab e8 fein Geſetz 
für den einzelnen bejtimmten Fall, fo durfte der Judex trogdem nad) 
feiner individuellen Anficht entfcheiden, und er war nichts jchuldig, 
felbjt wenn diejelbe nachher als falfch anerkannt wurde; doch mußte 
er dann unter Umſtänden dem Könige einen Eid leiften, daß er 
nicht böswillig oder beftochen fo geurtheilt habe. Hinmwiederum war 
der, welcher bei einen geſetzlichen Spruche des Juder nicht ftehen 
bleiben wollte, fondern fich weiter an den König wendete, jenem zur 
Zahlung von zwanzig Eolidi verpflichtet. Verfäumte ferner der 
Skuldahis die Anzeige eines fremden Individuums, fo hatte er vier 
Solidi zu zahlen an den Judex, vernacdjläffigte diejer feine weitere 
Pfliht, fo büßte er dem Könige mit zwelf Eolidi*t. Beſonders 


qui intra aetate est habeat retribotorem Deum omnipotentem sibe in bono 
sibe in malo, 

I Dieſe werben erwähnt Ed. Liutpr. 74: Judex aut per se ipsum aut 
per missum suum; Ed. Liutpr. 75: Missus ille, quem judex direxerit pro 
difüniendum causis. 

2 Ed. Liutpr. 25; 26. War aber der Kläger aus einer anderen Civitag, 
fo hatte der Yuder auch für Nachläffigfeit zwanzig Solibi an ihn zu zahlen; 
vgl. Ed. Liutpr. 27. 

5 Die folgenden Beſtimmungen alle in Ed. Liutpr. 28: Si quis causam 
babuerit, et sculdahis aut judex ei secundum Edicti tenore et per legem ju- 
dicaverit, et ipse stare in eodem judicio menime voluerit, conponat illi qui 
judicavit solidos XX; nam de ea causa, quae per arbitrium judicata fuerit, 
et ipse sibi non credederit legem judicassit et ad regem reclamaverit, non sit 
culpavelis. Et si judex contra legem judicaverit conponat solidos XL, me- 
dietatem regi et medietatem cujus causam fuerit. Et si forsitans judex cau- 
sam per arbitrium judicaverit, et judicium ejus rectum non conparuerit, non 
sit culpavelis, nisi preveat sacramentum regi, quod non iniquo animo aut 
corruptus a premio causam ipsam non judicassit, nisi sic ei legem conparu- 
issit et sit absolutas; nam si jurare non presumpserit conponat, ut supra 
dictum est. 

* Ed, Liutpr. 44: Bi sculdahis neclectum posuerit, conponst solidos 
VITI, medietatem judici suo et medietatem cujus causa est; si vero judex 
ad eum inquirendum vel mandatum faciendum, unde ipse homo est, distulerit 
conponat in palatio solidos XII. 

32% 


Im Großen und Ganzen werden wir jagen bürieı, bek 
feit6 zwar die Befugniife der Judices im Allgemeinen em 
fang und Bedeutung zugenommen haben, daß andererieitä 
auch ihre Serantwortiicheit, die ihnen angedrohte Strafe eine ander 
und härtere ijt als zu Rothari's Zeit. 

Aber nit nur in den einzelnen Civitates waren bie Indices 
von Wichtigkeit, auch in den allgemeinen Angelegenheiten des Rei 
ches fpielten fie eine große Rolle. So befonders auf den Reichsta 
gen, welche unter Yiutprand wohl regelmäßig an jedem erften Ma; 
zu Pavia abgehalten wurden?. Auf fie wartet der König’, um 
endgiltige Urtheile in Sadyen zu fällen, welde vorher wicht im ı Edilte 
berüdfichtige find; mit ihnen und, wie es ſcheint, allem wit ihmes 
werden die neuen (Sejee berathen, während die übrigen Freien hoch 
ſtens das Recht der Zujtimmung hatten *. 

Tiefer großen Bedeutung der Judices im öffentlichen Leben &xt 
Volkes entſprach die perfönliche Würdigung derjelben, die ihren vor: 


’ Ed. Liutpr. 85: 8i quis judex aut sculdahis atque saltarins vel de 
ganus de loco, ubi arioli aut ariolas fuerit, neglexerit amodo im tres mensis eos 
exquirere et invenire, et per alios homines inventi fuerint, tune compomst 
unusquis de locum suum mediactatem pretii sui, sicut supra legitur. Et si 

manefestatum fuerit, quod sciat judex aut sculdahis vel saltarius aut degamus, 
ubl ipsi arloli aut ariolas sunt et eos non condemnaverit, aut premium tolerk, 
aut quani causa pietatis vel pro qualicunque genio eos absolserit, tune mie 
gro wirigild suo in sacro palatio conponat. . 

2 Sicher bezeugt find fie und ans den Jahren 713, 717, 720, 721, 
7123, 124, 125, 720, 727, 728, 729, 731, 735; wahrſcheinlich auch für 733 
und 734. Man vergleiche bie Brologe. 

5 Prol. VIL: Venientis homenis in presentia nostra adduxerunt enusas 
inter se altercantes, que nec per usum fuimus certi ad terminandum, mec in 
Kdicti eorpore ante insertae; proinde praevidimus eas usque ad diem supra- 
seriptum Kalendarum Martiarum suspendere, dum usque nostri ad nos comjun- 
gerint jadeeis, et una cum ipsis certum ibi terminum deveremus impomere, 
unde postes nulla esset intentio, sicut et factum est, 

+ Prol. VIII: Quio etiam et judicis atque fedelis nostri de partibus 
Austrias et Neustriae nobiscum adfuerunt et haee omnis inter se conloeuti 
sunt et nobis renuntiantes nobiscum pariter statuerunt atque definierunt; et 
cum presentalitar fuissent capitula ista relecta, omnibus placuerunt et pre- 
ventis adsensum staiuerunt nobiscum, ut nihilominus per ordinem scriberentur. 
&iche auch Wendungen wie Ed. Liutpr. 118: Recolimus etiam quod statuimus 
eum nostris judicibus; Ed. Liutpr. 129: Quae inlecita nobis et cunctis no- 
nirin jJuricibus conjunctio esse paruit; Ed. Liutpr. 136: Ita nobis et nostris 
judieibus rectum parult esse; Ed. Liutpr. 137: Prospeximus cum nostris 
judielbung Kd. Liutpr. 188: Bed nobis et nostris judieibus hoc nullo modo 
plaeuit, Oder follten bier die Judices ala Beifiger bes föniglichen Gerichte 
zu faffen fein? Wenig wahrfcheinlich. 


He 


489 


züglichften Ausdrud in dem höheren Wergelde fand, welches das 
Doppelte von dem des einfachen Freien betrug '. Doch tritt fie noch 
weiter merkwürdig genug hervor. So war es dem Juder geftattet ?, 
die Deeta feiner Frau bis auf vierhundert Solidi zu erhöhen, wäh. 
trend die übrigen Langobarden höchſtens dreihundert geben durften. 
Auch fonft waren fie durch befondere Beſtimmungen geſchützt. Wenn 
in irgend einer Civitas° jemand eine Empörung gegen den Juder 
erregte, jo follte er mit dem Tode und der Konfisfation aller feiner 
Güter beftraft werden, feine Helfershelfer aber ihr ganzes Wergeld 
an den König zahlen, nicht zu gedenten des achtfachen Schadenerfates, 
der den Anhängern der Ordnung und des Nechtes für zerftörte oder 
bejchädigte Sachen gezahlt werden mußte. Nur ein ausdrüdlicher 
Befehl des Könige mochte ſolche Aufrührer entfchuldigen. 


Stehen in allen diefen bisher behandelten Verhältniffen bie 
Herzoge den Gaftalden völlig gleih, jo gibt es Himmwiederum doch 
einen Punkt, in welchem fie fi) auch jetzt noch unterfcheiden. Wäh- 
rend nämlich mit dem Amte ber Erjteren fortwährend ein bedeuten- 
der Grundbefig verknüpft blieb +, übten die Letteren als Beamte 
noch immer nur die Oberleitung über das fönigliche Gut aus ®. 
Daß ſolches meift in eben den Territorien fich befand, welchen Ga- 
ftalden vorgefettt waren, wird nad der früheren Entwidlung wohl 


I Denn ohne Zweifel find die Judices unter den Primi begriffen Ed. 
Liutpr. 62: Consuitudo est, ut minima persons, qui exercitalis homo esse 
invenitur, Ci, conponatur solidis, et qui primus est CCC solidis. 

®2 Ed. Liutpr. 89: Si quis conjugi suae metam dare voluerit, ita nobis 
justum esse conparuit, ut ille qui est judex debeat dare si voluerit in s0- 
lidos CCCC, amplius non, et reliqui novelis homenis deveant dare in solidos 
CCC, amplius non. 

8® Ed. Liutpr. 35: Si quis sine volontate regis in qualicunque civita- 
tem contra judicem suum seditionem levaberit, aut aliquod malum fecerit, vel 
eum sine jussione regis expellcre quesierit, aut alteri homines de altera civ 
tate contra aliam civitatem vel alium judicem, ut supra sine jussione regis, 
seditionem fecerint, aut eum expellere sine regis voluntate quesierint: tunc ille, 
qui in capud fuerit, anime sue incurrat periculo, et omnes res suas ad pu- 
plico deveniant; reliqui autem, qui cum ipso fuerint in malo consentientes, 
unusquisque conponat in palatio regis wirigild suum. Et si casa cujuscun- 
que bluttaverint, aut res eorum tolerint, qui cum palatio aut cum rege tenent 
et fidem suam cum judicem in palatio conservent: conponat omnes res ipsas 
cui eas tolerit in actogild, et widrigild suum ut supra diximus conponat in 
palatio. 

* Go erfcheint unter Defiberiug bäufig bie berzogliche Kurtis von Brefcia. 

5 Ed. Liutpr. 59: Si quis gastaldius vel actor curtem regiam habens 
ad gobernandum ex ipsa curte alicui ausus fuerit donare, aut si amplius, 
quam jussionem fuerit dare presumpserit, vel si requirere neglexerit quod 
per fraudem tultum est: omnia ipse qui hoc contra jussionem regis facere 
ausus fuerit, in dublum actogild conponat. Nam si per actorem fraus facta 
fuerit, et anten quam ad nostram perveniat noditiam fraus ipsa per gastal- 
dium inventa fuerit, habeat ipse gastaldius de conpositione quam actor cou- 
ponere devit partem tertiam et duas partes sint in curtis regia, 


40 


feiner weiteren Ausführung bedürfen; nur ansnafmeweife mochte «6 
vorfommen, daß ein Theil deſſelben in einer berzoglichen Civites 
lag. Aber jedenfalls ift doch der Fall denfbar, und da tritt um 
nothwendig die Frage nahe, wer denn die Auflicht über die Berwel: 
tung dieſes Krongutes führte. Sie ift erit mit Hilfe einer Urkunde 
vom Jahre 754 zu beantworten; doch werden wir dieſe um jo m 
bedenflicher ſchon hier anziehen dürfen, je weniger bie inneren Ber 
ahrtmilfe überhaupt feit Liutprands Tode ſich änderten. Nach ihr! 
hatte König Aiftulf den Herzog Alpert von Yulla beauftragt, de 
dortige königliche Kurtis bei einem Zaufchvertrage zu vertreten, ben 
diefelbe mit den Erben eines Malers Auripert abfchließen wollte. 
Daraus erhellt ein Doppeltes, ein Negativeg und ein Poſitives. 
Einmal nämlich, daß es feinen Gaftalden neben dem Herzog in ber 
Civitas gab, obgleich in ihr eine königliche Kurtis fi fand; dam 
aber, daß eben der Herzog es war, dem bie Funktionen des Gaſtal⸗ 
den in ſolchen Fällen übertragen zu werden pflegten. So find bi 
Stellen jet ganz eigenthümlich vertauicht: hat der eigentliche Pri⸗ 
vatbeamte des Königs im Laufe der Zeit alle Befugniffe des öffent 
fihen erhalten, fo Tann num auch diefer wenigitens zeitweife jenen 
vertreten 


Möglih, daß der König überbem die Gaftalden noch rafdıer 
wechſeln fonnte, als die Herzoge, welche Letteren noch immer auf 
Lebenszeit ernannt zu fein fcheinen. 

Das war aber auch alles, was die Duces noch voraus hatten; 
denn felbft zum Halten eines Gefolges waren, wenn ich nicht irre, 
die Gaftalden jet befugt. Auch äußerlich tritt nun dieſe Gleichheit 
hervor. Als Zacharias ? den Liutprand in Teramo verläßt, fendet 
ihm diefer neben dem Herzog Agiprand von Ehiufi, feinem Neffen, 
auch zwei Gajtalden mit, Tacipert und Raming, theil® als Ehren 
geleit, theils als Kommiffion zur Aufficht über die Rückgabe erober- 
ter Städte. Und merkwürdig ift es doch, daß, während früher in 
der Pabjtgefchichte einzig und allein von den Duces der Yangobarden 
die Rede war, feit Yiutprand an deren Stelle allgemeiner ftets nur 


ı Cod. dipl. IV, 536: Dum per jussionem domni excellentissimo Ai- 
stolf rege demandatum fuisset mihi Alpert duci seo et Walprand episcopi 


viganeum facere de res Aurifert pictori cum curte domni regi, ita et factum | 


est; p. 537: Unde aconsentientem venerabilis Walprand episoopus, et ar ipso 
ordinati fuissent ipsa commutationem faciendum Jordanni arcipresbiter, RB» 
chipert arcidiaconus et Auduaci scario et da parte curtis domni regi ab 
Alpert duce ordinati fuisset ad ipsa res extimandum Teupert scario, Tent- 
prand filio qud. Teppuloni et Grasulus negudias. 

2 Gesta p. R. 92: Rex misit in ejus (papae) obsequium Agibrandum 
ducem Clusinum nepotem suum seu Tacipertum castaldium in ejus obsequium 
et Ramingum gastaldum Tuscanensem atque Grimoaldum, qui eidem sancto 
viro usque ad praedictas civitates obsequium facerent easdemque civitates 
cum suis habitatoribus traderent. 

5 Gesta p. R. 90: Bpoletini atque hine inde duces Langobardorum 
eircumdantes Romanorum fines hoc praepediunt; eb.: Munera tunc hinc inde 
ducibus Langobardorum et regi pollicentes, 


491 


subices 1, oder in gleicher Bedeutung Satrapen und Optimaten vor- 
ommen. . 

So konnte e8 denn am Ende auc) ziemlich gleichgiltig fein, ob 
Liutprand in den neueroberten Städten, in Bologna und Ankona, in 
Dfimo und der Pentapolis, Herzoge oder Gajtalden einfegte. Wenn 
er das Erjtere vorzog?, wenn er den Weg verließ, den feine Vor—⸗ 
gänger eingefchlagen, jo erklärt fich das, wie ich glaube, einfach ge- 
nug aus der Art der Erwerbung, welche, wie wir oben gefehen, in 
friedlicher Weife vor fi) gieng und nirgend Anlaß zu einer Behand» 
Fan bot, wie fie die ligurifchen Küftenftäbdte durch Rothari erfahren 

atten. 

Daß aber dur eine ſolche Organifation das Herzogthum 
dauernd geſchwächt werden mußte, Tiegt in der Natur der Sache. 
Denn die Duces hatten ja verloren, was bie Gaftalden gewannen, 
zum Theil waren fie ganz weggefallen, zum Theil ihre Gebiete klei⸗ 
ner, überall ihre Verantwortlicykeit größer geworden. Der Schwer- 
punft der Regierung ift aus den einzelnen Xerritorien mehr und 
mehr nad) dem Mittelpunfte des Staates gezogen: der Tönigliche 
Hof erhält eine erhöhte Bedeutung. Wie das hier gebildete Gericht 
die höchſte Inſtanz für alle Proceffe im Reiche bildete," haben wir 
ſchon oben gefehen; jett betrachten wir noch befonders die Wirkſamkeit 
einzelner Hofbeamten, foweit diefelben als Miſſi in die Civitates 
verfendet wurden. Das war zuweilen auch fchon früher gejchehen ?; 
aber häufiger fcheint e8 doch erſt feit diefer Zeit geworden zu fein, 
wenn es auch bei den Langobarden nie zu einer ſolchen Regelmäßigkeit 
der Kontrole gefommen ift, als etwa fpäter unter Karl dem Großen, 
wenn andererjeitS auch die Thätigkeit des Sendboten immer nur auf 
den einzelnen Fall bejchränft blieb*. Aber von Liutprand war der 


I Gesta p. R. 94: Spopondit ipse Aistulfus cum universis suis judici- 
bus; eb. 97: Coram judicibus Langobardorum; Ut solummodo tres obsides 
Langobardorum judicum filios illi tradidisset; unb: Ipse vero Desiderius 
quantocius cum suis judicibus velociori cursu fugiens. 

2 Bon Rimini bezeugen es Geste p. R. 96: Michaelius scrinierius ip- 
sius ecclesiae profectus Arimino ad Mauricium ducem Ariminensem, von Dfimo 
und Ankona Geste p. R. 97: Hoabitatores ducatus Auximani et Anconitani. 
Dagegen wurde Perficetumn wahrſcheinlich zu Modena gefchlagen. Denn ber 
Auktor des Katalogd der Urkunden von Nonantula, ber einen Johannes ‘dux 
Persiceti et Pontis ducis’ nennt, ift doch minbeftens ſehr zweifelhaft. Ich bin 

erade geneigt, den Genannten für einen Herzog von Mobena zu halten; er 
bin in dieſer Stellung auch noch unter Karl dem Großen, aus deſſen Anfän- 
gen wir eine Urfunbe von ibm befigen,, bei Muratori, Antigg. II, 197 ff., wo 
von Nonantula gejagt wirb, es liege pago Perseceta, territorio Motinense; 
vgl. im Allgemeinen Muratori, Antigq. I, 151; 11, 200. 

5 Das einzige und befannte Beifpiel fällt unter Pertbari, der zur Ent: 
fheidung des fchon erwähnten Streites zwifhen Parma und Piacenza zuerft 
feinen S hwertträger Authechis und den Notar Aufo abgefenbet hatte; Cod. 
dipl. II, 538: Praevidimus missos nostros, idest Authechis spatarium et Au- 
sone notario nostro aput ipso loco dirigere. 

* Gut hierüber ſchon Muratori, Antigg. I, 453. 


492 


Königliche Miſſus wenigftens in das Edilt aufgenommen ', und alkı 
aus den Anfängen feiner Regierung find uns drei Beifpiele erhalte, 
welche bezeugen, wie häufig er denfelben in der Praxis benugte S 
wurde im Augujt 714 der Majordomus? Ambrofius nah) Tun 
gejendet, um ben Proceß der Bifchöfe von Arezzo und Siena abe 
urtbeilen; in derfelben Sache? ſaß am 5. Juli des folgenden dk 
res der Tünigliche Notar und Miffus Guntheram mit den Biſcheſe 
von Fiefole, Pila, Florenz und Lulfa in dem Dorfe Walari Ki 
Firenze zu Gericht; und im Februar 716 entfchied der königlich 
Notar Ultianus * als Miffus zwifchen den Bifchöfen von Lufta wi 
iftoja. 

en Woch wiederholen wir, daß es nur Auſtrien, Neuftrien mw 
Tuscien waren, wo die Verhältniffe fi) fo entfchiedben zu Gm 
ften des Königthums geftaltet hatten. Anders war es noch inne 
in Benevent und Spoleto. Hier hat aud Liutprand nicht gemagt, 
die althergebrachte Ordnung anzutaften, vielleicht weil er den Wider 
jtand nicht nur der Herzoge, fondern auch der Bevölkerung 

Die Folgen davon find nody unter feiner Regierung deutlich gem 
hervorgetreten; auch ſpäter machten fie fi) mehr als einmal zus 
Unglück det Langobarden geltend. 

Denn fo wie jegt haben im Allgemeinen diefe Verhältniſſe ge 
dauert bis zur Vernichtung der langobardijchen Selbftändigfeit durd 
Karl den Großen. Wohl hat Rachis im Einzelnen die Zügel der 
Herrſchaft noch ftraffer angezogen und namentlih bie Mbfeßbartei 
der Judices wegen Amtsvergehen eingeführt, wohl find auch die Her 
zoge von Benevent und Spoleto in vielfachen Kämpfen zu einer noch 
größeren Abhängigkeit gebracht worden; die Entwidlung im Großen 
und Ganzen ift mit und unter Liutprand abgefchlofien, und das, wie 
man fieht, weſentlich zum Vortheile des Königthums. Nicht innere 
Schwäche, fondern der Gang der äußeren Politit verbunden mit den 
durch die Kinderlofigkeit der Tetten Könige entftandenen Wirren in 
der Thronfolge hat bewirkt, daß das langobardiſche Reich in ver- 
hältnismäßig fo kurzer Friſt den Franken erlag. 





2 Ed. Liutpr. 151: Licentiam habeat (infans) cum misso principis aut 
cum judici suo de terra aut de rebus suis vindere. 

® Cod. dipl. III, 158: Dum ex jussione domini Liutprandi regis direc- 
tus fuissem Ambrosius illustris majordomus in partibus Tusciae. 

5 Cod. dipl. IU, 212: Residentes una cum misso excellentissimi domni 
Liutprandi regis nomine Quntheramo notario. 

* Cod. dipl. III, 249: Dum ex jussione domini precellentissimi Liut- 
prandi regis conjunxisse ego Ultianus notarius et missus domni regis etc. 


493 


Anhang 1 
Die niederen Beamten bei den Langobarden. 


Ganz allgemein werden alle diejenigen Beamten des langobar- 
difchen Meiches, welche dem Range nach unter den Gaftalden ftanden, 
als Aftores, Aktionarii oder Agentes des Königs bezeichnet. So be- 
fonders in den Schlußformeln der Föniglichen Urkunden ', deren wir 
Ihon früher einmal erwähnten: „Wir befehlen allen Herzogen, Ko⸗ 
mites und Gaftalden und unferen Aftoren“, oder: „Sein Herzog, 
Komes, Gaſtalde oder Aktor von uns möge e8 wagen, jemals gegen 
diefen unferen Erlaß anzugehen“. 

Im fpecielleren Sinne aber find Aftores oder Agentes des 
Königs die Verwalter der einzelnen Höfe des Krongutes ?, al8 ſolche 
alfo eigentlich Privatbeamte, den Gaftalden in ihrem Wefen ähnlich, 
nur in weit untergeordneterer Stellung als diefe thätig. 

Mit ihnen werden fie dann auch vornehmlich in der älteren 
Zeit gar häufig zufammengeftellt?, und manche der Befugnifie, 
welche wir für die Civitates in Rothari's Edikte jenen allein, nicht 
auch den Herzogen, vindiciert fanden, üben fie in ihrem kleineren 
Kreife; fo neben der eigentlichen Beforgung der Wirthfchaften * be- 
fonders die Eintreibung von Bußend. Wie die Gaftalden durften 


! Cod. dipl. III, 663: Damus in mandstis omnibus ducibus comitibus 
gastaldiis nostrisque actoribus, ut nullus eorum contra presentem tranquili- 
tatis nostrae munimen audeat ire quandoque; IV, 583: Et nullus dux comes 
gastaldus vel actor noster contra hoc nostrum firmitatis et concessionis pre- 
ceptum audeat in quandoque. 

2 Diefen Unterſchied hat ſchon hervorgehoben Hegel I, 468. — Solche 
Aktores Fonnten auch Private oder Korporationen haben; ein Beifpiel fir ben 
eriteren Fall bietet bie Dotationsurfunde für ein Hospital bei Lukka, ausge: 
ftellt vom Archipresbyter Siegmund und brei Gefindleuten ded Königs, Cod. 
dipl. III, 516: Offerimus ex omnibus, quidquid in ipsis partibus Tuaciae de 
genitrice nostra habemus, decima, its ut inibi Offerantur a nobis vel heredibus 
atque actoribus nostris; vgl. III, 533; für den Tepteren ift charafteriftifch die 
Verpflichtung eines gewilfen Gunbuald an Farfa, Cod. dipl. IV, 668: Profi- 
teor ıne ego Gundualdus suscepisse a vobis, Fulcoalde abbas monasterii 
sanctae Mariae, vel a cuncta congregatione monasterii vestri curtem vestram 
in Germaniciano in actionem una cum omnibus colonis ad eandem curtem 
pertinentibus, ita tamen, ut quanto tempore vobis placuerit ut actionem ve- 
stram in ipsa curte nominata tenere debeam; fiehe Hegel a. a. O. N. 3, 

3 Ed. Roth. 210: Si quis rapuerit aldiam aut ancillam slienam et in 
curtis regis duxerit, et sequens dominus aut quicumque ex amicis aut servis, 
et gastaldius aut actor regis autesteterit; Ed. Roth. 271: Si mancipius cujus- 
cumque in curtem regis refugium fecerit, et gastaldius aut actor regis ipsum 
mancipium reddere dilataverit. 

* Ed. Both. 375: 8i gastaldius aut quicungue actor regis post su- 
scepta aut comissas ad gobernandum curtis regis et causas regias. 

Ed. Roth. 8200: 8i maritus oxorem suam occiderit inmerentem, COn- 


I) 


494 


fie während ihrer Amtszeit nichts ohne die ausdrückliche Genehmi- 
gung des Königs erwerben !: e8 fcheint, als ob man auf diefe Weile 
Beftechungen vorzubeugen gefucht habe. Dagegen waren fie anderer: 
ſeits auch durch befondere Beitimmungen gejchügt: wer fie fchlug, 
feffelte oder tödtete, zahlte nicht nur ihnen oder ihren Verwandten 
die gewöhnlichen Bußen, welche auf derartige Vergehen an einem 
Freien feitgefet waren, fondern außerdem noch achtzig Solidi an 
die Königliche Kurtis?., Gegen die Meinung derjenigen, welche in 
ihnen Sklaven erbliden, habe ich mich ſchon oben erklärt; fie erman⸗ 
gelt jeglichen Beweiſes und wird durd alle Zeugniſſe, wie- befonders 
auch durch den Umftand widerlegt, daß nicht felten Aktores als Zen 
gen in den Urkunden genannt werdend. In der früheren Epoche, 
für welche uns bier das Geſetzbuch Rothari's als einzige Quelle 
dienen muß, find fie wohl den Skuldahis gleichgeftellt; auch dieſe 
werden, wie nachher noch näher zu zeigen ift, häufig mit den Ga⸗ 
ftalden verbunden. Doch glaube ich nicht, daß man deshalb auf ein 
völliges Zufammenfallen der Aftoren und Sfuldahis ſchließen darf; 
es jcheint vielmehr, als ob beide in ihrem Weſen eigentlich verfchie 
den, nur ihre Befugniſſe damals etwas in einander gefloffen feien. 
Dabei würde dann wieder jene privatrechtliche Auffaffung der öffent 
lichen Verhältniſſe hervortreten, auf die wir früher einmal aufmert 
fam gemacht haben, und die ja überhaupt in dem älteren germani- 
fhen Staatsleben eine fo bedeutende Rolle fpielt. 

Später fieng man offenbar an, hier genauer zu fcheiden: fchon 
in Liutprands Gefeken tritt dem Aktor des Königs *, dem Verwal⸗ 


ponst solidos mille ducentos, medietatem illis parentibus et medietatem regi, 
ita ut per actorem regis distringatur; et si parentes non fuerit, tune ipss 
conpositio et predicta facultas ad curtem regi perveniat; Ed. Roth. 272: Sit 
culpavelis ecclesine ipsius solidos XL, ita ut per actorem regis exegantur 
et in sagrum altarium, ubi injuriam facta est, ponantur.” 

° Ed. Roth. 375: Si gastaldius aut quicunque actor regis aliquid per 
gairethinx, id est donationem ab alio quemque factam, conquesierit, sit illi 
stabilem, si per preceptionem indulgentiae regis in eum fuerit confirmatum; 
slioquin quidquid, ut predictum est, post suscepta administrationem per gai- 
rethinx adquisiverit, ho® totum regi adquirat et non suum proprium nomine 
vindicet nec ipse nec heredis ipsius. 

2 Ed. Roth. 374: Si quis sculdahis aut actorem regis occiserit utilita- 
tem regis facientem adpretietur pro libero hominem, sicut in hoc Edictum 
legitur, et parentibus legitimis conponatur, excepto in curtem regis conponat 
qui eum occiderit solidos octugenta. Et si battutus fuerit aut legatus simi- 
liter conponatur pro liberum hominem aut secundum nationem suam, sicut in 
hoc Edictum constitutum est, excepto in curtem regis pro culpa solidos 
octugenta. 

3 Cod. dipl. V, 238: Signum + manus Magnefridi actor testis. 

* Ed. Liutpr. 59: Bi quis gastaldius vel actor curtem regiam habens 
ad gobernandum; Ed. Liutpr. 139: In nomine Domini noditis qualiter jubit 
domnus rex ad omnis actores suos, qui curtis ejus comissas habent; Ed. 
Liutpr. 140: Quoniam nec in rebus publieis nec ulla rationem palatii pro- 
fueret quod exinde actores nostri tollerunt, et insuper invenimus et cognorvi- 
mus multos actores nostros, qui tolliebant de singulis unde decem solidos, 


495 


ter des Krongutes, der Aktor Publitus !, auch wohl blos Publikus 
genannt ?, entgegen; ohne Zweifel umfaßt biefer Ausdrud die niede- 
ren richterlichen und Verwaltungsbeamten, von welchen der Juder 
als der höher Stehende getrennt wird. Ä 

Zugleich erjcheint für den Aktor des Herrfchers, und zwar na- 
mentlih in Urkunden, ein Iangobardifcher Name: Stario, urfprüng- 
lich fo viel als Scherge, Fronbote, Gerichtsvollftrederd. Die Iden⸗ 
tität beider ift allerdings nirgend beſtimmt ausgeſprochen; doch macht 
die ganze Stellung des Skario eine foldhe in hohem Grade wahr- 
ſcheinlich. Schon der erjte, deffen überhaupt Erwähnung gefchieht, 
Preto * wird in bejtimmte Beziehung zu einer königlichen Kurtis ge⸗ 
jet, und bei dem Zaufche zwifchen den Erben des Malers Auripert 
und dem herrichaftliden Hofe in Luffa tritt als Vertreter des Leß- 
teren neben dem Herzog Alpert der Stario Teupert entjchieden in 
den Bordergrund. Daſſelbe Diplom, welches uns davon Kunde 
gibt, deutet allerdings darauf hin, daß es auch Skarionen der Kirche 
gegeben habe; diefen würden dann die oben genannten Aftores der 
Klöfter entjprechen 6. 


unde sex, unde amplius; Lex Liutpr. 4: Unde precepimus, ut qui amodo 
inventus fuerit de servo aut de aldione vel abthin de curte nostra aliquit 
emere, ipsum perdere habet, sicut qui res alienas malo ordinem invadit; et 
si actor consenserit aut conscius fuerit, res ejus tollere et inpublicare faciat. 

2 Ed. Liutpr. 42: Si quis judex aut actor puplicus in qualicunqgue 
eivitatem aut locum inter homenis qui aliquam discordiam habent trewas 
tolerit. 

2 Ed. Liutpr. 56: Si quis alium de furto pulsaverit et per pugnam 
eum vicerit, aut forte per districtione a publico facta manefestata fuerit; 
Ed. Liutpr. 57: Si creditoribus suis omnes res suas dederit, vel a puplico 
intromissi fuerent; Ed. Liutpr. 63: Puplicus debeat eum dare pro servo in 
manum ejus, cui culpam fecit; Ed. Liutpr. 121: Puplicus deveat eum dare 
in manum mariti ejus; Ed. Liutpr. 143: Insuper et publicus in quo loco 
factum fuerit conprehendat ipsas mulieres et faciat eas decalvare et frustare 
per vicos vicinantes ipsius loci; Ed. Liutpr. 144: Si quis homo sciens al- 
dium aut aldiam suam, servum vel ancillam in casam cujuscumque esse aut 
copolatus aut aliter, et non eum requesierit aut per judice aut per publico, 
et non eum retulerit; Ed.Liutpr. 151: Si quis ex sua auctoritate terra aliena 
sini puplico wifaverit conponat solidos sex; Ed. Liutpr. 154: Dare eum de- 
beat publicus in manu ejus, cui istas causas inlecitas fecit. 

5 Grimm, Rechtsalterthümer S. 882. 

* Cod. dipl. DI, 207: Item Preto senex scario regis de curte que 
dieitur Sexiano dixit. 

s Cod. dipl. IV, 537: Unde aconsentientem Venerabilis Walprand epi- 
scopus et av ipso ordinati fuissent ipsa commutationem faciendum Jordanni 
arcipresbiteri Rachipert arcidiaconus et Auduaci scario, et da parte curtis 
domni regi ab Alpert duce ordinati fuisset ad ipsa res extimandum Teupertu 
scario, Teutprand filio qd. Teppuloni et Grasulus negudias. 

s Nicht in Betracht kommen bie Starionen und Abvolaten des Klofterd 
St. Bincenz am Bolturno, Cod. dipl. IV, 398; denn die Urkunde ift offenbar 
gefälſcht. Dagegen erfcheinen einfach Skarionen noch an folgenden Stellen; 
Cod. dipl. II, 293: Signum + manus Maurini scario traditoris; II, 485: 
Signum + ms. Teutpald vir. devot. scaro testis; IV, 440: Signum + manu 


496 


Zum man font wohl gemeint hat, daß die Starionen ni 
Auße Termuirer gewejen feien. jondern von diefen verfchiebene, * 
Seumte auf den Poren des Königs oder der Kirchen, etiwa den ſyr 
terea Bogten zu vergleichen ', jo beruhte das auf einer esart m 
Zinkte des Komge Aiftuif, welche jegt nicht mehr ale maßgeben 
betruchter werden fa. Nach der neuem Ausgabe von Baudi fi 
Seeme würde vielmeht miche der einfache Stario, fondern der Ow 
‚farto eine "ulhe Stellung einnehmen?. Diefer dürfte aber dem 
anh wohl noch eine vom jenem verjchiedene Bedeutung Haben. © 
rcheint numlich Fast, als bezeichne das Wort jemanden, welcher übe 
rn gemonniichen Starionen oder Aftoren jtünde, vielleicht in einem 
größeren Diſtrikte die Tberaufficht über diefelben führte. Und db 
fenbur mußte das Bedürfnis eines derartigen Beamten fich mei 
um) uhr geltend muchend, jeitdem die Befugniſſe der Gaftalden u 
fa dedeutendem Grade erweitert waren, daß fie ſich ihren frühere, 
eigentliche Seichüften doch mar im ſehr befchränkter Weife widmen 
konnten. Die Eriſten; des Oveſtario ijt übrigens um fo geficherter, 
ale wir ihm auch in Urkunden begegnen 3. 

Zu den Altoren gehörten wohl aud die Stanfarben + oder 
Skaffarden. vom welden einer im Dienfte des Herzogs Piutprand 
von Benevent, ein anderer in dem der Königin Anja genannt wird. 
Leder die eigenthümliche Bedeutung des Ardiporfarius in Spolete 
dade ich bereits gefprochen. 


Gehen wir von diefen Beamten, welche doch immer mehr den 
Privatintereſſen der Könige zu dienen beftimmt waren, zu denjenigen 
über, die von vorne herein einen öffentlichen, ftaatlichen Charakter an 
fih tragen, jo begegnen als die lintergeordnetften in deren Reiche 
die Dekane und Saltarien; jene, wie der Name fagt, urfprünglid 
wohl die Vorjteher von Zehntjchaften 5, dieſe zunächſt mit der Auf 


Teudeperti scarionis testis, Signum f manu Taurilli scarionis testis ; III, 659: 
Siguum } ma. Sindonis scarionis testis. 

ı Segel I, 468. 

® Ed. Aist. 20: Si quis cum curte regis causam habuerit, et evenerit, 
ut pars curtis regis sacramentum deducere debeat, si major cause fuerit, per 
sacramentum Ovescarioni cum actoribus finiantur, si vero minor causam fuerit, 
actor de loco cum actoribus secundum qualitatem causae persolvant sacra- 
montum. Ich bemerfe noch, daß von kompetenter Seite mir auch die fprad: 
lie Möglichkeit meiner Erklärung zugegeben wird. 

8 Cod. dipl. 1V, 418: Signum } manus Grasoni abiscaro domini regi 
in Soana; IV, 553: Signum + manus Beati abiscario testis. 

* Cod. dipl. IV, 449: Concessimus nos domina gloriosissima Scauni- 
perga et dominus vir gloriosiesimus Liutprand summus dux gentis Langobar- 
dorum tibi Punnuni scaffardo nostro mulierem nostram nomine Fusam; V, 
612: Signum + manus Bertoni scafardo domne regine testis. in britter 
aus einem allerdings fpäteren Diplome, aber boch für unfere Zeit IV, 85: 
Vicosima tercia scripsio, quomodo Anseramo scanfarda una cum Lupe e 
Ansone filii sui venunderant Deusdedit; vol. —— 85: Scafardus = 
osconomus, procurator, cellerarius; Waitz, Deutſche igeich. NI, 23 R. 3. 

5 Welche Letzteren gewiß aber nicht, wie Leo, Italien I, 69 will, Farae 


497 


ficht der Forften betraut. Doc war zu Liutprands Zeit, wo diefe 
Namen uns zuerft vorfommen, die primitive Bedeutung derfelben offen- 
bar ſchon abgeſchwächt; bei dem Saltarius hatte fie ſich ſoweit ver- 
foren, daß man neben ihm und verfchieden von ihm andere Forftbes 
amte, den Silvanus und den Waldmann, Tannte, deren Befugniffe . 
und gegenfeitiges Verhältnis allerdings aus dem einzigen Diplome !, 
das fie erwähnt, nicht mit völliger Klarheit hervortreten. Als wir 
die Zuftände zu erkennen vermögen, jtehen Dekan und Saltarius, 
fchon völlig gleich; fie haben diefelben Rechte, diefelbe Verantwortlicy- 
keit. Eine hervorragende Thätigkeit im Gerichte freilich, die man 
ihnen wohl hat zufprechen wollen?, üben ſie nicht; fie find feine 
Richter, wenn fie auch, wie andere Freie, wohl als Urtheiler ge- 
dient haben mögen. Jenes ergibt ſich deutlich aus den Beſtimmun⸗ 
gen Liutprands fiber da8 Gerichtsweſen, in denen nie fie, fondern 
jtets nur die Skuldahis und Yudices aufgeführt werden®. Don 
befonderer Wichtigkeit find fie dagegen für die Adminiftration, nament⸗ 
fi) für alle Zweige der polizeilichen Thätigkeit; Fremdlinge + und 
Zauberer ? aufzufpüren, wird ihnen nachdrüdlich eingefchärft, und Nach: 
Täffigkeit von ihrer Seite mit ſchweren Strafen bedroht, welche Letz⸗ 
teren fie theil® an ihren nächſten Vorgefetten, den Sfuldahis, theils 
an die Betheiligten, oder auch direft an das Fönigliche Palatium zu 
zahlen haben. Andererfeits follen fie für bewiefenen Fleiß und Eifer 
Belohnung erhalten: wenn fie Hexenmeiſter over Heren ausfindig 
machen, wird ihnen der dritte Theil des Preifes derfelben zugefichert, - 


biegen. Die Stelle, welche er Nfür N. A anzicht, beweift gar nicht was fie 
fol. Siehe auch Hegel I, 468 N. 1. 

1 Grengbeftimmung im Gebiete des Klofter? Bobbio durch Miffi bes 
Königs Rachis, Cod. dipl. IV, 260: „Ideo accedentes inibi missi nostri cum 
Giselpert waldeman inquirentes per silvanos nostros, id est Oto et Rachim, 
veritatem et renovuntes signa et croces cum clavos ferreos adfigentes simul; 
IV, 261: Silvani nostri, id est Oto et Rachis, per evangelia firmaverunt in 
suprascriptorum presentia.. Darauf hat ſchon aufmerkffam geinacht Muratori, 
Antigq. 1, 518. 

® So Murstori, Antigq. I, 519; Leo, Stalien I, 70. 

5 Ed. Liutpr. 25: Si quis causam habuerit et sculdahis suo causam 
dixerit; Ed. Liutpr. 26: Si homenis de sub uno judice, de duobus tamen 
sculdahis causam habuerit; Ed. Liutper. 28: Si quis causam hubuerit et 
sculdahis aut judex ei secundum Edicti tenore et per legem judicaverit etc. 

* Ed. Liutpr. 44: De servus fugace et advena homine si in alia ju- 
diciaria inventus fuerit, tunc deganus aut saltarius yui in loco est conpre- 
hendere deveat et ad sculdahis suum perducat. Si vero deganus aut salta- 
rius hoc facere distulerit conponat solidos IV, medietatem sculdahis suo et 
medietatem cujus causa est. 

5 EKd. Liutpr. 85: Si quis judex aut sculdahis atque saltarius vel de- 
ganus de loco, ubi arioli aut ariolas fuerit, neglexerit amodo in tres mensis 
608 exquirere et invenire et per alios homines inventi fuerint, tunc conpo- 
nat unusquis de locum suum mediaetatem pretii sui, sicut supra legitur. 
Et si manefestatum fuerit quod sciat judex aut sculdahis vel saltarius aut 
deganus, ubi ipsi arioli aut ariolas sunt, et eos non condemnarverit, aut pre- 
mium tolerit, aut quasi causa piaetatis vel pro qualicunque genio eos absol- 
serit, tunc integro wirigild suo in sagro palatio conponat. 





499 


ochfen oder Kühe (die ohne Weiteres zu pfänden verboten war), fo 
foll der Gläubiger zum Skuldahis gehen, diefem die Sache vortra- 
gen und ihn von den Vermögensverhältniffen feines Schuldners in 
Kenntnis fegen. Dann foll der Stuldahis Pferde oder Rindvieh 
nehmen und fie dem Gläubiger zuftellen, bis diefer zu feinem echte 
gelange ; verfäumt er e8, fo hat er zwelf Solidi an das Tönigliche 


Falatium zu zahlen. Auch das Legtere ift von Intereſſe, infofern 


als hier nod) eine direfte Verbindung zwifchen dem König und dem 
Stuldahis ftatt findet, während diefer fpäterhin nur in einem Falle 
feine Amtsbußen direft an den Hof, fonft ummer an den über ihm 
ftehenden Juder zu geben hatte. 

Mit größerer Deutlichfeit tritt uns der Skuldahis erft zur Zeit 
Liutprands entgegen. Paulus, der die Zuftände des fpäteren Yango- 
bardenreiches® aus eigener Anſchauung kannte, bezeichnet ihn ale 
Rector loci’ ?, und wir werden darnad) kaum anftehen können, ihn 
als eine Drtsbehörde zu faſſen?. Doc dürfte dabei noch zu be- 
merfen fein, daß feine Thätigfeit fi) wohl auch auf Cinzelhöfe der 
Umgegend erftredte, ebenfo wie auf nahe liegende Heinere Weiler 
(Kafales), wie folche häufig in den Urkunden erwähnt werden. Weis 
ter zeigen die Gefeße, daß der Skuldahis richterliche, adminiftrative 
und militairifche Befugniſſe in feiner Hand vereinigte, und daß er 
den Dekanen und Saltarien vorgejegt war, während andererfeits 
mehre Stuldahis unter einem Juder ſtanden ®. Seine richterliche 
Kompetenz war befchränft; darüber wie über die Bußen, welche ihn 
für Nadjläffigkeit im Dienfte trafen, habe ich ſchon früher gefprochen. 
Hier ift nur noch zu bemerken, daß er hinwiederum feinerfeits von 
der Saumfeligfeit der Dekane und Saltarien profitierte, wie daß 
ihm bei der Aushebung das Recht zuftand *, drei fremde Pferde für 
feinen Dienft im Felde zu requirieren und fünf güterloſe Freie zu 


caballos ipsius et ponat eos post creditorem, dum usque ei justitia faciat; et 
si sculdahis dilataverit facere, sit culpavelis in palatio regis solidos XII, et 
justitia facta pignus restituatur. 

2 Maul. VI, 24: Rector loci illius, quem sculdahis lingua propria di- 
cunt. Ebenfo erklärt eine Gloſſe der kavenſer Hdfjchr. des langobardiſchen 
Ediktes: Sculdahis i. e. Reetor loci. Doch möchte ich auf died Zeugnis weni⸗ 
ger Gewicht legen, ald von Waitz, Deutfche Verfgeich. II, 309 N. 1 gefchehen 
ift. Die Stoffen find faft alle wörtlih aud dem Ebifte ober einem ber gang⸗ 
baren Schriftfteller ansgefchrieben, und dad meift ohne eine Spur von Ber: 
ſtändnis, fo daß die wunberlichiten Dinge begegnen. 

So bei Hegel I, 467; Waig, Deutſche Verfaefh. I, 309. In ber 
Sache bafielbe bei Muratori, Antiqg. I, 515: Sculdascii judices pagorum, 
castellorum, nos appellamus praetores rurales. 

5 Ed. Liutpr. 26: Si homenis de sub uno judice, de duobus tamen 
sculdahis causam habuerit; fiche Muratori, Antiqq. I, 514; Leo, Stalien I, 69; 
Hegel I, 467. _ 

* Ed. Liutpr. 83: Sculdahis vero dimittat homenis tres qui cavallos 
habent et tollant ad saumas suas ipsos cavallos tres, et de minoribus homini- 
bus dimittant homines quinque, qui faciant ei operas, dum ipse reversus fue- 
rit, sicat ad judicem dixemus, per ebdomata una operas Ires. 


500 


beitimmen, welche ihm in ähnlicher Weife fronen mußten, wie wi 
das bei dem Juder und Saltarius geſehen haben. 

Nach diefer Erörterung fann es wohl keinem Zweifel unterle 
gen, daß der Lofopofitus, welcher mehrfacd, im Edifte der Könige! 
und aller Wahrjcheinlichfeit nach au in einer Urkunde ? vorkommt, 
feinem Wefen nach nichts anderes ift, als der Skuldahis. Damit 
ftimmt denn auch die Art, wie er erwähnt wird: er fteht unter dem 
Juder, hat aber doch noch Gerichtsbarkeit ?. 

Beftrittener ijt der Gentenarius. Schou Muratori* Hatte den 
jelben ebenfalls dem Stuldahis gleichgeftellt, und auf einem anderen 
Wege, ja, wie es fcheint, ohne jene frühere Annahme zu Tennen, it 
Hegel 5 zu demfelben Refultate gelangt. Waig 6 dagegen meint, def 
eine folche Behauptung wenigitens der näheren Begründung ermar 
gele, im Grunde ift er gegen fie; boch haben auf feine Anficht is 
diefem Falle wohl die fpäteren deutjchen Berhältniffe einen zu 
großen Einfluß geübt. Denn einmal zeigt jedenfalls fchon der Name 
des Gentenars, daß diefer eine höhere Behörde war, als der Dekan, 
der urfprüngliche Vorfteher der Zchntfchaft; andererfeits aber beweift 
das eben in der Note angeführte Geſetz des Rachis, daß er dem Inder 
untergeben, daß er aber doc nod) Richter war. So jteht er offenbar 
auf derjelben Stufe, wie der Skuldahis und der Xofopofitus, und 
dem entjpricht e8, wenn er in der genannten Beſtimmung, welde 
übrigens Muratori und Hegel noch nicht bekaunt war, den Plak 
zwifchen beiden einnimmt. In den Urkunden begegnet er ziemlid 
häufig, befonders in toßfanifchen 7; doch muß der Name auch in den 
‚ anderen Landſchaften geläufig geweſen ſein; wenigſtens ein Diplom 

zeigt, daß er auch in Spoleto gebraucht wurde ®. Unter den übrigen 
ift befonder8 dasjenige hervorzuheben, in welchem der Zuſtimmung 
von zwei Gentenaren zu der Wahl eines Priefters gedacht wird’. 


ı Ed. Liutpr. 96: Si quis pro causam suam aliquid judici aut ad qur 
lemcunque locopositus vel fidelis regi dederit. 

2 Cod. dipl. V, 724: Ego Bonto I. p. (locopositus?) rogatus a Sen» 
dori in hanc vegasationis cart. test. sscri. 

5 Not. Rach. 1: Rectum nobis paruit esse, ut unusquisque judex in 
sua civitate debeat cottidie in judicium residere, et ipsi judices volumus ut 
in eo tinore precipiant a sculdahis suos aut a centenarios aut ad locopositos 
vel quos sub se habent ordinatos, ut et ipsi similiter faciant. 

* Antigg. I, 522, 523. 

°s Italiſche Städteverf. I, 417. 

6 Deutſche Verfgefch. II, 308. 

7 Cod. dipl. HI, 203: Item Ellerad centenario de vico Pontano dixit; 
Item Sindari centenario similiter dixit; III, 204: Gisulfi centenario similiter 
dixit; III, 632: Placuit atque convinet inter Tasulu centinarius et Pertulu, 
qui Baruccio; IV, 526: Signum manus Baudi centinarii testis. 

8 Cod. dipl. V, 363: Signum + manus Rudechis centinarii testis. Vie 
Urkunde ift für Farfa ausgeſtellt.. 

9% Cod. dipl. IV, 227: Manifestu sum ego Luceri v. v. presbiter quis 
reprometto et spundeo tibi Walprand episcopo pro eo cot me una cum filüs 
ecelesie in ecclesia 8. Petri in loco Mosciano presbiterum hordinasti, in 





501 


Sie erfhheinen darin offenbar als bie weltlichen Vorfteher der Kir⸗ 
chengemeinde (Plebs), des Ortes, was unfer früheres Refultat nur 
beftätigen Tann. Denn daß in diefer Zeit e8 immer, gerade hundert 
Freie gewefen, welche ihnen unterftanden, ift nicht nachzumeifen, ja 
nit einmal wahrſcheinlich; auch die Analogie der Verhältniffe im 
Frankenreiche |pricht dagegen: der alte von der Zahl entlehnte Name 
blieb, während doc) längft die Lofale Eintheilung entjcheidende Wich- 
tigfeit geivonnen hatte. 


So fehen wir, wie auch die niederen Beamtenverhältniffe bei 
ben Langobarden reich und mannigfach ausgebildet waren. Doc 
fehlt dabei zugleich eine gewifje Einheit der Organifation nicht ganz; 
namentlich feit Liutprand tritt das Beitreben, zu uniformieren, zu 
centralifieren auch in diefen Kreifen entfcjieden genug hervor. Wäh- 
rend Duces, Komites und Gaftalden allgemein zu Judices geworden 


find, nehmen Stuldahis, Lokopoſiti und Gentenare wiederum ihrerfeits 


im Großen und Ganzen diefelbe Stellung ein, fie vornehmlich find 
als Publici bezeichnet; das dritte und letzte Glied in der Kette 
endlich bilden ‘Defane und Caltarien. Alle aber werden, foweit wir 
erfennen, vom Könige ernannt; einzig die Herzoge von DBenevent 
und Spoleto beftimmten, wie wie wir oben gejehen, die ihnen unter- 
gebenen Beamten felbjt; eine Wahl durch das Volk wird nirgend 
angedeutet. So lag denn am Ende doch die entjcheidende Bedeutung 
wefentlih bei dem Königthum; durch feine Organe, die Beamten 
höheren und niederen Grades, war e8 ihm möglich, nad) jeder Seite 
ftantlicher Wirkſamkeit hin erfolgreich einzugreifen, und das um fo 
ausgedehnter und allgemeiner, als bei den Yangobarden jene Immu⸗ 
nitäten fehlten, welche im fränfifchen Neiche ſchon damals anfiengen, 
der Gewalt des Herrfchers merflichen Abbruch zu thun. Erſt Karl 
dem Großen war e8 vorbehalten, diefe Inftitution auch auf italifchen 
Boden zu verpflanzen. 


omnem ris ecclesie cunfermasti cum consensu Ratperti et Barbulu centinariis 
vel de tota pievem congrecata. 


Auhang 2. 
Das Iangobardifche Gefinde. 


Es ift jet allgemein anerkannt, daß das germanifche Gefolge 
nicht auf einer materiellen Grundlage, wie etwa der Verleihung ven 
Grundbefig beruhte, fondern auf einem fittlihen WVerhältniffe, af 
ber Treue, welche den Führer mit den Genoffen verband. Schwar 
fender find die Anfichten über die rechtliche Frage, went in den ver 
Schiedenen germanifchen Reichen, die fi) nach der großen Wanderum 
£onfolidierten, ein folches Gefolge zugeichrieben werden könne, ob mit 
dem Könige, ob auc den Großen, ob gar jedem Gemeinfreien. Fin 
die Zuftände im Frankenreiche freilich dürfte feit Roths treffliche 
Ausführung in diefer Beziehung ein gewiffer Abfchlug der Unterfe 
hung erreicht worden fein, und auch die angelſächſiſchen Verhältnifſe 
find neuerdings von Kemble nad diefer Richtung Hin forgfältig und 
Scharffinnig geprüft worden '; am Wenigften ift bisher für bie lam 
gobardifchen gejchehen. 

Die beutfchen Forfcher, um von diefen zu beginnen, haben, 
Soweit ich fehe, diefem Punkte der Verfaffung nur fehr nebeubei ihre 
Aufmerkfamteit gewidmet ?. Aus einigen Stellen in Hegels Geſchichte 
der italiänifchen Städteverfaffung könnte man vielleicht geneigt fein 
zu fchließen, daß er das Gefolgsrecht auf den König und bie Herzoge 
habe beichränfen wollen ®; dagegen beweifen andere ganz unzweifel⸗ 
haft,” daß er dafjelbe auch auf die gewöhnlichen Freien ausdehnt *. 
Auf der anderen Seite werde ich anführen dürfen, daß Waig in 
feiner Vorlefung über die Gejchichte des Mittelalters im Sommer 
1861 ein Gefolge mit Ausnahme der Könige nur den Herzogen zu- 
geſtehen wollte. 

Eingehender haben fich mit unferer Frage die neueren 8 Itali⸗ 
äner beſchäftigt. So ſchon Troya in den Noten und Differtationen 


2 The Saxons in England I, 155 unb beſonders I, 162 ff. 

2 Leo glaube ich bier übergeben zu bürfen. Er bedient ſich zwar bei 
Ausdrucks „Sefinde* und „Rittergefinbe” ſehr häufig, ift fi aber über ben Be 
griff deſſelben durchaus nicht Kar. 

3A. a. O. I, 412: „Im Gefinde eine? Herzogs oder Königs“; 1, 435: 
„Dagegen hegaben ih viele Tieber in den Dienft ber Großen ober bes Kö: 
nigs“; I, 463: „Das Gefolge ber langobardiſchen Könige und Fürften.” 

*A. a. 08.1, 399: „Freiheit und Unfreiheit kamen zufammen in bem 
Verhältnis derjenigen, welche ſich als Gefinde in dem Dienft bed Königs, bed 
Herzonß oder irgend eincd anderen Freien befanden”. 

Bon ben Älteren, wie Muratori und Lupi, bat feiner diefelbe behan— 
beit. Der Erftere begnügt ſich Antiqq. I, 128 ff. die Gafindii mit den Vaſſi 
u identificieren, Lupi ift hier abbängiger von ihm, als es fonft ber Fall zu 
fein pflegt; vgl. Cod. dipl. Bergom. I, 534. 


503 


zu feinem Codice diplomatico langobardo !; ausführlicher noch 
und mehr im Zujammenhange Schupfer in einer Schrift über bie 
Stände und den Grundbefig bei den Langobarden ?. Beide find zu 
demſelben Refultate gelangt wie Hegel. 

Der hauptſächlichſte Grund diefer weiten Ausdehnung des Ges 
folgerechtes ift in dem Umftande zu fuchen, daß man nicht genügend 
zwifchen den einzelnen Ausdrüden der Quellen gefchieden hat. So 
nehmen Hegel s ſowohl als Troya + die Wörter ‘gasindius’ und ‘ob- 
sequium als völlig gleichbedeutend, Schupfer geht noch) weiter, indem 
er fogar aus Wendungen wie “servire, in servitio .esse’ auf ein 
Gefolgſchaftsverhältnis fchliegen zu können meintd. Es wird bie 
erfte Aufgabe der folgenden Unterfuchung fein, nachzuweiſen, daß 
biefer Ausgangspunkt der Forfchung ein irriger ift. 

Wir betrachten zu diefem Ende zunächſt das Wort obsequium'. 
Daffelbe findet ſich im Edifte der langobardifchen Könige dreimal. 
Buerft Ed. Roth. 167: Si fratres post mortem patris in casa 
commune remanserint, et unus ex ipsis in obsequium regis 
aut judicis aliquas res adquesiverit serviendum; dann Ed. 
Roth. 226, wo über denjenigen, weldjer vollfrei aber nicht amunb 
entlajfen iſt und kinderlos ftirbt, beftimmt wird: Si aliquit in 
gasindio doces aut privatorum hominum obsequium donum 
conquisivit, res ad donatorem revertantur. An diejen beiden 
Stellen könnte ‘obsequium’ wohl von einer ehrenvolleren Art der 
Dienftleiftung verftanden werden, wenn es auch in der zweiten von 
‘gasindius’ beftimmt genug gefchieden wird, ganz unmöglid aber ijt 
eine folche Auffaffung bei der dritten, Ed. Aist. 10: Ideo statu- 
ere previdimus, ut si quis Langobardus moriens sororem 
unam aut plures in capiıo in casa reliquerit et filium unum 
aut plures, filii ipsus debeant perpensare, gnaliter amedanes 
eorum absque necessitate vivere possent secundum qualitatem 
substantiae suae, ut amedanes eorum indigentiam non patian- 
tur neque de vestimentum neque de calciamento, sed nec de 
obsequium suum. Dieje Verbindung mit Lebensmitteln, Kleidung 
und Shußwerf zeigt deutlich‘, daß unter ‘obsequium’ hier nur die 
gewöhnlichjte Bedienung verjtanden werden Tann, gleichviel ob fie 
von Sklaven, Aldien oder armen Freien beforgt wurde. 

In den Urkimden erfcheint “obsequium’ zunächſt, um den Dienft 
des Priefters zu bezeichnen. So in einem Diplome des Bifchofs 
Talesperianus von Lukkas aus dem Jahre 718: Quoniam bene- 


1 Cod. dipl. I, 241 n. 203; II, 445 ff.; III, 55 n. 2; V, 765. n. 1. 

2 Degli ordini sociali e del possesso fondiario appo i Langobardi, ©. 
70—76. 

5 tal. Städte I, 399: „Als Gefinde in bem Dienft (in gasindio, in 
obsequio); I, 465: „Diefem Gefolge (obsequium) von Gefindeleuten (gasin- 
dü); vgl. I, 436 N. 2; 464 N. 3. | 

* Cod. dipl. OD, 241 n. 2, 

5 Degli ordini ©. 72 und 76. 

$ Cod. dipl. II, 278. 


33* 


504 


servientium opsequia dignum semper remunerationem subk 
vare deveatur und ebenfo in einer Uebertragung der Kirche Et 
Mamiliano in Kollina dur den Biſchof Andreas von BPifa ! vom 
Yahre 757: Idcirco auctore deo superius nominatus Andres 
episcopus considerans tuo Atoni obsequium et fidelem serri 
tium. Don ganz niederen Dienftleiftungen wird es dagegen im 
Teitamente eines Luccheſers David vom Jahre 773 gebraudt?. 
Derjelbe bedenkt feine Gattin folgendermaßen: Volo, ut haveas ta 
nominata Ghiseruda dum advixeris in opseequio tuo Maria, 
Agiolus Ratpertulus et Briculus et Dugnulu, post ... o tw 
sint liberi et absoluti ab omni jus patronati. Offenbar find 
hier bie im ‘obsequium’ jtehenden Sklaven oder Aldien, das “obse 
quium’ felbjt dem jus patronatus’ gleichgeitellt. 

Wenden wir uns endlich zu Paulus, fo kommt hier das Wort ' 
in jehr verjchiedenen Bedeutungen vor. Denn an eine -Dienftbezie- 
hung edler Art muß gedacht werden, wenn e8 I, 20 von der Tod 
ter des Tato heißt, als fie den Bruder des Herulerfünigs Rodulf 
vorbeiziehen fieht: Ila multitudinem virorum et nobilem comi- 
tatum adspiciens interrogabct, quis iste esse possit, qui tam 
sublime obsequium haberet. Nicht anders wohl III, 16, wo 
die Herjtellung des Königthums bei den Xangobarden erzählt und 
dabei von den Herzogen berichtet wird: Omnem substantiarum 
suarum medietatem regalibus usibus tribuunt, ut esse possit, 
unde rex ipse, sive qui ei adhaererent ejusque obsequiis 
diversa ofhicia dediti alerentur, und in der ganz ähnlichen Stelle 
V, 33: Exinde ad patriam rediens (Perthari), cum ad clau- 
stra Italiae venisset, jam ibi omnia obsequia palatina omnem- 
que regiam dignitatem praeparatam esse repperit. — Dagegen 
bezeichnet ‘obsequium’ ein fehr untergeordnetes, wahrfcheinlich ein 
Sflavenverhältnis® V, 2, wo e8 von einem, welcher dem Perthari 
einen Gang Speifen bringt, heißt, er fei de ejus (Pertharidi) 
patris obsequio gewejen; ficher das Lettere in der von Hegel wie 
von Leo gänzlich misverjtandenen Stelle II, 31: Iste (Cleph) cum 
annum unum et sex menses regnum obtinuisset a puero de 
suo obsequio gladio jugulatus est. 

Denn ‘puer’ fteht allerdings wohl auch für „Knabe“; dann 
aber faſt immer mit einem dies näher bezeichnenden oder erläutern- 
den Zufage wie Ed. Liutpr. 99: De puero intra aetatem de- 
crevit clementiam nostram; Paul. IV, 43: relicto in regno filio 
suo Adaloaldo admodum puero, oder auf einen vorhergehenden 


1 Cod. dipl. IV, 680. 

2 Cod. dipl. V, 706. 

5 Scupfer freilih meint &. 71: Colui che primo disse a Bertarido 
delle insidie di Grimoaldo fü tale, ch’ era stato prima nel seguito del suo 
padre. Allein die Stellung des Menſchen ift doch eine zu niedrige, als daß 
eine folhe Meinung gerechtfertigt erfheinen Könnte Anders ftünde die Sache, 
wenn er etwa als ein Oberbeamter bed Balaftes be zeichnet wäre. 


505 


genaueren Ausdrud zurückweiſend!; fonft im Edikte nie (meift in- 
fans’) und auch bei Paulus nur in der Elegie und dem Hymnus 
auf den h. Benedikt ?, der bier kaum in Betracht kommen dürfte, 
und VI, 58: Denique cum rex Liutprandus in Urbem silvam 
venatum isset, unus ex ejus comitibus cervum sagitta per- 
cutere nisus ejusdem regis nepotem, hoc est sororis ejus filium, 
Anfusum nomine sauciavit. Quod rex cernens, valde enim 
eundem puerum amabat, etc. Doch ſcheint felbft in der leßten 
Stelle in dem vorausgehenden ‘sororis filius’ wenigftens eine Art 
Andeutung jüngeren Alters zu liegen. 

Dagegen fommt ‘puer für „Sklave“ fchon Ed. Roth. 259 
vor: Si liber homo puerum aut servum suum furtu facere 
jusserit, et ipse furtus inventus fuerit; ebenfo Ed. Liutpr. 135: 
Quidam homo dixissit ad servum alienum: Veni et occide 
dominum tuum. Ile autem puer suasus ab ipso intravit in 
causam ipsam malam. Bejonders häufig aber erfcheint es in die⸗ 
fer Bedeutung in den Urfumden, wo e8, foweit ich fehe, in anderem 
Sinne gar nicht fteht?. So wird Cod. dipl. III, 406 vom Ver⸗ 
Taufe eines Sklaven gefagt: accepit ad Totone auri solidos duo- 
dicem nobus finito pretio pro puero nomine Sarrelano, ferner 
III, 683: Concessimus nos Godeschale tibi Anfrit puerum 
nomine Ursum; IV, 238 urfundet Gifulf II. von Benevent: Con- 
cessimus nos tibi Rimecauso pucros duos nomine Ursus et 
Ditentius, berjelbe Cod. dipl. IV, 443: Concessimus tibi Urso 
thesaurario nostro simul et puerum nomine Florentium; V, 
527 fagt Leo in einer Schenkung an Montekaſino: Servos vero et 
ancillas omı es liberas constituo, in tali vero ratione, ut nec 
puerum nec puellam ad manum alicui tribuant ad serviendum *. 

Auch bei Paulus finden wir ‘puer’ fehr Häufig für „Sklave“. 
So fteht I, 20 von der Yungfrau Nometruda, ber obenerwähnten 
Tochter König Tato's: praecipiens atrocissima belua propriis 
pueris, ut eum a tergo lanceis perforarent; III, 8: Ad quem 
puer Mummoli adveniens literas ei directas a Mummulo por- 


ı So Ed. Liutpr. 129: Nisi si pater aut avius pueri cum legitimi 
parentis puelle hoc facere previderit, wo *puer’ biefelbe Perfon ift wie ber 
frithere ‘puerolus parvolus et intra etatem legetimam’; Paul. IV, 38: Qui 
puer von Grimoald bein Sohne Herzog Giſulfs von Friaul; V, 39 vom 
Sohne bed Aldo, beide Male mit früherem ‘puerulus’. 

2 Fraudis amice puer suado captaris ab Hydro, 

Hydro non caperis fraudis amice pucr. 
Peplo puer vitat necem. 

35 „Knabe, Kind“ wird bier immer burdy “Alius, infans, infantulus’ ge⸗ 
geben. So Cod. dipl. IV, 418: Excepto Theudifridulo cum muliere sua et 
uno filio suo nomine Personali, alii infantis sui; fiehe auch V, 128, 129, 237, 
378, 395, 599. 

* Hier alfo wie in dem Diplome für Farfa Cod. dipl. V, 446: Tradi- 
dit mihi pro ipsa püella in pretio terram in Maliano fteht fogar ‘puella’ fr 
‚eHain Bol. Übrigens noch Cod. dipl. IV, 549, 644; V, 171, 408, 469, 
464, . 


606 


rexit; III, 12 fendet der Kaifer ZTiberius, um ben Schab bei 
Narfes zu heben, pueros suos usque ad locum; ebenda es 
von demjelben: Segregatis pueris ejus (der Kaiferin Sophie) alios 
de fidelibus suis posuit, qui ei parerent; III, 29: Habebat 
tunc Agilulf quendam de suis aruspicem puerum. 

Mehrfach kommt ‘puer’ in dem angegebenen Sinne auch in 
der Geſchichte von der Errettung Perthari's durd Hunulf vor. In 
zweiten Kapitel des fünften Buches wird von dem Letzteren erzählt: 
Qui puerum misit, ut sibi lectisternia adferret, lectumque sibi 
juxta stratum Pertharidi fieri praecepit. Dann jagt er de 
Perthari unter den Kiffen, die der ‘puer’ gebradht hat, hinaus mi 
den Worten: Servus iste nequam mihi lectum stravit. Später 
geftattet König Grimoald diefem Hunulf und einem anderen Getreuen 
des Perthari: ut quidquid vellent de domo sua tollerent, pue- 
ros scilicet et equos et diversam supellectilem !. 

Nach diefen Unterfucdhungen dürfte das Nefultat, welches Roth 
für die Anwendung von ‘puer’ im fränfifchen Reiche gefunden hat, 
auch für das Tangobardifche als gefichert anzufehen fein: dag nämlid 
dies Wort auch ohne Zufag gewöhnlich von Sklaven gebraucht wird, 
daß e8 aber ftets in diefer Bedeutung zu nehmen ift, wenn es mit 
nachfolgenden Genetiv oder in Verbindung mit proprius, suus und 
ähnlichen Wendungen erfcheint. 

Darnach wird es nun auch nicht mehr zweifelhaft fein können, 
daß der ‘puer de suo obsequio’ unferer Stelle nicht mit Hegel’ 
und Leo * al8 ein Gefindmann, ſondern als ein Sklave zu faffen 
ift 5, daß ‘obsequium’ aljo hier das Verhältnis des Knechtes zum 
Herren bezeichnet. 

Ebenfo wie fin obsequio esse’ wird ‘obsequium praebere, 
obsequi’ bei Paulus von Dienften gefagt, bie jedenfalls mit dem 
Gefinde gar nichts zu thun haben. So bei ber Beſchreibung der 
Seuche, welche vor dem Einbruche der Langobarden Stalien entoöl- 
ferte, II, 4: Si quenı forte antiqua pietas perstringebat ut 
vellet sepelire proximum, restabat ipse insepultus et dum ob- 
sequebatur perimebatur. Dum funeri obsequium praebe 
ipsius funus sive obsequio manebat. Aehnlich wenn von Arnoff 
von Metz VI, 16 berichtet wird: Qui eremiticam vitam eligens 
leprosis universa praebens obsequia contentissime vixit. 

Es ergibt fi alfo, daß ‘obsequium’ ein allgemeiner und um- 
faffender Ausdrud für jede Art der Abhängigkeit it, daß es wohl 


Paul. V, 4. 

Geſchichte bed Beneficialweſens, ©. 152 ff. - 

Stal. Städte I, 466 N. 3. 

Italien I, 80. 

Richtig ſchon, wie ich nachträglich fehe, Lupi I, 144. Uebrigens if 
bie Stelle vielleicht aus bem Chronifon des Marius von Avenches entlehnt. 
Diefer berichtet nämlich zum Sabre 574, Roncallius ©. 414: Hoc anno Clebus 
rex Langobardorum a puero suo interfectus est. Bebarf ed noch ber Bemer: 
fung, daß dann unſere Erklärung nur eine weitere Stütze finden würbe? 


a2 u Rn 


507 


auch für den freien Dienft des Gefindmanng ftehen mag, daß e8 aber 
ebenjo wohl das Verhältnis des Sklaven zu feinem Herren bezeich- 
net. Daraus folgt, daß wir aus der Erwähnung von obsequium' 
auf ein Gefolge jemandes zu fliegen Teinerlei Berechtigung haben, 
daß daher die Stellen, wo von jenem die Rede ift, als Grundlage 
für unfere Unterfuchung nicht werden dienen können. 

Ebenfo wenig aber folche, die von einem ‘servitium, servire, 
deservire’ handeln. Denn auch diefe Wörter werden ohne Unterfchied 
von Dienftleiftungen jeder Art gebraucht, und bei Weiten am Häu- 
figften von fflavifchen . Von Sklaven und freien Hinterfaffen er- 
fcheint ‘servire’ in einer Schenfung von Farfa ? aus dem Jahre 770: 
Do, dono, atque trado casas colonicias cum familiis liberis pro 
liberis, servis pro servis meam portionem, qualiter nobis per- 
tinent nobisque servierunt; von Kolonen ‘servitium’ in einer Ur» 
funde für dafjelbe Farfas: Si ipsi homines coloni nostri resi- 
dere voluerint in ipso casale, omne servitium aut dationem 
quod nobis fecerunt persolvant in ipso Dei coenobio; von erb- 
pflichtigen, jonft perſ öntich freien Leuten*: Nos et parentes nostri 

. m. Walperto duci et filiis ejus seu vias facere solemus et 
servitium per conditionem traendo cum nave tam granum 

uam et salem. An ein ſolches Dienftverhältnis ift wohl auch bei 
einer Stelle zu denken, die unbegründet auf ein Gefolge gezogen ift >, 
bei dem elften Geſetze des Königs Rachis: Si quiscumque homo 
liber in servitium de gasindio regis aut de ejus fidele introi- 
erit, et judex eum dolose obprimere quesierit pro eo quod 
ipse in servitio alterius introierit: tunc conponat judex, et 
ille, in cuius servitio ipse est, habeat licentiam causam ejus 
agere. Denn nirgend fonft findet fich eine Andeutung davon, * 
der Gefolgsführer ſeinen Gaſindius vor Gericht vertrat: wohl aber 
wiſſen wir, daß der liber livellarius’ wenigſtens in der ſpäteren Zeit 
vom Eigenthümer des Gutes vertheidigt wurde, und daß dieſer für 
ihn mit der Buße haftete 6. 

Befonders gern werben die genannten Wörter gebraudjt, um 
den Dienft des Prieſters? auszudrüden; zweimal ftehen fie aud) von 


ı So Ed.Roth. 217; Ed. Grim. 1; Lex. Grim. 1; Ed. Liutp. 24, 63, 
98, 154; Ed. Rach. 6; Ed. Aist. 11, 12, 22; vgl. auch Cod. dipl. III, 114; 
V, 68, 171. 

2 Cod. dipl. V, 5386. 

8 Cod. dipl. IV, 538. 

* Cod. dipl. V, 471. 

5 Schupfer S. 76; fo auch Hegel I, 436 N. 2, ber aber einmal ‘ob- 
sequium’ für ‘servitium’ [ift, was nach ber neuen Ausgabe von Banbi bi 
Vesme wohl zu verwerfen ift. 

6 Siehe darüber Ed. Liutpr. 62; Ed. Aist, 12 und die weitere Auß- 
führung bei Schupfer, S. 136 ff. 

7 Cod. dipl. III, 299, 399, 635; V, 83, 140, 179, 212, 287, 290, 
336, 341, 396, 403, 457, 463 und au Paul. III, 2: Dei servitium; VI, 
16: Christi servitium. 


508 


Peiftungen der Kinder gegen ihre Eitern!. Bon freiwilligen welt 
lihen Dienften eblerer Art ift dagegen servitium’ wohl zu nehmen, 
wenn Ronmald II. von Yenevent in einer Beitätigung der Privile 
gien für Et. Eophia in Ponticello urfımdet: Quod nominato 
Zachariae abbati per fidele suum servitium a nobis concessum 
fuit ?, oder wenn Pando ‘vir clarıssimus an Farfa ſchenkt ea 
quae per nostrum servitium a domino Haistulfo rege conqui- 
sivimus. Etwas allgemeiner dürfte die Sache fi) ftellen Ed. Roth. 
167: Si unus ex ipsis (fratribus) in obsequium regis aut ju- 
dicis aliquas res adquesiverit serviendum 3 und in einer Ur 
funde für Tarfa *: Sed dum ipsum sacramentum venisset ad 
facfendum, dixerunt predictus Teudepertus et Martinianus, 
quia non juramus pro casalibus istis nec scimus, si ipsi (Pos 
sessores) Pro Bervitio suo in donum acceperont. 

In unmittelbarer Berbindung mit ‘gasindius’ endlidy findet fi 
‘servire’' nur einmal, und zwar Ed. Liutpr. 62: De gasindiis vero 
nostris volumus, ut quicumgue minımissimus in tali ordine 
oceisus fuerit pro eo quod nobis deservire vedetur conpons 
tur CC solidis. 

Cahen wir alfo, wie die Stellen, in denen Ausdrüde wie ‘ob- 
Bequium, obsequi; servitium, servire’ erfcheinen für bie Löſung 
unjerer trage von feinem Gewichte find, fo werden wir uns auf ber 
anderen Seite ebenfo fehr hüten müffen, aus Wörtern wie “Nide- 
les, amici, homines comites’ etwa auf ein Gefolge fchließen zu 
wollen. 

Denn “fideles’ bezeichnet wenigftens im Edikte ſtets den allge 
meinen Unterthanenverband 5. Co zunächft in mehren Prologen zu 
den Gefegen König Liutprande, Prol. I: Una cum omnibus judi- 
cibus meis vel cum reliquis fedelibus meis Langobardis; 
Prol. U: Ea quae nobis nostrisque judicibus et reliquis Lan- 

obardis fedelibus nostris recta conparuerunt, ®rol. IV, VI, 

II, IX, X, XI. Ganz ebenfo aber Ed. Liutpr. 77: Omnes 
judices et fideles nostri sic dixerunt, quod cadarfeda antiqua 
usque nunc sic fuissit; Lex Liutpr. IV über denjenigen, welcher 
von einem königlichen Sklaven, Aldien oder Abthin etwas gekauft 
hat: In perjurii reatum nobis conparuit pertinere eo quod 
nobis fidelis sit; Ed. Liutpr. 96: Si quis pro causam suam 


Ed. Liutpr. 113: Si quis Langobardus voluerit in filios suos sibi 
bene servientibus aliquid largiri und mit Bezugnahme bierauf Ed. Aist, 13: 
A nostria decessoribus jam antea est institutum, ut Langobardus potesta- 
teın habeat fillum suum sibi bene servientem meliorare. 

2 Cod. dipl. III, 108. 

= &o nad dem Kober von Ivrea, alle anderen lafien serviendum weg. 

* Cod. dipl. IV, 840. 

6 Daß bied der Fall fein Fönne, if ſchon von Hegel I, 466 N. 5 ber: 
vorgehoben, der ed auch ausſpricht, daß eine Scheibung bier dringend Noth 
en ie ihm ift aber doch wieber barin gefehlt worben, namentlich von 

upfer. 


509 


aliquid gediei aut ad qualemcunque locopositus vel fidelis 
regi dederit, Hier könnte es wegen der Verbindung mit uber 
und Lokopoſitus vielleicht zuerft den Anfchein haben, als fei unter 
‘iidelis’, eine Art Beamter oder auch ein Gefindmann des Königs zu 
berſtehen. Aus dem ganzen Tenor des Geſetzes aber und namıent- 
ih aus feinem Schluſſe ergibt ſich deutlich, daß von einem Nechts- 
gefchäfte die Rede ift, wie es zwiſchen zwei beliebigen Privatpkrfo- 
nen jederzeit vorkommen konnte. Nach diefen Analogien glaube ich 
auch das “fidelis’ in Ed. Rach. 11: Si quiscumque homo li- 
ber in servitium de gasindio regis aut de ejus fidele introi- 
erit nur auf den allgemeinen Unterthanenverband beziehen zu müffen. 
Diefe Erflärung wird auch durch die Stellung "des Geſetzes fehr 
wahrſcheinlich. Denn faßt man, wie man wohl verfucht fein könnte, 
fidele’ in gleihem Sinne mit ‘gasindio‘, jo wird man zu ber 
Annahme gezwungen, die Vertretung der in ihrem Dienfte Befindfi- 
chen fei nur eine Prärogative der Gefindleute des Königs gewefen; 
beren Vorrechte werden aber gar nicht im Edikte, fondern erft im 
zweiten capitulum in brevi bes Radis abgehandelt. Jedenfalls 
wird man Bedenken tragen dürfen, jemanden als Gefindmann des 
Königs oder der Herzoge von Benevent und’ Spoleto zur Zeit ihrer 
völligen Unabhängigkeit zn nehmen, weil diefe ihn als ihren “Adelis’ 
bezeichnen. So bei dem Maler, den Schupfer einmal als Gefolgs- 
mann anführt '. 

Auch fonit kann der Begriff von “fdelis’ ein fo weiter fein, 
daß an die beftimmte Gattung von Gefolgsgenoſſen dabei gar nicht 
zu denken ift. Dies ift vorzüglich bei einigen Stellen des Paulus 
ber Fall, die man mit einer gewiffen Vorliebe angezogen hat, um bie 
große Treue hervorzuheben, welche die Gefindleute mit ihrem Füh—⸗ 
rer verband. So ift 3.3. der Getreue, welcder den König Codes 
pert an feinem Derräther, dem Herzog Garibaldi von Zurin, rädıt, 
und den man wohl als Gefindmann des Königs bezeichnet hat ?, 
offenbar ein Sklave; denn er wird „ein geringes Männlein aus 
der eigenen Familie“ des Godepert genannt ®, und nachher heißt es 
bon ihm, daß er den Tod „feines Herren“ in ausgezeichneter Weife 
gerächt habe +. Aehnlich wird auch von Gifulf II von Benevent 


2 Degli ordini &. 59. Zu wie verkehrten Ronfequenzen man burch bie 
unrichtige Erflärung bed Wortes gefommen ift, zeigt am Beſten Leo, ber unter 
anderen alle Herzoge, Sfulbahis, Dekane und Saltarii im Gefinbe bed Königs 
Neben Täßt, Stalien I, 71. 

2 Schupfer S. 70. Weit Fomifcher noch faßt Leo die Sache, Stalien 
I, 161: Die Blutrache wegen Gundepert blieb nicht Tange aus. iner feiner 
Berwanbten, ein fehr Keiner Menfch, den man wohl cben wegen feiner Klein: 
beit, bie ihn zur Föniglichen Würde untüchtig machte, veracdhtete, war ruhig in 
Pavia zurüdgeblieben u. f. w. 

5 Parvus homunculus ex propria Godeperti familia oriundus. ‘Familia’ 
if aber in folcher Verbindung immer die Sklavenſchaar; vgl. Ed. Grim. 4; 
Liutpr. 90, Aist. 13. Die $amilie ber Freien beißt “parentela’. 

* Qui licet occubuerit tamen Godeperti sui domini injuriam insigniter 
altus est. 


510 


nicht etwa berichtet, daß fein Gefolge ihn vertheibigt Hätte, fonden 
das Tolf in Benwent !. 

‘Amici’ ferner dient weder zur Bezeichnung eines Abbängie 
keits⸗ noch eines Berwandtichaftsverhältnifjes, fondern hat Iediehd 
feine Hafjifche Bedeutung beibehalten. So zunädjft Ed. Roth 144: 
Si quando pater fillam aut frater sororem alii ad oxorem 
tradederit, et aliqui ex amicis accepto exenio ipsius muliers 
aliquit dederit, Ed. Roth 210: Sı quis rapuerit aldiam aut 
ancillam alienam et in curtem regis duxerit, et sequens de 
minus aut quicumque ex amicis aut servis u. f.f. Ed. Liutpr. 
129 ſoll der eine königliche Kurtis verwmaltende Beamte im Scawur 
an den König ausdrüdlicd jagen: quod non consentiendum sd 
amicum, non ad parentem, non ad premium corruptus seist. 
In gleihem Zuſammenhange Ed. Rach. 10: Sı judex neglexerit 
judicare, forsitan adtenderit ad gasindio suo vel ad parentem 
aut ad amicum suum. 

Nur in derjelben Bedeutung von „Fremd“ finde ich das Wert 
auch in den Urfunden. Co fagt Ermitaufus, der Ausſteller eines 
Diplome ?: Quam venditionis cartula Altipertu amico meo 
iscrivere rogavi; ebenfo Kauſuloꝰ: Quam venditionis cartuls 
Altipert amico meo iscrivere rogavi; im Jahre 748 teftiert der 
Archidiakonus Liutpert von Bila*: In praesentia venerabili patri 
nostro Justino episcopo, Gauserado preabitero seo et aliorum 
plurium amicorum. Auch erſcheint e8 wohl neben ‘parentes’. © 
verfpricht der Briefter Lucerius dem Biſchof Walprand von Luka 
nulla peculiarina facere nisi tantum cause beneditiones 
amicos aut parentes, und in ähnlicher Verbindung erzählt 
lus 6 von feinem Urgroßvater Qupicis, derfelbe habe, ans 
Gefangenfchaft bei den Avaren zurücigefehrt, fein Haus in Cöidale 
wieder aufgebaut consanguineorum et amicorum suorum mune 
ribus ditatus. Dagegen ift eine Urkunde, in welcher neben ben 
‘cognati’ und ‘parentes’ auch den ‘amici’ ein Erbrecht zugefchrieben 
wird 7, entjchieden unecht. 

Wir kommen zu dem Ausdrude homines'. Derſelbe bezeid: 
net ein Abhängigkeitsverhältnis im Edifte nur zweimal, Ed. Roth. 
152: Si quis operarios rogaverit aut conduxerit in opera et 
caso facientem contegerit ex ipsis mori, non requiratur ab 
eo qui conduxit aut rogavit, tantum est ut per ipsius factum 
qui conduxit aut ab hominibus ejus non morisatur und Ed. 


2 Maul. VI, 55: Beneventanorum populus eos peremerunt sui ducis 

vitam servantes. 

Cod. dipl. IV, 176. 

Cod. dipl. IV, 232. 

Cod. dipl. IV, 398, 

Cod, dipl. IV, 228. 

Paul. IV, 89. 

Cod. dipl. IV, 94. 


zoom. 0a» 


512 


fih ‘comitatus’ und ‘comites’ Auffchluß über unfere Frage. Den 
das Erſtere fommt, foweit id) fehe, nur an der ſchon oben ange 
führten Stelle, bei Paulus I, 20, als identifh mit “obsequium 
vor; das Legtere auch nur bei Paulus V, 23, wo, nachdem die 
Rückkehr Herzog Wektari's nah Friaul erzählt ift, folgendermaßen 
fortgefahren wird: Cujus comites cum ad propria remeassent, 
und bei dem fchon erwähnten Jagen Liutprande. Beide Male kam 
e8 zweifelhaft fein, ob von Gefolgsleuten oder einfach von Begleitern 
die Nede ift. Dies ift fogar das Wahrfcheinlichere. 


Es bleiben uns alfo für unfere Unterfuhung nur diejenigen 
Stellen, in denen das Wort “gasindius’ erfcheint. Denn dies ber 
zeichnet immer das durch freiwilligen Anfchlug herbeigeführte ehren 
volle Dienftverhältnis, das wir eben Gefolge nennen. Gegen dieſe 
Meinung ift freilich Troya! aufgetreten mit der Anficht, daß jener 
Ausdrud auch wohl zur Beitimmung anderer Abhängigfeitsbeziehm- 
gen gebraucht werden könne, wenn auch nur irrthümlich oder durd 
eine Erweiterung des urfprünglichen Begriffes. Er ftüßt fich dabei 
befonders auf eine Stelle in der Dotationsurfunde des berühmten 
Klofterd der h. Maria in Ticinum?, die ich bier wörtlich anziehen 
muß: Ubi nos supradicti fundatores Christi fideles Senator et 
Theodelinda donamus et conferimus omnem facultatem no 
stram, quam possidemus atque domino permittente potueri- 
mus adquirere, tam intrinsecus domus cum familia, quamque 
colonos cum omnibus cespitibus, universa in inte mobil 
et immobilia, excepto quod pro anime nostre salute jam con- 
tulimus in locis Sanctorum. Gasindiis ® ac libertis nostris, 
quos in libertate secundum nostram institutionem manere 

raecepimus, ut cuicunque adhuc sincera voluntate, non do- 

{oso animo sub reverentia Dei largiri voluerimus. Hier hat 
Troya die ganze Sache dadurdy verwirrt, daß er das “quos’ dees 
legten Sages ganz willfürlih und ungerechtfertigt auf “gasindiis’ 
und *libertis’ zufammen bezieht, nachher ftatt “adhuc’ das gan; 
unpafjende ‘aldio’ Hineinkonjiciert und nun meint: „So wird es Kar, 
daß hier nicht von edlen Gafindien die Rede ift, fondern von Aldien 
und freigelajfenen Sklaven.“ Offenbar aber ift der Sinn der Worte 
folgender: Senator und feine Frau verſprechen dem neu gegründeten 
Klofter alle ihre Habe mit Ausnahme deſſen, was fie fchon an ans 
dere Kirchen oder Klöfter gewendet haben oder was fie in Zukunft 
noch (adhuc) ihren Gefindmannen oder ſchon früher Preigelaffenen 
fchenten wollen. Dabei ift denn doch die Unterfcheidung zwiſchen 
‘gasindii’ und Jiberti deutlid) genug ausgedrüdt. 


I Cod. dipl. II, 445. 

2 Cod. dipl. III, 168 n. 1. 

° Das von Redaelli in den Tert gefehte ‘cespitibus’ ift eine unhaltbare 
Konjektur. 


613 


Zwar wird auch fonft !' die Möglichkeit erwähnt, daß Freige⸗ 
laffene im Gefolge eines Herzogs ſich befanden; aber wohl zu mer- 
fen, nicht etwa als Aldien, fondern als vollfrei wenn auch nicht 
amund Entlafjene, die im Leben gar Feine Beziehung mehr zu ihren 
früheren Herren hatten, deren Erbfchaft nur an bie Lebteren fiel, 
im alle fie Tinderlos ftarben ?. 

Im Uebrigen finden wir die gasindii' ſtets als Vollfreie $; ale 
befonder® ausgezeichnet durch Reichthum und Anfehen die des Königs, 
unter denen es freilich felbft wieder noch verfchiedene Rangſtufen 
gab. So gründen drei Brüder Theutpert, Rotpert und Godepert, 
föniglihe Gefindleute, im Verein mit dem Archipresbyter Siegmund 
vor den Mauern von Lukka ein reich ausgejtattetes Hospital, unter 
Anderem verſprechen fie für daffelbe den Zehnten von allen ihren 
Beſitzthümern in Tuscien, der von ihnen felbjt, ihren Erben oder 
Aktoren gezahlt werden fol. Tuido von Bergamo, Gefindmann des 
Königs, vertheilt in feinem Zeftamente + eine bedeutende Anzahl von 
Meeiereien in drei verjchiedenen Yudiciarien, der von Sirmio, Ve: 
rona und Bergamo. Freie Männer treten in ihren Dienft ein 5, 
felbft rechtlich ift ihnen zeitweife wenigftens eine gewiſſe Ausnahme: 
ftellung eingeräumt ®. 

Neben dem Gefolge bes Königs finden wir aber ficher wenig- 
ſtens zur Zeit des Defiderius aud ein foldes der Königin’. Es 
trätt beſonders zu Tage in einigen Urkunden für das von Anfa wie 
von den übrigen Mitgliedern der Familie hochgeehrte und reichbe- 
gabte Klofter der 5. Yulia in Breſcia. So heißt e8 in einem Di- 
plome des Defiderius und Adelchis zu Gunſten deffelben®. „Es 
ift offenbar, daß Kunimund von Sermio einen Streit innerhalb un⸗ 
feres heiligen Palaftes begonnen und dort den Manipert getödtet 
hat, den Gafindius der ruhmvollen Königin Anja, unferer Gattin 
und Mutter“, ein anderes Mal tritt ein Alpert, Gefindmann der 
Königin als Zeuge auf ?. 

Bon geringerem Intereſſe ift bie Trage, ob den Söhnen oder 


2 Ed. Roth. 225; fiehe auch Waitz, Deutihe Verfgeſch. I, 133. 

® Ed. Roth. 224 $. 3 und 225, 

5 Sie zeugen vollgiltig in Urfunden; fiehe Cod. dipl. IL, 55: Signum 
+ manus Petri gasindü testis; IH, 115: Ego Florentius gasindio in hanc 
cartola rogans scripsi; III, 429: Ego Ramigis gasundius rogatus ad Caudiana 
in hanc pagina vindicationis suscer.; III, 627: Signum f manus Anfridi v. 
devoti gasindii testis, jiehe auch IV, 875; V, 534, 640, 765. 

* Cod. dipl. V, 729 ff. 

5 Ed. Rach. 11. 

6 Ed. Rach. 14. 

7 Das bat fhon Schupfer S. 76 bemerft. 

8 Cod. dipl. V, 323: Manifesta causa est eo quod Cunimundo de Ser- 
mione comisit scandalum intra sacrum palatium nostrum et occisit in ibidem 
Manipert gasindum gloriosae Ansae excellentissimae reginae conjugis et ge- 
nitricis nostrae, 

?° Cod. dipl. V, 487: Ego Alperto gasindi domne reginae nach ber 
befferen Lesart Aſtezati's. 


614 


Brüdern ber Tangobarbifchen Könige ein Gefolge zugeftanden kık 
Denn die Erfteren wurden meift ſehr bald Mitregenten ber Yäle, 
fo Adelwald, Kunipert, Adelchis; als foldhe Hatten fie natürlich ie 
Recht auf ein Gefinde; von Letteren aber ift uns wit Autusim 
der Brüder Rachis und Aiftulf überhaupt nichts befannt: md 
diefen verwaltete Aiftulf, während Rachis herrfcdhte, das 

in Friaul, hatte aljo, wie wir fehen werten, ſchon denmach die 
rehtigung, ein Gefolge zu halten, Rachis dagegen war währe) 
der Regierung Aiſtulfs Mönd in Montekaſino, kann alfo hier ge 
nicht in Betracht kommen. 

Steigen wir von ber Füniglichen Familie in niedere Kreife ker, 
fo tritt uns alsbald die Nothwendigkeit einer genauen Scheibung fe 
verfchiedenien Perioden entgegen. Für die ältere Zeit ſcheint mir ii 
ſchon mehrfach angezogene Geſetz entjcheidend, mo es in den Pelle 
mungen über die Erbfolge eines vollfrei aber nicht amımd Entlafe 
nen heißt !: „Wenn er im Gefinde eines Herzogs oder im Diet 
(obsequium) von Privaten etwas als Gefchent erivorben, fo fol 
die Sachen an den Schenker zurüdfalfen“. Hier ift ein abfichtlide 
Unterfchieb zwifchen ‘gasindius’ nnd ‘obsequuum’ : 
bar foll eben ausgedrückt werden, daß mit Ausnahme des König 
ein Geſinde nur den Herzogen, andern Yeuten böchftens ein ‘ober 
quium’ zuftand. Und das wird wenigſtens für die Mitte des ſicben 
ten Jahrhunderts beftimmt feftzuhalten fein. Weber die nächftfolgene 
Epoche ſchweigt das Edikt; weder unter Grimoalds noch unter Lin 
prands Zuſätzen findet fi, eine Erwähnung von Gefindleuten, ausge 
nommen allein das zweiundfechzigfte Gefeß des Letzteren, wo aber 
nur von dem Gefolge des Königs die Rede if. Erft unter Rad 
erfcheinen wieder nicht königliche Gefindleute; hier aber nicht alien 
In Verbindung mit ben Duces, fondern allgemeiner mit den Yub 
ce6?: „Wenn ein Yuder verabfäumt hat zu richten, fei e8 daß er 
auf feinen Geſindmann oder Verwandten oder Freund Rückſicht ge 
nommen, fei e8 daß er durch ‚Geld fich Hat beftechen laſſen, dann 
foll er fein Wergeld büßen.“ Doch würde aus der Stelle an fid 
nicht beftimmt folgen, daß zu Rachis Zeiten auch die Gaftalden ein 
Gefinde halten durften. ‘Denn man fönnte ja für das einzelne Ber 
hältnis des Gafindins aus dem allgemeinen Ausdrucke, Judices 
nur den Dux herausdenfen; was auf den erſten Anblid allerdings 
etwas Fünftlich erjcheinen mag, keinesfalls aber fo von vorne herein 
zu verwerfen wäre. 

So ergibt ſich, daß eine vollftändige und fihere Löfung unferer 
Frage für die Zeiten nad) Rothari aus dem Edikte allein nicht wird 
gewonnen werden fünnen. Höchſtens daß ſich aus demſelben noch 


ı Ed. Roth, 225: Si aliquit in gasindio doces aut privatorum hominum 
obsequium donum conquisivit, res ad donatorem revertantur. 

% Kd. Rach. 10: Si judex neglexerit judicare, forsitan adtenderit ad 
gasindio suo vel ad parentem aut ad amicum suum vel ad praemium cor 
ruplus, tune conponat widrigild suum. 


615 


‚ein negativer Beweis in der Sache entnehmen ließe. Vergleicht man 
nämlich die zulegt angezogene Stelle mit einer anderen aus dem 
Edikte Liutprands!: „Im Schwure felbft foll der Aftor fagen, daß 
er nicht Anzeige mache einem Freunde oder einem Verwandten zu 
Gefallen, nicht durch Belohnung verführt, fondern weil er es ficher 
wiſſe“; jo fällt augenblicklich auf, daß der Letteren, fo gleichartig 
fte fonft der Erſteren ift, doch die Rückſichtnahme auf den Gafindius 
fehlt. Nach der Lage der Umftände, glaube ich, wird man aus die- 
fer Abweichung den vorläufigen Schluß ziehen dürfen, daß nicht ein⸗ 
mal die Aftoren des Königs, gefchweige denn einfache Privatleute 
ein Gefolge zu halten befugt waren. 

Wenden wir uns zu den Urkunden, fo Tann ich zunächſt nicht 
mit Schupfer in den Zeugen, welche ſchlechthin als Gaſindii unter- 
fchrieben haben, Geſinde von Privaten erkennen. Er meint, diefelben 
würden, wären fie Gefolgsgenoffen eines Könige oder Herzogs ge⸗ 
weſen, nicht ermangelt haben das anzuführen. Aber wie, wenn es 
fid) nun von felbft verftand, daß fein anderer als der König, ber 
Kup oder der dem Letzteren in diefer Zeit falt völlig gleichitehende 

aftalde ein Gefolge halten durfte, wenn jeder Gafindius eben durd) 
die Bezeichnung ſelbſt fchon als Gefindmann fo hervorragender Männer 
bezeichnet ward? Viel mehr könnte man verjucht fein, bei diefem 
bloßen Gafindius, vielleicht mit Ausnahme der Beneventaner und 
Spoletaner Urkunden, an fönigliche Gefindleute zu denken, ebenfo 
wie bei dem einfachen Aktor ftetS ein folcher des Königs zu verfte- 
hen ift, obwohl es deren auch bei Klöftern und bei Privaten gab. 
Ja e8 jcheint faft, als ob ſich nur unter einer ſolchen Vorausſetzung 
die Ausbildung des einfachen Gafindius als des Ehrentiteld erflären 
ließe, wie er doch offenbar erfcheint ?. | 

Weiter beweifen auch die beiden Diplome, durch die man hat 
darthun wollen ®, daß jeder beliebige hätte ein Gefolge halten dür⸗ 
fen, offenbar nicht das, was fie follen. Es ijt einmal die Verkaufs: 
urkunde von zwei Xertiatoren der Silverada an einen Subdiafon 
von Neapel *, wo allerdings der als Zeuge fungierende Troald, Ges 
findemann des ‘dominus Argus’ °, unſere ganze bisherige Entwid- 
lung umguftürzen fcheint. | 

Mich machte hier vor Allem das dominus' aufmerffam. Ich 
glaubte nämlich bemerft zu haben, daß diefe Bezeichnung ohne Ver⸗ 


1 Ed. Liutpr. 139: Dicat actor in ipso sacramentum, quod non con- 
sentiendum ad amicum, non ad purentem, non ad premium corruptus, nisi 
quod certo seiat. 

2 Sehr auffallend würde auch, wollte man Schupfer's Anficht folgen, 
bad Verhältnis der erhaltenen Zennniffe fein. Denn es kämen dann auf eis 
nen Gafindius, der als foldyer eines Herzogs, bes Giſulf von Benevent, er: 
wähnt wird, act von Privatleuten. 

5 Troya, Cod. dipl. V, 765 n. 1; Schupfer ©. 76. 

* Cod. dipl. V, 763 ff. 

s Cod. dipl. V, 765: Hoc signum f manus Troaldi casindi domni Ar- 
gus, qui testes existit. j 





617 


unter Gifulf II, fondern fchon unter Gifulf I fegen müffen. Das 
kann aber ohne Schwierigkeit gefchehen: zweifelten doch die erften 
Herausgeber felbjt, welchem der beiden gleichnamigen Herzoge e8 an- 
gehöre !. Tür beider Regierungen paßt die erwähnte Indiktion, für 
Giſulf I würde fie auf 703, für Gifulf I auf 748 fallen. Da- 
gegen ift der Grund, welchen Troya für feine Meinung anführt, 
daß wegen ber Bartnäcdigen Kriege Gifulfs I mit den Nömern ein 
Handel zwiſchen Beneventanern und Saiferlichen in Neapel nicht 
wohl habe Statt finden können, Teineswegs durchſchlagend. Denn 
einmal berichtet Paulus gar nichts von einem Angriffe Gifulfs I, 
der direft auf Neapel gerichtet gewejen wäre, fondern nur von einem 
folden gegen Sora, Hirpinum und Arce und fpäter gegen Kampa⸗ 
nien, wo er bis Horrea fam. Wohl aber wiffen wir darauf von 
Geſchenken, die der Pabft ihm überfendete, und von dem dann er- 
folgten Rückzuge und Frieden. 

Und fo fönnte man wohl aus diefer Urkunde zu der Annahme 
geführt werden, als fei e8 wenigitens auch, den Brüdern der Herzoge 
geitattet gewefen, ein Gefinde um ſich zu fammeln. Allein es fcheint 
doch mindeſtens bedenflih, das fo unbedingt auszufprechen. Im 
Gegentheil wird man, wenn man fid) der ganz anomalen Stellung 
erinnert, die Gifulf I dem Tangobardifchen Reiche von Pavia gegen- 
über einnahm, wohl anerfennen müffen, daß ein Schluß von ihm 
auf die anderen langobardifchen Herzoge nicht erlaubt ift, höchſtens 
die von Spoleto ausgenommen. 

Die zweite Urkunde, welche man für die Exiftenz der Geſinde 
von Privatleuten angeführt get » ift die oben erwähnte Dotation des 
Klofters der h. Maria in Ticinum. Allein auch diefe mit Unrecht. 
Denn wenn fchon die Nachricht der Piacenzer Chronit des Agaza- 
ring ®, nad) der Senator ein Herzog gewejen wäre, wegen ihrer Un- 
Marheit keinen Glauben verdient, fo würden doch entfchieden ſchon 
die Zeugen beweifen, daß Senator mehr als ein gewöhnlicher Pri- 
votmann war. ALS folche erfcheinen nämlich ein Marſchall und zwei 
Notare des Königs, ein Vierter, deſſen Amt nicht ganz deutlich ift, 
und Bruning ‘vir illuster’*, fajt alle alfo Leute, welche in nächjter 
Verbindung mit dem Könige ftanden. Und in eben eine folche wer: 


det gerade der Name Arichis ſich auch fonft ganz beſonders verdorben. So 
Cod. dipl. V, 169, wo „Atrihus“ fteht; V, 455, wo fogar „Alelcis“ gelejen 
wurde. 

2 Regü Neapolitani archivii monumenta edita ac illustrata I, 1— 5. 
Notiz wie Citat aus Cod. dipl. V, 763 n. 1. 

2 Schupfer ©. 75. 

5 Bei Gampi, Storia eccles. di Piacenza I, 183; auch bei Muratori 
8S. XVI, 625: Tempore, istius (Liutprandi regis) nobilis quidam, mag- 
nus dux et senator, construxit atque aedificavit monasterium unum infra ur- 
bem Tieinensem sub regimine et defensione apostolicae sedis. 

* Bruningus vir illustris, Todo notarius regie potestatis, Saxo vir 
maynificus marescarius regie potestatis, Anfrit notarius regis, Sinderam regie 
potestatis — . 


II. 34 


618 


ben wir, wenn ich nicht irre, auch den Senator ſetzen müſſen; offer 
bar war er einer der hohen Beamten des Töniglichen Hofes, ein 
judex palatii’, wahrſcheinlich zugleich im Gefolge des Könige. De 
rauf weiſen auch die Güter Hin, welche er als Geſchenk des Lektern 
erhalten, wie Pavia als Ausftellungsort des Diplome. Daß a 
felbft diefe Hohe Stellung nicht erwähnt, liegt wohl Hauptfählid 
daran, daß bei der Schenkung er wie feine Frau mehr als „getrem 
Ehriften“ ? Handeln, denn in irgend einem anderen Charafter. 

Und nun zeigt und vielleicht gerade diefe Urkunde den Weg zım 
richtigen Verftändnis jener Stelle im Edikte des Rachis: „Wem 
ein Juder zu richten verfäumt, ſei e8 daß er auf feinen Gafindins 
Rüdficht nimmt“ u.f.w. Denn find wir genöthigt, den “judices 
palatii ein Gefolge zuzufprechen, fo werben wir es der Analogie 
nach den Gajtalden des Königs kaum verfagen dürfen, wenn aud 
vielleicht faktiſch das Recht weniger von ihnen geübt werden mochte, 
al8 von den Herzogen, namentli wo ihr Brivatgrundbefit nicht 
von bedeutender Ausdehnmg war. Ob aud den Gaftalden der Her 
zoge von Benevent und Spoleto ein ſolches Recht zugeftanden habe, 
‚ mag zweifelhafter erfcheinen; mir ift es kaum wahrfcheinlich, do 
läßt fi darüber nad dem jetigen Stande der Quellen ficheres 
nicht fagen. Ebenfo wenig über die Zeit, in welcher jene Verände⸗ 
rung vor fi gieng. Nur fo viel können wir wohl mit Beſtimmt⸗ 
heit behaupten, daß fie mit dem kräftigen Aufſchwunge der königlr 
hen Gaftalden überhaupt und insbefondere mit dem Umſtande zu 
fammenhängt, daß jene jet auch die Aufbietung der bemaffneten 
Mannſchaft und die von den Herzogen ganz unabhängige Keitung 
derfelben im Kriege erhielten. 


2 Cod. dipl. III, 168: Senator et Theodelinda donamus omnem facuk 
tatem nostram quam possidemus, et quam et parentum successionibus ses 
ex regio dono vel quoquo dono ubi habere videmur. 

8 So nennen fie fih mit Vorliebe. Gleich zu Anfang und in ber fen 
angeführten Stelle: Ubi nos supradicti fundatores Christi fideles. | 





...m wa M m W Bu Mm - ua 


—u — 


Herzog Wilhelm III. von Bayern, 


der Protector des Baſeler Concils und Statthalter des 
Kaifers Sigmund. 


Nach Urkunden und Alten des K. Reichs- und Haus-Archivs 
zu Münden. 


Von 


Anguſt Kluckhohn. 


Br 


521 


Herzog Wilhelm III. hat in der bayeriſchen Geſchichte keine eigent- 
lich hervorragende Rolle gefpielt. Als der jüngere Mitregent des 
dritten und lange Zeit blos des vierten Landestheiles, der noch dazu 
nicht die fruchtbarften und reichften Gegenden des Herzogthums ums 
faßte, konnte er ſich nach feiner Machtſtellung nicht entfernt mit fei- 
nen Vettern von Landshut und Ingolſtadt meſſen, und felbft in 
München war naturgemäß der überwiegende Einfluß lange Zeit bei 
bem älteren Bruder. Dazu kommt, daß Herzog Wilhelm bei einer 
nicht unbedeutenden geiftigen Begabung wenigftens diejenigen Vorzüge 
nicht befaß, welche am häufigften mindermädtige Fürften groß ge⸗ 
macht haben, ich meine Friegerifchen Sinn und Feldherrntalent, große 
ftaatsmännifche Gaben oder diplomatifches Genie. 

Und do war e8 eben diefem Fürſten befchieden, einige Jahre 
hindurch in den wichtigften Angelegenheiten Deutfchlands, ja der 
ganzen Chriftenheit eine einflußreiche Thätigkeit zu entfalten. Als 
Protector des Baſeler Concils und Statthalter des Könige Sig- 
mund legte er einen fo unermüdlichen Eifer und fo große Umficht 
an den Zag, daß er fich den König wie die Kirchenverſammlung 
gleihmäßig zu Dank verpflichtete. Ehre und Anerkennung ward ihm 
in reichem Dabe zu Theil. 

In der Gefchichte ift ihm eine dem entfprechende Beachtung 
nicht gefchentt worden. Dean kennt weder die Aufgabe, die dem 
Protector des Concils geftellt war, genauer, noch weiß man, wie 
Herzog Wilhelm fie im Einzelnen durchgeführt hat. Ueber die Des 
deutung der Statthalterwürde ift man vollends im Unflaren. End⸗ 
fi ift auch fein Charakter fehr verfchieden und zum Theil fehr un⸗ 
richtig beurtheilt worden. Während die Einen den Herzog Wilhelm 
als den frommften und tugendreichiten Yürften feiern, erklären ihn 
die Anderen für einen habfüchtigen und intriguanten Mann, dem die 
zur Schau getragene Frömmigkeit nur als Dedmantel der Selbft- 
jucht gedient habe. 

Es ift zu hoffen, daß die unverfälichten Quellen, die und vor⸗ 
fiegen, auch eine treue Schilderung der Wirkfamkeit und der Perſön⸗ 
Yichfeit des Fürften möglich machen, und bei der Wichtigkeit der Stel- 
lung, die Herzog Wilhelm eine Zeitlang einnahm, dürfte die Dar⸗ 
jtelluhg feiner Thätigfeit auch über die Verhäftniffe, auf die fie ſich 
erjtredte, hie und da neues Licht verbreiten, 


622 


Unfere Quellen aber find in erfter Linie die Correfpondene 
des Herzogs, fowohl diejenige, welche er mit dem Kaifer Sigmm, 
als die, welche er mit dem Bruder Ernft und mit andern verwan> 
ten und befreundeten Fürjten geführt hat. Dazu kommen eine Kak 
von Urkunden der verfchiedenften Art!. 

Es konnte die Verfuchung nahe liegen, manche der benuttn 
Briefe in extenso mitzutheilen. Da aber die widhtigiten Scrit: 
ftüdfe aus der Correipondenz des Herzogs mit dem Kaiſer in de 
Sammlung der NReichstags-Acten, die übrigen auf das Concil bei 
lichen Briefe, wie zu erwarten fteht, in der von der Akademie da 
Wiffenfchaften zu Wien vorbereiteten Sammlung der Acta Conclü 
Basiliensis feiner Zeit zum Abdrud kommen werden, fo begmgt 
ich mich gern, nur diejenigen Stellen aus meinen Quellen wörtfid 
hervorzuheben, welche entweder eine neue Anficht begründen oder de 
Anfchaulichkeit der Darftellung befördern konnten. Die drei Fülk, 
in denen ich eine Ausnahme machte und ein Actenſtück in feinen 
ganzen Umfange mittheilte, rechtfertigen fi) von felbft. Die Ur 
funden über die Berufung Wilhelms zum Protector des Gmail 
und über die Erhöhung feiner Vollmacht als Landfriebenswahre 
gehören nothiwendig zu der vorliegenden Abhandlung. Das an a 
Herzog gerichtete Schreiben Eberhard Windeds aber ſchien bes fie 
rarhiftorifchen Intereſſes wegen einen Abdrud zu verdienen, und be 
Umftand, daß der Brief weniger als andere Actenftüce in den Iw 
ſammenhang unferer Darftellung gehörte, fonnte mich nicht abhalten, 
ihn bier mitzutheilen. 


2 Die Gorrefpondenz mit dem Kaifer Sigmund findet fi ausſchließlich 
bie mit bem Bruder Ernft größtentheild im fünften Banb der fachen 
im 8. Reichs-Archiv zu München. Außerdem enthält biefer fehr umfangreide 
Actenband no eine Menge von Briefen Wilhelmd an feine fürftlichen Be 
tern in Bayern und in ber Pfalz, fo wie Briefe Anderer an ihn aus be 
Zeit bed Concils. Aus ber früheren Zeit finden ſich auch einige beachten: 
wertbe Schriftftüde im dritten und vierten Band berfelben Sammlung. — 
Aus dem 8. Haus-Archiv Tonnte ich den zweiten Band der Heiratbs- und 
Gorrefpondenz-Acta mit Briefen Wilhelmd an feinen Bruder, fowie die Corre⸗ 
fpondenz des Herzogs mit Abolf von Eleve benugen. — Urkunden zur Ge 
ſchichte Wilhelms finden fi in großer Menge im Reichs-Archiv; für mid 
waren die auf das Baſeler Concil bezüglihen am wictigften. — Daß Geh. 
Staats-Archiv bot für meine Zwede nichtd bar. — In der Handfchriften-eSamm- 
Iung ber por und Staantd- Bibliothek fanden fich in Cod. bar. 1585 Briefe 
vom Bajeler Eoncil, aber größtentheils aus fpäteren Jahren. 


Nachträgliche Bemerkung. Nachdem bie vorliegende Arbeit vollendet unb 
ber Termin für den Drud fchon feft beftimmt war, erfuhr ich durch bie Güte 
bes Herrn Profeſſor Höfler in Prag, daß eine Hanbfchrift der Bibliothek zu 
Dresden Abfchriften intereffanter Briefe des Herzogs Wilhelm enthalte IE 
boffe, fie bald einfehen und nachträglich verwerthen zu fünnen. 





624 


verwickelt fein, daß es auch bei größerer Uebereinſtimmung ber Re 
turen der betheiligten Fürften an Hader nicht hätte fehlen könne 
Nun war aber die geiftige Art diefer Theilherzoge ſehr verfchieben. 

War Schon Stephan von Yngolftadt hochfahrend und anmaßen, 
fo gebehrdete fich fein Sohn Ludwig, den man den ©ebarteten ge 
nannt hat, vollends übermüthig und rückſichtslos. Die Brüder Errt 
und Wilhelm befaßen zwar weniger Ehrgeiz, auch weniger Troß un 
Uebermuth, aber fie waren doc zähe und herrichbegierig genug, ım 
ihre wirklichen oder vermeinten echte mit aller Hartnädigfeit m 
vertheidigen,, am meiften ber ältere, Ernſt, der wenigftens in biede 
Zeit kecker und rafcher zur Abwehr ijt als fein gutmüthiger jüngere 
Bruder. Wilhelm nahm übrigens wegen feiner Jugend — det 
Sahr der Geburt ift nicht bekannt — erft einen geringen Antkeil 
an der Leitung der Gefchäfte,; er tritt nur im Anfchluß an En 
auf, dem er in unmandelbarer Treue ergeben ift. 

Ueber die Studt Münden, wo Stephan und Ludwig, um dk 
Vettern zu verdrängen, fi) zu Gönnern der municipalen Freiheit 
aufwarfen, fam e8 zı blutigen Fehden, und als einziges Mittel der 
Verſöhnung erfchien (1403) eine neue Theilung oder richtiger br 
Wiederherftellung der von 1392.. Stephan mit Ludwig befam wie 
ber Ingolſtadt, Ernft und Wilhelm München, während ber jugend 
liche Deine unter Vormundſchaft jener zu Landshut bfieb. 

on nım an tritt Ludwig von Ingolſtadt in den Vordergrund 
und namentlich zu feinem jungen Vetter Heinrih von Landshut in 
ben entjchiedenften Örgenfah. Die Todfeindſchaft Beider ward fir 
Bayern verhängnißvoll. ir heben hervor, was von biefen Küms 
pfen die Münchener Brüder berührt. | 

Lange Zeit machten die Herzoge Ernft und Wilhelm mit Heim 
rich gemeinfame Sache gegen ihren rückſichtslos um ſich greifenden 
Better. Der eigene Vater Stephan fühlte fi vor Ludwig nicht 
mehr fiher; er fand es nöthig, ſich von ihm bie ausdrückliche Ver⸗ 
fiherung geben zu laſſen, daß er ben Vater Zeitlebens bei feiner 
Gewalt, Herrfhaft und Fürſtenthum belaffen wolle'. Um fo eifri- 
ger war Ludwig bemüht, die Macht feiner Münchener Bettern zu 
beeinträchtigen, indem er ein Gut nad dem andern in ihrem Lan 
bestheile durch Kauf an ſich brachte und darauf geftütt den Verkehr 
und bie Gerichtsbarkeit zu hemmen juchte. 

Ein anderer Anlaß zu Händeln bot ſich bei Herzog Heinrid. 
Schon fein Vater Friedrih mar bei der Theilung von 1392 zum 
Nachtheil feiner Brüder Stephan und Johann begünftigt worden. 
Der Landshuter Yandestheil war bedeutend reicher und einträglicher 
als die zu Ingolſtadt und München gehörigen Gebiete. Heinrich 
aber glaubte, ein Erbrecht an dem umverfürzten Fürftenthum zu bes 
ſitzen und weigerte ſich hartnädig, eine Entfchädigung für die Bevor 
zugung bei der Zheilung zu leiften. Die offenkundige Feindſchaft 


2 Lang, Ludwig ber Bärtige ©. 49, 





626 


Nachdem ber Bater Stephan im %. 1413 geftorben und ie 
wigs Stellung in Paris bei der fteigenden Ohnmacht bes König 
untergraben war, kehrte er, mit Schäten beladen, zur Beſorgiij 
feiner Nachbarn nad) Bayern zurüd. Ein Yahrgehalt des König 
Sigmund, der ihn während des Concils zu Koftnig mit biplomet: 
Shen Miſſionen betraute, erfegte ihm einigermaßen die ausgefallen 
franzöfifhe Penfion und hob von Neuem fein Anfehn unter da 
Fürſten. Schon war er fo gefürdtet, daß die Herzoge Ernit, Bi 
heim und Heinrich mit dem Kurfürften Ludwig von der Pfalz, der 
Pfalsgrafen Johann zu Neumarkt und dem Burggrafen Friebrd 
von Nürnberg am 8. Juli 1415 zu Koftnig ein Biindniß fchloffe, 
fich gegen Ludwig, „der ettlihe unter ihnen fchon vor fich genommm 
und fürbas einen nad den andern vorzunehmen wagen möchte“, Zeit 
feines Lebens getreulich beholfen zu fein !. 

Zwei Jahre fpäter kam nad langer Gährung und fortgefchte 
Debereien, wodurch Ludwig den Adel und die Städte von gem 

ayern auf feine Seite zu bringen fuchte, ber Krieg endlich zum 
Ausbruh. Aber die Herzoge Ernft und Wilhelm nahmen nidt u 
erfter Linie an dem Kampfe Theil. Die beftigften Feinde Ludwig 
waren vielmehr Herzog Heinrih und Kurfürft Friedrich I. ven 
Brandenburg. Bon dem Erfteren forderte Ludwig fort und fort dk 
Herausgabe eines Theile feiner Befigungen, bis die Erbitterung zur 
Ichen Beiden zu einer folchen Höhe ftieg, daß Heinrich ben Bette 
zu Koſtnitz auf offener Straße üderfiel und ſchwer verwundete. Den 
Markgrafen Friedrich aber vergab es Ludwig nicht, daß er fi je 
nes Schwagers ae jo eifrig annahm; noch weniger frei 
mochte er dem neuen Kurfürften die Erwerbung der Mark Bra 
denburg,, die Ludwig der Bayer einft an da8 Haus Wittelsbach ge 
bracht hatte, verzeihen. Ludwig von Ingolſtadt fcheint in ber That 
der einzige bayerifche Fürft gewefen zu fein, der fchon damals dk 
Gefahr erkannte, welche in der fteigenden Macht der Burggrafen für 
Bayern lag — eine Gefahr, die in der zweiten Hälfte des Jahr⸗ 
hunderts den reichen Herzog Ludwig von Landshut in einen fchweren 
Krieg mit dem Markgrafen Albrecht verwideltee Allein bie richtige 
Erfenntniß der Sachlage wurde bei Ludwig dem Bärtigen durch lei⸗ 
denfchaftliche Hite getrübt, und ftatt in Eintracht mit den Herzogen 
von München und Landshut das Vordringen der markgräflichen 
Macht nad) Bayern zu bekämpfen, hat gerade er durch blinden 
gegen feine Vettern diefe zu dem Bündnig mit Friedrich gedrängt. 
Daß er nad den Heftigften Schmähbriefen bald den offenen Krieg 
mit dem Markgrafen begann, fam Bayern nicht zu Gute. 

Es Tiegt außerhalb unferer Aufgabe, die furcdhtbare Verheerung 
zu fchildern, die in den Jahren 1419—23 über Bayern hereinbrad). 
Ueberall war die Raub und Fehdeluft aufs Höchfte entbrannt, mit 
Feuer aber verwüftete man noch mehr als mit dem Schwert. Die 


r Lang a.adD, ©. 8. 


627 


Herzoge von München traten erft 1421 in den Krieg ein, um im 
folgenden Yahre (1422, 14. Septb.) gegen Ludwig die entfcheidende 
Schlacht bei Alling in der Nähe von München zu gewinnen. 

Ludwig mußte an dem Hof des Könige zu Regensburg kniend 
um Gnade bitten. Sigmund verkündete einen Friedebrief, fette über 
Ludwigs Land einen Hofmeijter und nahm ben Herzog felbjt mit 
fih nad) Presburg. 

Jetzt wurde der Streit ftatt mit den Waffen in langwierigen 
Prozeſſen fortgeführt, bis zu Anfang des Jahres 1425 mit dem 
Tode des Herzogs Yohann in Holland, des legten männlichen Sprof- 
ſes der Straubinger Linie, die Erbfchaft des bayerischen Niederlan- 
des ein neuer Zankapfel für die herzoglichen Vettern wurde. Lud⸗ 
wig, als der ältefte Prinz des bayerifchen Haufes, forderte das 
ganze Straubinger Land für fi), aber die Herzoge Heinrich, Ernſt 
und Wilheltn machten geltend, daß fie mit dem Verftorbenen in glei- 
hem Grade verwandt feien, und verlangten gleichen Antheil an der 
Erbſchaft. Es fragte fi nur, ob die Brüder Ernft und Wilhelm 
zufammen nur ein Drittheil, oder ob jeder von ihnen den vierten 
Theil, beide zufammen alſo die Hälfte des Erbes erhalten, mit an⸗ 
bern Worten, ob nad) Stämmen oder nad Köpfen getheilt werben 
follte. 

In dem fünfjährigen Erbfchaftsftreit, der nun begann und der 
bald vor dem König bald vor einem Fürſtenrath verhandelt wurde, 
finden wir den Herzog Wilhelm wiederholt am Töniglichen Hofe. 
Gleich nad) dem Tode Johanns eilte er nad) Presburg, um Sig- 
mund zu feinen und feines Bruders Gunften zu ſtimmen, und raſch 
erwarb er fich die Gnade und Freundſchaft des Königs. 

Als er am 27. Febr. 1425 feinem Bruder um eine Sendung 
von Fischen (Renten) aus dem Würmſee bat, um damit den König 
zu ehren, fühlte er fich fchon in des Königs Gunft fo befeftigt, daß 
er den Bruder aufforderte, in Erfahrung zu bringen, ob der König 
nicht „dort oben lediger gult unter den reichjtetten oder funft anders 
von ambten oder ariderm het“, daraus ihnen Nuten entitehen könnte, 
fo wolle er bei dem König darum arbeiten und das Beſte thun!. 
Das Verhältniß zu Sigmund war ‚bald der Art, dapı Wilhelm 
fogar die Abficht Hatte, ihn auf einer Neife zum König von Däne⸗ 
marf, die freilich nicht ausgeführt wurde, zu begleiten ?. 

In demfelben Maße aber, wie fih Wilhelm dem Könige nä- 
herte, mußte dad Mißverhältniß zwifchen ihm und Ludwig wachen. 
Hatte diefer von Anfang an Alles gethan, um die Herzoge von Min- 
hen zu reizen, fo ließ er es jeßt bei perfönlicher Begegnung mit 
Wilhelm auch an Zeichen der Verachtung nicht fehlen. Letzterer be⸗ 
Schwert fich gegen feinen Bruder Ernft und den Herzog Heinrich), 
„daß er mit Ludwig mehr denn einmal zufammen beim König ge- 


1 rſtenſachen T. III, fol. 154 u, 155, 
8 a. O. fol. 169. 


628 


wefen fet, ohne daß jener je ein Wort mit ihn habe reden wolle: 
da könne er denn freilich aud mit Ludwig nicht reden, feit biefe 
fich fo gröblich gegen ihn gehalten habe“ '. 

Was den Straubinger Erbfolgeitreit betrifft, fo vergingen 4 
Sabre, ehe der endgültige königliche Sprud gefällt wurde (26. Ayri 
1429). Daß er ganz im Sinne ber Brüder Ernft und Wilhen 
ausfiel, wird zum großen Theil dem perfönlihen Verhältniß zum 
fehreiben fen, in welchem Wilhelm zu Sigmund ftand. Denn 4 
waren keineswegs alle Stimmen darüber einig, daß an bie Stefk 
der Dreitheilung eine PViertheilung treten müſſe; ein fürftfiches Ans 
tragsgericht hatte fogar einmal geradezu eine Theilung in drei Theile 
ausgeſprochen. Im Sommer 1429 wurde die DViertheilung voll: 
ogen. 

Damit fchien der Friede in Bayern hergeftellt zu fein. Aber es 
lag in der Natur der Dinge, daß er nicht von Dauer fein Tonnte 
Denn bei der Zerriffenheit der Territorien, die ſich vielfach durd- 
Schnitten, gingen fchon die Grenzftreitigfeiten felten aus. Dazu he 
derte man bald über die Richtung einer Straße, bald iiber das Ge 
feitörecht, bald über Jagd⸗ und Fifchgerechtigkeiten, über Juriédic 
tionsrechte und Anderes. 

Lange Zeit hatten bie —5 von München mit Heinrich von 
Landshut im Bunde gegen Ludwig geſtanden. Als aber die 
Gefahren beſeitigt waren, fehlte es auch zwiſchen ihnen nicht an 
Streitigfeiten, die wir berühren müffen, weil fie auf das Verhältniß 
Wilhelms zum König eingewirkt haben. Man könnte ſogar behaup 
ten, daß ohne den Hader mit Herzog Heinrih Wilhelm vielleicht 
niemals das Protectorat über da8 Baſeler Concil erhalten hätte. 

Es waren mancherlei Klagen, welche Ernjt und Wilhelm gegen 

einrich erhoben?. Während des Straubinger Erbfolgeftreits hatte 
ſich Heinrich, al8 eine vorläufige Dreitheilung vollzogen wurbe, ver 
bindlich gemacht, feinen beiden Vettern, fobald eine Theilung in vier 
Theile durchgeführt werden würde, den Ertrag von dem herauszuge 
ben, was er bis dahin zuviel inne gehabt habe. Als nun aber wirt 
lich der Fall eintrat, daß die Münchener Brüder ftatt eines Drit- 
theils die Hälfte des Straubinger Landes empfingen, weigerte fid 
der Herzog von Landshut, fein Verfprechen zu löfen. Außerdem er 
richtete er eine neue Mauth zu Vilshofen, maßte fich ein Geleit zu 
Abach an, beeinträchtigte das Gericht zu Aibling, machte eine Neue 
rung an dem Zolle zu Traunftein und Dettingen, furz er beging 
eine Menge von Uebergriffen. Wurde er hierzu durch fein über 
mäßiges Verlangen nah Geld und Gut verleitet, fo befaß er zu⸗ 


2 A. a. O. fol. 169. 

2 Sie kommen in ber Correfpondenz Beider mit H. Heinri in T. V 
ber Fürftenfachen oft vor; beſonders Iehrreih find aber die Briefe Wilhelms 
an Herzog Stephan vom 14. Febr. 1432 a. a. O. fol. 132, und ber Sprud: 
brief des Kaiſers Sigmund vom 1. San, 1434, Urkunde im Reichs = Archiv 
unter Haug: und Familienſachen. " 


629 


gleich eine fo große Zähigkeit im Zurückweiſen gerechter Klagen und 
Vorderungen, daß feine fürftlichen Vettern fremde Unterftügung in 
Anspruch nehmen mußten. 

Dem Koftniger Bündniß (1415) gemäß hatten die Münchener 
und Landshuter Herzoge ihre Streitigfeiten den verbündeten Fürjten, 
den Markgrafen von Brandenburg und dem Herzog von Neumarkt, 
zur Entfcheidung vorzulegen. Ernſt und Wilhelm riefen 1430 dies 
fürftlihe Schiedsgericht an und erhielten am 16. Auguft einen ihnen 
durchaus günftigen Urtheilsſpruch. Aber Herzog Heinrich beeilte fich 
trogdem nicht, das Schuldige zu leiften, und zwang fo feine Vettern, 
ihn bei dem höchſten Richter, dem Könige, zu verklagen. 

König Sigmund befand ſich gerade auf der Reife von Pres- 
burg nad) Nürnberg, wo wegen der überhandnehmenden Huffitennoth 
und des in Deutfchland herrjchenden Unfriedens ein Reichstag abge⸗ 
halten werden jollte. Am 25. Auguft 1430 kam er nad) Straus 
bing, und blieb dort bis zum 10. September. Es ift wahrjcheinlich, 
dag die bayerifchen Herzoge ihm fchon damals ihre Angelegenheiten 
bortrugen. Xudwig von Ingolſtadt bat den König fchriftlih um 
einen Rechtstag gegen Heinrich von Landshut, von dem er noch Ge⸗ 
nugthuung für die einft in Koſtnitz erlittene Beleidigung forderte. 

Die Eröffnung des Reichstags zu Nürnberg verzögerte ſich bis 
zum Februar des folgenden Jahres. Wilhelm blieb mwahrfcheinlich 
während diefer ganzen Zeit in der Nähe des Könige. Am 1. Febr. 
1431 befand er ſich bei ihm in Schorndorf; auch Herzog Heinrid) 
war erfchienen, um fich perfönlich zu rechtfertigen. 

Ä Nach einem Briefe, den Wilhelm von Schorndorf aus an fei- 

nen Bruder richtete, kam es dort zwifchen den ftreitenden Vettern 
in Gegenwart des Königs zu Erörterungen, die Sigmund bamit ab» 
fchnitt, daß er fie auf den Nürnberger Reichstag vertröftete; doch 
gab er dem Herzog Heinrich fein Mipfallen zu erkennen, daß er daß, 
was er verjproden und verjchrieben, noch immer nicht geleitet. 
Wilhelm lebte dagegen der feiten Hoffnung, daß er durch des Königs 
Gnade einen gerechten, d. h. ihm glünftigen, Sprud) erhalten werde, 
forgte aber auch dafür, daß fein Bruder Ernft dem Könige eine 
Aufmerkfamteit durch Ueberſendung von zwei Hirfchgeweihen erwies‘. 


2 Sürftenfachen T. IV, fol. 40. 41. Nach Lang, Ludwig d. B. S. 155, 
hätte Herzog Wilhelm ſchon zu Straubing dem Kaifer ein Geſchenk mit einem 
vierftangigen Hirſchgeweih gemacht. Doch geſchah die nicht zu Straubing, 
fondern erft zu Nürnberg, und das Geſchenk beftand nicht in einem, fondern 
in zwei Geweihen, bie Is ber König von dem Herzog Wilhelm ausdrücklich 
erbat. Das eine war ſchon durd Herzog Ernſt verfprochen worden; von dem 
andern hörte der König. der eine Lichhaberei für ſolche Tinge gehabt haben muß, 
zuerft durch Wilhelm. Zugleich benadyrichtigte diefer den Bruder, daß auch bie 
Markgräfin von Brandenburg mit anbern rauen auf die Faſtnacht nad 
Nürnberg kommen werde; daher „gefiel und wol, daz ewer lieb willpret viſch 
und guten wein mit üch bringen lieft, wann mir de beburfien werben“. 
Ale died aus einer Nachjchrift zu Wilhelms Brief d. Schörnborf 1431 Febr. 

.a. a. O. 


530 


Auf dem Tage zu Nürnberg wurde über die höchſten Angelegen- 
heiten des Reichs, über den Krieg gegen die Keter in Böhmen und 
den Landfrieden in Deutfchland, verhandelt. Der König faß auch 
zu Gericht zwifchen Ludwig und Heinrich, wegen des Tebensgefähr- 
lichen Angriffes, den Ietterer vor vielen Jahren zu Koftni auf feis 
nen Better gemacht hatte; aber zu einem Urtheil in Sachen ber 

erzoge Ernſt und Wilhelm gegen Heinrich fam es nit. Der 

erzog von Landshut bat um Auffchub, weil er, vor dem Fehm- 
gericht verklagt, eiligft nach Weitphalen reiten müſſe; fo bald er 
zurückkomme, werde er feinen Vettern in allem genug thun !. 

Aber es vergieng wieder ein halbes Jahr, und die Klagen der 
Herzoge von München blieben noch immer unerledigt. Wilhelm 
Icheint während der Zeit nicht viel von der Seite des Königs ge 
wichen zu fein. Er befuchte ihn längere Zeit in Augsburg, bewir⸗ 
thete ihn zu Landsberg und war bei ihm in Feldkirchen?. Heinrich 
wurde hierher vorgeladen, erfchien aber nicht, angeblicd weil ihm der 
Zermin bei der Weite des Wegs zu furz angefeßt worden ſeis. 

Inzwiſchen ſchickte ſich Sigmund an, nad Ytalien zu ziehen, 
und übertrug die Yortjeßung des Procefjes gegen den Herzog von 
Landshut Herrn Haupt Marfchal von Pappenheim*. Den 09 
Wilhelm aber ernannte der König zum Befchirmer des Baſeler 
Concils an feiner Statt. 


2 Wilhelms Schreiben an Ernft d. Nürnberg 22. März in T. IV ber 
Fürſtenſachen fol. 30 u. 31. 

2 T. V, fol. 377: „Als mein Herr Herzog Hainrih ben fprud nit - 
gehalten hat, rait mein Herr gen Augſpurg zu bem kunig und clagt im das 
und belaib bey feinen graben 7 woden zu Augfpurg unb zu Veltficchen, 
und underwegen bis wider gen Munchen verzert 400 fl. rh., 20. — Stem fo 
bat der kunig fibernacht zu Landfperg verzert, baruber in mein Herr geloft bat, 
191 ch. Gulden“. 

s Wilhelm an Herzog Stephan, 14. Febr. 1432, T. V, fol. 132: „zu 
denfelben rechten berezog Hainrich auch nicht cham, und ber fchreibt ew, im 
fei derfelb tag zu kurcz verchundet worden; er fol doch bilih in funfezehen 
tagen von Landſhut oder von Purdhaufen gen Veldkirchen gerublich gereiten, 
wann wir je von München in vier tagen dahin gerüblidy reiten wellen”. 

Nach dem zuletzt angeführten Briefe Wilhelms unb feiner wie be# 
Bruders Gorrefpondenz mit Heinrih. Eine Erwähnung bed Tages, ben ber 

aupt nad Nürnberg anfete, findet fih au T. V, fol. 377, in der Anm. 2 
chon erwähnten „Nota ber zerung”. 














632 


Schon im März d. %. 1431 Hätte die Verſammlung Ya 
Anfang nehmen follen; allein ein legter gewaltiger Kreuzzug, Is 
das Reich gegen die Böhmen unternahm, bereitete Tängeren Aufſch 
Es bedurfte noch einer fo furchtbaren Niederlage und fchmählke 
Sucht, wie fie dem Reichsheere zu Zauß befchieden war (14. % 
1431), um die Weberzeugung allgemein zu machen, daß mit Bee 
gewalt gegen die Huffiten nichts mehr auszurichten jei. 

Der Cardinal Yulian, der in eigener Berfon dem verhängt 
vollen Heereözuge beigewohnt und nur mit Mühe das nacdte Ya 
davon getragen hatte, ſäumte jegt nicht länger fi) nach Bald y 
begeben, um den Vorfig am Concil zu übernehmen. Gr war at 
Ichloffen, alles aufzubieten, um die verfammelten Väter zu verjäe 
lihen Schritten gegen die Ketzer zu ſtimmen, zugleich aber and at 
Ichloffen, die Autorität des Concils, von deſſen hoher MDeiffion a 
tief durdydrungen war, gegen Jedermann, wenn es fein müßte fh 
gegen den Bapft, aufrecht zu erhalten. 

Martin IV. hatte kurz vor feinem Lebensende (durch eine Bılk 
vom 1. Febr.; er ftarb am 20.) nur nothgedrungen in bie Ber 
fung des Concils gewillig. Sein Nachfolger Eugen IV. mut 
zwar den Gardinälen verfprechen, daß er der Kirchenverfanmla 
ihren Fortgang lajjen und das Werk der Reform betreiben werk; 
aber für den mit den Berhältniffen der Curie Vertrauten konnte d 
faum ein Geheimniß fein, daß der Papft eher daran dachte, die Ab I. 
gewalt des römifchen Stuhles zu rejtauriren als das neue Recht de 
Concilien gelten zu laſſen. 

Je näher aber die Möglichkeit lag, daß die Kirchenverfammlmg 
wenn fie energisch den Weg der Reformen bejchritt, mit dem Bapk 
ſich entzweien würde, um fo wichtiger wurde das Verhältniß, wer 
ches der König zu dem Concil einnahın. 

Die Zeiten, in welchen die Verfammlung der abenbländifce 
Chriftenheit den Winken des deutfchen Kaifers gelort hatte, lage⸗ 
freilich dem 15. Jahrhundert fchon fern; in langen Kämpfen hatten 
die Päpfte über die beutfchen Herrfcher einen Vortheil nach bem 
andern errungen und ihren Einfluß in weltlichen wie geiftlichen Die 
gen in demfelben Maße gefteigert, als das Kaiſerthum an WVebeutung 
verlor. Aber der Widerjtand, der fid) aus dem Schooß ber verwelb 
lichten Kirche gegen ihr allmächtiges Haupt erhob, mußte naturge 
mäß auch dem gedehmüthigten Kaiferthum zu Gute kommen, fobald 
dieſes verjtand, die Oppofition gegen das Papftthum fich dienftbar 
zu machen. Ein Herrfcder, mit der Xhatkraft und dem ſtaatsmünni⸗ 
chen Geiſte der ſächſiſchen und fränkifchen Kaifer ausgerüftet, hätte 
auch im 15. Jahrhundert auf die Firchlichen Verhältniffe einen mäch 
tigen Einfluß ausüben und die Abhängigkeit des deutfchen Könige 
Aume von dem päpftlichen Stuhl lodern, vielleicht für immer löfen 
Önnen. 

König Sigmund war indeß nicht der Dann, diefe Fragen prin⸗ 
zipiell zu faffen. Bei manden guten Regungen, die ihn vorüber- 





53B 


gehend ergriffen, fühlte er wenig von dem Herrfchergeifte der Dtto- 
men und Heinriche in fih. Die Anmuth des Lebens und ber leere 
Schein galten ihm höher als ernfte Mannesarbeit. 
| Bon einem ſolchen Fürjten war nicht zu erwarten, daß er ſich 
far das Concil dauernd. begeiftern und beffen Sache zur fenigen 
wachen werde. Aber glüdlicher Weiſe Hatte er ein naheliegendes 
Intereſſe daran, daß es wenigftens zu Stande kam und die eine 
feiner Aufgaben, die Zurückführung der Böhmen in den Schooß der 
irche, erfi Dem es war ihm wie aller Welt Mar, daß die 
Hufſiten mit dem Schwert nicht mehr zu bezwingen, waren; follte 
die Herrichaft des Königs in Böhmen nicht für immer verloren und 
feine Autorität in den umliegenden Neichslanden erg gefährdet blei- 
ben, jo mußte das Concil die Reber auf dem Wege der Unterhand- 
Iungen zum Gehorjam gegen Kirche und Reich zurückführen. Es 
un 0 ein dynaſtiſches Intereſſe, das Sigmund an das Concil 


e. 

Nun lag es unter ſolchen Verhältniſſen wohl nahe, daß ber 
König fi) in Perfon zum Concil begab oder doch in der Nähe ver- 
weilte, um der Verfammlung nicht allein äußern Schuß zu gewähren, 
fondern aud) auf den Gang der Verhandlungen einzuwirfen. Aber 
Sigmund beſchloß, ftatt deſſen nach Italien zu gehen und die Kai⸗ 
ferkrone zu gewinnen. 

Man hat oft die Gründe, welche den König in jenen Tagen 
‚zum NRömerzug bejtimmt haben mögen, erörtert und Verſchiedenes 
dafiir und dagegen angeführt. Während man e8 in der Regel ta- 
beit, daß Sigmund Deutichland gerade zu ber Zeit verließ, wo man 
in ben geiitlihen wie den weltlichen Angelegenheiten feiner Gegen- 
wart am meilten bedurfte, ift fein Gefchichtfchreiber Aſchbach der 
Meinung ', der König habe damals in Bafel perfönlich nichts zu 
thun gehabt, da die Verfammlung ſchon von dem beten Geifte be⸗ 
feelt war. Er hätte ferner fürchten müſſen, die Eiferfucht der an⸗ 
‚bern europäifchen Könige rege zu machen, und der Papft wilrde über 
weltlichen Einfluß geklagt haben, wenn Sigmund durch feine Gegen- 
wart in Baſel auf die Gefchäfte des Conciliums eingewirft hätte. 
Enblich habe auch erft die Kaiferkrone ihm das Recht gegeben, ale 
weltlihes Oberhaupt einen Einfluß auf den Gang der Kirchenrefor: 
mation auszuüben. 

Ich kann diefe Behauptungen nicht gelten laſſen. Als Sigmund 
die Römerfahrt antrat, wußte er noch nicht, ob die verjammelten 
Väter nicht feine® Zuſpruchs bedürfen würden; noch war der Geift, 
der fie bejeelte, nicht erprobt. Im Gegentheil hielt Sigmund, wie 
wir fpäter. jehen werden, es für nöthig, den Prälaten Muth zufpre- 

n zu laſſen, fobald ſich dem Concil Schwierigkeiten entgegenftellten. 
ie Eiferfucht der andern Fürften hätte der deutfche König nicht zu 
fürchten brauchen; auch ohne die Kaiſerkrone hatte er unbeftritten 


2 Aſchbach, Geſchichte Kaifer Sigmund IV, ©. 45. 
II. 35 


534 


den Vorrang vor allen Potentaten, ımd daß ihm nach ber Auffaffug 
jener Zeit fchon ale deutfchem Könige und nicht erft als Kaiſer dei 
Recht zuftand, auf die Kirchenverfanmnlung einzuwirfen, gebt daran 
bervor, daß die verfammelten Väter, deren verhältnigmäßig wenig 
aus Deutfchland waren, Sigmund während bes Römerzugs wieder: 
holt aufgefordert haben, ohne die Kaiferfrone zurüdzufehren, um an 
Concil große Dinge auszurichten. 

Auch die Anficht, der König habe perſönlich den Babft für dei 
Concil günftig ftimmen und den etwa zu fürchtenden WWiderftan 
Eugens oder feiner Cardinäle durch die Anweſenheit in Italien be⸗ 
feitigen wollen !, fcheint mir nicht ftichhaltig zu fein. Denn wik 
rend die Vorbereitungen zum NRömerzug getroffen wurden, wat 
Sigmund noch nicht, daß fid) Eugen dem Eoncil fo hartn wi⸗ 
derſetzen werde. Von der Auflöſungsbulle erhielt er erſt jenſeits der 
Alpen Kunde und war darüber, wie er ſelbſt bezeugt, nicht wenig 
erfchredt. Jetzt erſt galt es auf die Eurie einen Druck auszuüben, 
um fie zur Anerkennung des Concils zu bewegen. 

Urfprünglich waren es, wie mir fcheint, ganz andere Grünke, 
bie Sigmund zur Nömerfahrt beſtimmten. In Deutfchland ober 
Macht und Anfehn, fogar ohne die Mittel, eines Könige würdig zu 
leben — mie oft mußte er Fürften und Städten ale Gaft zur Lat 
fallen —, beffte er in Italien alles zu finden, was er dieſſeits ber 
Alpen entbehrte, Ehre, Geld und neuen Herricherglanz?. Dem de 
Berhäftniffe erfchienen ihm der Art, daß er fid) bort mur zu zeigen 
brauche, um eine ftarfe faiferliche Partei, rei) an Geld umd Kriege 
truppen, um fich zu fehaarend. Wenn er aber gar in Rom am 
den Händen des Papites die höchfte aller Fürftenfronen empfieng, je 
eröffneten fich ihm im ganzen Reich neue und reiche Geldquellen!. 


L „aleier Anfiht neigt fih Droyfen, Geſchichte der Preußifchen Pol 
tik, I, ‚ 34. 

s Dap der völlige Geldmangel ein Hauptmotiv zum MR wer, 
fbeint mir aus bed König und Feines Canzlers Gorrefpondenz He 
Wilhelm unzweifelhaft hervorzugeben. Als ber Kaifer mit feiner Rückkehr fo 
lange zögerte, fchrieb ihm fein Statthalter: er möge „nicht ſolich forg Haben 
um redliche und erlihe auffomung in teutfchen lanndenu“. Fürſtenſachen T. V, 
£. 300. — Vor der Kaiferfrönung, während des Iangen Aufenthalts in Siena, 
fand es freilih auch in Stalien mit den Föniglihen Einnahmen ſchlecht. „Wir 
vernemen, ſchreibt H. Wilhelm fhon am 1. Mai 1432 (T.V, fol. 222) ax 
ben Ganzler Schlick, wie bu und die canplei nicht vil nu habt, das un 
doch laid ift, und fider demaln und die nuß dort inne fo clain fein, fo hoffen 
wir, ir werdet alle darczu raten und belffen, daß unfer gnadiger herr der 8. 
befter ee fein ſach dort inne aufricht”. 

s” Das batte ihm namentlid ber Mailänder Herzog Philipp Maria Bi: 
conti vorgefpiegelt. In einem Vortrage, den er freili nicht hielt, hatte ſich 
der Herzog verbindlich gemacht, dem Könige während feines Aufenthalts in 
Stalien und des Krieged mit Venedig monatlid 5000 Ducaten Subfidiengd: 
der zu bezahlen (Aſchbach IV, 45). Wie oft hat Sigmund in feinen Briefen 
geflant, daf er von dem Mailänder bintergangen worden fei. 

+ Abgefehen von dem Ertrag der Privilegien, bie nad ber Krömumy 





636 


Geiftliche und Weltliche aus ber ganzen Ehriitenheit zum Concil ein 
laden. Sodann hat er Vollmacht, an Stelle des Königs allen Für 
ften, geiftlichen wie weltlichen, Grafen, freien Herren, Rittern, Knech 
ten, Bürgermeiftern, Räthen und Gemeinden der Städte, Märkte 
und Dörfer zu gebieten, daß fie Alle, welche zum Concil ziehen, 
beſchirmen, fie durd ihre Gebiete geleiten, Koft, Speife und „Kauf 
mannsfchag“ aus ihren Landen ficher dahin bringen laſſen. Endlid 
ſoll der Statthalter Kriege ober Mißhelligkeiten in den Ländern md 
Gegenden (ded Concils), die das Concil hindern könnten, abthun und 
verbieten. Schließlich wird allen Reichangehörigen, hoch und niedrig, 
in Schwaben und im Elfaß, ernſtlich geboten, dem Herzog Wilhelm in 
alten Sachen, die das Coneil, feine Beihirmung und Nothdurft be 
treffen, gehorfam und gewärtig zu fein, möge er fie nun minblid 
oder mit feinen Briefen oder durch Botfchaften auffordern, zu ihm 
zu ziehen und ihm treulich zu helfen ?. 


m. Kapitel, 


Wilhelms Thätigkeit in Bafel, insbefondere feine’ Bemi- 
hungen für die Sicherheit des Concils, 


Nachdem fi der Herzog zu Anfang November in Feldkirchen 
von dem König verabjchiedet hatte, vergingen noch zwei Monate, che 
er die Reife zum Concil ımternahm. Es war nicht allein bie un- 
günftige Witterung, die ihn folange zurüdhielt, fondern auch die 
eifrige Beichäftigung mit dem Prozeß gegen Herzog inridh ®. 
Inzwiſchen hatte eine nad) Böhmen beftimmte Geſandtſchaft des 
Soncils ihren Weg über Münden genommen, um den Herzog Wil- 
helm zu bitten, daß er ſobald als möglich zum Eoncil fommen möge, 
um das Protectorat zu übernehmen. Auch der König ließ von Bie- 
cenza aus wiederholt Mahnbriefe an ihn abgehen, beren einer von 
aa Zage (11. Januar) datirt, wo Wilhelm fi) von München 
erhob. 


2 Vergl. bie als Beilage I. abgebrudte Urkunde. 

® Beides gibt Herzog Ernft in einem Briefe an Sigmund an. „Er (ber 
Bruder) wär auch zeiter zu dem concili geryten, fo bat er das nit tun mü: 
ge vor geftrengfeit wegen des grofen ungewitters in difen landen, das bifher 
geweſen und noch zu guter maß ift. Im bat aud daran geiret follich fach, bie 
er und ich mit unferm vettern herczog Hainrich zu handeln haben“. Brief vom 
5. Febr. 1432 in T. V, fol. 196, 


537 


Er babe, fchrieb Sigmund, nad dem Abfchied zu Feldkirchen 
erwartet, daß ſich Wilhelm fchneller zum Concil fügen werde, und 
er wiſſe nicht, warum dies nicht gefchehen fe. Das Eoncil habe 
ihm inzwifchen oft gefchrieben, ihn, den Statthalter, dorthin zu fen- 
den. — Weshalb aber jest der König die fchleunige Abreife Wil- 
helms nad Bafel wünfcht, das ift der Umftand, daß Eugen IV. das 
Coneil auflöfen und nad) Bologna verlegen will. Ueber die Bulle 
ift der König „Sehr erfchroden“, weil der ganzen Chrijtenheit daraus 
ein unverwindlicher Schaden entftehen Tann. Doc, benft er die 
Verlegung des Concils nicht zuzugeben, und hofft, zu Nom den PBapft 
eines Beſſern belehren zu können. Er hat aud) das Concil fchon 
ermahnt, ſich „nirgend binzurüren“. „Dorumb begern wir von 
deiner lieb, bitten und ermanen dich mit allem fleiffe, das du dich 
ye ee de beifer gen Baſel fugeit und die prelaten und herrn ſterckeſt 
und trofteft, das fy nit von danne ziehen, funder. erbeiten.... Und 
wir hoffen, das dein lib als ein laye groffen nu machen werd, 
wann wir wol gedenten, weren wir allein zu Coftent nicht gewefen, 
daffelb Eoncilium wer offt’zuftoret worden, wann fi) die prelaten 
vaſt forchten, fo fy nicht troftes haben. Das las dir alfo an fein 
und ſaüm dorynn nicht, wann du der heiligen criftenheit und ung in 
diefen zeiten nicht mochteft groffer lib und dinft beweifen“. 

Am 27. Jan., nad 14tägiger Reife, kam der Protector in 
Baſel an. Die Stadt ehrte ihn mit einem Gefchent von einem Fu⸗ 
der Wein und 20 Viertel Haber'. Der Rath ernannte fieben 
Männer aus feiner Mitte, die geordnet wurden des Conciliums 
Saden vorzunehmen, und was an fie fommt, vorzutragen: was 
aber ihnen zu fchwer wäre, follten fie an den Rath bringen. Von 
diefen Sieben wurden drei nad) des Herzogs Begehren ihm zuge 
fchrieben, d. h. vermuthlich beordert, um feine Befehle einzuholen 
und ſich fonft mit ihm zu befprechen ?. 

Das Eoncil war erſt ſchwach befucht, namentlich waren die 
deutſchen Prälaten nur in geringer Anzahl erfchienen. Es war des⸗ 
halb des Brotectors erjte Sorge, in Verbindung mit den verſam⸗ 
melten Vätern neue und dringende Einladungsfchreiben ausgehen zu 
loffen. Die deutfchen Fürften wurden befonder® gebeten, auf das 
zahlreiche Erfcheinen der Geiſtlichen hinzuwirken. Zwei⸗ bis dreimal 
wurde ihnen gefchrieben. Nicht Alle entfprachen den Wünſchen und 
Bitten des Herzogs und des Concils, aber die Zahl der Anweſenden 
wuchs erfreulih, und von Woche zu Woche konnte der Protector 
dem Könige wie den befreundeten Fürften verfünden, daß das Concil 


2 Außerdem follte er noch 3 Salmen empfangen, bie man aber nicht 
auftreiben konnte. Ochs, Geſchichte von Bafel II, 242. Aſchbach IV, 26 
Anmerk. 

s Ochs a. a. O. Bon ben drei Räthen, welche Ochs nennt (Hans Rich, 
Hemmann Offenburg und Hemmann von Thunſel) finden wir den zweiten wies 
derbolt in unfern Atten erwähnt. Er wurde häufig mit Miffionen an ben 
König betraut. " 


538 


fich befeftige und an Muth und Entichiebenheit zunehme. Scha 
wurden Beichlüffe von großer Tragweite vorbereitet. 

Daneben galt es vor allen Dingen, für die äußere Sicherket 
der Verſammlung zu forgen.. Der Zuftand des Reichs war be 
Art, daß ohne befondere Vorkehrungen die Straßen zu Waffer m 
zu Land nicht ficher waren. Das Raubweien ftand in voller Bluthe 

Nun gebot zwar eine uralte Satung der Kirche wie bes Staat, 
dag nicht allein alle öffentlichen Straßen von dem Raub- und Fehde 
weien verfchont bleiben, fondern daß Wanderer und Reiſende, ink 
befondere aber folche, die das Concil befuchten, ftets und überall & 
nen fichern Frieden genießen follten. Allein dies Gebot wurde gleiä 
allen andern Landfriedensfagungen von dem ftreit- und beuteluftigen 
Gefchlecht verachtet. Die Wege zum Concil waren ebenfo unfide 
wie alle Straßen des Reichs, und wie die Kauflente, die des 
dels wegen nach Bafel zogen, oft ausgeplündert wurden, fo di 
Seiftlichen und Gelehrten. 

Wilhelm war bemüht, fowohl den Räubereien, bie im Kleinen 
verübt wurden, zu fteuern, als auch große Fehden in Oberdeutſch 
land, die dem Concil nachtheilig zu werden drohten, zu ımterbrüden. 
Eine fummarifhe Aufzeihnung in unfern Acten gibt uns davon ein 
anfchauliches Bild: 

„Nota ſolich merklich Trieg die heczo bie umb Pafel find und 
dadurch das concili groffen fchaden nymbt. 

Item den burgermaijter von Eſling [Eflingen], Hat einer gefan- 
gen genant Paule Lutram [Leutrum], daran hat mein herr herczog 
Wilhelm fur ſich einen tag gemacht die ſach zuverhoren etc. 

tem einen Bifchof und einen faufman von Tullen habent drei 
beraubt, die auch her zu dem heiligen concili wolten, genant Caſpar 
Melchior und Hans die Beyger, gejeilen under dem von Strafpurg, 
den mein herr herczog Wilhelm darumb vil gefchriben hat. 

tem drei dortores von Frankrich, die auch her zu dem concili 
reiten wolten, find bein (bei) Oppenheim beraubt worden, ben 
mein herr herczog Wilhelm gen dem pfalzgrafen fo vil geholffen, das 
in ir gut ift wider worden. 

tem Berthold Had hat gefangen zwey Studenten, die fund 
von Pern aus Uchtland, die auch ber zu dem concili wolten, bie 
hat mein herr auch ledig gemadht. 

Item fo habent die von Andelo der tumbrobft von Strafpurg 
und die Mind von Landſkron auch einen merklichen krieg angefangen, 
darein vil mächtiger ritter und knecht komen mochten, und wie wol 
mein herr herczog Wilhelm ſich mit vil gefchriften darein gelegt hat, 
fo hat er doch bis her nichts darinn konnen gefchaffen. 

tem fo babent die grafen von Morſs und Sarwerden, auch 
die jungen grafen von Furſtenberg und mit in auf irem tail vil 
ritter und knecht groſs merklich Frieg mit den von Gerolczegk und 
ſy mit in, darunder fi) mit prant und mort etc. vil ubels gemacht 
bat, und Hoff, die fach zu gutem zebringen. 





640 


nothwendig hielt, fich eine größere Autorität beilegen zu laſſen, ale 
fie ihm fchon durch die Beitallung vom 11. October {431 zu Theil 
geworden war. Er ließ dem Könige vorftellen: 

„Belt fein k. 9. ſolichen unfrid und rauberei weren und wen⸗ 
ben laſſen, das mir dann fein k. g. dez reichs panyr ſchick mb 
damit einen befigelten majeftat brief, zu fchaffen mit etlichen furiten, 
grajen, auch der ritterfchaft und dem fteten, mir von feinen k. g. 
wegen in ſolichem zehelffen mit gangem vernmgen, und wo id felb 
perſondlich von bez heiligen concil8 wegen nicht gefein möcht, weli⸗ 
chem furften grafen oder dez reichs mannen ich ſoliche Haubtman- 
ichaft und handlung an ftat meines allergnadigiften herrn dez r.L 
eınpfelhen wurde, das der das dann auch tu, und das man auch dem 
dann darezu Hilflich fei von dez Heiligen romifchen reih& wegen, im 
aller der maſs und weis als ob mein gnadigifter herr der r. fung 
felb8 da wär, und das das alles nach notdurft in dem majeltat 
brief begriffen und gefchrieben werd” !. 

Sigmund, des Protector Wunſch entſprechend, ſandte nach 
wenigen Wochen (am 28. Juni) das Reichspanier und dabei eine 
ftattlihe, mit dem königlichen Majeſtätsſiegel verfehene Urkunde, 
worin er feinem Statthalter die begehrten Vollmachten in ihrem gan- 
zen Umfange ertheilte?. 

Demnach wurde die urfprüngliche Aufgabe des Protecters, für 
die Sicherheit des Concils in nächſter Nähe und auf ben Strafen 
von und nach Baſel zu forgen, dahin erweitert, daß er alte unreb 
lichen Kriege und NRäubereien, wo und von wen die im eich im⸗ 
mer gefchehen, in des Königs Namen abthue, und daB er die Räus 
ber, die auf des heiligen Reichs Straßen rauben und die Leute ſchin⸗ 
den, ftrafe, wo er die treffen möge, in Städten, Mürften und 
Schlöffern. Und dazu foll er des Königs und des heiligen eine 
Panier aufwerfen wider alle die, die unreblichen Krieg und Räuberei 
treiben, wodurch das heilig Goncil, auch des heiligen Reichs Stra 
Ben, Land und Leute befünmert werden, endlich auch wider bie, bie 
folche Krieger und Räuber unterftügen, haufen und hofen. Wem 
er felbjt aber das nicht thun kann „von notdurft wegen des heiligen 
Concils, unfer und des reichs geſchäfte“, jo foll er das Reichspanier 
einem andern Fürften Grafen oder Neichsmannen, der ihm dazu ge 
fällt, übergeben, was dann diefelbe Wirkung haben foll, als wenn 
der Protector in eigener Berfon das Banier aufwirft. Endlich erhält 


ı T. V, fol. 206b, 

2 Wilhelm ſchrieb darüber dem Bruder am 6. Auguſt 1432 (T. V, fol. 
250), ald er von einer Reife nach Weftphalen, wovon nod bie Rebe fein 
wird, zurüdkam: „So hat er (unfer gite ae berr, in unferm abwefen) uns 
bei Haubten Marfhalt fein banier geſchickkt, under feiner Mayeftat, und be 
volben, die arıf zu werfen wider all die, die baz heilig concilium, daz rei 
und unfer lannd befaidigen, als ir wol hörn werdet an ber copi bieinn vers 
floffen, und bamit ettwe vil brief an ettlich fürften, herrn und ſtet, das und 
bie datinn ſollen Hilflich fein, wenn wir die ermanen“. 





542 


unterhandlungen einzutreten, verfchmähte die andere 
gütlichen Austrag als eine rechtliche Entſcheidung '. Baft 
dauerten mit blutigen Zwifchenfpielen die Verhandlungen ; 
fih auch, der Markgraf von Baden mit ein und nahm 
Statthalter Partei ?. Diefer ergriff „um friedens und 
der armen leute willen“ im Namen des Reichs 
Schloſſe Schuttern, das der Markgraf bereunen wollte. 
Kaifers Panier, das der Herzog aufgepflanzt Hatte, Hielt den 
grafen nicht von einem gewaltfamen Angriff ab, fo daß ber Pre 
tor die Stadt Bafel unter Mittheilung einer Abfchrift von der b 
nigliden Vollmacht aufforderte, Schloß Scuttern retten zu helfe‘. 







Es fcheint ihn in der That gelungen zu fein, das Schloß ale 
haupten und einigermaßen die Ruhe zwifchen den Streitenden bens 





fet, über die Streitigkeiten in jenen Gegenden zu entfcheiden +. De 
Markgraf von Baden war über Wilhelm fo erbittert, daß er fi 
—A einen Schmähbrief gegen den Protector an das Eomi 
zu . 

Wie ernft Deriog Wilhelm feine Aufgabe, den 
berzuftellen, in der That faßte, beweifen auch feine Bemühunge, 
einen Landfriedensbund zwifchen den Fürſten und Städten des füh 
weftlihen Deutfchlands aufzurichten. 

Schon im Juni 1432, alfo noch vor Empfang der erweiterten 
königlichen Vollmacht, hatte er die benachbarten Reichsſtände eingelr 


2 Nach einer Urkunde (im Reichs-Archiv), bie H. Wilhelm am 13. Im 
1433 ben Brüdern von Hobengeroltsed außftellte, hatte er bie Parteien ven 
bens auf ben 10. Aug., 16. Octob. 1432 und auf ben 8. Jan. 1433 ver 
de geladen. Darauf beflimmte er ben GStreitenden einen Tag auf Geerg 
1433, Vergl. von den zahlreichen hierher gehörigen Actenftüden im K. Neid 
Archiv u. a. ben Brief Wilbelmd an ben König vom 16. Aug. 1432 (unler 
„Markgr. Baben, Heerfchaft Geroltseck“). 

s Wilhelm führte mit dem Marfgrafen das Jahr 1433 hindurch eine 
ſehr gereizte Correfpondenz (int 8. Reih3= Archiv); fiehe bie Briefe bes Her⸗ 
3098 3. 8. vom 17., 27., 29. Suni, 1., 3., 12., 16. Juli. 

s 1433, 10. Jul. Abſchrift im K. Reichs-Archiv. 

* Go erflärte ber Herzog von Urslingen und feine Partei am 5. Jan. 
1433: fie feien nicht verbunden, vor dem Herzog Wilhelm zu erfcheinen, no 
habe. er das Recht über fie zu fprechen, ba ſolches vor des Reichs Vicar in 
beutfchen Landen, Herzog Ludwig, ihren Richter an bed römiſchen Königs uns 
* Reichs Statt, gehöre, vor welchem fie ihn, ben Herzog Wilhelm, hiemit 
ordern. 

s Am 13. Septbr. 1433 forbert Herzog Wilhelm den Markgrafen Jacob 
von Baben, ber über ihn an bad Concil einen langen Iateinifchen Brief (ben 
wir nicht haben) gefchrieben hatte, auf „alle geſchicht der fach, dorumb er mit 
im in ſchreiben gekommen fei”, vor den römiſchen Kaifer zu bringen, wo wohl 
würde erfunden werben, wer Recht ober Unrecht gethan babe, 





544 


aus nebft einem Mandat an die Stadt Bafel eine Tönigliche > 
fehrift an den Protector, worin diefem aufgegeben wurde, darüber a 
wachen, daß das Concil weder dur übermäßige Miethforderung 
noch durch unbilfige Abgaben beläftigt werde ‘. 

Was die Fürforge fir die Lebensmittel betrifft, fo war bit 
Angelegenheit, bei der großen Dienge Volks, die in Bafel zufamme: 
fteömte, und den mangelhaften Verfehreverhältniffen jener Zeit, wik 
tiger, al8 man heute glauben möchte. Es ijt befannt, wie leicht m 
Mittelalter durch Mißwachs in einzelnen Gegenden Theuerung um 
Hungersnoth entjtanden. Trat diefer Fall in Bafel ein, fo war d 
um das Concil gefchehen. In der That drohte ein folches Lingfid 
ſchon am Ende des Jahres 1432, wo das Korn in ettlichen Geger 
den um Baſel nicht wohl gerathen war, einzutreten. Der Her 
traf aber frühzeitig Vorkehrungen, indem er die Landleute und Stöb 
ter aus den Gegenden, wo noch etwas Getraide gewachſen wer, 
ſchon um Michaelis zu ſich nach Bafel befchied, um fie gu verantaf 
fen, die für das Eoncil nöthigen Lebensmittel rechtzeitig zu billigen 
Preifen zu liefern ?, 

Endlich übte auch der Protector eine gewiſſe Sittenpolizei i 
der Stadt aus. Er war es, ber, freilich auf Verlangen des Eoncils, 
Faſtnacht das Tanzen in Bafel verbot, was ihn aber, wie er gegen 
den Sanzler Schlick Hagte, um die Gunſt der Frauen brachte. Dem 
diefe, obwohl fie das Tanzen heimlich nicht ließen, erhoben doch ein 
groß Gefchrei und fprachen laut: „Wäre unfer Herr der König ſelbſt 
hier und fein lieber Cafpar, fie hätten uns unjere Freude nicht ver 


ı 7. V, fol. 318. Das Schreiben bes Königs an ben Herzog if Kultır 
Hiflorifch von Intereſſe: Es beginnt damit, wie das heilige Concil bem ls 
babe vorbringen Taffen: „wie fy vaft gebredden haben an befwerumng ber zinfe, 
bie bie von Baſel von in zu haben meinen, und fein oud in einem folicen 
weg, das man einem iglichen wirt geben wolt von einem pette, doran zwu 
perfon reblichen geligen mochten, alle monab einen gulden Reinifchen, tut alfe 
zum jare czweliff gulden von einem pett, von czehen petten ein Hundert und 
czweinczigk gulden Ryniſcher, und bad bamit aller hawscziuß von dem hauſe, 
auch tiſchtucher und hanttucher und als kuchengeſchirr beczalt were, des ſich 
aber die von Baſel nicht haben wellen erweiſen laſſen“. Sondern fie fordern 
noch dazu von einem jeden Pferd des Nachts mindeſtens 3 Stüber, wei 
monatlich von 4 Pferden einen Ungrifchen: oder Ducaten-Gulden und jãhrlich 
von 4 Pferden 12 Gulden Stallzind machen würbe. Außerdem glauben bie 
Bafeler noch fordern zu Fönnen von benen, bie ihr eigned Korn mahlen und 
Brod baden, einen Mahlzind, ber auch jährlich von einer jeben Perſon einen 
halben rheinischen Gulden ausmachen würde. Wollen bie Bafeler ſich nicht 
untermweifen laſſen und mit dem obigen Angebot bed Concils zufrieben geben, 
fo haben fie es fich felbft zuzufchreiben, wenn zu ihrer Schande und ihrem 
Schaden bie Berfammlung anderswohin verlegt wirb. 

2 Ich entnehme biete Notiz einem Briefe Wilhelm? an feinen Schwie 
ervater ben Herzog Adolf von Eleve (d. Baſel zinftag nach Michaelis 1432) 
m R. Haußardiv. Die Sache erfchien dem Protector fo wichtig, baß er fe 
unter den Gründen aufführt, weshalb er feine Braut, Margarethe von Cleve, 
nicht fobalb perfönlich heimführen Tonne, indem er ih nicht von Baſel ent: 
fernen dürfe, 


645 


dorben; aber weil der Herzog felbft feine Freude Kat und nicht zu 
uns gehen will, fo will er fie uns auch nicht gönnen !, 


W Kapitel, 


Des Herzogs Antheil an den Berhandlungen des Concils 
mit dem Papſt. Seine Correfpondenz mit dem Kaifer. 


Man Hat Häufig auf die äußere Seite des Protectorats, auf 
die Sorge für die Sicherheit und die materiellen Bedürfniffe der 
Verſammlung, alles Gewicht gelegt und damit die eigentliche Bes 
deutung von Herzog Wilhelms Thätigkeit in Bafel verfannt. Dieſe 
beruht, wie uns fcheint, nicht forwohl in den vorhin erörterten Ver⸗ 
dienften um den öffentlichen Trieben in der Gegend bes Concils und 
um den Unterhalt und die Bequemlichkeit der verfammelten Väter, 
al8 vielmehr in dem Antheil, den der Statthalter des Könige an 
den Verhandlungen des Concils wührend ber Jahre 1432 und 1433 
nahm. Diefe Verhandlungen aber waren nach zwei Richtungen von 
hervorragender Bedeutung, einmal foweit fie ſich auf die Stellung 
zum Papft und zweitens auf das Verhältnig zu ben Böhmen erftredten. 

Was zunächit das Verhältnig des Concils zu Eugen IV. betrifft, 
fo war dies feit der Ankunft Wilhelms in Bafel ein durchaus 
feindfeliges. Die Verfammlung hatte faum ihre Verhandlungen be= 
gommen, als der Papſt fie aufzulöfen verfuchte In dein offenen 
Kampf, der jett begann, fam alles auf die Haltung des Königs und 
ſeines Stelfvertreters an. 

Zwar ftellte fich der König, wie es fein Intereſſe mit ſich 
brachte, fogleich entfchieden auf die Seite des Concils. Aber in den 
mehr perfönlichen Intereſſen, die Sigmund in Italien verfolgte, lag 
die Gefahr, daß es dem Bapft gelingen möchte, ihn von dem Concil 
abzuziehen. Nahmen die Verhandlungen mit den Böhmen nicht den 
gewiinfchten Fortgang, fo fiel für den König der Hauptgrund, es 
mit den verfammelten Vätern zu halten, ohnehin fchon weg. Zeigte 
es fih dann, daß er bie Zwecke, die er auf dem italienifchen Zuge 
verfolgte, vor allem die Kaiſerkrone, leichter und ficherer im Frieden 
mit dem Papſt erreichte, fo mußte ihm die Berfuchung kommen, dem 
Bapft zu lieb der Verfammlung feinen Schuß zu entziehen. ‘Dies 
felbe Gefahr rückte heran, wenn die Verfammlung im Kampf mit 
dem Bapftthum energifch zur Reformation der Kirche und zur Her- 


ı Wilhelm an Caſpar Schlid, dat. Bafel an St. Philippi und Jacobiz 
tag. T. V, fol. 222. 


546 


ftellung des Friedens unter den chriftlichen Völkern, alfo zu demjenigen 
Aufgaben ſchritt, die zunächſt der römische Stuhl fir fi m Ar 
ſpruch nahm, die aber zum großen Theil auh in das Gebiet der 
weltlichen Macht, des Kaiferthums, fielen. So wie die höchſte Ge 
walt in der Ehriftenheit aus der päpftlihen Curie in das Come 
verfegt wurde, übertrug der Kaiſer bie Eiferfucht vom Papft auf die 
verfammelten Väter, und der Kampf, der fo lange zwifchen ihm und 
dem Papft geführt war, Tonnte leicht zwifchen dem Kaifer und den 
Coneil entbrennen. 

Unter fo eigenthiimlichen Berhältniffen war. das Amt deſſen, der 
den König am Concil vertrat, wichtig und fchwierig zugleich. Durd 
die Hand des Statthaltere ging der Verkehr des Concils mit dem 
König, durch ihn wirkte Sigmund ebenfo fehr auf die verfammelten 
Väter wie diefe auf jenen. Es galt, bei eintretender S 
und auseinandergehenden Intereſſen die rechte Mitte zu finden un 
einen Bruch zwifchen dem Eoncil und dem König zu verhüten. Um 
diefe Aufgabe hat Herzog Wilhelm, wie mir ſcheint, mit großer Um 
ſicht gelöſt. Es iſt wenigjtens zum großen Theil fein Werbieuft, 
daß das Concil in den Jahren 1432 und 1433 jo energifch gegen 
ben Bapft vorfchreiten Tonnte, ohne fi der Stütze Sigmunds zu 

auden. - 
Eine Zeitlang wurde das Einvernehmen zwifchen dem König 
und der VBerfamminng noch von den Umftänden jo fehr beginftigt, 
daß es ber gegenfeitigen Mahnungen, einander treu zu bleiben, fan 
bedurfte. Beide waren durch die Lage, in der fie ſich befanden, uf 
einander angewiejen. 

Der König war kaum nach Italien gelommen, als die Ber 
legenheiten für ihn begannen. Von den deutſchen Fürften nicht 
unterftügt und nur mit fehr geringen Streitkräften 

tte er vergebens gehofft, im Bund mit Mailand, Savbohen und 

errara, und geftügt auf einige ſtädtiſche Republiken, die Feinde des 
Reichs, wie Venedig und Florenz, niederzumerfen und dem Bapfte 
nöthigenfalle mit Waffengewalt die Kaiferkrone abzuringen. Aber 
Philipp Visconti, auf den er vor allen gebaut, erwies fich als einen 
höchſt unzuverläffigen Verbündeten. Ihm war es nur darum zu 
thun, an dem König eine Stüge gegen Venedig und Florenz zu 
finden. Als der völlig mittellofe Sigmund ihm nichts bieten konnte, 
vielmehr feine Unterftügung in Anfpruh nahm, um den Zug nad 
Rom fortzufegen, überließ er den mit der eifernen Krone geſchmückten 
König feinem Schidfal. Wie hätte er auch Luft haben follen, das 
kaiſerliche Anſehn in Italien auf Koften der eigenen Territorialge 
walt verftärken zu helfen? Auch der mit Mailand verbindet 
Herzog von Savoyen fowie der Markgraf von Montferrat mochten 
und fonnten dem deutſchen Könige Teine wirkfame Unterftitung 
leihen, und die Kleinen ftädtifchen Republiten, wie Luca und Eiene, 
die von ihren Nachbarn den Slorentinern bedrängt wurden, hatten 
weniger Mittel als guten Willen Sigmund zu helfen. 








548 


Bologna zu verlegen, wohin auch ber Bapft felber kommen ode 
feine Sardinäle fenden wolle. Und wie wir benachrichtigt find, fo 
beabſichtigt feine Heiligkeit alle diejenigen, die zu Baſel oder fen 
vom Concil find, zu laden und zu citiren, wie wir dir beun Ab 
Schriften von alle dem, das uns aus Rom zugelommen ift, fenden, 
welche Abfchriften wir aber in dem Brief an das Concil nicht de 
gefchloffen haben, damit den Bätern daraus keine Bedenken auf 
gen. ‘Denn wiewohl die ehrbaren Herren und Prälaten im gutem 
Vorſatz ftehen zu Bafel zu bleiben bis in den Tod, wie fie um 
fehr oft ernitlich gefchrieben und auch in der zweiten Seffion öffent: 
lich erklärt, haben, fo fürchten wir doc, daß fie, wern der Papſt fo 
verhärtet bliebe, fie befchwerte und gegen fie procedirte — obwohl 
das nach Inhalt der zweiten Seffion feine Kraft hätte — bed 
wanfelmüthig würden. ‘Darum begehren wir von ‘Deiner Liebe, daß 
Du ohne alles Verziehen daran feieft und ihnen anliegeft, daß fie in 
den Sachen nicht fchlafen, fondern folder Citation unb anderen 
Dingen, womit man das Concil zit hindern unternimmt, zuvorkom⸗ 
men, und fid) männlich und feft halten und beweifen, und je eher 
je befjer, da die Widerpartei Tag und Nacht arbeitet, ihren Vorfet 
durchzufegen. Wir aber wollen den Vätern feft beiftehen, und haben 
uns auch entjchloffen, auf die faiferliche Würde deshalb zu verzichten, 
und unſer Perfon und Statum auf fie und die Heilige Kirche, die 
das Concil bedeutet, zu fegen“. Verharrt dam der Papft noch m 
feiner „Hertifeit“, fo will der König in Italien mit Leib und Gut 
zur Förderung des Concils und der Kirche alles thun, was ihm 
das Concil heißt. Bleiben die Väter feit in ihrem Vorſatz, fo wer- 
ben unzweifelhaft alle Sadyen wohl gehen. 
Da es aber doch möglich wäre, daß das Concil wankend wär 
be, fo muß der König auch diefen Fall frühzeitig ins Auge faflen. 
„Verſtünde Deine Liebe, daß fie in Furcht oder Zweifel fielen 
da Gott vor fei, und was wir nicht glauben, fo laß e8 uns bei 
Zeiten wiffen, damit wir ums darnad) richten können, da es um 
eine Nothdurft ift, nachdem der Papft nun einen Unwillen von des 
Concils wegen gegen uns empfangen hat und zu fürchten ift, er 
trachte fo viel er mag nach unſerm Verderben. Sollten wir mm 
von dem Concil verlajfen werden, fo möchte uns das zu unwieder⸗ 
bringlihem Schaden gereichen. Darum fei fleißig in der Sache und 
emfig, wie wir Dir denn gern zutrauen, und beftell mit ſammt dem 
Concil, daß die chriftlichen Könige und unfere und des Reichs Kur⸗ 
fürften und andere Fürjten, Herren und Städte noch einmal einge 
laden werden und kommen, ba hier ein großes Geſchrei ift, daß ans 
beutfchen Landen nur Wenige da fein. Doc, wir hoffen, wenn ber 
Papft von feinen Boten unfere endgültige Meinung vernehmen und 
die zweite Seffion anjehen wird, fo wird er fich anders bebenten, 
und wie man fagt, hätte er das ſchon längft gethan, wenn ihn die 
Venediger, die ihn ganz regieren, gelaffen hätten”. 
. Endlich erklärt der König fid) noch einmal entfchloffen, geraden 


= 


549 


Wege nah Rom zu ziehen; wird danm der Papſt dem Concil feinen 
Fortgang laſſen, fo will er die Krone von ihm empfangen; wo nicht, 
fo will er auf die Krönung verzichten und thun, was ihm das Concil 
gebeut. „Und dein lieb fol glauben, da® wir dem concilio hie nuczer 
fein dann czu Bafel, und bringt den babft ichts von feinem fürfas, 
fo macht es die vorcht, das wir mit macht hinein ziehen“. 

‚Wenn Sigmund Sorge hatte, daß die verfammelten Väter auch 
nach der zweiten Sejfion (15. Febr. 1432), worin fie im Anſchluß 
an die Decrete des Conſtanzer Concils die Verfammlung über den 
Papft geſtellt und befchloffen hatten, daß das Concil ohne ihre eigne 
Zuftimmung von Niemanden, auch felbjt vom Papfte nicht, aufgelöft - 
werden fünne, wenn Sigmund nad folchen Befchlüffen beforgte, die 
Verſammlung möchte doc wieder wankend werden, fo täufchte er 
jih über den Geift, der die Väter befeelte. Diefe waren feit ent- 
Ichloffen, die Autorität des Concils gegen Eugen aufs Aeußerfte zu 
vertheidigen, und fürchteten nur, daß der König dem Papft zu viel 
vertrauen und von ihm überliftet werden möchte. 

Sigmund verficherte zwar wiederholt, dag er die Gefinnungen 
des Bapftes wohl kenne!, fehmeichelte fi) aber doch noch mit ber 
—2 in Eintracht mit Eugen zur Kaiſerkrone zu gelangen?. 

ndeß jeder Bote, der von Rom kam, brachte neue Kunde von den 
Vorkehrungen des Papſtes „wie er bin und her fende, das Con⸗ 
cilium zu bindern“. „Darum“, fchrieb der König feinem Statt« 
halter (9. April 1432), „wolleft du mit den Herren und Prälaten 
in dem Concili eigentlich daran fein, daß fie ſolcher Sache zuvor- 
fommen und nicht Schlafen, fondern fofort zu Fürften, Herren und 
Prälaten überall ausfenden, damit des Papſtes Vorſätze gehindert 
werden, Gott zu Lob; man wacht in dem Hofe zu Rom und ar- 
beitet ftetS wider das Concilium; fehet zu, daß Ihr zu Baſel auch 
nicht ſäumet; denn ficherlich halten fie feſt und treiben ihre Sadıe; 
es wird noch alles gut“. ‘Der Widerftand, meinte der König, gehe 
nicht Sowohl vom Papſt al® von den Venetianern aus, die ihn 
regieren; dagegen hätten er, Sigmund, und das Concil viele Cardinäle 
und andere Anhänger zu Nom. Eine Citation der Cardinäle durd) 
das Eoncil hält der König für gerathen. 


2 Am 9. April 1432 (T. V, fol. 215) fchrieb ber König an den Statt: 
halter: „Dann als bu meinft, wir follen uns in beö babft und ber Venediger 
bant nicht alfo blos geben, boran reteft bu uns recht, und wir haben des ouch 
nicht willen, dieweil ber babft jo offenberlih part heldet, und iczund alles fein 
vol den Florenzern zugefant hat“. Nur wenn ber Papft das Eoncil für fich 

eben laſſen und „ein gemeiner vatter* und nicht „part“ fein will, wird ſich 
Sigmund auf feine Worte getroft verlaffen und gen Rom ziehen. 

2 In bemfelben Briefe: „Auch haben und unfer rete von Rom gejchris 
ben, das ſy noch etwas trofteß haben”. Diefelbe Hoffnung ſprach ber König 
auch am 15. April (fol. 214) aus, obwohl die Boten von Rom gejchrieben, 
daß ber Papſt noch „hart“ ſei. „Wolleft die Prelaten in bem concilio ſter⸗ 
fen, warın bie fach obgotwil noch gut werben, und gehort nicht anders bortzu 
ben fletileit und veftbleiben”. 


Il. 36 


550 


In einem zweiten Briefe an den Protector von beimfelben 
Tage! geht Sigmund aber noch einen Schritt weiter und denft 
fchon an eine Citation des Papftes felbjt*. Denn fo eben war em 
andrer Bote von Rom gelommen und hatte von neuen Anftrengungen 
des Papftes gegen das Concil berichtet. „Dorumb, Lieber oheim, 
wolfeft mit ernft doran fein, das fulche fchedliche fürfecz des babflt 
underftanden werden, und wolleft ouch von dir jelbs die Turfurften 
und ander befenden, ob ſy der babft von dem concilio underftänd zu 
wenden, das fy fi doran nicht keren“. Denn follte das Concil 
zerftört werben, fo wäre das der ganzen Chriftenheit und befonders 
deutfchen Landen ein „unverwintlider Schlag“. — Die Garbinäl 
und andere vom römifchen Hof würden über eine Citation des Eon 
cils fehr froh fein und gern nad) Bafel fommen; und da man in 
Rom nicht fchlafe, fo wäre es befjer, die Herren vom Concil kämen 
zuvor, ſtatt daß fie felbft citirt würden. Darüber foll der Statt- 
halter mit den Vätern reden, ihnen rathen und fie daran weißen, 
daß fie im Namen Gottes mit der Citation der Cardinäle voran 
gehen. „Und bedeucht die vetter, das man Halt den babft citirt 
durch und, das daz nicht bös wer“. 

Das Coneil ging völlig auf die Wünfche des Königs ein, 
wenn es ihnen nicht noch zuvorfam. Denn während Sigmund nod 
immer auf die Nachgiebigfeit des Papftes rechnete, bereiteten die 
Väter, indem fie die Frage der Citation des Papftes und ber 
Gardinäle erwogen, einen Beſchluß von entfcheidender Bedeutung 
vor. Es wurde mit nadten Worten von der Verſammlung erklärt, 


2 Wir haben aus biefen Tagen und zwar vom 8. April noch ein britted 
Schreiben bed Königs, bad an das Eoncil gerichtet ift und von Aſchbach a.a.D. 
©. 72 beſprochen wird. Es fei mir geftattet, bier eine Angabe Aſchbach“s zu 
berichtigen. Derfelbe fagt nämlih: „Weber das Nähere in Bezug auf bie 
Schritte, welche Sigmund zu machen vor hatte, und was das Concilium zu 
thun beabfichtigte, im Fall ber Papft nicht nachgebe, follten feine Abgeordneten, 
an deren Spige der Bifhof von Laufanne und der Domdehant Heinrid von 
Utrecht fanden, mündlich ſich bereden“. Das fteht aber nicht fo in dem Brief 
bei Martene 1. c. p. 106, auf ben ſich Aſchbach bezieht; vielmehr heißt e 
bier: De aliis autem, quae occurrerunt, venerabilis episcopus Lausanenais etc., 
quos cum plena informatione ad vos misimus, vos, non ambigimus, jam 
elarius avisarunt, Dieje Geſaudtſchaft ging alfo nicht erft mit dem 8. cher 
9. April von Parma ab, fondern war fhon früher nad Baſel abgeferti 
worden. Daher heißt es in dem zweiten Briefe an ben Statthalter vom 9. 
April (fol. 216): „Wir haben beiner lieb vormals bey Henman Offenburg, 
dornach bey dem bifchoff von Lozan und yczund zulegit bey Cuntat Mulner 
ber ftat zu Bafel lauffenden boten clerlich gefchriben gelegenheit aller umfer 
1 ” 


® T. V, fol. 216. Der Brief beginnt mit ben in ber vorigen Note 
angeführten Worten und geht fort: „Nu iſt zu uns fomen ber erfam Sacob 
ete. autworter ditz's briffs, ber gerichts von Rom reitet und ung vil gelegen: 
heit des babfi, der cardinal unb ander zu Rom geoffembart bat, und wolt alfo 
gen Avion geriten fein, ben wir aber uber beten haben, das er vor zu dir und 
dem concilium reiten fol, euch fulcher fach zu underweifen, ald er auch tut“, 


551 


bag dem Papfte, wenn er in drei Monaten der Ladung nach Bafel 
nicht Folge leifte, der Prozeß gemacht werben folle. 

Diefer Fühne Schritt wurde am 29. April, in ber britten 
Seffion gefaßt. Drei Tage zuvor aber hatte in Rom der heilige 
Bater nach langem Harren den Gefandten des Könige die definitive 
Antwort auf ihre Werbung ertheilt. Sie lautete entfchieden ab⸗ 
Ichnend, verlegend, drohend!. Der Papſt hatte den Krieg gegen 
Sigmund wie gegen das Conlil erflärt. | 

Aber dem König war es nicht wohl bei diefer Lage der Dinge. 
Freilich dem Concil gegenüber ſprach er fich, nad) Ankunft der Ge 
fandten von Rom und nad Eınpfang der Citation aus Bafel, wie 
immer muthig und zuverfichtlicd; aus, wenigſtens in dem oftenfiblen 
Schreiben, da8 er dem von Rom zurüdgefehrten und jet nad 
Bafel gefandten Nikolaus Stod an den Herzog Wilhelm mitgab?. 
Er erwähnt hier kurz, daß er die Gitationen aus Bafel empfangen 
habe und daß dem Papft die feinige in die Hand überantwortet 
werden folle; ferner daß die Käthe von Rom zurückgekehrt feien, 
und dag von ihren PVerrichtungen Nikolaus Stod das Concil in 
Kenntniß fegen ſolle. Der Papft wolle auch eine Botſchaft an das 
Concil fenden, aber gewiß nur des Verzugs wegen, um mittlerweile 
Könige und Fürften vom Concil abzubringen, weshalb es Nothdurft 
fet, fleißig dagegen zu arbeiten. 

Dffener ſprach fi der König in einem vertraulichen Briefe an 
ben Statthalter vom 18. Mai aus, indem er hier fchon fehr ernit- 
fih von dem Falle fpricht, wo er ohne die Kaiferfrone nach Deutfch- 
land zurückkehren müffe; nur würde ihm alles darauf anfommen, 
den guten Schein zu retten, weshalb er den Herzog anweiſt, für 
jenen Fall auf eine Intrigue bedacht zu fein?. 

„Wann in geheim mit dir gerebt, fo werden wir alhie nit aljo 
gehandelt, weder mit voll nocd mit gelt, als wir vertröft worden 
find, und müſſen kummer leiden, wiewol uns got noch bifher ußge⸗ 
holfen hat, wir mochten des ouch in feinen weg die lenge ußgeharren. 
So verjtet dein lieb wol, das wir on leut und gelt nichts gefchaffen 
mögen und mochten die leng in jchand komen, und alfo wider hinder 


ı Aſchbach a.a.D. ©. 73. 

2 Das Schreiben datirt vom 17. Mai (T. V, fol. 33 unb 33 in dop⸗ 
pelt ausgefertigtem Original), vom folgenden Tage die Vollmacht für Nikolaus 
Stock (T. V fol. 2235), ber bei Martene VIII, 131 fälfchlih Scolp beißt. 
Aſchbach II, 76 Anmerk. 17, meint, es fei ein Brief Sigmunds aus der er- 
ftien Hälfte des Mai an das Concil über bie päpftliche Antwort ohne Zweifel 
verforen gegangen. Und doch ift dem nicht fo. Aus dem Brief an Wilhelm 
ergibt ih, daB der König das Concil durch einen befondern Gefandten erft 
ba von den Vorgängen in Nom unterrichten Tieß, als er bie Citation bed 
Papſtes und ber Sarbinäle in Händen hatte. Das war freilich erſt 3 Wochen 
nach jener verhängnißvollen Audienz in Rom. Entweder waren bie Geſandten 
nicht fogleih zum König zurüdgefehrt, ober biefer wollte, von der Votſchaft 
betreffen, zuerft die Schritte des Concils abwarten. 

T. V, fol. 226, 


36* 


652 


uns ziehen müffen, und haben einen weg gedacht, das uns das ci 
cilium hete ermanet und erfordert als einen vogt ber Triftenheit gen 
Bafel zu fomen, on ſawmen, und den fachen ußzumarten, dieweil dat 
concilium fo groffe anfechtung bett, und das müſte mit fulchen hüb 
fchen urjachen zugen, al8 du und das concilium wol zu finden weiß, 
In foliher maffe mochten wir mit eren uffbrechen und mit urjad 
an fchand wider zurudjcheiden, und geicheh dadurch dem concilio 
fürberung und groffe freud, und fy wilrden ung des grofflich danden 
und erfennen. Doc fo müft du das von dir ſelbs weislich und 
von verren treiben und anrichten, das ſy unfern willen nit ver 
ftunden; wann wo fy erfuren, das wir das begerten, jo verfteft du 
wol, das in unfer zufunfft unacdhtbar werden mocht“. 

Herzog Wilhelm möge daher die Sade fo angreifen, daß er 
mit den Vertrauteften und den Freunden des Königs etwa folgender 
Maßen redete: „Lieben Herren, ihr jehet wohl, daß dies Concilium 
große Anfechtung bat, und wiewohl unfer Herr der König fehr dr 
beitet mit Leib und Gut, und darum die faiferliche Krone nicht em- 
pfangen will, daß er den Papſt Ienfen möchte, fo will das bod 
nicht helfen. So fchreibt der PBapft täglich und fendet zu Konigen, 
Fürſten und Prälaten, und hindert fo viel er mag, und wir 
Niemand denn vor allen feine Töniglihe Gnade. Bedünkt euch 
‚ nicht gut fein, daß das Concil feine k. g. bäte nnd ermahnte wieder: 
zulommen? Denn wenn er bier wäre, fo würde unzmeifelbaft 
Yedermann kommen und Niemand ausbleiben”. Spräcden fie dann, 
es wäre gut, wenn wir e8 nur dem König zumuthen dürften, fo 
könnte Wilhelm antworten: „es wird wahrfcheinlich fehr ſchwer an- 
gehen, doch thut es kühn auf meine Verantwortung; ich hoffe dann 
auch, daß da8 Eoncil dem König dafür Danck wifjen wird“. 

Vebrigens möge Wilhelm, wenn e8 ihm befjer fcheine, fi 
anderer Worte bedienen oder die ganze Sache anders angreifen, nur 
nicht fo, daß man den König dahinter entdede. Dann „will Sig 
mund aber auch nicht, daß der Herzog fchon jet oder nach feinem 
Gutdiinten die Sache ins Werk fee, fondern erjt dann, wenn es 
ihm der König ausdrüdlich befiehlt; nur folle er die Sache fchon 
jegt vorbereiten, damit auf des Könige Wink die Ermahnung und 
Forderung des Concil8 „mit anhangendem Inſigel“ ihm zugefchict 
werde. Zunächſt wolle er, fett der König Hinzu, nad) Siena, um 
dem Papft, dem er wieder eine Botſchaft zugefchict habe, näher zu 
fein; er will auch verfuchen, mit dem Bapft auf halben Wege zu 
fammen zu kommen, zwifchen Rom und Siena; werde er dann mit 
ihm einig, jo fei es ihm nicht bequem, zurüdgerufen zu werben; 
fünne er ſich aber nicht mit dem Papſt verftändigen, fo wolle er 
dem Herzog wieder fchreiben. 

ieſes Scriftftüd, von dem Sigmund faum zu bemerken 
brauchte, daß außer ihm und Caspar Schlid nur der Herzog Wil- 
beim davon wiſſen folfe, bebarf feines Commentars. Nur das 
bleibt unerflärlih, daß der König, wenn feine Lage und feine Ge 


553 


finnung ſchon im Mai 1432 fo war, wie er fie in jenem Briefe ent- 
hält, noch ein ganzes Jahr in drückender Noth von dem Bapft mit 
der jehr zweifelhaften Ausfiht auf die Kaiferfrönung bingehalten 
werden konnte. Und doch that Eugen IV. alles, um Sigmund Ver⸗ 
legenheiten zu bereiten. Selbſt die königlichen Boten und ihre ge- 
beimften Papiere waren vor den päpftlichen Spähern nicht ficher. 
So war dem Papft auch ein für uns leider verloren gegangener 
Brief in die Hände gekommen, den Sigmund am Georgentage 1432 
von Parma aus an feinen Statthalter gerichtet hatte. Sein Inhalt 
wurde fofort in einer Bulle des Papftes an Könige und TFürften 
verwerthet, um Sigmund zu compromittiren; aber der Zufall wollte, 
daß gerade diefe Bulle einem päpftlichen Boten, der fie in einer 
Flaſche verborgen bei fich führte, in der Nähe von Bafel durch des 
Protectord Leute abgenommen wurde und nicht zur allgemeinen 
Kenntniß kam!. 

Aber dieſe und andere Zwiſchenfälle machten den König in dem 
Beſtreben, durch den Papſt zur Kaiſerkrone zu gelangen, nicht irre. 
Viel hatte er ſich von der Citation des Papſtes verſprochen, aber 
Eugen IV. erſchreckte fie nicht, obwohl fie in aller Form zu Rom 
angefchlagen wurde ?, dann ließ fih Sigmund eine Weile durch den 
Biſchof von Ebrun täufhen, der vorgab vermitteln zu wollen, aber 
Schlieglih von Rom nur „verworrene Artikel“ zurücdbrachted. Als 


Wilhelm berichtet über die Gefangennahme des Johann be Prata 
bem Könige am 29. Mai, T.V, fol.227. Sigmund antwortet am 22. Juni, 
fol. 228: „So weiß got und die werlt wol, bad und dorynne zu kurcz ge: 
fit”, in Bezug auf die geöffnete Bulle. 

8 Briefe Sigmunds an Wilhelm vom 20. Mai und 18. Juni, T. V, 
fol. 34 und 35. — In dem erftern fchreibt der König: „ALS ung das beili 
eoncilium aber mer citationes gefanbt hat, bie haben wir alle empfangen und 
wir wollen erecucion reblih und fleiffiglih tun. Wir baben oud nu bereyt 
zwen erber domit hingefandt gen Senis und furbaß gen Rom, die anzuflahen, 
und wollen zu ſtunden mer hinnach fenden und dem beiligen concilio und dir 
zu ſtunden verfchreiben, wie es domit ergangen ift“. Erſt am 18. Juni fchrieb 
er von Neuem: „Al und ba3 Heilig concilium nechſt die ladbrief gefandt 
batt, den babft und bie carbinal zu citiren, alfo haben wir, fo wir erft unb 
bequemlichft mochten, bifen gegenwertigen Mathiam publicum notarium unb 
Nicolaum von Iwanicz unfern procuratorem, die bed hoffs zu Rom leuff 
kundig und zu folihen ſachen fuglic fein, gen Rom gefandt, die wider komen 
fein und folih ladbrief an Sand Peter munfter redlich angeflagen haben. — 
Wir fehreiben auch boruff dem concilio, das wir ber fach nit haben ee voll: 
bringen mögen, wiewol wir groflen fleiß doran gewant haben, wann folich 
ufffehung und hute boruff gewefen ift, das wir bie mit fonderlichen ſynnen 
haben burich bringen muffen, borumb wolleft und gegen dem concilio entſchul⸗ 
digen und ob ichts mer dorczu zu tun fey und zu verfunden, wann wir gern 
tun wollen was fy zu rat werben“. 

s Am 20. Mai 1432 (fol. 54) gab der König dem Statthalter bie erfte 
Nachricht von bem Bermittfungsverfuh bes Biſchofs, mit den Worten: „ba 
wir einen Erbbifchoff alhie bey uns gehabt haben, bes richs furften, ber feine 
Ichen von und empfangen bat, und ift genant Archiepiscopus Ebrebunenfig, 
ein gelarter mechtiger ınan, ber hat bie fach zwifchen bem babft, bem concilio 
und ung gemerdt und daB vil poſſers borauß komen wirt und mocht, und ift 


654 


aber der König endlich von Parma, wo er feit dem März fih auf 
hielt, im Juni über Luca nad) Siena ziehen wollte, vereinigten fid 
päpftliche Soldaten mit den Florentinern, um die mailändilde 
Kriegsfhaar, die dem Könige voranging, anzugreifen und von den 
übrigen zu trennen. Der Anſchlag gelang auch in der That; die 
Mailänder mußten fih auf einen günftig gelegenen Punct zurüd- 
ziehen, während bie Florentiner und Bäpftlichen die Stadt Yucca, 
wo der König noch war, angriffen. Vergebens war die Abmahnung 
bes Königs, feine Reichsſtadt nicht zu überfallen, vergebens aud 
der Hinweis auf die Friedensunterhandlungen, worin Sigmund ge 
rade mit den Florentinern ftand; die Hauptleute kehrten fich nicht 
daran, fondern belagerten vier Tage die Stadt, wurden indeß von 
den Bürgern und des Königs Leuten fo ritterli befämpft, „das 
in difen landen nit vil gehort ift, al8 dann die Walhen (Wälſchen) 
felber fprechen“. Nach ftarken Verluſten brachen die Feinde in ber 
Nacht auf, und Sigmund war aus der Gefahr gefangen zu werden 
befreit. Aber noch war er von ben Mailändern getrennt und wußte 
nicht, warn e8 ihm gelingen werde, bis Siena vorzurüden !., 

Bis Mitte Yuli mußte der König in Yucca bleiben; erft am 
16. d. M. erreichte er glüdlih Siena, wurde aber damit nicht aus 
der Noth und den Gefahren befreit, die ihn feit Monaten umgaben. 
Es ift begreiflich, daß er oft in der Stunmung war, fi) frommen 
Bußübungen Binzugeben; freilich vergaß darüber der alternbe Lebe 
mann auch leichtfertigen Sinnengenuß nicht. " 

Inzwiſchen fuhr das Concil fort, die päpftlide Macht mit 
allen Mitteln zu befämpfen. Schon am 20. uni hatte es in ber 
vierten Seffion befchloffen, daß, wenn der päpjtliche Stuhl während 
der Dauer der Kirchenverfammlung erledigt werden würde, der Nad- 
folger Engens in Bafel gewählt werden müſſe. Pier Abgeordnete, 
welche bald darauf mit päpftlihen Aufträgen in Bafel erfchienen?, 


beute uffgeſeſſen und reit fur ſich zu dem babfi zwiichen und und im unb dem 
concilio zu mitteln“. — Am 16. Juli (fol. 284) [hidte Sigmund feinem Statthalter 
bie Vergleich3artifel, welche ber Erzbifhof von Rom mitgebracht hatte, „bo: 
ronne bein lieb merfen wirt, wie verwarren fulch artikel fein, bie in ber bul⸗ 
Yen fteen, bie der erczbifchoff als er fpricht in anberer form furbracht bat, 
wiewol in der bullen fleet, er hab im bie artidel furbraht”. Bon biefem 
Brief, der und, wie bie übrigen Schreiben Sigmunds an Wilhelm im Original 
vorliegt, bat Martene VIII, 147 eine lateinifche Ueberfegung mitgetheilt. Den 
Brief bed Königs an das Concil vom 27. Juli bei Martene VII, 151 baben 
wir nit. — Dagegen finden wir den Erzbifhof von Ebrün noch in einem 
Schreiben bes Königs an Wilhelm vom 5. September (fol. 259) wieber, wo 
Sigmund das Concil vor dem falfhen Manne warnt. Er hatte ihn noch 
einmal mit andern Gejandten nah Rom gefhidt, unb als die andern Boten 
wieber famen, blieb ber Erzbifhof aus und ſchrieb dem Könige von Florenz 
aus, aber in einer Weife, „boran und doch vaft ungutlid geiicht 

2 Dieſe Vorgänge vor Siena erzähle ih nach einem Bericht bes Kö 
an Wilhelm in dem fon citirten Briefe vom 18. Juni (fol. 85), Die frü- 
ber bekannten Quellen weichen weientlih ab. Vergl. Aſchbach IV, &. 79, 

2 Wilhelm meldete ihre Ankunft dem Könige am 25. Auguſt (fol, 256), 


565 


Fonnten die Väter auf ihrer confequent verfolgten Bahn nicht irre 
machen und Feine Verftändigung mit Eugen herbeiführen. Denn 
diefer beharrte darauf, daß die bisherigen Schritte des Concils un- 
gejeglich feien, und dieſes auf italienifhen Boden verlegt und unter 
die unmittelbare Aufficht des Papftes geftellt werben müſſe, während 
das Concil — und darin ftimmte e8 mit dev Mehrzahl der denken⸗ 
den Laien völlig liberein — den Widerftand der Curie nur aus 
jelbftfüüchtigen Motiven ableitete. Es ift bezeichnend, daß ein der 
Kirche fo jehr ergebener und behutfamer Mann, wie Perzog Wilhelm, 
in der Verurtheilung des päpftlichen Verfahrens ebenjo entjchieden 
war als die Führer der Verjammlung „Wifft auch, fehrieb er 
feinem Bruder Ernſt!, daß der Papft und etliche feiner Cardinäle 
nicht8 fo ſehr fürchten als ein Entfegen von ihren Aemtern, zu benen 
fie nicht auf rechtliche Weife gefommen find, fowie auch die Refor⸗ 
mation, da man nicht zu leiden vermeint, daß ein Cardinal 10 oder 
12 Kirchen oder Pfründen habe, fondern der Papft ſoll fie ehrbar 
verjorgen aus feiner Kammer, als benn von Alters und Rechts 
wegen fein foll“. 

Mit Senugthuung fpricht auch der Protector von den übrigen 
Schritten der Berfammlung, die darauf hinausgingen, Die ganze 
Leitung der kirchlichen Angelegenheiten von Rom nach Bafel zu ver: 
legen. Die rafch aufblühende Größe des Concils erfüllt ihn mit 
Stolz und Freude. 

„Ihr ſollt auch fürwahr willen, daß das Heilig Concil fidh 
täglich mehret an viel Prälaten, Doctoren und andern merflichen 
Perſonen, und auf einen foldhen Grund befeftigt ift, wie in vielen 
Fahren kein einziges Concil gewefen ift, und daß es der Papſt auf 
feine Weife zu zerftören vermag. Man hat auch auditores camerae 
eingejegt aus allen Nationen, die Jedermann hören und Recht er- 
gehen lafjen werden. Man bat auch in allen Landen allen Ein- 
nehmern der Renten, die in die päpftliche Kammer gehören, verboten, 
daß fie davon dem Papft nichts mehr geben, ſondern alles dem 
heiligen Concil überantworten follen, das die alten und rechten 
Renten auch nehmen will“ 2. 

Bisher hatte das Concil in voller Uebereinftimmung mit dem 
König gehandelt. Von jetzt an trat aber eine DVerfchiedenheit ber 


Näheres darüber bei Martene VII, 149 ff., und Manfi XXIX, p. 468. 482 ff. 
Vergl. Aſchbach a. a. O. ©. 85 und 86. 

ı T, V, fol. 256, s. d. 

2 Wilhelm an Ernſt a. a.O. Der Brief muß nad dem 9. Auguft, wo 
bie 5. Seflion gehalten wurde, gefchrieben fein, ba bie zulegt angebeuteten 
Befchlüffe damals gefaßt wurden. Daß bie Beichlüfle auch wirklich ausge⸗ 
führt wurden, zeigt 3. B. ein Befehl des Goncild an einen Dekan zu Regens⸗ 
burg, der collector apostolicus war, ut infra 20 dies omnes et singulas pe- 
cunias ad cameram apostolicam spectantes et apud eum existentes sibi per 
fdum nuntium transmittere vel Nurimbergse apud aliquem fidum mercatorem 
deponere procuret. Regesta Boica XHI, 1488, 38. September, 


556 


Anfichten und Beftrebungen immer beutfidher zu Tage!. Es zeigte 
fih, dag Sigmund bei allen Schritten gegen die Curie nur die eime 
Abficht verfolgt hatte und noch weiter verfolgte, nämlich den Papft 
fo weit zur Nachgiebigkeit zu zwingen, daß er das Concil in Bald 
nicht an den Unterhandlungen mit den Böhmen, noch weniger ibm, 
den König, am Empfang der Kaiſerkrone hindere. Diefe Tektere 
Rückficht beitimmte fein ganzes Thun und verlieh ihm eine Aus 
dauer und Zähigfeit, die er oft genug, wenn es fi) um höhere und 
allgemeine Intereſſen handelte, nicht bewiefen hat. 

Alle Aufforderungen des Concils wie des Protectors, bie Unter 
bandlungen mit dem Bapit abzubrechen und durd feine Anweſenhei 
in Baſel das Anfehn der Verfammlung zu verftärten, wies er ent 
fhieden zurüd und behauptete dagegen in immer neuen Wendungen, 
daß er in Italien dem Concil bie beften Dienfte the. „And deine 
Liebe ſoll fürwahr glauben, wären wir nicht in diefen Landen, fo 
wären alle wälfchen Lande num gefriedet zum Schaden und Ber 
derben des Reichs, und hingen alle an dem Papfte, und was an 
Prälaten in dem Concil aus diefen Landen wäre, die wären längft 
zurüdgerufen, und wäre ein ganz Verberben des Concils“ 2. 

Ein andermal hebt Sigmund hervor, daß ohne feinen Zug nad 
Italien Lucca und Siena verloren gewefen, Deailand zum Frieden 
mit Venedig und Florenz gezwungen, des Reiches Herrichaft in Ita⸗ 
lien vernichtet worden wäre. „Und fie wären alle dem Papſt an- 
gehangen“ 3. 

Damit aber die verfanmmelten Väter nicht glauben möchten, daß 
der König Schon im Einverftändnig mit dem Papft Handelte, hob 
Sigmund gern die Teindfeligleiten hervor, die er und die Seinen 
vom Papſt zu erleiden hätten. „Auch wiſſe“, fchreibt er am 5. Sep 
tember 1432 dem Herzog Wilhelm*, „daß wir feine Botfchaft ficher 
gen Rom thun mögen, da man die Unfern niederwirft, mordet ımd 
Schlägt, und thun alles des Papftes Leute, und gefchieht in feinen 
brieflichen Geleiten“. Diefe Klage wird mit mehren Beifpielen be 


ı Gebr ftart war freilih daß Vertrauen bed Concild auf Sigmund wohl 
nie geiwefen, und es fehlte auch nicht an Leuten, welche Zwielpalt zu erregen 
ſuchten. Der Berfammlung wurbe ſchon im Februar 1432 zugetragen, baß 
fi einige vornebme Perfonen an Sigmund beranmaden würden, um ihn 
vom Concil abzuziehen. Daß Schreiben, welches der König deshalb am 16. 
März an dad Concil richtete, theilen Martene VII, 82 und Manfi XXX, 82 
mit. Beral. Aſchbach S. 59 Anmerk. Uns liegt in lateinifcher Faſſung bie 
Abſchrift eined Briefe an Wilhelm vor, worin Sigmund ihm aufträgt, bie 
Väter zu beruhbinen und ihnen aufs Beftimmtefte zu erflären, baß ber König 
bis zum Xobe beim Concil außbarren werbe, T. V, fol. 208. Das Datum 
biefeß Briefe ift ferla sexta ante Reminiscere, b.i. ber 14. März (1432), 
während dad Schreiben an dad Concil erſt vom 16. berrührt, und doch heißt 
es in bem erfteren Briefe: quia de praesenti super hiis scribimus s. con- 


cilio. 
2 Der König an ben Statthalter, 28. Auguft 1432, in T. V, fol. 291. 
s Schreiben an Herzog Wilhelm v. 5. September 1432, in T. V, fol. 259. 
* In dem zuleßt angeführten Briefe, von bem ſich eine zweite Original- 


557 


wiefen!. „Und das fchreiben wir Dir darum, daß Du das an das 
Coneil bringen mögeft“. 

Dem Könige lag in der That alles daran, fi) die Sympathien 
des Concils noch zu erhalten. Als er am 28. Auguft die Väter 
erjuchte, den Monat September hindurch mit allen Maßregeln gegen 
den Bapft inne zu halten, weil er in neuer Unterhandlung mit ihm 
ftehe, verficherte er, es folle die letzte Botfchaft fein, die er nad 
Rom abgehen lajfe?. Zugleich nahm Sigmund ober fein Kanzler 
den Schein an, als ob er es nicht ungern ſähe, wenn das Concif 
im äußersten Falle e8 mit den Landen und Städten des Papſtes in 
Italien gerade jo machen würde, wie mit Avignon, das die Ver: 
fammlung ſich angeeignet hatte und durch einen Legaten bes Concils 
verwalten Tieß°. 

Aber alle Verficherungen Tonnten das Mißtrauen des Concils 
in des Königs Standhaftigkeit nicht befeitigen. Man drang noch 
einmal in ihn, die Verhandlungen abzubrechen, und Sigmund brachte 
‚nur immer wieder die alten Betheuerungen vor, daß es ihm allein 
um die Ehre des Concils und um Vermeidung eines Schisma zu 
thun fei, oder er wies zum Schein wieder auf eine letzte gewaltige 
Waffe Hin, die er noch gegen ben Papft ins Feld führen könne *. 


Ausfertigung mit bed Königs Sigel fol. 52 findet. Da bie Briefe nicht ficher 
gingen, 7 wurden fie fehr häufig doppelt ausgefertigt unb abgefandt. 

2 &o war ber Bifchof von Chur mit andern Föniglichen Boten auf ber 
Heimfehr von Rom bei Aquapenbent in bed Papſtes Geleit von befien eige- 
nen Söldnern überfallen worben, „und zwei von ben Unfern blieben tobt, und 
hätten fich die Unfern nicht fo muthig gewehrt, jo wären fie alle in dem Ges 
leit erfchlagen worden. Nun aber fchlugen die Unfern 10 von ben Feinden 
zu Tobe und machten 8 Befangene; die andern entliefen; und als ber Haupt: 
mann zu Aquapendent über bie acht richten und fie hängen wollte, gebot ihm 
ber Bapft, er folle fie ledig Tafien, und das geſchah. Auch ift Heinrich Fuchs 
in bed Papſtes Gebiet erfchoflen worden” u. |.w. 

3 Das Schreiben an bad Eoncil bei Martene I. c. p. 165 sq. Uns 
liegt im Original von bemfelben Zage ein Brief an ben Protector vor, worin 
er biefem bie an bad Concil gerichtete Bitte befonderd an® Herz legt. T. V, 
fol. 2391. Siena, 28. Auguft 1432, 

= Der Kanzler Schlid fchrieb zu dem Briefe bes Königs vom 28. Auguft 
folgende Nachſchrift (fol. 290): „Gnediger Fieber herr. Als ſich das concilium 
Avinion unberwunden bat, alfo find vil flet und land der kirchen albie, bie 
fi an zwyvel an das concilium und unfern herrn flügen, wenn fi fein 
gnad bed underwinden törfte, daz man nicht ſprech: er beraubt bie Firchen, 
Und ich mein, wil ber babft übel, es müß zulecz alfo geen; beucht mich gut 
* fein, das ir mit dem concilio davon rebet und mir in geheim wiberumb fchrei= 
bet, was fy güt dünket, wann e3 fur bad concilium were”. 

* Gigmund an den Statthalter 1. November 1432, T.V, fol.55. Der 
König erwähnt bier zuerft die Vermittlung des Cardinals de Gomitibus, wo: 
rüber er ſchon am 29. September dem Protector gefchrieben (eine lateinifche 
Ueberfegung bed Brief bei Martene 1.c. 188; und Tiegt das deutfche Original 
T. V, fol. 268 vor). Sodann knüpft er an bie Bulle bed Concild, die von 
allen weitern Verhandlungen mit bem Papſt abrieth, die wieberholte Verſiche⸗ 
rung, baß er nur im Intereſſe des Concils handeln werde. Weiterhin erzählt 
er, daß eine neue Botfchaft, beſtehend aus bem Biſchof von Chur, Lorenz dem 


658 


Da trog dem die Mißftimmung immer größer wurde, bielt es ke 
König für nöthig, vor aller Welt eine Erklärung über feine une: 
Schütterliche Anhänglichkeit an das Eoncil abzugeben); fodann Tief a 
der Verfammlung eine Schrift über feine DVerdienfte um biefell 
überreichen und ihr zulegt durch feinen Statthalter mündlich as 
einanberjeßen, was er alles für fie gethan und wie viel er gelitten 


e. 

Es wird den eifrigen Bemühungen des Herzogs Wilhelm me 
Schreiben fein, daß die Verfammlung am 22. Jan. 1433 in de 
neunten Seffion den König in ihren befonderen Schu nahm um 
feierlich erflärte, daß alles, was Papft Eugen in irgend einer Weik 
mit Abfegung, Bann oder Proceß gegen ben König vornehme, mul 
und nichtig fein folle. oo. 

Man hat diefen Beſchluß in der Negel als einen glücklichen 
Schachzug bes Concils und des Königs gegen den Papft aufgefaft 
und es als eine Folge ber hierdurch noch einmal in aller Form 
erwiefenen Einigkeit zwifhen Sigmund und der Verfammlung be 
trachtet, daß der Papft jett endlich ſich zu Eonceffionen verſtand, 
die den Frieden mit Sigmund und weitere Unterhandlumgen mit dem 
Concil möglih machten. Ich halte es dagegen für möglich, ja foger 
für wahrfdeinlih, daß ber König, als er jenen Beſchluß betric, 
noch eine andere Abficht damit verband, die Abficht nämlich, durch 
jene feierliche Erklärung der Verſammlung nicht allein vor jedem 
Angriff Eugens, fondern auch des Concils ſelbſt gefichert zu fein. 
Das Vertrauen zwifchen ihm und den verjammelten Vätern, das 
läßt fich nicht verfennen, war tief erfchüttert.e Ging die Verfanm 
fung fühnen Schrittes auf dem Wege ber Reform und der Oppofi 
tion gegen die römifche Curie vor, während der König um jeden 
Preis Frieden mit dem Papft wollte, jo Tonnte e8 einmal dahin 
fommen, daß das Concil, wie e8 an eine neue Papſtwahl badıte, 
auch die Wahl eines anderen römifchen Königs fördern Half. Die 
Prätenfionen der Verfammlung, die fi für die höchſte Orbmung 
auf Erben hielt und um biefe Zeit auch tief in weltliche Dinge ein 
zugreifen anfing, gingen in ber That weit genug. Sigmund aber, 
der in Deutfchland fo wenig mehr vermochte, hatte durch feinen bie 


Marſchal, und Caſpar Schlid bem Vicekanzler, nad Rom abgegangen jei, 
von deren Inſtruction das Concil Abfchrift erhalten babe. Und wie wohl 
man ihm große Furcht vorwerfe, fo wolle er afle Sachen Gott zu Lob und 
dem Eoncil zur Förderung „wegen“ (erwägen? wagen?). Endlich Heißt es, ber 
erzog folle wiffen, daß ber König viele mächtige Herren in diefen Landen be: 
ellt abe, ob ber Papft übel wollte, daß man ibm Land und Leute nehmen 
möchte. Namentlich wird einer, Sancius Garilla, genannt, ber mit feinen 
Helfern in be Königs und bed Concils Namen zu Feld liege und ſchon mel: 
rere Schlöfler genommen babe, worüber der Papft fehr erfhroden ſei. Der 
Herzog fol im Geheimen erfahren, was bed Eoncild Wille in biefen Saden 
fei. — Daß es hiermit bem Könige nicht im mindeſten Ernſt war, bat fen 
fpätere® Verhalten zur Genüge bewiefen. Der Brief war gerabe fo ehrlich 
wie Schlicks Nachſchrift zu dem Schreiben vom 28, Aug. S. p- 557 Anm. 3. 
1Aſchbach a. a. D. S, 95 


559 


jett völlig refultatlofen Aufenhalt in Stalien an Anfehn nicht ge= 
wonnen. Das Einzige, was ihn in den Augen der Welt noch hob, 
war die Verbindung mit dem Concil. Hörte fie auf, fo ſank der 
König zu einem bloßen Abenteurer auf fremder Erde herab, und das 
Coneil, welches die Kirche vepräfentirte, mochte geltend machen, daß 
diefe eines anderen Schirmherrn bebürfe. Daher ſcheute Sigmund 
die verfammelten Väter vielleicht mehr als den Papft. 

Was mic in diefer Auffaffung beſtärken will, ift die Erwägung, 
daß der König in jenen Tagen von Gugen IV. keineswegs das 
Schlimmſte zu fürchten hatte. Zwar fuhr diefer fort, fich gegen 
das Concil mit aller Hartnädigkeit zu fträuben, aber er fah ſich in 
feiner Oppofition fogar in Rom immermehr ijolirt. Die Cardinäle 
fielen von ihm ab und ftanden auf dem Punkte, fich für das Con⸗ 
cil zu erklären. Sie unterhandelten in diefem Sinne mit dem König 
und feinen in Rom anweſenden Räthen. Und als trogdem Eugen 
am 31. Yan. 1433 den Prozeß gegen das Concil und feine Ans 
hänger eröffnete, waren die Geiftlichen am römifchen Hofe „wild“ 
und konnten nur mit Gewalt abgehalten werden, nach Bafel zu ziehen !. 

Die zuverläffige Nachricht, daß der Papft erft am 31. Yan. 
gegen das Koncil und feine Anhänger procedirte, widerlegt endgültig 
die Behauptung, dag Eugen den König fchon vor dem Bafeler Be⸗ 
fhluß vom 28. Yan. feiner Kronen beraubt habe. Der Papft hat 
Sigmund weder in ben Bann gethan, noch ihn der königlichen Würde 
entfegt; wenn man in Baſel vorgab, daß es gefchehen fei oder bald 
gefchehen werde — man bewegte fich abfichtlich in unbeftimmten Aus⸗ 
drüden —, fo that man es nur, um damit die verjammelten Väter 
zu rühren? 

Endlich Sprit auch die Art, wie der Protector dem Könige 
über den Beſchluß der 9. Seffion refervirt, dafür, daß er nicht blos 
gegen den Papft gerichtet war: „das nyemant, welichs ſtands oder 
weſens der ift, der wider ewer k. gnad dhainerlai anfahen, es wär 
mit abfeczung, pannen oder anderm procediren welt, das das ver- 
nichtet fein fol und Traftlos“ 3. Warum diefe Umschreibung ftatt 
der einfachen Worte: Eugen oder der Papft? 


2 Das fchreibt Kafpar Schlid, der ettlihe Wochen mit andern Räthen 
des Königs in Rom unterhanbelt hatte, an ben Herzog Wilhelm, am 6. fe: 
bruar 1433, T. V, fol. 276. Hiernad wollte der Carbinal Rothomagenfis 
mit ben römischen Gefanbten am folgenben Tage wieder gen Siena zum Kö⸗ 
nig; man boffte auf eine pie Beihliefung „Und gefchicht das, fo ift zu 
hoffen, da8 die von Eoln (Rom) des pfarrerd (Papftes) nicht leyden, funber 
dem meyertum (Concil) zulegen werden“. Der Papft bat am nächiten Freitag 
(Schlid fhreibt am Dorotheentag) „procefß wider dad meyertum und alle bie 
bie im beyligen ußgen laſſen, und die pfaffen und andere in dem pfarrhoff 
find wild und wollen alle wegziehen, und ber pfarrer leſſet ſy uffhalten“. 

“= Vergl. Aſchbach a. a. O. ©. 98 u. Anmerk. 98. 

s Wilhelm an ben König, 2. Febr. 1433, fol. 275. Er beginnt: „Als 
ewer !. n. ewer brief dem heiligen coucili geben und geſchickt Habt unb wie 
ir mig bei pruber Betern von Unberftorff etlich artikel zugefandbt und empfols 


ber König den Beſchluß der 9. Seſſion durchſetzen ließ, es Im 
bald dahin, daß der PBapft feinen fchroffen Widerftand mäßigte. & 
viel wir aber fehen, trugen dazu nicht allein die Energie des Comä 
und der Abfall der kirchlichen Würdenträger in Rom, fondern ad 
die Bermittlung der deutfchen Kurfürjten bei. Diefe Hatten feit Die 
gerer Zeit eine Geſandtſchaft beim Papft, die freilich ihre Une 
handlımgen fo geheim betrieb, daß felbjt der König, wie er fen 
Statthalter einmal fchreibt, nichts Beitimmtes darüber erfuhr; 
aber ihre Vorftellungen von Einfluß waren, deutet theila der Ba 
in der Bulle vom 16. Febr. an, theild geht e8 aus dem Umftam 
hervor, baß eben diefe Bulle durch die kurfürſtlichen Geſandten den 
Könige und dem Bafeler Concil zuging. " 

Uebrigens fehlte viel, daß der Papit in der erwähnten Balle' 
das Concil mit allen feinen bisherigen Beſchlüſſen unbedingt ae: 
kannt hätte; er gab blos infofern nach, als er die VBerfanmlun, 
ftatt fie nad) Bologna zu verlegen, unter dem Vorſitz von vier burd 
ihn zu ernennenden Legaten in Bajel laſſen wollte. 

ALS die erjte Kunde von diefer Sinnesänderung Eugens, wen 
man es fo nennen darf, nad) Siena kam, beeilte fi Sigmund, Be 
vollmächtigte nach Bafel zu fenden, um das Eoncil von feinen Wir 
[hen und Abfichten zu unterrichten ?; und fobald er die Bulle ſelbſt 
empfing, bot er alles auf, um ihr bei den verfammelten Vätern cum 
gute Aufnahme zu bereiten. Er nahm zu dem Zwed, wie in alle 
wichtigen Fällen, die Hüffe feines Stellvertreter in Anfprud. 

Der König begehrte von dem Herzoge nicht allein brieflich, daß 
er mit allem Eifer daran fein möge, die verfammelten Väter für 
die Bulle Eugens günftig zu ftimmen, fondern ließ ihm auch mind 


E. 


ben habt, darauf mit dem concili zereben und in aigenlich zu erzein was 
ewer gnab von des concili8 wegen getan, geliden und aufgeflagen hat x. 
das babe ih alle nach dem aller peften yebanbelt“. Vergl. Martene VIN, 
530—31. 

2 Bei Martene a. a. DO. 535. Vergl. Aſchbach S. 99. 

2 Sigmund an ben Statthalter, 24. Febr. 1433, fol. 281. Nachdem 
ber König neulich ben Claus von Eziffe, bat er geftern ben Bifhof von Chur 
und den Carbinal von Rouen nad Bafel gefhidt, braucht daher nicht viel 
zu ſchreiben, um fo weniger als bie Briefe erbrochen werden. „Wir baben 
eſtern fchrifft gefehen von ettlichen cortbefanen von Rom, wie der babfl am 
Freitag nehft vergangen achttag bad concil zu Bafel in feinem confiftorio 
approbirt und beitetiget bat’. Das Nähere weiß man noch nicht. 

Der Vicefanzler Schlid fügte nach Ankunft eines neuen Briefes aus Rom 
noch folgende Nachſchrift hinzu, fol. 278: „Alfo ift uff Heut ein Briff von 
Rom fommen, nach laut der abfchrifft hirinne verfloflen, und ich trav zu got, 
wirt der babft mit bem concilio alfo einig, das unſers bern bed kunigs * 
obgotwil noch in diſen landen gut werben mochten. Und dorumb genediger 
herr iſt ſach, das daz concilium an ſulcher confirmacion von dem babſt ein 
gerugen haben wirt, fo feit boran mit fleiffe, das baz conciklun unferm berm 
gem nig zuftund fchreib, das er fih Tronen laſſe und in ‘das concilium 
ume, 


561 


lich durch einen vertrauten Rath fehr beftimmte Verhaltungsmaßres 
geln zugehen '. Ä 

Durch Nikolaus Stod trug er dem Protector auf, famt andern 
guten Freunden bei dem Concil mit ganzem Fleiße daran zu fein, 
daß des Papftes Bulle gut verftanden werde, damit kein Schisma 
in der Chriftenheit entftehe; er foll darauf aufmerffam machen, daß 
dem Concil nad) Gelegenheit der Sache fein Wille beinahe erfüllt wäre; 
denn e8 habe erreicht, zum erften, daß der Papft das Concil zu Bas 
jel approbirt und zuläßt (non obstante dissolutione prius facta); 
zum andern, daß er jein Concil in Bologna abthut; zum dritten, daß 
er allen Prälaten gebietet, in drei Monaten in Bafel zu fein; zum 
vierten, daß er erlaubt, in der Zeit die Keterei auszurotten; zum 
fünften Frieden und Einigkeit zu machen, fo daß nichts „hinderftellig“ 
bliebe, als die Reformation, bis bes Papftes Legaten nach Bafel 
fommen; alsdann habe das Concil feinen Fortgang in allen breien 
Stüden, deretwegen es verjammelt fei. 

Wenn man aber fprechen wollte, der Papft habe den ‘Decreten 
der vergangenen und auch des jeßigen Concils — darauf kam eben 
alles an — nicht genug gethan, jo möge man antworten: wies 
wohl der Papft nicht öffentlich beftätigt habe, was bisher zu Baſel 
gefchehen fei, fo finde ſich doch auch nicht, daß er dafjelbe abthue, 
und wenn des Papftes Legaten dahin kommen würden, mit denen 
auch der König zu kommen hoffe, jo könne allen Gebrechen abgehol- 
fen werden. 

Bon der Einigung des Königs mit dem Papft foll man nicht 
reben, wenn man nicht im Concil davon anfängt; alsdann foll man 
verfichern, daß der König, wie er ftets an dem Concil feit gehalten 
hat, fo auch in Zukunft treu zu ihm ftehen werde, bis die drei Stücke 
ganz vollbracht fein werden. Die Einigung mit dem Papjt werde 
das Concil fördern, jtatt hemmen. 

Wirrde dagegen die Verfammlung wider den Papft procediren, 
indem man nicht dem gemeinen Nugen, fondern feinem Eigenwillen 
nachgebe, fo würde nicht allein ein Schisma entftehen, fondern man 
würde auch mit bem Bapft fo viel zu fchaffen finden, daß der eigent- 
liche Zweck des Concils verfehlt werde, wie ja aud in dem verflof- 
fenen Jahre über ben Streit mit Eugen nicht® anderes erreicht jei. 

Man fieht, es kam dem König Alles darauf an, das Concil 
verföhnlich gegen den Papft zu ftinmen. Daß die Bulle Eugens 
dafür eine ſchwache Grundlage bot, daß die päpftliche Anerkennung 


2 Das Schreiben des König an ben Statthalter vom 4. März 1433 
in T.V, fol. 80 u. fol. 277. — Dazu gehört eine Aufforberung an bie Kur: 
fürften, ein Schisma verhüten zu belfen, fol. 279°, s. d. (ber Bapft Hatte 
den Rurfürften befohlen, das Concil zu befhirmen; ber König fette ihnen daher 
auseinander, daß dies unnöthig fei, da er mit feinem Statthalter in dieſer 
Hinſicht genug gethan habe; fie follten Tieber zur Einigfeit beitragen). — Die 
Anftruction für Nilolaus Stod s. d. ſteht T. V, fol. 280. — Gebrudt ift 
blos ein Brief Sigmunds an bag Concil bei Martene p. 585. Aſchbach ©. 99. 


562 


nur eine halbe war, entging ihm nit. Deſto eifriger fprad & 
von den Scisma, das er verhütet jehen wolle, von den Gefake, 
die für die Kirche und das Concil aus der fortgefeßten Oppofis 
erwachfen würden. Dean mag die Einfiht preifen, womit Sig 
verhinderte, daß das Concil nicht bie zur Abfegung bes Paykı 
fortfchritt und die monardhifche Verfaffung der Kirche in eine are 
fratijche, oder wenn man lieber will, in eine republilanifche verme 
deite; nur darf man dabei auch bemerken, daß neben jener Einkk 
fehr reale Intereſſen den König beftimmten, fi) mit einem hallo 
Erfolge zufrieden zu geben. 

Sigmund war in Siena in fehr bebrängter Lage; noch mh 
als Mannfchaft und Waffen, um feine Feinde zu befämpfen, fehl 
ihm das Geld zum täglichen Leben. Die Kanzlei, die fich viel m 
Ausstellung königlicher Urkunden bejchäftigte, warf weniger .ab, & 
man gehofft hatte, und zulett mußte das Mittel verbraucht fen 
Auch die Freigebigkeit der Stadt Siena nahm allmählich ein Exk, 
und König Sigmund war, wie Herzog Wilhelm es in einem Brik 
an feinen Bruder einmal ausdrüdte, „ein betrübter, verlaffen 
armer Herr“ . 

Vergebens hatte er ſchon im Herbft 1432 die Hilfe der det 
chen Fürften zu gewinnen geſucht. Er hatte 4 bis 6000 Pferk 
gefordert und es im übrigen den Yürften, Herren und Stäbten über 
laſſen, fich jelbft anzufchlagen,; mit ſolchen Streitfräften getrante a 
fich noch große Dinge zu thun, nm fo mehr als die Parteien is 
Stalien jegt ermübdet feien?. Neben dem Herzog Wilhelm follte in 
diefer Angelegenheit der Markgraf Friedrid) von Brandenburg tätig | 
fein; Leßterer hatte die Briefe an die Bürften in Thüringen m 
Bayern zu beforgen, während die übrigen durch des Protectors Has 
gingen. Dann follten Beide die ihnen zugewiefenen Stände be 
Reichs im Namen des Königs berufen und 2000 bis 3000 Mam 
fich erbitten, die auf ihre eigene Koft 5 bis 6 Monate in SYtalım 
bleiben müßten. Der König erinnert dabei an feine „anliegend 
Noth und an das Verberben des Reiche, wo man dem micht abhelfe”. 


ı T. V, fol. 358, s. d., bem Inhalt nad c. 2. März. Die angezoge 
—— Worte wurden im Concept wieder durchſtrichen, vielleicht weil fie alla 
wahr waren. 

2 Brief des Königs an Wilhelm vom 8. Septb. 1432, T. V, fol. 58. 
Im Eingang legt Sigmund dar, daß Alles, was er in Italien getban und 
geritten, ded Concils wegen geſchehen, und daß feine Sache bie Gade der 

hriftenbeit fei. Die Stelle: „mochten wir 2 bis 3000 pferd auf deutſchen 
landen gehaben“ wirb fo zu verftehen fein, daß ſowohl der Protector ald der 
Markgraf von ben ihnen zugewiejenen Ständen fo viel fordern follten. Denn 
nach einem Briefe Wilhelmd an feinen Bruder, fol. 357, hätte ber König 5 
ober 6000 Pferbe begehrt, womit er ber Chriftenheit und dem Reich ſolchen 
Nutzen ſchaffen wolle, daß das heilige Reich in Fünftigen Zeiten großen Srom- 
nen haben werbe. — Es wäre freilich auch möglich, daß der König troß ber 
geringen Ausſicht auf Erfüllung der Bitte fein Begehren im Lauf der Zeit 
auf das Toppelte fleigerte. Jene Notiz aus dem Briefe Wilhelms ftammt 
nämlih aus dem Anfang März 1433, 







668 


Die wälſchen Lande, führt er fort, würden Deutfchland ganz ent- 
fremdet, da doch früher die deutfche Zunge in hohen Ehren geſtan⸗ 
den, und Stalien nebft Rom oft von den Deutfchen mit Träftiger 
- Hand genommen worden fei. 

Aber wie konnte das Reich, im Innern gänzlich zerrüttet, von 
den Böhmen ſchmählich gefchlagen, ſich für die italienifchen Pläne 
eines Königs begeiftern, der zur Befriedigung der nationalen deut« 
fhen Wünfche noch nie etwas Ernftliches gethan hatte. Aber felbft 
wenn die Liebe und das Vertrauen der Reichsftände zu Sigmund 
größer, wenn die Opferbereitwilligteit und die patriotifche Gefinnung 
Einzelner ftärfer gewefen wäre, jo war doch durch die Verfaſſung 
des Reichs dafür geforgt, daß von Seiten der Keichsglieder nicht 
zu viel und daß es vor allen Dingen nicht zu rafch geleiftet wurde. 
Am 8. September 1432 ſchrieb Sigmund an feinen Statthalter und 
Die deutfchen Fürften. Die Verſammlung, welche darauf der Herzog 
nah Baſel ausfchrieb, fcheint gar nicht zu Stande gelommen zu - 
fein!. So fandte er denn Boten aus. Am 2. Yebruar 1433 aber 
meldete er dem König, daß die Botjchaft, die er und das Concil 
von ber Hülfe wegen den Rhein hinab zn den Kurfürften gefchickt 
hätten, noch nicht zurück fei?, und aus einem Briefe Wilhelms an 
feinen Bruder vom 2. März hören wir endlih, daß die Kurfürſten 
mittlerweile zwar einen Tag ausgefchrieben hätten, „daß fie aber das 
Ausschreiben zu weit gethban und den Tag zu lang geſetzt —“ 
„darob und gar vaſt grauft“ ®. 

Man fieht, auf Reichshülfe konnte Sigmund nicht warten; wollte 
er aus feiner drüdenden Lage erlöjt werden, fo mußte er entweder 
alle oppofitionellen ja revolutionären Elemente zu Hilfe rufen, um 
den Papſt raſch zu noch weitergehenden Concefjionen zu zwingen, 
oder er mußte die aus der Ferne gebotene Hand Eugene begierig er⸗ 
greifen und Frieden mit ihm jchliegen um jeden Preis. 

Der König enfchied ſich für das Letztere. Eugen bot nad) lan⸗ 
gen und zähen Verhandlungen die Kaifertrone und verſprach außer» 
bem, ben Frieden mit {Florenz und Venedig zu vermitteln. Dafür 
gab ihm Sigmund in bindendfter Form die Zuficherung, daß er fo 
lange er lebe mit allen Kräften und unter allen Umftänden Eugen 
als den einzig rechtmäßigen Papit gegen Jedermann vertheidigen 
werde. 


2 In einem Briefe vom 26. Octob. 1432 (T. V, fol. 38) entſchuldigt 
fi) Stephan von Hagenau, daß er nicht auf Sonntag nah St. Martinstag 
nach Bafel fommen, auch feine Näthe nicht ſchicken könne. Aber würde zu 
Bafel von des reifigen Volks wegen etwad vorgenommen unb befchlofien, fo 
wolle er darin, fo weit er vom beil. Reich belehnt fei, fein Vermögen nicht 
paren. 

s Wilhelm an den König, T. V, fol. 275. 

5 Wrfprünglich hieß e8: „darauf wir gar feine Hoffnung haben’. T. V, 
fol. 358. Der Brief, ein flüchtiges Concept, hat fein Datum; doch ergiebt 
— mit ziemlicher Gewißheit aus ber Notiz fol. 857 unten über bie 
Böhmen. 


‘; 


664 


Eine folche Verpflichtung war zu einer Zeit, wo das Emi 
den Papft nicht mehr als das monardifche Oberhaupt ber Kirk, 
fondern nur noch al8 den erften, der Verſammlung verantiwortlida 
Beambten gelten ließ, von unermeßlicher Bedeutung. Trotzdem giy 
Sigmund gern darauf ein und wurde nicht müde, den Unterhändlen 
wiederholte Beweiſe feiner Dankbarkeit zu geben!. Am 5. Ani 
wurde zu Nom der Friede des Königs mit den italienifchen Ste 
ten unterzeichnet, am 7. durch Fönigliche Gefandte, "unter denen be 
Kanzler Kafpar Schlid war, vor öffentlichem Eonfiftorium in & 
munds Namen der Eid geleiftet, der den Raifer zur BVBertheidigug 
des päpftliden Stuhls verpflichtete. Noch im Lauf des Monet 
April, ward bejtimmt, foll Sigmund mit Eugen perfönlich zufamme 
fommen und im Mai aus den Händen de Papftes die Laiferlik 
Krone empfangen. 

Zu Bafel ſahen die verfammelten Väter diefem Gang be 
Dinge mit mißtrauifchen Auge zu. Die Bulle Eugene vom 16. Fehr. 
und die fie begleitenden Föniglichen Mahnungen waren für fie fen 
—— am 27. April in der 11. Seſſion zu beſchließen, daß de 

oncil auch ohne Berufung des Papftes und der Carbinäle ſich cm 
ftituiren und den Papſt, der es hindern wolle, vom Bontificate fi 
ſpendiren könne, während das Eoncil nur dann aufgehoben fei, wen 
zwei Drittheile der Verſammlung ihre Einwilligung dazu gegeben 
hätten?. Und als bald darauf ein Schreiben des Königs vom 15. April 
eintraf, worin er die Verfammlung von dem Abflug des Vertrags 
mit dem Papft in Kenntniß fette, und in fehr beftimmten Ausdrüden 
betonte, daß er den Papſt mit allen Kräften vertheidigen werde, 
während das Concil ſich mit der von Eugen ausgefprochenen Aner 
fennung binlänglich begnügen fünne: da erhielt er zur Antwort von den 
verfammelten Vätern die nochmalige dringliche Mahnung, alle Unter 
hanblungen mit dem Papſt, der ihn nur zu täufchen fuche, abe 

en 


Unter dieſen Verhältniffen hatte der Stellvertreter des Köonigs 
zu Bafel einen jchweren Stand. Noch am 23. Mai*, acht Tage vor 
der Krönung, gab ihm Sigmund die ftrenge Weifung, mit allen 
Mitteln zu verhindern, daß das Concil nicht weiter gegen den Papſt 
vorfchreite, bis die Faiferlichen und päpftlichen Boten nad Bald 





1 Drei: viermal empfahl er den Unterhändler Jacob von Sirek ber Gunfl 
bed Protector, für die großen Dienfte, bie er ihm zu Rom gethan hate 
Vergl. fol. 28 u. 299. „Er follte empfinden, daß ihm feine Arbeit, bie er 
bes Concils wegen getragen, nutzbax und fruchtbar fei”. „Dorynne tue beinen 
fleifie, wann wir im albie für alle fcheden gefprochen haben, und ſolt er it 
verliegen, daz müflen wir im wider feren”. 

Vergl. Aſchbach a. a. O. ©. 101. 

s Aſchbach a. a. O. S. 109 und 110. 

*Sigmund an Herzog Wilhelm d. Rom, 23. Mai 1433, T.V, fol. 394. 
Zugleich fchrieb er an das Concil; biefer Vrief ift und aber nicht erhalten. 
Dagegen hat Manfi, Concil, XXIX, 375, ein Schreiben and Concil vom % 
Mai aus Viterbo. Vergl. Aſchbach S. 110, 


665 


fommen würden. Der König gebentt dabei der guten Neigung und 
Begierde, die der Papft zu den Stüden habe, um berenwillen das 
Concil verfammelt fei, und fpricht die beftimmte Erwartung aus, 
daß, bis e8 zur völligen Einigung zwiſchen dem Concil und dem 
Papfte komme, inzwifchen fein „Unrath“ entjtehe. 

Am 31. Mai hatte die Kaiferfrönung ftatt. Einige Tage fpäter 
dankte der zum Ritter gefchlagene Vice» Kanzler Caspar Schi! in 
des Kaiſers und im eigenen Namen dem Herzog Wilhelm für den 
Fleiß, womit er am Concil „den Murmel“ zum Beften kehre, „wann 
wir wol verfteen, das e& groß arbeit haben wil”?. Uber groß ift 
auch die Einigkeit zwischen dem Papſt und dem Kaifer. „Dann das 
wiljet, daz unfer pfarrer (Papft) und meifter vogt (Kaiſer) fo einig, 
früntlich und Tautter gen einander find, daz einer fein blute für den 
andern geben wil, und wollen ewiclich freund beleiben und einander 
helfen”. — Das Concil foll in den drei Stüden redlichen Fortgang 
haben, aber feine Xheilung machen; der Kaifer will ihm nicht ge⸗ 
ftatten, bis in den Tod nicht, daß man etwas gegen den Papft 
fuchen follted. „Und ficher gen euch geredt, den vogt dunft das 
meiertumb zu fcharff und uß dem weg fein“. „Durch got halt das 
meiertumb an, daz ſy nit alfo faren, wann wir nu clerlich fehen, daz 
man teyluug fuchet und nit die drei ſtücke, und jeyt ficher, daz der 
vogt bey dem pfarrer beleibet.. Es iſt nu zeit, daz ir der botten 
nit fparet, funder tag und nacht uns embiett alle gelegenheit“. 

So ftolz der Ton auch klingt, den bie kaiſerliche Kanzlei plötß- 
lich gegen das Concil anfchlägt, fo fühlt man doch durch, daß Sig- 
mund wie Caspar Echlid die Macht nicht verfennen, die in der 
confequenten Haltung des Concils lag. Denn mag man aud das 
unbeirrte Vorgehen der Verfammlung als unpolitifch, vom kirchlichen 
Standpunft als vermwerflich betrachten, fo muß man doch zugejtehen, 
daß die Beichlüffe, über welche fich jegt der Kaiſer beflagte, mit 
Nothwendigkeit aus dem Standpunkt fich ergaben, den die Verfamm- 


1 TV, fol. 298. 

* „Doc fo verften wir wol, daz das niemand fo vaft machet ala des 
margrafen leut“. Damit find die Mailänder gemeint, beren [päter noch ein= 
mal gedacht wird, Indem es heißt, daß alle Könige und Fürften bem Pfarrer 
und den Vogt folgen werben, ed wären denn bed Markgrafen Leute, die müſſe 
man flillen; fie fürchten den Vogt und werden viel wider ihn fuchen, um ihres 
Herrn willen, ber ben Vogt fo „ſchemlich“ behandelt Hat. 

sUm Wilhelm, ber den Kaifer gebeten hatte, daß er weislich handeln 
möge, damit bad Concil nicht zerflört werde, völlig zu beruhigen, wiederholt 
Schlick noch einmal bie Berfiherung, daß dad Concil in ben brei Stüden von 
ihnen werbe unterftüßt werben, „aber man wil nit geftatten, daz man ſchand 
anrichte". Intereſſant ift noch die weitere Betheuerung: „baz fich der vogt in 
feinen fachen mer verfchriben noch verpflichtet hat umb ein bare, dann als 
vil die ende, bie er getan.bat, als feine vorfaren, und als ich euch vorge: 
ſchriben han. Und was er tut, daz tut er von gutem willen‘. Man fieht 
ihte daß der Kaifer auch feinen Statthalter nicht in alle Geheimniſſe ein⸗ 
wrihte. 

* Fides, Pax, Reformatio. 


D. 37 


566 


fung ein Jahr hindurch unter Sigmunds Zuftimmung, ja auf fen 
Drängen hin, eingenommen hatte. Der König hatte mit allem 
Eifer die Citation des Papftes betrieben; wie konnte ſich der Kaifer 
jegt beklagen, wenn der Prozeß feinen Fortgang nahm? Sigmund 
hatte freilich die Kaiferkrone und den Yrieden mit den Italienern 
erlangt, aber dem Concil fehlte troß der angeblidden Anerkennung 
durch den Papft jegliche Bürgfchaft, daß nicht alles, was feit zwei 
Fahren erfämpft war, durch Eugen wieder vereitelt werden würde. 

Für den Stellvertreter des Königs blieb nichts übrig, als nad 
beiden Seiten verföhnend zu wirken, in den Kaifer zu dringen, daß 
er für das Concil noch nach Möglichkeit forge, und die Verfamm- 
lung zu ermahnen, es nicht zum offenen Brud mit Sigmund zu 
treiben. ‘Da er wohl wußte, daß bei Sigmund weniger allgemeine 
Gefichtspuntte als materielle Vortheile den Ausfchlag gaben, fo unter: 
ließ er nicht, ihm wiederholt auf den großen Nugen aufmerkſam zu 
machen, der ihm aus ber treuen Beſchützung des Concils und vor 
allem aus ber Anmwefenheit in Deutfchland und wo möglich in Baſel 
jelbft erwachlen würde. Es war ihm aber auch nicht unbefannt, 
dag der Kaiſer feinen Aufenthalt in Italien gerne deshalb verlängerte, 
weil er in Deutfchland ein fo bequemes Auskommen nicht zu haben 
glaubte, wie er e8 dort feit dem Frieden, theild durch die Freigebig⸗ 
feit des Papftes, theils durch reichere Einnahmen der Kanzlei, ge 
funden hatte. Der Statthalter wußte auch dagegen Rath. Er folle 
nicht, fehrieb er dem Kaifer !, ſolche Sorge haben um redfliches und 
ehrliches Austommen in deutfchen Yanden; denn wenn er der Gerechtig⸗ 
feit mit der Hilfe Gottes auswarten und unredlihe Dinge geredt 
ftrafen und die nicht mit ſchnödem und geringem Geld abteidingen 
laſſen wollte, jo würde ihm daraus fo großer Nußen erwachſen, 
saß er fein taiferliches Wefen mit Ehre und Glanz wiirde genichen 
önnen”. 

Auch in einem Schreiben vom 5. Yuli, worin Wilhelm dem 
Caspar Schlick zur Nitterwürde Glück wünfcht, unterläßt er nicht, 
darauf zu dringen, baß er den Kaiſer gegen das Concil günftig 
ftimmen und für die gute Aufnahme feiner, des Herzogs, Rathſchläge 

forgen möge?. Diefe Rathfchläge kennen wir zwar nicht, fie wer: 


ı 48 Suni 1433. fol. 800. 

2 63 ift zu bemerken, baß die Worte: „und bad ewer gnab nich folid 
forg babe umb reblihe und erliche auskomung in teutfchen lannden” ſich un: 
mittelbar an die Bitte, möglichft bald zurüdzulehren, anfchließen, fo daß ber 
Zufammenhang leicht erkennbar it. Wahrfcheinlich hatte der Kaifer dem Her: 
zog gerabezu zu verftehen gegeben, baß er ſchon der behaglicheren Eriftenz we 
gen nicht große Luft habe, feine Rückehr nad Deutſchland zu beſchleunigen. 
Wenigftens irgend einen Anlaß mußte Sigmund zu Wilhehnd Aeußerung ge 
geien haben; fie wirft jedenfalls ein eigentbümliches Licht auf Menſchen und 

erhältniffe. Wohin bed Herzogs Rath eigentlich zielte, und welcher Fall ihm 
bei der firengen Zuftiz, die er bem Kaiſer empfahl, vor allen vor Augen 
fhwebte, werben wir fpäter noch feben. 

5 T, V, fol, 306. 


667 


den aber gewiß dahin gezielt haben, daß der Kaifer das Concil beim 
Bapft vertreten und baldigft nach Deutfchland zurückkehren ſolle. 
Dieſe legtere Bitte Tehrt deshalb fo oft wieder, weil man in Baſel 
wohl wußte, wie wenig der Kaifer während des Aufenthalts in 
Rom aus dem häufigen und vertrauten Verkehr mit dem Papft 
neue DBegeifterung für das Concil fchöpfen könne. Schon fehlte es 
auch in Bafel nicht an Stimmen, welche alle bisher gegen den Raifer 
beobachtete Rückſicht bei Seite fegen und dem Prozeß gegen Eugen 
freien Lauf lajjen wollten. Sigmund erhielt fogar durch einen in 
Bafel anwefenden Gefandten, den Biſchof von Chur, die Nachricht, 
daß die Väter ſelbſt fich gegen ihn wenden würden; worauf er dem 
Statthalter unverweilt „etlich Unterweifung“ zugehen ließ, „den 
Kaiſer damit Zu verantworten“. Uns ift leider blos das Schreiben 
erhalten, worin Wilhelm das Concil gegen den Vorwurf, als habe 
e8 „folches gegen den Kaifer vorgenommen“, mit aller Entfchieden- 
beit in Schug nimmt!. „Wäre folhes“ — wir hören immer nicht 
was es eigentlih war — „für hand genommen“, fo müßten er, der 
Statthalter, und bes Kaifers gute Freunde es doch erjahren haben. 
Darum wundere ihn gar fehr, wie man ſolches dem Kaiſer zuent- 
bieten mochte, und er vernuthet, man ſähe e8 vielleicht gern, daß 
der Kaifer etwas wider das Concil unternähme oder fi mit ihm 
entzweite, wodurch das Concil zerftört und der Chrijtenheit ein un 
wiederbringliher Schaden zugefügt werden würde, darwider ber 
Kaifer mit Gottes Hülfe fein möge mit allem Ernſt“. Es folgt 
dann noch einmal die Verjicherung, daß die Väter den Kaifer alle 
„von Herzen lieb haben und begierlich find, ihn mit der Hülfe 
Gottes wieder zu fehen“, und daß fie in den Sachen den heiligen 
Vater betreffend dem Kaifer nur deshalb nicht gänzlich zu Gefallen fein 
können, weil fie die große Noth der heiligen Chriftenheit zwingt und 
ewiger fünftiger Schaden‘, der daraus entftehen würde (wenn näme 
ih das Concil nachgäbe). Der Kaifer möge zurückkehren ohne alles 
Zögern, das rathe er ihm in allen Treuen immer wieder; daraus 
werde ihm auch bei Gott und der Welt unausſprechliche Ehre und 
Nutzen erwachſen. 

Mit Mühe brachte es Herzog Wilhelm dahin, daß man am 
13. Juli in der 12. Seſſion den Prozeß gegen Eugen noch nicht 
eröffnete, ſondern ihm noch eine Friſt von zwei Monaten geſtattete, 
innerhalb deren er die Auflöſungsbulle vom vorigen Jahre förmlich 
widerrufen und das Concil unbedingt anerkennen möge?. 

Inzwiſchen war auch der Kaiſer bemüht, den Papſt zu weiteren 
Zugeltändniffen zu bewegen. Was er erreichte war, daß Eugen IV. 
in einer Bulle vom 1. Aug. 1433 das Concil zu Bafel bejtätigte 
und durch die frühere Auflöfungsbulle für nicht unterbrochen erklärte, - 
unter der Bedingung jedoch, daß alles, was die Väter gegen ihn, 


ı Wilhelm an ben Kaifer, 12. Zuni 1433, T. V, fol. 302. 
2 Aſchbach a. a.O. ©. 122, 
37* 


568 


feine Autorität und Freiheit, fowie gegen die Sarbinäle und alle 
feine Anhänger befchloffen hätten, wieder aufgehoben würde. Ob: 
wohl diefe Bedingung das ganze Zugeſtändniß jehr zweifelhaft machte, 
fo hielt Sigmund e8 doch für ausreichend, um damit das Condl 
zufrieden zu ſtellen. Brieflich und durch Geſandte forderte er dk 
Verſammlung auf, alle weitere Oppofition gegen Eugen \wenigftens 
fo lange einzuftellen,, bis er, der Kaifer, zurückgekehrt fein werde". 
Der Protector wurde inftruirt, in diefem Sinne auf die Bäter gu 
wirken. 

Nım hielt e8 auch endlid Sigmund an der Zeit, feine Rüd- 
reife nach Deutfchland anzutreten. Im beften Einvernehmen mit dem 
Bapft, der dem Concil noch weitere Zugeftändniffe zu machen ver- 
ſprach, verließ er am 13. Auguft? das ihm lieb gewordene Rom. 
Am 26. Auguft war er in Perugia, von wo er feinem Statthalter 
fehrieb, daß er am 6. September in Ferrara fein und von da feinen 
Weg über Trieft nad) Bafel nehmen werde. Er begehrt, ihn um 
verweilt über die Vorgänge am Concil zu benachrichtigen. Das 
felbe Verlangen wiederholt er am 3. September von Rimini ans. 
Alle Sachen follen anftehen, bis er hinaus Tommt *. 

Aber e8 war nicht zu erwarten, daß die verfammelten Väter 
auch die Sache des Bapftes bis zu der fchon fo lange und fo oft 
angekündigten Rückkehr des Kaifers ruhen laſſen würden. i 
große Mehrheit beſtand vielmehr darauf, daß nach Ablauf des letzten 
Termins (der 60. Tag) dem Beſchluß vom 13. Juli gemäß die 
Suſpenſion Eugens ausgeſprochen würde. Dieſen letzten Schritt mit 
allen Mitteln zu verhindern, war Sigmund wirklich verpflichtet. Das 
Concil aber ſetzte feine bisher fo conſequent gewahrte Autorität aufs 
Spiel, wenn e8 den Termin verftreihen und die drohend gezüdte 
Waffe noch einmal finken ließ; es lief freilich aud) Gefahr, durch 
rüdfichtslofes Vorgehen mit dem Kaifer in dem Moment zu bredhen, 
wo man hoffen fonnte, ihn bei der Rückkehr nad Deutfchland für 
immer aus den Schlingen des Papftes zu befreien. 

Es mar des Protectors Aufgabe, dieſen letzten und geführlid- 
ften Conflikt in umfichtiger Weife zu ſchlichten. Sein Eifer erzielte 
noch einmal ein günftiges Refultat®. 


ı Aſchbach ©. 113. 

2 Den Tag beftimmt ein Brief aus Bafel in Cod. bav. 1585, fol. 30. 

5 T. V, fol. 310. 

* fol. 95. Dat. Rimel, 3, September 1433. 

s Mir haben über biefe Verhandlungen brei eingehende und burdaus 
glaubwürbige Berichte, und doch ift es nicht Yeicht, fi den Hergang völlig 
Mar zu maden. Unfere erfte Quelle ift ein am 8. September angefangener 
unb am folgenden Tage vollendeter Brief Wilhelms an den Kaifer; Die zweite 
ein in lateinifcher Sprache geſchriebenes, wie c3 ſcheint vom Notar beglaubig: 
tes Inſtrument, das über die Verhandlungen mit den Cardinälen und Depu: 
taten und die ihnen gegebenen Verfiherungen Wilhelms berichtet. Es beginnt: 
Facta propositione per illastrem prineipem etc. ımb fließt: Dominus dux 
consensit, ita factum esse per ipsum, expositum et promissum, ut retulit mibi 


569 


Am Somtag den 6. September befprach er ſich nach Ankunft 
einer kaiſerlichei Gejandtfchaft, des Henmann Offenburg und des 
Biſchofs von Chur, zuerft mit dem Cardinallegaten ZYulian, den 
Präfidenten des Concils, der ihm perfönlich befreundet und aud) in 
diejem alle gern zu Willen war. Ebenfo ging er die anderen 
Sardinäle, die wir wohl als einen Ausfchuß der vier Deputationen 
zu betrachten haben !, perfönlih an und fand fie gleichfalts den 


Henrico Fleck, et mandavit sui parte ita dicendum dominis sancte Romane 
ecclesie cardinalibus et deputatis cum ipsis in claustro minorum VIII. die 
mensis Septembris, in cajus testimonium ego Henricua prefatus me sub- 
scripsi. Etatt VIII. die, wie es in unferer Abfchrift heißt, wird wohl VE. 
zu lefen fein. Denn ber am Mittwoch nach nativitatis Mariae abgefanbte 
Brief Wilhelms, der am Dienftag begonnen war, fpricht ausdrücklich von „uff 
efter montag“ als bem Tag ber Congregation; die noch zu erwähnende Re⸗ 
ation eines britten bat vigilia nutivitatis Marie, was alles der 7. September 
ift. Ober follte jenes Zuftrument erft einen Tag nach ter Congrenation auf: 
gefeßt fein, zur Legitimation ber depatati vor der noch zu berufenden gemei⸗ 
nen Seflion? — Der dritte Bericht endlich ift ein ausführlicher Brief des 
Bruders Udalrich von Tegernfee in Cod. Bav. 1585, fol. 30. Hiernach kam 
am Sontag vor nativitatis Mariae bie Faiferlihe Botfchaft, und gleih am 
folgenden Tage war die congregacio generalis (oder die General:Berfammlung 
aller Deputationen), wo Wilhelm alle das vortrug, was er nach feinem eige⸗ 
nen Bericht zunächft nur an die VBerfammlung der Cardinäle oder wie es in 
bem lateiniſchen Inſtrument beißt, cardinales et deputati, gebracht hatte; erſt 
nachdem biefe Garbinäle, die am Montag eine Congregation hielten, gewonnen 
waren, bat Wilhelm „ze fund die deputacion” zufammen kommen zu laffen. 
„Wie wol e8 nit gewonlich bißher gewefen wer“, jo thaten fie es do, und 
nad Berufung der Deputationen gaben fie (nad ber Veſper) die definitive 
Antwort. Das Neferet in Cod. Bav. 1585 kennt nur biefe letzte Verſamm⸗ 
fung, wo wahrſcheinlich Wilhelm alled wiederholte, was er ſchon am Morgen 
in der Ausfhuß-Congregation vorgebracht hatte. Das dort Gefchehene wurbe 
natürlich Fernerſtehenden nicht befannt. Vergl. mit dem allen, was über bie 
Geſchäftsordnung bed Concils in ber folgenden Note gefagt ift. 

2 €3 wird nicht überflüffig fein, bier einige Bemerfungen über bie Ge⸗ 
ſchäftsordnung des Concils, wie fie aus bem Nctenftüd bei Manfi, Concil. 
XXIX, p. 377, hervorgeht, einzufchalten; was Aſchbach IV, 34 beibrüngt, ift 
nicht ausführlich und deutlich genug. Alle Mitglieder des Concils zerfielen in 
vier Abtheilungen, Deputationen genannt, fo daß jede diefer Abtheilungen Män⸗ 
ner verfchiedenen Standes und aus verfchiedenen Nationen umfahte Von 
jeder diefer vier Deputationen wurbe für jeden Monat ein Ausſchuß von drei 
Perſonen (deputati) ernannt, im Ganzen alfo zwölf, und diefe zwölf deputati 
follten in der Regel wöchentlich dreimal zufammenfonmen, um bie Gegenftänbe, 
die an das Eoncil zu bringen waren, zunächſt an bie vier Deputationen zu 
vertbeilen; jenachbem nämlich eine Angelegenheit die Reformation, ben lau: 
ben, ben Frieden oder gemeinfame Dinge berührte, wurde fie ber Congregatio 
Reformatoriü, Fidei, Pacis ober ber pro Communibus zugewiefen. Jede biefer 
Deputationen hielt ihre befonderen Sißungen; war eine Sache in ber einen 
Situng zum Vortrag, in der zweiten ober britten zur Debatte gefommen, ſo 
wurde fie mit dem Gutachten der erften Deputation an bie zweite, ſodann au 
bie dritte, und zuletzt an die vierte gebradht. Erſt nachdem auf diefe Weife 
eine Angelegenheit in ben einzelnen Deputationen hinlänglich berathen unb be: 
gutachtet war, traten bie oben erwähnten zwölf Deputatt wieder zufammen, 
um alle Actenftüde dem Präfidenten bed Concils vorzulegen und diefen einge: 
hend zu informiren. Hierauf fand erſt, in ber Regel am folgenden Tage, eine 


670 


faiferlihen Wünfchen nicht abgeneigt. Auf Bitten des Protecte 
verfammelten fie fich gleich am folgenden Morgen, um die Sad 
gefhäftsmäßig zu behandeln. In diefer Congregation erfchien it 
helm wieder mit dem faiferlichen Gefandten und einigen be 
Rathsherrn der Stadt!, und trug das Begehren des Kaifers in be 
redter Weife vor. 

Er ging zurück auf die Verdienfte Sigmumds um das Conftar 
zer Concil, um die Aufhebung des damaligen Schismas; er erinnert 
an die befchwerlichen Neifen, die der König der Einigkeit der Kirk 
zu Liebe, zu Papft Yohann, dann nad) Arragonien, nach Frankreih 
und England unternommen habe, und wie er zulegt nach Berfonm 
lung des Concil8 zu Bafel, als er bemerkt, daß der Heilige Bata 
etwas bamider hätte, fich mit fchwerer Sorge, Wagniß umd Arbeit 
nad) Stalien verfügt habe, mehr um des heiligen Concils als ka 
faiferlichen Krone willen, wie er denn aud bei dem Papſt fo vid 
durchgefegt habe, daß er fi) zum Concil erheben und die Wide: 
rufung abthun wolle?. 

Er erzählte dann weiter ®, wie der Kater feit dem 13. Augıf 
auf der Rüdfehr von Rom begriffen fei und ohne alles Verziehen 
zum Concil fommen werde. Wie ihn die Decrete der letzten Seffin, 


General:Berfammlung aller Deputationen, d. h. alfo aller Mitglieber bed Cor 
cils, ſtatt, wo über die Sache noch einmal berathen und fobann abgeftiumt 
wurbe. Aber au ein folder Beſchluß war noch fein Synodaldecret, ſondern 
mußte noch einmal in einer öffentlihen Sigung des Eoncil3, gemeine Geffion 
genannt, genehmigt und verfündigt werden. 

Nur in dringenden Fällen, wenn Gefahr im Vorzug war, konnte ein ak 

efüürztes Verfahren eintreten. Alsdann ging die Sache fofort an die Ber: 
—* ber Deputati, und von dieſer, mit Uebergehung ber einzelnen Depr 
tationen, an die General-Congregation, und wenige Tage ſpäter an die gemeine 
Seffion. Der Protector fegte in bem gegenwärtigen Falle es fogar burdh, baf 
bie General= Congregation unmittelbar auf die Verfammlung der Deputati 
folgte, ohne daß, wie es vorgefchrieben war, ein Tag dazwifchen lag. Man 
fieht aus dem Briefe Wilhelms an den Kaifer fehr deutlih, daß Sie ganze 
Berfammlung von dem Präfidenten und ben Deputati, die in der Regel weil 
Gardinäle waren, abhing. Waren bie Führer gewonnen, fo folgte bie Menge. 

„Wir mit fampt ber Stadt von Bafel Ratböfreunden”, worunter bie bra 
bem Herzog von Anfang an beigegebenen Männer, beren Henmann Dffenburg 
einer war, zu verftehen find. Der Biſchof von Chur, einer ber Faiferlichen Ge 
fandten, ben ber Bericht in Cod. bav. 1585 aufführt, muß mit der Sad 
nicht viel zu thun gehabt haben. Wilhelm erwähnt ihn in feinem Briefe gar 
wicht, ebenfo wenig das Tateinifche Actenftüdz; bier reden und handeln überall 
nur ber Protector und der befonderd dazu bevollmächtigte Henmann Offenburg, 
der im Lateinifchen Johannes O. beißt. 

” Die Nahriht daß ber Papſt vorgehabt hatte, ſelbſt zum Concil zu 
fommen, hat auch Trithem. Chron. Hirsaug. II, 384 (Afchbadh IH, 127 An: 
merkung 58). 

5 Die Notiz über bie Reife und bie Aufnahme, welche bie Decrete ber 
legten Seffion beim Kaifer gefunden, hat blos das Meferat in Cod. bav. 1585. 
In andern Puncten ift wieder Wilhelms Bericht, dem ich faft ganz folge, aus: 
führlicher. Mit ihm ftimmt das lateiniſche Schriftftiüd dem Sinn nad völlig 
überein, nur baß die Faſſung fürzer if. 





572 


hoben wurde. Denn e8 ging in diefer Sigung noch „etwas fchärfer‘ 
zu, als in der früheren Verfammmlung . Als man nämlich gerak 
im Begriff jtand, die Friftverlängerung zu verfündigen, erjchiene 
plöglic) zwei päpftliche Legaten, die einige Tage früher angefommm 
waren, in der Verfammlung, um Eugen mit mehr Eifer ale &e 
Ihie zu vertheidigen, was den Präfidenten zu einer flammende 
Rede gegen die windelziigige päpftliche Diplomatie veranlaßte. Hat 
Wilhelm fchon gefürchtet, das ungeſchickte Auftreten der Legate 
möchte den bereits gefaßten Beichluß des Concils wieder umftoßen, jo 
gefchah dies zwar nicht. Aber es trug doch dazu bei ihn volles 
zu überzeugen, daß er das Aeußerfte, was nur immer möglich wär, 
erreicht habe, und daß ein neuer Auffchub von den Vätern um fr 
nen Preis mehr zu erlangen fein würde. Er Hatte fi) wohl ge 
rühmt, wenn der Kaifer nicht bald komme, fo wolle er ihm entgegen 
reiten nad) Trient oder wo er ihn fonft ergreifen möge und ihn am 
Bart zum Concil ziehen ?; jegt mochte er fehen, daß er Wort hidt. 
„Darum, allergnäbigjter Ban! fo wolle ſich E. k. ©. durch fen 
Ding in der Welt lafjen jäumen noch irren, Ihr eilet, daß Ihr 
vor der Zeit bier feid. Da ift anders feine Gnade mehr an de 
Leuten, fie gehen ihren Sachen nad, und Hilft feine Bitte, noch ken 
Auffchlag nimmer mehr“. 

Und fpäter ſchrieb er ähnlich: „Lat euch nichtz ſaumen ir kompt 
in der czept her, wann da ift fein pet mer zu tum umb einen züg 
(Verzug) in aller welt“ *. 

„Sollte fich aber fügen“, fo warnt er in einem dritten Briefe, 
„daß E. k. ©. vor der Zeit nicht käme, da Gott vor fei, fo möch 
ten fih hier wohl Sachen ereignen, die gar hart wieder gut zu 
machen wären“ 5. . 

Für diesmal bat ber Deriog nicht vergebens. Der Kaifer 
murrte zwar, Wilhelm und Offenburg hätten ihre Vollmacht über 
ſchritten, indem fie in feinem Namen um einen beftimmten Termin 
gebeten und gelobt hätten, um keinen neuen Aufichub mehr bitten zu 
wollen: doch beeilte er ſich, die Frift, welche er nicht als binden- 


* „Afo ift die ſeſſion volgangen nad) ber notel fag, bie ich ewern ge: 
naben vorgefant hab und dennocht ettwas ſchärpfer“. Wilhelm an ben Kaifer 
am 11. September. 1433, T. V, fol. 816. 

Cod. bav. 1585. 

T. V, fol. 3166. 

T. V, fol. 326, s. d. 

A. a. O. fol. 322, ebenfall3 ohne Datum. 

s Sinmmd an Wilhelm, Mantua 26. September, fol. 96. In der Rad: 
ſchrift fol. 97 heißt ed: „bag uns in feinen weg ingedend ift, daß wir Offen: 
burg fo verre bevolhen haben, dann fo vil das er die veter bitte, bag ſy un- 
fer zufunfit erbeiten, fo hoffen wir alle ding werben gut, und das er uns um: 
ber ougen embute, ob fy das tun wollten, ober nicht, das wir und dormadı 
wiſſen zu richten. Wir Baben ouch im nye bevolben einichen terminum zu 
bitten, dann unfrer zu harten, und und wundert, wie ſolich vergeflenbeit bar: 
geet, die ung vaft bequem iſt“. 


a» a 8 


573 


ben Termin anerfennen wollte, nicht verftreichen zu laffen. Am 11. 
Sctober waren die legten 30 Tage verfloffen; an demfelben Tage 
fam der Kaifer, fo lange erwartet und doch unerwartet, in Baſel 
an?. Che wir aber von feinem Einzug und von der ehrenvollen 
Art, wie er feinen Statthalter begrüßte, erzählen, haben wir noch 
der Thätigfeit Wilhelms in anderen Angelegenheiten zu gedenken. 


J. Kapitel. 


Die Theilnahme Wilhelms an den Verhandlungen mit 
den Böhmen. Seine übrige Thätigfeit. 


Neben den Beziehungen des Concils zu dem Papft erregen die 
Verhandlungen mit den Böhmen das größte Intereſſe?, und aud) 
an ihnen nahm der Statthalter Sigmunds einen hervorragenden Antheil. 

Während eines großen Theils des Jahres I432 wurde durch 
bejondere Boten des Concils fowie durch den Markgrafen Friedrich 
von Brandenburg und den Herzog Johann von Neumarkt mit den 
guiftien über die Beſchickung der Kirchenverſammlung unterhandelt. 

on Wichtigkeit war dabei, namentlich in Erinnerung an die Erfah: 
rungen der Ketzer aus ber Zeit des Conftanzer Concils, die Frage 
nach einem fichern Geleit. Wilhelm that Alles, die Böhmen in die 
fer Sache zufrieden zu ftellen. Er forgte für die rechtzeitige Aus» 
fertigung der vom Concil und ihm felbjt auszuftellenden Briefe; er 
trieb die Fürften und Städte, durch deren Gebiet der Weg von Eger 
nad) Baſel führte, im Namen des Königs und der Verfammlung 
an, für die Sicherheit der böhmischen Gefandten Alles aufzubieten. 
Und nicht allein auf die Unverletlichkeit von Leib und Gut derfelben 
fam es an, fondern bei der feindfeligen Gefinnung, die hie und da 


ı Aſchbach IV, ©. 130 behauptet, das Goncilium babe, weil es ben 
Kaifer noch nicht erwartet, auf abermaliged Betreiben des derog Wilhelm 
von Bayern noch an demſelben Tage, wenige Stunden vor ber Ankunft bes 
Raifers, den Termin für ben Papft auf acht Tage verlängert. Das il uns 
richtig. Vielmehr war es ber Kaifer felbft, der ein paar Stunden nad feiner 
Ankunft in der Verfammlung burchfeßte, daß dem Papit noch eine Frift von 
8 Tagen bewilligt wurbe; bie Väter erflärten babei ausbrüdli: propter ip- 
sius (imperatoris) jucundum adventum. So bei Martene VIII, p. 668, worauf 
fih auch Aſchbach unbegreiflicher Weife beruft. Es war übrigens auch nicht bie 
legte Friftbewilligung. Am 14, October wurbe ber Termin wieder um 8 Tage, 
dann noch einmal um ebenfo viel, barauf um 4 Tage verlängert, bis man 
enblih am 7. November dem Papft eine nochmalige Friſt von brei ganzen 
Monaten ſetzte. 

2 Vergl. hierüber Palady, Böhmiſche Gefchichte, IH, 3, S. 1 ff. 


574 


im Volk gegen bie Reber herrichte, mußte man, um bie Böhme 
friedlichen Unterhandlungen geneigt zu erhalten, auch bedacht fein, fu 
vor Schimpf und Spott zu fchügen. ‘Daher verfprach der Prote: 
tor nicht allein im Voraus dafür forgen zu wollen, daß fie im der 
Stadt Bafel „ſchön“ gehalten und nicht beleidigt würden , fonbern 
ichärfte auch den Geleitsherren ein, die Gefandten unterwegs vor 
jeder fchimpflichen Rede zu bewahren !. 

Im September 1432 madten fi) zuerft auf Anordnung de 
böhmischen Landtags zwei Vorläufer oder „Vorreiter“, wie umfere 
Quellen fie nennen, nad) Bafel auf den Weg, um fich zu überzen 
gen, ob es für ihre Glaubensgenofjen rathſam fei, eine größere Ge 
fandtfchaft zum Concil abzuordnen. Diefe Vorläufer famen am. 
October in Bafel an?. Der ehrenvolfe Empfang, der ihnen bere- 
tet wurde, und die verſöhnliche Gefinnung, die fie bei den verjam- 
melten Vätern fanden, Tießen alle Bedenken, die man in Böhmen 
noch gegen die Beſchickung des Concils gehabt hatte, fallen. Da 
die beiden Vorläufer zugleich den Auftrag hatten, über ben Stand 
der Quartiere in Bafel Erfundigungen einzuziehen °, fo verfchaffte 
ihnen der Protector im Voraus Herberge auf 200 Pferde *. 

In Bafel knüpfte man an die Ankunft der Huffiten nicht allein 
für die herzuftellende Einheit der Kirche, fondern auch für Die wachfende 
Macht des Concils die kühnften Hoffnungen. Herzog Wilhelm ine 
befondere bewies, wie fehr ihm das Wohl der Chriftenheit und des 
Gedeihen der Kirchenverfammlung am Herzen lag, indem er gegen 
die verfammelten Väter den Wunſch ausſprach, „es möchten nicht 
blos die geiftlichen, fondern auch die weltlichen Herren aus all 
Ländern, vornehmlich aus Deutfchland, in reichfter Zahl nach Bafel 
berufen werden, damit fie alle mit eigenen Augen fähen und mit 
eigenen Ohren hörten, welch” große Mühe das Concil auf bie Be 
fehrung der Huffiten verwende; denn werde alles dies vergebens fein, 
was Gott verhüten wolle, fo würden die Völker um defto mehr zum 
nachdrücklichen Kampfe gegen die verftoctten Keger angetrieben umd 
angeeifert werden; und das Concil belobte diefe Sorgfalt des Bro- 
tectors und begann hierüber glei) am 13. October an alle welt 
lihen Fürften und Herren zu fehreiben“ °. 


2 MWilhelmd Correfpondenz über das Geleit ber Böhmen findet fidh zu 
Anfang des 5. Bandes ber Fürftenfachen. — Daß das Geleit fireng gehalten 
wurde, zeigt ein Vorfall, den PBalady erzählt, a. a. O. S. 58. Am ber Stakt 
Biberach wurde nämlich Jemand gefangen gerommen, in ben Kerfer geworfen 
und follte als Störer des üffentlichen Friedens gerichtet werben, weil er auf 
bie durchziehenden Böhmen als „verbammte Keber” zu fchelten begann. 

Palady III, 3, 58 bat ihre Namen. Herzog Wilhelm bezeichnet fee 
in einem Briefe an ben Herzog Abolf von Eleve (im K. Haus-Archiv, =. d.) 
als den Stabtjchreiber von Prag und einen bed Raths aus der Stadt „Gay“ 
(sic!). 

s Palacky a. a. O. ©. 59. 

Wilhelm in dem angeführten Briefe an den Herzog von Cleve. 

* Balady a. a.O. ©. 64. In dem Briefe Wilhelmd an ben Herzeg 





576 


der Winter 1432 auf 33. Wilhelm blieb Tieber noch ein halkd 
Jahr unvermählt, als daß er feine Pflicht verfäumt hätte. 

Gegen Ende des Jahres 1432 näherte ſich endlich -eine flat 
liche Sefandtfchaft der Böhmen dem Sige des Concils. Der Pre 
tector zog ihr bis Stodach entgegen, wo er fie am 30. Decemba 
im Namen bes Königs empfing, um fie in eigener Perfon bis ®% 
fel zu geleiten '. | 

War Wilhelm als Statthalter des Königs ohnehin fchon ke 
rufen, an den Verhandlungen des Concils mit den Huffitifchen W 
geordneten thätigen Antheil zu nehmen, fo empfing er nebjt einem 
föniglihen Gefandten, dem Biſchof von Chur, in jenen Tagen ve 
Sigmund noch eine befondere Vollmacht, ihn in den böhmiſche 
Sagen zu vertreten. Wie hoch der Herzog und die Seinen bieja 
Auftrag anfchlugen, geht aus dem Glückwunſch hervor, den ihm ſen 
Bruder Ernft deshalb fandte. Und Wilhelm widmete ſich auch fe 
nem Amt mit dem größten Eifer; ihm, dem frommen Sohn da 
Kirche, war e8 eine Herzensfache, die abtrünnigen Ketzer zur Mutter 
zurüdzuführen. Daß aber fein fefter Glaube an die Untrügfichkit 
der Tatholifchen Lehre in irgend einem Punkt durch die Huffiten er 
Ichüttert worben wäre, davon findet ſich feine Spur. Er ftand and 
hierin völlig auf dem Standpunkt der verfammelten Väter. 

AS die öffentlichen Disputationen nicht zum Ziel führen wol 
ten, glaubte Wilhelm durch vertrauliche Beſprechung und „heimlich 
funtfchaft“ die Böhmen zur „rihtnuß” bringen zu können. Des 
Concil wollte eine Zeitlang von einer ſolchen Privatunterhandlung 
nichts wiffen und ließ den über alle Maßen langen Neben der Ge 
lehrten freien Lauf, bis man endlich, von der Fruchtloſigkeit der de 
clamatorijchen Wettlämpfe überzeugt, auf den Vorſchlag bes Herzogs 


iv. Eliſabeth, verwittwete Herzogin von Bayern=Ingolftadt, Adolf Schme 
fter, bie feit dem Tode Stephans von Ingolſtadt in Köln lebte und bie Un: 
terhänblerin zwifchen Better und Nichte gemacht hatte, ſchlug bem Herz 
Wilhelm einmal vor, fi heimlih vom Eoncil zu entfernen, um bie Heirat 
nach dem Wunfch bes Schwiegervaterd in Köln zu vollziehen. 

2 MWilhelm an ben König, 21. December 1432, T.V, fol. 270. 

2 Wilhelm an ben Bruber Ernſt, T. V, fol. 857; s. d., aber bem In: 
halt nad ber 2.März 1433. „Dann von ber Beheim wegen fol ewer fie 
wiffen, das fy bie vier artiff nu furgeben haben unb das in das heilig concili 
mit ber rechten warhait fo lauter und verſtandlich borauf geantwort bat, be: 
ran fy ber warhait biliich folden empfinden. Aber fy haben in als Gem 
furgenomen und angefangen auf bie antwort wider ze repliciren mit ſolichen 
afädınifhen (?) antworten bad gar nichts if. Nu batten wir ung lengſt gern 
mit unbertaibingen in bie fach gelegt, bez und aber das heilig concili noch 
bisher nicht geftatten, funder es wolt, bad man in bie antwurt auf ir artill 
vor geben ließ. Aber als fi die fach nu biöher gemacht hat, fo haben wir 
und nu in ber zeit mit Tabungen und vil ander gehaim kuntſchaft zu in ge 
macht, und hoffen und nu in die fach mit taidingen ze legen und ze verfuchen, 
ob wir ichts gut3 barin gefchaffen mochten. Aber ewer lieb fol gelauben als 
wir een, das bie layen aus Peheim ye bad auf richtnuß geneigt fein, bann 
r pfaffen“. 


577 


von beiden Seiten 15 Münner ernannte, die aus den Sachen in der 
Güte reden und verfuchen follten, ob man den Sachen mit Taidin- 
gen näher kommen möchte denn mit bem Disputiren, alfo, daß man 
drei Zage in der Woche gütlich davon reden und drei Tage dispu⸗ 
tiren follte. Dabei erhielt der Protector, als ein Mann, zu dem 
beide Theile Vertrauen hatten, von dem Concil infonderheit den Auf- 
trag, die Vermittelung zu übernehmen und ſich dabei ſowohl der 
eigenen Räthe als anderer nach Belieben zu bedienen !. 

Obwohl der Herzog ohnehin fehon mit des Concils und des 
Könige Sachen überladen war, fo unterzog er fich doch der Ver- 
mittelung mit größtem Eifer. Indeß gelang es nicht, in den Aus⸗ 
Shußfigungen der 30 Männer die fich fchroff gegemüberftehenden 
Meinungen einander näher zu bringen. Da fchlug Wilhelm, in ber. 
Meinung, die Zahl der Unterhandelnden fei zu groß, um fich einigen 
zu können, vor, daß man einen engeren Ausfhuß ernennen möge, 
der leichter einen Vergleich herbeiführen würde. Er bradite es da⸗ 
hin, dag am 19. März vier Männer von jeder-Seite zu vertrau- 
lihen Beſprechungen beftimmt wurden ?. 

Im Bewußtfein des Vertrauens, das der Protector von beiden 
Ceiten genoß, hatte er hoffnungsvoll das Amt des Vermittler über- 
nommen. Bald Hatte er aber zu Klagen, daß die Böhmen „je län- 
ger je härter“ würden. Doc gab er feine Bemühungen nicht früher 
auf, bis jede Ausficht, die Sache zum Guten zu bringen, verſchwun⸗ 
den war. Man überzeugte fich endlich allgemein, daß alles weitere 
Reden und Rathen nutzlos fein würde, weil die Böhmen, jelbjt wenn 
fie den Willen gehabt hätten, doch nicht die Vollmacht befaßen, auf 
die Vorfchläge des Concils einzugehen. Es wurde verabredet, daß 
eine Gefandtfchaft der verſammelten Väter die zurüchtehrenden Böhmen 
begleiten und in ihrer Heimath die begonnenen Unterhandlungen zum 
Abſchluß bringen follte. 

Die Böhmen hatten oft nad) der Anmefenheit des Königs in 
Baſel verlangt und diefelbe Anfangs fogar als eine der Bedingun⸗ 


2 Wilhelm an ben Bruder Ernft, Erichtag vor Oculi 1433, T.V, f. 368. 
„Dann von ber Behaim wegen fol ewer lieb willen, das wir als von uns 
ſelbs fovil in bie fach gerebt haben mit bem concili und in, alfo dag yetwe⸗ 
ber partcy 15 zu den fachen geben bat, bie aus den fachen in der qutlichait 
reden, zu verfuchen, ob man ben fachen mit taidingen nehern komen mocht 
dann mit bem bifputiren. Des ift und alfo von baiden tailen verfolgt wor⸗ 
ben, alfo das man drei tag in ber wochen gutlich bavon reden und 3 tag bi: 
fputiren fol. Aber in dem fo ift und von dem concili infunberheit bevolben, 
mitfambt unfern räten und ben die wir bann zu und nemen werden, ein mit⸗ 
Ver und unbertaidinger ze fein. Und nach bem und nu baid tail als wir ge- 
Tauben ein getrauen zu ung haben, fo hoffen wir und ye mit ber bilff gotes 
in die fachen zelegen und mit allem unferm vleiß zuverfuchen, ob wir bie ſach 
u gutem bringen mügen, daß wir auch treulich tun wellen, wie wol wir bo 
Ft gar grofle mue und arbait mit andern des concili und unferd herren 
bes kunigs treflich fachen vil bie zefhaffen und wenig rue haben“. 

2 Vergl. Palady ©. 93. In unfern Briefen finde ich über den Aus⸗ 
ſchuß ber 8 Männer nicht, 


578 


gen hingeftellt, unter denen fie in größerer Anzahl beim Comic 
cheinen würden. Als fie jest am 13. April 1433 in Die Baiem 
fung des Concils geführt wurden, machte der Protector zen cs 
fo eben eingetroffenen Schreiben Sigmunde Mittheilung, wonsch " 
fer in kurzer Zeit perfönlich nad) Baſel fommen werde. Der 
Julian bat die Gefandten darauf hin ihre Abreije aufzmidychen, w 
nigftens noch acht Tage lang, binnen weldyer Zeit jedenfalls m 
fihere Nachricht Über die zu erwartende Anknuft des Kailert @ 
treffen werde. Die Böhmen beriethen fih und erklärten, ik # 
reife nicht länger aufichieben zu dürfen; „auch könne man jid = 
die Verfprehungen und Abfichten des Kaifere in diefer Angelegenki 
nicht verlafjen, da er, wenn er einen Entſchluß gefaßt, gewohet E 
den Plan auch noch unterwegs zu ändern“!. Es war unmjonit, ii 
der Statthalter ſelbſt fie erfuchte, nur no drei Zage zu bleibe 
Die Böhmen beftanden auf ihrem Entſchluß und fchieden Te 
Kaiſer aber ließ nod) Monate vergehen, bi8 er nur die Rudi 
nad) Deutfchland antrat. Daß ihn Herzog Wilhelm von der ® 
reife der Böhmen, welche diefe fo treffend motivirt hatten, nicht ya 
berichtete, begreift fi) wohl; auffallend aber bleibt, daß der Keie 
erft im September 1433 zu Mantua auf anderem Wege Kunde ie 
von erhielt?. Oder war vielleicht über der Kaiſerkrone und da 
Verhandlungen mit dem Papft fogar das Intereſſe, welches & 
mund an den böhmifchen Angelegenheiten nahm, fo gering gewer 
den, daß man es nicht einmal der Mühe werth hielt, ihn von be 
Stand der Dinge rechtzeitig in Kenntniß zu fegen ? | 


Aus dem was über die Bemühungen des Protector um 
öffentliche Sicherheit und die äußern Verhältniffe des Concils, fer 
über feine Zheilnahme an den Verhandlungen der Berfammiung mi 
dem Papſt, dem Kaifer und den Böhmen gejagt ift, wird fchen zu 
Genüge erhellen, daß Wilhelm in Bafel eine vielfeitige Wirkfamtet 
entfaltet. Aber feine Thätigkeit erftredte fi) noch weiter. Kam 
wurde irgend eine Angelegenheit an das Concil gebracht, ohne di 
man den Beiltand des Protectors in Anfprud) genommen hätte. 94 


r Palady a. a. D. ©. 104. 

* Sn einen Brief vom Samftag vor Michaelis (26. September 1433) 
an H. Wilhelm vermuthet er bie Boten ber Böhmen noch zu Bafel. Er 
zählt, daß die von Pilfen ibm ihre Notb geflagt, und will, daß man ben Be 
ten von Baſel vorftelle, wie unziemlich es fei, während gütlicher Unterhaub 
lungen von ben Wafjen Gebrauh zu machen. Wenn die Sache mit guten 
nicht anders geftellt werde, fo müffe mit dem Schwert zur Yußrottung ba 
Ketzer gethan werben „darczu wir allen fleiße tun wolten“. 

Erft nachdem diefer Brief gejchrieben war, muß Sigmund‘ von ber fd 
vor mehreren Monaten erfolgten Abreife ber böhmischen Gefandten gebört he 
ben; benn in ber Nachſchrift zu dem Briefe vom 26. September heißt & 
„Wir vernemen ouch, wie der Vehem boten von Baſel weg fein, und wur 
bert und, das und dein lib dovon nit fchreibet, begerend, bu wolleft und bei 
under ougen (ſogleich) wiſſen laflen”. T. V, fol. 97, 


579 


denfe dabei u. a. an die Streitigkeiten, in denen geiftliche Perfonen 
oder Eorporationen die Entfcheidung des Concils anriefen, fowie an 
die vielfachen Anliegen, welche Laien, Fürſten wie Privatperfonen, 
an die Verſammlung brachten. Bald hatte ſich der Statthalter im 
Auftrag des Königs einer Stadt gegen das Stift anzunehmen, bald 
ſuchte ein geiftlicher Fürft den Beijtand des Protector gegen bie 
Bürgerfchaft; erſteres war 3. B. bei Bamberg, letzteres bei Magde⸗ 
burg der Fall. Der Erzbifhof von Köln empfahl ihm feine und 
feines Stifts anliegende Nöthe; Stadt und Univerfität dafelbft Teg- 
ten ihm die Sache eines Kanonicus gegen Dekan und Kapitel, bie 
Jenen im Genuß feiner Präbende geftört, ans Herz. Der Pfalz⸗ 
graf Dtto von Eberbach ließ ihn bitten, ſich des nach Rom citirten 
Biſchofs Friedrid von Worms beim Concil anzunehmen; ein ander 
Mal will er den Beiftand Wilhelms für die Botjchaft gewinnen, 
die das Kapitel und die Stadt Würzburg an das Concil fenden, 
welches fie wie den Bischof vorgeladen hat, damit im Lande Fran: 
fen und dem Stift Würzburg der Friede wieder hergeftellt werde. 
Ein hefjifcher Ritter, der eine Wallfahrt nach Einfiedel über Baſel 
macht und bier Ablag vom Concil begehrt, für die St. Johannis 
Kirche zu Dannenberg, „wo das heilige Blut fehr gnädig und zei- 
chenhaftig ift“ , wird durch den Landgrafen an den Protector gewie- 
fen. Pfalzgraf Stephan von Hagenau verwendet fi) bei Wilhelm 
für den Abt zu Weiffenburg, den ein Meifter Rembolt von Straf- 
burg vor das Concil gefordert hat. Nach dem Tode des Bischofs 
von Speier endlich ſoll Wilhelm bei dem Cardinallegaten erwirken, 
daß die erledigte Propftei zu St. Bartholomei in Frankfurt dem 
minderjährigen Sohne des Herzogs Stephan, Ruprecht, zuertheilt 
werde. — Sogar die Königin Iſabelle von Frankreich verwendete 
fi) bei Wilhelm für einen ihr befreundeten Abt Johann Richardi, 
der vor dem Goncil mit einem anderen Abt Le Melle proceffirte. 
Auch der Herzog von Savoyen hatte wiederholt ein Anliegen an den 
Protector; Gejandte, die er an bie verſammelten Väter fchicte, 
wurden bei Wilhelm befonders beglaubigt '. 

Endlich ſei noch mit einem Wort auf die zahlreichen Rechts⸗ 
Sprüche hingewiefen, die der Herzog Wilhelm im Anftrag des Königs 
zu fällen hatte, obwohl diefe richterliche ZThätigfeit in feinem Zus 
fammenhange mit dem Protectorat, fondern höchftens mit der Stell 
vertretung des Königs im Allgemeinen fteht. Wenn nämlich in ir» 
gend einem Prozeß an den abwejenden König appellirt wurde, fo 
gab diefer irgend einem Fürſten den Auftrag, an feiner Stelle die 
Parteien vorzuladen und durch die zu berufenden Reichsmannen das 


1 Diefe Notizen, bie ſich Teicht noch vermehren ließen, find Briefen im 
5. Bd. ber Fürftenfachen entnommen. Andere Fälle, wo namentlich verwandte 
fürftliche Perfonen des Herzogd Fürfprache beim Concil in Anjprud nahmen, 
ergeben fich aus ber Correspondenz Wilhelms mit Abolf von Eleve im K. 
Haus⸗Archiv. 





681 


holte Verfpredhungen bes Könige knüpfte der Herzog die Hoffnung 
auf glänzendeg Lohn. Sehen wir, wie er ihn fuchte und fand. 

Wenn man die Briefe Wilhelms an den König, an Kafpar 
Schlick und an den eigenen Bruder lieft, fo fieht man überall, daß 
er nicht: ohne die Hoffnung auf reichen Lohn das Amt des Protec- 
tors übernommen hatte. Auch mitten in den wichtigiten Angelegen- 
heiten, die feine Seele ganz zu erfüllen fcheinen, denkt er gern an 
den Gewinn, den feine Xhätigfeit ihm, feinem Haufe und Lande 
bringen werde, umd oft und in bemüthiger Bitte erinnert er den 
König, feiner nicht zu vergeſſen. 

Was Wilhelm zunächſt begehrte, war weder viel noch unbilliges : 
er wollte durch des Königs Gunft gegen feine Widerfacher, die Her- 
zoge Heinrich und Ludwig Necht bekommen, nachdem er und fein 
Bruder viele Yahre Hindurch ungerechten Beleidigungen und Beein⸗ 
trächtigungen ausgefegt gewejen waren. Wilhelm war tief in den 
Streit mit Herzog Heinrich vermwidelt, als ihn Sigmund zu Feld⸗ 
firch, wohin fich Wilhelm „feiner Nothöurft wegen“ zu ihm begeben, 
bat, der großen Bürde, die er dann zu Baſel williglich getragen, ſich 
zu unterwinden. Cine Zeitlang befchäftigte den neu ernannten Pro- 
tector der Prozeß gegen Heinrich noch jo lebhaft, daß fid) darüber 
jogar feine Abreife nach Bafel verzögerte, und ſelbſt als er am Con⸗ 
cil den höchſten Angelegenheiten der Kirche und des Reiche mit 
rühnlihem Eifer fich zu widmen begann, verlor er jene Privathän- 
del feinen Augenblid aus dem Auge. 

Nichts ift überhaupt irriger als die oft gehörte Behauptung, 
der fromme Herzog, welcher fehon früher die Negierung fait ganz 
dem Bruder Ernft überlaffen, habe in Bafel vollends Feine anderen 
Intereſſen als die der Kirchenverfammlung verfolgt. Wilhelm hat 
im Gegentheil auch von Bafel aus feine thätige Theilnahme an der 
Regierung des bayerifchen Landes ununterbrochen fortgejett. In 
einem regen weitläufigen Briefwechfel mit feinem Bruder erhält er 
nicht allein von allem, was in München vorgeht, Kunde, fondern er 
weiß auch überall fein Necht der Mitregierung geltend zu maden; 
in geringen wie wichtigen Angelegenheiten ertheilt er feinem Bruder 
Rathichläge; er giebt zu den Verfügungen diefes feine Zuftimmung oder 
verfagt fie. Daß Ernft ihn irgendwie an politischen Talenten über- 
ragt hätte, kann ich nicht finden. Nocd weniger ift die Anſicht 
richtig, daß Wilhelm als der gutmüthigere auch der nachgiebigfte von den 
Brüdern gewefen fei; er war im Gegentheil fo weit entfernt, über» 
all den Nachgiebigen zu fpielen, daß er vielmehr feinen Bruder oft 
genug anjpornt, energifch durchzugreifen!. 

So ift es auch Wilhelm und nicht Ernft, der in dem Streit 
mit Heinrich von Landehut alle Mittel aufbietet, Recht und Genug. 
thuung in vollem Umfange zu erhalten. 


2 Vergl. 3.8. die Briefe fol. 140. 188. 184. 367. 408 im V. Bd. ber 
Fürftenfachen. 
Il. 38 


682 


Herzog Wilhelm Hatte zu Feldfirchen die Entfcheidung des % 
nigs gegen feinen Vetter angerufen. Da aber letzterer auf die Ber 
ladung nicht erſchien, fo übertrug Sigmund die Fortführung ki 
Prozefies dem Neihsmarfchall Haupt von Pappenheim. Der Ser 
zog von Landshut indeß fuchte dem rechtlichen Verfahren dadurt 
auszumweichen, daß er eine fchiedsrichterliche Entfcheidung durd ke 
freundete Fürften beantragte. Dem widerfeßte ſich Wilhelm mi 
allem Eifer, und forderte feinen Bruder auf, zu verhüten, daß & 
Sache vor Yemand anders als vor den König gebracht wilrde. 

Aber fchon Hatte der Protector einen neuen Plan entworſe 
wie man gegen Heinrich am wirffamften vorgehen könne. Cr hatt 
nämlich gleih nad feiner Ankunft in Baſel den vertrauten Kat 
Jacob Truchjeß den Rhein hinab zu dem Herzog von Berg und y 
„andern guten Freunden end Gönnern“ von wegen der Sache he 
zog Heinrich betreffend gefandt. ALS jener Rath im März zurid 
kam, berichtete er, wie allen Fürften, Herren, Grafen, Rittern mi 
Knechten folche „Ungleichheit“, die ihnen von Herzog Heinrich gefchek, 
gar übel gefalle, und wie die beiten Gönner und Freunde der Ir 
ficht feien, daß man den Herzog Heinrich auf feine andere Weife z 
gleicher Gerechtigkeit und nützlichem Austrag verbringen möchte, dem 
mit dem heimlichen Gericht. Der Herzog von Berg hatte fid ze 
gleich erboten, weder Leib noch Gut in den Sachen zu ſparen, for 
dern ihnen freundlich Beiftand zu thun '. 

Darauf hin entjchloß ſich Wilhelm, glei nah Oſtern zu dm 
Herzog von Berg zu reifen, „um den Sachen nachzugehen“. E 
bittet deshalb den Bruder, ihm Paul Arefinger und den Kanzlet 
Dswald unverzüglich zu ſchicken, da ihm diefe für feine Zwecke nüt 
ih werden würden. 

Herzog Ernjt hatte zwar gegen das Anrufen des Fehmgerichts 
nicht8 einzuwenden, wohl aber gegen die Reife des Bruders. Er 
erinnert ihn daran, wie fehr man begehrt habe, daß er zum Conti 
fomme, und wie gejagt worden fei: wenn er länger ausgebfichen 
wäre, würde die Verſammlung fich wieder aufgelöft haben. Wollte 
er jest gehen, fo möchten vielleicht durch übelmollende Menſchen am 
Concil Irrungen angerichtet werden; auch könnten, da der Papft das 
Concil noch nicht anerkannt habe, Botfchaft oder Briefe kommen, 
die des Protector Anweſenheit täglich nöthig machen möchten. Am 
wenigften dürfe er fid) von Baſel ohne Erlaubniß des Königs ent 
fernen. Er möge daher die Reife aufichieben, bis ber Papft das 
Concil beftätigt und der König die Neife erlaubt habe 2. 

Wilhelm verfiherte hierauf, daß er das Concil nicht verlaffen 
würde, ehe es in foldem Stand und Weſen fei, daß er feine Ab- 
wefenheit vor Gott, dem Concil und dem König wohl verantworten 


2 Faſt wörtlih nach dem Brief Wilhelms an ben Bruder vom 10. Mär 
1433. T. V, fol. 197. 

s Ernſt an Wilhelm, 24. März 1432. T. V, fol. 148. 

5 T.V, fol. 142, s. d. 





684 


er Schon früher in drei Fällen, wo er perfönlich erfcheinen zu well 
verficherte, ganz ausgeblieben fei; er, der Protector, möge nicht me 
einmal getäufcht werden, um jo weniger, als er von des Concils u 
des Königs Sachen wegen nicht wohl von Baſel fortgehen kom 
Würde aber Heinri wirklich nad) Heidelberg kommen, fo wolle au 
er nicht ausbleiben, es hindere ihn denn ber Tod. 

Für diesmal machte ſich in der That auf ben We 
und Qudwig bürgte dafür, dag Wilhelm ihn in Heidelberg trefi 
werde. Der Protector hatte fein Wort verpfändet und mußte glei 
falls in Perjon erfcheinen. So reifte er denn eines Mittags plö 
lich vom Concil ab, fuhr zu Schiffe His Neuburg, etwa fünf Mei 
unterhalb Baſel, ritt aber von da am andern Morgen ebenfo plö 
lich wieder nach Baſel zurüd. 

“ Die Urfache diefes auffallenden Schrittes Tegt der Herzog jell 
in Briefen an den Pfalzgrafen und an feinen Bruder auf folgen 
Weife dar!: 

Am Mittwoch den 3. September Abends fpät empfing er d 
Brief des Pfalzgrafen, der über die Anwefenheit Heinrichs in He 
defberg feinen Zweifel mehr ließ. Am Donnerftag nach dem Efi 
machte er fich auf den Weg und kam bis Neuburg. Als er ab 
am andern Morgen in der Frühe zu der Meſſe gehen wollte 
wurde ihm durch einen eilenden Boten ein Brief des Concils üb 
bracht, worin die Verfammlung den Protector aufs Dringendfi 
unter Erinnerung an feine Pflichten, aufforderte, ſofort nach Bal 
zurüczufehren, weil dem Concil jehr wichtige Dinge zugeftoßen feie 
wobei man der Gegenwart des Protector nicht entbehren könne 
Das Coneil beabfichtigte nämlich fo bald als möglich eine Gefand 
haft des Papftes zu entlaffen und eine Botfchaft an ben König | 
richten, wobei der Statthalter nicht fehlen durfte. 

Nach Empfang diefes Briefes berieth fih Wilhelm mit dem 
ſchof von Regensburg und den andern Räthen, die er mitgenommi 
hatte. Die allgemeine Anficht war, daß die Sache des Concils u 
der Chrijtenheit wichtiger fei al8 der unverbundene Heidelberger Ta 
Wilhelm ritt alfo eilends nad) Bafel zurüd, wo des Morgens (a 
andern Tag, den 6. Septb.) eine gemeine Seffion (die fechfte) ftat 
fand. „Und war auch der Termin auf demjelben Tag aus, daraı 
man den Papft und die Cardinäle von Rom ber citirt hat. AI] 
kamen aud des Papftes Boten, zwei Erzbifhöfe, noch ein Bifch 
und ein Doctor, und wollten von des Papftes wegen viel vorbrit 
gen und fonjt wunderliche Jrrung machen, das doch nicht geſchehe 


1 Beide Briefe T. V, fol. 177 u. 178. 
* In dem Concept ftand urfprünglich flatt der Mefle: „an bag ſcheff! 
5 Der Brief des Concils vom 4. September fteht im Original fol. 26 
ar ſchickte Pi au feiner ee an den Pfalzgrafen, mit b 
itte, ihn zurüdzufenden. ies gefhah, ohne daß fi der Pfalzgraf ei 
Bemerkung über ben Bricf erlaubte, 5 pfolzgraf ei 





586 


welchen das Salz durchs Land befördert wurde, ließ er nicht de I 
gehen, wo es geſetzliches Dee war und die Theilbriefe vor- 
ſchrieben. Er erhob neue Seleitsgelder zu Ingolſtadt und anderswo, 
und hinderte das Geleit dur die Münchener Lande. Die Gemah— 
Lin des Herzogs Ernft hatte zu Feldkirchen eine ewige Meſſe geftiftet; 
als aber der Kaplan mit Tode abging, riffen Ludwigs Amtleute die 
Güter der Stiftung alle an fid. 

Waren diefe und ähnliche Webergriffe zunächſt! auf die Krän⸗ 
fung der Herzoge von Minchen berechnet, fo wurden die geiftlichen 
Herren, die benachbarten Biſchöfe und eine Anzahl Aebte, auf an 
dere Weife beeinträchtigt. So ließ er in die Klöfter feine Yäger 
und Falkner mit Pferden und Hunden? fich einlagern, verkürzte ihre 
Einkünfte und verlegte ihre Gerichtsprivilegien. 


ı 68 finden fih mehrere Klagezettel gegen Lubwig in unfern Acten, und 
ſolche find auch gebrudt bei Krenner, Baierifche Landtagshandlungen Bb. I, 86.87. 
89 ff. — Wir haben nur einige daraus angeführt, was fidh zum größer 
Theil noch durch andere Quellen zur Genüge belegen läßt. Es mögen bie 
noch einige grauenhafte Aeußerungen über bad Raubweſen, daß Herzog Lub- 
wig beförberte, eine Stelle finden: „Es fint ouch mer lewt in unferm und 
ewerm lannde von herczog Ludwigs lewten aufgebalben unb berawbt worden | 
und fy hallten taͤglichs allenthalben darinn und ſy laſſent nyemant hin und 
ber reiten ungeirrt“, ſchrieb Ernſt an Wilhelm 27. April 1432, T. V, fol 
150. — Herzog Wilhelm an Ernft 9. Mai, fol. 152: „Man bat uns auf 

efagt, wie ettlihen Taufleuten von Augfpurg, Memmingen und andern reid: 
eten genomen fei worben auf dem Lechfeld bei XVII (1700) G. Darinn 
man unſers vettern gefellen vaft verdenfen, und das joll den reichfieten nit ge: 
vallen. So tut unfer vetter ber flat Augfpurg, aud dem bifhov vil beſwärd, 
das fy in bie leng auch nit gern leiden”. — Im folgenden Jahr war bie 
Sache nicht befier. Bon einem Lanbfrieden, ben Herzog Ernſt auf bes Bnı: 
ders Anregung mit ben Nachbarn, namentlid den Reichftäbten, betrieb, wollte 
Ludwig nichts willen. „Lieber bruder”, ſchrieb Wilhelm an Ernft am 2. Mär 
1433 (fol. 356), „ir und al bie unfern wift wol, das auß unſers vettern 
h. 2. lannd Faufleuten, pilgreim und andern albey ye unb ye mer rauberei 
und beſchedigung fommen etc. — Nod am 8, April 1433 (fol. 482) klagte 
Ernft dem Bruder: „So haben auch all (nämlich Räuber) bei im von und 
zu reyten, und alle feine geſchloſſ find in offen“. ” 

s Ein faft zeitgenöffifcher Chronift fpricht von dieſem Unmwefen als von 
einer franzöfifchen Sitte Ebran von Wildenberg, bei Defele I, ©. 311: 
„Der Fürft überlegt bie Chlofter und all geiftlich guetter in feinem land aar 
ſchwärlich mit jagern und valdnern nad benen Franzöſiſchen fitten“. 
Jägergeld wurde auch von Herzog Ernft erhoben, was feinem Bruder, der es 
ſchon längere Zeit abgefchafft hatte, viel Befümmerniß erregte. Er forberte 
ben Herzog Ernft deßhalb wiederholt auf, jenes Gelb gleichfalls nicht mehr 
einzutreiben, ba ed ihm Schande bringen werbe, wenn er an dbemfelben Un: 
recht fefthalte, worüber man Ludwig verflage. „Ir ſullt wiflen in guter ge: 
haim“, ſchrieb Wilhelm feinem Bruber am 19. December 1432 „ba3 bie gocz⸗ 
häuſer und etliche pfaffhait ye gar ſwerlichen an herczog Ludwigen wellent bie 
vor dem heiligen concili, und wir haben in warhait erfaren durch die gelerten, 
das man ſy bei iren aiden fragen wirdet ae ſagen was in beſwerniß oder un: 
geleichait von wen bad wär beſchechen. Lieber bruder, ni verſten wir wol, 
ſollt für das heilig concili gelangen, das wir in mit dem jäger gellt, das ſy 
järlih geben imueffen, befwarung täten und bad von in nemen, das ewr lieb 


687 


Der Clerus machte von den geiftlichen Waffen Gebrauch und 
ſprach über Ludwig den Rirchenbann aus!. Da fich aber der troßige 
Fürſt hierum wenig kümmerte, verklagten ihn die geiftlichen Herren 
vor dem Baſeler Eoncil, das nun feinerfeit die Excommunication 
über ihn verhängte ?. 

Auch die rein weltlichen Streitigkeiten der benachbarten Fürften, 
des Markgrafen Triedrich, des Herzogs Heinrich von Landshut, bes 
Herzogs Johann von Neumarkt, der Grafen von Dettingen, mehre⸗ 
rer Reichsftädte und vieler Edelleute mit bem friedenftörenden Lud⸗ 
wig z0g das Bafeler Concil vor fein Forum. Der Erzbifhof von 
Lyon, der Bifchof Peter von Augsburg und der Auguftiner-Eremiten- 
Provinzial Georg wurden vom Concil nad) Bayern gefandt, um 
die Sache zu unterfuchen und den Frieden herzuftellen?. Doch blieb 


und uns bad vor dem heiligen concili folichen unglimpfen machen würb, das 
wir ge nicht gern orten oder ſehen, und barumb, lieber bruber, jo mügen 
wir ewr lieb in ganczem tremen wol geraten, das ir folich jäger gelt von 
ſtünden genczlih abſchaffen unb auch das binfur nymer nemen weilt. Darczu 
fo bat ewer Tieb und auch wir vor einer ganczen lantfchafft befmals ala fy 
die ſtewer zu ewr bochter beiratgut geben babent, ben prelaten verhaiffen das 
abzefchaffen und nymer einnemen, als wir auch unſers taild das ber gehalten 
und nicht genomen haben”. (Krenner, Baierifche Landtagshandlungen Bd. 
I, ©. 64, tbeilt dieſes Schriftftüd aus berfelben Duelle mit, macht aber ben 
Freitag vor Thomä zum 7. März, was offenbar unridtig if). Da aber Her- 
309 Ernit ſich Über die Sache nicht aldbalb äußerte, fo wiederholte ber Bruder 
am 2. März 1433, foL 357, feine Vorſtellungen. „Und wir getrawen e 1. 
wol, ir habt uns folches fchreiben nicht verubel, wann wir das in rechten bru= 
berlicher Tieb und trewen auch durch ber gerechtilait willen tin. Und wir be= 
gern herauf ewer verfchriben antwort, ob ez zu folihem käme, dad wir end) 
dann barinn wiffen ze antworten”. Inzwiſchen traf ein Brief bed Herzogs Ernft 
vom 10. Februar ein, worin biefer ganz dem Wunfche ded Bruders entſprach. 
Er hatte fofort nad) dem Empfang der brüberliden Mahnung mit aller Strenge 
eboten, baß der Unfug aufböre; follten aber die Jäger und Falkner bawiber 
Banbein, fo follen fie aufs Härtefte geftraft werben. 

» Lang, Ludwig ber Bärtige, erwähnt biefer Ercommunication burd ben 
bayerifhen Clerus nicht; wohl aber ber Chronift Vitus Arnped, der gegen 
Ende bes 15. Jahrhunderts ſchrieb (Pez, Thesaurus III, 338). Daß Lubwig 
ſchon zu Anfang des Jahres 1433, als erft der Prozeß vor dem Bafeler Eon: 
cil anbängig gemacht wurde, im Bann war, ergiebt fi aus dem kaiſerlichen 
—— vom 28. April 1434, worin hervorgehoben wird, daß ber Be— 
Magte über Jahr und Tag den Kirchenbann veradhtet habe. Propter multipli- 
cem excommunicationem et anathemationem, fagt Arnped. 

2 Regesta Boica XIII, 1433, 5. September. Johannes episcopus Ga- 
dicensis et executor unicus a synodo Basiliensi specialiter deputatus notifl- 
cat excommunicationem, aggravationem et re aggravationem Ludoviei senioris 
Bavariae ducis per Julianum apostolicae sedis legatum in causa dioti ducis 
et monasteriorum in Scheyern etc. 

3 Vergl. die Bayerifchen Regeſten v. 6. Auguft, 15. Auguft, 1. Sep: 
tember, 26. September. — Lang, S. 161, und im Anſchluß an ihn Buchner 
vı, 276 und Aſchbach IV, 214 fagen, die genannten weltlihen Stände feien 
der Klage der Klöfter beigetreten. Aber mir ſcheint aus ben angeführten Re⸗ 
geften mit Sicherheit bervorzugeben, daß man bie Sache ber Klöfler von den 
rein weltlichen Streitigfeiten trennen unb beides nicht durch einander werfen 
darf. Es ift gewiß auch ein Wiberfpruch zu fagen, ber Kurfürſt von Braun: 


588 


diefer Eingriff der Väter in weltliche Angelegenheiten nicht ungerügt 
Der Kurfürft von Brandenburg felbft fol fih mit allem Naddrad 
dagegen erflärt und vor dem Kaifer darüber Beichwerde geführt haben‘, 

Wir wiſſen nicht genau, in welchem Verhältniß der Protect 
zu dem Verfahren des Concils gegen Herzog Ludwig ftand. Ta 
er indirect die Schritte der Kläger unterftügte, läßt ſich nicht k- 
zweifeln 2; aber es ift nicht zu beweifen, daß er zu ben Maßregeh 
die erfte Anregung gegeben und Andere nur vorgefhoben habe, m 
feine eigennüßigen Zwede zu erreihen. Unter den. Klägern vw 
bem Goncil wird weder er nocd fein Bruder genannt. 

Anzwifchen aber war Wilhelm thätig geweien, eine Reihe von 
Beichwerden gegen Ludwig auf dem gewöhnlichen Rechtswege geltend 
zu machen, wohl in der Erwartung, daß in legter Inſtanz der Sur 
jer unfehlbar zu feinen Gunſten entfcheiden werde. Er war in bie 
fer Sache eifriger als fein Bruder und drängte diefen wiederholt, 
das gerichtliche Verfahren einzuleiten. So mahnte er ihn fchon am 
9. Mai 1432 (fol. 152) nit zum erjten Male: „Lieber Bruder, 
als wir euch dann nächſt gefchrieben haben auf Herzog Ludwigs Güter 
zu Hagen zu Hirfchberg und anderswo in allem unfern Land, dem 
gehet alfo nah“. Da aber Herzog Ernft trogdem nicht energiſch 
genug vorfchritt, jo forderte Wilhelm einen feiner Räthe in Min 
hen auf, die Sache betreiben zu helfen. „So nimmt ung Wunder, 
fchrieb er etwa im Auguft 1432*, daß unfer Bruder fo nachläffig 


benburg habe ſich nebft Anbern ber Flaneführenden Geiftlichkeit angefchloffen, 
unb glei darauf die Competenz des Concils beftritten. Weberhaupt fcheint 
mir das Verhältniß Ludwigs bed Bärtigen zu bem Bafeler Concil noch eine 
genauere Unterfuchung zu verdienen. Lang bat fih nidt tief genug in ba3 
Detail eingelafjen, wenn er auch aus dem reihen Urfundenmaterial, bag ihm 
zugänglid war, einiges Neue beibringt; aber noch mehr zu bedauern ift, bak 
bad, was Lang bietet, fich nicht überall durchaus zuverläflig erweiſt, troß fe: 
ner in ber Vorrede gegebenen Berfiherung, daß er für feine Arbeit 10 Sabre 
aus „allen und jeden Fächern des Reichsarchivs“ gefammelt habe. Und doch 
ift Lang für die bayerifche Geſchichte in ber erften Hälfte des 15. Jahrbunderts 
feit Decennien unbedenklich als Quelle benutzt worden. — Buchner bat wohl 
einiges Neue binzugefügt, aber mit noch weniger Kritik als fein Vorgänger. 
Bd. VI, ©. 278 läßt er das Concil erfi den Kirchenbann über Ludwig aus: 
fprechen, nachdem die Abgeorbneten ber Landſchaft bie gegen ihn vorgebrachten 
Beichwerben erhärtet hatten; dann babe zugleich mit dem Kirchenbann bas 
an ben Herzog feiner Lande und Leute, Ehren und Würden verluftig 
erflärt! 

ı So Alhbad IV, 215, nad Gundling, Friedrich L ©. 404. Mir 
fehlen die Beweife für diefe Behauptungen. 

2 In einem Brief von 2. März 1433 (T. V, fol. 357) fchreibt er bem 
Bruder: „Als und dann E. L. von ber goczhaufer wegen gefchriben und un 
bie empfolben bat etc., fol E. 2. willen, und gang an allen zweifl fein, was 
wir in iren fachen geraten und gebelffen mugen, wellen wir ze tun ge willig 
fein ala wir dann das uns ber awg getan haben. 

sDerartiges behauptet Lang, S. 160. 

* T. V, fol. 162°. Dem Bruder ſchreibt W. in demſelben Sinne am 
6. Auguft, fol. 161, 


589 


ift, daß er nicht Tängft zu der Landſchranne Hirfchberg geritten tft 
und auf die in dem Landgericht gelegenen Schlöffer Ludwigs ein 
Fürbot genommen hat, auch daß er die Rechte im Oberland auf alle 
feine Güter nicht hat lafjen anheben, und wilfen nicht, warum das 
unterwegen bleibt“. 

Aber ging das Beftreben Wilhelms nicht weiter, als blos Necht 
gegen feinen feindlichen Vetter zu befommen? Hat er nicht den ges 
häffigen Plan verfolgt, den Herzog Ludwig durch einen Faiferlichen 
Sprud feiner Länder zu berauben, um fie an ſich zu reißen? Man 
hat diefe Trage, mit dem Document in der Hand, wodurd dem 
Herzog Wilhelm das Land des geächteten Ludwig zugefprodhen wird, 
unbedenklich bejaht und damit den viel gepriefenen Protector des 
Concils zu einem habgierigen, der niedrigften Selbftfucht fähigen 
Dann geftempeltt!. Mir fcheint e8 jedoch, als ob man in diefem 
Valle wohl unterfcheiden müſſe zwifchen dem, was fi) aus den Ver⸗ 
hältniffen von felbft ergab, und dem, was durch verwerfliche Intri⸗ 
guen lange vorbereitet war. Daß auf Ietterem Wege Wilhelm in 
den Beſitz des Ingolſtädtiſchen Landes zu kommen getracdhtet habe, 
läßt fich nicht behaupten; wenigftens bietet die vertrauliche Corres⸗ 
pondenz des Herzogs mit dem Kaiſer, dem Vicelanzler und dem 
eigenen Bruder keinen beftimmten Anhaltspunkt dafür. 

Aus der Korrespondenz mit dem Raifer können, fo weit id) 
jehe, zwei Stellen vor allen in Betracht Fommen. Am 18. Sept. 
1432 (fol. 261) fchreibt Wilhelm an Sigmund: „Ich bitte E.k. G., 
Ihr wollet mich Euern Gnaden laffen empfohlen fein und anjehn, daß 
ich je ganze he, und gutes Vertrauen auf Euer f. Gnade habe, 
und laßt Euch meine Sache, die ich Euern F. Gnaden durdy Georg 
Hueter und darnach dburd einen reitenden Boten zugejchrieben habe, 
gnädiglich angelegen und empfohlen fein, und fehet darin an, daß 
mein Vermögen zn diefen Zeiten nicht gar groß iſt“. Der Herzog 
fährt fort: „Dazu habe ich dann noch etliche Freunde, die mir folche 
Ehren nicht wohl gönnen, und follte ih an meinem Erbe dar» 
unter etwas verfümmert werden, fo ach teten fie das nicht. Jedoch, 
fo will ich weder Leib noch Gut darin fparen, ih will, fo ©ott - 
will, Euern f. Gnaden die Sadje zu Ehren und Wohlgefallen aus- 
richten“. Das deutet doch darauf hin, daß es ſich um nichts ande⸗ 
res al8 um eine Schadloshaltung des Herzogs handelte, fei es nun, 
daß er den König um eine Geldunterftügung angejprochen ? oder nur 
von Neuem um den Beiftand des Königs gegen bie oft berührten 
en ne gungen von Seiten der Herzoge Ludwig und Heinrid) ges 
beten hat. 


r Nah Lang fpreden aud Mannert I, 468 und Aſchbach U, S. 224 
von ber Gebäffigkeit und Habfucht bed Herzog Wilhelms, ben fie fonft doch 
fo außerorbentlih loben, Mannert S. 468 und Aſchbach namentlih S. 333, 

2 Schon in der Werbung an ben röm. König (fol. 206) aus dem Früh: 
jahr 1432 heißt es nad den Klagen über Raub und Friedensſtörungen kurz: 
„stem von ber zerung wegen“. 


590 


Berbächtiger könnte ein Brief Wilhelms vom 18. Yunt 1433 
(fol. 300) erfcheinen, worin er dem König fchrieb, ır möge nit 
folhe Sorge um ein rebliches Ausfommen in ‘Deutfchland haben, 
fondern nur der Gerechtigkeit nachgehen und „auswarten“ und um 
redliche Dinge dem Recht nad) ftrafen und die nicht mit ſchnödem Geh 
abfaufen laffen; dann werde er, wie viele von des Königs guten 
Gönnern meinen, reichliche „Nußung zu gutem Auskommen“ baba 
und mit großen Ehren als ein römifcher Kaifer, ein gerechter Förde 
rer und Erhalter der Gerechtigkeit leben. Dazu wolle er, der Pre 
tector, dem Kaiſer all fein Vermögen weiben, und darin getreulid 
mit ihm arbeiten. Er empfiehlt fi) noch einmal dem König, feiner 
grädig zu gedenfen, da er in beutjchen Landen viele Mißgönner habe, 
und beſonders unter feinen Freunden!. 

Es ift nicht unmahrfcheinlich, daß der Herzog, wenn er be 
Kaifer zu einer ftrengen Gerechtigkeitspflege aufforderte und ihn er 
mahnte, fi nicht mit fchnödem Geld abfinden zu laffen, vor allem 
an die Beftrafung des bärtigen Ludwig dachte, der um dieſe Zeit 
Schon vor dem Goncil verklagt war und den Unwillen ber verfam 
melten Väter nicht wenig erregt hatte. Aber die Sache ftand nod 
feineswegs fo, daß der Protector fich hätte alle auf das Land 
feines Vetters machen können; er mußte frob fein, wenn mit bes 
Könige Hülfe nur feine Beichwerden gegen ihn erledigt wurden. 
Denn Ludwig und Heinrich waren nicht müſſig, ſchonten auch dat 
Geld nicht, um den Kaifer wie den Kanzler fich günftig zur ſtimmen. 

In diefer Beziehung giebt ein Brief des Kafpar Schlick dan 
fenswerthe Auffchlüffe.e Am 4. Juni 1433 (fol. 298) ſchreibt er: 
„Dann von Meifter Heinrich von Landshut und Ludwigs von In⸗ 
golftadt wegen feid ſicher, daß nichts gefchieht, bis der Vogt (Kar 
fer) zu Euch kommt, und alfo find ihre Diener von binnen gefertigt, 
und glaubt nicht, daß mir nad) Schankung fo wehe fei, daß ich mid 
mit Wiffen in einigen Sachen verfchnellen follte, was ich doch bis 
ber nicht gethan habe“. 

Später, nah dem Glückwunſch zu der Vermählung Wilhelms 
heißt e8: „Von Eurer Sache und der Hülfe wegen bat mir feine 
Gnaden (der Kaifer) zugefagt nnd Euch kühnlich ſchreiben heißen, 
baß er Euer nicht vergefjen, fondern alfo thun wolle, daß Ihr umd 
Eure Lande ihm werdet zu danfen haben, und was bisher nicht ger 
ichehen ift, das hat gemacht unfer aller Noth, darin wir find“. 

Die Hülfe, die dem Herzog vom Kaifer werden foll, ift wahr 
fcheinlich wieder nur eine Geldunterftügung. Für einen weiteren 
Plan, fieht man, war nod) fein Raum. 

Danach werden wir auch in der Antwort Wilhelms vom 4. Yuli 


? Damit find wahrſcheinlich bie Kurfürften von der Pfalz und Branden 
burg gemeint; fie weren ſchon lange Wilhelms Verbündete gegen Ludwig ben 
Bärtigen, aber von Beiden ift leicht zu vermuthen, daß fie dem Tleinen Herzog 
die Statthalterwürbe nicht gönnten, auf welde nach feiner Stellung im Reid 
und zum König vor allen Friedrich von Brandenburg Anſprüche gehabt Hätte. 





592 ” 


daß das Concil fie in ihrem Anbringen bei dem Kaifer unterftükn 
werde. 

Das ift wohl nicht die Sprache eines Mannes, ber in ri 
ſichtsloſer Habſucht und Herrfchbegierde gefährlihe Pläne gegen fe 
Mitfürften fchmiedet. Wenn es daher fchon bald nach der Ar 
kunft des Kaifers in Baſel dahin kam (25. Nov. 1433), daß die 
dem Protector zum Lohn für feine trenen Dienfte den größten Ti 
des. Ingolftädtifchen Landes verlieh oder nach Beſtrafung und Be 
treibung des verbrecherifchen Ludwig zu verleihen mit Brief m 
Siegel verfpradh , fo find die Umftände, unter denen es geſcheh— 
näher ind Auge zu faffen. 

Da Ludwig, erffärt der Kaifer in feiner Urkunde vom 25. Nu. 
14331, der Gemwaltthaten und des Unrecht wegen, das er an dm 
Gotteshäufern fange Zeit hindurch verübt hat, durch das Heilige Con 
cil mit geiftlihem Gericht und Necht in alle Pön der Karolina, auf 
in andere fchwere trafen verurtheilt und verdammt worben ift, 
nach Laut der Prozepbriefe, worin auch der römische Kaifer und fen 
weltliches Schwert angerufen werden und dem Kaiſer geboten: ift, 
ernftlich nad) Ludwigs Landen und Leuten zu greifen ; und da ferne 
Ulrich Kagrer, Georg Frauenhofer und Andere den Herzog bei dem 
heiligen heimlichen Gericht verklagt haben und diefes dem Kaifer wer 
Jedermann Leib und Gut des PVerurtheilten preisgegeben und in% 
befondere dem Kaifer feine Lehen zugewiefen und ihm erlaubt hat, 
mit Landen und Leuten zu fahren, wie fi in der heimlichen Adt 
gebürt: fo beabfichtigt er, der Raifer, gemäß feiner Pflicht gegen 
da8 heilige Concil und die heilige Kirche, deren Vogt, und gegen das 
heimliche Gericht, deren oberfter Richter er ift, mit Hülfe Gottes, 
der heiligen Kirche und des römischen Reiche, nach dem Herzog Au: 
wig und feinen Landen und Leuten zu ftellen. Nun Habe er aber 
angefehen folche Liebe und lautere Treue, die der Herzog Wilhelm zu 
ihm hege, fowie die angenehmen willigen Dienfte, die ihm in ver 
gangenen Zeiten mannigfaltig, befonders aber an dem heiligen Con⸗ 
cil, zu deſſen Statthalter er ihn gemadt, auf feine eigenen Koften 
gethan habe; und um folder Liebe willen und zur Erftattung ber 
Untoften, die der Herzog in feinem Dienft am Concil gehabt Habe, 
bejonder8 aber um das Land bei dem Haufe und Etamm von Bayern 
zu erhalten: verfpreche und gelobe er mit Faiferlihen Worten, Lud⸗ 
wigs Land und Leute, die derfelbe ererbt oder ſonſt an fich gebracht 
babe, dem Herzog Wilhelm und feinen Erben zu verleihen, um fie 
als Lehen von Kaifer und Reich inne zu haben, wie fie Herzog 
Ludwig bisher inne gehabt habe. 

Doc behält ſich der Kaifer darin vor: alle Städte, Schlöffer, 
Land und Leute, die zu der Krone Böhmen gehören und an den 
Herzog Ludwig gefommen find; ferner nimmt er aus die Juden⸗ 
haft in Negensburg und was an Städten, Echlöffern und Pfand- 


° Bafel, St. Eatherinen-Tag 1433. Urkunde im K. Reichs-Archiv. 


693 


fchaften von der Mark Brandenburg unb des Reichs wegen an 
Ludwig gefommen ift; hiermit will der Kaifer thun können, was 
ihm gefällt. Endlich will er, fo lange er lebt, als ber rechte Herr 
und Befiter von Ludwigs Land und Leuten betrachtet werden, und 
Herzog Wilhelm und feine Erben follen nur des Kaifers Verweſer 
und Statthalter fein. Erſt wenn Sigmund mit Tode abgegangen 
fein wird, follen Wilhelm und feine Erben das Land mit allen 
Nutungen inne haben und genießen als anderes Lehengut. 

Schon aus dem Wortlaut diefer Urkunde ergiebt fi, was aud) 
ber Sadjlage ganz entjpricht, dag der Antrieb zu dem ftrengen Ver» 
fahren, das gegen Ludwig ftatthaben fol, vom Concil ausging. Die 
verfammelten Väter, über den Herzog aufgebracht, weil er ihre Autos 
rität nicht anerkennen und troß der geijtlichen Urtheilsfprüche von 
feinen Gewaltthätigfeiten nicht laſſen wollte, drangen in den Kaifer, 
ihnen mit dem weltlihen Schwert zu Hülfe zu kommen und als 
Schutzherr des Concils die verhängten Strafen zu vollziehen. Wenn 
es wirklich die Aufgabe des Concils fein follte, den Frieden in der 
Welt herzuftellen und das Leben und die Sitten zu verbeffern, fo 
lag es nahe, mit Ludwig von Ingolſtadt den Anfang zu machen. 
Hatte aber die Verſammlung einmal verfucht, den trogigjten aller 
riedensftörer zur Ruhe und Zucht zurüdzubringen, jo fam es im 
Intereſſe ihrer Autorität darauf an, daß Ludwigs Widerftand ges 
brochen und das ftrengfte.Verfahren gegen ihn bis zum Ende durd)- 
geführt wurde. Die Väter hatten alfo naturgemäß das Tebhafteite 
Intereſſe an dem Einjchreiten des Kaifers gegen den genannten 
Ludwig, und der Aufmunterung von Seiten Wilhelms bedurften fie 
nicht. Man verkennt den Ernft und die Würde, womit die DVer- 
Sammlung in allen Angelegenheiten vorging, wenn man annimmt, 
daß fie fich Habe als Werkzeug zu fremden Zweden gebrauchen Laffen. 

Damit ſoll nicht gejagt fein, daß Herzog Wilhelm ohne allen 
Einfluß auf die Vorgänge geweien iſt. Er wird wenigitens den 
Kaifer gedrängt haben, ihn für die während der Statthalterfchaft ge⸗ 
braditen Opfer zu entfchädigen; er wird aucd den Gedanken, in 
Ludwigs Beſitzſtand einzutreten, von welcher Seite er immer ausge⸗ 
gangen fein mag, feinen Augenblid zurücigewiefen haben. Das Ver- 
fahren des Concils gegen Ludwig hielt er nad) feiner Anfchauungss 
weife und nach feiner Stellung für gerecht und theilte die Anficht 
der Väter, daß der Kaifer dies Urtheil zu vollitreden Habe. Wur⸗ 
den aber die Bannflüche des Concils, die furdhtbaren Drohungen 
der Fehme vollzogen, fo verlor Ludwig mehr als Land und Leute. 
Daß Wilhelm gern bereit war, bei erfolgter Execution in das Erbe 
des DVerurtheilten, foweit e8 den Händen des Kaifers und feines be= 
gehrlichen Kanzlers entwunden werden konnte, einzutreten, ift fo na⸗ 
türlich, daß das Gegentheil als beifpiellofe Entfagung Bewunderung 
verdienen würde. So lange wir aber feine Beweife dafür haben, 
daß der Protector aus niedriger Habfucht Urheber des ganzen gegen 
Ludwig eingejchlagenen Verfahrens geweſen ift, fcheint mir der harte 


594 


Tadel, der über ihn ansgefprochen worben, nicht begründet, ım hı 
weniger, al8 in den uns erhaltenen Correfpondenzen Feine Spur bar 
auf hinweift, daß er auf das verbriefte kaiſerliche Verſprechen ein 
befondern Werth gelegt und deſſen Erfüllung eifrig betrieben hak. 
Daß er des in Ausficht geftellten Tändererwerbs in den i 
Briefen an feinen Bruder gar nicht gedenkt, daß er, was vor alle 
hervorzuheben ift, fein Wort des Unwillens laut werben ließ, al 
der Kaifer mit der Ausführung feines Entjchluffes zögerte und ms 
ih den verurtheilten LZudwig wieder zu Önaden aufnahm — dei 
alles darf bei Beurtheilung feines Charakters nicht überſehen werde 
Warum fol er über das Verfahren gegen Ludwig nicht ebenfo g 
dacht haben als fein Bruder Ernft? Diefer fchrieb einmal!, a 
wolle Gott bitten, daß der Kaifer von feinem löblichen („göttlichen“) 
und rechtlichen Willen nicht laffe und dem nachgehe,; das würde ihm 
viel Lob und Ehre bringen, und manche Leute würden fid u 
Zukunft befleißigen Recht zu thun, wenn fie fähen, 
daß man das Unredt an den Häuptern aud nidt 
leiden wolle. 

Vielleicht wäre jene Landverleihung, die Übrigens nicht zu all 
gemeiner Kenntniß kam und von feinem Chroniften erwähnt wir, 
unfern Geſchichtſchreibern niemals in fo häßlichem Licht erjchienen, 
wenn nicht der Kanzler Schlid eine ihnen verdächtige Molle dabei 
gefpielt hätte?. An demfelben Tage nämlih, an dem die kaiſerlich 
Urkunde für Herzog Wilhelm ausgeftellt wurde, verpflichtete fih 
diefer gegen den Kanzler, ihm, feinen Erben oder feinem Bruder 
und deſſen Erben ein Schloß und gute Behaufung mit einem jahr⸗ 
lichen Ertrag von 500 Gulden zu überlaffen, fo bald der Herzog 
Ludwigs Land oder den größern Theil deffelben und befonderg den 
Donauftrom in feine Hund befommen würde. Es follte dies frei- 
lich nicht allein eine Belohnung dafür fein, daß Kafpar Schlid fo 
treufich geholfen habe Ludwigs Land und Leute Wilhelm zuzumenden 
und fie dem Haufe Bayern zu erhalten, fondern der Herzog mollte 
ſich zugleich dankbar erweifen für die gefälligen Dienfte, die der 
Ranzler ihm fchon früher gethan Habe und noch thun werde. Denn 
Wilhelm hebt hervor, daß Schlid ihm ald Kanzler den Meäjejtäts- 
Drief und andere nothdürftige Briefe, die er zum mindeften auf 


ı 8. April 1434, T. V, fol. 428. 

» Die Theilnahme Schicks an dem Handel ſcheint namentlich auf das 
Urtheil Lange (S. 163), der fpöttifh von den faubern Dienften des Kanzlers 
ſpricht, eingewirkt zu haben. Ihm erſcheint die ganze Sache ſo ungeheuer, 
daß er daran bie Bemerkung knüpft, bie Zigeuner, bie in dieſem Jahre zuerf 
nah Baiern gefommen fein follen, mögen manches nicht beffer gefunden haben 
al8 in ihrem eigenen rätbjelhaften Vaterlande. Er vergißt aber dabei, daß fich 
ein Kulturvolk vor einer ungeſitteten Horde gerade dadurch auszeichnet, daß 
Recht und Ordnung herrfcht und auch ber Höchfte nicht ungeftraft Verbrechen 
begeben darf. In Deutihland hätte Jahrhunderte hindurch nicht ſowohl bie 
Suftiz, bie an ben Großen geübt wurde, ald vielmehr das zügellofe Treiben 
unſres Herrengefchleht3 an die Zuftände roberer Völker erinnern können. 






696 


8000 Dufaten angeflogen hätte, frei und ledig fibergeben habe, wie 
er denn auch die Briefe, bie zu den Sachen gehören, noch überge- 
ben folle und wolle !. 

Unter dem hier erwähnten Majeftätsbriefe werden wir bie mit 
des Kaiſers Siegel verfehene Haupiverleihungsurkunde zu verftehen 
haben. Fur ein derartiges Document mag die Taxe von 3000 
Dufaten nicht zu hoch gegriffen fein. Mußte doc wenige Jahre 
früher der Herzog Philipp Maria von Mailand dem König Sig- 
ıinund oder angeblich deſſen Kanzler für feine Herzoglichen Privilegien 
6000 Dulaten zahlen?. Die Cumme von 3000 Ducaten entjpricht 
aber nad damaligen Verhältniffen ungefähr einem Beſitzthum, das 
jährlich 500 rh. Gulden einbringt; ein folder Zins fegt, wenn man 
123 vom Hundert, ftatt der damals meift üblichen 10 Procent rech⸗ 
net, ein Kapital von 4000 rh. Gulden voraus, und das war auch 
die Summe, fir die fi der Herzog Wilhelm den Wiederfauf des 
zuverleihenden Schloffes vorbehielt und die er dem Kanzler baar zu 
zahlen verſprach, wenn er fih nad; Einnahme des Ingolſtädtiſchen 
Landes über die Wahl der Befigung mit ihm nicht würde einigen 
fönnen. = 

Sonad) ift der Vertrag bes Herzogs mit dem Kanzler Schlid 
ein einfaches Nechtsgefchäft, das dem Vorgange, der es veranlaßte, 
an ſich fein mißliches Anfchen giebt. Derfelbe Vertrag Konnte auch 
bei einer andern Veranlaſſung, wenn ein Landerwerb ſich 3. ®. auf 
Erbſchaft grindete, abgefchloffen werden; man fieht nur daraus, daß 
Schlick ſich frühzeitig vorjah: weil er wußte, daß es dem Herzog 
Wilhelm auf jeden Fall an Geld fehlen werde, um die hohen Kanz⸗ 
leigebühren zu zahlen, fo ließ er fi dafür von vornherein ein ent» 
fprechendes Beſitzthum zufichern. 

Aber wichtiger als alle moralifchen Erwägungen, mögen fie fi 
nun auf den Herzog oder auf den Kanzler beziehen, erſcheint mir 
die Frage nach der Stellung, die der Kaifer, wenn ich fo fagen darf, 
innerlich zu dem von ihm eingefchlagenen Verfahren einnahm. War 
es ihm wirklich Ernft mit feinen Drohungen gegen Ludwig? Konnte 
er, ber ſich ſchon fo lange an alle Zügellojigfeit in den höchſten 
Kreifen gewöhnt hatte, plötzlich den Entjchluß faffen, vücfichtslofe 
Strenge zu üben und an dem mädhtigften Fürſten zw zeigen, daß 
der Kaifer nicht umfonft höchſter Richter auf Erden ſei. Hatte auch 
ihn etwa der reformatorifche Eifer, der die Väter bejeelte, ergriffen? 

In der That muß der Geift, der in Baſel Herrfchte, auch auf 
Sigmund eingewirkt haben. Lebhaft und erregbar, wie er war, 
tonnte er ſich dem mächtigen Eindrud, den die großartige Verfamms- 
fung mit dem Ernft ihres Strebens und der Kühnheit ihrer Ent» 
würfe auf Jeden machen mußte, nicht ganz entziehen. Warum hätte 


3 Driginal im . Keichs-At hip. ar 
* Aus dem Regiftraturz und Vriefsgormular:Bud Sigmunds im Wie 
ner Gtaatd-Arhiv mir gütigt mitgetheilt dur Herrn Profeljor Sidel. 


696 


auch nicht der Gedanke, im Anſchluß an das Concil und als deſſen 
rechter Arm eine neue Ordnung im Reich berzuftellen, ihm einen 
Augenblic erfüllen follen ? 

Aber lange dauerte diefe Stimmung nidt. Stellte ſich Sig 
mund in der freilich wohl geheim gehaltenen Verleihungs - Urkunde 
vom 25. November 1433 ganz auf den Standpunkt bes Concils, 
auf defjen Geheiß er Ludwig von Land und Leuten vertreiben wollte, 
und fchärfte er noch am 6. December die VBerfündigung der durch 
das Concil gegen Ludwig erlaffenen Strafdecrete aller Orten ein!, 
fo’ fam er bald zu der Sade in ein anderes Verhältnif. Er 
forderte den gebannten Herzog vor fein Gericht, um die vielen gegen 
ihn vorgebradhten Klagen zu unterfuchen Die Ladung war alla- 
dings in den fchärfiten Ausdrüden abgefaßt: Untreue und Ungehor⸗ 
ſam gegen den faiferlichen Herrn ward ihm vorgeworfen und zugleid 
ihm angedroht, daß, wenn er nicht innerhalb ſechs Wochen nach Ems 
pfang des Mandats ſich zur BVertheidtgung ſtellen werde, der far 
ferfiche Urtheilfpruch ohne weiteres erfolgen folle. Aber bald bereute 
Sigmund auch diefen Schritt und wollte ihn rüdgängig machen’. 
Es war zu ſpät. Nach ſechs Wochen erfolgte die Achtserflärung *. 

Daß ſchon bald darauf auch der letzte Schritt gethan und die 
Aberacht über den trogigen WYürften verhängt wurde, war Ludwigs 
eigene Schuld, indem er, ftatt um Gnade zu bitten, durch feinen 
Sohn, den jüngern Ludwig, und zwei Näthe gegen das ganze Ber 
fahren proteftirte °. | 

Es ift bemerfenswerth, daß der Kaifer, al8 er Ludwig für 
vogelfrei erklärte $, nicht ſowohl die früher nachdrücklich betonte Ber: 
urtheilung durch das Concil bervorhob, al8 vielmehr die Verbrechen, 
die er gegen die Reichsordnungen begangen, indem er landfundige 
Achter gegen ausdrücliches Verbot bei fi) aufgenommen, Boten 
des Anifers und des faijerlichen Yandgerichts zu Nürnberg verhöhnt, 
dem einen die Ohren abgefchnitten, dem andern die Gerichtsbriefe zu 
effen gegeben habe; aud) das trogige Benehmen des jüngern Ludwig 
vor Gericht, von dem er frevelhaft und ſchmählich abgefchieden fei 
und nicht geantwortet habe, wie das Recht vorfchreibe, wird als 
Grund der Verurtheilung aufgeführt. 

Da aber Stimmen laut werden mochten, die jene gegen des 
Kaiſers Majeſtät gerichteten Verbrechen in Zweifel zogen, fo murbe 
am 7. Mai, mehr unter der Theilnahme geiftlicher als weltlicher 


2 Driginalurfunde im K. Reichs-Archiv. 

s 14. Ian. 1434, T. V, fol. 389. 

sErnſt ſchreibt an Wilhelm 10. Febr. 1434 (T. V, fol. 417), bie 
Uebergabe der Gitation fei ſchon erfolgt, und ein Aufihub, wie ihn der Rai- 
fer wünsche, fei nicht mehr möglich. 

+ 24. Febr. 1434. Driginal:Urkunde im K. Reichs-Archiv. 

s Gerichtöbrief vom 18. April 1434 im R.:R.N. 

s 28. April 1434. Die Urkunde ift abgebrudt bei Gemeiner, Regens⸗ 
burg. Chronik IH, 43—50, Vergl. Buchner S. 279 und Lang ©. 166. 


697 


Fürſten, Gericht gehalten, um biefelben noch einmal als unleugbar 
und landfundig hinzuftellen !. 

Mochte auch Sigmund gegen feinen Willen durch die Umftände 
(Anfangs durch das Drängen der Väter, dann durch Ludwigs Trok) 
zu den legten Schritten getrieben worden fein, fo mußte jett doch, 
wenn des Kaifers Autorität nicht noch ärger gefährdet werden follte, 
die Erecution nachfolgen. Es ift befannt, daß auch hierzu alsbald 
die Vorbereitungen getroffen wurden ?. 

Der Reichstag zu Ulm, im Juni und Yuli 1434, befchäftigte 
fid) ausfchlieglih mit diefer Angelegenheit. Wir haben einen Brief 
des Herzogs Wilhelm an feinen Bruder aus Ulm, vom 21. Juni 5, 
der infofern wichtig ift, al8 er zeigt, daß Wilhelm troß des in Aus⸗ 
fiht gejtellten Erwerbs von Ludwigs Landen noch immer den &e> 
danken einer friedlichen Beilegung des Streits nicht zurüdiwies. Er 
erzählt, wie der Kaifer mit den Fürſten zu Nathe gegangen, ob er 
dem Verlangen Ludwigs, der durch ettliche „Untertaidinger“ fehr be- 
gehrt habe, ficheres Geleit zum Kaifer zu erhalten, willfahren 
folle; fie alle hätten einhellig gerathen, das Geleit zu bewilligen. 
Zugleich Habe freilich der Kaifer alle Zürften, Grafen, Herren, 
Ritter und Knechte, die Städte und wer fonft anwefend fei, bei 
ihren Eiden, Treuen und Ehren ermahnt, ihm zu helfen wider 
Herzog Ludwig: fo wolle er aus diefen Landen nicht kommen, 
fo lange bis er die Sache gegen Herzog Xudwig geendet habe. 
Wilhelm vermuthete mit Necht, daß die dem Kaifer gegebene Zufage 
den Herzog Ludwig zum Nachgeben bringen werde, da er fonft, wenn 
er nicht jähe, dag man dem Kaifer helfen werde, Fein Taidingen ein- 
gehen werde. Auch den Herzog Ernft, der jchon früher die Schwie- 
rigfeiten und Gefahren einer Execution eingejehen hatte *, war eine 


I Urkunde im K. Reichs-Archiv. Es ift bemerfendwertb, baß bier als 
Fürſprecher des Kaiferd Gregor Heimburg fungirt. 

s Aſchbach IV, 228. 

3 T. V, fol, 441. 

+ Schon am 2%. April richtete H. Ernſt an feinen Bruber einen merk⸗ 
würdigen Brief über die in Augficht genommene Erpebition gegen Ludwig von 
Ingolſtadt. Wolle der Kaifer, fo argumentirt er, an Ludwig dad Unredt 
fitafen, wie diefer verfchuldet habe — was an bem Raifer fehr zu Toben fi —, 
fo werden Wilhelm und Ernft dem Legtern beifen möüflen und ihm dies auf 
feine Weife verfagen können. Der Kaifer werde außerdem noch bie Ungarn 
zu Hülfe nehmen. Jedenfalls würben fie dann in einen ſchweren Krieg ver: 
wickelt werden, deſſen Ende man nicht abfehen könne. Sollte aber ber Kaiſer 
die Erecution mit ben Reichsſtädten vollziehen, fo würbe das dem Haufe 
Bayern großen Schaden, Abgang unb Minderung bringen; denn was bie 
Reichsſtädte gewinnen, bad faffen ſie nicht mehr los, wie man an ben Städten 
und Schlöfiern des Herzogs Friedrich von Deſtreich geſehen babe „So ift 
auch unfer Herr ber Raifer ein alter und kranker Herr, dem 
Krankheit und andere Sachen zuftoßen mögen, wie mit dem Goncil, dem Papft 
und ben Böhmen, weshalb er biefen Sachen auch nicht auswarten möchte”. 
Sollte dann Ludwig auf irgend eine Weife durch bie Sache fommen, „wie fi 
bag füget”, und das abtragen gegen den Kaiſer, jo würbe er ihnen, ben Her- 
zogen von München, das Geſchehene niemals vergeflen. So fehe und höre 


II. 


598 


friebfiche Beilegung ber Sade nicht unerwünfdht, wenn man me 
Gerechtigkeit von Herzog Ludwig erlange und die Sicherheit erreich 
würde, daß alles auch gehalten werde '. 

Nach einigen Wochen gelang es in der That dem Herzog Lud 
wig, fi) mit dem Kaifer wieder auszuföhnen. Die Umſtände, m 
ter denen es geſchah, find befannt?; das Gelb vermochte nod ein 
mal über den Kaifer Alles. Er beftand nur darauf, daß Ludwiz 
den Klöftern Genugthuung gebe. Die Beſchwerden der weltliche 
Fürften, insbefondere der Herzoge von Münden, gegen ihn verſchob 
er bis zu dem Neichötage zu Regensburg. Hier war aber Ludiey 
bereits jo einflußreich, daß feine Entjcheidung erfolgte. Zuletzt wir 
dem Grafen Ludwig von Württernberg aufgetragen, in diefer Sache 
Recht zu fprehen®. Ob dadurch wirflicd die Herzoge von München 
zufrieden geftellt wurden, wiſſen wir nit. Wahrfcheinlich wurd 
doch fo viel erreicht, daß Ludwig in Zukunft feine kecken Beleidi⸗ 
gungen einftellte. 

Um aber auch den Herzog Wilhelm in feinen Anfprüchen auf 
die Dankbarkeit des Kaifers auf jeden Fall zufrieden zu ftellen, hatte 
er ihm ſchon am 28. April, alfo an demfelben Tage, als die Ver: 
urtheilung Ludwigs erfolgte, die Landvogtei Schwaben, welche bie 
Trugfeße von Waldburg innehatten, verfchrieben*. Er folite fie 
um 13,400 Gulden einlöfen; dazu wurden ihm noch, unter wieder: 
holter Anerkennung feiner großen Verdienfte um das Concil, 9600 
Gulden als vom Kaifer noch nicht erfegte Zehrungskoſten auf die 
Landvogtei verfchrieben, fo daß diefelbe von Wilhelm und feinen Erben 
nur um die Summe von 23,000 Gulden wieder eingelöft werden 
fünnte. Diefe Summe hat man irrig als eine dem Protector durd 
den Kaiſer geleiftete Schenkung angefehen. Sigmund hatte noch im 
mer feine folde Summe zur Verfügung. Aber auch dem Herzog 
Wilhelm jcheinen jene 13,400 Gulden, um die er die Landvogtei 
einlöfen follte, die nächſte Zeit hindurch gefehlt zu. haben. Ehe 
er die Landvogtei an ſich brachte, ereilte ihn der Tod, 13. Septbr. 
1435. — Später madte fein Neffe Albrecht, der ihn nad dem 
baldigen Abfterben des unmlündigen Sohnes Adolf beerbte, mit Be 
ziehung auf die DVerdienfte des Oheims Anfprüche darauf, ohne fie 
bei Friedrich III. durchzufegen. Auch der reiche Ludwig von Rande: 
hut, der die Macht Bayerns fo nachdrücklich zu heben verftand, be 
mühte fich vergebens um den Erwerb der Landvogtei Schwaben 5. 


man ja wobl, wie viel Ungnabe ihm auch erzeigt werde, von bem Kaifer und 
Andern, daß er das alles nicht achte, fonbern feine Ungerechtigkeit je Länger je 
mehr treibe. — H. Ernft folgert daraus, daß es vortheilbaft wäre, mit Herzog 
Heinrich von Landshut in eine Einung zu treten. T. V, fol. 430. 

 T. V, fol. 449. Antwort des H. Ernft vom 25. Sunt 1434, auf 
ben Brief Wilhelms vom 21. Juni. 
Vergl. Aſchbach IV, 229. 
T. V, fol. 460; vergl. 467. 
* Driginal:Urkunde im K. Reichs⸗Archiv. 
e Tas Nähere hierliber gebe ich In der Gedichte Ludwig des Reichen. 


- 599 


Einen beffern und rafchern Ausgang nahm der Streit der 
Müncener Brüder mit Herzog Heinrich. Als diefer den gegen 
Ludwig gerichteten Ernft des Kaifers fah, ließ er fich ſchon am 
1. Yan. 1434 einen Schiedsfprudy des Kaifers gefallen, der den 
Herzogen Ernft und Wilhelm erhebliche Vortheile brachte!. 

Es ift behauptet worden, daß gegen den Herzog Wilhelm in 
legter Zeit die Gnade des Kaifers fehr erfaltet jei- Ich finde da- 
für feinen Beweis: im Gegentheil ließ e8 Sigmund nidht an Bes 
weiſen feiner fortdauernden Gunft fehlen ?. 


m. Kapitel. 


Einzelne Züge zur Charakteriftif Wilhelms. Urtheile 
über ihn ans dem 15. Jahrhundert. 


Zur Vervolljtändigung von Herzog Wilhelms Lebensbilde, wie 
es nad) feiner bisher gejchilderten öffentlichen Thätigkeit ſich darjtellt, 
mögen bier noch einige Züge aus feinen Beziehungen zu einzelnen 
Perjönlichkeiten, namentlicd) zu den Gliedern feiner Familie, hervor- 
gehoben werden. 

An eriter Stelle verdient das Verhältniß zu feinem Bruder 
und Mitregenten näher betrachtet zu werden. Es wurde ſchon ge- 
fegentlich darauf hingewiejen, daß diefes Verhältnig ein fehr freund- 
Ichaftliches, ja inniges war. Das darf um fo mehr betont werden, 
al8 wir der Beifpiele, wo fürftliche Brüder, die in bie Macht fich 
theilen, in ungeftörtem rieden mit einander leben, in der Gefchichte 
nicht zu viele finden, am wenigften wohl in der älteren Gejchichte des 
Wittelsbadhifchen Haufes. Schien hier doch vom 13. bis 15. Yahr- 
hundert durch den unglücjeligen Grundfag der Xheilbarfeit der 
fürftlichen Gewalt der Familienzwiſt verewigt werden zu follen. | 

Aber e8 wäre irrig, wenn wir die rühmliche Ausnahme, welche 
die Brüder Ernft und Wilhelm machen, etwa dadurd) erklären woll- 
ten, daß der jüngere wenig Neigung zu Negierungsgefchäften gefühlt, 
dieje daher gern dem älteren Bruder, deſſen höhere Einficht er zu 
würdigen verftanden, überlaffen habed. Wir haben ſchon darauf 


ı Driginal-Urkunde im K. Reichs-Archiv. Vergl. Buchner VI, 279. — 

2 Am 21. uni 1434 (T. V, fol. 441) rühmt Wilhelm bie Auszeich⸗ 
nung, womit ihn der Kaifer in Ulm empfangen habe. — Am 23. Juli 1434 
geftattete Sigmund den Brüdern Ernft und Wilhelm das Landgericht zu Hirſch⸗ 
berg nicht mehr wie feither nur einen Tag, fondern öfter zu Balten. Urkunde 
im Reichs-Archiv. 

5°” So fagt ungefähr Mannert, Bay. Geſch. I, 468. Aehnlich Aſchbach 

. * 


39 


600 


aufmerffam gemacht, daß eine derartige Auffaffung der BPerfönficke 
ten nicht im mindeften durch die reihe uns vorliegende Correiper 
denz gerechtfertigt wird, daß im Gegentheil Herzog Wilhelm st 
mehr Energie und in diplomatifchen Geſchäften jedenfalls eine gi 
Bere Ueberlegenheit zeigt '. 

Was beide Brüder feit zufammenhielt, war die richtige Einſih 
in die Nothwendigfeit der Eintradht für das Wohl ihres Hauid 
und ihres Volkes ? und zugleich auch jene herzliche Zuneigung, wm 
der fie für einander erfüllt waren. Ich würde auf die immer we 
derfehrenden Verficherungen treuer Liebe und Ergebenheit, ohne weid 
namentlih Herzog Wilhelm keinen Brief an den Bruder jchlick, 
fein Gewicht legen, wenn fie ſich nicht ein ganzes Menſchenalter hir 
dur aufs Volljtändigite bewahrheitet hätten. 

Wilhelm hatte überall neben dem eigenen Intereſſe auch dei 
des Bruders und Neffen vor Augen. Wenn die Bürde des Condl 
in Bafel fchwer auf ihn drüdte, fo gab ihm der Gedanke an ba 
Gewinn, den die Herzoge Ernft und Albrecht mit ihm aus jeine 
Zhätigfeit ziehen würden, neuen Muth. Der Lohn, den er fich vom 
Kaifer verſprach, galt ihm als eine Angelegenheit des ganzen Haufes. 

Dies Verhältniß erlitt auch dadurd Feine Störung, dag Wil 
beim ji im Jahre 1433 noch verheirathete; die Sorge für den 
eigenen Heerd ließ die Theilnahme für das Glüf des Bruders um 
feines Sohnes ungehindert fortbeitehen. Es ift im Gegentheil be 
merfenswerth, daß er feine eigene Vermählung in fchöner Weije mit 
dem Wohle des ganzen Haufes und mit den Wünfchen der gemein 
famen Unterthanen in Verbindung bringt. Den Entſchluß ſich zu 
verheirathen faßte er nur in der Gewißheit der vollen Zuftimmung 
feines Bruders. Auch die Art, wie er den Rath des Herzog Ernit 
einholte und empfing, ift bezeichuend für Beide. 

Es jei, ſchrieb Herzog Wilhelm dem Bruder 3, fehr oft mit 
ihm davon geredet worden, warum er nicht zu heirathen trachte, be 
fonders feitdem Herzogs Ernſt Gemahlin todt wäre; daß fie jekt 
alle drei, Ernft, Wilhelm und Albrecht, ohne Frauen und Erben 
feien, bereite den Ihrigen Bekümmerniß. Wilhelm hätte nicht un 
gern gejehen, daß der Neffe fich ſchon längft verheirathet Hätte. Nun 


0.0.0. ©. 408: „Die Negierung führten fie dem Namen nad) gemeinfcaft: 
ih; bod in Wahrbeit regierte ber ältere Bruder Ernft allein; Wilhelm über: 
ließ ihm gern bie Megierungsgefchäfte” etc. 

2 Das fcheint auch Herzog Ernft anerfannt zu haben; felbft wenn er in 
Abmefenheit des Bruders felbftändig hätte handeln können, wartete er mit 
feinen Ontföliehungen gern bis zu Wilhelms Rückkehr. So ſchrieb er 5.2. 
an Wilhelm den 25. Juli 1425 (Fürſtenſachen T. IH, fol. 181): „Es be 
gegnien und fo mandyerlei fremd weg in ben ſachen, das wir barin zemal ir: 
rig fein und die on ew je nicht wifjen wellen und mügen vollenden“. 

2 „Unb fehet darin an was wir uns und den unfern groß nüß mit 
unfer apynifait zu wegen bradıt haben“. Wilhelm an den Bruber T. V, f. 437. 

s 24. Auguft 1432. Original im 8. Haus-Archiv. T. I ber Heiraths⸗ 
und Correfponbenz: Acta. . 


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babe man während der Aheinfahrt im Sommer 1432 ihm oft eine 
Heirath mit der älteften Tochter des Herzogs Adolf von Eleve vor- 
gefchlagen und kürzlich deshalb auch eine Botfchaft an ihn gerichtet. 
Dan habe freilich auch andere Heirathsanträge an ihn gebracht, die 
ihm viel mehr Heirathsgut in Ausficht ftellten; aber in einzelnen 


- Füllen habe die Ehe der Verwandtſchaft wegen Schwierigkeiten, und 


würde des Papftes Einwilligung dazu nöthig fein; nun fei ihm aber 
der Papft fehr gram und würde für diesmal feine Bitte gar nicht 
erfüllen; er möge übrigens auch feines eigenen Gewiſſens wegen feine 
Ehe mit einer nahen Verwandten eingehen und des Papftes Gunft 
gar nicht in Anfpruch nehmen. Lieber will er eine ihm angetragene 
reiche Verwandte, die ein Mitgift von 100,000 Gulden habe, feinem 
Neffen Albrecht zumenden!. Wilhelm bittet dann in Bezug auf die 
Wahl der Herzogin von Cleve um den brüderlihen Rath, mit der 
Berfiherung, daß er ſich nicht fo weit eingelaffen haben würde, wenn 
er fid) nicht erinnerte, wie oft ihm der Bruder zugeredet habe zu 
beirathen. 

Herzog Ernſt antwortete in herzlichfter Weife und mit ber 
wiederholten Verficherung, daß er fich über den Entfchluß des Bru⸗ 
ders fehr freue. Auch ihrer beider Land und Leute fähen die Hei⸗ 
rath gern. Gerade zu der Wahl der Herzogin von Cleve wünjcht 
er ihm alles Süd ®. 

Als im Frühjahr 1433 endlich zu Bafel die Vermählung ftatt- 
finden follte, unterließ es Wilhelm nicht, den Bruder wie den Neffen 
aufs Freundlichite dazu einzuladen’. Herzog Ernft hatte ihn in jenen 
Jagen um ein Anlehen von 6000 Gulden gebeten. Wilhelm ant- 
iwortete zuerft in einer Weife, die Fein günftiges Bild von feinen Ver⸗ 
mögensverhältniffen giebt. Er erinnert daran, wie geringe Einkünfte 
er von dem väterlichen Erbe habe, wie lange und wie oft er dem 
König von ihrer Landes Nothdurft wegen mit ſchwerer Zehrung 


2 68 ift derfelbe Albrecht, ber bald darauf in das befannte Verhältniß 
zur Agnes Bernauer trat. Den Vorſchlag Wilhelms fi) mit ber reichen Dame, 
über die er viel mit bem Bruder correöponbirte, zu vermählen, wies er nicht 
gerade zurüd, aber die Sache zerſchlug fih wieder. — Wilhelm fcheint übri⸗ 
gen? mit Vorliebe den Unterhändler bei Heirathen gemacht zu baben. Der 
Vorſchlag, den er dem eigeren Bruder macht, fi nod im Alter wieder zu 
vermählen (Brief vom 25. October 1432, in Heirath3= und Correſpondenz⸗ Acta 
T. I, fol. 86) ſcheint freilich nicht ernſt gemeint zu fein; wenigſtens beutet bie 
Anfpielung auf das Verhältniß des Herzogs Ernft zu feiner eriten Gemahlin 
und wie viel befler es fei, wenn er fich jegt mit einer jungen Frau verbinde, 
darauf bin, baß er fcherzen wollte. Aber wir kennen noch einen andern Fall, 
wo Wilhelm troß feiner vielen Gefchäfte am Bafeler Concil einem verwand⸗ 
ten Fürften, bem Sohne des Herzogs Stephan von Hagenau eine Gemahlin 
zu verfchaffen furchte. Vergl. den Brief an Stephan und feine Gemahlin s.d. 
im 8. Haus-Archiv in der Eorrefp. Wilhelms mit dem. Herzog Abolf von 
Eleve. 

2 Herzog Ernft an Wilhelm, 21. October 1432, in ben Heiraths⸗ und 


Correſpondenz-Acta. T. I, fol. 88. 


° Brief vom 19. März 1433, L co. fol. 96, 


602 


nachgeritten fei, und wie er jegt ſchon in dem andern Jahr mu 
vielem Wolf und großer Zchrung als ein Statthalter am heilige 
Goncil zu Bajel liege, welcher Bürde er fih doch nur feinem Bre 
der, fich felbft und ihrem Namen zu Ehren und all den Ihrige 
u fünftigem Nuten unterzogen habe. Dadurch jei er aber in Schuk 
ben gefommen und. komme täglich noch mehr hinein, da er nidt ie 
viel Beihülfe gehabt habe, als feine Nothdurft erfordert hätte E 
habe fi) auch von Jugend auf mit großer Armuth emporgebradk, 
fo daß der Bruder wohl wilfe, daß er nichts übrig haben kön, 
um fo weniger al8 er aus dem Straubinger Landesantheil feit ji 
Jahren gar feine Einnahme gehabt habe. Er habe überhaupt jen 
ganzes Leben hindurch feine fo große Summe Geldes bei einander 
gehabt '. Was aber das Heirathsgut betreffe, das ihm von feine 
lieben Gemahlin zufallen werde und das nur fehr gering fei (es be 
trug 12,000 Gulden), fo habe er im Sinn, mit einem Theil Schul 
den zu bezahlen, einen andern für feine Zehrung zu behalten, 
und mit dem übrigen bie verpfändeten välerlihen Güter, bie a 
noch nie innegehabt habe, einzulöfen, um feine künftige Familie 
defto befjer ernähren zu können. Wären diefe Verhältniffe nicht, 
jo würde er das Heirathsgut gern mit dem Bruder theilen, mi 
er ja aud bisher fein Vermögen und mehr als dieſes feinem 
Bruder zu Liebe nicht gefpart habe? — AS ihm indeß Herzog 
Ernſt vorftellen ließ, daß er ohne jene 6000 Gulden in Verlegen⸗ 
heit fommen würde, verfagte fie ihm Wilhelm nicht länger, fegte 
indeß hinzu, er verlaffe fi) darauf, daß der Bruder mit dem Neffen 
zur Hochzeit fomme. Denn wüßte er, daß fie nicht Fämen, fo würde 
er ihm gar nichts leihen *. 


2 Die oft wieberfehrenden Klagen Wilhelms über feine Armuth werben 
nicht ungegrünbet fein. Schon ber Vater Johann war tief verfchuldet, und 
die häufigen Kriege, namentlich die Huffiteugüge, trugen nicht zum Wohlſtand 
feiner Söhne bei. Wilhelms Gelbnoth mußte groß fein, wenn er fi im J. 
1419 entſchloß, von feinem verhaßten und gefürchteten Gegner Lubwig 1000 
Gulden fih zu erbitten, „die er und um unfer fleißig bete willen zu unfrer 
vart gen Behaim getrulich geliehen bat’. Wilhelm verſchrieb ihm dafür bie 
Erträgnifie des Zold zu Münden unter dem Neubaufer Thor. Nürnberg am 
St. Bartbolomäustage 1419; Abfchrift im I1. Bde ber Neuburger Copialbuͤcher. 

2 9. Wilhelm an Ernft, 20. März 1433, in T. V, fol. 888, 

5 $ Wilhelm an Ernft, 29. März 1433, 1. c. fol. 386. 

*Aehnliche gemüthvolle und launige Züge finden fi oft in ben PBrie 
fen Wilhelms, wie er auch humoriſtiſche Bemerfungen Anderer gern binnahm. 
Als er dem Herzog Stephan von Hagenau feine Verlobung anzeigte und aud 
ihn zur Hochzeit einlud, unterließ diefer nicht, ihm feine befondere Freude ba- 
rüber auszuſprechen, daß er ſich in feinen alten Tagen noch gebefiert habe unb 
fih nun dazu befenne, daß es gut ſei in ber heiligen Ehe zu Ieben; er merte 
aber auch wohl, daß das nicht von ihm allein ausgegangen fei, fondern das 
das heilige Concil dazu mitgewirtt habe. Nun werde er hoffentlich ein gedul⸗ 
biger Ehebruber werben, ein Mitglied des Ordens, bem fo mancher betrübter 
Bruder angehöre. Die Antwort, welde er von Wilhelm erhielt, zeigt, daß 
auch biefer einen folhen Ton wohl anzufchlagen verftand; er gab dem Vetter 
feine Nedereien in ebenfo kräftiger als trefiender Weiſe zurück. Weide Briefe 
in I. Bd. ber Heirathg- und Eorrespondenz-Acta, 


603 


Nur eine Angelegenheit ift mir befannt, über die eine ernftliche 
Meinungsverjchiedenheit zwifchen den herzoglichen Brüdern eintrat, 
obwohl auch fie wieder in Güte beigelegt wurde. Die Art, wie 
Herzog Wilhelm diefen Fall behandelte, ift fo charakteriftifch, daß der⸗ 
jelbe Hier nicht wohl übergangen werden darf. 

Als ſich nämlich Herzog Ernſt ſchon im Jahre 1396 mit Elifa- 
beth von Mailand vermählte, wurde ihm ein Heirathsgut von 75,000 
Gulden verfprochen. Der Vater, Herzog Johann, welder damals 
noch lebte, überließ ihm dafür pfandmweife eine Reihe von Schlößern, 
die an „rechter Herren-Gult“ fo viel eintrugen, daß fich jenes Ka⸗ 
pital zu zehn Prozent verzinfte. Nun blieben aber von den 75,000 
Gulden 25,000 unbezahlt und wurden weder dem Vater noch den 
Söhnen eingehändigt. Gleichwohl behielt Herzog Ernft mit feiner 
Gemahlin die verpfändeten Güter länger als 30 Yahre inne, fo daß 
deren Ertrag („an rechter Herren Gult ohne alle Zufälle”) das 
Capital der 75,000 Gulden mehr als dreimal überſtieg. 

Es Tiegt auf der Hand, daß Herzog Wilhelm Grund hatte, 
fi) hierüber zu beflagen; war er doch von dem Mitgenuß der ſchön⸗ 
jten Güter des Landes ausgefchlofjen, ohne daß der Bruder: auf ein 
Drittheil der Echlöffer, die er allein innehatte, von Rechtswegen 
Anfpruc machen konnte. Aber e8 dauerte lange, bis fih Wilhelm 
entfchloß, die Sache zur Sprache zu bringen, und als er es endlich 
that, gefchah es in einer Weife, die für die Verhältniffe am Hofe 
zu München bezeichnend ift. Statt nämlich) den Bruder direct an« 
zugehen, wandte er fih an ihren gemeinfamen Beichtvater, damit 
diefer mit dem Herzog Ernſt rede, was er denn auch treulich und 
fleißig that. „Dem gab unfer lieber Bruder allwegen zur Antwort, 
er habe eine kranke Hausfrau, die fich Leicht erzürnen ließe, die wolle 
er darin fchonen und nicht gern kränken, um fo weniger, als zu er⸗ 
warten fei, daß fie doch nicht lange mehr lebe; wenn dann Gott 
foldyes (den Tod) über fie verhängte, fo wolle er fich gegen den 
Bruder fo verhalten und ftellen, in allen Dingen, wie ein treuer 
Bruder gegen den andern fol“ '. 

Nun ftarb die Gemahlin des Herzogs Ernſt im Frühjahr 1432; 
die zarte Rüdficht auf ihren reizbaren Zuftand fiel alfo weg. Trotz⸗ 
dem behielt Ernft jene Schlöffer mit feinem Sohne Albrecht im Beſitz. 
Auf der andern Seite aber trat bei Herzog Wilhelm ein neuer und 
triftiger Grund Hinzu, eine Beſſerung feiner Bermögensverhältnifje 
zu wünfjchen, indem er den Entfchluß faßte, fich zu verheirathen. 
Was war natürlicher, als daß er feine geringen Einnahmen zu ver- 
mehren fuchte und jett nicht länger dur den Bruder von dem 
Genuß der einträglichiten Güter ausgefchloffen bleiben mochte? 

Aber er fürdhtete noch immer, wenn er feine Forderung, fo ger 
recht fie an fi) war, direct und ohne Umfchweife an den Bruder 


F 1 T. V, fol. 838. Herzog Wilhelm an feinen Beichtvater, 21. März 
1433, 


604 


brächte, fo möchte biefer fi erzürnen nnd ihm gram werden. Er 
ſchlug alfo wieder einen Weg ein, der und heute feltfam erfcheint, der 
aber in jener Zeit aus den PVerhältniffen ſich von felbft ergeben 
baben mag. Er fchrieb noch einmal an einen Hofgeiftlichen in Nix 
chen, der lange der.Beichtvater der herzoglichen Brüder geweſen wer. 
Diefem fette er auseinander, wie er feine Sache bereits ettlide 
anderen Perfonen, bei denen er gebeichtet, in der Beichte vorgetme 
gen habe; die hätten ihn unterwiefen, daß er ſich gröblich verfündge, 
wenn er die Forderung an feinen Bruder länger ruhen ließe, mb 
daß auch der Bruder, wenn er etwa vor Erledigung der Sache mit 
Tode abgehen follte, an feiner Seele Schaden nehmen würde. Run 
wilfe er diefe Angelegenheit an Niemand befjer zu bringen als an 
ihren gemeinfamen Beichtvater. Er bitte ihn alfo mit alfem Fleiß, 
daß er in der bevorftehenden heiligen Dfterzeit den Bruder in aller 
Güte ermahne, in Zukunft auf die ungeredhte Einnahme verzichten 
zu wollen. Sollte er, der Herzog Wilhelm, die Sache etwa weiter 
treiben müffen und mit dem geliebten Bruder darüber zu 

fommen, jo würde dies dem Beichtvater am wenigiten lieb fein. m 
Uebrigen möge er die Sache ganz im Geheimen behandeln und ven 
diefem Briefe Niemanden etwas wiffen laſſen; außer ihm habe ber 
Herzog nur noch einem her vertrauten Räthe Mittheilungen über 
die Sache gemacht. Nur das würde er nicht ungern fehen, wenn 
der Beichtvater gleichſam aus ſich felbft auch mit den andern gehei⸗ 
men Räthen in der Beichte von den Eachen reden und fie anmweilen 
wollte, daß fie ebenfalls dem Herzog Ernft zufpräcen !. Ä 

Auch der Brief an den vertrauten Rath Erasmus Haufer ift 
uns erhalten?, Hier wird die Sache ganz ähnlih wie in dem 
Schreiben an den Seelforger dargeftellt, al8 eine Frage des Seelen 
heils beider Brüder, welche die Beichtväter in Baſel fo ernft ge 
nommen, daß er nicht wohl fchreiben könne, wie fehr fie ihn megen 
feiner Nachläffigkeit geftraft haben. Die Bitte de8 Herzogs geht 
nun dahin, daß der Vertraute, nicht ohne Ausficht auf ein Gefchent, 
im tiefiten Geheimniß ihm rathen möge, wie er die Sache am beften 
an feinen Bruder bringen könnte. 

Dem Herzog Ernft felbft aber gab er bei Gelegenheit ber 
Correfpondenz über das Anlehen von 6000 Gulden, wovon ſchon 
die Rede war, vorläufig nur zu verftehen, daß er aus Rückſicht auf 
feine fünftige Familie nunmehr in den Genuß des väterlichen Erbes, 
da8 bisher verpfündet gewefen, zu kommen fuchen müſſe?. Das 
Nähere wurde aljo den geiftlihen und weltlichen Räthen und zus 
nächſt dem Beichtvater überlaffen. 

Wilhelm hatte, als er diefen Weg einſchlug, ſich nicht verrech⸗ 
net; war das Gerechtigfeitsgefühl des Herzogs Ernft und die Liebe 


ı MWilbeln an ben Beichtvater. 1. c. fol. 838. 
2 22. März 1432, fol. 338. 
85 Brief v. 20, März 1433, T. V, fol. 888, , 





606 


Frau und Kind dem Schuge bes Bruders, der ihn dann oft und 
gern von ihrem Wohlbefinden benachrichtigte. 

Ueber das Verhältnig Wilhelms zu feiner Gemahlin, mit der 
ihm nur zwei Jahre zu leben vergönnt war, willen wir wenig 
Nur das geht aus den Briefen, die er in Angelegenheiten jeiner 
Vermählung fchrieb, hervor, daß er die Bedeutung der Ehe mit txf 
refigiöfen Bemwußtfein erfaßte und von Anfang an feiner Gemahlin 
aus innerftem Herzen zugethan war. Am dentlichiten fpricht fich dies 
wohl in einem Schreiben aus, das der Protector bald nach der im Ange 
fiht des Concils (11. Mai 1433) vollzogenen Trauung an be 
Schwiegervater richtete, und das uns überhaupt einen Blick in fein 
innerfte Natur, mit ihren Schwächen und Borzügen, eröffnet. 

„Euer Liebe Tochter Frau Margaretha und wir“, fchrieb er am 
28. Mat an Adolf von Eleve!, „find hier in dem Heiligen Concil 
vor allen Gardinälen, Erzbifhöfen, Biſchöfen, Prälaten und allen 
gelehrten Doctoren und Meiftern, der dann eine große Menge bie 
und da bei gewefen ift, nach dem Geſetz der Heiligen Ehe gar löb 
ih und ehrenvoll zufammengegeben worden, in der Domlirche, am 
Montag nad) dem Sonntag Cantate, durch den Cardinal von Be 
logna, genannt Hojtienfis, welcher derfelbe Cardinal ift, der einem 
jeden Papft frönt, fo dag man ihm die allermeifte Würdigkeit bei 
legt. Darum, lieber Schwäher , ift folhe Zugebung Hier in dem 
heiligen Eoncil fo rühmlich und ehrenreihen zugegangen, daß wir 
alle deshalb dem allmächtigen Gott viel zu danken haben, als End 
dam Eure Räthe und Freunde, die dabei geweſen find, genauer er 
zählen werden. Ihr follt auch wifjen, daß uns unfere Tiebe Ge 
mahlin, Eure Tochter, in herzinniglicher Liebe mit allem ihrem Thun, 
Gebärden und Sitten zumal wohl gefällt, und wir hoffen zu Gott, 
daß wir bei einander fo lieblich und freundlich leben wollen, def 
wir das ewige Leben und ewige Freude verdienen werden“. — Der 
Herzog bittet weiterhin, die Gemahlin mit Briefen und Vollmachten 
in Beziehung auf die Vermögensverhältniffe hinlänglich zu verſehen, 
und fährt fort: „Dann lieber Echwäher, Yhr wißt wohl, wie Ihr 
fie zu ihrem Xeib gefertigt habt, da8 uns ſicher um Eures Anfe 
hens und auch ihrer und unfrer Ehre willen gar leid ift, da fo viele 
Leute das wifjen, daß die Fertigung zu ihrem Leibe füglicher und 
ordentlicher hätte gefchehen ſollen; wir wollten fider gern, fo viel 
das ausgemacht hätte, an unjerm Heirathegut weniger gehabt und 
empfangen haben?. Doch wie dem nu allem ift, fo Habt 


ı Concept im K. Haus: Archiv, in ber Korrespondenz Wilhelms mit bem 
Herzog von Cleve. 

? Diefe Aeußerungen zeigen jedenfalls, daß Herzog Wilhelm auf fürftli- 
hen Glanz etwas bieft, wie es auch in der Chronik eined Ungenannten (aus 
bem Ende bed 15. Jahrh.), bei Freiberg, Sammlung biftorifher Schriften und 
Urhinden I, ©. 175, hervorgehoben wird (f. nachher ©. 609). Aus feiner 
Correöpondenz im 8. Haus-Archiv, fowohl mit bem Herzog von Eleve ala mit 
Stephan von Hagenau, erfieht man, daß er feine Mühe fcheute, um feine Ge 


607 


Ihr uns eine foldhe fromme und Liebe Tochter gegeben, 
die wir höher als alle Güter halten und fhägen wol: 
len, und die uns lieber ift, denn irgend ein Out, das 
uns je zufallen möchte“. | 

Die gemüthvolle und liebenswürdige Art, welche den Herzog 
Wilhelm auszeichnete, konnte nicht verfehlen, ihm aud) die Gunft an» 
derer Frauen zu verfchaffen. Wir haben zufällig einige Briefe von 
älteren verwandten Fürſtinnen, die ung zeigen, wie gern fie ihren 
Better fahen und mit ihm in beiterm Scherz verkehrten !. 

Höher ift e8 anzufchlagen, daß aud Hervorragende Männer, 
mit denen er in Berührung fam, ihn Tliebten und verehrten. Auf 
die freundfchaftlihen Gefinnungen, welche ihm der Kaifer und fein 
geijtreicher Vicefanzler wiederholt bezeugten, möchte ich weniger Werth 
legen, da e8 ſchwer zu fagen ift, ob hier nicht vielmehr äußere In⸗ 
terejfen als innere Zuneigung maßgebend waren. Schwerer aber 
dürfte ein Zeugniß ins Gewicht fallen, das ihm der Cardinal Yulian 
ausgejtellt hat, worin der Präfident des Concils befennt, daß er ſich 
bern Herzog Wilhelm als einem Vater und Wohlthäter verpflichtet 


e. | 

Die Urkunde Yulians vom 14. Yan. 1435, auf die ich mich 
hier beziehe, iſt zugleich wohl das ältefte und competentefte Urtheil 
eines Zeitgenofjen über Wilhelms öffentliche Wirkſamkeit. Als näm- 


mahlin fon auf der Fahrt von Köln nad Bafel glänzend auftreten zu laſſen. 
Er war beforgt um bie paflenden Wagen und Pferde fowie um ein geziemen= 
des fürftliche Geleit. Daher bat er Herzog Stephan und feine Gcmablin 
bringend, feine Braut perfünli in Empfang zu nehmen, indem er an das 
Sprichwort erinnerte, daß ein Freund fih in ber Noth bewähren müfle Als 
Stephan dringender Gefchäfte wegen zur Erfüllung biefer Bitte nicht bewogen 
werben konnte, beſtand Wilhelm baranf, baß wenigftend die Herzogin und der 
ältefte Sohn die Braut durch die Pfalz’ geleiteten. Beiläufig mag bier daran 
erinnert werben, daß an ben berzoglihen Höfen in Bayern ſchon im 15. Yahrb. 
ein größerer Aufwand al? anderswo üblich war, To fehr, daß bie Franzoſen 
von ber Königin Iſabelle, Ludwig des Bärtigen Schwefter, fagen konnten: lu- 
xum ct pretiosarum vestium usum in aulam Francorum introduzit. Buchner, 
Geſchichte von Bayern, VI, p. 130 Anmerf. a. 

2 In dieſer Hinficht ift 3.8. eine Einladung der Pfalzgräfin Anna von 
Hagenan (T. V, fol. 245) bemerkenswerth. Wahrhaft rührend find manche ei: 
genhändige Briefe der Eliſabeth von Eleve, welche die zweite Gemahlin des 
Herzogs Stephan von Ingolftadt gewefen war und ſchon feit 1404 als Wittwe 
wieder in Köln lebte. Gie hatte ihrem Vetter bie Gemahlin zugeführt, und 
wurde nicht müde, fich immer wieder nach feinem Wohlergehen zu erfunbigen, 
wenn auch Wilhelm, wie es fcheint, über wichtigeren Gefchäften ihre Briefe zu 
beantworten vergaß. Hier bürfte auf eine Stelle aus einem Briefe Wilhelms 
an Kaſpar Schlick hingewieſen werben, die ich freilich nicht ganz verftehe (T. 
V, fol. 222). Der Herzog beflagt fich, baß er feinen Brief von Schlid erhalte. 
„Aber wir beforgen, wir fein gen dir won etlichen frauen verfagt worden, das 
wir doch nicht verbint Haben. Nu folt du Fainer gefchrift, die dir au Swa⸗ 
ben, Franden oder Bairn uber uns in clagweis käͤm, nicht gelauben, warn 
wir uns nimer bamit befumern, dann unfer allergn. herr ber r. k. und baß 
heilig concili bie uns fo vil zefchaffen geben, das wir aller ambrer fach gantz 
vergeflen unb bie zurud gelegt haben“. 


608 


fich über den Herzog, ein Jahr, nachdem er da8 Protectorat nieder: 
gelept, da8 Gerücht verbreitet wurde, daß er einen Mann, der vom 
Kaiſer an das Concil geſchickt fei, gefangen halte, und daß deshalb 
das Concil drohende Bullen gegen ihn erlaffen habe, fand fi In 
lian bewogen, öffentlich feinen Unmuth über eine ſolche Verleumdung 
auszuſprechen. Es fei ihm ſchmerzlich, erflärte er, wenn gegen eine 
fo gerechten nnd vortrefflichen Fürften in der Seele Jemandes and 
nur der geringfte Argwohn entftehen könne, und befonders in Sachen, 
die die Ehre und Sicherheit des Concils betreffen, das er felbft mit 
ausgezeichneter Sorgfalt und Umficht ftets beſchützt, befchirmt um 
gefördert habe. Er bekenne, fagt der Gardinal an einer andern 
Stelie feines offenen Briefes, daß jener Fürft fo wunderbar und 
herrlich, mit fo großer Weisheit und Einſicht das Protectorat dei 
Concils geführt, und gegen ihn perfünlich ſtets jo viel Liebe und An- 
hängfichfeit gezeigt habe, daß das gegenwärtige und alle künftigen 
Concifien den Herzog umd feine Nachkommen zu ehren unb zu erheben 
ſchuldig find, während er, der Legat felbit, ihn fir feine Liebe und 
Treue den größten Dank ſchuldig ſei!. 

Bald darauf erliegen die verfammelten Väter eine Bulle ähn- 
lichen Juhalts. Der Verherrlichung feiner Verdienfte um das Con: 
cil wird hier die Ueberzeugung beigefügt, daß der Herzog auch in 
allen anderen Dingen fi) recht und Töblich halte, wie fie denn aud 
in Erfahrung gebracht haben, daß er fchon lange Zeit ein Mann 
großer Frömmigkeit, Reinheit, Gerechtigkeit und Rechtichaffenheit fe. 

Mit diefem Zeugniß ftimmen die Urtheile mehrerer glaubwürdi- 
ger Echhriftfteller des 15ten Jahrhunderts überein. Wir jchließen, in- 
dem wir ihre Worte hierherjegen. Johannes Nider feiert den Her: 
zog Wilhelm al® pater pauperum et tutor omnium religiosorum, 
cujus quam laudabilis fuerit testantur orphanorum et vidu- 
arum lacrimae super eodem’effusae mortuo®. Veit Arnped 
preift an ihm: curlam suam multum ordinate tenuit, quia in 
omnibus ordinatus fuit, et multum in venando delectabatur. 
Bon dem Protectorat in Bafel jagt er: ubi ex fideli protectione 
magnam famam acquisivit*. In der deutfchen Bearbeitung der 


” Die Originalurfunde im Reichs-Archiv. Eine gleichzeitige Ueberſetzung 
findet fih T. V, fol. 118P u. 114. 

2 Experti enim sumus longo tempore, virum esse magne devotionis, 
integritatis,, justicie et rectitudinis, atque crga hoc’ sacrum concilium zelum 
affectumque semper habuisse, pro quibus ipsum ducem ac progeniem suam 
‚merito laudamus, commendamus, extollimus et benedicimus, asserentes, tot ac 
talia per ipsum ducem pro honore stabilitateque et felici progressu hujus 
secri concilii esse gests, ut universalis ecclesia atque hoc et futura omnia 
concilia ipsum ducem ac suam posteritatem paterno affectu diligere et omni 
honore graciaque et retribucione prosequi semper teneantur. Bulle vom 19. 
Februar 1435. Original im Reichs-Archiv; Weberfegung in T. V, fol. 113° 
der Fürftenfachen. 

5 J. Nider, in Formicario II, ec. 3 (Aſchbach IV, 333). 

* Pez, Thesaurus Anecdotorum III, p. 439. 


609 


felben Chronik lautet die Stelle: „Wilhelm etc. was weiß, regieret wol 
und hielt Föftlih Hof und was in allen Dingen ein gar geordneter 
Fürſt. Ihme was wol mit Jagen und Paißen. Anno 1431 ward 
Herzog Wilhelm von König Sigmund gemadt ein Statthalter deß Kö⸗ 
nige und ein Beſchirmer des Concilii zue Baſel, und auß feinem 
treulihen Beſchirmen erlangt er groß Lob und Preiß“. Johann 
Ebran von Wildenberg * wiederholt die erjten Worte: „Wilhelm was 
weis und regieret wol etc.“ und fährt dann fort: „Er was vil bey 
Kaifer Sigmunden , der nuget im vaft in ben zweien Concili zue 
Coſtnitz und Bajel, er was vil Stathalter des Kaijerd, im ward ge⸗ 
meiniclih aufgelegen die Röõmiſch Kron, ob er den Kaifer Sigmund 
überlebt“. Dieſe legte Nadjricht, daß man an Herzog Wilhelm als 
den Nadjfolger Sigmunds auf dem deutfchen Throne gedacht und 
fogar allgemein gedacht habe, hat meines Wiſſens von den Geſchichts⸗ 
fchreibern feiner Zeit der genannte bayerifche Chroniſt allein. Sie 
läßt immerhin auf die Popularität von Wilhelms Namen fchließen. 


. Beilage 


Die Berufung des Herzogs Wilhelm zum Protector des 
Bafeler Concils durch König Sigmund, am 11. October 
1431 3. 


Wir Sigmund von gotes gnaden Romischer kunig, zu. 
allen ziten merer des reichs und zu Hungern, zu Behem, Dal- 
matien, Croacien etc. kunig. Bekennen und tun kund offem- 
bar mit disem brieff allen den die in sehen oder horen lesen, 
das wir angesehen und betracht haben, das das heilig con- 


aFreyberg, Schriften und Urkunden Bb. I, S. 175. Nachdem Tange 
über die Autorfchaft der deutfhen Ehronif geftritten war — bie Einen wollten 
Auguſtin Kölner bie Andern Fuetrer zum Berjafler maden —, bat Schmeller 
(Dründen unter ber Vierberzog: Regierung 1397 — 1403, ©. 50 Anmerf.) 
zuerit die Vermuthung aufgeftellt, daß fie eine beutfche Bearkeitung von Arn⸗ 
pecks Chronicon Bajoariorum fei. ine genaue Bergleihung erhebt diefe Ver: 
mutbung zur Gewißheit; nur bag man flatt Bearbeitung faft überall Weber: 
feßung fagen könnte. Die Zufäge oder Auslaffungen in dem einem ober bem 
andern Tert erflären fich vielleicht theilweife aus dem Zuſtand der bis jett be⸗ 
nugten Haudſchriften. 

Defele I, S. 312. Es ift noch nicht gehörig beachtet worden, wie 
weit der Ritter von Wildenberg Arnpecks deutſche Chronik — zwifchen beiden 
können nur wenige Jahre liegen — benntzt hat; mir fcheint dieſe Benutzung 
eine fehr fleißige geweſen zu fein. 

85 Mad) dem Driginal auf Pergament, mit abgeriffenem Siegel, im 8, 
Reichs⸗Archiv. 


610 


ciium, das man gegenworticlich zu Basel haldet, durch 
widerbringunge der heiligen kirchen und ouch durch der 
gantzen kristenheit grosser notdurfft und nu“cz willen 

ment ist, und als wir uns yczund gen welischen landen zur 
fugen meynen, umb unsere und des heiligen richs grosse 
merkliche anligende sache zu handeln und ußzurichten,, be 
dunket uns notdurfit und bequemlich sin zuversorgen und 
zubestellen, das dasselb concilium in unserr abwesung red 
lich und vesticlich gehanthabt, beschirmet und in fride und 
rure behalden werde Wann wir nu° gantz getruen und zu 
versicht haben, das daz der hochgeborn Wilhelm pfalczgrave 
by Rin und hertzog in Beyern, unsern lieben oheim und 
furst, durch sin vernufit, redlicheit und vestickeit wol getun 
moge, und wann wir uns ouch sunderlicher liebe und ganczer 
true zu im versehen: dorumb mit wolbedachtem muete, gutem 
rate unser und des heiligen rich fursten, graven, edler und 
getruen, und ouch mit willen und gunst des vorgenanten 
conciliums, haben wir, als eyn vogt und beschirmer der her 
ligen kirchen, denselben Wilhelmen unsern stathalder, ver- 
weser und beschirmer des egenanten conciliums zu Basel 
gemacht und gesetzt, und im ouch unser gantze und volle 
macht und gewalt gegeben, setzen, machen und geben mit 
rechter wissen und Romischer kuniglicher macht, in craft 
diß briefs, demselben concilio an unser stat und von unsern 
wegen vorczusin, und das ouch zuhanthaben, zubeschirmen, 
und alles das zutusn, das dorynne und dortzu von unsem 
wegen und an unser stat notdurfft zutun ist, und das wir 
selber getun mochten, ob wir gegenwortig weren, und besun- 
der, ob yemand wer der were dasselb concilium leidigen, 
oder sine gelider, oder die die dorczu und davon tziehen, hin- 
dern, nyder werffen, berouben oder leidigen wurde, das er 
den strafen, fur den und sine slosse ziehen, die beligen und 
notigen moge, als er beste kan, und ouch von der selben 
macht an unserer stat allen und iglichen bischoffen, prelaten, 
fursten, herren und steten, uberall in dem heiligen riche won- 
haftig gesessen und dorynn gelegen und dorczu gehoren, 
zugebiten, sie zu vordern und zu heissen und zu ermanen, 
zu demselben concilio zukomen oder mit voller macht dahin 
zusenden, das concilium helffen zuhalden, notdurftige sachen 
ußtzurichten, und das concilium und die leute, die dortzu 
und davon mit iren gut tziehen, zubeschirmen, helffen und 
zuhanthaben. Ouch das der vorgenant Wilhelm allen und 
iglichen fursten, geistlichen und werltlichen, graven, fryen 
heren, rittern, knechten, burgermeistern, reten und gemeyndeu 
der stete, merkte und dorffere gebieten sol und mag, das sy 
alle die lute, die zu dem heiligen vorgenanten concilium 
und davon tziehen, durch ire lande, stete, slosse, merkte, 


611 


dorffere und gebiete geleiten, und sicher und fry mit iren 
liben, gutern, koufmanschatz; koste, spise, trank und ander 
habe faren, ryten und tziehen, und ouch uß iren landen und 
steten koste, spyse und koufmanschatz dahin zu demselben 
heiligen concilium furen und brengen lassen, und ob eyniche 
kriege oder misshellung in den Tanden und enden weren 
oder ufferstunden, die das concilium hindern oder irren moch- 
ten, das dann der obgenant hertzog Wilhelm unser stathal- 
ter die abschaffen, abtun, verbieten und verrichten moge. 
Und wir gebieten ouch dorumb allen und iglichen fursten, 
geistlichen und werltlichen, graven, fryen, rittern, knechten, 
amptluten, burgermeistern, reten und gemeinden aller und ig- 
licher stete in Swaben und in Elsaß gelegen, und nemlich 
unsern und des richs undertanen und getruen ernstlich und 
vesticlich mit diesem brieve, das sy dem vorgenanten Wil- 
helmen in allen und iglichen sachen das vorgenant concilium 
und sin beschirmuge und notdurfit antreffenden gehorsam 
und gewertig, und so er sie muntlich oder mit sinen brieven 
oder botschafften manet, zu im ziehen und im getrulich und 
ernstlich beholffen und beraten sein sollen, on alles vertziehen 
und widersprechen, als lieb in sey unsere und des richs swere 
ungnade zuvermyden. Mit urkund ditzs briefs versigelt mit 
unserer kuniglichen majestat insigel. Geben zu Feltkirch 
nach Crists gepurd virtzehenhundert jar und dornach in dem 
einunddrissigisten jare, am donerstag nach sand Dionisy tag, 
unserer riche des Hungerischen etc. im funffundvirtzigisten, 
des Romischen im czweiundtzwenzigisten, und des Beheim- 
schen im czwelfften jaren. 


Ad mandatum d. regis 
Caspar Sligk. 


1. Beilage. 


König Sigmund giebt dem Herzog Wilhelm eine neue und 
erweiterte Vollmacht, über den Landfrieden zu wachen, bat. 
Luca 25. Yuni 1432 1. 

Wir Sigmund von gotes gnaden Romischer kunig, zu 
allen cziten merer des richs und zu Hungern, zu Behem, Dal- 
macien, Croacien etc. kunig. Bekennen und tun kund mit 


2 Nach dem Driginal auf Pergament mit Siegel im K. Reichs-Archiv. 


612 


disem brief allen den die in sehen oder ho'ren lesen. 
Nachdem und (?) wir durch schickung des almechtigen gotes zu 
Romischem kunig und beschermer des heiligen richs erkore 
sein, und uns von keyserlichen rechten und gesetzen zu ge 
buret, das recht zu furdern und des heiligen richs straß 
allenthalben zu beschirmen, so ist ye und ye unsers herize 
begird gewesen, und noch ist, das unrecht zu straffen, wo 
sich das findet, und fride zemachen. Wiewol wir aber yets 
von des heiligen richs sach wegen, dorynne wir uns teglich 
üben, der gantzen cristenheit zenucz und trost, selbs dorczu 
mit der tate nit getun mügen, als wir dann gerne teten, 50 
vermeinen wir doch unredlich krieg und rauberei in dem 
riche nit zuleiden, der yetzo ain teil mit fraveler band uf 
des heiligen richs straß an geistlichen und werntlichen luten 
gescheen sind, oder noch Binfür in cziten gescheen moch- 
ten, sunder darczu tun und die lassen straffen, als sich ge 
buret, nach gelegenheit der sach. Dorumb mit wolbedach- 
tem mute, guts rats unserer und des heiligen richs fursten, 
graven, heren, rittern, knecht und getrewen, so haben wir dem 
hochgeboren Wilhalm pfalczgraven bey Rine und hertzogen 
inBeyren, unserm stathalter, fürsten und lieben oheim, ganczen 
vollen gewalt geben, all unredlich krieg und rauberei, wo die 
in dem heiligen riche und von wem die geschehen, mit un- 
ser macht und in unserm namen, dorczu mit seinem vermö- 
gen zutun, und geben im des unsern ganczen vollen gewalt 
von Romischer kuniglicher machtvolkomenheit in craft dik 
briefs, das er solich unredlich krieg wend und abpring, wie 
in des dann am pesten beduncken werd, auch solich rauber, 
die uff des heiligen richs strassen rauben und die leut schin- 
den, straffe, wo er die betreten mag, in steten, merckten oder 
geslossen, und dortzu unser und des heiligen richs panier 
nücz und gebrauch, die wir im gegeben haben, das er die 
in unserm abwesen Teütscher land wider alle die die unred- 
lichen krieg und rauberei treiben, dardurch das heilig con- 
cilium, das in dem namen des heiligen geists zu Basel elich 
besamet ist, auch des heiligen richs straß, sein land und 
lüte bekumert werden, auch wider die, die solich krieger 
und rauber hinschieben, hausen oder hoven, ufwerff und 
fure; wann er aber das selbs nit getun mag von notdurft we- 
gen des heiligen concili, unser oder des heiligen richs ge- 
schefte, das er dann unser panir einem andern fürsten, gra- 
ven oder des richs manne, der im dorczu gevallet, bevellı, 
wider solich krieger und rauber, hinschieber und behawser 
uffzuwerffen und zu nüczen, als offt des not ist, und alles 
das dorynne fürhand zunemen, das zu solichen sachen nucz 
und bequemlich ist, glicherwis als ob er das selber tete, da- 
mit solich unredlich kriege und rauberei gewendet und ge 


613 


straft werden. Wir haben im ouch unsern vollen gewalt 
geben, alle und yglich unser und des heiligen richs fürsten, 
eistlich und werntlich, auch allen graven, herren, ritter, 
echt, man und stet zu soelichen sachen anczurüffen, zu ma- 
nen und zu gebieten, im von unsern wegen hilflich und bey- 
stenticlich zu sein, solang biß solich krieg und rauberei ge- 
wendet und gestraft werden, und doruff wir euch allen und 
yglichen unsern und des heiligen richs kurfürsten, fursten, 
geistlichen und werntlichen, dorczu allen graven, fryen her- 
ren, rittern, knechten, schultheissen, vogten, richtern, burger- 
meistern, ammeistern, zunftmeistern, reten aller stet, merckt 
und gemein, den der brief oder vidimus davon getzeigt wirdet, 
vesticlich und ernstlich gebieten, bey den eyden, die ir uns 
und dem heiligen rich getan habt untl schuldig seit: wann 
euch der vorgenant hertzog Wilhalm von sulcher krieg und 
rauberei wegen ermanen, anruffen und gebieten werde und 
dorczu tun welle, das ir dann im, oder wem er unser banir 
furbas emphellen wurde, hilflich und beigestentig seit, mit 
allem ewerm vermogen, glicherwise als ob wir selbs dabey 
wören; das wellen wir gen euch allen und ewer yedem ge- 
nediclich erkennen. Welich aber des nit teten, so er si er- 
manet het, der oder dieselben sullen in unser und des richs 
ungenad verfallen sein, und dorcezu in ein swere pene, die 
wir uber solich ungehorsam wollen geen lassen, on alles ab- 
lassen. Mit urkund diß briefs versigelt mit unserm kunig- 
lichen majestat insigel. Geben zu Luca, nach Crists gebürt 
virtzehenhundert jar und dornach in dem zweyunddrissigisten 
jare, an sand Peter und sand Pauls der heiligen zwelfboten 
abent, unserer riche des Hungrischen etc. im sechsundvir- 
tzigisten, des Romischen im zweyundtzweinczigisten, und des 

Behemischen im zwelften jaren. 

Ad mandatum domini regis 


Caspar Sligk. 


1. Beilage. 

Eberhard Windel an den Herzog Wilhelm, in feiner Streit- 
fache gegen den Spitalmeifler zu Presburg, Schulden halber. 
dat. Mainz, 9. Mat 14321, 

Dem allerdurchluchtigesten hochgebornen fursten und 
2 Mach dem Original im K. Reichs-Archiv, mit den Eigenthümlichfeiten 


und Fehlern der Handſchrift. Nur die Snterpunction und große Buchftaben 
wurbeu geänbert. 


I. 40 


614 


herren hern Wilhelm von gottes gnaden phaltzgrave by Ryne, 
hertzogen in Beyern, mym gnedigen lieben herren, enbieden 
ich Ebirhart Windeck zu Meincz mynen ottmütigen! gehor- 
samen willigen dinst. Gnediger lieber herre. Also als mir 
üwer furstliche gnade in uwern werdigen brieff gesant und 
geboden haid, den ich gar demütilichen enphan und uff ge- 
nomen habe, dar inne mir uwer furstliche gnade geburt von 
entphelnische unsers aller gnedigesten herren des Romischen 
etc. koniges vor uwer gnade uff den zwenczigesten dag, nach 
dem mir dann uwer furstlicher brieff geantwort worde, mich 
da zu stene gein den spy*tal meystern zu Prespürg odir irm 
procrator von schulde wegen, die ich dam spy“tal schuldig 
solle seyn, züm rechten zu vor antworten: da soll uwer durch- 
luchtigeste furstliche gnade wisßen in rechter warheyt, daz 
ich dem spy-etal alle myne tage nye heller noch phennig 
schuldig wart und aüch noch nit bin, des ich hoffen, daz in 
dem rechten erkant solle werden, und gleuben daz gancz, 
das unser gnediger herre der Romische konigk odir synen 
reden soliches vornemen recht in warheyt furbracht were, 
also is dann an im selber ist, syner konigclichen gnade 
hette solichen brieff nit lassen vor schriben odir uwern durch- 
luchtigesten furstlichen gnaden nit befollen. Dann gnediger 
lieber herre, ich bin umb soliche ansprache durch den Jorge 
Hottel an daz heyligen riches hoffegericht geladen gewest, 
und alda ist orteyl und recht gesprochen nach inhalde des 
selben orteyl brieffes, den ich zu uwern gnaden senden zu 
vorhoren, und hoffen und getruwen zu got uwern furstlichen 
gnaden, daz iß billich by dem orteil und rechten vorliben 
solle an dem hoffgericht uz zu dragen. Wer is aber sache, 
daz man mich mit zweyn ruden odir rechten slahen wulden, 
des ich doch mich genczlichen zu uwer furstlichen wysheyt 
nit vorsehen noch hoffen, mich dan uwer furstliche gnade 
darinne gnedeliche gerüche zu vorsorgen umb godes ere und 
' gerechtekeyt willen; solde odir müst ich ye von dem orteyl 
des hoffegerichtes dreden und ferrer kommen, so bidden ich 
uwer furstliche gnade, mir myne tage lenger zu strecken und 
zu lengen widder zu seczen, off daz ich myn kuntschafft und 
anders moge zu brengen, wan der proch an mir nit ist ge- 
west, sunder der haß ungünst und nyt mich darinne haid 
gehindert und dot der lude die da lange gestorben sind; 
also ich daz ab got wol by brengen wil, wie daz recht dann 
erkennet, und daz magk myne dyener wol berechten; gne- 
digester lieber herre, so were ich aüch selber gehorsam ge- 
west und were kommen, so kan nach magk ich nit kommen 
von erhafftiger noyt, grosser fyentschafft und schulde wegen, 


2 S$t-muot — dömiit. 


615 


da mit die burger und bysesfier zu Meincz leyder beladen 
sint, dar dürch ich libes und gudes nit sicher were, und 
müst ich ye kommen, so bidden ich uwer furstliche gnade 
mir oya geleyde zu geben in uwern furstlichen brieffen, nach 
inhalde eynes brieffes, den mir myn allergnedigester herre 
der Romische konigk sant zu sinen gnaden zu kommen auch 
umb die sachen und ander. Jch hoffen und getruwen uwer 
furstlichen gnaden wysheyt wol umb godes ere und der ge- 
rechtkeyt willen, uwer gnade laß mich by den ersten rechten, 
dar inne ich noch von der sachen wegen hangen, dar umb 
uwer furstliche gnade gein got dem almechtigen gnade er- 
werben und gein der wernt der gerechtkeyt lob und danck, 
da midt bydden ich got aller herren herre uwer furstliche 
gnade zu bewaren mit allen uwern getruwen retten. Geben 
under mynem ingesyegel uff frytag nach sanct Gothardus 
dag, anno domini MPCCCC® trigesimo secundo. 


Göttingen, 
Drud der Dieterichfchen Wniv.: Buchdruderei. 
(W. Fr. Käſtner.)