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Full text of "Fortschritte der Veterinär-Hygiene 3.1905-06"

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Fortschritte ^Veterinär-Hygiene 

Redaktion: 

Dr. O. Profe 

Kgl. Kreistierarzt 
Cöln. 


III. Jahrgang 1905/06. 


"III 




BERLIN SW. 61 . 

Verlag von 

Louis Marcus Verlagsbuchhandlung 

Tempelhofer Ufer 7. 


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MAYie 1921 
Library 


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1’vlAY 16 id 21 
Af. EI. O 


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Inhalts-Verzeichnis. 


Seite 

Originalien. 

Bericht vom VIII. internationalen tierärzt¬ 
lichen Kongress.145, 169, 193 

Fisolioeder, Zum Nachweis des Milzbran¬ 
des durch Züchtung (mit 4 Lichtdruck- 

Tafeln .217 

Foth, Feststellung einheitlicher Grundsätze 

für die Beurteilung der Malleinreaktion 241 
Glage, Die Rotlaufimpfung, unter besonde¬ 
rer Berücksichtigung des Verhaltens der 
Schweineseucheerkrankung nach dersel- 
l>en und der sonst beobachteten üblen 


Zufälle (Fortsetzung und Schluss) . . 3 

Gut zeit, Beitrag zur Aetiologie der Fleisch¬ 
vergiftungen (mit 9 Abbildungen) 125, 155. 182 
.T, de Haan, Ein Fall von Uveitis malleotica 49 
Immendorff, Ueber Futterkalk .... 11 

Infektiöser Scheidenkatarrh, Kälberruhr, Aph¬ 
thenseuche, neuere Therapie und Pro¬ 
phylaxe . 15 

Kaiser, Zur Kenntnis der Transsudate und 
Exsudate bei Tieren unter normalen und 


pathologischen Verhältnissen . . . 25, 50 


Perron cito, Der Einfluss der Kälte auf das 

Aphthenseuchevirus. 78 

Preussens Kreistierärzte. 1 

Profe, Tierseuchen und Seuchengesetz (mit 

1 Kurve). 73 

—, Ueber das Vorkommen eines Mikrokokken 

in Tumoren.210 

—, Zur Technik der Trichinenschau (mit 1 

Abbildung) . 31 

Sc heben, Zur Kenntnis der Helmin thiasis 
nodularis intestinalis des Rindes (mit 13 

Abbildungen).97, 121 

Stolpe, Ueber die mittels der Agglutination 
nachweisbaren Beziehungen des Strepto¬ 
coccus equi zu den vom Menschen stam¬ 
menden Streptokokken.205 

Bücheranzeigen. 

Bermbach, Ueber Präzipitine und Anti¬ 
präzipitine . 72 

—, Untersuchung des Blutes mittels eiweiss- 

präzipitierender Sera. 72 

Baruchello und Mori, Sulla biologia del 
cosi detto tifo o Febbre petecchiaie del 

cavallo.210 

Clausen. Grundriss der Trichinenschau 24, 21G 
Copper, Der Uebergang bestimmter Stoffe 

von der Mutter in das Fruchtwasser . . 1G8 

Froehner-Wittlinger. Der preussische 

Kreistierarzt, Bd. IV. 22 

Heine, Hilfsbucii des Fleischl>esehauers . 24 

—, Leitfaden der Trichinenscliau. 24 

H ofer, Handbuch der Fischkrankheiten . . 24 

Hutvra und Marek, Spezielle Pathologie 

und Therapie der Haustiere, Bd. I 168, 214 


Seite 


Jahresbericht über die Verbreitung von Tier¬ 
seuchen im Deutschen Reiche, 18. .lahr¬ 
gang, 1903 . 72 

de Jong, Veterinaire Pathologie en Hygiene 21 
Kitt, Lehrbuch der allgemeinen Pathologie 23 
Koenig, Veterinär-Kalender 1905 .... 24 

—, Veterinär-Kalender 1906 . 1G8. 215 

Le Traducteur. Französisch-Deutsch . . 24 

Long-Preusse, Praktische Anleitung zur 

Trichinenschau. 21 

Mazzini, Agazzi Contributo alla diagnosi 

sperimentale della morva. 72 

—, Una Visita ai Macelli di Roma e di Na¬ 
poli . 72 

liibbert, Die Entstehung des Karzinoms . 215 

»Sc hmal t z, Deutscher Veterinär - Kalender 

1904—1905 . 23 

—, Deutscher Veterinär-Kalender 1905 bis 


Schnorf, Neue physikalisch - chemische 


The Translator, Englisch-Deutsch. 24 

Veröffentlichungen aus den Jahres-Veterinär- 

Berichten 1903 . 216 

Oeffentliches Veterinär-Wesen. 

Allgemeine Verfügung betr. das aus oder 

nach Luxemburg gehende Fleisch . . . 1G2 

Ausführungsbestimmungen zu § 2 des Milz¬ 
brandentschädigungsreglements .... 165 

Bekanntmachung, betr. Abänderung der Vor¬ 
schriften über die Prüfung der Tierärzte, 

vom 14. Dezember 1905 . 249 

Bekanntmachung betr. die Ausführung des 
R. G. über Beseitigung von Ansteckungs¬ 
stoffen lx?i Viehbeförderungen auf Eisen¬ 
bahnen .104 

Bekanntmachung betr. die Fleischbeschau¬ 
gebühren .130 

Bekanntmachung betr. Freizügigkeit des 

Fleisches .. 84 

Erlass betr. das Sterilisol als Konservierungs¬ 
mittel . 81 

Erlass, betr. den Rang der Lehrer der tier- 
ärztl. Hochschulen, sowie der Departe¬ 
ments- und Kreistierärzte.130 

Erlass betr. Herstellung von Kulturen des 

Loefflerschen Mäusetyphus-Bazillus . . 79 

Influenza unter den Pferden. 81 

Massregeln zur Vorbeugung der Echino¬ 
kokkenkrankheit .111 

Perniziöse Anämie in Frankreich .... 112 

Polizei-Verordnung betr. die ausschliessliche 
Zuständigkeit der tierärztlichen Fleisch¬ 
beschauer . ... 129 

Polizeiverordnung betr. Massregeln gegen die 

Rinderpest.112 

Reglement zur Ausf. des Gesetzes l>etr. Ent¬ 
schädigung für an Milzbr. gef. Tiere , . 162 


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Inhalts-Verzeichnis. 


IV 


Seite 


Rinderpest in Aegypten.112 

Runderlass betr. die Behandlung des Fleisches 

„nüchterner“ Kälber.162 

Stand der Tierseuchen im Deutschen Reich 

am 15. März 1905 . 16 

Stand der Tierseuchen im Deutschen Reich 

am 15. April 1905 35 

Stand der Tierseuchen im Deutschen Reich 

am 15. Mai 1905 . 55 

Stand der Tierseuchen im Deutschen Reich 

am 15. Juni 1905 . 79 

Stand der Tierseuchen im Deutschen Reich 

am 15. Juli 1905 . 104 

Stand der Tierseuchen im Deutschen Reich 

am 15. August 1905 . 129 

Stand der Tierseuchen im Deutschen Reich 

am 15. September 1905 . 161 

Stand der Tierseuchen im Deutschen Reich 

am 15. Oktober 1905 . 191 

Stand der Tierseuchen im Deutschen Reich 

am 15. November 1905 . 213 

Stand der Tierseuchen im Deutschen Reich 

am 15. Dezember 1905 ....... 225 

Stand der Tierseuchen im Deutschen Reich 

am 15. Januar 1906 . 249 

Stand der Tierseuchen im Deutschen Reich 

am 15. Februar 1906 . 286 

Tarif für die Gebühren der Kreistierärzte in 

gerichtlichen Angelegenheiten .... 133 

Tierseuchen in Canada.225 

llebersicht über den Stand der ansteckenden 
Krankheiten der Haustiere in der Schweiz 

im Jahre 1905 . 286 

Verfügung betr. Aufbewahrung der Fleisch¬ 
beschaustempel . 84 

Verfügung betr. Wiederholung der Fleisch¬ 
beschau . 82 

Verordnung lietr. den Verkehr mit Kuhmilch 85 
Verordnung betr. den Verkehr mit Tuber- 

kulinum Kochi. 80 

Verordnung betr. die Tagegelder und Reise¬ 
kosten der Veterinärbeamten .... 131 

Verordnung über Inkrafttreten des Gesetzes 

betr. die Dienstbezüge der Kreistierärzte 131 


Varia. 


Als leben, M., Giftigkeit des normalen 

Darminhalts.2 ?3 

TI. Deutscher Kolonial-Kongress, Berlin . . 144 

Führung des tierärztlichen Doktortitels . . 264 

Gründung einer deutschen Gruppe des milch- 

wirtschaftlichen Welt verba ndes ... 263 

Hatschek, Neue Theorie der Vererbung . 264 

Internationale Konferenz über die tro¬ 
pischen Tierkrankheiten. 22 

VIII. Internationaler Tierärztlicher Kongress. 


Internationaler Tuberkulose-Kongress . . . 141 

Perkuhn, Stalldesinfektion mittels Lingner- 

Apparates.262 

Preussens Kreistierärzte. 1 

77. Versammlung Deutscher Naturforscher 

und Aerzte. 142 


Referate. 

Allgemeine Bakteriologie und Untersuchungs- 
metlioden. 


Baruehello. Untersuchungen über die 

Darmstreptokokken des Pferdes .... 201 

Bodon, Untersuchungen über die molekulare 
Konzentration der pathologischen Flüs¬ 
sigkeiten . 36 

Brunner, Beitrag zur Anaerohenzüohtimg . 238 


No. 1—12 
Seite 


Caporali und Rizzacasa, Organe als Nähr¬ 
medien für Mikroorganismen. 37 

Carini, Kuhpoekenlymphe und Tetanus . . 37 

Carl, Zur Milzbranddiagnose. 38 

Detre und Seilei, Ueber die hämolytische 

Wirkung des Sublimats. 36 

Engel, Refraktometrie bei der Unterschei¬ 
dung entzündlicher und nichtentzünd¬ 
licher Flüssigkeitsansammlungen . . . 238 

Foä, Die Agglutinationserscheinung . . . 261 

Hel ly, Exsudatzellen und deren Beeinflus¬ 
sung durch Bakterien.114 

Henke und Zeller, Aceton-Paraffin-Schnell- 

einbettung. 39 

Hofstädter, Das Eindringen von Bakterien 

in Kapillaren.113 

Kern, Ein neues Bakterienfilter.116 

Lewandowsky, Wachstum von Bakterien 

in Salzlösungen.115 

Maurice Boigey, Ueber acidophile Bak¬ 
terien .115 

Orszäg, Einfache Methode zur Färbung von 

Sporen.237 

Pietro, Empfindlichkeit der Tiere gegen 

Penicillium glaucum ..239 

Rosenthal, Erzeugung hochwertiger Agglu¬ 
tinationssera .115 

Sitsen. Ueber Aceton-Paraffineinbettung . 239 

Stölting, Ueber Lebensfähigkeit der mit 
kleinsten Tröpfchen versprühten Bak¬ 
terien . 30 

Uffenheimer, Die Durchgängigkeit des 
Magendarmkanals neugeliorener Tiere für 

Bakterien und Eiweissstoffe.113 

Rolly und Liebermeister, Untersuchun¬ 
gen über die Ursachen der Abtötung der 

Bakterien im Dünndarm.260 

Wrzosek, Experimentelle Beiträge zur Lehre 

von dem latenten Mikrobismus .... 35 

—, Züchtung der Anaeroben in den 

lufthaltigen Medien.238 

Zieler. Färbung schwer färbbarer Bakterien 110 


Desinfektion. 


Jakorleff, Tiefenwirkung gasförmiger des¬ 
infizierender Substanzen. 96 

Ivischensky, Desinfizierende Eigenschaften 

des Natrium hyperboracicum .... 96 

Lode, Desinfektion der Personen-, Vieh- und 

Güterwagen der Eisenbahn. 95 

Rodziewicz, Einfluss des Argentum colloi- 

dale auf das Blut.240 

Schnürer und Januschke. Desinfektion 

der Viehwagen mit Formaldehyd . . . 240 

Tonello, Wasserreinigung mit Tacliiol . . 95 

Vincent, Antiseptische Eigenschaften des 

Eisen sulfates.240 

Ernährung, einschliesslich der Fleisch- und 
Milchhygiene. 

Ballo, Bestimmung des Sehmutzgehalte§ in 

der Milch.135 

de Blasi, Ueber die Passage der Antikörper 
in die Milch und ihre Absorbierung im 

Säuglingsdarm. 134 

Cao. Chemische Milchsterilisation .... 136 

Dabrowski, Welche Desinfektionsmittel 

verleihen der Milch ihren Geruch . . . 135 

Heyken. Steigerung des Milchertrages durch 

Tränken mit gutem Wasser.136 

Jarmatz, Die verschiedenen Melassearten 

als Hafer-Ersatzmittel.137 

Klein, Verbreitung des Baeillus enterid. 

Gärtner in der Kuhmilch.135 


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No. 1-12. 


Inhalts-Verzeichnis. 


V 


Seite 


Rullmann, Ueber die Reaktionen der oxyd. 

Enzyme der Kuh- und Frauenmilch . . 133 

Seligmann, Einfluss von Aldehyden auf die 

Oxydasen der Milch.134 

Tangl und Farkas, Untersuchungen über 
den Stoff- und Energieumsatz des be¬ 
fruchteten Forellen-Eies . . 1 . . . 136 

Teichert, Bakt.-cliem. Studien über die 

Butter in der Provinz Posen.136 

Weissflog, Beobachtungen über die Milch, 

besonders Kollostralmilch ..135 

Immunität und Schutzimpfung. 

Aruch und Petrini, Zur Frage über Rotz- 

immunitat und Rotzheilung. 17 

Bertarelli, Aktive und passive Immunisie¬ 
rung der Neugeborenen.118 

Bisanti, Schutzimpfungen gegen Geflügel¬ 
cholera .120 

Bremener, Einfluss des Diphtlieriegiftes 
auf den Stickstoff- und Salzwechsel bei 

den Tieren.120 

Capellani, Schutzkraft der Leukocyten . . 117 

Detre und Seilei, Die blutlösende Wirkung 

des Tetanusgiftes. 259 

Fehsenmeier, Die Impfungen gegen Rot¬ 
lauf der Schweine in Baden.258 

Friedberger und Moreschi, Aktive Immu¬ 
nität von Kaninchen gegen Cholera und 

Typhus. 259 

Holterbach, Dauer der Immunität bei 

Druse. . 259 

Jemma, Schutz vor der Tuberkulose mittels 

der Milch immunisierter Kühe .... 192 

.Tensen, C. O., Ueber Kälberruhr und deren 

Verhütung durch Seruminjektionen . . 258 

Jungklaus, Ein Beitrag zur Milzbrand¬ 
impfung .120 

Klein, Ueber Ervthropräcipitin.256 

Koch, Schütz," Neufeld, Miessner, 

Ueber Immunisierung von Rindern 

gegen Tuberkulose.191 

Konrddi, Ist die Wut vererbbar ! .... 41 

Kr ei dl und Mandl, Experiment l>ei träge zu 
Wechselbeziehungen zwischen Fötus und 

Mutter. 42 

Lieber, Ueber die bakterienfeindlichen 

Stoffe des Blutfibrins.257 

Löffler. Neues Verfahren zur Gewinnung 

von Antikörpern.256 

Marie, A., Untersuchungen über das anti- 

rabietische Serum.120 

Markl, Ueber den Mechanismus der Abwehr 
des Organismus bei Infektion mit Tu¬ 
berkelbazillen . .. 17 

Neufeld und Rimpau. Ueber die Anti¬ 
körper des Streptokokken- und Pneumo- 

kokken-Immunserums . 17 

Otto! eng hi und Mori, Wirkung des Aethyl- 
äthers auf hämolythische und bakteri¬ 
zide Sera ..." . 43 

Remlinger, Ueber Wutgift und Wut¬ 
impfung . 42 

Remlinger und Mustapha Effeiuii, Wut¬ 
impfungen beim Rinde ....... 18 

Sacconaghi, Leukocvtose. Immunität . . 116 

Schnürer, Zur präinfektionellen Immuni¬ 
sierung der Hunde gegen Lyssa .... 118 

Semmer. Heilbarkeit des Rotzes und der 

Tuberkulose. 40 

Spangarn. Tntorno plPazinne betterieida 
del sangue puro etc. verso il baeillo del 

carbonchio . 258 

Theiler, Die Simultanimpfung gegen Rin¬ 
derpest . .... 258 


Seite 


Tizzoni und Panichi, Zerstörung des 
Pneumoniekokkus im Blute immunisierter 

Tiere. 40 

Turro und Suner, Mechanismus der natür¬ 
lichen Immunität.117 

Waele und Sugg, Untersuchungen über 

Kuhpockenlymphe.259 

Wolff, Ueber Grundgesetze der Immunität 16 
Zupuck, Ueber gattungsspezifische Immuni¬ 
tätsreaktionen . 39 


Infektionskrankheiten. 

Abba und Bormanns, Methode der Wut- 
- diagnose auf histologischem Wege . . 87 

Almqui st, Kultur von pathogenen Bakterien 

in Düngerstoffen.287 

Arloing, Schlusssätze über die Beziehun¬ 
gen zwischen der Menschen- und Tier¬ 
tuberkulose .231 

Bahr, Bakterien zur Vertilgung von Ratten 

und Mäusen.255 

Bail, Ueber Empfindlichkeit bei tuberku¬ 
lösen Tieren. 19 

Bartel und Stein, Zur Biologie schwach¬ 
virulenter Tuberkelbazillen. 62 

Bashford, Wachstum des Krebses . . . 235 

Beck, Zur Frage der säurefesten Bazillen 60 
v. Behring, Ueber alimentäre Tuberkulose¬ 
infektion im Säuglingsalter. 55 

Bertarelli, Experimentelle Untersuchun¬ 
gen über die Tollwut.234 

—, Ueber Tuberkulose der Reptilien ... 59 

Bonome, Schwankungen des Agglutinin- 
und Präzipitingehaltes des Blutes bei 

der Rotzinfektion. 63 

Bossi, Untersuchungen über den Uebergang 
der Tuberkelbazillen von der Mutter auf 
den Fötus bei Kaninchen und Meer¬ 
schweinchen . 19 

Calmette et Gnärin, Vallee. Die Ent¬ 
stehung der Tuberkulose.250 

Carles, Keimfreie Eier.288 

Dago net, IJebertragbarkeit des Karzinoms 71 

Den zier, Die Bakterienflora das Genital¬ 
kanals des Rindes. 167 

de Does, Ein Fall von Pseudo-Malleus der 

Testikel eines Pferdes. 69 

Eber, Experimentelle Uel>ertragung der Tu¬ 
berkulose vom Menschen auf aas Rind 89 

—, Widerstandsfähigkeit vor behandelter Rin¬ 
der gegen Tuberkulose-Infektion ... 88 

Ficker, Zur Rotzdiagnostik. 87 

Flügge, Erwiderung auf v. Behrings Ar¬ 
tikel: Ueber alimentäre Tuberkulose-In¬ 
fektion . . 56 

Friedmann, Beiträge zur Frage kongeni¬ 
taler Tuberkulose . . . ..227 

Goggia, I fenomeni di necrobiosi presentati 

dai l)acilli tubercolari.287 

Guszmann, Experimente über Implantation 

von Hautteilen . 72 

Hess, Bericht über die von der Gesellschaft 
schweizerischer Tierärzte veranstaltete 
Untersuchung betreffend die Knöten- 

seuche.213 

Heymans. Pleurale und peritoneale Tuber¬ 
kulose des Rindes.232 

Hoffman n, Wachstum von Tuberkel-Ba¬ 
zillen auf 10 o/o Glyzerinkartoffeln ... 90 

Hoefnagel, Tuberkelbazillen im Fleische 90 

Hollandt, Die Zungenaktinomykose des 

Schweines.253 

Hunter, Pest bei Katzen.254 

Jarosch, Ueber Septikämie der Truthühner 214 


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VI 


Inhalts-Verzeichnis. 


No. 1—12 


Seite 


de Jong, Steigerung der Virulenz des 
menschlichen Tuberkelbazillus zu der 

des Rindertuberkelbazillus. 60 

Justus, Der physiologische Jodgehalt der 

Zellen. 72 

Kanitz, Der Wert der Röntgenbehandlung 

bei Favus.256 

Karlinski, Zur Frage der gerininativen 

Tuberkulose bei Tieren.227 

Karwacki, Bakterienflora der malignen Tu¬ 
moren .235 

Klein, Feber einen neuen tierpathogenen 

Vibrio . 71 

Kleine, Neue Untersuchungen über die 

Hühnerpest .253 

Kleine und Möllers, Feber Hühnerpest 

bei Gänsen.214 

Klemperer, Experimenteller Beitrag zur 

Tuberkulosefrage.60 

Koiirädi, Weitere Untersuchungen zur 
Kenntnis der Symptome und Prophylaxe 

der experimentellen Lyssa. 66 

Korczynski, Einfluss der Tuberkulotoxine 
auf Entwickelung und Giftigkeit anderer 

Bakterien. 19 

Koske, Welche Veränderungen entstehen 
nach Einspritzung von Bakterien. Hefen. 
Schimmelpilzen und Bakteriengiften in 

die vordere Augenkammer?. 64 

—, Zur Frage der Uebertragbarkeit der 
Schweineseuche auf Geflügel und der Ge¬ 
flügelcholera auf Schweine durch Ver¬ 
füttern ng .. 63 

Kos sei, Schlusssätze über die Beziehungen 
zwischen der Menschen- und Tiertuber¬ 
kulose .231 

Kossel und Weber, Beziehungen der Men¬ 
schen- und Tiertuberkulose.228 

Kossel, Weber, Heuss, Vergleichende 
Untersuchungen über Tuberkelbazillen 

verschiedener Herkunft II. 56 

Krompecher, Untersuchungen über das 
Verhältnis von Epithel, Endothel und 

Bindegewebe zueinander. 71 

Langer, Untersuchungen über die differen¬ 
tialdiagnostische Bedeutung der Rotz¬ 
agglutination .167 

—, Untersuchungen übereinen mit Knötchen¬ 
bildung einhergehenden Prozess in der 
Leber des Kalbes und dessen Erreger . . 69 

Lefebure und Gautier, Die spontane Ka- 

ninchenseptikämie. 70 

Legge, Milzbrand bei gewerblichen Ar¬ 
beitern in Grossbritannien.226 

—, Ueber den Gewerbeanthrax. 88 

Levaditi, Spirillose der Hühner .... 91 

Loeb, Das endemische Vorkommen des 

Krebses bei Tieren. 91 

Löte, Uel>er die Lyssa der Vögel. 66 

Lottermoser, Tuberkulose eines Rinder¬ 
fötus . ... 19 

Magnus, Untersuchungen über das Ver¬ 
halten der Eidechsen gegen Infektion 
mit Milzbrand, Tetragenus und Mäuse- 

septikämie. 67 

Meier, Ueber das Wachstum der Tuberkel¬ 
bazillen auf vegetabilischen Nährböden 61 

M6mmo, La pcste equina.255 

M emmo, Martoglio. Adani. Tnfezioni 

g rotozoarie negli animali dornest ici in 

ritrea.256 

Merveilleux, Häufigkeit und Verbreitung 

des Sarkoms.235 

Mölner, Gibt es Impfkarzinome '. 71 


Seite 


Mori, Ueber eine bei Katzen aufgetretene, 
durch einen besonderen Mikroorganismus 

bedingte Epizootie. 68 

Nie olle, Wutdiagnose an faulendem Gehirn¬ 
material . 87 

Oppermann, Experimentelle Beiträge zur 

Aetiologie der natürlichen Milzbrandfälle 250 
Orlowski, Zusammenhang zwischen para- 

sitärer Ruhr und Magensaftmangel ... 91 

Osman Nouri, Absorption des Tuberkel¬ 
bazillus durch die Haut.227 

Pf aff, Eine infektiöse Erkrankung der Ka¬ 
narienvögel . 68 

Pierry und Mandoul, Vielgestaltigkeit 
des Koclischen Bazillus in den tuber¬ 
kulösen Sputen.252 

Plate, Resorptionsfähigkeit mit Tuberkel¬ 
bazillen vom Magendarmkanal aus . . 252 

Preisz, Untersuchungen über die feinere 
Struktur und die Ent wickelung der Sporen 

beim Milzbrandbazillus. 20 

—, Vergleichende Untersuchungen über den 
Tuberkelbazillus des Menschen und des 

Rindes .. 20 

Pütz, Der Bacillus pyogenes und seine Be¬ 
ziehungen zur Schweineseuche .... 22 

Rabinowitsch, Studien über verschiedene 

Tuberkulosearten ..231 

Raw, Human and bovine tuberkulosis . . 89 

Riebet, Einfluss gekochten Fleisches auf 

exp. Tuberkulose.233 

Roger und Weil, Neue experimentelle Sac- 

charomykose der Kaninchen. 21 

Römer, Ueber Tuberkelljazillenstämme ver¬ 
schiedener Herkunft. 18 

Ronse, Anaerolie Bakterien als Ursache von 

Nekrose und Eiterung l>eim Rinde . . . 254 

Sanfelice, Streptothrix-Pseudotuberkulose. 63 

Sau erbeck. Beitrag zur pathologischen Hi¬ 
stologie der experimentalem Trypano- 

somen-Infektion.288 

Schaudinn und Ho ff mann.* Vorläufiger 
Bericht ül>er das Vorkommen von 
Spirochaeten in syphilitischen Krank¬ 
heitsprodukten . 64 

Scliern, Darmtu berkul ose des Huhnes . . 233 

Schmidt, Vorkommen eines protozoon- 

artigen Parasiten in Malignen-Tumoren 92 

Schmitz, Ueber Choleravaccin.288 

Schnürer, Zur diagnostischen Verwertung 

der Rotzagglutination.167 

v. Schroen, Der neue Mikrobe der Lungen¬ 
phthise . 90 

Schütz und Miessner. Zur Serodiagnose 

der Rotzkrankheit .166 

Siegel, Untersuchungen ül>er die Aetiologie 
der Pocken und der Maul- und Klauen¬ 
seuche . 65 

—, Untersuchungen über die Aetiologie 

der Syphilis. 66 

Smidt. Zur Charakterisierung der Hog- 

choleragruppe . 64 

Sticker. Uebertragungen bösartiger Ge¬ 
schwülste bei Tieren.236 

Storch. Zur Prophylaxe der puerperalen 

Infektionen. 68 

Streit, Ueber cerebrospinale Meningitis 

der Pferde . 21 

—, Untersuchungen über Geflügeldiphtherie 91 
Tarozzi. UcImt das Latentlelieu der Teta- 

nussporen im tierischen Organismus . . 286 

Tiberti. Ueber den Transport des Tetanus¬ 
giftes zu den Rückenmarkszentren durch 
die Nervenfasern. 66 


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No. 1—12. 


Inhalts-Verzeichnis. 


VII 


Seite 


Tizzoni und Bongiovanni Wirkung der 

Badiumstra lilen auf das Viris rabiei . . 234 

Tonzig, Verbreitung von Tuberkulose 

durch gesalzenes Fleisch.233 

v. Tormay, Die Tuberkulose unter den Haus¬ 
tieren und die Milchbehandlung ... 20 

Wagner, Puerperalerkrankung beim Meer¬ 
schweinchen . 21 

Weber und Taute, Die Kaltblüter tuber¬ 
kulöse . . 58 

Wright, Biologie des Strahlenpilzes . . . 252 

Parasitologie und Invasionskrankheiten. 

Bowhill, Piroplasmose der Pferde . . . 168 

Braun, Zur Entwicklung der Taenia tenui- 

collis .. 95 

Byloff, Ein Beitrag zur Kenntnis der 

Battentrypanosomen. 45 

de Does, Tumor der Stirnhöhle. 47 

Gmeiner, Sarcoptesräude der Kaninchen 362 
Günther und Weber, Trypanosomenkrank- 

heit beim Menschen.168 

Jakimoff, Zur Biologie der Trypanosomen 

der Nagana und des Mal de Caderas . . 46 

James, Parasitic found in tlie blood of 

dogs.167 

Jammes und Maudoul, Bakterizide Eigen¬ 
schaften der Säfte der Würmer. Ueber 

die Biologie der Cestoden. 47 

Jan cs <5, Untersuchungen über Weiterent¬ 
wicklung der Malaria-Parasiten in den 

Anopheles-Arten. 44 

Juliusberg, Epithelioma contagiosum von 

Taube und Huhn. 48 

Künneman, Bhabditis strongyloides als Ur¬ 
sache eines Hautausschlages l>eim Hunde 95 

Laveran, Wirkung des menschlichen Serums 
auf Trypanosomen der Nagana. Caderas 

und Surra. 46 

Martini, Untersuchungen über die Tsetse¬ 
krankheit .*. 43 


Seite 

Neal, Ward, Novy und Frederick, Kulti¬ 


vierung der Trypanosomen Lewisi und 

Brucei . . 46 

Panse, Trypanosoma (Theileri !) in Deutsch- 

Ostafrika . 168 

Paschen, Piroplasmose bei einheimischen 

Schafen. 93 

Petrie, Beobachtungen über Struktur und 

Verbreitung einiger Trypanosomen . . 262 

Bexilius, Gastruslarven als Todesursache 

bei einem Pferde.168 

Sinediey, Cultivation of Trypanosomata . . 94 

—, Züchtung der Trypanosomen.262 

Stälielin, Stoffwechsel bei der Surra- 

erkran kung .168 

Ten Broche, Einige Fälle von Filaria- 

Embryonen bei Pferd und Bind . . . . 47 

Väinossy, Giftbindende Tätigkeit der Leber 47 
Wendelstadt und Fellmer, Einwirkung 
von Brillantgrün auf Nagana - Trypano¬ 
somen . 288 

Widakowich, Nematoden an der Hypo¬ 
physis von Felis domestica.168 

Ziemann, Beitrag zur Trypanosomenfrage . 93 

Versicherungswesen. 

Badische Pferde - Versicherungsanstalt zu 

Karlsruhe.139 

Viehversicherung in Bayern.140 


Wasser, Luft, Boden, Klima. 

Baumgart, Tierzucht und Bassenveredelung 138 
Kartasch ewsky, Wirkung des Wasser¬ 
stoffes auf den Stoffwechsel.139 

Schilling, Bericht über Untersuchungen 

betr. Viehkrankheiten in Togo .... 137 

Ziemann, Ueber die sogen. Kieferkrankheit 

der Pferde und Maultiere in Kamerun . 139 


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Fortschritte der Veterpfcj|ygiene. 

3. JAHRGANG. APRIL 1905? MAY 16 1921 HEFT 1. 

—■ -- * - V * -- 

Preussens Kreistierärzte. ! spät erSi(jhti.|^HB\HfiäÄing der Fachschule 


Am 7. Februar 1817 wurde den preussischen 
Kreistierärzten der Bang der Subaltembeamten 
bei Lokalbehörden angewiesen. Knapp zwölf 
Jahre ist’s bis zur Centenarfeief. So ent¬ 
spracht den um ein Jahrhundert zurück¬ 
liegenden Verhältnissen. Des Kechnens un¬ 
kundige oder des Schreibens nicht geübte 
Fach-Scholaren und Zöglinge konnten der 
Weisheit mangelnde Schätze unter eines Ko¬ 
pisten oder Schreibermeisters Leitung erringen. 

Es war ein bedeutsamer Schritt in der 
Entwickelung der Tierheilkunde, als nach dem 
Publikandum über Aufnahme und Unterricht 
von Eleven der Tierarzneischule zu Berlin 
vom 5. Juni 1838 diejenigen, welche sich zu 
erstklassigen Tierärzten ausbilden und Amts¬ 
charakter erwerben wollten, den Nachweis der 
Sekundanerwürde führen mussten. 

Vierunddreissig Jahre später bestimmte 
des Reichskanzlers Bekanntmachung die Reife 
für Prima als notwendiges Mass Scholaren- 
Weisheit für der Tiermedizin Studien, die auf 
sieben Semester bemessen wurden. 

Eines Säkulum Viertel ist verflossen seit 
Verordnung des Tierseuchengesetzes für 
Deutschland, das sich in breiter Basis auf die 
gewissenhafte Tätigkeit beamteter Tierärzte 
stützt. Es konnte ohne ihre Mitarbeit gar 
nicht zur Durchführung gelangen. Ist’s nötig 
den Nachweis zu führen dessen, was sie ge¬ 
leistet haben? 

Siebzig jahre nach Verleihung des untersten 
Beamtenranges an die beamteten Tierärzte 
wurden die preussischen Tierarzneischulen zu 
Hochschulen, also zu wissenschaftlichen Lehr¬ 
anstalten erhoben. Seit zweier Jahre Frist 
wird endlich die Reife eines Gymnasiums oder 
einer gleichwertigen Anstalt als Vorbedingung 
für das Studium der Tiermedizin verlangt. 

Die Aussicht auf die Centenarfeier am 
7. Februar 1917 besteht trotz allem. 

Seit Jahrzehnten sind von deutschen Tier¬ 
ärzten die endlich erzielte Maturität und die 


zur Hochschule flllt fiöissem Bemühen erstrebt 
worden als Vorbedingung und Rahmen zum 
akademischen Studium, das seit mehr denn 
dreissig Jahren dem ärztlichen nachgebildet 
und nicht weniger wissenschaftlich ist als 
dieses und andere. Wem muss das bewiesen 
werden? Erst in den letzten Jahren haben 
Preussens beamtete Tierärzte lebhafter, ge¬ 
schlossener versucht, der tiefsten Rangstufe 
untergeordneter Beamten sich zu entringen. 
In merkwürdiger, schwerlich erkannter, noch 
weniger anerkannter Bescheidenheit haben sie 
verharrt in einem für die enorme Entwickelung 
der Naturwissenschaften und ihre praktische 
soziale Bedeutung fast prähistorisch gewordenen 
Zustande; hoffend, dass gerechte Würdigung 
ihres Seins auch die Rangfrage einer logischen 
Entwickelung entgegenführen, dass wissen¬ 
schaftliches Studium und wissenschaftliche 
verantwortungsvolle Tätigkeit sie aus den 
Reihen untergeordneter Beamten herausheben 
würde. Seit fast zwei Dezennien Hochschule, 
und die Hoffnung hat bis heute getrogen. 

In einem Artikel der Berliner Tierärzt¬ 
lichen Wochenschrift vom 29. Mai 1902 war 
gesagt: „Den Kreistierärzten sollte mit der 
fünften Rangklasse der Titel Veterinärrat ver¬ 
liehen werden.“ In einem weiteren Artikel 
des selben um tierärztliche Interessen seit 
langem verdienstvollen Blattes vom 15. Januar 
1903: „Es ist wünschenswert, dass das zu er¬ 
wartende Gesetz, dem Kreisarzt-Gesetz ent¬ 
sprechend, die Rangfrage regelt.“ In den 
Verhandlungen des preussischen Landtages 
sagte am 30. Januar 1903 der gut informierte 
Abgeordnete Dr. Müller: „Man sollte die 
Kreistierärzte gerechterweise den übrigen 
wissenschaftlich vorgebildeten Beamten im 
Range gleichstellen.“ Das Berliner Fachblatt 
sagt am 19. März 1903: „Es kann nur mit 
Freuden begrüsst werden, wenn ein Gesetz 
kommt, wodurch neben anderem auch die 
Rangfrage geregelt wird. Die Entwickelung 
dieser Seite des Veterinärwesens kann erst an 


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2 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


3. Jahrgang. 


einem Ziele Halt machen, das ist die Einreihung 
der Kreistierärzte in die fünfte Bang¬ 
klasse.“ In einer Denkschrift heisst es: 
„Wir Kreistierärzte hoffen zuversichtlich, 
dass uns die kommende Beform die Bang¬ 
klasse verleihen wird, welche wir erwarten 
dürfen. Der erniedrigende Bang droht die Be¬ 
rufsfreudigkeit zu zerstören.“ Droht? Er zer¬ 
stört bis zur Verbitterung. Noch präziser heisst’s 
in No. 22 des zwölften Jahrgangs des in Han¬ 
nover erscheinenden Fachblattes: „Es muss 
immer und immer wieder betont werden, dass 
die Gesamtheit der preussischen Kreistierärzte 
den allein gedeihlichen Abschluss ihrer Re¬ 
organisation lediglich in der Einrangierung 
unter (soll heissen: in) die letzte Klasse der 
höheren Beamten erblickt. Jedes erlaubte 
Mittel muss angewandt werden, dieses Ziel zu 
erreichen. Wer die Weiterentwicklung des 
preussischen Veterinärwesens will, muss auch 
die Heraushebung der Kreistierärzte aus ihrer 
Subalternstellung und Versetzung in die der 
höheren Beamten wollen.“ An anderer Stelle: 
„Viele Kreistierärzte bekunden, dass sie sich 
genötigt gesehen hätten, von Veranstaltungen, 
bei denen Dienstrang in Frage kommen 
konnte — das sind vornehmlich patriotische 
Feste —, sich femzuhalten.“ Was beweist 
besser die Notwendigkeit, den Kreistierärzten 
die ihnen zukommende Stellung zu gewähren, 
als dieses Zeugnis beschämender Rückständig¬ 
keit? Der Belgarder Kreistierarzt sagt in 
einem Artikel: „Auf die Gewährung der Bitte, 
dass die Kreistierärzte in der fünften Rang¬ 
klasse untergebracht werden, legen die Kreis¬ 
tierärzte bei der ganzen Reform ihrer Stellung 
das Hauptgewicht. Elschner-Wreschen: „Jede 
Rangerhöhung, die die Kreistierärzte nicht 
klipp und klar in den fünften Rang erhebt, 
würde für diese eine eklatante Erniedrigung 
sein und muss mit Festigkeit abgelehnt wer¬ 
den.“ Wem’s paradox klingt, mag’s im Texte 
nachlesen. Bei derselben Gelegenheit mahnten 
die Abgeordneten von Savigny und Rosenow 
die Kreistierärzte, materielle Momente zurück¬ 
treten zu lassen, den höchsten Wert allein auf 
den Rang der Räte fünfter Klasse zu legen 
und in der Rangfrage festzubleiben. — War 
die Mahnung nötig? Klang’s nicht im gleichen 
Akkorde durch alle Versammlungen, durch 
alle Artikel? Von keiner Seite geschah ein 


Einspruch, wurde abweichender Meinung Aus¬ 
druck gegeben, auch von solchen nicht, die 
dem Vereine der Kreistierärzte fernstanden. 
Als für die Herren vöm Militär die Chargen¬ 
frage des künftigen Veterinär-Offizierkorps auf¬ 
tauchte, klang aus der Meinungen Stimmen¬ 
gewirr ein greller Misston: das „oblige“ stellt 
unerschwingliche Anforderungen an den kärg¬ 
lichen Beutel und das persönliche „se donner“, 
billiger und bequemer nicht über des Wacht¬ 
meisters Höhe zu ragen. — Erklärliche Ent¬ 
rüstung: Subalternseele, durch Generationen 
verkümmert in derSoldateska tieferen Regionen. 
Ganz anders bei Preussens Kreistierärzten. 
Alles einig in dem Streben nach würdigem 
Rang, dem gegenüber der Mammon eine cura 
posterior. Lieber absolute Ranglosigkeit als 
weniger denn fünfte Klasse. Des fünften 
Ranges Besitz sollte auch unter materiellen 
Opfern erstrebt werden. Diese Einmütigkeit 
verlieh der Bewegung ein denkbar günstiges 
Gepräge, das auch nicht getrübt wurde durch 
die Auslassungen des Departementstierarztes 
zu Oppeln, der seinem Innern nach nicht mehr 
zu den Kreistierärzten gehört. Jedem ist’s 
aus seines Artikels Tendenz ersichtlich. Muss 
es erst bewiesen werden? In diesem Artikel 
verrät Verfasser streng vertraulich — aber 
nur denen, die Interesse für die Frage be¬ 
kunden —, dass man die Kreistierärzte nur 
nicht aufnehmen will in die Reihen der 
höheren Beamten. Wem ist’s was Neues? 
Das ist selbst harmlosen Gemütern bewiesen 
durch die unzureichenden Erklärungen der 
Schwierigkeiten, die sich der Erhebung der 
Kreistierärzte in die fünfte Rangklasse ent¬ 
gegensetzten, und die schwankenden Auf¬ 
fassungen über die Berechtigung der Kreis¬ 
tierärzte zu ihrem Wollen und Wünschen. 
In erster Linie wurde die Finanzlage und 
-Frage ins Treffen geführt. Erstere ist nicht 
schlecht, die letztere kein Hindernis, wenn’s gilt, 
etwas zu schaffen, dessen Notwendigkeit von 
den betreffenden Ressorts wuchtig genug ver¬ 
treten wird. Das weiss jeder, der am parlamenta¬ 
rischen Leben auch nur bescheidenen Anteil 
nimmt. Ein Minister der Finanzen sperrt sich 
jedem auf den Beutel gerichteten Antrag gegen¬ 
über, will er den Ruf der Tüchtigkeit nicht aufs 
Spiel setzen. Der Einwand, dass Aerzte einer 
höheren Entwickelungsphase höhere Liqui- 


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Heft 1. 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


3 


dationssätze aufsteüen, entspringt hilfloser taten, als sie mahnten, den höchsten Wert 
Verlegenheit und ist gewiss bereits 1817, als allein auf den Rang der Räte fünfter Klasse 
die Kreistierärzte den untersten Rang der zu legen, in der Rangfrage festzubleiben. Bis 
Subaltembeamten erhielten, von zünftigen Merseburg drang die Mahnung nicht. Der 


Agrariern erhoben worden. In den letzten, 
Jahrzehnten ist jeder Vorwärtsbewegung des 
Veterinärwesens derselbe Einwand entgegen¬ 
gehalten worden. Jedesmal hat die Erfahrung 
seine Haltlosigkeit erwiesen. Der bis dahin 
sehr rührige Mitkämpfer für die Interessen der 
Kreistierärzte und in jungen Jahren zum 
Departementstierarzt ernannte Bermbach konnte 
der ersten Versammlung preussischer Kreistier¬ 
ärzte als Träger ministerieller Huld mitteilen, 
dass die Vorgesetzte Behörde aufs lebhafteste 
bemüht sei, kreistierärztliche Wünsche zu ver¬ 
wirklichen. Dann aber wurde gewarnt, man 
solle die Hoffnungen nioht zu hoch spannen. 
Die Kreistierärzte von Preussen haben niemals 
hoch gespannte Hoffnungen genährt. Was sie 
erhofften, erstrebten in nie ermüdender Ge¬ 
duld und Gewissenhaftigkeit, war immer in 
den Grenzen berechtigter Erwartung gehalten. 
Was uns also Oppelns erster Tierarzt verriet, 
war bekannt. Wir wissen’s auch heute noch: 
wo jene Tränen hängen. Die Einmütigkeit 
der Kreistierärzte war nicht gestört. Die An¬ 
gelegenheit war günstig nach wie vor. Da er¬ 
klang am 26. Januar 1905 ein überängstlicher 
und verzweifelt unzeitgemässer Ruf aus Merse¬ 
burgs gesegneten Gauen: „Die Kreistierärzte 
sind nicht in der Lage, für irgendwelche Ver¬ 
besserungen materielle Opfer zu bringen.“ 
Also um keinen Deut anders als jener Unken¬ 
ruf aus der schwarzen Halsbinde. Sass denn 
hier von den vielen keiner am runden Tisch, 
der, wenn’s sein musste, diese „Meinung“ klug 
und verschwiegen an das Ohr des Vereins¬ 
vorstandes dirigieren konnte, anstatt sie so 
offen auszuhängen? Und war’s denn wirklich 
so ängstlich? Kaum. Die Finanzfrage konnte 
noch immer günstiger Lösung entgegengeführt 
werden, schon im nächsten Jahre, wenn’s not 
tat. Aufbesserungen von Gehältern und Ein¬ 
nahmen sind nicht etwas so Seltenes im preussi- 
schen Ausgabenetat. Aber im Mauerwerk des 
Vorurteils und des engherzigsten Kastengeistes 
Bresche zu legen, ist Titanenwerk, halben 
Kräften nicht erreichbar. Die im parlamen¬ 
tarischen Leben nicht unerfahrenen Herren 
von Savigny und Rosenow wussten, was sie 


bedauerliche Erfolg war der, dass am 15. Februar 
eine Umfrage bei den Kreistierärzten geschah 
zur Feststellung, ob ihre Mehrheit, um den 
fünften Rang zu erhalten, die Pauschalierung 
der Gebühren billigt oder auf die Einrangierung 
verzichtet. Nach dem Vorhergegangenen ein 
klägliches Bild, nach dem geschlossenen Vor¬ 
gehen ein unsicheres Schwanken, ein Zer¬ 
splittern. Der Vorstand mochte nicht anders 
handeln können. Er wurde gezwungen, beirrt 
durch jenes zumeist aus guten Pfründen 
kommende Angstgeschrei, dem wir’s vielleicht 
zu danken haben, wenn wir am 7. Februar 1917 
das Centenarfest feiern. 

Die Rotlaufimpfung, 
unter besonderer Berücksichtigung des 
Verhaltens der Schweineseuche¬ 
erkrankung nach derselben und der sonst 
beobachteten Übeln Zufälle. 

Von Glage. 

(Fortsetzung und Schluss.) 

Schwein 13. Das Schwein ist etwa 8 
Wochen alt und stammt mitsamt den nächsten 5 
aus demselben Bestände, in welchem die Schweine¬ 
seuche stark herrschte. Es waren dort in den letzten 
Jahren regelmässig viele Ferkel, zum grossen Teile 
an Durchfall, gestorben. Die Ueberlebenden ent¬ 
wickelten sich einige Monate schlecht und mästeten 
sich dann gut auf. Dieser Verhältnisse wegen 
musste ein Zukauf von älteren Tieren erfolgen. 
Die von mir beschafften Schweine gehörten indessen 
zu verschiedenen Würfen und waren verschieden alt. 

Das Schwein 13 ist ziemlich normal für sein 
Alter entwickelt. Es wiegt bei Beginn des Ver¬ 
suches 17 Pfund. Die Haut ist normal weiss, an dem 
Kücken etwas grindig, an dem Bauche sind ein¬ 
zelne rötliche Stippchen und Flecke zu bemerken. 
Die Futteraufnahme erfolgt wechselnd, der Kot ist 
dünn und übelriechend, gelbgrau von Farbe. Husten 
wird vereinzelt gehört. Die Innenwärme betragt in 
den 3 Beobachtungstagen vor Beginn des Versuches 
39,4; 39,4; 39,3. Dann erhält das Tier 6 
ccm Serum und 0,5 ccm Kultur. Am 
nächsten Tage beträgt die Innenwärme 40,3, nimmt 
aber schon 24 Stunden später ab und beträgt fort¬ 
laufend 39,7; 39,9; 39,9; 39,7; 39,4; 39,3. Das 
Schwein wurde nicht bemerkenswert kränker, son¬ 
dern erholte sich im Gegenteil. Gewicht jetzt 21 
Pfund. Es erhält nun nochmals 0,75 com 


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4 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


3. Jahrgang. 


Kultur subkutan. Temperatur fortlaufend 39,5: 
39,4; 39,6; 39,3; 39,4; 39,2; 39,4. Eine Reaktion 
tritt nicht ein. Das Gewicht wächst auf 27 Pfund 
an. Das Schwein wird getötet. Die Obduktion 
ergibt ‘ normale Verhältnisse hinsichtlich der Lage¬ 
rung der Baucheingeweide. Die Serosa des Dick¬ 
darms ist trübe und glanzlos, mit zottigen Anhäng¬ 
seln besetzt, die Schleimhaut mit fest anhaftenden 
Schleimmassen bedeckt. Magen, Leber, Milz, Nieren 
nicht bemerkenswert verändert. Pleura, Herz ge¬ 
sund. In den Bronchien teilweise viel eitriger 
Schleim. Die vorderen Lappen und der rechte 
Mittellappen beherbergen einige grau-rote hepati- 
sierte Stellen von je Fünfpfennig- bis Fünfmark- 
stückgrösse. Der Schnitt durch dieselben glatt, 
feucht, grauer Saft hervor tretend. Die Bronchien¬ 
wände bindegewebig verdickt. 

Diagnose : Schweineseuche, gekennzeichnet 
durch einen chronischen Dickdarmkatarrh, chro¬ 
nische Bronchitis mit geringfügiger Pneumonie als 
Folgezustand 4 . 

Auf die Rotlaufimpfung könnte man die 
Steigerung der Temperatur um 1 0 nach der 
Simultanimpfung beziehen, sonst trat nichts 
Bemerkenswertes ein. 

Schwein 14. Der Befund bei dem mit dem 
vorigen gleichaltrigen Ferkel ist ähnlich wie bei 
No. 13. Diei Haut ist indessen ziemlich stark grindig. 
Gewicht 16 Pfund. Innenwärme 39,4; 39,6; 39,4. 
Das Tier erhält 5 ccm Serum und 0,5 
Kultur subkutan am Ohr. An der Impf¬ 
stelle für die Serumimpfung entwickelt sich in den 
nächsten Tagen eine hühnereigrosse, heisse, schmerz¬ 
hafte Schwellung, die in 6 Tagen wieder ver¬ 
schwindet. Innenwärme 40,7; 40,5; 39,9; 40,2. Das 
Tier frisst schlechter, hustet viel. Tabelle weiter: 
39,9; 39,9; 39,7; 39,9. Gewicht 14 Pfund. Das 
Schwein erhält nun 0,75 ccm Kultur. 
Innenwärme 40,1; 39,6; 39,6; 39,7; 39,4. Eine be¬ 
merkenswerte Reaktion tritt sonst nicht auf. Ge¬ 
wicht 19 Pfund. Symptome mehr zurückgegangen. 
Die Schlachtung ergibt im wesentlichen folgendes: 
Baucheingeweide alle normal aussehend. Magen- 
und Darmschleimhaut verdickt, mehr faltig, pig¬ 
mentiert und mit schleimigen Massen besetzt, die 
sehr reich an Rundzellen sind. Leber, Milz, Nieren. 
Herz, Pleura normal. Die vorderen Lappen, die 
Mittellappen und die vorderen Ränder der Haupt¬ 
lappen der Lungen derb, kompakt, grau-rot, auf 
Schnitten sehr feucht, wenig voluminöser als die 
hinteren lufthaltigen Partien und scharf von diesen 
interlobulär abgesetzt. In die lufthaltigen noch 
ein kleiner hepatisierter Herd isoliert eingesprengt. 
Die Bronchien zu den erkrankten Lappen vollge¬ 
stopft mit dickem, weissem Eiter. 

Diagnose : Schweineseuche, gekennzeichnet 
durch einen chronischen Magen-Darmkatarrh und 
Bronchialkatarrh mit ziemlich umfangreicher Pneu¬ 
monie. 

Auf die Rotlaufimpfung dürfte die Tem¬ 
peraturerhöhung und die vorübergehende Ver¬ 


schlechterung im Allgemeinbefinden zu be¬ 
ziehen sein. 


Schwein 15. Das Schwein ist 10 Wochen 
alt, wiegt 17 Pfund und zeigt ausgesprochene 
Symptome der Schweineseuchc. Es hustet ver¬ 
einzelt etwas, hat Verstopfung, und Flatus gehen 
öfters ab. Futteraufnahme wechselnd gut. Munter¬ 
keit ziemlich erhalten. Schwanz geringelt getragen. 
Haut grindig längs des Rückens. Innenwärme 39,5: 
39,4; 39,5. Das TiererhältsimultanÖccm 
Serum und 0,5 ccm Kultur. Darauf wird 
es vorübergehend kränker, verkriecht sich in die 
Streu, liegt viel, hustet wenig, frisst aber schlechter, 
nagt viel an Holz, frisst Jauche usw. Es ist 
etwas steif beim Gehen. Innenwärme 40,6; 40,8; 
40,2; 39,5; 39,4; 39,3; 39,6; 39,5; 39,5. Das Tier 
erhält jetzt 0,75 ccm Kultur subkutan. 
Temperatur 39,8; 39,9; 39,3; 39,2; 39,4; 39,6. Eine 
Reaktion tritt nicht ein. Das Gewicht bleibt 17 
Pfund. Allgemeinsymptome wie bei Beginn des 
Versuches. Als Kümmerer geschlachtet. Die Sek¬ 
tion ergibt einen intensiven, chronischen Magen¬ 
katarrh, der Darm erscheint kaum bemerkenswert 
verändert. In den Bronchien zäher Schleim. Lunge, 
Herz, Leber, Milz, Nieren, Brustfell, Bauchfell 
gesund. 

Diagnose : Schweineseuche, gekennzeichnet 
durch einen chronischen Magenkatarrh und eben¬ 
solchen Bronchialkatarrh. 

Auf die Rotlaufimpfung wäre die kurze 
Fieberperiode nach der Simultanimpfung und 
die Steigerung in den Symptomen zu dieser 
Zeit zu beziehen. 


Schwein 16. Das Schwein ist etwa 10 
Wochen alt und zeigt geringe Zeichen der Schweine¬ 
seuche, eine wenig grindige Haut, wechselnde Fress¬ 
lust und einen aufgetriebenen Hinterleib. Munter¬ 
keit normal. Innenwärme 39,5; 39,5; 39,6. Das 
Tier erhält 5 ccm Serum und 0,5 o c m 
Kultur simultan subkutan einge¬ 
spritzt. Eine Reaktion tritt nicht ein. Innen¬ 
wärme 39,9; 39,7; 39,9; 39,5; 39,4 ;39,3; 39,6 ; 39,5; 
39,5. Das anfängliche Gewicht von 15 Pfund stieg 
jetzt bis 17 Pfund. Das Tier erhält nun 
0,75 ccm Kultur subkutan. Innenwärme 
39,4; 39,8; 39,6; 39,4; 39,5; 39,5; 39,5. Eine stär¬ 
kere Erkrankung erfolgt nicht. Gewicht 20 Pfund. 
Das Schwein wird getötet. Es finden sich die 
Zeichen eines intensiven Magen - Darmkatarrhs, 
ausserdem ist der Bronchus des rechten Mittel¬ 
lappens mit eitrigen Massen vollgepfropft, die zu¬ 
gehörige Partie der Lunge geschrumpft, sehr derb, 
blaurot, im Volumen bedeutend kleiner als die 
lufthaltigen Teile. Auf Durchschnitten treten be¬ 
sonders der Bronchus und dessen Zweige hervor. 
Alle übrigen Teile der Lunge und sonstigen Organe 
gesund. 


Diagnose : Schweineseuche, ausgedrückt 
durch einen chronischen Magen-Darmkatarrh und 
Bronchialkatarrh mit anschliessender Atelektase. 


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Fortschritte der Veterinär-Hygien*. 


5 


Heft 1 


Die Rotlaufimpfung hat diesem Tiere nicht 
bemerkenswert geschadet. 

Schwein 17. Etwa 8 Woclien alt, Gewicht 
lß Pfund. Ausgesprochene Schweineseuche zeigend. 
Das Tier zeigt einen perversen Appetit, gähnt oft, 
frisst wechselnd gut. Kot hart, schleimig bedeckt, 
übelriechend. Husten mehrfach gehört, besonders 
beim Fressen. Haut an den Ohren und der Stirn 
grindig, Ohren gerötet und besetzt mit quaddel- 
artigen Erhabenheiten. Einzelne solche auch am 
Bauche. Innenwärme 39,5; 39,5; 39,4. Impfung 
jetzt mit 5 ccm Serum und 0,5 drei¬ 
tägiger Rotlaufbacillenkultur. Das 
Tier wird darauf stärker krank, verkriecht sich 
gerne,. liegt viel und frisst schlecht. Innenwärme 
40,4; 40,6; 10,1; 40,3; 39,7; 39,9; 39,5; 39,3. Jetzt 
erhält das Tier 0,75 ccm Kultur. Eine 
Reaktion erfolgt nicht. Innenwärme 39,9; 39,9; 
39,7; 39,7; 39,3; 39,4; 39,3. Das Gewicht nimmt zu 
auf 19 Pfund. Die Schlachtung ergibt einen inten¬ 
siven Magen-Darmkatarrh, ferner sitzen am Bauch¬ 
fell viele bindegewebige Zotten und 2 subserös ge¬ 
lagerte kleine Abszesse mit grünem Inhalt. Ebenso 
besteht ein starker chronischer Bronchialkatarrh. 
Lunge gesund, ebenso Herz, Brustfell, Leber und 
Milz. 

Diagnose : Schweineseuche, begründet 
durch den chronischen Magen-Darmkatarrh, die 
Abszesse am Bauchfell und den chronischen Bron¬ 
chialkatarrh. 

Auf die Rotlaufimpfung musste man die 
Verschlechterung im Allgemeinbefinden nach 
der Simultanimpfung und die Erhöhung der 
Temperatur beziehen. 

Schwein 18. Das Tier ist etwa 12 Wochen 
alt, wiegt dabei nur 23 Pfund und ist ziemlich 
mager. Ausgesprochene Symptome der Schweine¬ 
seuche nicht nur hinsichtlich des äusseren Habitus, 
der Beschaffenheit der Haut, sondern auch durch 
reichliches Husten und beschleunigtes Atmen ge¬ 
kennzeichnet. Innenwärme 39,8; 39,7; 39,8. Das 
Tier erhält 5 ccm Serum und 0,5 ccm 
Kultur subkutan. Innenwärme jetzt 40,6: | 
40,9; 40,4; 40,1; 39,9; 39,8; 39,5. Das Ferkel wird 
nach der Impfung schwerer krank, frisst wenig, 
hustet viel und liegt meist im Lager verkrochen. 
Am 3. Tage nach der Injektion tritt reichlich übel¬ 
riechender Durchfall ein. In den nächsten Tagen 
allmählich Besserung. Gewicht 21 Pfund. Nun 
erhält das Schwein 0,75 Kultur. Alsbald 
setzt erneut eine schwere Erkrankung ein. Atmung 
beschleunigt, Husten anfallsweise sehr häufig. 
Steifer Gang. Geringe Fresslust, stärkerer Haut¬ 
ausschlag. Innenwärme fieberhaft: 41,1; 40,9; 41,4; 
40,9; 40,7; 40,8; 40,7; 40,4; 40,8; 40,4; 40,7; 
40,4; 40,3; 40,4; 40,4; 40,5; 40,0; 40,2; 40,1; 
40,4; 40,1. Das Schwein magert in dieser Zeit stark 
ab und ist schwer krank. An der rechten Seite der 
Oberlippe bildete sich am 2. Tage nach der letzten 
Impfung eine hühnereigrosse derbe Geschwulst, 


i die langsam heranwuchs und zur Verunstaltung der 
j Seite führte und die Futteraufnahme erschwerte. 
Allmählich zeigt sich in derselben Fluktuation. 
Die Symptome am Respirationsapparat treten in 
Form von heftigen Atembeschwerden und Husten¬ 
anfällen stark hervor. Durchfall vorübergehend, 
meist Verstopfung. Kot dunkel. Gewicht am letz¬ 
ten Tage 17 Pfund. Tod 21 Tage nach der letzten 
Impfung. 

Die Sektion ergibt: Kadaver sehr mager, Haut 
mit schwarzen Borken besetzt. An der rechten 
Oberlippe ein faustgrosser Abscess mit gelbgrünem 
Inhalt in schwieliger, sehniger Kapsel. In der Nach¬ 
barschaft desselben mehrere kleine Abscesse. In 
der Bauchhöhle keine Flüssigkeit. Därme normal 
gelagert. Peritoneum überall glatt, glänzend, spie¬ 
gelnd. Magenschleimhaut geschwollen, nicht hüg¬ 
lig, fast glatt, braun pigmentiert, mit eitrigem 
Schleim belegt. Dünndarm fast leer, Schleimhaut 
gerötet, etwas geschwollen, mit zähem Schleim 
bedeckt. Dickdarmschleimhaut ziemlich normal, 
auf der Höhe der Falten Rötungen. Nirgends 
Defekte oder Geschwüre. Leber im Zustande chro¬ 
nischer Stauung. Milz sehr klein, Nieren normal. 
Pleura, Herz normal. Lungen in den hinteren Par¬ 
tien hellrot, knisternd, lufthaltig, beide Vorder¬ 
lappen, der rechte Mittellappen, die vorderen 
unteren Ränder der Hauptlappen beiderseits und 
der innere Lappen derb, graurot, im Wasser unter¬ 
sinkend, im Volumen wenig über die lufthaltigen 
sich erhebend. Auf Schnitten sehr feucht, grauen 
Saft abfliessen lassend, entzündliche Zonen scharf 
lobulär von den lufthaltigen abgesetzt. In den 
zugehörigen Bronchien viel eitriger Schleim. 

Diagnose : Schweineseuche, gekennzeichnet 
durch einen Magen-Darmkatarrli, Bronchialkatarrh 
mit ziemlich umfangreicher lobulärer Pneumonie 
und spezifische Abszesse an der Oberlippe. 

Die Rotlaufimpfung hatte gerade bei 
diesem Tiere eine sofort anschliessende lang¬ 
anhaltende Fieberperiode mit starker Ver¬ 
schlimmerung der Symptome der Schweine¬ 
seuche zur Folge. Die Temperatur stieg wie 
angegeben, nach der zweiten Impfung auf 41,1 
bis 41,4 und blieb über 40° bis zum Tode. 

Die vorstehend geschilderten Versuche bei 
den Schweinen 12—18 wurden mit der Simul¬ 
tanimpfung und nachheriger zweiter Kultur¬ 
injektion nach 8—10 Tagen ausgeführt. Ge¬ 
wählt wurden Dosen von 5 ccm Serum, also 
reichlich Serum, und 0,5 ccm 2—4 tägiger 
Kultur, für die zweite Kulturgabe 0,75 ccm. 
Die Kulturen waren aus einem Seruminstitut 
bezogen, töteten Mäuse in 2—4 Tagen und 
wurden durch Abimpfung fortgezüchtet. So¬ 
weit bei den Versuchen aus Rotlaufkadavern 
frisch gezüchtete benutzt wurden, ist dieses be- 


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6 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


3. Jahrgang. 


sonders erwähnt. Lokale Reaktionen an der 
Impfstelle traten nur einmal ein, trotzdem ich 
absichtlich bezüglich der Reinigung oberfläch¬ 
lich vorging und entweder die Stellen gar nicht 
säuberte oder nur mit einem in Alkohol ge¬ 
tauchten Wattebausch abwischte, wenn sie gar 
zu schmutzig erschienen. Rotlaufbacillen 
konnten nach der Schlachtung oder dem Tode 
in den Organen nicht nachgewiesen werden. 

Zum Vergleiche impfte ich ein gesundes 
Ferkel in gleicher Weise: 

Schwein 19. Das Ferkel gehört mit Ferkel 
23 und dem vorher besprochenen Ferkel 7 zu einem 
Wurf aus gesundem Bestände, ist 8 Wochen alt, 
wiegt 24,5 Pfund und zeigt sich gesund. Die Tem¬ 
peratur beträgt 2 Tage vor Beginn des Versuches 
39,5 und 39,6. 

Eingespritzt werden an einem 
Ohr subkutan 5 ccm Serum und am an¬ 
deren 0,5 ccm einer viertägigen Kot¬ 
lauf-Bouillonkultur, welche Mäuse 
i n 2—3 Tagen sicher tötet. 

Das Ferkel bleibt vollkommen gesund, eine 
lokale Erkrankung an der Impfstelle tritt ebenso 
nicht ein. Die Innenwärme beträgt in den Tagen 
nach der Impfung 39,6; 39,7; 39,4; 40,0; 39,8; 39,3 
und 39,4. Auch an dem Tage, an welchem eine 
Temperatur von 10,0 festgestellt wurde, sind Krank¬ 
heitssymptome nicht wahrzunehmen. 

8 Tage nach jener Impfung wurde 
von neuem 0,75 ccm zweitägige Rot¬ 
lau f - B o u i 11 o n k u 11 u r eingespritzt. 
Diese Kultur war frisch aus einem an Rotlauf 
krepierten Schwein gezüchtet worden. 

Eine Erkrankung stellt sich nicht ein, die 
Impfstelle zeigt keine entzündliche Reaktion. Die 
Temperatur beläuft sich in den Tagen nachher auf 
39,4; 39,5 und 39,4. Das Tier wird noch 4 Mo¬ 
nate beobachtet, gedeiht normalmässig und er¬ 
weist sich nach vorgenommener Schlachtung gesund. 

Eine bemerkenswerte Reaktion zeigte das 
Tier also im Gegensätze zu vielen der Schweine 
mit Schweineseuche auf die Rotlaufimpfung 
nicht. 

Zwei weitere Schweine mit Schweineseuche 
erhielten ebenfalls simultan 5 ccm Serum und 
0,5 ccm Kultur, aber keine zweite Kulturinjek¬ 
tion, weil sie schon nach der Simultanimpfung 
tödlich erkrankten. 

Schwein 20. Das Schwein ist 12 Wochen 
alt und wiegt 13 Pfund. Es ist ausgesprochen 
an Schweineseuche erkrankt, verkümmert, mager, 
hat schwarze Borken auf der Haut, besonders zu 
beiden Seiten des spitzen Rückens. Es hustet 
wenig in Anfällen und leidet an Verstopfung. Es 
frisst zwar regelmässig, aber wenig und macht 
einen kranken Eindruck. Der Schwanz hängt 
schlaff herab. Es stammt mit dem nächsten 


aus einem Bestände. Innenwärme 39,3; 39,5; 
39,3. Das Tier erhält 5 ccm Serum 
und 0,5 ccm einer dreitägigen K u 1 - 
t u r. Darauf wird es schwerer krank. Die Sym¬ 
ptome steigern sich, besonders nehmen die Atem¬ 
beschwerden zu. Die Innenwärme beträgt fort¬ 
laufend in den nächsten 3 Tagen 40,4; 40,6; 40,8. 
Am dritten Tage stirbt das Schwein. Die Sektion 
zeigt ein ausgesprochenes Bild akut gewordener 
Schweineseuche. Ferkel mager, Haut allenthalben 
grindig, mit grauen Borken bedeckt, am Bauche 
gerötet. Baucheingeweide normal gelagert. Die 
Serosa des Dickdarms mit zottigen, feinen An¬ 
hängseln besetzt, an den übrigen Därmen und 
Baucheingeweiden spiegelnd, glänzend. Magen und 
Dünndarm gasig aufgetrieben. Dickdarm zusam¬ 
mengefallen, Blinddarmwandung auffällig hell, 
fast weiss. Die Schleimhaut des Magens pigmen¬ 
tiert, mit eitrigen Massen bedeckt, faltig, die 
hüglige Beschaffenheit der Drüsenregion fast ver¬ 
strichen. Dünndarm enthält zähen Schleim, ebenso 
der Dickdarm. An letzterem die Schleimhaut 
fleckig gerötet. Auf derselben einige glatte, ober¬ 
flächliche Substanzverluste, katarrhalische Erosi¬ 
onen. Leber blutreich, Milz normal. In beiden 
Pleurasäcken reichlich eine rötliche, trübe Flüs¬ 
sigkeit, mit Fibrinflocken dazwischen. Wand¬ 
ständiges Blatt, sowie Lungenüberzug von gelben, 
häutigen, leicht ablösbaren Fibrinplatten bedeckt. 
Herzbeutel gefüllt mit ähnlich beschaffener Flüs¬ 
sigkeit in grosser Menge. Herzbeutel und Herz- 
oberflächee mit zottigen und häutigen Fibrinauf¬ 
lagerungen reichlich besetzt. Lungen in den hinteren 
Lappen lufthaltig, rosarot. Die vorderen Lappen, 
Mittellappen, die vorderen unteren Ränder der 
Hauptlappen derb, sinken im Wasser unter. Farbe 
graurot, Schnittfläche feucht, Volumen ein wenig 
über die lufthaltigen Partien erhaben. Schnitt¬ 
fläche saftig, graurot, die Bronchien mit eitriger 
Masse gefüllt. Deren Wände sowie das inter- 
lobuläre Gewebe bindegewebig verbreitert. Mikro¬ 
skopisch im Darm, der Flüssigkeit im Pleurasack 
Stäbchen in grosser Menge. Die Züchtung fördert 
Grips sehe Bacillen zu Tage. 

Diagnose : Schweineseuche, ausgedrückt 
durch einen Magen-Darmkatarrh, Bronchialkatarrh 
mit anschliessender chronischer Pneumonie und 
darauf folgender akuter Pleuritis und Perikarditis. 

Diese Verschlimmerung resp. tödliche 
Krankheit schloss sich, wie die Temperatur an¬ 
zeigt, an die Rotlaufimpfung an. 

Schwein 21. Das Ferkel ist etwa 7 Wochen 
alt und wiegt 15 Pfund. Es zeigt ausgesprochene, 
aber nicht sehr hochgradige Symptome der 
Schweineseuche. Dieselben bestehen in verein¬ 
zeltem Husten, wechselndem Appetit, grindiger 
Haut, aufgetriebenem Hinterleib. Die Innenwärme 
beträgt 39,4; 39,5; 39,6. Das Tier erhält 
5 ccm Serum und 0,5 ccm dreitägige 
Kultur subkutan. Der Zustand verschlechtert 
sich auffallend. Es tritt am Tage nach der Impfung 


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Heft 1. 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


7 


Fieber ein, welches ununterbrochen anhält bis zu 
dem am 28. Tage nachher eintretenden Tode, Lie 
Krankheitserseheinungen bestehen vorwiegend in 
Atembeschwerden, mattem Husten. Das Tier liegt 
fast stets auf dem Brustbein oder sitzt nach 
Hundeart. Die Futteraufnahme ist schlecht. Innen¬ 
wärme 40,7; 40,9; 40,4; 40,5; 40,2; 40,6; 41,0; 
40,9; 41,5; 40,7; 40,6; 40,7; 41,3; 41,1; 40,7; 
40,8; 40,7; 40,5; 40,3; 40,9; 40,5; 40,6; 40,5; 
40,0; 40,2; 40,0; 40,4; 40,2. Der Tod erfolgt unter 
völliger Erschöpfung. Das Tier ist skelettartig 
mager geworden. Es wiegt 10 Pfund. Die Sektion 
ergibt: Kadaver sehr mager, Haut mit grauen 
Massen grindig belegt und schilfrig. Retroperi- 
toneales Fett kaum vorhanden. Darm normal ge¬ 
lagert. Aussehen der Serosa spiegelnd, glänzend, 
durchscheinend, fleckenweise ramiform gerötet. 
Magen stark gasig aufgetrieben, ebenso der Dünn¬ 
darm. Dickdarm dagegen zusammengezogen, mit 
viel trockenem Kot, der wie Pferdemist aussieht, 
angefüllt. Magen- und Darm Schleimhaut überall 
mit zähem Schleim bedeckt, nirgends Defekte 
oder Geschwüre. Leber blutreich, Milz, Nieren nor¬ 
mal. Lungen beiderseits mit dem Brustfell ver¬ 
wachsen durch bindegewebige, in Maschen sulzige, 
gelbe Flüssigkeit einschliessende Maasen. Die 
Trennung glückt noch ohne Hilfe des Messers und 
ohne Zerreissen der Lunge. Nur an der linken 
Lunge ist die Verbindung fester, ebenso verhält 
sich der Herzbeutel zum Herzen. Lunge fast ganz 
im Zustande einer chronischen katarrhalischen 
Entzündung, graurot bis blaurot, derb, auf Durch¬ 
schnitten sehnige Züge zwischen den grauroten 
Lobulis und bindegewebige Ringe um die Bron¬ 
chien, die als graue Pünktchen hervortreten. In 
diesem Zustande beide Vorder-, beide Mittel¬ 
lappen, der innere Lappen und ein Teil dos 
rechten Hauptlappens befindlich. Ein grosser 
Teil der Hauptlappen ist ausserdem graurot, auf 
Schnittflächen saftig, aber wenig durch Bindege¬ 
webe derb geworden, sondern frisch hepatisiert. In 
dem Mittellappen rechts und dem Vorderlappen 
links einige knotige Herde von Haselnussgrösse 
mit grüner oder grauer Inhaltsmasse und sehniger 
Umgebung. Einige Herde auch stecknadelkopfgross. 
Bronchien mit eitrigen Schleimpfropfen angefüllt. 

Diagnose : Schweineseuche, gekennzeichnet 
durch eine eitrige Bronchitis mit folgender ka¬ 
tarrhalischer Pneumonie und Pleuritis und Peri¬ 
karditis und durch einen Magen-Darmkatarrh. 

Auch bei diesem Tiere fällt auf, dass die Er¬ 
krankung sich direkt nach der Rotlaufimpfung 
verschlimmerte, anscheinend durch Ausbildung 
einer akuten Pleuritis. 

Zwei weiteren Schweinen verabreichte ich 
relativ grössere Dosen Kultur. Das eine 
Schwein war an Schweineseuche erkrankt, das 
andere gesund. Die Resultate folgen nach¬ 
stehend. 


Schwein 22. Das Schwein 22 ist 4 Monate 
alt und wiegt dabei nur 24 Pfund. Es ist also für 
sein Alter in der Entwicklung beträchtlich zurück¬ 
geblieben. Der Ankauf erfolgte aus einem Be¬ 
stände, in welchem amtlich Schweineseuche fest¬ 
gestellt war. Das Schwein ist sehr lebhaft, munter 
und frisst gut, mit häufig wechselndem Appetit. 
Der Kot ist trocken, schleimig belegt. Die Haut 
mit wenig schwärzlichen BQrken an den Ohren be¬ 
setzt, sonst weiss und von normaler Beschaffenheit. 
Das Schwein hustet ganz auffällig viel, besonders 
beim Fressen in langen Anfällen. Dabei zeigt es 
erschwertes Atmen und röchelnde Töne. Die Tem¬ 
peratur beträgt 3 Tage vor der Impfung 39,4; 
39,5; 39,4. Das Schwein erhält subkutan 
an den Ohren simultan 5 ccm Serum 
und 0,75 ccm Kultur. Am nächsten Tage be¬ 
trägt die Innenwärme 40,1. Das Schwein ist nicht 
schwerer krank. Die Temperatur sinkt alsbald 
wieder auf 39,7; 39,5; 39,6; 39,5; 39,4; 39,5; 39,3. 
Bis zu diesem Tage ist das Gewicht 24 Pfund ge¬ 
blieben. Jetzt, am 8. Tage nachder ersten 
Impfung, erhielt das Schwein 1 ccm 
einer zweitägigen, frisch aus einem 
Kadaver isolierten Rotlaufbacillen- 
Bouillonkultur. In den nächsten Tagen ist 
das Tier schwerer erkrankt, hustet reichlich in 
langen Anfällen, atmet beschleunigt, liegt meist 
in der Streu, frisst aber regelmässig. Beim Impfen 
hatte es infolge der Widerspenstigkeit sich zu¬ 
fällig an einem Nagel eine lange Risswunde am 
Bauche zugezogen. Diese Wunde zeigt bald Eiterung 
mit grasgrünem Eiter. Die 'Temperatur ist 5 Tage 
lang nach der Impfung 40,2; 40,6; 40,5; 40,3; 
40,1. Dann erholt sich das Schwein wieder all¬ 
mählich mehr und nimmt an Körpergewicht zu bis 
27 Pfund. Die Innenwärme setzt sich fort in der 
Höhe von 39,9; 39,7; 39,9; 39,6; 39,8. Das Gewicht 
beträgt jetzt 30 Pfund. Das Allgemeinbefinden 
ist besser. Die Wunde am Bauche in Hei¬ 
lung begriffen. Nun erhält das Tier noch 
1 ccm dreitägige Rotlaufbouil Ion - 
k u 11 u r. Es reagiert hierauf in keiner Weise und 
wird nach 5 Tagen deshalb geschlachtet und fol¬ 
gender Befund erhoben: 

Am Bauche befindet sich eine eiternde in 
Heilung begriffene etwa halbfingerlange Riss¬ 
wunde. Der Eiter ist grün und reich an Stäbchen. 
Der Nährzustand ziemlich gut. Baucheingeweide 
normal gelagert, fast überall spiegelnd. Dickdarm 
mit vielen zottigen, feinen Anhängen besetzt. Blind¬ 
darm stark gasig aufgetrieben, ebenso Magen ziem¬ 
lich gross und gashaltig. Am Bauchfell mehrere 
haselnussgrosse Knoten mit grünem Inhalt und 
schwieliger Kapsel. Bauchfell darüber verdickt. 
Magen und Darmschleimhaut überall mit zähen, 
fest anhaftenden, schleimig-eitrigen Massen be¬ 
deckt, besonders auf der verdauenden Magen¬ 
schleimhaut dicke, schleimige Platten aufgelagert. 
Hier die Schleimhaut dunkelbraun pigmentiert. 
Nirgends Defekte oder Knoten im ganzen Darm. 


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8 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


3. Jahrgang. 


Leber, Milz, Nieren, normal. In den Bronchien 
zäher, glasiger Schleim von grauer Farbe. Vor¬ 
dere und mittlere Lungenlappen verdichtet, hepati- 
siert, von sarkomartiger Konsistenz und gelbroter 
Farbe. Schnittfläche trocken. Volumen der hepa- 
tisierten Lappen ziemlich klein. Nirgends Eiterung 
in der Lunge, zwischen den Blättern des Mittel¬ 
fells indessen ein haselnussgrosser Eiterherd mit 
grünem Eiter, abgekapselt. Pleura überall spiegelnd. 
Aus den Eiterherden und der Lunge die spezi¬ 
fischen Bacillen gezüchtet. 

Diagnose : Schweineseuche, begründet 
durch einen Magen-Darmkatarrh mit Abscessen 
am Bauchfell, einen Bronchialkatarrh mit lobulärer 
Pneumonie und durch eine spezifische Wund¬ 
eiterung. 

Auf die Rotlaufimpfung beziehen könnte 
man die geringe Temperaturerhöhung nach der 
Simultanimpfung, sicherlich aber die Fieber¬ 
periode nach der zweiten Kulturimpfung und 
die während dieser Zeit eintretende Verschlech¬ 
terung des Allgemeinbefindens. Die nochmals 
vorgenommene letzte Kulturimpfung erzeugte 
keine Reaktion. 

Schwein 23. Das Ferkel wiegt 22 Pfund 
und ist gesund. Die Temperatur beträgt 2 Tage 
vor der Impfung 39,3 und 39,3. 

Das Ferkel erhält 5 ccm Serum und 2 ccm 
viertägige Rotlauf-Bouillonkultur subkutan an den 
Ohren. 

Die Gesundheit des Tieres wird dadurch nicht 
beeinflusst. Die Innenwärme beläuft sich auf 
39,3; 39,7; 39,6; 39,5; 39,6; 39,6 und 39,7. 

Am 8. Tage nach der ersten Impfung werden 
am Ohr nochmals 3 ccm Kultur eines zweitägigen 
frisch aus einem Rotlaufschwein gezüchteten 
Stammes subkutan iniziert. 

Eine Gesundheitsstörung tritt nicht ein. Die 
Innenwärme beträgt 39,9; 39,7 und 39,6. Das 
Ferkel entwickelt sich gut und wird nach vier¬ 
monatlicher Beobachtung geschlachtet. Die Sektion 
ergibt nichts Abweichendes, besonders auch an 
den Herzklappen. 

Die nächsten Versuche behandeln eine Si¬ 
multanimpfung, bei der weniger Kultur ge¬ 
nommen wird. 

Schwein 24. Das Schwein ist 10 Wochen 
alt und stammt aus einem amtlich gemeldeten 
Bestände, zusammen mit 25 und 26 einem Wurfe 
angehörend. Das Tier ist nicht schwer krank, zeigt 
aber ausgesprochene Symptome in Form eines sel¬ 
tenen Hustens, eines perversen Appetits und eines 
Darmkatarrhs. Der Leib ist aufgeschürzt. Die Haut 
normal weiss. Borstenkleid struppig. Innenwärme 
6 Tage vor der Impfung 39,8; 39,6; 39,8; 39,8; 
39,5; 39,9. Das Ferkel erhält 5 ccm Serum 
und 0,25 ccm einer dreitägigen Kultur. 
Gewicht 23 Pfund. Die Innenwärme steigt auf 
40,3; 40,4; 39,7; 39,6; 39,7; 39,8; 39,9; 39,7; 39,4 


und 39,7. Eine bemerkenswerte Verschlimmerung 
ausser der Temperaturerhöhung tritt nicht ein. 
Nun erhält das Tier 0,5 ccm einer 
viertägigen Rotlauf-Bouillonkultur. 
Eine Reaktion tritt nicht ein. Innenwärme an¬ 
dauernd normal. Nach 10 Tagen wird das Schwein 
geschlachtet. Die Sektion ergibt: Gewicht 30 Pfund. 
Nährzustand mässig gut. Baucheingeweide normal 
gelagert und normal aussehend. Intensiver Magen¬ 
katarrh. Schleimhaut verdickt, faltig, Drüsenregion 
fast ganz glatt, dicke, zellenreiche Schleimbeläge 
auf derselben, die schwer abzuspülen sind. Sonst 
alle Eingeweide normal. Brustorgane gesund. 

Diagnose : Schweineseuche. Das Tier 
stammt aus einem notorischen Schweineseuche¬ 
bestand und hat einen charakteristischen Magen¬ 
katarrh. 

Die Rotlaufimpfung hatte, sofern man von 
der geringen Temperaturerhöhung absieht, 
keine nachteiligen Folgen. 

Schwein 25. Das Ferkel wiegt 20 Pfund. 
Es ist ebenfalls wenig krank und ringelt sogar 
den Schwanz. Nur der perverse und oft wechselnde 
Appetit, der aufgetriebene Bauch und das struppige 
Borstenkleid zeigen die vermutliche Schweineseuche 
an. Innenwärme in 6 Beobachtungstagen: 39,2; 
39,9; 33,9; 39,7; 39,9; 39,8. Das Tier erhält 
simultan 5 ccm Serum und 0,25 ccm 
dreitägige Kultur. Eine Reaktion bemerkt 
man nicht. Innenwärme am nächsten Tage 40,0, 
dann sinkend und fortlaufend 39,7; 39,6; 39,8; 
39,8; 39,7; 39,9; 39,7; 39,7; 39,6. Jetzt erhält 
das Ferkel 0,5 ccm einer viertägigen 
Kultur. Auch hierauf erfolgt keine Verschlim¬ 
merung des Zustandes. Nach 14 Tagen wird das 
Tier geschlachtet. Es wiegt 26 Pfund. Dabei 
findet man einen ausgesprochenen Magen-Darm- 
katarrh, eine Bronchitis mit Atelektase des rechten 
Vorder- und Mittellappens. Diese Lappen sind 
sehr klein, verschrumpft, und die Bronchien mit 
glasigem Schleim gefüllt. 

Diagnose : Schweineseuche auf Grund 
des Schlachtbefundes (Magen-Darmkatarrh und 
Bronchialkatarrh mit Atelektase). 

Die Rotlaufimpfung hatte keine bemerkens¬ 
werte schädliche Wirkung. 

Schwein 26. Das Tier ist mager, zeigt 
Durchfall und ist ausgesprochener krank, als die 
vorigen. Es wiegt nur 17 Pfund. Die Tempe¬ 
ratur ist von vornherein in 6 Beobachtungstagen 
40,2; 40,3; 40,0; 40,0; 40,1; 40,3. Das Ferkel 
erhält 5 ccm Serum und 0,25 ccm drei¬ 
tägige Kultur. Die Innenwärme beläuft sich 
auf 40,2; 40,3; 40,2; 40,0; 39,8; 39,7; 39,6; 39,8; 
39,8; 39,7. Eine schwerere Erkrankung des ohnehin 
augenfällig kränkelnden Ferkels tritt nicht ein. 
Der Durchfall bleibt einige Tage bestehen und 
verschwindet dann. Das Tier wiegt nun nur 15 
Pfund. Es erhält 0,5 ccm viertägige 
Kultur. Eine Reaktion tritt nicht ein. Innen- 


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Heft 1. 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


9 


wärme 39,7; 39,6; 39,7. Das Ferkel wird nach 
14 Tagen geschlachtet. Dabei zeigt sich ausser 
dem schlechten Ernährungszustand und der grin¬ 
digen, borkigen Haut ein augenfälliger Magen- 
Darmkatarrh, gekennzeichnet durch dicke, eitrig¬ 
schleimige Beläge und schwärzliche Pigmentierung 
der Schleimhaut. Die vorderen Lungenlappen 
weisen fleckenweise nesterförmige katarrhalische 
Hepatisation auf, die zugehörigen Bronchien sind 
schleimig verstopft. 

Diagnose : Schweineseuche. 

Die Rotlauf im pfung hatte ein bemerkens¬ 
wertes Resultat nicht gezeitigt, was um so auf- 
fäUiger ist, als das Ferkel schon vor der Imp¬ 
fung ziemlich kränklich war. 

Die nächsten beiden Schweine stammen aus 
einem notorischen Schweineseuchebestande. 
Ein drittes, mit angekauftes starb auf dem 
Transport, wobei eine fast die ganze Lunge 
einnehmende katarrhalische Hepatisation und 
ein Magen-Darmkatarrh gefunden wurde. Die 
beiden Schweine waren ebenfalls augenfällig 
krank, besonders das nächste. 

S c h w e i n 27. Das Tier zeigt die gewöhnlichen 
Symptome der Schweineseuche (Husten, Durchfall 
usw.) in ziemlichem Grade. Es ist mager und 
verkümmert. Die Innenwärme beträgt 39,7; 39,5; 
39,4. Das Ferkel wird dann geimpft mit 
3 ccm Serum und 0,25 Kultur, um probe* 
weise die Serumdosis herabzusetzen. 
Innenwärme in den nächsten Tagen 39,7; 39,9; 
40,8; 40,6. Das Ferkel wird schwerer krank in 
den beiden letzten Tagen, frisst überhaupt nicht, 
atmet dyspnoisch, hustet viel und liegt fast stets 
in der Streu versteckt. ' Es stirbt, also am 4. Tage 
nach der Impfung. Die Sektion ergibt eine auf¬ 
fällige Rötung und Schwellung der Darmschleim¬ 
haut, wobei dieselbe mit dicken, eitrigen Belägen 
bedeckt ist, eine grosse Blutfülle der Leber und 
eine so hochgradige katarrhalische Lungenentzün¬ 
dung beiderseits, dass 'nur in den Hauptlappen 
jederseits ein mässiger Teil lufthaltig geblieben ist. 

Diagnose : Schweineseuche. 

Ob die Rotlaufimpfung diesen tödlichen 
Ausgang veranlagte, oder das ohnehin schwer¬ 
kranke Tier eines natürlichen Todes an 
Schweineseuche starb, ist kaum zu entscheiden. 

Schwein 28. Dieses Tier ist weniger krank, 
als das vorige, hat aber deutliche Symptome der 
Schweineseuche aufzuweisen. Es hustet reichlich, 
zeigt Merkmale eines chronischen Magenkatarrhs 
und ist in der Entwicklung zurückgeblieben. Ge¬ 
wicht im Alter von 12 Wochen 26 Pfund. Haar¬ 
kleid struppig und glanzlos. Die Innenwärme be¬ 
trägt 39,3; 39,4; 39,5. Das Tier erhält 

ebenfalls 3 ccm Serum und 0,25 ccm 
Kultur. Es reagiert darauf durch prompte Er¬ 
höhung der Temperatur, welche in den nächsten 


Tagen beträgt: 40,1; 40,5; 40,3; 40,2; 40,6; 40,2; 
39,6; 39,7; 39,6; 39,2. Während dieser Zeit sind 
auch sonst die Allgemeinsymptome auffälliger, 
besonders ist der Patient matter und müder, liegt 
viel, frisst schlecht. Als die Temperatur auf nor¬ 
maler Höhe beständig geblieben war, wie die vor¬ 
stehende Tabelle zeigt, erhält das Tier eine 
zweite Kulturimpfung von 0,75 ccm 
Kultur. Alsbald nehmen die Symptome der 
Seuche wieder -zu. Die Temperatur steigt 
wieder über 40,0. Sie setzt sich fort mit 
40,1; 40,6; 40,4; 40,5; 40,0; 40,0; 40,2 
und sinkt nun auf 39,8; 39,9; 39,7; 39,6. Das 
Ferkel wiegt nur noch 22 Pfund. Krankheits- 
erscheinungen wie bei Beginn des Versuches. 
Es wird geschlachtet. Die Untersuchung ergibt 
einen hochgradigen Magenkatarrh und chronische, 
villöse Peritonitis an der Magenserosa, einen nicht 
sehr ausgeprägten Darmkatarrh, eine katarrhalische 
Bronchitis und lobuläre katarrhalische Hepatisation 
der vorderen und mittleren Lappen und der drei¬ 
kantigen Spitze rechts. 

Diagnose : Schweineseuche, kenntlich an 
den Katarrhen. 

In diesem Falle hatte die Impfung 
wiederum eine bemerkenswerte vorübergehende 
Verschlimmerung der Krankheit gezeitigt. 

Besonders lag mir daran, die Gefahren der 
Simultanimpfung bei Schweinen mit Schweine¬ 
seuche zu studieren. Ich glaubte das vor¬ 
stehende Material hierfür als genügend an- 
sehen zu dürfen und benutzte noch 3 Schweine 
mit Schweineseuche für Versuche mit einer ge¬ 
trennten Immunisierung. 

Schwein 29. Dasselbe stammt mit den 
nächsten beiden aus einem Bestände, in dem die 
Schweineseuche herrschte. Es ist 8 Wochen alt 
und wiegt 20 Pfund. Alle 3 Tiere sind ziemlich 
gleich und nicht hochgradig erkrankt. Sie fressen 
regelmässig, mit wechselndem Appetit, haben ein 
fast normales Borstenkleid auf weisser Haut, sind 
nur etwas struppig und dickbäuchig. Husten zeigen 
alle 3 sehr selten, vorübergehend tritt Durchfall 
ein, ebenso bei diesem Tiere einmal Erbrechen. 
Munterkeit erhalten. Innenwärme bei diesem Tiere: 
39,2; 39,4; 39,3; 39,3; 39,4; 39,6. Das Ferkel 
erhält jetzt 5 ccm Serum. Die Temperatur 
steigt darauf auf 40,2; 40,0; 39,7, ist also nur 
vorübergehend und gering erhöht. Sonst tritt nichts 
Erwähnenswertes ein. Nach den 3 Tagen 
erhält das Schwein 0,5 ccm viertägige 
Bouillonkultur Rotlaufbacillen. Die 
Innenwärme setzt sich fort mit 40,2; 39,9; 39,7; 
39,7; 39,5; 39,4; 39,2; 39,4; 39,3. Sonst tritt keine 
Reaktion auf. Das Tier bekommt jetzt 
1 ccm viertägige Kultur subkutan. 
Es reagiert hierauf nicht. Innenwärme 39,8; 39,6; 
39,7. Das Ferkel hat sich mässig entwickelt und 
wird nunmehr geschlachtet. Gewicht 24 Pfund. 


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10 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


3. Jahrgang. 


Die Sektion ergibt einen Magenkatarrh und einen 
Dickdarmkatarrh, wobei auf der Schleimhaut dep 
letzteren, besonders im Blinddarm einzelne ka¬ 
tarrhalische Erosionen mit glattem Grund von 
etwa halber Erbsengrösse zu sehen sind. Ausser¬ 
dem liegt eine Bronchitis vor, wobei sich als Folge¬ 
zustand eine lobuläre Pneumonie hinzugesellte. He- 
patisiert ist nur an der rechten Lunge der Mittel¬ 
lappen, welcher eine ziemlich derbe Konsistenz, 
eine trockene Schnittfläche, ein ziemlich grosses 
Volumen und eine gelbrote Farbe besitzt. Am 
rechten Vorderlappen befinden sich einige atelek- 
tatische, blaurote, eingesunkene, kompakte Lungen¬ 
partien. 

Diagnose : Schweineseuche. 

Ausser geringer Temperaturerhöhung war 
nach der Impfung nichts zu bemerken. 

Schwein 30. Der Befund gleicht bei Be¬ 
ginn des Versuches dem vorigen. Gewicht des 
Tieres nur 15 Pfund. Innenwärme 39,7; 39,0; 39,1; 
39,2; 39,9; 39,9. Das Schwein erhält 

5 ccm Serum. Schlimme Folgen stellen sich 
nicht ein. Innenwärme 39,8; 39,8; 39,3. Nun 
Kulturgabe von 0,5 ccm viertägiger 
Bacillen. Ebenso keine Reaktion. Innenwärme: 
39,7; 39,3; 39,3; 39,4; 39,1; 39,3; 39,6; 39,5; 
39,6. Zweite Kulturgabe von 1 ccm 
viertägiger Bacillen. Das Tier zeigt keine 
Folgeerscheinungen. Innenwärme 39,6; 39,4; 39,4. 
Das Ferkel wird dann geschlachtet. Es wiegt 17 
Pfund. Die Sektion ergibt einen starken Magen- 
katarrh, weiter nichts. 

Diagnose : Schweineseuche, weil das 
Ferkel aus einem kranken Bestände herstammt 
und einen spezifischen Katarrh an der Magen¬ 
schleimhaut aufweist. 

Die Rotlaufimpfung hatte nicht schädigend 
gewirkt. 

Schwein 31. Befund, wie vorhin bei dem 
Beginn des Versuches. Innenwärme: 39,0; 39,1; 
39,8; 39,5; 39,4; 39,5. Nun erfolgt die Se¬ 
ruminjektion am Olir mit 5 ccm Serum. 
Es tritt keine Reaktion ein. Innenwärme: 39,6; 
39,6; 39,6. Alsdann wird 0,5 ccm vier¬ 
tägige Kultuf eingespritzt. Auch hier¬ 
nach zeigt sich keine Störung. Innenwärme: 39,5; 
39,8; 39,2; 39,2; 39,4; 39,7; 39,5; 39,4; 39,1. 

Die zweite Kulturgabe von 1 ccm vier¬ 
tägiger Kultur erfolgt alsdann. Tem¬ 
peratur 39,1; 39,5; 39,3. Das Tier, welches zu 
Beginn 19 Pfund wog und jetzt 21, wird ge¬ 
schlachtet. Die Sektion ergibt einen Magen-Darm¬ 
katarrh, ferner einen Broncliialkatarrh mit teil¬ 
weiser anschliessender Hepatisation der Lunge. 
Katarrhalisch liepatisiert sind der ganze rechte 
Vorder- und Mittellappen und links eine scharf 
umschriebene interlobulär abgesetzte kleine Stelle 
im Mittellappen. 

Diagnose : Schweineseuche. 

Die Rotlaufimpfung hatte keine schäd¬ 
lichen Folgen. 


Hiermit brach ich die Versuche ab. Wenn 
man die Resultate übersieht, so erkennt man, 
dass die Impfung entschieden schädliche Folgen 
bei Schweinen mit Sc) i weineseuche hat oder 
wenigstens oft haben kann. Eine Anzahl Tiere 
reagierten allerdings nicht. Die Zahl derselben 
wird in der Praxis prozentualiter wohl noch 
höher sein, als bei den Versuchen, für welche 
ich naturgemäss Schweine auswählte, die min¬ 
destens erkennbare klinische Symptome, be¬ 
sonders auch am Respirationsapparat, zeigten. 
Worauf die Schädigung anatomisch fundiert ist, 
lässt sich kaum entscheiden. Es schien, als ob 
die akuten Pleuriten oder frische, weit um sich 
greifende Hepatisationen in Frage kommen 
konnten. Wichtigere Schlüsse auf eine tatsäch¬ 
liche Schädigung konnte nur das klinische Ver¬ 
halten bieten, weil sich oft augenfällige Ver¬ 
schlimmerung einstellte, direkt im Anschlüsse 
an die Impfung, was die Versuche beweisen 
dürften. In einzelnen Fällen folgten lange 
Perioden fieberhafter Erkrankung direkt nach 
der Impfung, und die Schweine, die vor¬ 
geschritten krank sind, starben leicht infolge 
dieses Eingriffes. Mit den Versuchen 
habe ich die experimentelle Bestä¬ 
tigung dafür erbracht, dass die 
praktischen Erfahrungen hinsicht¬ 
lich der nachteiligen Wirkung der 
Rotlaufimpfung bei Schweinen mit 
Schweineseuche tatsächlich be¬ 
rechtigt sind. 

Daraus ergibt sich für die Praxis der Im¬ 
pfung die Notwendigkeit, jeden Bestand vor 
Ausführung derselben auf das Vorhandensein 
der Schweineseuche zu prüfen, was bei den ver¬ 
steckten, wenig offensichtlichen Zeichen der 
Seuche vielfach nicht leicht ist und um so sorg¬ 
fältiger geschehen sollte, sonst bleiben üble Zu¬ 
fälle nicht aus. Offenkundig kranke Tiere darf 
man natürlich nicht impfen. Ich glaube, dass 
fast alle angeblichen Misserfolge nach der Rot¬ 
lauf impf ung durch Schweineseuche resp. Ver¬ 
schlimmerung derselben und durch versehent¬ 
liches Impfen bereits vorher durch Rotlauf in¬ 
fizierter Tiere veranlasst sind, besonders 
weil die Tierärzte wegen der Meinungsver¬ 
schiedenheiten, die diese Frage gezeitigt, 
noch das Wesen der Schweineseuche nicht 
gleichmässig deuteten. Auch in dieser Be¬ 
ziehung könnten die geschilderten wechsel¬ 
vollen und doch auf einen einheitlichen Grund 


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Heft 1. 


Fortschritte der Veterin&r-Hygiene. 


11 


zurückzuführenden kurzen Befunde vielleicht 
Nutzen schaffen. Ausserdem darf ich ausdrück¬ 
lich feststellen, dass unter allen Schweinen, die 
aus den verschiedensten Gegenden der benach¬ 
barten Provinzen und Staaten bezogen wurden, 
auch nicht ein einziges war, welches die 
Schweineseuche in anderem Bilde zeigte, als 
es von Grips, Verfasser und Nieberle 
geschildert wurde. 

Der eigentliche Grund der Versuche ist, wie 
ich schon sagte, die Befürchtung, dass die Rot¬ 
laufimpfung wegen der Schweineseuchefrage in 
Misskredit geraten könne. Das darf aber nicht 
geschehen, eine so hervorragende Methode muss 
geschützt und gesichert werden. 

Bei dieser Sachlage ist es notwendig, die 
Rotlaufimpfung mit ihren Vorzügen auf das 
schärfste hervorzuheben und den Landwirten 
in jeder Weise unermüdlich klar zu machen, 
welche grosse wissenschaftliche und praktische 
Leistung Lorenz vollbrachte. So schliesse ich 
die Besprechung in der Hoffnung, dass die Ver¬ 
suche zu grösserer Sorgfalt bei der Impfung 
anregen und zur richtigeren Deutung der Ver¬ 
luste beitragen möchten, damit die Rotlauf¬ 
impfung weiterhin ihren Siegeszug in der 
Praxis ungeschmäht nehmen kann. 

Ueber Futterkalk. 

Von Prof. Dr. H. Immendorff.*) 

Die Bezeichnung „Futterkal k“, so 
sollte man meinen, müsse für ein jedes als 
Futterbeigabe dienendes Präparat Geltung be¬ 
sitzen, das als wesentlichsten Bestandteil 
Kalk enthält. Hiernach wäre der ziemlich 
reine kohlensaure Kalk in der Form der 
Schlämmkreide, — die, wie bekannt, viel¬ 
fach dem Futter beigemischt wird, — derjenige 
Stoff, der in erster Linie auf den Namen Fut¬ 
ter k a 1 k Anspruch machen könnte. Tat¬ 
sächlich versteht man jedoch in der land¬ 
wirtschaftlichen Praxis und im Futter¬ 
mittelhandel unter Futterkalk keineswegs 
kohlensauren Kalk, sondern phos¬ 
phorsauren Kalk und zwar wiederum eine 
ganz bestimmte Form desselben, nämlich die 
des gefällten (präzipitierten) phosphorsauren 
Kalks. Als gleichbedeutend mit dem Namen 
Futterkalk trifft man auch die Bezeich- 

*) Nach einem Aufsatz in der „Deutschen Pferde¬ 
zucht“. 


nungen Knochenfuttermehl oder Fut¬ 
terknochenmehl. Trotz der Verschieden¬ 
artigkeit der Benennungen, von denen keine 
dem Sinne nach richtig ist, versteht der Land¬ 
wirt darunter doch immer denselben Stoff, 
nämlich die oben genannte Form des phosphor¬ 
sauren Kalkes. Es konnte natürlich nicht aus- 
bleiben, dass bestimmte Handelskreise aus 
dieser Verwirrung der Namen Nutzen zu ziehen 
suchten. Der Verband Landwirtschaftlicher 
Versuchsstationen im Deutschen Reiche hat sich 
aus diesem Grunde veranlasst gesehen, durch 
eine Begriffsbestimmung dieser verschiedenen 
Bezeichnungen Klarheit zu schaffen. Die Er¬ 
klärung des Verbandes lautet: „Unter Knochen¬ 
futtermehl oder Futterknochenmehl (Anm. d. 
Verf.: auch Futterkalk) versteht nach der Ent¬ 
wicklung, welche der Handel und Verbrauch 
dieser Futterbeigabe genommen hat, der kau¬ 
fende Landwirt nur den gefällten phos¬ 
phorsauren Kalk, der zum grössten Teil 
aus Dicalciumphosphat besteht, nicht 
aber eine der Formen des Knochen¬ 
mehles (rohes, gedämpftes, entleimtes, kal- 
ciniertes Knochenmehl), wie es zu Düngungs¬ 
zwecken in den Handel und Gebrauch gelangt.“ 

Der Landwirt will also, wenn er Fut¬ 
ter k a 1 k kauft, seinen Tieren nicht allein 
Kalk, sondern auch gleichzeitig Phosphor¬ 
säure zuführen und beide Bestandteile selbst¬ 
verständlich in leicht aufnehmbaren Formen. 
Als solche galten bisher in erster Reihe die Be¬ 
standteile des eben näher bezeichneten ge¬ 
fällten phosphorsauren Kalkes. 

Der neuerdings ungemein angewachsene 
Verbrauch der kalk- und phosphorsäurehaltigen 
Futterbeimischungen und die noch stärker an¬ 
gewachsene Neigung des Handels diesen Ver¬ 
brauch durch zum Teil — wenigstens für die 
Zwecke, für die sie bestimmt ist, — sehr ge¬ 
schickte Reklame ins Ungemessene zu steigern, 
veranlasst mich im folgenden das, was über 
die Notwendigkeit oder Zweckmässigkeit der 
Beifütterung von Kalk und Phosphorsäure 
sicher bekannt ist, summarisch darzulegen. Auf 
die Bedeutung der genannten Stoffe für die 
Pferdezucht wbrde ich im besonderen kurz ein- 
gehen. 


Von den im Tierkörper vorkommenden 
mineralischen Stoffen verdienen Kalk und 


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12 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


3. Jahrgang. 


Phosphorsäure bekanntlich deshalb be¬ 
sondere Beachtung, weil sie in ziemlich be¬ 
deutenden Mengen zum Aufbau des Organis¬ 
mus notwendig sind. Muskelfaser und Nerven- 
substanz sind verhältnismässig reich an Phos¬ 
phorsäureverbindungen und die Mineralsub¬ 
stanz des Knochengerüstes besteht, neben etwas 
kohlensaurem Kalk, im wesentlichen aus phos¬ 
phorsaurem Kalk. Ebenso ist die Milch reich 
an beiden Bestandteilen. Es geht aus diesen 
Angaben schon ohne weiteres hervor, dass ein 
ganz besonderes Bedürfnis für die Aufnahme 
dieser Stoffe dort bestehen muss, wo umfang¬ 
reiche Neubildungen der genannten Körper¬ 
bestandteile und starke Absonderung von Milch 
vor sich gehen, — also beim trächtigen, milch¬ 
gebenden und vor allem beim jungen in der Ent¬ 
wicklung begriffenen Tiere. 

Trotz des unter diesen Umständen bedeu¬ 
tenden Kalk- und Phosphorsäurebedürfnisses 
enthalten für gewöhnlich die aus mehre- | 
ren, normal zusammengesetzten Be- j 
standteilen gemischten Futterrationen der j 
Haustiere ausreichende Mengen der beiden 1 
Stoffe und zwar in Formen, die ohne Frage 
als die für den Tierkörper geeignetsten zu be¬ 
zeichnen sind. 'In solchen normalen Fällen 
muss es als vollständig überflüssig bezeichnet 
werden, durch künstliche Zusätze, den Gehalt 
des Futters an Kalk oder Phosphorsäure oder 
an beiden Stoffen künstlich erhöhen zu wollen. 

Vollständig normal im angedeuteten Sinne 
ist in der Praxis nun aber die Fütterung der 
Nutztiere nicht immer, wenigstens dort nicht, 
wo man grosse Mengen gewisser Abfälle zu i 
verwerten gezwungen ist oder wo man ein¬ 
seitig bestimmte, sonst normale Futterstoffe 
in grossen Mengen verabreichen muss. Auch 
kommt es vor, dass im übrigen durchaus natur- 
gemässe Futterrationen durch besondere Ver¬ 
hältnisse, unter denen die sie zusammen¬ 
setzenden Pflanzen oder Pflanzenteile gewach¬ 
sen sind, einen Mangel an gewissen Mineral- 
stoffen auf weisen. 

Wenn wir uns die dem Landwirt zur Ver¬ 
fügung stehenden Futterstoffe auf ihren Ge¬ 
halt an Kalk und Phosphorsäure näher ansehen 
(ich verweise zu diesem Zwecke auf die Zu¬ 
sammenstellungen in Mentzel und v. Len¬ 
ge r k e s landwirtschaftlichem Kalender), so ist 
fast auf den ersten Blick zu erkennen, dass 


die proteinreichen Futterstoffe auch reich sind 
an Phosphorsäure und man kann als völlig 
sicher annehmeri, dass Futterrationen, die den 
Tieren ausreichende Eiweissmengen zu¬ 
führen, auch genügend mit Phosphor¬ 
säure versehen sind. 

Anders liegt die Sache beim Kalk. Die 
Körnerfrüchte und ihre Abfallprodukte, wie 
Kleien, Futtermehle, Schlempen etc., ferner die 
Knollen und Wurzelfrüchte und deren Fabri¬ 
kationsabfälle, wie Schnitzel, Kartoffel- 
Schlempe und -Pülpe sind arm an Kalk, so 
dass bei stärkerer Fütterung mit diesen Stoffen 
ein Mangel an Kalk eintreten kann. Wie oben 
bereits angedeutet wurde, können auch beson¬ 
dere Wachstumsverhältnisse, — wie zum Bei¬ 
spiel grosse Kalkarmut des Bodens, auf dem 
die Futterpflanzen angebaut waren (z. B. man¬ 
gelhaft gedüngter Hochmoor oder Heideboden) 
oder abnorm trockene Witterung während der 
Vegetationszeit — veranlassen, dass sonst aus¬ 
reichend mit Kalk (und Phosphorsäure) ver¬ 
sehene Futterstoffe, wie Heu, Stroh etc. für 
Fütterungszwecke zu geringe Mengen davon be¬ 
sitzen. Aber auch hier ist es wiederum in erster 
Linie der Kalk, welcher in zu geringen Mengen 
auftritt. 

Es soll nicht behauptet werden, dass es 
im Futter niemals an Phosphorsäure fehlen 
kann, — bei einseitig und schlecht ernährten 
Schweinen und auch bei mangelhaft gefütterten 
anderen Nutztieren mag das hin und wieder 
Vorkommen, — aber soviel steht fest, dass, 
gegenüber den Fällen, in denen es an Kalk 
im Futter mangelt, die Fälle, in denen es an 
Phosphorsäure fehlt, sehr selten sind. Ganz 
besonders empfindlich, und zu schweren Krank¬ 
heitserscheinungen Anlass gebend, kann be¬ 
kanntlich die Kalkarmut des Futters dann 
werden, wenn auch das Tränkwasser den Tieren 
keine wesentlichen Mengen Mengen von Kalk 
zuführt. 

Bei dem gewaltigen Umfange, den in neue¬ 
ster Zeit die Beifütterung von phosphorsaurem 
Kalk, also von Kalk und Phosphor¬ 
säure, angenommen hat, sollte man beinahe 
glauben, dass die hervorgehobene Tatsache des 
ziemlich seltenen Phosphorsäuremangels über¬ 
sehen worden wäre, das ist aber keineswegs 
der Fall; in fast allen Lehrbüchern der Tier¬ 
ernährungslehre wird darauf hingewiesen. 


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Heft 1. 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


13 


Wenn trotzdem gerade dem phosphorsauren 
Kalk der Vorzug vor dem kohlensauren Kalk 
eingeräumt wird, so entspringt das im wesent¬ 
lichen der Ansicht, dass der phosphorsaure 
Kalk dem Tierkörper auch gerade den Kalk 
in einer demselben besonders zusagenden Form 
zuführe. 

Sehr deutlich geht das z. B. aus einer Be¬ 
merkung J. Kühns hervor, dieselbe lautet: 
„Bei einer genauen Berechnung mit Hilfe der 
analytischen Anhalte wird sich nicht selten 
herausstellen, dass es in genügend protein¬ 
reichen Futterrationen der Kälber nicht an 
reichlicher Phosphorsäure fehlt, dass aber im 
Verhältnis zu dieser der Kalk in nicht ganz 
zureichender Menge vorhanden ist. Dann wird 
zuweilen empfohlen, anstatt der Knochenerde 
dem Futter nur geschlämmte Kreide beizu¬ 
mischen, es ist aber doch in Rücksicht auf die 
Verdauungsvorgänge zweckmässiger, basisch¬ 
phosphorsauren Kalk zu verabreichen.“ Mär- 
cker schreibt noch deutlicher: „Vielfach meint 
man, dass es gut sei, Tieren, namentlich in der 
Jugend, viel Phosphorsäure zu geben, 
indessen ist es sehr unwahrscheinlich, dass dies 
nötig ist, man verwechselt meistens das Phos¬ 
phorsäurebedürfnis mit dem Kalk- 
b e d ti r f n i s. Die guten Erfolge bei Anwen¬ 
dung des phosphorsauren Kalkes, des soge¬ 
nannten Futterknochenmehles, dürften darauf 
zurückzuführen sein, dass der Kalk hier in 
einer besonders guten Form zur Anwendung 
kommt.“ 

Bei den Empfehlungen des phosphorsauren 
an Stelle des kohlensauren Kalkes ging und 
geht man immer von der Erwägung aus, dass 
der kohlensaure Kalk, durch Abstumpfung der 
freien Säure des Magensaftes, die Verdauung 
und damit die Ausnutzung der Futterstoffe 
wesentlich einschränken müsse. Durch das 
stark alkalische Futter könnten dann auch wei¬ 
tere Verdauungsstörungen anderer Art herbei¬ 
geführt werden. Es sind das jedoch nur Ver¬ 
mutungen, Versuche, die hierüber Auskunft 
geben konnten, lagen nicht vor und die schlech¬ 
ten Erfahrungen, die man bei der Verfütterung 
kalkreicher Rübenschnitzel gemacht hat, kön¬ 
nen auch auf andere Ursachen als den Kalk¬ 
reichtum der Schnitzel zurück geführt werden. 

Ganz neuerdings hat nun J. Volhard 
in Möckern Fütterungsversuche mit Hammeln 


ausgeführt, bei denen den Tieren überreichliche 
Mengen von kohlensaurem Kalk (Schlämm¬ 
kreide) zum Futter verabreicht wurden; sie 
blieben dabei vollständig gesund und nutzten 
die Futterbestandteile in durchaus normaler 
Weise aus. Volhard weist nun selbst darauf 
hin, dass damit nicht festgestellt sei, ob koh¬ 
lensaurer Kalk im Uebermass auf die Dauer 
nicht doch schädigende Wirkungen zeigen wird. 
Es ist auch aus den Versuchen nicht ohne wei¬ 
teres zu schliessen, dass andere Nutztiere sich 
genau ebenso verhalten werden, wie die 
Hammel. Jedenfalls aber zeigen die Versuche, 
dass bei Zufütterung von Kalk in mässigen 
Grenzen — und mehr ist ja niemals erforder¬ 
lich, wenn es gilt, einem Kalkmangel abzu¬ 
helfen, — mit derselben Berechtigung der zu 
geringe Kalkgehalt des Futters durch die sehr 
billige Schlämmkreide, wie durch den 
teueren gefällten phosphorsauren 
Kalk erhöht werden kann. In vielen Fällen 
wird der Kalkmangel im Futter sogar schon 
durch ein kalkreiches Tränkwasser ausgeglichen 
werden können, wenn es möglich ist, den Tieren 
ein solches zu verschaffen. So führt T h. 
Kasparek einen in dieser Beziehung sehr 
interessanten Fall an, in welchem die jahre¬ 
lang andauernde Knochenbrüchigkeit von 130 
Rindern von dem Zeitpunkte an aufhörte, wo 
härteres Wasser gegeben wurde. 

Wenn aber der Landwirt den phosphor- 
sauren Kalk, auch zur Beseitigung eines 
Kalkmangels allein, bevorzugen sollte, — viel¬ 
leicht mit dem Hintergedanken, dass bei seiner 
Verwendung ein möglicherweise vorhandener 
Phosphorsäuremangel gleich zeitig berücksich¬ 
tigt wird, — so ist dagegen, abgesehen von den 
höheren Kosten, natürlich nichts einzuwenden. 
Nur muss darauf hingewiesen werden, dass auf 
Grund von Versuchen die in Möckern von A. 
Köhler ausgeführt wurden, unsere bisherigen 
Anschauungen über die Aufnehmbarkeit der 
verschiedenen Formen des phosphorsauren Kal¬ 
kes etwas revisionsbedürftig sind. Es hat sich 
bei diesen Versuchen, die in einwandsfreier Art 
mit einjährigen Lämmern angestellt worden 
sind, — [und über deren Ergebnisse der Herr 
Versuchsansteller im September auf der Na¬ 
turforscherversammlung berichtete] — gezeigt-, 
dass entleimtes Knochenmehl sowohl, 
wie kalcinierteKnochen (Knochenasche), 


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14 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


3. Jahrgang. 


in Uebereinstimmung mit der bisherigen An¬ 
sicht, sowohl in bezug auf Kalk, wie besonders 
auf Phosphorsäure in unzureichender 
Weise ausgenutzt werden. 

Bei dem Dicalciumphosphat, — 
dem präzipitierten phosphorsauren Kalk des 
Handels, der für das beste Präparat dieser Art 
gilt — war dagegen die Ausnutzung von Phos¬ 
phorsäure wie von Kalk keineswegs eine so 
hohe, wie man allgemein annimmt. Die Auf¬ 
nahme beider Bestandteile im Dicalcium- 
phosphat liess sich jedoch ganz bedeutend er¬ 
höhen, wenn ein leicht lösliches Kalksalz (milch¬ 
saurer Kalk) beigegeben wurde. 

Die Versuche zeigten ferner, dass in dem 
reinen gefällten Trioalciumphos- 
phat vor dessen Verwendung man bisher ge¬ 
radezu warnen zu müssen glaubte, die Assimi¬ 
lationsfähigkeit der Phosphorsäure wie des 
Kalkes eine recht bedeutende und eine viel bes¬ 
sere ist, als bisher angenommen wurde. Dem 
Dicalciumphosphat allein erwies es sich nicht 
unbeträchtlich überlegen. 

Die vorstehenden Ausführungen lassen 
sich, wie folgt, kurz zusammenfassen: 

1. Bei ausreichender Fütterung trächtiger 
und milchgebender Tiere, wie auch des Jung¬ 
viehs ist es nur in seltenen Fällen notwendig, 
Phosphorsäure zuzuführen. Dagegen kann 
Kalkmangel häufiger auftreten. 

2. Zur Beseitigung dieses Mangels kann — 
falls, was das beste wäre, kalkreiche Futter¬ 
stoffe nicht zugelegt werden sollen — Schlämm¬ 
kreide in mässigen Mengen Verwendung finden. 
Vielleicht wird, es weisen darauf die Ergeb¬ 
nisse der Versuche Köhlers hin, noch besser 
der milchsaure Kalk oder eine ähnliche Form, 
sich für diesen Zweck eignen. Auch die Trän¬ 
kung des Viehs mit kalkhaltigem (hartem) 
Wasser wird oft schon vollständig ausreichende 
Mengen von Kalk zuführen. 

3. Wählt man zur Beseitigung des Kalk¬ 
mangels, phosphorsauren Kalk, wobei 
ja auch ein etwa vorhandener Phosphorsäure¬ 
mangel mit berücksichtigt wird, so ist jede 
Form des Knochenmehles und auch gepulverte 
Knochenasche (calcinierte Knochen) zurück¬ 
zuweisen. Von den gefällten (präzipitierten) 
phorphorsauren Kalken ist dem Tridal - 
ciumphosphat, nicht dem Dicalciumphos¬ 
phat (wie bisher) der Vorzug zu geben. 


Es wird wohl nur kurze Zeit dauern, bis 
der Handel den Landwirten ein Gemisch von 
Dicalciumphosphat und milchsaurem Kalk an¬ 
bieten wird. Nach den Versuchsergebnissen 
Köhlers wäre ein solches richtig zusammen¬ 
gesetztes und preiswertes Präparat in erster 
Linie zu empfehlen. Selbstverständlich kann 
sich auch jeder selbst diese Mischung hersteilen. 


Was nun die Bedeutung von Phosphorsäure 
und Kalk speziell für das Pferd anbetrifft, 
so kann hier mit aller Sicherheit ausgesagt 
werden, dass bei der Stallfütterung der Stuten, 
der trächtigen, wie säugenden und auch bei 
der Ernährung der jungen Pferde ein Mangel 
an Phosphorsäure ausgeschlossen erscheint. Das 
Fehlen von ausreichenden Kalkmengen wird 
aber auch hier hervortreten können und nicht 
ohne Einwirkung* auf das Knochenwachstum 
bleiben. Ganz besonders stark wird diese Ein¬ 
wirkung hervortreten, wenn den Tieren gleich¬ 
zeitig nur weiches Wasser zur Verfügung steht. 
Man hat dementsprechend auch häufig die Be¬ 
obachtung machen wollen, dass das Knochen¬ 
gerüst der Pferde in kalkreichen und mit har¬ 
tem Wasser versehenen Gegenden fester und 
kräftiger wird als in kalkarmen Gegenden mit 
weichem Wasser. 

In solchen Fällen des Kalkmangels dürfte 
häufig schon die Beschaffung eines härteren 
(kalkreicheren) Wassers imstande sein, alle Un¬ 
zuträglichkeiten zu beseitigen. Es ist dabei 
nur zu berücksichtigen, dass ein gutes Tränk¬ 
wasser für Pferde nicht mehr als ca. 22 0 Härte 
(220 mg Kalk im Liter) zeigen und auch beson¬ 
ders nicht grössere Mengen von Magnesia gelöst 
enthalten soll. Der letzten schreibt man die 
Bildung von Steinkonkrementen in den Ge¬ 
därmen zu und übermässiger Kalkgehalt des 
Wassers soll zur Steinbildung in den Harn¬ 
organen führen. 

Wo die Natur kalkhaltiges Wasser nicht 
darbietet, ist es leicht, sich künstlich ein solches 
mit beliebigem Kalkgehalt (selbstverständlich 
innerhalb gewisser Grenzen) herzustellen. Es 
ist dazu nur nötig reiner gebrannter Kalk und 
ein Kohlensäure-Entwicklungsapparat oder eine 
Kohlensäurebombe wie sie fast jeder Gastwirt 
heute benutzt. Ausserdem sind notwendig 
etliche grössere Gefässe und die Erlernung 
einiger Handgriffe. Selbstverständlich kommt 


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15 


Heft 1 Fortschritte der V 


es mir nicht in den Sinn, für jeden Landwirt, 
der einige. Fohlen aufzieht, solche Hilfsmittel 
zu empfehlen. Wo es sich aber um die Auf¬ 
zucht sehr wertvoller Pferde handelt, und wo 
nichts gespart wird, was den Erfolg sicher 
stellen kann, dürfte es sich unter Umständen 
empfehlen, Versuche in dem angedeuteten Sinne 
anzustellen. 

Vielleicht gelingt es aber auch, — und 
diesen Fingerzeig geben die Versuche Köh¬ 
lers — durch Beigabe von etwas milchsaurem 
Kalk (oder dem Kalksalz einer anderen orga¬ 
nischen Säure) zum Tränkwasser, jedem Kalk¬ 
mangel mit noch grösserer Leichtigkeit abzu¬ 
helfen. 

Im vorhergehenden wurde wesentlich die 
Stallfütterung der Pferde ins Auge gefasst. 
Wie bekannt, macht sich aber auch beim Weide¬ 
gange der Tiere mancherorts der Kalkmangel 
des Futters unliebsam bemerklich. In solchen 
Fällen ist es, worauf schon häufig hingewiesen 
wurde, angezeigt, nicht durch Beifütterung von 
Chemikalien, sondern durch rationelle Düngung 
der Weiden dem Nährstoffmangel der Weide¬ 
pflanzen und damit auch dem Nährstoffmangel 
der weidenden Tiere abzuhelfen. Nebenher 
könnte auch in diesem Falle auf der Weide 
kalkreicheres Tränkwasser verabreicht werden. 


Infektiöser Scheidenkatarrh, Kälberruhr, 
Aphthenseuche, neuere Therapie und 
Prophylaxe. 

Zur Bekämpfung dieser so wichtigen 
seuchenhaften Erkrankungen liegen neuere 
Arbeiten vor, die einer weiteren Beachtung 
wert sind. Ueber den infektiösen Scheiden¬ 
katarrh veröffentlicht Bezirkstierarzt J. Ritzer 
seine Beobachtungen aus dem bis zu 90% 
verseuchten Distrikte Ludwigstadt in der 
Wochenschrift für Tierheilkunde und Viehzucht 
No. 7—9. Der Verf. bespricht zunächst den 
Seuchenzug, betont die besondere Disposition 
des Simmenthalerschlages zur Akquisition der 
Krankheit und gibt dann Hinweise zur Be¬ 
handlung. Verf. legt Gewicht darauf, dass 
die Therapie sich nicht allein auf das er¬ 
krankte Organ, also die Scheide, sondern 
auch auf die Umgebung derselben und den 
Schweif erstrecke. Für die letztere empfiehlt 
der Verfasser Waschungen anfangs jeden 


eterinar-Hygiene. 

zweiten Tag, später zweimal in der Woche 
mit 1V 2 %iger Bacillollösung, welche auch zum 
Einlegen des Putzzeuges verwendet wird, um 
eine Uebertragung der Krankheit zu vermeiden. 
In der Behandlung der Scheide selbst ging 
Verf. von Ausspülungen mit l 1 l 2 0 lo^S eT Bacillol 
lösung aus, zieht aber nunmehr nach ein¬ 
gehenden Prüfungen die Behandlungen mit Ba- 
cillolsalbevor. Die letztere für Kühe in 10%, für 
Bullen in 6% Gehalt an Bacillol wird täglich 
mittels Fingers oder Spatels in den von einem 
Gehilfen offen gehaltenen unteren Winkel der 
Scheide eingebracht und zwar in der Grösse 
einer Haselnuss. Die in der Scheide ver¬ 
flüssigte Salbe kommt mit allen Teilen der¬ 
selben in Berührung und übt längere Zeit 
als eine blosse Ausspülung ihre Wirkung aus. 
Dem Bullen wird ein gleichgrosses Stück der 
Salbe in den Schlauch eingebracht und durch 
Verstreichen von aussen verteilt. Mit dieser 
Behandlung gelang es dem Verfasser, selbst 
in schwersten Fällen innerhalb 6 Wochen 
vollständige Heilung zu erzielen. 

Distrikts- und Stadttierarzt K. M. Fleischer 
berichtet im österr. landwirtsch. Wochenblatt 
(No. 20 ct. 1904) über seine Erfahrungen bei 
der Kälberruhr. Derselbe geht von dem 
Standpunkte aus, dass die Infektion unmittelbar 
während des Geburtsaktes stattfindet, und 
findet, dass der frisch gerissene Nabelstrang 
die meiste Disposition zur Infektion besitzt, 
Verfasser sucht daher durch Behandlung der 
Scheide vor dem Geburtsakte prophylaktisch 
einer Infektion vorzubeugen. Zu diesem 
Zwecke werden 3—4 Wochen vor dem Ab¬ 
kalben die trächtigen Tiere abgesondert und 
„wöchentlich 2—3 mal ihre Geburtswege mit 
einer 1% lauen Bacillollösung ausgespült.“ 
Der Nabelstrang des Kalbes wird septisch 
unterbunden und mit einer Mischung von 
zwei Teilen Holzteer und einem Teil Spiritus 
bestrichen. Verf. erklärt, dass auf diesem 
Wege ein Erfolg leicht zu erzielen ist. Die 
nach dem Ueberstehen der Kälberruhr häufig 
hinterbleibende Hornhauttrübung wird vom 
Verfasser mit e ner Mischung von Bacillol 1.0, 
Glyzerin 5.0, Aqua destill. vollkommen ge¬ 
heilt. Eine recht rege Nachprüfung dieser 
therapeutischen Methode wäre im Interesse der 
volkswirtschaftlichen Bedeutung dieser seuchen¬ 
haften Erkrankung wünschenswert. 


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16 


Fortschritte der Veterinär- Hygiene. 


3. Jahrgang. 


In der Berl. tierärztlichen Wochenschrift 
(No. 29 ct. 1904) berichtet Kreistierarzt Pilger 
über die erfolgreiche Tilgung der Aphthen¬ 
seuche, welche im Kreise Simmern einen 
bösartigen Charakter angenommen hatte, 
mittels nachfolgender Behandlung: 

Einreibung der Geschwüre mit 10%iger Ba- 
cillolsalbe, in schweren Fällen der Erkrankung 
der Lederhaut mit Bacillol-Kataplasmen. Die 
Abtrocknung der Geschwüre und Heilung der 
Lederhaut erfolgte sehr rasch, die Kälber 
blieben am Leben, die Mastochsen verloren 
nichts vom Körpergewicht. Gehöfte, die vor 
Ausbruch der Seuche wiederholt von ihren 
Besitzern mit 2 V 2 %igör Bacillollösung des¬ 
infiziert worden waren, blieben von der 
Seuche verschont. 

Die wiederholte Desinfektion der Stall¬ 
ungen, Höfe und öffentlichen Wege mit der¬ 
selben Lösung erwies sich als einfacher, be¬ 
quemer und für die Abschwächung des Seuchen¬ 
gangs wirksamer als die Desinfektion mit 
Kalkmilch. Verf. regt daher Nachprüfung 
seiner Resultate an. 


Oeffentliches Veterinärwesen. 

Stand der Tierseuchen im Deutschen Reich 
am 15. März 1905. 

Der Rotz wurde festgestellt: in Preussen 
in 16 Gemeinden und ebenso vielen Gehöften, in 
Bayern in 6 Gemeinden und 6 Gehöften, in 
Sachsen in einem Gehöft, im ganzen somit 
in 23 Gemeinden und 23 Gehöften. Die 
Aphthenseuche gelangte zur Feststellung 
in Preussen in 13 Gemeinden und 15 Gehöften, 
in Bayern in 5 (und 6) Gemeinden, in Württem¬ 
berg in 3 (und 6), in Baden in 2 (und 2) Ge¬ 
meinden, in Hessen und Eisass-Lothringen in 
je einem Gehöft, zusammen in 25 Gemeinden 
und 31 Gehöften. Die Schweineseuche ein¬ 
schliesslich der Schweinepest wurde fest¬ 
gestellt und zur Anzeige gebracht in 1668 
Gemeinden und 2292 Gehöften. 


Referate. 

Immunität und Schutzimpfung. 

A. Wolff. Ueber Grundgesetze der Im¬ 
munität. Zentralbl. für Bakteriologie, Parasiten¬ 
kunde und Infektionskrankheiten. Bd. 37, Heft 2. 
Die Entwickelung der Immunitätslehre ging aus 
von der Kenntnis der zwischen Toxinen und Anti¬ 


toxinen bestehenden Beziehungen. Durch Ueber- 
tragung der ihnen zugrunde liegenden Versuche auf 
die Erforschung der bakteriellen Immunität gelangte 
man zu überaus wichtigen Resultaten auf dem Ge¬ 
biete der Biologie. Bei einer geringen Anzahl Bak¬ 
terien ist echte Toxinbildung nachgewiesen, so bei 
Diphtherie- und Tetanusbazillen, d h. Ausscheidung 
von Giften von seiten der lebenden Bakterienleiber, 
während bei der grossen Mehrzahl der pathogenen 
Bakterien es sich um Gifte handelt, die an die 
Leibessubstanz der Bakterien geknüpft sind. Diese 
werden durch eine Auflösung der Bakterien, Bakte- 
riolyse in Freiheit gesetzt Sie sind von R. Pfeiffer 
als Endotoxine bezeichnet. 

Toxine und Endotoxine sind giftig wir¬ 
kende Substanzen, welche in bestimmten 
Dosen den Tod der behandelten Tiere nach 
einer Inkubationszeit herbeiführen. 

Die Toxine bewirken, in abgestuften Dosen in¬ 
jiziert, das Auftreten von Antikörpern im Serum, 
welche dem Tiere aktive Immunität verleihen. Durch 
Einverleibung dieses Serums wird ein weiteres Tier 
passiv immun gemacht. Multipla des (antitoxischen) 
Serums schützen gegen Multipla der Toxindosis. 

Endotoxine bewirken nicht das Auftreten anti- 
endotoxischer Substanzen im Serum. Dieses wirkt 
nur bakteriolytisch. Multipla der Serumdosis 
schützen nicht gegen Multipla der Infektionsdosis. 

Die Bakteriolyse ist die Folge eines spezifischen 
Vorganges. Ausser dieser gibt es noch eine nicht 
spezifische Bakteriolyse. bei der die in den Bazillen¬ 
leibern enthaltenen Endotoxine durch autolytische 
Vorgänge in Freiheit gesetzt werden. In alten Kul¬ 
turen von Bakterien findet man infolgedessen nur 
wenige Einzelindividuen. 

Die einzelnen Bakterienarten verhalten sich der 
Autolyse gegenüber verschieden. Ein Teil verfällt 
sehr schnell, man findet dann in Filtraten relativ 
junger Kulturen Giftwirkung; ein anderer langsam, 
es finden sich in Kulturflltraten nur geringe Mengen 
von Giften. 

Immerhin ist festzuhalten, dass die Toxine die 
Produktion von Antitoxinen anregen, während die 
Endotoxine niemals anti-endotoxische Immunität aus- 
losen. Dennoch bewirkt die Einverleibung von 
Endotoxinen ausser der schon besprochenen Gift¬ 
wirkung auch eine Reaktion des Tierkörpers. Die 
Injektion bewirkt das Auftreten der sogenannten 
bakteriziden Immunität oder Ambozeptoren, welche 
sich an den Rezeptoren der Bakterien verankern 
und nach Hinzutreten des Komplements eine Bak¬ 
teriolyse und damit das Freiwerden der Endotoxine 
bewirken. Die Bakterienauflösung erfolgt sowohl im 
unvorbehandelten, normalen Tiere wie im vor¬ 
behandelten Immuntier, bei letzterem nur wesentlich 
schneller, so dass die Bakterien vor der Aullösung 
nicht mehr Zeit gefunden, sich erheblich zu ver¬ 
mehren, die Bildung neuer Träger von Giftsubstanzen 
verhindert wird, während bei der langsamen Bakterio¬ 
lyse des nicht vorbehandelten Tieres neben dieser 
fortwährend eine Vermehrung der Bakterien einher- 


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17 


Heft 1. 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


geht, wodurch erreicht wird, dass schliesslich die 
Dosis letalis an Bakterienendotoxinen erreicht wird. 
Somit besteht zwischen dem normalen und dem 
Immuntier kein qualitativer, sondern nur ein quanti¬ 
tativer Unterschied. 

Der Zustand von Tieren, deren Serum Zytolysine^ 
Agglutinine und Präzipitine etc. enthält, kann nicht j 
als Immunität im eigentlichen Sinne bezeichnet werden 

Die bakteriellen Endotoxine bilden keine Sonder_ 
klasse von Giften, sondern sind körperfremdes Ei. 
weiss, giftig wie jedes körperfremde Eiweiss. 

Für Toxine und Endotoxine muss ein gemein¬ 
samer Angriffspunkt im Tierkörper angenommen 
werden, als welcher das Zentralnervensystem zu 
gelten hat. Der Tetanus nimmt somit nicht eine 
Sonderstellung ein, sondern stellt das Prototyp der 
Toxin- und Endotoxinwirkung dar. Zur Wirkung 
im Gehirn sind nur minimale Dosen von Toxin und 
Endotoxin erforderlich. 

Die Chancen der bakteriziden Serumtherapie 
würden sich bessern, wenn es gelänge, die dia¬ 
gnostischen Methoden so zu verfeinern, dass die In¬ 
fektionskrankheiten bereits k im Inkubationsstadium 
erkannt werden könnten, der Behandlung mittels 
der Sera also zu einer Zeit zugeführt werden 
könnten, in der noch wenige Bakterien' im Körper 
vorhanden sind. Die Endotoxine der noch nicht 
zahlreichen Bakterien würden nach deren Auflösung 
die Dosis letalis nicht erreichen. Profe. 

Mark!« Ueber den Mechanismus der Ab¬ 
wehr des Organismus bei Infektion 
mit Tuberkelbacillen. (Centralblatt für 
Bakt., 38,1.) 

Es existiert eine Reihe von Arbeiten, die sich 
mit der Frage nach dem Schicksal der in den Körper 
eingedrungenen Tuberkelbacillen beschäftigen. So 
namentlich von Metsclmikoff, dann Borrel, Broden, 
Dembinski u. a. 

Verfasser hat zu seinen Untersuchungen meh¬ 
rere Stämme der menschlichen Tuberkulose benutzt 
und einen Stamm von Perlsucht. Den infizierten 
Tieren wurden von Zeit zu Zeit aus der Bauch¬ 
höhle Exsudalt röpfchen mittelst Glaskapaillaren 
entnommen, auf Deckgläschen mit Aether-Alkohol- 
mischung fixiert und nach der Gabbetschen Me¬ 
thode auf Tuberkelbacillen gefärbt. 

Nach 3—6 Stunden war lebhafte Leukocytose 
und Phagocytose wahrzunehmen, zunehmend mit ! 
der Zeitdauer der Infektion. Nach zweimal 24 Stun¬ 
den schien die Leukocytose etwas abzunehmen. 
Nur wenige Leukocyten zeigten normales Aussehen 
und enthielten gut gefärbte Tuberkelbacillen; die 
meisten färbten sich schwach und enthielten zahl¬ 
reiche feine Körnchen ohne deutliche Konturen. 
Nach dreimal 24 Stunden erschienen mononucleäre 
Leukocyten im Präparate. Ausserhalb der Zellen 
lagen zahlreiche, stark angeschwollene Bacillen 
(Riesenformen), dann grosse keilen- und unregel¬ 
mässig geformte Bacillen und schliesslich Granula, 
farblos und glänzend, mit einem roten Punkt im 
Zentrum. 

Wartete man viermal 24 Stunden, so sah man 


witnler gemischte Leukocyten und ausgesprochene 
Phagocytose, die nach fünfmal 24 Stunden wieder 
abnahm, um in den folgenden Tagen ganz zu ver¬ 
schwinden. 

Auch bei der extrezellulären Auflösung scheint 
nicht ausgeschlossen, dass die Leukocyten durch 
ihre Zerfallsprodukte im Spiel sind. Bringt man 
Tuberkelbacillen iu vitro mit frischem Serum zu¬ 
sammen, so tritt auch nach stundenlanger Brut¬ 
temperatur keine Auflösung oder Formverminde¬ 
rung, auch nicht Schädigung der Färbbarkeit ein. 

Auch kommen die meisten Granula erst knapp 
vor oder nach dem Abklingen der Phagocytose zum 
Vorschein. Es hat sogar den Anschein, dass in 
dieser Phase die Granula /aus den Pliagocyten aus¬ 
treten, welche ihre Aufgabe bereits vollbracht 
haben. 

Diese Beobachtungen dürften mit der An¬ 
sicht, dass die Leukocyten nur abgetötete oder 
geschwächte Mikroben aufnehmen, nicht in Ueber- 
einstimmung stehen. Jacob. 


Aruch und Petrini. Zur Frage über Rotz¬ 
immunität und Rotzheilung. (II mo- 
derno zooiatro,. 1903, No. 3 u. 4.) 

Verfasser haben über obiges Thema zahlreiche 
Untersuchungen angestellt und sind zu den fol¬ 
genden Ergebnissen gelangt: 

Man kann dem Kalbe ohne böse Folgen intra¬ 
venös das Rotzgift einspritzen. Die durch die In¬ 
jektion des virus mallei bedingte thermische Re¬ 
aktion wiederholt sich beim Kalbe jedesmal nach 
einer neuen Einspritzung. Serum des Kalbes, dem 
das Rotzgift einverleibt wurde, stellt einen we¬ 
niger entsprechenden Nährboden für die Kultur 
des Rotzbacillus dar, als das normale Serum, es 
kann sogar die Entwickelung solcher Kultur hem¬ 
men. Serum eines mit Rotzvirus geimpften Kalbes 
übt keine immunisierende oder therapeutische Wir¬ 
kung auf das mit Rotz infizierte Meerschweinchen 
aus; es enthält aber die Immunstoffe für Esel, 
Pferd und Hund. Das Extrakt aus den Lymph- 
drüsen eines rotzbehandelten Kalbes ist für Ka¬ 
ninchen, Esel und Hunde vollkommen unschäd¬ 
lich ; beim Meerschweinchen ruft es dagegen 
Kachexie und grosse Neigung zur Malleusinfektion 
hervor. 

Beim Kaninchen verursachen die subkutanen 
oder intraperitonealen Injektionen des Lymph- 
drüsenextraktes eine bedeutende Erythro- und 
Leukocytose, auch wird die Vergrösserung des Kör¬ 
pergewichtes wahrnehmbar. Das erwähnte Lympli- 
drüsenextrakt übt keine baktericide oder aggluti¬ 
nierende Wirkung auf den Rotzbacillus aus. 

Verfasser hoffen, man wird mittels des Ly mph - 
drüsenextraktes und des Serums von rotzbehandel¬ 
ten Kälbern den Einhufern eine grössere Resistenz 
Segen Malleus verleihen können. Baczynski. 

Neufeld und Rimpau. Ueber die Antikörper 
des Streptokokken- und Pneumo- 
kokken-Immunserums. Deutsche med. 
Wochenschr. 30. Jahrg. No. 40. 

Die Untersuchungen über die Antikörper des 


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18 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


3. Jahrgang. 


Serums haben bekanntlich zur Aufstellung zweier 
Typen, der antitoxischen und der bakteriziden 
Antistoffe geführt. Die Anschauung indessen, dass 
mit den genannten beiden Typen alle Möglich¬ 
keiten einer spezifischen Serumwirkung erschöpft 
seien, erscheint nach den Untersuchungen der j 
Y r erf., die sich auf die Versuche von Denvs und 
Leclef (La Cellule 1895) stützen, nicht zulässig. 
Es gibt vielmehr noch eine dritte Art spezifi¬ 
scher Serumwirkung, welche weder dem Typus 
der antitoxischen noch der bakteriziden Sera folgt. 
Sie steht zwar der bakteriziden nahe, sie bedarf 
aber im Gegensatz zu dieser einer direkten zellu¬ 
lären Mitwirkung im Sinne der Phagocyteiltlieorie. 

Das von einem gegen Streptokokken immuni¬ 
sierten Kaninchen gewonnene Serum liess eine ab¬ 
tötende oder auf lösende Wirkung auf Strepto¬ 
kokken nicht erkennen. Wurden dagegen normale 
Kaninchen-Leukocyten hinzugefügt, so trat eine 
lebhafte Phagocytose ein. In einem mit normalem 
Serum angestellten Kontrollversuch konnte keine 
Phagocytose beobachtet werden. Das spezifische 
Serum wirkt direkt verändernd auf die Bakterien 
ein, in der Art, dass diese die Immunkörper bin¬ 
den, um nunmehr sekundär von'den Zellen aufge¬ 
nommen zu werden. 

Versuche im Tierkörper ergaben eine Ueber- 
einstimmung mit den Beobachtungen im Reagenz¬ 
glase. ProfA 

Remlinger u. Muatapha Effendi, W utimpfungen 
beim R i n d. (Rec. de m6d. v6t. 1904, S. 289.) 

R. und M. wurden aufgefordert, die Schutz¬ 
impfungen gegen Wut an einer Rinder- und Büffel¬ 
herde vorzunehmen. Es waren nämlich einige Tiere 
von dieser Herde von einem wutkranken Hunde ge¬ 
bissen. Bei allen jenen Tieren waren Maulwunden 
vorhanden, welche bei einigen Büffeln sogar zum 
tödlichen Ausgang führten, indem sie Eingangs¬ 
pforte der allgemeinen Sepsis bildeten. Es wurden 
insgesamt 12 Rinder und *10 Büffel geimpft. Nach 
5 Tagen seit dem Bisse wurden jedem Tier 10 ccm 
Emulsion, welche aus dem Gehirn eines an Wut 
gestorbenen Kaninchens verfertigt wurde, intravenös 
eingespritzt. Nach einer Woche hat man die 
Impfung wiederholt, wozu zwei solche Gehirne ver¬ 
wendet wurden. 

Alle geimpften Tiere, 4 Rinder und 4 Büffel 
ausgenommen, gingen zugrunde. Es zeigte sich 
somit, dass die Verluste nach der Impfung (63,63o /0 ) 
ebensogross waren, wie bei den gebissenen, nicht ge¬ 
impften Tieren. R. und M. unternahmen nun For¬ 
schungen, welche zur Aufgabe hatten, mehr positive 
Impfungsmethoden auszufinden, wolxü folgende Er¬ 
gebnisse ans Licht gebracht wurden; Intravenöse, 
an den Schaf bocken ausgeführte Gehirnemulsion¬ 
impfungen sind nicht ungefährlich; Serum der 
Schafböcke, welchen solche Impfungen appliziert j 
wurden, gewinnt nur langsam immunisierende Eigen- | 
schäften. R. und M. meinen, die geeignetste Schutz- j 
impfungsmethode gegen Wut bei den Herbivoren sei | 
die subkutane Einspritzung des Heilserums, welches ; 
mit Wutvirus zu mischen ist. BaczyÜ9ki. I 


Infektionskrankheiten. 


P. Römer, Ueber Tuberkelbacillenstämme 
verschiedener Herkunft. (Habilitations¬ 
schrift.) 

Verfasser beschreibt zunächst die in der Ab¬ 
teilung für experimentelle Therapie des Instituts 
für Hygiene und experimentelle Therapie in Marburg 
übliche Fortzüchtung der verschiedenen Tuberkel- 
baoillenstämme. Zur Dosierung des Impfstoff! $ur 
Infektion von Versuchstieren wurde stets eine 
geringe Menge Kulturrasen abgewogen, mit physio¬ 
logischer Kochsalzlösung oder Bouillon zu gleich- 
massiger Emulsion zerrieben und mit diesen Flüssig¬ 
keiten dann bis zu dem gewünschten Grade ver¬ 
dünnt. 

Eine Kultur, die vor 7 Jahren aus mensch¬ 
lichem tuberkulösen Auswurf nach mehrmaliger 
Meerschweinchenpassage gezüchtet war, erzeugt bei 
allen Versuchstieren, mit Ausnahme der Rinder, 
in genügend grosser Dosis angewendet, das ge¬ 
wöhnliche Bild der Tuberkulose. Sie vermag aucJi 
Rinder krank zu machen, hinterlässt aber im Körper 
derselben keine Krankheitsherde. Am meisten emp¬ 
fänglich sind Meerschweinchen, dann folgen Ka¬ 
ninchen, Pferde, Ziegen, Schafe und zuletzt Rinder. 
Bei weissen Mäusen, die sich nach einigen Autoren 
refraktär gegen die Tuberkulose verhalten sollten, 
kommt es, allerdings nur nach Einverleibung 
grösserer Mengen von Tuberkelbacillen, erst nach 
mehreren Monaten zu einer allgemeinen Verbreitung 
der Tuberkelbacillen in den Organen und im Blute 
(Bakteriämie), was vermutlich mit der Unempfind¬ 
lichkeit dieser Tiere gegen das Tuberkulin zusam¬ 
menhängt. Nach intraperitonealer Impfung war 
bei weissen Mäusen ausserdem das Auftreten von 
Phagocytose wahrzunehmen. Bei Ziegen und Schafen 
schien durch längere Vorbehandlung mit Tuber¬ 
kulin die Empfänglichkeit für Tuberkulose erhöht 
zu sein. 


Die vom Rinde stammenden Tuberkelbacillen¬ 
stämme, meist durch Schaf-, Kaninchen- oder 
Meerschweinchenpassage gewonnen, ziehen morpho¬ 
logisch und kulturell keinen Unterschied von den 
menschlichen Tuberkelbacillensstämmen. Im Gegen¬ 
satz zu den übrigen Rindertuberkelbacillenstämmen 
wuchs ein Stamm (Tuberkelbac. 17) als feuchter, 
glänzender Rasen und zeigte verminderte Säure¬ 
festigkeit, ähnelte also darinder Hühnertuberkulose. 
Die Hühnertuberkelbacillenstämme Zeichen sich 
durch eine hohe Virulenz gegenüber den verschie¬ 
denen Tierarten, besonders auch gegenüber Rin¬ 
dern, aus. Die Fähigkeit bei Meersschweinchen. 
echte Tuberkeln zu bilden, scheint sich durch 
Säugetierpassage zu erhöhen. Im Kaninchenkörper 
bilden sich viel leichter Tuberkeln. Bei Hühnern 
selbst gelang es nicht, durch intramuskuläre oder 
intravenöse Injektion Tuberkulose zu erzeugen. 
Verfasser konnte feststellen, dass die beiden Hüh¬ 
ner, aus denen die beiden Stämme gezüchtet waren, 
Organe einer perlsüchtigen Kuh gefressen und sich 
dadurch wahrscheinlich infiziert hatten. 

Verfasser hält die Arteinheit der Hühnertuber- 


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Heft 1. 


19 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


kulose fast sämtlicher Organe gelitten hatte, fand 


kulosestämme und der Säugetiertubedmlosestäinmc 
für erwiesen. 

Mit Hühnertuberkelbacillen infizierte Tiere 
reagierten nicht nur auf „Hülmertuberkulin“, son¬ 
dern auch auf „Menschen- und Säugetiertuberkulin“. 
Umgekehrt reagierten mit Säugetier tuberkulöse in¬ 
fizierte Tiere auf „Hühnertuberkulin“ 

Im Gegensatz zu Koch vertritt Verfasser auch 
die Arteinheit der menschlichen und Kindertuber¬ 
kulose, wegen ihrer gleichen morphologischen und 
kulturellen Eigenschaften, sowie mit Rücksicht 
auf die für alle Tuberkelbacillenstämme gleichen 
„Empfänglichkeitsskala“ aller Tierarten (am meisten 
Meerschweinchen, dann Kaninchen, Pferde, Ziegen. 
Schafe und am wenigsten Rinder), ferner wegen der 
wechselseitigen Tuberkulinreaktion und den gegen¬ 
seitigen Immunitätsbeziehungen. 

Aus den zahlreichen Tierversuchen zieht Ver¬ 
fasser den »Schluss, dass ein Tuberkelbacillen¬ 
stamm, der für eine Tierart virulenter ist als 
ein anderer, unter allen Umständen auch für alle 
anderen Tierarten sich infektiöser erweist als 
dieser. Jacob. 

O. Bail. Ueberempfindliclikeit bei tu¬ 
berkulösen Tieren. (Wiener klin. Wchft. 
Ref. im C. f. Bakt. 36, 8 u. 9.) 

In Bestätigung der Befunde von Deutsch teilt 
Verf. seine Erfahrungen über Ueberempfindlichkeit 
tuberkulöser Tiere gegen Superinfektion mit. Die 
äusserst schnell zum Tode führende Peritonitis 
derartiger Tiere zeigt sich in dem Vorhandensein 
oft sehr grosse Exsudatmengen, die ausser kleinen, 
plasmaarmen, mononukleären Lymphocyten nur 
wenig Zellen enthalten. Dieser eigenartige Befund 
tritt auch nach tödlicher intraperitonealer Tuber¬ 
kulininjektion auf. Wann der Zeitpunkt der Ueber¬ 
empfindlichkeit gegen Bacillen eintritt, ist bis jetzt 
nicht sicher zu sagen. Es gelang nicht durch 
Ueberschwemmung des Meerschweinchenorganismus 
mit künstlichen Kulturen die Ueberempfindlich¬ 
keit herbeizuführen, ohne dass die entsprechende 
Organerkrankung schon ausgebildet wäre. Inter¬ 
essant und für das Verständnis der Tuberkulosen¬ 
vergiftung vielleicht bedeutungsvoll erscheint fol¬ 
gendes Ergebnis: Durch Zentrifugieren zellfrei 
gemachtes Exsudat von tuberkulösen Meerschwein¬ 
chen, die überempfindlich mit Leukocytenreaktion 
kurz nach der Injektion von Tuberkelbacillen ge¬ 
storben sind, mit grossem Mengen lebender junger 
Kulturen kleinen normalen Tieren eingespritzt, 
lassen sehr schnell, oft in weniger als 24 Stunden, 
den Tod eintreten, den weder Bacillen allein noch 
das Exsudat für sich herbeiführen können. Das 
Exsudat von Tieren, die ohne Lymphocytenreak- 
tion gestorben sind, hat diese Wirkung nicht. 

Jacob. 

Lottermoser, Tuberkulose eines Rinder¬ 
fötus. Zeitschrift für Veterinärkunde, 17. Jahr¬ 
gang, Heft 3. 

Bei einem etwa 7 Monate alten Fötus einer 
Kuh, die an Knochentuberkulose und an Tuber¬ 


sich Tuberkulose der Leber, der Mediastinal- und 
Bronchialdrüsen, sowie der Milz. Die braunrote 
Leber liess fünf stecknadelkopfgrosse gelblicligraue 
und einige grössere Knoten mit gelb gefärbtem 
Zentrum erkennen. Auf Durchschnitten fanden sich 
noch weitere gleich beschaffene Knötchen. Die ver- 
grösserteil Fortaldrüsen zeigen el>enso wie die Bron¬ 
chial- und Mediastinaldrüsen zum Teil verkalkte 
gelbe Knötchen. Unter der Milzkapsel waren hanf¬ 
korngrosse Knötchen deutlich sichtbar. 

In Ausstriehpräparaten konnten Tuberkel¬ 
bazillen festgestellt werden. Profe. 

Korczynski, Einfluss d. Tuberkulotoxine 
auf Entwicklung und Giftigkeit an¬ 
derer Bakterien. (Gazeta lekarska 1904, 
No. 53.) 

Die Ergebnisse dieser Arbeit lassen sich folgen¬ 
deiweise zusammenfassen: Tuberkulotoxine, welche 
den gewöhnlichen Nährmedien zugemischt wurden, 
üben einen deutlich-günstigen Einfluss auf die Ent¬ 
wicklung des Staphylokokkus pyog. aur., der Strep¬ 
tokokkusarten und des Bakterium coli com. aus. 
Streptokokkus und Bakt. coli wachsen desto 
üppiger, je grössere Mengen von Tuberkulotoxinen 
dem Nährboden beigemengt wurden. Das aus Tu¬ 
berkelbacillen verfertigte Extrakt beeinflusst gün¬ 
stiger die Entwicklung der Agarkultur des Bakt. 
coli, als die Tuberkulinbouillon. Dieser Einfluss 
offenbart sich auch in den Bouillonkulturen dies 
Bakt. coli und der Streptokokken kann aber nicht 
immer deutlich wahrgenommen werden. Das auf 
gewöhnlichem Agar gezüchtete Bakt. coli besitzt 
viel geringere Giftigkeit, als das auf dem mit Tu- 
berkulotoxin gemischten Agar sich entwickelnde. 
Vom Mengeninhalte der Tuberkulotoxine im Agar 
hängt also wahrscheinlich der Giftigkeitsgrad des 
Bakt. coli ab. Wenn man einer nicht tödlichen 
Dosis des Bakt. coli etwas Tuberkulinbouillon 
beimengt, wird diese Dosis für betreffende Tier¬ 
spezies absolut verderblich. Baczynski. 

Bossi, Untersuchungen über den Ueber- 
gang der Tuberkelbacillen von der 
Mutter auf den Fötus bei Kaninchen 
undMeerschweinchen. (II Policlinico fase. 
1903.) 

Verfasser verimpfte Tuberkelbacillen an Meer¬ 
schweinchen und Kaninchen, indem er denselben 
tuberkulöse Sputa oder Reinkulturen des Kochschen 
Bacillus in die Bauchhöhle oder direkt ins Blut 
einspritzte. Einmal bediente er sich zur Impfung 
einer verkästen Meerschweinchendrüse, in welcher 
Tuberkelbacillen reichlich vorhanden waren. 

Verfasser suchte alle Impfungen in den ersten 
Tagen der Trächtigkeit auszuführen, da eine spätere 
I Einverleibung der Tuberkulose oft Abortus oder 
Tod der Mutter an Peritonitis verursachte. Am ge¬ 
fährlichsten zeigten sich in dieser Hinsicht die ein¬ 
gespritzten Sputa. B. suchte nachher in der Pla- 
centa nach den Tuberkelbacillen. Vornehmlich 
handelte es sich dem Verfasser um Feststellung 


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20 


3 Jahrgang 


Fortschritte der V 


der Fruchtinfektioii, wozu er die üblichen bakterio¬ 
logischen Forsch ungsmetlioden an wandte. Die Er* 
gebnisse lauten dahin: Es wurde der Koclische 
Bacillus kein einziges Mal in den inneren Organen 
und im Blute der Frucht gefunden. In der Pia* 
centa fand man dreimal Tuberkelbacillen; histo¬ 
logische, tuberkulöse Veränderungen des Mutter¬ 
kuchens waren aber nie wahrzunehmen. Die Ab¬ 
wesenheit der Tuberkelbacillen im Fötus bestätigt 
die Theorie der Nichtvererbung der, Tuberkulose. 
Sehr wahrscheinlich dagegen ist der Uebergang 
der Toxine auf dem Blutwege. Die Früchte werden 
minder resistent, gehen oft im Mutterleibe zu¬ 
grunde, die Nachkommenschaft der kranken Mütter 
ist für die tuberkulöse Infektion sehr empfänglich. 
In der Muttermilch hatte man nie Tuberkelbacillen 
angetroffen. Fast alle Mütter sind sub partu ver¬ 
endet. Oft beobachtete man auch Abortus und 
Tod der Früchte nach der tuberkulösen Infektion 
der Mütter. Obige Tatsachen wurden an 8 Meer¬ 
schweinchen und 5 Kaninchen festgestellt. 

Baczyüski. 

B. von Tormay, Budapest. Die Tuberkulose 
unter den Haustieren und die Milch¬ 
behandlung. Orvosi Hetilap. 1904. No. 6. 

Im Aufträge der Reformkommission des ungar. 
Landessanitätsrates untersuchte von Tormay die 
Verbreitung der Tuberkulose unter den Haustieren 
des Landes. In seinen Konklusionen regt er folgende 
Massnahmen an. Es sollte die tuberkulöse Erkran¬ 
kung jedes Schlachttieres durch die Fleischbeschau 
festgestellt werden, die Konvenienz der kranken 
Tiere gemeldet werden, es soll ton „ Probe“-Bezirke 
im Lande organisiert werden. Zucht-Stiere sollten 
der Tuberkulin-Probe unterworfen werden. Der 
Milchverkauf aus Ställen, in welchen sich Kühe mit 
Eutertuberkulose oder hochgradiger Perlsucht be¬ 
finden, strenge untersagt und geahndet werden. Aus¬ 
schluss kranker Tiere von der gemeinsamen Tränke. 
Die Reinlichkeit der Ställe müsse kontrolliert werden, 
Fahrlässigkeit bestraft werden. Die Konservierung 
der Milch in Milchkannen durch Hineinmengen von 
Chemikalien muss strenge verboten werden. Der 
beim Zentrifugieren in der Zentrifuge zurück- 
bleibende Milch-Schlamm soll vernichtet werden. 

Zimmermann. 

H, Preisz, Budapest. Vergleichende Unter¬ 
suchungen über den T uberkel- 
bazillus des Menschen und des 
Rindes Orvosi Hetilap. 1904. No. 11. 

Trotzdem Preisz die interessante Beobachtung 
machte, dass auf Glyzerin-Kartoffel der menschliche 
Tuberkelbazillus eine eigentümlich gelblich-rötliche 
Färbung zeigt, während der Perlsuchtbazillus diese 
Färbung niemals zeigte, und dieser Unterschied bis 
zur 25. Generation bestehen blieb, hält er daran fest, 
dass menschliches Virus Rinder, Rinder-Virus 
Menschen zu infizieren imstande sei. Zahlreiche, sehr 
eingehende experimentelle Untersuchungen stützen 
diese Anschauung. Zimmermann. 


eterinär-Hygiene. 


H. Preis/, Budapest. Untersuchungen über die 
feinere Struktur und die Entwickelung der 
Sporen beim Milzbrand-Bazillus. Magyar 
Orvosi Archivum. 1904. No. 3. 

Bringt man junge, lebende Milzbrand-Bazillen in 
eine dünne Fuchsin-Lösung, so tritt keine stärkere 
Färbung der äussersten und innersten Plasma- 
Schichte auf, wie das in wässeriger Methylenblau- 
Lösung der Fall ist, sondern es tritt konstant ein 
dunkelgefärbtes, kugeliges oder längliches und ein¬ 
geschnürtes, plattes und scharf umschriebenes 
Körnchen auf, welches gewöhnlich in den äussersten 
Plasma-Schichten liegt und als Kern der Zelle zu 
betrachten ist, da es sowohl mit der Kernteilung 
als der Sporenbildung in engem Zusammenhänge 
steht. 

Die Vermehrung des Bazillus geht auf die Weise 
vor sich, dass sich in der Mitte der länger gewor¬ 
denen Zelle aus der äussersten Plasma-Schichte eine 
ganz dünne Scheidewand bildet, welche oft durch 
den Kern hindurch geht. Schon nachdem eine dicke 
Wand besteht, sieht man den in Häute-Form aus¬ 
gezogenen Kern, dessen eine Hälfte sich in der 
einen, die andere in der anderen Zelle befindet. 

In der Mitte älterer Zellen, im zentralen Plasma, 
treten kleine Körnchen neuerer Art auf, deren Zahl 
sehr wechselnd ist, und welche später so gross 
werden können, dass sie den grössten Teil der Zelle 
einnehmen. Diese Körnchen sind säurefest und 
identisch mit jenen, welche Bunge als „Vorsporen“ 
bezeichnete. 

Nach der Untersuchung Preizes entwickelt 
sich diese säurefeste Substanz in dem Achsenteile 
des Plasmas, welch letzterer auch zerfällt, nachdem 
sich diese Körnchen entwickelt haben. Die säure¬ 
festen Körper sind, die allerjüngsten Formen aus¬ 
genommen; nicht gleichartig, in ihrem Innern ist 
eine Substanz enthalten, welche sich mit karbol¬ 
saurem Methylenblau metachromatisch, also rot, oder 
veilchenblau färbt. Die säurefesten Körper hält Pr. 
für fettähnliche Substanzen, da sie sich mit III. Sudan- 
Rot färben lassen. 

Die säurefesten Körper verwandeln sich nicht 
in Sporen, doch ist es wahrscheinlich, dass sie eine 
Reservesubstanz enthalten, welche später, in verän¬ 
derter Form, zur Ernährung der Spore dient. Dar¬ 
um findet man bloss dort grosse säurefeste Körper, 
wo die Sporen-Bildung eine mangelhafte ist. 

Die Entwickelung der Spore geht immer in 
einem Ende des Bazillus vor sich; die ersten 
Zeichen der Sporenbildung sind, dass das Plasma 
des einen Zell-Poles sich mit dünner Fuchsin-Lösung 
dunkler färbt. Dieser euchromatische Anteil des 
Zellplasmas wächst irisfürmig in das Innere der Zelle 
hinein, die Iris schliesst sich schliesslich und bildet 
eine vollständige Scheidewand zwischen dem polaren 
Anteil der Zelle, der späteren Spore imd der Mutter¬ 
zelle. Oft beobachtet man in der Nähe des euchro- 
matischen Plasmas an dem sporenbildenden Teil der 
Zelle einen ebensolchen dunklen Kern, wie man ihn 
in jungen Zellen sieht. 


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Heft 1. 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


21 


Das Wesen der Entwickelung der Spore ist also, 
dass sich in der Nähe des einen Zellendes aus dem 
modifizierten, wandständigen Plasma eine Scheide¬ 
wand bildet, welche den Pol der Zelle vom Körper 
der Zelle trennt. Im Innern der Mutterzelle ent¬ 
steht also eine sich von ihr unabhängig machende 
Zelle, die zukünftige Spore. Die Spore ist anfangs 
klein und klebt an der inneren Wand der Zelle 

* 

vergrössert sich jedoch später, löst sich von der 
Wand der Mutterzelle ab, erhält scharf gezeichnete 
Konturen und wandert der Mitte der Mutterzelle zu. 
In diesem Stadium ist die Spore kugelig oder oval, 
homogen, grösser als die reife Spore, und wird als 
„Vorspore“ bezeichnet, da sich die definitive Spore 
in derselben entwickelt. In der Mitte separiert sich 
nämlich bald ein sich stark färbender Körper, der 
Körper der definitiven Spore. 

Auf dieselbe Weise entwickeln sich die Sporen 
beim malignen Oedem und beim Tetanus. 

Die Sporen des Milzbrandes können an der 
Stelle ihrer Entwickelung keimen. Darum sieht 
man auf der Oberfläche fester Nährböden oft sekun¬ 
däre Kolonien auftreten. 

Mit der Bildung der Spore hat also der Bazillus 
seine Tätigkeit nicht immer beendigt, es kann zu 
neuerlicher Keimung kommen. Zimmermann. 
Streit. Ueber cerebrospinaleMeningitis 
der Pferde. (Revue gönörale de mödecine 
vötörinaire, 1904, 16. avril.) 

Diese in Deutschland oft vorkommende Krank¬ 
heit ist auch in Amerika wohlbekannt. Verfasser, 
Assistent der Bakteriologie am landwirtschaftlichen 
Kollegium in Ontario, hatte seine Untersuchungen 
in einem Gehöfte, wo fünf Pferde an dieser Krank¬ 
heit starben, angestellt. Die Krankheit verlief 
akut, die Symptome beruhten in Appetitverlust, 
Schlingbeschwerden, Kolik und allgemeiner Kör¬ 
perschwäche. Die Temperatur wenig erhöht, Puls 
und Atmung fast normal. Später wurden die Tiere 
ganz apathisch und es traten Lähmungserschei¬ 
nungen der Zunge, der Kaumuskel und des Schlun¬ 
des auf, auch gesellte sich oft der Opisthotonus 
dazu. Die Lähmung nahm immer mehr zu, schliess¬ 
lich stürzten die Tiere zu Boden und verendeten. 
Bei der Sektion fand man Ekchymosen und Infil¬ 
trationen im Schlund, Kehlkopf und in der Luft¬ 
röhre. Eine seröse Flüssigkeit befand sich im Rück¬ 
gratkanal, die Hirnhäute oedematös, dura mater 
fettig degeneriert; im subarachnoidealen Raume 
graue Flüssigkeit, Hirngefässe injiziert, pia mater 
mit Ekchymosen bedeckt. Im Milzblute und sub r 
arachnoidaler Flüssigkeit befanden sich inkapsu- 
lierte Diplokokken, die sich nach Gram färbten. 
Auf Agar bildeten diese Mikroben runde, punkt¬ 
artige, in der Mitte dunkle, an der Peripherie 
durchsichtige Kolonien. Der entdeckte Mikrob ge¬ 
deiht auf geronnenem Serum, entwickelt sich ziem¬ 
lich schwer in Eiweiss und Gelatine, auf der Kar¬ 
toffel wächst er gar nicht. Die Bouillonkultur 
wächst bei 37.6°—38° ziemlich üppig, indem sie 
Flocken bildet, welche sich am Kolbenboden sam¬ 


meln. Der Streitsche Mikrob tötet die Kaninchen 
nach subkutanen, intraspinalen, intravenösen und 
intraperitonealen Injektionen. Auch ist er für 
Meerschweinchen und weisse Mäuse pathogen. 
Dieser Diplokokkus ist dem von Ostertag isolierten 
ähnlich, der letztgenannte besitzt aber keine Kap¬ 
sel, färbt sich nach Gram nicht und ist für 
Versuchstiere vollkommen apathogen. 

Baczynski. 

Wagner, Puerperalerkrankung bei 
Meerschweinchen. Centralbl. für Bakt., 
Parasitenkunde und Infektionskrankh. 37. Bd. 
Heft 1. 

Verfasser beobachtete unter den zur Zucht be¬ 
stimmten Meerschweinchen des Instituts, dass die 
Muttertiere kurz vor oder kurz nach der Geburt 
in kurzer Zeit zu gründe gingen, während die 
männlichen und ebenso die nicht trächtigen 
oder nicht puerperalen Tiere niemals einer 
ähnlich schnell verlaufenden Krankheit unter¬ 
lagen. Der pathologisch - anatomische Befund 
war im wesentlichen folgender: Uterus ent¬ 
zündet, Herzmuskel fettig degeneriert, ebenso die 
Leber und (lie Nieren, Milztumor. In einigen 
Fällen bestand Teritonitis, in anderen fanden sich 
pyämische Metastasen in Lungen oder Leber. In 
den meisten Fällen fanden sich bei der bakterio¬ 
logischen Untersuchung Streptokokken in Rein¬ 
kultur. Durch Einführung dieser in Bouillon ge¬ 
züchteter Streptokokken in den Fruchtsack mittelst 
eines Katheters konnte Verfasser bei puerperalen 
Meerschweinchen stets dieselbe tödliche Krankheit 
hervorrufen, was bei nicht puerperalen Tieren 
nicht gelang; auch für die Männchen war der ge¬ 
fundene Streptokokkus nicht pathogen. Andere 
aus der Vagina gesunder Meerschweinchen isolierte 
Streptokokken erwiesen sich auch für puerperale 
Meerschweinchen als ungefährlich. Profö. 

Roger und Weil. Neue experimentelle 
Saccharomykose der Kaninchen. (Ar¬ 
chiv es de möd. experim. 1904, No. 3.) 

Bekanntlich ist es Wlaeff, St. Fölice 
u. a. gelungen, durch die Einspritzungen gewisser 
Blastomyceten bei den Kaninchen adenomoide 
Wucherungen des Drüsenepithels hervorzurufen. 
Roger und Weil beschreiben in oben betitelter Ar¬ 
beit die Ergebnisse der Verimpfung an Kaninchen 
einer Blastomycetengattung — Saccharomyces lin- 
guae pilosae —, welche eine spezifische Krankheit 
— Melanoglossitis — beim Menschen verursachen. 

Es zeigte sich, dass die Kaninchen nach der 
intravenösen.Einverleibung dieses Mikroben in drei 
Tagen bis einigen Monaten starben, wobei bei ihnen 
alle Erscheinungen einer progressiven Kachexie zu 
beobachten waren. Die Sektion erwies nur un¬ 
bedeutende Veränderungen in den Nieren. Mikro¬ 
skopische Untersuchung entdeckte aber die Wuche¬ 
rung des Harnkanälchen epithels und reichliche 
Cystenbildung. Im allgemeinen ähnelte der mikro¬ 
skopische Bau der krankhaften Gebilde hochgradig 


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22 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


3. Jahrgang. 


der Struktur eines Adenoms. Analogische Ver¬ 
änderungen waren auch in den Gallenkanälchen zu 
sehen. Auf Grund obiger Ergebnisse sind Verfasser 
geneigt, die parasitäre Theorie der Tumorenbildung 
als begründet anzusehen, meinen aber, der Einfluss 
der Parasiten sei zur Entstehung von Neubildungen 
oft nicht ausreichend, es spielen vielmehr bei die¬ 
sem Prozesse auch andere, näher nicht bekannte 
Umstände eine hervorragende Rolle. 

Baczynski. 

H. PAtz. Der Bacillus pyogenes und 
seine Beziehungen zur Schweine¬ 
seuche (vorläufige Mitteilung). (Zeitschr. f. 
Fleisch- u. Milchhygiene, 1904, Heft 11.) 

Die teils vom Verfasser, teils von anderer Seite 
im hygienischen Institut der tierärztlichen Hoch¬ 
schule, Berlin, ausgeführten Versuche und Unter¬ 
suchungen haben zu dem Ergebnis geführt, dass 
die ovo i'de Bakterie (Bac. suisepticus) 
auch fernerhin als der Erreger der 
Schweineseuche zu gelten hat. Der 
Gripssche Bacillus erscheint ledig¬ 
lich als Eitererreger und Erzeuger 
einer Komplikation, welche in einem 
schleimig-eitrigen Bronchialkatarrh 
besteht. Vielleicht kann durch das Eindringen 
des Bacillus pyogenes in der Lungenparenchym 
auch Nekrose hervorgerufen werden. 

Francke. 

Internationale Konferenz über die tropischen 
Tierkrankheiten. Im Anschluss an den VIII. inter¬ 
nationalen tierärztlichen Kongress wird in Buda¬ 
pest eine internationale Konferenz in Angelegen¬ 
heit der tropischen Tierkrankheiten abgehalten. Am 
25.—31. Mai v. J. wurde von den Vertretern der 
südafrikanisch-englischen Kolonien in Kapstadt eine 
Konferenz abgehalten, wobei Beratungen über die 
Schutzmassregeln gegen die in Südafrika herrschen¬ 
den Tierkrankheiten gepflogen wurden. Diese Kon¬ 
ferenz fasste in ihrer Schlusssitzung den Beschluss, 
Schritte einzuleiten, damit im Anschluss an den 
im Jahre 1905 in Budapest anberaumten internatio¬ 
nalen tierärztlichen Kongress eine eigene Konferenz 
stattfinde, zu welcher die Vertreter der südafri¬ 
kanischen Städte und Kolonien, der australischen 
und neuseeländischen englischen Kolonien, von 
Indien, Aegypten, der Vereinigten Staaten von 
Nord-Amerika, der südamerikanischen Staaten, 
sowie überhaupt aller Länder und Kolonien, 
in welchen dieselben oder ähnliche Krank¬ 
heiten bei den Haustieren Vorkommen, wie 
in Südafrika, um dieselben zum Gegenstände 
wissenschaftlicher Erörterungen zu machen. Das 
Organisations-Komitee des tierärztlichen Kongresses 
hatte die tropischen Krankheiten bereits vorher 
in das Programm aufgenommen, der erwähnte Be¬ 
schluss der kapstädtischen Konferenz wird jedoch 
beitragen, das Interesse für den Budapester Kon¬ 
gress bei den Fachmännern der fernsten Weltteile 
zu erwecken. 


Von den Lokal-Komitees des Kongresses hat 
sich jüngst auch das badische Komitee gebildet. 
Mitglieder desselben sind unter dem Vorsitze des 
Geheimen Oberregierungsrates Dr. L y d t i n: Regie¬ 
rungsrat Hafner in Karlsruhe, Veterinärarzt 
Braun in Baden-Baden, Veterinärassessor Feh- 
renmeier und Bezirkstierarzt Ko hl he pp. 
Ebenso hat sich auch das dänische Komitee orga¬ 
nisiert, und zwar unter dem Vorsitze von Dr. Bang, 
Professor der tierärztlichen Hochschule; Mitglieder 
desselben sind: Professor C. O. J e n s e n , Mar¬ 
schalltierarzt Dr. G a u t i c r und Militär-Obertier¬ 
arzt H. Fries. Für das Zustandekommen des 
österreichischen Komitees sind Ministerialsektions- 
rat A. Binder und k. k. Landesveterinärreferent 
A. Greiner in Wien bemüht. Die Kreierung des ser¬ 
bischen Lokalkomitees hat Landeetierarzt A.Popo- 
v i t s c h in Belgrad auf sich genommen. Ausser¬ 
dem haben A. Cope, Sektionschef des Acker¬ 
bauministeriums in London, Dr. 0. Malm, 
Veterinär-Direktor der norwegischen Regierung in 
Christiania, und Professor Thomassen in Ut¬ 
recht, den Generalsekretär des Kongresses. Pro¬ 
fessor Dr. Stefan v. Rätz, verständigt, dass 
sie durch die tierärztlichen Vereine und Fach¬ 
blätter alles aufbieten werden, um das Interesse 
für den Kongress zu wecken und die Kollegen für 
die Beteiligung an demselben zu gewinnen. 


Bflcheranzeigen. 

Der preussische Kreistierarzt als Beamter, 
Praktiker und Sachverständiger« IV. Band: Der 
preussische Kreistierarzt als Sachverständiger auf 
dem Gebiete des Sportes, des Jagd-, Fischerei- 
und Tierschutzes und der Tierversicherung. Be¬ 
arbeitet von Tierarzt Diffln^- Rüsselsheim, Professor 
Dr. Hofer- München, Kreistierarzt Hofherr-Herzberg 
a. E., Stadttierarzt Dr. Kopp-Metz, Tierarzt und 
Schlachthofdirektor Suckow -Bergisch-Gladbach und 
Kreistierarzt Weber« Fulda. Mit 87 Abbildungen im 
Text. Berlin SW. 61, Louis Marcus Verlags¬ 
buchhandlung, 1905. 

Der vierte Band behandelt die Beziehungen des 
Kreistierarztes zum Sport, zur Jagd, zur Fischerei, 
zum Tierschutz und zur Tierversicherung. Den Be¬ 
ginn macht der als Pferdekenner, Sportsman und 
Sportschriftsteller bestens bekannte Suckow mit 
dem Kapitel: Der Kreistierarzt in seiner Beziehun¬ 
gen zum Pferdesport. Verfasser leitet seine Ab¬ 
handlung ein mit einer Kritik der deutschen Voll¬ 
blut- und Halbblutzucht, die für diese nicht gerade 
glänzend ist. Er betont die Notwendigkeit erhöhter 
Anteilnahme an züchterischen und sportlichen 
Fragen von seiten der Tierärzte. Des weiteren 
werden die Fehler angeführt, auf welche die man¬ 
gelnde Entwicklung der Halbblutzucht bei uns 
zurückzu führen ist. Sehr wichtig und von beson¬ 
derem Interesse für den Tierarzt sind die auf reicher 
Erfahrung fussenden Ausführungen über verschie¬ 
dene Krankheiten in ihrer Bedeutung für die Renn- 


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Heft 1. 


23 


Fortschritte der Veterin&r-Hygiene. 


Pferdezucht. Wir lernen hier gewissermaßen neue 
Berufskrankheiten der Rennpferde kennen. Auch 
das Doping (künstliche vorübergehende Steigerung 
der Arbeits-Energie durch chemische und physi¬ 
kalische Einwirkungen) der Rennpferde erfährt eine 
interessante und lehrreiche Besprechung. Allge¬ 
meine züchterische Bemerkungen und rennsport¬ 
liche Ratschläge für beamtete Tierärzte beschliessen 
die Suckowsche Abhandlung, die fliessend und ge¬ 
wandt geschrieben ist. Die Lektüre ist auch dem 
Nicht-Sportman Genuss. Jeder wird diesem Ab¬ 
schnitt viel Wissenswertes und Interessantes ent¬ 
nehmen können. 

D i f f i n ä - Rüsselsheim behandelt den Hunde¬ 
sport. Alle Arten Hunde in bezug auf Rassen und 
Verwendung sind berücksichtigt. Hundezucht und 
Hundehaltung finden ausreichende Erwähnung. 
Verf. hat mit seinem geschickt gruppierten Artikel 
einen recht interessanten Abschnitt des Werkes 
geliefert. 

Der Kreißtierarzt in seinen Beziehungen zum 
Schutze der Jagd betitelt sich der nächste, von 
H o f h e r r behandelte Abschnitt. Nach einigen ein¬ 
leitenden Angaben führt Verf. zunächst das Wild¬ 
schongesetz vom 14. Juli 1904 nebst einem Kom¬ 
mentar an. Was die sachverständige Begutachtung 
gerichtlich oder polizeilich beschlagnahmten Wildes 
angeht, also die wichtigste Beziehung des Tier¬ 
arztes zum Jagdschutz, so finden wir hier keinerlei 
Angaben. Die hierher gehörenden Ausführungen 
sind zum Teil zwar in Band III unter Wildpret ge¬ 
macht, aber mit diesen doch nicht erschöpft. Des 
weiteren wird leider jede Angabe über Wildkrank¬ 
heiten vermisst, ein Gebiet, auf welchem das sach¬ 
verständige Urteil des Tierarztes sicher in aller¬ 
erster Linie eingeholt wird. Mit einer Darstellung 
der häufigsten Wildkrankheiten und deren Abwehr- 
massregeln hätte sich Verf. einer nicht leichten, 
aber sehr dankenswerten Aufgabe unterzogen. 
Schade, dass er die so schöne Gelegenheit nicht 
genutzt hat. Seine Wildhege und Wildpflege wird 
jedem Jäger eine interessante Lektüre bieten, tier¬ 
ärztlicher Tätigkeit wird sich nach dieser Seite hin 
schwerlich jemals ein Feld bieten. Das Kapitel 
über den Schutz der Fischerei von Hofer ist ein 
wenig zu knapp weggekommen, eine eingehendere 
Behandlung aus der Feder dieses so sachkundigen 
Autors wäre recht erwünscht gewesen. Eine sehr 
fleissige und wohlgelungene Arbeit hat Weber über 
Tierschutz geliefert. In dieser sorgsam zusammen¬ 
getragenen, mit vielen Abbildungen versehenen Ab¬ 
handlung wird wohl kaum Wichtigeres aus dem 
Gebiete des Tierschutzes vermisst werden. Sie ist 
geeignet, weitgehende Anregung zur lebhaften An¬ 
teilnahme der Tierärzte am Tierschutz zu geben. 
Der vierte Band wird beschlossen mit einer 
sehr eingehenden Abhandlung über die Tierver¬ 
sicherung von K o p p. Wer je in die Lage kommt, 
sich über diese oder jene Frage der Tierversiche¬ 
rungswesens zu informieren, wird hier gewiss er¬ 
giebige Auskunft erhalten. Eine reiche Fülle gut 


und kritisch gesichteten Materials ist hier von 
dem gewandten, auf dem Gebiete der Tierversiche¬ 
rung gut bewanderten Verfasser zusammengebracht 
Mit dem vierten Bande liegt nunmehr das 
Gesamtwerk: Der preussische Kreis¬ 

tierarzt vollendet vor. Die stolze Auf¬ 
gabe, welche die Herausgeber sich gestellt 
haben, ist mit Hilfe der zahlreichen Mitarbeiter 
aufs beste erfüllt. Der Verlag ist in unein¬ 
geschränktem Masse bemüht gewesen, dem ge¬ 
waltigen Werk würdigen Rahmen, geschmackvolle 
Form zu geben. So ist es vereinten Kräften ge¬ 
lungen, ein literarisches Meisterwerk zu schaffen, 
auf welches die Tierärzte stolz zu sein alle Ver¬ 
anlassung haben. Die Gesamtanlage des Werkes 
erweist ein bemerkenswertes Organisationstalent der 
Herausgeber. Die durchaus gelungene Anpassung 
und Anreihung der einzelnen Kapitel an den ge¬ 
planten Aufbau hat dem ganzen Werk einen ein¬ 
heitlichen und harmonischen Charakter verliehen. 
Die einzelnen Abschnitte sind fast ausnahmslos 
vorzüglich abgefasst; sie zeichnen sich durchgängig 
aus durch eine lebhafte Schreibweise und fliessende 
Darstellung. „Der preussische Kreistierarzt“ ist nicht 
nur ein erstklassiges wissenschaftliches Nach¬ 
schlagewerk und ein zuverlässiger Ratgeber in allen 
Fragen tierärztlicher Sachverständigentätigkeit, 
sondern das Werk stellt, worauf ganz besonders 
hingewiesen werden soll, auch eine fesselnde Lek¬ 
türe dar für jeden, der auf einem oder anderem 
Gebiete der tiermedizinischen Wissenschaft Inter¬ 
esse entgegenbringt. Es ist wohl zu erwarten, 
sicher aber zu wünschen, dass das sehr schöne und 
gediegene Werk weitesten Eingang bei den Tier¬ 
ärzten finden möge. Den Herausgebern aufrich¬ 
tigen Glückwunsch zu der Vollendung ihrer ragen¬ 
den Schöpfung. Profö. 

Lehrbuch der allgemeinen Patho¬ 
logie für Tierärzte und Studierende 
von Professor Dr. Th. Kitt in München. Mit 
4 Farbentafeln und 119 Textfiguren. Stuttgart, 
Verlag von Ferdinand Enke. 1904. 

Ein Lehrbuch der allgemeinen Tierpathologie 
hat bisher gefehlt. Verfasser, der bereits einen 
speziellen Teil (Lehrbuch der pathologischen Ana¬ 
tomie der Haustiere) herausgegeben, hat mit vor¬ 
liegenden Buche eine Lücke der tierärztlichen Fach¬ 
literatur geschlossen. Kitts lebendige, anschau] iche, 
auf das Wesentliche gerichtete Darstellungsweise 
hat hiermit wieder ein treffliches Lehrbuch ge¬ 
schaffen, das dem Studierenden eine vorzügliche An¬ 
leitung, dem Tierarzt eine dankenswerte Anregung 
sein wird, seine Kenntnisse der allgemeinen Patho¬ 
logie zu erneuern und zu festigen. Die Abbildungen 
und Farbentafeln sind ausserordentlich schön. Die 
Anschaffung kann auf das angelegentlichste emp¬ 
fohlen werden. ProfA 

Deutscher Veterinär -Kalender für 
das Jahr 1904—1905. Herausgegeben in zwei 
Teilen von Prof. Dr. R. Schmält z. Berlin 1905. 
Verlag von Richard Schoetz. 


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24 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


3. Jahrgang 


Der Schmaltzsche Kalender, der in gewöhn¬ 
lichem Taachenkalenderformat eine ungewöhnliche 
Fülle von Angaben unter Mitwirkung bewährter 
Kräfte bringt, erfreut sich eines so guten Rufes, 
dass ee sich erübrigt, auf seine Vorzüge des 
näheren einzugehen. 

Veterinär-Kalender für das Jahr 
1905. Herausgegeben von Korpsrossarzt K o e n i g. 
Berlin 1905. Verlag von August Hirschwald. 

Der Koenigsche Kalender räumt dem Kapitel 
Beliandlung der wichtigsten Krankheiten den weit¬ 
aus grössten Umfang ein, was als ein besonderer 
Vorzug des Kalenders zu bezeichnen ist. 

Le Traducteur (Französisch-Deutsch) und 
The Translator (Englisch-Deutsch), Halb¬ 
monatsschriften zum Studium der französischen, 
englischen und deutschen Sprache. Bezugspreis je 
2,50 Fr. halbjährlich. Probenummern kostenlos 
durch den Verlag des „Traducteur“ oder des 
„Translator“ in La Chaux-de-Fonds (Schweiz). 

Diese beiden Blätter sind ein vortreffliches 
Hilfsmittel zum Weiterstudium der genannten 
Sprachen. Der sorgfältig gewählte, reichhaltige 
Lese- und Uebungsstoff, teilweise mit korrekter 
Uebersetzung, teilweise mit erklärenden Fussnoten, 
macht sie für den einzelnen sowohl als auch für 
den Familienkreis ganz besonders empfehlenswert. 
Die Abonnenten verschiedener Zunge können mit¬ 
einander in Korrespondenz treten. Ihr Preis ist in 
Anbetracht der gebotenen Vorteile ein niedriger 
und jeder eifrige Leser wird durch sie gewiss nach¬ 
haltige Förderung finden. 

Handbuch der Fischkrankheiten 
von Dr. Bruno Hofer. Mit 18 Farbentafeln 
und 222 Text-Abbildungen. Verlag der Allgem. 
Fischerei-Zeitung, München. 1904. 

Ueber die Widerstandsfähigkeit 
zweier in Marburg mit Tuberkel¬ 
bazillen verschiedener Herkunft vor¬ 
behandelter Rinder gegen subkutane 
und intravenöse Infektion mit tuber¬ 
kulösem, vomRindestam me ndenVirus. 
Von Prof. Dr. A. Eber. Abdruck aus der Zeit¬ 
schrift für Tiermedizin. Neunter Band, 1905. 

Experimentelle Uebertragung der 
Tuberkulose vom Menschen auf das 
Rind. Von Prof. Dr. A. Eber. Abdruck (ins: 
Beiträge zur Klinik der Tuberkulose. Stübers 
Verlag. 

Hilfsbuch des Fleischbeschauers. 
Von Dr. Paul Heine. 

Leitfaden der Trichinenschau. Von 
Dr. Paul Heine. Erster Schlachthaustierarzt in 
Hannover. Verlag von M. u. H. Schaper. 1905. 

Grundriss der Trichinenschau. Leit¬ 
faden für den Unterricht in der Ausbildung der 
Trichinenschauer nebst den preussischen gesetz¬ 
lichen Bestimmungen von Clausen, Schlacht¬ 
hof-Direktor, Hagen i. W. Berlin 1905. Verlag 
von Richard Schoetz. 


Re frakto metrische Untersuchun¬ 
gen vonMilch u. Fleisch. Von Dr. R i e v e 1, 
Hannover. Sonderabdruck aus No. 12. der Deut¬ 
schen Tierärztlichen Wochenschrift. 13. Jahr¬ 
gang, 1905. 

Vetörinaire Pathologie en Hygiene. 
Mededeelingen en Onderzockingen uit Praktijk en 
Laboratorium door Dr. D. A. de Jong, Jyn 
Veearts, Directeur van het openbaar Slachthuis te 
Leiden. G. L. Van den Berg. 1905. 

Besprechung Vorbehalten. D. H. 

Long-Preusse, Praktische Anlei¬ 
tung zur Trichinenschau. Sechste Auf¬ 
lage, bearbeitet von M. Preusse, Departementstier¬ 
arzt und Veterinär-Assessor in Danzig. Verlag von 
Richard Schoetz, Berlin, Luisenstr. 36. Preis 
2,50 Mk. 

Das in sechster Auflage erschienene Werkchen 
enthält in drei Abschnitten in knapper Form das¬ 
jenige, was der Laie zum Erlernen der praktischen 
und theoretischen Trichinenschau benötigt. Der 
erste Teil bringt Mitteilungen aus der Anatomie und 
Physiologie des tierischen Körpers. Im zweiten Teil 
findet sich Geschichte und Entwicklungsgeschichte 
der Trichine, sowie ihre Lebensweise und Haupt¬ 
merkmale. Der dritte Teil behandelt die Aus¬ 
übung der Trichinenschau. Eine kurze Beschrei¬ 
bung des Mikroskopes leitet denselben ein. Ent¬ 
nahme der Proben, die Herstellung und Durch¬ 
musterung der Präparate, Kennzeichnung des unter¬ 
suchten Tieres etc. sind unter Berücksichtigung 
der einschlägigen neueren gesetzlichen Bestimmun¬ 
gen erläutert. In ziemlich ausführlicher Weise ist 
der Finne gedacht worden, es fällt jedoch auf, 
dass auf die Unterscheidungsmerkmale gegenüber 
der dünnhalsigen Finne sowie dem Echinokokkus 
kein besonderer Wert gelegt ist. Eine genaue Be¬ 
schreibung des letzteren wird überhaupt vermisst. 
Den Schluss bildet eine kurze Anleitung zur Er¬ 
kennung des Rotlaufs und der Schweineseuche nebst 
Hinweis auf die Anzeigepflicht. 

Als Anhang ist dem Büchlein ein Abdruck der 
auf die Trichinenschau bezüglichen Bestimmungen 
des Reichsfleischbeschaugesetzes, des preussischen 
Ausführungsgesetzes, der Ausführungsbestimmungen 
des Bundesrats und der preussischen ministeriellen 
Ausführungsvorschriften beigefügt. 

Das Buch kann als ein brauchbares Lehrbuch 
für den Laien bezeichnet werden, für den das 
Studium des mehr wissenschaftlich gehaltenen 
ausgezeichneten Johneschen Werkes zu schwierig ist. 

Unterhössel. 


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wird direkt an den Redakteur, Kreistierarzt Dr. 
O. Profd, Cöln a. Rh., Hansaring 50, oder an die 
Verlagshandlung Louis Marcus, Berlin SW., 
Tempelhofer Ufer 7, erbeten. 


Für d. Redaktion verantworte Kreistierarzt Dr. O. Prof 6, Cöln a. Rh., Hansaring 50. Druck von Pass & Gar leb G. m. b. H., Berlin W. 35. 
Verlag und Eigentum: Louis Marcus Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 61. 


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Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 

3. JAHRGANG. MAI 1905. HEFT 2. 


Aus dem Königlichen Institut für experimentelle 
Therapie zu Frankfurt am Main.*) 

Zur Kenntnis der Transsudate und 
Exsudate bei Tieren unter normalen und 
pathologischen Verhältnissen. 

Von Georg Kaiser, prakt. Tierarzt, 
Homburg v. d. Höhe. 

A. Historisches und ältere Unter¬ 
suchungen. 

Seit Einführung der farbenanalytischen 
Untersuchungsmethoden durch Ehrlich ist 
das Gebiet der normalen wie pathologischen 
Histologie des Blutes durch die zahlreichen 
Arbeiten der letzteren Jahre bis zu einem ge¬ 
wissen Abschluss gelangt und die Hämatologie 
gehört zu den am meisten geklärten Kapiteln 
der gesamten Pathologie. 

Nur mittelst der Farbenanalyse war es 
möglich, die komplizierten Verhältnisse des 
hämopoetischen Systems zu klären und für die 
Diagnose und Therapie der Bluterkrankungen 
den schwierigen AVeg zu bahnen. Nachdem es 
durch distinkte Färbemethoden gelungen war, 
in den verschiedenen Leukocyten spezifische 
Granulationen festzustellen und diese als die 
eigentlichen Stoffwechselprodukte der spezi¬ 
fischen Zelltätigkeit anzusehen, wurde die bio¬ 
logische Bedeutung der Leukocytose immer 
mehr geklärt. 

Einer der ersten, welcher die hervorragende 
Bedeutung der Leukoevten für den Organismus 
erkannte und allerdings auch überschätzte, war 
Metschnikoff. 

Derselbe stellte bekanntlich eine Theorie 
auf, nach welcher der Organismus zur Abwehr 
eingedrungener Mikroben sich ausschliesslich 
der Leukocyten bediente, welche in der "Weise 
in Aktion treten sollten, dass sie den Ein¬ 
dringling mit ihren Pseudopodien umschlossen, 
in ihre Leibessubetanz aufnahmen und auf- 
frassen. 

*) Die Arbeit ist bereits vor drei Jahren aus¬ 
geführt und aus äusseren Gründen bisher nicht 
veröffentlicht worden. 


Die biologische Fähigkeit der Leukocyten 
besteht nun sicher nicht nur in einer solchen 
gewissermassen rein mechanischen Fresstätig- 
keit, sondern es sind dieselben auch imstande, 
wie es zuerst Büchner und seine Schüler 
gezeigt haben, durch die Absonderung gewisser 
chemischer Produkte (Alexine) eine gewisse 
Fernwirkung zu entfalten. 

Es ist heutzutage wohl die Ansicht der 
Mehrzahl der Autoren, dass die Leukocyten 
fast stets nur solche Mikroorganismen aufzu¬ 
fressen imstande sind, welche durch irgend¬ 
welche Einflüsse, unter welchen bei normalen 
Verhältnissen die Alexine «eine bedeutende 
Bolle spielen, bereits in den Körperflüssig¬ 
keiten zum mindesten in ihrer "Widerstands¬ 
fähigkeit schwer geschädigt waren. 

Die Leukocyten sind nicht nur selbst im¬ 
stande, chemische Produkte abzusondern, son¬ 
dern zeigen sich auch für von aussen auf sie 
einwirkende Beize äusserst empfindlich. So 
sehen wir, dass überall dort, wo der normale 
Chemismus im Körper gestört ist, oder wo 
sich Bakterien angesammelt haben, die selbst 
chemisch wirksame Stoffe produzieren, die 
Leukocyten zusammenströmen und den Kampf 
mit den eingedrungenen Noxen ihrerseits auf¬ 
nehmen. 

Dieser beschriebene Vorgang wird als 
Chemotaxis bezeichnet (1). 

Die eingedrungenen Mikroorganismen wir¬ 
ken z. T. in zirkulierenden Blutkreisen, und 
so müssten wir erwarten, was ja in der Tat 
auch der Fall ist, dass unter solchen Umständen 
die Zahl der Leukocyten im kreisenden Blute 
durch Herauslocken derselben aus Knochenmark 
und Milz etc. sich vermehrt, und dass es so 
zu einer echten Leukocj'tose kommt. 

Dieser Prozess hat schon sehr bald die 
Aufmerksamkeit der Forscher beansprucht und 
ist so vielfach studiert, dass die Frage der 
Leukocytose des Blutes bis zu einem gewissen 
Grade als geklärt angesehen werden kann. 

Anderseits ist es für die Entstehung der 


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26 


3. Jahrgang. 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


Leukocytose nicht eine unumgängliche Vor¬ 
bedingung, dass ungelöste Partikelchen im 
Blute kreisen, sondern es genügt für das Heraus¬ 
locken der weissen Blutkörperchen die Anwesen¬ 
heit gelöster Substanzen, die zum Teil Stoff¬ 
wechselprodukte der Bakterien sein können, 
zum Teil einfach chemische Verbindungen sind. 

Da nun festgestellt ist, dass die Leuko- 
cyten, und zwar die polynucleären, durch den 
Reiz chemotaktisch wirkender Substanzen, spe¬ 
ziell solcher von Bakterien gelieferten, ange¬ 
lockt werden, ist es eine selbstverständliche 
Forderung, dass an solchen Stellen, wo sich 
v unter dem Einfluss lokal vorhandener Bak¬ 
terien Transsudate und Exsudate bilden, die 
weissen Blutkörperchen des Blutes an diese 
Stelle hingelockt werden. 

Die Untersuchung von Transsudaten und 
Exsudaten scheinen nun von vornherein für 
die Erkennung feinerer chemotaktischer Vor¬ 
gänge ganz besonders geeignet, da wir es hier 
mit Flüssigkeiten zu tun haben, die histolo¬ 
gisch der Lymphe entsprechen sollen. 

Es war durch das Studium der Trans¬ 
sudate und Exsudate zu erwarten, dass es ge¬ 
lingen würde, noch weiter in das biologische 
chemische Verhalten der Leukocyten einzu¬ 
dringen. Merkwürdigerweise hat dies Gebiet 
noch sehr wenig Beachtung gefunden. 

Während die Leukocytose des Blutes den 
Gegenstand einer fast unglaublichen Menge 
von Arbeiten darstellt, ist das Studium der 
histologischen Zusammensetzung der Trans¬ 
sudate und Exsudate relativ stiefmütterlich 
behandelt worden. 

Erst aus den letzten beiden Jahren liegen 
Arbeiten vor, von denen wir diejenigen von 
AVidal (2, 3, 4, ß), Milschner (6), Al¬ 
fred W u 1 f (7), Litten (8) und Coenen 
(9) erwähnen. 

Die W i d a 1 sehen Untersuchungen be¬ 
ziehe i sich hauptsächlich auf pleuritische Ex¬ 
sudate des Menschen und zwar bei den ver¬ 
schiede nen Formen der Entzündung der Pleura. 

Widal stellte bei der Pleuritis tuberku- 
losa eine spezifische Vermehrung der Lympho- 
cyten fest, und zwar verhalten sich die jpoly- 
nucleären zu den Lymphocyten wie 1 :9. Bei 
mechanischer Pleurit is, sei sie durch eine Herz¬ 
krankheit, Krebs, Verletzung oder Beiz der 


Nachbarschaft hervorgerufen, konstatierte er 
immer Haufen zusammenflieseender Endothel¬ 
elemente. Wurde selbst bei einem Tuberku¬ 
lösen eine mechanische Pleuritis festgestellt, 
so waren die vorhin erwähnten Endothel¬ 
elemente zu finden. 

Injizierte er von letzterem Exsudate in 
die Leibeshöhle von Meerschweinchen, so wur¬ 
den die Tiere nicht tuberkulös. Es soll da¬ 
durch bewiesen werden, dass nicht die Tuber¬ 
kulose die Anhäufung der Endothelelemente 
hervorrief, sondern der mechanische Reiz. 

Bei durch Pneumokokken hervorgerufenen 
und den serofibrinösen Pleuritiden fand W i - 
d a # l grosse mononukleäre Zellen, die wahre 
Macrophagen darstellen. 

Diese mononukleären waren fast immer 
isoliert und nicht in Form von Haufen ge¬ 
lagert. In den serofibrinösen Exsudaten bei 
typhösen Erkrankungen konstatierte Widal 
eine Vermehrung der eosinophilen Zellen: 23 
eosinophile auf 100 weisse Blutkörperchen, im 
Blute 2,4 auf 100 weisse. 

In einem zweiten Fall von Pleuritis fibri- 
nosa eines aus den Kolonien stammenden Pa¬ 
tienten, bei dem man parasitäre Infektion an¬ 
nahm, ergab die Zählung, dass auf 100 weisse 
Blutkörperchen 14 eosinophile kamen. 

In einem dritten Fall von hämorrhagischer 
Pleuritis eines ausserdem an Tuberkulose lei¬ 
denden Patienten fand er 54 eosinophile auf 
100 weisse Blutkörperchen. Im Blute 9 eosino¬ 
phile auf 100 weisse Blutkörperchen. 

Diese Eosinophilie führte Widal 
auf akute Intoxikationen zurück. Nach Injek¬ 
tion dieser Exsudate in die Peritonealhöhle von 
Meerschweinchen entstand eine fibrinöse Peri¬ 
tonitis. 

Die Züchtung von Mikroben gelang W. 
nicht. Durch Injektion des Pleuraexsudates 
des noch an Tuberkulose leidenden Menschen 
in die Peritonealhöhle eines Meerschweinchens 
gelang es nicht, Tuberkulose zu erzeugen. 

Am Schlüsse seiner Untersuchung resü¬ 
miert W i e d a 1 wie folgt: Der Befund von 
zelligen Elementen in den Exsudaten ist für 
die klinische Diagnose verwendbar. 

Die Untersuchungen von Milschner 
betreffen die Ascitesflüssigkeit von an myo- 
logener Leukämie leidender Menschen Milöch- 


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Heft 2. 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


27 


ner stellte darin die mit basophiler Kömelung 
ausgerüsteten Mastzellen fest, 23,9 °/o. 

In der Veterinärpathologie finden wir 
meistens nur Angaben, die auf experimenteller 
Grundlage beruhen, während die klinische 
Seite der Hämatologie nicht so bearbeitet ist 
wie in der Menschenpathologie. So finden wir 
in der Literatur folgende Angaben: 

Im Jahre 1890 stellte M. L. Eanvier (10) 
in der Peritonealflüssigkeit von Meerschwein¬ 
chen und Kaninchen amöboide Leukocyten mit 
distinkten Granulationen und Lymphocyten 
fest. Bei der Hatte fand er ausserdem noch Leu¬ 
kocyten mit basophiler Körnelung. 

Während ich bereits mit meinen Untersuch¬ 
ungen über Transsudate und Exsudate begonnen 
hatte, erschienen Arbeiten von J. Sabrazes 
(11) und L. Muratet (12) über Transsudate 
in der Peritoneal- und Pleurahöhle einiger 
Schlacht- und kleinerer Versuchstiere. 

Sabrazes nahm bei seinen Untersuchun¬ 
gen eine Zählung der Leukocyten vor und be¬ 
stimmte das prozentuale Verhältnis der einzel¬ 
nen Formelemente des Blutes. Er stellte ver¬ 
gleichende Untersuchungen zwischen den zei¬ 
tigen Elementen des Blutes und den seröser 
Flüssigkeiten der Tiere an. 

Aus dem Untersuchungsbefunde folgert 
Sabrazes, dass die Leukocyten in den se¬ 
rösen Flüssigkeiten vermehrt sind, sobald das 
Blut ebenfalls eine Vermehrung derselben zeigt. 
In einer zweiten Arbeit stellt Sabrazes 
vergleichende Untersuchungen über den Leu- 
kocytengehalt verschiedener Exsudate an. 

Er zentrifugierte die serösen Flüssigkeiten 
in verschiedenen Zeiträumen, gleich nach der 
Entnahme aus dem Körper, und kam zu dem 
Resultate: Bei unmittelbar nach der Entnahme 
zentrifugierter Flüssigkeit ist der Prozentsatz 
der Leukocyten ein geringerer, der Prozent¬ 
satz der polinucleären Elemente dagegen ein 
höherer, bei nach der Koagulation und Schüt¬ 
teln mit Glasperlen zentrifugierter Flüssig- 
keite ntritt das umgekehrte Verhältnis ein. 

B. Eigene Untersuchungen. 

Meine nun folgenden Untersuchungen, die 
ich auf Veranlassung von Herrn Geheimrat 
Prof. Dr. Ehrlich vornahm, erstrecken sich 
zunächst auf eine Nachprüfung der Resultate 
Sabrazes, dann aber ganz besonders auf 


erweiternde Untersuchungen der serösen Flüs¬ 
sigkeiten der Peritoneal-, Pleural- und Peri- 
cardialhöhle unter normalen und pathologischen 
Zuständen. 

Zur Untersuchung benutzte ich Material 
von folgenden Tierspezies: Pferd, Rind, Kalb, 
Schwein, Schaf, Ratte. Die Entnahme der 
serösen Flüssigkeiten geschah direkt nach dem 
Abschlachten, bei Eröffnung der einzelnen 
Höhlen, mittelst der Pipette unter Vermeidung 
von Verunreinigung durch Blut. 

Bevor ich auf die Technik der Unter¬ 
suchungen näher eingehe, möchte ich einiges 
über die Qualität und Quantität der normalen 
serösen Flüssigkeiten kurz anführen. 

Im allgemeinen lässt sich folgendes sagen, 
dass die Quantität der serösen Flüssigkeiten 
bei alten und sehr mageren Tieren eine höhere 
ist als bei jungen und gut genährten. Sodann 
ist die Flüssigkeitsmenge eine relativ höhere 
bei Tieren, die direkt aus guter Fütterung zur 
Abschlachtung kommen als bei den Tieren, die 
schon mehrere Tage auf Schlachthöfen auf¬ 
gestellt sind und nur sogenanntes Erhaltungs¬ 
futter bekommen haben. 

Aus der Peritonealhöhle eines mageren, 
sonst gesunden Pferdes kann man bis zu zwei 
Liter seröser Flüssigkeit entnehmen, aus der 
Pericardialhöhle 60—70 ccm. Dieselbe Wahr¬ 
nehmung konnte ich auch bei anderen alten und 
abgemagerten Tierspezies machen. Bei gut ge¬ 
nährten Pferden ist die Flüssigkeitsmenge eine 
geringere, 100—50 40 ccm. Dieselben Zahlen 

gelten auch für das Rind, beim Kalbe kann 
man ca. 5—10 cc£m aus jeder Höhle entnehmen, 
beim Schwein ca. 10—15 -ccm, ebenso beim 
Schafe. 

Technik der Untersuchung. 

Die Transsudate und Exsudate wurden 
nach der Entnahme direkt in sterile Flaschen 
eingefüllt und durch Schütteln mit Glasperlen 
defibriniert. Die Fibrinmenge bei Pferden war 
ganz minimal, während die Flüssigkeiten aller 
übrigen untersuchten Tiere reichliche Mengen 
von Fibrin enthielten, was ein sofortiges 
Schütteln nötig machte, um die Gerinnung zu 
verhindern. 

Mittelst einer elektrischen Zentrifuge, die 
4000 Umdrehungen in der Minute macht, wurde 


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2s 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


3. Jahrgang. 


die Flüssigkeit zentrifugiert, wobei sich inner¬ 
halb 10 Minuten die »zelligen Elemente zu 
Boden setzten. Die darüberstehende zellfreie, 
klare Flüssigkeit wurde abgegossen und von 
dem Bodensatz mittelst (feinster Glaspipette 
ein Tröpfchen entnommen und auf sog. Blut¬ 
deckgläser von 0,08 mm Dicke nach Art der 
Anfertigung der Blutpräparate -ausgebreitet. 
Nachdem die Präparate gut lufttrocken waren, 
wurden sie auf einer Kupferplatte durch Er¬ 
hitzung auf 130° während einer Dauer von 
10 Minuten fixiert. In allen Fällen wurde ein 
Teil der Präparate mit Ehrlichs Triacid, 
ein Teil in Eosin-Methylenblau gefärbt. Die 
Benutzung dieser beiden Färbeflüssigkeiten ist 
nötig, da mit einer einheitlichen Färbung nicht 
alle Zellen erkennbar gemacht werden können, 
während man durch Anfertigung von Präpa¬ 
raten mit beiden Farblösungen unter allen Um¬ 
ständen über das Vorhandensein von Lympho- 
cyten (monucucleären neutrophilen), polynu- 
cleären neutrophilen, eosinophilen Zellen durch 
Triazidlösung, über Mastzellen durch Eosin- 
Methylenblau Aufschluss erhält. Die spezielle 
Technik der Anfertigung der Präparate ist 
folgende: 

Auf die wie vorhin angegeben angefer¬ 
tigten und fixierten Präparate wird entweder 
Triacidlösung oder Eosin-Methylenblau ge¬ 
gossen und 5—10 Minuten darauf belassen. 
Der Farbstoff wird alsdann mit Wasser abge¬ 
spült, das Präparat mittelst Fliesspapier gut 
getrocknet, in Canadabalsam eingebettet und 
mittelst der Oelimmersion untersucht. 

Von jeder Flüssigkeit wurden mindestens 
10 Präparate auf das genaueste durchgemustert 
und das zahlenmässige Verhältnis der einzel¬ 
nen Zellarten, soweit es möglich war, fest¬ 
gestellt. 

♦ * 

* 

Die genaue Untersuchung des Zellgehaltes 
der Transsudate musste zunächst vorgenommen; 
werden, um eine Grundlage für die Unter¬ 
suchung pathologischer Produkte zu haben. 

Es gelangten zur Untersuchung bei den 
verschiedenen Tierspezies zunächst normale 
Peritoneal-, Pleural- und Pericardialflüssig- 
keiten. Die Anzahl der zelligen Elemente ist 
in Prozenten ausgedrückt: 



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— 

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Ratte 

0 

13 

15 

5 

(+ 4 1 

5°/ 0 Mast7 

lell.) 






Alsdann wurden die pathologischen Flüs¬ 
sigkeiten in nachfolgenden Fällen untersucht: 

1. Pferd. 

Seit 10 Stunden an Kolik leidend, Notschlachtung, 
Verdrehung und Entzündung des Kolons. 

Peritonealflüssigkeit 

polynukleäre ca. 90% Lymphozyten ca. 5% 

eosinophile * 00 „ Endothelelemente „ 5 „ 

Starke Vermehrung der Leukozyten, und zwar 
der polynukleären. Das Protoplasma ist vakulär de¬ 
generiert. Die Kerne zeigen Zerfallserscheinungen 
und färben sich nur schwach blau. 

2. Pferd. 

Seit 12 Stunden an Lumbago erkrankt und ge¬ 
storben. Entnahme der Exsudate sofort nach dem 
Tode. 

Peritonealflüssigkeit — Perikardialflüssigkeit 
polynukleäre ca. 20% polynukleäre ca. 00% 

eosinophile „ 8, eosinophile * 00 w 

Lymphozyten „ 30 „ Lymphozyten „ 55 * 

Endothelelemente * 39 * Endothelelemente „ 45 * 

Einige Polynukleäre haben Vakuolen. Die ver¬ 
gleichende Untersuchung des Blutes ergab eine ge¬ 
ringe Vermehrung der Polynuklearen, deren Granula 
deutlich gefärbt sind. 

1. K i n d. 

Tuberkulose der serösen Häute, sämtlicher Ein¬ 
geweide. Peritoneal- und Pleuralflüssigkeiten zeigen 
rötliche Färbung. 


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Heft 2. 


Fortschritte der Veterinär -Hygiene. 


29 


Peritonealflüssigkeit — Pleuralflüssigkeit 
polynukleäre ca. 14% polynukleäre ca. 12% 

eosinophile „ 6 * eosinophile * 4 „ 

Lymphozyten „ 70 * Lymphozyten „ 70 „ 

Endothelelemente „ 10 „ Endothelelemente „ 14 „ 

Perikard ialfl üssigkeit 

polynukleäre ca. 00% Lymphozyten ca. 64% 

eosinophile * 6 „ Endothelelemente „ 30 * 

Auffallend bei Durchsicht der Präparate ist die 
starke Anhäufung der zölligen Elemente, besonders 
in der Peritoneal- und Pleural fl üssigkeit, weniger 
stark in der Perikardial fl üssigkeit. Die Vermehrung 
erstreckt sich hauptsächlich auf die Lymphozyten. 
Die Polynuklearen sind teilweise stark mit kleinen 
Vakuolen besetzt, ebenso einige Endothelien. 

2. Rind. 

Tuberkulose der serösen Häute und Lungen. 

Peritoneal fl üssigkeit — Pleuralflüssigkeit 
polynukleäre ca. 10% polynukleäre ca. 9 °/ 

eosinophile „ 6 „ eosinophile „ 7 „ 

Lymphozyten * 74 „ Lymphozyten „ 75 „ 

Endothelelemente „ 10 ^ Endothelelemente „ 9 „ 

Perikardialflüssigkeit 

polynukleäre ca. 10% Lymphozyten ca. 75°/ 0 

eosinophile „ 6 „ Endothelelemente „ 9 „ 

3. Rind. 

Tuberkulose der Lungen und serösen Häute. 

Peritoneal fl üssigkeit — Pleuralflüssigkeit 
polynukleäre ca. 10% polynukleäre ca. 2% 

eosinophile „ 7 eosinophile „ 3 „ 

Lymphoziten „ 77 „ Lymphozyten „ 80 „ 

Endothelelemente „ 6 Endothelelemente „ 5 * 

Perikardialflüssigkeit 

polynukleäre ca. 2% Lymphozyten ca. 78% 

eosinophile „ 4 „ Endothelelemente * 16 „ 

Die Polynuklearen vom 3. Rind sind stark mit 
Vakuolen besetzt. Zur Prüfung der vakuolären Zellen 
auf Glykogen wurden die nicht fixierten Präparate 
nach der Methode Ehrlichs Joddämpfen ausgesetzt, 
sodann in Lävulosesirup gebracht und untersucht. 
Bei dieser Behandlung blieben die Zellen resp. die 
Vakuolen unverändert, es trat keino Braunfärbung 
ein, was auf die Anwesenheit von Glykogen hätte 
schliessen lassen. 

4. R i n d. 

Tuberkulose der Lunge und der serösen Häute, 
polynukleäre ca. 10% Lymphozyten ca. 75% 

eosinophile „ 6 „ Endothelelemente „ 9 „ 

Die Exsudate der tuberkulösen Tiere zeigten eine 
spezifische Vermehrung der Lymphozyten und starke 
Anhäufung von Vakuolen in den Polynuklearen. Die 
roten Blutkörperchen treten zahlreicher auf als in 
den normalen Flüssigkeiten. 

5. Rin d. 

Peritonitis. Notschlachtung. HämorrhagischesExsudat. 
Peritonealfl üssigkeit 

polynukleäre ca. 70% gr. u. kl. Lym- 
eosinophile „ 2 „ phozyten ca. 20% 

Endothelelemente „ 8 „ 

Das Protoplasma der Polynuklearen zeigt starken 
vakuolären Zerfall. Von den Lymphozyten sind die 


grossen vermehrt. In einigen Polynuklearen sind 
Streptokokken eingeschlossen Sehr zahlreich sind 
ausserdem die roten Blutkörperchen. 

1. Schwein. 

Pneumonie infolge von Schweineseuche. Perikar- 
titis und Pleuritis. 


Peritonealflüssigkeit — Pleuralflüssigkeit 


polynukleäre 

ca. 00% 

polynukleäre ca. 

75% 

eosinophile 

„ 00 „ 

eosinophile „ 

o 

o 

M 

Lymphozyten 

i 45 „ 

Lymphozyten 

15 . 

Endothelelemente * 55 „ 

Endothelelemente „ 

10 „ 


Perikardialflüssigkeit 


polynukleäre 

ca. 76% 

Lymphozyten ca. 

00 

eosinophile 

* oo„ 

Endothelelemente * 

6 „ 


Die Peritonealflüssigkeit zeigt keine Abweichung 
von den normalen Verhältnissen, während die ent¬ 
zündlichen Exsudate der Pleura und des Perikards 
zahlreiche Poly nukleare auf weisen. In der Pleural - 
fliissigkeit sind viele Zellen mit Vakuolen besetzt, 
so dass die Kerne ganz verdeckt sind. Viele Kerne 
sind unter dem Einfluss des Toxins zerfallen. Zu¬ 
weilen sieht man polynukleäre neutrophile Zellen 
die erst beginnen, sich mit Vakuolen zu füllen und 
deren Kerne gerade anfangen, abzublassen. 

Viele Poly nukleare sind mit Schweineseuche- 
bakterien angefüllt. 

In der Perikardial fliissigkeit ist das Plasma der 
polynukleären Zellen nicht mehr färbbar, da es voll¬ 
ständig mit Vakuolen angefüllt ist. Die Zellenkerne 
sind nur noch undeutlich sichtbar. 

2. Schwein. 

Die Leber ist stark mit Echinokokken durch¬ 
setzt, das Leborgewebe stark geschrumpft. 

Peritonealfl üssigkeit 

polynukleäre ca. 00% Lymphozyten ca. 55% 

eosinophile ., 00 „ Endothelelemente w 45 

3. Schwein. 

Die Leber mit einigen verkästen Echinokokken 
durchsetzt. 

Peritonealflüssigkeit — Perikardialflüssigkeit 
polynukleäre ca. 7% polynukleäre ca. 8% 

eosinophile „ 5 „ eosinophile „ 4., 

Lymphozyten „ 55, Lymphozyten „ 54 „ 

Endothelelemente „ 33 ., Endothelelemente „ 34 „ 

1. Schaf. 

Leber nur mit einigen Leberegeln durchsetzt. 
Parenchym nicht verändert. 

Peritonealflüssigkeit 

polynukleäre ca. 00% Lymphozyten ca. 62% 

eosinophile „ 10 „ Endothelelemente „ 28 „ 

2. Schaf. 

Leber mit einigen Leberegeln durchsetzt. Paren¬ 
chym nicht verändert. 

Peritoneal flü ssigkeit 

polynukleäre * ca. G0% Lymphozyten ca. 50% 

eosinophile „ 7 „ Endothelelemente „ 43 * 

3. Schaf. 

Leber mit Leberegel stark durchsetzt. 

Peritonealfl üssigkeit 

polynukleäre ca. 00% Lymphozyten ca. 35% 

eosinophile „ 50* Endothelelemente M 15 „ 




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30 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


3. Jahrgang. 


4. Schaf. 

Leber stark mit Leberegel durchsetzt. 
Peritonealflüssigkeit Perikardialflüssigkeit 

polynukleäre ca. 00% polynukleäre ca. 00% 

eosinophile „ 55% eosinophile * 00. 

Lymphozyten * 25 * Lymphozyten „ 60 * 

Endothelelemente „ 20 * Endothelelemente „ 40 „ 

5. Schaf. 

Leber weniger stark mit Leberegel durchsetzt. 
Peritonealflüssigkeit 

polynukleäre ca. 00% Lymphozyten ca. 35% 

eosinophile „ 25 „ Endothelelemente * 40 „ 

6. Schaf. 

Leber stark mit Leberegel durchsetzt. 

Peritoneal tlüssigkeit 

polynukleäre ca. 00% Lymphozyten ca. 35% 

eosinophile „ 45 „ Endothelelemente * 20 „ 

Einige eosinophile Zellen haben Vakuolen. 

7. Schaf. 


Leber von Leberegel weniger stark r durchsetzt, 


Perikardialflüssigkeit 
polynukleäre ca. 00% 


eosinophile 

Lymphozyten 

Endothelelemente 


00 , 
57 , 
43 , 


Peritonealflüssigkeit 
polynukleäre ca. 00% 

eosinophile * 25 * 

Lymphozyten „ 40 „ 

Endothelelemente „ 35 * 

8. Schaf. 

Leber mit Leberegel stark durchsetzt. 

Tier sehr abgemagert. 

Peritonealflüssigkeit 
ca. 00% Lymphozyten ca. 50% 

„ 45 „ Endothelelemente * 10 „ 
1. Ratte, trichinös. 
Peritonealflüssigkeit 
ca 00% Lymphozyten ca. 25% 

„ 25 * Endothelelemente „ 6 „ 

Mastzellen ca. 44%. 


polynukleäre 

eosinophile 


polynukleäre 

eosinophile 


Die Ausbreitung der Peritonealflüssigkeit be- 
der Ratte erfolgt sofort nach der Entnahme aus dem 
Körper mittels feiner Pipette direkt auf das Deck¬ 
glas. Während der Fütterung der Ratte mit Trichi¬ 
nen, die ich speziell zur Prüfung des Blutes auf 
spezifische Leukozytose vornahm’, konnte man, 
nicht analog der Infektion des Menschen, eine Ver¬ 
mehrung der eosinophilen Zellen konstatieren, sondern 
nur eine Leukozytose im allgemeinen. 


Ergebnis der Untersuchungen: 

Die vorliegenden Untersuchungen scheinen 
mir eine einfache Deutung zuzulassen, die 
also im wesentlichen den von W i d a 1 bei 
Menschen angeführten Tatsachen entspricht. 

Es scheint hiernach, dass die formalen 
Transsudate, wie sie in der reinsten Form in 
der Pericardialflüssigkeit Vorkommen, vor¬ 
wiegend aus Lymphocyten bestehen. Wir 
werden also anzunehmen haben, dass diese 
Transsudate vorwiegend aus der Lymphe ent¬ 
stehen, die sich aus den Lymphspalten in die 


betreffende Körperhöhle, welche ja anatomisch 
einem grossen Lymphraum entspricht, ergiesst. 

Die Anschauung, dass etwa die Ly mph 3- 
cyten aktiv aus dem Blute in die Transsudate 
einwandem, ist von der Hand zu weisen, da die 
Lymphocyten einer aktiven Locomotion ent¬ 
behren. 

Sehr wichtig ist es, dass auch die tuber¬ 
kulösen Exsudate genau dem Bilde einer reinen 
lymphocytenhaltigen Flüssigkeit entsprechen. 

Es spricht dies dafür, dass diese patho¬ 
logischen Exsudate fast ausschliesslich darauf 
zurückzuführen sind, dass vielleicht durch Er¬ 
weiterung der Lymphgefässe und einer aktiv 
gesteigerten Lymphzirkulation das Zusammen¬ 
strömen der Lymphe erfolgt, die zu relativ er¬ 
heblichen Exsudaten führen kann. 

Genau so verhält es sich bei der tuberku¬ 
lösen Pleuritis des Menschen, wie W i d a 1 ge¬ 
zeigt hat. 

Zu diesem allereinfachsten Bilde treten die 
anderen Zellformen hinzu. Auf die konstant 
vorkommenden Endothelien möchten wir keinen 
grossen Wert legen, da diese rein mechanisch 
von den serösen Häuten sich ablösen können. 

Wichtiger ist dagegen das Vorkommen der 
anderen Zell formen der polynucleären Neu¬ 
trophilen und Eosinophilen. 

Wir beziehen das Vorkommen zahlreicher 
Polynucleären, neutrophilen immer jauf eine 
sekundäre und aktive Einwanderung von Poly¬ 
nucleären in das primäre lymphocytenhaltige 
Transsudat. 

Dieser Vorgang kommt schon bei gewissen 
Tieren, wie wir gesehen, normal vor. Offenbar 
dadurch, dass eben durch Zerfall der im Trans¬ 
sudate vorhandenen Lymphocyten, Endothe¬ 
lien etc. Stoffe frei werden, die eme gewisse 
Anziehung auf die polynucleären Zellen aus¬ 
üben. 

Dieser Vorgang scheint regelmässig vor- 
zukommen beim Pferde und Ochs, die schon 
eine beträchtliche Zahl an Polynucleären auf¬ 
weisen. 

Massenhaft wird aber die Auswanderung 
von polynucleären Zellen dann, wenn innerhalb 
des Exsudates Bakterien vorhanden sind, die 
durch ihre Toxine die polynucleären Zellen 
anlocken. 

Wir verweisen auf die Fälle von Perito¬ 
nitis, Pleuritis, Pericarditis etc. Besonders in- 


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Heft 2. 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


31 


teressant ist der Fall von Schweineseuche, wo 
in der Peritonealflüssigkeit sich alles normal 
verhält, während die Pleural- und Pericardial- 
flüssigkeiten massenhaft Polynucleären auf¬ 
weisen. 

In derartigen Fällen konstatiert man eine 
weitgehende Alteration der polynucleären Zel¬ 
len, insbesondere Schwinden der Körnung und 
Kernzerfall, also Befunde, die auf eine* schä¬ 
digende Wirkung der Bakterientoxine zurück¬ 
zuführen sind. 

Man wird daher in den Exsudaten, in wel¬ 
chen polynucleäre Zellen vorwiegen, die An¬ 
wesenheit von Mikroben supponieren müssen. 
Ob dieselben im einzelnen Falle auf mikro¬ 
skopischem Wege nachweisbar sind, hängt von 
der Art der Krankheit ab. 

Ich erinnere nur an die Lungenseuche des 
Kindes, wo der Erreger so klein ist, dass er 
durch Filter geht und mikroskopisch nicht 
nachweisbar ist. 

Eine analoge Rolle wie die Polynucleären 
spielen die Eosinophilen. Auch hier handelt 
es sich darum, dass in das Exsudat sekundär 
die Eosinophilen einwandern. 

Sehr wichtig ist es (vergl. Ehrlich- 
Lazarus- Anämie [ 14") aber, dass die che¬ 
motaktische Reizbarkeit fundamental ver¬ 
schieden ist von derjenigen der polynucleären 
Zellen, insofern, als die gewöhnlichen Bak¬ 
terien und deren Produkte, welche gewöhnlich 
die polynucleären Zellen anlocken, die eosino¬ 
philen nicht im mindesten beeinflussen, manch¬ 
mal sogar abstossen (negative Chemotaxis). 

Aus dem Studium der lokalen Eosinophilie 
geht hervor, dass es insbesondere zwei Arten 
von Körpern sind, die die Eosinophile anlocken: 

I. gewisse Zerfallsprodukte von Zellenmaterial, 

II. gewisse Stoffe, 'die von Tieren aus der 
Klasse der Helminthen abgesondert werden. 

Auf die erste Weise sind die Eosinophilen 
zurückzuführen, die wir bei normalen Tieren 
gefunden haben. 

Dagegen kann es keinem Zweifel unter¬ 
liegen, dass die starken Eosinophilen bei 
Schafen auf Helminthen zurückzuführen sind. 
Es spricht dafür der Umstand, dass bei zwei 
normalen Schafen keine eosinophilen Zellen 
vorhanden waren, dass dagegen bei allen Tieren, 
die Leberegel hatten, Eosinophilen vorkamen 
und zwar in erhöhtem Masse, je stärker das 


Tier erkrankt war, um so stärker die Eosino¬ 
philen. 

In Rücksicht darauf, dass die eosinophilen 
Zellen des Blutes nicht erheblich vermehrt 
waren, kommen wir zu der Ansicht, dass die 
Vermehrung der Eosinophilen darauf zurück¬ 
zuführen ist, dass in das Exsudat durch eine 
Art Diffussioj^sVorgang aus der Leber resp. 
aus den oberflächlich liegenden erweiternden 
Gallenkanälen der Leber die Stoffwechselpro¬ 
dukte der Helminthen übertreten und so die 
Emigration der Eosinophilen veranlassen. Was 
das sonderbare Vorkommen von Mastzellen 
bei Ratten anbelangt, so lässt sich das auf die 
anatomischejn Verhältnisse des Tieres zurüek- 
führen. Dasselbe bildet nämlich ausserordent¬ 
lich grosse‘Mengen von Mastzellen, insbesondere 
in dem die Serosa konstituierenden Bindege¬ 
webe des Peritoneums. 

Zusammenfassung: 

Wir sehen also, dass die Untersuchung der 
Exsudate sich vollständig dem anschliesst, was 
die Untersuchung der verschiedenen Formen 
der Leukocytose ergeben hat, nämlich, dass die 
Lymphocyten nur passiv ausgeschieden wer¬ 
den, während die pj^uiucleären, eosinophilen 
Zellen etc. der verschiedenen Typen aktiv ein¬ 
wandern. 

(Schluss folgt.) 


Zur Technik der Trichinenschau. 

Von Prof6 - Cöln. 

In Heft 2 des 13. Jahrgangs der Zeitschrift 
für Fleisch- und Milchhygiene wurde von mir 
eine vom Probenehmer Trebert konstruierte 
Präparaten-Presse auf Grund einiger Versuche 
besprochen. Aus den Versuchen ergab sich, 
dass die Verwendung der Trebertschen Kom- 
pressorienpresse nicht zu empfehlen sei. 

Später (Heft 4 desselben Jahrgangs) ver¬ 
öffentlichte H. C. J. Duncker-Berlin seine 
mit der Trebertschen Presse angestellten Ver¬ 
suche, deren Resultate er als wesentlich anders 
als das meiner Versuche bezeichnete. Die Prü¬ 
fung eines mir neuerdings von anderer Seite 
zugesandten ähnlichen Instrumentes veranlasst 
mich, noch einmal kurz auf H. C. J. Dunckers 
und meine Versuche zurückzugreifen. 

Trebert fügte seinem Apparat eine Ge¬ 
brauchsanweisung bei. 'Der Zweck einer sol- 


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32 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


3. Jahrgang. 


chen besteht bekanntlich darin, jedem, der sich 
des Apparats bedient, die Handhabung anzu¬ 
geben. Da angenommen werden muss, dass auch 
jeder den Apparat der gegebenen Weisung ge¬ 
mäss gebraucht, 90 ist die Prüfung von mir 
folgerichtig nach der Gebrauchs-Anweisung 
vorgenommen worden, was in der Besprechung 
auch wiederholt hervorgehoben ist. 

Trebert gibt in dieser Anweisung aus¬ 
drücklich an: die Schraubenspindel wird soweit 
angezogen, dass sie sich bei normaler Kraft¬ 
anwendung nicht mehr drehen lässt. So und 
nicht anders, vor allem aber ohne Athleten¬ 
künste sind die Versuche von den hiesigen 
Trichinenschauern unter meiner Aufsicht und 
von mir selbst vorgenommen worden. Es sind 
von mir im ganzen 11 Versuche angestellt 
worden, deren Resultat folgendes war: 

Durch den mittelst einer Schraubenpresse 
nach Angaben 'treberts auf Fleischpräpa¬ 
rate geübten Druck wird 

1. die Uebersichtlichkeit der Präparate be¬ 
einträchtigt, da nach Aufhören des Druckes 
sich Luftblasen in und über den Präparaten 
bilden; 

2. eine nicht unwesentlich geringere Menge 
von Untersuchungsmaterial zulässig; 

3. die charakteristische Form der Trichinen 
verändert und sogar zerstört. 

H. C. J. Duncker gibt ausser zwei Ver¬ 
suchen mit nicht trichinösem Fleische drei Ver¬ 
suche mit trichinösem Fleische an. 

Bei Anwendung der Presse nach Vor¬ 
schrift von Trebert (Versuch 2, 3 und 4) fand 
H. C. J. Duncker 

I. die haferkorngrossen Fleischpräparate 
in „einander übergelaufen, so dass sie eine zu¬ 
sammenhängende Fläche bildeten 4 *; zur Ver¬ 
meidung dieses Uebelstandes hätten somit klei¬ 
nere Fleischproben verwendet werden müssen, 
deckt sich also mit No. 2 meiner Ver¬ 
suchsergebnisse; 

•iberall grössere und kleinere lufthal¬ 
tige Lücken und Bisse, sodass „in einem Ernst¬ 
fälle“ eine genaue Untersuchung auf Trichinen 
wenn nicht unmöglich, so doch sehr schwierig 
gewesen wäre“, deckt sich das picht 
mit No. 1 meiner Versuchsergeb¬ 
nisse ? 

3. „die Trichinen völlig unkenntlich ge¬ 
worden“; von 13 vor der Pressung gezählten 


Trichinen fanden sich nach derselben nur 10, 
im zweiten Falle von. 9 nur 6 Trichinen. Ist 
dieses ein wesentlich anderes Re¬ 
sultat, als das von mir unter No. 3 
angeführte ist? 

Es ist dann noch ein fünfter Versuch von 
H. C. J. Duncker angegeben, bei dem das 
Kompressorium (oder der Kompressor, aber 
nicht, wie H. C. J. Duncker sagt, das Kom¬ 
pressor) mit Proben eines alten trichinös be¬ 
fundenen amerikanischen Schinkens belegt und 
mit den Händen gepresst wurde. Weil das 
Fleisch angetrocknet und eine Anfeuchtung 
der Schnitte vermieden worden war, so gelang 
es wohl, die mehr nach den Enden zu gelegenen 
Präparate durch Anziehen der Kompressorien- 
schrauben „genügend dünn zu bekommen, die 
mittleren Präparate liessen jedoch etwas zu 
wünschen übrig 4 *. Bei der mikroskopischen 
Untersuchung wurden 6 Trichinen gefunden. 
Als die Präparate dann nochmals vorsichtig 
unter der Präparatenpresse nachgequetscht wur¬ 
den, fanden sich anstatt 6 Trichinen deren 8. 

Bei diesem Versuche nun ist einmal nicht 
angegeben, wieviel Quetschpräparate für das 
Kompressorium angefertigt wurden. Es ist 
ferner nicht angegeben, auf welchen Feldern, 
ob vorwiegend in der Mitte oder an den Enden 
des Kompressoriums die Präparate gelegen 
haben. Des weiteren ist nicht verständlich, 
warum die Proben des trockenen Fleisches nicht, 
wie dies in jedem Leitfaden der Trichinenschau 
vorgeschrieben ist, angefeuchtet worden sind. 
Schliesslich aber ist aus diesem Versuch nicht 
ersichtlich, in welchen Präparaten die zunächst 
nicht beobachteten Trichinen sich fanden. Mög¬ 
licherweise lagen diese in den nach den Enden 
des Kompressoriums zu befindlichen Quetsch¬ 
präparaten, auf welche das vorsichtige 
Pressen einen Einfluss wohl überhaupt nicht 
ausgeübt hat. Die hier von H. C. J. Duncker 
geübte Anwendung der Präparatenpresse ent¬ 
spricht nicht der von Trebert gegebenen An¬ 
weisung, so dass dem hier geschilderten Ver¬ 
such die Bedeutung eines Parallelversuchs zu 
den meinigen fehlt, umsomehr, als der Kon- 
trollversuch — Untersuchung vor der Anwen¬ 
dung der Presse — entgegen der allgemein be¬ 
stehenden Vorschrift, trockene Fleischpräparate 
mit Wasser oder einer sonstigen Flüssigkeit 
anzufeuchten, ausgeführt ist. Dieser Versuch 


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Heft 2. 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


33 


ist somit unter ganz anderen (zum Teil fehler- 1 
haften) Bedingungen ausgeführt als die mei- 
nigen. 

Da, wo H. C. J. Duncker einwandfrei und 
den Trebcrtschen Anweisungen gemäss ge¬ 
arbeitet hat, ist er, wie jedem einleuchten 
muss, zu ganz denselben, die Präparaten- 
presse nicht empfehlenden Resultaten gelangt 
wie ich. 

H. C. J. Duncker sagt dann, dass die 
Wirkung der Präparatenpresse kontrolliert 
werden muss. Nach den geschilderten Ergeb¬ 
nissen ist aber zu fordern, dass „in einem Ernst¬ 
fälle“ diese Kontrolle wiederum sachgemäss 
kontrolliert werden muss. 

In Heft 16 des 5. Jahrganges der Rund¬ 
schau auf dem Gebiete der Fleischbeschau etc. 
lässt sich auch Döbrich über den Wert der 
Trebertschen Präparatenpresse vernehmen. Er 
führt als wesentliches Moment ,an, dass 
Duncker beim Nachquetschen 8 Trichinen an¬ 
statt der vorher gezählten 6 gefunden habe. 
Er übersieht, ebenso wie H. C. J. Duncker, 
dass der Versuch unter völlig anderen Voraus¬ 
setzungen erfolgt ist als die meinigen und 
entgegen der von Trebert selbst gegebenen 
Anweisung. Er unterlässt es aber, sämtliche 
übrigen Versuche von H. C. J. Duncker an¬ 
zuführen, die zu denselben Resultaten geführt 
haben wie die meinigen. Er schlussfolgert 
dann mehr keck als richtig: Duncker ist zu 
einem von dem Profeschen wesentlich ab¬ 
weichenden Resultat gekommen. Von eigenen 1 
Versuchen schreibt Döbrich nur, dass „gewöhn¬ 
liche Druckschrift durch die Quetschpräparate 
gut lesbar war“. Hierauf scheint er den ein¬ 
zigen Wert zu legen; über sonstige Beobach¬ 
tungen verrät er nichts, stellt aber den Tre¬ 
bertschen Kompressorien das Zeugnis aus, 
dass sie „äusserst praktisch“ sind. 

Die sowohl von Duncker wie von mir 
gemachte Beobachtung, dass die in der Mitte 
der gewöhnlichen Kompressorien gelegenen 
Präparate weniger gut durchsichtig sind, als 
die an den Enden gelegenen, kann zu der An¬ 
nahme führen, dass, namentlich wo es sich um 
zähes und trockenes, konserviertes Fleisch han¬ 
delt, einzelne Trichinen — vielleicht die ein¬ 
zigen in sämtlichen Präparaten — übersehen 
werden könnten. Diesem Mangel sucht man 
bekanntlich dadurch zu begegnen, dass nach 


Festschraubung der Kompressorienschrauben 
die Gläser durch Druck mit den Händen auch 
in der Mitte stärker aneinandergepresst werden. 
Dass eine solche Pressung von seiten schwäch¬ 
licher Personen erhebliche Anstrengung erfor¬ 
dert und dennoch in nicht zweckentsprechendem 
Masse erfolgt, ist einleuchtend; ebenso dass 
sich in diesem Falle die Anwendung von be¬ 
sonderen Kompressorienpressen empfiehlt. Unter 
allen Umständen aber müssen Instrumente ver¬ 
mieden werden, deren Konstruktion „bei nor¬ 
maler Kraftanwendung“ eine Verzer¬ 
rung und Zerstörung der Trichinen ermöglicht, 
wie dies bei der Trebertschen Presse unzweifel¬ 
haft der Fall ist. 

Eine mir vor einiger Zeit von der Firma 
Otto Toepfer & Sohn, Potsdam, übersandte 
Präparatenpresse hal»e ich infolge vorstehender 
Erwägungen ebenfalls einer Prüfung unter¬ 
zogen, die ich in Folgendem kurz wieder¬ 
geben will. Das Prinzip ist im grossen und 
ganzen das selbe, nur ist eine Lösung 
modifiziert. Der eine Schenkel einer U-förmig 
gebogenen Metallplatte stellt den Boden, der 
andere, von zwei Oeffnungen durchbohrte 
Schenkel die Deckplatte der Presse dar. In den 
mit Schraubenwindungen versehenen Oeff¬ 
nungen befinden sich zwei Schraubenspindeln, 
die oben je einen runden, gekerbten Schrauben¬ 
kopf, unten je eine mit Hartgummi montierte 
Scheibe tragen. Durch Einschieben des mit 
Präparaten versehenen, gewöhnlichen (Berliner) 
Kompressoriums zwischen die beiden Platten 
und Anziehen der Schrauben mittelst der ge¬ 
kerbten Schraubenköpfe wird auf die Präpa¬ 
rate ein Druck ausgeübt. Die runden Schrauben¬ 
köpfe stellen ebenso wie die Schraubenfortsätze 
an der Trebertschen Presse einen Hebel dar. 
Ihr Durchmesser beträgt kaum die Hälfte der 
Länge des Trebertschen Schraubenhebels, so¬ 
mit ist auch der erzielte Druck bei gleicher 
Kraftanstrengung kaum halb so gross wie der 
bei der Trebertschen Presse hervorgebrachte. 
Die Scheibenform verhindert auch die Ent¬ 
faltung übermässiger Kraft besser als der ein¬ 
fache Hebel. Durch Verminderung des Schrau¬ 
benkopfdurchmessers lässt sich der bei nor¬ 
maler Kraftanwendung erzeugte Druck noch 
weiter abschwächen und experimentell auf 
eine Höhe normieren, die ein Zerquetschen der 
Muskelfibrillen und Trichinen ausschliesst. 


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34 


Fortschritte der Veterinär -Hygiene. 


Die mit der Toepferschen Presse ange- 
stellten Versuche gestalteten sich folgender- 
massen: 

Von frischem und konserviertem schwach¬ 
trichinösem Fleische wurden in 7 Versuchen je 
24 etwa haferkorngrosse Proben auf die 24 
Felder des Kompressoriums gelegt. Nach Auf¬ 
legen der oberen Glasplatte wurden die Kom- 
pressorienschrauben fest aufgeschraubt. Die 
nach den Enden zu gelegenen Präparate waren 
regelmässig durchsichtig und Hessen darunter 
befindliche gewöhnliche Druckschrift gut er¬ 
kennen. Die mittelsten 6—8 Präparate Hessen 
die gleiche Schrift nur undeutlich erkennen. 
In den Präparaten fanden sich insgesamt 15 
sehr deutliche, spiralig aufgewundene Trichinen 
in zarten Kapseln. Nachdem das Kompresso- 
rium unter normalem Kraftaufwande in der 
Presse einem Druck ausgesetzt worden war, 
wobei die Kompressorienschrauben sich nicht 
mehr fester anziehen Hessen, zeigten sich bei 
der nachfolgenden Untersuchung in einigen 
Präparaten vereinzelte Luftblasen, die vorher 
nicht beobachtet wurden. Druckschrift war 
nunmehr durch alle Präparate hindurch gut 
lesbar. Die Trichinen waren deutlich erkenn¬ 
bar, ihre Lage war gar nicht oder nur wenig 
verändert. In den übrigen Präparaten sind 
weitere Trichinen nicht nachweisbar geworden. 

Dem insbesondere bei schwächlichen Per¬ 
sonen ins Gewicht fallenden Vorteile dergleich- 
mässigen Quetschung aller Präparate desselben 
Kompressoriums stehen die wenn auch hier ] 
nur in geringerem Grade auf tretenden Nach¬ 
teile der Luftblasenbildung in den Präparaten 
und der sehr geringen Lage Veränderung 
der Trichinen gegenüber. Nachteile, die bei 
Anwendung der Presse durch schwächliche 
Personen vielleicht gar nicht mehr hervor¬ 
treten, andernfalls aber durch Reduzierung des 
Durchmessers der Schraubenköpfe behoben wer¬ 
den können. 

Mikroskope. 

Ein von derselben Firma konstruiertes Mi¬ 
kroskop „Picolo“ zeichnet sich durch hand¬ 
liche Form, geringes Gewicht (2260 g), sehr 
grossen Objekttisch und vorzügliche Linsen aus. 

Von der Firma Paul Waechter in Ber¬ 
lin-Friedenau ist ein im Sonderkatalog jals 
Mikroskop No. V a, neues Modell, bezeichnetes 
Instrument eingeführt, das ähnlich dem Zeiss- 


3. Jahrgang. 

sehen Trichinenmikroskop gebaut ist. Die Ein¬ 
stellung geschieht mittelst eines sehr genau 
gearbeiteten Prisma durch Zahntrieb. Es liefert 
bei grossem Gesichtsfelde scharfe und klare 
Bilder. 

Dieses Mikroskop hat neuerdings noch eine 
Abänderung (No. V a, Modell 1905) erfahren 
durch Konstruktion eines so grossen Objekt¬ 
tisches, dass ein Hcrunterkippeü des Kom¬ 
pressoriums absolut ausgeschlossen ist. Das 
Kompressorium liegt vollkommen sicher auf, 
auch selbst wenn sich das letzte Feld desselben 
in dem Gesichtsfeld des Mikroskops befindet. 
Der Objekttisch ist mit Hartgummi belegt, 
wodurch eine stets schwarze Objekttischfläche 
gesichert bleibt, und die Möglichkeit der Be¬ 
schädigung der Unterseite des Kompressoriums 
durch Zerkratzen und Zerschrammen bedeutend 
verringert ist. Um dem Mikroskop, insbesondere 
dem Kasten keine zu grossen Dimensionen zu 
geben, ist der Objekttisch aufsetzbar einge¬ 
richtet und zwar in einer sehr einfachen, halt¬ 
baren Konstruktion durch einfaches Aufschie¬ 
ben, ohne Schrauben oder sonstige Befestigungs¬ 
vorrichtungen. Bei den Stativen mit Schräg¬ 
stellung ist auf dem Tisch ein Anschlag ange¬ 
bracht, welcher verhindert, dass das Kom¬ 
pressorium nach hinten heruntergleitet. 

Für die ambulante Trichinenschau em¬ 
pfiehlt sich das leicht zusammenlegbare Mikro¬ 
skop No. V b. Eß ist in drei Teile zerlegbar 
und besteht aus a, dem Fuss mit umlegbarer 
Säule, Tubusträger, Führung und Trieb¬ 
schraube, b, dem Objekttisch mit Spiegel und 
Blendscheibe, c, dem Tubus mit den optischen 
Teilen. Gewicht des vollständigen Mikroskopes 
mit Etui ca. 2 kg. 

Als bemerkenswerte Neuerung findet sich 
in dem bezeichneten Sonderkatalog das Mikro¬ 
skop No. XIII a mit Patent-Objekttisch für 
zwangsläufige Führung des Kompressoriums. 

Der Tisch besteht in der Hauptsache aus 
einem Stäbchen- oder Gitterwerk, bei welchem 
zwei Kämme so ineinandergreifend fest ange¬ 
ordnet sind, dass zwischen den einzelnen 
Zähnen oder Zinken fortlaufend ein freier 
Raum von 1 inm lichter Breite bleibt. An dem 
Kompressorium befindet sich ein Führungs¬ 
stift, welcher in das erwähnte Gitterwerk ein¬ 
greift, wenn man das Kompressorium auf den 
Objekt tisch legt. Wird das Kompressorium 


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Heft 2. 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


35 


min in der üblichen [Weise verschoben, so 
können diese Bewegungen nicht mehr beliebig 
ausgeführt werden, sondern erfolgen in der 
Leitung des in das Gitter werk eingreifenden 
Führungsstiftes zwangsweise in so bestimmt 
vorgeschriebenen Bahnen, dass kein Teil des 
Objektes, bezw. des Kompressorium-Feldes 
übersehen werden kann. Abgesehen von der 
hierdurch erreichten Sicherheit der Unter¬ 
suchung, bietet dieser Objekttisch auch noch 
den Vorteil, dass die Präparate erheblich grösser 
als bisher gemacht werden und das ganze 
Kompressoriumfeld ausfüllen können. Die ein¬ 
zelnen Gesichtsfelder schliessen nicht nur hier¬ 
bei unmittelbar aneinander an, sondern es bleibt 
bei Vergrösserungen bis 60 mal in jedem fol¬ 
genden Gesichtsfeld sogar immer noch ein 
kleiner Teil des vorhergehenden sichtbar. Der 
zur Durchmusterung eines 24teiligen Kom- 
pressoriums mit dem neuen Objekttisch not¬ 
wendige Zeitaufwand soll im Höchstfälle nur 
15 Minuten betragen. 



Trichinenschau-Mikroskop Nr. XHIa mit Patent -Objekt¬ 
tisch für zwangsläufige Führung des Kompressoriums. 


Der beschriebene Objekttisch lässt sich 
auf sehr einfache Weise mittelst einer Klemm¬ 
schraube auf dem Objekttisch des Waechter- 
schen Mikroskopes No. V a oder ähnlicher Mi¬ 
kroskope befestigen, das zu ihm gehörige zwei¬ 
reihe 24 teilige Kompressorium bietet zugleich 
noch, ähnlich dein verbesserten Kompressorium 
nach Johne, den Vorteil, dass die Unterplatte 
desselben in einem Rahmen liegt, welcher 
diese vor dem Zerkratzen auf dem Objekttisch 
schützt. 


Oeffentliches Veterinärwesen. 

Stand der Tierseuchen im Deutschen Reich 
am 15. April 1905. 

Der Rotz gelangte zur Beobachtung: in 
Preussen in 15 Gemeinden und 16 Gehöften, in 
Bayern in 5 Gemeinden und 5 Gehöften, zu¬ 
sammen somit in 20 Gemeinden und 21 Ge¬ 
höften. Die Aphthenseuche wurde fest¬ 
gestellt: in Preussen in 8 Gemeinden und 9 
Gehöften, in Bayern in 5 Gemeinden und 
10 Gehöften, in Württemberg in 3 Gemeinden 
und 4 Gehöften, in Baden in einem Gehöft, 
in Hessen in 4 Gehöften einer Gemeinde und 
in Anhalt in 2 Gemeinden und 3 Gehöften, 
zusammen in 20 Gemeinden und 31 Gehöften. 
Die Schweineseuche einschliesslich der 
Schweinepest gelangte zur Anzeige: in 
1755 Gemeinden und 2274 Gehöften. 


Referate. 

Allgemeine Bakteriologie. Untersuchungs- 
methoden. 

A.Wrzosek, Experimentelle Beiträge zur 
Lehre von dem latenten Mikrobis- 
mus. Virchows Archiv, Bd. 178, Heft 1. 

Die Lehre von der unbedingten Sterilität ge¬ 
sunder Gewebe ist durch neuere Arbeiten, nach 
denen innere Organe normalerweise ständig Mi¬ 
kroben enthalten, als eine irrige erwiesen. 

Verf. prüfte die Verhältnisse nach und fand in 
Gewebsflüssigkeit aus Milz, Leber und Lunge bei 
21 Tieren nur zweimal Mikroben. Durch Verimpfung 
von aus der Tiefe entnommenen Organstückchen 
fand er in Milz bei 28 Tieren siebenmal, in Mesen¬ 
terialdrüsen neunmal bei 17 Tieren, in Lunge acht¬ 
mal bei 15 Tieren, in Bronchialdrüsen fünfmal bei 
10 Tieren, in Leiter fünfmal bei 30 Tieren Mikroben. 

Es gelang, in Reinkultur verfütterte Mikroben 
aus den Organen wirksam zu gewinnen. 

Nach Unterbindung des daritus thoracicus 
fanden sich die Mikroben äusserst selten in den 
inneren Organen. 


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36 


Fortschritte der Veterinär- Hygiene. 


3 Jahrgang. 


Somit ist als feststehend aiizusehen, dass unter 
normalen Verhältnissen Mikroben «aus dem Darm 
vorwiegend durch Vermittlung des daritus thora- 
cicus in die inneren Organe gelangen können. Wird 
hier z. B. durch Trauma ein locus minoris resi- 
stienciae geschaffen, so kann es zur Entstehung 
eines Infektionsherdes kommen, was gewöhnlich 
und im intakten Gcwel>c waJirscheinlich durch die 
Wirkung der Phagozyten verhindert wird. 

Profö. 

L. Detre und J. Hellei, Budapest. Uober die 
hämolytische WirkungdesSublimats. 
Mathem. 6s Term6szettudomänyi lOrtesitö. 1904. 
No. 3. — Orvosi Hetilap. 1904. 41 — 46. 

Das Sublimat gehört zu den „Rot-Blutkörperchen- 
Giften“, indem seine Lösungen in gewisser Konzen¬ 
tration nach den Ergebnissen D e t r e s und S e 11 e i s 
Untersuchungen, Hämolyse erzeugen. Zu starke Lö¬ 
sungen fixieren die Blutkörperchen ; zu schwache 
Lösungen vermögen sie nicht oder kaum zu lösen. 
Zwischen den beiden Extremen liegt die, Lösungs¬ 
zone“ des Sublimats. Die Stärke der Lö¬ 
sung ist der Zeit und dem Temperaturgrad pro- 
portioneli. Bei gleicher Zeit und Temperatur ist die 
Wirkung innerhalb der Lösungszone mit der Kon¬ 
zentration der Lösung proportionell. 

Der Blutlösung geht eine latente Zone voran 
welche mit der Temperatur und der Konzentration 
in verkehrtem Verhältnisse steht. Die Grenztitre 
normaler Individuen sind fast gleiche. Für ihres 
Blutserums beraubte rote Blutkörperchen liegt die 
Lösungstitre des Sublimats niedriger, als beim nativen 
Blute, weil das Serum eine Schutzwirkung gegen¬ 
über dem Gifte ausübt. Das Serum schützt auf 
quantitativ nachweisbare Weise die roten Blutkörper¬ 
chen; zur Paralysierung grösserer Giftmengen sind 
grössere Serummengen notwendig. 

Die Schutzwirkung des Serums ist stark thermo¬ 
stabil, sie geht erst nach Erhitzung auf 80° verloren. 
Behandlung mit Aether oder Chloroform beraubt das 
Serum seiner Schutzwirkung. Das ätherische Ex¬ 
trakt gewinnt Schutzwirkung. Die schutzwirkenden 
Agentien des Serums sind also in Aether und Chloro¬ 
form löslich. 

Die Lösung der Blutkörperchen ähnelt der Lö¬ 
sung des Serums, nur ist die Schutzwirkung eine 
viel grössere. Im Innern der Blutkörperchen finden 
sich ebenfalls sublimatbindonde „Lipoid M -Substanzen, 
denen in der Wirkungsvermittelung des Giftes eine 
Rolle zukommt. Diese Annahme ist um so wahr¬ 
scheinlicher, als die Schutzfähigkeit des Blutsaftes 
also eine Fähigkeit, Sublimat zu binden, im grossen 
und ganzen der Empfindlichkeit der Blutzelle pro¬ 
portioneil ist. 

Die mit einer ätherischen oder Chloroformlösung 
von Lezithin zusammengeschüttelte Sublimatlösung 
verliert einen Teil ihrer blutvergiftenden Wirkung: 
das verschwundene Sublimat tritt mit dem Lezithin 
in Verbindung, wobei sich vielleicht sogar eine 
chemische Verbindung herstellt. Wenn man die 
grosse Affinität des Lezithins an das Sublimat, an¬ 


dererseits den Umstand bedenkt, dass das in jeder 
lobenden Zelle vorhandene Lezithin einen grossen 
Teil der Lipoide ausmacht, können sich die Autoren 
der Annahme nicht verscldiessen, dass die hämoly¬ 
tische Wirkung des Sublimats auch in der lebenden 
Zelle durch die Lezithingruppe vermittelt wird. 

Zimmermann. 

H. Stölting. Ueber Lebensfähigkeit der 
mit kleinsten Tröpfchen versprüh¬ 
ten Bakterien. (Dissert. Göttingen. Ref. im 
Ctbl. f. Bakt. B. 3G, 8 u. 9.) 

Die in kleinsten Tröpfchen versprühten Bak¬ 
teriell sterben im allgemeinen überraschend schnell 
ab. Es haben darauf verschiedene physika¬ 
lische Bedingungen Einfluss. Im diffusen Tages¬ 
licht erlischt die Keimfähigkeit erheblich schneller 
als im Dunklen, doch machen geringere Hellig¬ 
keitsdifferenzen nicht viel aus. Von Bedeutung 
ist auch die Oberfläche der Gegenstände, auf denen 
sich die bakterienbeladenen Tröpfchen nieder¬ 
lassen. Ist dieselbe rauh, wie bei Geweben (Fla¬ 
nell, Leinwand), so vermögen die Bakterien viel 
länger den schädlichen äussern Einflüssen zu wider¬ 
stehen, als wenn sie glatt sind wie bei Holz und 
Glas. Naheliegend ist der Gedanke, dass bei rauher 
Oberfläche einzelne Bakterien in der Tiefe Schutz 
finden. So wurden häufig die letzten entwickelten 
Kolonien tief in den Proben sitzend gefunden. Bei 
niedrigen Wärmegraden (wenige Grade über dem 
Nullpunkt) blieben die Keime wesentlich länger 
am Leben als bei Zimmertemperatur oder Blut¬ 
wärme. Der Feuchtigkeitsgrad der Luft scheint 
nur geringen Einfluss auszuüben. 

Wie dieses Verhalten der Bakterien zu erklären 
ist, ist noch nicht sicher. Man kann daran den¬ 
ken, dass im Tageslicht direkt schädlich wirkende 
Strahlen vorhanden sind. Aber auch die sorgfältig 
vor lacht geschützten Keime zeigten eine recht 
beschränkte Lebensdauer. Austrocknung kommt 
kaum in Frage, denn die Differenz der Lebens¬ 
dauer zwischen den in feuchter oder trockener 
Kammer auf bewahrten Bakterien war sehr gering, 
ausserdem ist bekannt, dass man an Seidenfäden 
angetrocknete Kulturen lange Zeit entwicklungs¬ 
fähig halten kann. Deutlich war der Einfluss der 
Aussentemperatur. Steigende Temperatur verkürzt 
die Entwicklungsfähigkeit. Vielleicht sind dabei 
chemische Vorgänge im Spiel. Die Stoffwechsel¬ 
vorgänge, die in jeder lebenden Substanz sich fort¬ 
während abspielen, werden ja auch mit steigen¬ 
der Erwärmung reger und müssen entweder zu 
einer Selbstvergiftung oder zum Verhungern füh¬ 
ren. Ebenso steigert ja auch das Licht den Stoff¬ 
wechsel, kann also auch nach dieser Richtung 
einen Einfluss ausüben. Jacob. 

K. Bodon, Budapest. Untersuchungen über 
die molekulare Konzentration der 
pathologischen Flüssigkeiten. Math. 
6s Termöszettudomanvi Ertesitö. 1904. No. 3. 

B o d o n hat unter Leitung des Prof. T a n g 1 
an Exsiftiaten und Transsudaten Untersuchungen 


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Heft 2. 


Fortschritte der V 


über deren molekulare Konzentration vorgenommen. 
Bestimmt wurde in 17 Fällen der Gefrierpunkt, das 
spezifische Gewicht, die elektrische Leitungsfiihigkeit, 
der Hydroxyliongehalt auf elektrometrischem Wege, 
die Menge der Trockensubstanz, der Asche, der Ei- 
weisse, Fette und des Chlors, sowie die Menge des 
titrierbaren Alkalis. Die Ergebnisse dieser Unter¬ 
suchungen sind folgende: 

Die Exsudate haben den bisherigen Daten ent¬ 
sprechend ein höheres spezifisches Gewicht und ent¬ 
halten mehr Trockensubstanz und Eiweiss, als die 
Transsudate. Aus dem höheren spezifischen Gewicht 
kann man nicht immer darauf schliessen, dass die 
Menge der Trockensubstanz oder des Eiweiss eine 
höhere sei. 

Bezüglich des Gefrierpunktes ist zwischen Ex¬ 
sudaten und Transsudaten ein nachweisbarer, be¬ 
ständigerer, grössererUnterschied nicht vorhanden, ob¬ 
zwar im Allgemeinen der Gefrierpunkt der Exsudate 
etwas höher liegt als bei den Transsudaten, d. h. also, 
die Konzentration der Exsudate ist etwas kleiner, 
als die der Transsudate. Sowohl bei den Exsudaten, 
als auch bei den Transsudaten entspricht die mole¬ 
kulare Konzentration grösstenteils dem Werte des 
normalen Blutserums. Die in der Konzentration auf¬ 
tretenden Schwankungen sind hauptsächlich durch 
die wechselnde Konzentration der Nicht-Elektrolyten 
erzeugt, während die Elektrolyten, also im grossen 
und ganzen die nichtorganischen Körper, in sämt¬ 
lichen Flüssigkeiten in fast gleicher Konzentration 
vorhanden sind. 

Der Aschengehalt ist auch hier keine verlässliche 
Quelle für die Bestimmung des Gehaltes an Elektro¬ 
lyten. Der Hydroxyliongehalt der Exsudate und 
Transsudate ist fast dem Hydroxyliongehalt des 
destillierten Wassers gleich, das heisst, dieselben 
sind neutral, wie das 'Blutserum, trotzem sie titrier¬ 
bares Alkali enthalten. Zwischen dem Hydroxvlion- 
gehalte und der Menge des titrierbaren Alkalis be¬ 
steht kein fixes Verhältnis. Zimmermann. 

Caporali u. Kizzacasa. Die Organe als Nähr¬ 
medien für Mikroorganismen. (Giorn. 
intern, d. scienze med. 1904. 

Die Verf. hatten sich zur Aufgabe gestellt, die 
verschiedenen Organe ausfindig zu machen, die 
sich zur Züchtung von Keimen eignen. Die weit¬ 
gehenden Untersuchungen brachten sie zu nach¬ 
folgenden Schlüssen: Im allgemeinen werden die 
mit den verschiedenen Organgeweben verfertigten 
und in Dosen von 1—1,5 ccm per Kilogramm in 
Meerschweinchen injizierten, sterilen Bouillons von 
diesen Tieren ohne grossen Schaden vertragen. 

Milzbrand und Diphtheriebacillen entwickeln 
sich auf dem Ganglionparenchven, ohne aber die¬ 
selbe Virulenz zu erreichen wie in gewöhnlicher 
Fleischbrühe. Die in der Ganglionsubstanz-Bouillon 
gezüchteten Bakterien bleiben endlich absolut un¬ 
schädlich, wenn sie Kaninchen, und zwar in den¬ 
selben Dosen, injiziert werden, die bei den Kon- 
trollversuchen zum Tode führten. i 

Knochenmarkbouillon ist ein ziemlich günsti¬ 


e t e r i n ä r - II y g i e n e. 37 

ger Nährboden für Diphthericbacillen, weniger gut 
für Milzbrand. Die Milz ist für das Gedeihen des 
Milzbrandbacillus ein sehr guter Nährboden, viel 
besser als die gewöhnliche Bouillon. Doch ist diese 
Milzgewebebouillon für Diphthericbacillen nicht 
ebenso förderlich. Die in Thymusbouillon ent¬ 
wickelten Bakterien sind nicht virulent. Leber¬ 
substanz ist für Milzbrand ein schlechter für 
Diphtheriebacillen ein guter Nährboden, ebenso ist 
es bei der Lungenbouillon. Ungeeignet als Nähr¬ 
boden ist im Vergleich zur gewöhnlichen Bouillon 
die mit Nervensubstanz verfertigte. Die Gehirn¬ 
substanz dagegen ist ein ausgezeichneter Nähr¬ 
boden, in dem besonders der Diphtheriebacillus 
besser gedeiht als in den andern Bouillons. Schild¬ 
drüse und Nebennieren sind ungünstige Nähr¬ 
böden. 

Diese Ergebnisse bestätigen in einfacher Weise 
ein pathologisches Prinzip, dem auch die Klinik 
zugestimmt hat, dass nämlich ein Mikroorganis¬ 
mus sich in dem einen Organ besser züchten lässt 
als in dem andern, und zwar infolge verschiedener, 
bestimmter chemischer Substanzen, die im einen 
Fall die Lebensfähigkeit der Bakterien begün¬ 
stigen, in andern dagegen dieselbe hemmen. 

Jacob. 

A. Carini. Kuhpockenlymphe und Teta¬ 
nus. Centralbl. f. Bakt. 37, 1. 

In einigen Orten der Vereinigten Staaten traten 
in den letzten Jahren, speziell im Herbst 1901, 
mehrere Fälle von Tetanus nach Impfung auf und 
wurden auch teilweise veröffentlicht (Wilson, Find¬ 
lay u. a ). Mac Farland hat 14 derartige Beobach¬ 
tungen in der Literatur und 81 noch unbeschriebene 
Fälle zusammengestellt, von denen drei aus Europa 
stammen und hat die Frage nach allen Richtungen 
untersucht. Er kam zu dem Resultat, dass die 
in diesen Fällen verwendete Lymphe Tetanus¬ 
bacillen enthalten habe und diese Ansicht wurde 
entgegen der der Commission of the Cambden Board 
of Health, die zum Studium der Angelegenheit ein¬ 
gesetzt worden war, von Wilson bestätigt, dem 
es gelang, Tetanusbacillen in der Lymphe nach¬ 
zuweisen. 

Zur weiteren Klärung der Frage hat Verf. Ver¬ 
suche angestellt und in über 400 Einzelversuchen 
mit 50 verschiedenen Lymphproben, fünfmal Teta- 
nusbacillen nach weisen können. Es geht aus diesem 
Befunde hervor, dass die Tetanusbacillen zu der 
normalen Bakterienflora der Lymphe zu rechnen 
sind, dass sie aber nur selten und in sehr ge¬ 
ringer Zahl in dieser Vorkommen. Sie setzen der 
Einwirkung des Glyzerins eine grössere Widerstands¬ 
kraft entgegen als die anderen Bakterien der 
Lymphe. 

Die Anwesenheit einer so geringen Anzahl von 
Tetanussporen in der Lymphe bildet wohl keine 
erhebliche Gefahr, sonst hätten bei der grossen 
Ausdehnung der Vakzination mehr Tetanusfälle zur 
Beobachtung kommen müssen. So haben auch 
einige der zu den Versuchen verwendeten Lymph- 


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38 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


3. Jahrgang. 


arten, in denen Tetanussporen nachgewiesen wurden, 
zu tausenden von Impfungen gedient, ohne dass 
Komplikationen aufgetreten wären. 

Es kann aber infolge ungenügender Reinlichkeit 
die Menge der Tetanuskeime grösser werden und 
die Anwendung solcher Lymphe Gefahren mit sich 
bringen. Es ist daher geboten, die Impfungen mit¬ 
telst oberflächlicher Skarifikation vorzunehmen und 
nicht mit Stichen, da durch letztere den in der Vak¬ 
zine eventuell enthaltenen Tetanuskeimen, die zu 
ihrer Entwicklung günstigen Bedingungen der An- 
aerobiose geschaffen werden können. Aus demselben 
Grunde darf ein festanliegender Verband, der den 
Luftzutritt verhindern würde, nicht angelegt 
werden. Für die Lymphgewinnungsanstalten wird 
es angebracht sein, vor Abgabe einer Lymphe sich 
vermittelst des vom Verf. angegebenen Verfahrens 
zu vergewissern, dass dieselbe keine Tetanuskeime 
enthält, eine Vorsichtsmassregel, die im Berner 
Institut stets beobachtet wird. Jacob. 

S. Carl. Zur Milzbranddiagnose. (Deut¬ 
sche tierärztl. Woehenschr., 1904, No. 29, 30, 
31, 32.) 

Verfasser hat sich bemüht anstelle des Plat¬ 
tenkultusverfahren einen anderen Modus zur Siche¬ 
rung der Milzbranddiagnose ausfindig zu machen. 

Er ging dabei von der Tatsache aus, dass die 
sogenannten Kadaverbacillen, wenn nicht aus¬ 
schliesslich, so doch sicher in überwiegender Menge 
anaerober Natur sind, und dass ein aseptisch ent¬ 
nommener Ausstrich auf schiefem Agar vorhandene 
Milzbrandbacillen, falls sie noch nicht zu Grunde 
gegangen sind, allein auskeimen lassen wird, der¬ 
art, dass ihre Kolonien makro- und mikroskopisch 
zu identifizieren sein werden. 

Tatsächlich kam Carl bei seinen im Original 
nachzulesenden Versuchen zu folgendem Ergebnis: 

Ein aus einer peripheren Körpervene aseptisch 
entnommener, auf ein Röhrchen mit schiefem zwei- 
prozentigem Glycerinagar übertragener Blutaus¬ 
strich, bei einer Temperatur von durchschnittlich 
30 0 C. aufbewahrt, lässt die vorhandenen Milz¬ 
brandbacillen innerhalb 14—22 Stunden zur sicht¬ 
baren Kulturentwicklung kommen, und zwar ent¬ 
weder in Reinkultur, oder unter gleichzeitigem Auf¬ 
gehen von so wenig andersartigen Keimen, dass die 
Beobachtung und Differenzierung des gesuchten 
Krankheitserregers nicht gestört wird. Dies trifft 
auch zu für Kadaver, welche mehrere Tage Tem¬ 
peraturen von 26—32° ausgesetzt waren. 

Carl hält hiernach dafür, dass das etwas um¬ 
ständliche Plattenverfahren — aseptische Blutent¬ 
nahme aus dem Kadaver vorausgesetzt — umgangen 
werden kann und glaubt, dass sein Verfahren wegen 
seiner Einfachheit in der Praxis ohne Schwierigkeit 
durchführbar ist. 

Die Glycerinagarröhrchen seien leicht aus bak¬ 
teriologischen Instituten zu beschaffen, nicht teuer 
und durch Aufbewahren im Keller längere Zeit 
gebrauchsfertig zu halten. Es sollen jedoch nur 
Röhren mit wenig Kondens wasser Verwendung 


finden. Dem Zerbrechen der geimpften Röhren lasse 
sich dadurch Vorbeugen, dass man dieselben in 
einem Etui von dünnem Blech in der Tasche trage. 

Wichtig sei die Art der Entnahme von Blut 
aus dem Kadaver. Ziemlich leicht gelinge es, aus 
den Ohrgefässen steriles oder nahezu steriles Blut 
zu erhalten, wenn man das Ohr mit einem — im 
Freien mit Hilfe von Hartspiritus — erhitzten 
Messer quer abschneidet, die ersten hervorquellen¬ 
den Tropfen abfallen lässt und den Ohrrest in der 
Hand mit der Schnittfläche stets nach unten hält. 
Auch die beim Abhäuten des Kadavers hervortreten¬ 
den Hautgefässe könnten zur Blutgewinnung be¬ 
nutzt werden. 

Durch das gleichzeitige Wachstum anders¬ 
artiger Kolonien wird die kulturelle Milzbrand- 
Diagnose, abgesehen davon, dass diese Beimengun¬ 
gen nicht häufig sind, nicht erschwert. Es wachsen 
höchstens 10—20 fremde Kolonien, die, wenn die 
Oese Blut gut auf der ganzen Agarfläche verteilt 
wird, Platz genug auf derselben haben. Der Sicher¬ 
heit wegen kann man 3—4 Röhrchen gleichzeitig 
besäen; nur bei ganz frischen Milzbrandfällen wür¬ 
den 2 genügen. 

Bei durchfallendem Licht lassen sich die un¬ 
regelmässigen, im Innern granulierten Milzbrand¬ 
kolonien sehr leicht von den bräunlich-gelb durch¬ 
scheinenden, kreisrunden, fremden Ursprungs unter¬ 
scheiden, bei fünfzigfacher Vergrösserung wird der 
Unterschied noch auffälliger. 

Differentialdiagnostisch können in Betracht 
kommen, ausser Kadaverbakterien, solche aus der 
Gruppe der Heubakterien und der von Käsewurm 
beschriebene Pseudomilzbrand baoillus; die Heu¬ 
bakterien sind beweglich, der letztere entfaltet ein 
ausserordentlich schnelles Wachstum. 

Die Herstellung der für die Züchtung des 
Anthrax notwendigen höheren Temperatur bietet 
nach Carl auch da, wo ein Brutofen fehlt, keine 
sonderlichen Schwierigkeiten. 

Carl benutzte hierzu mit Erfolg den Gasofen 
oder einen sogenannten Dauerbrenner (Amerikaner 
oder Irischer Ofen), in deren Nahe die Kul¬ 
turen deponiert wurden. 

Im Sommer eignen sich als Wärmequellen die 
Speicherräumlichkeiten unter den Dächern des 
Hauses, sowie der Herd in der Küche. Schliesslich 
lässt sich auch die Körperwärme ausnutzen in der 
Weise, dass man das Metalletui mit den Nähr¬ 
böden in der hinten in der Hose befindlichen 
Tasche unterbringt. Bei all diesen aushilfsweisen 
Wärmequellen muss man mit einer kleinen Ver¬ 
zögerung der Kolonienbildung rechnen. 

Endlich kommt der Verfasser noch auf die 
Versendung der Blutproben zur bakteriologischen 
Nachprüfung zu sprechen und schlägt vor, die 
Milzbrandbacillen gewissermassen in situ zu ver¬ 
senden. 

Das sei dadurch leicht zu erreichen, dass man 
ein Ohr am Grunde mit einer elastischen Ligatur, 
im Notfälle* mit einem Bindfaden, straff abschnüre, 


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Heft 2. 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


39 


kopfwärts abschneide und in Pergament verpackt 
versende. Wenn dieses Absclinüren des Ohres bei 
Verdacht auf Milzbrand durch zuverlässige Per¬ 
sonen (Fleischbeschauer, Abdecker) kurz nach dem 
Tode der Tiere vorgenommen werde, so wäre da¬ 
durch eine Einwanderung von Kadaverbacillen, 
welche ja die Lebensfähigkeit des Anthraxerrcgers 
so sehr beeinträchtigen, so gut wie ausgeschlossen 
und der kulturelle und mikroskopische Nachweis 
des Milzbrandbacillus bedeutend erleichtert. 

Francke. 

Henke und Zeller. Aceton - Paraffin - 
Schnelleinbettung. Centralbl. f. allgem. 
Pathologie u. patliolog. Anatomie, 16. Bd., No. 1, 
1905. 

Das Bestreben der mikroskopischen Technik 
gellt seit längerer Zeit dahin, ein Verfahren aus- 
zuarbeiten, nach dem sich die Anfertigung von 
Paraffinschnitten in möglichst kurzer Zeit ermög¬ 
lichen lässt. Von solchen Methoden ist nament¬ 
lich die Lubarsclische bekannt geworden. 

Das vorliegende Verfahren gründet sich einer¬ 
seits auf die Eigenschaft des Acetons, Wasser an¬ 
zuziehen und Eiweisskörper zu fallen, d. h. zu 
fixieren, und andererseits sich in Paraffin zu lösen. 

Der Einbettungsmodus selbst ist folgender: 

Die frischen Gewebsstückchen kommen in ein 
Gefäss mit reinem Aceton (ca. 25faches Volumen) 
und verbleiben hier je nach der Grösse i/ 2 —1i/ 2 
Stunden. Die letztere Zeit gilt für Stücke von etwa 
1 cm Durchmesser. Das Fixiermittei kann noch¬ 
mals benutzt werden, wenn ihm das Wasser durch 
geglühtes Kupfersulfat wieder entzogen worden ist. 

Nach vollendeter Härtung kommen die Ge- 
webspartikel direkt in flüssiges Paraffin von 
52—56° C. Da der Siedepunkt des Acetons bei 
50° liegt, so verdunstet bei dieser Temperatur der 
grösste Teil desselben, und infolgedessen kann das 
Paraffin sehr schnell das Gewebe durchdringen. 
Dazu sind y*—11/ 2 Stunden notwendig. 

Die von solchen Präparaten hergestellten 
Schnitte lassen sich genau so behandeln wie die 
nach anderen Methoden gewonnenen. Die Färb¬ 
barkeit ist eine sehr gute. 

Nach den Autoren ist das vorliegende Ver¬ 
fahren deshalb so einfach, weil der häufige (5 fache) 
Wechsel der Medien, wie er bei der Luburschschen 
Methode notwendig ist, wegfällt. Ausserdem 
sprechen noch Gründe der Geldersparnis dafür, da 
1 kg Aceton nur 1,25 Mark kostet. 

Referent hat die vorstehend geschilderte Me¬ 
thode selbst praktisch geprüft und kann dieselbe 
wegen ihrer Einfachheit und Leistungsfähigkeit 
durchaus empfehlen. Nur ist es notwendig, die 
Präparate zur richtigen Zeit aus dem Aceton zu 
nehmen, und ebenso dieselben nicht mehr wie not¬ 
wendig in Paraffin verweilen zu lassen, da sonst 
leicht eine zu starke Schrumpfung eintritt. 

Im Gegensatz zur Humanmedizin sind in un¬ 
serer Wissenschaft Schnelldiagnosen weit weniger 
notwendig. Ich möchte daher für unsere Zwecke 


eine von mir selbst erprobte Modifikation des 
obigen Verfahrens Vorschlägen, die zwar etwas mehr 
Zeit beansprucht wie die Originalmethode, aber 
immer noch einfacher ist, wie die seither übliche 
Art der Paraffineinbettung. 

Die zu schneidenden Ge webspar tikel werden 
zunächst in 5 °/o Formalin gehärtet, sodann einige 
Stunden in fliessendem Wasser ausgewaschen, mit 
Fliesspapier abgetrocknet, und auf je 6—12 St. 
(je nach der Grösse) in zwei mit Aceton gefüllte 
Gläser gebracht, auf deren Boden sich wasserfreies 
Kupfervitriol befindet. Vom zweiten Glas kom¬ 
men die Präparate direkt in das flüssige Paraffin 
von 52—56°. 

Auf diese Weise findet fast gar keine 
Schrumpfung statt. Die Weiterbehandlung ist die¬ 
selbe wie bei dem seitherigen Verfahren. 

Noch bessere Resultate erzielt man bei An¬ 
wendung der Zenkersclien Flüssigkeit + 10 o/o 
Formol. Nur ist die Anwendung dieses Fixations¬ 
mittels etwas umständlicher, weil die Organteile 
wie bekannt in Alkohol unter Zusatz von etwas 
Jodlösung nachgehärtet werden müssen. Von hin¬ 
aus kommen sie behufs Entfernung des Alkohols 
in Wasser und aus diesem in das Aceton. Carl. 


Immunität und Schutzimpfung. 

L. Zupuck. Ueber gattungsspezifische 
Immunitätsreaktionen. (Ztschft. für 
Hygiene und Infektkr. B. 49, 3.) 

Am Schlüsse seiner ausgedehnten Arbeit, deren 
Einzelversuche und -ergebnisse im Original nach- 
zuleeen sind, kommt Verf. zu folgenden Resultaten, 
die seine experimentellen Untersuchungen gezei¬ 
tigt haben: 

I. Die Grundlage für ein natürliches System 
der Bakterien, so dass die heute so zahlreichen 
Bakterienarten nach gründlicher Durcharbeitung in 
allen erforderlichen Richtungen in einer erstaun¬ 
lich geringen Anzahl von Gattungen Platz finden. 

II. Das ätiologische Korrelationsgesetz und in 
der Folge ein natürliches System der Infektions¬ 
krankheiten. 

III. Die aus dem ätiologischen Korrelations¬ 
gesetz notwendigerweise erwachsende Erkenntnis, 
dass differente, klinisch und anatomisch einander 
nahestehende Krankheiten suigeneris von heute 
unbekannter Aetiologie zu Erregern gattungsver¬ 
wandte Mikroorganismen haben werden. So glaubt 
Verf. Voraussagen zu dürfen, dass die Erreger der 
akuten Exantheme untereinander gattungsverwandt 
sein werden. 

IV. Eine prinzipielle Aenderung unserer ätio¬ 
logischen Anschauungen, indem es nun feststeht, 
dass klinisch und anatomisch völlig einheitliche 
Infektionskrankheiten mehrere artverschiedene und 
gattungs verwandte Bakterien zu Erregern haben 
können. An Stelle des menschlichen. Abdominal¬ 
typhus ist eine Reihe verschiedenartiger typhoider 
Erkrankungen getreten. Die epidemische Dysen- 


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40 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


3. Jahrgang. 


terie wird sicherlich durch verschiedene Arten der 
Shiga-Kruseschen Gattung erzeugt; ähnlich dürfte 
es sich auch mit der Aetiologie der Schweinepest 
verhalten und der der asiatischen Cholera. Kolle 
und Gotschlich haben bei einer Anzahl klinisch 
unzweifelhafter, zum Teil letaler Fälle keine Kocli- 
schen, dagegen andere Vibrionen gefunden. Yerf. 
hält es für wahrscheinlicher, dass diese Vibrionen 
ohne jegliche Beteiligung der Kochschen Vibrionen 
die Cholera erzeugt haben, gemäss dem ätiolo¬ 
gischen Korrelationsgesetz“. Ausserdem können am 
Zustandekommen einer und derselben Epidemie der 
nämlichen Infektionskrankheit verschiedene gat¬ 
tungsverwandte Baktcrienarten zugleich beteiligt 
sein. 

V. Die Tatsache, dass sämtliche, heute be¬ 
kannten Immunitätsreaktionen nicht art- sondern 
gattungsspezifische sind. 

V. Eine bedeutende Vereinfachung der theo¬ 
retischen Vorstellungen über den Bau der Toxine, 
der agglutinogenen und präzipitogenen Substanzen. 
Die vielen, bei jeder Art in einer andern spezi¬ 
fischen Weise beschaffenen haptophoren Apparate 
Ehrlichs können durch eine geringe Anzahl von 
qualitativ gleichgebauten, gat tungsspezifischen, er¬ 
setzt werden. 

VII. Eine neue Grundlage für eine spezifische 
Therapie der Infektionskrankheiten. Hier lehnen 
sich die Anschauungen des Verf. direkt an die 
Ehrlichsche Seitenkettentheorie und die Ehrlich- 
schen Ermittlungen über den Bau der bakteriellen 
Gifte an. Auf Grund seiner Untersuchungen glaubt 
Verf. annehmen zu dürfen, dass die haptophore 
Gruppe von Toxinen einzelner gattungsverwandter 
Arten gleichgebaut ist. Wechselnd gestaltet sich 
bei einzelnen Arten die Zahl dieser gleichwertigen 
haptophoren und ferner der Gehalt an toxophoren 
Gruppen. Für Immunisierungs- und Heilzwecke 
müssen demnach am meisten jene Arten einer 
Gattung geeignet erscheinen, deren ,,Giftmolekül“ 
eine möglichst grosse Anzahl von haptophoren 
Gruppen besitzt und welche für die zu immuni¬ 
sierende Tierspezies die geringste Giftigkeit be¬ 
sitzen. Das Grundprinzip der gattungsspezifischen 
Therapie besteht somit in Behandlung von Infek¬ 
tionskrankheiten durch heterogene, jedoch der 
krankheitserregenden gattungsverwandte, für die 
betreffende Tierspezies unschädliche Arten. 

Jacob. 

Tizzoni und Panichi, Ueber die Zerstörung 
des Fränkelschen Pneumokokkus im 
Blute immunisierter und hyper- 
vaccinierter Tiere. (Ref. im Centralblatt' 
f. Bakt., 36, 1—3.) , 

Verfasser kommen zu folgenden allgemeinen 
Resultaten: 

1. Die völlige Zerstörung des Fränkelschen 
Pneumokokkus im Blute der immunisierten oder 
hypervaccinierten Tiere erfordert eine sehr lange 
Zeit, einige Monate, was bis jetzt für keinen anderen 1 
Krankheitserreger bekannt ist. 


2. Keinen Einfluss üben auf eine derartige 
Zerstörung die Qualität des Serums (homogenes, 
heterogenes) und der Grad der Immunität (voll¬ 
kommene, unvollkommene) aus. 

3. Die Erscheinungen, die man bei der unvoll¬ 
kommenen Immunität beobachtet (Fieber, nervöse 
Symptome, Abmagerung(, stehen in keiner Bezie¬ 
hung zu einer rascheren Zerstörung der Keime, 
aber hängen wahrscheinlich von einer ungenügen¬ 
den Neutralisation der primären oder sekundären 
Gifte ab. 

4. Dagegen beeinflusst die Tierspezies merk¬ 
lich die Zeit einer derartigen Zerstörung; sie ist 
viel länger bei Tieren, die für den Fränkelschen 
Pneumokokkus sehr empfänglich sind (Kaninchen), 
kürzer bei denen, die resistenter sind (Schaf, Esel). 

5. Die Quantität des injizierten Serums oder 
der Grad der mittelst Hypervaccination erteilten 
Immunität üben keinen Einfluss auf die dem Kreis¬ 
lauf einverleibten Keime aus. 

6. Dagegen steht die Zeit einer derartigen 
Zerstörung in Beziehung zu der Menge des zu zer¬ 
störenden Virus, sowohl desjenigen, das direkt 
in den Kreislauf eingetreten ist, als auch des¬ 
jenigen, das indirekt in das Blut gelangen kann, 
dadurch, dass aus sekundären Lokalisationen Ma¬ 
terial resorbiert wird. 

7. Die Verstärkungssinjektionen, die mit massig 
gesteigerten und gelegentlich geprüften Virusdosen 
gemacht wurden, vermehrten schliesslich die zer¬ 
störende Wirkung des Blutes auf den Fränkelschen 
Pneumokokkus, indem sie in einem gewiäsen Augen¬ 
blick die Zeit abkürzten, in welcher man eine voll¬ 
kommene Verarbeitung des eingeführten Virus oder 
eine vollkommene Sterilität desselben Blutes er¬ 
reicht. 

8. Das Maximum des Immunisierungswertes 
des von den hyperaccinierten erhaltenen Serums 
fällt wahrscheinlich mit der kürzesten Zeit (10 bis 
15 Tage) zusammen, die für die völlige Zerstörung 
und Verarbeitung der grössten injizierten Virus¬ 
dosis erforderlich ist. 

9. Die im Blute vorhandenen Keime finden 
sich sowohl im Blutkuchen, als auch in dem von 
ihm getrennten klaren Serum wieder. 

10. Um sicher derartige Keime im Blute nach- 
zuweisen, ist nötig, dass dieses rasch ausreichend 
mit Bouillon verdünnt wird. 

11. Die aus dem Blute immunissierter oder 

hypervaccinierter Tiere erhaltenen Kulturen stellen 
Veränderungen in ihren mikroskopisschen und kul¬ 
turellen Charakteren dar und haben vollkommen 
ihre pathogene und vaccinierende Wirkung ver¬ 
loren. Jacob. 

E. Semmer. Ueber Heilbarkeit des Rotzes 
und der Tuberkulose und über Im¬ 
munität gegen diese Krankheiten. 
OesteiT. Monatsschr. f. Tierheilk. Mai 1904. 

Im Mai des Jahres 1886 wurde am Dorpater 
Veterinärinstitut ein halbjähriges Stutfüllen mit 
Milzemulsion von einem an Impfrotz gefallenen 


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Heft 2. 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


41 


Meerschweinchen in Nasenschleimhaut nnd Schul¬ 
terunterhaut geimpft. Es entstanden Rotzgeschwüre 
an den Impfstellen, Rotzknötchen und Geschwür- 
chen auf der Nasenschleimhaut, starker Nasenaus¬ 
fluss, Schwellung der Kehlgangslymphdrüsen und 
Husten. Mit dem von dem Füllen entnommenen 
Material geimpfte Meerschweinchen fielen an Rotz. 
Das Füllen zeigte sich bis Ende August typisch 
rotzkrank, dann aber trat plötzlich Besserung ein. 
Ende September sistierte der Nasenausfluss voll¬ 
kommen, die Nasenschleimhaut war normal ge¬ 
worden, an Stelle der Geschwüre fanden sich 
Narben. Auch die Ilautgeschwüre waren verheilt. 
Mit Nasenschleim geimpfte Hunde und Meer¬ 
schweinchen erkrankten nicht mehr an Rotz. 

Im April 1889 wurde das Fohlen mit dem 
Nasenschleim eines notorisch rotzigen Pferdes ge¬ 
impft, und zwar wurde der Schleim 1. in künst¬ 
lich erodierte Stellen der Nasenscheide wand einge¬ 
rieben, 2. in die verletzte Stirnhaut gebracht und 
3. subkutan an der Nase injiziert. An den beiden 
ersten Stellen erfolgte unbedeutende Eiterung, an 
letzterer bildete sich eine hühnereigrosse Ge¬ 
schwulst, die allmählich abnahm und verschwand. 
Ein Kontrollpferd fiel an Rotz. 

Im Mai 1889 wurde das Fohlen erneut ge¬ 
impft und zwar diesmal mit virulenten Rotzba¬ 
cillen aus Kartoffelkulturen. An den Impfstellen 
traten bedeutende, schmerzhafte Geschwülste auf, 
und die Kehlgangsdrüsen schwollen an. Nach Oeff- 
nung der Abszesse und Behandlung mit Karbol¬ 
säurelösung trat jedoch Heilung ein. Zwei mit Rotz¬ 
bacillen enthaltenden Inhalt eines Abszesses ge¬ 
impfte Hunde erkrankten an Rotz. Im August 1890 
wurde das mittlerweile vier Jahre alte Versuchs¬ 
tier getötet. Die Obduktion ergab nichts, was auf 
einen chronischen Rotz hätte hindeuten können. 
In der Milz, Leber und auf der Nasenschleimhaut 
fanden sich Narben, in der Leber einige stecknadel¬ 
kopfgrosse weisse Knötchen, mit welchen ein Hund 
und eine Katze ohne Erfolg geimpft wurden. Rotz¬ 
bacillen konnten in den Knötchen nicht nach¬ 
gewiesen werden. 

Aehnliche Fälle von Genesung und Immunität 
gegen Rotz wurden von 1890—1895 im kaiserl. In¬ 
stitut für Experimentalmedizin in St. Petersburg 
beobachtet. Zwei rotzige Pferde, welche durch 
grosse Malleingaben geheilt wurden, erkrankten 
nachher nach subkutaner Applikation nur noch lo¬ 
kal. An den Impfstellen traten Abszesse auf, welche 
von selbst aufbrachen und bald vollständig ab¬ 
heilten, ohne irgendwelche Störungen zu hinter¬ 
lassen. Auch nach dem Töten dieser Pferde Hessen 
sich bei der Sektion nur noch Narben auf der 
Nasenschleimhaut und kleine bindegewebige Ver¬ 
dickungen in den Lungen und Lymphdrüsen nach- 
weisen. Dagegen erwies sich ein Pferd, das mit ab¬ 
geschwächten Rotzbacillenkulturen geimpft wurde, 
welche Meerschweinchen nicht mehr töteten, als 
gegen virulente Rotzbacillen nicht immun. Es er¬ 
krankte vielmehr an allgemeinem Rotz. 


Nach dem Verf. hat man in Russland auch 
beim Menschen wiederholt Heilung des Rotzes ge¬ 
sehen, und zwar bei energischer Behandlung mit 
Quecksilber. Dasselbe, was Verf. vom Rotz sagt, 
will er auch für die Tuberkulose gelten lassen. 
Zur Erzeugung einer sicheren Immunität erscheint 
ihm jedoch das Tuberkulin resp. Mallein allein nicht 
geeignet. Eine länger andauernde oder bleibende 
Immunität trete nur nach wirklicher Erkrankung an 
der betreffenden Seuche ein, sei es auch nach einer 
durch mitigiertes Impfmaterial erzielten nur leich¬ 
teren Erkrankung. Dieselbe ist weder eine lebens¬ 
längliche, wie z. B. bei der Rinderpest, Lungen¬ 
seuche, Scharlach, Masern, teils auch Pocken und 
Hundswut, oder eine vorübergehende, wie z. B. bei 
Maulseuche, Milzbrand, Rauschbrand, Staupe, In¬ 
fluenza, Schweinerotlauf, Schweineseuche, Schweine¬ 
pest, Hühnercholera, Typhus u. a. 

Unterh össel. 

A. Konrädi, Ist die Wut vererbbar ? (Cen- 
tralbl. f. Bakt., 38,1.) 

Eine sichere plazentare Uebertragung von der 
Mutter auf das Kind wurde beobachtet bei Infek¬ 
tionen mit Milzbrand, Pneumonie, Typhus, pyogenen 
Kokken, Febris recurrens, Variola, Malleus, Sy¬ 
philis, Tuberkulose, bei letzterer in 12 sicher be¬ 
wiesenen Fällen (Wassermann). Ueber die plazen¬ 
tare Uebertragung der Wutkrankheit finden sich in 
der Literatur nur wenige, sich widersprechende An¬ 
gaben. 

Als Infektionsstoff diente bei den Versuchen 
des Verfassers das Virus einer 34. Kaninchenpas¬ 
sage, welches trächtigen Meerschweinchen unter 
die harte Hirnhaut injiziert wurde. Einem 
Meerschweinchen, das am 6. Tage an Wut er¬ 
krankte, wurden im Moment des Todes vier ganz 
entwickelte Junge herausgenommen. Ihr ver¬ 
längertes Mark wurde in Emulsion mit physio¬ 
logischer Kochsalzlösung unter die harte Hirnhaut 
von 8 Meerschweinchen und 2 Kaninchen gespritzt. 
Es erkrankten 2 dieser Meerschweinchen am 91. 
Tage nach der Infektion, am 92. Tage ein drittes, 
am 96. Tage das vierte und die übrigen vier am 
98. Tage. Von den beiden Kaninchen erkrankte 
das eine nach 105, das zweite erst nach 475 Tagen. 
Die mit Virus von diesen erkrankten Tieren ge¬ 
impften Kontrolliere gingen nach 20—31 tägiger 
Inkubation und kurzer Krankheit zugrunde. Dann 
impfte Verfasser ein trächtiges Kaninchen mit 
Strassenvirus und infizierte dann, nachdem das 
Tier eingegangen war, mit Material aus den Föten 
Meerschweinchen, die nach 15 tägiger Inkubation 
starben an typischer Wut. Ein Kaninchen aus 
demselben Fötus infiziert, wurde nach 12 Tagen 
krank, ging aber nicht zugrunde; nach 229 Tagen 
wurde es wieder krank und ging an Wut ein. 

Nach der Meinung der meisten Forscher kann 
die Uebertragung nicht durch das Plazentablut ge¬ 
schehen, da dasselbe das Virus nicht enthält. Nach 
E. Marx gelingt aber eine Infektion von der Blut¬ 
bahn bei Hunden und Kaninchen leicht. 

e 




42 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


3. Jahrgang. 


Verf. zieht aus seinen Versuchen folgende 
Schlüsse: 

1. Das Wutvirus geht von ^der Mutter auf den 
Fötus über, scheint aber inzwischen abgeschwächt 
zu werden. 

2. Zu solchen Untersuchungen sollte man nicht 
nur Kaninchen, sondern auch Meerschweinchen 
benutzen, da diese für die Wut empfänglicher sind. 

3. Die Beobachtungsdauer muss auf ungefähr 

li/ 2 Jahre verlängert werden. Jacob. 

Renilinger. 1. La salive recueillie chez 

les animauz enragös aprös injection 
de pilocarpine n’est pas virulente. 
(Compt. rend. d. la soc. de biol. 1904. 2. V a c - 
cination du mouton contre la rage. 
3. Contribution ä l’etude du virus 
rabique fixe (ibid.). 4. La tortue ter- 
restre est refractaire ä la rage (ibid.)* 

1. Der Speichel von wutkranken Kaninchen, 
Hunden und Schafen, der durch subkutane Pilo¬ 
carpininjektion gewonnen war, erwies sich selbst 
in Mengen von 15 ccm subkutan oder intramus- 
kulaer injiziert als nicht infektiös. Die Versuche 
erstreckten sich auf 63 Tiere, so dass das Re¬ 
sultat als sicher angesehen werden kann. 

2. Verf. suchte das Verfahren von Marie, dass 
die Injektion einer neutralen Mischung von Virus 
und Immunserum eine unschädliche und sichere 
Immunisierungsmethode für Kaninchen ist, auf 
Schutzimpfung der Schafe zu übertragen. Er impfte 
Schafe intraokulär mit Virus fixe und es zeigte 
sich, dass Tiere, bei denen an demselben oder am 
zweiten und dritten Tage nach der Impfung mit 
subkutanen Injektionen von je 20 ccm neutralen 
Virus-Serumgemisches begonnen wurde und diese 
Injektionen drei Tage lang fortgesetzt wurden, ge¬ 
sund blieben. Eine einmalige Injektion von 40 ccm 
Virus-Serumgemisch vermochte nicht zu schützen. 
Sie verzögerte aber den Tod und zwar im Ver¬ 
gleich zur Kontrolle um so länger, je früher die 
Impfung ausgeführt war. 

3. Um die Anschauung, dass das Virus fixe 
für andere Tiere als Kaninchen relativ unschäd¬ 
lich sei, zu stützen, stellte Verf. die Resultate 
zusammen, die er bei gelegentlichen Impfungen 
an Hunden mit Virus fixe in den letzten Jahren 
erhalten hat. Es wurden 14 Tiere subkutan ohne 
besondere Vorsichtsmaßregeln zur Verwendung der 
Muskeln etc. geimpft. Eines, das 5 ccm erhalten 
hatte, starb. Die übrigen hatten bedeutend grössere 
Mengen erhalten (in zwei Fällen zwei ganze Ge¬ 
hirne) und blieben gesund. Die Mortalität betrug 
also 7,14 o/o. Dann erhielten 5 Hunde 5—20 ccm 
Emulsion intramuskulaer injiziert. Ein Tier starb 
am 29. Tag. Die Mortalität betrug also 20 o/ 0 . 
Bei intravenöser Injektion von 5—20 ccm Emul¬ 
sion bei 10 Hunden starben 4 an Wut, zwei er¬ 
krankten und wurden geheilt, 4 blieben gesund. 
Die Mortalität betrug also 40 0 / 0 , die erkrankten 
mitgerechnet 60 0 / 0 . Bei intraokulärer Impfung von 
46 Hunden (es wurden meist einige Tropfen bis 


in den Optikus gebracht) erkrankten 36 Tiere, 9 
kamen davon. Die Mortalität betrug 80 o/ 0 . 

4. Bei Testudo graeca liess sich in keiner 
Weise durch Virus fixe eine Infektion erzeugen, 
auch dann nicht, wenn man die Tiere im Brüt- 
sclirank auf 35 Grad erhielt. Das Blut der Schild¬ 
kröten hat im Reagenzglas keinerlei rabizide 
Eigenschaften. Jacob. 

Kreidl und Mandl. Experiment-Beiträge 
zu den physiologischen Wechsel¬ 
beziehungen zwischen Foetus und 
Mutter. (Sitzungsberichte d. kais. Akadem., 
B. 108, H. VI u. VII, Wien.) Ref. im Ctbl. f. d. 
mediz. Wissensch. No. 15. 

Aus den Versuchsergebnissen sei folgendes her¬ 
vorgehoben : 

Die Verfasser fanden zunäclist die bemerkens¬ 
werte Tatsache, dass gewisse Körper des Rinder¬ 
blutes, die allgemein als den Eiweisskörpern nahe¬ 
stehend betrachtet werden, aus dem Foetus in die 
Mutter gelangen. Produkte des Foetus können an 
die Mutter abgegeben werden; denn es zeigte sich, 
dass der Foetus Haemolysine zu bilden imstande 
ist und dass er zum Teil dieselben an die Mutter 
abgibt. 

Aus den Versuchen ist ferner zu ersehen, dass 
der Foetus schon intrauterin — wenigstens in den 
hohem Entwickelungsstadien — mit der Fähigkeit 
begabt ist, gegen fremde, ihm zugeführte Stoffe 
mit der Bildung von Antikörpern zu reagieren. Die 
in der Mutter gebildeten Haemolysine passieren als 
solche die placentare Scheidewand, wenn man die 
fremde Blutart der Mutter einverleibt. Dagegen 
konnte man nach Vorbehandlung des Foetus in der 
Mutter unter gewissen Umständen sowohl das Auf¬ 
treten passiver als' auch aktiver Haemolysine beob¬ 
achten. Sehr auffallend war, dass man in allen 
jenen Fällen, in welchen die Foeten die experimen¬ 
tale Einverleibung der Sera nicht überlebten und 
vorzeitig ausgestossen wurden, stets im mütter¬ 
lichen Serum den Nachweis aktiver Haemolysine 
erbringen konnte, während in einem Falle, in dem 
der Foetus den Eingriff durch lange Zeit ertrug 
und lebend entwickelt wurde, nur der Nachweis 
einer passiven Immunisierung der Mutter gelang. 
Aus der Tatsache, dass in jenen Fällen im mütter¬ 
lichen Serum aktive spezifische Haemolysine auf- 
treten, ist der Schluss zu ziehen, dass hier die zur 
Bildung der Haemolysine erforderlichen Bestand¬ 
teile der fremden, dem Foetus injizierten Blutart 
in den Kreislauf der Mutter gelegt sind. 

Schliesslich untersuchten die Verfasser auch 
das Verhalten der Amnions- und Allantoisflüssig- 
keit zu Haemolysinen. Weder die spezifischen 
Haemolysine der Muttertiere noch die der Foetus 
waren darin nachzuweisen. Weder durch Hinzu¬ 
fügen des inaktivierten Serums der Mutter oder 
eines normalen Ziegenserums, gelang es, in den 
genannten Flüssigkeiten die spezifischen Haemoly¬ 
sine für Rinderblut nachzuweisen. Nach diesen Be¬ 
funden ist also mit Sicherheit zu behaupten, dass 


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Heft 2. 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


43 


weder aus dem mütterlichen, noch aus dem kind¬ 
lichen Serum Haemolysine in das Fruchtwasser 
übergehen, und dass daher, wie auch Polane ge¬ 
funden hat, das Fruchtwasser weder reines kind¬ 
liches, noch reines mütterliches Serum sein könne. 

Jacob. 

Ottolenghi und Mori. Wirkung des Aethyl- 
äthers auf die haem oly t i s chen und 
bakteriziden Sera. (Ctbl. f. Bakt., 38, 4.) 

1. Der Aethyläther hat die Eigenschaft, dass er 
normalen Sera, die normaler Weise haemolytisclies 
Vermögen besitzen, dieses entzieht. 

2. Zur Aufhebung des haemolytischen Ver¬ 
mögens durch den Aethyläther bedarf es einer be¬ 
stimmten Menge dieses Mittels und einer be¬ 
stimmten Zeitdauer der Einwirkung. 

3. Die Aufhebung des haemolytischen Ver¬ 
mögens ist, aller Wahrscheinlichkeit nach, aus¬ 
schliesslich durch eine Veränderung der haemoly¬ 
tischen Komplemente bedingt. 

4. Der Aether übt, wenigstens beim Kaninchen¬ 
serum, und in dem Zeitraum, der zur Vernichtung 
des haemolytischen Vermögens genügt, keine merk¬ 
liche Wirkung auf die bakteriziden Komplemente 
aus. 

5. In dem zur Aufhebung des haemolytischen 

Vermögens erforderlichen Zeitraum entzieht der 
Aether den Sera nicht die Eigenschaft, die roten 
Blutkörperchen zu agglutinieren. Jacob. 


Parasitologie« Invasionskrankheiten. 

E. Martini. Untersuchungen über die 
Tsetsekrankheit. (Ztschft. f. Hyg. 50, 1.) 

Verfasser kommt auf Grund umfassender Un¬ 
tersuchungen, deren Einzelheiten im Original nach¬ 
gelesen werden müssen, zu einer Reihe von Schluss¬ 
folgerungen, von denen folgende hervorgehoben 
seien: 

In den beiden untersuchten Barbarponies wur¬ 
den zwei hinsichtlich Virulenz zuerst völlig ver¬ 
schiedene Stämme von Tsetseparasiten festgestellt, 
obwohl die beiden Pferde dieselbe Tsetsegegend 
passiert hatten und somit wohl der gleichen In¬ 
fektion ausgesetzt waren. 

Die Parasiten des „Togohengstes“ zeigten sich 
bei subkutaner, intravenöser und intraperitonealer 
Impfung tödlich für Pferd, Esel, Hund, Katze, 
Schwein, Ziege, Kaninchen, Meerschweinchen, Ratte 
(graue und weisse) und Maus (graue und weisse). 
Die „Togostute“ erwies sich, obwohl in ihrem Blute 
durch mikroskopische Untersuchung niemals Tsetse¬ 
parasiten gefunden wurden, dennoch als Tsetse- 
parasitenträger, weil Hunde nach subkutaner oder 
entraperitonealer Injektion grösserer Blutmengen 
der Stute sich nach einiger Zeit mit den Parasiten 
infiziert zeigten. Die Tsetseparasiten können sich 
in einmal infizierten Tieren monate- bis jahrelang 
(R. Koch) und zwar tödlich virulent für andere 
Tiere halten. 

Der Versuch, eine mehr den natürlichen Ver¬ 


hältnissen entsprechende Uebertragung — unter 
Verwendung von einheimischen Stechfliegen, 
Stomoxys calcitrans, — zu erzielen, gelang nicht* 

Bei der Verimpfung tödlich wirkender Tsetse¬ 
parasiten erwies sich auf die Dauer des Leidens 
ohne wesentlichen Einfluss, ob sie mit sehr ver¬ 
einzelten (in der Blutdosis) oder mit ihrem Hun¬ 
dertfachen ausgeführt wurde. Nur die Incubation 
war bei grösserer Parasitendosis gewöhnlich ab¬ 
gekürzt. War das Blut von einem toten Tier, so 
trat das tödliche Ende des geimpften Tieres meist 
später ein. 

Unter der künstlichen Infektion mit vollviru¬ 
lentem, d. i. tödlich infizierendem Material, nahm 
die Krankheit, nach klinischen Beobachtungen und 
pathologisch-anatomischen Befunden zu scliliessen, 
stets den gleichen Verlauf, wie er von der natür¬ 
lichen Infektion durch die Tsetsefliege (Glossina 
morsitaus) bekannt ist. 

In dem mittels Troikart dem kranken Tier 
aus der Jugularvene entzogenen Blut zeigte sich 
eine sehr deutliche Abnahme des Fibrinbildungs¬ 
vermögens. 

Bei Hunden, Katzen und Kaninchen führte die 
Erkrankung sehr oft zur Erblindung durch diffuse 
Hornhauttrübung. Dabei wurden in der Flüssigkeit 
der vorderen Augenkammer Tsetseparasiten nach¬ 
gewiesen. Die Tsetsekrankheit der Pferde und Esel 
ist der Schlafkrankheit des Menschen durchaus 
nahestehend, nicht bloss in ihren Parasiten, son¬ 
dern auch in ihren klinischen Erscheinungen und 
pathologisch-anatomischen Befunden. 

Die Tsetseparasiten des Togohengstes, des für 
die meisten Tiere — ausser für einheimische Rinder 
— tödlichen Stammes, Hessen sich in genügend 
lange fortgesetzten Tierpassagen bis zu einem 
Höchstvirus für die betreffenden, zu einer Art 
Virusfixe (Pasteur) anzüchten, und zwar besonders 
deutlich in Ratten und Mäusen. 

Die Tsetseparasiten, die sich für eine Tierart 
als abgeschwächt erweisen, können noch, nach 
längerem Aufenthalt in dieser, von ihr aus ver- 
impft, für andere Tierarten tödlich sein. 

Alle Schlüsse in bezug auf Virulenz- 
Abschwächung und -Steigerung sind durch diese 
Versuche nur für die künstliche Infektion bewiesen. 
Jedoch lässt sich an der Hand von Beobachtungen, 
die bei dieser gemacht wurden, jetzt eine ganze 
Reihe von Eigenheiten erklären, die bei der Feld¬ 
infektion durch Glossina morsitaus Vorkommen und 
sich seither nicht erklären Hessen, z. B. die 
Virulenzschwankungen (R. Koch). 

Die von mehreren Forschern (R. Koch und 
Schilling) festgestellte Tatsache, dass einzelne 
Pferde mit Tsetseparasiten jalirelang sich vollstän¬ 
dig rüstig halten können, braucht — nach den vor¬ 
liegenden Versuchen zu sch Hessen — nicht durch 
eine vermutete grössere Widerstandsfähigkeit dieser 
Tiere begründet zu werden, sondern sie lässt sich 
vielmehr auch so verstehen, dass diese Tiere mit 
einem Parasitenstamm infiziert wurden, der durch 


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44 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


3. Jahrgang. 


Glossinen mannigfach in ein und derselben Tier¬ 
passage verimpft, für sie eine Yirulenzabschwächung 
erfahren hat. Ein solches gesund erscheinendes, 
aber infiziertes Tier, ist damit nicht notwendiger¬ 
weise immun gegen die für seine Tierart sonsl 
tödlich virulenten Tsetseparasiten. 

Aus der Tatsache, dass von den Tsetseparasiten- 
trägern aus, selbst wenn sie scliwachvirulente Para¬ 
siten führen, dennoch hochvirulente, z. B. durch 
Passage in gewissen Tierarten sich entwickeln kön¬ 
nen, ergibt sich nach It. Koch als Bedingung für 
das Gelingen einer allgemeinen Ausrottung der 
Seuche: 

Jeder Tsetseparasitenträger, sei es unter dem 
Grosswild, sei es unter den Haustieren, muss un- 
scliädlich gemacht, d .h. getötet werden, da es 
niemals gelingen wird, der übertragenden Insekten, 
der Glossinen, Herr zu werden, und da die bisher 
geglückten Immunisierungsversuche zu keinem an¬ 
deren Resultat geführt haben, als dass — anschei¬ 
nend gesunde — Parasiten träger künstlich ge¬ 
schaffen werden. 

Nur gelegentlich wird die Immunisierung in 
Frage kommen, z. B. wenn es sich darum handelt, 
Reitpferde oder Lasttiere oder Schlachtvieh auf 
längerer Expedition durch eine Tsetsegegend zu 
bringen; an ihrem Bestimmungsort angekommen, 
können sie ja dann unschädlich gemacht werden. 

Jacob. 

N. Jancsö, Kolozsvär. Untersuchungen über die 
Weiterentwickelung der Malaria-Parasiten 
in den Anopheles-Arten. Math.ösTermöszet- 
tudomänyijlSrtesitö. 1904. No. 12. 

In der Umgebung von Kolozsvär kommt von 
den Anopheles-Arten Anopheles claviger am häufigsten 
vor und nur in geringer Anzahl Anopheles bifur- 
catus. Von den Culiciden kommt hauptsächlich 
Culex pipiens häufig vor. Die Anopheles-Eier finden 
sich in stabilen, mit spärlicher Sumpfvegetation ver¬ 
sehenen, stehenden Gewässern, mitunter jedoch auch 
im Regenwasser, das sich in der Fussspur sammelt, 
oder im Wasser langsamer Bäche. Die weiblichen 
Anopheles claviger überwintern zu Tausen¬ 
den in Ställen, sich vom Blute der Haustiere 
nährend; Anopheles bifurcatus überwintert in 
Höhlen, Baumlücken. 

Die Entwickelung einer Generation von Ano¬ 
pheles dauert im Sommer 10 Tage lang. Im Früh¬ 
ling und Herbst gehören 4—5 Wochen dazu. Tn 
grösseren Mengen fliegen die überwinterten Ano¬ 
pheles-Schwärme Ende April aus, zur Zeit, um 
welche die Rinderherden auf die Weide ge¬ 
trieben werden. 

Zur Aufbewahrung der geflügelten'Mücken hatte 
Jancsö eine Falle konstruiert, in welcher es gelang, 
die Mücken 2—3 Monate hindurch am Leben zu er¬ 
halten. Die Fütterung mit Blut, selbst mit solchem 
von Kindern, war hier leicht möglich. Zur Unter¬ 
suchung der sich am Magen von Anopheles ent¬ 
wickelnden Zysten ist es am besten, den Magen nach 
Ross vorzuziehen und ungefärbt zu untersuchen. 


Aus den Untersuchungen geht hervor, dass die 
in den Magen von Anopheles gelangten Gameten, 
wenn das Insekt in einer Temperatur von 30° Cels. 
gehalten wird, sich nach 15 Minuten bis 1 Stunde 
geschlechtlich vermehren, sich nach 15 Stunden in 
larvenähnliche Orkinete verwandeln und sich unter 
die Epithelschichte des Magens einzubohren be¬ 
ginnen. 

Die Gameten bohren sich durch die Epithel¬ 
schichte hindurch bis zur Tunica elastico-muscu- 
laris, beginnen dort zu wachsen, werden zu durch¬ 
scheinenden Zysten, welche oft zu Hunderten in die 
freie Bauchhöhle hineinragen. Anfangs sind die 
Zysten der einzelnen Arten an ihrer verschiedenen 
Farbe, an der Anordnung ihres Pigmentes und 
Hyalins noch zu erkennen, später verschwinden die 
Unterschiede. Unter anderen gibt J. eine detaillierte 
Beschreibung des Entwickelungsganges der Lave- 
rania bei 20° Cels. Die Züchtung dieser Art ist mit 
so ungeheuren Schwierigkeiten verbunden, dass J. 
in der Literatur keine einzige Beschreibung oder 
Zeichnung von derselben fand, und seine Be¬ 
schreibung als die erste dieser Art zu be¬ 
trachten ist. Die Zyste entwickelt sich schliess¬ 
lich zur Sporozyste, welche Tausende von Sporo- 
zoiten, Restkörperchen und Pigmentreste enthält. 
Ist die Sporozyste einmal reif geworden, so platzt 
sie und ergiesst ihren Inhalt in die freie Bauchhöhle. 

Die in die freie Bauchhöhle ergossenen Sporo- 
zoiten sammeln sich in kürzester Zeit an beiden 
Seiten des Halses in Speicheldrüsen an. Die Sporo- 
zoiten gelangen bei der nächsten Blutsaugung in die 
Stichwunde und erzeugen nach einer gewissen 
Inkubations-Zeit eine Erkrankung an Wechselfieber, 
indem sie sich zu Schizonten umbilden. 

Grassi und die anderen Beobachter waren zu 
der Erfahrung gelangt, dass sich die Malaria-Para¬ 
siten nur dann geschlechtlich vermehren, wenn sich 
nur deren Zysten entwickeln, wenn die Anopheles 
unmittelbar nach der Blutsaugung in eine Tempera¬ 
tur von 16,5° Cels. gelangt und dort einige Stunden 
zubringt. Auch machte Grassi die Erfahrung, dass 
zwischen den einzelnen Parasiten rücksichtlich ihrer 
Temperaturansprüche Unterschiede bestehen. — J. 
wiederlegt beide Behauptungen. Durch zahlreiche 
Versuche wurde erwiesen, dass die Anopheles in¬ 
fiziert werden, selbst dann, wenn sie in eine Tempera¬ 
tur von 8° gelangen, vorausgesetzt, dass sie nach 
den ersten 24 Stunden in eine Temperatur gelangen, 
welche höher ist als 16° Cels. So sind die bei 
kühlem Wetter entstehenden Erkrankungen an Ma¬ 
laria zu verstehen. 

Eine grosse Reihe von Versuchen wurde an¬ 
gestellt, um nachzuweisen, wie und in welchem Zeit¬ 
räume sich die Geschlechtsgenerationen der einzelnen 
Parasiten entwickeln. Es stellte sich heraus, dass 
zwischen den einzelnen Arten mit Bezug auf ihre 
Temperaturänspriicho keine Unterschiede bestehen, 
dass jede Art am besten bei 24—30° Cels. gedeiht, 
und dass bei einer Temperatur unter 18° Cels. ge¬ 
wöhnlich degenerative Formen auftreten. Wirken 


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Heft 2 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


45 


aber niedrigere Temperaturen nur kürzere Zeit — 
jedoch oft bis zu 3—4 Tagen — auf dieselben ein, 
so wird die Entwickelung der Zysten bloss eine 
Zeitlang hintangehalten, ohne weiter irgendwie be¬ 
einflusst zu werden. 

Die Erfolge der Untersuchungen wurden durch 
Inokulationen kontrolliert. Es wurden im ganzen 
15 Personen inokuliert, natürlich bloss solche, die 
sich freiwillig dazu hergaben Die Inokulationen 
wiesen nach, dass die Inkubations-Dauer, der höhere 
oder geringere Grad der Erkrankung, durchaus nicht 
von dor Temperatur abhängt, bei welcher die Ano¬ 
pheles infiziert wurden. So war zum Beispiel die 
Erkrankung, welche nach einem einzigen Stiche 
eines bei 15—17° Cels. gehaltenen Anopheles auftrat, 
ebenso schwer, wie die, welche nach unzähligen 
Stichen vieler bei 30° Cels. gehaltener Anophelen 
auftrat. Es ist also erwiesen, dass die Schwere der 
Infektion ausschliesslich von der Parasiten-Art und 
den individuellen Eigenschaften der erkrankten Per¬ 
son abhängt. Schliesslich werden aus den Experi¬ 
menten Schlüsse gezogen, welche sich auf dio geo¬ 
graphische Verbreitung und das Vorkommen nach 
den Jahreszeiten beziehen. 

Grassi und die italienischen Forscher setzen den 
Beginn des Malaria-Jahres in Italien auf den Anfang 
des Monats Juli, und alle bis dahin vorkommende Fälle 
sollen Rezidiven vom vorigen Jahre sein. Ursache 
dieser Erscheinung ist, dass die Temperatur im 
Freien erst im Juli die nötige Höhe von 24° Cels. 
erreicht — J. akzeptiert diese Ansicht nicht. Die 
italienischen Forscher vernachlässigten die Tatsache, 
dass an Orten, an welchen eine Endemie mässigen 
Grades herrscht, zwei Erhebungen in der Endemie- 
Welle zu konstatieren sind — die eine im Mai, die 
andere im September. Ja, in Malaria-Gegenden mit 
mässiger Temperatur, wie z. B. in. Deutschland, fällt 
das Maximum der Erkrankungen an Malaria gerade 
auf den Monat Mai. J. beobachtet in Kolozsvär seit 
10 Jahren die Endemie und hat in mehr als 1500 Fällen 
Blutuntersuchungen ausgeführt. Die Untersuchungen 
ergaben, dass man in Kolozsvär eine Frühjabr- 
Vivax, eine Sommer-Präkox, eine Herbst-Laverania- 
Epidemie beobachten kann, und dieAkme der Ende¬ 
mie demzufolge auf das Frühjahr oder auf den Herbst 
fallen wird, je nachdem die Zahl der Vivax- oder 
der Präkox-Infektionen eine grössere sein wird. In 
den Gegenden, wo mildere Endemien Vorkommen, 
fällt die Akme der Endemie aus dom Grunde auf 
den Monat Mai, weil bloss Vivax-Infektionen Vor¬ 
kommen. Forscht man nun nach, was die Ursache 
dieser eigentümlichen saisonmässigen Verteilung der 
Parasiten ist, so kommt man zu folgendem Schlüsse: 
Da zwischen den Temperatur-Ansprüchen der ein¬ 
zelnen Arten keine Unterschiede bestehen, und da 
man auch koine anderen objektiven Ursachen für 
dieses saisonmässige Auftreten finden kann, so muss 
man sich mit der Annahme begnügen, dass die 
einzelnen Malaria - Parasiten so verschiedenartige 
Gattungen darstellen, dass selbst ihre Endemie-Zeit 
in eine andere Jahreszeit fällt. Zimmermann. 


Byloff, Ein Beitrag zur Kenntnis der 
Rattentrypanosomen. Sitzungsbericht d. 
Akademie d. Wissenschaften zu Wien. Mathemat. 
natUrw. Klasse. 113. Bd. 1904, S. 111. 

Unter 8 eingefangenen Kanalratten fand Ver¬ 
fasser eine, welche im Blute den in Rede stehenden 
Parasiten beherbergte. Dieses Tier Ixmutzte der 
Autor, um eingehende Impfversuche anzustcllen 
und die Entwicklung des Lebewesens näher zu stu¬ 
dieren. 

Die Impfung erfolgte ausschliesslich intra¬ 
peritoneal, worauf sowohl bei wilden als auch 
zahmen Ratten Krankheitserscheinungen auftraten, 
bestehend in Sträuben des Haarkleids, Mattigkeit, 
Dispnoe und Abmagerung. Die wilden infizierten 
Tiere gingen in 3—8 Tagen ein, während die zahmen 
Ratten nach 4—6 Wochen genasen. 

Bezüglich des Resultats seiner Untersuchungen 
gibt Verfasser folgenden Ueberblick: 

Die in die Peritonealhöhle mit dem Blut ein¬ 
gespritzten ausgewachsenen Formen von Trypano¬ 
somen gehen vorerst nur in geringer Menge in 
das Blut über. Sic verschwinden langsam aus der 
Peritonealhöhle und erscheinen vom 2. bis 4. Tage 
in Gestalt von Teilungs- und Jugendformen im 
Blute. Offenbar tritt schon in der Bauchhöhle 
empfänglicher Tiere ein Teilungsprozess auf. Die 
durch denselben gelieferten Produkte gelangen 
dann auf detm Wege der Lymphbahn, möglicher¬ 
weise auch durch direkten Uebertritt in die Blut¬ 
gefässe, in den Blutstrom. 

Im Blute wachsen die Jugendformen anschei¬ 
nend rasch und unter Bildung sehr verschiedener 
Teilungsformen heran. 

Fortgesetzte Teilungen, 'welche sowohl nach 
dem Typus der 'Längsteilung, der Segmentierung 
und möglicherweise auch nach anderen Typen zu¬ 
stande kommen, führen zur Bildung sehr kleiner 
Elemente, welche schliesslich am 3. oder 4. Tage 
nach der Infektion in beträchtlicher Menge vor¬ 
handen sind. Diese kleinsten Gebilde wachsen 
heran und teilen sich dann wieder. Der Teilungs- 
grozess geht zu Ende, wenn eine sehr reichliche 
Ueberschwemmung des Blutes an Trypanosomen 
stattgefunden hat. 

Die zahmen Ratten überstehen die Infektion, 
w r obei ihr Blut von Trypanosomen frei wird. 

Die Teilungsvorgänge des Zellkörpers verlaufen 
unter allen Umständen, ob nun JLängsteilung oder 
Segmentierungsvorgänge zu beobachten sind, stets 
unter Erscheinungen, welche der Mitose am ähn¬ 
lichsten sind. Die Kernsubstanz zeigt bei der Tei¬ 
lung Spirembildung und das Auftreten von schleif en- 
förmigen Segmenten, die sich aus der Chromatin¬ 
substanz des Kernes bilden. Die Geisselwmrzel zeigt 
während des Teilungs Vorganges ein Verhalten, 
welches an das derZentralkörper andererZellen erinnert. 

Geisselwurzel und Kernsubstanz scheinen, nach 
ihrem örtlichen Verhalten zu schliessen, während 
der Teilung in sehr nahe Beziehung zu einander 
zu treten. Carl. 


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46 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


3. Jahrgang. 


Laveram U e b e r die Wirkung des mensch¬ 
lichen Serums auf die Trypanoso¬ 
men der Nagana, Caderas und Surra. 
(Compt. rend. 137. 

Die Einwirkung menschlicheu Serums ruft bei 
Tieren, die an Nagana, Caderas oder Surra er¬ 
krankt sind, entweder ein zeitweises oder sogar 
ein definitives Verschwinden der krankheitser¬ 
regenden Trypanosomen hervor. Dies ist um so 
auffallender, als kein anderes Mittel bis jetzt im¬ 
stande war, diese Krankheit zu heilen. Auch die 
Sera anderer Tierspezies besitzen diese Fähigkeit 
nicht. Das. Serum geschwänzter Affen ist, wie 
Verf. bereits früher gefunden hat, unwirksam, und 
neuerdings konnte ein Versuch mit dem Serum 
eines Schimpansen angestellt werden, der dasselbe 
Resultat gab und zeigte, dass dieses Serum keinen 
Einfluss auf die Entwicklung der Nagana besitzt. 
Dass gerade das Serum des Menschen, das gerade 
weder für Surra noch für Caderas oder Nagana 
empfänglich ist, mit solchen trvpanosomenfeind- 
lichen Eigenschaften begabt ist, ist jedenfalls von 
grossem theoretischen Interesse. Es werden jedoch 
auch einige menschliche Krankheiten, darunter die 
Schlafkrankheit durch Trypanosomen hervorgerufen 
und es ist daher empfehlenswert, deren Verhalten 
zu verschiedenen Tierspezies zu erproben und das 
Serum eventuell refraktärer Arten zu therapeu¬ 
tischen Zwecken zu benutzen. Jacob. 

Mi Neal, J. Ward, Novy und Gk Frederick. Ueber 
Kultivierung der Trypanosomen, 
Lewisi und Brucei. (Ref. in Hyg. Rund¬ 
schau 1906, No. 3.) 

Den Verff. ist es gelungen das Trypanosoma 
Lewisi, den Mikroorganismus, der weit verbreitet 
ist und häufig im Blut der Ratten vorkommt, aber 
nur selten den Tod der Tiere veranlasst, künst¬ 
lich auf festen Nälirböden zur Entwicklung zu 
bringen. Die Kultur gelang am besten auf ge¬ 
wöhnlichem Agar, dem ein Drittel Kaninchenblut 
zugefügt und das dann wieder in schräger Lage 
erstarrt war. Namentlich bei Zimmertemperatur 
kam es hier zum Wachstum sehr grosser, aus 
über Tausenden von Individuen bestehenden Ro¬ 
setten des Trypanosoma, und die Lebensfähigkeit 
des Parasiten blieb viele Wochen, bis zu 306 Tagen 
erhalten. Auch bei Brütwärme fand eine rasche 
und starke Vermehrung der Trypanosomen statt, 
doch geht hier die Kultur schon nach 12—14 Tagen 
zugrunde, ohne Zweifel, weil in dieser Zeit auch 
das Hämoglobin der Röhrchen sich in Hämatin 
verwandelt. Die Virulenz der Trypanosomen bleibt 
bei gewöhnlicher Temperatur unverändert erhalten, 
während sie bei Brütwärme rasch verloren gellt. 

Bei Trypanosoma Brucei gelang es nur aus 
vier von den 50 geimpften Ratten die Mikroorga¬ 
nismen zum Wachstum gelangen zu lassen. Schon 
diese Tatsache liess keinen Zweifel, dass die Para¬ 
siten dieser Art viel schwerer auf unseren Nähr¬ 
böden gedeihen als Trypan. Lewisii. Der Blut¬ 
gehalt, der ein positives Resultat liefernden Röhr¬ 


chen musste weit höher sein, meistens 2 : 1 oder 
3 : 1 betragen, als bei den Kulturen des andern 
Trypanosoma. Bei Zimmertemperatur gelang das 
Wachstum am besten; es begann ungefähr am 10. 
und dehnte sich aus bis zum 52. Tag. Doch zeigte 
mehrere Male auch die Entwicklung bei höherer 
Temperatur ein gutes Ergebnis, wenngleich schon 
bei 34 Grad die Resultate schwankend wurden. 
Mit dem Alter verloren die Kulturen auch ihre 
Virulenz für den tierischen Körper; während die 
friscli entstandenen infektiös ebensogut wie Blut 
oder Gewebssaft waren, so ging diese Fähigkeit 
mehr und mehr zurück und war schliesslich ganz 
verschwunden. Mit derartigen Kulturen schien eine 
ausreichende Schutzimpfung möglich zu sein. 

; ; Jacob. 

L. Jakimoff. Zur Biologie der Trypano¬ 
somen der Nagana und des Mal de 
Caderas. (Ctbl. f. Bakt., B. 37, 5.) 

Verfasser liatte sich die Aufgabe gestellt, Ver¬ 
suche früherer Autoren nachzuprüfen und einige 
neue Fragen aus der Biologie dieser Flagellaten 
zu bearbeiten. Es waren folgende Fragen, die er 
zu beantworten suchte: 

1. Die Wirkung der Trypanosomen auf ver¬ 
schiedene Tierarten. 2. Feststellung der mini¬ 
malen zur Infektion noch ausreichenden Mengen 
trypauosomenhaltigen Blutes. 3. Erhaltung der 
Virulenz infektiösen Blutes unter verschiedenen 
Aufbewahrungsbedingungen. 4. Uebergang der 
Trypanosomen in verschiedene Körperflüssigkeiten 
des infizierten Organismus. 6. Einwirkung einiger 
chemischer und physikalischer Agentien auf die 
Lebensfähigkeit der Trypanosomen. 

Zur Untersuchung wurden verwendet: weisse 
und graue Mäuse, weisse und graue Ratten, Meer¬ 
schweinchen, Kaninchen, Hunde, Katzen, Ziegen, 
Fuchs, Tauben und Frösche. Das Infektions¬ 
material wurde meist subkutan oder intraperitoneal 
injiziert. Die Untersuchungen erstreckten sich auf 
Trypanosoma Brucei und Trypanosoma Elmassiani. 

Die Zusammenfassung der Ergebnisse ergibt 
folgendes: 

1. Die künstliche Infektion mit Trypanosomen 
der Nagana und des Mal de Caderas ergibt bei 
Mäusen und Ratten eine sehr akute Erkrankung, 
die weniger als eine Woche dauert; bei Hunden, 
Fuchs, Meerschweinchen, Kaninchen und Katzen 
nimmt die Krankheit einen langsamen Verlauf (1—6 
Wochen); bei Ziegen erscheint sie äusserst chro¬ 
nisch; Frösche und Tauben sind immun. 

2. Durch häufige Passage durch den Tier¬ 
organismus steigert sich die Virulenz der Trypano¬ 
somen. 

3. Werden die Trypanosomen bei mikroskopi¬ 
scher Untersuchung des Blutes geimpfter Tiere 
(Ziegen, Kaninchen, Katzen) vermisst, so liegt 
darin kein Beweis, dass die Impfung nicht ge¬ 
haftet hätte, da ein derartiges Blut sich dennoch 
als infektiös erweisen kann. 


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Heft 2. 


Fortschritte der Ve terin&r-Hygiene. 


47 


4. Um die Infektion zustande zu bringen, ist 
eine äusserst geringe Zahl von Trypanosomen aus¬ 
reichend, da trypanosomreiches Blut selbst in Ver¬ 
dünnung von 1:5000 bis 1: 50 000 noch infiziert. 

5. Ausserhalb des Organismus erhält sich das 
Leben und die Virulenz der Trypanosomen der 
Nagana und des Mal de Caderas am längsten 
(bis zu 6 Tagen) im defibrinierten Blut bei Zim¬ 
mertemperatur; Zusätze von Kochsalzlösung oder 
von Serum anderer Tiere, sowie niedrige oder Brut¬ 
schranktemperaturen beeinträchtigen die Konser¬ 
vierungsdauer. 

6. Die Trypanosomen sind äusserst empfindlich 
gegen Erwärmung und desinfizierende Substanzen. 

7. Ausser dem Blute enthalten den Infektions¬ 
stoff noch die Ceretrospinalflüssigkeit, die pleu¬ 
ralen, peritonealen und perikardialen Exsudate, die 
Galle und die Flüssigkeit der Hautödeme. 

8. Unsere Hausfliegen sind nicht imstande als 

Krankheitsüberträger zu dienen, wie etwa Tse-tse- 
Fliege (Glossina morsitanz) bei der Nagana oder 
die Mosca brava (Stomoxys calcitrans) bei dem 
Mal de Caderas. Jacob. 

Ten Broche. Einige Fälle von Filania- 
Embryonen in dem Blute des Pfer¬ 
des und Rindes. Tijdschrift voor Veesit- 
senyhunde. Moast 1905. 

Ten Broche fand in dem Blute von zwei Pfer¬ 
den, welche schlechte Futteraufnahme, einen 
schwankenden Gang im Hinterteile mit einiger 
Schwellung an den Geschlechtsorganen zeigten, 
doch übrigens frei normal waren, Filania-Embryo- 
nen. Behandlung mit Liq. Focoleci ergab in einem 
Falle Heilung der Krankheit. In dem Blute bei 
Kälbern mit Diarhöe wurden ebenso dieselben 
Parasiten gefunden. Verabreichung von Liq. Foco¬ 
leci blieb ohne Resultat. % Ubbels. 

1) Jammes und Maudoul. Ueber die bakteri¬ 
ziden Eigenschaften der Säfte der 
Würmer. 

2) Dieselben. Ueber die Biologie der 
C e s t o d e n. Berichte an die Academie des 
Sciences (Paris), La Semaine medicale, 1904 
No. 81, 1905 No. 5. 

1) Die beiden Verfasser berichten über die 
Untersuchungen, welche sie bezüglich der von 
manchen Autoren behaupteten bakteriziden Eigen¬ 
schaft der Säfte der Würmer angestellt haben. So 
hat man z. B. geglaubt, dass ein Bandwurm von 
Vorteil sei für einen Tuberkulösen. 

Die Autoren haben festgestellt, dass den As¬ 
kariden keineswegs eine Wirkung auf die Bakterien 
zukommt. 

Dagegen scheinen die Bandwürmer einen der¬ 
artigen Effekt hervorrufen zu können. Bei 5 Meer¬ 
schweinchen, welchen 5—8 ccm Bandwurmsaft (von 
welcher Art, ist nicht angegeben. D. Ref.) intra¬ 
peritoneal injiziert worden waren, und welche 
gleichzeitig eine Aufschwemmung von Tuberkel¬ 
bacillen in demselben Substrat subkutan erhalten 


hatten, setzten die tuberkulösen Prozesse viel 
später ein und waren merkbar weniger auagebreitet, 
wie bei den Kontrollieren. 

Aus diesen Gründen sind die Autoren geneigt, 
in den Bandwurmsäften eine lösliche Substanz an¬ 
zunehmen, welche eine gewisse bakterienschädi¬ 
gende Wirkung besitzt. 

2) Die Autoren suchen in vorliegender Arbeit 
die Ursachen der bakteriziden Kraft der Bandwurm¬ 
extrakte zu erklären. Da diese den verschiedenen 
Arten der Bakterien gegenüber verschieden ist — 
nach der Empfindlichkeit geordnet, kommt zuerst 
der Choleravibrio, daun der Typhusbacillus, der 
Kolibacillus, endlich die sporenbildenden Mikroben 
(B. subtilis, B. mesentericus) — so glauben die 
Autoren, dass ein Parallelismus zwischen den Funk¬ 
tionen der Cestoden und denen der Darmwand des 
Wirtes besteht. Diese Wechselbeziehung kann ge¬ 
folgert werden, wenn man bedenkt, dass der 
Schmarotzer und die Darmwand sich in gleicher 
Weise gegen die Wirkung der Verdauungssäfte ver¬ 
teidigen. Es ist deshalb die bakterizide Wirkung 
der Tänien ein Schutzmittel analog demjenigen der 
Schleimhaut des Verdauungsapparate, mit dem die 
Parasiten auch noch in anderer Beziehung zu ver¬ 
gleichen sind, da sie von ihrer ganzen Oberfläche 
die Nahrungsstoffe in sich auf nehmen. 

Die Wirkung des Bandwurms wäre daher dahin 
zusammenzufassen, dass er seine Abwehrmittel zu 
denen seines Wirtes hinzufügt, und auf diese Weise 
dem letzteren Nutzen stiftet. Carl. 

Z. Yämoss j • Budapest. Ueber die' giftbin* 
dende Tätigkeit der Leber. Magyar 
Orvosi Arohivum. 1904. No. 2. 

Der Autor machte die interessante Beobachtung 
dass die Leber den grössten Teil der vom Darm- 
trakte zur Aufsaugung gelangenden Gifte zu binden 
vermag und den Organismus auf diese Weise vor 
der schädlichen Einwirkung derselben bewahrt. Diese 
Beobachtung wird durch eine Reihe der Unter¬ 
suchungen und Experimente bestätigt. Die Leber 
verdankt diese ihre giftbindende Fähigkeit den ver¬ 
schiedenen Ei weisskörpern, die in ihr enthalten sind 
und die Giftstoffe chemisch binden. Die in hohem 
Grade giftigen Alkaloide (Strychnin, Atropin) wer¬ 
den durch die Nukle'ine der Leberzellen gebunden. 
Die Leber hungernder Tiere oder fettig degenerierte 
Lebern vermögen viel weniger Giftstoffe zu binden, 
als die normale Leber des gut genährten Tieres. 

Zimmermann. 

de Does. Tumor der Stirnhöhle. Mitteilun¬ 
gen aus dem Geneesk. Labor, in Weitevreden, 
Java. 

Ein in der Stirnhöhle eines Pferdes gefundener, 
apfelgrosser Tumor, der in den Maschen des binde¬ 
gewebigen Gerüstes teils frei, teils in riesenzellen¬ 
artigen Gebilden eingeschlossen war, enthielt para¬ 
sitenähnliche Kugeln, die einigermassen mit Mol- 


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48 


Fortschritte der Veterin&r-Hygiene. 


3. Jahrgang 


luskumkörperclien übereinstimmten. Die wahre 
Natur dieser Körperchen konnte flieht näher fest- 
gestellt werden. de Haan. 

Jnlinsberg, Max. Ueber das Epithelioma 
contagiosum von Taube und Huhn. 
Dr. med. W., 1904, No. 43. 

Die von Marx und Sticker seinerzeit an dem 
Epithelioma contagiosum der Hühner angestellten 
Versuche sind von Juliusberg an dem Epithelioma 
der Tauben wiederholt und erweitert worden. 
Juliusberg kommt zu folgenden Schlussfolgerungen: 
1. Das Virus der Taubenpocke ist in derselben Weise 
filtrierbar wie das Virus der Hühnerpocke. 2. Die 
Inkubationszeit ist bei der Hühner- und Tauben¬ 
pocke bei der Impfung mit dem Filtrat um etwa das 
doppelte länger als bei der Impfung mit den Ge¬ 
schwülsten resp. deren Krusten. 3. Bei der unter¬ 
suchten Taubenpockenepedemie war das Contagium 
durch fortgesetzte Tierpassagen modifiziert und 
schliesslich avirulent geworden. 4. Zusatz von 
Erythrosin (l o/o) zu einer gleichen Menge des 
Filtrats tötet nach dreitägiger Belichtung durch 
Tageslicht das Virus ab. 5. Eine Uebertragung 
auf den Menschen und auf Mäuse gelingt weder 
mit der Tauben- noch Hühnerpocke. 6. Keiner der 
aus dem Epithelioma contagiosum mit Leichtigkeit 
züchtbaren Hefepilze, Kokken oder Bacillen ist 
pathogen für Taube und Huhn. 

Klee. 


i 

VIII. Internationaler Tierärztlicher 
Kongress in Budapest. 

Auf Ersuchen des Organisations-Komitees des 
Kongresses hat Se. Kaiserl. und Königl. Hoheit 
Erzherzog Josef August geruht, das Protekto¬ 
rat des VIII. Internationalen Tierärztlichen Kon¬ 
gresses zu übernehmen. Seine Hoheit erklärte sich 
9 ,uch bereit, der feierlichen Eröffnungssitzung bei¬ 
zuwohnen und die Kongress-Verhandlung persön¬ 
lich zu eröffnen, sowie am Abend des ersten Tages 
die offiziellen Vertreter der ausländischen Regie¬ 
rungen und die Kongressleitung in der königlichen 
Burg zu empfangen. 


Das Exekutiv-Komitee des im September 1. J. 
zu Budapest abzuhaltenden VIII. Internationalen 
Tierärztlichen Kongresses hat unter dem Vorsitze 
von Dr. Franz Hutyra, Rektor der tierärzt¬ 
lichen Hochschule, eine Sitzung abgehalten, in 
welcher mehrere den Kongress betreffende wichtige 
Beschlüsse gefasst worden sind. 

Ueber Vortrag des Generalsekretärs, Professor 
Dr. Stefan von Rätz, wurde beschlossen, dass 
die Eröffnungssitzung am 3. September, Sonntags 
um 11 Uhr, stattfindet. Die Sitzungen der Vete- 
rinär-Sanitäts-Polizei-Sektion sind für 4., 6. und 
8. September anberaumt, an welchen Tagen keine 


anderen Sitzungen abgehalten werden. Die Sitz¬ 
ungen der biologischen und pathologischen Sek¬ 
tion, sowie der etwa gesondert zusammen tretenden 
Sektion für die tropischen Krankheiten, sind für 
5. und 7. September angesetzt. Die Schlusssitzung 
findet am 9. September statt, aber vorher hält 
noch die pathologische Sektiop eine Sitzung ab 
behufs Verhandlung der Frage über die Gebär¬ 
parese. , 

Für die Bequartierung und Zerstreuung der 
Kongressmitglieder sorgt ein eigenes Komitee, an 
dessen Spitze Professor Dr. Bela Plösz steht. 
Auf den Antrag desselben wird das Exekutiv- 
Komitee ausser dem je zweitägigen Besuche der 
königl. - ungarisch. Staatsgestüte und Gestüts¬ 
domänen, auch Exkursionen in die Hohe Tätra (2 
bis, 3 Tage) und an den Plattensee (1 Tag) arran¬ 
gieren, falls sich dafür die Teilnehmer in genügen¬ 
der Anzahl melden. Betreffs dieser Exkursionen 
wird das Exekutiv-Komitee die Mitglieder recht¬ 
zeitig verständigen. Ausser dem üblichen Be- 
grüssungsbankett wird das Municipium der Haupt- 
und Residenzstadt Budapest die Kongressmitglie¬ 
der bewirten und auch sonstige Festivitäten stehen 
in Aussicht, die königl. Oper aber beabsichtigt 
zu Ehren des Kongresses eine Festvorstellung ab¬ 
zuhalten. Für die Zerstreuung der mit den Kon¬ 
gressmitgliedern anlangenden Damen wird ein 
eigenes Damenkomitee sorgen, das zunächst kreiert 
wird. 

Die verschiedenen Lokal-Komitees haben über¬ 
all sehr eifrig für den Kongress agitiert. Das 
unter dem Vorsitze Barriers, Direktor des tier¬ 
ärztlichen Instituts zu Alfort, stehende französische 
Komitee hat bisher 31 Mitglieder; Professor Gal¬ 
tier aus Lyon 13 Mitglieder; Direktor Degive 
aus Brüssel 34 Mitglieder, und Prof. Hess aus 
Bern 16 Mitglieder angemeldet. Auch das unter 
dem Vorsitze des Sektionsrates Binder stehende 
österreichische Komitee hat dem Generalsekretariat 
den Beitritt zahlreicher Kollegen angemeldet. Die 
Anzahl der bisher angemeldeten Mitglieder be¬ 
trägt zirka 300. 

Die in Angelegenheit der tropischen Krank¬ 
heiten abzuhaltende Konferenz hat namentlich in 
England und in den englischen Kolonien lebhaften 
Beifall gefunden. Das diesbezügliche Interesse 
äusserte sich dahin, dass der englische Minister 
des Aeussern durch den englischen Konsul zu 
Budapest ausser den bereits gesandten Einladun¬ 
gen, noch weitere 200 Einladungen nebst Programm 
erbeten hat. 


Einsendung von Original-Abhandlungen« 
Büchern, Monographien und Separat-Abdrilcken 
wird direkt an den Redakteur, Kreistierarzt Dr. 
O. Profd, Cöln a. Rh., Hansaring 50, oder an die 
Verlagshandlung Louis Marcus, Berlin SW., 
Tempelhofer Ufer 7, erbeten. 


tfttr d. Redaktion verantwortl. Kreistieragzt Dr. O. Profö, Cöln a. Rh., Hansaring 60. Druck von Pass & Garleb G m.b.H., Berlin W.35 
Verlag und Eigentum: Louis Marcus Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 61. 


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der Veterinär-Hygiene. 


3. JAHRGANG. JUNI 1905. 


HEFT 3. 


Ein Fall von Uveitis malleotica. 

von. J. de Haan, Arzt. 

Direktor des „Geneeskundigen Laboratoriums“ zu 
Weltevreden, Java, Niederl., Ost-Indien. 

Mitteilungen über Augenrotz kommen in 
der Literatur nicht häufig vor. Es scheint also 
diese Lokalisation des Krankheitsprozesses eine 
seltene zu sein. Richter 1 ) beschreibt den fol¬ 
genden Fall von Augenrotz bei einem Pferde. 
Das kranke Auge zeigte eine granulierende 
Keratitis. Die granulierende Stelle sass im 
temporalen Augenwinkel auf der Corneoscleral- 
grenze, war 12 mm lang, 5—7 mm breit, hatte 
eine grau- bis blaurote Farbe und eine körnige, 
ein wenig über die Umgebung hervorragende 
Oberfläche, in welcher graue bis graugelbe 
grieskorn- bis stecknadelkopfgrosse Körnchen 
vorkamen, die nach 1—2 Tagen in Zerfall über¬ 
gingen und kleine Geschwüre zurückliessen. 
Zwölf Stunden nach der Mallein-Einspritzung, 
durch welche die Rotzdiagnose sichergestellt 
wurde, war die granulierende Fläche grösser 
und roter, und während vor der Injektion nur 
einzelne Körnchen auf der Oberfläche zu 
finden waren, war jetzt die Hälfte der Ober¬ 
fläche nach dem inneren Augenwinkel hin da¬ 
mit besät. Ungefähr 36 Stunden nach der Ein¬ 
spritzung war das alte Bild wieder zurück- 
gekehrt. 

Dieser Fall, w r orüber die Mitteilung mir 
nur im Referat zugänglich war, wird auch von 
Nocard und Leclainche 2 ) zitiert. Sie 
geben dabei die Versicherung, dass „le dia- 
gnostic bacteriologiquc est assure par le pro- 
fresseur Schütz.“ Weiter fand ich noch eine 
Mitteilung von Strzeminski 3 ) über einen 
Tierarzt, der viel mit rotzigen Pferden in Be¬ 
rührung gewesen war und bei dem sich in 

x ) Richter. Ein Fall von Angenrotz beim 
Pferde. Jahresbericht der Veterinarmedicin 1896. 

*) Nocard et Leclainche. Les maladies 
microbiennes des animaux. 

3 ) Strzeminski. Ein Fall von primärem 
Rotz auf der Conjunctiva. Jahresbericht der Ve¬ 
terinarmedicin 1901. 


der Konjunktiva des unteren Augenlides ein 
kleines Knötchen bildete. Es wurde extirpiert 
und bei mikroskopischer Untersuchung wurden 
Rotzbazillen darin gefunden. Nach Kauterisa¬ 
tion der kranken Stelle mit dem Galvanocautcr 
folgte Genesung. 

Mit diesen zwei Fällen ist eigentlich, so¬ 
weit ich wenigstens die Literatur darüber hier 
habe nachschlagen können, die Kasuistik des 
Augenrotzes erschöpft. 

Es besteht noch eine Mitteilung über eine 
experimentelle Untersuchung G a 11 i e r s 4 ) über 
die Möglichkeit der Aufnahme des Rotzkon- 
tagiums durch die Konjunktiva. Bei 42 Meer¬ 
schweinchen brachte er eine Oese mit Rotz¬ 
bazillen in den Konjunktivalsack und sah, dass 
danach bei 22 Tieren eine Infektion auftrat. 
Die Konjunktiva zeigte oft keine Veränderun¬ 
gen, aber in den Halslymphdrüsen, den Lungen, 
der Leber und Milz entwickelten sich Rotz¬ 
knoten. Obwohl diese Untersuchung theoretisch 
sehr wichtig ist, scheint es mir doch sehr frag¬ 
lich, ob der allgemeine Rotz je in dieser Weise 
entsteht, da es wohl kaum Vorkommen wird, 
dass Infektionsmaterial in solcher Menge in 
den Konjunktivalsack gerät. 

Die grosse Seltenheit des Augenrotzes 
macht somit die folgende Beobachtung 
bemerkenswert. Bei einem rotzverdächtieren 
Pferde hatte sich allmählich eine Augen¬ 
erkrankung gebildet, die wohl einiger- 
massen auf die bei Pferden öfters vor¬ 
kommende Mondblindheit deutete, obwohl 
vom behandelnden Tierarzte die Möglichkeit 
einer rotzigen Erkrankung des Auges in Be¬ 
tracht gezogen wurde. Die Kornea war trübe 
und in der vorderen Augenkammer befand sich 
auf dem Boden ein Exsudat, das nur wenig 
flüssig war. Als die Vermutung des Rotzes zur 
Gewissheit geworden war, wurde das Tier ge¬ 
tötet und das Auge zur weiteren Untersuchung 
dem Laboratorium überlassen. Bei der makro- 

G a 11 i e r. lieber die Aufnahme von Con- 
tagien durch die Conjunctiva. Jahresbericht der 
Veterinarmedicin 1899. 


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50 


3. Jahrgang. 


Z' (M » 

/O 

^v*ortsohritte der Veterinär-Hygiene. 


skopischen Untersuchuitefcach sagittaler Durch¬ 
schneidung ergab sich, re^ 

Augenkammer ein zähflüssig^! Exsudärlag, 
das sich teilweise in dünner Schichte auch über 
die Hinterfläche der Kornea ausgebreitet hatte. 
An der temporalen Seite des Auges waren schon 
mit blossem Auge auf der Hinterfläche der 
Iris einige graugelbe stecknadelkopfgrosse 
Knötchen zu sehen inmitten eines graugelben 
Belages, der sich auch über die Chorioidea aus¬ 
breitete. Nach Härtung und Anfertigung mi¬ 
kroskopischer Schnitte dieses Teiles wurden in 
der Iris, dem Corpus ciliare und der Chorioidea, 
also im ganzen Uvealtraktus, eine Anzahl klei¬ 
ner Knötchen und ein kleinzelliges Infiltrat ge¬ 
funden, deren Zellen jedoch so dicht gedrängt 
waren, dass es nicht gelang, darin Rotzbacillen 
zu finden. Sie wurden aber in Rein¬ 
kultur gezüchtet aus dem Exsu¬ 
date, das Iris und Chorioidea be¬ 
deckte. Auch die Skleralgrenze der Kornea 
war mit Leukocyten infiltriert. 

Es ist nicht wahrscheinlich, dass die Rotz¬ 
mikroben von der Aussenseite her in das Auge 
geraten sind. Jedenfalls hat auch der Rotz, 
der in seinem ganzen Verlaufe so mancherlei 
Uebereinstimmung hat mit der Tuberkulose, 
wie wir sie beim Menschen beobachten, wie 
diese Krankheit das Vermögen, unter nicht 
näher zu bestimmenden Umständen in dem 
Uvealtraktus Metastasen zu bilden. 

Zur Kenntnis der Transsudate und 
Exsudate bei Tieren unter normalen und 
pathologischen Verhältnissen. 

Von Georg Kaiser, Homburg v. d. Höhe. 

(Fortsetzung und Schluss.) 
Untersuchungen der Transsudate 
und Exsudate auf den Gehalt an 
Bilirubin. 

A. Historisches. 

Der Gallenfarbstoff, das Bilirubin, dürfte 
aus den Lehrbüchern der Physiologie genügend 
bekannt sein. Es erübrigt hier nur noch, sein 
sonstiges Vorkommen und seine Verwandschaft 
mit anderen Körpern kurz klar zu legen. Bili¬ 
rubin soll mit den Haematoiden identisch sein, 
und führt sein Abstammen auf den Blutfarb¬ 
stoff zurück. Es ist wahrscheinlich, dass in 
der Leber Blutkörperchen aufgelöst werden, 


deren Hämoglobin durch Abgabe seines Eisen¬ 
gehaltes und Aufnahme von Wasser in Bili¬ 
rubin umgewandelt wird. Bilirubin findet 
sich ausser in der Galle überall da, wo ausser¬ 
halb des Kreislaufes Blut stagniert und der 
Zersetzung anheimfällt (15), so bei apoplek- 
tigen Blutergüssen, in Thromben, in jedem 
Graf sehen Follikel, aus dem sich in den¬ 
selben ergiessenden Blutstropfen bei der men- 
strualen Zerreissung desselben, bei allen Blut¬ 
ergüssen in den Lfungen und überall da, wo 
subkutan Blut injiziert wurde. Von Ehrlich 
wurde es in den pleuritischen Exsudaten bei 
Menschen festgestellt. 

Olof. Hamarsten berichtet über das 
Vorkommen von Gallenfarbstoff im Blutserum 
von Mensch und Tier. 

Dieser Autor führt die schöne bernstein¬ 
gelbe Farbe, welche oft im Pferdeblutserum 
beobachtet wird, wenigstens teilweise auf Bili¬ 
rubin zurück. Er stellte auf chemischem Wege 
das Bilirubin aus Pferdeblutserum dar. Die 
Menge des Farbstoffes wechselt sehr. 

Von 20 untersuchten Fällen fand er nur 
in drei Fällen kein Bilirubin. Das Blut zu 
seinen Untersuchungen entnahm er teils mittelst 
Aderlass bei lebenden Tieren, teils geschlachtet 
sofort nach der Tötung. Nach den Ergebnissen 
seiner Untersuchungen kommt er zu dem 
Schlüsse, dass Bilirubin als ein physiologischer 
Bestandteil des Pferdeblutserums aufzufassen, 
sei. Die Untersuchungen, die er über etwaigen 
Bilirubingehalt des Menschen- und Rinder¬ 
blutes anstellte, ergaben ein negatives Re¬ 
sultat. 

B. Eigene Untersuchung. 

Bei meinen Untersuchungen zum Nach¬ 
weis des Bilirubingehaltes der Transsudate und 
Exsudate bediente ich mich folgenden Ver¬ 
fahrens : 

Ich zentrifugierte die Flüssigkeit während 
einer Dauer von 10 Minuten, wobei sich die 
zelligen Elemente zu Boden setzten. Die klare 
Flüssigkeit wurde abgegossen und diese auf 
Bilirubin geprüft. 

Zum Nachweiss des Bilirubins wurde die 
Ehrlich sehe Diazolösung verwandt. Wie 
Ehrlich zuerst gezeigt hat, verbindet sich 
das Bilirubin mit Diazo-Verbindung zu einem 
prachtvollen Farbstoff, dem Azobilirubin, das 
in saurer Lösung blau, in neutraler rot, in 


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Heft 3. 


Fortschritte der Veterin&r-Hygiene. 


51 


ammoniakalischer violettrot ist. Mittelst der 
Diazolösung lässt sich das Bilirubin noch in 
einer Verdünnung von 1 : 60 000 (17) nach weisen. 
Um das Bilirubin im Blutserum, Transsudate 
etc. festzustellen, fällt man das in den ge¬ 
nannten Flüssigkeiten enthaltene Eiweiss zu¬ 
nächst mit Vs Alkohol aus, filtriert, setzt zu 
dem alkoholischen Filtrat Diazolösung zu und 
säuert mit Salzsäure stark an. 

Ist Bilirubin in nicht zu geringer Menge 
vorhanden, so färbt sich die Flüssigkeit pracht¬ 
voll blau. Ist Bilirubin nur in Spuren da, so 
färbt sich die Flüssigkeit leicht bläulich. 
Schüttelt man die Flüssigkeit mit Chloroform 
aus, so geht das Azobilirubin je nach der Kon¬ 
zentration der Lösung mit blauer oder blau¬ 
violetter Farbe in das Chloroform über. 

In meinen Protokollen bezeichne ich ein 
Bilirubingehalt, bei dem sich die Flüssigkeit 
schön blau färbt, als „deutliche Reaktion 1 ', 
eine solche, bei dem die Flüssigkeit nur etwas 
leicht bläulich wird, als „Spur 1 '. 

Zusammensetzung der Diazolösung: 

I. 1 g Amidoazetophenon werden in 1000 ccm ver¬ 
dünnter Salzsäure gelöst und 950 ccm Wasser 
und 50 ccm Salzsäure. 

II. 0,5 Natrium nitrit, in 100 ccm destilliertem Wasser. 
Zum Gebrauch werden 40 ccm von Lösung I mit 

1 ccm von Lösung II vermischt. 

Von 12 Pferden zeigten in der Peritoneal¬ 
flüssigkeit 11 Spuren, 1 deutliche Reaktion, 
von 10 Pferden in der Pericardialflüssigkeit 

2 Spuren, 8 deutliche Reaktion, von 5 Pferden 
in der Pleuralflüssigkeit 1 keine Reaktion, 3 
Spuren, 1 deutliche Reaktion. Je 4 Rinder 
und Schafe und 5 Schweine Hessen in sämt¬ 
lichen zur Untersuchung gelangten Flüssig¬ 
keiten keinerlei Reaktion wahmehmen. 

Die Befunde über den Bilirubingehalt 
(lecken sich mit dem Befunde von O. Ha¬ 
inarsten und bestätigen, dass im Pferde¬ 
serum im Gegensatz zum Serum der übrigen 
Tiere Bilirubin enthalten ist. 

Dementsprechend fand ich auch in den 
Transsudaten und Exsudaten des Pferdes 
gleichfalls Bilirubin. 

Untersuchungen auf den Gehalt der 

Transsudate an Hämolysin. 

Historisches. 

Belfanti und Parbone stellten als 
die Ersten fest, dass durch Behandlung von 


Tieren mit den Blutkörperchen einer fremden 
Spezies das Serum dieser Tiere eine hohe Gif¬ 
tigkeit für eben diese Spezies gewann. Bor¬ 
det gelang der Nachweis, dass diese Giftwir¬ 
kung in corpore die Fähigkeit einer spezi¬ 
fischen Hämolyse in vitro entspricht. Das Er¬ 
gebnis dieses Versuches war, dass durch Ein¬ 
führung roter Blutkörperchen einer beliebigen 
Spezies in den Organismus einer anderen die 
Bildung von Hämolysinen ausgelöst wird, 
welche die Blutkörperchen der Spezies, deren 
Blut zur Injektion benutzt war, so schädigt, 
dass ihr Hämoglobin in Lösung geht. 

Neuerdings ist es den für die gesamte 
Pathologie hoch bedeutsamen Forschungen von 
Ehrlich und Morgenroth gelungen, den 
Mechanismus dieser Vorgänge eingehend zu 
untersuchen und aufzuklären. 

Historischer Rückblick und Zu- 
sammenfa8sungder Lehre Ehrlichs. 

Durch Untersuchungen von Landois, 
später von Büchner (18) und anderen war 
es bekannt, dass dem Serum mancher Tiere 
die Eigenschaft zukommt, auf das Blut von 
Tieren anderer Spezies in der Weise einzu¬ 
wirken, dass dasselbe durch Austritt des Hä¬ 
moglobins aus den roten Blutkörperchen lack- 
farben wird, ein Vorgang, der jetzt allgemein 
als Hämolyse bezeichnet wird. 

Der feinere Mechanismus, welcher sich bei 
diesen Vorgängen abspielt, wurde erst später 
geklärt, als es bekannt wurde, dass (diese 
hämolytische Eigenschaft des Blutes gesteigert 
werden kann durch Einverleibung von roten 
Blutkörperchen einer Tierspezies bei einer 
anderen, also kurz gesagt durch ein Immuni¬ 
sieren mit und gegen rote Blutkörperchen 
(Bordet). 

Vor allem ist es das Verdienst Ehrliche 
und Morgenroths (19), die Vorgänge, 
welche bei dieser künstlich gesteigerten Hä¬ 
molyse sich abspielen, genau studiert zu haben. 

Unter anderem stellten sie durch Vergleich 
mit den normalen hämolytischen Vorgängen 
fest, dass der Mechanismus der normalen und 
künstlich gesteigerten Hämolyse dem Wesen 
nach dasselbe ist und es sich nur um eine 
quantitative Verschiedenheit handelt. 

Dieses erscheint auf Grund der heute fast 
allgemein anerkannten SeitenkettentheDrie 
Ehrlichs als durchaus verständlich. 


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52 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


3. Jahrgang. 


Nach der Ehrlich sehen Anschauung be¬ 
steht jede Zelle aus einem Leistungskern und 
verschiedenen Seitenketten. Die Seitenketten 
haben zu den im Blute kreisenden Nährstoffen 
chemische Affinitäten. 

Den Seitenketten, die Ehrlich mit dem 
Namen Rezeptor belegt hat, kommt die Eigen¬ 
schaft zu, die verschiedensten Stoffe, die in 
der Blutbahn kreisen, abzufangen. Während 
Nährstoffe, die auf solche Weise von der Zelle 
verankert werden, für den Haushalt der Zelle 
nutzbar gemacht werden, ist das Verhalten der 
Zellen .unter bestimmten Bedingungen ein 
ganz anderes. So gegenüber den Toxinen und 
denjenigen Stoffen, gegen welche eine Immuni¬ 
tät des Organismus zu erzielen ist. Diejenigen 
Stoffe, gegen welche immunisiert werden kann, 
gehören wohl zu den komplizierten Eiweiss¬ 
verbindungen, stehen also chemisch den Nah¬ 
rungsmitteln äusserst nahe. Werden nun der¬ 
artige Giftstoffe in einen Organismus einge¬ 
führt, so werden sie von denjenigen "Rezep¬ 
toren, mit welchen sie chemisch verwandt sind, 
zunächst ergriffen und an die Zelle gebunden. 
Es entsteht dadurch ein Rezeptorendefekt, in¬ 
dem so die so besetzten Rezeptoren für die 
physiologische Verankerung von Nährstoffen 
nicht mehr disponibel sind. Es wäre die Zelle, 
falls der Zustand so bliebe, nicht imstande, 
das Nahrungsmittel, welches normaliter von 
diesem besetzten Rezeptor ergriffen werden 
soll, an sich zu ziehen. Es ist also eine not¬ 
wendige Forderung für die Erhaltung der 
Zelle, dass dieser Rezeptor neu gebildet wird. 

Man ist nun sicher berechtigt, das Wei¬ 
gert sehe Gesetz der Ueberkompensation auch 
auf diese feinsten biologischen Zellenvorgänge 
zu übertragen, und so nahm Ehrlich an, dass 
auch in diesem Falle nicht nur ein Rezeptor 
der verlorengegangenen Art, sondern eine 
ganze Reihe neuer gebildet wird. Werden auch 
diese Rezeptoren durch Einführung der auf 
dieselbe passenden Substanz besetzt, so wird 
es wieder zu einer Regenerierung kommen, die 
schliesslich einen solchen Umfang annimmt, 
dass sie von der Zelle losgestossen frei im 
Serum kreisen. 

Diese losgestossenen Rezeptoren stellen 
das Immunisierungsprodukt dar und werden 
bei einer neuen Einführung des giftigen Ei¬ 
weissmoleküls dieses während der Zirkulation 


im Blute abfangen, und so verhindern, dass 
die noch in der Zelle sitzenden Rezeptoren be¬ 
legt und so unter Umständen durch toxische 
Wirkung zerstört werden. 

Ganz dieselben Vorgänge spielen sich nun 
ab (bei der Immunisierung !mit roten Blut¬ 
körperchen. 

Wir sehen nach Einführung derselben in 
einen Tierorganismus eine Neubildung und 
Lostrennung von Rezeptoren stattfinden. Diese 
losgestossenen [Rezeptoren belehnet Ehr¬ 
lich .als Immunkörper oder Zwischenglied. 
Es stellt sieh nämlich heraus, dass die Wir¬ 
kungsweise dieses Immunisierungsproduktes 
nicht eine so einfache ist wie die Wirkung 
des durch Bakterienprodukte erhaltenen Anti¬ 
körpers. 

In diesem letzteren Falle genügt das Zu¬ 
sammentreten des Immunisierungsproduktes, 
d. h. des Antitoxins mit dem Toxin, um letz¬ 
tere unwirksam zu machen. Es verhalten sich 
beide zu einander wie Säure und Base. 

Die Wirkung eines durch Immunisieren 
erzeugten hämolytischen Serums findet nur 
statt, wenn das Serum frisch ist. Es geht fast 
stets verloren bei längerem Stehen oder wenn 
man das Serum eine halbe Stunde auf 56° 
erwärmt. In beiden Fällen wird aber die ur¬ 
sprüngliche hämolytische Wirksamkeit des 
Serums sofort wieder hergestellt, wenn man 
frisches, normales Serum hinzufügt. 

Es besteht in diesem Verhalten eine ab¬ 
solute 'Uebereinstimmung der hämolytischen 
Sera mit den Baktericiden, wie Pfeiffer 
bereits früher beschrieben hat. Durch geist¬ 
reiche Versuche, die näher zu erörtern hier zu 
weit führen würde, haben Ehrlich und 
Morgenroth mit unumstösslicher Sicherheit 
nachgewiesen, dass das Immunisierungsprodukt 
von Ehrlich als Immunkörper bezeichnet, 
welches bei der Behandlung eines Tieres mit 
roten Blutkörperchen und auch mit Bakterien 
in der vor besprochenen Weise entsteht, direkt 
mit den Zellen derselben Art, welche die Los* 
stossung der Rezeptoren veranlasst haben, Zu¬ 
sammentritt und sich imit einer bindenden 
Gruppe fest an ihnen verankert. 

Es ist als solches aber noch nicht imstande, 
die Zelle zu schädigen, dazu ist es notwendig, 
dass noch ein anderer Faktor hinzutritt, der 
eine Verwandtschaft zu einer zweiten binden- 


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Heft 3. 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


53 


den Gruppe des Immunkörpers haben muss 
und auch dieser, der nur als Zwischenglied 
fungiert, die Zelle vernichtet. Dieser zweite 
Stoff, der im Gegensatz zu dem recht stabilen 
Immunkörper zu den allerlabilsten Substanzen 
gehört, die wir kennen, nennt Ehrlich Kom¬ 
plement. 

Erwähnt sei noch, dass Ehrlich für 
einen solchen Immunkörper, der also zwei 
Affinitäten hat, den Namen Ambocepter ein¬ 
geführt hat, während er den antitoxischen 
Immunkörper, der allein schon wirksam ist, als 
Uniceptor bezeichnet. (Siehe Schlussbetrach¬ 
tung Ehrlichs [10].) 

Das Komplement ist ein Bestandteil des 
normalen Serums. Wodurch eine Steigerung 
oder Veränderung desselben im Organismus 
herbeigeführt wird, ist uns unbekannt. Der 
Immunkörper dagegen ist also abhängig bei 
einer künstlichen Immunisierung von der Art 
und Menge der eingeführten Eiweissstoffe, 
muss dann aber bei nicht behandeltem Tier 
sicher abhängig sein von Einflüssen wie die 
Fütterung oder wie der Zerfall und Resorption 
von Zellen, der ja beständig im Organismus 
vor sich geht. 

Ein genaueres Studium der hämolytischen 
Sera unter den verschiedensten Bedingungen 
muss im Laufe der Zeit unbedingt dazu führen, 
unsere Kenntnisse der feinsten biologischen 
Vorgänge zu erweitern. 

So wollte ich es auch nicht unterlassen, da 
mir in den Transsudaten und Exsudaten ein 
schönes Material zu Gebote stand, durch Unter¬ 
suchung derselben auch nach dieser Richtung 
hin einen kleinen Beitrag für die physiologische 
Forschung zu liefern. 

Eigene Untersuchungen. 

Die Versuche wurden in der Weise aus¬ 
geführt, dass eine Serie Reagensgläser mit ab¬ 
steigender Menge der zentrifugierten. Flüssig¬ 
keit beschickt und alsdann ein Tropfen defi- 
briniertes Kaninchen- oder Meerschweinchen¬ 
blut oder 1 ccm 5 o/o Aufschwemmung von 
Blutkörperchen dieser Tiere in 0,85 °/o Koch¬ 
salzlösung zugegeben wurde. Nach zweistün¬ 
digem Verweilen im Brutschrank und nach 
weiteren 12 Stunden im Eisschrank ist der 
Versuch beendet und man sieht dann, ob die 
eventuelle Lösung der Blutkörperchen ein¬ 
getreten ist. 


Macht man mit abfallender Menge der zen¬ 
trifugierten Flüssigkeit Reihen, so findet man 
leicht die Grenzen der kompletten Lösung und 
die Grenze, wo keine Spur von Lösung mehr 
eintritt. 

Als „komplett 4 ‘ ist in folgendem stets die¬ 
jenige Probe bezeichnet, bei welcher ein Um¬ 
schütteln keinerlei corpusculäre Elemente mehr 
erkennen lässt, dann folgt „inkomplett“, wenn 
noch fein deutlich zusammenhängendes Sedi¬ 
ment zu konstatieren war, dann folgt „Spur“ 
und dann „Null 4 *. 

Es sind zunächst von 8 Pferden die ver 
schriedenen Flüssigkeiten in steigenden Mengen 
0,1 bis 1,0 untersucht worden. Weder Meer¬ 
schweinchen- noch Kaninchenblut wird vom 
Pferdetranssudate gelöst. Auch in einem Falle 
eines an Lumbago leidenden Pferdes, wo Se¬ 
rum und Transsudate geprüft wurden, fand 
sich keine hämolytische Wirkung. Auch Blut 
eines anderen normalen Pferdes wurde von 


Serum und Transsudate nicht gelöst (kein 
Isolysin). 

Versuche mit Flüssigkeiten von Rindern. 

1. Zugesetzt 1 ccm 5% Kaninchenblutlösung. 


Peritoneal!! iiss igkeit 
1,0 —komplett 
0,75 = „ 

0,5 = „ 

0,25 = inkomplett 
0,1 = rot 


Perikardial fliissigkeit 
1,0 = komplett 
0,75 — inkomplett 
0,5 = rot 
0,25 = Spur 
0,1 = Null. 


2. Zugesetzt 1 ccm 5% Kaninchenblutlösung. 


Peritonealflüssigkeit 
1,0 — komplett 
0,75 = 

0,5 = „ Schleier 

0,25 = 

0,1 = rot 


Perikardialflüssigkeit 
1,0 = komplett 
0,75 = inkomplett 
0,5 = rot 
0,25 = Spur 
0,1 = Null. 


3. Zugesetzt 1 ccm 5% Meerschweinchenblutlösung. 


Peritoneal fliissigkeit 
0,1 = inkomplett 
0,75 — 

0,5 = 

0,25 «?= rot 
0,1 = Spur 


Pleuralflüssigkeit 
0,1 = inkomplett 
0,75 = 

0,5 = 

0,25 — Spur 
0,1 — rot. 


4. Zugesetzt 1 ccm Meerschweinchen bl utlösung 
Pleuralflüssigkeit Perikard ialfliissigkeit 

1,0 = komplett 1,0 = komplett 

0,75 = * 0,75 = inkomplett 

0,5 = „ 0,5 = „ 

0,25 = rot 0,25 = Spur 

0,1 ==. Spur 0,1 — Null. 

5. Zugesetzt 1 ccm 5% Kaninchenblutlösung. 
Perikardialflüssigkeit 

1,0 = komplett 0,5 — inkomplett 

0,75 = w 0,25 = Spur 

0,1 = Null. 


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54 


Fortschritte der Veterinär-Hy giene. 


3. Jahrgang. 


6. Kalb, zugesetzt ein Tropfen defibriniertes 
Kaninchenblut. 

Peritonealflüssigkeit 
1,0 = inkomplett 0,5 = rot 

0,75 = rot 0,25 = Spur 

0,1 = Null. 

7. Kalb, zugesetzt ein Tropfen defibriniertes Meer¬ 
schweinchenblut. 

Perikardialflüssigkeit 
.1,0 inkomplett 0,5 rot 

0,75 rot 0,25 Spur 

0,1 = Nuü. 

Die Transsudate vom Rinde lösen regel¬ 
mässig Meerschweinchen- und Kaninchenblut. 
Kaninchenblut scheint in der Regel etwas 
stärker gelöst zu werden. Die Transsudate 
von Kälbern scheinen nach den von mir an- 
gestellten Versuchen eine deutlich geringere 
Wirkung zu haben, als die von Erwachsenen. 
Die lösende Wirkung des Serums beim Ochs 
ist anscheinend nur um ein geringes stärker. 

Die in gleicher Weise angestellten Ver¬ 
suche mit 3 Schafen ergaben, dass die Trans¬ 
sudate der Schafe lösen und keinen Unterschied 
von einander zeigen. 

Die in gleicher Weise wie beim Rinde vor¬ 
genommenen Versuche mit Flüssigkeiten von 
7 Schweinen ergaben, dass die Transsudate 
vom Schwein auf Meer sch weinchenblut lösende 
Wirkung zeigen, während Kaninchenblut nicht 
gelöst wird. Das Serum zweier Tiere, das auf 
Kaninchenblut einwirkte, hatte nur eine Spur 
Lösung. 

* * 

♦ 

Die vorliegenden Versuche dürften immer¬ 
hin eine gewisse Grundlage für das weitere 
Studium der normal vorkommenden Hämoly- ( 
sinen der Körperflüssigkeiten bilden. Aus den 
Versuchen mit dem Transsudate von Ochs, 
Kalb, Schaf, Schwein ergibt sich, dass sich in 
demselben wirksame normale Hämolysine be¬ 
befinden. Die Transsudate vom Schaf ent¬ 
halten, wie ja auch regelmässig das Serum 
dieser Spezies, Hämolysine (Zwischenkörper + 
Komplement) für die Blutkörperchen des Ka¬ 
ninchens und Meerschweinchens. 

Auch die Transsudate des Ochsen lösen 
diese Blutkörperchen arten auf, ein Verhalten, 
das demjenigen, welches man wohl meistens 
beim Serum dieser Spezies antrifft, entspricht. 

Von Interesse dürfte es sein, dass anschei¬ 
nend bei Saugkälbern die hämolytische Wir¬ 
kung der Transsudate eine geringere ist und 


man geht vielleicht nicht fehl, wenn man hier 
einen gewissen Einfluss der Ernährung an¬ 
nimmt. Ein abweichendes Verhalten zeigen die 
Transsudate des Schweines, indem dieselben 
nur ein Hämolysin für Meerschweinchenblut, 
kein Hämolysin für Kaninchenblut enthalten. 
Frei von Hämolysin erweisen sich die Sera 
und Transsudate der zahlreich von mir unter¬ 
suchten Pferde. 

Ob das Ausbleiben der hämolytischen Wir¬ 
kung auf der Abwesenheit von Zwischenkör¬ 
pern oder Komplement oder auf dem Fehlen 
von beiden beruht, müsste noch der Gegen¬ 
stand besonderer Untersuchung sein. Die von 
mir erhaltenen Befunde können durchaus nicht 
unerwartet sein, da auch das Serum des Pferdes 
in vielen Fällen keine oder nur sehr geringe 
hämolytische Wirkung für das Kaninchen- und 
Meerschweinchenblut besitzen. 

Der Zweck meiner allerdings lückenhaften 
Untersuchungen wäre erfüllt, wenn dieselben 
dem tierärztlichen Kliniker eine gewisse Grund¬ 
lage geben würde für die Untersuchungen über 
das Verhalten pathologischer Exsudate, denn 
ich bin überzeugt, dass auch die Veterinär¬ 
medizin von dem eingehenden Studium der 
Körperflüssigkeiten in der Richtung, wie sie 
Ehrlich in seinen Schlussbetrachtungen vor¬ 
gezeichnet hat, für die Diagnostik und für das 
Verständnis mancher pathologischer Prozesse 
reichen Nutzen ziehen würde. 

Für erfolgreiche, Fehlerquellen vermei¬ 
dende Untersuchungen dieser Art ist aber vor 
allem eine gründliche Kenntnis der normalen 
Körperflüssigkeiten nötig, da in den oft be¬ 
deutenden individuellen Schwankungen ihrer 
Eigenschaften sonst die Möglichkeit mannig¬ 
faltiger Irrtümer gegeben ist. 

♦ * 

* 

Zum Schlüsse ist es mir eine ebenso an¬ 
genehme wie ehrenvolle Pflicht, Herrn Geheim¬ 
rat Prof. Dr. Ehrlich für die liebenswürdige 
Bereitwilligkeit, mit der er mir einen Arbeits¬ 
platz im Königl. Institut für experimentelle 
Therapie zu Frankfurt a. M. zur Verfügung 
gestellt hat und für das ständige Interesse und 
die unablässige Förderung, die er mit Rat und 
Tat mir bei meinen Arbeiten entgegengebracht 
hat, auch an dieser Stelle meinen aufrichtigsten 
Dank zu sagen. 


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Heft 3. 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


55 


Verzeichnis der benutzten Literatur. 

1. Ehrlich-Lazarus. Die Anämie. 

2. Wi dal-Rav aut. Applications cliniques de 
l’6tude histologique des äpanchements s6ro-flbrineux 
de la plövre (pleurösies tuberculeuses). Comptes 
Rendus de la sociötö de Biologie 1900. 

3. Dieselben. Applications cliniques de l’6tude 
histologique des 6panchements s6ro-fibrineux de la 
plövre (pleurösies möcaniques). Comptes Rendus etc. 

4. Dieselben. Applications cliniques de Tötude 
histologique des 6panchements söro-flbrineux de la 
pl&vre (pleuräsies infectieuses aigues). Comptes 
Rendus xx. 

5. Dieselben. Recherches histologiques sur le 
liquide des pleurösies experimentales. 

6. L. Milschner. Ueber das Vorkommen von 
Mastzellen bei myelogener Leukämie. Zeitschrift für 
klin. Medizin 1900. p. 194. 

7. Alfred Wolf. Transsudate und ihre Mor¬ 
phologie und Unterscheidung. Zeitschrift für klin. 
Medizin 1901. No. 5 u. 6. p. 398. 

8. Litten. Zur Diagnostik der pleuritischen 
Exsudate. Med. Woche 1901 No. 19. 

9. Coenen. Ueber künstlich erzeugte Exsu¬ 
date. 1901. 

10. M. L. Ran vier. Sur les 616ments anatomi- 
ques de la s6rosit6 peritoneale. Comptes Rendus des 
seanoes. 1890—91. 

11. J. Sabrazes-L. Muratet. Formule cyto- 
logique des serosites normales de la plevre et du 
peritoine du boeuf. Comptes Rendus de l’academie 
des Sciences. 31. XII. 1900. 

12. J. Sabrazes-L. Muratet. Titel No. 11. Am 

21. X. 1900. 11. XI. 1900. 

13. Ehrlich-Lazarus. Die Anämie. Noth¬ 
nagels spez. Pathologie und Therapie. 

14. Ehrlich-Lazarus. 

15. Landois. Lehrbuch für Physiologie 1900. 

16. Olof Hamarsten. Om förekomsten af gall- 
fÖryämm i blodserum. Upsala Lakarefbrenings 
förhaudlingar 14.50. Ref. i. Maly’s Tierarschiv VIII. 
1878. 

17. Dr. Pröscher. Ueber Acetophenon arobili- 
rubin. Hoppe-Seilers Zeitschrift XXIX Heft 5 u. 6. 

18. S. Büchner. Münchener mediz. Wochen¬ 
schrift 1900. No. 9. 

19. Ehrlich-Morgenroth. Ueber Hämolysine. 
Erste bis sechste Mitteilung. S. A. 

20. Ehrlich. Schlussbetrachtungen. S. A. aus 
Nothnagels spez. Pathologie und Therapie. 


Oeffentliches Veterinärwesen. 

Stand der Tierseuchen im Deutschen Reich 
am 15. Mai 1905. 

Der Botz gelangte zur Feststellung in 
Preussen in 11 Gemeinden und 14 Gehöften, in 
Bayern in 3 Gemeinden und 3 Gehöften, zu¬ 
sammen somit in 14 Gemeinden und 17 Ge¬ 


höften. Die Aphthenseuche wurde ge¬ 
meldet in Preussen aus je einem Gehöft der 
Regierungsbezirke Königsberg, Posen, Brom¬ 
berg und Breslau, aus 7 Gemeinden und 
11 Gehöften Bayerns, aus 4 Gemeinden und 
ebensovielen Gehöften in Württemberg, aus 
2 Gemeinden und 6 Gehöften in Hessen, zu¬ 
sammen somit aus 17 Gemeinden und 25 Ge¬ 
höften. Die Schweineseuche einschliesslich 
der Schweinepest gelangte zur Anzeige 
in 1762 Gemeinden und 2263 Gehöften. 


Referate. 

1 nfektion skrankh eiten. 

E. t. Behring. Ueber alimentäre Tuber¬ 
kuloseinfektion im Säuglingsalter 
(Klinik d. Tuberkulose B. IH, 2). 

Verf. hält an der Anschauung fest, dass „die 
menschliche Lungenschwindsucht nur das Ende vom 
Liede ist, das einem Schwindsuchtskandidaten an 
der Wiege gesungen ist“, d. h. dass genau wie bei 
der Lungentuberkulose der erwachsenen Rinder, die 
Lungenphtise auch beim Menschen das typische 
Ende einer chronisch verlaufenden, epizootischen 
Tuberkuloseinfektion im Säuglingsalter ist, die nicht 
mit Selbstheilung endigte. Dann betont Verf. noch¬ 
mals, auf den Inhalt seines Stockholmer Vortrages 
zurückkommend, die Möglichkeit der Tuberkulose- 
immun isierung von Rindern und die Priorität seiner 
Ergebnisse gegenüber M’Fadgan. Es wird freilich 
erst die Zukunft entscheiden, ob die durch Jenneri- 
sierung gegen Perlsucht geschützten Kühe auch 
dauernd nach längerer Benutzung zu intensiver 
Milchproduktion gegen Tuberkulose immun bleiben, 
ob ihre Mischmilch in der Tat ganz frei von Tuberkel¬ 
bazillen ist und daher auch ohne Sterilisierung ein 
ideales, der enormen Säuglingssterblichkeit vor¬ 
beugendes Nahrungsmittel bildet v. Behring weist 
auf die Mangelhaftigkeit auch der „Milchkuranstalten“ 
und Sanitätsmolkereien hin und ihre abnorm hohen 
Preise und betont, dass der Keim zur Tuberkulose 
ebensogut durch die bazillenhaltige Muttermilch, als 
durch ebenso infizierte Kuhmilch auf den Säugling 
übertragen werden kann und dass auch durch die 
Milch, die bazillenfrei war, insofern Infektionen ver¬ 
mittelt werden können, als alle Bazillen, die sich auf 
andere Weise (Staub, Tröpfchen der Atmungsluft 
Kranker etc.) in der Mundhöhle der Kinder an¬ 
gesiedelt haben, durch die Milch in Magen und Darm 
hinuntergespült werden. „Die Säuglingsmilch ist 
die Hauptquelle der Schwindsuchtsentstehung.“ 
Energisch bekämpft Verf. das Missverständnis seiner 
Gegner (Heymann und Speck u. a ), die ihm an 
Stelle dieses Satzes die Worte in den Mund gelegt 
hatten: die Kuhmilch ist die Hauptquelle für die 
Schw indsuchtsentstehung. 

Verf. betont nachdrücklich, dass er die Möglich- 

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Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


3. Jahrgang. 


keit der Infektion Erwachsener mit Tuberkulose¬ 
virus anerkenne, dass diese Infektion sogar enorm 
häufig sei; nur dass gerade sie das Bild der ulzerösen 
Schwindsucht hervorrufen sollen, bestreitet er. Die 
Inhalationstheorie (Flügge, Comet) hält er nach wie 
vor für unzutreffend. 

Die lokalen Gewebszerstörungen der Lungen¬ 
schwindsucht seien der Ausdruck der Infektion bei 
einem durch frühzeitigen Import von Tuberkel¬ 
bazillen weniger tuberkuloseempfänglich gewordenen 
Individuum. Wenn man Bazillenmengen, wie die 
der Schwindsuchtlunge in die der Gewebssäfte eines 
noch nicht partiell immunisierten Menschen bringen 
würden, so bekäme er eine Miliartuberkulose, aber 
keine Lungenschwindsucht. Was die Vererbung der 
Tuberkulose betrifft, so betont Verf. im Gegensatz 
zur kongenitalen und prägenitalen die postgenitale 
Heredität. Jacob. 

C. Flügge« Erwiderung auf v. Behrings 
Artikel: Ueber alimentäre Tuber¬ 
kuloseinfektion (ibid.) 

Verf. kann nach wie vor nur den Leitsatz „Kuh¬ 
milch als Hauptquelle der Infektion“ (statt Säuglings¬ 
milch“) aus Behrings Publikationen herauslesen, da 
Behring selbst auf dfe praktisch enorm seltene 
Tuberkelbazilleninfektiön der Muttermilch nicht 
weiter eingeht und sich v. Behrings ganze Wirk¬ 
samkeit doch im wesentlichen auf die Bekämpfung 
der Tuberkulose durch den Versuch einer Tilgung 
der Tuberkelbazillen in der Kuhmilch erstreckt. 
Nach Verf. teilen diese angeblich falsche Auffassung 
Wolff, Schlossmann, Unruh, Ritter, Volland, Cornet, 
Loeffler, Fischer, B. Fraenkel, Bajinsky u. a. Dann 
protestiert F. energisch gegen die „Wortverdrehung“, 
die darin liegt, dass v. Behring das Hinunterspülen 
von sonstwie in den Mund gelangten Tuberkelbazilien 
durch die Säuglingsmilch, ebenfalls unter die Rubrik 
„Säuglingsmilch, Quelle der Infektion“, bringt, gegen 
die Verwechslung des Begriffes „Infektionsquelle“ 
mit dem beliebigen indifferenten Vehikel der Keime. 
Ebensogut wie die Milch könnte man auf diese Weise 
den Speichel, das Wasser und die Malzsuppo als die 
„Infektionsquelle der Säuglingstuberkulose“ ansehen. 
Weiterhin konstatiert F., dass v. Behrings Auffassung 
über Verbreitungsweise und Bekämpfung der Phtise 
sich insofern der seinigen genähert habe, als er die 
grössere Gefährlichkeit des menschlichen Tuber¬ 
kulosevirus nicht durch stärkere Virulenz, sondern 
durch reichlicher gebotene Infektionsgelegenheit be¬ 
dingt sieht. Jacob. 

Kossel, Weber, Heuss, Vergleichende Unter¬ 
suchungen über Tuberkelbazillen 
verschiedener Herkunft. II. Tuberku¬ 
lose-Arbeiten a. d. Kaiserlichen Gesundheitsamt, 
3. lieft. 1905. 

Die in Helft I der Tuberk.-Arb. veröffentlichten 
Untersuchungen hatten ergeben, dass in der über¬ 
wiegenden Mehrzahl der Fälle von menschlicher 
Tuberkulose Tuberkelbacillen gefunden wurden, 
welche sich von den Erregern der Perlsucht des 
Rindes morphologisch, kulturell und in ihrem pa¬ 


thogenen Verhalten unterscheiden. Beim Menschen 
kommen jedoch auch in tuberkulös veränderten Or¬ 
ganen TuberkelbaciUen vor, welche in ihrer Eigen¬ 
schaft den Erregern der Perlsucht gleichen. 

In der vorliegenden Arbeit haben die Verff. 
diese Versuche ergänzt und namentlich auf die 
Versuche mit Verfüttrung und Einatmung von 
Tuberkelbacillen das Hauptgewicht gelegt. 

Die Untersuchung der Tuberkelbacillenstämme 
in den Kulturen ergab, dass von 64 aus Tuber¬ 
kulose des Menschen gezüchteten Kulturstämmen 
56 den Typus humanus, 8 den Typus bovinus zeigten. 
Aus tuberkulösen Veränderungen bei 11 Rindern 
wurden 13 Kulturstämme gezüchtet, welche sämt¬ 
lich den Typus bovinus auf wiesen. Aus tuberkulösen 
Veränderungen bei Schweinen stammten 7 Kulturen, 
welche ebenfalls zum Typus bovinus gehörten. Die 
betreffenden Stämme hielten die ihnen zukommen¬ 
den Eigenschaften mit grosser Zähigkeit fest, es 
liess sich eine Aenderung des Typus humanus auch 
dann nicht feststellen, wenn sie Passagen durch 
Rinder, Ziegen und Schweine durchgemacht hatten. 

Das Verhalten der verschiedenen Tuberkel¬ 
bacillenstämme wurde an Kaninchen und Rindern 
durch Impfung geprüft. 

Bei Kaninchen erwiesen sich die aus Rindern 
und Schweinen gezüchteten 20 Stämme bei Ein¬ 
spritzung unter die Haut als hochpathogen. 

Von den von Menschen stammenden Kulturen 
wurden 52 Stämme des Typus humanus und 8 des 
Typus bovinus in der Menge von 0,01 g Kaninchen 
unter die Haut gespritzt. Von den 52 Stämmen 
des Typus humanus vermochte nur ein einziger 
Stamm, in welchem, wie sich bei genauer Unter¬ 
suchung herausstellte, beide Typen von Bacillen 
enthalten waren, allgemeine disseminierende Tuber¬ 
kulose hervorzurufen. Die Stämme des Typus bo¬ 
vinus töteten ausnahmslos Kaninchen unter den 
Erscheinungen der allgemeinen Tuberkulose. Der 
Unterschied in der krankmachenden Wirkung des 
Typus humanus und des Typus bovinus bei Kanin¬ 
chen kam auch bei intravenöser Einspritzung ge¬ 
nau abgewogener Kulturen zum Ausdruck. Bacillen 
des Typus bovinus in einer Menge von 1—2 mgr. 
intravenös verimpft, töteten Kaninchen in 17 bis 
20 Tagen an allgemeiner Miliartuberkulose, wäh¬ 
rend in derselben Menge eingespritzte Bacillen des 
Typus humanus zuerst das Allgemeinbefinden der 
Tiere gar nicht beeinträchtigten. Erst nach Mo¬ 
naten fanden sich Zeichen der chronischen Tuber¬ 
kulose. Manchmal kam es gar nicht zur Erkrankung. 

Die Versuche an Rindern erstreckten sich auf 
Einspritzungen unter die Haut oder in die Hohlvene. 

Im ganzen wurden einschliesslich der in dem 
ersten Teil der Arbeit beschriebenen Versuche durch 
Einspritzungen unter die Haut 24 Rinder infiziert 
und mit 20 Stämmen von Tuberkelbacillen tierischer 
Herkunft (13 aus 11 Rindern^ 7 aua 7 Schweinen), 
welche in der Kultur den Charakter des Typus 
bovinus zeigten und beim Kaninchen hochvirulent 
waren. Von diesen 24 Rindern erkrankten 23 an 


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Heft 3. 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


57 


disseminierter Tuberkulose, 9 verendeten an Tuber¬ 
kulose oder mussten schwerkrank getötet werden. 
Sämtliche 20 Stämme aus Tuberkulose tierischer 
Herkunft erzeugten demnach disseminierte Tuber¬ 
kulose. Einspritzungen sehr geringer Mengen in 
die Halsvene führten bei einem Tier nach 17 Tagen 
zum Tode. 

Versuche mit Kulturstämmen aus Tuberkulose 
bei Menschen ergaben bei Rindern folgendes Re¬ 
sultat : Im ganzen waren 64 Kulturstämme aus 
tuberkulösen Veränderungen bei Menschen gezüchtet 
worden, von welchen 58 dem Typus humanus, 8 
dem Typus bovinus angehörten. Von den ersteren 
wurden 38 an 44 Rindern durch subkutane Ein¬ 
spritzungen geprüft, von diesen Tieren erkrankte 
an disseminierter Tuberkulose keines. 7 Kulturen 
des aus Menschen gezüchteten Typus bovinus wurden 
an 9 Rindern geprüft. Es erkrankten an dissemi¬ 
nierter Tuberkulose 9 und von diesen verendete ein 
Tier an Tuberkulose. 

Fütterungsversuche an Rindern mit 
Tuberkelbacillen aus Tuberkulose von Rindern und 
Schweinen wurden an 7 Rindern angestellt. 3 Rin¬ 
der erhielten während 86 Tagen täglich in Kleie¬ 
trank eine Glyzerinbouillonkultur des Typus bovinus, 
2 Kälber bekamen 58 bezw. 63 Tage lang täglich 
eine Glyzerinbouillonkultur des Typus bovinus und 

2 Kälber erhielten, das erste 1 g Kulturmasse, das 
andere 1 Glyzerinbouillonkultur mit dem Futter. 
Von diesen 7 Rindern verendeten 3 nach etwa 3 Mo¬ 
naten an Fütterungstuberkulose, während die übrigen 
4 Tiere an fortschreitender Tuberkulose erkrankten. 

Versuche mit Verfütterung der Tuberkelbacillen 
aus Tuberkulose bei Menschen ergaben folgendes: 

3 junge Rinder erhielten* während 84 Tagen täglich 
etwa 100—200 ccm Auswurf von Schwindsüchtigen 
in Kleietrank verabreicht. Die Tiere wurden nach 
52, 141 und 137 Tagen nach Beendigung der Füt¬ 
terung getötet und erwiesen sich als frei von Tuber¬ 
kulose. In einer zweiten Versuchsreihe erhielten 
3 Rinder während 104 Tagen täglich im Kleietrank 
je 1 Glyzerinbouillonkultur von Tuberkelbacillen 
aus Tuberkulose beim Menschen. Es gelangten 26 
verschiedene Kulturen zur Verfütterung, davon ge¬ 
hörten 24 Stämme dem Typus humanus an, 1 Stamm 
dem Typus bovinus, einer war eine Mischung beider 
Typen. Die Tiere wurden 50, 183 und 316 Tage 
nach Beendigung der Fütterung geschlachtet. Bei 
sämtlichen Tieren liess sich lokalisierte Tuber¬ 
kulose nach weisen, die daraus gezüchteten Kulturen 
erwiesen sich als zu Typus bovinus gehörig. 
Wahrscheinlich stammen diese Keime aus den 
beiden mit den übrigen Kulturen verfütterten Stäm¬ 
men des bovinen Typus. Es war demnach bei 104 
Tage fortgesetzter Verfütterung aus Menschen 
gezüchteter Tuberkelbacillen, von welchen die 
meisten dem Typus humanus und 2 dem Typus 
bovinus angehörten, lokalisierte Tuberkulose auf¬ 
getreten, welche im Vergleich mit den Fütterungs¬ 
versuchen des Typus bovinus allein nur gering¬ 
gradig war. 


In einer dritten Versuchsreihe wurden 3 Kälber 
während 82 Tagen mit je einer Glyzerinkultur des 
Typus humanus gefüttert. Bei der nach 65, 192 
und 241 Tagen nach Beginn der Fütterung erfolgten 
Schlachtung fanden sich leichte Veränderungen in 
den Mesenterialdrüsen, sowie Gewebsveränderungen, 
welche keinen fortschreitenden Charakter hatten, 
sondern auf die Drüsen beschränkt blieben \ind 
unter Eintritt völliger Verkalkung ausheilten. 

Einmalige Verfütterung von Tuberkelbacillen 
des Typus humanus an Kälbern hinterliess demnach 
keine anatomischen Veränderungen. Dagegen führte 
eine einmalige Verfütterung von Tuberkelbacillen 
des Typus bovinus aus Miliartuberkulose beim Men¬ 
schen nach 79 Tagen zum Tode. Der letzte Versuch 
beweist, dass die aus Tuberkulose beim Menschen 
gezüchteten Tuberkelbacillen des Typus bovinus den 
gleichartigen Bacillen aus Rindern und Schweinen 
an Pathogenität für Rinder bei Verfütterung nicht 
nachstehen. 

Ferner wurde auch ein Versuch mit Verfütte¬ 
rung von Hühnertuberkulosebacillen an einem Kalb 
gemacht, welches 32 Glyzerinbouillonkulturen dieser 
Bacillen mit dem Futter erhielt. Bei der nach 
21/2 Monaten erfolgten Tötung fanden sich ähn¬ 
liche Veränderungen in den Peyerschen Haufen und 
in den Gekrösdrüsen, wie nach Verfütterung von 
Bacillen des Typus humanus. 

Einmalige Verfütterung von Tuberkelbacillen 
des Typus bovinus ergab bei 3 Ferkeln ausgebreitete 
Tuberkulose, wiederholte Verfütterung derselben Ba¬ 
cillen auch ausgebreitete Tuberkulose, die bei 2 
von 3 Tieren zum Tode führte. 

Verfütterung von Glyzerinbouillonkulturen der 
Tuberkelbacillen des Typus humanus während 90 
Tagen an 3 Ferkeln riefen tuberkulöse Veränderungen 
hervor, welche sich sowohl in den Gekrösdrüsen als 
auch in den Halsdrüsen und den Organen der Brust¬ 
höhle vorfanden. Allerdings stehen die Bacillen 
des Typus humanus in ihrer Wirkung auf das 
Schwein erheblich hinter den Bacillen des Typus 
bovinus zurück. 

Die Inhalationsversuche wurden mit 
einem besonders konstruierten Apparat angestellt, 
welcher ermöglichte, dass eine Infektionsgefahr für 
die mit den Versuchen beschäftigten und mit der 
Pflege der Tiere betrauten Personen möglichst aus¬ 
geschlossen war, die Tiere die zerstäubte Flüssig¬ 
keit ohne grossen Verlust einatmeten und eine An¬ 
steckung der Tiere durch andere Eingangspforten 
als die Luftwege tunlichst vermeiden liess. 

Zur Inhalation aus Tuberkulose bei Rindern 
und Schweinen dienten 6 Kälber, welche 0,001 bis 
0,5 g Tuberkelbacillen in 50 ccm Kochsalzlösung 
aufgeschwemmt erhielten. Es stellte sich heraus, 
dass die Einatmung von Tuberkelbacillen des Typus 
bovinus selbst in den kleinsten Mengen bei Rindern 
ausnahmslos eine fortschreitende Tuberkulose her¬ 
vorrief. Mit Ausnahme von 2 Tieren erlagen die 
Tiere innerhalb von 26 bis 62 Tagen einer Lungen¬ 
erkrankung, welche im allgemeinen den Charakter 


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58 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


3. Jahrgang. 


einer käsigen Broncho-Pneumonie trug. Die beiden 
überlebenden Tiere wurden nach 171 bezw. 
174 Tagen getötet und erwiesen sich gleichfalls 
als schwer tuberkulös. 

Mit Tuberkelbacillen aus Tuberkulose bei Men¬ 
schen wurden bei 6 Rindern Versuche angestellt, 
welche ergaben, dass selbst grosse Mengen von 
Tul>erkelbacillen des Typus humanus (bis 0,8 g) 
nicht zur Entwicklung einer fortschreitenden Tuber¬ 
kulose führten, sondern mitunter ohne jede spezi¬ 
fische, krankmachende Wirkung auf Kälber blieben. 

Zum Schluss wurden noch eine Reihe von Ver¬ 
suchen angestellt, um nachzuweisen, ob der Ba¬ 
cillus des Typus humanus durch Passage einer be¬ 
stimmten Tierart sich dem Organismus derselben 
anpasst. Es blieb nicht nur die Virulenz unbeein¬ 
flusst, sondern es trat auch hinsichtlich des Wachs¬ 
tums und der Morphologie keine Aenderung des 
Typus ein. 

Die Verff. legen die Ergebnisse ihrer Arbeiten 
über die vergleichenden Untersuchungen mit Tu¬ 
berkelbacillen verschiedener Herkunft in folgenden 
Schlusssätzen nieder: 

1. Bei den Erregern der Tuberkulose der Warm¬ 
blüter ist zu unterscheiden zwischen Hühnertuber- 
kelhazillen und Säugetiertuberkelbacillen. 

2. Bei den Säugetiertuberkelbacillen lassen sich 
zwei Typen unterscheiden, die zweckmässig als 
Typus bovinus und Typus humanus zu bezeichnen 
sind. 

3. Eine Umwandlung der Bacillen der Hühner¬ 
tuberkulose in Säugetiertuberkelbacillen ist selbst 
bei längerem Aufenthalt der ersteren im Säugetier¬ 
körper nicht eingetreten. 

4. Eine Umwandlung des Typus humanus in den 
Typus bovinus ist im Körper des Kaninchens, des 
Rindes und der Ziege nicht erfolgt. 

Ueber die Bedeutung der verschiedenen Tu¬ 
berkelbacillen für die Entstehung tuberkulöser Ver¬ 
änderungen bei Menschen, Rindern, Schweinen und 
Hühnern ergibt sich ferner aus den im Gesund¬ 
heitsamte vorgenommenen Versuchen: 

5. Die bei den Hühnern verbreitete Tuberkulose 
wird durch den Hühnertuberkulosebacillus erzeugt. 

6. Die Perlsucht der Rinder wird durch die 
Tuberkelbacillen des Typus bovinus hervorgerufen. 

7. Bei der Tuberkulose der Schweine fanden sich 
Bacillen des Typus bovinus. Beweise für die An¬ 
nahme, dass unter natürlichen Verhältnissen eine 
Ansteckung von Schweinen mit Tuberkelbacillen des 
Typ\is humanus vorkommt, haben die Untersuchun¬ 
gen nicht ergeben. 

8. In tuberkulösen Veränderungen bei Menschen 
Hessen sich meist die Tuberkelbacillen des Typus 
humanus nachweisen. Tuberkelbacillen des Typus 
bovinus fanden sich bei menschlicher Tuberkulose 
in einer verhältnismässig kleinen Zahl von Fällen. 

9. Die Bacillen des Typus humanus fanden sich 
in allen untersuchten Formen der menschlichen 
Tuberkulose. 

10. Die von den Verff. untersuchten Fälle von 


Infektion des Menschen mit Tuberkelbacillen des 
Typus bovinus allein betrafen Kinder im Alter unter 
7 Jahren und boten mit Ausnahme eines Falles, in 
dem eine Entscheidung nicht möglich war, Er¬ 
scheinungen dar, welche mit Sicherheit den Schluss 
gestatteten, dass die Ansteckung durch Eindringen 
der Tuberkelbacillen vom Darm aus erfolgt war. 

11. In einem Falle von Darmtuberkulose bei 
einer 30jährigen Frau fanden sich in den Gekrös- 
drüsen Tuberkelbacillen des Typus bovinus neben 
solchen des Typus Immanus. Bei einem ötyijährigen 
Kinde Hessen sich in den Mesenterialdrüsen Ba¬ 
cillen des Typus bovinus, in der Milz Bacillen 
des Typus humanus nachweisen. 

12. Mit Ausnahme eines Falles, in welchem Tu¬ 
berkelbacillen aus Miliartuberkeln der Lunge eines 
Kindes gezüchtet waren, stammten die beim Men¬ 
schen gefundenen Tuberkelbacillen des Typus bo¬ 
vinus aus tuberkulös veränderten Teilen der Darm¬ 
schleimhaut oder der Gekrösdrüsen. 

13. In einem Teil derjenigen Fälle, welche auf 
Infektion mit Tuberkelbacillen des Typus bovinus 
zurückzuführen waren, hatte sich die Tuberkulose 
auf den Darm und die Gekrösdrüsen oder auf letztere 
allein beschränkt. 

14. Die Annahme, dass die Tuberkelbacillen des 
Typus bovinus auf den Menschen eine stärkere 
krankmachende Wirkung entfalten als die Tuberkel¬ 
bacillen des Typus humanus, findet in den vor¬ 
liegenden Untersuchungen keine Stütze. 

15. Die Anschauung, dass eine Umwandlung 
der Tuberkelbacillen des Typus bovinus in Bacillen 
des Typus humanus bei längerem Aufenthalte der 
ersteren im menschlichen Körper erfolgt, findet 
durch die bei den vorgenommenen Versuchen fest¬ 
gestellten Tatsachen keine Bestätigung. 

Koske. 

Weber und Taute, Die Kaltblütertuberku¬ 
lose. Tuberkulose Arbeiten a. d. Kaiserlichen 
Gesundheitsamt. 3. Heft. 1905. S. 110. 

Bezüglich der Kaltblütertuberkulose werden sei¬ 
tens einer Reihe von Autoren verschiedene An¬ 
schauungen vertreten. Einige sprechen die Ver¬ 
mutung aus, dass es sich bei den Kaltblütertuberkel¬ 
bacillen um säurefeste Stäbchen oder sogenannte 
Pseudotuberkelbacillen handeln könne, während 
andere der Meinung sind, dass die Frage einer 
Umwandlung der Tuberkelbacillen im Kaltblüter¬ 
organismus durch eine Reihe von Experimenten ge¬ 
löst sei. Verff. weisen an der Hand der einschlägi¬ 
gen Literatur nach, dass letzteres durchaus nicht 
bewiesen sei und haben durch eine Reihe von Ver¬ 
suchen die Fragen, ob eine Umwandlung von echten 
Tuberkelbacillen in die sog. Kaltblütertuberkulose 
möglich sei und ob es sich bei der Kaltblüter¬ 
tuberkulose um säurefeste Stäbchen handle, zu 
lösen versucht. 

Durch eine besondere Methode wurden die in 
den Froschorganen stets enthaltenen gewöhnlichen 
Bakterien ausgeschaltet, indem durch zweckent¬ 
sprechende Formaldehydbehandlung die Begleit- 


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Heft 3. 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


59 


bakterien abgetötefc wurden, während die gegen 
dieses Desinfektionsmittel weniger empfindlichen 
säurefesten Stäbchen am Leben blieben. Die Züch¬ 
tung auf Rinderblutserum bei 26—30 0 gelang 
verhältnismässig leicht. 

Zunächst wurden Frösche mit Tuberkelbacillen 
geimpft, 2 erhielten Rindertuberkelbacillen, 5 
menschliche Tuberkelbacillen, 1 Hühnertnberkel- 
bacillen in Reinkultur und 2 tuberkulöses Sputum 
in die Bauchhöhle bezw. in den Rückenlymphsack. 
Bei keinem der Frösche fanden sich bei der Ob¬ 
duktion Knötchen in den inneren Organen, säure¬ 
feste Stäbchen waren im Leberausstrich einzeln oder 
in geringer Zahl nachweisbar. Durcji Kultur und 
Impfversuche ergab sich, dass die in den Frosch¬ 
körper eingeführten Tuberkelbacillen lange Zeit 
lebensfähig und virulent blieben, eine Vermehrung 
im Froschkörper aber nicht stattfindet, vielmehr 
eine sehr langsame Abnahme. Neben den echten 
Tuberkelbacillen konnten aber in allen Versuchs¬ 
reihen für Meerschweinchen nicht pathogene, säure¬ 
feste Stäbchen durch den Kulturversuch nach¬ 
gewiesen werden. 

Die Untersuchung von Fröschen, die nicht mit 
Tuberkulosebacillen geimpft waren, zeigte, dass 
auch aus der Leber dieser Tiere, welche niemals 
zum Versuch gedient hatten, Kaltblütertuberkel¬ 
bacillen herausgezüchtet werden konnten. 

Weitere Untersuchungen ergaben, dass sich im 
Moos, im Schlamm und in der Erde der Terrarien 
eine grosse Menge säurefester Bakterien befanden. 
Es gelang nach vielen vergeblichen Versuchen aus 
einer Probe frischen Mooses die Kaltblütertuberkel¬ 
bacillen in Reinkultur z\i gewinnen. Zahlreich 
fanden sich diese Bakterien auch im Schlamm der 
Bassins des Berliner Aquariums, sowohl im Süss- 
wasser-, als auch im Seewasserbussin. Auf Frösche 
verimpft, verhielten sie sich genau so wie die aus 
dem Froschkörper gezüchteten. 

Im ganzen wurden 36 Stämme von Kaltblüter¬ 
tuberkelbacillen in Reinkultur gewonnen. Diese 
stimmen im allgemeinen unter sich überein, als 
charakteristisch ist die Bildung einer glatten, 
rahmigen, wenig widerstandsfähigen Haut auf 
Glyzerinbouillon, der weisse, rahmige Belag auf 
Glyzerinserum und die sehr häufig vorkommende 
violette Färbung des Nährbodens in alten Kulturen 
anzusehen. Das Temperaturoptimum liegt bei 26 
bis 30 °, während das Wachstum bei 35—37 0 
nur bei einigen Stämmen erfolgte. 

In genügender Menge auf Frösche verimpft, 
töteten die Kaltblütertuberkelbacillen diese Tiere 
nach 2—4 Wochen; es bedarf allerdings einer ziem¬ 
lich grossen Menge von Kultur ( 1 / 2 — 1 Oese). Eine 
hohe Pathogenität kommt diesen Bakterien nicht 
zu, da durch sie bedingte Erkrankungen im Berliner 
Aquarium nur ausnahmsweise eintreten, trotzdem 
diese Bacillen in grosser Menge in den Bassins sind. 

Verff. kommen auf Grund ihrer Untersuchungen 
zu dem Schluss, dass die Kaltblütertuberkelbacillen 
der Gruppe der saprophytischen, säurefesten Bak¬ 
terien angehören, welche sich häufig vereinzelt im 


Körper der Kaltblüter finden, ohne ihn zu schä¬ 
digen ; sie können jedoch ausnahmsweise zu üppigem 
Wachstum im Kaltblüterorganismus gelangen, wenn 
durch einen lokalen oder allgemeinen Krankheits¬ 
prozess die Widerstandskraft des Organismus her¬ 
abgesetzt ist. Koske. 

E. Bertarelli. Ueber Tuberkulose der 
Reptilien. (Ctbl. f. Bakt., 38, 4.) 

Verfasser studierte die Infizierung der Reptilien 
mit Menschen- und Hühnertuberkulose. Er stellte 
seine Versuche an zwei Exemplaren von Varanus 
varius (Shaw) an, die seit mehreren Jahren in der 
Gefangenschaft gelebt und sich ziemlich gut ein¬ 
gepasst hatten. 

Die Versuche ergaben, dass man bei Verwen¬ 
dung aktiven Tuberkelsputums die menschliche 
Tuberkulose auf den Varanus übertragen kann, dass 
er aber allem Anschein nach der Tuberkulose nicht 
leicht erliegt. 

Beim Durchgang durch dieses Reptil wird der 
Keim bedeutend abgeschwächt, ohne jecloch den 
Meerschweinchen gegenüber besondere Schutzeigen¬ 
schaften an den Tag zu legen. Auch die Lebens¬ 
fähigkeit des Keimes scheint stark herabgesetzt zu 
sein, so dass er nach dem Durchgang durch den 
Varanus bei Serienübertragungen nur schlecht 
wächst, zusammen mit dieser Tatsache wird im Or¬ 
ganismus des geimpften Tieres überdies eine mor¬ 
phologische Veränderung des menschlichen Tu¬ 
berkelbacillus wahrgenommen. Er neigt dazu, evo- 
lutive Formen, länglich mit leicht abgerundeten 
Enden anzunehmen, die sich sehr leicht unterein¬ 
ander verschlingen. Ausserdem vermehrt sich zu¬ 
weilen der im menschlichen Sputum enthaltene und 
dem Varanus subkutan injizierte Tuberkelbacillus 
in situ aussergewöhnlich stark und dies, ohne auf¬ 
fallende Verletzungen zu verursachen, wobei er also 
ein Anpassungsvermögen verrät, das man dem neuen 
Medium gegenüber fast saprophytisch nennen 
könnte. 

Andrerseits lassen die wenigen bis jetzt ge¬ 
machten Nachforschungen zum mindesten darüber 
Zweifel auf kommen, ob die Tuberkulose bei den 
Reptilien eine aussergewöhnliche Krankheitsform 
ist oder nicht. Zweifellos aber besagen sie, dass 
bei den Reptilien der warmen Zonen zuweilen stark 
an tuberkulöse Verletzungen erinnernde Läsionen 
beobachtet werden. Dagegen war es nicht möglich, 
bei den in grosser Zahl untersuchten Reptilien un¬ 
serer Gegenden ähnliche Veränderungen zu finden. 

Während nun diese Bestätigungen einerseits uns 
vergewissern, dass im Organismus dieser Klasse 
von kaltes Blut führenden Wirbeltieren auch der 
Tuberkelbacillus des Menschen abgeschwächt wird, 
ohne jedoch einen Impfstoff abzugeben, und 
während sie zugunsten einer saprophytischen An¬ 
passung des Keimes sprechen, lassen sie uns gleich¬ 
zeitig die Hoffnung, dass in den Reptilien der 
warmen Länder tuberkulöse Läsionen angetroffen 
werden können, die sich zur Isolierung des Keimes 
und Anlegen von Kulturen eignen. Jacob. 


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3. Jahrgang. 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


M. Beck, Zur Frage der säurefesten Ba¬ 
cillen. Tuberkulose-Arb. a. d. Kaiserlichen Ge- 
sundheitsamte. 3. Heft. S. 145. 

Verf. besclireibt 2 säurefeste Stäbchen, von wel¬ 
chen das eine, bacillus tuberkuloides I, gelegent¬ 
lich einer Untersuchung von Butter gezüchtet wurde, 
das andere, bacillus tuberkuloides II aus der Ton¬ 
sille einer an Lungenschwindsucht verstorbenen 
Frau stammt. 

Bacillus tuberkuloides I ist unbeweglich und 
lässt sich am besten nach der Färbung von Koch- 
Ehrlicli darstellen. In älteren Kulturen färbt sich 
das Stäbchen auch mit anderen Anilinfarbstoffen, 
wächst üppig auf Glyzerinagar und Kartoffeln, 
weniger gut auf gewöhnlichem Agar. Nach Ein¬ 
spritzung selbst grösserer Mengen der Bacillen in 
die Bauchhöhle von Mäusen, Ratten, Meerschwein¬ 
chen und Kaninchen traten in der Regel keine 
Erscheinungen auf, nur wenn die Bacillen mit 
Butter oder Milch zusammen eingespritzt wurden, 
fanden sich käsige Knötchen auf den Organen der 
Bauchhöhle. Die subkutane Injektion grösserer 
Mengen von Bacillen wurde seitens der Versuchs¬ 
tiere reaktionslos vertragen, Impfungen der Stäb¬ 
chen in die vordere Augenkammer hatten nur leichte 
Reizerscheinungen zur Folge, wogegen schwere Er¬ 
scheinungen auftraten, wenn die Bacillen zusammen 
mit Butter eingespritzt wurden. Das Stäbchen ist 
mit keinem bisher bekannten säurefesten Bakterium 
zu identifizieren. 

Der Bacillus tuberkuloides II färbt sich nach 
der Ziehlschen Methode und unterscheidet sich 
von dem Wachstum der Tuberkulosebacillen durch 
seine rasche Entwicklung und durch den schmierig¬ 
schleimigen Pilzrasen. Besonders üppig ist das 
Wachstum auf 4 o/ 0 Glyzerinbouillon, Temperatur¬ 
optimum 38°. 

Tierversuche ergaben, dass bei Meerschwein¬ 
chen nach subkutaner Impfung innerhalb 8 bis 
10 Wochen der Tod eintrat. Bei der Sektion fanden 
sich der Tuberkulose ähnliche Erscheinungen. Die 
intraperitoneale Injektion führte unter Verkäsung 
der Mesenterialdrüsen und Bildung von glasig durch¬ 
scheinenden Knötchen in den Lungen schneller 
zum Tode. Fütterungsversuche ergaben eine Ver¬ 
käsung der Mesenterialdrüsen. 

Bei Kaninchen entstand nach subkutaner In¬ 
jektion nur ein Abszess, bei Einspritzung in 
die vordere Augenkammer Phthisis bulbi und 
Bildung einiger käsiger Herde in Milz und Nieren. 

Ratten reagierten auf intraperitoneale Ein¬ 
spritzung durch Bildung von Netzknötchen. 

Bei Mäusen verlief die subkutane und intra¬ 
peritoneale Infektion negativ. 

3 Kälbern, welche auf Tuberkulin nicht reagiert 
hatten, wurden bestimmte Mengen Bacillen in die 
Blut bahn gespritzt, um die darauffolgende Wir¬ 
kung zu beobachten und um zu sehen, ob diese 
Bacillen imstande sind, eine ähnliche Infektion 
wie die wirklichen Tuberkulosebacillen zu erzeugen. 
Die Tiere reagierten durch leicht febrile Tempera¬ 


turen. Bei einem Tiere wurde bei der Schlachtung 
nur eine vergrösserte Bronchialdrüse aufgefunden, 
in welcher durch Impfung und Züchtung das säure¬ 
feste Stäbchen nachgewiesen wurde. 

Das 2. Kalb erhielt 6 Monate nach der Infektion 
10 mg einer Perlsuchtkultur in die Blutbahn ge¬ 
spritzt. Bei der Obduktion fanden sich in einer 
Bronchial- und Mediastinaldrüse und in den Lungen 
käsige Herde. Eine einmalige intravenöse Ein¬ 
spritzung mit dem bac. tuberkuloides II rief dem¬ 
nach noch keine Immunität hervor. 

Kalb 3 wurde nach 8 Monaten geschlachtet, 
es zeigte keine Veränderungen. 

Im Kaltblüter Organismus hält sich das säure¬ 
feste Stäbchen lange Zeit am Leben, scheint diesen 
aber nicht zu infizieren. 

Aus den Untersuchungen geht hervor, dass der 
bacillus tuberkuloides II den echten Tuberkulose¬ 
bacillen selir nahe verwandt ist, es bildet gewisser- 
massen neben den Courmont-Arloingschen Bacillen 
den Uebergang zu den echten Tuberkulosebacillen. 

Koske. 

Klemperer. Experimenteller Beitrag zur 
Tuberkulosefrage. Ztschr. f. klin. Med. 

Verf. war es gelungen, durch subkutane Impfung 
mit Menschentuberkelbazillen ein Kalb gegen nach¬ 
trägliche Infektion mit Perlsucht zu immunisieren. 
Er stellte dann Versuche an, vorher perlsüchtig in¬ 
fizierte Rinder durch subkutane Impfung mit Men- 
schentuberkelbazillen zu immunisieren; die Ent¬ 
wickelung der Perlsucht wurde auf diese Weise bei 
einem Kalb ganz verhindert, bei anderen war 
wenigstens eine Hemmung und Abschwächung des 
Krankheitsverlaufes erkennbar. Selbstversuche er¬ 
gaben, dass Aufschwemmungen von Rindertüberkel- 
bazillen, subkutan beigebracht, beim gesunden Men¬ 
schen verschwinden, ohne Tuberkulose zu erzeugen. 
Analoge Selbstversuche bei einem tuberkulösen 
Kollegen ergaben ebenfalls keine Entwickelung von 
Tuberkulose an den Injektionsstellen. Ebenso zeigten 
Versuche an vier Phthisikern, die mit deren Ein¬ 
willigung angestefit wurden, dass die subkutane 
Einführung von lebenden Rindertuberkelbazillen 
innerhalb gewisser Grenzen für den tuberkulösen 
Menschen unschädlich ist; subjektive Besserung und 
Gewichtszunahme wurde nicht selten beobachtet. 

Jacob. 

De Jong. Steigerung der Virulenz des 
menschlichen T u b e r k e 1 b a c i 11 u s zu 
derdes Rindertuberkelbacillus. (Cen¬ 
tralblatt f. Bakt. 38, 2.) 

Nach der von Behring u. a. bekämpften An¬ 
sicht Kochs kann der Mensch zwar mit Tuberkulose 
des Rindes infiziert werden, jedoch nur in sehr 
seltenen Fällen und jedenfalls bestehen zwischen 
den Tuberkelbacillen des Menschen und denen des 
Rindes derartige Unterschiede, dass man nicht 
von einer Art sprechen kann, sondern zwei ver¬ 
schiedene Arten annehmen muss. Nach der An¬ 
sicht des Verf. sind eventuelle Unterschiede 
zwischen menschlichen und Rindertuberkelbacillen 


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Heft 3. 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


61 


nicht als Artnnterachiede aufzufassen, sondern als 
solche, die zwischen den einzelnen Individuen der¬ 
selben Art mannigfach Vorkommen und durchaus 
nicht konstant sind. Kossel hat bei seinen Unter¬ 
suchungen aus dem menschlichen Körper Tuberkel¬ 
bacillen isoliert, die eine hohe Virulenz für das 
Rind zeigten; er nimmt an, dass diese Bacillen 
ursprünglich vom Rinde stammen. Verf. ist aber 
der Meinung, dass hier nur Virulenzunterschiede 
bestehen. Es gelang ihm zu zeigen, dass der Mensch 
einen Tuberkelbacillus liefern kann, der in seiner 
Wirkung auf das Rind dem diesem Tier eigenen 
Mikroorganismus nicht nachsteht. Tuberkelbacillen 
nämlich, die aus dem Sputum eines Bauernmäd¬ 
chens gezüchtet waren, verursachten einen raschen 
Tod bei Kälbern, sowohl bei subkutaner als bei 
intravenöser und intrapulmonaler Anwendung. 

Ist die Auffassung, dass zwischen Menschen- 
und Rinderbacillen hauptsächlich nur Virulenz¬ 
unterschiede bestehen, richtig, dann muss es mög¬ 
lich sein, die Virulenz des Menschenbacillus zu 
steigern gegenüber der des Rinderbacillus. Beh¬ 
ring hat bestimmt behauptet, dass dies durch Tier¬ 
passage möglich sei, ebenso sprechen Versuche von 
Ravenei dafür. 

Verf. hat zu seinen Versuchen einen Tuberkel¬ 
bacillus vom Menschen benutzt, mit dem er vor 
einigen Jahren zwei Rinder und eine Ziege intra¬ 
venös infiziert hatte. Die beiden Rinder wurden 
nach der Impfung vorübergehend krank, dann 
augenscheinlich wieder gesund und zeigten nach 
der Schlachtung nur eine sehr geringe Tuberkulose. 
Die Ziege wurde vorübergehend ernstlich krank, 
erholte sich aber bald und nahm an Gewicht wieder 
zu. Sie wurde weiter beobachtet, und vor zu¬ 
fälliger Infektion sorgfältig geschützt. Auf In¬ 
jektion von Tuberkulin war die Reaktion sehr 
heftig. Drei Jahre nach der Impfung veränderte 
sich der Zustand: Die Schwellungen der Impf¬ 
stelle hatten sich vergrössert, die rechte Bugdrüse 
hatte an Umfang zugenommen und das Tier hustete 
wieder. Drei Jahre und 145 Tage nach der In¬ 
fektion verendete das Tier an Tuberkulose. 

Dieser, vom Menschen genommene Tuberkel¬ 
bacillus besass also eine äusserst geringe Viru¬ 
lenz. Es war interessant zu untersuchen, ob der 
dreijährige Aufenthalt im Ziegenkörper seine 
Eigenschaften geändert hatte. Ein Meerschwein¬ 
chen, das mit Material aus der Bugdrüse jener 
Ziege geimpft war, war nach 86 Tagen zugrunde 
gegangen. Von ihm wurden Bacillen zur Kultur 
genommen und in geringer Menge (weniger als 
Koch und Schütz bei ihren Versuchen in der Regel 
verwendeten) davon einer Ziege subkutan injiziert. 
Das Tier starb an heftiger allgemeiner Impfungs¬ 
tuberkulose nach 34 Tagen. Ebenso starb ein drei 
Monate alter gesundes Kalb, das auf Tuberkulin 
nicht reagiert hatte, nach 25 Tagen an allgemeiner 
Impfungstuberkulöse, verursacht durch die sub¬ 
kutane Injektion des gleichen Bacillus. 

Der Einwand, dass diese Versuche zufällig 


wenig resistente Tiere betreffen könnten, wurde 
durch eine zweite Versuchsreihe widerlegt. Auch 
hier wurde Ausgang genommen von einer Kultur, 
die aus einem Meerschweinchen gezüchtet war, 
das aus der Bugdrüse jener Ziege geimpft worden 
war. Ein 163 kg schweres Kalb wurde 116 Tage 
nach der Impfung getötet und zeigte bei der Ob¬ 
duktion eine progressive Tuberkulose. Aus der 
Bugdrüse dieses Kalbes wurde eine Kultur ange¬ 
legt, die ein junges Meerschweinchen von 247 g 
erst nach 120 Tagen tötete. Ein anderes Kalb von 
87,5 kg Gewicht, 121 Tage alt, starb 30 Tage nach 
der Impfung an Tuberkulose. 

Aus diesen Versuchen, die nach demselben 
Verfahren angestellt waren wie die von Kossel 
im Reichsgesundheitsamt angestellten, folgert Verf. 
aufs neue, dass kein Artunterschied zwischen den 
Tuberkelbacillen des Menschen und des Rindes 
besteht, dass also die Meinung «der Kochschen 
Schule unrichtig ist. Ein schwach virulenter 
Menschentuberkelbacillus lässt sich mittels Tier¬ 
passage steigern zu der Virulenz, die der Rinder¬ 
tuberkelbacillus in der Regel besitzt. 

Jacob. 

Meier. Ueber das Wachstum der Tu¬ 
berkelbacillen auf vegetabilischen 
Nährböden. Inaug.-Dissert., Freiburg, 1903. 

Die vorliegende Arbeit hat den Zweck, die 
bisher bekannt gewordenen Angaben über das 
Wachstum der Tuberkelbacillen auf vegetabilischen 
Nährböden nachzuprüfen und ausserdem die Frage 
nach dem Pleomorphismus des Kochschen Bacillus 
einer erneuten Untersuchung zu unterziehen. 

Als Nährböden wurden in der Hauptsache ge¬ 
kochte Kartoffelscheiben von geringem Stärke- 
und grossem Wassergehalt benutzt. Unter diesen 
Umständen besitzen die Kartoffeln eine glasige, 
nicht mehlige Schnittfläche und reagieren sauer. 
Ausserdem kamen zur Anwendung: Rüben (weisse, 
rote und Mohrrüben), Mondamin, Birnen, Schwarz¬ 
wurzeln, Champignons und Trüffeln. Zum Besäen 
der Nährböden dienten Reinkulturen menschlicher 
Tuberkulose und solcher des Geflügels. 

Die gefundenen Resultate bestätigen zum Teil 
die von anderen Autoren gemachten Beobachtun¬ 
gen. Als Vervollständigung kann Verfasser bezüg¬ 
lich der Kartoffelkulturen hinzufügen, dass bei den 
Wachstumserscheinungen das Höhen- und Dicken¬ 
wachstum vorherrschte. Das übergeimpfte Ma¬ 
terial vergrösserte sich hauptsächlich dadurch, dass 
auf der Oberfläche eines Impfpartikels sich kleine, 
längsovale oder runde Körnchen bildeten, die sich 
neben- und übereinander legten. Auf diese Weise 
entstehen Gebilde, die einer auf ebener Fläche 
liegenden Weintraube nicht unähnlich sind. 

Es gelang auf allen Nährböden Wachstum her¬ 
vorzurufen, allerdings oft recht spärliches. Die 
saure Reaktion der Nährsubstrate war kein Hin¬ 
dernis für die Entwicklung. 

Bei längerem Wachstum machte sich häufig an 
deh Kulturen eine merkwürdige Pigmentierung be- 


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62 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


3. Jahrgang. 


merkbar. Einzelne Partien der Kolonien nahmen 
zuerst eine grauschwarze, später intensiv schwarze 
Farbe an. Bei der mikroskopischen Untersuchung 
ergibt sich, dass das Pigment aus feinsten, in¬ 
tensiv schwarzen Partikeln von verschiedener Form 
besteht, analog den feinsten Körnchen des Lungen¬ 
pigments. Diese Körperchen siedeln sich als feinste 
rundliche Gebilde ausserhalb des Bacillus an und 
fliessen sodann zu grösseren Komplexen zusammen, 
welche weder in Alkohol, Aether oder Chloroform 
noch in Alkalien oder Säuren löslich sind. Nach 
Ansicht des Autors handelt es sich daher um ein 
dem reinen Kohlenstoff nahestehendes Stoff¬ 
wechselprodukt. 

Der Pleomorphismus der Tuberkulose kam bei 
den vorliegenden Kulturen in den meisten Fällen 
zur Beobachtung. Die vom Menschen stammenden 
wiesen oft schon früh fadenähnliche Gebilde auf. 
Verzweigungen «wurden jedoch nicht gefunden im 
Gegensatz zu den mit Hühnertuberkulose ange¬ 
legten Kartoffelkulturen, welche im mikroskopi¬ 
schen Bild diese Eigenschaft besassen. Die 
Bacillen der letzteren Art waren ausserdem für 
den Farbstoff viel weniger aufnahmefähig wie die¬ 
jenigen menschlicher Herkunft. 

Die Individuen beider Tuberkulosearten können 
sich ausserdem in der Weise verändern, dass sie 
kürzer und dicker werden, wobei zu gleicher Zeit 
eine grössere Affinität zu den Anilinfarben eintritt. 

Die auch von anderer Seite beschriebene 
Vakuolenbildung in den Bacillen ist Verfasser ge¬ 
neigt als Degenerationserscheinung aufzufassen. 
Dagegen deutet der Autor die öfters auftretenden, 
am Ende der Bakterienzelle liegenden und intensiv 
gefärbten Gebilde als Sporen, da sie nur in Kul¬ 
turen mit spärlichem Wachstum vorkpmmen. Eine 
Auskeimung zu beobachten gelang jedoch nicht. 
Ein ausgesprochener, auch makroskopisch feststell¬ 
barer Unterscliied in der Koloniebildung der Men¬ 
schen- und Geflügeltuberkulose war nicht vor¬ 
handen. 

Zum Schlüsse weist Verfasser auf die prak¬ 
tische Seite der Frage hin, die in der Möglichkeit 
einer Vermehrung des Tuberkelbacillus ausserhalb 
des Körpers gegeben ist. Carl. 

Bartel und Stein. Zur Biologie schwach- 
virulenter Tuberkelbacillen. (Ctbl. f. 
Bakt., 38, 2—4.) 

Die Verfasser suchten durch ihre Versuche klar 
zu legen, wie sich schwach virulente Bacillen in 
dem von ihnen spezifisch veränderten Gewebe in 
natürlicher Verteilung, steril aufbewahrt, bei all¬ 
mählicher weiterer Abschwächung der Virulenz und 
wohl auch mit der Zeit eintretender Verminderung 
der Zahl in biologischer Hinsicht verhalten, und 
welches ihr Verhalten ist, wenn man sie abtötet. 
Es sollte geprüft werden, ob eine Vermehrung der 
Bacillen eintritt, ob eine solche, wenn sie statt¬ 
findet, günstigere Verhältnisse für die immer noch 
schwierige Kultivierung des Tuberkelbacillus dar- 
hietet, welche morphologischen und tinktoriellen 


Veränderungen sich zeigen, inwieweit eine Ab¬ 
schwächung eintritt und wie sie sich äussert, und 
schliesslich, ob und inwieweit abgetötete, gleicher¬ 
weise nur in geringer Zahl in dem von ihnen spe¬ 
zifisch veränderten Gewebe in natürlicher Ver¬ 
teilung vorhandene, menschliche Tuberkelbacillen 
am Impftier Veränderungen makroskopischer und 
mikroskopischer Natur hervorrufen und welcher Art 
diese sind. 

,Zum Ausgangspunkt der Versuche wurden 
lebenswarme, exstirpiert tuberkulös veränderte Or¬ 
gane, Milz, Leber, Netz, von Meerschweinchen ge¬ 
wählt, die mit schwach virulentem tuberkulösen 
Material verschiedener Herkunft (Kulturen und 
tuberkulöse Organe vom Menschen) geimpft waren. 

Ihre Schlussfolgerungen fassen die Autoren in 
folgende Sätze zusammen: 

Eine Vermehrung von Tuberkelbacillen post 
mortem in dem von ihnen spezifisch veränderten 
Gewebe bei Abwesenheit anderer Mikroorganismen 
unter den günstigen Temperaturbedingungen von 
37 0 und in feuchter Kammer scheint nicht wahr¬ 
scheinlich. Die weitere Frage, ob durch die in 
den Versuchen gesetzten Verhältnisse günstigere 
Kulturbedingungen geschaffen werden können, 
konnten die Verfasser nicht in positivem Sinn ent¬ 
scheiden, wiewohl die Kultivierung gelegentlich 
leicht gelang. 

Morphologische Veränderungen, wie Segmen¬ 
tierung, körniger Zerfall, Verzweigung, bald mehr 
plumpe, bald schlanke Bacillenformen, sowie Aen- 
derungen des färberischen Verhaltens — blassroter 
oder mehr braunroter Farbenton — konnten gleich 
falls konstatiert werden. 

Ferner glauben sich Verfasser dahin aus¬ 
sprechen zu können, dass bezüglich der Wirkungs¬ 
weise schwach virulenter lebender und toter Tu¬ 
berkelbacillen, wenn dieselben in dem von ihnen 
spezifisch veränderten Gewebe in natürlicher Ver¬ 
teilung eingeschlossen sind. Das Gleiche gilt, was 
Krompecher bezüglich schwach virulenten, leben¬ 
den und toten Kulturmaterials gefunden hat, 
nämlich: Schwach virulente, abgetötete Tuberkel¬ 
bacillen, in den von ihnen spezifisch veränderten 
Organen in natürlicher Verteilung eingeschlossen, 
sind nicht imstande, am Impftiere Veränderungen 
spezifischer Natur hervorzurufen, oder auch nur 
Marasmus zu erzeugen. 

Findet man also bei Impftieren, die lediglich 
mit sicher schwach virulenten Bacillen infiziert 
wurden, Tuberkelbildungen, so kann man aus den¬ 
selben, auch wenn es sich nur um lokalisierte Tuber¬ 
kulose handelt, auf die Anwesenheit lebender Er¬ 
reger schliessen, wenn auch von sehr herabgesetzter 
Virulenz und von geringer Zahl. Durch fortgesetzte 
Abschwächung gelang es den Verfassern, Tuberkel 
zu erzeugen, die fast ausschliesslich aus Riesen- 
" zellen bestanden; ausgesprochene Verkäsung war 
dann nur ausnahmsweise zu sehen; auch Bacillen 
waren nur gelegentlich noch nachzuweisen. 

Jacob. 


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Heft 3. 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


63 


Sanfelfce« Streptothrix-Pseudotuber- 
kulose. Centralbl. f. Bakt. etc.. 1. Abt., Orig. 
Bd. 38, Heft 1. 

Streng wissenschaftlich gebührt die Bezeichnung 
Pseudotuberkulose nur solchen Infektionen, deren 
Entstehen einem dem Tuberkelbazillus morphologisch 
sowie kulturell verwandten Mikroorganismus zu¬ 
zuschreiben ist, und welche andererseits ein der 
echten Tuberkulose ähnliches Krankheitsbild auf¬ 
weisen. Verf. hat die pathogene Wirkung ver¬ 
schiedener Streptothrixarten studiert. Besonders 
intravenöse Infektionen erzeugten der Tuberkulose 
ähnliche miliare Knötchen in den Organen. Die 
frischen Initialknötchen zeigten bei Meerschweinchen 
und Kaninchen an der Zentralstelle eine oder mehrere 
Riesenzellen mit blossen Zellkernen, die isolierte 
oder gruppenweise vereinigte Bazillen enthalten. Um 
die Riesenzellen dehnt sich eine Zone von Zellen, 
deren Kern ebenfalls blass und blasenartig ist, von 
zerfallenen Kernen und Chromotinkörnchen aus. Die 
Degenerationsphase beginnt wie bei der echten 
Tuberkulose vom Zentrum aus mit Zerstörung der 
Riesenzellen. Keiner der anderen Granulom er¬ 
zeugenden Mikroorganismen weist ein so vielseitiges 
Uebereinstimmen mit dem Tuberkelbazillus auf, wie 
die Pseudotuberkulose-Pilzgruppe, die aber von der 
Aktinomyzesgruppe scharf zu trennen ist. ProfA 
ßonome. Schwankungen des Agglutinin- 
und Präzipitingehaltes des Blutes 
bei der Rotzinfektion. (Ztbl. f. Bakt. B. 38, 
5 u. 6.) 

Verf. hat Untersuchungen gemacht über Schwan¬ 
kungen des Agglutinin- und Präzipitingehaltes des 
Blutserums bei Einhufern, bei Katzen und bei Meer¬ 
schweinchen, sowohl in normalem Zustande als auch 
während der Rotzkrankheit. Er fasst seine Resul¬ 
tate in folgenden Hauptsätzen zusammen: 

1. Das Blutserum von Pferd und Esel zeigt so¬ 
wohl während der experimentellen Rotzinfektion 
als auch während der artifiziellen Immunisierung 
gegen den Rotzbazillus eine bedeutende Zunahme 
des Agglutiningehaltes. Diese Vermehrung steht in 
keinem Verhältnis zu der Stärke der Infektion, und 
scheint rascher hervorzutreten, wenn die Impfung 
des Rotzbazillus durch die verwundete Nasenschleim¬ 
haut, als wenn sie durch die normalen Verdauungs¬ 
wege erfolgt ist. 

2. Während der Malleinreaktion erhöht sich die 
Agglutinationskraft des Blutes rotzkranker Pferde. 
Diese Erhöhung, die hohe Grade erreichen kann, ist 
jedoch vorübergehend. Sie steht in keinem Ver¬ 
hältnis zur Stärke der durch die Malleinreaktion 
verursachten thermischen Reaktion, sie ist aber 
immer von organischer Reaktion und von ödema- 
töser Schwellung an der Injektionsstelle begleitet. 

3. Bei den auf Mallein nicht mehr reagierenden 
und nur eine mehr oder minder ausgeprägte or¬ 
ganische Reaktion gebenden Pferden kommt wäh¬ 
rend der Malleinisation eine beträchtliche Zunahme 
der Agglutinationskraft des Blutserums zur Er¬ 
scheinung. Dieser Erhöhung der agglutinierenden 


Eigenschaften muss man einen bedeutenden Wert 
für die Diagnose einiger verdächtigen Rotzformen 
zuschreiben. 

4. Das Verhalten des Blutserums bezüglich seiner 
agglutinierenden Eigenschaften gegenüber dem Rotz¬ 
bazillus zeigt viele Analogien mit dem Verhalten 
des ganzen Organismus bei der Malleinvergiftung. 
Gleich wie bei dieser kann in der Tat der Agglu¬ 
tiningehalt bedeutende Schwankungen zeigen und 
bis zum normalen Grad sich abschwächen, obwohl 
das Pferd rotzkrank bleibt. 

Diese Verminderung das Agglutinierungsver- 
mögens von zweifellos rotzkranken Pferden kann 
man durch Bildung anderer Arten von Antikörpern 
ausser den Agglutininen, das ist durch die Anti¬ 
komplemente, erklären, die durch Bildung der nor¬ 
malen Komplemente das Phänomen der Agglutination 
verhindern. Diase Behauptung gründet sich auf 
das Resultat der gelungenen Reaktionsversuche, die 
durch Zusatz von Seris gesunder Pferde, Katzen und 
Menschen erfolgte. 

5 Die auf 52—55° während einer Stunde vor¬ 
genommene Erwärmung zerstört die Agglutinations¬ 
kraft des Serums rotzkranker Tiere (Pferde, Katzen, 
Meerschweinchen) nicht gänzlich. Die Erwärmung 
während einer Stunde auf 62—65° zerstört sie voll¬ 
ständig. 

Die Agglutinationskraft stellt sich wieder ein, 
wenn man dem durch Hitze unwirksam gemachten 
Serum normale Sera anderer Tiere im Verhältnis 
1:2 bis 1:3 zusetzt. Die Komplemente des nor¬ 
malen Katzenserums reaktivieren viel besser als die¬ 
jenigen des normalen Menschenserums die Aggluti¬ 
nationskraft des erwärmten Pferdeserums. Die Meer¬ 
schweinchenkomplemente verhalten sich ungefähr 
wie diejenigen des Menschen. 

6. Die Agglutinine finden sich immer in 
grösserer Menge als die Präzipitine im Serum rotz- 
kranker Pferde, Katzen und Meerschweinchen. Die 
Filtrate der Rotzbouillonkulturen enthalten keine 
durch Serum präzipitabelen Substanzen, oder doch 
nur in ganz geringer, kaum wahrnehmbarer Menge. 
Grösserer Gehalt an präzipitabelen Substanzen findet 
sich dagegen in dem aus frischen Organen (Milz) 
hergestellten Plasma rotzkranker Katzen und in 
wässerigen Glyzerinextrakten aus frischen oder ge- 
trockenen Agarrotzkulturen. Dieser Unterschied er¬ 
klärt sich durch die Annahme, dass im Filtrate der 
Rotzbouillonkulturen nur die löslichen Toxine des 
Rotzbazillus und nicht die Proteine enthalten sind, 
die sich hingegen in grösserer Menge im wässerigen 
Glyzerinextrakt aus mit Glassand zerriebenen Rotz- 
kulturen finden. Jacob. 

Koske. Zur Frage der Uebertragbar- 
keit der S c h w e i n e s e u c h e auf Ge¬ 
flügel und der Gef 1 üge 1 cho 1 era auf 
Schweine durch Verfütterung. Arb. 
a. d. Kaiserlichen Gesundheitsamte. Bd. XXII, 

S. 503. 

Um die Frage zu klären, ob die Bakterien der 
Schweineseuche durch Verfütteruug auf Geflügel 


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64 


Fortschritte der Veterinar-Hygiene. 


3. Jahrgang. 


übertragbar sind und ob umgekehrt eine der 
Schweineseuche ähnliche Infektion bei Schweinen 
durch die Aufnahme der Erreger der Geflügelcholera 
möglich ist, wurden eine Reihe von Fütterungsver¬ 
suchen an Sperlingen, Krähen, Tauben, Hühnern, 
Enten, Gänsen mit dem Erreger der Schweineseuche 
und an Schweinen Fütterungs- und Inhalations - 
versuche mit den Bazillen der Geüügelcholera an¬ 
gestellt. 

Die Untersuchungen ergaben, dass durch Ver- 
fütterung der Schweineseuchebakterien in Reinkultur 
oder der von schweineseuchekranken Tieren stam¬ 
menden Organteile bei verschiedenen Vogelarten 
(Sperlingen, Krähen, Tauben, Hühnern und Gänsen) 
eine tödliche Allgemeininfektion hervorgerufen werden 
konnte. In dem Kot der Fütterungstiere wurden in 
den meisten Fällen virulente Schweineseuchebakterien 
nachgewiesen. 

Durch Verfütterung von Geflügelcholerabakterien 
in Reinkultur oder von an Geflügelcholera verende¬ 
tem Geflügel, ferner durch Inhalation von Geflügel¬ 
cholerabakterien konnte bei Schweinen eine der 
Schweineseuche ähnliche Erkrankung nicht erzeugt 
werden. Die Bazillen der Geflügelcholera konnten 
jedoch bei den Versuchsschweinen in den Kehlgangs- 
drüsen, oberen Halsdrüsen und Bronchialdrüsen 
nachgewiesen werden. 

Es Hessen sich sichere Unterschiede zwischen 
beiden Bakterienarten bis jetzt weder durch ihr 
morphologisches und biologisches Verhalten, noch 
durch den Pfeifferschen Versuch feststellen. Auch 
die Ergebnisse des Castelianischen Sättigungsver- 
fahrens Hessen Verschiedenheiten zwischen den Er¬ 
regern der Schweineseuche und der Geflügelcholera 
nicht erkennen. 

Da eine Uebertragung der Schweineseuchebakte¬ 
rien auf Geflügel möglich ist, dürfte es zweckmässig 
sein, bei gleichzeitiger Haltung von Schweinen und 
Geflügel auf gesonderte Fütterung, StaUung, Weide¬ 
plätze usw. zu halten. Zur weiteren Erforschung 
Beziehungen zwischen der Schweineseuche und Ge¬ 
flügelcholera wäre es wünschenswert, wenn seitens 
der Tierärzte in allen den FäUen, in welchen beide 
Krankheiten zugleich auftreten, genaue Erhebungen 
über deren Entstehung angestellt und diese Erfahrun¬ 
gen in geeigneter Weise veröffentlicht würden. 

Autoreferat. 

Srnidt« Z u r Ch ar ak te r isi er ung der Hog- 
choleragruppe. Centralbl. f.Bakt. etc., 1. Abt^ 

Orig. Bd. 38, Heft 1. 

Verf. fand, dass durch Höchster polyvalentes 
Schweinepestserum die Bakterien der Schweinepest, 
des Mäusetyphus und Bakterien des Paratyphus 
kräftig agglutiniert werden und zwar alle fast gleich- 
mässig, dass Coli-, Dysenterie-, Enteritis- und 
Typhus-Bazillen nicht stärker agglutiniert werden 
als durch normales Serum. Im Einzelfaüe gelingt 
es weder morphologisch, noch kulturell, noch durch 
Agglutinationsversuch sicher zu entscheiden, ob ein 
Stamm als Mäusetyphus-, Paratyphus(B)- oder 
Schweinepest-Bazillus anzusprechen ist Ein etwaiger 


Zusammenhang zwischen Paratyphusfällen und ana¬ 
logen Tierkrankheiten erscheint hiernach nicht aus¬ 
geschlossen. Prof 6. 

Sohaidlu und Hoffknann. Vorläufiger Be¬ 
richt über das Vorkommen von Spiro- 
chaeten in syphilitischen Krank¬ 
heitsprodukten und die Pupillaren. 
Arb. a. d. Kaiserl. Gesundheitsamte. Bd. XXII, 
S. 527. 

Bei den Untersuchungen, welche Verf. über das 
Vorkommen von Mikroorganismen in syphilitischen 
Krankheitsprodukten anstellten, fand Schaudinn in 
lebenden Objekten und in gefärbten Präparaten Or¬ 
ganismen, die zur Gattung Spirochaete gestellt 
werden müssen. Diese Spirochaeten konnten bis¬ 
her sowohl an der Oberfläche sogenannter syphüi- 
tischer Effloreszenzen, als auch in der Tiefe des 
Gewebes und in den spezifisch erkrankten Leisten¬ 
drüsen in 7 Fällen von reiner Syphilis, in 5 mit 
anderen Erkrankungen komplizierten Fällen von 
Syphilis und in einem Spitzenkondylom nachgewiesen 
werden. Es handelt sich um 2 Formenreihen von 
Spirochaeten, einen dunkel färbbaren und einen 
blassen Typus, welch letzterer sich bei aUen rein 
syphiHtischen Produkten allein vorfand und sich nur 
durch eine kräftige Modifikation der Giemsaschen 
Färbung darstellen Hess, während ersterer mit den 
Färbemethoden für Spirochaeten (Gentianaviolett, 
Karbolfuchsin usw.) leicht gefärbt werden konnte. 
Ob zwischen den bei spitzen Kondylomen gefundenen 
und den bei Syphilis vorhandenen Parasiten sichere 
Unterscheidungsmerkmale sich herausfinden lassen 
werden, soll weiteren Forschungen Vorbehalten bleiben. 

Koske. 

Koske. WeIche Veränderungen entstehen 
nach Einspritzung von Bakterien, 
Hefen, Schimmelpilzen und Bakte¬ 
riengiften in die vordere Augen¬ 
kammer? Arb. a. d. Kaiserlichen Gesundheits¬ 
amte. Bd. XXII, S. 411. 

Die Arbeit wurde unternommen, um nachzu¬ 
weisen, inwieweit eine Anzahl zum Teil für Kaninchen 
nicht pathogener Bakterien, Hefen und Sprosspilze 
imstande sind, sich innerhalb der vorderen Abschnitte 
des Auges zu vermehren, von hier aus in die hinteren 
Teile des Auges einzudringen und eine eitrige 
Augen entzündung zu erzeugen. Sodann sollte ver¬ 
sucht werden klarzustellen, ob die Bakterien als 
solche oder ihre Stoffwechselprodukte die Verände¬ 
rungen im Auge hervorrufen. 

Es wurden bei den Untersuchungen drei zur 
Gruppe des bac. subtiHs gehörige Bakterienstämme, 
bac. prodigiones, bac. suipestifer, staph. pyog. aur., 
vibrio Metschniokoff, bac. tuberkuloides Rabinowitsch, 
bac. tuberkuloides Beck und ein bac. tuberkulosis 
benützt. Von Schimmelpilzen und Hefearten wurden 
mucor mucedo, aspergillus fumigatus, die Rosahefe 
und Weissbierhefe geprüft. 

Die Versuche ergaben, dass von den oben an¬ 
geführten Bakterien die 3 Stämme des bac. subtilis, 
bac. prodig., staph. pyog. aur., bac. suipesk, bac. 


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Heft 3. 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


45 


tuberkulosis, Weissbierhefe und Rosahefe, in die 
andere Angenkammer gespritzt, auf die hinteren 
Abschnitte des Auges Übergriffen und zur Pan- 
ophthalmie führten. 

Diese Wirkung ist auf eine Vermehrung der 
Bakterien in der Vorderkammer und die Reizwir- 
kung der Bakterienzellen und ihrer Stoffwechsel¬ 
produkte zurückzuführen, da abgetötete und mit 
Alkohol oder Aether ausgezogene Bakterien nur 
vorübergehende leichte Reizerscheinungen hervor¬ 
riefen. Auch die von den Bakterien in flüssigen 
Nährböden gebildeten Stoffe riefen Entzündungs¬ 
erscheinungen hervor, welche aber in einiger Zeit 
ohne Zurücklassung von Veränderungen abheilten. 

Autoreferat. 

J. Siegel Untersuchungen über die 
Aetiologie der Pocken und der Maul¬ 
und Klauenseuche (Abhdl. d. Preussisch. 
Akadem. d. Wissensch., 1905). 

Nachdem schon Guarnieri u. a. in der 
Lymphe bezw. im Blut von Blattemkranken eigen¬ 
tümliche Gebüde beobachtet hatten, die er als Pro¬ 
tozoen und Erreger der Variola ansah, führte erden 
Nachweis, dass bei Einimpfung der Pockenlymphe 
in die Cornea des Kaninchens, die von ihm be¬ 
schriebenen Gebilde regelmässig in der Umgebung 
der Impfstelle in den Epithelzellen, neben dem Kern 
gelagert, zu finden waren. Er nannte die Gebilde 
Cytorrhyctes variolae. 

Siegel hat nun die Guarnierischen Körperchen 
einer erneuten Prüfung unterzogen. Er bediente sich 
teils der Corneaimpfung, teils injizierte er einige 
Tropfen Lymphe unter die Haut oder in die Bauch¬ 
höhle, wodurch eine wesentlich stärkere Vermehrung 
der Parasiten im Blut erzielt wurde. Als Versuchs¬ 
tiere dienten ausser zwei Kälbern grösstenteils 
Kaninchen. Die Parasiten konnten mikroskopisch im 
Blut nachgewiesen werden, doch blieben aseptisch 
entnommene Organstücke auf Agar und Blutserum 
stets keimfrei, was Verf. als Beweis dafür ansieht, 
dass es sich hier nicht um Bakterien handeln kann. 

Die Gebilde zeigten folgendes Verhalten: Bei der 
Untersuchung des lebenden Objektes im Organsaft 
sieht man kleinste 0,5—1 \x lange und einige Zehntel p 
breite Gebilde in lebhafter Bewegung; dieselben 
haben die Form eines von einem Ende zugespitzten 
Ovals, der spitze Fortsatz ist stärker glänzend; im 
Innern sieht man zwei kleine, schwach oval gestaltete, 
gewöhnlich hintereinander gelagerte, sehr stark 
glänzende Körperchen, die Verf. wegen ihres un¬ 
regelmässigen Vorkommens und wegen ihrer Färb¬ 
barkeit mit Azur als Kerne deutet. Diese Gebilde, 
die Verf. als die „beweglichen Körper“ bezeichnet, 
beschreiben unter fortwährender, lebhaft oszillierender 
Bewegungdesspitzen Endes ununterbrochenSchleifen- 
touren. Dieser eigentümliche Bewegungsmodus 
scheint spezifisch zu sein und erinnert sehr an die 
Bewegung von Trypanosomen im Blute der Karpfen. 
Es handelt sich um aktive Bewegung, denn bei Zu¬ 
satz von Chloralhydrat und anderen verschiedenen 
Stoffen sistiert sie sofort, und der spitze Fortsatz ver¬ 


schwindet Ausserdem erkennt man im Gewebesaft 
kugelige und eiförmige 1—2,5 p lange, stark glänzende 
Gebilde ohne Eigenbewegung, die oft in der Mitte, 
oft aber nach dem einen Ende zu eingeschnürt sind; 
diese letzteren Formen sollen nach Verf. besonders 
charakteristisch sein. Selten finden sich 3—5 p 
messende kreisrunde Formen, die im Innern eine 
Menge von kleinen, glänzenden, in stetiger os¬ 
zillierender Bewegung befindlichen Punkten ein- 
schliessen; auch hier hört die Bewegung nach Zu¬ 
satz von Chloralhydrat auf. Mit Azur färben sich 
diese kleinen Körperchen blau, und man kann dann 
deren 4—8 oder 16, selbst bis zu 32 zählen. 

Die „beweglichen Körper“ vermögen das Chamber- 
landfllter zu passieren. Es gelangVerf., auch durch 
Ueberimpfung eines solchen filtrierten, die beweg¬ 
lichen Körperchen enthaltenden Plasmas auf die 
Kaninchencornea die Entwickelung der Guarnieri¬ 
schen Körperchen in der Cornea zu beobachten. 

Diese beschriebenen Formen finden sich in Niere, 
Leber, Milz und Knochenmark, seltener im Blut; 
in Ausstrichen von Nieren- und Corneasaft finden 
sich ausserdem ovale Formen mit oft deutlicher 
Längsteilung. 

Für die Teilungserscheinungen an den mit Azur 
blau gefärbten Kernen ist eine schon bei der ersten 
Längsteilung auftretende Verschiebung der ein¬ 
zelnen Teile. 

V erf. hält die „beweglichen Körper“ mit zwei Kernen 
für Jugendformen, die sich durch Zweiteilung (Längs¬ 
teilung) vermehren können; ein anderer Teilungs¬ 
modus ist die Mehrfachteilung, wobei jene Ver¬ 
schiebungen und die hiervon abhängigen Erscheinun¬ 
gen zur Beobachtung gelangen. Die Teilungsprodukte 
sind entweder wieder „bewegliche Körper“ oder 
Haufen grösserer, von einer dicken Plasmahülle um¬ 
gebenen Formen, die als Zystosporen bezeichnet 
werden können und wahrscheinlich Dauerformen 
entsprechen; durch weitere Teilung zerfallen diese 
in Sporozoiten. 

Verf. fasst seine Resultate folgendermassen zu¬ 
sammen: 

1. Die als Begleiter der Pocken- bezw. Vaccine¬ 
krankheit gesehenen Körperchen, deren bisherige 
Beschreibung ein sicheres Urteil, ob es sich um 
Degenerationsprodukte oder um Entwicklungsstufen 
eines Parasiten handelt, nicht gestattete, sind Para¬ 
siten, und zwar Protozoen. Dies wird besonders 
durch die gelungenen Kernfärbungen des Ausstrich- 
Präparates bewiesen. 

2. Diese Protozoen sind systematisch einzureihen 
als eine neue Gruppe bei den Sporozoen oder 
Flagellaten. 

3. Der Parasit geht durch das Chamberlandfilter 
hindurch, was durch das Mikroskop und mit Impf¬ 
versuchen bewiesen werden kann. 

II. Cytorhyctes aphtarum (nov. spec.). 

Verf. bediente sich bei der Untersuchung der 
Maul- und Klauenseuche im wesentlichen der gleichen 
Methoden, wie bei Untersuchung der Pocken. Als 
Versuchstiere benutzte er einige junge Schweine, 


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Fortschritte der Veterinär- Hygi e n e. 


3. Jahrgang. 


dann auch Meerschweinchen und Kaninchen, deren 
Empfänglichkeit bereits von Bollinger festgestellt 
war. Die Lymphe wurde diesen Tieren in oineVene 
oder in die Bauchhöhle injiziert, worauf bei Ka¬ 
ninchen eine schwere Erkrankung mit rapider Ge¬ 
wichtsabnahme, Haarausfall und zum Teil Schwellung 
der Schleimhäute sich einstellte. 

Die bei dieser Erkrankung gefundenen Parasiten 
zeigten morphologisch und biologisch eine weit¬ 
gehende Aehnlichkeit mit den bei den Pocken be¬ 
obachteten Gebilden; nur die Bildung von Dauer¬ 
sporen konnte nicht nachgewiesen werden, vielleicht 
wegen der zu kurzen Untersuchungsdauer. Der 
typische Unterschied beider Spezies besteht in der 
verschiedenen Lokalisation des Sporulationsvorganges 
in der Haut. Während bei Pocken niemals ein Ein¬ 
dringen des Parasiten in den Kern stattfindet, ist bei 
der Maul- und Klauenseuche gerade der Kern aus- 1 
nahmslos der Sitz des Parasiten. Eine Verwechslung 
mit Chromatinschollen soll nach der Ansicht des 
Verf. wegen der schlechten Färbbarkeit mit Häma- 
toxylin ausgeschlossen sein. 

J« Siegel. Untersuchungen über die 
Aetiologie der Syphilis. (Ibid.) 

Auch bei diesen Untersuchungen kamen im all¬ 
gemeinen die gleichen Methoden zur Verwendung 
Die Schnitte wurden hergestellt aus Primär¬ 
indurationen des Präputiums und breiten Kondylomen 
des Menschen, papulo-pustulösen Hauterkrankungen 
und- inneren Organen geimpfter Affen, Hauterkran- 
küngen und geimpften Augen von Kaninchen. Die 
Impfung wurde vorgenommen mit einer feinen 
Emulsion von Stücken nicht ulzerierter breiter 
Kondylome und Primäraffekte. Bei längerer Kon¬ 
servierung dieser Emulsion trat eine wesentliche 
Abschwächung der Virulenz ein; auch war die 
Emulsion von Kondylomen wirksamer als die von 
Primäraffekten, weil, wie Verf. glaubt, in ersteren 
die grösseren Sporulationsformen der Parasiten zahl¬ 
reicher sind. Nach der Impfung finden sich, bei 
heftiger Erkrankung der Versuchstiere, nicht nur in 
Blut und Geweben zahlreiche Parasiten, sondern es 
wurde auch in der Umgebung des Impf bezirkes eine 
Auflockerung der Intima der Gefässe beobachtet, 
sowie späterhin als Sekundärerscheinungen papulo- 
pustulöses Exanthem namentlich der Lippen- und 
Kopfhaut. 

Die bei der Syphilis beobachteten Parasiten 
finden sich sowohl im Blute als in den Geweben, 
in letzteren ausschliesslich im Bindegewebe und den 
Gefässwänden, und zwar stets im Zellplasma und der 
Grundsubstanz, niemals in Kernen. 

Morphologisch und biologisch unterscheiden sich 
die Parasiten sonst kaum von den bei den Pocken etc. 
beschriebenen Formen, so dass es nicht möglich ist, 
typische Art-Charaktere aufzustellen. Auch hier 
findet man die sog. „beweglichen Körper“ mit be¬ 
weglichen Fortsätzen. Ausser den kleinen finden 
sich auch grössere bewegliche Formen mit 4 bis 
8 Kernen, die ebenfalls noch einen deutlichen geissel- 
fo rangen Fortsatz haben können. Durch fortgesetzte 


Teilung entstehen nicht selten 2—3 parallel gerichtete 
Kernreihen; im Endstadium der Sporulation finden 
sich bis 16 Kerne, um welche dann nach der 
Schilderung des Verf. ebenfalls Protoplasma¬ 
ansammlung stattflndet, woraus dann wieder den 
beweglichen Körpern ähnliche Jugendformen hervor¬ 
gehen. 

Verf. bezeichnet die Parasiten als Cytorhyctes 
luis. Er fasst seine Ergebnisse folgen dermassen zu¬ 
sammen : 

1. Im Blut syphilitisch erkrankter, ärztlich nicht 
behandelter Menschen, in den Primäraffekten ifnd 
den breiten Kondylomen finden sich Protozoen, die 
der Gattung Cytorhyctes angehören. 

2. Sitz des Parasiten in der Haut ist im Gegen¬ 
satz zu den akuten Exanthemen nicht das Epithel, 
sondern Bindegewebe und Gefässe. 

3. Bei geimpften Kaninchen findet man Er¬ 
krankungen der Haut und Iris, sowie dieselben 
Protozoen wie bei erkrankten Menschen. Jacob. 

D. Konradl. Weitere Untersuchungen zur 

Kenntnis der Symptome und Prophy¬ 
laxe der experimentellen Lyssa. 
Centralbl. f. Bakt. etc., 1. Abt., Orig. Bd. 38, Heft 2. 

Verf. kam auf Grund zahlreicher an Kaninchen 
angestellter Versuche im wesentlichen zu dem Er¬ 
gebnisse, dass man den Ausbruch der Wutkrankheit 
mit einer Lokalbehandlung verhindern kann, dass 
die Lokalbehandlung bei Verletzungen an den 
Extremitäten innerhalb 12, bei Gesichtswunden 
innerhalb 3 Minuten folgen muss, und dass die Lyssa 
wie andere Krankheiten rezidivieren kann. ProfA 
J. LÖte, Kolozsvär. Ueber die Lyssa der Vögel. 
Orvosi Hetilap. 1904. No. 1. 

Löte machte seine Versuche teils an Raubtieren, 
teils an zahmen Haustieren. Die Versuche wurden 
mit dem Infektionsstoff der beginnenden oder mehr¬ 
minder vorgeschrittenen Lyssa ausgeführt. Versuchs¬ 
tiere waren: der gewöhnliche Mäusehäher und die 
Nachteule, von den Haustieren das Huhn und die 
Taube. Die Impfung erfolgte immer unter die 
Gehirnhaut, die Reinheit des Impfstoffes wurde durch 
Ueberimpfung geprüft Von den 3 Raubtieren er¬ 
krankten sämtliche, von den Hühnern und Tauben 
bloss manche, auch diese waren ziemlich lange krank, 
gingen spät zugrunde, ja bei manchen trat sogar 
spontane Heilung ein. 

Die Experimente lehren, dass unser Hausgeflügel 
für Lyssa wenig empfindlich ist. Manche experi¬ 
mentelle Erfahrung scheint dafür zu sprechen, dass 
das Virus der Lyssa im Körper der* Vögel eine Ab¬ 
schwächung erfährt, doch müssen die Experimente 
noch fortgesetzt werden. Zimmermann. 

Tiberti. Ueber den Transport des Te¬ 
tanusgiftes zu den Rückenmark s - 
zentren durch die Nervenfasern (Ctbl. 
f. Bakt., B. 38, H. 4—6). 

Verf. zieht aus seinen Versuchen folgende Schluss¬ 
folgerungen : 

1. Injiziert man Tetanustoxin subkutan bei einem 
empfänglichen Tier, so geht dasselbe grösstenteils in 


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Heft 3. 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


67 


die Lymphgefässe über und von diesen aus ins Blut; 
zum geringeren Teile wird es von den Nerven¬ 
endigungen resorbiert und wird durch diese zu den 
Nervenzentren weitergeleitet. Nach hypodermischer 
Injektion von Tetanustoxin in ein Glied ist das 
Toxin konstant in den Nervenstämmen des Gliedes 
selbst nachweisbar. 

2. Der Transport des Tetanustoxins zu den 
Nervenzentren durch die Nerven findet statt nicht 
durch die Lymphwege der Nerven selbst, sondern 
im Plasma der Nervenfasern, aus denen der Achsen¬ 
zylinder besteht. Damit die Nervenfasern imstande 
sind, das Tetanustoxin aufzunehmen und es zu den 
Nervenzentren weiterzuleiten, ist es nötig, dass der 
Achsenzylinder seine normale Integrität besitzt. 

3. Dem Achsenzylinder entlang läuft der Strom 
des Giftes nur in zellulopetaler Richtung. Das 
Tetanustoxin verschiebt sich nach der Nervenzelle 
bin, wahrscheinlich weil letztere auf das Tetanus¬ 
gift. mit dem die Nervenfasern durchtränkt werden, 
eine Anziehung ausübt. 

4.. Injiziert man in einen Muskel Tetanustoxin, 
so breitet es sich in der den Muskel selbst durch- 
spillenden serösen Flüssigkeit aus und wird, nach¬ 
dem es von den Endigungen der den Muskel durch¬ 
setzenden Nerven resorbiert worden ist, vermittelst 
der Nerven zu den Zentren weitergeleitet. 

5. Das in die Wadenmuskeln eines Kaninchens 
inokulierte Tetanustoxin trifft man im entsprechenden 
Ischiadikus in beträchtlichen Dosen erst 1V 2 Stunden 
nach der Injektion an, während man es viel schneller 
im Blut trifft (schon nach 10 Min.) 

6. Es genügen minimale Dosen von Tetanus¬ 
toxin, um schwere Tetanuserscheinungen hervor¬ 
zurufen, wenn die Injektion direkt in das Parenchym 
des Nerven erfolgt. Dieselben Dosen rufen, wenn 
sie unter die Haut oder in den Kreislauf injiziert 
werden, keine Tetanuserscheinungen hervor. 

7. Injiziert man Tetanustoxin in einen Nerven- 
stamm und inokuliert dann Tetanustoxin in die 
durch denselben Stamm innervierten Muskeln, so 
gelingt es, den Zutritt des Toxins zu den ent¬ 
sprechenden Nervenzentren zu verhindern, und man 
bemerkt deshalb keine Tetanuserscheinungen irgend¬ 
welcher Art in dem betreffenden Muskelgebiet 

8. Das direkt in einen Nerven inokulierte 
Tetanustoxin hat keinen anderen Weg der Ueber 
tragung auf die Nervenzentren als die Substanz des 
Nerven selbst, wie dies die Tatsache beweist, dass 
man durch Unterbrechung des Rückenmarks an 
einem bestimmten Punkte die Wirkungen des Toxins 
auf den in Verbindung mit dem Sitz der Einwirkung 
stehenden Abschnitt des Rückenmarks beschränken 
und die Verbreitung des Toxins in den oberen Re¬ 
gionen des Rückenmarks selbst verhindern kann. 

9. In den durch Durchscheidung der entsprechen¬ 
den Nervenstamme ihrer Innervation vollständig be¬ 
raubten Muskeln zeigen sich keine Tetanuserscheinun¬ 
gen infolge subkutaner Inokulation von Tetanustoxin. 

10. Wenn man Tetanustoxin direkt in das 
Rückenmark, in die Substanz desselben, injiziert, so 


erhält man eine beträchtliche Abkürzung des Iri- 
kubationsstadiums, und es zeigt sich ein besonders 
durch den Namen Tetanus dolorosus charakterisiertes 
Krankheitsbild. 

11. Injiziert man Tetanustoxin in den Kreislauf, 
so werden nach einem mehr oder weniger langen 
Inkubationsstadium, je nach der betreffenden Tier¬ 
gattung alle Muskeln gleichzeitig von tetanischen 
Kontraktionen ergriffen, weil das Toxin des Tetanus 
gleichzeitig von allen Nervenästen resorbiert und zu 
den Nervenzentren weitergeleitet wird. 

In diesem Falle fehlt der sog. lokale Tetanus, den 
man beobachtet, wenn das Toxin unter die Haut oder in 
das Parenchym eines Nerven injiziert wird. Es ist 
eine viel stärkere Dosis von Toxin erforderlich, um 
bei einem Tiere Tetanuserscheinungen hervorzurufen, 
wenn man die Injektion in den Kreislauf macht, als 
nötig ist, wenn man sie subkutan oder direkt in die 
Nervenstränge vornimmt. 

12. Das in die Blutbahn injizierte Tetanustoxin 

geht schnell in die Lymphe über. In der zerebro- 
sdinalen Flüssigkeit kann das Tetanusgift nicht mit 
Sicherheit nachgewiesen werden. Jacob. 

Magnus, W. Experimentelle Untersu¬ 
chungen über das Verhalten der 
Eidechsen gegen eine künstliche 
Infektion mit Milzbrand, Tetra¬ 
genus und Mäuseseptikämie. Inau- 
gural-Dissertation Heidelberg 1904. 

Versuche mit Milzbrand an niederen Wirbel¬ 
tieren sind schon verschiedentlich und zwar mit 
Fröschen, Schildkröten und Eidechsen angestellt 
worden. Namentlich war es Metschnikoff, welcher 
die letztgenannte Tierart diesbezüglichen Experi¬ 
menten mit dem Resultat unterwarf, dass bei Zim¬ 
mertemperatur die Eidechsen immun seien, wäh¬ 
rend sie bei Blutwärme der Infektion erliegen 
sollten. 

Der Autor vorliegender Arbeit prüfte nun diese 
Versuche dadurch nach, dass er Eidechsen in ent¬ 
sprechenden Behältern allmählich an verschieden 
hohe Temperaturen gewöhnte und sodann intra¬ 
peritoneal und subkutan mit Milzbrandkultur 
impfte. Es ergab sich, dass bei diesen Tieren von 
einer Immunität gegenüber Milzbrand nicht die 
Rede sein kann, und dass es zur Herbeiführung 
einer tätlichen Infektion nicht notwendig ist, die 
Eidechsen einer höheren Temperatur auszusetzen. 
Jedoch trat bei abnehmender Wärme eine Ver¬ 
zögerung des Exitus let. ein. Bei 17° C. z. B. 
starben die Tiere erst nach 5—6 Tagen, während bei 
26—29 0 C. der Tod schon nach 1 Tag 4 Stunden 
eintrat. 

Der Nachweis der Bacillen gelang immer im 
Herzblut, meist auch in Leber und Lungen, weniger 
sicher in Milz und Nieren. Makroskopisch sicht¬ 
bare Veränderungen an den inneren Organen waren 
nicht immer vorhanden. Meist bestand Milz- und 
I jebersch wellung. 

Eine Abschwächung des Krankheitserregers im 
Eidechsenkörper war nicht eingetreten, da die 


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68 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


3. Jahrgang. 


Impfmause nach 16 bezw. 12 Stunden zugrunde 
gingen. 

Bei den Versuchen mit Mäuseseptikämie konnte 
als für die Entwicklung günstige Temperatur 
29° C. festgestellt werden (Tod nach 1 1/2 Tagen). 
Aber auch bei 19—21 0 C. auf bewahrte Tiere ver¬ 
endeten noch, allerdings erst nach 9 Tagen. Eine 
Virulenzabnahme war auch hier nicht eingetreten. 
Hauptfundstätte der Milzbrandbacillen war das 
Herzblut und die Lungen. Milztumor war immer, 
Schwellung der Leber öfters vorhanden. 

Der Mikrokokkus tetragenus führte den Tod 
der Eidechsen am schnellsten herbei bei 32° C. 
(Tod nach 1 Tag). Die unterste Grenze liegt bei 
22° (Tod nach, 9 Tagen). Auch hier keine Schädi¬ 
gung der Virulenz des Mikroorganismus. Die 
Hauptfundstelle des letzteren waren die Lungen. 
Leber und Milz stark geschwollen. In zwei Fällen 
in Pleura und Perikard aus Reinkultur bestehende 
Eitennassen. Carl. 

F* Pfaff. Eine infektiöse Erkrankung 
der Kanarienvögel. Zentralbl. f. Bakt. etc. 
1. Abt. Orig. Band 38 Heft 3. 

Verf. hatte Gelegenheit, eine Infektionskrankheit 
unter den Kanarienvögeln eines Händlers zu beob¬ 
achten. Die pathologisch - anatomischen Verände¬ 
rungen an den Organen der verendeten Vögel waren 
folgende: Milz und Leber waren von zahlreichen 
gelb-weissen Herden durchsetzt, die Darmschleim¬ 
haut war entzündet. Im Herzblut, in der Milz und 
der Leber zahlreiche Bakterien von gleichem Aus¬ 
sehen. Es waren das 1—2 fi lange, 0,5 fi breite, 
einzeln gelegene, unbewegliche und geissellose Bak¬ 
terien, die keine Sporen bildeten. Mit gewöhnlichen 
Anilinfarben gut färbbar, nach Gram Entfärbung. 
Auf Agarplatten gezüchtet, bildeten die Bakterien 
nach 24 Stunden durchscheinende, gelblich-graue, 
ziemlich trockene Kolonien. In Bouillon bildeten 
sich nach 24 Stunden feine Flocken, die zu Boden 
sanken und die Bouillon klar Hessen. Auf Agar 
bilden die Kolonien einen gelblich - weissen, auf 
Gelatine einen bläulich-weissen Ueberzug. Die Bak¬ 
terien bilden schnell kräftigwirkende Toxine. Die 
Bakterien erwiesen sich als pathogen für Kanarien¬ 
vögel, Sperlinge, Zeisige, Tauben, nicht für Hühner, 
des weiteren als pathogen für weisse Mäuse, Meer¬ 
schweinchen und Kaninchen. ProfA 

N. Morl« Ueber eine bei Katzen aufge¬ 
tretene durch einen besonderen 
MikroorganismusbedingteEpizootie. 
Centrbl. f. Bakt. etc, l.Abt., Bd. 38, Heft 1 und 2. 

Verf. gewann gelegentlich einer in Siena unter 
den Katzen aufgetretenen Epidemie aus den Or¬ 
ganen einer kranken und in der Agonie getöteten 
Katze ein Stäbchen in Reinkulturen, durch dessen 
Verimpfung er bei Katzen wieder dieselbe Krank¬ 
heit erzeugen konnte. Die Stäbchen zeigten eine 
zwischen 0,8 p und 2,0 p variierende Länge und leb¬ 
hafte Eigenbewegung, die durch 6—8 Geisselfäden 
hervorgerufen wird. Sie bilden keine Sporen, färben 
sich mit den gewöhnlichen basischen Anilinfarben, 


aber nicht nach Gram. Es sind fakultative Anaerobier. 
In Bouillon nach 4—6 Stunden Trübung, später bildet 
sich ein Häutchen an der Oberfläche. Gelatine wird 
nicht verflüssigt. Im Agarstrich bildet das Stäbchen 
graublauen Belag, auf Kartoffel dicken saftreichen, 
graugelben Belag. Der Mikroorganismus tötet, schon 
in geringen Mengen verimpft, weisse Mäuse in 2, 
Kaninchen in 3, Meerschweinchen in 1—2, Katzen 
in 10—15 und Tauben in 6 Tagen. Bei derAutopsie 
findet man Oedem, stark geschwollene Milz, ver- 
grösserte Leber, Hämorrhagien, flüssiges Herzblut. 
Verf. nennt den Mikroorganismus Bacillus caticida. 

ProfA 

Storch in Schmalkalden. Zur Prophylaxe der 
puerperalen Infektionen. Berüner tier- 
ärztiiche Wochenschrift. 1904, No. 12. 

In der tierärztlichen Geburtshilfe sind die 
Regeln der Asepsis und Antisepsis bislang wenig 
zur Anwendung gekommen. Sie sind wohl haupt¬ 
sächlich deshalb ausser acht gelassen, weil die 
Durchführung derselben mit grossen Schwierig¬ 
keiten verknüpft ist. Denn einmal sind die schlech¬ 
ten Stallungen als Operationsraum der Anwendung 
der Asepsis nicht günstig und andrerseits stellen 
viele schwierige Geburtsfälle an den Operateur in 
Beziehung auf Ausdauer solche Anforderungen, dass 
derselbe nur noch das eine Ziel verfolgt, die Ge¬ 
burt zu Ende zu führen, ohne der antiseptischen 
Kautelen zu gedenken. Trotz dieser Schwierig¬ 
keiten ist die Beachtung der Antisepsis in der 
Geburtshilfe zur Verhütung der puerperalen Infek¬ 
tionen absolut notwendig. 

Man weiss heute genau, dass die puerperalen 
Erkrankungen der Geschlechtsorgane ihre Ent¬ 
stehung der bakteriellen Infektion verdanken. Die 
Erreger dieser Infektionskrankheiten sind bei 
unseren Haustieren noch nicht alle erforscht. Je¬ 
doch steht fest, dass die puerperale nekrotisierende 
Vaginitis und Metritis des Rindes durch den Ne¬ 
krosebacillus veranlasst wird. Zur puerperalen In¬ 
fektion bedarf es einmal einer Wundfläche, welche 
den Bakterien den Eintritt in die Gewebe gestattet. 
Hierfür genügen geringgradige Epitheldefekte, wie 
sie fast bei jeder Geburt Vorkommen und andrer¬ 
seits müssen die Krankheitserreger selbst vor¬ 
handen sein. 

Der genannte Nekrosebacillus ist ubiquitär und 
wird fast regelmässig im Rinderkote gefunden. 
Meistens ist er ein harmloser Saprophyt, kann je¬ 
doch auch, wie dargetan, parasitär auf treten. 

Nach Fällen von Puerperalseptikämien oder 
anderen mit septisch, putriden Prozessen verbun¬ 
denen Krankheiten wird selten eine sachgemässe 
Desinfektion des Stalles ausgeführt. Die Krank¬ 
heitskeime bleiben in der Streu und auf dem Stall¬ 
boden liegen und geben so Gelegenheit zu neuen 
gleichartigen Infektionskrankheiten. In der neueren 
Literatur sind mehrere Fälle verzeichnet, in denen 
seuchenartig auftretende puerperale Erkrankungen 
durch den mit Krankheitskeimen besäten Stall¬ 
boden verursacht waren. Indes in der Mehrzahl 


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Heft 3 


Fortschritte der Ve teri n&r- Hy giene. 


69 


der Fälle worden die ruerperalseptikämien durch 
die mangelhafte Sauberkeit bei der Geburtshilfe 
veranlasst. 

Der Geburtshelfer hat deshalb die Pflicht, den 
Anforderungen der Asepsis bezw. Antisepsis, so¬ 
weit es ihm die Aussenverhältnisse gestatten, nach¬ 
zukommen. Zu diesem Ende hat er zunächst die 
Wahl seiner Kleidung so zu treffen, dass dieselbe 
leicht gereinigt werden kann. Verf. benutzt zur 
Bekleidung des Oberkörpers ein leichtes, ärmelloses 
Jägerhemd und als Beinkleider waschbare Loden¬ 
hosen. Dieselben werden häufig und insbesondere 
nach der Entwicklung fauler Früchte peinlichst 
ausgekocht und gewaschen. 

Hände und Arme werden nach der Anweisung 
von Kümmel und Fürbringer keimfrei gemacht. 

Ferner ist bei der Durchführung der Antisepsis 
die Desinfektion des Instrumentariums von Wichtig¬ 
keit. Stricke, Pflugleinen und Tragbänder sind 
durch fünf Minuten langes Kochen in Wasser keim¬ 
frei zu machen. 

Sind dieselben bei der Entwicklung von Dunst¬ 
kälbern oder -fohlen gebraucht, so sind sie gemäss 
der Anweisung de Bruins zu verbrennen. 

Die kleineren Instrumente sind ebenfalls fünf 
Minuten in siedendes Wasser zu legen, die grösseren 
reinigt man. mangels passender Sterilisationsvor¬ 
richtungen am besten mit Seifenwasser und Bacillol- 
lösung oder noch besser durch Erhitzen in Gas¬ 
oder Spiritusflamme. 

Um eine Verunreinigung der Instrumente auf 
dem Transporte nach Möglichkeit zu verhüten, 
sind dieselben in einen Beutel aus reiner Lein¬ 
wand zu befördern. 

Vor Beginn der Operation werden Scham und 
Schwanz des Tieres mit Seife, Wasser und Bacillol- 
lÖ8ung gereinigt. Werden Wurf und Arme während 
der Geburt durch Exkremente besudelt, so werden 
letztere mit einer Desinfektionsflüssigkeit wegge¬ 
spült. Grosse Bedeutung wird vom Verf. der Des¬ 
infektion des Irrigatorschlauohes deshalb beigelegt, 
weil derselbe sich oft als Zwischenträger von In¬ 
fektionskeimen erwiesen hat. Auskochen ist auch 
hier das sicherste Mittel, das Instrument keim¬ 
frei zu machen. Verf. benutzt Duritschläuche, weil 
dieselben durch den Koohprozess nicht angegriffen 
werden. 

Die allgemeine Anwendung vorstehender Hegeln 
der Asepsis und Antisepsis in der Geburtshilfe 
würde sicher zum Nutzen der Landwirtschaft die 
Zahl der puenperalen Erkrankungen herabsetzen. 

Knese. 

de Does. Ein Fall von Pseudo-malleus 
(Saccharomvcosis) der Testikel 
eines Pferdes. Mitteilungen aus dem Gen- 
eesk. Labor, in Weltevreden, Java. 

Verf. beschreibt einen Fall von Saccharomy- 
cosis der Testikel eines Pferdes, der grose Aehn- 
lichkeit mit Malleus zeigte. Die Krankheit hatte 
■zu enormer Vergrösserung aer Testikel geführt (Ge¬ 
wicht 1.5 kg). In den vielen Herden waren die 


Hefezellen in ausserordentlich grosser Zahl zu 
finden. de Haan. 

B. Langer. Untersuchungen über einen 
mit Knötchenbildung einhergehen¬ 
den Prozess in der Leber des Kalbes 
und dessen Erreger. (Ztsch. f. Hyg. und 
Inf. Bd. 45, 3.) 

Die Untersuchungen beziehen sich auf Material, 
das durch Herrn Schlachthofdirektor Haffner- 
Düren der Tierärztlichen Hochschule in Berlin ein¬ 
geschickt wurde. Es waren Leberstücke mit ziem¬ 
lich scharfen Rändern, von braunroter Farbe, auf 
der Schnittfläche hellbraun, mit zahllosen, teilweise 
grieskorngrossen, scharf umgrenzten Herden von 
grauweisser bis orangeroter Farbe. Ueber die 
Schnittfläche ragten die Knötchen halbkugelig her¬ 
vor. Die Tiere hatten während des Lebens keine 
Krankheitserscheinungen gezeigt. Nach der 
Schlachtung fand sich fast immer Schwellung der 
Milz, punktförmige Blutungen in den Nieren — in 
einigen Fällen auch hier Knötchenbildung wie in 
der Leber — und bisweilen Katarrh der Bronchien. 
Der Nabel war stets intakt. 

Es wurde eine genaue experimentelle, patho¬ 
logisch-histologische und morphologisch und bio¬ 
logisch-bakteriologische Untersuchung vorgenom¬ 
men. Mit fünf verschiedenen Stämmen von Rein¬ 
kulturen, die aus den eingesandten Kalbslebern ge¬ 
wonnen waren, wurden Mäuse geimpft. Diese Ver¬ 
suche ergaben, ebenso wie die Fütterungsversuche 
an Mäusen, dass der gezüchtete Bacillus der Er¬ 
reger der Erkrankung und der Veränderungen in der 
Leber ist. (Ausführliche Krankengeschichten und 
Sektionsbefunde im Original.) 

Die pathologischen Veränderungen waren fol¬ 
gende : 

In den ersten Tagen der Infektion zeigte sich 
bei den Versuchstieren allgemeine parenchymatöse 
Erkrankung der Organe. Bei Tieren, die nach drei 
bis vier Tagen und später eingingen, traten sie 
mehr in den Hintergrund. Es fanden sich dann an 
den Organen, besonders der Leber, tiefgreifende, 
lokale Veränderungen. In den Herden lagerten sich 
an Stelle der sich langsam lösenden Leberzellen 
zahlreiche weisse Blutkörperchen., Besondere Hei¬ 
lungsvorgänge in diesen Herden waren selbst bei 
Tieren, die erst 28 Tage nach der Infektion ein¬ 
gingen, nicht zu erkennen. Abgesehen von den 
vereinzelten Fällen von Abzessbildung mit Ab¬ 
kapselung in der Leber, muss man annehmen, dass 
die Defekte durch Regeneration des Leberparen¬ 
chyms ausgeglichen werden. 

Der Krankheitserreger selbst hat folgende 
Eigenschaften: 

Es ist ein 0,6—1,0 p langes, bewegliches Stäb¬ 
chen, welches fakultativ anaerob auf den gebräuch¬ 
lichsten — schwach alkalischen — Nährböden ohne 
Farbstoffbildung bei Zimmer- und Bluttemperatur 
wächst. Es färbt sich mit den gewöhnlichen 
Anilinfarben, ist nach Gram negativ und auch nicht 
säurefest. Die Lakumsmolke wird anfangs gerötet, 


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70 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


3. Jahrgang. 


später gebläut. Es bildet reichlich Gas (H 2 S -f- C0 2 ) 
jedoch kein Indol. Gelatine wird nicht verflüssigt, 
Bouillon gleichmässig getrübt. Die Isolierung ge¬ 
lingt leicht auf Agar. Das Bakterium ist haupt¬ 
sächlich für Kälber, weisse und graue Mäuse 
pathogen, weniger für Meerschweinchen und Kanin¬ 
chen. Hunde sind immun. Momentane Erhitzung 
auf 65 0 0. tötet den Bacillus. Durch Typhusserum 
wird er agglutiniert, Toxine sind in Organen und 
Kulturen nicht nachzuweisen. Der Bacillus ist un¬ 
zweifelhaft ein naher Verwandter des Bacterium 
typhi. Er ist ein Spezies der Gruppe Paratyphus. 
Verf. nennt ihn wegen seiner Wirkung beim Kinde 
Knötchen in der Leber zu erzeugen: Bacillus 
nodulifaciens bovis. Jacob. 

Lefcbure und Gautier. Die spontane Kanin- 
chenseptikämie von Eberth und Mandry. 
Progrös v6t6rinaire. 1904, pg. 397—404. 

Im Jahre 1882 hat Eberth unter dem Namen 
„Spontane Septikämie“ eine infektiöse Kaninchen¬ 
krankheit beschrieben. Diese ist seither öfters 
unter den Kaninchen der Laboratorien beobachtet 
worden, in Kaninchenzüchtereien scheint sie in¬ 
des noch nicht beobachtet worden zu sein bis zu 
dem regnerischen Sommer des Jahres 1903, in dem 
die Verfasser Gelegenheit hatten, ein Dutzend Ka¬ 
ninchen einer Züchterei zu untersuchen, die nach 
und nach derselben Krankheit erlegen waren. 

Die Symptome waren folgende: Ein bis drei 
Tage vor dem Tode wurden die Kaninchen träge, 
sassen zusammengekauert in einem Winkel ihres 
Stalles und Hessen die Ohren hängen. Nur mit 
Mühe konnte man sie aus ihrer, einer Kugel ähn¬ 
lichen, Stellung zum Verlassen ihres Platzes be¬ 
wegen. Husten und Nasen-Ausfluss waren nicht vor¬ 
handen, in der Mehrzahl der Fälle auch kein Durch¬ 
fall. Bei einigen zur Autopsie gekommenen Tieren 
waren im Rektum breiartige Massen vorhanden und 
die Haare am Perinäum durch flüssige Exkremente 
verklebt. 

Kurz vor dem Tode trat Dyspnoe ein, die Ka¬ 
ninchen fielen auf die Seite, sperrten das Maul 
auf und verendeten unter heftigen Schreien. 

Die Sektion ergab in der Bauchhöhle ein durch¬ 
scheinendes, gelatinöses Exsudat, am Darm Kon- 
gestionszustäode. Leber, Milz und Nieren waren 
normal. In der Brusthöhle wurden die Lungen ge¬ 
sund gefunden, dagegen bestand eine Perikarditis 
und Myokarditis. Im Herzbeutel eine reichliche 
Menge von Exsudat gleicher Beschaffenheit wie 
in der Bauchhöhle, ln der Peritonealflüssigkeit 
fanden die Verf. eine ungeheure Anzahl von Bak¬ 
terien in der Form von kurzen Stäbchen bis zu 
rundUcher Gestalt. Es wurden Kulturen in Nähr¬ 
bouillon, auf geronnenem Serum und Gelatine- 
Stichkulturen angelegt. Bei einer Temperatur von 
37—38° C entstand in der Bouillon eine diffuse 
Trübung, die sich nach 4—5 Tagen unter Bildung 
eines Niederschlags aufhellte. Auf dem geronnenen 
Serum entstanden nach 20 Stunden kleine, runde, 
durchscheinende Kolonien. 


Auf der Gelatine entstand ein dünner grau- 
weisser Oberflächen-Belag mit zackigen Rändern, 
entlang dem Impfstrich, kleine weisse, zusammen- 
fliessende Kolonien. Die Gelatinp wird nicht ver¬ 
flüssigt. 

In allen drei Kulturen fanden sich dieselben 
Bakterien. Der Bacillus ist bewegHch und ent¬ 
färbt sich nach Gram. Auf Kartoffeln gebracht 
bildet der Spaltpilz einen graugelben, schleimigen 
Belag, der bei längerem Wachstum schmutziggrau 
wird. 

Bei Kaninchen sind bisher vier Septikamien 
beschrieben worden: 

1. Die Septikämie von Lucet. Diese ist charak¬ 
terisiert durch das Auftreten einer Anschwellung 
im Bereiche des Unterkiefers und Halses. Es be¬ 
steht Husten und Nasenausfluss. Der Erreger 
wächst nicht auf Kartoffeln und ist für Hühner 
nicht pathogen. 

2. Die spontane Septikämie von Eberth und 
Mandry. Symptome sind nicht angegeben. Der 
Erreger wächst auf Kartoffeln, Hühner widerstehen 
den stärksten Inokulationen. 

3. Die Septikämie von Thoinot und Masselin. 
Hierbei besteht Diarrhoe. Der Erreger von gleicher 
Gestalt, wie der der Geflügelcholera. Kein Wachs¬ 
tum auf Kartoffeln. Hühner werden getötet. 

4. Septikämie von Beck, charakterisiert durch 
einen Katarrh der Luftwege, Husten und Dyspnoe. 
Tod nach 5 —6 Tagen. Für Hühner nicht infektiös. 

Wennschon die Tatsache, dass nur bei der 
Septikämie von Eberth und Mandry ein Wachstum 
auf Kartoffeln vorkommt, den Autoren beweisend 
schien, haben diese doch Impf versuche bei Ksu- 
ninchen, Hühnern und grauen Mäusen angestellt. 
Die Maus starb nach einer Impfung in die Bauch¬ 
höhle nach 10 Stunden. Die Sektion ergab ein 
gelatinöses Exsudat, das eine Reinkultur des er¬ 
wähnten, in enormer Zahl vorliandenen, Bacillus 
darstellte. Auch im Blute der Milz und der Leber 
wurde dieser gefunden. Nach Färbung mit Fuchsin 
präsentieren sich einzelne der Spaltpilze unter 
typischer Polfärbung als der Gruppe Pasteurella 
zugehörig. 

Das in die Schenkelmuskulatur geimpfte Ka¬ 
ninchen starb nach 48 Stunden. Als Folge der 
Impfung trat eine entzündliche Schwellung der 
Schenkelmuskulatur ein. ^Berührung und Bewegung 
des Schenkels werden sehr schmerzhaft empfunden. 
Nach I 1/2 Tagen verschlimmert sich der Zustand, 
das Tier sitzt zusammengekauert und unbeweglich 
da, die Ohren hängen herab und sind kalt. Nah¬ 
rung wird zurückgewiesen. Die bei der Impfung 
vorhandene Temperatur von 39,5° C ist aof 35°, 
zwei Stunden später auf 34° C gesunken. 

Zu dieser Zeit (39 Stunden nach der Impfang) 
fällt das Tier auf die Seite, die Extremitäten werden 
konvulsivisch bewegt. Das geringste Geräusch und 
die leiseste Berührung lösen heftige Krampfe, be¬ 
gleitet von durchdringendem Geschrei aus. Gegen 
Ende tritt deutliche Asphyxie ein, die Atmung 


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Heft 3. 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


71 


wird dyspnoisch, jeden Augenblick werden kurze 
Schreie ausgestossen. Der Tod erfolgt im Coma. 
Von den Sektionserscheinüngen ist das gelatinöse 
Exsudat in der Bauchhöhle und im Herzbeutel am 
bemerkenswertesten. In diesen Flüssigkeiten wurde 
der geschilderte Bacillus in grosser Menge gefun¬ 
den, aber weder im Blute noch in der Leber. Die 
Impfung der Henne ergab ein völlig negatives Re¬ 
sultat. Klee. 

E. Klein. Ueber einen neuen tierpatho¬ 
genen Vibrio (Vibrio cardii). (Ctbl. f. 
Bakt. 38, 2.) 

Verf. hat mittels des Drigalski-Konradis chen 
Nährbodens zwei verschiedene Arten von Vibrionen 
aus Muscheltieren isoliert. Der eine Vibrio bat 
Kommaform, zeigt 1—3 Greissein am Ende, bildet 
kleine runde himmelblaue Kolonien, die Gelatine 
nicht verflüssigen. Der andere Vibrio, isoliert aus 
einer Herzmuschel (Cardium edule), verflüssigt 
Gelatine und bildet in Stichkulturen eine trich¬ 
terförmige Einziehung wie der Choleravibrio. Die 
Kolonien auf Drigälski-Konradischem Nährboden 
sind blau, von konischer Form; es sind meist 
Kommaformen, manche S-förmig. Bei subkutaner 
Injektion in Meerschweinchen ruft der Vibrio selbst 
in grossen Dosen nur lokalen Tumor hervor; intra- 
peritoneal wirkt er giftig, eine Oese einer 24—48 
Stunden alten Agarkultur bewirkt den Tod des 
Tieres in 20 Stunden. Verf. schlägt für den Vibrio 
den Namen Vibrio cardii vor. Jacob. 

E* Krompecher • Budapest. Untersuchungen 
über das Verhältnis von Epithel, 
Endothel und Bindegewebe zuein¬ 
ander. Ovrosi Hetilap. 1903. No. 44. 

Der Autor hat schon wiederholt darauf hinge¬ 
wiesen, dass es neben den bisher bekannten Krebs¬ 
formen noch eine Form des Karzinoms gibt, welche 
viel gutartiger als die anderen Formen und bei 
rechtzeitiger Exstirpation eine ziemlich gute Pro¬ 
gnose gibt. Es sind das die Basalzellenkrebse, welche 
hauptsächlich in der Haut, auf den Schleimhäuten 
und in Speicheldrüsen aufzutreten pflegen und sich 
sowohl histologisch als klinisch von allen anderen 
Krebsformen scharf unterscheiden lassen. Dem Ver¬ 
fasser war es aufgefallen 

1. dass das histologische Bild dieser Krebse eine 
auffallende Aehnlichkeit mit dem der Sarkome auf¬ 
weist. Durch Untersuchüng der Basalzellen bei an¬ 
deren pathologischen Prozessen, ferner bei Wirbel¬ 
tieren niedriger Arten, bei Fröschen, Salamandern 
und an embryonalen Geweben, und durch eingehen¬ 
des Studium derselben kam der Verfasser zu dem 
Schlüsse, dass zwischen Epithel, Endothel und Binde¬ 
gewebe keine so absolute Speziflzität besteht, als 
man bisher annahm, 

2. dass in gut ernährten Geweben, bei Em¬ 
bryonen, niedrigeren Wirbeltieren und bei über¬ 
ernährten pathologischen Geweben ein Uebergangs- 
gewebe zwischen Epithel und Bindegewebe zu Anden 
ist, und 


3. dass das Epithel sich im entwickelten Orga¬ 
nismus in Bindegewebe umwandeln kann. 

Die Veränderungen des Milieus verursaohen 
morphologische Veränderungen, und der Verfasser 
versucht, der Milieutheorie auch in der allgemeinen 
Pathologie Geltung zu verschaffen. Autor betont, 
dass man die Pathologie auf breitere, embryologische 
Basis stellen müsste. Zimmermann. 

Mölner. Gibt es Impfkarzinome? Archiv 
f. klm. Chirurgie, 74. Bd., 3. u. 4. Heft. 

Auf Grund einer umfangreichen kritischen Dar¬ 
stellung der gesamten Literatur über diesen Gegen¬ 
stand und eigener Untersuchungen kommt Verfasser 
hauptsächlich zu folgenden Schlüssen: 

1. Die sogenannten Impfkarzinome sind nach 
dem heutigen Stand unseres Wissens nur entstan¬ 
den zu denken aus implantierten Karzinomzellen. 

2. Implantation von Karzinomzellen auf En¬ 
dothel kommt nicht selten vor. Darum erscheint 
auch heute noch der Rat Hanaus beachtenswert, zu 
künstlichen Uebertragungsversuchen seröse Flächen 
zu benutzen. 

3. Implantation von karzinomähnlichen Tu¬ 
moren in frische Wunden ist experimentell wieder¬ 
holt, aber doch nur in einem kleinen Bruchteil 
der Versuche und unter besonderen Vorsichtsmass- 
regeln gelungen. Unbeabsichtigte „Impfung“ in 
frische geschlossene Wunden erscheint darum theo¬ 
retisch möglich, ist aber in keinem der so auf¬ 
gefassten Fälle sicher bewiesen. 

4. Implantation von Karzinomzellen auf in¬ 
taktes Epithel ist experimentell noch nicht ge¬ 
lungen. 

Trotzdem ist Anwachsen von Karzinomzellen 
auf dem einschichtigen Ovarial-Epithel als erwiesen 
zu betrachten. 

5. Unabsichtliche Uebertragung von Krebs auf 
ein anderes Individuum derselben Art ist noch 
nicht sicher beobachtet. Darum und weil Ueber¬ 
tragung innerhalb desselben Individuums unter den 
für die Ansteckung in Betracht kommenden Ver¬ 
hältnissen sehr selten ist, ist die Angst vor der 
Kontagiosität des Karzinoms einstweilen ganz un¬ 
begründet. 

6. Zufällige Implantation von Karzinom-Kei¬ 
men bei Operationen sind trotzdem nicht sicher 
auszuschliessen. Daher sind die früher angegebenen 
Vorsichtsmassregeln nicht überflüssig. Carl. 

Dagonet. Uebertragbarkeit des Karzi¬ 
noms. Arch. de m6d. exp£riment. T. XVI. 

Verf. injizierte einer weissen Ratte intraperi¬ 
toneal den Zellbrei eines Peniskarzinoms vom Men¬ 
schen. Nach 15 Monaten ging das Tier zugrunde 
und zeigte in dem Netz- und auf dem Peritoneal¬ 
überzug von Leber und Milz zahlreiche kleine 
Tumorknoten, die histologisch mit dem Karzinom 
übereinstimmten. Damit wäre die Uebertragung 
auf ein Tier einer anderen Spezies gelungen. 

Profe. 


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72 


Fortschritte der Veterin&r-Hygiene. 


3. Jahrgang 


J b Gnszmann, Budapest. Experimente über 
Implantation von Hautteilen. Mathem. 
6s Termdszettudomänyi Ärtesitö. 1904. No. 3. 

Mit den nach experimentellen Grundsätzen aus¬ 
geführten Implantationen gelang es Guszmann, 
fast ausnahmslos Zysten zu erzeugen. Ein Teil der 
Wand der Zysten besteht aus dem implantierten 
Hautanteil, der andere Teil ist neu gebildet. Der 
bindegewebige Anteil der neugebildeten Zystenwand 
hat sich aus dem alten Unterhautbindegewebe ent¬ 
wickelt, die Epitheldecke derselben stammt aus dem 
fort wuchern den Epithel des implantierten Lappens. 

Die Epithelzunahme, welche die Grundlage der 
Zystenbildung abgibt, äussert sich in zweierlei Form. 
Der eine Typus folgt der von Kaufmann beschriebenen 
Form, indem das Epithel einfach vom Rande des 
implantierten Hautläppchens auf das nachbarliche 
Bindegewebe übergreift und dieses langsam über¬ 
wuchert. Die andere Form der Ueberkleidung mit 
Epithel geschieht auf die Weise, dass das wuchernde 
Epithel von der epidermalen Oberfläche des Haut- 
läppens auf das gegenüberliegende Bindegewebe 
übergreift, um von hier auf die Oberfläche desselben 
weiter zu kriechen! Das Epithelgewebe des Läpp¬ 
chens gelangt auf die Weise auf das gegenüber¬ 
liegende Bindegewebe, dass die durch das Enthäuten 
entstandenen zahlreichen intrazystösen Verbindungen 
als Leitbahn benutzt werden. 

In dem* neu entwickelten Wandanteile der Zyste 
fällt neben der hoben Differenzierung des mehr¬ 
schichtigen Epithelbelages hauptsächlich der Um¬ 
stand auf, dass man zerstreut Haarfollikeln mehr oder 
weniger ähnliche Gebilde findet, welche man als 
Folgen der sekundären Implantation auffassen muss. 
Diese künstlich erzeugten Zysten stehen daher in 
ihrer ganzen Ausdehnung, also nicht nur in den 
dem implantierten Hautläppchen entsprechenden 
Anteile in ihrer Struktur den einfachen Dermoid¬ 
zysten sehr nahe. Zimmermann. 

J. Jnstns, Budapest. Der physiologische Jod- 
gehalt der Zellen. Orvosi Hetilap. 1904. No. 4. 

Justus hat nachgewiesen, dass die Zellkerne 
Jod enthalten. Mit einer neueren Serie von Ver¬ 
suchen gelang es J., nun nachzuweisen, dass die 
Organe ausnahmslos Jod enthalten, das eine mehr, 
das andere weniger; es ist sogar gelungen, das Jod 
quantitativ in den Organen nachzuweisen, indem das 
Jod aus der Asche ausgeschieden und mit Benzol 
ausgeschüttelt wird. Die Intensität der Farblösung 
gibt das Mass für die Menge des Jodes. Die Schild¬ 
drüse enthält viel mehr Jod, als alle anderen Or¬ 
gane. Alle Theorien, welche von der Annahme aus¬ 
gehen, dass die Schilddrüse unser einziges jod¬ 
haltiges Organ ist, sind nicht stichhaltig. 

Zimmermann. 


Reiche. Bearbeitet im Kaiserlichen Gesundheit^ 
amte zu Berlin. 18. Jahrgang. Das Jahr 1903. Mit 
vier Uebersichtskarten. Berlin. Verlag von Julius 
Springer. 1904, 

G. Mazzini, A. Agazzi. Contributo 
alla diagnosi sperimentale della 
m o r v a. Torino. G. N. Cassone succ. G. Cande- 
lettL 1904. 

Grimme. Einige Bemerkungen zu 
neueren Arbeiten über die Morpho¬ 
logie des Milzbrand bazillus. Abdruck 
aus Zentralbl. für Bakt., Paras. u. Infekt. 1. Abt. 
Orig. 36. Band. 1904. 

L. Rabinowitsch. Die Geflügel¬ 
tuberkulose und ihre Beziehungen zur 
Säugetiertuberkulose. Sonderabdruck aus 
der Deutschen Medizinischen Wochenschrift. 1904. 
No. 46. 

P. Bermbach. Die Untersuchung des 
Blutes mittelst ei w e is s p rä-z i pit ier en¬ 
de r S e r a. 

Ders. Ueber Präzipitine und Anti¬ 
präzipitine. Sep.-Abdruck aus Archiv für die 
ges. Physiologie Bd. 107. Verlag von Martin Hager. 
Bonn. 1905. 

Schott. Ueber eine neue Ultravio¬ 
lett-Quecksilberlampe. Uviol - Dam pe. 

L. Rabinowitsch. Zur Frage der In¬ 
fektiosität der Milch tuberkulöse i* 
Kühe. Abdruck aus der Zeitschrift für Tiermedizin. 
8. Bd. 1904. 

H. Markus. Experimenteele ondo- 
carditis bij het varken door de ba- 
cillen der zoogen aamde urticaria 
(Backsteinblattern). Overdruck uit het Tijd- 
schrift voor Veeartsenijkunde. 1904. 

Schnorf. Neuephysikalisch-chemi¬ 
sche Untersuchung der Milch. Unter¬ 
scheidung physiologischer und pathologischer Kuh¬ 
milch. Verlag Art. Institut Orell Füssli. Zürich. 1905. 

Mazzini. UnaVisita ai Macelli di 
Roma e di Napoli. Torino. Cassone succ. Cande- 
letti. 1904. 

Besprechung Vorbehalten. D. II. 


Einsendung von Original-Abhandlungen, 
Büchern, Monographien und Separat-Abdrücken 
wird direkt an den Redakteur, Kreistierarzt Dr. 
O. Profd, Cöln a. Rh., Hansafing 50 , oder an. die 
Verlagshandlung Louis Marcus, Bierlln SW., 


Bücheranzelgen. 

Jahresbericht über die Verbrei- 
ing von Tierseuchen im Deutschen 


Tempelhofer Ufer 7 , erbeten. 


Lir d. Redaktion verantworte Kreistierarxt Dr. O. Prof6, Cöln a. Hh, Hansariu^ ;>0. Dnu’k von I as s k (n .u I nl> » ’ * ^ 

Verlag und Eigentum: Louis Marcus Verlagsbuchhandlung, Berliu SW. t>l. 


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Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 

3. JAHRGANG. JULI 1905. HEFT 4. 


Tier-Seuchen und Seuchengesetz. 

Von Profö-Cöln. 

Am 23. Juni dieses Jahres war eines Jahr¬ 
hunderts Viertel verflossen seit Einführung 
des Tierseuchengesetzes in Deutschland, eine 
Institution, deren Bedeutung, ein Zeitraum, 
dessen Umfang des Rückblicks immerhin ver¬ 
lohnen. In den ersten dem Inkrafttreten des 
Seuchengesetzes folgenden Jahren war eine 
wesentliche Herabminderung der Erkrankungs¬ 
ziffern bei den einzelnen Seuchen kaum zu 
erwarten. Bei einer Betrachtung der Seuchen 
unter dem Einfluss des Seuchengesetzes können 
die etwa fünf ersten Jahre füglich ausser acht 
gelassen werden. Für das Jahr 1904 ist der 
Jahresbericht über die Verbreitung der Tier¬ 
seuchen noch nicht erschienen, so dass dieses 
unberücksichtigt bleiben muss, eine Lücke, die 
nicht allzusehr ins Gewicht fällt in Anbetracht 
des Umstandes, dass von den Seuchen im Jahre 
1904 einen wesentlich anderen Stand als 1903 
keine einzunehmen scheint. Bemerkenswert ist 
hierzu, dass im Laufe des Jahres 1904 die 
Lungenseuche erloschen ist, und das Reich 
seitdem von Lungenseuche frei geblieben ist. 

AVenn der Verlauf einzelner Seuchen in 
den letzten 20 Jahren, so der des Malleus und 
der Lungenseuche, die Einwirkung des Seu¬ 
chengesetzes in günstigem Lichte zeigt, so 
scheinen dem gegenüber andere Infektions¬ 
krankheiten ihrer Verbreitung und dem Verlauf 
ihrer Seuchengänge nach doch nur sehr uner¬ 
heblich von den durch das Reichs-Gesetz ge¬ 
gebenen Massregeln beeinflusst zu werden. Am 
prägnantesten zeigt sich dies beim Milzbrand, 
beim Rauschbrand und bei der Aphthenseuche. 
Auch nach dem Inkrafttreten der Novelle zum 
Seuchengesetz vom 1. Mai 1894 lassen die ge¬ 
nannten Infektionskrankheiten keine Tendenz 
zur steten und dauernden Abnahme in ihrer 
numerischen und regionären Ausbreitung er¬ 
kennen. Zum besseren Ueberbliek über die 
Verbreitung der Tierseuchen in den letzten 
20 Jahren, d. h. unter dem Einfluss des Seu* 
chengesetzes, ist eine skizzenhafte Kurven¬ 


tabelle beigefügt, an Hand deren die einzelnen 
Infektionskrankheiten betrachtet werden sollen 
Der Milzbrand hat gegenüber seinem 
Auftreten in früheren Jahrhunderten seinen 
Charakter völlig geändert. Wir wissen, dasß 
im 16. bis 18. Jahrhundert fast alle Reiche 
des Abendlandes, insbesondere Italien, Frank¬ 
reich, Oesterreich, Russland und Deutschland, 
von Anthraxinvasionen heimgesucht wurden, 
denen Menschen und Tiere in beträchtlicher 
Zahl zum Opfer fielen. Erst seit Anfang bis 
Mitte des 19. Jahrhunderts zeigt der Milzbrand, 
in Deutschland wenigstens, ein vorwiegend, 
d. h. in etwa 80 °/o aller Erkrankungsfälle, 
sporadisches Auftreten, indem er sich auf einen 
einzigen Fall in dem betroffenen Gehöfte be¬ 
schränkt. Das Seuchengesetz hatte also nicht 
mit jenen rapide ausbrechenden Massenerkran¬ 
kungen zu rechnen, wie sie in früheren Jahr¬ 
hunderten beobachtet wurden, sondern mit einer 
Seuche, die vorwiegend in Form von Einzel¬ 
erkrankungen auf trat. Im Jahre 1885 betrug 
in Deutschland die Zahl der zur Feststellung 
gelangten Erkrankungsfälle 2605 in 1226 Ge¬ 
höften. Sie stieg kontinuierlich bis 1898, wo 
sie eine Höhe von 4921 in 4015 Gehöften er¬ 
reichte. Während also die Erkrankungsfälle 
in 13 Jahren sieh nicht ganz um das Doppelte 
vermehrt hatten, war die Zahl der betroffenen 
Gehöfte um mehr als das Dreifache ange¬ 
stiegen, was eine ganz erhebliche räumliche 
Ausbreitung des Anthrax bedeutet. Abgesehen 
von einer unerheblichen Remission in den beiden 
folgenden Jahren und einem exzessiveren An¬ 
steigen im Jahre 1901, ist in den letzten Jahren 
die Zahl der Milzbranderkrankungen ungefähr 
auf dem im Jahre 1898 erreichten Niveau 
stehen geblieben, dagegen ist der Milzbrand in 
dieser Zeit in Gehöften, Gemeinden und Kreisen 
auf getreten, in denen seit Menschengedenken 
niemals Anthrax beobachtet worden ist. Im 
Jahre 1886 waren 440 (= 41,6 °>) Kreise be¬ 
troffen, im Jahre 1893 waren 669 (= 63,3 ««) 
Kreise von Anthrax betroffen worden, Erschei¬ 
nungen, die deutlich für die fortschreitende 


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74 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


3 . Jahrgang. 


Ausbreitung des Anthrax sprechen. Gerade in 
dieser regionären Verbreitung des ^Milzbrand 
liegt ein eklatanter Hinweis auf der gesetz¬ 
lichen Bestimmungen Unzulänglichkeit in ihrer 
Form und Handhabung. Es wird immer wieder 
hervorgehoben, dass die seit etwa 1893 für 
mehrere Provinzen eingeführte Entschädigung 
für an Milzbrand gefallene Tiere zu einer Er¬ 
höhung der zur Anzeige und damit zur Fest¬ 
stellung gelangten Milzbrandfälle geführt hat. 
Es kann diesem Umstand indessen ein erheb¬ 
licher und wesentlicher Einfluss auf das An¬ 
wachsen der bekannt werdenden Milzbrandfälle 
nicht beigemessen werden. Es müsste denn seit 
den Jahren 1893/94, in denen für die Provinzen 
Brandenburg, Westfalen und für die Rhein- 
provinz, sowie für die Regierungsbezirke Kassel 
und Wiesbaden die Entschädigung der an 
Milzbrand gefallenen Tiere angeordnet wurde, 
ein kräftiges Ansteigen der Erkrankungskurve 
zu beobachten sein. Dem ist indessen nicht so, 
die Kurve steigt von 1885 bis 1898 konti¬ 
nuierlich und fast gleichmässig an. Ebenso ist 
der steile Anstieg der Kurve mit dem Jahre 
1901 nicht etwa auf Rechnung der Einführung 
einer Entschädigungspflicht zu setzen, da im 
Jahre 1900 für Ostprcussen die Entschädigung 
zur Einführung gelangte. Die Zunahme der 
Erkrankungen wurde nicht aus Ostpreussen, 
sondern aus Posen, Frankfurt, Breslau u. a. Be¬ 
zirken gemeldet. 

Es muss somit als feststehend angesehen 
werden, dass der Milzbrand tatsächlich an Zahl 
der Erkrankungsfälle wie an Ausbreitungs¬ 
gebiet während der letzten 20 Jahre nicht un¬ 
wesentlich gewonnen hat. 

Annähernd dieselben Verhältnisse zeigt 
der Rauschbrand in seinem Auftreten wäh¬ 
rend der letzten 20 Jahre. Die Zahl der Er¬ 
krankungsfälle schwankt jn den Jahren 1885 
bis 1890 zwischen 2- und 300, erhebt sich im 
.Jahre 1891 auf 365, im folgenden auf 619, um 
dann stetig bis zum Jahre 1897 anzusteigen, 
wo eine Erkrankungsziffer von 1283 erreicht 
wird. In den folgenden Jahren zeigt sich ein 
ganz unerheblicher Rückgang bis auf die Er¬ 
krankungsziffer 1036 im Jahre 1903. 

Um nun die für die wirksame Bekämpfung 
des Milzbrandes und Rauschbrandes unzu¬ 
reichenden Momente des Tierseuchengesetzes 
zu ergründen, ist es nötig, den Ursachen und 


Anlässen der jeweiligen Krankheitsausbrüche 
nachzugehen. 

In der Literatur finden sich hierüber zahl¬ 
reiche Angaben. So findet man bereits im Jahre 

1881 in den Berichten der beamteten Tierärzte 
Preussens das unvorschriftsmäßige Vergraben 
der Milzbrandkadaver auf Feldmarken als Ur¬ 
sache neuer Krankheitsausbrüche vermerkt, 
ferner das Ausspulen von Milzbrandkeimen 
aus dem Boden und deren Transport in Gegen¬ 
den, die seit jeher von Milzbrand verschont 
geblieben waren. Macke 1 empfiehlt im Jahre 

1882 (!) als wichtigste Massregel die Zer¬ 
störung der Kadaver und der infizierten Gegen¬ 
stände durch Feuer. Leider fand dieser sehr 
verständige Gedanke keine allgemeine Beach¬ 
tung an massgebender Stelle. Dagegen führt 
Siedamgrotzky (1891) die von Jahr zu Jahr er¬ 
sichtlich sich vollziehende Verminderung der 
Milzbrandfälle in der Amtshauptmannschaft 
Zwickau auf den Einfluss einer rationell be¬ 
triebenen Abdeckerei zurück, die die Milzbrand¬ 
kadaver des Bezirks thermisch verarbeitete. 
Buch ist der Meinung, dass der Milzbrand 
stetig zugenommen habe, und zwar handle es 
sich um wirkliche Zunahme der Krankheits¬ 
fälle und nicht nur um vermehrte Anzeigen. 
Er führt die Zunahme der Milzbrandfälle auf 
das völlig unzureichende Verscharrungssystem 
zurück. Daneben werden einzelne Seuchenaus- 
brüche auf in Stallungen und Gehöften aus¬ 
geführte Notschlachtungen von Milzbrandtieren 
zurückgeführt. Weiterhin werden mehrfache 
Angaben über Einschleppungen aus dem Aus¬ 
lande mittelst infizierter Häute und Futter¬ 
mittel gemacht. 

Bei Rauschbrand liegen die Verhältnisse, 
die Infektion betreffend, soweit wir heute zu 
übersehen imstande sind, nicht wesentlich 
anders. Auch hier handelt es sich um Infek¬ 
tionskeime, die aus denl Boden aufgenommen 
werden; auch hier wird die Infektion wohl 
ausschliesslich durch die so außerordentlich 
resistenten Sporen herbeigeführt, mit denen 
der Boden beim Verscharren der Rauschbrand¬ 
leichen immer wieder von neuem reichlich infi¬ 
ziert wird. 

Es erhellt somit aus Vorstehendem, dass 
beim Auftreten des Milzbrandes, ebenso auch 
des Rauchbrandes, in erster Linie die 
heute noch ziemlich allgemein zur Anwendung 


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76 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


3. Jahrgang 


gelangende Art der Kadaverbeseitigung durch 
das Vergraben nicht nur eine ausserordentlich 
grosse Gefahr in bezug auf die Weiterver¬ 
breitung der Krankheit bildet, sondern die Ver¬ 
breitung des Anthrax und Rauschbrandes ge¬ 
radezu bedingen muss. Erst in zweiter Linie 
kommen die Einschleppungen aus "dem Aus¬ 
lande und die Kotschlachtungen milzbrand- 
und rauschbrandkranker Tiere als ursächliche 
Momente für die Milzbrand- und Rauschbrand¬ 
ausbrüche in Frage. 

Die Ansicht, dass das Vergraben von 
Milzbrandkadavern als eine unschädliche Be¬ 
seitigung nicht zu erachten ist, findet einen 
allerdings sehr schüchternen Ausdruck darin, 
dass in den hierauf Bezug nehmenden gesetz¬ 
lichen Bestimmungen der meisten Länder die 
Beseitigung der Kadaver vorzugsweise 
durch Kochen, Verbrennen etc. angeordnet ist. 
Daneben ist aber überall das Vergraben zuge¬ 
lassen. "Letzteres wird dann auch aus Mangel 
an Initiative und alter Gewohnheit gemäss in 
erster Linie praktiziert. Verschiedentlich ist 
auf die Unzulänglichkeit des Vergrabens von 
Milzbrandkadavern hinsichtlich der Unschäd¬ 
lichkeit der Beseitigung hingewiesen. Auch 
von seiten des preussischen Ministers für Land¬ 
wirtschaft, Domänen und Forsten ist der An¬ 
erkennung dieser Unzulänglichkeit in einem 
Erlasse vom 21. Juli 1903 Ausdruck gegeben, 
nach welchem Versuche über die Verbrennung 
von Milzbrandkadavern auf freiem Felde an¬ 
gestellt werden sollten. Die in vielen Ländern 
vorgesehenen Schutz- und Abwehrvorrichtun¬ 
gen auf den Verscharrungsplätzen vermögen 
die grösste Gefahr, nämlich das Ausschwemmen 
der Milzbrandkeime durch Niederschlag- oder 
Grundwasser, nicht zu hindern. Es steht fest, 
dass das Vergraben von Milzbrandkadavern 
eine bewusste Neuinfektion des Bodens mit 
Milzbrandkeimen bedeutet. Lediglich die Ver¬ 
nichtung der Milzbrandkadaver in Kadaver- 
vernichtungs-Anstalten entspricht allen An¬ 
forderungen der Hygiene. Auch das Verbrennen 
der Milzbrandkadaver über freiem Feuer kann, 
solange die Einführung von Kadavervemich- 
tungsanstalten keine allgemeine ist, als eine 
Art der unschädlichen Beseitigung angesehen 
werden. 

Dass sieh das Verbrennen grosser Kadaver 
auf freiem Feuer ermöglichen lässt, und zwar 


ohne erhebliche Schwierigkeiten, beweisen die 
Angaben der preussischen beamteten Tierärzte 
in den Jahresberichten für das Jahr 1902 und 
1903, nach denen in etwa 80 °/u aller Ver¬ 
brennungsversuche das Resultat ein günstiges 
war, das beweisen ferner zahlreiche im Stadt¬ 
kreise Köln unternommene Versuche, nach 
denen in einer Stunde 80—85 kg Kadaver 
verbrennen, nach denen zur Verbrennung von 
100 kg Kadaver 60 kg Torf oder 40 kg Holz 
oder 30 kg Braunkohle oder 24 kg Steinkohle 
genügen. 

Solange aber das Vergraben von Milz¬ 
brand- und Rauschbrandkadavern nicht ver¬ 
boten wird, ist eine Abnahme der genannten 
Infektionskrankheiten nicht zu erhoffen. 

Die Tollwut hat eine Abnahme seit Be¬ 
stehen unseres Tierseuchengesetzes ebenfalls 
nicht erfahren. Die Zahl der erkrankten Tiere 
schwankte in den Jahren 1885 bis 1895 zwi¬ 
schen 460 und 580. Im Jahre 1890 erhob sie 
sich auf 714, im Jahre 1896 auf 939, zwei 
Jahre später auf 1202, um in den Jahren 
1901 und 1902 wieder bis auf 676 und 612 
abzufallen. Im Jahre 1903 erreichte sie wieder 
eine Höhe von 920. Abgesehen also von einem 
vorübergehenden Absinken in den Jahren 1901 
und 1902 ist eine nicht unerhebliche Zunahm* 
der Erkrankungsziffer zu verzeichnen. Indessen 
hat die Zunahme, fast ausschliesslich in den 
Grenzbezirken, und zwar hauptsächlich in den 
östlichen, stattgehabt, während Teile im Innern 
des Reiches seit Jahren frei von Tollwut sind 
Hieraus ist ersichtlich, dass die Einschleppung 
immer wieder vom Auslande her erfolgt. Die 
Zunahme der Erkrankungsziffer ist bei den 
im grossen und ganzen zweckmässigen gesetz¬ 
lichen Vorschriften vorwiegend auf die fehlende 
Besteuerung der Hunde in den meisten länd¬ 
lichen Bezirken, vor allem aber auf die mangel¬ 
hafte, wenig straffe Durchführung der Sperr- 
massregeln und der Tötungs-Vorschrift herren¬ 
los umherstreifenden Hunden gegenüber durch 
die Orts-Polizeibehörden, besonders in länd¬ 
lichen Bezirken, zurückzuführen. 

Eine sichtliche Abnahme hat der M a 1 - 
lens erfahren. Tn den ersten Jahren nach dem 
Inkrafttreten des Seuchengesetzes war die jähr¬ 
liche Erkrankungsziffer etwa 1200, im Jahre 
1889 erhob sie sich auf 1337, nahm dann mit 
geringen Remissionen stetig ab und betrug in 


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Heft 4. 


77 


Fortschritte der 


den letzten 10 Jahren nur noch etwa die Hälfte 
der Höhe in den ersten Jahren. In den Jahren 

1902 und 1903 sank die Zahl der erkrankten 
Tiere auf 360 beziehentlich 313 herab. Dass 
dieser Erfolg einer durch ihre lange Inkuba¬ 
tion, durch den schleichenden Verlauf und 
durch langfristige Latenzstadien besonders ge¬ 
fährlichen Infektionskrankheit gegenüber er¬ 
zielt werden konnte, ist auf das radikale Ver¬ 
fahren der Tötung (oder doch der sorgsamen 
Absperrung) infizierter Bestände unter {Ent¬ 
schädigung der Besitzer zurückzuführen, ein 
Tilgungsverfahren, das sich bei einer ihrem 
Verlaufe nach ähnlichen Infektionskrankheit, 
der Lungenseuche, als ebenso wirkungs¬ 
voll erwies. Während in den Jahren 1885 bis 

1887 die Zahl der an Lungenseuche erkrankten 
Tiere noch etwa 1800 bis 2300, in den Jahren 
1891 und 1892 noch etwa 1200, bis zum Jahre 
1899 im Durchschnitt noch etwa 800 betrug, 
nahm sie mit den folgenden Jahren so rapide 
ab, dass sie sich 1902 nur noch auf 85 und 

1903 nur noch auf 12 bemass. Im Jahre 1901 
waren von der Seuche noch befallen 3 Staaten, 
3 preussische Provinzen, 7 Regierungsbezirke, 
14 Kreise, 35 Gemeinden und 64 Gehöfte. Der 
Gesamtbestand an Rindern in den neu ver- : 

i 

seuchten Gehöften betrug 1650, der Gesamt- i 
verlust aus Anlass der Bekämpfung betrug ; 
noch etwa 1000 Stück Rinder. Für gefallene j 
oder auf polizeiliche Anordnung getötete Tiere S 
sind bezahlt worden 124 566 Mk. Im Jahre \ 

1903 waren von der Seuche betroffen nur mehr 1 
2 Staaten, 3 preussische Provinzen, 5 Regie- 1 
rungsbezirke, 6 Kreise, 6 Gemeinden und 6; 
Gehöfte. Der Gesamtbestand an Rindern in : 
den neu betroffenen Gehöften betrug 349, deri 
Gesamtverlust aus Anlass der Bekämpfung be-; 
trug nur 196 Stück Rinder. Für gefallene und { 
auf polizeiliche Anordnung getötete Tiere wur-S 
den 31169 Mk. bezahlt. Seit Mitte des Jahres’ 

1904 ist das Reich von jener Landwirtschaft! 
und Nationalvermögen ausserordentlich ge-| 
fährdenden Infektionskrankheit frei. Ebenso j 
ist das Reich seit dem Jahre 1886 frei von* 
den Pocken der Schafe, abgesehen von 2• 
sporadischen Ausbrüchen in den Jahren 1888: 
und 1900. Es sind das hervorragende Erfolge! 
eines Seuchengesetzes, die indessen nicht zum! 
geringen Teile der Tüchtigkeit der Veterinär-; 
beamten als Verdienst anzurechnen sind. 


Veterinär-Hygiene. 

Die Aphthenseuche ist seit dem 
Niedergange der Lungenseuche die am meisten 
gefürchtete Infektionskrankheit der heimi¬ 
schen Rindviehbestände geworden. Ihre ausser¬ 
ordentliche Kontagiosität befähigt sie, von ein¬ 
zelnen Herden aus mit einer unaufhaltsamen 
Wucht umsichzugreifen und grössere Distrikte, 
zahlreiche Bestände, zu überziehen. Dement¬ 
sprechend beobachtet man auf den die Ver¬ 
breitung der Aphthenseuche darstellenden 
Kurventabellen steil aufsteigende und ebenso 
allerdings auch steil abfallende Kurven. In 
den Jahren 1885 und 1886 waren im Deutschen 
Reiche verseucht 3- bis 400 Gehöfte, im fol¬ 
genden Jahre etwa 1200, im Jahre 1889 schon 
doppelt so viele, im Jahre 1891 war die Zahl 
der verseuchten Gehöfte wiederum verdoppelt 
und im nächsten Jahre noch einmal um das 
Doppelte, nämlich auf über 100000, gestiegen. 
Nun springt in den nächsten Jahren die Kurve 
auf und ab, zwischen 9000 und 77 000. Im Jahre 
1901 findet dann wieder ein Abstieg auf etwa 
7000 statt, der auch während der nächsten zwei 
Jahre anhält. Im Jahre 1903 sind noch 1137 
Gehöfte von der Seuche betroffen worden. Da¬ 
mit ist also ein Stand erreicht, der dem im 
Jahre 1887 beobachteten etwa gleichkommt, 
während der Tiefstand der Jahre 1885 und 
1886 bei weitem nicht erreicht ist. Sonach 
kann von einem Rückgang der Aphthenseuche 
unter der Wirkung des Seuchengesetzes nicht 
die Rede sein. Vor Seuchengängen, wie sie 
die Jahre 1888 bis 1900 mit sich brachten, 
sind wir heute ebensowenig sicher, wie vor 
20 Jahren. Es unterliegt keinem Zweifel, dass 
in erster Linie die hochgradige Kontagiosität 
und die einzelne Seuchengänge auszeichnende 
hohe Virulenz die Abwehr und Unterdrückung 
der Aphthenseuche in hohem Masse erschwert, 
nach der anderen Seite aber bildet der stark 
bureaukratische Zug, der durch das Seuchen- 
gesetz weht, gerade der Aphthenseuche gegen¬ 
über mit ihrer kurzen Inkubation und ihrer 
ausgesprochenen Kontagiosität eins der gröss¬ 
ten Hindernisse in der wirksamen Bekämpfung 
der Seuche. 

Die durch das Gesetz geregelte Mitwir¬ 
kung der Tierärzte bei der Seuchenbekämpfung 
vollzieht sich nicht in der Weise, die im In¬ 
teresse dieser wünschenswert ist. Hierzu ist 
eine Erweiterung der Befugnisse und der Selb- 


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tfortsohritte der Veterinär-Hygiene. 


3. Jahrgang. 


7Ö 


ständigkeit der beamteten Tierärzte erforder¬ 
lich. Zunächst ist es eine durchaus unverständ¬ 
liche Massregel, dass die durch § 9 Abs. 1 
vorgeschriebene Anzeige eines Seuchen-Aus- 
bruchs oder -Verdachts nicht in allererster 
Linie an den beamteten Tierarzt zu erfolgen 
hat, der ein unbestreitbares Recht darauf hat, 
als erster über Seuchenbewegungen im Bezirke 
Kenntnis zu erhalten. Dadurch, dass ihm diese 
Kenntnis erst durch die schwerfällig funk¬ 
tionierende Polizeibehörde wird, gewinnt die 
Aphthenseuche Zeit und Gelegenheit, zwischen¬ 
zeitlich auf andere Gehöfte Und Gemeinden 
überzugreifen. Ehe über deren Verseuchung 
dann dem beamteten Tierarzt die nötige Mit¬ 
teilung geworden ist, stehen bereits sämtliche 
Nachbarkreise in hellen Flammen der Seuche. 

Ferner sollten die beamteten Tierärzte 
nicht nur als Handlanger, im günstigsten Sinne 
als Berater der »eist recht umständlich ver¬ 
fahrenden Behörden dienen, sondern sie sollten 
in die Lage gesetzt sein, regelmässig bei Aus¬ 
brüchen von Seuchen, oder angesichts drohen¬ 
der Seucheninvasionen, wo rasches Handeln 
dringend nötig ist, sofort und aus eigener Ini¬ 
tiative und zwar verantwortlich zu handeln. 

Eine Infektionskrankheit, oder vielleicht 
besser eine Krankheitsgruppe, hat in den letzten 
Jahren eine geradezu bedrohliche Ausdehnung 
angenommen, das ist die Schweineseuche, 
deren Bekämpfung solange vollkommen illuso¬ 
risch bleiben muss, wie über deren Charakter 
und Wesen eine solche Unklarheit herrscht, wie 
dies hier der Fall ist. Solange der Begriff 
der Schweineseuche nicht völlig geklärt ist, 
sollte man verständig genug sein, die Hoffnung 
auf ihre wirksame Bekämpfung weder auf ge¬ 
setzliche Massnahmen noch auf ein Impf-Ver- 
fahren zu setzen. 

Für die zu erwartende Novelle des Reichs- 
tierseuchengesetzes ist im Interesse einer durch¬ 
greifenden Bekämpfung auch derjenigen Seu¬ 
chen, die bisher $inen günstigen Einfluss der 
gesetzlichen Massnahmen nicht erkennen lassen, 
insbesondere zu empfehlen, dass 1. eine tatsäch¬ 
lich unschädliche Beseitigung der Milzbrand- 
und Rauschbrandkadaver durch thermisch- oder 
chemisch-technische Verarbeitung oder Ver¬ 
brennung mit allen Mitteln erzielt wird, 2. bei 
der Durchführung der Sperrmassregeln der 
Tollwut gegenüber die Ortspolizeibehörden zu 


einer energischen Handhabung der gesetzlichen 
Vorschriften angehalten werden, 3. den beam¬ 
teten Tierärzten Befugnisse in der Feststellung 
der Seuchen und der Apordnung von Mass¬ 
nahmen in ganz anderem Umfange eingeräumt 
werden, als dies bislang der Fall war. 

Für eine erfolgreiche Bekämpfung der 
Schweineseuche schliesslich ist es erforderlich, 
eine möglichst baldige und gründliche Auf¬ 
klärung der Krankheit selbst herbeizuführen, 
die wir nicht erwarten dürfen, solange ein¬ 
zelnen Instituten gewissermassen das Monopol 
der Seuchenforschung eingeräumt wird. Es 
müssten für Regierungsbezirke oder Provinzen 
Centralen geschaffen werden mit geeigneten Ar¬ 
beitskräften und einem Departements! ierarzt 
als Leiter, welchen die Aufgabe zufiele, den 
epidemiologischen Charakter, die pathologische 
und bakteriologische Seite aller der Schweine¬ 
seuche zuzuzjjhlenden und ihr ähnlichen 
Krankheiten zu studieren. Würden diese Ar¬ 
beiten nach einem bestimmten Plane gerichtet, 
dann müsste eine Zusammenstellung und Ver¬ 
gleichung ihrer Resultate zu einer Aufklärung 
der heute noch immer offenen Frage führen. 
Die rein bakteriologisch arbeitenden Hochschul¬ 
institute haben eine zu lose Fühlung mit den 
praktischen Seiten der Frage, mit der Epi¬ 
demie und ihrem Auftreten, als dass sie berufen 
sein sollten, die erwünschte Klärung zu bringen. 

Die Verwirklichung dieser Momente vor¬ 
ausgesetzt, können wir. hoffen, dass nach wei¬ 
teren 25 Jahren eine merkliche Abnahme des 
Milzbrands und Rauschbrands, der Tollwut 
und der Schweineseuchen, zu konstatieren sein 
wird. Dann können wir vielleicht auch die 
Wahrnehmung machen, dass es gelungen ist, 
die Gefahr der Aphthenseuche niederzuhalten. 
Vorläufig sind wir diesem Ziele noch beträcht¬ 
lich fern. 


Der Einfluss der Kälte auf das Aphthen- 
seuehevirus. 

Von Prof. E. Perroncito. 

Gelegentlich des neuerlichen Auftretens 
einiger Fälle von Aphthenseuche in der Pro¬ 
vinz Turin gelang es mir, ganz frischen 
Speichel von infizierten Rindern zu gewinnen. 


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Seit 4. 


Fortschritte der Veterin&r-Hyglen*. 


19 


wodurch mir die Möglichkeit zu dem nach¬ 
folgend beschriebenen Versuch gegeben war. 

Der am Vormittage des 30. November in 
einem Fläschchen: aufgefangene Speichel wurde 
auf die äussere Brüstung eines Laboratorium¬ 
fensters gebracht und während der ganzen 
folgenden Nacht in der freien Aussenluft be¬ 
lassen. Da während dieser die Aussentempe- 
ratur bis auf 8 bis 9° unter Null fiel, war 
der Speichel vollständig gefroren. Am Morgen 
des folgenden Tages wurde das Fläschchen 
hereingenomemn und der Inhalt im Laborato¬ 
rium bei Zimmertemperatur aufgetaut. Hierauf 
wurde der Speichel mit physiologischer Koch¬ 
salzlösung im Verhältnis von 1 zu 10 aufge¬ 
nommen. Mit diesem so behandelten Materiale 
wurden zwei kräftige und gesunde Jungrinder 
und zwei Schafe in der Weise geimpft, dass 
ihnen die Lösung kräftig in die Schleimhaut 
des Maules eingerieben wurde. Selbst nach 
Verlauf einer Zeit von mehreren Wochen nach 
dem Infektionsversuch zeigte keins der Ver¬ 
suchstiere irgendwelche Krankheitserscheinun¬ 
gen. Es geht hieraus hervor, dass eine Tem¬ 
peratur von 8 bis 9° unter Null bei einer 
Einwirkung vor* mehreren Stunden die Erreger 
der Aphthenseuche abzutöten imstande ist. 
Weitere Versuche zum Zwecke der Feststellung, 
welche Temperaturen zur Abtötung des Aph¬ 
thenseuchevirus erforderlich sind, würden von 
erheblicher Wichtigkeit sein für die Hygiene 
und den Viehhandelsverkehr. 

Loeffler hat zwar einiges über die Infek¬ 
tionsfähigkeit des bei niederen Temperaturen 
aufbewahrten Aphthenseuchevirus veröffent¬ 
licht. Auch Nocard beobachtete Abschwächung 
des selben Virus, wenn es eine Zeitlang im Eis¬ 
schrank aufbewahrt wurde. Aber niemand 
scheint mit verschiedenen Temperaturen über 
deren Einfluss auf das Aphthenseuchevirus ex¬ 
perimentiert zu haben. 

Es ist ohne weiteres ersichtlich, welche 
ausserordentliche Bedeutung einer solchen 
wissenschaftlichen Feststellung beigelegt wer¬ 
den muss, da es nicht ausgeschlossen erscheint, 
dass die niedrige Aussentemperatur und ihr 
Einfluss auf das Aphthenseuchevirus in pro¬ 
phylaktischer Hinsicht verwertet werden 
könnte. 


OeflbntUohes Veterinarwesen. 

StemL der Tierseuchen im Deutschen Reioh 
am & Juni 1905. 

Der Hofe* wurde festgestellt: in Preussen 
in 16 Gemeinden und 24 Gehöften der Re- 
gierungsbezirkeJferienwerder, Stadtkreis Berlin, 
Fnam, Bromberg, Breslau, Oppeln, Hildesheim, 
Lünetom Bad. Sigmaringen; in Bayern, und 
zwar im Regievmogptourk Oberfranken in einem 
Gehöfte, zusammen so mit m 17 Gemeinden 
und 25 Gehöften. Die Apktfcenseuche 
gelangte zur Feststellung in je einem G e hö f te 
der Regierungsbezirke Posen und Brom bei# 
und in 5 Gehöften zweier Gemeinden im 
Neckarkreis. Die Schweineseuche ein¬ 
schliesslich der Schweinepest wurde fest¬ 
gestellt und zur Anzeige gebracht in 1743 Ge¬ 
meinden und 2257 Gehöften. 


Erlasse, Verfügungen. 

Preussen. Erlass, betr. Herstellung 
von Kulturen des Löfflerschen 
M&usetyphus-Bazillus. 

Da in mehreren Fällen bei Personen, 
welche mit der Herstellung und dem Auslegen 
von Kulturen des Löfflerschen Mäusetyphus- 
Bazillus beschäftigt gewesen, Krankheits¬ 
erscheinungen beobachtet worden sind, so emp¬ 
fiehlt es sich, dass die Fabrikationsstätten den 
Gefässen, in denen sie die Kulturen in den 
Verkehr bringen, neben den Gebrauchsanwei¬ 
sungen regelmässig auch Verhaltungsmass- 
regeln zur Verhütung von Gesundheitsstörun¬ 
gen bei den Menschen beigeben. 

Ew. Hochwohlgeboren benachrichtigen wir 
hiervon mit dem ergebensten Ersuchen, den 
Firmen, landwirtschaftlichen i Versuchsstati¬ 
onen etc., die sich mit der Herstellung von 
Mäusetyphus-Bazillen befassen, gefälligst hier¬ 
von Kenntnis zu geben und dafür Sorge zu 
tragen, dass in den Räumen, in denen die Ar¬ 
beiten stattfinden, an offensichtlicher Stelle 
eine Abschrift der beifolgenden Verhaltungs- 
massregeln auf gehängt, dass diese Vorsichts¬ 
nassregeln bei der Herstellung und dem Aus¬ 
legen der fraglichen Bazillen auch beobachtet 
werden, und dass den Abnehmern der frag¬ 
lichen Kulturen je ein Exemplar der Verhal- 


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80 


Fortschritte der Veterin&r-Hygiene. 


3. Jahrgang. 


tungsmassregeln neben der Gebrauchsanwei¬ 
sung verabfolgt wird. 

Berlin, den 4. April 1905. 

Der Ministei* der geistl. etc. Angelegenheiten. 

I. A.: Förster. 

Der Minister für Landwirtschaft etc. 

I. V.: v. Conrad. 

An die Herren Regierungspräsidenten. 

Verhal tungsmassregeln 
zur Verhütung von Gesundheits¬ 
schädigungen durch Beschäf¬ 
tigung mit Mäusetyphus-Bazillen. 

1. Mäusetyphus-Bazillen sind für Menschen 
im allgemeinen" nicht gesundheitsschädlich. 

2. Jedoch können durch Aufnahme grösse¬ 
rer Mengen von Mäusetyphus-Bazillen, nament-1 
lieh bei Personen, welche an Darmstörungen 
leiden oder dazu neigen, sowie bei Kindern 
Durchfälle und Leibsehmerzen hervorgerufen 
werden. 

3. Deshalb sind solche Personen und 
Kinder unter 12 Jahren ^ zum Auslegen der 
Mäusetyphus-Bazillen nicht zu verwenden. 

4. Die mit der Zurichtung des Infektions¬ 
materials und dem Auslegen der Mäusetyphus- 
Bazillen betrauten Personen sind davor zu 
warnen, während der Arbeit zu essen, zu rau¬ 
chen oder mit den verunreinigten Fingern den 
Mund zu berühren. Namentlich sollten sie sich 
hüten, von dem mit den Bazillen getränkten 
Brot zu essen. 

5. Die bezeichneten Personen haben nach 
der Arbeit Gesicht und Hände gründlich mit 
warmem Wasser und Seife zu waschen. 

6. Die zur Herstellung und Aufbewahrung 
der Mäusetyphus-Bazillen und zur Tränkung 
der Brotstückef mit solchen Bazillen benutzten 
Gefässe sind nach jedesmaligem Gebrauche 
mit heisser Sodalösung auszuwaschen oder 
auszukochen. 

7. Bei Benutzung der Kulturen der Mäuse¬ 
typhus-Bazillen, die unter Verwendung von 
Milch hergestellt sind, ist auf die Befolgung 
der vorstehenden Ratschläge besonders zu 
achten. 

Hessen. Verordnung des Minist, d. I., 
Abt. für öffentl. Gesundheits¬ 
pflege, betr. den Verkehr mit Tu- 
berculinum Kochi. Vom 12. Mai 1905. 

Durch die Aufnahme des Tuberculinum 
Kochi in das deutsche Arzneibuch, vierte Aus¬ 


gabe, sind die Bestimmungen unserer Amts¬ 
blätter Nr. 215 und 261 in Wegfall gekommen. 
Die weitere Bekanntmachung über den Verkehr 
mit dem Mittel in unserem Amtsblatt Nr. 320 
ist in der nachstehenden Weise abgeändert 
worden: 

Das Tuberculinum Kochi darf in den Apo¬ 
theken nur in den unversehrten Original- 
Fläschchen und nur gegen schriftliche Anwei¬ 
sung eines approbierten Arztes an diesen selbst 
oder eine von ihm beauftragte Person abge¬ 
geben werden. Die zur Anwendung des Tuber¬ 
kulins erforderlichen Verdünnungen können 
einwandfrei nur vermittelst sterilisierter Mess¬ 
zylinder und Pipetten hergestellt werden, die 
nicht im Besitze eines jeden Arztes, wohl aber 
in den Apotheken vorhanden zu sein pflegen; 
seitens der letzteren soll deshalb das Tuber¬ 
kulin fortan auch in verdünntem Zustand ab¬ 
gegeben werden dürfen. Da aber das Tuber¬ 
kulin in Verdünnungen schnell verdirbt, wenn 
zur Verdünnung nicht ein entwicklungshem¬ 
mendes Mittel, am besten eine schwache Kar- 
bolsäurOlösung, verwendet wird, so bestimmen 
wir, dass die Verdünnungen nur mit 0,5 °/o 
Karbolsäurelösung geschehen, in der Regel 
erst kurz vor Anwendung des Mittels vorge¬ 
nommen und nicht länger als vier Wochen 
vorrätig gehalten, werden dürfen. Die zur Her¬ 
stellung der Verdünnungen bestimmten Mess¬ 
zylinder und Pipetten sowie die zur Aufnahme 
der Verdünnungen bestimmten Arzneigläser — 
sechseckige Gläser mit weitem Halse und 
eingeschliffenem Glasstöpsel — sind unmittel¬ 
bar vor der Herstellung im Trockenschranke 
bei 150° C zu sterilisieren. Zunächst wird 
durch Vermischung von einem Raum teil Tu¬ 
berculinum Kochi mit neun Raumteilen einer 
0,5 o/o Karbolsäurelösung eine 10 °/o Tuberkulin¬ 
lösung hergestellt, welche als Stammlösung für 
weitere Verdünnungen dienen kann. Das Auf- 
nahmegefäss ist mit dem Gehalt der Lösung 
an Tuberkulin und dem Tage der Herstellung 
zu signieren. 

Bei Bereitung der Stammlösung, welche 
nicht länger als vier Wochen vorrätig gehalten 
werden darf, muss stets der ganze Inhalt des 
angebrochenen Originalfläschchens verarbeitet 
werden. 

Die weiteren Verdünnungen sind so herzu¬ 
stellen, dass von der Stammlösung ein Volum- 


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Heft 4. 


Fortschritte der VeterinirrHygiene 


81 


teil mit neun Teilen 0,5 % Karbolsäurelösung 
und von der so gewonnenen Lösung wieder ein 
Volum teil mit neun Teilen 0,5 °/o Karbolsäure¬ 
lösung vermischt wird etc. 

Diese weiteren Verdünnungen dürfen je¬ 
doch immer nur auf schriftliche Anweisung 
(Rezept) eines approbierten Arztes angefertigt 
und nur an diesen selbst oder eine von ihm be¬ 
auftragte Person abgegeben werden. 

Die Befolgung dieser Bestimmungen wird 
bei den Apothekenbesichtigungen kontrolliert 
werden. 


Deutsches Reich. Influenza unter den 
Pferden der Zivilbevölkerung im 
Jahre 1904. 

Preussen. 


Es waren betroffen 


im Monat 

Kreise 

Ge¬ 

meinden 

Gehöfte 

Januar . 

24 

28 

34 

Februar. 

13 

15 

20 

März .. 

18 

21 

28 

April. 

19 

21 

23 

Mai. 

21 

25 

30 

Juni. 

20 

25 

28 

Juli. 

12 

15 

20 

August .. 

15 

18 

27 

September .... 

1 13 

14 

19 

Oktober. 

1 17 

21 

32 

November.1 

17 

25 1 

96 

Dezember.| 

| 20 

35 

60 


An der Influenza verendet sind Pferde in 
den Regierungsbezirken Königsberg 14, Gum¬ 
binnen 6, Danzig 9, Marienwerder 4, Berlin 6, 
Potsdam 5, Frankfurt 3, Stettin 3, Posen 10, 
Bromberg 8, Breslau 9, Oppeln 4, Magde¬ 
burg 16, Merseburg 3, Schleswig 70, Lüne¬ 
burg 2, Stade 7, Osnabrück 2, Cassel 2, Cöln 2, 
Sigmaringen 1, zusammen 186. 


Bayern. 


Regierungsbezirke 

Zahl der erkrankten 

an 1 an 1 

Brust- 1 Pferde-1 
seuche j stäupe j ^ a mft 

Pferde 

iin 

ganzen 

hier¬ 

von 

ver¬ 

endet 

Oberbayern . . . 

119 

7 

_ 

126 

12 

Niederbayern . . 

31 

2 

— 

33 

2 

Pfalz. 

7 

1 

— 

8 

'» 

Oberpfalz . . . 

12 

— 

— 

12 

2 

Oberfranken . 

4 

— 

— 

4 

— 

Mittelfranken . . 

13 

8 

10 

31 

1 

Unterfranken . . 

_ . 

— 

— 

— 

— 

Schwaben . . . 

26 

— 

b 

1 32 

b 

Summe [[ 212 

18 

, u> 

1 246 | 

25 


Im ganzen waren 34 Bezirksämter bezw. 
unmittelbare Städte, 64 Gemeinden und 78 
Gehöfte betroffen. 

Im Grossherzogtum Baden waren in 
5 Amtsbezirken und Gemeinden 6 Gehöfte 
mit einem Bestände von 35 Pferden betroffen. 
Es erkrankten 16 Pferde, von denen 8 veren¬ 
deten. 

Im Stadtbezirk Bremen trat die Seuche 
im Mai in 2 Gehöften auf, in denen je ein 
Pferd an Brustseuche erkrankte; 1 Pferd ist 
eingegangen. Im Juni erkrankte ebenfalls in 
2 Gehöften je 1 Pferd, die jedoch genasen. 

Im Herzogtum Braunschweig trat 
die Seuche in 4 Kreisen, 5 Gemeinden und 5 
Gehöften, mit Ausnahme 1 Fall von Pferde¬ 
staupe, in Form der Brustseuche auf. Im 
ganzen sind 8 Pferde verendet. 

Im Herzogtum Sachsen-Koburg- 
G oth a waren 12 Gehöfte verseucht, von denen 
5 von der Brustseuche und der Skalma be¬ 
troffen waren, während für 2 Gehöfte die 
Form der Seuche nicht angegeben ist. 1 Pferd 
ist an Brustseuche verendet. 

Der Minister 

der geistlichen, Unterrichts¬ 
und Medizinal - Angelegen¬ 
heiten. 

M. d. g. A. M. Nr 6166. 

M. f. Landw. pp. Nr. I Aa 3168. 

M. f. Hdl. pp. Nr. II b 4398. 

M. d. Inn. Nr. Ha 3271. 

Berlin ,W. 64, den 29. Mai 1905. 

Es ist die Wahrnehmung gemacht, dass 
unter dem Namen „Sterilisol“ ein Konservie¬ 
rungsmittel mit dem ausdrücklichen Hinweis 
in den Handel gebracht wird, dass es unbean¬ 
standet Verwendung finden könne und in ge¬ 
sundheitlicher Beziehung völlig einwandsfrei 
sei. Demgegenüber ist durch die im chemischen 
Laboratorium des Kaiserlichen Gesundheits¬ 
amtes ausgeführten Untersuchungen festge¬ 
stellt, dass Proben des Präparats etwa 2 Vs % 
Formaldehyd enthalten haben. Nach einem von 
mir, dem Minister der Medizinal-Angelegen- 
heiten, erforderten Gutachten der Königlichen 
Wissenschaftlichen Deputation für das Medi¬ 
zinalwesen sind aber das Formalin sowohl wie 
alle Zubereitungen, welche diesen Stoff ent¬ 
halten, als gesundheitlich bedenkliche Konser¬ 
vierungsmittel für Nahrungs- und Genuss¬ 
mittel anzusehen. Bei der gewerbsmässigen Zu¬ 
bereitung von Fleisch ist ferner die Verwen- 


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82 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


3. Jahrgang. 


düng von Formaldehyd auf Grund des § 21 
des Fleischbeschaugesetzes laut Bekanntmach¬ 
ung des Herrn Reichskanzlers vom 18. Fe¬ 
bruar 1902 (Reg. Bl. 48) ausdrücklich ver¬ 
boten. 

Um der Gefahr entgegenzu treten, dass das 
Sterilisol eine der öffentlichen Gesundheit nicht 
zuträgliche Verwendung findet, ersuchen wir 
Ew. Hochwohlgeboren, die mit der Ausübung 
der Nahrungsmittelpolizei betrauten Behörden 
auf die mehrfach erfolgte Feststellung nicht 
einwandfreier Zusammensetzung des „Sterili- 
sols“ aufmerksam zu machen und auch auf 
die beteiligten Kreise der Bevölkerung in ge¬ 
eignet erscheinender Weise aufklärend einzu¬ 
wirken. 

Der Minister der geistlichen, Unterrichts¬ 
und Medizinal-Angelegenheiten. 

Im Aufträge: gez. Förster. 

Der Minister für Landwirtschaft, Domänen 
und Forsten. 

In Vertretung: gez. von Conrad. 

Der Minister für Handel und Gewerbe. 

Im Aufträge: gez. v. d. Hagen. 

Der Minister des Innern: 

In Vertretung: gez. v. Bischof fshausen. 


Preussen. 

Die preussischen Minister für Landwirt¬ 
schaft, des Innern, der Finanzen, des Kultus 
und für Handel und Gewerbe haben an die Pro¬ 
vinzialbehörden nachstehende Verfügung ge¬ 
richtet : 

Für das nach Massgabe des Fleischbe¬ 
schaugesetzes vom 3. Juni 1900 amtlich unter¬ 
suchte Fleisch ist im allgemeinen eine Wieder¬ 
holung der Beschau ausgeschlossen. Nur für 
Gemeinden mit öffentlichen Schlachthäusern 
ist in § 20 Abs. 2 des Gesetzes eine Ausnahme 
zugelassen. Die danach solchen Gemeinden ver¬ 
bliebene Befugnis auf Grund des § 2, No. 2 
und 3 des Schlachthausgesetzes ^vom 18. März 
1868 und 19. März 1881, das nicht im Schlacht¬ 
haus ausgeschlachtete frische Fleisch, bevor es 
feilgeboten oder in Gastwirtschaften etc. ver¬ 
wendet wird, ungeachtet der anderwärts bereits 
vorgenommenen Untersuchung dem vollen kom¬ 
munalen Beschauzwange zu unterwerfen, ist 
durch § 5, Abs* 1 des preussischen Ausfüh¬ 
rungsgesetzes vom 28. Juni 1902 im Zusammen¬ 
hänge mit dem Ergänzungsgesetze vom 23. Sep¬ 


tember 1904 auf solches Fleisch beschränkt 
worden, das nicht bereits von einem tierärzt¬ 
lichen Beschauer untersucht worden ist. Ab¬ 
gesehen hiervon, ist nach § 20, Abs. 1 des 
Fleischbeschaugesetzes (vergl. auch § 5, Abß. 1 
des Ausführungsgesetzes) eine abermalige amt¬ 
liche Untersuchung nur noch zu dem Zwecke 
gestattet, um festzustellen, ob das Fleisch seit 
der ersten Untersuchung verdorben ist oder 
sonst eine gesundheitsschädliche Veränderung 
seiner Beschaffenheit erlitten hat. Auch bleibt 
die durch das Gesetz vom 14. Mai 1879 ge¬ 
regelte allgemeine Beaufsichtigung des Ver¬ 
kehrs mit Nahrungs- und Genussmitteln nach 
§ 29 des Fleischbeschaugesetzes unberührt. 
Dass mit derselben auch eine Kontrolle zu 
dem Zwecke verbunden werden kann, um Zu¬ 
widerhandlungen gegen die Fleischbeschauvor¬ 
schriften, sowie etwaige Versehen oder Pflicht¬ 
verletzungen der Fleischbeschauer aufzudecken, 
ist in der Begründung zum Fleischbeschau¬ 
gesetze als selbstverständlich bezeichnet. Zur 
Erleichterung der letztgedachten Aufgaben der 
polizeilichen Fleischkontrolle dienen die Vor¬ 
schriften über die Kennzeichnung des der Be¬ 
schau unterworfenen Fleisches, die im Hinblick 
auf die sogenannte Freizügigkeit des tierärzt¬ 
lich untersuchten Fleisches in Schlachthaus-Ge¬ 
meinden durch die allgemeine Verfügung vom 
24. September v. J. eine Verschärfung er¬ 
fahren haben. Im übrigen sind bisher in 
Preussen im Anschluss an die Fleischbeschau- 
Gesetzgebung allgemeine Vorschriften über eine 
Kontrolle des im Verkehre befindlichen Flei¬ 
sches nicht erlassen worden. Es sind vielmehr 
für diese Kontrolle neben den Bestimmungen 
des Nahrungsmittelgesetzes lokale Anord¬ 
nungen massgebend, die, soviel bekannt, im 
wesentlichen eine polizeiliche Beaufsichtigung 
und Ueberwachung der Fleischverkaufsstätten, 
namentlich der Märkte und Läden etc., regeln. 
Vielfach ist diese Beaufsichtigung in Städten 
und grösseren Orten Tierärzten übertragen. In 
einzelnen Schlachthausgemeinden sind beson¬ 
dere Kontrolleure bestellt, deren Aufgabe es 
ist, den Fleischverkehr im Interesse der Be¬ 
achtung der auf Grund des Schlachthaus-Ge¬ 
setzes erlassenen beschränkenden Vorschriften 
zu überwachen und Zuwiderhandlungen zur An¬ 
zeige zu bringen. Insbesondere fehlt es in 
Preussen an allgemeinen Kqntrollvorschriften 


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Heft 4. 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


83 


für den Verkehr mit Fleisch von einer Ge¬ 
meinde nach der anderen, soweit nicht die schon 
erwähnten Beschränkungen in Schlachthaus¬ 
gemeinden Platz greifen. In einigen ausser- 
preussischen Bundesstaaten bestehen solche Be¬ 
stimmungen, z. B. in Württemberg, Baden und 
Elsass-Lothringen, wo durch ortspolizeiliche 
Vorschriften angeordnet werden kann, dass das 
zum Vertriebe nach einer Gemeinde eingeführte 
Fleisch einer Untersuchung daraufhin zu unter¬ 
werfen ist, ob es der ordnungsmässigen Be¬ 
schau unterlegen hat, und ob es inzwischen 
verdorben oder sonst gesundheitsschädlich ver¬ 
ändert worden ist. Für solche Untersuchungen, 
zu deren Vornahme auch die Vorlegung an 
einer bestimmten Stelle gefordert werden kann, 
ist in jenen Staaten sogar die Erhebung beson¬ 
derer Gebühren zugelassen. 

In Preussen ist seitens einiger Schlacht¬ 
hausgemeinden kürzlich der Versuch gemacht 
worden, ähnliche Verkehrsbeschränkungen für 
das eingeführte, tierärztlich bereits untersuchte 
frische Fleisch im Wege von Polizei Verord¬ 
nungen zu erreichen. In den hier bekannt ge¬ 
wordenen Fällen sind jedoch die Aufsichts-Be¬ 
hörden angewiesen, bis auf weiteres solchen 
Versuchen entgegenzutreten, zum Teil wegen 
der dagegen obwaltenden rechtlichen Bedenken, 
ferner, weil das Bedürfnis für derartige Be¬ 
schränkungen zurzeit nicht als nachgewiesen 
erachtet werden kann, zur Beurteilung der Be¬ 
dürfnisfrage vielmehr die Beschaffung weiteren 
Materials erforderlich erscheint. Diese Frage 
erheischt namentlich deswegen auf Grund 
neuerer Erfahrungen eine eingehende Prüfung, 
weil einerseits durch die allgemeine reichs¬ 
gesetzliche Durchführung der Schlachtvieh- und 
Fleischbeschau für alles in den Verkehr ge¬ 
langende Fleisch der wichtigsten Schlacht- 
tierc unzweifelhaft eine wesentlich grössere 
Sicherheit in der Versorgung der Bevölkerung 
mit gesunder Fleischnahrung als früher ge¬ 
schaffen worden ist, anderseits durch die schon 
erwähnte Einschränkung der kommunalen 
Nachuntersuchungen in Schlachthausgemeinden 
gewisse Kontrollen des Fleischverkehrs fort¬ 
gefallen sind. Um in diese Prüfung eintreten 
zu können, ersuchen wir, über die tatsächlichen 
Verhältnisse, die im dortigen Bezirk in bezug 
auf die Kontrolle des Fleischverkehrs (im 
Gegensatz zu der eigentlichen „ordentlichen“ 


Schlachtvieh- und Fleischbeschau auch als 
„ausserordentliche Fleischbeschau“ bezeichnet) 
bestehen, die nötigen Ermittlungen anzustellen, 
über das Ergebnis, unter Hervorhebung der da¬ 
bei etwa beobachteten Missstände, bis zum 
1. Januar 1906 zu berichten und erforderlichen¬ 
falls Vorschläge über die zur Beseitigung von 
Mängeln zu ergreifenden Massregeln zu machen. 
Um insbesondere die Wirkung der seit dem 
1. Oktober 1904 geltenden Erleichterungen des 
Verkehrs mit tierärztlich untersuchtem frischen 
Fleisch in Schlachthausgemeinden klarzu¬ 
stellen, ist uns mit dem Bericht eine Ueber- 
sicht über die Zahl der Schlachtungen und 
die Untersuchung eingeführten frischen Flei¬ 
sches in den Schlachthausgemeinden des dor¬ 
tigen Bezirks für die Zeit vom 1. Oktober 1903 
bis ebendahin 1905 einzureichen. Diese Nach¬ 
weisung ist auf Grund von Angaben aufzu¬ 
stellen, die von jeder Schlachthausgemeinde zu 
erfordern sind. Auf die statistischen Mit¬ 
teilungen und auf die Darstellung der Fleisch¬ 
verkehrskontrolle in den Schlachthausgemein¬ 
den sind jedoch die tatsächlichen Angaben 
nicht zu beschränken; sie haben sich vielmehr 
auf den gesamten Verkehr mit Fleisch im 
Bezirk und auf die Art der Beaufsichtigung 
dieses Verkehrs zu erstrecken. Etwaige be¬ 
stehende Kontrollvorschriften, die sich be¬ 
währt haben, sind im Wortlaute mitzuteilen. 

Ohne einer weitergehenden Berichterstat¬ 
tung vorgreifen zu wollen, erwarten wir eine 
Aeusserung über folgende Fragen: 

1. Hat die derzeitige Kontrolle des Verkehrs 
mit Fleisch, insbesondere mit dem aus 
dem Schlachtort ausgeführten Fleisch, zur 
Verhütung erheblicherer sanitärer Miss¬ 
stände ausgereicht oder ist dies nicht der 
Fall, und welcher Art sind die beobach¬ 
teten Missstände gewesen? 

2. Welche Vorschläge können zur Verhütung 
etwaiger Missstände gemacht werden ? 
Insbesondere 1. wird von einer besseren 
Organisation und schärferen Handhabung 
der polizeilichen Kontrolle in den Fleisch¬ 
verkaufsstellen, den Betriebsstätten der 
Schlächter und der Fleischwarenfabrikan- 
ten ein ausreichender Erfolg erwartet, 
oder 2. erscheint ausserdem noch eine 
regelmässige Kontrolle der Verbringung 


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84 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


3. Jahrgang. 


von Fleisch nacli anderen Gemeinden er¬ 
forderlich ? 

Sofern zu II. 1. und 2. Vorschläge ge¬ 
macht werden, sind die befürworteten Mass- 
regeln näher zu bezeichnen, namentlich ist zu 
erörtern, durch welche Organe die neuen oder 
verschärften Kontrollen auszuüben sein wer¬ 
den, ob es sich beispielsweise empfiehlt, die 
Fleischbeschauer hierzu zu verwenden. Wir 
setzen voraus, dass bei den dortigen Vorschlägen 
das sanitäre Bedürfnis und die Interessen von 
Handel und Verkahr sorgsam abgewogen 
werden. 

Allgemeine Verfügung 
No. 25 vom 25. Mai 1905. 

(An sämtliche Herren Regierungspräsidenten 
und den Herrn Polizeipräsidenten von Berlin.) 

Es ist in letzter Zeit mehrfach festge¬ 
stellt oder doch der dringende Verdacht aus¬ 
gesprochen worden, dass amtliche Fleischbe¬ 
schaustempel von unbefugten Personen dazu be¬ 
nutzt worden sind, um Fleisch von nicht unter¬ 
suchten Tieren, namentlich von solchen, bei 
denen eine Beanstandung zu befürchten war, 
abzustempeln und demnächst in den Verkehr 
zu bringen. Dieser Missbrauch ist meist da¬ 
durch ermöglicht oder begünstigt worden, dass 
die Fleischbeschauer die amtlichen Stempel 
nicht sicher genug aufbewahrt oder während 
des Gebrauchs nicht genügend unter Obhut ge¬ 
halten oder gar fahrlässigerweise dritten Per¬ 
sonen ohne Aufsicht zum Zwecke der Stem¬ 
pelung untersuchter Tiere überlassen haben. 
Derartige Nachlässigkeiten beeinträchtigen den 
Wert der mit der Stempelung bei der Fleisch¬ 
beschau erstrebten Kontrolle der genauen Beob¬ 
achtung der Fleischbeschauvorschriften er¬ 
heblich und müssen als grobe Pflichtvernach¬ 
lässigung der Beschauer angesehen werden. Wir 
ersuchen, sämtlichen bei der amtlichen Schlacht¬ 
vieh- und Fleischbeschau, einschliesslich der 
Trichinenschau, tätigen Sachverständigen eine 
sorgfältige und sichere Aufbewahrung, sowie 
während des Gebrauchs eine ununterbrochene 
Beaufsichtigung der ihnen anvertrauten amt¬ 
lichen Beschaustempel* zur Pflicht zu machen 
Verletzungen dieser Pflicht würden, wie dies 
tatsächlich in einem Falle von uns bereits an¬ 
geordnet ist, den Verlust des Amtes als Fleisch¬ 


beschauer oder Trichinenbeschauer für den 
Schuldigen zur Folge haben müssen. 

Der Minister für Landwirtschaft, Domänen und 
Forsten. 

v. Podbielski. 

Der Minister der geistlichen, Unterrichts- und 
Medizinal-Angelegenheiten. 

I. A.: Förster. 

Preussen. 

Bekanntmachung. 

Da noch vielfach Zweifel und Unklar¬ 
heiten über die durch die Fleischbeschau-Ge¬ 
setzgebung geschaffene Freizügigkeit des Flei¬ 
sches und die noch bestehenden Beschränkungen 
des Verkehrs mit Fleisch in Schlachthaus-Ge¬ 
meinden obwalten, sehe ich mich veranlasst, 
nachstehendes zur öffentlichen Kenntnis zu 
bringen. 

1. Fleisch, welches von Schlachttieren her¬ 
rührt, bei denen die Untersuchung vor und 
nach dem Schlachten unterblieben ist, darf 
nur im eigenen Ifaushalt des Schlachtenden 
verwendet werden. Dies gilt auch für den 
Fall, dass solches Fleisch zubereitet oder zu 
Würsten und sonstigen Erzeugnissen verar¬ 
beitet wird. 

Wer solches Fleisch in frischem oder zu¬ 
bereiteten Zustande in Verkehr bringt, macht 
sich der Uebertretung des § 27 No. 3 des 
Reichsfleischbeschaugesetzes auch dann schul¬ 
dig, wenn keine gewerbsmässige Abgabe vor¬ 
liegt. Die nicht gewerbsmässige Abgabe von 
Fleisch, bei welchem die Untersuchung unter¬ 
blieben ist, ist nur in denjenigen Fällen zu¬ 
lässig, in denen infolge unvorhergesehener Um¬ 
stände, z. B. beim Tode des Besitzers oder bei 
Auflösung des Haushalts aus anderen Grün¬ 
den, die ursprüngliche Absicht der ausschliess¬ 
lichen Verwendung des Fleisches im eigenen 
Haushalte des Besitzers nicht hat aufrecht 
erhalten werden können. 

2. Fleisch, welches von Schlachttieren her- 
| rührt, bei denen die amtliche Schlachtvieh- 

und Fleischbeschau durch nicht tierärztliche 
Beschauer (Laienfleischbeschauer) ausgeführt 
worden ist, darf an sich in Verkehr gebracht 
werden, unterliegt aber, wenn es in frischem 
Z u s t a n d e in Gemeinden mit Schlachthaus¬ 
zwang eingeführt wird und hier feilgeboten 
oder in Gast- und Speise wirtschaften zube- 


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Heft 4. 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene» 


85 


reitet werden soll, einer amtlichen Untersu¬ 
chung durch die von den Schlachthausgemein¬ 
den bestellten tierärztlichen Beschauer. 
Zubereitetes Fleisch der fraglichen Art, also 
auch Würste, Schinken etc., ist bei Einfuhr 
in Schlachthausgemeinden dieser Nachunter¬ 
suchung nicht unterworfen. 

3. Fleisch, welches von Schlachttieren her¬ 
rührt, bei denen eine amtliche Untersuchung 
durch approbierte Tierärzte stattgefunden hat, 
darf überallhin frei eingeführt werden, und ist 
auch bei Einfuhr in Schlachthausgemeinden 
der Nachuntersuchung entzogen. 

4. Schlachthausgemeinden dürfen diejeni¬ 
gen Untersuchungen, welche auf Grund des § 21 
des Schlachthausgesetzes vom 18. März 1868 

9. März d881 

stattfinden, nur an solchem frischen, nicht im 
Schlachthaus ausgeschlachteten Fleisch vor¬ 
nehmen lassen, welches am Schlachtorte einer 
amtlichen Untersuchung durch approbierte 
Tierärzte nicht unterlegen hat, und müssen 
diese Untersuchungen durch approbierte Tier¬ 
ärzte ausführen lassen. 

5. Frisches und zubereitetes Fleisch darf 
an den Verkaufsstellen durch die sachverstän¬ 
digen Organe der Ortspolizeibehörden jederzeit 
darauf untersucht werden, ob das Fleisch ver¬ 
dorben ist oder eine gesundheitsschädliche Ver¬ 
änderung seiner Beschaffenheit erlitten hat. 
Derartigen Untersuchungen unterliegt auch 
das in Schlachthausgemeinden eingeführte, vor¬ 
her tierärztlich untersuchte Fleisch mit der 
Massgabe, dass diese Untersuchungen nur durch 
approbierte Tierärzte ausgeführt werden dür¬ 
fen. 

Die Ortspolizeibehörden sind u. a. auch be¬ 
fugt, an den Verkaufsstellen Ermittelungen 
und Untersuchungen darüber anzustellen, ob 
das in den Verkehr gelangende Fleisch durch¬ 
weg der Fleischbeschau unterworfen gewesen 
ist, oder ob zubereitetes Fleisch mit verbotenen 
Stoffen behandelt worden ist. 

6. Als zubereitetes Fleisch ist anzusehen 
alles Fleisch, welches infolge einer ihm zuteil 
gewordenen Behandlung die Eigenschaften 
frischen Fleisches verloren hat und durch eine 
entsprechende Behandlung nicht wiedergewin¬ 
nen kann. Unter einer Behandlung, welche dem 
Fleische die Eigenschaften des frischen nimmt, 
ist nur eine solche zu verstehen, bei welcher 


das Fleisch in seinem natürlichen Zusammen¬ 
hänge verändert wird, mag es durch Kochen, 
Dämpfen, Braten, Rösten lediglich für den so¬ 
fortigen Genuss oder durch Haltbarmachen auf 
längere Zeit, besonders Kochen und Räuchern, 
Dörren, Pökeln, für den späteren Genuss zu¬ 
bereitet sein. Von den hier in Frage kommen¬ 
den Veränderungen schliesst zunächst weder 
das Loslösen von den Knochen, noch das 
Reinigen und Zerhacken die Eigenschaft des 
Fleisches als eines frischen jtus, so ist z. B. 
(nicht geräucherte) Bratwurst als frisches 
Fleisch anzusehen. Das gleiche gilt für 
rohes Hackfleisch, wenn es auch durch 
Würzen zum sofortigen Genuss zubereitet 
ist. Durch blosses Salzen kann die 
Eigenschaft des Fleisches als eines frischen 
nur beseitigt werden, wenn das Salz das Innere 
des Fleisches durchdrungen und damit dessen 
natürliche Zusammensetzung dauernd verändert 
hat. Dagegen genügt hierzu nicht bloss ein 
oberflächliches Salzen, welches nur dazu be¬ 
stimmt und geeignet ist, das Fleisch schmack¬ 
haft zu machen. 

Königsberg, den 4. Mai 1905. 

Der Polizeipräsident. 

Grossherzogtum Sachsen. Ministerial- 
verordnung, betr. den Verkehr mit 
Kuhmilch. Vom 21. Dezember 1904. 

Mit Höchster Genehmigung wird in Ge- 
mässheit des § 4 Abs. 2 des Reichsgesetzes, 
betr. den Verkehr mit Nahrungsmitteln, Ge¬ 
nussmitteln und Gebrauchsgegenständen, vom 
14. Mai 1879 — R.-G.-Bl. S. 145 — und des 
§ 1 Ziffer 2 des Gesetzes vom 7. Januar 1854 
— R.-Bl. S. 17 — über den Verkehr mit Kuh¬ 
milch folgendes verordnet: 

§ 1. Kuhmilch darf nur in den V i'cehr 
gebracht werden, wenn sie keine gesun Iheits- 
sehädliche Beschaffenheit hat und frei von 
sichtbaren Verunreinigungen ist. 

Demnach ist vom Verkehr ausgescl ’ ;sen 
solche frische Kuhmilch, Sahne, sauere Milch, 
Buttermilch, gefrorene, abgekochte, sterili¬ 
sierte und pasteurisierte Milch, welche 

a) blau, rot oder gelb gefärbt, mit Schim¬ 
melpilzen besetzt, bitter, faulig riechend, 
schleimig oder sonst verdorben ist, Blutreste 
oder Blutgerinsel enthält; 


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86 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


3. Jahrgang. 


b) vor Ablauf des fünften Tages nach dem 
Abkalben gewonnen ist; 

c) von Kühen stammt, die an Milzbrand, 
Rauschbrand, Tollwut, Pocken, Strahlenpilz¬ 
krankheit, Gelbsucht, Ruhr, Euterentzündung, 
Blutvergiftung, Pyämie (Eiterfieber), Septi- 
chämie (Jauchefieber), fauliger Gebärmutter¬ 
entzündung oder anderen fieberhaften Erkran¬ 
kungen leiden, sowie von Kühen, von denen die 
Nachgeburt noch nicht abgegangen ist; 

d) von Kühen stammt, die an Eutertuber¬ 
kulose, oder vorgeschrittener, mit starker Ab¬ 
magerung oder Durchfällen verbundener Tu¬ 
berkulose leiden; 

e) von Kühen stammt, die mit giftigen 
oder stark wirkenden in die Milch übergehen¬ 
den Arzneimitteln, insbesondere Arsen, Brech¬ 
weinstein, Jodkali, Nieswurz, Eserin, Opium, 
Pilokarpin behandelt werden; 

f) fremdartige Stoffe irgendwelcher Ar ( t 
enthält oder mit Wasser oder aus Wasser her¬ 
gestelltem Eise versetzt ist. Der Zusatz von 
nur aus Milch sauber hergestelltem Eise so¬ 
wie solcher Konservierungsmittel, welche vom 
Staatsministerium als erlaubt bekannt gegeben 
werden, ist gestattet; 

g) Milchschmutz in dem Masse enthält, dass 
sich bei dem einstündigen Stehen eines halben 
Liters Milch in einem hellen Glasgefässe ein 
Bodensatz zeigt. 

§ 2. Milch von Kühen, welche an Maul¬ 
und Klauenseuche erkrankt sind, öder im Ver¬ 
dacht einer Seuchen- oder einer anderen, die 
Milch beeinflussenden Erkrankung stehen, darf 
nur in abgekochtem Zustande in den Verkehr 
gebracht werden. Aus Sammelmolkereien darf 
Milch, welcher der Fettgehalt durch die Zen¬ 
trifuge nahezu entzogen ist, nur in pasteuri¬ 
siertem oder sterilisiertem Zustande (siehe §6) 
verkauft werden. 

§ 3. Die für den Verkauf bestimmte Milch 
soll mit grösster Reinlichkeit gewonnen, als¬ 
bald durch Seihen vom Schmutze befreit und 
weiterhin reinlich behandelt werden. Es ist 
verboten, Personen, welche mit Ausschlag be¬ 
haftet sind oder an ekelerregenden oder an den 
im § 4 bezeichneteji Krankheiten leiden, oder 
an solchen Krankheiten leidende Personen zu 
pflegen haben, melken zu lassen, öder bei der 
Behandlung der Milch zu beschäftigen. 

Die Milch darf nur in Räumen aufbewahrt 


werden, die rein, gut gelüftet, nicht bewohnt, 
kühl sind und nicht in direkter Verbindung 
mit Schlaf- oder Krankenzimmern stehen. 

§ 4. Ausser den nach § 1 des Reichs¬ 
gesetzes vom 30. Mai 1900 (R.-G.-B1. S. 306), 
betr. die Bekämpfung gemeingefährlicher 
Krankheiten, anzuzeigenden Erkrankungen ist 
der Ausbruch von Scharlach, Diphtherie, 
Krupp, Typhus in einem Gehöfte, aus wel¬ 
chem Milchverkauf stattfindet, oder in der 
Wohnung eines Milchhändlers binnen 24 Stun¬ 
den dem Gemeinde Vorstand anzuzeigen. Dieser 
hat, wenn und solange nach ärztlichem Gut¬ 
achten die Gefahr besteht, dass die Milch von 
den vorgedachten Krankheiten beeinflusst wird, 
die Abgabe von Milch aus solchen Gehöften 
oder Handlungen zu verbieten. , 

§ 5. Wer Milch unter der Bezeichnung 
Sanitäts-, Kur-, Kinder, sterilisierte, pasteu¬ 
risierte, Eis-Milch oder unter ähnlicher Be¬ 
nennung verkaufen will, hat seinen Stall unter 
die Aufsicht eines Tierarztes zu stellen und 
dies unter Angabe des Namens des Tierarztes 
dem Bezirksdirektor anzuzeigen. 

Die Aufsicht des Tierarztes hat sich zu 
erstrecken auf die Gesundheit der Kühe, auf 
die gute Beschaffenheit des Futters und auf 
die hygienischen Einrichtungen der Stallungen. 

Ueber den Umfang und die Art der Aus¬ 
übung dieser Aufsicht werden vom Staats¬ 
ministerium die erforderlichen Bestimmungen 
erlassen. 

§ 6. Als abgekocht gilt die Milch, die bis 
100° C erhitzt oder einer Hitze von 90° C 
mindestens 15 Minuten lang ausgesetzt wor¬ 
den ist. 

Als sterilisiert gilt Milch, die sofort nach 
dem Melken von Schmutzteilen befreit worden, 
spätestens 6, oder, wenn sie gekühlt aufbewahrt 
wird, 12 Stunden nach dem Melken in von dem 
Bezirksdirektor als zweckentsprechend an¬ 
erkannten Apparaten ordnungsmässig behan¬ 
delt, und noch während sie auf 100° C 15 Mi¬ 
nuten lang erhitzt wird, luftdicht verschlossen 
w T orden ist. Als pasteurisiert gilt Milch, die 
auf gleiche Weise nach dem Melken behandelt, 
verschlossen und 15 Minuten lang auf 70° C 
oder 2 Minuten lang auf 85 0 C erhitzt worden 
ist. Der Verschluss muss in beiden Fällen 
bis zur Abgabe der Milch an den Konsumenten 
unversehrt bleiben. Der Tag der Sterilisation 


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Heft 4. 


Fortschritte der Veterin&r-Hygiene. 


87 


bezw. Pasteurisation ist an den Gefässen kennt¬ 
lich zu machen. 

§ 7. Die Abgabe der im § 5 genannten 
Milcharten darf nur in ungefärbten (weissen 
oder hellen) Glasgefässen, die in dauerhafter 
Weise auf dem Gefässe oder der Plombe die 
Bezeichnung des Produzenten tragen müssen, 
erfolgen. Die Gefässe müssen mit Papier¬ 
streifen derart verklebt, plombiert oder ander¬ 
weitig fest verschlossen sein, dass eine Oeff- 
nung ohne Verletzung des Verschlusses nicht 
möglich ist. 

§ 8. Für Gemeinden von mehr als 6000 
Einwohnern kann durch PojizeiVerordnung Be¬ 
stimmung getroffen werden: 

a) über die Anmeldung, Beschaffenheit 
und Beaufsichtigung der ständigen gewerb¬ 
lichen Milchverkaufslokale im Gemeinde-Be¬ 
zirke und über die Pflicht der Milchverkäufer, 
den Namen ihrer Milchlieferanten anzugeben; 

b) über die Beschaffenheit der Milch- 
gefässe und der Milchwagen; 

c) dass ausser den' in § 5 genannten Milch¬ 
arten nur Vollmilch und Magermilch in den 
Verkehr gebracht werden und dabei als Voll¬ 
milch nur Milch bezeichnet werden darf, wel¬ 
cher nach dem Melken nichts hinzugesetzt und 
keine Nährstoffe entzogen worden sind, und 
die einen Fettgehalt von mindestens 2,8 % 
hat, alle Milch mit geringerem Fettgehalt als 
2,8 °/o aber als Magermilch bezeichnet werden 
muss; 

d) dass die in § 5 gedachten Milcharten 
mindestens 3 % Fett enthalten müssen und dass 
auch dieser Milch nichts hinzugesetzt und 
keine Nährstoffe entzogen sein dürfen; 

e) dass süsse und sauere Sahne, die zum 
Verkauf kommt, mindestens 10 °/o, Schlag¬ 
sahne mindestens 25 % Fett enthalten muss 

Referate. 

Infektionskrankheiten. 

Abba n. Bormanns. Leicht ausführbare 
Methode der Wutdiagnose auf histo¬ 
logischem Wege. Annales de l’Inst. Pasteur, 
1905, No. 1. 

Da die biologische Methode der Wutdiagnose, 
nämlich die diagnostische Impfung mit Gehim- 
emulsion, eine ziemlich umständliche Prozedur dar¬ 
stellt und recht lange auf das Ergebnis warten 
lässt, empfehlen die Verff. auf Grund zahlreicher 
Experimente die histologische Methode, welche 
sehr schnell (nach 24 Stunden, selten länger) zum 


Ziele führt und welche ausser Mikroskop sehr 
wenige Hilfsmittel fordert. Der Ursprung dieser 
Methode lässt sich auf die Forschungen von Negri, 
Daddi, Volpino, Luzzani u. a. zurückführen, die 
in den Nervenzellen des Gehirngewebes der an Wut 
verendeten Tiere Gebilde fanden, welche nach 
ihrem Entdecker die „Negrischen Körperchen“ ge¬ 
nannt wurden und am reichlichsten in den Nerven¬ 
zellen der Ammonshörner zu finden waren. Die 
Verff. schneiden aus dem Ammonshorne 3—4 mm 
dicke Gewebsstücke aus, fixieren dieselben durch 
5—6 Stunden in 4—5 g 10 o/o Osmiumsäure, spülen 
eine oder mehrere Stunden im strömenden Wasser 
ab, härten 3—4 Stunden in absolutem Alkohol, ver¬ 
fertigen mit Rasiermesser dünne Schnitte und 
untersuchen dieselben im Glyzerin mikroskopisch. 

Die Nervenzellen sind in diesen Präparaten 
kaffeebraun, die Kerne schwach, die Kernchen 
intensiv gelb gefärbt. Im Zellprotoplasma sind die 
Negrischen Körperchen zu sehen, die auch intensiv 
gelb gefärbt sind und lichte Punkte aufweisen, 
welche an Vakuolen erinnern. Diese Körperchen 
sind verschieden gross und zahlreich. Die Verff. 
untersuchten 96 Fälle sowohl biologisch als auch 
histologisch. In 58 Fällen war das Ergebnis wut¬ 
positiv, in 38 wut-negativ. In diesen 58 positiven 
Fällen fand man nur zweimal keine Negrischen 
Körperchen. 

Die Verff. meinen, die Anwesenheit der Negri¬ 
schen Körperchen gibt den sicheren Beweis der 
Lyssa, ihr Fehlen schliesst aber deren Vorhanden¬ 
sein nicht aus. Es wird somit im Pasteurschen 
Institut zu Turin hauptsächlich die histologische 
Methode gebraucht und nur in zweifelhaften Fällen 
auch die biologische angewandt. 

Baczyüski. 

C. Nicolle. Die Wutdiagnose an faulen¬ 
dem Gehirnmaterial. C. R soc. Biol., 1904, 
Bd. LVII, S. 319—351. 

In den Tropen ist man fast immer genötigt, die 
Wut an faulenden Gehirnen festzustellen. Geimpfte 
Kaninchen sterben unter solchen Umständen au 
Sepsis, die Diagnose wird somit unmöglich. Um. 
diesen misslichen Zuständen abzuhelfen, schlägt 
Verf. vor, die Gehirne während 48 Stunden in 
sterilisiertem Glyzerin aufzubewahren. Sieben in 
Fäulnis übergegangene Gehirne, welche auf obige 
Weise behandelt wurden, ergaben sechsmal positive 
Erfolge (Wut) und nur einmal war das Ergebnis 
negativ. Wenn man Meerschweinchen als Impf¬ 
objekt gebraucht, ist es angezeigt, die zur Impfung 
dienenden Gehirne länger als 48 Stunden der 
Glyzerinwirkung auszusetzen, da die genannten Tiere 
gegen Sepsis empfindlicher als Kaninchen sind. 

Baczynski. 

M. Ficker. Zur R o t z d iag nos t i k. Hygie¬ 
nische Rundschau. 15. Jahrg. No. 13. 

Bei der hohen Kontagiosität des Malleus ist 
die möglichst frühzeitige und sichere Diagnose¬ 
stellung von grosser Wichtigkeit. Der gefährlichen 
und nicht immer übereinstimmende Resultate 


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88 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


3. Jahrgang. 


gebenden Agglutinationsprüfung glaubt Verf. durch 
Verwendung gleichmässig gewonnener, abgetöteter 
Kulturen besser Eingang verschaffen zu können. 
Das Verfahren der Herstellung wird genauer an¬ 
gegeben. Da die Kulturen aber auch mit nor¬ 
malem Serum agglutiniert werden und genaue 
Grenzwerte nicht ermittelt sind, mangels eines 
genügend grossen Materials auch nicht leicht zu 
ermitteln sind, entbehrt die vom Verf. empfohlene 
Agglutinationsprobe einstweilen des praktischen 
Wertes. Profe. 

Legge« Ueber den Gewerbeanthrax. Brit. 

Med. Journ. 1905. Ref. d. Münch. Med. W. No. 23. 

In England müssen nach dem Eabrikgesetz alle 
Fälle von Anthrax angezeigt werden, die bei den 
verschiedenen Industrien zur Beobachtung kommen. 
Meist werden Sortierer oder Kämmer von Wolle, Spin¬ 
ner von Wolle und Leute, die mit Rosshaar (Bürsten) 
zu tun haben, davon betroffen, seltener Arbeiter, 
die mit dem Transport oder der Bearbeitung von 
Fellen zu tun haben. Isolierte Fälle treten auch 
bei Lederarbeitern und Hornarbeitern auf. Im 
ganzen kamen 1899-^1904 261 Fälle zur Anzeige. 
Von den im Jahre 1901 in diesen Industrien (Wolle) 
angestellten 259 909 Arbeitern waren nur 4264 mit 
dem als besonders gefährlich geltenden Sortieren 
und Kämmen der Wolle beschäftigt und davon er¬ 
krankten 64 (=0,21 o/o im Jahr). Von den Ross¬ 
haararbeitern (2206) erkrankten 40 (0,3 o/ 0 im Jahr). 
Die Wollenarbeiter erkrankten fast nur im Bereich 
von Bradford, wo fast nur asiatische Wolle ver¬ 
arbeitet wird. Die Mortalität unter den angezeigten 
Fällen betrug 25,6 o/ 0 , was höher ist als die Sterb¬ 
lichkeit bei 34 052 Fällen, die in Italien gesammelt 
wurden (24,1 o/ 0 ) und niedriger als die Sterblichkeit 
unter 1473 von Koch gesammelten Fällen (32 o/ 0 ). 
Am gefährlichsten ist der Anthrax, wenn die Pustel 
am Kopf oder Halse sitzt, weniger an den oberen 
Extremitäten und am Rumpf. Bei Kutschern, 
Schlächtern etc. kommen in England Milzbrand¬ 
fäll© selten vor. Aus Neuseeland und Australien 
importiert England jährlich für 270 Millionen Mark 
Wolle, und doch wurde innerhalb dieser 6 Jahre 
kein Fall von Anthrax auf Verbreitung dieser Woll¬ 
sorten zurückgeführt. Von Persien wird nur für 
265 000 Mk. Wolle importiert und doch erkrankten 
30—40 Menschen bei Verarbeitung dieser Wolle. 
Auch die türkische Wolle und das chinesische und 
russische Rosshaar sind sehr gefährlich. Die Fell- 
arl>eiter erkrankten l>esonders l>ei Beschäftigung mit 
Häuten, die aus China stammen. 

Die Therapie war bisher meist die, dass die 
Pustel exzidiert und die Wunde mit Ipecacnanba 
l)epudert wurde. Dasselbe Mittel wurde innerlich 
mit Erfolg gegeben. Neuerdings hat man in Italien ‘ 
sehr gute Erfahrungen mit dem von Sclavo her¬ 
gestellten Serum gemacht. Bei 41, nur mit Serum 
Ijehandclten, geheilten Fällen, l»etrug die Behand¬ 
lungsdauer nur 8 To.getnit sehr gutem kosmetischem 
Resultat. Auch in England hat sich das Serum 
gut bewährt. Es ist auch in grossen Mengen und ' 


intravenös unschädlich und wird gut ertragen. Selbst 
ganz hoffnungslose Fälle wurden geheilt. Die Ein¬ 
spritzung ist beinahe in jedem Fall von Temperatur¬ 
steigerung gefolgt, kurz danach bessert sich da& 
Befinden sehr rasch. Die Verhütung ’ der Infek¬ 
tion ist sehr schwierig, da selbst durch gegerbtes 
Leder noch eine Uebertragung stattfinden kann. 
Rosshaar, sofern es nicht von weisser Farbe ist, 
lässt sich durch strömenden Dampf sterilisieren. 
Die frühzeitig erkannte Krankheit ist mit Serum 
immer heilbar. Jacob. 

A. Eber. Ueber die Widerstandsfähig¬ 
keit zweier in Marburg mit Tuberkel¬ 
bazillen verschiedener Herkunft 
vorbehandelter Rinder gegen sub¬ 
kutane und intravenöse Infektion 
mit tuberkulösem, vom Rinde stam¬ 
menden Virus. Zeitschrift für Tiermedizin, 
1905, Bd. IX. 

Verf. prüfte zwei durch von Behring gegen 
Tuberkulose immunisierte Rinder auf ihre Wider¬ 
standsfähigkeit gegen künstliche Infektion mit 
vom Rinde stammendem tuberkulösem Material. Die 
Immunisierung fand nicht nach der neueren von 
Behringschen Methode statt, so dass das Ergebnis 
der Versuche über diese kein abschliessendes 
Urteil zulässt. Es fragt sich hierbei nur darum, 
ob durch Vorbehandlung mit Tuberkelbazillen eine 
erhöhte Widerstandskraft gegen künstliche Tuber¬ 
kuloseinfektion bei Rindern zu erzeugen ist. 

Der Versuch wurde in der Weise vorgenommen, 
dass neben den vor behandelten Rindern (1 und 2) 
ein weiteres (3) mit vom Rinde stammendem tuber¬ 
kulösen Material intravenös geimpft wurde, 
während ein viertes Rind (4) als Kontrolltier für 
die allgemeinen hygienischen nnd Ernährungs- 
Verhältnisse diente. 9 Monate nach der Infektion 
zeigte das geschlachtete Kontrolltier 3 bei der 
Sektion fünf erbsengrosse embolische Tuberkel in 
der Lunge nebst zahlreichen hirsekom- bis erbsen¬ 
grossen. teils verkästen, teils verkalkten, tuberku¬ 
lösen Herden in den bronchialen und mediastinalen 
Lymphdrüsen, ein bohnengrosses Konglomerat 
stccknadelkopf- bis linsengrosser tuberkulöser Knöt¬ 
chen in der linksseitigen Kchlgangslymphdrüse und 
zwei hirsekorngrosse Tuberkel in den portalen 
Lymphdrüsen. Rind 1 und 2 zeigten bei der 18 
und 20 Monate nach der ersten Infektion vorge- 
nommenen Sektion keine krankhaften Verände¬ 
rungen, welche auf diese intravenöse Injektion 
zurückgeführt werden konnten. In der Zwischen¬ 
zeit wurden Rind 1 und 2 einer zweiten Infektion 
unterworfen, gleichzeitig mit Rind 6, während ein 
siclxmtcs als Kontrolltier dienen soll. Die Infektion 
erfolgte durch subkutane Einverleibung tuberku¬ 
lösen, vom Rinde stammenden Materials. Während 
Rind 6 bei der 9 Monate nach der Infektion vor- 
genommenen Sektion einen wallnussgrosseu abge- 
kapselten tuberkulösen Abszess an der Injektions¬ 
stelle und tul>erkulöse Hyperplasie und herdweise 
Verkäsung bezw. Verkalkung der Buglymphdrüse auf- 


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* Heft 4. 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


89 


wies, Hessen Rind 1 und 2 während der ganzen Be¬ 
obacht ungszeit weder an der Injektionsstelle noch 
au der zugehörigen Lymplulrüse irgendwelche Ver¬ 
änderungen erkennen. Bei einem dritten subkutan 
erfolgten Infektionsversuch fanden sich bei zwei 
imvorbehandelten Tieren 13 und 11 nach 61/2 bezw. 
fd/i Monaten Tuberkulose der Impfstelle, der 
Lungen, des Pleura, der Milz, der Lel>er. Das vor- 
lieliarulelte Rind 2 zeigte i\ l j> Monate nach der 
Infektion Tuberkulose der Impfstelle der Niere und 
der Lunge. Rind 1 zeigte keine Krankheitserschei¬ 
nungen, Tuberkulinprolie fiel negativ aus. Bei einer 
vierten intravenös vorgenommenen Infektion mit 
einer Tuberkellmillen-Reinkultur zeigte schliess¬ 
lich auch das immunisierte Rind 1 zahlreiche 
linsen- bis erbsengrosse embolische Tuberkel in der 
Lunge und in beiden Nieren, zwei verkäste bezw. 
verkalkte tuberkulöse Herde in den mesenterialen 
Lymphdrüsen. 

Aus diesen Versuchsergehnissen geht hervor, 
dass sich die beiden in Marburg vorbehandelten 
Rinder widerstandsfähiger gegen künstliche 1m 
fektionen mit tulx»rkulösem Virus vom Rinde ge¬ 
zeigt haben, als die nicht vorl>chandelten. Die 
• Widerstandsfähigkeit der vorbehandelten Tiere war 
indessen keine absolute. Profe. 

• - i 

A. Eber. Experimentelle U Übertragung 
der Tuberkulose vom Menschen auf 
das Rind. Beiträge zur Klinik der Tuberkulose. 

. Bd. IU, Heft 4. 

Verf. stellte bei sielien jungen, auf Tuberkulin 
nicht reagierenden Rindern teils direkt, teils nach 
Meerschweiftchenpassage Infektionsversuche an mit 
tuberkulösem Materiale aus Darmteilen und Mesen¬ 
terialdrüsen von Kindern in fünf Fällen. Zweimal 
handelte es sich hier um primäre Darmtuberkulose, 
zweimal um vorgeschrittene Tuberkulose und ein¬ 
mal um tuberkulöse Ilerde in den Bronchialdrüsen 
neben den Darm Veränderungen. Gleichzeitig mit 
diesen Uebertragungsversuchen wurden bei fünf ge¬ 
sunden Rindern Infektionsversuche mit vom Rinde 
stammendem tuberkulösen Materiale gemacht. 

Hierbei erwies sich das vom Menschen 
stammende Material für zwei Rinder stark virulent, 
für zwei Rinder mittelgradig virulent, für drei 
Rinder geringgradig virulent bezw. völlig avirulent. 
Das t v o m Rinde stammende Material erwies sich 
für ein Rind stark virulent, für zwei Rinder 
mittelgradig virulent, für zwei Rinder geringgradig 
virulent. 

Diese Uebertragungsversuche widersprechen der 
Auffassung, R. lvocli^, nach welcher die mensch¬ 
liche Tuberkulose von- der des Rindes verschieden 
und auf dieses nicht übertnigbar sei. Es ist in 
einem falle gelungen, mit vom Men¬ 
schen stammen dem Material ganz cha- 
rakteristisclie Seröse 11 tuberkulöse 
beim Rinde zu erzeugen. Von Interesse ist 
auch das Ergebnis der mit tuberkulösem Material 
vom Rinde ausgeführten Infektionsversuche, welche 


gezeigt haben, dass es keineswegs leicht ist, bei 
gesunden Versuchstieren mit vom Rinde stammen¬ 
dem tuberkulösen Material eine Tuberkulose von 
progressivem Charakter hervorzurufen. 

Wenn es möglich ist, menschliche Tuberkulose 
auf Rinder zu ül>ertragen und hierlxn die typischen 
Formen der Rindertuberkulose künstlich zu er¬ 
zeugen, so ist die Behauptung Koclis, dass die 
menschliche Tuberkulose von der des Rindes ver¬ 
schieden sei, nicht aufrecht zu erhalten. 

Profe. 

N. Ravv. Human and bovine tuber- 
c 11 1 o s i s. Tuberculosis. Vol. III. No. 11 .) 

Verf. teilt, gestützt auf die klinische Beobach¬ 
tung von 3000 Tuberku lose fällen und auf 600 Sek¬ 
tionen, seine Anschauungen über die Beziehungen 
der menschlichen zur Rindertuberkulose mit. Beim 
Erwachsenen entsteht die Tuberkulose im all¬ 
gemeinen durch Einatmung der Bacillen, die von 
einem anderen Fall stammen, oder durch zufällige 
Einatmung von ausgetrockneten Tuberkel hoc illen. 
I 11 seltenen Fällen kann aber von den tuberkulösen 
Lymphdrüsen des Halses her eine Lungentuber¬ 
kulose ihren Ausgang nehmen; bei Kindern ist der 
Ausgang von erkrankten Mesenterialdrüsen und die 
Wanderung durch das Zwerchfell zu Brustfell und 
Lungen möglich. Raw stimmt darin mit Koch über¬ 
ein, dass die Rindertuberkulose, die streng von der 
menschlichen zu unterscheiden ist, im Menschen 
nicht das Krankheitsbild der menschlichen Tuber¬ 
kulose hervorzurufen vermag. Doch kann nach 
Verf. der Mensch von beiden Formen befallen 
werden, durch Infektion von Mensch zu Mensch 
und durch Aufnahme von Milch und Fleisch. 

Verf. nimmt an, dass primäre IntestinaJtuber- 
kulose, Tabes mesenteria und andere tuberkulöse 
Affektionen der serösen Organe bovinen Ursprungs 
sind, wahrscheinlich durch Milchinfektion hervor¬ 
gerufen. Raw hat 293 Fälle von Tabes mesenterica 
diagnostiziert und darunter nicht einen einzigen, 
der ausschliesslich mit Muttermilch ernährt worden 
| wäre, ausnahmslos waren alle mit Kuhmilch er¬ 
nährt. Verf. weist darauf hin, dass diese Er¬ 
krankung, in den Mesenterialdrüsen beginnend, 
schliesslich zu den Lungen gelangen kann. Hin¬ 
sichtlich der Skropliulose nimmt Verf. an, dass 
die Halsdrüsen durch die Aufnahme der Tuberkel¬ 
bacillen mit der Milch auf dem Wege der Tonsillen 
und des Pharynx hervorgerufen werden und in der 
Regel eine lokale Affektion darstellen. 

Die Rindertuberkulose ist in Indien sehr selten, 
desgleichen auch die Erkrankung der Kinder, wäh¬ 
rend Lungentuberkulose der Erwachsenen sehr ver¬ 
breitet ist. Auf der malagischen Halbinsel, sowie 
in Hongkong, wo Rindertuberkulose selten ist, wird 
auch bei Kindern selten Tuberkulose beobachtet. 
In Aegypten, wo die Kinder zwei Jahre und länger 
an der Brust genährt werden, ist gleichfalls die 
Erkrankung der Kinder an Drüsen- und Abdominal¬ 
tuberkulose selten. Verf. hat in Liverpool in den 


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90 


Fortschritte der Ve terinär-IFy^ienAi 


3. Jahrgang. 


letzten zwei Jahren eine erhebliche Abnahme der 
Abdominaltuberkulose fe9tgestellt, die er auf stren¬ 
gere Milchkontrolle und Versorgung der Armen mit 
sterilisierter Milch zurückführt. 

Raw fasst seine Anschauungen in folgender 
Theorie zusammen: 

Menschen- und Rindertuberkulose verhalten sich 
im menschlichen Körper antagonistisch zueinander, 
und Kinder, die an Rindertuberkulose gelitten 
haben, werden später nicht von Lungentuberkulose 
befallen. Verf. schliesst, dass eine milde Infektion 
mit Rindertuberkelbacillen eine gewisse Immunität 
gegen Lungenschwindsucht hervorruft, analog wie 
die Vaccination gegen Pocken schützt. 

Jacob. 

W. Hoffmann. Zum Wachstum von Tu¬ 
be rhelbacillen auf 10 o/o Glyzerin- 
Kartoffeln. Hygienische Rundschau. 14. 
Jahrg. No. 7 und 15. Jahrg. No. 9. 

•Verf. empfiehlt auf Grund mehrfacher Ver¬ 
suche über die Züchtung des Tuberkelbacillus auf 
Kartoffeln solche Kartoffelröhrchen, in denen das 
gebildete Kondenswasser durch steriles 10 o/ 0 Gly¬ 
zerinwasser ersetzt ist. Es gelingt mittels dieses 
Nährbodens sicher und schnell, aus tuberkulösem 
Materiale Tb.-Reinkulturen zu gewinnen. Die Viru¬ 
lenz wird durch Fortzüchtung durch viele (40) 
Generationen hindurch abgeschwächt. ProfA 

O. v. Schroen. Der neue Mikrobe der Lun¬ 
genphthise und der Unterschied zwi¬ 
schen Tuberkulose und Lungen¬ 
schwindsucht. (Ref. im Ctbl. f. Bakt. B. 36, 
18-20.) 

Tuberkulose und Phthise sind zwei verschiedene 
Prozesse, die durch zwei in Struktur, Morphogenese 
und biologischem Charakter verschiedene Mikro¬ 
organismen hervorgerufen werden. Dem Auftreten 
des phthisiogenen Mikroben in der Lunge geht ge¬ 
wöhnlich das des Tuberkelbacillus voraus; doch 
vermag Verf. nicht mit Bestimmtheit zu sagen, 
ob es auch eine primitive oder gemeine Lungen¬ 
phthise gibt ohne vorangegangene Tuberkulose. 
„Phthise ist ein von Tuberkulose wesentlich ver¬ 
schiedener Prozess, hervorgerufen durch einen be¬ 
sonderen Mikroben, der nicht wie der Tuberkel¬ 
bacillus in erster Linie Neubildung, verschiedene 
Entzündungsformen und Koagulationsnekrose im 
Lungengewebe erzeugt, sondern als Parasit von rein¬ 
stem Wasser sich an Stelle des Lungengewebes setzt, 
dasselbe anfangs beiseite schiebt, dann durch Usur 
zerstört und zum Schlüsse selbst einer sich in ihm 
rapid ausbreitenden Degeneration verfällt, infolge 
deren ausgedehnte Zerstörungen der Lunge, be¬ 
sonders in Form von Kavernen auftreten. Während 
die käsigen phthisischen Herde zum weitaus grössten 
Teil vom Mikroben der Phthise selbst gebildet sind, 
werden die Kavernen von drei Schichten desselben 
ausgekleidet, die der Ausdruck von drei Stadien 
seiner „sukzessiven Evolution und Revolution sind/* 

Die Tuberkulose der Lunge kann als aktiver 


Prozess bereits erloschen sein, wenn die- Phthise in 
derselben auftritt (Metabiose); dann hat die Phthise 
meist einen langsameren Verlauf, oder der Tuberkel- 
bacillus und der „neue Microbe“ treten gleichzeitig 
in der Lunge auf (Symbiose); dann ist der Verlauf 
der Phthise ein rasender. 

Vorläufig macht Verf. über den Mikroben der 
Phthise nur einige Mitteilungen Er sei ein ver¬ 
zweigter, arboreszierender, fruktifizferender Faden¬ 
pilz. Bei seinem ersten Auftreten in der Lunge 
soll er als zartes Fädchen erscheinen, das in die 
Epithelzellen der Lungenalveolen eindringt. Es 
bildet sich durch seitliche Sprossung ein feines 
Netz, das das Zellprotoplasma in Maschen durch¬ 
setzt und den Kern umspinnt. Das Protoplasma wird 
vom Mikroben aufgezehrt, der atrophische, des Chro- 
matius beraubte Kern erscheint im Zentrum des 
durchsichtigen Mikrobenknäuels suspendiert. Die 
benachbarten Fadenpilze konfluieren und bilden eine 
filzige Masse; die Stämme und Zweige werden 
grösser und dicker; sie sind hohl und ohne Sept-a. 
Dann entstehen in den feinsten Endästchen, aber 
auch an seitlich heran wachsenden Stielen kleine 
Kapseln, die anfangs homogen, später eine Hülle 
und einen granulösen Inhalt haben, der im 
Reifestadium sich dahin ändert, dass aus den Körn¬ 
chen zu parallelen Bündeln vereinigte Fädchen ent¬ 
stehen, die, die Kapsel verlassend, die Epithel¬ 
zellen der nächsten Alveolen befallen. Nach be¬ 
endeter Fruktifikation erweitern sich die Stämme 
und Aeste des Mikroben und anastomosieren mit¬ 
einander, wodurch das Bild ganz anders wird. 
Gleichzeitig verfällt der Mikrobe, den Verf., weil 
er keine Sporen bildet, nicht zu den Hyphomyceten 
rechnet, schleimiger Erweichung, fettiger Degene¬ 
ration, transversaler Fragmentation und Detritus¬ 
bildung. 

Die Färbung des Mikroben ist Verf. erst in 
letzter Zeit gelungen; Tuberkelbacillus und der 
Mikrobe sind Antagonisten in ihrer chromopliilen 
Affinität. Die Färbemethode teilt Verf. nicht mit. 

Eine Reinkultur des Mikroben besitzt Verf. 
nicht, wohl aber eine „Tropfenkultur“. Jacob. 
Hoefnagel, Utrecht. Ueber das Vorkom¬ 
men von Tuberkelbacillen im 
Fleische von Rindern und Schwei¬ 
nen mit chronischer allgemeiner Tu¬ 
berkulose. (Tydschrift vor Veeartsenykünde. 
Juni 1905.) 

Verf. stellte sich die Frage, ob das Fleisch von 
Schlachttieren, welche an chronischer allgemeiner 
Tuberkulose litten, auch Tuberkelbacillen enthält, 
und ob in bejahenden Fällen diese Bacillen imstande 
sind, nachteilige Folgen beim Konsumenten zu ver¬ 
anlassen. 

Hoefnagel impfte dazu ein Kalb, eine Ziege, 
zwei Ferkel und mehrere Kaninchen und Meer¬ 
schweinchen, subkutan mit Fleischstückchen von 
Rindern und Schweinen, welche mit chronischer all¬ 
gemeiner Tuberkulose behaftet waren. Das Fleisch 
wurde entnommen aus verschiedenen Teilen des 


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Heft 4. 


Fortschritte der Veterin&r-Hygiene. 


91 


Körpers, am liebsten aus der Nähe von Drüsen, 
welche sich tuberkulös zeigten. Die Ergebnisse 
waren alle negativ, es gelang nicht, eines der Ver¬ 
suchstiere zu infizieren. Verf. möchte darum das 
Fleisch von obengenannten Schlachttieren lieber 
nicht sterilisieren, sondern frei zum Genuss zu¬ 
lassen. Ubbels, 

Orlowsky. Ueber den Zusammenhang 
zwischen der parasitären Ruhr und 
dem Magensaftmangel. Rnsskij Wratsch 
1905. No. 2. 

Der Verf. dieser Arbeit kommt auf Grund von 
vier untersuchten Fällen aus eigener Praxis und 
14 Fällen anderer Forscher zur Ueberzeugung, dass 
die Protozoen (Balantidium coli, Trichomonas in¬ 
testinalis, Cercomonas hominis, Cercomonas in¬ 
testinalis, Megastoma entericum) nur in solchen 
Zuständen Durchfall verursachen können, wo tief¬ 
gehende pathologische Veränderungen in der Magen- 
und Darmschleimhaut zu beobachten waren. Die 
Veränderungen in der Magenschleimhaut, welche 
den Magensaftmangel bedingen, ermöglichen den 
lebendigen Protozoen den Zugang zum Gedärm. Die 
Veränderungen in der Darmschleimhaut erleichtern 
wiederum denselben den Zutritt in die Submucosa. 
Hier vermehren sich die erwähnten Protozoen, 
reizen die lädierte Schleimhaut und rufen schliess¬ 
lich eine langdauernde Ruhr hervor. Seine An¬ 
sicht stützt Orlowsky auf folgende Tatsachen. Ge¬ 
sunde Tiere ist man sogar nach der Neutralisierung 
deren Magensaftes nicht imstande, mit Protozoen 
zu infizieren. Die Einführung der Protozoen per 
anum in die Endteile des Verdauungstraktes ruft 
keine krankhaften Erscheinungen hervor. Obgleich 
man zu den Klistieren fast ausschliesslich un¬ 
gekochtes Wasser gebraucht, beobachtet man die 
parasitäre Ruhr höchst selten. Beim Magen¬ 
karzinom, wo der Magensaft alkalisch reagiert, 
findet man oft Protozoen ohne irgendwelche Er¬ 
scheinungen von seiten des Darmes. In sämtlichen 
diesen Fällen widersteht, nach Ansicht des Verf., 
die gesunde Darmschleimhaut der schädlichen Wir¬ 
kung der Protozoen. Baczynski. 

Streit. Untersuchungen über Geflügel¬ 
diphtherie. Zeitschr. für Hygiene. Bd. 46. 

Verf. stellte Untersuchungen über eine im süd¬ 
lichen Ontario häufige Krankheit der Hühner an, 
die in einer serösen, später eiterigen Entzündung 
bestand, von der Nase und den Augen ausging, 
auf Gaumen und Rachen Übergriff und durch Bil¬ 
dung von Krusten, Croupmembranen und Geschwül¬ 
sten mit käsigem Inhalt ausgezeichnet war. ln 
den Crouphäutchen fand Verf. unter anderen Bak¬ 
terien ein kurzes, plumpes Stäbchen, das er als 
den Erreger der „Roup“ genannten Krankheit an¬ 
sieht. Es ist für Kaninchen, Mäuse, Meerchwein- 
chen, Hühner und Tauben virulent und verursacht 
bei Hühnern das echte Bild der Krankheit. Doch 
will Verf. auch durch Verimpfung des aus den 
roupkranken Tieren gezüchteten Bac. pyocyaneus 
dasselbe Krankheitsbild erhalten haben. Prof6. 


Levaditi. Beitrag zum Studium der Spi- 
rillose der Hühner. Ann. de Plnst. 
Pasteur. 1904. No. 3. 

Ueber die von Marchoux und Salimbcui beob¬ 
achtete und beschriebene in Brasilien vorkom¬ 
mende durch Spirillen erzeugte Krankheit der Hüh¬ 
ner hat Verf. weitere Versuche angestellt. Nach 
subkutaner Injektion von infektiösem Hühnerblut 
treten bei Hühnern die Spirillen erst am zweiten 
Tage im Blute auf; sie vermehren sich anfangs 
vornehmlich in den grossen Körperorganen. Das 
Blutserum und Blutplasma von Tieren, die die 
Krankheit überstanden haben, zeigen kräftig agglu¬ 
tinierende Eigenschaft. Profö. 

Loeb. Ueber das endemische Vorkom¬ 
men des Krebses bei Tieren. (Centralbl. 
f. Bakt., B. 37, 2.) 

Verfasser verwandte zu seinen Untersuchungen 
über Uebertragung und Wachstum von Sarkomen 
in weissen Ratten zwei cystische Sarkome, die sich 
spontan in der Thyreoidea von weissen Ratten ge¬ 
bildet hatten. Diese stammten aus dem patho¬ 
logischen Laboratorium der Poliklinik in Chicago. 
Sie waren in Zwischenräumen von ca. 1 Jahr er¬ 
krankt, ebenso eine dritte Ratte aus demselben 
Laboratorium. Die Tiere zeigten ausgedehnte 
Metastasenbildungen, die Tumoren konnten erfolg¬ 
reich übertragen werden auf andere Tiere. 

Es entsteht die Frage: „Durch welche Ur¬ 
sachen entstanden diese Larcome in einer relativ 
geringen Zahl von weissen Ratten in wenigen 
Käfigen eines Laboratoriums?“ 

Es ist eine auffallende Tatsache, dass in den 
verschiedenen Krebscudemien, die bisher bei Tieren 
beobachtet wurden, die Tumoren in den einzelnen 
Fällen den gleichen Charakter hatten. Die makro¬ 
skopische und mikroskopische Gleichartigkeit der 
Tumoren schliesst einen Zufall in diesen Befunden 
aus. Sie weist darauf hin, dass eine bestimmte 
Ursache in allen diesen Fällen wirksam war. 

Die Gleichartigkeit der an einem Ort gefunde¬ 
nen Tumoren trat besonders in den vorgenommenen 
Transplantationen zutage. Selbst das Verhalten 
der Tumorzellen zu verschiedenen Zeiten der 
Transplantation war das gleiche, so in bezug auf 
das Fehlen einer Latenzzeit im Wachstum, die 
Schnelligkeit des Wachstums, die Nekrose der zen¬ 
tralen und das Erhaltenbleiben der peripheren 
Teile der Stücke etc. Auch kleine Verschieden¬ 
heiten der Tumoren, wie Häufigkeit lokaler Me¬ 
tastasen und Kontaktinfektionen blieben konstant 
während der Transplantationen auf viele Tiere. 

Man kann aus diesen Beobachtungen indirekt 
Schlüsse auf den Charakter eines möglichen Or¬ 
ganismus, der der Tumorbildung zugrunde liegt, 
ziehen. Falls eine parasitaere Infektion vorliegt, 
scheinen die Befunde fast mit Sicherheit darauf 
hinzuweisen, dass verschiedenartige Tumoren durch 
verschiedenartige Organismen erzeugt werden. 

Anders wäre der gleichartige Charakter der 


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92 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


3. Jahrgang. 


Tumoren in den verschiedenen Tieren nicht zu 
erklären. 

Die Transplantationsversuche engen das Feld 
der in Betracht kommenden Mikroorganismen we¬ 
sentlich ein. Sie sprechen gegen Organismen, die 
sich ähnlich wie Blastomyceten oder Tuberkel¬ 
bacillen verhalten, sie schliessen durch Berkefeld- 
filter filtrierbare, ausserhalb von Zellen lebende 
und gegen Abkühlung empfindliche Organismen aus. 
Sie lassen al>er ultramikroskopische und sehr kleine 
innerhalb der Zellen lebende Parasiten zu und 
solche, die grösser sind und ausserhalb der Zellen 
leben können, aber in fixierten Schnitten nicht 
sichtbar sind. 

Erhitzen eines Tumorstückes auf 45 0 während 
einer halben Stunde vernichtet die Fähigkeit des 
transplantierten Stückes wieder tumorartig zu 
wechseln. Dies gilt ähnlich auch für Carcinoine 
(Jensen). Freilich sind a-ucli andere Erklärungen 
dieser Tatsache möglich. 

In den beobachteten Fällen liegt nun noch 
die Möglichkeit liereditaerer Einflüsse vor. Die 
letzten Untersuchungen beim Menschen durch 
Lyon zeigen, dass familiäre Einflüsse bei Endemien 
eine grosse Rolle spielen und genügend sind, das 
scheinbar endemische Vorkommen zu erklären. 

Jacob. 

Otto Schmidt. Ueber das Vorkommen eines 
protozoenartigen Parasiten in den 
malignen Tumoren und seine Kultur 
ausserhalb des Tierkörpers. (Mit drei 
Tafeln). Bonn, Martin Hager Verlag, 1905. 

In der Frage über die Ursachen des Krebses 
und der bösartigen Geschwülste überhaupt stehen 
sich bekanntlich die Forscher in zwei Lagern gegen¬ 
über. Während auf der einen i/eite die Möglich¬ 
keit einer Infektion und damit der Uebertragung 
des Krebses von Mensch auf Mensch mit Ent¬ 
schiedenheit verneint wird, wird von der anderen 
Seite das Auftreten, die Verbreitung und der Krank¬ 
heitsverlauf für den ansteckenden Charakter der 
Krankheit verwertet, Es sind auch von einer ganzen 
Reihe namhafter Forscher Mikroorganismen in 
Krebsen und anderen Geschwülsten gefunden und 
. daraus gezüchtet worden. Sowohl Bakterien, wie 
Hefezellen, als auch Protozoen sind von den ver¬ 
seil iedenen Gelehrten als Erreger der Krebskrank¬ 
heit beschuldigt worden. Eine allgemeingültige 
Anerkennung hat indessen bisher keiner der 
Forscher für sich und seine Krebseneger gewinnen 
können. 

Es ist das zum Teil wohl dadurch zu erklären, 
dass, wenn auch selbst Namen von so gutem Klange, 
wie der eines Leyden, Sanfelice, die Forschungs¬ 
ergebnisse deckten, diese selbst eine weitgehende 
Verschiedenarfcigkeit untereinander aufwiesen. Das 
gilt auch insbesondere von den Untersuchungs¬ 
ergebnissen Schüllers, Haylacks und Leydens, die 
zwar das Uebereinstimmende zeigten, dass es sich 
um Protozoen handelte; die einzelnen, beobachteten 


Formen aller wiesen erhebliche Abweichungen von¬ 
einander «auf. 

Diese Erscheinung sucht der Verf. durch die 
Annahme zu erklären, dass von den. Gelehrten 
verschiedene Entwicklungsphasen eines und des¬ 
selben Parasiten beobachtet, der gesamte, viel¬ 
gestaltige Formen umfassende Zeugungskreis aber 
ihrer Beobachtung entgangen sei. 

Erst die Untersuchungen der letzten Jahre 
halien gezeigt, wie unendlich verschieden das mor¬ 
phologische und biologische Verhalten der # ein¬ 
zelnen Arten, wie gross die Anpassungsfähigkeit 
der Urtiere sein kann. Es sei nur erinnert an die 
Malariaparasiten, die abwechselnd im Körper des 
Menschen und einer Mückenart ihre Entwicklung 
durchmachen, deren Wirtswechsel also sich zwischen 
Mensch und Mücke vollzieht. So glaubt Verf. auch 
für die Krebserreger, die er als Protozoen ansieht, 
einen Wirtswechsel annchmen zu müssen, in dem 
der Zwischenwirt nicht wie bei der Malaria (die 
Mücke) ein Tier ist, sondern ein Pflanzenorganis¬ 
mus, hier ein Schimmelpilz oder ein Hefepilz. Dieser 
dringt in den Tierkörper ein und ermöglicht so 
die Uebertragung des Parasiten auf letzteren, oder 
die Parasiten dringen in Form von Dauerformen, 
Sporen, in den Tierkörper ein/ Der aus bösartigen 
Geschwülsten in Reinkulturen gezüchtete Schimmel¬ 
pilz enthielt in jedem Falle den typischen Parasiten. 

Ueber den Entwicklungskreis des Parasiten 
gibt Verf. folgende Mitteilungen. Die erwachsene 
Amöbe liegt in Teilen des Schimmelpilzes und 
bildet einfache Keimlinge (Gymnosporen) oder eine 
geschlechtliche Generation. Die Befruchtung der 
weiblichen Produkte (Oogonien) durch die männ¬ 
lichen (Antheridien) findet im Innern des Schimmel¬ 
pilzes statt und lässt das Oozonium zur Oozyste 
werden. Letztere birgt nach der Reifung bis zu 
hundert Sporen, .die je einen Sporozoiten enthalten. 
Die Sporozoiten dringen nun wieder in neue Pilz¬ 
sporen ein und entwickeln sich nach deren Aus¬ 
keimung wieder zur Amöbe, womit der Zeugungs¬ 
kreis in der Pflanze geschlossen ist. 

In ganz ähnlicher Weise vollzieht sich der Ent¬ 
wicklungsgang im Tierkörper. Nur dass hier der 
ungeschlechtlichen, eine ungleich bedeutendere 
Erhöhung der Parasitenanzahl ermöglichenden Fort¬ 
pflanzung eine grössere Rolle eingeräumt ist. 

Um die durch ungeschlechtliche Vermehrung 
des Tieres eintretende Erschöpfung des Organismus 
zu verhindern, ist eine Verjüngung oder Auf¬ 
frischung nötig, die hier in der Kopulation freier 
geschlechtlich verschiedener Individuen stattfindet. 
Die Geschlechtsformen treten vorwiegend in der 
Gestalt der Gastrula auf. Nach der Befruchtung 
bilden sich in dem Mutter Organismus, dem 
Oogonium, die Sporen, die unter bestimmten Ver¬ 
hältnissen austreten. 

Was nun die Frage angeht, ob der Schmidtsche 
Parasit der Erreger der bösartigen Geschwülste ist, 
so wird der Umstand, dass er vom Verf. bisher 
in jeder von ihm untersuchten Geschwulst gefunden 


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Heft 4. 


93 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


wurde, unstreitig im Sinne ihrer Bejahung gedeutet 
werden müssen. Der Umstand, dass es gelang, mit 
Reinkulturen des Parasiten in bisher drei Fällen 
bei Mäusen — weitere Untersuchungen hierüber 
sind noch im (Tange — charakteristische bösartige 
Geschwülste zu erzeugen, die sich weiterhin leicht 
auf andere Mäuse übertragen Hessen, kann schliess¬ 
lich auch von dem ausgesprochenen Skeptiker nicht 
mehr als Zufall gedeutet werden. Auch die Er¬ 
fahrungen und Beobachtungen, die Verf. an Kranken 
mit algetöteten Kulturen und mit einem mittelst 
der Reinkulturen gewonnenen Serum gemacht hat, 
müssen als ein indirekter Nachweis für den ur¬ 
sächlichen Zusammenhang zwischen den Parasiten 
und den Krebsgeschwülsten angesehen werden. Verf. 
beobachtete nach Einspritzung von zumeist ge¬ 
ringen Mengen abgetöteter Reinkulturen seines 
Parasiten eine entzündliche Reaktion im Bereich 
der Geschwülste und Erhöhung der Körj>crtempo- 
ratur bei Krebskranken, Erscheinungen, die aus- | 
blieben, wo es sich um gutartige Geschwülste 
handelte. Nach fortgesetzten Einspritzungen dieser 
Kulturen und des Serums von Tieren, die mit den¬ 
selben Kulturen vorlndiandelt waren, zeigten die 
Geschwülste Erweichung und Abnahme ihres 
Volumens, ln einzelnen Fällen konnte völliges 
Schwinden der Geschwülste Ijeobaehtet werden. 
Ger allgemeine Körperzustand besserte sich. Verf. 
ist demnach wohlberechtigt zu der Annahme, einen 
Weg zur erfolgreichen Behandlung der Krebskrank- 
lieit angebahnt zu haben. Er selbst betont, dass 
er seine Methode als eine fertige heute noch nicht 
1 jetrachtet. 

Er fasst die Ergebnisse seiner jahrelangen 
Untersuchungen dahin zusammen: 

Der Parasit kommt in jeder bösartigen Ge¬ 
schwulst vor. Er erzeugt lx*i disponierten Tieren 
wiederum bösartige Neubildungen. Seine Rein¬ 
kulturen und mit diesen gewonnenes Serum ent¬ 
falten ausgesprochene Schutz wirk ungen gegen bös¬ 
artige Geschwülste. Bei Injektion geringer Dosen 
seiner abgetöteten Reinkulturen treten bei Men¬ 
schen, die an bösartigen Neubildungen leiden, 
spezifische Reaktionen auf. Fortgesetzte Injektionen 
in steigenden Dosen bewirken in Geschwülsten Ver¬ 
änderungen, die als Heilvorgängc aufzufassen sind. 

Profe. 

Parasitologie« Invasionskrankheiten. 

H. Ziemann. Beitrag zur T r y p a nosumen- 
frage. Centralbl. f. Bakt. etc., 1. Abt. Orig. 
Bd. 38, Heft 3 und 1. 

Die Trypanosomen werden eingeteilt in Gruppe 
A, der wohlcharakterisierteu Trypanosomen und 
in. Gruppe B, der voneinander schwieriger, nach 
Koch überhaupt nicht deutlich zu trennenden 
Trypanosomen. Zu A gehören: Trypanosoma Thei- 
leri, nur auf Rinder, und Rattentrypanosoma, nur 
auf Ratten iibertragl)ar, zu B: die Trypanosomen, | 
welche bedingen 1. die Tsetsekrankheit der Haus¬ 
tiere in Afrika (Mäuse, Ratten, Kaninchen sind ] 


sehr empfangich), 2. die Surrakrankheit. der Haus¬ 
tiere in Asien, Mauritius, Philippinen und Abessi¬ 
nien (besonders gefährlich Pferden und Kamelen), 
3. Mal de Oaderas der Pferde in Südamerika, 4. die 
Dourine in Marokko, Algier, Südfrankreich und 
Spanien (besonders bei Pferden vorkommend), 
5. die Trypanomiasis des Menschen. Während einige 
Forscher die unter B genannten Parasiten als be¬ 
sondere Spezies auffassen, fassen Koch und 
Musgrave dieselben als voneinander nicht abgrenz- 
bare Parasiten auf, da sie sich morphologisch nicht 
sicher unterscheiden lassen und nicht auf einen 
bestimmten Wirt angewiesen seien. 

Zum Zwecke einer genaueren vergleichenden 
Betrachtung untersuchte Verf. die Parasiten der 
menschlichen Trypanosomenkrankheit und der 
Tsetsekrankheit in Kamerun eingehender. Zunächst 
ergab sich, dass neben der eigentlichen Tsetse¬ 
krankheit eine davon scheinbar verschiedene In- 
I fektion vorkam, bedingt durch einen dem Surra- 
parasiten ähnlichen Organismus, vom Verf. als 
Trypanosoma vivak Ijezeichnet. Dieser konnte in 
verschiedenen Teilen Kameruns sowie in Batta 
nachgewiesen werden. Seine Verbreitung ist nach 
Ort, Zeit und Art der gehaltenen Haustiere ver¬ 
schieden. Insbesondere glaubt Verf. das Vorhanden¬ 
sein einer nach der Jahreszeit wechselnden Kurve 
bezüglich Häufigkeit der frischen Trypanosoma 
vivax-Infektion annehmen zu sollen, eine Annahme, 
die für die Epidemiologie und die Prophylaxe von 
grosser Wichtigkeit ist. Der Verlauf der Trypa¬ 
nosoma vivax-Infektion kann bei Rindern, Schafen 
und Ziegen ein enorm akuter sein, kann aber auch 
ein sehr chronischer werden und sich auf Monate 
bis zu einem Jahre und darüber ausdehnen. In 
allen Fällen ist eine mehr oder weniger stark aus¬ 
gesprochene Anämie zu bemerken, besonders stark 
in den akuten. Die Infektion bewirkt keinen 
Abortus. Im Herzblut der Frucht finden sich keine 
Parasiten. Die Nachkommen infizierter Mutter¬ 
tiere sind nicht immun. Die Inkubationszeit bei 
künstlicher wie natürlicher Infektion beträgt 5 bis 
8 Tage. Trypanosoma vivax unterscheidet sich von 
Trypanosoma Brucei einmal morphologisch, alsdann 
durch grössere Beweglichkeit und grössere Viru¬ 
lenz des ersteren, ferner durch die Schwierigkeit 
einer vexualen Differenzierung im Gegensatz zu 
Trypanosoma Bruccei, schliesslich durch die Art der 
natürlich infizierbaren Tiere, indem scheinbar nur 
Rinder, Schafe und Ziegen betroffen werden. Trotz¬ 
dem vermag Verf. nicht mit Sicherheit zu sagen, 
dass Trypanosoma vivax nicht ein vielleicht modi¬ 
fizierter Surraparasit ist. 

Verf. empfiehlt die von ihm begonnenen Im¬ 
munisierungsversuche mit Blut chronisch infizierter 
scheinbar gesunder Tiere, eventuell kombiniert mit 
einer vorsichtigen Arsenikkur in grösserem Mass¬ 
stalje zu wiederholen. Profe. 

Paschen. Ueber Piroplasmose bei ein¬ 
heimischen Schafen. Hyg. Rundschau. 
No. 11. 


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94 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


3. Jahrgang. 


Im November vorigen Jahres machte Verf. bei 
zwei Schafen Versuche mit Ovine. dem Material 
der Schafpocken. Es bot sich so die Gelegenheit, 
bei einer Krankheit, die innige Verwandtschaft mit 
Variola vera darbietet, sowohl was die Schwere 
der Erkrankung, als auch, was die enorme Infek¬ 
tiosität betrifft, im Inkubationsstadium das Blut zu 
untersuchen. Diese Gelegenheit hat man bei Pocken 
naturgemäss sehr selten, da man dem einzelnen 
Individuum nicht ansehen kann, ob es sich im 
Inkubationsstadium der Krankheit befindet. Es 
wurde dem Tier alle 24 Stunden Blut entnommen 
aus der Ohrvene, später auch durch Einstich in 
die nach der Inokulation entstandenen Tumoren. 
24 Stunden nach der Inokulation fand sich im 
Blute des Hammels nichts; 2x24 Stunden ganz 
vereinzelte, 3x24 Stunden, zugleich mit dem An¬ 
stieg der Temperatur etwas reichlicher, wenn auch 
noch sehr spärlich, Parasiten in den roten Blut¬ 
körperchen, die sich typischerweise nach Giemsa 
färbten, innen roten Kern und blaues Protoplasma 
zeigten. Sie lagen teils zu 2, 3 oder 4, teils einzeln 
in Form von kleinsten Bingen, manchmal in Stab- 
chenform, bei denen der Kopf rot, der übrige Teil 
blau gefärbt war, dann auch in Kokkenform in 
den roten Blutkörperchen. Die Grösse der Ringe 
beträgt 1—2 p. Auch zusammenhängende Formen, 
wie bei dem Pirosoma bigeminum des Texasfiebers 
fanden sich. An einigen Stellen fanden sich Tei¬ 
lungsformen; freie Formen waren nicht vorhanden. 
Der Parasitenbefund konnte 10 Tage lang bei dem 
Hammel weiter beobachtet werden. 

Bei dem Schafe, das gleichzeitig inokuliert 
wurde, konnten die Parasiten 3x24 Stunden nach¬ 
her nur in ganz vereinzelten Exemplaren nach- 
gewiesen werden; die Untersuchung war bei der 
Kleinheit der Objekte, der grossen Zahl der Blut¬ 
plättchen, die nur zu leicht zu Verwechslungen 
führen können, sehr mühsam. Vielleicht hätte die 
Blutentnahme zur Nachtzeit günstigere Resultate 
ergeben. 

Es war bestechend, das Auftreten dieser Para¬ 
siten mit der Inokulation der Ovine in Verbindung 
zu bringen, d. h. dieselben, als die eventuellen 
Erreger der Ovine, von denen wir ebensowenig 
wissen, wie von denen der Blattern, wie überhaupt 
der exenthematischen Krankheiten anzusehen. 
Kontrolluntersuchungen an Blutausstrichen von 6 
gesunden Schafen und 2 Lämmern blieben negativ. 
Nach Fülleborn u. a. fand sich in ausserdeutschen 
Ländern, in Gegenden mit Haemaglobinurie der 
Rinder meist auch die analoge Krankheit der 
Schafe. Aus den Arbeiten von Jackschalt, Never- 
mann, Ziemann u. a, ist bekannt, dass die Haema¬ 
globinurie der Rinder in ganz Deutschland ver¬ 
breitet ist, und auch, dass jährlich viele Tiere 
dieser Krankheit erliegen. 

Morphologisch glichen die in den roten Blut¬ 
körperchen gefundenen Parasiten dem als Piro- 
plasma bekannten Erreger der Haemaglobinurie der 
Rinder. So lag der Schluss nahe, dass es sich 


auch hier um eine Piroplasmose beim Schaf han¬ 
delte, die schon vor der Inokulation bestand. Aus¬ 
lösend wirkte dann das Fieber und die Störung 
des Allgemeinbefindens. 

Nach Mitteilung des Herrn Glage war im Ham¬ 
burger Schlachthof vor ca. 7 Jahren bei einer Gruppe 
von fünf Schafen und und ein Jahr später bei 
einer von zwei Schafen Haemoglobinurie und 
Ikterus, Milztumor, schwarze, zerflossene Pulpa, 
Leberschwellung und Nieren Schwellung, Petechien 
in den serösen Häuten aufgetreten. Die Unter¬ 
suchung einer Niere, die damals in Formalin¬ 
gelatine konserviert und aufgehoben wurde, ergab 
Ringe in den roten Blutkörperchen. Doch ist diese 
Untersuchung noch nicht abgeschlossen. 

Die Uebertragung der Piroplasmose beim 
Hammel fand jedenfalls vor Aufstellung im Stall 
statt; das Tier wurde ganz jung gekauft und hatte 
keine Zecken (das Tier wurde häufig nach Schaf- 
läusen abgesucht, wobei Zecken sicherlich nicht 
entgangen wären). Nach der Aufnahme im Stall fand 
sich keine Gelegenheit mehr zur Infektion mit 
Rhipicephalus, der nur auf Wiesen und im Unter¬ 
holz sich, findet. 

Es liegt also hier eine ganz leichte, unbemerkt 
verlaufende Form, wie Motas sie beschrieb, vor. 
Es war kein Ikterus und keine Haemoglobinurie, 
und sonst keine für Piroplasmose charakteristischen 
Symptome vorhanden. Es wird sich jedenfalls 
lohnen, bei einer grösseren Zahl von Schafen, die 
irgend eine interkurrente Krankheit, Durchfall, 
Schnupfen hatten, auf Piroplasmen zu untersuchen. 
Vielleicht wird man dann zu der Auffassung 
kommen, dass die Piroplasmose bei den ein¬ 
heimischen Schafen etwas ganz Gewöhnliches ist, 
dass sie eine ganz leichte Erkrankung der Lämmer 
bildet, die dadurch immunisiert werden. 

Bei sehr zahlreichen Blutuntersuchungen von 
geimpften Kälbern wurden keine Piroplasmen ge¬ 
funden. Jacob. 

R. D. Smedlejr. The cultivation of T r y - 
panosomata. (Journal of Hyg. B. V.) 

Die Kultivierung des Trypanosoma Lewisi ge¬ 
lingt am besten auf neutralem schwachsauren Blut¬ 
agar. Dieses, auf gewöhnliche Weise hergestellt, soll 
2% mit 1% Pepton und l°/ 0 Kochsalz sein. Es 
wird mit deflbriniertem Kaninchenblut zu gleichen 
Teilen versetzt und in dem sich oben ansammelnden 
Kondenswasser geimpft. Die beste Temperatur ist 
18—25°. Auf einem solchen Nährboden entwickeln 
sich nach 4 Tagen einige Rosetten, aus 4—6 Exem¬ 
plaren bestehend. Die Geissei ist nach der Peri¬ 
pherie gerichtet. Am 10. Tage sieht man mehr kleine 
Kolonien aus 20 und mehr Exemplaren, auch freie 
Formen und besonders Paare. Es gelang, über die 
Dauer von 9 Monaten 9 Generationen fortzuführen. 
Die Kulturformen sind von denen im Blut in ihrer 
Gestalt verschieden. Sie sind meist spindelförmig 
und ausserordentlich beweglich Eine undulierende 
Membran ist nicht zu sehen; das Zentrosoma hegt 
weiter vorn, die Geissei verläuft in der Mitte des 


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Heft 4. 


95 


Fortschritte der Ve teri när-Hygiene. 


Leibes und ist lang und sehr beweglich. Impft man 
die Kulturform auf Ratten, so erscheint in diesen die 
ursprüngliche Form wieder. 

Die Kultivierung des Trypanosoma Brucei 
macht grössere Schwierigkeiten; sie gelang unter 
10 Versuchen nur dreimal Am geeignetsten ist 
Rattenblut. Kaninchen haben zu wenig Parasiten 
im Blut und von Mäusen ist zu wenig Blut zu er¬ 
halten. In der ersten Generation fanden sich am 
4. Tage Klumpen von Trypanosomen, die gut be¬ 
weglich waren; später traten Degenerationserschei¬ 
nungen in Form von Vakuolenbildung auf. Ueber- 
tragungsversuche auf neuen Nährboden gelangen 
nicht, wenn nicht neues defibriniertes Blut zugesetzt 
wurde. In der zweiten Generation war erst am 
25. Tage Vermehrung zu sehen, in der dritten Gene¬ 
ration schon am 7. Tage. Später wurden auch 
massenhafte Ansammlungen, „Kolonien“, gefunden, 
die aber kleiner als die des Rattentrypanosoma 
waren. Die Kulturen gingen nach 80 Tagen ein, 
nachdem sie längere Zeit nicht mehr iiberimpft 
worden waren. Jacob. 

Kfiimemanii, Rhabditis strongy loides als 
Ursache eines Hautaussclilages bei 
einem Ilunde. Deutsche Tierär/.tl. Wochen¬ 
schrift. 13. Jalirg. No. 24. 

Yerf. fand bei einem braunen Jagdhunde an 
der Unterseite der Brust, des Bauches sowie an 
den Aussenflächen der Extremitäten ein Ekzem, 
das zunächst als Akarusausschlag angesehen wurde 
Bei der mikroskopischen Untersuchung einiger 
Krusten fanden sich keine Akarusmilben, wohl aber 
zahlreiche Jugendformen eines Bundwurmes. Bei 
der .alsdann vorgenommenen Untersuchung der 
I<agerstreu fanden sich in dieser grosse Mengen 
derselben Jugendformen und danel>en auch ge- 
schlechtsreife Rundwürmer, nach denen Verf. die 
Art als Rhabditis strongvloides bestimmte. Nach 
Aenderung des Ligers heilte das Ekzem schnell ab. 

Profe. 

M. Braun. Notiz zur Entwicklung der 
Taenia tenuicollis Rud. Ctbl. f. Bakt. 
39, 1. 

Von den fünf bekannten Arten der Taenien im 
Darm unserer Musteliden sind drei Arten genauer 
bekannt (Taenia intermedia Rud.. tenuicollis Rud., 
crassicollis Rud.), von den anderen beiden (Taenia 
breoicollis Rud. und conocephala Dies.) wissen 
wir wenig. 

Durch Zufall kam Verf. in den Besitz eines 
Hermelins (Putorius ermineus) aus der Umgebung 
von Tuchei (Westpreussen) und zweier Wiesel 
(Putorius vulgaris Briss.) aus der Umgebung Königs- 
l>ergs. Ein Wiesel und das Hermelin waren mit 
Taenien behaftet. Der zweite Fund (Taenia tenni- 
eollis) wurde zu einem Fütterungs versuch von 
Mäusen verwendet, nachdem gut ausgebildete 
Oncosphären in den letzten Gliedern aufgefunden 
waren. Die erste Maus wurde nach ca. 61/2 Wochen 
getötet. Ihre Leber enthielt sehr zahlreiche, zum 
Teil in Zerfall begriffene, Cystieerken, deren Kopf 


einen erst nur aus Hacken tuten bestehenden Hacken¬ 
kranz besass. Auch die zweite, nach 13 Wochen 
getötete Maus zeigte nur in der Leber sitzende, kleine 
Cystieerken, die aber beinahe ausgewachsen waren. 
Die nach 16 Wochen getötete Maus zeigte 
die Leber mit Cystieerken besetzt, deren völlig aus- 
gebildete Hacken mit denen der Taenia tennicollis 
völlig übereinstimmten. Die Formen selbst waren 
nur wenig gewachsen. Jacob. 

Desinfektion. 

A. Lode. Die Fortschritte der Desinfek¬ 
tion der Personen-, Vieh - und Güter¬ 
wagen der Eisenbahn. Vortr. auf d. intern. 
Kongress f. Hyg. in Brüssel 1903. 

Verf. gelangt auf Grund eigener Unter¬ 
suchungen zu folgenden Schlüssen: die Desinfek¬ 
tion der Eisenbahnwagen ist ein wichtiger Faktor 
im Kampf gegen die Verbreitung von Infektions¬ 
krankheiten der Menschen und Tiere. Die Vor¬ 
schriften der meisten Staaten lassen jedoch in 
dieser Beziehung viel zu wünschen übrig. Bei der 
Desinfektion von Viehwagen sind besonders wider¬ 
standsfähige Keime zu berücksichtigen. Eine 12 
bis 14mal wiederholte Bespülung mit einer 5 0 / 0 . 
Chlorkalklösung unter 1/2 Atmosphäre Druck ist 
nach Ansicht des Verf. eine vorzügliche Methode. 
Die Desinfektion ist obligatorisch nur dann, wenn 
ein Fall von Infektionskrankheit festgestellt ist 
oder auch nur der Verdacht vorliegt. Die Güter¬ 
wagen können in einfacher Weise mit einer 2 °/o. 
Soda- oder 3 0 / 0 . Schmierseifenlösung gereinigt 
werden. In derselben Weise müssen die zu des¬ 
infizierenden Wagen gereinigt werden. Bei Per¬ 
sonenwagen ist das beste Verfahren eine Verbindung 
von Formalin Verdampfung mit nachfolgender An¬ 
wendung von antiseptischen Lösungen oder noch 
besser von Wasserdampf von 100°. Bei den Wagen 
3. Klasse braucht man für einen Abteil 200 ccm 
Formalin, bei 1. und 2. Klasse das dreifache, bei 
Anwendung des Breslauer Apparates. Jacob. 
Dr. Tonello. Wasserreinigung mit Pa- 
ternoschem Tachiol. Giornale della R. S. 
Ital. dTgiene 1905. No. 4. 

Verf. gebrauchte zu seinen Wasserreini¬ 
gungsversuchen das „Paternosche Tachiol“ 
(Silberfluorür). Das genannte Mittel, wel¬ 
ches eine bedeutende Desinfektionskraft be¬ 
sitzen soll, zeigt dabei fast keine Gift¬ 
wirkung. Einfache Zugabe von 0,002 Tachiol zum 
Wasser macht es nach 10 Minuten zum inneren 
Gebrauche geeignet. Das zu den Experimenten ge¬ 
brauchte Wasser wurde aus den Gräl>en und Brunnen 
geschöpft oder absichtlich mit Typhus- oder Ooli- 
kulturen künstlich infiziert. 

Tonello ist zu folgenden Resultaten gelangt: 
Das in obenerwähntem Verhältnis gebrauchte 
Tachiol entwickelt im Wasser eine grosse bakte¬ 
rizide Wirkung, wobei es für Saprophyte verderb¬ 
licher ist, als für Typhus- und Colibakterieu. Es 
verleiht dem Wasser einen unangenehmen, metalli- 


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96 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


sehen Geschmack und bewirkt dessen Opalisiening. 
Tachiol ist ein ausgezeichnetes Desinfiziens — in¬ 
sofern es in grossen Dosen zum infizierten Wasser 
zugemischt wird. Baczyhski. 

Kischensky. Desinfizierende Eigen¬ 
schaften des Natrium liyper boraci - 
cum. Russkij Wratsch 1905. No. 1. 

Natrium hyperboracicum, von der chemischen 
Formel: Na B0 3 -(-4H 2 0 stellt sich als kristallini¬ 
sches, schwer lösliches Pulver von alkalischer 
Reaktion vor. Es enthält 10,3 o/ 0 aktiven Sauer¬ 
stoff und zersetzt sich bei 25° C. mit Ausscheidung 
59 o/o Wasserstoffsuperoxyd und Borax. Um die 
desinfizierenden Eigenschaften dieses Mittels zu er¬ 
gründen, hatte Verf. eine ganze Reihe von Experi¬ 
menten über dessen Einfluss auf verschiedenartige 
Kulturen von Mikroben angestellt. Die Ergebnisse 
lauten dahin: Das Mittel besitzt bedeutende des¬ 
infizierende Kraft. In der gesättigten Wasserlösung 
(1,7 o/o) des Natr. hyperboracicum gehen Typhus- 
bacillen nach 20 Minuten, Staphylococcus pyog. 
aureus nach 30 Minuten zugrunde; was die Milz¬ 
brandsporen anbelangt, waren die Ergebnisse von 
der Kulturbeschaffenheit abhängig. Die organischen 
Bestandteile des Mediums, in welchem die Mikroben 
enthalten sind, vermindern erheblich die desinfi¬ 
zierende Kraft des Natrium hyperboracicum, da 
ein bedeutender Teil vom aktiven Sauerstoff sich 
chemisch mit diesen Medien verbindet. Schliesslich 
hebt der Verf. hervor, dass das von ihm erforschte 
Desinfiziens in der Wirkung zwar mit Wasserstoff¬ 
superoxyd übereinstimmt, die letztgenannte Ver¬ 
bindung aber in mancher Hinsicht übertrifft: 1. Es 
kann nämlich in Pulverform gebraucht werden; 
2. besitzt alkalische Reaktion — was thera¬ 
peutisch wichtig ist ; 3. kann leichter in chemisch 
reinem Zustande erhalten werden als das Wasser¬ 
stoffsuperoxyd. Baczynski. 

Jakowleff. Tiefenwirkung gasförmiger 
desinfizierender Substanzen. Kais. 
Gesellsch. f. Naturkunde, Moskau. Ref. im Ctbl. 
f. Bakt. B. 36, 14—17. 

Als Grundlage für die Methode zur Unter¬ 
suchung der Tiefenwirkung desinfizierender Gase 
nahm Verf. folgende Thesen an: 1. Die Würdigung 
der Tiefenwirkung der Gase muss bei den Ver¬ 
suchen auf den antiseptischen Eigenschaften der 
Gase basieren. 2. Das bei den Versuchen verwendete 
Material — Sporen und Vegetationsformen der 
Bakterien — muss von gleicher bestimmter und 
konstanter Resistenz sein. 3. Es ist notwendig, 
bei den Versuchen die Möglichkeit zu haben, die Ob¬ 
jekte in bestimmten Zeitintervallen herauszunehmen, 
ohne den Hermetismus des Raumes, in dem die 
Versuche ausgeführt werden, zu beeinträchtigen und 
ohne sämtliche übrigen Versuchs beding ungen zu 
ändern. 4. Angesichts der wichtigen Rolle dos 
Wasserdampfes bei der Gasdesinfektion ist es 


3. Jahrgang. 


nötig, bei den Versuchen die Möglichkeit zu haben, 
die Tiefenwirkung des Gases und des Wasserdampfes 
gesondert ins klare zu bringen. 5. Gleichzeitig und 
parallel mit den Tiefenwirkungsversuchen müssen 
Kontrollversuche an freien Objekten unter den 
gleichen übrigen Bedingungen ausgeführt werden. 
6. Es ist notwendig, die Möglichkeit zu haben, die 
Rolle der Luftdurchmischung, hoher Temperaturen 
und der Konzentratioussteigerung der desinfizieren¬ 
den Gase in der Luft auf die Tiefenwirkung der- 
sellien aufzuklären. 

Die zweite Bedingung löste Verf. in der Weise, 
dass er bei seinen Versuchen auf Glasperlen ge¬ 
brachte und daselbst nach der Methode von Paul 
und Krönig ausgetrocknete Milzbrandsporen ver¬ 
wendete ; ihre Resistenz wurde mittels strömendem 
Wasserdampf bestimmt. Die Bedingungen 3. 4, 5 
und 6 gelangen dem Verf., mit Hilfe einer von ihm 
konstruierten Desinfektionskammer, vollkommen 
zu lösen. Die Tiefenwirkung des Formaldehyds 
wurde durch eine und zwei Schichten (lichtesten 
Baumwollstoffes bei Zimmerwärme ohne und mit 
Luftdurclimischung der Kammer geprüft. 

Die hauptsächlichsten Folgerungen aus den 
Versuchen waren folgende: 

1. Die minimale, zur Abtötung erforderliche 
Zeitdauer für freie sowohl, als mit Leinwand be¬ 
deckte Objekte ist wesentlich verschieden in Ab- 
liängigkeit von der Reihenfolge, in welcher die 
Verdunstung der Gase und des Wasserdampfes er¬ 
folgt: verdunstet zuerst das Gas und dann das 
Wasser, el>enso l>ei gleichzeitiger Verdunstung 
leider, so ist der Zeitraum doppelt, so kurz, als 
l)oi umgekehrter Reihenfolge. In letzterem Fall hat 
die Durchmischung der Luft nach Verdunstung des 
Wassers den Desinfektionseffekt beschleunigt. 

2. Die Desinfektionskraft des Formaldehyds 
gegenüber unbedeckten und mit einer Baumwollstoff¬ 
schicht bedeckten Objekten tritt in beiden Fällen 
gleichzeitig und vollkommen gleichartig hervor, 
d. h. das Formaklehyd durclidringt eint' Schicht 
dichten Baumwollstoffs, unabhängig von der Reihen¬ 
folge des Verdunstens des Gases und des Wassers, 
vollkommen frei und so schnell, als ob gar kein 
Hindernis vorhanden wäre. 

3. Bei doppelter Ix'imvandsohielit kommt die 
Desinfekt ionswirkung des Formaldehyds etwas 
langsamer zur Geltung, als bei einfacher Schicht. 

Jacob. 


Einsendung von Original-Abhandlungen, 
Büchern, Monographien und Separat-Ahdrückon 
wird direkt an den Redakteur, Kreistierarzt Dr. 
O. Profd, Cöln a. Rh., Hansaring 50, oder an die 
Verlagshandlung Louis Marcus, Berlin SW., 
Tempelhofer Ufer 7, erbeten. 


Für d. Redaktion verantworte Kreistierarzt Dr. O. Prof 6, Cöln a. Rh., Hansaring 50. Druck von Pass & Garleb G ra. b. H, Berlin W. 36 
Verlag und Eigentum: Louis Marcus Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 61. 


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Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


3. JAHRGANG. AUGUST 1905. HEFT 5. 


Zur Kenntnis der Helminthiasis nodularis 
intestinalis des Rindes und des Schafes. 

Von Dr. L. S c h e b e n-Hamburg. 

Im Jahre 1876 fand Drechsler zum 
ersten Male in tuberkelähnlichen Knötchen 
eines Rinderdünndarms eine Rundwurmlarve. 
Diese Knötchen sind nach der von ihm ge¬ 
lieferten, von Bollinger ergänzten Beschrei¬ 
bung von folgender Beschaffenheit: „Kaum 
sichtbare bis erbsengrosse Knötchen, bestehend 
aus einer Bindegewebskapsel, deren innere 
Zone mit Rundzellen vom Charakter der Eiter¬ 
zellen reichlich versehen ist, während das 
erweichte Zentrum bei den jüngsten Knötchen 
neben dem erwähnten Parasiten, der hier 
offenbar als Fremdkörper die Ursache der 
Knötehenbildung darstellt, aus Eiter und 
fettigkörnigem Detritus, in den grossen Kno¬ 
ten dagegen aus käsig-kalkiger Masse be¬ 
steht.“ Die Würmer fand Drechsler vornehm¬ 
lich in den kleinen Knötchen, bei denen ihm 
auch eine starke Injektion der Blutgefässe auf¬ 
fiel. Der negative Erfolg bei der Suche nach 
dem Nematoden in den grösseren Knötchen wird 
durch die Schwierigkeit der Isolierung aus 
dem kalkig-käsigen Inhalt erklärt. An einem 
Darme fand Drechsler 430 Knötchen. 

Den Wurm selbst beschreibt der Zoologe 
G r a f f, soweit ihm dies bei dem schlechten 
Erhaltungszustände der eingesandten Exem¬ 
plare möglich ist: 1—1,5 mm lange Nema¬ 
todenlarve. Das Vorderende trägt eine obere 
und eine untere Papille. Der lange Oesophagus 
beginnt mit einem zweilippigen Munde, er¬ 
weitert sich zu einer schwachen bulbösen An¬ 
schwellung und ist mit einer deutlichen 
Muskelstreifung versehen. Da das Tier eine 
Jugendform ist, kann die Spezies nicht genauer 
bestimmt werden, ist also auch nicht zu sagen, 
ob das erwachsene Tier bekannt ist oder nicht. 
Leider ist die Zeichnung Graffs vor der Ein¬ 
sendung in die Druckerei verloren gegangen. 

C. Curtice fand ebenfalls in dem Dünn¬ 
därme des amerikanischen Rindes und 
Schafes Knötchen, die einen von ihm als 


Oesophagostomum columbianum bezeichneten 
Ilundwurm, teils in Larven-, teils in ge¬ 
schlechtsreifem Zustande beherbergten. (Nach 
Oster tag.) Hiermit identisch sind noch 
Larven, die in Darmknötchen j a p a n i - 
sycher Rinder und Schafe gefunden wurden. 
Der Parasit scheint bei allen Widerkäuern dort 
^orzukommen. Im Jahre 1895 liefert uns 
S t r ö s e eine ausführlichere Arbeit über die 
Ursache der Knötchenkrankheit des deutschen 
Rindes, die auch durch treffliche Zeichnungen 
erläutert ist. Der in diesen Knötchen hausende 
Wurm ist nach Ströse nicht mit dem Drechs- 
lerschen Parasiten identisch. Er ist grösser 
(2,83—3,85), Vorderende breit, Hinterende mit 
stumpfer Spitze auslaufend. Neben dem 
Munde zwei Lippen, eine dorsale und eine 
ventrale, an deren Bildung sich hauptsächlich 
die Subcuticula beteiligt. Jede Lippe zeigt vorn 
einen kuppelartigen Fortsatz. Eine Cuticular- 
bildung ist ebenfalls der charakteristische 
Bauchwulst. Das Tier besitzt einen weiten 
chitinösen Mundbecher, Beweis, „dass unsere 
Larve dem Genus Dochmius angehört.“ 
Auf seiner Dorsalseite ragt in die Mundhöhle 
ein spitzer Bohrzahn hinein, welcher 
einem sich zwischen die innere Stützlamelle 
des Schlundes und die Wandung des Mund¬ 
bechers einschiebenden Skelettstücke aufsitzt. 
Ein gleiches Gebilde findet sich an der Ventral¬ 
seite vor. Die gedachten chitinösen Skelett¬ 
stücke heben sich scharf von ihrer Umgebung 
ab ; es fehlt ihnen die den Stützlamellen des 
Schlundes eigentümliche Querstreifung, wie 
auch die der Mund becherwand zukommende 
Längsschichtung. Der Oesophagus nimmt */ 7 
der Gesamtlänge des ganzen Körpers ein, ist 
vorn schmal, hinten fast doppelt so breit und 
hebt sich scharf vom Mundbecher ab. Der 
Inhalt des Mitteldarms besteht aus körnigen 
Und scholligen Massen, welche sich auch im 
Rektum vorfinden. Das Rektum mündet in 
einer Entfernung von 0,15 mm vom Körper¬ 
ende in den Anus auf der Unterseite des Tieres. 
Geschlechtsorgane öder eine Anlage derselben 


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98 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


3. Jahrgang. 


sind nicht vorhanden. Diese Larve „Ankylosto- 
mum bovis“ parasitiert nach Ströse nur in der 
Darinwand des Dünndarmes des Kindes. Ich 
erwähne schon an dieser Stelle, dass ich in sehr 
vielen Fällen auch den Blinddarm mit Anky- 
lostomum - Knötchen wie besäet fand. Ueber 



Fig. 1. 


\4LJkJ 

3 /. 


M 


Fig. 2. 



Fig. a. 


den sonstigen Entwickelungsgang, bezw. die 
Spezies, weiss Ströse nichts. Er weist auf die 
Möglichkeit eines Zusammenhanges mit Anky- 
lostomum duodenale hin und gibt in dieser Rich¬ 
tung hygienische Winke für die Fleischbeschau. 
Drei Jahre später bringt v. Ratz eine kurze 
Mitteilung über eine von ihm in den Dünn¬ 
darmknötchen gefundene Nematodenlarve, die 
er auf Grund ihrer Kopfbildung für ein 
Oesophagostomum zu halten sich berechtigt 
glaubt, und die er wegen eines blasenförmigen 
Anhanges an der Bauchseite Oesophagostomum 
vesiculosum nennt. 1900 nimmt v. Ratz indes 
diese Diagnose zurück; er hält seinen Findling 
jetzt für eine J ugendform von Oesopha¬ 
gostomum inflatum. Leider sind die 
v. Ratzschen Mitteilungen durch Skizzen nicht 
erläutert. 

Kritisch über die angeführten Arbeiten 
äussert sich Ostertag: Ströse hält die 
Identität seines Fundes mit dem Drechslerschen 
für zweifelhaft, was indes nicht gerechtfertigt 
sein dürfte, da es Ströse sowohl wie Drechsler 
mit Larvenstadien zu tun hatten. Ferner: 
Weitere Untersuchungen müssen zeigen, ob die 
in deutschen und amerikanischen Därmen vor¬ 
kommenden Parasiten identisch sind. Kitt 
bemerkt kurz, dass die Artzugehörigkeit der 
fraglichen Würmer nicht feststehe. 

R a i 11 i e t spricht vor v. Ratz die Ver¬ 
mutung aus, dass die Drechslersche Nemato¬ 
denlarve ein Jugendstadium des im Rinder- 
darme parasitierenden Oesophagostomum 
inllatum sei. Ich hebe jedoch schon an 
dieser Stelle hervor, dass er Ströses Fund 
nicht kennt, da er sich sonst offenbar darüber 
ausgesprochen haben würde. 


Aus dem vorhergehenden ergibt sich ohne 
weiteres, dass über die Art der Einwanderung 
bezw. die Biologie der fraglichen Parasiten 
Dunkel herrscht, wenn auch als wahrscheinlich 
angenommen wird, dass die Infektion mit der 
Aufnahme des Weidefutters erfolgt. (Dal- 
rymple, Stiles u. a.) 

In pathologischer Beziehung macht 
Ströse die Beobachtung, dass das Allgemein¬ 
befinden der erkrankten Tiere wenig gestört 
erscheint. Janson berichtet, dass es bei den 
Rindern infolge der grösseren Widerstands¬ 
fähigkeit ihrer Gewebe nicht zu so schweren 
Veränderungen kommt wie bei den kleinen 
Wiederkäuern, bei denen das Krankheitsbild 
sich aus Anaemie, Hydraemie, Chlorosis und 
Cachexie zusammensetzt. S a a k e bringt die 
Knötchenkrankheit in ätiologischen Zusammen¬ 
hang mit Darminvaginationen. Kitt verallge 
meinert die von Olt gelegentlich seiner Publi¬ 
kation über „die entozoischen Follikularerkran- 
kungen des Schweines“ gemachte Betrachtung, 
indem er sagt, dass die entstandenen Ge¬ 
schwülste Eintrittspforten für virulente Mikro- 
phyten darstellen. In therapeutischer 
Beziehung sind in „Verminous diseases“ von 
Stiles eingehende Erörterungen zu finden. 

Auch eine hygienische und kommerzielle 
Seite hat diese eigenartige Erkrankung, inso¬ 
fern der Darm der Schlachttiere als mensch¬ 
liches Nahrungsmittel zu betrachten ist, und 
einen nicht unwesentlichen Handelsartikel dar¬ 
stellt, der der gesundheitspolizeilichen Kon- 



Fig. 5. 

trolle unterliegt. Hierauf will ich an dieser 
Stelle nicht eingehen. 

Wenn wir die oben zitierten Forschungs¬ 
resultate nun einer näheren Betrachtung uni er¬ 
ziehen, können wir uns nicht verhehlen, dass 
unsere Kenntnisse der Helminthiasis nodularis 


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Heft 5. 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


99 


des Rindes nichts weniger als erschöpfend sind. 
Speziell herrscht gerade in zoologischer Be¬ 
ziehung meines Erachtens grosse Unsicherheit. 
Kommt ein Ankylostomum oder ein Oesopha- 
gostomum ätiologisch in Frage oder müssen Ver¬ 
treter beider Arten verantwortlich gemacht 
werden? Sind die in Deutschland gemachten 
Befunde mit den amerikanischen zu identifi¬ 
zieren oder handelt es sich um ungleichartige 
Krankheiten. Ueber welche Länder ist die 
Krankheit noch weiter verbreitet ? Wie findet 
die Infektion statt ? Haben wir Arten vor 
uns, die im Rinde parasitieren, oder ist das 
Rind nur der Zwischenwirt? 

Diese und ähnliche Fragen sind zum Teil 
einer Lösung noch nicht näher gebracht. Be¬ 


sehen Fleisches, mit Knötchen besetzte, in 
Salz konservierte Rinderdärme aus aller Herren 
Länder zu sehen. Meine Untersuchung an 
inländischen Därmen machte ich an von hie¬ 
sigen Schlächtern bezogenem Material. 

Der makroskopischen Beschreibung der 
Autoren habe ich wenig hinzuzufügen. Flache, 
kaum hirsekorngrosse, hellgelbe bis rötlich- 
gelbe Erhebungen der innern Darm wand. Die 
grossen Knötchen sind teils hellgelb, teils gelb¬ 
grün, teils grün, teils hellbraun bis schwarz¬ 
braun gefärbt. Die Knötchen erreichen im all¬ 
gemeinen die Grösse einer Erbse, doch habe 
ich auch in seltenen Fällen solche in der Grösse 
einer Kirsche gesehen. 

Der Inhalt, der von einer fibrösen Kapsel 



Fig. 6. 


Fi g. 7. 



b 

d 


sonders in zoologischer Beziehung steht oft 
nur Behauptung gegen Behauptung. Meine 
erste Aufgabe war es nun, in letzterer Be¬ 
ziehung das Bild etwas zu klären und, speziell 
auch der Anregung Ostertags folgend, eine ver¬ 
gleichende Untersuchung der in deutschen und 
ausländischen Rinderdärmen vorkommenden 
Würmer vorzunehmen. 

Nebenher habe ich mich auch bemüht, Er¬ 
gänzungen zu dem anatomischen Bilde zu 
bringen. Endlich habe ich einige bakterio¬ 
logische Untersuchungen der Knötchen vor¬ 
genommen. 

Meine Untersuchungen konnte ich an einem 
ganz ausserordentlich reichhaltigen Materiale 
vornehmen. Fast täglich hatte ich Gelegenheit, 
bei Ausführung von Untersuchungen ausländi- 


umschlossen wird, ist, abgesehen von dem 
Parasiten, ein sehr verschiedenartiger. Wäh¬ 
rend die mittelgrossen Knötchen, besonders 
die gelblichgrünen und grünen, meist eiterige 
Erweichungsherde darstellen, ist der Inhalt 
der grössten Knötchen meist eingedickt, 
käsiger Natur. Wieder andere sind ver¬ 
kalkt; manche lassen sich aus der Kapsel her¬ 
ausschälen und stellen eine schwer schneidbare 
Masse dar, die zuweilen eine konzentrische 
Schichtung erkennen lässt. In einigen Fällen 
konnte ich Pflanzenbestandteile als Inhalt von 
Knötchen nachweisen. Häufig waren die mit¬ 
telgrossen Wurniherde eröffnet, so dass durch 
die kleinen runden Defekte der Inhalt frei 
zutage trat. Später, so scheint es, schlicsscn 
sich die ulzerierenden Knötchen vielleicht in- 


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100 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


3. Jahrgang. 


folge eines sekundären lokalen Entzündungs¬ 
vorganges unter Volumenzunahme wieder. 
Während die kleinsten Knötchen, wie schon 
gesagt, eine rötliche Farbe haben, und sich 
scharf von der Umgebung abheben, ist mir 
bei den grossen gelblichen Herden hin und 
wieder eine deutliche Ramifizierung der Um¬ 
gebung aufgefallen. In einigen Fällen fand ich 
auf der kranken Darmwand rotbraune Stipp¬ 
ehen verstreut, unter diesen grössere dunklere 
von borkenartiger Beschaffenheit, die sich mit 
der Scalpellspitze leicht herausheben liessen 
und sich unter dem Mikroskop als aus 
amorphen rotbraunen Schollen bestehend er¬ 
wiesen. Ob, bczw. inwieweit die zuletzt be¬ 
schriebenen Veränderungen in ätiologischer 
Beziehung zu der Knötchenkrankheit zu brin¬ 



gen sind, lasse ich unerörtert, wennschon es 
vielleicht nahe liegen dürfte, sie als durch Ver¬ 
letzung mittels der Mundwerkzeuge eines 
Darmschmarotzers entstandene Läsionen zu 
deuten. 

Die Untersuchung der einzelnen Knötchen 
auf die Anwesenheit von Parasiten ist recht 
umständlich, da sich durchaus nicht in jedem 
Knötchen ein Wurm vorfindet. Ich habe oft 
zwanzig und mehr Knötchen untersucht, ohne 
zu dem gewünschten Resultat zu kommen. 
Ohne Stativlupe oder gar mit blossem Auge 
sind die kleinen weisslich-gelblichen Würmchen 
(Fig. 1), zumal wenn es sich nicht um frische 
Därme handelt, schwer zu erkennen oder gar 
in unversehrtem Zustande zu gewinnen. Man 
bedarf eines schwachen mikroskopischen 
Systems, oder noch besser bedient man sich 


einer Stativlupe. Im übrigen empfehle ich zur 
Vereinfachung der Untersuchung auf Würmer 
die Anwendung eines gewöhnlichen Trichinen- 
kompressoriums. Man kann so in relativ 
kurzer Zeit eine grosse Anzahl von Knötchen 
durchsuchen. Die Tierchen lassen sich leicht, 
zumal bei Zusatz eines Tröpfchens Glyzerin, 
erkennen und bei einiger Vorsicht auch iso¬ 
lieren und auf einen Objektträger bringen. 
Nach meiner Erfahrung hat man am meisten 
Aussicht die Tierchen zu finden bei den mit¬ 
telgrossen, uneröffneten Knötchen; die klein¬ 
sten lassen sich nicht leicht in geeigneter Weise 
präparieren und in dem Inhalte der grössten 
wird man vergeblich suchen, da die Würmer 
in diesem Stadium des Knötchens schon aus¬ 
gewandert sind. Die kleinen Knötchen studiert 
man am besten an Schnitten. Ich habe in einer 
Anzahl von Fällen die Knötchen in Sublimat- 
Alkohol-Lösung konserviert, in Paraffin ein¬ 
gebettet und geschnitten. Die Photographien 
sind bei schwacher Vergrösserung (System VII) 
aufgenommen worden. Figur 12 und 13 stellen 
je einen Schnitt durch ein kleines Knötchen 
dar. In Figur 1 sehen wir die Larve bezw. 
Schnitteile derselben von einer deutlichen 
Kapsel umhüllt. Figur 13 zeigt die Wurmlarve 
frei im Knötchen liegen. Rings rundzellige 
Infiltration; das Gewebe sonst intakt. Figur 11 
zeigt uns die Randpartie eines gelben nekro¬ 
tischen (verkästen) Knötchens; K bezeichnet 
die Kapsel. 

Es sei mir, ehe ich auf meine weiteren 
Befunde eingehe, gestattet, einige zoologische 
Bemerkungen vorauszuschicken. Man will in 
den fraglichen Knötchen verschiedene Wurm¬ 
arten gefunden haben. Einmal das Ankylosto- 
mum Ströse (Fig. 6, 8 u. 10), ferner das Oeso- 
phagostomum inflatum und das Oesophagosto- 
mum columbianum. (Fig. 3 u. 9 n. Cobb und 
Giles.) 

Nun ist einerseits das Ankylostomum und 
andererseits das Oesophagostomum eine wohl 
charakterisierte Art, und eine Verwechselung 
beider Arten miteinander ist schlechterdings 
unmöglich. Ich hebe diese Tatsache deshalb 
besonders hervor, weil man nach der Darstel¬ 
lung einiger Autoren eher das Gegenteil an¬ 
nehmen könnte. Das Genus Ankylostomum 
s. Dochmius s. Uncinaria s. Monodontos ist vor 
allem durch den weiten Mundbecher (Fig. 6, 


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Heft 5. 


Fortschritte der Veterin&r-Hygiene. 


101 


7, 8, b) mit der chitinösen Kapsel charakteri¬ 
siert. Ferner charakteristisch ist ein an der 
hinteren Kapselöffnung dorsal gelegener, 
kegelförmiger, schief nach vorn gerichteter 
Zahn. (Fig. 6, 7, 8 d.) Letztere Eigentümlich¬ 
keit war für Molin sogar bestimmend, sein 
Genus „Monodontos“ zu schaffen. Am Rande 
der Mundkapsel des erwachsenen Ankylosto- 
mum finden sich in der Regel Zähne zum Fest¬ 
halten an der Darmschleimhaut, die bezgl. 
Anzahl und Lage zur Bestimmung der 
Spezies differentialdiagnostische Verwertung 
finden. 

Wie anders das Oesophagostomum! 

Molin nennt das von ihm aufgestellte 
Genus „Oesophagostomum“ „Schlundmaul“, 
weil er die Gleichförmigkeit von Mundhöhle und 
Schlund für charakteristisch hält. Im Gegen¬ 
satz zu Ankylostomum, das eine auffällig 
weite Mundhöhlung besitzt, hat das Oesopha¬ 
gostomum keine Mundhöhle; caput corpore 
continuum, os terminale, cavitate nulla, 
sagt Molin. (S. Fig. 2. Kopfende von Oeso- 
phagostom. subl. n. Molin.) Ein 'differential¬ 
diagnostischer Unterschied, wie er besser gar 
nicht zu wünschen sein kann! Ausser dem 
Fehlen einer Mundhöhle verlangt nun Railliet 
einen Chitinring um das Kopfende. — Ein 
Blick auf die in Figur 3 abgebildete 
Larve Ströses zeigt nicht nur ohne weiteres, 
dass hier von einem Oesophagostomum nicht 
die Rede sein kann, sondern auch zur Genüge, 
dass wir es hier mit einem Ankylostomum zu 
tun haben, wie dies ja auch aus der Ströseschen 
Abhandlung zur Genüge hervorgeht. (S. a. 
Fig. 7 Ankylost. cernuum zum Vergleich.) Die 
jüngeren Stadien, s. Figur 2, lassen die oben 
beschriebene Charakteristik des Ankylostomum 
nicht erkennen, und doch handelt es sich je¬ 
denfalls um ein solches, da es im selben Darm 
gefunden wurde wie das in Figur 3 dargestellte. 
Es wäre schlechterdings unmöglich, auf diesen 
Stadien eine bestimmte Diagnose zu stellen. 
Dies bringt mich auf den Drechslerschen Fund. 
Ströse meint, dass von einer Identität seines 
Nematoden mit dem Drechslerschen keine Rede 
sein könne, und führt als Gründe die ver¬ 
schiedene Grösse der Tiere, die schwächere 
bulbäre Anschwellung des Schlundes, sowie die 
Nichterwähnung des auffälligen Mundbechers 
an. Mit Recht weist Ostertag diesen Einwand 


mit Rücksicht darauf, dass wir es mit einer 
Larvenform zu tun haben, zurück. Meine 
Beobachtung, dass neben den älteren als 
Ankylostomum kenntlichen Formen jüngere 
Stadien (derselben Genus) vorhanden sind, die 
ein relativ indifferentes Aeusseres haben, wie 
auch die Tatsache, dass bei den jüngeren 
Entwickelungsformen z. B. des Ankylostomum 
duoden. hom. bekanntlich die typische Kopf¬ 
gestalt noch nicht hervortritt, dürfte eben¬ 
so für die Hinfälligkeit des Ströseschen 
Einwandes sprechen. Ferner führt Ströse 
den Umstand an, dass Graff den sehr auf¬ 
fälligen Bauchwulst unerwähnt gelassen. Auch 
dieser Einwand scheint mir hinfällig zu sein, 
sowohl aus den oben ausgeführten Gründen, 
als auch mit Rücksicht auf die zarte Beschaf¬ 
fenheit dieses Gebildes. Wennschon ich ihn 
am unbehandelten Objekte oft deutlich sah, 
suchte ich ihn doch nach vollzogener Iso¬ 
lierung, Konservierung und Färbung oft ver¬ 
geblich, zumal da das Material nicht ganz 
intakt ist. Und Graff hebt ja doch ausdrück¬ 
lich hervor, dass die Vollständigkeit seiner 
Untersuchung hinsichtlich des schlechten Er¬ 
haltungszustandes der ihm überlieferten Exem¬ 
plare zu wünschen übrig lasse. 

Ich bin daher in diesem Punkte nicht 
Ströses Ansicht. Es spricht vielmehr hinsicht¬ 
lich des Drechslerschen Nematoden manches für, 
nichts gegen die Diagnose: Ankylostomum. 
Es spricht aber vielleicht auch nichts wesent¬ 
liches gegen die Annahme, dass es sich um eine 
Oesophagostomumlarve gehandelt habe. Daher 
können meines Erachtens die noch relativ 
indifferenten Drechslerschen Larvenstadien 
für sich allein diagnostisch keine Verwertung 
finden. 

Oesophagostomum vesiculosum 
nannte v. Ratz zuerst (S. o.) seine im Dünn¬ 
darmknötchen gefundene Rundwurmlarve: 

„Grösse 1—1,25 mm, Vorderteil verjüngt, 
hinterer Teil dünner als in der Mitte. Schwanz¬ 
ende zugespitzt und mi* kleiner knopfartiger 
Anschwellung versehen. Mundöffnung klein, 
elliptisch. Die Cuticula um dieselbe ring¬ 
förmig angeschwollen und mit zwei Papillen 
versehen. Dem Ursprung der Speiseröhre 
entsprechend ist eine zweite Anschwellung 
sichtbar, und in einer Richtung mit dem Mit¬ 
telteile der Speiseröhre befindet sich auf der 


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102 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


3. Jahrgang. 


Bauchfläche eine blasenförmige Erwei¬ 
terung, an deren unterem Saume sich ein 
röhrenartiges Gebilde hinzieht. Die Mundöff¬ 
nung führt in eine geräumige Mundhöhle, welche 
mit einer kelchartigen chitinösen Kapsel ver- 



Fig. 11. 


sehen ist. Die Speiseröhre ist in der Mittel¬ 
gegend dünner, während der hintere Teil in 
eine magenartige Erweiterung übergeht. Ge¬ 
schlechtsorgane waren an keinem einzigen 
Exemplare aufzufinden. Auf Grund der Kopf¬ 
gestalt lässt sich aber auch auf diesen Stadien 
konstatieren, dass diese Larven zu dem von 
Mollin (soll Molin heissen, d. V.) gegründeten 
Genus Oesophagostomum gehören.“ 

Ein Rückblick auf die oben zitierte Defi¬ 
nition eines Oesophagostomum, die Molin uns 
gibt, dürfte meines Erachtens zur Genüge zei¬ 
gen, dass der Hinweis auf Molin verfehlt sei. 

Ja, ich glaube nicht zu weit zu gehen 
mit der Behauptung, dass v. Ratz im Gegen¬ 
teil ein Ankylostomum vor sich gehabt hat. 
Sagt uns doch von Ratz nicht nur, dass seine 
Spezies eine Mundhöhle hat, sondern er be¬ 
schreibt uns auch eine chitinöse kelchartige 
Kapsel, Eigentümlichkeiten, die dem Genus 
Dochmius nicht fehlen dürfen; ferner das 
knopfförmig verdickte Schwanzende. Auch die 
„blasenförmige Erweiterung“ auf der Bauch¬ 
fläche, die nichts anderes sein dürfte als der 
„Bauchwulst“ Genus Dochmius nach Ströse. 
Und die Beobachtung v. Ratz’s, dass sich an 
deren unterem Saume ein röhrenartiges Ge¬ 
bilde hinzieht, stimmt auffallend zu der Ver¬ 
mutung v. Linstows, dass wir es hier mit 
einem Gebilde zu tun haben, das in Beziehung 
zum ductus excretorius steht. Nun beruft sich 
aber v. R a t z in seiner späteren diesbezüg¬ 


lichen Veröffentlichung zur Stütze seiner 
Diagnose Oesophagostomum inflatum auf Coo- 
per Curtice, „durch dessen Untersuchungen 
bekannt geworden sei, dass die Kopfbildung 
der Oesophagostomumlarve von jener der ent¬ 
wickelten Wurms verschieden sei, insofern diese 
eine chitinartige Mundkapsel besitzt, welche 
derjenigen des im Schafe lebenden Sclerosto- 
mum und den Jugendformen des im Hunde vor¬ 
kommenden Ankylostomum ähnlich ist, und 
dass sich mithin die Larven von Oesopha¬ 
gostomum in diesen Stadien der Entwickelung 
von den geschlechtsreifen Würmern unter¬ 
scheiden. 

Auch die Richtigkeit dieser Ausführung 
vermag ich nicht einzusehen. Leider ist es 
mir nicht gelungen, trotz vielen Bemühungen, 
selbst nicht durch schriftliche Interpellation 
Curtices, der zitierten Abhandlung habhaft 
zu werden, da auch dem Autor selbst kein Exem¬ 
plar mehr zur Verfügung steht. Indes genügt 
schon die in Fig. 9 nach G. M. G i 1 e s wieder¬ 
gegebene Oesophagostomumlarve Curtices, um 
zu zeigen, dass dies Tier mit einem Ankylosto¬ 
mum nichts zu tun hat. Da sieht man, dass 
die Cuticula am Kopfende lange breite Seiten¬ 
membranen hat; der Oesophagus hat zwei An¬ 
schwellungen, eine vordere kleinere, eine hin¬ 
tere starke. Am Kopfende keine weite Höhlung 
mit Zähnen am Grunde. In Fig. 5 habe ich 
Oesophagostomum inflatum Schn, zur Ab¬ 
bildung gebracht (n. Railliet). Es bedarf eigent- 



Fig. 12. 


lieh keiner weiteren Erörterung, um zu be¬ 
weisen, dass diese Form sich unmöglich aus einer 
ankylostomumartigen Larve entwickeln kann, 
wie v. Ratz wahrscheinlich zu machen sucht. 
Man beachte ferner die von Ratzschen Aus- 


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Heft 5. 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


103 


führungen aus dem Jahre 1900. Die jüngsten 
Stadien (1—1,5 mm) lassen den Mundbecher 
noch nicht erkennen, die 2,0—2,5 mm langen 
älteren Stadien dagegen haben das Aussehen 
eines Ankylostomum erhalten, worauf es endlich 
zu einem veritablen Oesophagostomum wird. 
Dieser Entwiekelungsgang stände einzig da. 
Denn wenn schon nicht in allen Fällen (wie 
sich ja aus der Polemik über die jüngsten 
indifferenten Stadien [Drechsler, von Ratz] 
ohne Mundkapsel unseres Knötchenwurmes er¬ 
gibt), aus dem Bau der Larven die Art oder gar 
die Spezies bestimmt werden kann, so ist dies 
doch sehr häufig möglich. Speziell die Mund¬ 
teile sind vielfach denen der geschlechtsreifen 
Tiere ganz gleich. Immer aber findet die Bil¬ 
dung der Mundteile des geschlechtsreifen Tieres 
noch während des Larvenlebens statt. (A. 
Schneider). Es ist also wohl denkbar, und die 
Entwickelungsgeschichte anderer Ankylosto¬ 
mum zeigt dies ja auch, dass wir bei 
den jüngsten Entwickelungsformen der Larve 
die Mundbecher bei einer Ankylostomum- 
spezies vermissen, aber dass ein Oesopha¬ 
gostomum die Gestalt eines Ankylostomum 
im Larvenleben zeitweise erhalten soll, 
das würde, scheint mir, ganz unglaubhafte 
phylogenetische Ausblicke eröffnen. Auch von 
Ratz scheint sich dieser Stütze nicht ganz 
sicher gefühlt zu haben, er führt vielmehr das 
Hauptmoment seiner Diagnose als Tatsache 
ins Feld, dass im Rinderdickdarm das Oeso¬ 
phagostomum parasitiert. Da nun, sagt v. R a t z, 
die besprochene Form aus dem Rinde stammt, 
so erscheint die Annahme wahrscheinlich, dass 
die Würmer die Larven von Oesophagostomum 
inflatum sind. Hic haeret aqua! Deshalb soll 
nun das Oesophagostomum, das nicht, zumal 
Oesoph. infl. die geringste Aehnlichkeit mit 
unserem Findling hat, die Vaterschaft an- 
treten. 

Dass im Rinderdünndarm ein anscheinend 
harmloses Würmchen schmarotzt, das dieselbe 
Kopfbildung hat wie unser Dochmius Ströse, 
ein echtes Ankylostomum, hat man fast all¬ 
gemein vergessen. Dieser Wurm wurde von 
R u d o 1 f i gefunden, und 1866 von Schnei¬ 
der bestimmt und genau beschrieben. 

Sein Name ist Ankylostomum 
(Dochmius, Strongylus, Uncinaria) radiatum 
Schneider, nicht zu verwechseln mit 


dem Oesophagostomum (Strongylus) in- 
flatus Schneider, s. Oesophagostomum 
(Strongylus) radiatum Rud. Von Zürn ist der 
Dochmius radiat. noch richtig beschrieben 
(nach Schneider). Er nennt ihn strongylus 
radiatus, „strahligen Pollisadenwurm“. Diese 
deutsche Bezeichnung gibt auch Anlass zu 
Verwechselungen. Der strahlige Pollisaden- 
wurm ist nämlich (nach Gurlt) der Oesopha¬ 
gostomum inflatum Schneider, den Zürn wie¬ 
derum den „breiten Pollisadenwurm“ nennt. 
Am meisten hat wohl die vage Bezeichnung 
„Strongylus“, die beiden Arten zukommt, zu 
verhängnisvoller Verwechselung und schliess- 
lichem Vergessen einer Spezies geführt. Ausser 
den Amerikanern (s. unten) kennt meines 
Wissens nur Railliet den „Strongylus radiatus 
Schneider“ wirklich als Ankylostomum. 

Während nämlich die Dochmiasis der 
übrigen Haustiere in den tierärztlichen Lehr- 



Fig. 13. 


büchern genau beschrieben wird und die Ver¬ 
treter dieser Gattung im Zusammenhang ab¬ 
gehandelt worden, ist von einer Dochmiasis der 
Rinder nirgends die Rede, und der „Strongylus 
radiatus“ wird nur so nebenher, offenbar nur 
der Vollständigkeit halber, erwähnt, ohne aber 
als Ankylostomum erkannt zu werden. Wäre 
dem nicht so, so hätte man ohne Zweifel die 
W ahrscheinlichkeitsdiagnose stellen müssen, 
dass man in ihm das Endstadium des Ankylosto¬ 
mum Ströse vor sich habe. Ferner hätte auch 
die Bemerkung Ströses, dass es nicht bekannt 
sei, ob das erwachsene Ankylostomum beim 
Rinde schmarotze, Veranlassung zum Hinwek 


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104 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


3. Jahrgang. 


auf den Ankylostomum radiatum geben müssen. 
Railliet ist der einzige, wie schon erwähnt, 
der den Strongylus radiatus als „Uncinaire 
radiee“, Männchen 10—16 mm, Weibchen 
24—28 mm lang, beschreibt; er aber kennt die 
Strösesche Arbeit offenbar nicht. 

Ich glaube nachgewiesen zu 
haben, dass die Behauptung v. ßatzs 
hinsichtlich der Zugehörigkeit sei¬ 
ner anky 1 ostomumähn 1 ichen Larve 
zum Genus Oesophagostomum oder 
gar zur Spezies Oesophag. inflat. 
in keiner Weise erwiesen ist, und 
glaube ferner mit grösserm Rechte 
sagen zu können: Da im Rinder¬ 
dünndarme das Ankylostomum 
radiatum lebt, ist die Wahrschein¬ 
lichkeit vorhanden, dass die Anky- 
lostomumlarve, die in der Dünn- 
und Blinddarmwand des Rindes 
parasitiert, eine Jugendform die¬ 
ser Spezies ist. Für das Vorkommen 
von Oesophagostomumlarven in der 
Darmwand des europäischen Rindes 
ist bisher jedenfalls kein Beweis 
erbracht worden. 

Diese Ankylostomumlarve habe ich in den 
von mir untersuchten Rinder-Dünn- und Blind¬ 
därmen aus Deutschland, Frankreich, Spanien, 
Russland, England gefunden. Dieser Parasit 
ist demnach über ganz Europa verbreitet. 

Dieses Stadium habe ich, wie eingangs ge¬ 
schildert, leicht isoliert. Durch einige ganz 
junge Knötchen habe ich Schnitte gemacht 
und kleinere, offenbar ganz junge Stadien 
gefunden, die einen Mundbecher nicht erkennen 
lassen. Aber der Umstand, dass wir sie neben 
den schon älteren als Ankylostomen deutlich 
erkennbaren Nematoden treffen, spricht dafür, 
dass wir hier ebenfalls ein Jugendstadium 
dieser Strongyliden - Art vor uns haben. 
Bei einem im hiesigen Rinderdarm gefundenen 
Exemplare konnte ich die Anlage von Ge¬ 
schlechtsorganen feststellen. Jüngere Stadien 
habe ich zum Teil von einer deutlichen Kapsel 
umschlossen (Fig. 12), in beiden Fällen gerollt 
wie eine Muskeltrichine, in dem submucösen 
Gewebe liegen sehen (Fig. 13). Das Knötchen 
war mit Rundzellen infiltriert. Die Kapsel 
ist bei den älteren Stadien meist verschwun¬ 
den. Der Wurm verschwindet aus dem zer¬ 


fallenen nekrotischen Gewebe, und ein Loch 
auf der höchsten Erhebung der Knötchen 
deutet seine Auswanderung meist dem blossen 
Auge an. 

Dies war das Resultat meiner Unter¬ 
suchung der europäischen Därme des Rindes 
in parasitärer Richtung. 

Dasselbe Resultat zeitigte 
indes auch die Untersuchung zahl¬ 
reicher aus Nord- und Süd -Ame¬ 
rika eingeführter Rinderdärme. 
Auch hier fand ich gegen alles Er¬ 
warten die Strösesche Ankylosto¬ 
mumlarve. Ich sage gegen alles Erwarten. 
Denn dieser Befund steht in einem auffälligen 
Gegensatz zu den Berichten über die Unter¬ 
suchungen der amerikanischen Forscher. 

(Schluss folgt.) 


Oeffentliches Veterinärwesen. 

Stand der Tierseuchen im Deutschen Reich 
am 15. Juli 1905. 

Der Rotz wurde festgestellt: in Preussen 
in 14 Gemeinden und 22 Gehöften der Re¬ 
gierungsbezirke /Marienwerder, Stadtkreis 
Berlin, Frankfurt, Bromberg, Breslau, Oppeln, 
Merseburg, Minden, Düsseldorf und Sigmarin¬ 
gen, in Bayern in 2 Gemeinden und 2 Gehöften 
der Regierungsbezirke Oberfranken und 
Schwaben, zusammen somit in 16 Gemeinden 
und 24 Gehöften. Die Aphthenseuche ge¬ 
langte zur Feststellung in je einem Gehöft der 
Regierungsbezirke Posen und Bromberg, in 
1 Gemeinde und 18 Gehöften der Oberpfalz 
und in 1 Gemeinde und 5 Gehöften des Re¬ 
gierungsbezirks Neckarkreis, zusammen in 4 Ge¬ 
meinden und 25 Gehöften. Die Schweine¬ 
seuche einschliesslich der Schweinepest 
wurde festgestellt und zur Anzeige gebracht 
in 1561 Gemeinden und 2103 Gehöften. 


Erlasse, Verfügungen. 

Elsass-Lothringen. Bekanntmachung 
betreffend die Ausführung des 
Reichsgesetzes vom 25. Februar 1876 
über die Beseitigung von An- 


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Heft 5. 


Fortschritte der Veteri när-Hy giene. 


105 


s teckungsstof f en bei Viehbeför¬ 
derungen auf Eisenbahnen, welche 
der Aufsicht der Landesverwal¬ 
tung von Eisass -Lothringen unter¬ 
stellt sind. Vom 16. Dezember 1904. 

Auf Grund des § 13 der Bekanntmachung 
des Reichskanzlers vom 16. Juli 1904, betr. 
die Ausführung des Gesetzes vom 25. Febr. 1876 
über die Beseitigung von Ansteckungsstoffen 
bei Viehbeförderungen auf Eisenbahnen (Reichs- 
gesetzbl. S. 311 ff.), und dejs § 3 der Bekannt¬ 
machung des Reichskanzlers vom 17. Juli 1904, 
betr. die Abänderungen der Bestimmungen über 
die Beseitigung von Ansteckungsstoffen bei 
der Beförderung von lebendem Geflügel auf 
Eisenbahnen vom 2. Februar 1899 (Reichsge- 
setzbl. S. 317 ff.), sowie auf Grund der Be¬ 
stimmungen unter XXXII Absatz 8 und LII 
Absatz 6 der Anlage B zur Eisenbahn-Ver¬ 
kehrsordnung, wird für die der Aufsicht der 
Landesverwaltung unterstellten Eisenbahnen 
folgendes angeordnet: 

An Stelle der Bestimmungen der Bekannt¬ 
machung vom 23. Juni 1887, (Beilage I zu 
No. 27 des Zentral- und Bezirks-Amtsbl. für 
Elsass-Lothringen für 1887), welche hiermit 
aufgehoben werden, treten folgende Bestim¬ 
mungen : 

Abschnitt I. Allgemeines. 

§ 1. Verpflichtung zur 
Desinfektion. 

1. Nach jedesmaligem Gebrauch sind einer 
Reinigung und Desinfektion zu unterziehen: 

I. Wagen, in denen folgende lebende Tiere 
befördert worden sind: 

a) Pferde, Maultiere, Esel, Rindvieh, 
Schafe, Ziegen, Schweine, (Kleinvieh 
in Kisten vergleiche § 10, Ziffer 3; 

b) Geflügel unverpackt; 

c) Geflügel verpackt, falls eine Verun¬ 
reinigung der verwendeten Wagen 
durch Streu, Futter oder Auswurfstoffe 
stattgefunden hat. 

II. Wagen, die zur Beförderung von 
Gütern folgender Art benutzt worden 
sind: 

a) fäulnisfähige tierische Abfälle in 
losem Zustand; 

b) Stalldünger, auch als Schutzmittel, so¬ 
wie andere Fäkalien und Latrinen- 
stoffe, sofern nicht die Wagen bestim¬ 


mungsgemäss ausschliesslich zum 
Transporte dieser Gegenstände dienen. 

2. Eine verschärfte Desinfektion hat ein¬ 
zutreten : 

a) bei Wagen mit Klauenviehsendungen 
(Rindvieh, Schafen, Ziegen, Schweinen) 
aus verseuchten. Gegenden, d. h. von solchen 
Stationen, in deren Umkreis von 20 Kilo¬ 
metern die Maul- und Klauenseuche 
herrscht oder noch nicht für erloschen er¬ 
klärt ist; 

b) auf Anordnung der zuständigen Polizei¬ 
behörde ; 

c) wenn die Eisenbahnbeamten von Umstän¬ 
den Kenntnis erlangen, die es zweifellos 
machen, dass eine Infektion des Wagens 
durch Rinderpest, Milzbrand, Rauschbrand, 
Wild- und Rinderseuche, Maul- und 
Klauenseuche, Rotz, Rotlauf der Schweine 
oder Schweineseuche (einschliesslich 
Schweinepest), Geflügelcholera oder Hüh¬ 
nerpest vorliegt, oder die den drin¬ 
genden Verdacht einer solchen Infektion 
begründen. Der dringende Verdacht der 
Infektion durch Rinderpest, Milzbrand 
usw. ist insbesondere dann anzunehmen, 
wenn ein krankes oder totes Tier in dem 
Wagen angelangt war und nicht durch den 
Augenschein (z. B. bei schweren Verletzun¬ 
gen der Tiere) oder durch sachverständige 
Untersuchung erwiesen wird, dass die 
Krankheit oder der Tod des Tieres in 
keinem Zusammenhang mit einer der er¬ 
wähnten Seuchen steht. 

3. Die Reinigung und Desinfektion gemäss 
Ziffern 1 und 2 hat sich auf alle Teile des 
Wagens zu erstrecken, und zwar auch in den 
Fällen, wo der Wagen nur teilweise beladen 
war. 

4. Wegen der Desinfektion der Ladegeräte, 
Rampen und des Streumaterials wird auf die 
§§ 14—16 verwiesen. 

5. Wenn der Absender die Desinfektion 
des Wagens vor der Beladung verlangen sollte, 
so ist diesem Verlangen gegen Erhebung der 
Desinfektionsgebühr zu entsprechen. 

§ 2. Beschaffenheit der zur Tier¬ 
beförderung verwendeten Wagen. 

Wagen mit beschädigter innerer Verscha¬ 
lung sind zur Beförderung der in § 1, Ziffer 1 
genannten Tiere und Güter nicht zu verwenden. 


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Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


3. Jahrgang. 


§ 3. Beförderung von Vieh oder 
lebendem Geflügel mit Gepäck 
oder Gütern in demselben Wagen- 
raum. 

Bei Beförderung von Vieh oder lebendem 
Geflügel mit Gepäck oder Gütern in demsel¬ 
ben Wagenraum ist zur Vermeidung einer In¬ 
fektion dafür zu sorgen, dass das Vieh oder das 
lebende Geflügel mit den Gepäckstücken oder 
Gütern nicht in Berührung kommt und diese 
nicht durch tierische Entleerungsstoffe verun¬ 
reinigt werden. 

Die Beförderung von unverpacktem Vieh 
im Gepäckraum der Packwagen ist unstatthaft. 
§4. Verbot der Beladung noch nicht 
desinfizierter Wagen und Be¬ 
schränkung in der Beförderung 
solcher Wagen. 

1. Ein der Desinfektion unterliegender 
leerer Wagen darf in keinem Fall vor Been¬ 
digung der Desinfektion in Benutzung ge¬ 
nommen werden: nur zum Zwecke der Ueber- 
führung nach der Desinfektionsanstalt ist es 
gestattet, ihn in einen Zug einzustellen. 

2. Viehsammelwagen (Viehkurswagen), die 
voll besetzt gewesen und vor der Endstation 
entleert worden sind, dürfen vor ordnungs- 
mässiger Reinigung und Desinfektion nicht 
weiter benutzt werden. Auch in die auf den 
Zwischenstationen entladenen Teile eines Vieh¬ 
sammelwagens (Viehkurswagen) sind vor der 
Desinfektion keine Tiere mehr einzustellen. 
Wenn eine Infektion oder der dringende Ver¬ 
dacht einer solchen vorliegt, darf Vieh in diese 
Wagen überhaupt nicht mehr zugeladen 
werden. 

Abschnitt II. Kennzeichnung der 
zu desinfizierenden Wagen und 
Zuführung zur Desinfektion. 

§5. Bezettelung der Wagen. 

1. Sämtliche zu desinfizierenden Wagen 
sind auf der Versandstation, bei Umladung 
auf der Umladestation, aus dem Auslande 
kommende auf der Grenzübergangsstation, von 
dem abfertigenden Lademeister 1 ) auf beiden 
Seiten sorgfältig zu bezetteln, und zwar: 

*) Unter Lademeister ist hier und in den 
folgenden Abschnitten stets der die Geschäfte 
eines Lademeisters besorgende Bedienstete zu ver¬ 
stehen. 


a) Im Falle gewöhnlicher Desinfektion mit 
zweiteiligen Zetteln von schwefelgelber Farbe 
und mit der Aufschrift „Zu desinfizieren“ nach 
anliegendem Muster. 

b) Im Falle der verschärften Desinfektion 
mit zweiteiligen Zetteln von schwefelgelber 
Farbe mit einem in der Mitte aufgedruckten 
senkrechten roten Streifen und mit der Auf¬ 
schrift „Verschärft zu desinfizieren“, nach 
anliegendem Muster. Soweit die Voraussetzun¬ 
gen für die verschärfte Desinfektion erst auf 
der Empfangs- oder einer Unterwegstation ein- 
treten oder bekannt werden, hat die Bezettelung 
nachträglich durch die entdeckende Dienststelle 
zu erfolgen. 

Die in die Züge einzustellenden Kleinvieh- 
Sammelwagen (Viehkurswagen) sind von dem 
Lademeister der Zugangsstationen oder derjeni¬ 
gen Station, die den Wagen einstellt, mit Des¬ 
infektionszettel zu versehen. 

Findet eine Benutzung der Sammelwagen 
nicht statt, so hat der Zugführer auf der End¬ 
station die Entfernung der Zettel zu veran¬ 
lassen. 

2. Die Zettel nach Muster 1 und 2 dienen 
in ihrem untern Teile zur Anbringung der 
Wagenaufschriften. Die Ausfüllung der Zettel 
hat mit Blaustift zu erfolgen. Die Anbringung 
der Wagenaufschriften mittels Kreide ist unter¬ 
sagt. 

3. Die Zugführer und Empfangsstationen 
haben darauf zu achten, dass die Zettel an 
beiden Seiten vorhanden sind, und haben sie 
unverzüglich zu ersetzen, wenn sie fehlen. 

4. Auf der Entladestation ist von dem 
Lademeister, der die Entladung zu beaufsichti¬ 
gen hat, der untere Teil der Muster 1 und 2 
mit einem Zettel von schwefelgelber Farbe nach 
anliegendem Muster, nachdem der Vordruck 
mit Blaustift ausgefüllt worden ist, so zu über¬ 
kleben, dass die Aufschrift „Zu desinfizieren“ 
oder „Verschärft zu desinfizieren“ sichtbar 
bleibt. Ist Entlade- und Desinfektionsstation 
dieselbe, so ist nur die Zeit der Entladung 
einzutragen. 

5. Nach der Desinfektion sind die Zettel 
durch die Desinfektionsanstalt zu entfernen und 
an ihrer Stelle solche von weisser Farbe und mit 
dem Aufdrucke 

„Desinfiziert am. 

Stunde. in.“ 


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Heft 5. 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


107 


nach anliegendem Muster anzubringen, die erst 
bei der Wiederbeladung des Wagens zu beseiti¬ 
gen sind. 

§ 6. Vermerk auf den Begleit¬ 
papieren. 

Auf den Begleitpapieren für Wagen, die 
verschärft zu desinfizieren sind, haben die Ver¬ 
sand- oder Unterwegsstationen in deutlicher 
Schrift den Vermerk 

„Verschärft zu desinfizieren“ 
anzubringen. 

§7. Zuführung zur Desinfektion. 

1. Die nach den Desinfektionsstationen 
oder Desinfektionsanstalten überzuführenden 
Wagen sind, soweit es ihre Bauart gestattet, 
zur Verhütung einer Uebertragung von An¬ 
steckungsstoffen durch Herausfallen von Ge¬ 
rätschaften, Stroh, Dünger usw. sorgfältig ge¬ 
schlossen zu halten. 

2. Die zu desinfizierenden Wagen sind 
mit möglichster Beschleunigung der Desin¬ 
fektionsanstalt zuzuführen. Für die sofortige 
Zuführung ist die Station verantwortlich. 

3. Falls die Desinfektion nicht auf der 
Entladestation erfolgt, hat diese der Desin¬ 
fektionsanstalt unverzüglich eine Benach¬ 
richtigung nach anliegendem Muster als einge¬ 
schriebenen Brief zu übersenden. 

4. Kann ein Wagen nicht mit dem ange¬ 
meldeten Zug abgehen, so hat die Entlade¬ 
station hiervon die Desinfektionsstation unter 
Bezeichnung des nunmehr den Wagen anbrin¬ 
genden Zuges zu benachrichtigen. 

5. Auf Grund der Benachrichtigung hat 
die Desinfektionsanstalt die pünktliche Zu¬ 
führung der Wagen zu überwachen. 

6. Trifft ein Wagen nicht mit dem ange¬ 
meldeten Zuge oder dessen Anschlusszuge ein, 
so hat die Desinfektionsanstalt sofort der Ent¬ 
ladestation telegraphisch Nachricht zu geben. 
Diese hat unverzüglich, erforderlichenfalls tele¬ 
graphisch, nach dem Wagen zu forschen und 
seine Zuführung zur Desinfektionsanstalt zu 
veranlassen. 

Abschnitt III. Ort und Zeit der 
Desinfektion. 

§8. Ort der Desinfektion. 

1. Jede Eisenbahn Verwaltung hat diejeni¬ 
gen Stationen ihrer Bahn zu bestimmen, auf 
welchen die Desinfektion der entladenen Wagen 


stattfinden soll; dem Ministerium sind diese 
Stationen zu bezeichnen. 

2. Die Reinigung und Desinfektion er¬ 
folgt: 

a) auf der Entladestation, falls diese Des¬ 
infektionsstation ist; 

b) andernfalls auf der Desinfektionsstation, 
der die Entladestation am nächsten liegt. 

3. Die Reinigung und Desinfektion der zur 
Beförderung von Vieh und lebendem Geflügel 
benutzten Gepäckwagen, Gepäckbeiwagen, 
Hundeabteile, Eilgut- und Stückgut-Kurs¬ 
wagen, Viehsammelwagen (Viehkurswagen) fin¬ 
det auf der Station statt, auf der der Wagen 
vollständig entleert tmd ausgesetzt wird. Die 
unterwegs entladenen und leer bis zur End¬ 
station laufenden Wagen sind zur Verhütung 
des Herausfallens von Streu und Auswurf¬ 
stoffen sorgfältig geschlossen zu halten. 

Zur Verhütung einer Verschleppung der 
Viehseuche durch die bei der Reinigung und 
Desinfektion der Wagen beschäftigten Arbeiter 
haben die betreffenden Arbeiter zur Aus¬ 
führung der Arbeiten regelmässig besondere 
Kleider und Schuhwerk anzulegen, und diese 
nach Beendigung der Arbeiten wieder abzu¬ 
legen und gehörig zu reinigen. 

§9. Zeit der Desinfektion. 

Findet die Desinfektion am Ort der Ent¬ 
ladung statt, so hat sie unverzüglich, jedenfalls 
24 Stunden nach der Entladung, zu geschehen. 
Findet sie auf einer anderen als der Entlade¬ 
station statt, so ist sie längstens binnen 
48 Stunden nach der Entladung zu bewirken 
(vergl. jedoch § 8, Ziffer 3). 

Abschnitt IV. Desinfektions¬ 
verfahren. 

§ 10. Reinigung. 

1. Der eigentlichen Desinfektion der 
Wagen muss stets eine Reinigung — Besei¬ 
tigung der Streumaterialien, des Düngers, der 
Reste von Stricken, der Federn usw., sowie ein 
gründliches Abwaschen mit heissem Wasser — 
vorangehen. Wo heisses Wasser nicht in ge¬ 
nügender Menge zu beschaffen ist, darf auch 
unter Druck ausströmendes kaltes Wasser ver¬ 
wendet werden, jedoch muss vorher zur Auf¬ 
weichung des anhaftenden Schmutzes eine Ab¬ 
spülung mit heissem Wasser erfolgen. 

2. Die Reinigung ist nur dann als aus¬ 
reichend anzusehen, wenn durch sie alle von 


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Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


3. Jahrgang. 


dem Vieh- oder Geflügeltransport herrührenden 
Verunreinigungen vollständig beseitigt sind; 
auch die in die Fugen der Wagenböden einge¬ 
drungenen Schmutzteile sind vollständig — 
erforderlichenfalls unter Anwendung von eiser¬ 
nen Geräten mit abgestumpften Spitzen und 
Bändern — zu entfernen. 

Bei der Beinigung ist darauf zu achten, 
dass auch die durch etwaige Spalten des Wagen¬ 
bodens auf das Untergestell und die sonstigen 
unter dem Wagenboden befindlichen Wagen¬ 
teile gefallenen Verunreinigungen entfernt 
werden. 

3. Bei Wagen, die zur Beförderung von 
einzelnen Stücken Kleinvieh in Kisten oder 
Käfigen gedient haben und nicht durch Streu, 
Futter, Auswurfstoffe usw. verunreinigt wur¬ 
den, gilt, vorbehaltlich der Bestimmung unter 
§ 1, Ziffer 2, eine Waschung der Wände, des 
Fussbodens und der Decke mit heissem Wasser 
als ausreichende Desinfektion. 

4. Die Verpflichtung zur Beseitigung der 
Streumaterialien, des Düngers, der Beste von 
Stricken usw., sowie zur Reinigung der Wagen 
und Gerätschaften nach jedesmaligem Gebrauch 
bleibt auch dann bestehen, wenn Ausnahmen 
von einer eigentlichen Desinfektion der Wagen 
und Gerätschaften zugelassen werden. 

§11. Einfache Desinfektion. 

1. Die einfache Desinfektion wird nach 
erfolgter Reinigung durch Waschen der Fuss- 
böden, Decken und der Innen- und Aussen- 
wände mit einer auf mindestens 50° Celsius 
erhitzten Sodalaugc bewirkt, zu deren Her¬ 
stellung mindestens 2 kg Soda auf 100 Liter 
Wasser verwendet sind. 

2. Nach der Desinfektion sind die Wagen 
zur gehörigen Lüftung offen zu halten. 

§12. Verschärfte Desinfektion. 

Der Wagen ist nach erfolgter Beinigung 
zunächst einfach zu desinfizieren. Sodann sind 
die Fussböden, Decken und Wände mit einer 
dreiprozentigen Lösung einer Kreosolschwefel- 
säuremischung sorgfältig zu bepinseln. Die 
letztere ist durch Mischen von 2 Raumteilen 
rohem Kresol (cresolum crudum des Arznei¬ 
buches für das Deutsche Reich) und 1 Raumteil 
roher Schwefelsäure, (acidum sulfuricum crudum 
des Arzneibuches für das Deutsche Reich) bei 
gewöhnlicher Temperatur zu bereiten. Zur Her¬ 
stellung der dreiprozentigen Lösung darf die 


Mischung frühestens 24 Stunden, spätestens drei 
Monate nach ihrer Bereitung benutzt werden. 
Die Lösung ist innerhalb 24 Stunden zu ver¬ 
wenden. Anstatt des Bcpinselns kann auch eine 
Bespritzung mit einem geeigneten Desin¬ 
fektionsapparat erfolgen. 

§ 13. Behandlung von Wagen mit 
Polsterung oder innerer Ver¬ 
schalung. 

1. Bei gepolsterten Wagen ist die Polste¬ 
rung vor der Desinfektion zu entfernen und 
gehörig zu reinigen. Hat eine Infektion des 
Wagens durch eine der im § 1, Ziffer 2 c ge¬ 
nannten Seuchen stattgefunden, oder liegt der 
dringende Verdacht einer solchen Infektion vor, 
so muss die Polsterung verbrannt werden. Der 
Wagen selbst ist nach den vorstehenden Be¬ 
stimmungen zu reinigen und zu desinfizieren. 
Ausländische Wagen, deren Polsterung nicht 
entfernt werden kann, dürfen im Inlande nicht 
wieder beladen werden. 

2. Wenn Wagen mit einer inneren Ver¬ 
schalung der verschärften Desinfektion zu 
unterwerfen sind, ist die Verschalung abzuneh¬ 
men und ebenso wie der Wagen zu reinigen 
und zu desinfizieren. 

§ 14. Desinfektion der Gerätschaf¬ 
ten und beweglichen Rampen. 

1. In gleicher Weise wie die Wagen sind 
die bei der Verladung und Beförderung der 
Tiere zum Füttern, Tränken, Befestigen und zu 
snstigen Zweckeon benutzten Gerätschaften der 
Eisenbahnverwaltung zu reinigen und zu desin¬ 
fizieren. Dasselbe gilt für die den Interessenten 
gehörenden Ladegeräte, die bei der Abnahme der 
Tiere der Eisenbahn zur Rückbeförderung über¬ 
geben werden. 

2. Die beweglichen Rampen und Einlade¬ 
brücken der Eisenbahn Verwaltung sind bei Be¬ 
nutzung zur Vieh- und Geflügel Verladung täg¬ 
lich mindestens einmal zu reinigen und zu des¬ 
infizieren. Die verschärfte Desinfektion ist er¬ 
forderlich im Falle der Benutzung durch 
Klauenvieh aus verseuchten Gegenden (§ 1, 
Ziffer 2 a), ferner im Falle einer Infektion, 
des dringenden Verdachts einer solchen oder 
besonderer polizeilicher Anordnung. 

§15. Desinfektion der festen 
Rampen. 

1. Die festen Rampen, die Ein- und Aus¬ 
ladeplätze für Wild und Geflügel und die Vieh- 


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Heft 5 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


109 


und Geflügelhöfe (Buchten, Bansen) der Eisen¬ 
bahn sind stets von Streumaterialien, Dünger, 
Federn usw. gesäubert zu halten. 

2. Rampen mit undurchlässigem Boden so¬ 
wie feste hölzerne Rampen sind bei Benutzung 
zur Vieh- oder Geflügel Verladung täglich min¬ 
destens einmal mit Wasser abzuspülen. 

3. Eine Desinfektion der festen Rampen 
sowie der Ein- und Ausladeplätze für Vieh 
und Geflügel ist nur im Falle der Benutzung 
durch Klauenvieh aus verseuchten Gegenden 
(§ 1, Ziffer 2 a), ferner im Falle einer Infektion, 
des dringenden Verdachts einer solchen oder 
besonderer polizeilicher Anordnung erfor¬ 
derlich. 

4.. Hierbei ist folgendes Verfahren zu be¬ 
obachten : 

a) Rampen mit undurchlässigem Boden so¬ 
wie feste hölzerne Rampen müssen nach er¬ 
folgter Reinigung mit Sodalauge (§11, Ziffer 1) 
abgewaschen und mit einer dreiprozentigen 
Lösung der Kresolschwefelsäuremischung ab¬ 
gepinselt und abgespült werden. 

b) Rampen mit undurchlässigem Boden 
sind nach erfolgter Reinigung mit einer drei- 
prozentigen Lösung der Kresolschwefelsäure¬ 
mischung mittels Kanne oder Spritze stark zu 
besprengen, bis die Oberfläche durchweg feucht 
erscheint. Hölzerne Versehläge, Buchten, 
Gatter, Schranken usw. sind zu reinigen und 
mit einer dreiprozentigen Lösung der Kresol¬ 
schwefelsäuremischung sorgfältig zu bepinseln 
oder mit einem geeigneten Desinfektions¬ 
apparat zu bespritzen. 

5. Bei Frostwetter sind die Rampen usw. 
nicht zu übergiessen, sondern sogleich nach dem 
Abtrieb des Viehes mit einem Pulver zu be¬ 
streuen, das aus 100 Gewichtsteilen gebrannten 
Kalks herzustellen ist, der nach Zusatz von 
Wasser zu Pulver gelöscht und dann mit 10 
Gewichtsteilen einer mindestens ßechsprozen- 
tigen Lösung der Kresolsäuremischung über¬ 
gossen ist. 

§ 16. Streumatcrialien. 

1. Streumaterialien, Dünger, Federn und 
sonstige Abgänge sind zu sammeln und so auf¬ 
zubewahren, dass Vieh und Geflügel damit 
nicht in Berührung kommen kann. 

2. Die Abfuhr des Düngers darf in Fällen 
von Rotz nicht durch Pferdegespann, im übrigen 


nicht durch Rindviehgespanne geschehen und 
muss in dichten Wagen oder Behältern erfolgen, 
so dass eine Verunreinigung der Strassen, Wege 
usw. durch Düngerteile ausgeschlossen ist. 

3. Dünger von Tieren, die an Rinderpest, 
Milzbrand, Rauschbrand, Wild- und Rinder¬ 
seuche oder Rotz leiden oder einer dieser 
Seuchen verdächtig sind, muss verbrannt oder 
gekocht oder so tief vergraben werden, dass er 
mit einer mindestens ein Meter hohen Erd¬ 
schicht bedeckt ist. 

4. Dünger von Tieren, die mit Maul- und 
Klauenseuche, Rotlauf der Schweine oder mit 
Schweineseuche (einschliesslich Schweinepest) 
behaftet oder einer dieser Seuchen verdächtig 
sind, muss entweder in derselben Weise 
(Ziffer 3) beseitigt oder mit einer dreiprozen¬ 
tigen Lösung der Kresolschwefelsäure¬ 
mischung, die vollständig mit dem Dünger 
zu durchmischen ist, desinfiziert werden. 

5. Abgänge von cholera- oder hühnerpest¬ 
krankem oder -verdächtigem Geflügel müssen 
entweder durch vollständige Durchmischung 
mit Kalkmilch oder dreiprozentiger Lösung 
der Kresolschwefelsäuremischung desinfiziert 
oder verbrannt oder mindestens einen Meter 
tief vergraben werden. 

Abschnitt V. Verfahren bei unter¬ 
lassener oder unzulänglicher Des¬ 
infektion. 

§ 17. 1. Wird festgestellt, dass Wagen 
nach einer früheren Benutzung zur Beförde¬ 
rung von Tieren, tierischen Abfällen oder Fä¬ 
kalien nicht oder nicht vorschriftsmässig ge¬ 
reinigt und desinfiziert wurden, so sind sie 
behufs nachträglicher Reinigung und Desinfek¬ 
tion unter denselben Sicherungsmassregeln wie 
die von Tieren, tierischen Abfällen und Fä¬ 
kalien entladenen Wagen der zuständigen Des¬ 
infektionsanstalt zuzuführen. 

2. Wird die Notwendigkeit der verschärf¬ 
ten Desinfektion erst auf einer Unterwegstation 
oder auf der Empfangstation festgestellt, so 
hat die entdeckende Dienststelle der Versand¬ 
station sowie gegebenenfalls den Umlade- oder 
Tränkstationen zum Zwecke verschärfter Des¬ 
infektion aller Gegenstände, mit denen das Vieh 
in Berührung gekommen ist, sofort telegra¬ 
phisch Mitteilung zu machen. 


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110 


3. Jahrgang. 


Veterinär-Hygiene. 


Fortschritte der 


Abschnitt VI. Aufsicht, Kontrolle, 
Strafbestimmungen. 

§ 18. 1. Die veranwortliche Aufsicht über 
die Arbeiten, die auf Grund dieser Vorschriften 
durch die Eisenbahn auszuführen sind, ist be¬ 
stimmten Bediensteten zu übertragen, welche 
der Ortspolizeibehörde derjenigen Gemeinde, in 
welcher die betreffende Desinfektionsanstalt 
liegt, sowie dem zuständigen Kreistierarzte zu 
bezeichnen sind. 

Die Bediensteten sind persönlich dafür 
verantwortlich, dass die der Desinfektions¬ 
anstalt zugeführten Wagen rechtzeitig desinfi¬ 
ziert werden und dass kein zugeführter Wagen 
vor ordnungsmässigem Vollzug der Desinfek¬ 
tion die Desinfektionsanstalt verlässt. 

In gleicher Weise wird es dem Zug- und 
Wagenrevisions- sowie dem Abfertigungs¬ 
personal zur strengen Pflicht gemacht, genau 
darauf zu achten, dass ungenügend oder gar 
nicht gereinigte und desinfizierte Wagen nicht 
übernommen, in die Züge eingestellt oder be¬ 
laden werden. 

Die Nichtbeachtung dieser Vorschriften 
wird in jedem Fall streng bestraft. Auch haben 
Bedienstete, die entgegen diesen Vorschriften 
oder einem ihnen erteilten besonderen Aufträge 
die Anordnung, Ausführung oder Ueber- 
wachung einer Desinfektion vernachlässigen, 
nach § 5 des Reichsgesetzes vom 25. Februar 
1876, betr. die Beseitigung von Ansteckungs¬ 
stoffen bei Viehbeförderung auf Eisenbahnen, 
gerichtliche Bestrafung mit Geldbusse bis zu 
1000 Mk. und, wenn infolge Vernachlässigung 
Vieh von einer Seuche ergriffen worden ist, 
mit Geldbusse bis zu 3000 Mk. oder Gefängnis 
bis zu einem Jahre zu erwarten, sofern nicht 
nach den Vorschriften des Strafgesetzbuches 
eine der Art oder dem Masse nach schwerere 
Strafe verwirkt ist. 

2. Die zuständige Polizeibehörde sowie die 
zuständigen Veterinärbeamten sind befugt, 
jederzeit von der Ausübung der Desinfektions¬ 
arbeiten Kenntnis zu nehmen. 

3. Die Desinfektionsstationen haben ein 
Kontrollbuch nach anliegendem Muster zu 
führen, welches jederzeit auf Verlangen den 
kontrollierenden Polizei- und Veterinärbeamten 
vorzulegen ist. 

4. Sämtliche Spalten des Kontrollbuchs 
sind von dem Beamten auszufüllen, dem die ver¬ 


antwortliche Aufsicht über die ordnungs- 
mässige Desinfektion der Viehwagen übertragen 
ist. Sind auch Ladegeräte zu desinfizieren, so 
ist das in Spalte „Bemerkungen“ zu vermerken. 
Verschärft desinfizierte Wagen sind durch 
Unterstreichen des Eigentumsmerkmals und 
der Wagennummern zu kennzeichnen. 

Das Kontrollbuch ist vierteljährlich abzu- 
schliessen und ein weiteres Jahr aufzubewahren. 

Strassburg, den 16. Dezember 1904. 

Ministerium für Elsass-Lothringen 
Abteil, f. Landwirtschaft u. öffentl. Arbeiten. 

Der Unterstaatssekretär. 

Zorn von Bulach. 


Anhang. Kon troll vorSchriften der 
Landesverwaltung. 

1. Seitens der Landesverwaltung sind an 
die Landesveterinär-Polizeibehörden die folgen- 
Kontrollvorschriften erlassen worden; 

a) Mit der polizeilichen Kontrolle der Des¬ 
infektion der Eisenbahnwagen, welche zum 
Transporte von Pferden, Maultieren, Eseln, 
Rindvieh, Schafen oder Ziegen gedient haben, 
sind die Kreistierärzte und deren Stellvertreter, 
und zwar jeder in seinem Kreise, beauftragt. 

b) Zur Ausübung ihrer Funktionen ist den 
Kreistierärzten und deren Stellvertretern der 
Zutritt zu den Desinfektionsplätzen der Eisen¬ 
bahnen jederzeit zu gestatten und ihnen jede 
Auskunft über den Transport des Viehs, die 
Beschaffenheit des transportierten Viehs und 
das Desinfektionsverfahren gewissenhaft 
zu erteilen. Ihrer Kenntnisnahme von allen 
Einrichtungen und Vorgängen, welche dieses 
Verfahren betreffen, darf kein Hindernis in den 
Weg gelegt werden. 

c) Wenigstens einmal im Monat haben sich 
die Kreistierärzte oder deren Stellvertreter auf 
den Stationen, auf welchen Viehausladungen 
und Wagendesinfektionen stattfinden, und ins¬ 
besondere auf den Grenzstationen von dem Vor¬ 
handensein und der Beschaffenheit der zum 
Desinfizieren der Wagen und Gerätschaften er¬ 
forderlichen Materialien zu überzeugen, vom 
Stationsvorstand den Nachweis vorlegen zu 
lassen, wieviel Transportwagen seit der letzten 
Visitation zur Desinfektion auf der Station 
gelangt sind, und ob und wann dieselbe voll¬ 
zogen worden ist. Wo möglich haben sie an 
Ort und Stelle einer Desinfektion beizuwohnen 


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Heft 5. 


Fortschritte der Veterin&r-Hygiene. 


111 


und sich über die pünktliche Ausführung der¬ 
selben zu vergewissern sowie erforderlichen¬ 
falls Auskunft und Anleitung über einzufüh¬ 
rende Verbesserungen zu geben. 

Die Kontrolle hat sich auch auf die Des¬ 
infektion des aus den Wagen entfernten Dün¬ 
gers und Streumaterials zu erstrecken, sowie 
darauf, ob dieser Dünger ohne Gefahr verwertet 
wird, endlich auf die Reinhaltung der Rampen 
und Viehhöfe. 

Die Kreistierärzte oder deren Stellvertreter 
haben ihre Bemerkungen dem Stationsvorstande 
zu machen und sodann ihrer Vorgesetzten 
Dienstbehörde berichtlich vorzulegen. 

d) Die Kreistierärzte oder deren Stell¬ 
vertreter haben die Stationen resp. die Des¬ 
infektionsplätze besonders unmittelbar vor der 
Abhaltung der Viehmärkte am Stationsorte und 
an dessen Nachbarorten zu besuchen. 

e) Die Stationsvorstände haben die Kreis¬ 
tierärzte oder deren Stellvertreter im Falle 
einer Infektion oder des Verdachts einer solchen 
vom Transporte von krankem Vieh zu benach¬ 
richtigen und sie. aufzufordern, der Desinfek¬ 
tion der Wagen, der Gerätschaften, des Dün¬ 
gers und des Streumaterials beizuwohnen und 
dieselbe zu überwachen. Die für die Des¬ 
infektion vorgeschriebene Frist darf jedoch des¬ 
halb nicht überschritten werden. Den Stations¬ 
vorständen liegt dieselbe Verpflichtung ob, 
wenn Transportwagen aus dem nicht deutschen 
Auslande zur Desinfektion angebracht werden* 
wenn und solange in dem betreffenden Lande 
eine Viehseuche herrscht. 

Das entladene kranke oder verdächtige 
Vieh soll bis zum Eintreffen des Kreistier¬ 
arztes oder dessen Stellvertreters an einen ab¬ 
gelegenen, wenn möglich gedeckten Ort ein¬ 
gestellt werden; es kann auch in einen Stall 
gestellt werden, wenn da keine Berührung mit 
anderen Tieren Vorkommen kann. Im Falle, 
dass die Wohnung des Kreistierarztes oder 
dessen Stellvertreters zu weit von der Station 
entfernt ist, kann in dringenden Fällen ein 
anderer approbierter Tierarzt beigerufen wer¬ 
den. — Sollte es sich um ein auf der Reise 
krepiertes Stück Vieh handeln, so ist der Ka¬ 
daver bis zur Ankunft des Tierarztes im Wagen 
zu lassen; die noch lebenden Tiere sollen ab¬ 
geladen und an einen abgelegenen Ort gestellt 
werden. 


In Fällen drohender Gefahr für die Ver¬ 
breitung der Infektion haben die Kreistierärzte 
oder deren Stellvertreter sofort die erforder¬ 
lich scheinenden weiter gehenden Sicherheits- 
massregeln zu beantragen. Sie sind befugt, 
wenn die Anträge an die Generaldirektion der 
Eisenbahn zu richten sind, sich des Eisenbahn¬ 
dienst-Telegraphen zur Uebersendung der An¬ 
träge zu bedienen. 

f) Die Kreistierärzte und deren Stellver¬ 
treter haben über alle Vorkommnisse ihrer Kon¬ 
trolle, namentlich über ihre Visitationen der 
Stationen und Desinfektionsplätze ein Dienst¬ 
tagebuch zu führen. Dasselbe hat der Landes- 
tierarzt wenigstens einmal im Jahre zu revi¬ 
dieren. Dem letzteren stehen den Eisenbahn¬ 
behörden gegenüber dieselben Befugnisse zu wie 
den Kreistierärzten oder deren Stellvertretern. 
Uebcr seine Wahrnehmungen hat er an seine 
Vorgesetzte Dienstbehörde zu berichten. 

2. Diese Bestimmungen werden den Dienst¬ 
stellen zur strengsten Nachachtung empfohlen. 
Hierzu wird auf folgende Punkte besonders auf¬ 
merksam gemacht: 

a) Bei den Revisionen der Desinfektions¬ 
anstalten durch den Landestierarzt, die Kreis¬ 
tierärzte oder deren Stellvertreter ist denselben 
das Kontrollbuch vorzulegen. 

b) Ueber die von den Kreistierärzten oder 
deren Stellvertreter erhobenen Anstände und 
Bemerkungen, sowie über die von denselben ge¬ 
machten Verbesserungsvorschläge ist der Ge¬ 
neraldirektion sofort durch die Betriebsdirek¬ 
tion Anzeige zu erstatten. 

c) Die Stationsvorstände haben sich stets 
an den für die betreffende Station zuständigen 
Kreistierarzt oder, falls dessen Vertreter näher 
wohnt, an diesen zu wenden. Eine Ausnahme 
hiervon findet nach Ziffer 1, Absatz e, nur in 
den Fällen statt, in welchen Gefahr im Verzüge 
und der Kreistierarzt oder dessen Stellvertreter 
nicht in kürzester Zeit zu erreichen ist. In 
solchen Fällen ist der nächstwohnende appro¬ 
bierte Tierarzt zu holen, gleichzeitig aber auch 
dem zuständigen Kreistierarzte, oder falls 
dessen Stellvertreter näher wohnt, diesem hier¬ 
von Kenntnis zu geben. 

Frankreich. Im Anschluss an einen Be¬ 
richt von Dr. R. Blanchard über eine auf die 
Vorbeugung der Echinokokkenkrankheit bezüg- 


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112 


Fortschritte der Veterin&r-Hygiene. 


3. Jahrgang. 


liehe Arbeit von Dr. F. Deve hat die Akademie 
der Medizin in Paris am 6. Dezember 1904 sich 
für die Anordnung nachstehender Massregeln 
ausgesprochen (Bullet, de Pacad. de med. 1904 
S. 512): 

1. Die amtliche Beschlagnahme aller Ein¬ 
geweide mit Hydatiden und deren Vernichtung 
durch Verbrennen in den öffentlichen Schlacht¬ 
häusern ; 

2. Fernhalten der Hunde von den öffent¬ 
lichen Schlachthäusern durch strenge Regelung 
deren Verkehrs; 

3. Anbringung von Bekanntmachungen in 
öffentlichen und privaten Schlachthöfen, in 
denen auf die Gefahr der Verfütterung von mit 
Echinokokken behafteten Organen an Hunde 
und Katzen hingewiesen wird; 

4. die Schlachthäuser auf dem Lande sind 
durch Tierärzte unter Berücksichtigung der 
Antiechinokokken-Prophylaxe häufig zu revi¬ 
dieren ; 

5. ein Zirkular ist an alle Tierärzte zu 
richten, in dem sie unter Hinweis auf die 
Pathogenie der Echinokokkose auf die Bedeu¬ 
tung der preventiven Massnahmen aufmerksam 
gemacht werden. 

Ferner wurde beschlossen, den Bericht dem 
Landwirtschaftsminister und dem Polizei¬ 
präfekten von Paris zu übersenden. 

Deutsches Reich. Im nordöstlichen 
Frankreich, nahe der deutschen und belgischen 
Grenze, herrscht seit einiger Zeit eine Pferde¬ 
krankheit, die als ansteckende perniziöse 
Anämie bezeichnet worden ist. Die Professoren 
Valle und Carre in Alfort haben sich eingehend 
mit der Erforschung dieser Seuche befasst und 
deren Uebertragbarkeit durch Versuche nach¬ 
gewiesen. Als Erreger der Krankheit scheinen 
kleinste Lebewesen in Betracht zu kommen, die 
selbst mit den neuesten technischen Hilfs¬ 
mitteln zurzeit noch nicht nachgewiesen werden 
können. 

Nachdem das Auswärtige Amt bereits 
durch Veröffentlichung einer Notiz in der 
Presse auf die Krankheit aufmerksam gemacht 
und vor dem Ankauf von Pferden aus den ver¬ 
seuchten Gegenden Frankreichs gewarnt hatte, 
erging seitens des Reichskanzlers (Reichsamtes 
des Innern) ein Rundschreiben an die Regie¬ 
rungen derjenigen Bundesstaaten, die für die 
Einfuhr französischer oder belgischer Pferde 


in Frage kommen, worin auf die Gefahr 
etwaiger Verschleppungen auf deutsches Ge¬ 
biet hingewiesen wurde. 

Das Grossh. Hess. Ministerium des Innern 
hat demgemäss die Grossh. Kreisveterinärämter 
mittels Erlasses vom 14. Februar 1905 (Amtsbl. 
No. 360) angewiesen, ein wachsames Auge auf 
die Angelegenheit zu haben, und beim Auf¬ 
treten oder beim Verdacht des Auftretens der 
fraglicheil Seuche sofort eingehend zu berichten. 

Preussen. Reg.-Bez. Gumbinnen. Po¬ 
lizeiverordnung, betr. Massregeln gegen die 
Rinderpest. Vom 12. Mai 1905. (Amtsbl. 
S. 169.) 

Auf Grund der §§ 137 und 139 des Gesetzes 
über die allgemeine Landesverwaltung vom 
30. Juli 1883 (Ges.-Samml. jS. 195) in Ver¬ 
bindung mit den §§ 6, 12 und 15 des Gesetzes 
über die Polizeiverwaltung vom 11. März 1850 
(Ges.-Samml. S. 265) verordne ich unter Auf¬ 
hebung der Polizei Verordnung vom 22. Oktober 
1889 (Amtsbl. S. 332) hierdurch nach erfolgter 
Zustimmung des Bezirksausschusses für den 
Umfang des Regierungsbezirks Gumbinnen fol¬ 
gendes : 

§ 1. Zuwiderhandlungen gegen die Be¬ 
stimmungen meiner, Massregeln gegen die 
Rinderpest betreffenden, landespolizeilichen 
Anordnung vom 30. März 1905 (Extra-Beil, 
z. Amtsbl. St. 13) werden, soweit sie nicht 
den Strafbestimmungen des Reichs-Strafgesetz¬ 
buchs und des Reichsgesetzes, betreffend Zu¬ 
widerhandlungen gegen die zur Abwehr der 
Rinderpest erlassenen Vieh-Einfuhrverbote vom 
21. Mai 1878 (Reichsges.-Bl. S. 95 ff.) unter¬ 
liegen, mit Geldstrafe bis zu 60 Mk., im Un¬ 
vermögensfalle mit entsprechender Haft be¬ 
straft. 

§ 2. Vorstehende Verordnung tritt mit dem 
Tage der Verkündigung in Kraft. 

Der Regierungspräsident. 

Aegypten. Die Regierung hat, da die 
Rinderpest zurzeit fast erloschen ist, die Auf¬ 
hebung der Erlaubnis der Vieheinfuhr aus ver¬ 
seuchten Ländern und eine anderweitige Re¬ 
gelung der bezüglichen Bestimmungen bean¬ 
tragt. Der internationale Gesundheitsrat hat 
darauf in der am 6. Juni 1905 stattgehabten 
Sitzung folgenden Beschluss gefasst, womit 
der rechtliche Zustand, wie er vor Ausbruch 


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Heft 5. 


* Fortschritte der Veterin&r-Hygiene. 


113 


der Rinderpest bestanden hat, im wesentlichen 
wiederhergestellt ist: 

Neue Massnahmen, betreffend die vom Aus¬ 
lande eingeführten Haustiere. 

1. Das aus verseuchten Ländern wie Klein- 
Asien etc. stammende Vieh wird bei Mex 
(Alexandrien) oder in Port-Said gelandet und 
in den Quarantänestationen abgeschlachtet. 
Gleichwohl können die aus verseuchten Län¬ 
dern stammenden Tiere nach Massgabe des 
Fleischkonsums in Kairo unmittelbar zur Ab¬ 
schlachtung nach dem Schlachthof in Kairo 
allein gesandt werden, unter Beobachtung der 
hierfür vorgeschriebenen Massnahmen. 

2. Das aus Suakim eingeführte Vieh muss 
in Suez ausgeschifft und in der Quarantäne 
geschlachtet oder unmittelbar zum Schlachthof 
in Kairo unter gleicher Bedingung gesandt 
werden. 

3. Die aus Russland, Mazedonien, Bul¬ 
garien, Rumänien oder anderen, nicht als ge¬ 
sund und frei von Seucheverdacht bezeichneten 
Ländern stammenden Rinder müssen bei La- 
zarat de Chathy (Alexandrien) ausgeschifft 
werden, wo sie 5 Tage in Quarantäne zu halten 
sind. Sind sie nach deren Ablauf als gesund 
bezeichnet, dann können sie direkt nach den 
Schlachthöfen von Tanta, Mansoura u. a. unter 
den vorgeschriebenen Massnahmen übergeführt 
werden. 


Referate. 

Allgemeine Bakteriologie. 

E. Hof Städter. Das Eindringen von Bak¬ 
terien in feinste Kapillaren. Arch. f. 
Hygiene 53, 3. 

Verfasser kommt zu folgenden Hauptergebnissen 
seiner Versuche: 

1. Die Zeit, in welcher ein Filter von einer 
bestimmten Bakterienart durchdrungen wird, ist 
in hohem Masse abhängig von der Bewegungs¬ 
fähigkeit und Grösse der betreffenden Bakterienart. 

2. Ausser den grossen Boren liesitzen die Klein¬ 
filter auch solche von grosser Feinheit, deren Vor¬ 
handensein durch die Anordnung der Bakterien in 
gefärbten Präparaten von Zellschliffen bewiesen 
wird. 

3. Für das Eindringen von Bakterien in feinste, 
mit Nährlösung gefüllte Kapillaren bestehen l>e- 
stiminte Grenzen; der Unterschied derselben ist 
im Vergleich zur Verschiedenheit der Grösse der 
angewandten Bakterienarten nur sehr gering. 

4. Ein Hiueindrängen der Bakterien in mit 
Nährlösung gefüllte Kapillaren, deren Durchmesser 


unterhalb der bestimmten Grenzen von 1,6—1,9 p 
liegen, findet nicht statt. 

6. Für das Einsaugen von Bakterien in leere 
Kapillaren bestehen gleichfalls bestimmte Grenzen 
von 1,6—2,3 p, unterhalb derer ein Eindringen der 
Bakterien nicht melir stattfindet. 

6. Die Zeiten, in denen mit Nährlösung ge¬ 
füllte Kapillaren von Bakterien durchdrungen 
werden, sind in hohem Masse abhängig von den 
Durchmessern der Kapillaren. Sie werden ferner 
wesentlich bestimmt durch die Grösse und Be¬ 
wegungsfähigkeit der betreffenden Bakterienarten. 

7. Unter Einwirkung eines Druckes von 3 Atm. 
gelingt es nicht, Bakterien durch Kapillaren hin¬ 
durchzupressen, durch die sie freiwillig nicht hin¬ 
durchgegangen sind. 

8. Durch Anwendung hoher Drucke von 80 
bis 100 Atm. werden die Bakterien durch noch 
engere Kapillaren hindurchgepresst als durch 
Wasserleitungsdruck. Auch hier bestehen für die 
verschiedenen Arten bestimmte Grenzen von 0,6 
bis 2,1 p, unterhalb derer ein Hindurchgehen der 
Bakterien auf keinen Fall stattfindet. Diese Grenzen 
werden in der Hauptsache bestimmt durch die 
Grösse der betreffenden Bakterienarten. Durch 
Kapillaren unter 0,4 p Durchmesser sind Bakterien 
unter keinen Umständen durchzutreiben. 

9. Absolut dichte künstliche (Ferrocyankupfer-) 
Membranen gestatten den Bakterien auf keinen Fall 
den Durchtritt. 

10. Das physikalische Verhalten derartiger, 
absolut keimdichter Membranen schliesst ihre 
praktische Verwertbarkeit für die Filtration aus, 
wie ülerliaupt Filter, deren Poren kleiner sind als 
die kleinsten Keime, zur Filtration nicht verwendet 
werden können, da durch sie Wasser nur unter 
Anwendung von hohem Druck hindurchgeht. 

Jacob. 

Uffenheimer. Die Durchgängigkeit des 
Magen dar mkanals neugeborener 

Tiere für Bakterien und genuine Ei¬ 
weissstoffe. M. Med. Wchschft. No. 32. 

Im Hinblick auf die Veröffentlichungen v. Beh¬ 
rings über die Tuberkuloseentstehung macht Verf. 
eine vorläufige Mitteilung über die Ergebnisse 
seiner Fütterungsversuche. 

Bei zahlreichen Fütterungs versuchen mit 
Mikrokokkus tetragenus, Milzbrandbacillus (44 
Neugeborene), Tuberkelbacillus (36 Neugeborene) 
und dem Bae. prodigiosus beim Meerschweinchen 
zeigte sich, dass der Magendarmkanal dieses Tieres 
auch in der Zeit direkt nach der Geburt für Mi¬ 
kroben nicht durchgängig ist, mit alleiniger Aus¬ 
nahme des Tuberkelbacillus. Bei diesem folgte 
regelmässig der einmaligen Fütterung, auch von 
recht geringen Kulturmengen, die Erkrankung der 
Tiere an Tuberkulose. Eine solche trat aber eben¬ 
so bei alten Meerschweinchen ein; es kommen 
lediglich, dem verschiedenen Alter und der ver¬ 
schiedenen Grösse der Tiere entsprechend, Unter¬ 
schiede in der zur Infektion nötigen Kulturmenge 


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114 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


3. Jahrgang. 


in Betracht. Bei den Versuchen mit Milzbrand 
bacillen wurden auch stärkst vir ulente Stämme, die 
für Kaninchen pathogen waren, verwendet, ebenso 
sporenhaltiges Material. Auch die genauesten histo¬ 
logischen und kulturellen Organuntersuchungen 
blieben negativ. Bei den Tuberkelbacillen erfolgte 
die Infektion teils von der Mundhöhle aus, teils 
vom Magendarmkanal, zumeist vom Processus ver¬ 
miformis aus. Die Bacillen durchwanderten die 
Schleimhaut ohne ihre Integrität zu stören. In 
nicht wenigen Fällen trat eine gleichzeitige Tuber¬ 
kuloseerkrankung an verschiedenen Stellen auf. 
Ein Entwicklungsgang der alimentären Meer¬ 
schweinchentuberkulose, wie ihn v. Behring be¬ 
schreibt, konnte bei diesen Beobachtungen nicht 
gefunden werden. 

Die Fütterungsversuche mit gemeinen Eiweiss- 
körpem ergaben, dass von einem spezifisch hämo¬ 
lytischen Serum und von Kuhmilchkasein bei den 
neugeborenen Meerschweinchen nichts resorbiert 
wurde. Von Hühnereiweiss wurde nur ausnahms¬ 
weise eine geringe Quantität ins Blut aufgenommen. 
Antikörper wurden nach der Verabreichung der 
drei beschriebenen Eiweissstoffe nie gebildet. 

Bei Fütterung von Diphtherie- und Tetanus¬ 
antitoxin trat aber bei den neugeborenen, jedoch 
nicht bei einem alten, Meerschweinchen ein Ueber- 
gang kleiner Mengen in das Blutserum auf. 

Aus diesen Untersuchungen ergab sich also 
die Regel, dass beim neugeborenen Meerschwein¬ 
chen im allgemeinen weder Bakterien noch ge¬ 
meine Eiweissstoffe von der Mage n darmschleim- 
haut aufgenommen werden, mit Ausnahme der 
Tuberkel bacillen und der Antitoxine. Kontroll- 
versuclie beim neugeborenen Kaninchen zeigten, 
dass hier regelmässig der Uebergang von Bacillus 
prodigiosus und von Hühnereiweiss in ziemlich 
ansehnlichen Mengen erfolgte. 

Es ist also der exakte Beweis geliefert, dass 
der Intestinaltraktus des neugeborenen Meer¬ 
schweinchens sowohl den gemeinen Eiweiss¬ 
körpern wie den Bakterien gegenüber ein anderes 
Verhalten zeigt, wie der des Kaninchens und anderer 
entfernter Tierarten. Histologisch gleicht nach 
den Versuchen des Verfassers die Magenschleim- 
liaut des neugeborenen Meerschweinchens der des 
älteren Tieres ausserordentlich; ein Unterbrochen¬ 
sein der Schleimschicht, wie Disse es beschreibt, 
hat Verf. nie feststellen können. Jacob. 

K. Helly. Versuche über Exsudatzellen 
und deren Beeinflussung durch Bak¬ 
terien. Ctbl. f. Bakt. 39, 1. 

Verf. hat schon in einer früheren Arbeit Unter¬ 
suchungen angestellt über den Einfluss von dem 
Organismus einverleibten Infektionserregern auf die 
weissen Blutkörperchen und hat dabei funktionelle 
und degenerative Veränderungen gefunden, Auf¬ 
treten phagocytärer Tätigkeit, Vakuolisierung und 
Kernteilung, Entartung der Granula. Amphopliile 
Leukocyten und Lymphocyten unterscheiden sich 
durch die Art ihrer Tätigkeit und durch ihre 


degenerativen Veränderungen. Auch besteht eine 
spezifische Verschiedenheit der Lymphocyten und 
Leukocyten, eine Artgleichheit der Exsudatzellen 
mit den im strömenden Blut nachweisbaren Formen 
weisser Blutkörperchen. 

Eines der interessantesten Ergebnisse war das, 
dass verschiedene Bakterien an den Exsudatzellen 
auch verschiedene Veränderungen hervorbringen. 
Es war die Frage, ob diese morphologischen Ver¬ 
änderungen und ilrre Unterschiede spezifischen 
Bakterientoxinen zuzuschreiben sind, oder ob sie 
Folge von Wirkungen sind, die etwa von Stoff¬ 
wechsel- und Zerfallsprodukten ausgingen, die in 
den Exsudaten zur Entwicklung kamen. Im erstcren 
Fall lägen biologische, im letzteren mechanische 
Wirkungen vor. Nach Versuchen von Denys. 
v. d. Velde, Bail, Neisser und Wechsterv ist es 
möglich, durch Immunisierungsverfahren die sonst 
im vitalen Präparate durch Zusatz von Staphy- 
lotosein eintretenden Leukocytenveränderungen 
hintanzuhalten. Verf. wiederholte diese Versuche 
aber am lebenden Tier, indem er sterilisiertes 
Aleuronat in bakterienfreiem Infiltrat von Bouillon- 
kulturen zur Aufschwemmung brachte und intra- 
pleural injizierte. Es wurden Filtrate von Staphy¬ 
lokokkenkulturen, Diphtherie- und Pneumonie¬ 
bacillen (Friedländer) verwendet. 

Die Injektion des Staphylokokkenfiltrates er¬ 
gab charakteristische Veränderungen der Leuko¬ 
cyten, die aber ausblieben, wenn das Tier mit 
subkutanen Injektionen von Staphylokokkenfiltrat 
vorbehandelt war. Man kann dies in dem Sinn 
deuten, dass die Immunisierung eine Aufhebung 
der leukocytenßcliädlichen Wirkungen des Filtrates 
zur Folge hatte. Bei einem Staphvlokokkenimmun- 
tiere, dem eine nicht sterile. al>er keine »Staphylo¬ 
kokken enthaltende Aleuronatfiltratmischung ein¬ 
gespritzt worden war, trat ein Exsudat auf, dessen 
Zellen deutlich geschädigt, waren, wobei aber das 
charakteristische Blasigwerden der Zellen ganz 
fehlte, ebenso die im steril injizierten Immuntiere. 
Es ist also die Schädigung nicht auf das Filtrat, 
sondern auf die in der Mischung enthaltenen 
Keime zurückzuführen. 

El>enso zeigten sich auch bei Versuchen mit 
Diphtherietoxin charakteristische Veränderungen, 
die nach Immunisierung des Tieres ausblieben. 
Auch bei Kombination der Versuche traten ent¬ 
sprechende Ergebnisse zutage. Es wurden »Staphylo¬ 
kokkenimmuntieren Aleuronataufschwemmungen in 
einem Gemenge von Staphylokokken- und Diph¬ 
theriefiltrat injiziert, el>enso einem Diphtherie¬ 
immuntier. Bei ersterem Versuch beherrschte die 
Diphtheriewirkung das histologische Bild des Ex¬ 
sudates. bei dem andern die Staphylokokken¬ 
wirkung. 

Was das Verhalten der Exsudatzellen selbst 
betrifft, ist anzunehmen, dass dieselben in deu 
verschiedenen Teilen ihres Zellleibes verschieden 
reagieren, je nachdem das eine oder das andere 
Toxin auf sie wirkt. Man sieht bald das Zell- 


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Heft 5. 


Fortschritte der Veteri n&r-Hygiene. 


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protoplasma, bald den Kern, bald die Granula als 
besonders geschädigten Bestandteil auftreten. Es 
liegt nahe, anzunehmen, dass gleicherweise auch 
die verschiedenen Funktionen der Leukocvten in 
verschiedenem Masse beeinflusst werden. 

Jacob. 

W. Rosenthal. Versuche über die Erzeu¬ 
gung hochwertiger Ag g 1 u t i nat i o n s - 
sera und über die Beziehungen zwi¬ 
schen Bakterien und Agglutinin. 
Physik. Mediz. Ges. Erlangen, Ref. im Ctbl. f. 
Bakteriologie. B. 36, 14—17. 

Um ein Typhusbacillen stark agglutinierendes 
Kaninchenserum ohne Injektion lebender Bakterien 
zu erhalten, injizierte Verf. Aufschwemmungen 
24 ständiger Agarkulturen in 1 o/o Formalin. Die 
Injektionen erfolgten alle 10 Tage zuerst subkutan, 
dann intravenös (l/ 6 Agarkultur). Es konnten in 
4—6 Wochen Agglutinationswerte von 1:10 000 bis 
1:30000 erzielt werden. Ein Parallel versuch mit 
jungen Tieren eines Wurfes zeigte, dass mit den 
formolisierten Bakterien ebenso hohe Agglutina¬ 
tionswerte wie mit lebenden zu erreichen waren, 
bei besserem Befinden des Versuchstieres. Mit Bak¬ 
terien, die durch Erhitzen auf 61—64° abgetötet 
waren, gelang es nicht, so hohe Agglutinations- 
werte in der gleichen Zeit zu erzielen; vielleicht 
sind Bakterien, die nicht über 61 0 erhitzt waren, 
den Formolbakterien gleichwertig. 

Die Versuche über die quantitativen Beziehun¬ 
gen zwischen Bakterien und Agglutinin stellte Verf. 
in der Weise an, dass er nach Proeschers Vorschrift 
hergestellte, formolisierte Bouillonkulturen derart 
mit mehreren Reihen Serumverdünnungen ansetzte, 
dass in den einzelnen Reihen die ein- bis dreifache 
Bakterienmenge im Volum enthalten war. Die 
Proben wurden in engen Röhrchen bei mindestens 
40 0 gehalten und makroskopisch mit der Lupe 
21 Stunden lang beobachtet. 

Bei Vergleich der Endresultate nach 21 Stunden 
zeigte sich die Agglutinationsprobe um so emp¬ 
findlicher, je weniger Bakterien zugesetzt waren 
und zwar waren die Verdünnungsgrenzwerte an¬ 
nähernd umgekehrt proportional der Bakterien¬ 
menge. Es besteht also eine quantitative Beziehung 
zwischen der Agglutininmenge und der Bakterien¬ 
masse, die von der Verdünnung ziemlich unab¬ 
hängig ist. 

Dies gilt aber nur für die Beobachtung nach 
vielen Stunden; nach der ersten halben Stunde war 
tatsächlich nur die Serumverdünnung, nicht die 
Menge der zugesetzten Bakterien für das Ergeb¬ 
nis entscheidend. 

Man kann also bei den üblichen, zu diagnosti¬ 
schen Zwecken angestellten Agglutinationsproben, 
die nach ca. 2 Stunden abgeschlossen sein sollen, 
auf eine genaue Dosierung der Bakterienmasse 
verzichten. Wenn man aber längere Zeit be¬ 
obachten und den Agglutinationswert genau be¬ 
stimmen will, dann darf man nur solche Versuche 


miteinander vergleichen, bei denen genau die gleiche 
Menge toter Bakterien zugesetzt war. 

In einem anderen Versuche über den Ueberschuss 
des gebundenen Agglutinins über das zur völligen 
Agglutination nötige, wurde nach 24 Stunden bei 
einer Doppelreihe von Verdünnungen, bei denen 
die zugesetzten Bakterienmassen sich wie 1:3 ver¬ 
hielten, aus all den Röhrchen, in denen vollständige 
Klärung eingetreten war, die gleiche Menge klarer 
Flüssigkeit abpipettiert und von neuem mit einer 
kleinen Menge Bakterienbouillon angesetzt und ab¬ 
gewartet, in welchen Proben nach 24 Stunden noch 
vollständige Agglutination eintrat. Aus dem Ver¬ 
gleich des ersten und zweiten Versuchs ergab sich, 
dass die Bakterien in beiden Parallelreihen min¬ 
destens die 14fache bezw. 12,3fache Agglutinations- 
menge gebunden hatten, die zu ihrer vollständigen 
Agglutination ausreichte. Jacob. 

Lewaiidowtky. Ueber das Wachstum von 
Bakterien in Salzlösungen vonhoher 
Konzentration. Archiv für Hygiene. Bd. 49. 

Während gewöhnlich als höchster Kochsalz¬ 
gehalt der Nährmedien, bei dem noch Bakterien- 
wachstum beobachtet werden konnte, ein solcher 
von etwa 15% galt, vermochte Verf. durch seine 
Versuche nachzuweisen, dass sich gewisse Bakterien 
noch bei einem Gehalt von 25 Teilen Kochsalz zu 
100 Teilen Bouillon vermehrten. Weiterhin beob¬ 
achtete Verf., dass die Kalisalze die Bakterien 
weniger schädigten als die Natriumsalze, ln kon¬ 
zentrierter Salpeterbouillon fand üppige Bakterien- 
Vermehrung statt. Profö. 

Maurice Boigey. Hebers, g. acidophile Bak¬ 
terien. Arcli. (len. de Med. 1905, No. 48. 

Die Säurefestigkeit wurde früher als eine fast 
ausschliessliche Eigenschaft geringer Menge von 
Bacillen, vor allem aber des Kochschen Bacillus 
betrachtet. Schon im Jahre 1881 aber entdeckte 
Lustgarten viele acidophile Mikroben; ähnlich ist 
es Koch und Petri gelungen, dieselben in Milch 
und Butter zu finden. Die Forschungen von Ra- 
binowitsch, Korn, Coggi u. a. haben neuerdings 
sechszehn Abarten von diesem Bakterientypus ent¬ 
deckt. B o i g e y fand sie in allerlei Stoffen und 
nämlich: im Sputum bei Pneumonia gangraenosa, 
in den Ausleerungen bei Disentherie, im Konjunk- 
tivalsclileim bei croupöser Lidsackentzündung, im 
Eiter bei Mittelohrentzündung und Balanitis, 
schliesslich in der Milch, Butter und im Käse. 

Die Anwesenheit dieser Bacillen in den oben¬ 
genannten Substanzen kann wegen ihrer morpho¬ 
logischen Aehnlichkeil und Süurefcstigkeit, falsche 
Diagnose der Kochschen Bacillen verursachen, um 
so mehr als auch die pathologischen, durch säure¬ 
feste Bakterien hervorgerufenen Veränderungen, 
denen durch den Tb.-Bacillus bedingten sehr 
ähneln. Es gibt al>er drei Merkmale, auf Grund 
deren die säurefesten Mikroben vom Tb.-Bacillus 
leicht unterscheidbar sind: 1. Die Kulturen der 
acidophilen Bakterien gedeihen auf allen Nähr¬ 
böden bei Zimmerwärme; 2. wenn man das mikro- 


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Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


3. Jahrgang« 


skopische Präparat der acidophilen Bakterien vor 
dem Abfarben mit heissem Wasser, Chloroform 
oder Aether behandelt, verlieren diese Bacillen 
ihre Säurefestigkeit fast gänzlich; 3. Serum, wel¬ 
ches die Tb.-Bacillen agglutiniert, zeigt keine dies¬ 
bezügliche Wirkung auf acidophile Bakterien. 

Auf Grund obiger Betrachtungen gelangt Verf. 
zur Ueberzeugung, die acidophilen Bakterien seien 
nur verschiedene Abarten einer und derselben Bak¬ 
terienspezies, deren bekanntester Repräsentant der 
Tb.-Bacillus ist. Baczynski. 

Zieler. Zur Färbung schwer färbbarer 
Bakterien (K o t z b a c i 11 e n etc.) in 
Schnitten der Haut und anderen 
Organen. Ctbl. f. allg. Pathol. B. 14. No. 14. 

Verf. empfiehlt folgendes, von ihm erprobtes 
Verfahren zum Nachweis der Rotzbacillen, Typhus¬ 
bacillen, Gonococcen etc. im Gewebe: 1. Fixierung 
und Färbung (beliebig) Paraffineinbettung oder 
Entfernen des Celloidins vor dem Färben*; 

2. Färben über Nacht in der von V. Trauter an¬ 
gegebenen schwachen Orceinlösung: Orcein D 
(Grübler) 0,1; Offiz. Salpetersäure 2,0; Alkohol 
70 o/o 100,0; 3. Abspülen in 70 o/ 0 Alkohol; 4. Wasser; 
5. Färbung in polychromem Methylenblau; 6. 

destilliertes Wasser; 7. Differenzieren in Glyzerin- 
Aethergemisch (Grübler); 8. destilliertes Wasser; 
9. Alkohol 70 o/ 0 , Alkohol absol., Nylol, Balsam. 

Auf diese Weise wird eine schwache Färbung 
der Kernsubstanz erzielt. Das Protoplasma zeigt 
eine dunkel-hellblaue Farbe. Der Untergrund er¬ 
scheint farblos oder höchstens leicht braun ge¬ 
färbt. Rotzbacillen und Gonococcen sind dunkel- bis 
schwarzblau, Typliusbacillen rötlich violett gefärbt. 
Die Mikroorganismen heben sich demnach deutlich 
von dem hellen Untergründe ab. Die so behandelten 
Schnitte besitzen eine genügende Alkoholfestigkeit. 

Jacob. 

Kern. Ein neues Baktcrienfiltcr. (Ctbl. 
f. Bakt. 39, 2.) 

Die Anregung zur Konstruktion die.-es Filtcis 
entstammt demselben Prinzip, auf Grund dessen 
Verf. das Reichelsehe Filter verbesserte. Das Filter 
t>esteht aus einer Porzellanschale, deren Boden in 
der Mitte durchlocht ist. Uebcr dem Loche ist 
die Filterkerze, deren blindes Ende hinauf, da* 
offene an dem Loche am Boden endet und einer 
Einstülpung des Bodens gegen das Lumen der 
Schale ähnlich ist. Unter dem Schalenboden ist 
ein Ansatzrohr, das in das Lumen der Kerze führt. 
Schale, Kerze und Ansatzrohr sind in einem Stück 
aus Ton gearl »eitet, Schah* und Ansatzrohr sind 
mit Glasur ül»erzogen. 

Während die Schale die zu filtrierende Flüss'g- 
keit auf nimmt« dient das Ansatzrohr dazu, um mit 
ihr mit Hilfe eines Gummistöpsels das Filter dem 
Halse einer Vakuumflasche aufsetzen zu können, 
in welch letztere sich das Filtrat aus der Ton¬ 
kerze durch die Ansatzröhre entleert. Das Lumen 
der Röhre ist so weit gehalten, dass mittelst einer 
Bürste die Filterkerze von innen gut zu reinigen 


ist. Dabei aber ist die Röhre selbst nicht zu dick, 
um sie mittelst eines durchlochten Gummistöpsels 
gewöhnlichen Vakuumflaschen aufsetzen zu können. 
Die Tonkerze ist oben abgerundet, ihr Scheitel¬ 
punkt liegt unter dem Schalenniveau, ihr Lumen 
ist bloss durch das Ansatzrohr mit der Aussen- 
welt bezw. beim Filtrieren mit der Vakuumflasche 
verbunden. 

Die Vorteile, die dieses Filter andern gegen¬ 
über bietet, sind folgende: 

1. Es hat nur eine und leicht zu bewerk¬ 
stelligende Dichtung, jene zwischen Filter und 
Vakuumflasche. 

2. Es besteht nur aus einem Tonstück und 
einer Gasglocke, die beide leicht mechanisch ge¬ 
reinigt und sterilisiert werden können. 

3. Wenn das Filter auch nicht ganz gefüllt 
ist, so kann die Luft doch nicht die Kerze durch¬ 
ziehen und das Vakuum verringern. 

4. Es filtriert auch dann die ganze Kerzen¬ 
masse, wenn verhältnismässig nur wenig Flüssig¬ 
keit in der Schale ist; es ist also zum Filtrieren 
kleinerer Quantitäten ebenfalls geeignet. 

6. Der Preis ist geringer. 

Das Filter ist von der Firma F. & M. Lauten¬ 
schläger in Berlin ausgeführt und kostet mit Glas¬ 
glocke 10,50 Mk. Jacob. 


Immunität und Schutzimpfung. 

Sacconaghi. Leukocytose, leukocyten- 
bildende Organe, Immunität. Societä 
editr. Milano, Ref. d. M. Med. Wchschft. No. 29. 

Verf. l>ehandelt in einer längeren Abhandlung 
die Leukocytose, die Leukocvtenbilduug und das 
Verhältnis derselben zur Immunität und Anti¬ 
körperbildung. Als Versuchstiere benutzte er Ka¬ 
ninchen, die deshalb besonders geeignet sein sollen, 
weil ihr Blut und ihre blutbildenden Organe denen 
des Menschen am nächsten stehen. Als Injektions¬ 
substanz dienten die aus Pferdeserumalbunin mittels 
schwefelsaurem Ammoniak gefüllten Präcipitine. 

Verf. kommt zu dem Ergebnis, dass dem 
Knochenmark die Bildung der Antikörper zukommt. 
Während die älteren hämoleukocytischen Elemente 
zerfallen, sind es die jüngeren myeloleukocytisclien, 
die energisch reagieren und Antikörper bilden. 

Die medulläre Hyperplasie zeigt sich langsam 
und sehr schrittweise vor allem in einer Ver¬ 
mehrung der myelocytischen Elemente und die 
Leukocytose erscheint, und zwar intensiv gleich 
von Beginn an, mit einer Vermehrung der hämo¬ 
leukocytischen Formen. Es ist aber mit der Ver¬ 
mehrung dieser Formen keine Immunitätserschei¬ 
nung verbunden, während die Immunität gebunden 
erscheint an eine vorwiegend Myeloleukocyten er¬ 
zeugende Hyperplasie des Knochenmarks. 

Die Verteidigungskräfte des Organismus müssen 
indirekt zur Proliferation dieser jungen Formen 
beitragen; nachdem die Hämoleukocyten kaum ihr 
erstes Jugendstadium durchlaufen haben, müssen 
sie schon als unbrauchbar gewordenes Material an 


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Heft S. 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


das Mark gelangen und von diesem, das genötigt 
ist, sich immer neue Kräfte zu verschaffen, ver¬ 
arbeitet werden. So hat man auch eine Erklärung 
für die intensive Leukoeytose gleich im Begimi, 
wie für die entsprechende Verminderung der hämo- 
leukocvtischen Formen von dem Augenblick an, 
wo die myelocytisehe Hyperplasie des Knochen¬ 
marks l>eginnt und das Phänomen der Immunität 
erscheint. Jetzt sind die häinoleukocytischen 
Elemente wie die myelocytischen vermehrt, aber 
es ülierwiegen die letzteren ülx?r die ersteren. Auch 
die Megakarocyten Bizzozeros finden sich propor¬ 
tional der allgemeinen Hyperplasie vermehrt und 
vielleicht in noch höherem Grade; besonders reich¬ 
lich sind die Lcukocytenformen, die in ihrem 
Protoplasma sich eingeschlossen finden. 

Jacob. 

S. Capellani. Dell’azione protettiva dei 
leucociti contro i vileni batterici. 
La Rif. med. 1903 No. 19. 

Verf. wollte feststellen, ob die Leukocyten den 
giftbindenden Faktor darstellen, ob ferner der 
tierische Organismus den Leukocyten seine Wider¬ 
standsfähigkeit gegen die Einwirkung bakterieller 
Gifte verdankt und in welcher Weise diese Ele¬ 
mente ihre Wirksamkeit entfalten. 

Die Versuche wurden mit Diphtherietoxin an 
Meerschweinchen angestellt. In einer ersten Reihe ! 
von Versuchen hat Verf. durch Injektionen von 
Staphylocoeciis aureus Entzündungen unter der 
Haut hervorgerufen und in die entzündete Stelle 
das Gift in der für Meerschweinchen bestimmten 
minimalen letalen oder auch in grösserer Dosis 
injiziert. Die Tiere blieben am Leben. Um jeden 
Zweifel auszuschliessen, dass etwa die Eiter- , 
erreger oder ihre Stoffwechselprodukte das injizierte 
diphtherische Toxin hätten binden können oder zer- j 
stören, verwandte Verf. zur Erzeugung lokaler Ent- ‘ 
ziindungskerde Terpentinöl und Milchsäure und ; 
injizierte danach das Gift. Das Ergebnis war immer 
dasselbe. 

Wurde das Toxin nicht an derselben Stelle, 
sondern an einem andern Punkte des Körpers in¬ 
jiziert, so trat der Tod wie bei den Kontroll- 
tieren ein. 

Es war die Frage zu lösen, ob diese ver¬ 
mehrte Resistenz einer verringerten Resorption oder 
einem andern Faktor zuzuschreiben war. Verf. 
injizierte daher Aleuronat in die Bauchhöhle der 
Meerschweinchen und dann das Toxin. Auch diese 
Tiere blieben am Leben. 

Auf Grund dieser Ergebnisse glaubt Verf. 
schliessen zu können, dass die Leukocyten nicht 
allein die Fähigkeit besitzen, den tierischen Or¬ 
ganismus gegen eine Invasion von Mikroorganismen 
zu schützen, sondern auch die Wirkung von che¬ 
mischen und bakteriellen Giften zu vernichten. 
Diese Eigenschaft soll nach der Ansicht des Verf. 
besonders den eosinophilen Zellen zukommen, da 
diese eine Substanz enthalten, die in besonderer 


117 

Weise auf bakterielle Toxine reagiert und deren 
Wirkung aufhebt. Jacob. 

Turro u. Suner. Der Mechanismus der 
natürlichen I m m u n i t ä t auf physio¬ 
logischer Grundlage. Ctbl. f. Bakt. 39. 
1 u. 2. 

Die Verff. stellen ihre Hauptgesichtspunkte und 
Ergebnisse in folgenden Schlussbemerkungen' zu¬ 
sammen : 

Die Injektion mit Kochsalzlösung in grossen 
Dosen steigert die Widerstandskraft des Kaninchens 
gegen Milzbrand oder Streptokokkeninfektion. Das 
gleiche dürfte bei andern Infektionen der Fall 
sein. Die Kochsalzinjektionen machen im Zell¬ 
plasma eine Menge Alexine frei, die die bakterizide 
Kraft der Flüssigkeiten steigern und das Plasma 
unter Bedingungen stellen, die im Falle einer ge¬ 
steigerten Löslichkeit der Plasmen den Organ¬ 
widerstand steigern. Wir folgern also daraus, 
dass die Plasmen aller Organe in vitro bakterizid 
wirken, vorausgesetzt, dass sie in Lösung gehen. 
Es ist dies ein so überaus klares Faktum, dass 
wir eine experimentelle Widerlegung für unmög¬ 
lich halten. Auch die Steigerung des Organ Wider¬ 
standes erklärt sich dann zur Genüge aus der 
plasmolytischen Wirkung der Kochsalzinjektion. 
Im Organismus kommen ähnliche Vorgänge vor. 
wie in vitro bei Maeeratiou der Milzpulpa oder 
des Nierenparenchyms, die nur dann eine bakterio- 
lytische Tätigkeit entfalten können, wenn sie lös¬ 
lich sind. Die natürliche Immunität — worunter 
wir den Gesamtwiderstand verstehen, den der 
Organismus einer Infektion entgegenstellt, nicht 
bloss sein refraktäres Verhalten — wird in letzter 
Linie verursacht durch den Mechanismus, der die 
Löslichkeit, und damit die Aktivität der mit bak- 
teriolytischen Eigenschaften ausgestatteten Plas¬ 
men besorgt. Das Meerschweinchen bildet für 
den Milzbrand einen nicht gerade guten Nährboden. 
Es setzt der Einwirkung des gefährlichen Parasiten 
einen schwachen al)cr nachdrücklichen Widerstand 
entgegen. Schon stärker ist dieser beim Kaninchen. 
Er wächst beim Rinde und steigt graduell beim 
Ochsen und lieim Menschen und erreicht seinen 
Höhepunkt beim Hunde. Der geschilderte Grad 
der Immunität, resp. die Verteidigungsmittel des 
Organismus sind im Grunde genommen abhängig 
von der bakteriolvtiscben Kraft der Zelle, und 
diese Kraft steht in direktem Verhältnis zur Lös¬ 
lichkeit: Wenn ein Gewebe seine Konsistenz ver¬ 
mehrt, dergestalt, dass seine Enzyme nur wenig 
diffusionsfällig sind, so verringern sich seine Ver¬ 
teidigungsmittel; gerinnt es ganz, so sind sie gleich 
Null und das Gewebe bleibt schutzlos. Wenn da¬ 
gegen nichts die osmotische Kraft des Zellplasmas 
einschränkt, wenn es mit Leichtigkeit an die 
Körpersäfte mit proteolytischen Eigenschaften aus¬ 
gestattete Substanzen abgibt, so werden sich nur 
schwer Infektionserreger ansiedeln in den Geweben 
und sich nur schwer in den Flüssigkeiten ent¬ 
wickeln können, wenn nur die bakteriziden Kräfte 


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3. Jahrgang. 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


in direktem Verhältnis zur physiologischen Energie 
der Stammzellcn stehen. So sehen wir denn, dass, 
wenn man künstlich die Löslichkeit des Kaninchen¬ 
plasmas steigert, das Tier sich, solange der experi¬ 
mentelle Eingriff vorhält, dem Milzbrand gegenüber 
wie der Hund verhält. Ist die Wirkung des Ein¬ 
griffs erloschen, so unterliegt das Kaninchen, 
während der Hund ausserordentliche Verteidigungs¬ 
mittel besitzt, leicht, indem es wieder seinen 
normalen physiologischen Tonus einnimmt. 

Im Grund genommen, ist der Mechanismus 
der natürlichen Immunität gerade das Gegenteil 
vom Mechanismus der Infektion; es sind zwei ganz 
entgegengesetzte Prozesse, denn der Organismus 
wird infiziert durch seine Koagulationsfähigkeit 
und verteidigt sich durch sein Lösungsvermögen. 

Jacob. 

J. Schnürer. Zur präinfektionellen Im¬ 
munisierung der Hunde gegen Lyssa. 
Ztscht. f. Hyg. B. 51, 1. 

Von 25 Hunden, die in verschiedener Menge 
virulentes Material subkutan erhalten hatten, starb 
ein Hund an Impflyssa (paralytische Lyssa); er 
hatte allerdings die sehr grosse Menge von 1,8 g 
Mark erhalten, die durch die beigegebene Immuni¬ 
sierungsdosis offenbar nicht genügend abgeschwächt 
worden war. Vier Hunde, die die gleiche Dosis 
erlialten hatten, blieben gesund. Drei Hunde 
starben, ohne auf ihre Immunität geprüft zu sein. 
Der eine an Tänien, der zweite an Pyämie, der 
dritte an Hydrocephalus. Von den übrigen 21 
Hunden wurden 14 der sulxluralen Infektion (8 
mit Virus fixe, 6 mit Strassenwut), 3 der intra¬ 
muskulären (2 mit Strassenwut, 1 mit Virus fixe), 
2 der intramuskulären und später der subduralen 
Infektion stets mit Strassenwut unterworfen, 2 
Immunhunde wurden den Bissen wütender Hunde 
ausgesetzt. 

Von den 8 subdural mit Virus fixe infizierten 
Hunden starben 6. Davon 2 am Tage nach der 
Infektion, so dass ihre Immunität zweifelhaft blieb; 
einer am 7. Tage, ohne dass sein Gehirn infektiös 
war. Vielleicht hat die Staupepneumonie, verbunden 
mit allgemeiner Kachexie das Zustandekommen der 
Immunität verhindert. Bei einem Hund war aviru¬ 
lentes Mark verwendet worden, ein anderer war 
sehr jung (nur 4 Wochen alt). Von den 6 mit 
Strassenwut subdural geprüften Tieren starb nur 
ein junger, 4 Wochen alter, die übrigen blieben 
refraktär. Von den übrigen Tieren starb keines. 
Wenn nun auch vom streng wissenschaftlichen 
Standpunkte die Prüfung der Verlässlichkeit der 
Immunisierungsmethode gegen Lyssa die Unemp¬ 
fänglichkeit der Immunhunde auch gegen sub¬ 
durale Infektion gefordert werden , muss, welcher 
Forderung in den vorliegenden Untersuchungen in 
14 Fällen mit 7 Todesfällen entsprochen wurde, 
so ist andererseits jedoch auch schon die Immu¬ 
nität gegen intramuskuläre Infektion, wie sie bei 
5 Hunden zur Anwendung kam, sicherlich für 
praktische Zwecke ausreichend, da ja die experi¬ 


mentelle Infektion durch mehrere Kubikzentimeter 
dicke Markemulsion tief in die Muskeln injiziert 
die natürliche Infektion an Menge des Materiales 
weitaus übertreffen dürfte. Ausserdem haben auch 
2 Hunde, die bereits die intramuskuläre Infektion 
überstanden hatten, späterhin sich refraktär auch 
gegen die subdurale Infektion erwiesen. 

Was nun die Dauer der Immunisierung und 
die Zahl der Einzelimpfungen anbelangt, so waren 
von den 2 gegen die subdurale Infektion mit Virus 
fixe refraktären Hunden einer durch 40 Tage mit 
28 Einzelimpfungen, der 2. jedoch nur einer ein¬ 
tägigen Behandlung mit einer Einzelimpfimg unter¬ 
zogen worden. Die 5 gegen subdurale Impfung 
mit Strassenvirus refraktären Hunde waren, eben¬ 
so wie die gegen intramuskuläre und spätere sub¬ 
durale Infektion und auch die gegen Wutbisse 
refraktären nur ein einzigesmal injiziert worden. 
Nur ein intramuskulär geprüfter und immun be¬ 
fundener Hund hatte eine 40 tägige Impfung mit 
28 Einzelimpfungen durchgemacht. 

Die Richtung, in welcher die weiteren Ver¬ 
suche vorzunehmen sind, um das angestrebte Ziel, 
eine möglichst einfache, sichere und gefahrlose 
Immunisierungsmethode der Hunde gegen Lyssa 
zu finden, ist nach den vorliegenden wenigen Ver¬ 
suchen klar vorgezeichnet. Nach dem Prinzip der 
kombinierten Methode soll ein Verfahren ausge¬ 
arbeitet werden, das unter Benutzung entsprechend 
hochwertigen Serums und unter Berücksichtigung 
der dem Körpergewicht, evtl. Alter und Rasse ent¬ 
sprechenden Menge virulenten Markes den Hun¬ 
den einen sicheren Schutz gegen subdurale und 
intramuskuläre Infektion verleiht. Jacob. 

E. Bertarelli. Ueber aktive und passive 
Immunisation der Neugeborenen und 
S ä u g linge durch die Verdauungs¬ 
organe. C. f. Bakt. B. 39, 3. 

Verf. legte sich folgende Fragen vor: Gibt 
die aktive und passive Immunisation durch den 
Magendarmkanal beim Neugeborenen und Säugling 
wirklich bessere Resultate als beim Erwachsenen ! 
Ist es demnach vom biologischen Gesichtspunkte 
aus gestattet, auf eine solche Immunisations- 
methode Hoffnungen zu bauen? 

Bei der aktiven Immunisation ist ein wich¬ 
tiger Umstand des Alters des Tieres in Beziehung 
zu den einzelnen Gattungen, denn die fortschrei¬ 
tende Entwicklung des Magendarmkanals und die 
Funktion desselben ist bei den verschiedenen Tier¬ 
arten in genau dersellien Lebensperiode verschieden. 
Zu den Versuchen wurden vor allem Hunde ver¬ 
wendet und lebende und tote Kulturen von Typhus¬ 
bacillen. Es zeigte sich nun in der ersten Ver¬ 
suchsreihe, dass die neugeborenen Hunde keine 
Agglutinin« zu bilden vermögen, und dass eine 
merkliche Bildung von agglutinierenden Anti¬ 
körpern erst nach 4—5 Tagen beginnt. Bei den 
Säuglingen hat man unter gegebenen Verhältnissen 
eine etwas höhere Agglutininbildung als bei den 
Erwachsenen. 


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Heft 5. 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


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Aehnliche und gleichartige Versuche wurden 
zwecks Immunisat ion erwachsener und neugeborener 
Tiere gegen Zellelemente ausgeführt. Es dienten 
dazu Hunde und Kaninchen und als Immunisations- 
element Blutkörperchen von Hühnern. Bei neu¬ 
geborenen Kaninchen waren sehr viele Versuche 
nötig, ehe es gelang, einige der behandelten Tiere 
am Leben zu erhalten. Es zeigte sich nun, dass 
die Bildung der hämolytischen Antikörper (Ambo¬ 
zeptoren) sowohl bei Hunden als auch bei Ka¬ 
ninchen in den ersten Lebenstagen nicht statt¬ 
findet, sondern anscheinend erst gegen den vierten 
oder fünften Tag beginnt, und wahrscheinlich 
rascher bei den Hunden als bei den jungen Ka¬ 
ninchen vor sich geht. Späterhin wächst dieses 
Vermögen in einer Weise, dass gegen den 15.—20. 
Tag darin kein grosser Unterschied mehr wahr- 
zunehmen ist im Vergleich mit den erwaclisenen 
Tieren. Unter den Säuglingen lässt sich schliess¬ 
lich während der ganzen Milchperiode kein be¬ 
sonderer Zeitpunkt ausfindig machen, in dem das 
Antikörperproduktionsvermögen erhöht wäre. Wenn 
dann doch ein kleiner Unterschied existiert, so 
kann er angesichts der angewandten Verfahren über¬ 
gangen werden. 

Eine andere Versuchsreihe über passive Iinmu- 
nisation ergab folgendes: Bei allen dem Versuch 
Unterworfenen Tieren gelingt die passive Immu- 
nisation durch den Magendarmkanal nur schlecht, 
denn es bedarf zuweilen enormer Quantitäten Agglu¬ 
tinineinheiten, um im Blute der Tiere ein äusserst 
spärliches Agglutinationsvermögen zu erhalten. 
Individuelle Variationen haben überdies eine 
grosse Bedeutung für das Ergebnis der passiven 
Immunisation. Einzelne Tiere bieten mit einer 
relativ niedrigen Zahl A. E. ein stärker agglu¬ 
tinierendes Serum, als andere Tiere, bei denen 
grosse Agglutininquantitäten eingeführt wurden. 

In den verschiedenen Altersstufen fällt die 
passive Immunisation auf dem Verdauungswege 
allgemein schlecht aus, doch beobachtet man bei 
den Neugeborenen (was bei den Hunden mehr zu¬ 
tage tritt), eine leichtere Agglutininaufsaugung. 
In der Stillungsperiode und nach den ersten Lebens¬ 
tagen scheint diese Absorption nicht mehr eben¬ 
sogut vor sich zu gehen. Zweifellos ist, wenn man 
alle Experimentationsverhältnisse in Betracht 
zieht, das praktische Ergebnis wenigstens hinsicht¬ 
lich der Passage des Agglutinins in die Blutbahn 
bei diesen Säuglingen nicht viel grösser als bei 
den erwachsenen Tieren. 

Alles in allem findet also nur in den ersten 
Lebenstagen eine leichtere Absorption der Agglu- 
tinine durch den Magendarmkanal statt. 

In einer weiteren Versuchsreihe hat Verf. Hün¬ 
dinnen und weibliche Kaninchen, die ungefähr zur 
selben Zeit gedeckt worden waren, vorsichtig mit 
Typhus inokuliert. Nach erfolgter Geburt wurde 
das Agglutinationsvermögen des Serums und der 
Milch der immunisierten Mütter geprüft und so¬ 
dann auch das der von ihnen geworfenen Jungen. 


Ein kleiner Teil der Jungen wurde dann den Müttern 
gelassen, ein zweiter Teil nicht immunisierten 
Müttern gegeben und der Rest mit Saugflaschen 
gestillt. Ausserdem wurden an die Brust der immu¬ 
nisierten Mütter auch einige von anderen, nicht 
immunisierten Müttern geworfene Junge gegeben. 
Bei den Kaninchen gelang der Versuch niemals 
vollständig, bei den Hunden fiel er aber dreimal 
ziemlich gut aus. 

Die Ergebnisse waren folgende: Die mit von 
Natur agglutininreicher Milch genährten Säuglinge 
saugen diese Agglutinine leicht auf und weisen 
sie im Blut auf. Die unter diesen Verhältnissen 
praktizierte passive Immunisation ist wirksamer 
als diejenige, die dadurch erhalten wird, dass den 
Säuglingen auf dem Verdauungswege auch von der¬ 
selben Tierart kommendes agglutinierendes Serum 
eingegeben wird. Für ein absolutes Urteil fehlt 
noch die Kenntnis, wieviel Milch von einem Jungen 
in 24 Stunden eingesaugt wird. Ohne diese Kennt¬ 
nis ist ein genauer Vergleich mit den Tieren, bei 
denen agglutinierendes Serum verabreicht wurde, 
nicht möglich. Doch ist die Quantität A. E. in der 
Milch so niedrig, dass man, trotzdem die Kennt¬ 
nis von dem Werte der totalen eingeführten A. E. 
fehlt, annehmen kann, dass dieser Wert nicht den 
verschiedenen 10 000 A. E. gleichkommt, die den 
Hunden dieser Versuche mit dem Serum eingeführt 
wurden. Es ist somit logisch, zu vermuten, dass 
die Agglutinine in der Milch ganz besonders an 
die proteischen Substanzen gebunden sind, die 
deren Absorption erleichtern, jedoch nur für den 
Fall, dass nicht infolge Serumeingabe diese Auf¬ 
saugung, infolge der Gegenwart von Stoffen, die 
die Verwertung der Agglutinine von selbst verhin¬ 
dern, weniger gut vor sich geht, was durch diese 
Versuche nicht erwiesen ist. Die Aufsaugung der 
Agglutinine der Milch geschieht in den ersten 
10—12 Lebenstagen am besten, dann fällt — wenig¬ 
stens bei Hunden — die Verwertungsmöglichkeit 
dieser Agglutinine gradweise. Es besagen also diese 
Versuche, dass bei Tieren, d. h. Hunden und Ka¬ 
ninchen, die aktive Immunisation gegen Bak¬ 
terien und rote Blutkörperchen in den ersten 
Lebenstagen infolge der Unmöglichkeit einer Anti¬ 
körperbildung, schlecht gelingt, während nachher 
die Eingabe von Erythrocyten oder Bakterien durch 
den Mund eine spärliche aktive Immunisation er¬ 
zeugt, die hinsichtlich ihrer Stärke bei Säug¬ 
lingen und Erwachsenen nicht sehr verschieden ist. 

Was die passive Immunisation durch den 
Mund betrifft so steht ausser Zweifel, dass die 
Passage dieser Schutzstoffe wenigstens bei den 
Neugeborenen viel besser als bei Erwachsenen vor 
sich geht. Die besonderen Bedingungen, in denen 
sich Magenfunktion und Magen- und Darmschleim¬ 
hautstruktur befinden, sind wohl der Grund, wes¬ 
halb bei den Neugeborenen die Absorption der 
Stoffe ziemlich gut vor sich geht. Diese Absorp¬ 
tion und rtilisation gelingt dann noch bei weitem 
besser, wenn diese immunisierenden Stoffe sich 


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120 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


3. Jahrgang. 


spontan in der Milch befinden. In diesem Falle 
beobachtet man ungefähr in den ersten 15 Lebens¬ 
tagen einen bedeutenden Uebergang des Schutz¬ 
materials von der Mutter auf den Säugling. Von 
diesem Gesichtspunkte aus lassen also die ange- 
stellten Versuche daran glauben, dass die Aus¬ 
übung passiver Immunisation mit Milch von aktiv 
immunisierten Tieren, somit die Einverleibung der¬ 
selben in die Individuen in ihren ersten Lebens¬ 
tagen Aussicht auf praktischen Erfolg gewährt. 

Jacob. 

Bisanti. Schutzimpfungen gegen Ge¬ 
flügelcholera. Le Bullet in veterinaire, 
D6cembre 1904, S. 1079. 

In Kollodiumsäckohen verschlossene Geflügel¬ 
cholerabacillen entwickeln sich in der Bauchhöhle 
ausgezeichnet, indem sie auf osmotischem Wege 
aus dem Tierkörper die ihnen nötigen Nährstoffe 
schöpfen und andererseits ihre Lebensprodukte, die 
Toxine ausscheiden. Verf. hatte sich also zur Auf¬ 
gabe gestellt, die Frage zu beantworten, ob es nicht, 
möglich wäre, bei den solcher Weise geimpften 
Tieren einen gewissen Immunitätsgrad auszubilden. ,| 

Diesbezügliche Experimente wurden an Kanin¬ 
chen ausgeführt. B. verimpfte nämlich in Kol¬ 
lodiumsäckchen verschlossene Geflügelcholera¬ 
bacillen einigen Versuchstieren sukutan, anderen 
wiederum intraperitoneal. Diese Säckchen ver- - 
bleiben an der Impfstelle bei den ersten Tieren 
12 Tage, bei den anderen 10 Tage. Den Kaninchen, 
welche der ersten Versuchsreihe angehörten, gab 
man nach 20, den der zweiten nach 15 Tagen die 
mit Geflügelcholerabacillen infizierte Nahrung, 
welche auch den Kontrolltieren gereicht wurde. Die 
Konttolltiere gingen immer zugrunde, Kaninchen 
dagegen, denen bacillenhaltige Kollodiumsäckchen 
einverleibt wurden, blieben am Leben; bei den intra- 
peritoneal geimpften Tieren waren keine Gesund¬ 
heitsstörungen zu beobachten, die subkutan ge¬ 
impften erkrankten zwar, genasen aber in recht 
kurzer Zeit. 

Diese Forschungen haben den Verf. überzeugt, 
dass es wirklich möglich ist, auf obige Weise das 
Geflügel gegen Geflügelchotera zu immunisieren. 

Baczynski. 

Jungklaus. Ein Beitrag zur Milzbrand¬ 
impfung. Berl. Tierärztl. Wochenschr. Jahrg. 
1905, No. 17. 

Verf. berichtet über das bekannte Impfverfahren 
nach Pasteur, nach welchem in einem Zeitraum von 
4 Jahren über 8000 Stück Rinder geimpft wurden. 
Verluste an Milzbrand sind hiernach nicht beob¬ 
achtet worden. Die Impfung wurde jährlich wieder¬ 
holt. ProfA 

A. Marie. Untersuch um gen über das 
antirabietiscbe Serum. A nnales de 

Flnstitut Pasteur, 1905, No. 1. 


Verf. immunisierte Hammel und Kaninchen, 
indem er denselben subkutan steigende Dosen vom 
virus fix um einspritzte. Diese Impfungen wurden 
aber derart ausgeführt, dass die betreffende Dosis 
an mehreren Körperstellen appliziert wurde, um 
die Resorption durch Nervengewebe zu erleichtern. 
Das aus den solchartig immunisierten Tieren ge- 
, wonnene Blut lieferte am 15. Tage nach der letzten 
Einspritzung aktives Serum, welches auf das Wut¬ 
virus spezifisch, aber ziemlich schwach wirkte. Aus 
den in vitro ausgeführten Forschungen scheint her¬ 
vorzugehen, dass die spezifische Substanz des Wut¬ 
virus vom Serum gebunden wird, wodurch die schäd¬ 
liche Wirkung dieses Giftes verschwindet. Das 
normale Säugetierserum besitzt keine neutrali¬ 
sierenden Eigenschaften für Wutgift. Serum ge- 
wisser Vögel besitzt dagegen diese Kraft, muss 
aber in viel grösseren Mengen gebraucht werden, 
als das spezifische Serum. Säugetiere liefern spezi¬ 
fisches Serum nur bei langdauernder Immunisierung, 
magern aber bei dieser Behandlung stark ab und 
gehen ohne sichtbare Todesursache früher oder 
später plötzlich zugrunde. Baczynski. 

Bremener. Einfluss des Diphtherie¬ 
giftes auf den Stickstoff- und Salz- 
wochsel bei den Tieren. Medizinskoje 
obosrenije 1904. No. 8—9. 

Die Untersuchungen über den Stoffwechsel bei 
Hunden und Katzen, welchen das Diphtheriegift 
einverleibt wurde, erwiesen, dass dieses Gift einen 
gesteigerten Ei weisszerfall und eine erhebliche 
Abnahme von Eiweissassimilation bedingt; Chlor¬ 
salzeausscheidung wird vergrössert und übersteigt 
fast zweimal die Stickstoffausscheidung, was auf 
den Zerfall von chlorhaltigem Gewebe zurück¬ 
zuführen ist. Die Ausscheidung der Phosphor¬ 
verbindungen wird gleichfalls gesteigert und zwar 
im höheren Grade, als es entsprechend der Stick¬ 
stoffmenge zu erwarten wäre. Das Körpergewicht 
sinkt, ebenso vermindert sich auch die Harnmenge; 
Körperwärme hebt sich dagegen beträchtlich. Alle 
diese Veränderungen treten im ersten Stadium der 
Intoxikation mit Diphtherietoxin auf und sind desto 
deutlicher, je grössere Dosis gebraucht wurde. Im 
nächstfolgenden Stadium, welches bis zum Tode 
des Versuchstieres dauert, sinkt der Stoffwechsel 
und die Körperwärme unter die Norm. 

Baczynski. 


Einsendung von Original«Abhandlungen, 
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wird direkt an den Redakteur, Kreistierarzt Dr. 
O. Profd,C51n a. Rh., Hansaring 50 , oder an die 
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Für d. Redaktion verantwortl. Kreistierarzt Dr. O. ProfA, Cöln a. Rh., Hansaring 50. Druck von Pass & Garleb 0 ra.b.H., BerÜuW-35 
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Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


3. JAHRGANG. SEPTEMBER 1905. HEFT 6. 


Zur Kenntnis der Helminthiasis nodularis 
intestinalis des Rindes und des Schafes. 

Von Dr. L. Schoben- Hamburg. 

(Schluss aus Heft 5.) 

Denn nach den referierten Mitteilungen 
wird Oesophago stomum Curtice als 
der alleinige Erreger der gefürchteten Knöt- 
ohenkrankheit der amerikanischen Binder und 
Schafe angesehen. 

Nach meinen Befunden in amerikanischen 
Rinderdärmen konnte es sich nur um die 
Entscheidung der Frage handeln, ob neben den 
von mir gefundenen Ankylostomumlarven auch 
wirklich Oesophagostomumlarven Vorkommen. 
Denn nach den Ausführungen v. Ratzs war die 
Annahme nicht von der Hand zu weisen, dass 
man vielleicht das Ankylostomum irrtümlich 
für ein Oesophagostomum gehalten habe. Tch 
berufe mich an dieser Stelle nur auf meine 
vorher (S. 102- 103) gemachten Ausführungen i 
und auf die Fig. 3 und 9. 

Es ist demnach als erwiesen zu 
betrachten, dass die Knötchen 
des amerikanischen Rinderd arm es 
durch zwei verschiedene Nemato¬ 
den verursacht werden, das Oeso¬ 
phagostomum Curtice und das von 
mir hier zuerst gefundene Anky* 
lostomumStröse. Dies Ankylostomum ist 
nach meinem Dafürhalten der häufigere Parasit, 
insofern mir bei meinen zahlreichen in dieser 
Richtung unternommenen Untersuchungen im¬ 
mer nur Ankylostomumlarven begegnet sind. 
Nach Stiles kommt nun im Darme des ameri¬ 
kanischen Rindes dasselbe (geschlechtsreife) 
Ankylostomum radiatum vor, von dem oben 
eingehend die Rede war. 50 °/o der Tiere be¬ 
herbergen den geschleehtsreifen Schmarotzer, 
der selbst anscheinend wenig Störungen her¬ 
vorruft. Ich spreche auch hier die Vermutung 
aus, dass unsere Ankylostomumlarve eine 
Jugendform des Ankylostomum radiatum 
Schneider ist. Die Richtigkeit- dieser letzteren 
Ansicht vorausgesetzt, würde man vielleicht 


sagen können: 50°/o der amerikanischen Rinder 
leiden an einer Dochmiasis nodularis des Dar¬ 
mes. Und in der Tat, der Prozentsatz der 
mit Ankylostomumknötchen behafteten ameri¬ 
kanischen Rinderdärme scheint ein ganz 
enormer zu sein. 

Zum Schlüsse teile ich mit, dass ich in 
Knötchen von australischen und südamerika¬ 
nischen (Argentinien) Schafdärmen ebenfalls 
Jugendformen von Ankylostomum gefunden 
habe, die sich von den Dochmius-Larven des 
Rinderdarmes anscheinend nicht unterscheiden. 
Auch beim amerikanischen und 
australischen Schafe ist also ein 
Ankylostomum neben dem Oeso¬ 
phagostomum Curtice als Erreger 
der Knötchenkrankheit anzusehen. 
Ueber die Spezies lässt sich natürlich auch 
hier nur eine Wahrscheinlichkeitsdiagnose 
stellen. In Anbetracht der schon von Schnei- 
I der betonten grossen Aehnlichkeit des im 
Schaf parasitierenden geschleehtsreifen Anky¬ 
lostomum cernuum mit dem erwachsenen Anky¬ 
lostomum radiatum des Rindes, und da sich die 
Larven beider Tiere noch weniger voneinander 
unterscheiden dürften, liegt es nahe,anzunehmen, 
dass es sich vielleicht hier um eine J ugend- 
form von Dochmius cernuus handelt, 
der in geschlechtsreifem Zustande bei frisch 
geschlachteten Tieren der Darmwand anhän¬ 
gend angetroffen wird. (S. Fig. 7.) 

Habe ich mich im vorangehenden Teil 
hauptsächlich mit der letzten Ursache, der 
Knötchenkrankheit, dem tierischen Parasiten, 
beschäftigt, will ich im folgenden über die 
Resultate einiger bescheidenen bakteriologi¬ 
schen Untersuchungen des Knötcheninhaltcs 
berichten. 

Wie schon eingangs erwähnt, gaben Ölt 
und Kitt dem Gedanken Ausdruck, dass durch 
die Knötchenkrankheit i’es Darmes Gelegenheit 
zu Sekundärinfektionen geschaffen wird. Diese 
Möglichkeit muss ohne weiteres zugegeben wer¬ 
den. Denn sowohl die Einwanderung wie die 
Auswanderung der auch nicht immer „sterilen“ 


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Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


3. Jahrgang. 


Larve schaffen einen locus minoris resistentiae, 
in dem pathogene Vertreter der reichen Darm¬ 
flora einen nicht unwillkommenen Nährboden 
finden können. Ehe es zur Abkapselung 
kommt, können Mikrophyten auf hämatogenem 
bezw. lymphogenem Wege in den Organismus 
hineingelangen. Das Knötchen kann ferner 
uleerieren, ein nicht seltener Vorgang. Oeffnet 
sich auch in den weitaus meisten Fällen 
das Knötchen dem Lumen des Dünndarmes zu, 
so ist doch ein Durchbruch durch die Serosa 
nicht auszuschliessen.*) 

Da mir nur wenige Därme von frisch¬ 
geschlachteten Tieren zur Verfügung standen, 
können meine in bakteriologischer Beziehung 
gemachten Untersuchungen an und für sich 
nicht den Anspruch auf Vollständigkeit 
machen. 

Es kam mir in erster Linie darauf an, 
zu prüfen, ob überhaupt Mikrophyten in 
den Knötchen vorkämen. Im positiven Falle 
war dies hinsichtlich des von mir haupt¬ 
sächlich verwendeten Materiales insofern 
von Interesse, als es sich offenbar um 
sehr widerstandsfähige Bakterien handeln 
musste, ein Umstand, der bei vorhandenen 
pathogenen Eigenschaften in hygienischer Be¬ 
ziehung vielleicht nicht unbeachtet bleiben 
dürfte. Ferner war es für mich von Interesse 
etwas über den Zeitpunkt des frühesten Ein¬ 
tritts der Bakterieninvasion zu erfahren bezw. 
festzustellen, ob nicht vielleicht der tierische 
Parasit schon bei seiner Einwanderung die 
Bakterien einschleppe. Dies Hess sich natür¬ 
licherweise nur an Sehnit tpräparaten von 
Knötchen studieren, die wegen ihrer Kleinheit 
dem künstlichen Züchtungsverfahren nicht zu¬ 
gänglich sind. 

Ich verwandte vor allem Knötchen, die 
schon durch ihre äussere Beschaffenheit 
(Grösse, Farbe, Konsistenz) die Annahme nicht 
unwahrscheinlich machten, dass sie durch Mit- 

*) Saake beschreibt einen Fall von Darmperforation, des 
Kindes, die durch verminttee Darniknütchen verursacht wurde. 
Diese Arbeit gelangte leider erst in meine Hände, als diese Ab¬ 
handlung' schon im Druck war, so dass eine eingehendere Be¬ 
rücksichtigung nicht mehr möglich war. Sie ist besonders 
dadurch interessant, dass ihr Autor hier schon 
das 18 Jahre später von Ströse als Ankylosto- 
mura bovis neu entdeckte Würmchen vor sich 
gehabt hat. wie die beigefügten Zeichnungen zur Genüge 
dartun dürften. Indes war sich Saake der zoologischen Be¬ 
deutung seines Fundes nicht bewusst, da er ja die verloren ge¬ 
gangene Abbildung der Drechslerschen Larve zu ersetzen glaubte. 


Wirkung von Bakterien zustande gekommen 
seien. An zwanzig verschiedenen Därmen stellte 
ich meine diesbezüglichen Untersuchungen an. 
Ich verwertete das Material in der Weise, dass 
ich Kulturen anlegte, Schnitte machte und 
Ausstrichpräparate verfertigte. Die Knötchen 
bereitete ich in der Weise vor, dass ich die 
Aussenfläche des herausgeschnittenen Darm¬ 
teilchens mit destiliertem Wasser abspritzte, 
dann mit in Sublimat - Alkohol getauchter 
Watte abwischte, mit glühender Messerspitze 
leicht auf die höchste Erhebung des Knötchens 
tupfte; an dieser Stelle stach ich mit glühender 
Nadel ein Loch und presste mit steriler Pin¬ 
zette das Knötchen seitlich zusammen; den 
als eiterigen Strahl oder dickbreiigen Pfropf 
austretenden Inhalt fing ich mit der Unter¬ 
fläche des Deckels einer sterilen Petrischale 
auf und legte dann Kulturen an. Meist habe 
ich das Material direkt mit der Platinnadel 
auf den Boden der Petrischale ausgestrichen 
und mit darüber gegossenem Agar oder der 
Gelatine vermengt. 

Das Resultat der mit Inhalt von 18 Knöt¬ 
chen aus 18 ausländischen gesalzenen Rinder¬ 
dünn- und Blinddärmen vorgenommenen Kul¬ 
turversuche war in 13 Fällen positiv; von den 
fiegativen mögen einige ausscheiden, da die 
Knötchen zum Teil wohl zu hohen Hitzegraden 
ausgesetzt wurden. Gleichsam zur Kontrolle 
wurde Material aus zwei frischen Knötchen - 
därmen auf Nährböden gezüchtet. Diese beiden 
letzteren Versuche verliefen positiv. 

Das Resultat dieser Untersuchungen ist 
im allgemeinen als relativ einheitlich zu be¬ 
zeichnen. In allen Reihen waren Staphylo¬ 
kokken vorhanden, in zwei Fällen Sar- 
zinen, in zwei weiteren Fällen wuchsen 
gleichartige Stäbchen, die ich der Gruppe der 
Heubacillen zurechne, in einem Falle 
wurde ein Bacillus gezüchtet, der der Gruppe 
der Kolibakterien angehören dürfte. 

Die Staphylokokken sind unbeweg¬ 
lich, in der Grösse ungleich, färben sich nach 
Gram und zeigen im ganzen auf den ver¬ 
wendeten Nährböden die Wachstumserscheinun¬ 
gen der pyogenen Staphylokokken. In Gelatine- 
platten nach einigen Tagen punktförmige Ko¬ 
lonien mit Verflüssigungszone. Auf schrägem 
Agar schnelles Wachstum, meist schön glän¬ 
zende, lackähnliche Auflagerung, meist mit 


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Heft 6. 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


123 


gekerbtem Rande längs der Impflinie. Auf 
Kartoffel punktförmig sich erhebende Auf¬ 
lagerung längs des Impfstriches, die anfangs 
schleimig, glänzend, später trocken erscheint. 
In Bouillon nach 24 Stunden Bebrütung Trü¬ 
bung, die sich indes zum Teil bald wieder klärt; 
teils sandiger, teils fädig schleimiger Boden¬ 
satz. Hier und da Bildung eines Oberflächen¬ 
häutchens, das dem Kulturröhrchen in Höhe 
der Flüssigkeitssäule seinen Farbstoff mitteilt. 
Verflüssigung der Gelatine in 
Stichkulturen tritt in allen Fällen 
ein, was ich in Bestätigung der Oesternschen 
Untersuchungen hervorheben will, insofern man 
ja in dem Fehlen der peptonisierenden Eigen¬ 
schaft einen differentialdiagnostischen Unter¬ 
schied zwischen Staphylococcus pyogenes hom. 
und bovis zu sehen glaubt. Ich habe in dieser 
Beziehung die Beobachtung zu machen ge¬ 
glaubt, dass der Zeitpunkt der Peptonisierung 
wohl teilweise von rein äusseren Umständen 
(Umgebungstemperatur, Luft- und Lichtzu¬ 
tritt) abhängig sein dürfte, da z. B. bei ein 
und demselben Stamme einmal die Verflüssi¬ 
gung am vierten Tage, ein andermal erst nach 
acht Tagen eintrat. 

Nach der Farbe ihres Wachstums unter¬ 
scheide ich folgende Gruppen der gefundenen 
Staphylokokken: 

1. weisse (in, 5 Fällen, darunter 1 frischer 
Darm), 

2. hellgelbe (in 3 Fällen), 

3. goldgelbe (in 5 Fällen, darunter ein 
frischer Darm), 

4. zitronenfarbene (in 4 Fällen). 

Die pigmentierten Formen verlieren ihren 
Farbstoff auch nach meiner Beobachtung zu¬ 
erst am Rande der Besiedelungsfläche. In 
Bouillon wird der goldgelbe Bodensatz, be¬ 
sonders schnell anscheinend bei Luftabschluss, 
weiss. 

Die Sarzinen sind beide unbeweglich, 
färben sich nach Gram und verflüssigen die 
Gelatine. Auf Agar im Brutofen bei 35° 
ausserordentlich üppiges, diffuses Wachstum, 
die eine hellgelb, die andere orangegelb. 

In zwei Fällen gefundene Stäbchen zeigen 
folgende Merkmale: verschiedene Länge, die 
kleinsten sind äusserst lebhaft, beweglich, 
tonnenförmig mit endogenen Sporen. Sie 
wachsep zu langen Fäden aus. Sie färben sich 


nach Gram. Gelatine wird verflüssigt. Auf 
Agar bei 35 0 im Brutofen charakteristische 
Kolonien, konzentrische Zeichnung mit Strah¬ 
lenkranz. Bouillon bleibt klar, schneeweisses 
Oberflächenhäutchen. Auf Kartoffel zarter, 
lachsfarbener, diffuser Belag. Auf letzterem 
Nährboden entstand am zweiten Tage ein Ge¬ 
ruch, der sehr an das eigenartige, den Behäl¬ 
tern gesalzener Därme entströmende „Aroma“ 
erinnert. (Bae. mesenterie ruber Globig?) 

Das von mir in die Kolibacillengruppe ge¬ 
stellte, einmal in zwei Kolonien gezüchtete 
Kurzstäbchen entfärbt sich nach Gram, 
ist beweglich. Die Gelatine wird nicht ver¬ 
flüssigt. In Plattenkulturen gelblichbraunc, 
wetzsteinförmige Kolonien mit dunklem Kern. 
Bouillon wird trübe; gelblicher Bodensatz. Auf 
Kartoffel üppiges sehmutziggraues Wachstum. 

Die Untersuchung der nebenher ange¬ 
fertigten Ausstrichpräparate war meist 
positiv. Vereinzelt fanden sich immer Kokken, 
zumeist als Diplokokken, ferner Stäbchen, 
plumpe und schlanke. Tuberkelbacillenfärbung 
machte ich ebenfalls mit negativem Erfolg. 

Was die Untersuchung der Schnittpräpa¬ 
rate angeht, so gelang es mir von vier in 
drei Fällen festzustellen, dass die kleinsten 
Knötchen, die den Wurm in der Mitte enthalten 
und mit Rundzellen infiltriert sind, schon mit 
Bakterien (Kokken und Stäbchen) infiziert sind. 
In etwas älteren Knötchen (mit Wurm) mit 
beginnender Nekrose lassen sich unter den De¬ 
tritusmassen wie den Leukozyten Bakterien in 
Häufchen und vereinzelt deutlich nachweisen. 
Es ist also hierdurch festgestellt, dass die 
Wurmlarve durch ihre Einwande¬ 
rung die von ihr als Wohnstätte 
ausersehene Darmwand mit Mikro- 
phyten zu infizieren vermag. 

Besonderes Interesse beansprucht auch eine 
Schnittserie, die das einem erbsengrossen Knöt¬ 
chen benachbarte Darmgewebe zeigt; der In¬ 
halt des Knötchens wurde leider durch das 
Messer herausgehoben. Die Färbung wurde 
mit Boraxkarmin und, wie auch in den übri¬ 
gen Fällen mit Karbol-Thionin nach Nicolle 
vorgenommen. In der Muscularis, zumal am 
submukösen Rande derselben, finden sich zahl¬ 
reiche Bakteriennester, die sich durch ihre 
blaue Färbung scharf von ihrer roten Um¬ 
gebung abheben. Am Rande unter der Serosa 


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124 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


3. Jahrgang. 


ist eine starke Rundzellenansammlung er¬ 
sichtlich. Die Bakterien präsentieren sich als 
Kokken und Stäbchen. Ein Haufen besteht aus 
Streptokokken. — 

Zur Prüfung der Virulenz der gezüchteten 
Bakterien nahm ich einige wenige Impfungen 
an Kaninchen und weissen Mäusen vor. 

Hauptsächlich beschränkte ich mich nach 
je einem negativen Erfolge bei den Sarzinen 
und Stäbchen, die ich in Bouillonkultur einmal 
je 2 Kaninchen einimpfte, auf das Verhalten 
der Staphylokokken. 

Von einem Stamm des weiss wachsenden 
Staphylococcus verimpfte ich subkutan 5 ccm 
Bouillonkultur auf 2 Kaninchen. Eins der 
Tiere zeigte 4 Tage später an der Injektions¬ 
stelle einen walnussgrossen Abszess, aus dem 
sich nach der Eröffnung ein weisser, rahmiger 
Eiter entleerte, der spärlich Kokken enthielt, 
und auf Agar verimpft wieder das typische 
Kulturbild zeigte. Das zweite Tier zeigte keine 
Krankheitserscheinungen. Mit 3 ccm intra¬ 
peritoneal verimpfter Bouillonkulter konnte ich 
bei einem dritten Kaninchen ebenfalls keine 
Krankheitserscheinungen auslösen. 

Mit 1—2 ccm Bouillonkultur von Staphylo¬ 
coccus aureus impfte ich 2 weisse Mäuse, die 
nach 24 Stunden eingingen. Das patholo¬ 
gisch - anatomische Bild war wenig charak¬ 
teristisch. In Herzblut und Milz fanden 
sich Kokken. Milz auf Agar und Blut in 
Gelatine verimpft, ergaben das Infektions¬ 
material in Beinkultur. Eine weisse Maus, 
der ich Milzpulpa der verendeten Mäuse sub¬ 
kutan applizierte, reagierte nicht. Mit einem 
anderen gelben Traubencoccus erzielte ich durch 
subkutane Impfung eines Kaninchens einen 
Abszess neben der Injektionsstelle, der in Rein¬ 
kultur den Coccus enthielt. Ein anderes Mal 
verschwand die an der Impfstelle auf getretene 
Geschwulst bald wieder. 

Zum Schlüsse ist es mir eine angenehme 
Pflicht, Herrn Generaloberarzt Dr. von 
Linstow - Göttingen für die bereitwillige wert¬ 
volle Unterstützung bei dem zoologischen Teile 
dieser Arbeit meinen verbindlichsten Dank 
auszusprechen. 

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Heft 6. 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


125 


S t r ö s e : Ueber eine Ankylostomumlarve (Ankylost. 
s Dochmius bovis n. sp.) im Dünndarm des 
Kindes. Zeitschr. f. Tiermedizin 1895, XXT. Bd. 
Z ii r n , F. A.: „Die tierischen Parasiten.“ Weimar 
1882. 


Berichtigung. 

Heft 5 ist zu lesen: S. 100, rechte Spalte, Zeile 25 
statt Fig. 1: Fig. 12. S. 101, linke Spalte, Zeile 29 u. 
41 statt Fig. 3: Fig. 6, 8 u. 10. S. 102, linke Spalte, 
Zeile 8 von unten „Bauchwulst“ des Dochimus Ströse 
statt: „Bauchwulst“ Genus Dochmius nach Ströse; S. 
103, rechte Spalte, Zeile 6, 8 und 11 von oben statt: 
Pollisadenwurm „Pallisadenwurm.“ 


Erklärung der Textfiguren. 

Ankylostom umlarve des Rindes und 
Schafes in natiirl. Grösse. 

Kopfende des Oesophagos-tomum 
subulatum Molin n. Molins Zeichnung. 
Kopfende eines erwachsenen Oesopha- 
gostoraum columbian. Curtico 
nach Cobb skizziert. 

Kopfende von Oesophagostom um 
inflatum. Schneider u. Kailliet. 

Vorderende der Ankylostomum- 
1 a r v e stark vergrössert, lateral gesehen. 
Kopfende von Oesophagostom um 
c e r n u u m nach Kailliet. 

Vorderende der Ankylostomum- 
larvo ventral gesehen: b ^ Mundbecher, 
d = derselbe Zahn im Grunde der Mund¬ 
höhle, v = ventraler Querwulst 
Larve v. Oesophagostom um Colum¬ 
bia n u m Gurtice n. G M. Giles skizziert 
Oraler Teil der A n k y 1 o s t o m u m - 
larvc vergrössert, lateral gesehen. 

Schnitt durch ein grosses necrotisches 
Knötchen des Rinderdarmes. Randpartie, 
k = fibröse Kapsel des Knötchens (der 
auf k zeigende Strich ist um die Hälfte zu 
verlängern). 

Schnitt durch ein kleines Knötchen des 
Rinderdarmes. Photogr. System VH. Tn der 
Mitte Kapsel mitSchnitteilen des Würmchens. 
Schnitt durch ein kleines Knötchen des 
Rinderdarmes. Photogr. System VIT. Im 
Zentrum die Wurmlarve frei, geringelt. 


Beitrag- zur Aetiologie der 
Fleischvergiftungen. 

Von Kreiztierart Gutzeit - Montjoie. 

In der Nahrungsmittelhygiene spielen die 
sogenannten Fleischvergiftungen, d. h. Er¬ 
krankungen nach dem Genüsse schädlicher 
k leischwaren, eine grosse Rolle, und sie sind 
auch zum Teil der Ci rund für unsere Fleisch- 
besehaugesetzgelning gewesen. Das Wort 


Fig. 1. 
Fig. 2. 
Fig. 3. 

Fig. 5. 
Fig. 6. 
Fig. 7. 
Fig. 8. 

Fig 9. 
Fig. 10. 
Fig. 11. 

Fig. 12. 

Fig. 13 


„Fleischvergiftung“ stammt aus einer Zeit, als 
man, die Ursache und das Wesen dieser Krank¬ 
heiten noch nicht kennend, jeden Stoff, der in 
kleinen Mengen dem Körper zugeführt, diesen 
krank zu machen imstande war, als „Gift“ 
bezeichnete. Heute wissen wir längst, dass die 
sogenannten Fleischvergiftungen mit wenigen 
Ausnahmen echte Infektionskrankheiten sind 
und dass die Intoxikation hierbei eine unter¬ 
geordnete Rolle spielt. Deshalb ist die Be¬ 
zeichnung „FleischVergiftung“ eigentlich 
nicht ganz korrekt. Dass wir dieselbe heute 
noch als Sammelnamen für gewisse Krankheiten 
gebrauchen, hat wohl darin seinen Grund, dass 
sieh das Wort „Fleischvergiftung“ im Volke 
zu sehr eingebürgert hat. 

Klinisch können wir diese Erkrankungen 
nach Fleischgenuss in zwei Gruppen teilen: 
1. die eigentliche Fleischvergiftung, und 2. die 
Wurstvergiftung. Die erstere verläuft der 
Hauptsache nach unter fieberhaften, enteriti 
sehen Erscheinungen ohne Sehstörungen. Die? 
Patienten bekommen Erbrechen, Durchfall, 
sowie Leibschmerzen, klagen über Kopf- und 
Gliederschmerzen und verlieren den Appetit. 

Bei der zweiten Gruppe ist das Krankheits 
bild ein ganz anderes. Die enteritischen Er 
scheinungen treten vollkommen in den Hinter¬ 
grund gegenüber den nervösen. Das Erbrechen, 
die diarrhöische Kotentleerung und das Fieber 
fehlen meistens vollkommen, dagegen sind Seh- 
störungen und Lähmungen im Bereiche ge¬ 
wisser Gehirn nerven, besonders des Opticus 
und des Oculomotorius, die Regel. Derartige 
Erkrankungen wurden itu südwestlichen 
Deutschland, zuerst nach dem Genüsse ver¬ 
dorbener Würste, speziell Blutwürste, beob¬ 
achtet und daher mit dem Namen „Wurst¬ 
vergiftung“ oder Botulismus belegt. Später 
fand man, dass auch andere Lebensmittel, wie 
Schinken, Fleischkonserven und selbst Fische 
Botulismus verursachen können. (Müller (1), 
Husemann(2), Böhm (3), Senkpiehl (4), Roth (5), 
Uhlrieh (6), Grocnouw (7), de Vischer (8), van 
Ermenghem (9), Salchow (10) u. a.) 

Was die Häufigkeit der Erkrankungen 
angeht, so prävalieren wohl bei weitem die 
Fleischvergiftungen. Nach der Zusammenstel¬ 
lung von Bollingers (11) sind von 1880—1900 
allein 85 Massenvergiftungen mit mehr als 
4000 Erkrankungen zu verzeichnen. Von 1900 


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126 


3. Jahrgang. 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


bis 1903 sind nach Ostertag (12) noch über 
20 derartige Epidemien nach Fleischgenuss be¬ 
kannt geworden. 

Das schädliche Fleisch stammte meistens 
von Tieren, welche an septischer Kälberlähme, 
hämorrhagischer Enteritis, septischer Metritis, 
fieberhafter Darm- oder Euterentzündung oder 
anderen septikämiscli - pyämischen Erkrankun¬ 
gen gelitten hatten. 

Die in der Literatur verzcichneten Fälle 
von Wurstvergiftung erreichen die obigen 
Zahlen bei weitem nicht. In Württemberg sind 
nach Daun von 1793 1827 234, nach Schloss¬ 

berger bis 1853 400 Fälle von Botulismus beob¬ 
achtet. Vereinzelt trat diese Krankheit noch 
auf in Baden, Bayern, Pommern, Brandenburg. 
Belgien und Frankreich. Die meisten der be¬ 
kannt gewordenen Fälle sind in der sehr 
l'leissigen Arbeit von van Ermenghem (9) zu- 
§üm mengestellt, und ich muss daher der Kürze 
halber auf diese verweisen. 

Die Ermittelung der Ersuche dieser 
Massenerkrankungen hat erst in jüngster Zeit 
begonnen, als die Bakteriologie Gegenstand der 
Forschung wurde; leider ist dies nur in einer 
verhältnismässig geringen Anzahl von Fällen 
geschehen. 

Die ersten bakteriologischen Untersuchun¬ 
gen auf diesem Gebiete unternahm Johne (12) 
gelegentlich der Fleischvergiftung zu Lauter¬ 
bach im Jahre 1884. Derselbe isolierte aus 
dem schädlichen Fleische einen milzbrandähn¬ 
lichen, für Mäuse und andere Versuchstiere 
pathogenen Bacillus. Vier Jahre später fand 
Gärtner (13) in dem Fleische ei icr notgeschlach¬ 
tet en Kuh und in der Milz eines an Fleisch¬ 
vergiftung gestorbenen Mannes einen patho¬ 
genen Pilz, der bei Versuchstieren Darment¬ 
zündung hervorzurufen imstande war und des¬ 
halb von Gärtner Bacillus cntcritidis benannt 
wurde. Die Kuh. von welcher das Fleisch 
stammte, war wegen Durchfall notgeschlachtet 
worden. Das Fleisch war grösstenteils in 
rohem Zustande von 12 Personen in Franken- 
hausrn am Kylihäuser gegessen worden und 
hatte bei denselben 12 24 Stunden, in dem 

tödlich verlautenden Falle sogar zwei Stunden 
nach dem Genüsse, heftigen Brechdurchfall mit 
schw< reu Allgemeinerscheinungen hervorge¬ 
rufen. Aber auch das gekochte Fleisch, ja j 
sogar die Suppe, hatte sich als schädlich er- j 


wiesen. Bemerkenswert ist, dass sich die Haut 
einiger Patienten abschälte, und zwar nicht 
nur die dünne Epidermis an den bedeckten 
Körperteilen, sondern auch die verhornte Ober¬ 
haut an den Händen und Füssen. Der Krank¬ 
heitserreger, den Gärtner nachwies, war ein 
ziemlich lebhaft bewegliches Kurzstäbchen, 
welches halb so dick als lang war. die Gelatine 
nicht verflüssigte und sich auf Agar, Serum 
und Kartoffeln gut züchten liess. Denselben 
Mikroorganismus beschuldigt Johne (14) als 
Ursache der Fleischvergiftung zu Cotta*) und 
zu Bischofswerda, wo nach dem Genüsse von 
Knack- und Mettwürsten im Jahre 1894 zahl¬ 
reiche Erkrankungen vorgekommen waren. 
Karlinsky (15) fand den Gärtnersehen Bacillus 
in getrocknetem Schaft leiseh, welches eine 
Fleischvergiftung in der Herzegowina hervor¬ 
gerufen hatte, sowie in den Organen eines 
unter den Erscheinungen der Winkel sehen 
Krankheit verstorbenen Kindes. Günther (16) 
wies den genannten Bacillus in der Milz und 
der Leber eines an Fleischvergiftung verstor¬ 
benen Mannes nach, welcher zu Pfingsten 1896 
in Gemeinschaft mit anderen Personen Fleisch¬ 
waren von einem offenbar kranken Schweine 
genossen hatte. Es waren im ganzen 26 —27 
Familien in drei Ortschaften der Provinz 
Posen erkrankt, welche teils Schweinefleisch 
oder Wurst und Blut verzehrt hatten. Die 
Erscheinungen bestanden in Leibschmerzen. 
Erbrechen, Durchfall, grosser Mattigkeit und 
Schwäche. Die Person, welche starb, hatte 
morgens von der Wurst, mittags von dem Blute 
in gebratenem und dem Fleische in gekochtem 
Zustande gegessen, war in der nächsten Nacht 
erkrankt und bereits am Mittag des folgenden 
Tages gestorben. An der Wurst und den 
Fleisch proben war nichts Abnormes zu kon¬ 
statieren, ebenso liess sich über die Krankheit 
des Schweines etwas Sicheres nicht ermitteln. 
Des weiteren ist der Bacillus cntcritidis noch 
von Fischer (17) und angeblich auch von Lu 
barsch (18) gefunden worden und zwar von 
letzterem in einem Falle von septischer Pneu¬ 
monie bei einem neugeborenen Kinde. Da der 
von Liibarsch nachgewiesene Bacillus Milch 
koagulierte, was die anderen Autoren, insbe 

*) Nach Kni<c sind die ('•>’i;u»r Bacillen viel¬ 
leicht ident isch mit dem Bacilh;^ iimrliiJ icans ln »vis 
Ba "i mau. 


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Heft 6. 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


127 


sondere Günther, nicht konstatieren konnten, 
scheint mir die Identität des Lubarsehsehen 
Bacillus mit dem Gürtnersehen doch fraglich 
zu sein. 

Neuerdings ist der B. enteritidis als Ur¬ 
sache einer Fleischvergiftung in Neunkirchen 
seitens des Kaiserlichen Beichs-Gesundheits- 
amtes (19) festgestellt worden. 

Bei der Fleischvergiftung zu Rotterdam, 
bei welcher im .Juli 1892 92 Personen in 24 
Familien nach dem Genüsse von Kuhfleisch 
erkrankten, wiesen Poels (20) und Dhont (21) 
in dem intermuskulären Gewebe dieses Flei¬ 
sches ein kurzes und ausserordentlich feines 
Stäbchen nach, welches in seinen morpho¬ 
logischen und biologischen Kigenschaften grosse 
Aehnlichkeit mit dem Gärtnerschen Bacillus 
auf wies. 

Ob die Poelssehen Bacillen indessen mit 
dem Gärtnerschen oder mit einem anderen der 
hier in Betracht kommenden Bacillen identisch 
sind, lässt sich aus der dürftigen Beschreibung 
desselben kaum ersehen. Kruse (22) und van 
Ermenghem (9) halten die Identität desselben 
mit dem B. enteritidis nicht für ausgeschlos¬ 
sen, während Ostertag (12) geneigt ist. die 
Poelsschon den Moorseoler Bacillen zuzuzählen. 
Nach Basenau (24) bilden die ersteren 
Indol und würden sich durch diese Eigen¬ 
schaft von den beiden genannten unter¬ 
scheiden. Die Krankheitssymptome waren auch 
hier: Erbrochen, häufige Diarrhöe, grosse Mat¬ 
tigkeit, kleiner frequenter Puls (120 pro Min.), 
grosser Durst und trockein 4 Zunge. Bei eini¬ 
gen Personen war Veränderung dm* Stimm# 
nachzuweisen. Die Erscheinungen traten nach 
4 48 Stunden auf, sogar nach dem Genüsse 

des gebratenen Fleisches. An dem Fleische 
selbst war bei der Beschau im öffentlichen 
Schlacht hause nichts Abnormes bemerkt 
worden. 

Ein von dem Bacillus enteritidis verschie¬ 
dene]* Erreger wurde 1885 als Ursache einer 
Fleischvergiftung in Roersdorf durch Gaffky 
urul Paak (24) entdeckt und beschriel>en. In 
den bozeiehneten Ortschaften traten innerhalb 
12 oder doch 24 Stunden nach dem Genüsse von 
Rossfleisch, Bossflidschwurst und gekochter 
Rossleber bei einer Anzahl Personen Kopf¬ 
schmerzen, Leibschmerzen, Appetit losigkeit, 
Uebelkeit, Erbrechen, Kollern im Leibe, hef¬ 


tiger Durchfall und lange anhaltendes 
Schwächegefühl auf, welche erst nach Tagen 
bis zu zwei Wochen die Wiederaufnahme der 
Arbeit gest atteten. Bei einigen Personen waren 
noch Gliederschmerzen, Schüttelfrost, hohes 
Fieber, belegte, Zunge, gedunsenes Gesicht und 
Gliederzittern zu konstatieren. 

Die schädlichen Würste waren etwa 4 cm 
dick, fühlten sich weich, bezw. latschig an, 
waren auf der Schnittfläche dunkelrot und ver¬ 
breiteten einen unangenehmen, muffigen Ge¬ 
ruch ; sic sollen strenge geschmeckt haben und 
stark gepfeffert gewesen sein. 

Die aus den Fleischwaren gezüchteten 
Bacillen waren etwa doppelt so lang als breit, 
beweglich, schwer tingierbar und verflüssigten 
die Gelatine nicht. Der Gaffky - Paaksche 
Wurstbaeillus war auch in Friedeberg Ursache 
einer Wurstvergiftung, weshalb er von Kruse 
(22) den Namen Bacillus Friedebergensis 
erhielt. 

Ein dritter Bacillus, welcher die Massen¬ 
erkrankungen in Moorseele 1892 und in Breslau 
1894 verursachte, wurde von van Ermeng¬ 
hem (25) bezw. Kaensehe (2b) gefunden. Kruse 
nennt denselben Bacillus Breslaviensis. In 
Moorseele erkrankten im Sommer 1892 etwa 
acht Personen. Dieselben hatten Fleisch von 
einem an Durchfall verendeten und einem dieser 
Krankheit wegen not geschlachteten Kalbe ge- 
! gessen. Bereits drei Stunden nach der Mahl- 
| zeit stellte sich bei einigen Patienten Er- 
1 brechen, Durchfall und Kopfschmerzen ein. 

; Die Mehrzahl der Personen erkrankte erst nach 
24 Stunden, ein Mann sogar erst nach drei 
Tagen und zwar so schwer, dass er starb. Be¬ 
merkenswert ist, dass das Fleisch, an welchem 
angeblich keine makroskopischen Veränderun¬ 
gen festzustellen waren, in gut- gekochtem, 
bezw. gebratenem Zustande verzehrt worden 
ist. Die von van Ermenghem nachgewiesenen 
Bacillen waren Kurzstäbchen von 0,6 1,5 p 

Länge und ziemlich lebhafter Eigenbewegung, 
welche durch 4 8 ziemlich lange, um den 

ganzen Bacillenkörpcr verteilte Geissein er¬ 
folgte. Die Kulturen hatten auf Gelatine 
grosso Aehnlichkeit mit Bad. coli; Bouillon 
wurde unter Häutchenbildung getrübt. Durei. 
Siedehitze, wurden die toxischen. Substanzen 
nicht zerstört. Bei der Breslauer Epidemie er¬ 
krankten im Oktober 1892» in 26 Haushaltungen 


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128 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


3. Jahrgang. 


86 Leute an akutem Magendarmkatarrh, Fieber, 
Hinfälligkeit, Schwindel und Herpes, nachdem 
sie 3—16 Stunden vorher rohes Rinderhack¬ 
fleisch von einer wegen heftiger fieberhafter 
Diarrhöe notgeschlachteten Kuh gegessen hat¬ 
ten. Das Fleisch dieser Kuh war tierärztlich 
als genussuntauglich bezeichnet, aber gestohlen 
und in Breslau an Wurstfabrikanten verkauft 
und vorzugsweise zu Hackfleisch verarbeitet 
worden. Das Fleisch selber liess bezüglich 
Farbe und Konsistenz keine Veränderung er¬ 
kennen. Die Erkrankungen erfolgten schon 
nach dem Genüsse sehr kleiner Mengen (20 g). 
Gestorben ist niemand, jedoch dauerte die Re¬ 
konvaleszenz sehr lange. Aus dem Fleische 
züchteten Flügge und Kaensche einen Pilz, der 
sich für Versuchstiere sehr giftig erwies und 
mit dem von van Ermenghem gefundenen 
identisch sein dürfte. Dasselbe ist wohl auch 
der Fall bei dem von Holst (27) bei der 
Fleischvergiftung in Gaustadt 1891 aus den 
Organen der daran Gestorbenen isolierten 
Krankheitserreger, sowie bei dem von Silber¬ 
schmidt (28) aus Ferkelfleisch gezüchteten. 
Nach dem Genüsse letzteren Fleisches erkrank¬ 
ten sieben Personen einer Familie. Dasselbe 
stammte von Tieren ab, welche wegen Rötung 
der Haut und Magendarmkatarrh notgeschlach¬ 
tet waren. Das Fleisch war bei der Fleisch¬ 
beschau als bedingt „geniessbar“ erklärt, ein¬ 
gepökelt und teils roh, teils gekocht verzehrt 
worden. Ein 4 Vs jähriges Kind starb. Die ge¬ 
fundenen Bacillen waren beweglich, besassen 
4 8 Geissein, färbten sich nicht nach Gram, 

zersetzten Traubenzucker unter reichlicher Gas¬ 
entwickelung und brachten Milch nicht zur 
Gerinnung. Gelatine wurde nicht verflüssigt. 
Die Kulturen hatten schwach süsslichen Ge¬ 
ruch. Durch das Pökeln und das darauf¬ 
folgende Kochen war das Gift nicht zerstört 
worden. 

Als Ursache der Siraultcr Fleischvergif¬ 
tung im Jahre 1898 wies Hermann (29) einen 
Bacillus nach, der Gelatine nicht verflüssigte 
und Milch nicht koagulierte. 

Basenau (30) berichtet über einen Bacillus, 
welchen er im März 1893 aus dem Fleische 
einer vermutlich wegen septischen Puerperal¬ 
fiebers notgeschlachteten Kuh züchtete und 
welcher für Versuchstiere krankmachende 
Eigenschaften besass. Basenau nannte ihn 


Bacillus morbificans bovis. Das Fleisch, 
welches die Bacillen enthielt, war blass, von 
mattroter Farbe, leicht saurer Reaktion und 
etwas fadem Geruch. Der Basenausche Bacillus 
ist ein Kurzstäbchen von ungefähr derselben 
Grösse wie der Typhusbacillus und ausgestattet 
mit kräftiger Eigenbewegung und starker 
Wachstumsenergie. Er ist fakultativ anaerob, 
bildet keine Sporen und wird durch eine 1 Min. 
dauernde Einwirkung einer Temperatur von 
70° C abgetötet. Der Bacillus besitzt nicht 
die Fähigkeit, Gelatine zu verflüssigen und 
Rohrzucker zu invertieren. Traubenzucker wird 
unter starker Gasbildung zersetzt, Milch nicht 
zur Gerinnung gebracht. In Kulturen bildet 
er keine toxischen Stoffe. 

Aus dem Fleische notgeschlachteter kran¬ 
ker Tiere züchtete Basenau (23) noch sechs 
andere pathogene Bacillen, deren Giftigkeit füi 
den Menschen indes nicht feststeht. Die 
Bacillen hatten alle mehr oder weniger Coli- 
typus; sie waren 0,3—0,4 : 1,0—1,5 ja gross, 
schlank mit abgerundeten Enden und besassen 
lebhafte Eigenbewegung. Bei der Unterschei¬ 
dung legte Basenau weniger Gewicht auf die 
Form und das Wachstum, als auf die chemische 
Tätigkeit der Bacillen, besonders das Ver¬ 
halten derselben zu den verschiedenen Zucker¬ 
arten. 

Ein von den bisher angeführten erheblich 
verschiedener Krankheitserreger verursachte im 
Diakonissenhause zu Utrecht im November 
1895 wiederholt Erkrankungen an Brechdurch¬ 
fall mit Apathie. Innerhalb drei Wochen er¬ 
eignete es sich zweimal, dass alle Personen, 
gesunde und kranke, welche mittags Fleisch 
genossen hatten, nachher erkrankten. Aus dem 
unvollständig durchgekochten Fleische züchtete 
Hamburger (31) einen 1 - 1,5 p langen und 
0,4 jLi breiten Bacillus, der bewegungslos war, 
sich gut mit den gewöhnlichen Anilinfarb¬ 
stoffen und auch nach Gram färbte, Gelatine 
nicht verflüssigte, in Gelatine- und Agarstichen 
bürstenförmig, auf gekochtem Rind-, Kalb- und 
Pferdefleisch schnell unter Ammoniakbildung 
als weisser Belag wuchs und auf fast klar 
bleibender Bouillon ein weisses Häutchen bil¬ 
dete, welches auf der Oberfläche vertikale 
Qu< rleistchen besass. Der letzteren Eigen¬ 
schaft wegen nannte Hamburger diesen Pilz 
Bacillus eellulaeformans. Derselbe erwies sich 


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Heft 6. 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


129 


pathogen für Menschen, Mäuse, weniger für 
Hunde, und verursachte leichtes Erbrechen, 
Durchfall, Darmentzündung, parenchymatöse 
Hepatitis und Nephritis, seltener auch Gastritis 
und Milztumor. Kälber und Meerschweinchen 
reagierten auf Verfütterung dieser Bacillen 
nicht. Durch Tonzellen filtrierte Bouillon¬ 
kulturen, subkutan einem Hunde appliziert, 
führten ausgesprochene Apathie und frequente 
Defäkation herbei, welche fünf Stunden anhielt. 
Gleichzeitig bestand Appetitmangel und Schüt¬ 
telfrost. Die giftige Wirkung der filtrierten 
Kultur verlor sich nach halbstündigem Er¬ 
hitzen derselben bei 100° C. Dasselbe geschah 
mit Fleisch, welches auf 100° C erhitzt war. 

Obwohl die Hamburgersche Beschreibung 
des von ihm nachgewiesenen Bacillus sehr 
mangelhaft ist, lässt sich aus derselben doch 
entnehmen, dass dieser Bacillus nicht zu der 
Coligruppe gehört, sondern wahrscheinlich den 
Proteusarten zugezählt werden muss. Jeden¬ 
falls ist er nicht, wie Basenau vermutet, 
identisch mit Proteus Zenkeri, einer Varietät 
des Proteus vulgaris. 

Wiederholt haben Proteusarten zu Erkran¬ 
kungen geführt. In Strassburg waren im Jahre 
1864 18 Personen unter Erscheinungen einer 
blutigen Diarrhöe mit Erbrechen, Abge- 
schlagenheit und geringem Fieber erkrankt. 
Bei einer Person, welche starb, waren noch 
Wadenkrämpfe und Dyspnoe aufgetreten. Aus 
den Stühlen und dem Darminhalte des Ver¬ 
storbenen züchtete Levy (32) einen Stamm von 
Proteus vulgaris von ausserordentlicher Viru¬ 
lenz. Das Fleisch, welches die Erkrankungen 
verursacht hatte, soll zuvor in einem un¬ 
sauberen Eisschranke aufbewahrt worden sein, 
in dessen Bodenschlamm gleichfalls Proteus 
vulgaris nachgewiesen werden konnte. Silber¬ 
schmidt (33) fand in sogenannten „Landjägern“, 
welche bei 24 Personen schwere Gastroenteritis 
verursacht hatten, 

1. eine verflüssigende Bakterienart, deren 
Kulturen denen des Proteus vulgaris ent¬ 
sprechen, 

2. einen die Gelatine nicht verflüssigenden 
coliartigen Bacillus, welchen er mit 
Bakt. coli commune identifizierte. 

Die erstgenannte Bacillenart zeigte leb¬ 
hafte Eigenbewegung, färbte sich mit Karbol¬ 
fuchsin und Methylenblau unregelmässig, 


indem nur die Pole den Farbstoff intensiv an- 
nahmen, homogen dagegen mit Anilinwasser- 
gentianaviolett. Die Gramsche Färbung wurde 
nicht angenommen. Gelatine und Rinderblut¬ 
serum wurden schon nach 24 Stunden verflüs¬ 
sigt, Bouillon unter Bodensatzbildung stark 
getrübt. Auf Agar bildeten die Bacillen einen 
feuchtglänzenden, grauen Belag auf der ganzen 
Oberfläche. Milch wurde nach 8—10 Tagen 
zur Gerinnung gebracht. 

(Fortsetzung: folgt.) 


Oeffentliches Veterinärwesen. 

Stand der Tierseuchen im Deutschen Reich 
am 15. August 1905. 

Der Rotz wurde festgestellt: in Preussen 
in 19 Gemeinden und 30 Gehöften der Regie¬ 
rungsbezirke Marienwerder, Stadtkreis Berlin, 
Potsdam, Posen, Bromberg, Breslau, Oppeln, 
Magdeburg, Hildesheim, Lüneburg, Minden, 
Düsseldorf und Sigmaringen, in Braunschweig 
in 1 Gemeinde und 1 Gehöft der Regierungs¬ 
bezirke Oberfranken und Elsass-Lothringen 
ebenfalls in 1 Gehöft, zusammen somit in 21 
Gemeinden und 32 Gehöften. Die Aphthen- 
seuche gelangte zur Feststellung in einem 
Gehöft des Regierungsbezirkes Potsdam, in 
2 Gemeinden und 23 Gehöften der Oberpfalz 
und Unterfranken, in 2 Gemeinden und 2 
Gehöften des Regierungsbezirks Neckarkreis^ 
zusammen in 5 Gemeinden und 26 Gehöften. 
Die Schweineseuche einschliesslich der 
Schweinepest wurde festgestellt und zur 
Anzeige gebracht in 1502 Gemeinden und 2004 
Gehöften. 


Erlasse, Verordnungen und 
Bekanntmachungen. 

Preussen. Reg.-Bez. Magdeburg. Polizei¬ 
verordnung, betr. die ausschliessliche Zustän¬ 
digkeit der tierärztlichen Fleischbeschauer bei 
Schlachttieren, bei welchen die Beschau vor 
der Schlachtung unterblieben ist und solchen, 
welche vor Ausführung der Fleischbeschau 
vorschriftswidrig zerlegt worden sind. Vom 
23. Juni 1905. (Amtsbl. S. 240.) 

Auf Grund des § 24 Absatz 1 No. 2 des 
Reichsgesetzes, betr. die Schlachtvieh- und 


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130 


Fortschritte der 

Fleischbeschau, vom 3. Juni 1900 (R.-G.B1. 
8. 547), des § 13 des preussischen Gesetzes, 
betr. die Ausfühning des Schlachtvieh- und 
Fleisehbeschaugesetzes vom 28. Juni 1902 
(Ges.-Samml. S. 229) und der §§ 137 und 139 
des Gesetzes über die allgemeine Landesver¬ 
waltung vom 30. Juli 1883 (Ges.-Samml. S. 195) 
sowie der §§ 6, 12 und 15 des Gesetzes über 
die Polizeiverwaltung vom 11. März 1850 (Ges.- 
Samml. S. 265). wird unter Zustimmung des 
Bezirksausschusses für den Regierungsbezirk 
Magdeburg nachstehendes angeordnet: 

§ 1. Die Fleischbeschau bleibt bei den¬ 
jenigen Tieren, bei denen: 

1. die Untersuchung vor der Schlachtung 
(Sehlaehtviehbesehau) nicht stattgefunden 
hat, 

2. vor der Untersuchung nach der Schlach¬ 
tung (Fleischbeschau) eine den Bestim¬ 
mungen des § 17 Abs. 2 der Bundesrats¬ 
bestimmungen A vom 30. Mai 1902 
(Zentr.-Bl. f. d. D. R., Beil, zu No. 22 
8. 115 1 *) zuwiderlaufende Zerlegung des 
geschlachteten Tieres ausgeführt wor¬ 
den ist, 

dem tierärztlichen Beschauer Vorbehalten. 

Demnach haben Fleischbeschauer, welche 
nicht die Approbation als Tierarzt besitzen, 
die Fleischbeschau in den vorstehend aufgeführ¬ 
ten Fällen abzulehnen und den Besitzer an den 
tierärztlichen Beschauer zu verweisen. 

§ 2. Zuwiderhandlungen gegen diese Poli¬ 
zeiverordnungen werden, soweit nicht nach 
sonstigen gesetzlichen Bestimmungen eine 
höhere Strafe verwirkt ist, mit Geldstrafe 
bis 60 Mk. bestraft. 

Im Falle des Unvermögens tritt an Stelle 
der Geldstrafe verhältnismässige Haft. 

§ 3. Diese Polizeiverordnung tritt am 
Tage ihrer Veröffentlichung in Kraft. 

Der Regierungspräsident. 


Preussen. Reg.-Bez. Magdeburg. Bekannt¬ 
machung, betr. die Fleischbeschaugebühren in 
den Fällen der vorstehend abgedruckten Poli¬ 
zeiverordnung. Vom gleichen Tage. (Ebd.) 

Auf Grund des § 23 des Reichs fl ei seh- 
beschaugesetzes vom 3. Juni 1900 (R.-G.-Bl. 
S. 547), des § 11 Abs. 2 des preuss. Aus¬ 
führungsgesetzes vom 28. Juni 1902 (Ges.- 


Veterinär-Hygiene. 


3. Jahrgang 


Samml. 8. 229) und der §§ 60 bis 65 der preuss. 
Ausführungsbestimmungen, betr. die Schlacht¬ 
vieh- und Fleischbeschau, einschliesslich der 
Trichinenschau bei Schlachtungen im Inlande 
vom 20. März 1903 (Min.-Bl. f. d. ges. inn. 
Verw. S. 56) werden dem Gebührentarif, betr. 
die für die Schlachtvieh- und Fleischbeschau 
zu zahlenden (Jebühren, sowie für die den Be¬ 
schauern zu gewährenden Entschädigungen, 
vom 27. März 1905 (Amtsbl. S. 143), nach¬ 
stehende Bestimmungen angefügt: 

1. Ist im Falle des § 1 No. 1 der in der 
Uebersehrift erwähnten Polizeiverordnung die 
Untersuchung vor der Schlachtung (Schlacht- 
viehbesehau) unterblieben, ohne dass ein» 1 Not- 
schlaehtung im Sinne des §1 Abs. 2 des Reichs* 
fleisehbeschaugesetzes vorlag, so fallen dem 
Tierbesitzer die Kosten der Untersuchung durch 
den zuständigen Tierarzt (Ergänzungsheschau) 
zur Last. 

ln Fleisehboschaubezirken, in denen die 
ordentliche Beschau durch Tierärzte ausgeübt 
wird, haben diese in den vorstehend erwähnten 
Fällen von den Besitzern die Ergänzung«* 
beschaugebülfren zu beanspruchen. (Zu vgl. 
No. IV des eingangs erwähnten Tarifs.) 

Ist im Falle des § 1 No. 2 der Polizei¬ 
verordnung vor der Untersuchung nach der 
Schlachtung (Fleischbeschau) eine den Bestim¬ 
mungen des § 17 der Bundesratsbestimmungen 
A vom 30. Mai 1902 (Zentralblatt für das 
Deutsche Reich, Beil. z. No. 22 S. 115 1 *) zu- 
widerlaufende Zerlegung des geschlachteten 
Tieres ausgeführt worden, so hat der Tier¬ 
besitzer ebenfalls die Kosten der Ergänzungs¬ 
beschau bezw. im Falle der Ausübung der 
ordentlichen Beschau durch einen Tierarzt die 
festgesetzten Ergänzungsbeschaugebühren zu 
tragen. 

3. Vorstehende Bestimmungen treten am 
Tage ihrer Veröffentlichung in Kraft. 

Unterschrift wie oben. 


Prousseil. Erlass, betr. den Rang der 
etatsmässigen Lehrer der tierärztlichen Hoch¬ 
schulen sowie der Departements- und Kreistier¬ 
ärzte. 

Vom 25. Juni 1905. (Gesetz-Samml. S. 253.) 

Auf den Bericht vom 17. Juni d. J. be¬ 
stimme Ich folgendes: 


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Heft 6 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


131 


I. Die etatsmässigen Lehrer der tierärzt¬ 
lichen Hochschulen werden unter Bezeichnung 
ihrer Stellen als Professoren von Mir ernannt 
und gehören der vierten Rangklasse an. 

II. Die etatsinässig angestellten Departe¬ 
mentstierärzte sind den technischen Mitgliedern 
der Regierungen (1). V c. der Kabinettsorder, 
betr. eine Abänderung in der bisherigen Or¬ 
ganisation der Provinzialbehörden, vom 31. 
Dezember 1825 [Gesetz-Samml. 182b S. 5 |) mit 
dem Range der Räte fünfter Klasse und dem 
Stimmrechte der Regierungsassessoren zuzu¬ 
zählen. Sie können Mir, sofern sie sich in ihrer 
Stellung bewährt haben, zur Verleihung des 
Charakters als „Veterinär-Rat“ vorgeschlagen 
werden. 

Veterinärräten, die diesen Charakter min¬ 
destens 10 Jahre besitzen, jedoch nicht mehr 
als der Hälfte der Gesamtzahl der Departe- 
mentstierärzte, will Ich auf Antrag den per¬ 
sönlichen Rang der Räte vierter Klasse ver¬ 
leihen; auch will ich einzelne Veterinärräte, die 
den Rang der Räte vierter Klasse mindestens 
10 Jahre besitzen, in besonderen Fällen durch 
die Verleihung des Charakters als „Geheimer 
Veterinär-Rat“ auszeichnen. 

III. Die Kreistierärzte (Bezirkstierärzte in 
den Ilohenzollernschen Landen) erhalten den 
Rang zwischen der fünften Rangklasse und 
der Klasse der Referendarien der Landes¬ 
kollegien. Als Auszeichnung kann für ältere 
Kreistierärzte die Verleihung des Charakters 
als „Veterinär - Rat“ mit dem persönlichen 
Range der Räte fünfter Klasse beantragt 
werden. 

Kiel, an Bord M. J. „Hohenzollern“, den 
25. Juni 1905. 

Wilhelm. 

Frhr. v. Rheinbaben, v. Podbielski. 
v. Bet hin an n - Ho 11 weg. 

An den Finanzminister, den Minister für 
Landwirtschaft, Domänen und Forsten und den 
Minister des Innern. 


Preussen. Verordnung über das Inkraft¬ 
treten des Gesetzes, betr. die Dienstbezüge der 
Kreistierärzte, vom 24. Juli 1904 (Gesetz- 
Samml. S. 169). 

Vom 25. Juni 1905. (Gesetz-Samml. S. 249.) 


Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden König 
von Preussen usw., verordnen auf Grund des 
§ 10 des Gesetzes, betr. die Dienst bezöge der 
Kreistierärzte (Gesetz-Samml. S. 169), was 
folgt: 

Einziger Paragraph. 

Das Gesetz, betr. die Dienstbezüge der 
Kreistierärzte, vom 24. Juli 1904 (Gesetz- 
Samml. S. 169) tritt am 1. Juli 1905 in Kral'1. 

Urkundlich unter Unserer Höchsteigen¬ 
händigen Unterschritt und beigedrucktem Kö¬ 
niglichen Insiegel. 

Gegeben Kiel, an Bord M. J- „Hohenzol¬ 
lern“, den 25. Juni 1905. 

(L. S.) Wilhelm. 

Fürst v. Bülow. Schönstedt. Gr. v. Posadowsky. 
Studt. Frhr. v. Rheinbaben, v. Podbielski. 
Möller, v. Budde, v. Einem. Frhr. v. Richt¬ 
hofen. v. Bethmunn - Hollweg. 


Preussen. Verordnung, betr. die Tage¬ 
gelder und Reisekosten der Veterinärbeamten. 

Vom 25. Juni 1905. (Gesetz-Samml. S. 250.) 

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden König 
von Preussen usw., verordnen auf Grund des 
§ 12 des Gesetzes vom 24. März 1873 (Gesetz- 
Samml. S. 122) in der Fassung der Verordnung 
vom 15. April 1876 (Gesetz-Samml. S. 107) 
und des Artikels V des Gesetzes vom 21. Juni 
1897 (Gesetz-Samml. S. 193) sowie des § 4 
des Gesetzes vom 24. Juli 1904 (Gesetz-Samml. 
S. 169), was folgt: 

§ 1. Bei Dienstreisen zur Verrichtung 
veterinär- oder sanitätspolizeilicher Geschäfte 
innerhalb ihrer Amtsbezirke erhalten die 
Kreistierärzte (Bezirkstierärzte in den Hohen- 
zollernschen Landen): 

1. an Tagegeldern 10 Mk. 

Erstreckt sich eine Dienstreise* auf zwei 
Tage und wird sie innerhalb 24 Stunden be¬ 
endet, so sind im ganzen nur 15 Mk. zu 
liquidieren. 

Wird die Dienstreise an ein und demselben 
Tage angetreten und beendet, so tritt eine 
Ermässigung der Tagegelder auf 8 Mk. ein. 

2. an Reisekosten: 

a) bei Reisen, die auf Eisenbahnen oder 
Dampfschiffen gemacht werden können, für 
das Kilometer 7 Pfennig und für jeden Zu- 
und Abgang 2 Mk.; 


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132 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


3. Jahrgang. 


b) bei Reisen, die nicht auf Eisenbahnen, 
Kleinbahnen oder Dampfschiffen zurückgelegt 
werden können, für das Kilometer 40 Pfennig. 

Das gleiche gilt für Professoren der tier¬ 
ärztlichen Hochschulen und Departementstier¬ 
ärzte, soweit ihnen die Wahrnehmung der 
kreistierärztlichen Geschäfte für einen be¬ 
stimmten Bezirk übertragen worden ist. 

§ 2. Bei Reisen in gerichtlichen Angelegen¬ 
heiten erhalten unbeschadet der Bestimmungen 
des § 5 des Gesetzes vom 24. Juli 1904 (Ge- 
setz-Samml. S. 169) 

I. Kreistierärzte (Bezirkstierärzte) und, so¬ 
weit es sich um kreistierärztliche Geschäfte 
des ihnen überwiesenen kreistierärztlichen Be¬ 
zirkes handelt, Professoren der tierärztlichen 
Hochschulen und Departementstierärzte 

1. an Tagegeldern 7 Mk. 50 Pfennig, 

2. an Reisekosten: 

a) bei Reisen, die auf Eisenbahnen oder 
Dampfschiffen gemacht werden können, für das 
Kilometer 7 Pfennig und für jeden Zu- und 
Abgang 2 Mk.; 

b) bei Reisen, die nicht auf Eisenbahnen, 
Kleinbahnen oder Dampfschiffen zurlickgelegt 
werden können, für das Kilometer 35 Pfennig. 

II. Departementstierärzte, soweit nicht die 
Bestimmungen zu I Platz greifen, 

1. an Tagegeldern 9 Mk., 

2. an Reisekosten: 

a) bei Reisen, die auf Eisenbahnen oder 
Dampfschiffen gemacht werden können, für 
das Kilometer 9 Pfennig und für jeden Zu- 
und Abgang 3 Mk.; 

b) bei Reisen, die nicht auf Eisenbahnen, 
Kleinbahnen oder Dampfschiffen zurückgelegt 
werden können, für das Kilometer 50 Pfennig. 

Eine Ermässigung der Tagegelder bei ein¬ 
tägigen und bei solchen zweitägigen Dienst¬ 
reisen, die innerhalb 24 Stunden begonnen und 
vollendet werden, tritt nicht ein. Im übrigen 
finden jedoch die für die Staatsbeamten gel¬ 
tenden allgemeinen Bestimmungen über die 
Gewährung von Tagegeldern und Reisekosten 
Anwendung. 

§ 3. Diese Verordnung tritt gleichzeitig 
mit dem Gesetze, betr. die Dienstbezüge der 
Kreistierärzte, vom 24. Juli 1904 (Gesetz- 
Samml. S. 169) in Kraft. 

Urkundlich unter Unserer Höchsteigen¬ 
händigen Unterschrift und beigedrucktem Kö¬ 
niglichen Insiegel. 


Gegeben Kiel, an Bord M. J. „Hohenzol- 
lern“, den 25. Juni 1905. 

(L. S.) Wilhelm. 

Schönstedt. Frhr. v. Rheinbaben, v. Podbielski. 


Preussen. Tarif für die Gebühren der 
Kreistierärzte in gerichtlichen Angelegen¬ 
heiten. 

Vom 15. Juni 1905. (Gesetz-Samml. S. 254.) 

Auf Grund des § 3 des Gesetzes, betr. die 
Dienstbezüge der Kreistiörärzte, vom 24. Juli 
1904 (Gesetz-Samml. S. 169) setze ich im Ein¬ 
vernehmen mit dem Finanzminister und dem 
Justizminister folgendes fest: 

§ 1. Die den Kreistierärzten für die Tätig¬ 
keit als gerichtliche Sachverständige zi:s!eilen¬ 
den Gebühren sind nach den Bestimmungen des 
anliegenden Tarifs zu bemessen. 

§ 2. Die Höhe der Gebühr ist, sofern der 
Tarif einen Mindest- und Höchstbetrag vorsieht, 
innerhalb der festgesetzten Grenzen nach den 
besonderen Umständen des einzelnen Falles, 
insbesondere nach der Beschaffenheit und 
Schwierigkeit der Leistung sowie nach dem 
Zcitaufwande zu berechnen. Wird mehr als 
der Mindestsatz einer Gebühr beansprucht, so 
ist dies in der Gebührenberechnung unter An¬ 
gabe der für die Verrichtung aufgewendeten 
Zeit und Arbeitsleistung zu begründen. 

Bei besonders schwierigen und umfang¬ 
reichen Verrichtungen darf die Höchst gebühr 
mit Zustimmung des Regierungspräsidenten 
(Polizeipräsidenten in Berlin) überschritten 
werden. 

Die Gerichte sind befugt, den Regierungs¬ 
präsidenten (Polizeipräsidenten in Berlin) um 
eine gutachtliche Aeusserung über die Ange¬ 
messenheit der Gebührenforderung zu ersuchen. 

§ 3. Verrichtungen, für die der Tarif Ge¬ 
bührensätze nicht auswirft, sind nach Massgabe 
der Sätze, die für ähnliche Leistungen nach 
dem Tarife gewährt werden, zu vergüten. 

§ 4. Dieser Tarif tritt gleichzeitig mit 
dem Gesetze, betr. die Dienstbezüge der Kreis¬ 
tierärzte, vom 24. .Juli 1904 (Gesetz-Samml. 
S. 169) in Kraft. 

Der Minister 

für Landwirtschaft, Domänen und Forsten, 
v. Podbielski. 

Anlage.^ 


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[ Lfde No. 


Heft 6. 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


133 


G c 1) ü h r e n t a r i f. 


Bezeichnung der Vorrichtung 


1 


2 


3 

4 


Abwartung eines Termins bis zur Dauer 
von zwei Stunden, einschliesslich der 
während des Termins ausgeführten Un¬ 
tersuchungen und erstatteten münd¬ 
lichen Gutachten. 

Jede angefangene halbe Stunde mehr 
Als Anfang des Termins gilt die Zeit, 
zu der geladen ist. als Endpunkt die 
Zeit der Entlassung. 

Unterbrechungen der Verhandlung 
und Beurlaubungen des Veterinär-Be¬ 
amten werden in die Terminsdauer mit 
eingerechnet; dies gilt jedoch bei einer 
Unterbrechung oder Beurlaubung, die 
auf mehr als zwei Stunden bestimmt 
wird, dann nicht, wenn der Veterinär- 
lx»ainte an seinem Wohnorte vernom¬ 
men wird oder wenn seine Rückreise 
durch die Unterbrechung oder Beur¬ 
laubung nicht verzögert wird. 

Die Gebühr ist für jeden Verhand¬ 
lungstag Uesonders zu berechnen. 

Ist der Veterinärbeamte in mehreren 
Terminen an demselben Tage beschäf¬ 
tigt gewesen, so darf eine mehrfache 
Berechnung derselben Zeit nicht statt¬ 
finden. 

Untersuchung eines Tieres behufs Vor¬ 
bereitung des in einem Termine zu er¬ 
stattenden Gutachtens. 

Hat sich der Veterinärbeamte zum 
Zwecke der Untersuchung au Ort und 
»Stelle begel>en und kann die Unter¬ 
suchung ohne sein Verschulden nicht 
statt finden, so ist die Mindestgebühr 
anzusetzen. 

Mehr als 3 Untersuchungen dürfen 
nur mit Zustimmung der ersuchenden 
Behörde berechnet werden. 

Für eine Akteneinsicht ausserhalb des 
Termins. . 

a) Für die Obduktion eines Pferdes 
oder Rindes, einschliesslich des Ob¬ 
duktionsberichts . 

Auslagen für die Zuziehung von Ge¬ 
hilfen sind in diesem »Satze nicht ein- 
l>egriffen, sondern besonders zu liqui¬ 
dieren. 


b) Für die Obduktion eines anderen 
Haustiers, einschliesslich der durch die 
Zuziehung von Gehilfen entstehenden 
Kosten und des Obduktionsberichts . 

c) Werden mehrere Obduktionen in 
derselben Sache an demselben Tage 
ausgeführt, so ist für jede der ersten 
Obduktion folgende Obduktion anzu¬ 
setzen 

bei Pferden und Rindern. 

bei den übrigen Haustieren. 

Die Gesamtgebühr für Obduktionen 
darf an einem Tage 25 Mk. nicht üln?r- 
sc breiten. 

Im unmittelbaren Anschluss an die 
Obduktion etwa erforderlich werdende 
mikroskopische Untersuchungen von 
Kadaverteilen sind in dem obigen 
Sätzen einbegriffen. 



6 


6 

1 


7 


8 


9 


2—5 


10 


1,50-4 


Bezeichnung 


der Verrichtun 


£ 


u 

-a 

:3 

© 


p 





Für Ausstellung eines Befundseheins 
oder Erteilung einer schriftlichen Aus¬ 
kunft ohne nähere gutachtliche Aeusse- 

rung.. 

Für ein schriftliches, ausführliches, 
wissenschaftlich begründetes Gutachten 
Für die Untersuchung eines Futter-, 
Nahrungs- oder Arzneimittels, ein¬ 
schliesslich eines Befundscheines oder 

kurzen Gutachtens. 

Sind bei der Untersuchung zeitrau¬ 
bende bakteriologische oder chemische 
Arbeiten erforderlich, so sind diese mit 
12 bis 60 Mk. besonders zu vergüten. 
Auslagen für Reagenzien, Nährböden, 
Versuchstiere, zu der Untersuchung be¬ 
schaffte Instrumente und sonstige not¬ 
wendige Unkosten sind in diesen Sätzen 
nicht einbegriffen, sondern besonders 
zu vergüten. 

Ausser der Gebühr zu 6 erhält der Ve¬ 
terinärbeamte im Falle der Wahrneh¬ 
mung eines Termins die zu 1 be¬ 
stimmte Gebühr, dagegen sind die zu 
2 und 3 bestimmten Gebühren in der 
Gebühr zu 6 mit einbegriffen. 

Erfordert ein Gutachten zu 6 eine Unter¬ 
suchung der in 7 bezeichneten Art 
oder wird im Falle zu 7 nachträglich 
ein schriftliches, ausführliches und 
wissenschaftlich tiegründetes Gutach¬ 
ten erfordert, so kommen die Gebühren 
zu 6 und 7 nebeneinander zum An¬ 
sätze. Erfordert eine Untersuchung zu 
7 einen vorgängigen Besuch oder eine 
Besichtigung, so tritt die Gebühr zu 
2 hinzu. 

Schreibgebühren sind, sofern der Ve¬ 
terinärbeamte sich zur Reinschrift der 
Berichte und Gutachten fremder Hilfe 
bedient, nach Massgabe der für die 
Berechnung der. gerichtlichen Schreib¬ 
gebühren geltenden Bestimmungen zu 
bewilligen. 


3 

8—30 

3—12 


Referate. 

Ernährung, einschliesslich der Fleisch- und 
Milchhygiene. 

Rullmann. Ueber die Reaktionen der 
oxydierenden Enzyme de r Kuh- und 
Frauen milc h. Vortrag, Ref. d. M. Med. 
Wchschft. No. 32. 

Da nachgewiesenermassen die wichtigsten 
Milchbestandteile — Eiweissstoffe, Lecithin. Milch¬ 
zucker, die Enzyme und der Geschmack selbst — 
bei längerem Erhitzen über 70 0 C leiden, so ist 
es wichtig, über die stattgehabte Erhitzung durch 
Reaktionen möglichst einfach und rasch Aufschluss 
bekommen zu können. Loew war der erste, der 
die Wirkung der Enzyme auf Aldehydgruppen 
zurückführte, eine Anschauung, die sich durch 
Seligmanns neuere Versuche zu bestätigen scheint. 

Während nun diese oxydierenden Enzyme in 


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134 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


3. Jahrgang. 


der tierischen Milch der Grasfresser fast bei allen 
Arten in grosser Menge nachgewiesen sind, ist 
dies bei den Fleischfressern, also auch bei der 
Frau bis jetzt nur in geringem Grade möglich 
gewesen. 

Scharfe und rasch ausführbare Euzymreaktionen 
sind zur Ergänzung der bakteriologischen Milch¬ 
untersuchungen notwendig; um z. B. bei Anwen¬ 
dung des Forster-Gerterschen Pasteurisierungsver- 
fahrens, das darauf beruht, dass Milch genau eine 
Stunde lang unter ständigem Bewegen auf 68 bis 
69 0 gehalten (Befreiung von allen Keimen) und 
dann rasch abgekühlt wird, zu konstatieren, dass 
keine Ueljerschreitung dieser Temperatur und da¬ 
mit Schädigung der wichtigsten Nährbestandteile 
und des Geschmackes selbst stattgehabt habe, ist 
eine chemisch-biologische Prüfung unerlässlich. 

An Rohmilch, Gerbermilch und anderen ver¬ 
schieden erhitzten, sterilisierten und ganz keim¬ 
freigemachten Milchproben zeigte der Vortr. die 
Schärfe der meist benutzten Reaktionsarten. Neben 
Ausführung der ältesten Methode des Enzymnach¬ 
weises durch alkoholische Guajakharzlösung unter 
Zusatz von Wasserstoffsuperoxyd und der besonders 
für die gerichtliche Beweisführung geeignete Reak¬ 
tion nach Schardinger, empfiehlt Vortr. besonders 
das für den praktischen Arzt geeignete Storchsche 
Reagenz, aus Wasserstoffsuperoxyd und einer 2 «o 
wässerigen Paraphenylendiaminchlorhydrat lösung 
bestehend. Bei Ausführung der Reaktionen als 
Schichtreaktionen zeigen sich die Enzymänderungen 
in präzisester Weise. Rohe Milch und die nicht 
über 68—69° erhitzte Gerbermilch ergeben sofort 
einen deutlichen blaugrauen Ring; ist diese Tempe¬ 
ratur aber nur ganz kurze Zeit überschritten, dann 
tritt die Ringbilduug wesentlich später ein. 

Jacob. 

De Blasi, Ueber die Passage der Anti¬ 
körper in die Milch und ihre Ab¬ 
sorbierung durch den Säuglings¬ 
darm. Centralbl f. Bakt. etc. I. Abt. Ref. Bd. 36, 
No. 12, 13. » 

Zur Uebertragung der Immunität von seiten 
eines stillenden Tieres auf den Säugling ist das Vor¬ 
handensein zweier Bedingungen nötig. Es müssen 
die Antikörper unverändert in die Milch übergehen, 
und es müssen die in der Milch vorhandenen Anti¬ 
körper durch die Magendarm-Schleimhaut hindurch 
und unverändert in das Blut des Säuglings übergehen. 

Den Uebergang der Antikörper in die Milch 
haben verschiedene Gelehrte übereinstimmend nach¬ 
gewiesen. Dagegen haben die Versuche über den 
Durchgang der Antikörper durch die Magendarm- 
Schleimhaut des Säuglings bei den verschiedenen 
Autoren zu entgegengesetzten Resultaten geführt, für 
deren Erklärung verschiedene Hypothesen aufgestellt 
wurden. Verf. glaubt den wesentlichsten Anteil an 
den Unterschieden der Versuchsergebnisse auf Grund 
seiner Versuche darin zu finden, dass die Unter¬ 
schiede, die zwischen aktiv und passiv immuni¬ 
sierten Tieren bestehen, sich auch in den in die 
Milch übergehenden Antikörpern, vor allem aber in 


ihrer Absorbierung durch den Darm der Säuglinge 
geltend machen. Profö. 

E. Seligmann. Einfluss v o n Aide h y den. 
besonders des F o r m alias auf di e 
O x y d a s e n der Milch. (Ztschft. f. Hyg. 
50 , 1 .) 

Eine Reihe von Aldehyden und ähnlichen Kör¬ 
pern üben zwar einen gewissen, begünstigenden Ein¬ 
fluss auf die Oxv(lasen der Milch aus. Aber dieser 
Einfluss ist, ausser l>eim Formaldehyd, gering und 
richtet sich scheinbar nach der Konstitution der 
Verbindungen. Darauf beruht wohl auch die höhere 
Intensität der Formalinwirkung, so dass man an¬ 
nehmen könnte, die locker gebundene Aldehyd¬ 
gruppe als solche beeinflusse das Enzymmolekül, 
um so stärker, je labiler sie ist. 

Unabhängig von Versuchen, über die Kolle l>e- 
riclitete, prüfte Verfasser den Einfluss, den der 
Zusatz von Formalin 1:50 000 auf die Milch aus- 
j übt, also die zuerst von Behring empfohlene Kon- 
I zentration. Die Aufbewahrung geschah im Eis- 
| schrank bei 8—10° C. oder bei Zimmertemperatur. 
Als Vergleichsobjekt diente gleich alte Rohmilch. 
Die Haltbarkeit, die mit Hilfe der Säuretitrierungs¬ 
methode (nach Soxhlet), der Alkoholprobe und des 
normalen Gerinnungsbeginns geprüft wurde, zeigte 
sich erheblich verändert. Während PolimPeh schon 
am zweiten Tage eine beträchtliche Säurebildung 
zeigt, ist bei der Formalinmilch ein Anstieg der 
Säurewerte zur gleichen Zeit nicht bemerkbar. 
Dieses Verhälten ändert sich nicht mit der Dauer 
der Aufbewahrung. Etwas anders verhielt sieb 
unter aseptischen Cautelen entnommene und auf- 
I gefangene Milch. Hier zögert die Säurebildung lx*i 
der Rohmilch etwas; sie beginnt selten vor dein 
vierten Tage, erreicht aller an diesem plötzlich 
hohe Werte, während die Formalinmilch desselben 
Alters keine Spur von Säuerung zeigt. 

| Auch pasteurisierte Milch wurde geprüft. Sie 
I zeigt ein ähnliches Verhalten wie rohe Formalin¬ 
milch, in dem die Säuerung nur gering ist. Jedoch 
entwickelt sich Fäulnis und Gerinnung früher als 
bei dieser, während pasteurisierte Formalinmilch 
so gut wie gar keine Säuerung und beträchtlich 
später Gerinnung zeigt. 

Eine Reihe von Veränderungen l>ezieht sich auf 
die enzymatischen Reaktionen: 

Das Hg 0 2 - Spaltungsvermögen der Milch er¬ 
fährt durch Formalinzusatz eine Steigerung. 

Formalin verstärkt die Fähigkeit der Milch, 
verschiedene enzymatische Farbenreaktionen zu 
geben. 

Während die Reaktionsfähigkeit roher Milch 
mit dem Alter rasch abnimmt, bleibt sie bei 
Formalinmilch unverändert energisch. Frsaclie ist 
zum Teil mangelnde Milchsäurebildung. 

Rohe Milch verliert durch Erhitzen ihre Reak¬ 
tionsfähigkeit, Forma linmilch wird nur wenig ver¬ 
ändert. 

Gekochte reaktionslose Milch kann durch 
I Formalinzusatz wieder aktiviert werden. 


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Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


135 


Heft 6 . 


Die Hcduktionskraft der rohen Milch gegenüber 
nlkoholischor Mel hylenblaulösung sinkt bet räch t- 
lich nach Formalinzusatz. 

Die praktisch«» I>«»<leutun<r dieser Befunde ist 
folgende: Es verliert eine Beilie bisher angewandter 
Frohen zur Unterscheidung roher und gekochter 
Milch ihre Bedeutung, da das bisher beweisende 
Verschwinden der Reaktion durch Formalinzusatz 
wieder aufgehol>en werden kann. Denn: manche 
Aerzte führen die so häufige Idiosynkrasie gegen 
Milch auf die Enzyme der Milch zurück. Da diese 
zum Teil durch Formalin in ihrer Wirksamkeit ge¬ 
steigert werden, ist es möglich, dass hierdurch eine 
vorhandene Idiosynkrasie vermehrt und die so über¬ 
aus empfindliche Säuglingsverdauung schädlich be¬ 
einflusst worden kann. Jacob. 

E. Klein. Fob e r d i e V e r b r e i t u n g des 
Bacillus en t e r i d. G ä r t n c r in der 
Kuhmilch. ((Mbl. f. Bakt., 38, 4.) 

Von 31) Milehproben, die verschiedenen Farmen 
einer Anzahl englischer Landliezirke entstammten 
und auf Tulierkelbaeillen geprüft wurden, zeigte 
sieh, dass 10 Prolien (= 25,5 °o) nach Injektion 
des Milchabsatzes (von je 300 cem gesammelt) sub¬ 
kutan in die Feiste oder peritoneal bei Meer¬ 
schweinchen eine chronische Krankheit der Milz 
herv«»‘rufen, Vergrösserung dersellien lind miliare 
Knötchen mit eiterigem Zentrum. Die andern Or¬ 
gane waren normal, äusserlieh zeigten die Tiere 
bei der Tötung keine Krankheitserscheinungen. 
Ausstrichpräparate der Knötchen und Kulturen zeig¬ 
ten. dass es sich um den Bacillus enteridis Gärtner 
handelte. Der Mikrolic war hochvirulent, .subkutane 

Injektion von -- Kubikzentimeter einer einen 

Tag alten Bouillonkultur tötete Meerschweinchen 
von 300 g sicher in kurzer Zeit. 

Entscheidend für die Diagnose sind: blaue 
Kolonien auf Drigalski. Bläuung der Lit musmilch, 
reicliliehe, lange, dünne, wellige Flagellen, wie bei 
Typhus, entschiedene und rasche Agglutination 
durch Blutserum eines mit dem typischen Bacillus 
Gärtner immunisierten Kaninchens. 

Der Mikrobe konnte in den Milchproben (aus 
zehn verschiedenen Farmen) nur in sehr be¬ 
schränkter Zahl vorhanden sein, denn keines der 
mit dem Milohabsatz injizierten Meerschwein¬ 
chen erkrankte akut. Bei ganz kleineu Dosen 

(iööö ccm ^is 4^3 ccm) gehen die Tiere nicht 
akut ein, und weisen erst vom 9. oder 10 . Tage an 
bei der Sektion die allmähliche Entwickelung der 
eitrigen Milzknötchen auf. 

Die Kühe, von denen die Milch stammte, waren 
nicht erkennbar krank, doch waren überall die Zu¬ 
stände l>ei der Abmilelmng höchst unrein. Die 
Proben wurden durch einen erfahrenen Sanitäts- 
insj>ektor bei ihrer Ankunft in grossen Kübeln 
in den verschiedenen Bahnstationen in sterile 
Flaschen gefüllt und direkt ins Laboratorium ge¬ 
bracht. Dass solche Milch, wenn sie an einem 
warmen Orte stehen gelassen wird, oder in der j 


heissen .Jahreszeit ungekocht genossen wird, nicht 
ohne Gefahr ist, darf als wahrscheinlich angenom¬ 
men werden. Jacob. 

Weissflog. Beobach tu n'g eniiberdieMilch 
speziell die Kollo stral milch. Deutsche 
Tierärztl. Wochenschr. 13. Jahrg. No. 17. 

Verf fand bei seinen Untersuchungen keine 
Gesetzmässigkeit in der Zeit und Dauer des Auf¬ 
tretens von Kollostralkörperchen. Diese fanden sieh 
reichlicher in den ersten 6 bis 9 Tagen, in anderen 
Fällen in den ersten 3 Tagen, schliesslich auch bis 
zu 21 Tagen post partum. In geringer Anzahl 
finden sich Kollostrumkörperchen während der ganzen 
Laktationsperiode. Der Fettgehalt der Kollostral- 
milch ist durchweg weder höher noch geringer als 
der normaler Milch. Unmittelbar nach der Geburt 
besitzt die Milch nicht den normalen Fettgehalt, 
entweder ist dieser zunä hst höher oder geringer 
um sich dann in einigen Tagen auf den normalen 
Gehalt des Individuums einzustellen. 

Der Maximalertrag an Milch wird nicht un¬ 
mittelbar nach der Geburt, sondern erst einige (6 
bis 14) Tage nachher erreicht, um dann nach län¬ 
gerer Zeit wieder ganz allmählich abzufallen. 

Pro KL 

üabrowski. Welche Desinfektionsmittel 
verleihen der Milch ihren Geruch.' 
Gaze tu rolnicza, 1905, No. 5. 

Aus den diesbezüglichen Forschungen l)tp 
browskis gebt hervor, dass die Milch am leichtesten 
und dauerndsten nach Eingabe von Anis oder Be¬ 
handlung des Tieres mit Jodoform den Geruch 
dieser Substanzen annimmt; dasselbe kann über 
Karbolsäure gesagt werden, nur ist dieser Geruch 
nicht so haltbar. Noch leichter verliert die Milch 
den Terpentin- und Formalingeruch. Am wenigsten 
geht der Geruch des Chlorkalkes in die Milch 
über, woraus zu schlicssen wäre, dieses Desinfek¬ 
tionsmittel sei für die Kuhställe am ent¬ 
sprechendsten. Baczynski. 

M. Ballo. Bestimmung des Schmutzte- 
kaltes in der Milch. (Oester. Chem. Zei¬ 
tung. Ref. in d. Hyg. Rundschau No. 4.) 

Um den Gehalt der Milch an Schmutzstoffen 
zu bestimmen, bedient sich Verf. der nach Art 
eines gewöhnlichen Filters zusammengelegten 
Müllergaze und zwar No. 18 und 20 (Dufour), die 
alle dem Auge sichtbaren Partikelchen zurückhält 
und deren Maselionweite doch auch gross genug 
ist. um selbst die grössten Fettkügelchen dureh- 
zulassen. Das Gazefilter wird in einen gerippten 
Trichter gestellt, mit Wasser angefeuchtet und 
dann die Milch aufgegossen, die sehr rasch durch¬ 
läuft. Der auf denn Filter angesaminclte Schmutz 
wird wie beim Renkseheii Verfahren weiter be¬ 
handelt, nämlich mit Wasser, dann mit Alkohol 
und Aetlier gewaschen und entweder am Filter 
getrocknet und in ein gewogenes Gefäss mit Feder¬ 
fahne hinoingebraoht. oder solange er noch nass 
ist. mit etwas Wasser in eine Platinschale gespült, 
eingedunstet, getrocknet und gewogen. Die Mc- 


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136 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


3. Jahrgang. 


thode hat sich bei Masseuuntersuchungeii sehr 
gut bewährt. Der hohe Preis für Gaze kommt 
nicht in Betracht, weil jedes Filter wiederholt 
benutzt werden kann. Kontrollversuche mit ge¬ 
wogenen Mengen Kuhdünger der Milch zugesetzt 
ergeben nach diesem neuen Verfahren 92—95 °o 
der angewendeten Menge, während nach dem Ver¬ 
fahren von Renk nur 61,6, 66 und 89 °/o wieder¬ 
gefunden wurden. Nach dem Verfahren des Verf. 
wurde also der ganze Milchschmutz bestimmt, der 
im Kuhdünger etwa 8—10 °/o an ätherlöslichen Be¬ 
standteilen vorhanden sind, die beim Waschen des 
Filters mit Aether wenigstens zum Teil in Lösung 
gehen. 

In Budapest erwiesen sich von 502 zur Unter¬ 
suchung eingebrachten Milchproben bei der ma¬ 
kroskopischen Prüfung 37 als verschmutzt; diese 
enthielten 6,9 bis 44,0, eine sogar 110,5 mg, im 
Durchschnitt 27,0 mg Schmutz pro Liter. 

Jacob. 

Pro. Chemische Milch stnrilisation. 

Rivista d'igiene 1901. No. 21 u. 22. 

Verf. bespricht in seiner Arl>eit die Licht- und 
Schattenseiten der Milelipasteurisation. deren Ste¬ 
rilisation l>ei hoher Wärme und ül>erlegt den Wert 
der zur Konservierung der Milch dienenden chemi¬ 
schen Mittel, wie: Borsäure. Formol u. dgl. 

Besondere Berücksichtigung verdient in dieser 
Hinsicht das Wasserstoffsuperoxyd. Seine Experi¬ 
mente führte Cao mit dem sog. ..Merckschen, 
chemisch reinen Wasserstoffsuperoxyde“ von 
schwachsaurer Reaktion durch. 

Cao versichert, dieses Präparat besitze zehnmal 
höhere Konzentration als das gewöhnlich im Handel 
vorkommende oxygenierte Wasser. Die mit der 
wasserstoffsuperoxydhaltigen Milch genährten Tiere 
blieben vollkommen gesund — man beobachtete bei 
ihnen höchstens eine vorübergehende Tympanitis. 

Wenn die Milch mit •">— 6 °/oo Was s e r s t of fs upe r- 
oxyd vermengt wurde, konnte man nach 24 Stunden 
dessen Anwesenheit mittels gewöhnlicher Reaktion 
nicht feststellen. Uebrigens l>efreit die Erwärmung 
der Milch bis 60° C. dieselbe von allen geringsten 
Spuren dieses Mittels. Wenn das Verhältnis der 
Flüssigkeiten 1 <y 0 beträgt, kann die Anwesenheit 
des oxygenierten Wassers noch während einiger 
Tage konstatiert werden; kurzdauernde Erwärmung 
bis 70° C. reicht dann nicht aus, um die Milch 
von dem erwähnten Mittel zu befreien. Man kann 
es aber durch mehrstündige Erwärmung bis 30° C. 
zustande bringen. 

Verf. meint, (lass nur oxygeniertes Wasser zur 
Milchkonservation vollkommen entsprechend ist. 
Die 0.8—1 proz. Zugabe kann nur zu gänzlicher Ste¬ 
rilisation oder längerer Konservation der Milch ge¬ 
braucht werden. Für den Transport und kurz¬ 
dauernde Aufbewahrung der Milch reicht aber „viel 
geringere“ — vom Verfasser leider nicht näher l>e- 
stimmte — Menge vom Wasserstoffsuperoxyd aus. — 

Baczynski. 


Teicliert. B a k t. e r i o 1 o g i s c h - c h e m i s c h e 
Studien über die Butter in de r Pro¬ 
vinz Pose n m i t b e s o n d e rer B e r ü ek - 
s i c h t i g u n g der T u b e r k e 1 b a c i 11 c n. 
Klin. Jalirb. 1904. Bd. 12. 

Die wichtigsten Schlüsse, die Verf. aus seinen 
an einem sehr umfangreichen Material vorgenom- 
meneu Untersuchungen zieht, sind folgende: 

Die Tuberkulose unter den Schlachttieren in 
der Provinz Posen hat ständig zugenommen. Die 
hygienischen Verhältnisse der Posener Molkereien 
entsprechen nicht modernen Anforderungen. Ein 
grosser Teil der in der Butter vorkoinmeiiden Bak¬ 
terien, insbesondere der Micr. acidi lactis, der Ba¬ 
cillus butyri bruneus, einige Hefen und Schimmel¬ 
pilze bauen die Ei weisskörper der Milch kräftig 
ab. In der aus der Provinz stammenden Butter 
finden sich in 22 "o aller Fälle Tuberkelbaeillen 
vor, ein Befund, der sich mit der Häufigkeit der 
bei Schlachttieren in Posen festgesteilten Tuber¬ 
kulose deckt. l’rofe. 

Heyken , Steigerung des Milchertrages 
durch Tränken mit gutem Wasser. 
Illustr. landw. Zeitung, 25. Jahrg., No. 35 

Verf. hat durch einen Versuch ermittelt, dass 
die Art das Tränkwassers von erheblicher Bedeut ung 
auf die Milchergiebigkeit ist. Tn einem Teile der 
Marsch wurde das stark eisenhaltige Brunnenwasser 
durch ein mittelst Leitung zugeführtes tadelfreies 
Quellwasser ersetzt. Ein Teil der Landwirte hatte 
auch die Stallungen an die Wasserleitung ange¬ 
schlossen. Verf. suchte zwei Kühe eines Stalles aus. 
die eine quantitativ konstante tägliche Milchsekretion 
zeigten. Beide lieferten 40 Liter Milch pro Tag. Die 
Tiere wurden nun 14 Tage lang mit dem alten 
Brunnenwasser getränkt, worauf das Milchquantum 
am 4. Tage auf 39, nach 14 Tagen auf 38 Liter herab¬ 
ging. Nachdem nunmehr wieder Quellwasser ver¬ 
abreicht worden war, hob sich das Milchquantum in 
einigen Tagen wieder auf 40 Liter. (Verf. hat leider 
verabsäumt, Kontrolltiere in dem Versuche zu be¬ 
obachten. D. Ref.) Profe. 

Fr. Tangl und K. Farkas, Budapest. Unter¬ 
suchungen über den Stoff- und 
Energie Umsatz des befruchteten 
Forellen-Eies. Math. 6s Termeszettudomäny i 
Ertesitö. 1904. No. 3. 

T a n g 1 und Farkas stellten fest, dass während 
der Entwickelung der Forelle der Gehalt des Eies 
an Trockensubstanz und an Wasser abnimmt Doch 
ist dieser Verlust, ein verhältnissmässig geringerer 
als im Eie des Huhnes oder der Seidenraupe. Das 
Fett wird nicht weniger, im Gegenteile, es nimmt 
sogar an Menge zu. Dieses Fett kann bloss aus 
den Eiweisskörpern des Eies entstanden sein, da 
die unbebrüteten Eier Glykogen in Spuren enthalten. 
Die während des Brütens verbrauchte chemische 
Energie — die Arbeit der Entwickelung — beträgt 
in je einem Ei 6,68 grm Kalorien. Diese Energie 
stammt aus den stickstofffreien Molekülen der Ei¬ 
weisskörper. Zimmermann. 


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Heft 6. 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


137 


Jarmatz. Die verschiedenen Melasse- 
arten in i li r e r Bedeutung als H a fer- 
Krsatzfuttermit-tel für das Truppen- 
pferd. Zeitsehr. f. Veterinärkde. 17. Jahrg. 
1. Heft. 

Von allen in den Handel kommenden Hafer- 
Surrogaten nimmt die zuckerhaltige Melasse den 
ersten Platz ein. Es werden der Melasse die ver¬ 
schiedensten Stoffe zugesetzt, um ihr das fehlende 
Kiweiss zuzuführen, die im l'ebermass vorhandenen 
Salze zu neutralisieren und ihr eine handliche Form 
zu verleihen. Auf diese Art. entstanden die ver¬ 
schiedenartigen Präparate, wie Melasse-Torfmelil, 
Kohorin-Kraftfutter. Milch-Melasse. Blut-Melasse, 
Melnsse-Trockensehnitzel u. a. Hinsichtlich der 
Beurteilung der einzelnen Fabrikate stehen sich 
die Ansichten vielfach schroff gegenül>er. Auf 
(irund der bisher immerhin vielfachen Versuchs¬ 
fütterungen, besonders bei den Pferden der Armee, 
kommt Verf. zu folgendem Urteil: Die verschieden¬ 
artigen Melassefuttermittel, von denen die Torf¬ 
meldmelasse besonders zu empfehlen ist, kommen 
als Nahrungsmittel bei Ernährung der Truppen¬ 
pferde nicht in Betracht und können dement¬ 
sprechend als ein Ersatzfutter für Hafer keine Ver¬ 
wendung finden. Dieselben haben lediglich den 
Wert als diätetisches Beifutter und nur dann, wenn 
kein Hafer al>gezogen und eine Heuzulage gewährt 
wird. Eine dauernde Anwendung dieser Surrogate 
ist nicht empfehlenswert. Die Verfiitterung emp¬ 
fiehlt sich im Frühjahr zur Zeit des Haarwechsels, 
der hierdurch abgekürzt wird, im Herbst nach Be¬ 
endigung des Manövers, 1 km dürftig genährten Tieren 
und bei Rekonvaleszenten. Der Salzgehalt der Prä¬ 
parate soll 8 °o nicht übersteigen. Profc. 


Wasser, Luft, Boden, Klima. 

Schilling. Bericht über Untersuch ungc n 
betreffs Viehkrankheiten im Schutz¬ 
gebiete Togo. 1903/01. Deutsches Kolonial¬ 
blatt. 15. Mai 1905. 

Der Bericht beginnt mit der Mitteilung, dass 
in der Stationsherde von Sansane-Mangu eine 
Seuche ausgebrocheu war, die indes schon vor dem 
Eintreffen des Verf. ..dank den energischen und 
zweckmässigen Massregeln eines Oberleutnants 
lokalisiert und zum Erlöschen gebracht worden 
war,“ so dass Verf. nunmehr gleich an seine Auf- 
galie. die Bekämpfung der Ttetsekrnnkheit oder 
Xagana, gehen konnte, ln dieser Richtung wurden 
Impfungen an Rindern vorgenoinmen mit Material, 
das von spontan erkranktem Pferde stammte und 
18—20 Hunde und Ratten passiert hatte. Das 
Peritonealexsudat des Hundes wurde benutzt. Es 
enthielt reichlich die Naganaparasiten. Dosis ist 
nebensächlich. Nach einem Jahre waren noch in 
50 o/o der Impflinge (Rinder) lebende Trypanosomen 
enthalten. Keine Krankheitserscheinungen l>ei den 
geimpften' Rindern. 10 o/ 0 Verlust; Todesursache 


fraglich. Mit diesen so geimpften Tieren wurde so 
verfahren: 

Ein Teil wurde nach Kpeme geschickt. Die 
Verhältnisse sind dort derart, dass eine Ttetsc- 
infektion ausgeschlossen erscheint. ln Kpeme 
starben von den 18 Rindern 3; bei 2 Xajanapara- 
siten im Blute, 1 akute Tvmpanitis. 2 erkrankten 
an Ttotse. erholten sich alter wieder. Von den 
nicht vorbehandelten Kontrolltiercn starben 1 Rind 
und 4 Kälber. 

Ein anderer Transport Rinder wurde nach 
Atakpame gebracht, wo bisher Rinder ausnahms¬ 
los zugrunde gingen. 15 o/ 0 der Impflinge blieltcn 
am Leben, von den 0 Konfrontieren starben 5. 
Todesursache wegen Unbrauchbarkeit der Blut- 
präparate nicht aufgeklärt. 

Eine dritte Altteilung der vorbehandelten riete 
wurde nach Misahöhe getrieben. Diese Tiere 
g i n g e n alle z u g r u n d e. Die Schuld hieran, 
meint Sch., trägt die ungewohnte Art der Arlteits- 
leistung der Tiere als Zugvieh, besonders aber das 
schlechte Trinkwasser während des Transportes. 

Des weiteren wurden 3 vorltehandelte Rinder 
und 2 nichtvorbehandelte Kälber mit dem Blute 
einer natürlich infiziert e n K uh d i r e k t 
geimpft. Resultat: Bei einer vorbehandelten Kuh 
keine Parasiten, l>ei den übrigen vorbehandelton. 
w i e a u e h d e n K o n t r o 111 i e r e n, verläuft 
der Prozess in gleicher Weise. Heilung nach 2 
bis I Monaten. 

Endlich werden 3 vorltehandelte und 3 Kon¬ 
frontiere der na t, ü r 1 i c hen Infektion aus- 
gesetzt. in einer (regend, in der bisher fast nur 
tödliche Infektion beobachtet worden sein soll. 
Resultat: Nur eine (der kleinen KonknneIjaras.se 
augehörige) Kuh blich frei von Parasiten. Ein 
vorbehandeltes Rind erlag der Infektion nach 
2 Monaten. l>oi dem dritten waren die Parasiten 
noch nach 5 Monaten vorhanden. Von den Kon¬ 
frontieren stirbt eins (Kalb) nach 11 Tagen, 

1 Rind erkrankt schwer, (Las dritte (Kalb) Kon¬ 
frontier war indt*s nach 5 Monaten frei von 
Parasiten. 

Auf tlrund dieser Feststellung glaubt Verf. 
folgende Schlüsse ziehen zu können: 

1 . Auch hei direktem Uebergang in Nagana- 
gebiet kann die beschriebene Impfung wenigstens 
einen teilweisen Schutz gewähren, wenn sie in 
Abständen wiederholt wird. 

2. ..Die Vorl>ehandlung. wie sie oben beschrieben 
wurde, genügt also, auch wenn man längere Zeit 
verstreichen lässt, bis man das l>etreffende Rind 
der Infektionsgefahr aussetzt, nur in einem Teil 
der Fälle. um auch gegen diese natürliche 
Infektion zu schützen. Vergleicht man ferner diesen 
Versuch mit dem vorausgehenden, so konstatiert 
man. abgesehen von beträchtlichen individuellen 
Schwankungen, dass die Infektion durch den Stich 
der Fliege eine schwerere Erkrankung hervorruft, 
als es die künstliche Impfung vermag. Vcrsuchs- 
resultate also, welche nicht an dem Prüfsteine der 


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138 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


3. Jahrgang. 


natürlichen Infektion im Ttetsegebiet erworben sind, 
halxm noch keine endgültig ausschlaggebende Be¬ 
deutung. Die Annahme, dass die Fliege den Para¬ 
siten in einem anderen Stadium der Entwicklung 
ülierträgt, als wir ihn im kreisenden Blute finden, 
gewinnt durch diesen Versuch sehr an Wahrschein¬ 
lichkeit.“ 

3. Kälter erhalten keine Immunität von der 
Mutter, sind jedoch weniger empfindlich gegen 
Infektion. 

In einer Fachzeitung sollen, sagt Yerf. neben- 
hre, Untersuchungen ül>er die eingangs erwähnte 
Seuche, ül>er Trypanose der Schafe, ülx*r eine 
jerniziöse Anämie der Schafe. ül>er eine der Wut 
ähnliche Erkrankung der Hunde veröffentlicht 
werden. 

Um die Grundirnmunität zu steigern, wurden 
3 vor! ye handelte Tiere mit vom Pferde stammenden 
und einmal durch Hund geschickten Parasiten 
nochmals geimpft. Die Tiere blieben in einem ge¬ 
fährlichen Ttetsegebiet, in das sie nach l 1 /., Mo¬ 
naten geschickt wurden, gesund. Im Blute waren 
keine Parasiten nachzuweisen. 

I. Also lässt s i c h d i e Im m u n i t ä t d e r 
T i e r c durch eine zweite Impfung mit 
f ast v ( 1 11 v i r u len) (‘ m M a t e r i a 1 so f e s t i- 
g e n , <1 a s s auch d e r Stich d e r F 1 i e g e 
n i c h t i m s t a n d e i s i , z u infiziere n. Zur 
Ueliernahme der Kontrolliiupfungen empfiehlt 
Yerf. der Kaiscrl. Regierung in Lome den 
Regierungsarzt in Anecho. In Anwendung 
d er I m p f m e t h o d c hat Sch. die in So- 
kode ansässigen Europäer unterrichtet. Hierbei 
werden sie überwacht von dem Regierungs- 
arzte. Zum Schlüsse warnt Yerf. vor der Auf¬ 
fassung, jetzt sei alles erledigt, und er macht 
den Yorschlag, in einem L a boratorium in 
Deutschland einen Arzt mit Y er¬ 
suchen über die Nag a na zu b e schat¬ 
tigen, ..denn es liegt in der Natur des Gegen¬ 
standes. dass gewisse Arl>eiten bequemer und 
sicherer in einem Lande vorgenommen werden 
können, in welchem die Krankheit nicht vorkommt. 
Parallel und in ständiger Verbindung hiermit muss 
andererseits aber auch die praktische Anwendung 
und Prüfung der im Laboratorium gewonnenen 
Resultate in einer oder mehreren unserer tropischen 
afrikanischen Kolonien gehen. Ich weiss aus Er¬ 
fahrung. dass es nicht genügt, einen praktisch 
tätigen Arzt ..im Nel>enamt“ mit solchen Versuchen 
zu betrauen. Solche Halbheiten führen auch nur 
zu halben Ergebnissen, ln dem Studium, in welchem 
die Untersuchungen über Ttetsekrankheiten zurzeit 
stehen, machen sich die darauf verwendeten Mittel 
sicher und reichlich bezahlt.“ — Quousque tandern! 

Schoben. 

Baumgart. Tierzucht und Rassenve r e d e - 

1 u n g. — Ziegenzucht. (Deutsches Kolonialblatl. 

Berlin 1. April. 15. Mai 1905.) 

Die Grösse aller Haustiere nimmt vom Aequator 
ab südwärts und nordwärts zu und so ist auch 


der Grössen unterschied der afrikanischen Ziege 
durch Klima und Fütterungsverhältnisse bedingt, 
nicht durch Rassen Vermischung. Die afrikanische 
Ziege ist wohl immer Haustier gewesen. Durch 
Kreuzung mit Holländerziege ist die heutige Ziegen- 
rasse entstanden. 

In De u t s c h - S ü d • W e s t - A f r i k a , das 
immer in Fühlung mit »Südafrika gestanden, gib? 
es zwei Arten dieser Haustiere: Die grössere um, 
stärkere Nama- und die kleinere Dama r;i* 
ziege. Sie sind der deutschen Hausziege, von der 
sie sieh ausschliesslich durch die langen Schlaj»p- 
ohren und durch stärkeres Gehörn unterscheiden 
(Böcke mit *1—6 Hörnern), sehr ähnlich. Frucht¬ 
barkeit gross: 1,6 Zicklein auf 1 Muttertier. Stär¬ 
kere Ausnutzung in letzterer Beziehung degeneriert 
die Piere. Milchproduktion äusserst minimal. Wa> 
das l^amru nicht braucht, bildet einen Teil de? 
Lohnes für den Hüter. Auch aus den F eile n 
wird wenig Nutzen gezogen. Ein Teil findet Ver¬ 
wendung im Haushalt; einige Firmen kaufen sie 
spottbillig massenhaft auf und versenden sie nach 
Kapstadt. Die Wolle wird den Tieren in dem 
dornigen Busch und dem Klcttengras zerrissen und 
verfilzt, also entwertet. So bleibt, abgesehen von 
den dornbuschfreien Plätzen im Zentrum des I^ande>. 
nur die Verwertung der Ziege als F 1 o i s c h 1 i c f e - 
r a n t i n übrig. 

Wie mit der Angoraziege (1810 von Kleinasien 
nach Kapstadt eingeführt) sind auch die Kreu¬ 
zung s v e r s u c h e mit deutschen Rassen, 
dem Saanen- und Toggenburger Schlag durchweg 
günstig zu zensieren. Leider ging ein grosser Teil 
der eingeführten Siianen tiere aai Räude zugrunde. 
Man tarechnet jetzt im allgemeinen den Nutzen, 
den eine Ziege einbringt zu 100 o/o in zwei Jahren 
Eine Ziege kostet ca. 10 Mk. Mehr Zuchtverständ- 
nis ist sehr zu wünschen. In grosser Zahl sollte 
man die Tiere halten, so dass sich ein Hüter lohnt. 
Kraale müssen gebaut werden. Besonders jetzt nacn 
dem Aufstande, durch den ca. 10 000 dieser Tiere 
verloren gingen, würde sich eine rationelle Ziegen¬ 
zucht lohnen. — Einführung von Zuchttieren. 
Schauen usw. i>t »Sache des kgl. Gouvernement«* 
bezw. der Referenten für Tierzucht und Veterinär¬ 
medizin im Verein mit dem Berzirkstierarzt naH 
eventuellem. Anhören von erfahrenen Farmern. 

Die S e h a f z u c h t steht in Süd-West-Afrika 
natürlich, rücksichtlich der ol>en erwähnten \ er- 
höltnisse und des hohen Lolmauspruchs der Scherer 
insofern Wollprodukt.ion eine untergeordnete Rolle 
spielt, auf tiefer Stufe. Und als Fleischtier h*nM 
sieh die anspruchslose Ziege mehr. Wollschaf mit 
afrikanischem Fctt>1eiss$ehaf gekreuzt. Inf- r; 
schon in der dritten Generation marktfähige Wolle. 

| Landesziege erst in der doppelten Zeit. Ud>er Prci>- 
verliältnisse ist nichts gesagt. 

Uel>er Pf o r d e z u c h t ist sehr wenig gebaut. 
Sie Nt Sache der Gestütsvcrwalt uug in Nnue!ia> 
Die Kastration der zur Zucht untauglichen Hengste 
wird seitens der Tierärzte aiigestrobt. 


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Heft 6. 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


139 


Riiulerzuch t. Aus amtlichen Beständen 
gelangen Kreuzungsprodukte rassereiner Kinder mit 
afrikanischen Schlägen zum Verkauf. Zur Paarung 
werden Rassestiere gegen Bezahlung voa 3 Mk. pro 
Kind ausgeliehen. Diese rassereinen Tiere sind in 
den Yeterinärinstituten untergebracht. 

Sonst ist noch ül>er die Tätigkeit der Re¬ 
gierungs-Tierärzte zu sagen, dass sie zur Grün- 
lung von Zuchtgenossensehaften Sorge zu tragen 
haben und dass ihnen ferner die Pflicht obliegt. 
..in Ansehung der Angora- und »Schafzucht 1 * die 
Herdbücher zu führen. Seheben. 

Zeniann, Marineolwrstabsarzt. Ueber die so- 
g e n an nte ,.Kief orkrankhei t“ der 
Pferde und Maultiere in Kamerun. 
Archiv für wissenseh. und prakt. Tierheilkunde, 
äl. Band. 3. Heft. 

Verf. beobachtete in Kamerun bei Pferden und 
Maultieren eine ihm eigenartig erscheinende 
Krankheit, die in Iwnderseitiger Schwellung der 
Oberkieferknochen besteht, welche auch auf Druck 
nicht schmerzhaft zu sein scheint. Gleichzeitig 
kann eine gleichmüssig zunehmende Verdickung der 
horizontalen Unterkiei’eräste eintreten. Im Cavum 
narium sieht man die beiderseitigen Schwellungen 
die knöcherne Seitenwand immer mehr nach innen 
zu vnrwöllxm, wodurch Behinderung der Atmung 
statt findet. Verf. schreibt wörtlich: ..Die Atmung 
wird immer beschleunigter. Zuletzt hört man auf 
erhebliche Entfernung das laut pfeifende Atmen 
des Tieres. Dieselben (? Ref.) bieten in diesem 
Stadium ein höchst bejammernswertes (! Ref.) Bild. 
In den letzten Tagen nimmt auch die Fresslust 
ab. und stehen die Tiere (und die Tiere 
stehen, Ref.), traurige Bilder des Elends (gibts 
auch heitere ! Ref.), röchelnd da, bis die Töt¬ 
ung den Qualen infolge der zunehme n- 
den chronischen Erstickung ein Ende 
macht (also die Tötung macht infolge der zu¬ 
nehmenden chronischen Erstickung den Qualen ein 
Endo! Ref.). Die Dauer des Leidens scheint 
zwischen 4—12 (muss heissen 4 und 12) Monaten zu 
Ix't ragen. Blutbet und zeigt e nichts Abnormes 
ausser einer Art Piroplasma, über die (muss 
heissen deren, Ref.) bereits Erwähnung getan 
ist. Sektionsbefund. Die inneren Organe zeigen 
venig Bemerkenswertes (d. h. wohl für den Nicht- 
sachverständigen, wie den Autor. Ref.). Nirgends 
Zeichen von Malleus und Aktinomykose (sind l>ei 
dem Pferde doch dem Autor wohl kaum bekannt 
geworden; denn Laien bekommen die genannten 
Erkrankungen schwerlich zu Gesicht). Dem Autor 
sind die einfachsten, auch Laien bekannten physio¬ 
logischen Eigentümlichkeiten des Pferdes nicht be¬ 
kannt (cf. p. 308, 1. Abschnitt). Uel>er die Aetio- 
logie weiss Verf. nichts zu berichten. (In dem 
Archiv muten in schlechtem Deutsch gehaltene 
Abhandlungen von Julien IxTremdend an.) 

Profe. 

Kartaschewskij, W i r k u n g d e s W a s s er¬ 
st o f f e s auf den Stoffwechsel und die 


W ä rmeproduktion bei den Tieren. 
(Iswiesstja Imperatorskoj wojenno-medicinskoj 

Akademji 1904, Band 3. No. 5.) 

Verfasser hatte im 'Laboratorium des Prof. 
A 1 b i c k i j zahlreiche Forschungen angestellt, um 
die Frage zu beantworten, welchen Einfluss die Er¬ 
setzung des Stickstoffes durch Wasserstoff in der 
Atmungsluft auf den Tierkörper ausübt. Er ge¬ 
langte zur Lieberzeugung, Wasserstoff sei für den 
Organismus als Atmungsgas keineswegs gleich¬ 
gültig, er ruft vielmehr zahlreiche und ziemlich 
deutlich wahrnehmbare Erscheinungen hervor. Der 
allgemeine Zustand und die Körperwärme der Ver¬ 
suchstiere (Hunde) blieben dabei unverändert, 
ebenso der Stickstoffwechsel; die Sauerstoffauf- 
nahme und Kohlensäureausscheidung steigerten sich 
dagegen erheblich. Atmungsäquivalent war durch 
oben erwähnte Behandlung gar nicht beeinflusst. 
Wasserverdunstung unterliegt nur geringen Schwan¬ 
kungen. Wärmeabgabe hebt sich hochgradig wegen 
vergrösserter Ausstrahlung und Wärmeleitung; un¬ 
beträchtlich, fast unwahrnehmbar steigert sich da¬ 
gegen der allgemeine Wärmeverlust und Wärme¬ 
bildung. Diese geringe Steigerung der Wärmepro¬ 
duktion hängt übrigens von der schnelleren Fett¬ 
verbrennung ab. Eiweisswechsel bleibt normal. Aus 
dem Gesagten geht hervor, dass der normale Stoff¬ 
wechsel nach der Einatmung des H- und O-Go- 
menges zwar nicht bedeutend verändert wird, jeden¬ 
falls aber solcher Modifikation unterliegt, welche 
bis jetzt nicht nur übersehen, sondern auch ihre 
Existenz bezweifelt wurde. 

Baczynski. 


Versicherungswesen. 

BadBche PferdeverdcheruiigsHiiHtalt zu Karlsruhe. 

26. Jahresbericht über das Geschäftsjahr 1904. Er¬ 
stattet vom Diiektor, Tierarzt Eberbach. 

B a d i s c li e P f e r d e v e r s i c h e r u n g s a n - 
stall zu Karls r u h e. 26. Jahresbericht über 
das Geschäftsjahr 1904. Erstattet vom Direktor. 
Tierarzt Eberbach. 

Das Geschäftsjahr ist für die Anstalt als ein 
günstiges zu bezeichnen. Der Bestand war Ende 
1904 12 399 Mitglieder mit 18 801 versicherten 
Pferden und 14 264 587 M. Versicherungswert. Der 
reine Zuwachs l>etrug 678 Mitglieder mit 1086 
Pferden und einem Versicherungskapital von 
1 048 241 M. Venvaltungskosten = 19,4 <y 0 . 

Die Schadenfälle erreichen mit der Zahl 1296 
gegen 1174 im Vorjahr den höchsten Stand seit 
dem Bestehen der Anstalt. Die Gesamtentschädi- 
gungssumme betrug 551 681,50 M. (mehr gegen das 
Vorjahr 51 637.20 M.). Hiervon betrafen 562 Pferde 
mit 318 032 M. Entschädigungssumme Todesfälle 
und 734 Fälle mit 233 649 M. entstanden durch 
Unbrauchbarkeit und infolge unheilbarer Krank¬ 
heiten. 

Nach der Gebrauchsweise der Pferde entfielen 
66 o; 0 der entschädigten auf den landwirtschaft- 


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3. Jahrgang. 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


140 


liehen Betrieb, 34 o/ 0 auf den des Gewerbes. 35 
Pferde hatten ein Alter von 1—3, 174 von 4—6, 
355 von 7—9, 339 von 10—12, 166 von 13—15. 
123 von 16—18 und 104 von über 18 Jahren. 

Von den einzelnen Schadenursachen weist der 
Starrkrampf eine vermehrte Zahl auf (23 gegen 
11 des Vorjahrs). Als Grund hierfür gibt Eberbach 
den heissen Sommer an, welcher für die Entwick¬ 
lung des Infektionsstoffes günstige Bedingungen 
bot. 

Dagegen hat die Zahl der wegen schwarzer 
Harnwinde zu entschädigenden Pferde trotz des 
grösseren Versicherungsbestandes abgenommen (51 
Fälle gegen 63 im Vorjahr). Ohne Zweifel ist 
diese Tatsache auf die von der Direktion den ein¬ 
zelnen Versicherten dringend empfohlenen Vor¬ 
sich tsmassregeln zurückzuführen. 

Die Kolikfälle erreichten eine ganz abnorme 
Höhe (72 mehr wie 1903). Besonders stark war 
das Auftreten dieser Krankheit im Frühjahr und 
Sommer, was ohne Zweifel mit der reichen Heu¬ 
ernte und der grossen Hitze zusammenhängt. Be¬ 
sonders gab es viele Blähkoliken, die darauf zurück¬ 
zuführen sind, dass das Grünfutter in der heissen 
Zeit schnell welkte, und dass bei der reichen Ernte 
nicht gespart wurde. Ausserdem wurde das neue 
Heu oft bei dem billigen Preis in übermässiger 
Menge verfüttert, anstatt dass altes Futter der 
Ration beigegeben wurde. 

Huf- und Beinleiden mussten 376 mal (298 
im Vorjahr) entschädigt werden. Diese Steigerung 
ist darauf zurückzuführen, dass sich aus den Vor¬ 
jahren immer mehr fehlerhafte Pferde ansammelten. 

Seit ihrem Bestehen hat die Anstalt für 13 315 
Pferde 5 481 528 M. Entschädigung geleistet. 

Carl. 

Bayern. V i e h v e r s i c h e r u n g. (Geschäfts¬ 
bericht der Landes - Viehversicherungsanstalt für 
das Versicherungsjahr 1. November 1903/04.) 

In das Berichtsjahr sind 1471 Ortsvereine 
(gegen 1463 im Vorjahre) eingetreten; am Schlüsse 
betrug der Versicherungsstand 1530 Vereine mit 
75 945 Mitgliedern und 297 855 Tieren bei einem 
Versicherungswerte von 70 164 665 M. (gegenüber 
1537 Vereinen mit 74 673 Mitgliedern und 292 515 
Tieren im Werte von 67 217 630 M. im Vorjahre). 
Auf einen Verein trafen im Durchschnitt 50 Mit¬ 
glieder mit 195 versicherten Tieren. Der Ver¬ 
sicherungswert für ein Viehstück stellte sich durch¬ 
schnittlich auf 236 M. An der Versicherung waren 
8,37 o/o aller durch die Viehzählung vom Jahre 
1900 ermittelten Tiere l>eteiligt, (8,23 Oo im Vor¬ 
jahre). 

Insgesamt wurden von 9294 Entschädigungs¬ 
ansprüchen 9205 Fälle = 3,09 o 0 der versicherten 
Tiere für begründet erachtet, nämlich: 

5866 = 63,73 o/o für notgeschlachtete Tiere, 

3118 = 33,87 o/o für umgestandene Tiere. 

221 = 2,40 Oo für gewerblich geschlachtete Tiere, 
letzten' auf Grund der Schlachtviehvorsieherung. 
Der Gesamtbetrag für die festgesetzten Entschädi¬ 


gungen belief sich auf 1 479 540,01 M. Demselben 
stand ein Reinerlös aus der Verwertung von not¬ 
geschlachteten und umgestandenen Tieren mit 
467 268,94 M. = 31,58 vom Hundert der fest¬ 
gesetzten Entschädigungsbeträge gegenüber: die 
Nettoentschädigung betrug 1 012 271,07 M. = 1,48 
vom Hundert der beitragspflichtigen Versicherungs¬ 
summe. 

Im Durchschnitt ergab sich ein Reinerlös von 
77,05 M. für ein notgeschlachtetes und 4.90 M. 
für ein umgestandenes Tier. Unter den 297 855 
versicherten Tieren befanden sich 13 748 Ochsen. 
161 255 Kühe, 79 732 Stück Jungvieh, 43 120 Ziegen. 
Hiervon wurden entschädigt 254 Ochsen = 1,85" o 
der versicherten Tiere mit Nettoentschädigung von 
37 760 M. = 0.72 o/o der Versicherungssumme: 5350 
Kühe = 3,32 o/ 0 mit 850127 M. — 1,72 «o; 1311 
Stück Jungvieh = 1,64 o/o mit 101 901 M. = 0.68 o 0 : 
2290 Ziegen = 5,31 o/o mit 22 483 M. = 3.48*«. 

Als Schadens Ursache wurden bei den ent¬ 
schädigten Viehstücken ermittelt: Krankheilen des 
Nervensystems und der Sinnesorgane in 414 Fällen 
= 4,50 o / 0 der Schadenfälle, Krankheiten des Gefäss- 
svstems in 631 — 6,86 o/o, Krankheiten der At¬ 
mungsorgane in 290 = 3,15 °/o, Krankheiten der 
Verdauungsorgane in 1832 = 19,90 o/o, Krankheiten 
der Harnorgane in 199 2,16 °o. Krankheiten 

der Geburtswege usw. in 1794 = 19,19 °o, Infek¬ 
tionskrankheiten in 2440 = 26,51 o/ 0 , tierische 
Parasiten in 248 = 2,69 o/ 0 , Krankheiten der Haut 
und der Muskeln in 153 = 1,66 °/o, Krankheiten 
der Knochen und Gelenke in 157 = 1,71 °/o. Krank¬ 
heiten der Klauen in 12 = 0,13 °o, Vergiftungen 
in 16 = 0,17 o/o, Störungen der Ernährung in 508 
i= 5,52 o/o, äussere Einwirkungen oder durch sie 
verursachte Krankheiten in 397 = 4,31 o 0 . un¬ 
bestimmte Krankheiten in 114 = 1,24 o/o. 

Die Infektionskrankheiten waren auch in diesem 
Berichtsjahre wieder am stärksten vertreten, dar¬ 
unter die Tuberkulose mit 2322 Fällen = 25.23 o 0 
der Gesamtschadenfälle. Demnächst folgten — wie 
in den Vorjahren — die Krankheiten der Verdau¬ 
ungsorgane mit 19,90 °/o (darunter 7,30 0 o \ er¬ 
seht licken von Fremdkörpern und 3.27 "o akute 
Blähung) und die Krankheiten der Geburtswege usw. 
mit 19,49 o/o. 

Die 8984 notgeschlachteten und umgestandenen 
Tiere betrafen 6694 Stück Rindvieh und 2290 Ziegen. 
Bei dem entschädigten Rindvieh hat eine tier¬ 
ärztliche Behandlung in 69,36 o / 0 (im Vorjahre 
69,20 o/o) der Schadenfälle stattgefunden. 

Die Entschädigungen aus der Schlachtviehver¬ 
sicherung haben für 221 Fälle 15 404,71 M. be¬ 
tragen. In 162 Fällen, in welchen es sich um 
teilweise ungeniessbares Fleisch handelte, wurde 
durchschnittlich der Betrag von 37,22 M. für ein 
Tier als Entschädigung gezahlt.; in 59 Fällen, bei 
gänzlicher Ungeniessbarkeit- des Fleisches, wurden 
durchschnittlich 158,90 M. für das Stück entrichtet. 
Dazu kommt der Erlös, welcher aus der Verwertung 
von Tieren dem Versicherten verblieben ist. 


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Heft 6. 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


141 


Die tierärztlichen Kosten stellten sich auf 0,15 
und diejenigen der örtlichen Verwaltung auf 0,10<>/o 
der beitragspflichtigen Versicherungssumme. 

Die Ortsumlage betrug im Durchschnitt 0,70<>/o. 
Mit Zurechnung der Verbandsumlage stellte sich 
der ganze Beitrag im Durchschnitt auf 1,32 o/o 
(gegen 1,213 o/o im Vorjahre). Der Gesamtbeitrag 
auf je 100 M. Versicherungssumme betrug 0,62 o/ 0 
in 97 Ortsvereinen (ohne Schäden), 0.63 bis 1,31 o/o 
in 744 Ortsvereinen, 1.32 o/o (durclischnittl.) in 16 
Ortsvereinen, 1,33 bis 1.60 o/ 0 in 374 Orts vereinen, 
1,61 bis 2 o/o in 220 Ortsvereinen, 2,01 bis 2,50 o /0 
in 69 und 2,51 bis 3,00 o/ 0 in 10 Ortsvereinen. Ein 
Beitrag über den Satz von 2 o/ 0 betraf Ortsvereine 
mit hoher Schadensziffer und vorherrschender 
Milchwirtschaft. Der Reservefonds, das gemein¬ 
schaftliche Vermögen aller angeschlossenen Orts¬ 
vereine, stellte sich auf 346 197,79 M. 


Internationaler Tuberkulose - Kongress. 

Frankreich. Im Anschluss an den für Oktober 
d. J. geplanten Internationalen Tuberkulose-Kon¬ 
gress soll in Paris, gleichfalls im Oktober d. J., 
ein Internationaler Kongress für Nahrungsmittel- 
Hygiene und zweckmässige Ernährung des Men¬ 
schen veranstaltet werden. Die Anregung dazu ist 
von der französischen Gesellschaft für Nahrungs¬ 
mittel-Hygiene und zweckmässige Ernährung des 
Menschen ausgegangen. Der Kongress soll in fol¬ 
gende 5 Sektionen zerfallen: Biologische Physik, 
Biologische Chemie und Physiologie, zweckmässige 
Ernährung, analytische Chemie, Fälschungen und 
Gesetzgebung, Statistik, Unterricht und praktische 
Wirksamkeit. Die französische Regierung hat mit 
dem Gesetzentwurf vom 21. April 1905 (Depu¬ 
tiertenkammerdrucksache No. 2428/05) bei den 
gesetzgebenden Körperschaften die Bewilligung 
eines Staats bei träges von 50 000 Frcs. zu den 
Kosten des Kongresses beantragt. Der Entwurf 
ist in der zweiten Sitzung der Deputiertenkammer 
vom 21. April an die Budgetkommission der Kammer 
verwiesen worden. Einzelheiten über das Programm 
stehen noch aus. 

Frankreich. Im Anschluss an den zu Paris vom 
2. bis 7. Oktober d. J. stattfindeuden Internationalen 
Tuberkulosekongress ist für die Zeit vom 2. bis 
29. Oktober die Veranstaltung einer Internationalen 
Tuberkulose-Ausstellung im Grand Palais des 
Champs-Elys6es in Aussicht genommen. Der Ein¬ 
tritt soll unentgeltlich sein und jedermann frei- 
stehen. 

Die Ausstellung wird 4 Sektionen umfassen mit 
insgesamt 14 Unterklassen: 

1. Section scientifique. MusEe. 
Microbiologie. Tuberoulose experimentale, mEdi- 
cale, chirurgicale, vEtErinaire. 

Classe I. Anatomie pathologique: 

A. Macrosoopique. 


Picces naturelles (en bocaux, piEces sEches etc.) ; 
Moulages, cires, plätres, estampages, etc.; Dessins, 
photograph ies, etc. 

B. Microscopique. 

Coupes; Microphotographies; Dessins, etc. 

Classe II. BactEriologie; 

A. Cultures, tubes, ballons, boites, etc.; 

B. PrEpaxafcions; 

C. Produits bactEriens; 

D. Figures. 

Microphotographies, Dessins, etc. 

Classe III. Documents scientifiques: 

Tableaux statistiques, planches murales, gra- 
phiques, volumes, revues, etc. 

2. Section sociale, 

Ravages de la Tuberculose-PrEvention-Assistanci*. 

Classe IV. Oeuvres et Etablissements publies et 
privEs de preservation antituberculeuse. 

Ligues et sociEtEs de propagande; oeuvres d’liy- 
giEne sociale (mortalitE infantile, crEches, gouttes 
de lait, colonies de vacanoes, alcoolisme, logc- 
ments salubres, eures d’air prEventives, jardins 
ouvriers, etc.). 

Classe V. Oeuvres et Etablissements püblics et 
privEs d’assistance antituberculeuse. 

Dispensaires, höpitaux spEcialisEs, Sanatoriums 
d'enfants et d’adultes, höpitaux marins, etc. 

Photograph ies, plans, maquettes, vues, dessins, 
graphiques, tableaux statistiques, etc., Statuts et 
imprimEs. 

3. Section industrielle. 

Prophylaxie, HygiEne, MatEriel et Mobilier d’Assis- 
tance applicables ä la lutte anti tuberculeuse. 

Classe VI. Alimentation. 

Produits alimentaires. 

HygiEne de l’alimentation. 

Classe VII. Habitation. 

Construction; aEration; chauffage et Ventila¬ 
tion ; agencements sanitaires; ameublements; de- 
coration, etc. 

Classe VIII. Etablissements publics et Loge¬ 
ments collectifs. 

Construction et installation des Ecoles; habi- 
tations ouvriEres; ateliers et bureaux; casernes; 
salles publiques; thEätres, etc.; construction et in¬ 
stallation des Höpitaux spEciaux; Sanatoriums; 
aEriums, ^tc. 

Classe IX. Transports et Voyages. 

Construction et Assainissements des voitures 
publiques (omnibus; tramways; Wagons, etc.: 
transport des malades), navires, bateaux, chalands. 
etc. La chambre d’hötel. 

Classe X. Nettoyage et DEsinfection. 

ProcEdEs; appareils ; produits, etc. 

Classe XI. MatEriel spEcial. 

Pour Dispensaires, Sanatoriums et Höpitaux 
de Tuberculeux. 

Classe XII. Stations de Cure d’air. 

Classe XIII. MatiEre mEdicale. 

Stations thermales; eaux minErales, 

Produits pharmaoeutiques, etc. 


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142 


Fortschritte der V eteri när* Hygiene. 


3. Jahrgang. 


4. Section historique. 

Classe XIV. La Tuberculose ä travers les 
ages dans Part et l’histoire. 

' Reproductions et Documents ; Dessins ; estampes ; 
tableaux; volumes; etc. 

Die Ausstellungsgebühren betragen für je 1 qm 
Bodenfläche 50 Frcs. und für je 1 qm Wand¬ 
fläche 25 Frcs. Den Ausstellern werden Plätze 
in jeder Grösse von 1 qm an überlassen. Beson¬ 
derer Abmachung unterliegen die Gebühren für 
freistehende Vitrinen sowie für etwaige einem ein¬ 
zelnen Aussteller ganz zuzuteilende Räume. Befreit 
werden können von den Ausstellungsgebühren 
Gegenstände von rein wissenschaftlichem oder so¬ 
zialem Interesse, welche von Behörden oder ge¬ 
meinnützigen Einrichtungen ausgestellt werden. 
Auch sind die auf Klasse XIV (Section historique) 
entfallenden Gegenstände gebührenfrei. 

Das Generalkommissariat der Ausstellung be¬ 
findet sich zu Paris, rue de PEcole de M6decine 21. 


Die 77. Versammlung deutscher Naturforscher 
und Aerzte 

(vom 24. bis 30. September d. .1. in Meran). 

In den allgemeinen Versammlungen sollen 
folgende Vorträge gehalten werden: 

W. Wien (Würzburg): l'eber Elektronen. — 
Xoclit (Hamburg): Leber Tropenkrankheiten. — 
H. Molisch (Prag): Lelier Lichtentwicklung in den 
Pflanzen. — H. Dürek (München): Leber Beri- 
Beri und intestinale Intoxikationskrankheiteu im 
Malavischen Archipel. — LI. Neisser (Lubliuitz): 
Individualität und Psychose. — J. Wimmer (Wien): 
Mechanik der Entwicklung der tierischen Lebe¬ 
wesen. 

Für eine Gesamtsitzung beider Hauptgruppen 
sind in Aussicht genommen: 

a) A. Gutzmer (Jena): Bericht ül>er die Tätig¬ 
keit der Lnterrichtskommission. 

b) Vorträge: C. Correns (Leipzig): Leber Ver¬ 
erbungsgesetze. — K. Heider (Innsbruck): Ver¬ 
erbung und Chromosomen. — B. Hatschek (Wien) : 
Neue Theorie der Vererbung. 

Im übrigen wird dem Plan der wissenschaft¬ 
lichen Verhandlungen naclistehendes entnommen: 

Gemeinschaftliche Sitzung der Abteilungen 6 
(Geophysik. Meteorologie und Erdmagnetismus), 7 
(Geographie. Hytlrographie und Kartographie), 8 
(Mineralogie, Geologie und Paläontologie) der 
naturwissenschaftlichen Hauptgruppe : 

Delkeskanz (Giessen) : Mineralquellen in ihren 
Beziehungen zu Erzlagerstätten und Eruptivge¬ 
steinen. 

Gemeinschaftliche Sitzung der medizinischen 
Hauptgruppe: 

Ueber Natur und Behandlung der Pellagra. 
Referenten : Neusser (Wien), Sturli (Wien). Tuczek 
(Marburg), Merk (Innsbruck), von Hal»erler (Inns¬ 
bruck). 


2. Abteilung: Physik einschliesslich Instru¬ 
mentenkunde und wissenschaftliche Photographie. 

Grunmach (Berlin): Leier die Diffusion von 
Kohlensäure durch Kautschuk. — Seitz (Würz¬ 
burg) : Leber eine neue Art sehr weicher Röntgen¬ 
strahlen. 

5 a. Abteilung: Agrikulturchemie und land¬ 
wirtschaftliches Versuchs wesen. 

Kaltenegger (Brixen): Lelxn* die biologischen 
und technischen Bedingungen des Lel>endtrans- 
j>ortes von Fischen und anderen Wassertieren. (Mit 
Demonstration fies neuerfundenen Fischt ransport- 
automaten Hydrobion). — Paufler (S. Michele): 
Die Degeneration des ()l>erinntaler Rinderschlages 
in,S. Michele. — Schindler (S. Michele): Die Ana¬ 
lyse des Weines. — Stutzer (Königsberg): Neue 
Erfahrungen über die analytische Ermittlung von 
verdaulichem Reineiweiss in Futtermitteln. 

8. Abteilung: Mineralogie. Geologie und Palä¬ 
ontologie : 

Knett (Karlsbad): Geologie der Mineralquellen 
in Theorie und Praxis. 

10. Abteilung: Zoologie. 

Joseph (Wien) : Neue zytologische Befunde. — 
Schneider (Wien): Leber Plasmal>ewegung l>ei 
Protozoen. 

12. Abteilung: Mathematischer uni natur¬ 
wissenschaftlicher Lnterricht. 

Huber (Wien): Inwiefern ist der Abiturient 
der österreichischen Realschule zum Studium der 
Medizin l>esonders geeignet ! Antrag: Dem Rcal- 
schul-Abiturienten, der sich dem medizinischen 
Studium widmet, soll die Prüfung aus der grie¬ 
chischen Sprache erlassen werden. 

13. Abteilung: Pharmazie und Pharmakognosie. 

Bernegan (Hannover): Studien über die Kola¬ 
nuss. — Jolles (Wien): Beiträge zur Methodik 
der Harnuntersucliung. — Meyer (Essen a. d. Ruhr) : 
Beitrag zur vergleichenden Fett Untersuchung. — 
Pabisch (Wien): a) Botanisch-chemische Studien 
über einige Pfeilgifte aus Zeutral-Borneo. Ein Bei¬ 
trag zur Kenntnis der Pfeilgiftdrogen, b) Phariua- 
kognostische Studien ül>er einige Fischgiftwurzeln. 

14. Abteilung: Anatomie, Histologie. Em¬ 
bryologie mul Physiologie. x 

Fröhlich (Wien): Leber die Einwirkung von 
Kohlensäure und Alkohol auf den Muskel. — Haus¬ 
mann jun. (Meran): Zur Kenntnis der Arsenge¬ 
wöhnung. — Laqueur (Bad Ems): Die chemischen 
Unterschiede des Kaseins und Parakaseins (d. i. 
des durch Lab veränderten Kaseins). — Xeu)K»rg 
und Löwy (Berlin): Zur Physiologie der Ver¬ 
dauung. — Pauli (Wien): Die Wanderung von Ei- 
weiss im elektrischen Strom. — Siegfried (I.eipzig): 
Ueber den allmählichen Abbau des Eiweisses. 

15. Abteilung: Allgemeine Pathologie und 
pathologische Anatomie. 

Albrecht (Frankfurt a. M.): a) Eutwicklungs- 
mechanische Frage der Geschwulstlehre, b) Zur 
physiologischen und pathologischen Morphologie 
der Blutzellen, c) Pathologische Notizen. Mit 


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Heft 6. 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


143: 


Demonstrationen. — von Baumgarten (Tübingen): 
lieber das Verhalten der Tuberkelbacillen an der 
Eingangspforte der Infektion. — Boxer (Wien): 
Blutnährboden zur Differenzierung der Strepto¬ 
kokken und Pneumokokken. — Ernst (Zürich): 
Körperchen von feinem strahligen Bau im Krebs- 
ge\vel>e. — (lappisch (Innsbruck): Ein Beitrag zur 
Kenntnis der Aktinomykose des Menschen. — Grün¬ 
baum (Leeds): L T eber die heterotypen Mitosen des 
Karzinoms. — von Hibler (Innsbruck): Leber die 
Differentialdiagnose der pathogenen Anaerobier. — 
Oestreich (Berlin): Feststellung der unmittelbaren 
Todesursache durch die Sektion. — Schwarz (Wien) : 
Zur Kenntnis der Pseudotuberkulose der Neger. — 
.Sternberg (Wien): Beiträge zur Histologie der Milz 
bei akuten Infektionskrankheiten. — Verocay 
(Prag) : a) Ueber besondere retroperitoneale Tu¬ 
moren. b) Aktinomykose der Beckenorgane. 

16. Abteilung: Innere Medizin. Pharmakologie. 
Balneologie und Hydrotherapie. 

von Boltenstern (Berlin): Zur Bewertung des 
Kaffees als Volksgenussmittel. — Hammer (Heidel¬ 
berg) : Die Tuberkulintherapie und Diagnose der 
Lungentuberkulose. — Herz (Meran): Ueber Aero- 
therapie. — Jolles (Wien): Leber die quantitative 
Bestimmung der Phenole im Harne. — Posselt 
(Innsbruck): Leber die Stellung des Alveolar¬ 

echinokokkus. — Röttger (Schöneberg-Berlin): 
Moderne Reiz- und Genussmittel. — Rollv (Leipzig) : 
Leber Abtötung der Bakterien im Dünndarm. — 
Schmitz (Wildungen): Die Vorbereitung der Haut 
vor dem Bade, insbesondere dem Mineralbade, vom 
osmol ogi Sehen Standpunkte aus betrachtet. — 
Steinberg (Meran): a) Ein Dezennium Wüstenklima 
in kritischer Beleuchtung, b) Veränderte Indi¬ 
kationen für das klimatisch veränderte Mittelmcer- 
klima. — Vieth (Ludwigshafen) : Zur Pharmakologie 
der Farbstoffe. — Volland (Davos-Dorf): Etwas 
zur Behandlung der an Lungenentzündung Er¬ 
krankten. 

17. Abteilung: Geschichte der Medizin und 
Naturwissenschaften. 

Marcuse (Mannheim): Leber die Entwicklung 
der Lehre von der Tuberkulose von den ältesten 
Zeiten bis auf die Gegenwart. 

20. Abteilung: Kinderheilkunde. 

Cammerer jun. (Stuttgart): a) Das Längen¬ 
wachstum und sein Verhältnis zum Gewichtswachs- 
tum bei chronischer Unterernährung, b) Lnter- 
suchungen über die Säuglingsemährung in Arbeiter¬ 
kreisen. — Cronheim und Müller (Berlin): Weitere 
Stoffwechsel-Versuche an Säuglingen mit roher und 
sterilisierter Milch unter besonderer Berücksich¬ 
tigung des Salzstoffwechsels. — Eschrich (Wien): 
Leber die Säuglingsstation in Wien. — Moro 
(Wien): Leber die Bedeutung der physiologischen 
Darmflora. — von Pirquet (Wien): Neuere Er¬ 
fahrungen über die Serumkrankheit. — Reim (Frank¬ 
furt a. M.): Ueber die Frage von der Erblichkeit 
der Rhaohitis. — Rietschel (Berlin): Zur Chemie 
des Pertussis-Harns. — Ritter (Berlin): Leber 


Icterus catarrhalis der Kinder auf infektiöser Grund¬ 
lage. — Roeder (Berlin): Die Tuberkulose im schul¬ 
pflichtigen Kindesalter. — Voigt (Hamburg): Die 
Verwendung der Kaninchenlymphe zur Menschen¬ 
impfung. 

21. Abteilung: Neurologie und Psychiatrie. 
Eulenburg (Berlin): Leber Selbstmorde im 

jugendlichen Lebensalter. — Hausmann jun. 
(Meran): Zur Kenntnis der Arsengewöhnung. 

22. Abteilung: Augenheilkunde. 

Bär (Meran): Leber Tabak- und Alkohol- 
Amblyopie. 

25. Abteilung: Dermatologie und Svphilo- 
dologie. 

Kreibich und Pollak (Graz): Leber Vaccine. 

— Richter (Berlin): a) Ueber alte und neue Teer¬ 
präparate. b) Ein Beitrag zur Entstehung der 
Arznei-Ausschläge. — Saalfeld (Berlin): Leber die 
Berechtigung der Kosmetik als Teil der wissen¬ 
schaftlichen Dermatologie. — Nobl (Wien): Zum 
Parasitismus der Vaccine. — Kren (Wien): Demon¬ 
stration histologischer Präparate von Affcnsklerosen. 

— Loeb (Mannheim): Die präventive Behandlung 
der Gonorrhöe bei der Frau. — Müller (Metz): 
Die venerischen Krankheiten in der Garnison Metz; 

| ein erstmaliger Versuch eines Nachweises für die 
Leistungsfähigkeit der mikroskopischen Lnter- 
. suchung bei der Kontrolle der Prostituierten. — 

! Nobl (Wien) : Bakteriologie der nicht blennorrhoi- 
sclien Lrethritideu. — Oppenheim und Löw (Wien): 
Zur Pathogenese der tuberkulösen Epididymitis und 
Orchitis. 

27. Abteilung: Militär-Sanitäts wesen. 

Neumann (Bromborg): Die Aufgaben der 

| Krankheitsverhütung bei Volk und Armee. — 
i Scheuerer (Speyer a. Rh.): Militärkrankenpflege 
r in Kurorten und Genesungsheimen. — Schücking 
' (Salzburg): Die sanitären Vorbereitungen der .Ja¬ 
paner für den letzten Feldzug. — Siekinger (Brünn): 

a) Zahnpflege in der Armee, b) Anregung in 
! bezug auf die Ernährung. 

28. Abteilung: Gerichtliche Medizin. (Zugleich 
! Tagung der Deutschen Gesellschaft für gerichtliche 
! Medizin“.) 

Diskussionsthemata, a) ,.Tod durch Elektri¬ 
zität“. I. Referent: Kratter (Graz). 11. Referent: 
.Tellinek (Wien). 

b) „Morphinismus in strafrechtlicher Bezieh¬ 
ung“. I. Referent: von Kaan (Meran). II. Referent: 
Strassmann (Berlin). 

c) „Der Geisteszustand jugendlicher Krimi¬ 
neller“. I. Referent: Anton (Graz). 1J. Referent: 
Puppe (Königsberg i. Pr.). 

Angemeldete Vorträge: Dohm und Scheele 
(Kassel): Beiträge zur Lehre von den Degenerations¬ 
zeichen. — Ipsen (Innsbruck): Lcl>er den Nach¬ 
weis von Atropin. — Pfeiffer (Graz): Neue Bei¬ 
träge zur Kenntnis der Präzipitinreaktion. (Spezi- 
fizität der Reakt ion.) — Reuter (Wien): Ueber 

I den Nachweis von Kohlenoxydgas im Leichenblut. 
— Richter (Wien): - a) Nachweis von Bakterien 


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Fortschritte der Veterin&r-Hygiene. 


3. Jahrgang« 


144 * 


in Blutspuren und seine forensische Bedeutung, 
b) Widerstandsfähigkeit von Leichengeweben und 
Leichenorganen gegenüber äusseren Gewaltsein¬ 
wirkungen. — Stolper (Göttingen): Zur Verhütung 
der Unfallsneurosen. — Wachholz (Krakau): Zur 
Koh lenoxydvergiftung. 

29. Abteilung: Hygiene, einschliesslich Bak¬ 
teriologie und Tropenhygiene. 

Bamberger (Wien): Pneumatogen, ein neues 
System von Atmungsapparaten. — Freiherr von 
Düngern (Freiburg i. Br.): Zur Frage der Iden¬ 
tität von Menschen- und Rindertuberkulose. — 
Grünbaum (Leeds): Einige Beobachtungen betreffs 
der Opsonina — Heim (Erlangen): a) Ein neues 
Verfahren zum schärferen Nachweis von Verun¬ 
reinigungen des Fluss- und Trinkwassers. b) Ein¬ 
fachstes Bakterienfilter. — Lindner (Kassel- 
Wahlershausen) : Zwei neue Protozoen als Para¬ 
siten im Tierkörper. — R. 0. Neumann (Heidel¬ 
berg) : Ueber das gelbe Fieber und seine Bekämp¬ 
fung. — Freiherr von Pirquet (Wien): Ueber- 
empfindlichkeit und beschleunigte Reaktionsfähig¬ 
keit. — Remy (Bonn): Die Immunitätsfrage unter 
besonderer Berücksichtigung der bei der Pflanze 
beobachteten Immunitätserscheinungen. — Tromms¬ 
dorf (München): Ueber den Mäusetyphusbacillus 
und seine Verwandten. — Weyl (Charlottenburg- 
Berlin) : Zur Geschichte der sozialen Hygiene im 
Mittelalter. — von Wunschheim (Innsbruck): 
Weitere Mitteilungen über die Aetiologie der 
Hundestaupe. 


II. Deutscher Kolonialkongress, Berlin, 
5.— 7 - Oktober 1905. 

Dem ersten Deutschen Kolonialkongress 
war ein guter Erfolg beschieden. Die Ergeb¬ 
nisse dieser Zusammenkunft sind in einem 
stattlichen Bande niedergelegt (Verhandl. des 
Deutschen Kolonialkongresses 1902 Berlin, 
Dietr. Beimer 1903). 

Der zweite Kongress verspricht ebenfalls 
die auf ihn gesetzten Erwartungen der 
Kolonial freunde zu erfüllen. Er soll vom 
5.—7. Oktober d. J. in Berlin unter dem Prä¬ 
sidium des Herzogs Johann Albrecht 
zu Mecklenburg (Präsidenten der Deutschen 
Kolonial - Gesellschaft) im Reichstagsgebäude 
tagen; als Vizepräsident fungiert Exzellenz 
von Holleben. Der Kongress wird von 81 
Körperschaften veranstaltet, von denen vor 
allem die Deutsche Kolonial-Gesellschaft zu 
nennen ist. Auch eine relativ grosse Zahl 
preussischer wissenschaftlicher Institute ist auf 
dem Kongress vertreten. 

In den Verhandlungen werden naturgemäss 


die verschiedensten Gebiete Berücksichtigung 
finden. Hier interessiert besonders die Sektion 
für Tropenmedizin, Tropenhygiene 
; (Obmann: Direktor Dr. Wutzdorff, Berlin). 
Diese Sektion dürfte auch eine reichhaltige 
interessante Ausstellung bieten, zu deren Zu¬ 
standekommen das hamburgische Institut für 
Schiffs- und Tropenkrankheiten zum grossen 
Teil beitragen wird. Ausserdem ist mit dem 
Kongress u. a. eine Ausstellung kolonialer 
Erzeugnisse, Nutzpflanzen und tropenlandwirt¬ 
schaftlicher Maschinen verbunden. Von einer 
Beteiligung der doch ganz gewiss nicht wenig 
interessierten Veterinär-Medizin verlautet kein 
Wort. 

VIII. Internationaler Tierärztlicher 
Kongress, Budapest, 2.-9. Septemb. 1905. 

Erzherzog Joseph eröffnete als Ver¬ 
treter des Kaisers Franz Joseph und als Pro¬ 
tektor den Kongress durch eine Ansprache. 
Hierauf konstituiert sich das Kongressbureau; 
Präsident der Ackerbauminister Andreas 
Gyorgy. Es wurden 4 Sektionen gebildet: 

1. Sektion für Veterinär wesen, 

2. „ „ Physiologie, 

3. „ „ Pathologie, 

4. „ „ Tropenkrankheiten. 

Der Teilnehmer sind nicht weniger als 
1236. Oesterreich-Ungarn und Deutschland sind 
natürlich am zahlreichsten vertreten (Ungarn 
522, Oesterreich 139, Deutschland 298). Im 
übrigen trägt der Kongress einen vollkommen 
internationalen Charakter; folgende Länder 
sind vertreten: Oesterreich - Ungarn, Serbien, 
Bosnien, Bulgarien, Deutschland, Frankreich, 
Schweiz, Italien, Belgien, Holland, Russland, 
England, Schweden, Norwegen, Dänemark, 
Spanien, Portugal, Amerika, Japan, Vorder¬ 
indien, Aegypten, Tunis, Süd-Afrika. 

Die wichtigsten Faktoren dürften vereinigt 
sein, dem Kongresse einen äusserlich glänzen¬ 
den Erfolg zu sichern; für den wissenschaft¬ 
lichen Wert dieser internationalen Zusammen¬ 
kunft bürgen die Namen zahlreicher bewährter 
Männer. 

Einsendung von Original-Abhandlungen, 
Büchern, Monographien und Separat-Abdrüclcen 
wird direkt an den Redakteur, Kreistierarzt Dr. 
O. Profi, Cöln a. Rh., Hansaring 50, oder an die 
Verlagshandlung Louis Marcus, Berlin SW M 
Tempelhofer Ufer 7, erbeten. 


Pür d. Redaktion verantwort!. Kreistierarzt Dr. O. Prof 6, Cöln &. Rh., Hansaring 50. Druck von Pass & Gar leb G.ra.b. H., Berlin W.H5 
Verlag und Eigentum: Louis Marcus Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 61. 


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Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 

3. JAHRGANG. OKTOBER 1905. HEFT 7. 


Bericht vom VHI. internationalen 
tierärztlichen Kongress. 

Dem achten internationalen tierärztlichen 
Kongress hatte das malerisch an beiden Ufern 
der Donau gelegene, an die letzten steilen Aus¬ 
läufer der Alpen sich anlehnende Budapest gast¬ 
lich die Tore geöffnet. 

Am 2. September fand im Hotel Royal 
ein Begrüssungsabend statt, an dem die Kon¬ 
gressleitung die aus fast allen Kulturländern 
gekommenen Mitglieder bewirtete. 

Der erste Sitzungstag wurde eingeleitet 
mit der Enthüllung des vom Lehrkörper der 
Budapester Hochschule errichteten Denkmals 
für den früheren Professor Azary. Die Fest¬ 
rede hielt der Rektor Professor H u t y r a. Nach¬ 
mittags wurde der Kongress durch eine Sitz¬ 
ung im grossen Saale der Ungarischen Aka¬ 
demie der Wissenschaften von dem Protektor 
Erzherzog Josef mit folgender Rede fest¬ 
lich eröffnet: 

Meine Herren! Mit Freuden erfüllte ich 
die Bitte unseres Organisationskomitees, das 
Protektorat des VIII. internationalen Veterinär¬ 
kongresses zu übernehmen und mit Freuden 
erschien ich in der heutigen Festsitzung, um 
den Kongress zu eröffnen. Dank der von meinen 
Ahnen ererbten Liebe für die ungarische Erde 
und die ungarische Landwirtschaft, werde ich 
Ihre Verhandlungen, in deren Verlaufe hervor¬ 
ragende Fachmänner des Auslandes über die 
zur Förderung des Veterinärwesens geeigneten 
Massnahmen und die damit verbundenen An¬ 
gelegenheiten beraten werden, mit lebhaftem 
Interesse begleiten. Das Veterinär wesen unseres 
Vaterlandes hat sich im Laufe der letzten Jahr¬ 
zehnte durch die tatkräftige und erfolgreiche 
Mitwirkung des tierärztlichen Korps auf ein 
hohes Niveau erhoben. Dgis Ausland wird sich 
hiervon im Wege berufener Vertreter in un¬ 
mittelbarster Weise überzeugen und die gewiss 
nicht wegbleibende Anerkennung, sowie das 
Resultat der Verhandlungen werden voraus¬ 
sichtlich sowohl für diesen wichtigen Zweig 
der Verwaltung, als auch für die weitere Ent¬ 


wicklung der vaterländischen Veterinärwissen¬ 
schaft von günstiger Wirkung sein. 

Alsdann unterbreitete der Vorsitzende der 
Kongressleitung, Professor H u t y r a, die Vor¬ 
schläge des Komitees bezüglich der Wahl des 
Vorstandes. Gewählt wurden zum Präsidenten 
Ackerbauminister G y ö r g y , zu Ehrenpräsi¬ 
denten Lydtin und Arloing, zu Vizepräsi¬ 
denten Staatssekretär T h o r m a y, Ministerial¬ 
rat Lestyanssky, Hutyra, zum General¬ 
sekretär v. Ratz, zu Sekretären Dr. Zimmer¬ 
mann, Uhlarik und Breuer. 

Darauf erklärte der Präsident das Kon¬ 
gressbureau für konstituiert und hielt folgende 
Begrüssungsrede: 

Geehrte Herren! Ich darf nur die warmen 
Worte wiederholen, welche auf dem in Baden- 
Baden vor fünf Jahren gehaltenen Kongresse 
gesprochen wurden, um dem warmen Dank der 
gesamten Bevölkerung, in erster Reihe der 
volkswirtschaftlichen Faktoren und der Kol¬ 
legen würdigen Ausdruck zu verleihen dafür, 
dass Sie in so schöner Anzahl in unserer Mitte 
erschienen sind. Wir bitten Sie, mit den ruhi¬ 
gen, objektiven Augen der Wissenschaft aus 
unsere eventuellen Mängel nachzusehen und 
unseren Eifer zu würdigen, mit welchem wir 
unserer volkswirtschaftlichen Zurückgeblieben¬ 
heit abhelfen wollen. Die dauerndsten und 
wertvollsten der heutzutage so erfreulich sich 
vermehrenden Berührungspunkte zwischen den 
Nationen sind diejenigen, welche im Kreise der 
volkswirtschaftlichen Fragen und dort haupt¬ 
sächlich auf dem Gebiete der gemeinsamen 
Abwehr der gemeinsamen Feinde zustande 
kommen. Auf diesem Boden bewegt sich unser 
Kongress und so begrüssen wir Sie mit zwei¬ 
facher Freude in unserem Kreise. 

Alsdann begrüsste Oberbürgermeister 
Markus die Kongressmitglieder im Namen 
und in Vertretung der Stadt. Regierungsrat 
Kautz (Berlin) dankte in längerer Rede für 
die Vorbereitung des Kongresses; ihm schlossen 
sich Arloing und Stockmann an. 

Hiernach konstituierten sich die Fachsek- 


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146 


Fortschritte der Veteriuär-Hygiene. 


tionen des Kongresses und zwar auf Grund 
einer Vorlage der Kongressleitung wie folgt: 

I. Fachsektion für Veterinärwesen. Präsi¬ 
denten: Esser, Dammaim, Arloing, Malm, Tho- 
massen; Vizepräsidenten: Locusteanu, De Jong, 
Gracsänyi, Stockmann, Lüppke, Beisswänger, 
Malkmus, Cagny. 

II. Biologische Faohsektion. Präsidenten: 

Schmalz, Kjerrulf, Happich, Barrier; Vize¬ 
präsidenten : Casper, Edelmann, Nadaskay, 
J akab. 1 

III. Pathologische Fachsektion. Präsiden¬ 
ten: Bang, Wirtz, Schütz, Degive; Vizepräsi¬ 
denten : Leclainohe, Mac Faydean, Hess, Preiss. 

IV. Fachsektion für tropische Krankheiten. 
Präsidenten: Perroncito und Lighieres. 

Auf Antrag Dammanns wurde das vom 
Exekutivkomitee festgesetzte Arbeitsprogramm 
einstimmig und en bloc angenommen. Dann 
verlas Generalsekretär Professor v. Ratz 
nachfolgenden Bericht über die Vorarbeiten 
zum Kongress: 

Die bisherigen internationalen Veterinär¬ 
kongresse haben sich hauptsächlich mit der 
Verhandlung von Veterinärfragen befasst. Ein 
Teil dieser Fragen kann noch nicht als end¬ 
gültig gelöst angesehen werden. Ausserdem er¬ 
schien es zweckmässig, auch aus dem Kreise 
der Pathologie, der Biologie und der Hygiene 
solche Fragen aufzunehmen, deren Diskussion 
aus wissenschaftlichem oder praktischem Ge¬ 
sichtspunkte wünschenswert ist. Infolgedessen 
ist die Organisation des Kongresses in der Weise 
abgeändert worden, dass eine Veterinärsektion, 
eine biologische, eine pathologische und eine 
Sektion für tropische Krankheiten errichtet 
wird. Ausserdem wurde eine ständige Kommis¬ 
sion zur Aufrechterhaltung des Kontakts 
zwischen dem jetzigen Kongresse und den künf¬ 
tigen Kongressen in Aussicht genommen. Zu 
diesem Kongresse haben sich* Teilnehmer in so 
grosser Anzahl gemeldet, wie zu keinem 
früheren; zur Behandlung der auf die Tages¬ 
ordnung gestellten 27 Fragen sind 58 Fach¬ 
männer gewonnen worden. Die Referate zu 
diesen Fragen (45 an der Zahl) sind den Mit¬ 
gliedern im voraus zugesendet worden. Zur 
Deckung der Kosten der Vorarbeiten hat der 
ungarische Ackerbauminister 5000 K bewilligt, 
zur Deckung der Kosten des Kongresses selbst 
sind 15 000 K in das Staatsbudget pro 1905 ein¬ 


3. Jahrgang. 

gestellt, die Hauptstadt Budapest hat für den 
Kongress 100Ö0 K, der Landes-Veterinärverein 
4000 K, der Landes-Agrikulturverein 500 K 
bewilligt. Zur Teilnahme haben sich gemeldet: 
aus Deutschland 198, aus Oesterreich 139, aus 
Frankreich 57, aus Rumänien 56, aus Belgien 
36, aus der Schweiz 37, aus Serbien’ 32, aus 
Russland 16, aus England 14, aug Bosnien 12, 
aus Italien 10, aus Holland 8, aus Amerika 11, 
aus Dänemark 9, aus Schweden 7, aus Nor¬ 
wegen 5, aus Bulgarien 6, aus Aegypten 4, 
aus Tunis 2 Mitglieder, aus Portugal, Japan, 
Vorderindien, Afrika und Spanien je ein Mit¬ 
glied, aus Ungarn 522, insgesamt 1236 Mit¬ 
glieder. Offiziell sind vertreten: Oesterreich, 
Belgien, Bulgarien, Dänemark, Aegypten, die 
Vereinigten Staaten von Nordamerika, Frank¬ 
reich, Holland, Japan, China, der Kongostaat, 
Mexiko, Montenegro, Grossbritannien, Deutsch- 
: land, Norwegen, Russland, Rumänien, die 
Schweiz, Serbien, Schweden und Tunis. 

Hiermit hatte die Tagesordnung ihr Ende 
erreicht und der Präsident Ackerbauminister 
György schloss die Sitzung. 

Abends fand in der Ofener Königsburg, 
einem den Festungsberg krönenden imposanten 
Bau, dessen 180 m lange Front gegen die Donau 
gerichtet ist, ein glänzender Empfang zu Ehren 
der Mitglieder des Kongresses statt, für welchen 
besondere Einladungen ergangen waren. Die 
Mitglieder versammelten sich im gelben Marmor¬ 
saale. Um 8 Uhr betrat Erzherzog Josef mit 
seiner Begleitung, unter welcher auch der Mi¬ 
nister-Präsident Fejervaty bemerkt wurde, den 
Saal. Hier stellte Ackerbauminister G y ö r g y, 
von H u t y r a unterstützt, dem Protektor Erz¬ 
herzog Josef die Delegierten des Kongresses 
vor. Der Erzherzog richtete an alle Vorge¬ 
stellten freundliche Worte, mit einzelnen kon- 
versierte er längere Zeit. Die Liebenswürdig¬ 
keit, mit welcher Se. k. u. k. Hoheit den Pflich¬ 
ten der Gastfreundschaft entsprach, berührte 
alle Gäste ungemein sympatisch. 

Im Sitzungssaale des alten Parlaments¬ 
gebäudes begannen »m Montag, den 4. Sep¬ 
tember, die Sektionssitzungen des Kongresses. 

Um 9 Uhr vormittags tagte die Sektion für 
Veterinärpolizei, in welcher als erstes Thema 
„Die Vieh-Versicherung“ auf der Tagesordnung 
stand. Den Vorsitz führten Ministerialrat 
Lestyansky, Geheimrat Esser und Dr. 


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Heft 7. 


Fortschritte der Veterinär -Hygiene. 


de Jong. Von den vier Referenten sprach als 
einziger der Nestor der deutschen Tierärzte, 
Ly dt in. Redner führte aus, dass, wie die ge¬ 
schichtliche Entwicklung gelehrt habe, die 
Schäden aus den Tier Verlusten den einzelnen 
Landwirt ausserordentlich belasten, solange er 
sie selbständig tragen muss, und dass sie in 
diesem Falle den Wohlstand der ländlichen Be¬ 
völkerung wesentlich herabzumindern geeignet 
sind. Diese Last muss dem einzelnen durch 
Versicherung erleichtert und auf die Allgemein¬ 
heit verteilt werden, der sie nicht fühlbar wird. 
Es liegt im allgemeinen Interesse der Staaten, 
die Organisation dieser Versicherung nicht der 
Privatinitiative zu überlassen, sondern von 
Staats wegen zu bewirken. Bei der Versiche¬ 
rung ist zu unterscheiden, solche für Seuchen¬ 
fälle, für Schlachtvieh und die Lebendversiche¬ 
rung. 

Bei der Diskussion wendet sich P i r o c h i 
(Mailand) mit unnötiger Emphase gegen die Ver¬ 
staatlichung, für welche er besondere Schwierig¬ 
keiten in den zahlreichen Bezirken der Länder 
mit ihren Sonderheiten und in dem hierdurch 
erforderlichen komplizierten Beamtenapparat 
erblickt. Für tu na (Bukarest) hebt die Nach¬ 
teile der privaten und Genossenschafts-Ver¬ 
sicherung hervor und empfiehlt die staatliche 
Organisation mit Ausnahme der Schlachtvieh- 
Versicherung. In gleichem Sinne äussert sich 
Littlewood (London), zu gleichem Resul¬ 
tat gelangt Vamos auf dem Wege einer 
längeren sozialgeschichtlichen Betrachtung 
über das Versicherungswesen. Vennerholm 
(Stockholm) versuchte die Vorteile der Privat¬ 
versicherungen in ein freundliches Licht zu 
rücken. 

Nachfolgende Schlusssätze wurden nahezu 
einstimmig von der Sektion angenommen. 

1. In der im Berichte geschilderten Gestalt 
und Ausdehnung ist di# allgemeine Zwangs¬ 
versicherung der Haustierbesitzer gegen die 
Verluste an Tieren durch Seuchen eine einfache, 
billige und wirksame staatliche Einrichtung, 
die sich überall dort empfiehlt, wo die Staats¬ 
kasse die Entschädigung für Seuchenverluste 
nicht allgemein und endgültig übernimmt. 

2. Die Versicherung von Rindern, Schwei¬ 
nen, Ziegen und der zum landwirtschaftlichen 
Gebrauche verwendeten Pferde gegen Verluste 
durch Tod, Unfall oder Notschlachtung ist zur 


147 

Sicherung des grossen Teils des Volksver¬ 
mögens, welcher in den Haustierbeständen ge¬ 
borgen ist, zur Förderung der rationellen Zucht 
der Haustiere und somit zur Hebung der Land¬ 
wirtschaft überhaupt als eine dringliche Auf¬ 
gabe der landwirtschaftlichen und tierärzt¬ 
lichen Interessenvertretungen und der Staats¬ 
regierungen zu erklären. 

3. Die einfachste, billigste und wirksamste 
Form dieser Art von Vieh Versicherung ist die 
in dem Berichte geschilderte Bildung von klei¬ 
neren örtlichen Viehversicherungsvereinen auf 
Gegenseitigkeit und der Zusammenschluss 
dieser Vereine zu einem grösseren Verbände, 
welcher die Rückversicherung der Ortsvereine 
übernimmt. Die Unterstützung der Verbände 
durch Staatsmittel empfiehlt sich, noch mehr 
dje Einrichtung und die Leitung dieser Ver¬ 
bände als staatliche oder provinziale Anstalten. 

4. Die Bildung der Versicherungsverbände 
weckt das Verständnis der landwirtschaftlichen 
Bevölkerung für die allgemeine obligatorische 
Versicherung, zunächst von Rindern, welche 
den hauptsächlichsten und wertvollsten Teil 
der Haustierbestände bilden. Ist die Mehrzahl 
der Viehbesitzer für diese gewonnen, so ist es 
Aufgabe des Staates oder der Provinzialregie¬ 
rung, die allgemeine obligatorische Versiche¬ 
rung einzurichten und die Führung der Ge¬ 
schäfte zu übernehmen. 

An die Rinder Versicherung kann die Ver¬ 
sicherung von Pferden, Schweinen und Ziegen 
angeschlossen werden. 

5. Die Leistungen einzelner auf Gegen¬ 
seitigkeit beruhender privater Versicherungs¬ 
gesellschaften sind anerkennenswert. Jedoch ist 
eine Einheitlichkeit in den Grundsätzen der Ver¬ 
sicherung im Sinne unseres Berichtes, sowie 
gesetzliche Vorschriften für die Errichtung und 
den Betrieb dieser Versicherungen und deren 
Stellung unter Staatsaufsicht im Interesse der 
Landwirtschaft zu empfehlen. 

6. Die Versicherung gegen die Verluste am 
Werte lebender Pferde durch langwierige, nicht 
heilbare und den Gebrauch störende oder hem¬ 
mende Krankheiten oder Unfälle bedarf einer 
weiteren Entwicklung und Ausdehnung. 

7. Die Versicherung von Haustieren gegen 
Verluste durch Tod, Unfall oder Notschlach¬ 
tung während des Transports auf Eisenbahnen 
und Schiffen, während der Aufstellung auf 


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H8 


Fortschritte der Veterinär -Hygiene. 


3. Jahrgang. 


Schauen und Märkten und während des Auf¬ 
enthaltes auf entfernten Sommerweiden ent¬ 
spricht einem allgemeinen unter den Züchtern 
und Viehhändlern gefühlten Bedürfnisse. 

8. Die Schlachtvieh Versicherung ist eine 
zum Vollzug der gesetzlichen Vorschriften über 
Fleischbeschau notwendige Einrichtung. Sie be¬ 
seitigt die Schwierigkeiten, welche sich bei dem 
Vollzug der Fleischbeschaugesetze ergeben und 
verhütet die Unterschleife. 

Sie bewahrt die Schlachtviehproduzenten 
und die Fleischkonsumenten vor der Ueberwäl- 
zung der durch die Fleischbeschau herbeigeführ¬ 
ten Verluste auf ihre Schultern, schützt die 
einzelnen Gewerbetreibenden vor allzu grossen 
Vermögensverlusten und verteilt die entstan¬ 
denen Schäden gleichinässig und in erträglicher 
Weise auf die Gesamtheit der Fleischgewerbe¬ 
treibenden. 

Da die Schlachtviehversicherung den Voll¬ 
zug der Fleischbesch augesetze sichert, wahrt 
sie auch die öffentliche Gesundheit. Die 
Schlachtviehversicherung liegt daher im Inter¬ 
esse des Fleischgewerbes, der Landwirtschaft 
und der öffentlichen Gesundheit. 

Ein derartig allgemein verbreitetes Inter¬ 
esse rechtfertigt das Eingreifen der Staats- und 
Provinzialregierungen zur Errichtung von all¬ 
gemeinen obligatorischen Schlachtvieh-Versiche- 
rungs-Anstalten und zur Unterstützung dersel¬ 
ben aus Staatsmitteln. Ihr Tätigkeitsgebiet 
sollte eine möglichst grosse Ausdehnung be¬ 
sitzen. Anderenfalls gebietet der Schlachtvieh¬ 
handel, welcher sich nicht einschränken lässt, 
eine Verständigung der einzelnen Anstalten 
über Gegenseitigkeit. 

9. Eine einheitliche Statistik und deren 
Veröffentlichung in bestimmten Zeiträumen ist 
für jede der Versicherungsarten anzustreben. 

Eine allgemeine gleichartig durchgeführte 
Statistik liefert das Material für den wissen¬ 
schaftlichen Aufbau jeder Art der Viehver¬ 
sicherung, bereichert die Lehre von den Krank¬ 
heiten der Haustiere und legt den Grund für 
den Keim und die Entwicklung der veterinär- 
pathologischen Geographie. 

10. Bis zu ihrer vollständigen Klärung 
ist die Vieh versicherungsfrage auf die Tages¬ 
ordnung jedes folgenden internationalen tier¬ 
ärztlichen Kongresses zu setzen. 

Hiermit war die Tagesordnung der Vor¬ 
mittagssitzung zur Erledigung gebracht. 


Nachmittags 3 Uhr setzte die Sektion ihre 
Beratungen fort. Berichterstatter Sektionsrat 
Binder (Wien) sprach über die Einführung 
eines einheitlichen Schemas für die periodischen 
Tierseuchen - Nachweise zum Zwecke einer 
schnellen Verständigung über das Auftreten 
von Tierseuchen und tunlichster Einschränkung 
der Sperrgebiete. Referent hatte in Gemein¬ 
schaft mit Regierungsrat Roeckl (Berlin) 
folgende Resolution eingebracht: 

1. Der Nachrichtendienst über die Verbrei¬ 
tung von Tierseuchen ist von der Tierseuchen¬ 
statistik zu trennen. 

2. Der Nachrichtendienst hat regelmässig 
wöchentlich zu erfolgen. 

3. Der Ausbruch und das Erlöschen der 
Maul- und Klauenseuche in den Knotenpunkten 
des Vieh Verkehrs (grösseren Viehhöfen, Märk¬ 
ten u. dergl.) ist sofort telegraphisch an die 
Landes-Zentralstelle zu melden und von dieser 
ungesäumt in den amtlichen Publikations¬ 
organen und den gelesensten Tagesblättern be¬ 
kanntzugeben. In gleicher Weise hat eine tele¬ 
graphische Meldung und unverzügliche Ver¬ 
öffentlichung stattzufinden beim ersten Auf¬ 
treten der Maul- und Klauenseuche in bislang 
seuchefreien Gegenden. 

4. Der Nachrichtendienst ist auf diejenigen 
Seuchen zu beschränken, die hauptsächlich 
durch den Viehhandel verbreitet werden. 

5. In den für den Nachrichtendienst be¬ 
stimmten Wochenausweisen sind die betroffenen 
Länder (Landesteile), grösseren und kleineren 
Verwaltungsbezirke namentlich aufzuführen, 
dagegen die am Schlüsse der Berichtswoche 
wegen der Seuche oder des Seuchenverdachtes 
polizeilich gesperrten Gehöfte (Weiden, Her¬ 
den), sowie die hierdurch betroffenen Gemein¬ 
den (Ortschaften, Gutsbezirke) nur in Zahlen 
anzugeben. 

6. Die wöchentlichen Ausweise sind regel¬ 
mässig spätestens am vierten oder fünften Tage 
nach Schluss der Berichtszeit zu veröffent¬ 
lichen, erforderlichenfalls den Interessenten un¬ 
mittelbar zu übersenden und den Vertretungen 
der fremden Staaten, mit denen ein Austausch 
dieser Nachrichten stattfindet, ungesäumt mit¬ 
zuteilen. 

7. Die Statistik ist tunlichst monatlich, 
jedenfalls aber vierteljährlich zu bearbeiten und 
zu veröffentlichen. 

8. Die Statistik hat alle der Anzeigepflicht 


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llefl 7. 


149 


Fortschritte der V 

unterliegenden ansteckenden Tierkrankheiten 
zu umfassen. 

9. In der Statistik ist sowohl die Verbrei¬ 
tung der einzelnen Seuchen als auch der Grad 
der Verseuchung im Verhältnisse zum Viehbe¬ 
stände anzugeben. Es sind ferner die Ausbrüche 
und das Erlöschen der Seuchen fälle innerhalb 
der Berichtszeit nach Ländern (Landesteilen), 
grösseren und kleineren Verwaltungsbezirken, 
sowie die Zahlen der betroffenen Gemeinden 
(Ortschaften, Guts bezirke) und Gehöfte (Wei¬ 
den, Herden) aufzuführen. Die Zahlen der er¬ 
krankten, gefallenen und getöteten (oder ge¬ 
schlachteten), unter Umständen auch die der 
gefährdeten Tiere — d. h. der für die Seuche 
empfänglichen Tiere des ganzen Bestandes im 
betroffenen Gehöfte — sind stets getrennt nach 
Gattungen anzugeben. 

10. Die Statistik ist alsbald nach ihrem 
Erscheinen den beteiligten Verwaltungsbehör¬ 
den und im Austausch den Vertretungen der 
fremden Staaten zugänglich zu machen. 

Wie die Erfahrung lehrt, genügt die 
wöchentliche Ausgabe von Tierseuchen-Bulle¬ 
tins, weshalb die Ausweise sich auf solche Zeit¬ 
räume zu beziehen hätten. 

Eine längere Pause zwischen der Veröffent¬ 
lichung dieser Ausweise eintreten zu lassen, ent¬ 
spräche mit Rücksicht auf die Raschheit, mit 
welcher sich heute der Vieh verkehr ab wickelt, 
den diesfälligen Bedürfnissen nicht. 

Ferner müssen diese Ausweise sich unbe¬ 
dingt auf die nominelle Angabe aller der An¬ 
zeigepflicht unterliegenden Tierseuchen er¬ 
strecken. 

Im Interesse der internationalen Verständ¬ 
lichkeit würde es sich empfehlen, die Seuchen, 
ausser in der Amtssprache des betreffenden 
Staates, auch in der von der Wissenschaft ge¬ 
wählten klassischen Bezeichnung anzugeben. 

Die Namen der betreffenden grösseren Ver¬ 
waltungsgebiete (z. B. Land, Komitat, Regie 
rungsbezirk, Provinz, Gouvernement, Departe¬ 
ment, Kanton) und der Verwaltungsgebietc 
erster Instanz (Bezirk), aber auch der ver¬ 
seuchten Gemeinden wären anzuführen. 

Die Zahl der verseuchten Gehöfte auszu¬ 
weisen ist darum erforderlich, um die Grösse 
der Verbreitung einer Tierseuche in der Ge¬ 
meinde beurteilen zu können. 

Endlich müssen die erwähnten Daten über 


eterinär -Hygiene. 

die Verseuchung der betreffenden Gemeinden 
bis zur amtlichen Erklärung des Erlöschens 
der Seuche in derselben ausgewiesen werden. 

Eine Ausnahme von dem in Vorschlag ge¬ 
brachten Modus wäre nur hinsichtlich der Rin¬ 
derpest zu statuieren und mit Rücksicht auf die 
besondere Gefährlichkeit derselben zu be- 
schliessen, dass das Auftreten dieser Tierseuche 
in Staaten, die bis dahin frei von derselben ge¬ 
wesen sind, allen anderen Staaten, mit welchen 
ein Austausch von Tierseuchen-Aus weisen statt¬ 
findet, sofort telegraphisch mitzuteilen ist. 

Der Kongress fasste folgenden Beschluss: 
„Der Kongress erachtet die Feststellung eines 
einheitlichen Schemas für die periodischen 
Seuchen-Nach weise im Interesse der Veterinär¬ 
verwaltungen der einzelnen Staaten als auch 
mit Rücksicht auf eine entsprechende Abwick¬ 
lung des internationalen Viehverkehrs für sehr 
nützlich und wünschenswert und beauftragt 
seinen geschäftsführenden Ausschuss, in dieser 
Richtung das Erforderliche einzuleiten.“ 

Das dritte und letzte Thema des Tages be¬ 
traf die Ausdehnung der Verkehrsbeschränkun¬ 
gen beim Auftreten der nicht unmittelbar kon- 
tagiösen Infektionskrankheiten, besonders des 
Milzbrandes. Als Referenten sprachen Pro¬ 
fessor M alkmus (Hannover) und Dr. P r o f e 
(Köln). Präsident war Malm (Christiania). 

P r o f e führt aus, dass gegenüber dem vor¬ 
wiegend sporadischen Auftreten des Milzbran¬ 
des seine räumliche Ausbreitung in der Mehr¬ 
zahl der europäischen Länder noch immer eine 
sehr bedeutende sei und eine Abnahme nicht er¬ 
kennen lasse. Ausserordentlich zahlreiche An¬ 
gaben in der Literatur und tägliche praktische 
Erfahrung weisen immer wieder auf die mangel¬ 
hafte und unzulängliche Beseitigung der Milz¬ 
brandkadaver als nicht versiegende Infektions¬ 
quelle hin. Erst in zweiter Linie kommen Not¬ 
schlachtungen und das dabei unvermeidliche 
Aussäen von Milzbrandkeimen auf Streu, Fut¬ 
ter usw. und die Uebertragung durch Personen 
in Betracht. Die Verkehrsbeschränkungen 
haben sich zu erstrecken auf die verseuchten 
Gehöfte und Weiden, deren Sperrung angezeigt 
erscheint, sobald mehr als ein Tier in einer 
Herde innerhalb von acht Tagen an Milzbrand 
erkrankt, auf die erkrankten und der Krankheit 
verdächtigen Tiere und deren Teile, auf infi¬ 
ziertes Stroh, Futter und Streuinaterial und 


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150 Fortschritte der V 

sonstige infizierte Gegenstände, auf Personen, 
die Träger des Ansteekungsstoffes sein können, 
auf die Kadaver und deren Teile, die durch hohe 
Temperaturen zu vernichten sind; das Vergraben 
der Kadaver ist als unzulässig zu bezeichnen. 

M alkmus will besonderes Gewicht auf 
das Verbot der Ausfuhr von infiziertem Futter 
aus den Seuchengehöften gelegt wissen, wäh¬ 
rend gegen dessen Verfütterung im Seuchen¬ 
gehöfte unter Aussetzung der Entschädigung 
bei weiteren Erkrankungen nichts einzuwen¬ 
den sei. 

Gegen die Ausführungen wendet sich Gc- 
heimrat Loeffler (Greifswald), welcher her¬ 
vorhebt, dass nach den Feststellungen Kochs 
die Milzbrandkeime im Inneren der Kadaver 
infolge von Sauerstoffmangel zugrunde gehen 
ohne Sporen zu bilden, dass somit die Milz¬ 
brandkadaver als völlig unschädlich anzusehen 
sind. In ähnlichem Sinne äussert sich Olt 
(Giessen), welcher eine Oberflächendesinfek¬ 
tion (!) der Milzbrandkadaver vorschlägt. Tar- 
takofsky (Petersburg) bemerkt, dass in Russ¬ 
land grosse Gebiete verseucht seien, deren Sper¬ 
rung undurchführbar sei. Die Verbrennung der 
Kadaver stösst in Russland auf unüberwindliche 
Hindernisse. 

Beisswänger betont die Gefahr der 
Milzbrandeinschleppung aus dem Auslande und 
die Notwendigkeit, die Angelegenheit auf inter¬ 
nationalem Wege zu regeln. 

Stubbe (Brüssel) bezeichnet die Theorie 
Kochs und Loefflers von der Unschädlichkeit 
der Milzbrandkadaver als unrichtig, da be¬ 
wiesen ist, dass selbst nach vielen Jahren aus- 
gograbene Milzbrandkadaver Sporen enthalten. 
Dasselbe beweisen auch die guten Erfolge, 
welche in Belgien mit der thermischen Ver¬ 
nichtung der Kadaver erzielt sind. 

Profe führt zum Schlüsse aus: Die von 
Loeffler gemachte Mitteilung, dass nach Kochs 
Untersuchungen die Kadaver der infolge von 
Milzbrand gefallenen Tiere keine infektions¬ 
fähigen Keime in ihrem Inneren enthalten, da 
Sporen nur unter Zutritt von Sauerstoff ge¬ 
bildet werden, entbehre für die Tierärzte des 
Reizes der Neuheit. Die Schlussfolgerung 
Loefflers, dass die Milzbrandkadaver somit eine 
Infektionsgefahr nicht vorstellen, sei eine irrige 
und stehe in schroffem Widerspruche zu zahl¬ 
reichen Literaturangaben und den täglich be- 


eterinär-Hygiene. 3. Jahrgang 

obachteten Erfahrungen in der Praxis; sie werde 
dadurch nicht annehmbarer, dass ein Mann wie 
Loeffler sie darbietet. Einmal sei beim Milz¬ 
brand mit einer nicht unerheblichen Anzahl von 
Notschlachtungen zu rechnen, bei denen die 
nach der Abhäutung an der Körperoberfläche 
befindlichen Bakterien sehr schnell und sicher 
Sporen bilden. Ferner trete bei den gar nicht 
zu umgehenden Obduktionen Sauerstoff zum 
Inneren der blutigen Körperorgane, so dass 
Sporen gebildet werden. Schliesslich aber fin¬ 
den sich regelmässig Sporen an der Oberfläche 
der Kadaver in den blutigen Dejekten an den 
natürlichen Körperöffnungen, auch bei völlig 
uneröffneten Kadavern. Es stehe fest, dass eine 
Neuinfektion des Bodens statthat, solange Milz¬ 
brandkadaver auf Feldern, Wiesen und Weiden 
vergraben werden. 

Aus den Referaten ist noch folgendes her¬ 
vorzuheben : 

Es unterliegt keinem Zweifel, dass Milz¬ 
brand in einzelnen Staaten vielfach vom Aus¬ 
lande her eingeschleppt wird, und zwar infolge 
der überaus mangelhaften Kadaverbeseitigung, 
einmal mittels tierischer Rohprodukte, wie 
Häute, Haare, Borsten, Horn, zum anderen Male 
durch Streu und Futtermittel. Wenn auch be¬ 
züglich der ersteren ein ausreichend sicheres 
Desinfektions verfahren zu erzielen sein wird, 
so ist eine Desinfektion von Streu- und Futter¬ 
mitteln als völlig ausgeschlossen zu betrachten. 
Solange die einzelnen Staaten durch Vergraben 
der Milzbrandkadaver das Land immer wieder 
von neuem mit Milzbrandkeimen besäen .und 
den Milzbrand künstlich fortzüchten, kann 
ihnen die Berechtigung, ihre Grenzen gegen 
tierische Rohprodukte, Streu- und Futtermittel, 
zur Abwehr des Milzbrandes abzuschliessen, 
nicht zugestanden werden. Erst in dem Augen¬ 
blicke, in welchem ein Kulturstaat die einwand¬ 
freie unschädliche Beseitigung der Milzbrand¬ 
kadaver zur Durchführung bringt und damit 
die wesentlichste Infektionsquelle des Landes 
verstopft, erwirbt er ein unbestreitbares Recht 
darauf, Massnahmen zu treffen, die geeignet 
sind, jegliche Einschleppungen von Anthrax- 
keimen aus Staaten zu hindern, in denen gleich¬ 
artige, die unschädliche Beseitigung der Kada¬ 
ver gewährleistende Bestimmungen nicht er¬ 
lassen sind. Ihm wird unbedingt das Recht 
zugebilligt werden müssen, Rohprodukte, die 


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Heft 7. 


151 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 

Träger des Ansteckungsstoffes sein können, nur ginskis über primäre Darmtuberkulose beim 
nach erfolgter Desinfektion über die Grenzen Menschen, ferner der Umstand, dass die Derma- 
gelangen zu lassen, gegen Streu- und Futter- titis verrucosa tubereulosa häufig bei Anatomen 
mittel, bezüglich deren der gleiche Verdacht der Universitäten Vorkommen, während gleiche 
besteht, aber die Grenzen hermetisch zu Infektionen mit Rindertuberkulose bei Veteri- 
schliessen. när-Anatomen nicht beobachtet werden. Die 

Mit Bücksicht auf die erhebliche Bedeu- vielfachen, durch den Londoner Ausspruch 
tung des Gegenstandes wurden zahlreiche, meist Kochs in, Fluss geratenen Untersuchungen haben 
sehr abweichende Anträge aus der Versamm- weitgehende Unterscheidungsmomente in mor- 
lung eingebracht. Diesen andrängenden Wün- phologischer und kultureller Hinsicht, wie auch 
sehen schien der Präsident nicht wohl ge- in bezug auf die Pathogenität der beiden Arten 
wachsen. Die Wogen der Ereignisse schlugen von Tuberkelbazillen ergeben, für welche im 
ihm anscheinend über dem lockigen Haupte zu- Kaiserlichen Gesundheitsamte die Bezeichnung 
sammen, so dass er mit hilflos ringenden Hän- Typus humanus und Typus bovinus zur An¬ 
den zu den Satzungen griff und sich an den Wendung gebracht wurde. Das Reichsgesund- 
19. Paragraphen klammerte, der ihn dem heitsamt stellte auch die Merkmale der beiden 
drohenden Strudel entriss. Hiernach konnte die Arten fest und fand, dass der Tuberkelbazillus 
Verhandlung mit dem Meinungsaustausch und des Typus bovinus auch beim Menschen, allein 
ohne Beschlussfassung abgeschlossen werden. oder gleichzeitig mit dem de^ Typus humanus, 
Des Abends waren die Kongressmitglieder Vorkommen kann. Dagegen kommt der Typus 
Gäste des Ackerbauministers G y ö r g y , in den humanus beim Rinde, wenigstens spontan nicht 
Räumen des am Ufer des Stadtwäldchenteiches vor. Referent formuliert hierauf folgende drei 
gelegenen landwirtschaftlichen Landesmuseums. Sätze: 

Am 5. September, dem zweiten Verhand- 1- Die Tuberkulose der Rinder wird durch 

lungstage, hielten zwei Sektionen gleichzeitig den Typus bovinus des Tuberkelbazillus er- 
ihre Sitzungen ab, und zwar am Vor- und Nach- zeugt. 

mittage. Es waren dies die Sektionen für Bio- 2. Spontane Tuberkulose des Rindes, durch 

logie und für Pathologie. Zur Verhandlung den Typus humanus des Tuberkelbazillus er- 

in der letzteren kam die im Mittelpunkte des zeugt, kommt nicht vor. 

allgemeinen Interesses stehende Frage über die 3. Bei der Tuberkulose des Menschen 

Beziehungen zwischen der Tuberkulose des kommt sehr selten auch der Typus bovinus vor. 
Menschen, des Rindes, des Geflügels und anderer Diesem Standpunkt tritt de Jong (Lcy- 

Haustiere (hauptsächlich des Hundes). Die den) scharf und präzise mit folgenden Aus- 

Kongressmitglieder hatten sich somit auch in führungen entgegen: 

grosser Zahl eingefunden und sahen erwartungs- Referent hielt 1903 auf dem hygienischen 

voll der viel verheissendenVerhandlung entgegen, und demographischen Kongresse zu Brüssel 

Zunächst betrat Schütz die Redner- über dieses Thema einen Vortrag, in welchem 

tribüne und gab in seiner bisweilen stark feier- er für die Identität der Tuberkulose aller Säuge- 

lichen, an einen Kanzelredner erinnernden Vor- tiere eingetreten ist und bloss die Tuberkulose 

tragsweise einen Ueberblick über die Entwick- der Hühner davon unterschieden hat. Er könnte 

lung des vorliegenden Themas: Nachdem Koch hier dieselben Argumente wiederholen, hätten 

nach Entdeckung des Tuberkelbazillus die Ein- nicht inzwischen Kossel, Weber und Heuss die 

heit des menschlichen und der Rinder-Tuber- Resultate ihrer im Berliner Reichsgesundheihs- 

kulose nachgewiesen hatte, sah er sich vor- amt ausgeführten Untersuchungen in zwei sehr 

nehmlieh auf Grund seiner und der Schützschen interessanten Berichten publiziert, in welchen 

Versuche auf dem Londoner Kongress für sie den Nachweis führen, dass die von Koch in 

Tuberkulose im Jahre 1901 veranlasst, den Art- London dargelegte neuere Meinung sich nicht 

Unterschied in den Erregern der beiden Krank- ganz bewährt hat, zugleich bctonen sie, dass 

heitern hervorzuheben. es unerlässlich ist, bei den Tuberkelbazillen 

Für diesen Art-Unterschied sprechen die der Säugetiere einen menschlichen und einen 
statistischen Angaben Kochs, Baumgartens, Ba- Binder-Typus aufzustellen. 


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152 


Fortschritte der V e t e r i nü r -11 y g i e n e. 


3. Jahrgang. 


Referent hat auf («rund der Experimente 
verschiedener Autoren und seiner eigenen 
Untersuchungen, die er seit der Zeit fortgesetzt 
hat, in Brüssel die Dualität der Tuberkulose 
in Abrede gestellt. Darauf gestützt, kann er 
der Auffassung von Kossel, Weber und Hcuss 
nicht beipflichten, weil zwischen der Tuber¬ 
kulose des Menschen und Rindes kein entschie¬ 
dener und konstanter Unterschied besteht. Die 
morphologischen und kulturellen Verschieden¬ 
heiten derselben sind bloss Uebergangsformcm 
und auch ihre Virulenz ist keine beständige. 
Es ist dem Referenten gelungen, die Virulenz 
eines Tuberkelbazillus menschlicher Herkunft 
dadurch zu potenzieren, dass er denselben durch 
den Organismus eines Tieres hindurchlcitcte. 
Das Resultat dieses Experimentes hat er im 
Zentralblatt für Bakteriologie veröffentlicht. 

Seiner Ansicht nach haben Kossel, Weber 
und Heuss den Nachweis nicht erbracht, dass 
die Absonderung des menschlichen und Rinder- 
Typus vom wissenschaftlichen Gesichtspunkte 
aus möglich ist, dem übrigens auch seine eigenen 
Experimente widersprechen. Ausserdem hat 
auch die Sonderstellung keinen Wert, sobald 
es sich erweisen lässt, dass ihre Virulenz ver¬ 
änderlich ist. 

Die hinsichtlich der Identitätsfrage neuer¬ 
lich vorgenommenen Untersuchungen haben die 
neue Doktrin von Koch nicht bestätigt, weil 
die Tuberkulose des Menschen und Rindes stets 
identisch ist. Dessenungeachtet können die spe¬ 
zifischen Bazillen qualitative Verschiedenheiten 
aufweisen, die indessen nicht konstant sind, wie 
es sich bei zahlreichen Bakterien herausgestellt 
hat. Diese Verschiedenheiten sind sehr augen¬ 
fällig, wenn man bei den Experimenten Rinder¬ 
bazillen von sehr starker Virulenz bei ver¬ 
schiedenartigen Tieren angewendet hat; oftmals 
aber verliert sich dieselbe im Verlaufe der 
experimentellen Untersuchung. 

Referent weist hierauf nach, dass es un- 
l>egründet ist, die Tuberkulose der Schweine, 
Pferde, Schafe und Ziegen von jener des Men¬ 
schen und Rindes abzusondern. 

Seine Behauptung betreffs der Verschie¬ 
denheit der Tuberkulose der Vögel hält der Ver¬ 
fasser jedoch aufrecht, weil sich die Bazillen 
der Tuberkulose des Huhns von den Bazillen 
der Säugetiere konstant unterscheiden, und zwar 
sowohl zufolge ihrer kulturellen Eigenschaften, 


als auch ihrer pathogenen Wirkung. Einen 
neueren Beweis hierfür erbrachte die vom Re¬ 
ferenten beobachtete spontane Tuberkulose der 
Mäuse, welche durch Tuberkelbazillen des 
Huhns verursacht wurde, wie dies unter anderen 
im Referat erwähnten Experimenten auch von 
Rabinowitseh bestätigt worden ist. Allein der 
Hühnerbazillus kann in gleicher Weise auch 
andere Säugetiere infizieren, insofern er in den¬ 
selben eine von der durch Bazillen von Säuge¬ 
tieren abweichende Tuberkulose hervorbringt. 

Die Tuberkulose des Hundes wird durch 
Bazillen von Säugetieren verursacht. In dem 
Falle, über welchen das Referat berichtet, war 
die Virulenz der Bazillen eine intermediäre, was 
mit der Ansicht von Kossel, Weber und Heuss 
wenig übereinstimmt. Die Experimente, welche 
Referent mit diesen Bazillen vorgenommen hat, 
sind im Referat aufgeführt. Hierauf fasst der 
Referent seine Meinung in folgende Punkte zu¬ 
sammen : 

I. Die menschlichen Tuberkelbazillen sind 
identisch mit denen der grösseren Haustiere 
(Säugetiere), den Hiind mit inbegriffen, obgleich 
sich hinsichtlich der Virulenz bei den verschie¬ 
denartigen Versuchstieren erhebliche Verschie¬ 
denheiten geltend machen. Insbesondere haben 
sich die menschlichen Bazillen weniger viru¬ 
lent erwiesen, als die von Tieren. 

II. Die Bazillen der Hühner-Tuberkulose 
unterscheiden sich von den Bazillen der Säuge¬ 
tiere vermöge ihrer Eigenschaften. Dies will 
jedoch nicht besagen, dass sie für die Säuge¬ 
tiere nicht pathogen seien. 

Professor P r e i s s (Budapest) steht mit 
seinen Darstellungen und Schlüssen auf dem¬ 
selben Boden wie de Jong, d. h. er huldigt 
durchaus der phylogenetisch-unistischen An¬ 
schauung. Er führt aus: 

Sämtliche Tuberkelbazillen, woher sie auch 
stammen mögen, haben gewisse kardinale Eigen¬ 
schaften g'emein, die schon allein auf einen ge¬ 
meinschaftlichen Urstamm hinweisen; sie sind 
säurefest, wachsen langsam, die Kulturen sind 
einander sehr ähnlich, die pathogene Wirkung 
ist bei allen nahezu dieselbe, alle produzieren 
nahezu gleiche Toxine. Die Unterscheidungs¬ 
merkmale sind keine durchgreifenden und vor 
allem keine derartigen, dass sie nicht als Um¬ 
wandlungen einer Spezies aufgefasst werden 
können. Der Frage, wo hört die Varietät auf 


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Heft 7. 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


ir>:t 


und wo beginnt die Spezies, ist zu entgegnen: 
solange man weiss, dass Bakterien oft binnen 
kurzem wesentlicher Abänderungen fähig sind, 
und zwar nicht geringerer Abänderungen als 
es die zwischen den Tuberkelbazillen beobach¬ 
teten sind, solange man zwischen den Typen 
allerlei Uebergangsstämme findet und solange 
auch zwischen den Typen nur graduelle Unter¬ 
schiede bestehen, solange wird man auch bei 
der anatomischen Aehnlichkeit der beiden Tu¬ 
berkulosen annehmen müssen, dass die verschie¬ 
denen Tuberkulose-Erreger sich aus einer ein¬ 
zigen Bakterienart herausgebildet haben, als 
dass es verschiedene Arten sein sollten. Refe¬ 
rent fasst seine Ausführungen in folgende 
Sch lüsse zusammen: 

I. In der Regel unterscheiden sich die Tu¬ 
berkelbazillen des Menschen, des Rindes und 
der Vögel voneinander durch gewisse Eigen¬ 
schaften; diese Unterschiede sind aber nicht 
konstant, indem Stämme gefunden werden, die 
in einer oder mehreren Eigenschaften als Ueber- 
gänge von einem zum anderen Typus aufgefasst 
werden müssen. Auch künstlich gelingt es, die 
Eigenschaften der Tuberkelbazillen zu modi¬ 
fizieren. Dabei aber zeigen sämtliche Tuberkel¬ 
bazillen in gewissen Punkten vollkommene 
Uebereinstimmung oder sehr grosse Aehnlich¬ 
keit. Es darf sonach angenommen werden, dass 
die verschiedenen Tuberkelbazillen nicht ver¬ 
schiedener Art sind, sondern dass sie im Laufe 
der Zeit durch Anpassung an verschiedene Tier¬ 
arten entstandene Varietäten einer Bakterien¬ 
spezies darstellen. 

II. Die eine Varietät kann sich gelegentlich 
in eine andere umgestalten; folglich kann die 
Tuberkulose irgend einer Tierart für andere 
Tierarten nicht als gefahrlos erachtet werden. 

Dr. Weber (Berlin). Im Reiehsgesund- 
heitsamte sind 67 Tuberkulosefälle vom Men¬ 
schen, 12 Tuberkulosefälle vom Rinde und fünf 
Fälle vom Schweine zur Untersuchung gelangt. 
Die hierbei gewonnenen Ergebnisse haben zu der 
Aufstellung der beiden Typen des Tuberkel¬ 
bazillus geführt. Unter den 64 Fällen vom 
Menschen zeigten 8 Kulturstämme allerdings 
die Merkmale des Typus bovinus, darunter 
waren einige Fälle von akuter Miliartuberku¬ 
lose. Aus tuberkulösen Veränderungen bei 
Rindern sind nur Kulturstämme des Typus bo¬ 
vinus gezüchtet worden. Eine Aenderung des 


Typus humanus liess sieh auch dann nicht er¬ 
reichen, wenn er (wieviel? d. Red.) Passagen 
durch Rinder, Ziegen und Schweine durchge¬ 
macht hatte. 

Einzelne Formen zeigten bei beiden Typen 
gewisse kulturelle oder morphologische Diffe¬ 
renzen. Ref. fasst seine Ausführungen dahin 
zusammen: Die Tuberkulose des Menschen wird 
vorwiegend durch Bazillen des Typus huma¬ 
nus hervorgerufen, seltener durch solche des 
Typus bovinus. Die Rindertuberkulose beruht 
auf Infektion durch den Typus bovinus. Die 
Bazillen des Typus humanus vermögen Schwei ne 
derart zu infizieren, dass auch, die Möglichkeit 
der direkten Infektion vorliegt. Bei den Hühner- 
tuberkulosebazillen handelt es sich um eine 
dritte Art, die nicht als identisch mit den Ba¬ 
zillen der allgemeinen Vogeltuberkulosc anzu¬ 
sehen ist. 

In gewandtem, der Ironie nicht ganz ent¬ 
behrendem Vortrage wendet sich als nächster 
Redner Geheimrat D a m m a n n (Hannover) 
mit seinen überzeugenden Ausführungen gegen 
die Kochsche Theorie und gegen „seinen Freund 
Schütz.“ Referent hat seit mehreren Jahren 
über die Frage gearbeitet und seine Versuche 
über ein reiches Tiermaterial ausgedehnt. Die 
Schützschen Mitteilungen treffen nicht den 
Kern der Sache. Sie haben anscheinend dem 
Kongress gefallen, aber deshalb brauchen sie 
nicht richtig zu sein. Wenn die vom Menschen 
gewonnenen und gezüchteten Tuberkelbazillen 
aufs Rind mit Erfolg zu übertragen sind, so 
stellt dies — im Gegensatz zu dem Stand¬ 
punkte von Schütz — eine Erkrankung dar. 
Insbesondere erkranken Kälber bald leichter, 
bald schwerer. Einzelne Kälber sind nach 
subkutaner Impfung gestorben. Die Versuche 
erstreckten sich auf 18 Stämme, die vom Men¬ 
schen herrührten. Sie verhielten sich in ihrer 
Virulenz durchaus verschieden; nur 5 Stämme 
zeigten sich für Rinder avirulent. Wenn Koch 
und Schütz sagen, die menschliche Tuberkulose 
lässt sich auf Tiere nicht übertragen, so lehren 
die angeführten Versuche, dass diese Auffas¬ 
sung nicht richtig ist. Es ist weiterhin möglich, 
die Stämme durch verschiedene Züchtungs¬ 
methoden und Tierpassagen in Form, kultu¬ 
rellen Eigenschaften und Pathogenität ganz er¬ 
heblich zu modifizieren. So erhöhe z. B. die 
Passage durch Ziegen die Pathogenität der vom 


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154 


Fortschritte der Veterinär- Hyg i e n e. 


3. Jahrgang. 


Menschen stammenden Tuberkelbazillen wesent¬ 
lich, so dass Schweine und Kälber nach Infek¬ 
tion mit diesen zugrunde gehen. Referent ver¬ 
tritt die Ansicht, dass die Trennung in Typus 
humanus und Typus bovinus sich nicht auf¬ 
recht erhalten lässt, dass die Behauptungen von 
Koch und Schütz nicht haltbar sind, da die Mög¬ 
lichkeit der gegenseitigen Infektion von Menscli 
und Tier vorhanden ist. Hiernach haben sich 
die Massnahmen zu richten. 

Der zwingenden Logik in den Ausführun¬ 
gen Dammanns hat sich wohl niemand der 
Anwesenden entziehen können, auch das Koch- 
Schützsche Lager nicht; denn es wurde von 
dieser Seite kaum noch ein ernsthafter Ver¬ 
such gemacht, die fraglos verlorene Position 
zurückzuerobern. Die weiter unten wiederge¬ 
gebenen Anmerkungen Loefflers wirkten 
nur noch wie ein den Rückzug deckender 
Scheinausfall, der aber von de Jong nach¬ 
drücklich zurückgeworfen wurde. 

Arloing (Lyon) vertrat ebenfalls durch 
seine eingehenden Darlegungen den Standpunkt 
der Einheit der Tuberkelbazillen und wandte 
sich durchaus erfolgreich gegen die Theorie 
Koch-Schütz. 

Rabinowitsch (Berlin) kam auf Grund 
ihrer ausführlich mitgeteilten Untersuchungs¬ 
ergebnisse zu dem Schluss, dass die Erreger der 
Säugetier- und Geflügeltuberkulose infolge 
ihrer häufigen Wechselbeziehungen als ver¬ 
schiedenen Tierspezies angepasste Varietäten 
einer Art auf gefasst werden müssen, unter 
denen sich der l^pus humanus und der Typus 
bovinus am nächsten stehen. 

Römer (Marburg) betont, dass im Prinzip 
neue Momente durch die Untersuchungen über 
die von Koch und Schütz aufgerollte Frage 
nicht erbracht sind, dass lediglich verschiedene 
Standpunkte dargelegt seien. Römer schliesst 
sich dem von P r c i s s genauer präzisierten 
Standpunkte an. 

Dr. Kautz (Berlin) bemerkt, dass nach 
den im Reichsamt des Innern aufgestellten Leit¬ 
sätzen der Genuss von Nahrungsmitteln, die 
Produkte von mit Tuberkulose behafteten 
Tieren darstellen, nicht unbedenklich ist. Wei¬ 
tere Untersuchungen müssen diese (für wen?) 
noch nicht gelöste Frage klären. 

Loeffler (Greifswald): Bestimmte Bak¬ 
terientypen zeigen immer wiederkehrende, kon¬ 


stant differente Merkmale im Wachstum, Form 
und in der Virulenz, die zur Differenzierung 
durchaus ausreichen. So beschaffene Merkmale, 
wie sie in musterhafter Weise vom Reichs¬ 
gesundheitsamte für die Tuberkelbazillen nach¬ 
gewiesen sind, müssen zugegeben werden. Der 
hierdurch bedingte Unterschied zwischen Typus 
humanus und Typus bovinus muss somit an¬ 
erkannt werden. Für Menschen, Rinder und 
Geflügel ist die Tuberkulose je eine spezifi¬ 
sche Erkrankung mit eigenem und besonderem 
Stamm von Erregern. Das nur haben Koch und 
Schütz gemeint, und das besteht auch. 

de Jong: Es handelt sich darum, ob die 
Differenzierungsmerkmale konstant sind oder 
nicht; wenn selbst von gegnerischer Seite zu¬ 
gegeben wird, dass hier wohl eine Ausnahme 
vorkommt und dort eine und Uebergangsformen, 
dann sind die Merkmale eben nicht konstant. 
Wenn Schütz und Loeffler sagen, dass Koch 
bei seiner Rede in London die spontane Infek¬ 
tion gemeint hat, so hat Koch jedenfalls etwas 
anderes gesagt, als er gemeint hat, wir müssen 
uns an das halten, was er gesagt hat. 

Der Kongress nimmt schliesslich folgende 
Schlusssätze an: 

1. Die Rindertuberkelbazillen können den 
Menschen infizieren. Beim Menschen sind Tu¬ 
berkelbazillen anzutreffen, welche dem Rinde 
gefährlich sein können. Gegenseitige Infektion 
ist möglich. 

2. Es ist wünschenswert, weiterhin zu er¬ 
forschen, inwiefern die Geflügeltuberkulose 
eine Gefahr für den Menschen und die Säuge¬ 
tiere bilde. 

3. Es ist unentbehrlich, die Schutzmass- 
regeln gegen die Gefahren aufrecht zu erhalten, 
welche die Rindertuberkulose dem Menschen 
verursacht. 

Hiermit war dieser fraglos allgemein am 
meisten interessierende Teil des vom Kongress 
in Angriff genommenen wissenschaftlichen 
Materials beendet. Die Verhandlung bedeutete 
eine entschiedene Niederlage der von Koch und 
Schütz vertretenen Auffassung und ihrer An¬ 
hänger. Auf dem Tuberkulose-Kongress in 
Paris hat sie augenscheinlich dasselbe Schick¬ 
sal erfahren. 

(Fortsetzung folgt) 


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Hort 7. 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


155 


Beitrag zur Aetiologie der 
Fleischvergiftungen. 

Von Kreiztierart Gutzeit - Montjoie. 

(Fortsetzung aus Heft 6.) 

Pfuhl (34) beobachtete im April 1900 bei 
8L Soldaten eines in Hannover garnisonieren- 
den Regiments Erscheinungen von akutem 
Magen-Darmkatarrh, welche mit Erbrechen und 
Uebelkeit verbunden waren. Sämtliche Leute 
hatten zuvor lose Rinderwurst verzehrt, welche 
hinsichtlich der Farbe und des Geruches tadel¬ 
los war und guten Wohlgeschmack hatte. 
Unter loser Rinderwurst versteht man in Han¬ 
nover ein Gemenge von Rindfleisch der ver¬ 
schiedensten Organe mit reichlichem Gewtirz- 
und Semmelzusatz. Die Wurst wird lose, d. h. 
nicht in Därme gefüllt, in den Handel gebracht. 
Sie wird zum Genüsse bei mässiger Temperatur 
(etwa 50° C) kurze Zeit erwärmt und stellt 
dann eine grauweissliche, grobbröckelige 
Fleisehpastete dar von meist ganz vorzüglichem 
Geschmack. Aus dieser Wurst züchtete 
Pfuhl einen Bacillus, welcher am meisten mit 
Proteus mirabilis übereinstimmte. Derselbe 
war ein kleines, bewegliches Kurzstäbchen mit 
abgerundeten Enden, welches in verschiedener 
Grösse und Form auftrat und oft zu Schein¬ 
fäden verbunden war. Mit Karbolfuchsin fiel 
die Färbung unregelmässig aus, indem die Pole 
sich meist stärker färbten als die Mitte. Die 
Gramsche Färbung fiel negativ aus. Mittels 
der Löfflerschen Methode wurden zahlreiche 
lange Geissein nachgewiesen. Sporenbildung 
wurde nicht beobachtet. Gelatine wurde lang¬ 
sam verflüssigt, Blutserum dagegen nicht. Auf 
Agar bildeten die Bacillen einen glänzenden, 
schleimigen, graugelblichen Belag, der sich nur 
langsam seitwärts ausbreitete. In Bouillon 
erfolgte kräftiges Wachstum unter Bildung 
eines gelblichweissen Bodensatzes, wogegen eine 
Häutchenbildung an der Oberfläche niemals 
bemerkt wurde. In hohen Schichten Agar, 
sowie in Trauben- und Milchzuckeragar fand 
Gasentwickelung statt. Milch wurde koagu¬ 
liert; die Reaktion derselben blieb alkalisch. 
Die Indolreaktion gelang gut, Lakmus wurde 
reduziert (entfärbt). 

Eine ähnliche Epidemie beobachtete 
Schumburg (35) bei 34 Soldaten in Hannover 
gleichfalls nach dem Genüsse loser Rinderwurst. 
Dieselbe sah gut aus und hatte keinen unan¬ 


genehmen Geruch. Mittags war die Wurst in 
die Kaserne gebracht worden, abends wurde sie 
mit Fett und etwas Wasser erwärmt und dann 
genossen. Bereits wenige Stunden nach der 
Mahlzeit traten Uebelkeit, profuse Durchfälle, 
Mattigkeit und Erbrechen auf, Symptome, 
welche nach 12 Stunden bis auf 1—2 Fälle 
wieder verschwunden waren. Die Genesung 
trat rasch ein, gestorben ist niemand. Aus 
dem Rest dieser Fleischpastete isolierte Schum¬ 
burg eine langsam die Gelatine verflüssigende 
giftige Bakterienart, die er der Gattung 
Proteus zuzählte; ob mit Recht, lässt sich aus 
der Arbeit nicht ersehen, da die Bacillen nicht 
näher beschrieben sind. Letztere werden durch 
eine halbstündige Erhitzung auf 70° C 
oder eine mehrere Sekunden lange Einwirkung 
von 100° C abgetötet. Filtrate von Bouillon¬ 
reinkulturen (es ist leider nicht angegeben, in 
welcher Weise filtriert worden ist, ob durch 
Ton- oder Papierfilter) erwiesen sich als giftig 
und führten in Dosen von 0,1—0,5 cbem, 
Mäusen unter die Haut gespritzt, deren Tod 
herbei. 

Im August 1897 hatten im Mansfelder Gc- 
birgskreise zahlreiche Personen Fleisch von 
einer notgeschlachteten Kuh verzehrt. Diejeni¬ 
gen Personen, welche rohes Hackfleisch oder 
schwach gebratene Leber gegessen hatten — 
es waren im ganzen 63 Personen —, erkrankten 
unter den bekannten Erscheinungen. Als Ur¬ 
sache dieser Erkrankungen gelang es Wesen¬ 
berg (36), einen 1,2—2 p langen und 0,5—0,8 p 
breiten, beweglichen Bacillus nachzuweisen, 
welcher 8—12 Geissein besass, sich nach Gram 
nicht färbte, Gelatine langsam verflüssigte, in 
Bouillon lange Ketten bildete, auf Agar als 
feuchtglänzender, schmieriger, grauweisser, bei 
durchfallendem Lichte bläulich schillernder 
Belag wuchs, kein Indol bildete und Trauben¬ 
zucker unter lebhafter Gasentwickelung zer¬ 
setzte. Milch wurde unter Säurebildung an¬ 
fangs koaguliert, die ausgeschiedenen Kasein¬ 
flocken aber wieder gelöst. Die Bacillen wur¬ 
den durch drei Minuten langes Erhitzen auf 
100° C abgetötet. 

Glücksmann (37) wies in einem geräucher¬ 
ten Schweinesehinken, nach dessen Genuss zwei 
Personen erkrankt waren, davon eine mit töd¬ 
lichem Ausgange, Proteus vulgaris naeh, dessen 
Reinkulturen Mäuse und Meerschweinchen 


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156 


3. Jahrgang. 


Fortschritte der Veterinär -Hygiene. 


töteten. Das Schwein war notgeschlachtet 
worden und Glüeksmann nimmt daher an, dass 
dasselbe an Proteosis gelitten habe. Jäger (38) 
züchtete Proteus fluorescens aus einer verdor¬ 
benen Wurst, die sich als gesundheitsschädlich 
erwiesen hatte. Johne (39) sah bei der Fleisch¬ 
vergiftung in Chemnitz 1886 den Proteus 
mirabilis als Ursache der Erkrankung an. 

Im Juni 1902 erkrankten in Conzen zehn 
und in Montjoie eine Person nach dem Genüsse 
einer Sülze, welche von einem notgeschlachteten 
Kalbe herrührte, unter Erscheinungen eines 
akuten Magen-Darmkatarrhs mit Schwindel¬ 
anfällen, Schüttelfrost, Fieber (bis zu 40° C), 
Mattigkeit, Gliederschmerzen und heftigem 
Kopfweh. Aus dem Fäces einer Patientin iso¬ 
lierte ich Proteus vulgaris, welcher sich für 
Mäuse und Meerschweinchen eminent giftig er¬ 
wies und diese Tiere sowohl nach der Ver- 
fütterung als nach subkutaner Injektion in 
1—2 Tagen tötete. 

In einem Falle sind Staphylokokken 
Ursache einer Fleischvergiftung gewesen. 
Kuborn (40) nämlich wies den Staphylococcus 
pyogenes aureus als Ursache der Fleischver¬ 
giftung in Denis nach, bei welcher 30 Per¬ 
sonen, davon eine tödlich, nach dem Genüsse 
des Fleisches einer umstandenen Kuh er¬ 
krankten. 

In den angeführten Fällen von Fleischver¬ 
giftung war die Ursache somit keine einheit¬ 
liche und, abgesehen von dem Kubornschen 
Fall, durch Bacillen bedingt, welche entweder 
dem Bacterium coli bezw. dem Typhusbacillus 
morphologisch und biologisch nahestanden, 
und meist von kranken Tieren herrührten, oder 
der Gattung Proteus angehörten und bakterien¬ 
freies Fleisch post mortem infizierten. Die 
Bacillen dieser beiden Gruppen wachsen alle 
gut bei Luftzutritt, sie sind demnach alle aerob. 
Die beiden Gruppen unterscheiden sich von¬ 
einander durch ihr Peptonisierungsvermögen, 
indem die erste Gruppe die Gelatine nicht zu 
verflüssigen vermag, während der letzteren jene 
Fähigkeit mit wenigen Ausnahmen in bedeu¬ 
tendem Masse zukommt. Ferner sind die 
Proteusarten durch ihren Formenreichtum aus¬ 
gezeichnet, besonders durch ihre Neigung, zu 
Fäden auszuwachsen und durch Bildung strah- 
liger Ausläufer und Schwärminsei n bei 
Gelatinekolonion. 


Im Gegensatz zur Fleischvergiftung 
scheint es sich bei der Wurstvergiftung oder 
dem Botulismus nur um einen einzigen Erreger 
zu handeln, soweit die vorliegenden Beschrei¬ 
bungen einen solchen Schluss zulassen. Der 
Mikroparasit ist gelegentlich der im Dezember 
1895 in Ellezellcs im Hennegau beobachteten 
Epidemie von van Ermenghem (9) genau un¬ 
tersucht und beschrieben worden. In dem ge¬ 
nannten Orte trat unter den Mitgliedern eines 
Musikvereins, welche bei einem Leichen- 
schmause rohen Schinken gegessen hatten, eine 
eigenartige Erkrankung auf, welcher drei Per¬ 
sonen zum Opfer fielen; wenigstens zehn 
schwebten in Todesgefahr, während zehn andere 
Musiker nur leicht erkrankt waren. Die Ver¬ 
storbenen und die Erkrankten hatten ungefähr 
200 g Muskelfleisch, weniger Speck, gegessen. 
Die Erscheinungen setzten 20—24 Stunden 
nach der Mahlzeit ein, nur drei Personen 
fühlten sich früher unwohl. Es zeigten sich: 
Uebelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen, darauf 
Magenschmerzen. Zwei Personen hatten wäh¬ 
rend der ersten zwei Tage flüssigen Stuhl, bei 
den übrigen dagegen machte sich hartnäckige * 
Verstopfung bemerkbar. 36 -48 Stunden nach 
der Mahlzeit traten charakteristische Seh¬ 
störungen auf. Die Patienten klagten über 
nebelartige Verschleierung der Augen; nahe 
Objekte erschienen undeutlich und doppelt. 
Daneben bestand Pupillenerweiterung, Ptosis, 
Starrheit des Blickes, Tränen bezw. abnormer 
Glanz der Augen. Endlich waren Durst, 
Schlingbeschwerden und Gefühl der Konstrik¬ 
tion im Halse mehr oder weniger deutlich 
ausgesprochen. 

Das Schwein, von dem der Schinken 
stammte, soll angeblich gesund gewesen sein, 
letzterer zwar normales Aussehen, jedoch ab¬ 
normen Geruch und schlechten Geschmack ge¬ 
habt haben. Es hat sich auch nur der eine 
Schinken, welcher auf dem Boden des Pökel- 
gefässes gelegen hatte, als schädlich erwiesen. 
Dieser Schinken enthielt zahlreiche, 4—9 p 
lange und 0,9—1,2 p dicke, schwach beweg¬ 
liche Stäbchen mit 4—8 Geissein und end¬ 
ständigen Sporen. Die Bacillen Hessen sich nur 
bei Sauerstoffabschluss auf Gelatine, Agar, in 
Bouillon und Milch züchten, wuchsen jedoch 
nicht auf Kartoffeln. Die angegebenen Eigen¬ 
schaften unterscheiden den Bacillus botulinus 


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Heft 7 


157 


Fort schritte der Veterinär - II ygieoe. 


sehr wesentlich von (len Fleisch vcrgiftungs- 
erregern und verleihen ihm gewisse Aehnlich- 
keit mit den Oedembacillen. 

Brieger und Kempner (41) gelang es auch, 
ein von dem „Bacillus botuünus“ (wie jener 
Erreger heisst) gebildetes Toxin, welches dem 
Diphtherie- und Tetanusgift sehr nahe stehen 
soll, mittels des Brieger-Boerschen Verfahrens 
aus den Reinkulturen auszufüllen und Ziegen 
gegen dieses Gift aktiv zu immunisieren. 

Den Bacillus botulinus fand auch Römer 
(42) ebenfalls in einem Schinken, der bei meh¬ 
reren Personen giftig gewirkt hatte. Aehnliche 
Befunde hatten Barszezewsky, Charni und 
Bordier, Hermann, Forsmann u. a. 


Eine Epidemie, welche sowohl hinsichtlich 
ihrer klinischen Erscheinungen als auch ihrer 
ätiologischen Untersuchungsergebnisse den so¬ 
genannten Fleischvergiftungen zuzuzählen ist, 
trat im Sommer 1902 auf in den Kreisen Eupen 
und Aachen-Land und führte zu einem Straf¬ 
prozess, bei welchem ich als dritter Sachver¬ 
ständiger zugezogen war. Der Metzger, 
welcher die schädlichen Fleischwaren geliefert 
hatte, wurde unter Anklage gestellt, aber frei¬ 
gesprochen, weil ihm eine Fahrlässigkeit nicht 
nachgewiesen werden konnte. 

Der Vorgang war folgender : 

Am 21. Juni 1902 hatte die Metzgerfrau 
E. aus B. bei Aachen in den Ortschaften Ha., 
L., He., Sch., O. und W. Leberwurst, Schweins¬ 
koteletts, Rinderhackfleisch und Rindfleisch 
verkauft. Nach dem Genüsse dieser Fleisch¬ 
waren erkrankten in 13 Familien von 54 Per¬ 
sonen 51, davon allein 49 nach dem Genüsse 
von Leberwurst. Letztere hatte sich also als 
am schädlichsten erwiesen. Die nicht erkrank¬ 
ten Personen sollen nur sehr wenig von den 
Fleischwaren gegessen haben. Ausser Leber¬ 
wurst sind von fünf Mitgliedern der Familie 
H. zu Ha. noch Schweinskoteletts verzehrt 
worden, zwei weitere Personen haben nur ge¬ 
kochte Bratwurst, zwei andere gehacktes Rind¬ 
fleisch und Schweinskoteletts gegessen und sind 
danach erkrankt. Ueber die Beschaffenheit der 
gelieferten Leberwurst wurden seitens der Er¬ 
krankten verschiedene Angaben gemacht. Die 
einen fanden die Wurst stark gepfeffert, weich 
und auf der Schnittfläche rot, die anderen fest 
und von normalem Aussehen. Durch Geruch 


sich bemerkbar machende Fäulnis hat niemand 
wahrgenommen. In der Gerichtsverhandlung 
gaben alle zu, dass die Wurst appetitlich ge¬ 
wesen sei und gut geschmeckt habe, nur soll 
sie stark gepfeffert gewesen sein. 

Ein Hund, welchem ein Stück nochmals 
gekochter Leberwurst gegeben war, soll er¬ 
krankt sein, während ein anderer nach Fütte¬ 
rung mit Wurst gesund blieb. 

Die Krankheitserscheinungen traten nach 
Angabe der behandelnden Aerzte 8—20 Stun¬ 
den nach dem Genüsse der Fleischwaren auf, 
bestanden in heftigem Magendarmkatarrh, 
Brechdurchfall, Magenkrämpfen, Bauchschmer¬ 
zen, Kopf- und Gliederschmerzen, Durst und 
hochgradiger Schwäche. Bei mehreren Per¬ 
sonen war Fieber, Cyanose der Lippen und bei 
einem älteren Manne Albuminurie nachzu¬ 
weisen. Erscheinungen, welche an Atropinis¬ 
mus erinnern, waren bei keinem Patienten zu¬ 
tage getreten. Die Krankheit dauerte 5—8 
Tage und führte in allen Fällen zur Genesung. 
Todesfälle kamen nicht vor. 

Ende Juni 1902 übersandte mir der hiesige 
Kreisarzt Herr Dr. Peren ein Stück jener Leber¬ 
wurst zur bakteriologischen Untersuchung. 
Die Wurst hatte infolge der damals herrschen¬ 
den grossen Hitze bereits einen grünen Anflug, 
im übrigen war sie sehr weich, auf der Schnitt¬ 
fläche rötlichgrau, fast durchweg feucht und 
schmierig. Von frisch angelegten Bruchflächen 
der Wurst entnahm ich für die bakteriologische 
Untersuchung mit ausgeglühter Platinöse 
Material an zwei verschiedenen Stellen, und 
zwar an einer auffallend schmierigen und an 
einer trockenen Stelle. In Ausstrichpräparaten 
fand ich ausschliesslich feine, an den Enden 
abgerundete Bacillen in ungeheurer Menge. Es 
gelang mir, dieselben rein zu züchten und fest¬ 
zustellen, dass diese Bacillenart für Mäuse und 
Meerschweinchen hochgradig virulent war, we¬ 
niger für Kaninchen und Katzen, und zwar 
sowohl bei Verfütterung als bei subkutaner 
Einverleibung. 

Nach der Aussaat in Petrischalen wuchsen 
auf der Oberfläche der Nährgelatine bei 
18—20° G grauweisse, durchscheinende Kolo¬ 
nien, welche nach drei Tagen etwa griesskorn- 
gross waren, am vierten Tage jedoch einen 
Durchmesser von 2—4 mm hatten. Sie zeigten 
alle ein grauweisses Zentrum, welches am 


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158 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


3. Jahrgang'. 


vierten Tage undurchsichtig wurde, und eine 
durchscheinende Peripherie. Die Gelatine 
wurde vom vierten Tage ab im Bereiche der 
Kolonien verflüssigt und bildete linsenförmige 
Vertiefungen, die schnell an Ausdehnung Zu¬ 
nahmen, bis der Inhalt der Petrischale am 
fünften oder sechsten Tage eine flüssige Masse 
bildete. Bei 26facher Vergrösserung (Fig. 1) 
hatte das Zentrum ein gelbes Aussehen, man 
konnte an demselben scharfe flammenspitzen¬ 
ähnliche, gezackte Ränder und arabeskenartig 
verschlungene Linien oder feine Körnung nach- 
weisen. Vom Rande dieses Zentrums liefen 
strahlenförmig sehr feine und oft nur bei 
starker Abblendung erkennbare Linien aus, 
welche der ganzen Kolonie ein sonnenbildähn¬ 
liches Aussehen gaben (Fig. 2). Bei vier Tage 
alten Kolonien konnte man diese Zeichnung am 
deutlichsten wahrnehmen. Der gelbe zentrale 
Kern lag der Regel nach in der Mitte, seltener 
hatte er exzentrische Lage, auf welche eine 
hellgraue gekörnte Zone (Fig. 3) und darauf 
eine gelbe, gezacktrandige, radiär gestreifte 


Aureole folgte. Letztere war regelmässig 
dunkler gefärbt und weniger durchsichtig als 
die gekörnte Zone. Bei genauer Betrachtung 
konnte man lebhafte, aber räumlich kurze Be¬ 
wegungen an den Körnchen wahrnehmen. Von 
der Peripherie der strahlenförmigen Aureole 
endlich gingen astartige, feine Ausläufer in 
die Nachbarschaft, welche in kurzer Zeit ein 
Netz von Arabesken oder schlangenförmigen 
Schnörkeln bildeten. Mit zunehmender Ver¬ 
flüssigung (Fig. 4 u. 5) verschwand sowohl die 
arabeskenartige Zeichnung des Kerns sowie die 
radiäre Streifung der Aureole, die Schnörkel 
an der Peripherie konfluierten und bildeten 
eine dünne, hellgraue, durchscheinende Auf¬ 
lagerung, in welcher sich die Konturen der 
Arabesken nach dem Zentrum zu allmählich 
verwischten, während am Rande der Kolonie 
sich wieder neue Schnörkel bildeten. 

Die radiären Streifen bestanden vorzugs¬ 
weise aus Fäden. Zuweilen konnte man mit 
Leitzschem Trockensystem VI die kurzen Fäden 
in zentrifugaler Richtung sich bewegen sehen. 



Fig. 1. 



Fig. 2. 



Fig. 3. 



Fig. 4. 


Fig. 5. 

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Heft 7. 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


159 


Die nicht an der Oberfläche der Gelatine 
gelegenen Kolonien waren gelb und scharf kon- 
turniert. Manche dieser Kolonien schienen ge¬ 
platzt zu sein und ihren Inhalt nach einer Seite 
entleert zu haben. 

Von der Plattenkultur wurde nun abge- 
impft und der Bacillus so in Reinkulturen 
erhalten. Zum genaueren Studium der Gela¬ 
tinekolonien wurde das Platten verfahren mit 
Reinkulturen wiederholt und dabei dasselbe 
Resultat wie oben erhalten. 

Auf schräg erstarrtem Agar wuchsen so¬ 
wohl bei gewöhnlicher, als bei anaerober 
Züchtung in 24 Stunden bei Bruttemperatur 
schleimtropfenähnliche, graue, durchscheinende 
Kolonien, welche in dünner Schicht Perlmutter¬ 
glanz besassen und allmählich konfluierten; 
oder die Agaroberfläche hatte, wenn das Aus¬ 
strichmaterial reichlich war, gleich von vorn¬ 
herein einen durchscheinenden, kaum sicht¬ 
baren, glänzenden Ueberzug, der nur unten in 
der Nähe der ausgepressten Flüssigkeit etwas 
dicker wurde und dort milchglasartiges Aus¬ 
sehen annahm. Letztere trübte sich und bildete 
einen flockigen Bodensatz. 

Bei Agarstichkulturen, welche im Brut¬ 
schrank gestanden hatten, war bereits nach 
24 Stunden eine Trübung in der Nachbarschaft 
des ganzen Stichkanals eingetreten, welche sich 
nach aussen fortsetzte und die Form einer 
Zylinderbürste annahm. Der Stichkanal selbst 
markierte sich als grauweisser Strich. Auf 
der Oberfläche bildete sich ein weisses Häut¬ 
chen, welches sich bis zum Rande des Reagenz¬ 
glases fortsetzte. 

In Zuckeragar traten in der Nähe des 
Einstiches Gasblasen auf, welche Risse in dem 
Agar verursachten und dieses auseinander¬ 
sprengten. 

Gelatineausstriche Hessen bei 20—22° C 
innerhalb 24 Stunden eine rinnenartige Ver¬ 
tiefung an der Ausstrichstelle erkennen. In 
3—6 Tagen war die ganze Gelatine verflüssigt. 
Am Boden des Reagenzglases sammelte sich ein 
grauweisser, flockiger Niederschlag an. 

Bei Gelatinestichkulturen, welche bei Zim¬ 
mertemperatur gehalten wurden, bildete sich 
nach 24 Stunden eine trichter- bezw. strumpf- 
förmige Vertiefung. Die Verflüssigung setzte 
sich von oben nach unten fort. Durch wieder¬ 
holtes Umzüchten bei niederer Temperatur 


schien das Peptonisierungsvermögen sowie die 
Fähigkeit, Zucker zu zersetzen, abzunehmen. 

Auf erstarrtem Kälber- und Rinderblut¬ 
serum bildeten die Bacillen einen dünnen Ueber¬ 
zug unter gleichzeitiger Verflüssigung des 
Serums. Letztere war schon nach 24stündigem 
Belassen im Brutschrank deutlich nachzu¬ 
weisen. 

Auf Kartoffeln gelang die Kultur nicht 
immer, namentlich dann nicht, wenn diese sauer 
waren. Falls Wachstum erfolgte, bildeten die 
Bacillen einen grauweissen oder gelblichen 
Belag. Auf sterilisierten Leberbrei und Rind¬ 
fleisch gediehen die Bacillen vorzüglich und 
bildeten einen fadenziehenden, hellgrauen oder 
schmutzig-graugelben, glänzenden Belag. 

Die Bacillen wuchsen ferner gut in 
Hühnereiern, und zwar besser in rohen, als in 
gekochten. Der Inhalt der rohen Eier wurde 
dabei in eine gelblich schiefergraue, übel¬ 
riechende Masse umgewandelt. 

Am besten wuchsen die Bacillen in neu¬ 
traler, schwach saurer oder schwach alkalischer 
Nährbouillon, namentlich, wenn diese mit 
Zucker versetzt war. Die Bouillon trübte sich 
bei 36—38 0 C, dn 5—6, bei 29—31° in 7—8 
Stunden und schied oft schon in 24 Stunden 
einen weissen flockigen Bodensatz ab. An den 
Rändern des Glases bildete sich im Niveau der 
Bouillon ein weisser Ring; mitunter kam es 
auch zur Bildung eines weissen dünnen, leicht 
zerreissbaren Häutchens. In Zuckerbouillon 
trat bei Bruttemperatur nach 10—23 Stunden 
Gasentwickelung auf. Besonders gut konnte 
man diese erkennen, wenn man die Bacillen 
in einem Gärungsröhrchen züchtete. Dabei 
konnte die Wahrnehmung gemacht werden, 
dass Trauben-, Frucht- und Rohrzucker unter 
Gasentwicklung und Säurebildung zersetzt 
wurden, was beim Milchzucker nicht der Fall 
war. Die saure Reaktion des Nährmediums 
war wohl auch der Grund, weshalb das Wachs¬ 
tum der Bakterien und die Gasentwicklung am 
vierten oder fünften Tage aufhörte. Setzte 
man nämlich Zinkoxyd zu, so begann dieselbe 
von neuem. Auf Zusatz Fehlingscher Lösung 
zu einer acht Tage alten Rohrzuckerbouillon¬ 
kultur trat deutliche Rotfärbung auf, während 
diese bei dem unbesäten Nährmedium ausblieb. 
Mithin hatten die Bacillen die Fähigkeit, Rohr¬ 
zucker zu invertieren. 


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160 


Fortschritte der Veterinär -Hygiene. 


3. Jahrgang. 


Mit Lakmus versetzte Bouillon wurde in¬ 
nerhalb 24 Stunden entfärbt. Lakmus wurde 
also reduziert. 

Milch wurde innerhalb 24 Stunden zur 
Gerinnung gebracht; das Gerinnsel löste sich 
später nicht. In der Milch konnte Ammoniak 
nachgewiesen werden. 

In Harn wuchsen die Bacillen gleichfalls, 
jedoch nur spärlich. Bei Bruttemperatur er¬ 
folgte schon innerhalb neun Stunden deutliche 
Trübung. Gasentwicklung trat nicht ein, 
jedoch konnte kohlensaures Ammon nachge- 
wiesen werden. 

In Leitungswasser gelang die Kultur nicht, 
selbst wenn demselben NaCl, Am 2 S0 4 , 
NaN0 3 , KN0 2 und KN0 2 + NaCl zugesetzt 
war. 

Sämtliche Kulturen zeigten einen unan¬ 
genehmen, aasartigen Geruch; es lag deshalb 
nahe, auf Fäulnisgase, insbesondere auf 
Ammoniak, zu fahnden. Wurde ein mit Eber- 
schem Salzsäure-Gemisch befeuchteter Glasstab 
über eine Bacillenkultur gebracht, so traten 
sofort weisse Salmiaknebel auf. Auf Zusatz 
von Nesslerschem Reagenz zu einer Bouillon¬ 
kultur erfolgte zuerst Rot-, dann Grünfärbung. 
Ein in eine junge Bouillonkultur hineingehäng¬ 
ter Bleipapierstreifen lief schon innerhalb 24 
Stunden schwarz an. 

Bleiagarstichkulturen wurden innerhalb 
derselben Zeit im Bereiche des Stiches schwarz. 
Aus diesen Reaktionen muss wohl gefolgert 
werden, dass die Bacillen Ammoniak bezw. 
Amine und H 2 S abzuspalten vermögen. 

Auf Zusatz von 10 Tropfen konzentrierter 
Schwefelsäure zu 6 7 cbcm einer 3—10 tägi¬ 

gen Bouillonkulter mit l°/o Peptongejialt trat 
keine Farbenreaktion ein. Der Erfolg war der¬ 
selbe, wenn zu 6 cbcm Bouillonkultur 1 cbcm 
0,01 o/o Kaliumnitritlösung und 10 Tropfen 
Schwefelsäure zugesetzt wurden. (Bayersche 
Nitrosoindolreaktion.) Ebenso negativ fiel die 


Legalsche Indolreaktion aus, welche nach Petri 
in der Weise ausgeführt wurde, dass ca. 7 cbcm 
Bouillonkultur mit 5—10 Tropfen Nitro- 
prossidnatriumlösung und 1—3 Tropfen 
Natronlauge versetzt wurden. Es trat weder 
eine dunklere Färbung noch Bildung violett¬ 
brauner Wolken auf. Auf weiteren Zusatz von 
5—10 Tropfen Essigsäure erfolgte keine Blau¬ 
färbung. Die Indolreaktionen wurden auch an 
Agarkulturen verschiedenen Alters mit dem¬ 
selben negativen Resultat ausgeführt. 

Auch salpetrige Säure konnte in zehn Tage 
alten Bouillonkulturen weder mit Jodkalium¬ 
stärkekleister und verdünnter Schwefelsäure, 
noch mit Metaphenylendiaminsulfat und Essig¬ 
säure (Grieszsche Reaktion) nachgewiesen 
werden. 

In nitrathaltigen Nährmedien vermögen 
Bacillen das Nitrat zu Nitrit zu reduzieren. 
Eine neun Tage alte, Natronsalpeter enthal¬ 
tende Bouillonkultur wurde mit etwa 1 cbcm 
2 o/o Metaphenylendiaminsulfatlösung und 10 
Tropfen Essigsäure versetzt; es trat in der 
Kultur eine deutliche Gelbfärbung ein. Auf 
weiteren Zusatz von Jodkaliumstärkekleister 
wurde die Kultur schön blau, später allmählich 
dunkelbraun. 

Zur Feststellung des Sodabedürfnisses 
wurden ca. 200 cbcm Bouillon zunächst durch 
vorsichtigen Zusatz von Natronlauge bis zum 
Lakmusneutralpunkt und durch darauffolgen¬ 
des tropfenweises Hinzufügen von Normalsoda¬ 
lösung bis zur bleibenden Rötung des als 
Indikator zugesetzten Phenolpthaleins genau 
neutralisiert. Diese Bouillon wurde nun zu je 
5 cbcm auf Reagensröhrchen gefüllt und zu 
jedem Röhrchen je 0,5; 1,0; 1,5; 2,0 usw\ cbcm 
Normalsoda- bezw. Normalsalzsäurelösung hin¬ 
zugefügt, sterilisiert, nach dem Abkühlen mit 
Wurstbacillen beimpft und in den Brutschrank 
gestellt. 

Nach 12 Stunden 

Trübung Bodensatz 






Heft 7. 


161 


Fortsch ritte der 

Aus dieser Beobachtung folgt, dass das 
Wachstumsoptimum bei schwach alkalisch bis 
schwach saurer Reaktion liegt. Bei starker 
Alkaleszenz tritt noch Wachstum ein, dagegen 
nicht bei stark saurer lteaktion. In alkalischen 
Nährmedien kommt es unter Sedimentbildung 
bald zur Klärung der Bouillon. 

Das Temperaturoptimum für das Wachs¬ 
tum der Bacillen liegt bei 33 -37° C. Das¬ 
selbe wurde in der Weise ermittelt, dass 
Bouillonröhrchen beimpft und auf verschiede¬ 
nen Temperaturen gehalten wurden. 

Bei 0—4° C erfolgte die Trübung der 
Bouillon in 4—6 Tagen, bei 6—9° C in 36 
Stunden, bei 29—31 ° C in 9 Stunden, und 
bei 33—37 0 C in 6 Stunden. 

Hohen Temperaturgraden gegenüber sind 
die Bacillen wenig widerstandsfähig. Zur Fest¬ 
stellung der Resistenz gegen Hitze bediente 
ich mich eines Reagensgläschens, dessen unteres 
Ende zu einem dünnen Röhrehen von 2—2*4 mm 
Lichtung ausgezogen war, so dass eine Pla¬ 
tinöse zur Probeentnahme noch bequem ein¬ 
geführt werden konnte. Der dünne Teil des 
Reagensgläschens wurde nun mit Bouillon¬ 
kultur — bezw. Aufschwemmung von Bacillen, 
die auf Agar gezüchtet waren, in Bouillon — 
gefüllt, in ein auf 50, 60 und 70° C geheiztes 
Wasserbad getaucht, und von Zeit zu Zeit eine 
Prqbe mittels der Platinöse entnommen. Mit 
letzterer wurden Bouillonröhrchen beimpft. 
Das Resultat war folgendes: 

1. bei 50° C: 

Die 15, 20, 25, 30, 35 und 60 Minuten 
nach der Einstellung in das Wasserbad ent¬ 
nommenen Proben entwickelten sich sämtlich, 
die nach Inständigem Verweilen im Wasser¬ 
bade entnommenen dagegen nicht. 

2. bei 60° C: 

Nach 2, 4, 6, 8, 10 und 12 Minuten ent¬ 
nommene Proben blieben alle steril. 

3. bei 70° C: 

Resultat dasselbe wie bei No. 2. 

Aus diesen Abtötungsversuchen muss man 
schliessen, dass die Bacillen unter Umständen 
schon durch eine zw’ei Minuten lange Einwir¬ 
kung von 60 0 C die Entwickelungsfähigkeit 
verlieren, während sie einer Temperatur von 
50° C verhältnismässig lange widerstehen und 
zwar in engem Glasröhrchen über eine Stunde. 


Veterinär -Hygiene. 

Weitere Versuche haben ergelxm, dass in 
Erlenmeyerkölbeben gezogene Bouillonkulturen 
sogar fünf Stunden gebrauchten, um bei 50 °C 
in dem Kölbchen abgetötet zu werden. 

(Schluss folgt.) 


Oeffentliches Veterinärwesen. 

Stand der Tierseuchen im Deutschen Reich 
am 15. September 1905. 

Der Rotz gelangte zur Feststellung in 
Preussen in 18 Gemeinden und 32 Gehöften, in 
Bayern in einem Gehöft, zusammen somit in 
19 Gemeinden und 33 Gehöften. Die Aphthen¬ 
seuche herrschte in je einem Gehöfte der 
Regierungsbezirke Königsberg, Breslau, Op¬ 
peln und der Oberpfalz. Die Schweine- 
seuche einschliesslich der Schweinepest 
wurde festgestellt und zur Anzeige gebracht 
in 1537 Gemeinden und 1995 Gehöften. 


Erlasse, Verordnungen und 
Bekanntmachungen. 

Preussen. Allgemeine Verfügung 
betr. das aus oder nach Luxemburg 
gehende, zum menschlichen Ge¬ 
nüsse bestimmte Fl eisch. Vom 24. Aug. 
1905. 

Der mit dem Grossherzogtum Luxemburg 
unter dem 24. Mai 1904 abgeschlossene Ver¬ 
trag über die gegenseitige Zulassung des zum 
menschlichen Genüsse bestimmten Fleisches 
zum freien Verkehr (RGBl. 1905 S. 709) ist 
nunmehr in Kraft getreten. Danach wird 
Fleisch, das in Luxemburg ausgeschlachtet und 
nach den dort geltenden Vorschriften untersuch* 
ist, in Deutschland ebenso behandelt, wie wenn 
es im Inlande ausgeschlachtet und untersucht 
wäre. Ferner bedarf das auf einer luxembur¬ 
gischen Untersuchungsstelle vorschriftsmässig 
untersuchte ausländische Fleisch in Deutsch¬ 
land einer Untersuchung nicht mehr. Auch 
können ausländische Fleischsendungen, die nach 
Luxemburg eingehen, aber dort nicht unter¬ 
sucht werden sollen, von der luxemburgischen 
Einlassstelle an eine deutsche Untersuchungs¬ 
stelle überwiesen werden. Endlich besorgen die 


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162 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


3. Jahrgang. 


luxemburgischen Einlassstellen die Abfertigung 
des zur unmittelbaren Durchfuhr und des 
nicht zum menschlichen Genüsse bestimmten 
Fleisches (§ 13 Abs. 1 und § 17 RG.) nach 
denselben Grundsätzen, wie sie für die inlän¬ 
dischen Einlassstellen vorgeschrieben sind. 

Wegen der in Luxemburg bestehenden Ein¬ 
lass- und Untersuchungsstellen für ausländi¬ 
sches Fleisch, sowie wegen der Kennzeichnung 
des in Luxemburg vorschriftsmässig unter¬ 
suchten Fleisches wird auf die in Abschrift 
beigefügte Bekanntmachung des Herrn Reichs¬ 
kanzlers vom 1. d. M. (Zentralbl. f. d. Deutsche 
Reich S. 198) verwiesen. 

Durchlaucht 

Euere Hochgeboren wollen für eine 
Hoch wohl geboren 

schleunige Benachrichtigung der Beschau¬ 
stellen und Polizeibehörden Ihres Bezirks 
Sorge tragen. Die Provinzial-Steuerdirektoren 
haben vom Herrn Finanzminister Mitteilung 
erhalten. 

Der Minister der geistlichen, Unterrichts¬ 
und Medizinal-Angelegenheiten. I. A.: Förster. 

Der Minister für Landwirtschaft, Domänen 
und Forsten. I. A.: Schroeter. 

An sämtliche Herren Regierungspräsiden¬ 
ten und den Herrn Polizeipräsidenten in Berlin. 


Mecklenburg-Schwerin. Runderlass 
betr. die gesundheitspolizeiliche 
Behandlung des Fleisches „nüch¬ 
terner“ Kälber. Vom 28. Juni 1905. 

In Ergänzung bezw. Abänderung des Rund¬ 
erlasses vom 20. Juli 1903 bestimmen die Unter¬ 
zeichneten Ministerien hierdurch, dass das 
Fleisch „nüchterner“, d. h. unmittelbar oder 
kurze Zeit nach der Geburt notgeschlachteter 
Kälber, bei denen die Untersuchung vor der 
Schlachtung (Schlachtviehbeschau) nach Mass- 
gabe der §§ 6—16 der Ausführungsbestimmun¬ 
gen A des Bundesrats zum Reichstleischbeschau- 
gesetz unterblieben ist (vgl. § 1 Abs. 2 und 3 
des Reichsgesetzes vom 3. Juli 1900 und § 2 
Ziff. 1 Abs. 1 der Ausführungsbestimmungen 
A) ohne weiteres als unreif im Sinne der Vor¬ 
schrift des § 40 Ziff. 5 der Ausführungsbestim¬ 
mungen A des Bundesrats, mithin als in seinem 
Nahrungs- und Genusswert erheblich herabge¬ 
setzt zu bezeichnen ist. 


Grossherzogi. Meck len burgsche Ministerien 
des Innern. C. Graf von Bassewitz-Levetzow. 
Abt. f. Medizinal-Angelegenh. Langfeld. 


Preussen. Pommern. Reglement zur 
Ausführung des Gesetzes vom 22. April 1892 
(G.-S. S. S. 90), betr. die Entschädigung für 
an Milzbrand gefallene Tiere. 

16. März 


Vom 


20. April 


1905. 


(Sonderbeil. z. St. 24 d. Amtsbl. de Reg. zu 
Stettin.) 

Zur Ausführung des Gesetzes, betr. die 
Entschädigung für an Milzbrand gefallene 
Tiere vom 22. April 1892 (Gesetz-Samml. S. 90) 
wird für die Provinz Pommern das nach¬ 
stehende Reglement erlassen. 

§ 1. Ist durch tierärztliche Obduktion und 
durch Nachprüfung des von dem beamteten 
Tierarzt aufgenommenen Befundes durch den 
Königlichen Departementstierarzt zu Stettin 
und nötigenfalls durch weitere Untersuchung 
(§ 2) bei getöteten oder gefallenen Pferden 
(vgl. § 15) oder Rindviehstücken ein Fall von 
Milzbrand oder Rauschbrand festgestellt, so 
wird für die damit behafteten Tiere von dem 
Provinzialverbande eine Entschädigung nach 
Massgabe der nachfolgenden Bedingungen 
gewährt. 

§ 2. Die beamteten Tierärzte haben den 
Befund- und Obduktionsbericht im Original 
oder in beglaubigter Abschrift sofort dem 
Departementstierarzt in Stettin zu übersenden. 
Dieser prüft den Bericht und gibt ihn unter 
Beifügung des Ergebnisses seiner Nachprüfung 
an den Landeshauptmann weiter. 

Der Landeshauptmann kann bestimmen, 
dass eine weitere Untersuchung, insbesondere 
eine bakteriologische Nachprüfung stattfinden 
soll. Ueber das in diesem Falle zu beobach¬ 
tende Verfahren beschliesst der Provinzialaus¬ 
schuss unter Genehmigung des Ministers für 
Landwirtschaft. 


§ 3. Die Entschädigung beträgt s / 5 des 
nach Vorschrift des § 59 des Reichsgesetzes, 
betr. die Abwehr und Unterdrückung von Vieh¬ 
seuchen vom 23. Juni 1880/1. Mai 1894 (R.G.- 
Bl. 1880 S. 153 und 1894 S. 409) ermittelten 
gemeinen Wertes. Auf die Entschädigung kom¬ 
men die etwa aus Privat Verträgen zahlbaren 


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Heft 7. 


163 


Fortschritte der V 


Versicherungssummen mit ;l /r, ihres Betrages 
in Anrechnung. 

§ 4. Die Ermittelung der Entschädigung 
erfolgt durch eine Kommission, welche aus 
dem beamteten Tierarzt und zwei Schieds- 
männern gebildet wird. Für die Zusammen¬ 
setzung, Berufung, Verpflichtung und Tätig¬ 
keit dieser Kommission finden die Bestimmun¬ 
gen der §§ 18, 19 des preussischen Ausführungs¬ 
gesetzes vom 12. März 1881 (Gesetz-Samml. 

S. 128) Anwendung. 

Stimmen die Gutachten der Kommissions¬ 
mitglieder über den Wert eines Tieres nicht 
miteinander überein, so wird der Wert nach 
dem Durchschnitt der drei Abschätzungen be¬ 
stimmt. 

Das Ergebnis der Schätzung ist im Falle I 
der Entschädigungsleistung für beide Teile 
verbindlich. 

Hat eine ausgeschlossene oder unfähige 
Person — § 19 des Gesetzes vom 12. März 1881 
— an der Schätzung teilgenommen, so ist die 
Schätzung nichtig und zu wiederholen. 

An Stelle des beamteten Tierarztes kann 
im Falle der Verhinderung oder aus sonstigen 
Gründen ein anderer approbierter Tierarzt 
zugezogen werden. 

Aus denselben Gründen sind die Ortspoli¬ 
zeibehörden berechtigt, an Stelle der gemäss 
§ 18 des Ausführungsgesetzes vom 12. März 
1881 gewählten Schiedsmänner auch andere ge¬ 
eignete Personen zu Schiedsmännern für den 
einzelnen Fall zu ernennen. 

§ 5. Die beiden Schiedsmänner sollen bei 
Anmeldung eines Falles von Milzbrand oder 
Rauschbrand so zeitig einberufen werden, dass 
sie die Schätzung des Tieres gemeinschaftlich 
mit dem Tierarzt bei Gelegenheit der Obduk¬ 
tion ausführen können. 

Können die Schiedsmänner wegen weiter 
Entfernung ihres Wohnsitzes oder aus anderen 
Gründen erst zu einem späteren Termine ein¬ 
berufen werden, so hat der Tierarzt nach der 
Obduktion sein Schätzungsgutachten allein ab¬ 
zugeben. Bei der späteren Abschätzung des 
Tieres durch die beiden Schiedsmänner bedarf 
es alsdann der nochmaligen Zuziehung des 
Tierarztes nicht. 

§ 6. Die Kommission — im Falle des § 5 
Abs. 2 der Tierarzt einerseits und die beiden 
Schiedsmänner andererseits je für sich ^ hat 


eterinär-Hygiene. 

über das Ergebnis der Schätzung eine von ihr 
zu unterzeichnende Urkunde aufzunehmen und 
der Ortspolizeibehörde zu übergeben. 

§ 7. Eine Schätzung ist nicht vorzunehmen: 

a) wenn es feststeht, dass eine Entschädi¬ 
gung nicht gewährt wird (§ 8 und § 9 dieses 
Reglements), 

b) wenn gelegentlich der vor dem Ein¬ 
treffen der Schiedsmänner vorgenommenen Ob¬ 
duktion (§ 5 Abs. 2 des Reglements) der be¬ 
amtete Tierarzt oder falls gemäss § 16 des 
Reichsgesetzes vom 23. Juni 1880/1. Mai 1894 
von dem Viehbesitzer ein zweiter Tierarzt 
zugezogen worden ist, beide Tierärzte ihr Gut¬ 
achten dahin abgeben, dass das Tier nicht an 
Milzbrand oder Rauschbrand erkrankt war. 

§ 8. Keine Entschädigung wird gewährt: 

1. für Tiere, die dem Reich, den Einzel¬ 
staaten oder zu den landesherrlichen Gestüten 
gehören; 

2. für Tiere, die der Vorschrift des § 6 
des Reichsgesetzes vom 23. Juni 1880/1. Mai 
1894 zuwider mit der Krankheit behaftet in 
das Reichsgebiet eingeführt sind; 

3. für das in Schlachtviehhöfen oder in 
öffentlichen Schlachthäusern aufgestellte, auf 
polizeiliche Anordnung geschlachtete oder ge¬ 
tötete Schlachtvieh. 

§ 9. Der Anspruch auf Entschädigung 
fällt ferner weg: 

1. wenn der Besitzer der Tiere oder der 
Vorsteher der Wirtschaft, welcher die Tiere 
angehören, vorsätzlich oder fahrlässig, oder 
Begleiter der auf dem Transporte befindlichen 
Tiere, oder bezüglich der in fremdem Gewahr¬ 
sam befindlichen Tiere, der Besitzer des Ge¬ 
höfts, der Stallung, Koppel oder Weide vor¬ 
sätzlich den Vorschriften der §§ 9 und 10 des 
Reichsgesetzes vom 23. Juni 1880/1. Mai 1894 
zuwider, die Anzeige vom Ausbruch der Seuche 
oder vom Seuchenverdacht unterlässt, oder 
länger als 24 Stunden nach erhaltener 
Kenntnis verzögert; 

2. wenn der Besitzer eines der Tiere mit 
der Seuche behaftet gekauft oder durch ein 
anderes Rechtsgeschäft unter Lebenden er¬ 
worben hat und von diesem kranken Zustande 
beim Erwerbe des Tieres Kenntnis hatte; 

3. wenn Tiere, welche bestimmten Ver¬ 
kehrs- oder Nutzungsbeschränkungen oder der 
Absperrung unterworfen sind, bei verbot s- 


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164 


3. Jahrgang. 


Fortsch ritte der 


widriger Benutzung oder ausserhalb der ihnen 
angewiesenen .Räumlichkeiten oder an Orten, 
zu welchen ihr Zutritt verboten ist, an Milz¬ 
brand oder Rauschbrand fallen, oder, weil in 
vorstehenden Fällen betroffen, auf Anordnung 
der Polizeibehörde getötet worden sind, oder 
wenn dem Besitzer oder dessen Vertreter die 
Nichtbefolgung oder Uebertretung der polizei¬ 
lich angeordneten Schutzmassregeln zur Ab¬ 
wehr der Seuchengefahr zur Last fällt; 

4. wenn Tiere, die an Milzbrand oder 
Rauschbrand erkrankt oder dieser Seuche ver¬ 
dächtig sind, vorsätzlicher oder fahrlässiger 
Weise geschlachtet worden sind; 

5. wenn an solchen kranken oder verdäch¬ 
tigen Tieren blutige Operationen oder die 
Oeffnung des Kadavers ohne polizeiliche Er¬ 
laubnis vorsätzlicher oder fahrlässigerweise 
von jemand anders, als von approbierten Tier¬ 
ärzten vorgenommen worden ist. 

§ 10. Zur Bestreitung der Entschädigun¬ 
gen für die an Milzbrand oder Rauschbrand 
gefallenen Tiere, der Kosten der Schätzung, 
der Kosten der Nachprüfung und der sonstigen 
Verwaltungskosten werden die in Gemässheit 
der Bestimmungen in den §§15 und 16 des 
Gesetzes vom 12. März 1881 (Gesetz-Samml. 
1881 S. 128) und der §§ 5 bis 9 des „Reglements 
zur Ausführung der Vorschriften in den §§ 57 
bis 64 des Reichsgesetzes vom 23. Juni 1880, 
betr. die Abwehr und Unterdrückung von Vieh¬ 
seuchen, bezw. der Vorschriften in den §§ 12 
bis 22 des preussischen Gesetzes vom 12. 
März 1881, betr. die Ausführung dieses Reichs¬ 
gesetzes — in der Provinz Pommern vom 
17. März 1882“ zur Bestreitung der zu leisten¬ 
den Entschädigungen für die mit der Rotz¬ 
krankheit behafteten Pferde usw. und für das 
mit Lungenseuche behaftete Rindvieh angesam¬ 
melten und im Bedarfsfälle gemäss §§ 5 bis 9 
des Reglements vom 17. März 1882 zu ver¬ 
stärkenden Fonds nebst Zinsen mit der Mass- 
gabe verwendet, dass die von den Pferde¬ 
besitzern erhobenen Beiträge nur zur Entschädi¬ 
gung für Pferde und die von den Rindvieh¬ 
besitzern erhobenen Beiträge nur zur Ent¬ 
schädigung für Rindvieh verausgabt werden 
dürfen. 

§ 11. Den Schiedsmännern ist in den Fäl¬ 
len, in denen sie auf Grund der Bestimmungen 
dieses Reglements eine Schätzung vornehmen, 


Veterinär -Hygiene. 

als Ersatz für Reisekosten und Auslagen die¬ 
selbe Vergütung zu gewähren, welche die 
Schiedsmänner gemäss § 23 des preussischen 
Gesetzes vom 12. März 1881 (Gesetz-Samml. 
1881 S. 128), betr. die Ausführung des Reichs¬ 
gesetzes über die Abwehr und Unterdrückung 
der Viehseuchen zu erhalten haben. 

§ 12. Die Ortspolizeibehörde oder ein¬ 
tretendenfalls der bestellte Seuchen-Kommis- 
sarius hat unbeschadet der nach § 1 von dem 
beamteten Tierarzt einzusendenden Befundauf¬ 
nahme, die über das Ergebnis der Schätzung 
auf genommene Urkunde (§ 20 ebenda) und die 
Liquidation der Schiedsmänner dem Landes¬ 
hauptmann unverzüglich zu übersenden und 
zugleich zu bescheinigen, dass keiner der Fälle 
vorliegt, in welchen nach §§ 8 und 9 dieses 
Reglements keine Entschädigung gewährt 
wird oder jeder Anspruch auf Entschädigung 
wegfällt, auch anzugeben, ob und zu welchem 
Betrage eine Versicherungssumme für das be¬ 
treffende Tier auf Grund von Privatvertrügen 
zu zahlen ist. Die Schätzungsurkunden müssen 
von der Ortspolizeibehörde mit der Bescheini¬ 
gung versehen sein, dass bei den Schiedsmän¬ 
nern keine der Voraussetzungen Vorgelegen hat, 
wegen derer sie gemäss § 19 Gesetz vom 12. 
März 1881 als von der Teilnahme an der 
Schätzung ausgeschlossen oder zu derselben un¬ 
fähig zu erachten wären. 

§ 13. Die Auszahlung der Entschädigun¬ 
gen und der Kosten der Schätzung erfolgt auf 
Anweisung des Landeshauptmanns durch die 
Provinzialhaiydkasse. 

§ 14. Wegen der Ansprüche, welche auf 
Grund dieses Reglements gegen den Provinzial¬ 
verband von Pommern erhoben werden, findet 
der Rechtsweg nicht statt. 

§ 15. Die Esel, Maultiere und Maulesel 
werden in betreff der durch dieses Reglement 
festgestellten Entschädigung und Beitrags¬ 
pflicht den Pferden gleich behandelt. 

§ 16. Dieses Reglement tritt mit dem 
1. Januar 1906 in Kraft und gilt für die Dauer 
von 5 Jahren nach seinem Inkrafttreten. 

Das vorstehende von dem 32. Provinzial¬ 
landtage von Pommern in der Sitzung vom 
16. März 1905 beschlossene Reglement ist ge¬ 
mäss Artikel I Ziffer 4 des Gesetzes, betr. die 
Entschädigung für an Milzbrand gefallene 
Tiere vom 22. April 1892 (G.-S. S. 90) von 


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Heft 7. 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


165 


den Herren Ministem für Landwirtschaft, 
Domänen und Forsten und des Innern unterm 
20. April 1905 genehmigt worden. 


Prensseo. Pommern. Ausfüh¬ 
rungsbestimmungen zu § 2 des Milz¬ 
brandentschädigungsreglements. 

Vom 16. März/20. April 1905. (Extrabeil, 
z. St. 30 d. Amtsbl. d. Königl. Reg. zu Köslin.) 

I. In denjenigen Fällen des Milz- oder 
Rauschbrandes oder des Verdachts dieser 
Krankheiten, in welchen auf Grund der Be¬ 
stimmung des § 2 Absatz 2 des Reglements 
vom 16. März/20. April 1905 auf Anordnung 
des Landeshauptmanns eine bakteriologische 
Nachprüfung stattfinden soll, ist das nachfol¬ 
gende Verfahren zu beobachten: 

1. Der beamtete Tierarzt hat sofort — ge¬ 
gebenenfalls vor Uebersendung der im § 2 des 
Reglements bezeichneten Urkunden — von 
jedem in Frage kommenden Tiere 

a) drei lufttrockene, ungefärbte, nicht er¬ 
wärmte Deckglasausstrichpräparate 

bei Milzbrand 

bei verendeten Tieren aus dem Blute 
einer Ohr- oder Halsvene, 

bei notgeschlachteten Tieren aus der 
Milz, 

bei Rauschbrand 

vom Safte aus dem Gewebe der Rausch¬ 
brandgeschwülste anzufertigen; 

b) auf drei Stückchen neuen sauberen Fil¬ 
trierpapier (von etwa 10 qcm Grösse) 

bei Milzbrand 

eine dicke Schicht frisch entnommenen 
Blutes aus einer Ohr- oder Halsvene 
oder 

(bei notgeschlachteten Tieren) vom Milz¬ 
brei, 

bei Rauschbrand 

ein Stückchen aus dem muskulösen Ge¬ 
webe der Rauschbrandgeschwülste 
zu übertragen. 

Diese Präparate (a und, b) sind an der Luft 
eintrocknen zu lassen und zunächst in sauberes 
Filtrierpapier und sodann in Pergamentpapier 
einzuschlagen und mit Aufschriften zu ver¬ 
sehen, die die Bezeichnung des Tieres, das 
Datum des Todes, den Namen des Besitzers 


(nebst Wohnort und Kreis) und den Namen 
des Tierarztes enthalten müssen. Die Prä¬ 
parate werden darauf in einem Kästchen ver¬ 
packt und dem Departementstierarzt in Stettin 
übersandt. 

Die Herstellung und Absendung der Prä¬ 
parate ist in jeder Weise zu beschleunigen. 

2. Ueber das eingesandte Material ist nach 
beifolgendem Muster (Anlage A) Buch zu 
führen. Die Eingänge sind sofort in das Unter¬ 
suchungsbuch einzutragen und mit der laufen¬ 
den Nummer zu versehen. 

3. Die Prüfung des Materials geschiht beim 
Milzbrand durch 

a) mikroskopische Untersuchung, 

b) Kultur, 

c) Impfung von Mäusen. 

Die mikroskopische Untersuchung erstreckt 
sich auf die eingesandten Deckglasausstriche 
und mindestens ein aus dem Venenblute oder 
Milzbrei (1 b) angefertigtes Präparat. Die Fär¬ 
bung hat nach einer der Methoden zu geschehen, 
die zur Darstellung der Milzbrandkapseln ge¬ 
eignet sind. 

Zur Anlegung von Kulturen wird gleich¬ 
falls die eingesandte Probe (lb) verwendet. 
Ein doppeltlinsengrosses Teilchen des trockenen 
Materials wird mit steriler Flüssigkeit erweicht 
und zur Herstellung von 3 Agar-Plattenkul¬ 
turen in Petrischen Doppelschalen (0,1 und 2) 
benutzt. Die Plattenkulturen werden 24 Stun¬ 
den bei Brutwärme gehalten und hierauf bei 
40 facher Vergrösserung auf Milzbrandkolonien 
untersucht. 

Die Impfung wird subkutan ausgeführt. 
Zur Impfung sind zwei weisse oder graue Mäuse 
zu verwenden. Jede derselben erhält eine 
Platinöse des mit sterilem Wasser aufgeweich- 
ten Materials. 

Sterben Mäuse, so sind sie durch Ausstrich 
und Kultur auf Milzbrand zu untersuchen. 
Finden sich in den Eingeweiden keine Milz¬ 
brandbazillen, so ist die Impfstelle zu unter¬ 
suchen. 

Sofern die mikroskopische Untersuchung 
und eine der beiden Untersuchungsarten die 
Seuche mit voller Bestimmtheit erkennen lassen, 
kann von der Ausführung der dritten Unter¬ 
suchung Abstand genommen werden. 

Beim Rauschbrand erfolgt die Prüfung 
durch 


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166 


Fortschritte der 


a) mikroskopische Untersuchung, 

b) durch Impfung von Meerschweinchen. 

Die mikroskopische Untersuchung erstreckt 

sich beim Rauschbrand auf die eingesandteil 
Deckglasausstriche und mindestens ein Präpa¬ 
rat, das aus der übermittelten Muskelprobe an¬ 
gefertigt und mit Gentianaviolett oder Fuchsin 
gefärbt wird. 

Zur Impfung wird ein Stückchen aus der 
Muskelprobe in sterilem Wasser erweicht und 
unter die Haut an der Innenfläche eines Hinter¬ 
schenkels eines Meerschweinchens gebracht. 
Stirbt das Impftier, so ist die Impfstelle mikro¬ 
skopisch auf das Vorhandensein von Rausch¬ 
brandkeimen zu prüfen. 

II. Ergibt die bakteriologische Unter¬ 
suchung Milzbrand oder Rauschbrand, so hat 
der Departementstierarzt die Diagnose zu be¬ 
stätigen. 

Lassen sich durch die bakteriologische 
Untersuchung Milzbrand- oder Rauschbrand¬ 
bazillen nicht nachweisen, so ist zu unter¬ 
suchen, ob nach den von dem beamteten Tier¬ 
ärzte eingesandten Schriftstücken 

1. die nach dem Ergebnisse der Obduktion 
gestellte Diagnose überzeugend ist und zu Be¬ 
denken keinen Anlass gibt und bejahenfalls 

2. ob der Untergang der Bazillen oder ihre 
Nichtnachweisbarkeit aus den den Seuchenfall 
begleitenden Umständen erklärlich ist. 

Sind die Fragen zu 1 und 2 zu bejahen, 
so ist die Diagnose Milzbrand oder Rausch¬ 
brand zu bestätigen. 

Ist eine der Fragen 1 und 2 nicht zu be¬ 
jahen, so gilt die Seuche hinsichtlich der Ent¬ 
schädigungsfrage nicht als festgestellt. 

Von der Bestätigung oder Nichtbestätigung 
der Diagnose hat der Departemenstierarzt der 
Ortspolizeibehörde und dem beamteten Tier¬ 
ärzte sofort Mitteilung zu machen. Gleichzeitig 
sind in jedem Falle die eingesandten Schrift¬ 
stücke dem Landeshauptmann zu übersenden. 

Das Ergebnis der Nachprüfung ist in das 
Eingangsbuch unter Angabe des Tages, an dem 
die Untersuchung ausgeführt oder abgeschlossen 
wurde, einzutragen. Diejenigen Präparate, auf 
welche die Entscheidung gestützt wird, sind ein 
Jahr lang aufzubewahren. 

Beschlossen von dem Provinzialausschusse 
der Provinz Pommern in der Sitzung vom 


Veteri nä r-Hygiene. 3. Jahrgang. 

10. Juni 1905 und genehmigt von dem Herrn 
Minister für Landwirtschaft, Domänen und 
Forsten unterm 29. Juni 1905. 


Referate. 

Infektionskrankheiten. 

Schütz und Miessner. Zur Serodiagnose der 
Rotzkrankheit. Archiv für wissensch. und 
prakt. Tierheilkde. 31. Band. 1. und 5. Heft. 

Die Verff. haben an einem sehr umfangreichen 
Pferdematerial die praktische Bedeutung des Agglu¬ 
tinationsverfahrens für die Diagnose der Rotzkrank¬ 
heit geprüft. Die Versuche wurden in folgender 
Weise ausgeführt. Zu je 1,5 ccm des aus dem 
Blute der rotzverdächtigen Pferde abgeschiedenen 
Serums wurden 0,5 ccm einer 5 °/o Karbolsäure¬ 
lösung zugesetzt. Dann wurde das Serum mit der 
Testflüssigkeit, einer Aufschwemmung abgetöteter 
Rotzbacillen in Karbolkochsalzwasser (0,5o/o Karbol¬ 
säure und 0,85 o/o Chlornatrium) versetzt. Die an 
zahlreichen gesunden und rotzkranken Tieren vorge¬ 
nommenen Versuche ergaben, dass das Serum der 
erstcren gewöhnlich in einem Verhältnis von 1:100 
bis 1:400, das der Kranken noch in einem Ver¬ 
hältnis von 1:1000 bis 1: 2000 die Rotzbacillen der 
Testflüssigkeit agglutinierte. Es sind an dem Blut? 
von 2209 Pferden, unter denen 298 Stück rotz- 
krank waren, Erhebungen darüber angeetellt wor¬ 
den, in welcher Verdünnung das Blut gesunder und 
rotzkrauker Tiere ägglutiniert. Es haben hiernach 
von den kranken Pferden 0 % einen Agglutinations¬ 
wert von 100—300, 2 o/o einen solchen von 400, 
4 von 500, J4,8 von 600, 15,8 von 800, 25,2 von 
1000, 16,4 von 1500 und 21,8 o/o einen solchen von 
2000 und darüber. Es haben von den gesunden 
0 o/o einen Agglutinationswert über 1000, 16,2 o 0 
von 500—1000, 19 o/ 0 von 400 und 64,8 o/ 0 einen 
solchen von 100—300. In einem Bestände, indem der 
Vlalleus mit Hilfe des AgglutinationsVerfahrens ge¬ 
tilgt werden soll, ist folgendermassen zu verfahren : 
Alle (erkennbar) rotzkranken Pferde sind sofort 
zu töten, nachdem ihnen Blut zur Agglutinations¬ 
probe entnommen worden ist. Alle der Ansteckung 
verdächtigen Pferde sind der Agglutinationsprüfung 
zu unterwerfen. Pferde, deren Blut in einer Ver¬ 
dünnung von 1:1000 und darüber ägglutiniert, sind 
zu töten. Alle übrigen Pferde mit einem Agglu¬ 
tinationswert von 500—800 sind abzusondern und 
erst dann zu töten, wenn sich 'bei der zweiten 
Prüfung eine Veränderung des Wertes ergeben hat. 
Andernfalls sind diese Pferde als rotzfrei anzu¬ 
sehen. Ist in einem Bestände der Malleus durch 
das Agglutinationsverfahren festgestellt, so ist 
nach drei Wochen das Blut aller Pferde nochmals 
zu untersuchen. Eine Wiederholung der Prüfung 
muss auch dann stattfinden, wenn in dem ver¬ 
dächtigen Bestände die zuerst vorgenommene Unter¬ 
suchung ein krankes Tier nicht hat ermitteln lassen, 


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167 


Heft 7. F o r L s c li r i 1 1 c der 

insbesondere wenn das Blut eines oder mehrerer 
Pferde im Verhältnis 1: 500 bis 1: 800 agglutiniert 
hat. Wenn bei der zweiten Agglutinationsprüfung 
dieselben Werte gefunden werden, wie bei der zuerst 
vorgenommen, ist jede Verkehrsbeschränkung des 
betr. Bestandes aufzuheben. Profe. 

Schnürer. Zur diagnostischen Ver'vjer- 
tungder Rotzagglutination. Centxalbl. 
f. Bakt., Paras. und Inf. Bd. 39. Heft 2. 

Es steht fest, dass bei Rotzinfektion der Agglu¬ 
tinationswert des Serums wesentlich höher ist als 
bei gesunden Tieren, so dass die Diagnose ermög¬ 
licht wird, wenn weder durch die klinische noch 
durch die pathologisch-anatomische Untersuchung 
Malleus festgestellt werden kann. Verf. hat bei 15 
nachweislich rotzkranken und bei 300 gesunden 
und anderweitig erkrankten Pferden die Agglutina¬ 
tionsmethode zur Anwendung gebracht und geprüft. 
Das zur Agglutination nötige Blut wurde aus der 
vom innern Augenwinkel parallel zum Nasenrücken 
verlaufenden Hautvene entnommen und mittels 
W-förmiger Glasröhrchen aufgefangen. Zur Ver¬ 
minderung von Fehlerquellen, die etwa durch spä¬ 
teres Auftreten der Agglutinine bei frisch infi¬ 
zierten Tieren möglich sind, wurde die Blut-Ent¬ 
nahme und Untersuchung nach Verlauf von 6 bis 
8 Wochen wiederholt. Der Agglutinationswert des 
Serums wurde an Aufschwemmungen von auf Kar¬ 
toffel gewachsenen Rotzbacillen geprüft. Die Dichte 
der Aufschwemmungen wurde nach einem optischen 
Prinzipe bestimmt, wie es bei dem bekannten Lakto- 
skop nach Faser Anwendung gefunden hat. In 
der Emulsion wurden die Bacillen durch 3—4 stün- 
diges Erhitzen auf 60 0 abgetötet. Nach den Unter¬ 
suchungen von Fedorowsky, Arpad u. a. steht fest, 
dass normale Pferdesera bei Anwendung abgetöteter 
Kulturen und makroskopischer Beurteilung bis 
1:400 agglutiniereu können, so dass der Rotz¬ 
verdacht erst hierüber hinaus begründet sein kann. 
Dagegen erheben sich bei Seris rotzkranker Pferde 
die Agglutinationswerte auf 1:1000 bis 1:10 000. 
Auf 16 resp. 24 Stunden, bei zweifelhaftem Aus¬ 
fälle selbst auf 36 Stunden, werden die vorher 
1 Stunde auf 52—54 0 erwärmten Mischungen in 
Blockschalen in den Brutofen gebracht. Die Be¬ 
sichtigung erfolgte mit einer sechsfach ver- 
grössernden Präparierlupe. Bei negativem Ausfall 
bildeten die Bakterien eine diffuse rauchgraue 
Trübung am Boden, bei positivem eine aus Schnee¬ 
flocken ähnlichen Körnchen bestehende Wolke. Als 
wichtige Ergänzung wurde die Untersuchung 
mittels starken Trockensystems im hängenden 
Tropfen vorgenommen. Profe. 

Banger. Untersuchungen über die dif¬ 
ferentialdiagnostische Bedeutung 
der Rotzagglutination bei den wich¬ 
tigsten inneren Krankheiten der 
Pferde. Monatsli. für prakt. Tierhlkde. 16. Bd. 
6. Heft. 

Verf. machte Agglutinationsversuche an abge- 


V e t e r i n ä r - H y g I e n e. 


töteten ltotzbacillenkulturen mit dem Serum ■ von 
100 gesunden und kranken Pferden, unter denen 
sich zwei mit Rotz behaftete Tiere befanden. Der 
Agglutinationswert bei den nicht malleus kranken 
Pferden erhob sich niemals über 1:400 bis 500, 
bei den beiden rotzkranken Tieren betrug er 
1: 2000 bis 5000. Prof6. 

Denzler. Die Bakterienflora des gesun¬ 
den Genitalkanals des Rindes in 
ihrer Bedeutung für das Zustande¬ 
kommen des Puerperalfiebers. Mo¬ 
natsheft für prakt. Tierheilkde. 16. Band. 4. 
und 5. Heft. 

Verf. fasst die wichtigen Ergebnisse seiner 
Untersuchungen dahin zusammen: Die Bakterien¬ 
flora des Scheidenvorhofs ist wechselnd und man¬ 
nigfaltig. Das Vestibulumsekret enthält pathogene 
Mikroorganismen, insbesondere Staph. p. aureus, 
albus und citreus, Strept. p. und Bact. coli comm. 
Im Innern der gesunden Scheide vermögen unter 
normalen Verhältnissen keine der genannten Bak¬ 
terien zu vegetieren. Bei anormaler Anwesenheit 
dieser Bakterien im Scheidensekret bildet der 
äussere Muttermund die Grenze zwischen der keim- 
haltigen und der keimfreien Zone des Genital¬ 
kanals. Zervikal kanal, Uterus und Tuben sind 
normalerweise keimfrei. Die Scheide besitzt eine 
Selbstreinigungskraft, d. h. sie vermag eingedrun¬ 
gene Erreger zu eliminieren. Antiseptische Schei¬ 
denspülungen vermögen den physiologischen Rei¬ 
nigungsprozess nicht zu unterstützen. Die Ueber- 
impfung hochvirulenter Staphylokokken, Strepto¬ 
kokken und Colibakterien in die Scheide des 
Rindes ist von keinerlei störender Wirkung auf das 
Individuum. Antiseptische Scheidenspülungen vor 
der Geburt sind zu unterlassen; dagegen ist eine 
sorgfältige Reinhaltung der äusseren Genitalien und 
deren Umgebung zur Vermeidung einer Infektion 
notwendig. Profe. 


Parasitologie. 

S. P. James. One parasitic found in the 
white corpuscles of the blood of 
d o g s. Ref. im C. f. B. B. 36, 24 u. 25. 

Die Literatur über Blutparasiten, die aus¬ 
schliesslich in den weissen Blutkörperchen Vor¬ 
kommen, ist klein. Beobachtungen sind bisher nur 
an Vögeln (Krähen, Eulen, Elstern) gemacht wor¬ 
den. Aber auch diese Befunde werden nicht gleich- 
mässig gedeutet. Während die einen Forscher die 
Wirtszellen als Leukocyten, zumeist im Degene¬ 
rationsstadium, betrachten, sprechen andere von 
Erytr ob lasten. Verf. teilt nun seine Beobachtungen 
mit, die er an Hunden in verschiedenen indischen 
Provinzen gemacht hat. Er fand in einer Reihe 
von Fällen Parasiten, die zweifellos in den poly¬ 
morphkernigen Leukocyten wohnen. Die befallenen 
weissen Blutkörperchen erscheinen normal gross 
oder wenig vergrössert und zeigen keine Degene- 


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168 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


rationserscheinungen. Die Parasiten sind bohnen¬ 
förmig und 1 1/2 mal so lang wie der Durchmesser 
eines roten Blutkörperchens; ihre Breite entspricht 
ihrer halben Länge. Sie haben einen endständigen 
Kern und wenig Chromatinsubstanz, einzelne 
Formen besitzen ein Centrosoma* Sie sind von 
einer Kapsel umgeben, die mit Romanowski-Fär- 
bung sichtbar wird, manchmal jedoch undeutlich 
abgegrenzt in das Leukocytenprotoplasma übergeht. 
Kernteilung oder sonstige Fortpflanzungserschei¬ 
nungen konnten nicht beobachtet werden; dagegen 
gelang es Verf. einmal, deutliche Lokomotion fest¬ 
zustellen: ein Parasit verliess in wurmförmigen 
Bewegungen seinen Leukocyten und liess an der 
Stelle seines ehemaligen Sitzes eine breite Lücke 
zurück. 

Das Leukocytozoon canis — so nennt Verf. 
den neuentdeckten protozoenartigen Parasiten — 
ist die erstbeschriebene Form eines Leukocyten- 
parasiten beim Säugetier. Jacob. 

Stfthelin. Ueber Stoffwechsel und Ener¬ 
gieverbrauch bei der Surraerkran- 
k u n g. Arch. f. Hygiene. Bd. 50. 

Verf. impfte einen Hund mit Surra-Trypano- 
somen. Der Hund starb nach 31/2 Wochen. Wäh¬ 
rend dieser Zeit befand sich der Versuchshund im 
Respirationsapparat. Dos Körpergewicht nahm von 
8,58 kg bis auf 5,74 kg ab. Es zeigte sich ein 
starker, allmählich zunehmender Eiweisszerfall. Im 
ganzen hat bei dem Hunde die Zersetzung von 
329 g Eiweiss und 631 g Fett stattgefunden. Der 
Wasserverlust betrug 1880 g. Profe. 

Th. Bowhill. Piroplasmose der Pferde 
oder biliary fever. Journal of hygiene. 
Vol. ß. 

Verf. beschreibt eingehend die in Südafrika 
und Transvaal häufig vorkommende Pferdepiro¬ 
plasmose und gibt an der Hand von drei Tafeln 
mit guten mikrophotographischen Abbildungen eine 
sehr genaue Beschreibung der Veränderungen des 
Blutes bei den infizierten Tieren. Profe. 

Panse. Trypanosoma Theileri (?) in 
Deutsch-Ostafrika. Zeitschr. f. Hygiene. 
Bd. 46. 

Verf. fand bei einem ein Jahr alten Rinde 
von der Insel Mafia, welches keinerlei auffällige 
Krankheitserscheinungen gezeigt hatte, eine Try¬ 
panosomenart im Blute von auffallender Grösse 
(40—80 p). Martini hielt es für das Trypanosoma 
Theileri, welches von Bruce in Transvaal entdeckt 
wurde, auch in Togo und Nordafrika vorkommt 
und nur für Rinder pathogen ist. Prof6. 

Günther u. Weber. Ein Fall von Trypano¬ 
somenkrankheit beim Menschen. 
Münch, med. Wochenschr. 1904. No. 24. 

Verff. beschreiben eingehend einen Fall von 


3. Jahrgang. 


frypanosomenkrankheit beim Menschen. Erschei¬ 
nungen waren: Chronischer Verlauf mit unregel¬ 
mässig wiederkehrenden Fieberanfällen, Kräfteab¬ 
nahme, Verminderung des Blutfarbstoffs, Oedeme, 
Hautaffektion, Milz- und Leberschwellung, Puls¬ 
beschleunigung und Atemnot. In Fieberanfällen 
waren die Trypanosomen im peripheren Blute nach¬ 
weisbar. Es gelang die erfolgreiche Uebertragung 
der Trypanosomen auf Ratten und Affen (Macacus 
rhesus). Profe. 

Widakowich. Ueber Nematoden an der 
hypophy sis cerebri von Felis Do¬ 
rn es tica. Ctrlbl. f. Bakt. etc., 1 Abt. Orig.. 
Bd. 38, Heft 4. 

Verf. fand bei Durchsicht einer Schnittserie 
durch die Hypophysis cerebri einer ausgewachsenen 
Hauskatze in dem gewucherten umgebenden Binde¬ 
gewebe zahlreiche Querschnitte durch Wurmleiber. 
Die Art des Parasiten konnte leider nicht näher 
bestimmt werden; sicher handelte es sich um einen 
getrenntgeschlechtlichen Nematoden. Ausserdem 
fanden sich hier reife Eier von ca. 50 p Durch¬ 
messer. Profe. 

RexJlius. Gastruslarven als Todesur¬ 
sache bei einem Pferde. Zeitschr. für 
Veterinärkde. 17. Jahrg. Heft. 

Verf. fand Gelegenheit, die Sektion eines Pferdes 
vorzunehmen, bei welchem sehr grosse Mengen 
Gastruslarven in Magen und Duodenum vorgefunden 
wurden. Sie hatten hier eine chronische inxlurie- 
1 rende Entzündung hervorgerufen. Durch die all¬ 
mählich zunehmende Schrumpfung der genannten 
Teile des Intestinaltraktus wurde die Futterauf- 
nahme und Verwertung behindert, der Ernährungs¬ 
zustand ging erheblich zurück, so dass schliess¬ 
lich der Tod infolge Entkräftung eintrat. 

Profö. 


Bücheranzeigen. 

H u t y r a und Marek, Spezielle Pathologie und 
Therapie der Haustiere. I Band. Jena. Verlag von 
Gustav Fischer. 1905. 

C o p p e r, Der Uebergang bestimmter Stoffe von 
der Mutter in das Fruchtwasser. Inaug.-Diss. 1905. 

Deutscher Veterinär -Kalender für 
das Jahr 1905—1 9 0 6. Von Prof. Schmalz. 

Veterinär-Kalender für das Jahr 
19 0b. Von Korpsstabsveterinär König. 

Besprechung Vorbehalten. 


Einsendung von Original - Abhandlungen, 
Büchern, Monographien und Separat-Abdrücken 
wird direkt an den Redakteur, Kreistierarzt Dr. 
O. Profd,Cöln a. Rh., Hansaring 50, oder an die 
Verlagshandlung Louis Marcus, Berlin SW., 
Tempelhofer Ufer 7, erbeten. 


Für d. Redaktion verantwort!. Kreistierarzt Dr. O. Profö, Cöln a. Rh., Hansaring 50. Druck von Pass & Garleb G.m.b.H., Berlin W.35. 
Verlag und Eigentum: Louis Marcus Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 61. 


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Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 

3. JAHRGANG. NOVEMBER 1905. HEFT 8. 


Bericht vom VIII. internationalen 
tierärztlichen Kongress. 

(Fortsetzung.) 

In der für den Nachmittag des zweiten 
Verhandlungstages festgesetzten Beratung der 
Sektion für Pathologie wurde über das Thema: 
Die Art der Infektion bei der Tuberkulose 
der Haustiere verhandelt. 

Als erster referierte hierüber Dr. Lorenz 
(Darmstadt). Er bemerkte, dass dieser Gegen¬ 
stand ihm eigentlich etwas zu fern liegt, um 
ihm in der Ausführlichkeit gerecht zu werden, 
die seiner Bedeutung zukommt, er wolle sich 
daher vorwiegend auf das tatsächlich Fest¬ 
stehende aus den zahlreichen zum Gegenstände 
des Vortrags veröffentlichten Arbeiten be¬ 
schränken. Die erste Entstehung der Tuber¬ 
kulose beim Menschen und bei Tieren lässt sich, 
wie die übrigen Infektionskrankheiten, darauf 
zurückführen, dass saprophytisch lebende Bak¬ 
terien sich allmählich an ein parasitisches Vege¬ 
tieren angepasst haben. Diese Annahme, welche 
sich auf die von Darwin aufgestellte Lehre 
von der Anpassung gründet, findet, was die 
Tuberkelbacillen angeht, in den Ergebnissen 
neuerer Forschungen, insbesondere derjenigen 
von Möller, eine Stütze, der auch ausserhalb 
des Körpers der Warmblüter säurefeste, den 
Tuberkelbacillen ähnliche Bakterien gefun¬ 
den hat. 

Als Hauptträger der Haustier tuberkulöse 
ist zurzeit das Rind anzusehen. Dass die Tuber¬ 
kulose unter den Rinderbeständen an Aus¬ 
breitung gewonnen hat, steht für diejenigen 
Tierärzte fest, die diese Krankheit in den Be¬ 
ständen eine geraume Zeit hindurch zu beob¬ 
achten Gelegenheit hatten. Die Verbreitung 
der Tuberkulose erfolgt durch Tiere mit den 
als offene Tuberkulose bezeichneten Krank¬ 
heitsformen. Als Vehikel für die Uebertragung 
der Tuberkelkeime von Rind zu Rind dienen 
ausschliesslich die Ausscheidungen des infizier¬ 
ten Körpers, wie Kot, Urin, Maul- und Nasen¬ 
ausfluss, Wundeiter, Absonderung der Schleim¬ 


häute und der Geschlechtsorgane, ganz beson¬ 
ders aber die Milch. Für die Beurteilung der 
Infektion ist am wichtigsten die Frage: wie 
gelangen die von einem tuberkulösen Tiere aus- 
geschiedenen Tuberkelbacillen in andere Tiere, 
und wie erzeugen sie bei diesen wieder Tuber- 
kulose? Was die Inhalationstuberkulose an¬ 
geht, so kommt die nach Cornet für den 
Menschen häufigste Infektionsart durch das 
eingetrocknete, zerstäubte tuberkelbacillen¬ 
haltige Sputum beim Rinde nicht in Frage. 
Wenn auch anstatt des Sputums in den Rinder¬ 
stallungen tuberkelbacillenhaltiger Kot, Urin, 
Maulspeichel trocknen können, so ist in den 
Ställen die Luft meist eine so feuchte, dass es 
hier kaum zur Verstäubung dieser Ausschei¬ 
dungen kommen wird. Mehr für sich hat für 
Rinder die Flüggesche Tröpfeheninhalation, 
nach welcher die Tiere sich gegenseitig an¬ 
husten und so Tuberkulosekeime in die 
Atmungseingänge der neben ihnen, besonders 
aber der ihnen gegenüberstehenden Tiere über¬ 
tragen. Gegen die Richtigkeit dieser Annahme 
lassen sich gewichtige Gründe nicht anführen. 
Anders verhält es sich mit der Frage, ob die 
auf diese Weise in die Respirationsorgane ge¬ 
langten Tuberkelkeime direkt eine Lungen¬ 
tuberkulose erzeugen können. Im allgemeinen 
kann angenommen werden, dass die aerogene 
Entstehung der Lungentuberkulose, für welche 
einwandsfreie positive Versuchsergebnisse nir¬ 
gends verzeichnet sind, nidht die Hauptrolle bei 
der Entstehung der Tuberkulose spielt, während 
für die Einwanderung der Tuberkelbacillen auf 
lymphogenem und hämatogenem Wege von 
den oberen Luftwegen aus eine grosse Zahl von 
Versuchergebnissen und Beobachtungen spricht. 
Dass durch Verfütterung tuberkelbacillen¬ 
haltigen Materials Tuberkulose entstehen kann, 
steht fest, jedoch ist auch hierfür der 
genauere Infektionsmodus nicht bekannt. Nach 
v. Behring gelten als erwiesene Eintrittspforten 
der Tuberkelbacillen in den Körper hauptsäch¬ 
lich nur Mund- und Naseneingang, von wo die 
Tuberkelbacillen auf lymphogenem und häma- 


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170 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


3. Jahrgang. 


togenem Wege in die Organe dringen. Hierbei 
sollen die Tuberkelbacillen zunächst nur eine 
Disposition zur Tuberkuloseerkrankung er¬ 
zeugen. 

Als zweiter Referent gab Bongert 
(Berlin) eine sehr eingehende Darstellung über 
die Art der Tuberkuloseinfektion, die, kurz 
wiedergegeben, etwa dahin geht: 

In der Lehre von der Entstehung der 
Tuberkulose hat die Heredität von jeher eine 
grosse Rolle gespielt. Die alte Lehre von der 
Vererbbarkeit der Tuberkulose geriet mit der 
Erkenntnis ihrer wahren Natur ins Wanken, 
und durch Kochs Entdeckung wurde der exakte 
Beweis geliefert, dass die Tuberkulose eine reine 
Infektionskrankheit ist. Die Seltenheit der 
Tuberkulose im jugendlichen Alter, die Zu¬ 
nahme im höheren, das Experiment der Ueber- 
tragbarkeit und die Beobachtung der Infektion 
sind als Beweise der extrauterinen Ueber- 
tragung aufzufassen. Für die Vererbung der 
Krankheitskeime — nur um solche kann es sich 
hier handeln — sind zwei Möglichkeiten denk¬ 
bar, einmal auf germinativem Wege durch das 
infizierte Ei oder den Samen, und zweitens 
auf plazentarem Wege, indem die Tuberkulose¬ 
keime auf dem Wege der Blutbahn durch die 
Plazenta dem Fötus zugeführt werden. 

Eine wirkliche germinative Vererbung der 
Tuberkulose von seiten einer tuberkulösen 
Mutter oder eines tuberkulösen Vaters ist weder 
durch den Versuch noch durch die Beobachtung 
bewiesen. Für die Frage der Heredität kommt 
somit nur die plazentare Infektion in Betracht. 
In Fällen plazentarer Uebertragung der Tuber¬ 
kulose auf das Kalb liegt gewöhnlich eine Er¬ 
krankung des Uterus selbst und im Anschluss 
hieran der Plazenta vor. Beim Menschen ist 
die Zahl intrauterin erworbener Tuberkulose¬ 
fälle wesentlich geringer als beim Rinde. Es 
wird der bacillären Vererbung fast allgemein 
eine Bedeutung für die Entstehung der Tuber¬ 
kulose nicht beigemessen. Dagegen hat die An¬ 
sicht von der Erblichkeit der Disposition zur 
Tuberkulose als erhebliches ätiologisches 
Moment berufene Vertreter gefunden. Indessen 
bedingt die Abstammung von tuberkulösen 
Eltern durchaus nicht eine besondere Empfäng¬ 
lichkeit der Nachkommen für die Tuberkulose. 
Der beste Beweis hierfür ist der Erfolg der 


tuberkulosefreien Aufzucht der Kälber in stark 
tuberkulösen Rindviehbeständen nach dem 
Bangschen Verfahren. Wenn auch für die Ent¬ 
stehung der Tuberkulose des Menschen die kon¬ 
genitale Disposition, die sogenannte erbliche 
Belastung, als wichtiges Moment betrachtet 
wird, gilt für die Rindertuberkulose und ihre 
Entstehung der Tuberkelbacillus als das einzige 
ätiologische Moment (wohl kaum mit Recht. 
Der Berichterstatter.). Virulenz und Quanti¬ 
tät des einwirkenden tuberkulösen Virus, sowie 
der Ort der Invasion bedingen die grössere oder 
geringere Disposition gegenüber der tuber¬ 
kulösen Infektion. Die Gelegenheit zur In¬ 
fektion aber ist das wesentlichste Moment für 
das Zustandekommen der Tuberkuloseinfektion. 
Die Uebertragungsgefahr wird vergrössert 
durch schlechte, unhygienische Stallverhält¬ 
nisse. Die Haupteingangspforten für die 
Tuberkelbacillen bilden die Respirationsorgane 
und der Verdauungstraktus. 

An der sich hier anschliessenden Debatte 
beteiligten sich u. a. A r 1 o i n g und Bang. 
Die Referenten kamen zu den nachfolgenden 
Schlusssätzen: , 

1. Eine germinative Vererbung der Tuber¬ 
kulose von väterlicher oder mütterlicher Seite 
ist weder experimentell noch durch einwand¬ 
freie Beobachtungen bewiesen; dagegen ist das 
Vorkommen der Vererbung der Tuberkulose auf 
plazentarem Wege sicher festgestellt. Die an¬ 
geborene Tuberkulose ist bisher einwandfrei 
nur bei Rindern beobachtet worden. 

2. Die Tuberkulose wird nur in einem ge¬ 
ringen Prozentsatz bei hochgradiger Ausbrei¬ 
tung der Krankheit auf die Nachkommen ver¬ 
erbt. In den weitaus meisten Fällen wird die 
Tuberkulose extrauterin erworben. 

3. Angeborene und erworbene Disposition 
j spielen bei der Entstehung der Tuberkulose 

unter den Haustieren eine untergeordnete Rolle. 
Durch ungünstige wirtschaftliche Verhältnisse, 
welche die Körperkonstitution herabzusetzen 
geeignet sind, wird weniger eine Prädisposition 
für die Tuberkulose geschaffen, als vielmehr 
der Verlauf einer schon bestehenden tuber¬ 
kulösen Erkrankung beschleunigt. 

4. Als Eintrittspforte der Tuberkulose 
kommen hauptsächlich in Betracht die Respi- 
rations- und die Intestinalschleimhaut. Die 
Uebertragung der Tuberkulose durch die Be- 


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Heft 8 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


171 


gattung oder durch Infektion von Haut- und 
Schleimhautverletzungen sind von untergeord¬ 
neter Bedeutung. 

5. Die intestinale Infektion tritt am häufig¬ 
sten bei Kälbern und Schweinen auf, da diese 
vor allen Dingen die meiste Gelegenheit haben, 
Tuberkulose mit der Nahrung aufzunehmen. 
Auch bei den Fleischfressern und beim Ge¬ 
flügel, weniger beim Pferde, bildet dieser 
Infektionsmodus die Regel. 

6. Bei älteren Rindern erfolgt die Ueber- 
tragung der Tuberkulose hauptsächlich durch 
aerogene Infektion infolge des engen Zu¬ 
sammenlebens kranker und gesunder Tiere. 
Die Häufigkeit der isolierten tuberkulösen Er¬ 
krankung der Bronchialdrüsen und der Lungen 
bei älteren Rindern weist auf diesen Infek¬ 
tionsmodus hin. 

7. Die Lungentuberkulose entwickelt sich 
in den meisten Fällen auf hämatogenem Wege 
von den primär erkrankten Bronchialdrüsen 
oder von anderen entfernt gelegenen Primär¬ 
herden aus. 

Ueber das letzte für den zweiten Verhand¬ 
lungstag festgesetzte Thema: Milch und Mol¬ 
kereiprodukte als Verbreiter der Tuberkulose 
referierte Dr. 0. Müller (Königsberg): 
Tuberkelbacillen finden sich regelmässig in der 
Milch, die von mit Eutertuberkulose behafteten 
Kühen stammt; ob sie auch in Milch von tuber¬ 
kulösen Kühen mit gesunden Eutern Vor¬ 
kommen, ist fraglich; eine praktische Bedeu¬ 
tung ist diesen etwaigen Fällen indessen nicht 
beizumessen. Kempner und Rabinowitsch haben 
derartige Befunde angegeben und wollen so¬ 
gar Tuberkelbacillen nachgewiesen haben in 
der Milch von Tieren, die lediglich auf Tuber¬ 
kulin reagierten, ohne dass sie klinisch tuber¬ 
kulosekrank waren. Ostertag, Friis, Mc. 
Fadyean u. a. haben diese Autoren widerlegt, 
deren Arbeiten ohnehin sehr der Nachprüfung 
bedürften. Die in der Milch eutergesunder Kühe 
vorkommenden Tuberkelbacillen können nur 
von aussen durch zufällige Verunreinigung in 
die Milch gelangt sein. Referent hat in zahl¬ 
reichen Fällen Sammelmilch der Ostpreussi- 
schen Herdbuchgesellschaftsherden untersucht 
und* beim Vorhandensein von Tuberkelbacillen 
in der Milch nahezu regelmässig einzelne Tiere 
mit Eutertuberkulose in den Herden nach¬ 


weisen können. In den wenigen Fällen, wo 
sich keine euterkranken Kühe nachweisen 
Hessen, handelte es sich um zufällige »Ver¬ 
unreinigung der Milch mit Tuberkelbacillen. 
Häufig war zu beobachten, dass, obwohl zahl¬ 
reiche tuberkulöse — nicht eutertuberkulöse 
— Kühe in den Herden waren, sich keine 
Tuberkelbacillen in der Milch fanden. Mit der 
zunehmenden Verdünnung nimmt die Infek¬ 
tiosität der Milch ab. 

Dr. Rabinowitsch (Berlin) vertrat 
den oben angedeuteten Standpunkt, nach 
welchem tuberkulöse Kühe mit der Milch 
Tuberkelbacillen ausscheiden, selbst wenn das 
Euter nicht tuberkulös erkrankt ist. Es ist 
demnach auch die Milch von auf Tuberkulin 
reagierenden Kühen als infektionsfähig anzu- 
sehen, nicht nur die Milch von eutertuber¬ 
kulösen Tieren. Sie hält an dem bezeichneten 
Standpunkte fest und sucht ihn durch die Ver¬ 
suchsergebnisse anderer Autoren wie durch die 
eigenen zu belegen. 

Dr. Weber (Berlin) teilte mit, dass ein¬ 
zelne Versuche Rabinowitschs im Reichsgesund¬ 
heitsamt nachgeprüft worden sind und hierbei 
nicht bestätigt wurden. 

Bongert (Berlin) trat den Ausfüh¬ 
rungen von Rabinowitsch scharf entgegen. Er 
bezeichnet die Versuche als fehlerhaft, die Fol¬ 
gerungen als unzutreffend. Die positiven Resul¬ 
tate sind lediglich als Verunreinigungen anzu¬ 
sehen. Er schliesst sich dem Standpunkte 
Müllers an und belegt ihn eingehender an der 
Hand literarischer Ausführungen und eigener 
V ersuchsergebnisse. 


In der am selben Tage verhandelnden biolo¬ 
gischen Sektion referierte Dr. Grub er (Kiel) 
über: Die Milch und deren Behandlung mit 
besonderer Rücksicht auf die Reform des Mel¬ 
kens, entsprechend den hygienischen Anforde¬ 
rungen. Den Ausführungen des Referenten sei 
nur folgendes entnommen: 

Erst den letzten Jahrzehnten sollte es Vor¬ 
behalten sein, die bis dahin vernachlässigte 
Milchwirtschaft in neue Bahnen zu lenken. 
Eine grosse Umwälzung auf milchwirtschaft¬ 
lichem Gebiete veranlasste die Einführung der 
Milchschleuder oder Zentrifuge. Einmal hat 
die ausgiebigere Entrahmung die Butteraus¬ 
beute gefördert, zum anderen aber Hegt in dem 


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172 


Forts cli ritte der Veterinär -Hygiene. 


3 Jahrgang. 


Zentrifugieren ein bedeutender hygienischer 
Vorteil, da alle mechanischen Fremdstoffe aus¬ 
geschleudert werden. In der genossenschaft¬ 
lichen Milchverwertung errangen die Chemie, 
insbesondere für die Fettbestimmung, und die 
Bakteriologie für die Erkenntnis der schäd¬ 
lichen und der der Milch nützlichen Bakterien 
grossen Einfluss. 

Das Hauptprinzip für die Erzeugung und 
Behandlung der gewonnenen Milch ist die Rein- 
lichkeit. In erster Linie gehört hierher eine 
sorgfältig durchgeführte Stallhygiene. Die 
Fütterung darf grundsätzlich niemals kurz vor 
dem Beginn des Melkens oder gar während des¬ 
selben erfolgen, um die an den Futtermitteln 
haftenden Bakterien von der Milch tunlichst 
fernzuhalten. Eine besondere Sorgfalt ist auf 
das Melkpersonal zu verwenden. Vor dem 
Melken muss das Euter mit einem feuchten 
Leinentuch abgewischt werden, die ersten drei 
bis vier Melkstriche sind nicht in das Melk- 
gefass zu richten. Das gewonnene Gemelke ist 
sofort aus dem Stall zu entfernen und zum 
Zwecke des Durchseihens in einen besonderen 
Raum zu bringen. Danach ist die Milch abzu¬ 
kühlen und bis zum Verbrauch möglichst kühl 
aufzubewahren. 

An die Ausführungen schloss sich eine 
kurze Diskussion, welche zu folgenden Kon- 
gressbeschlüssen führte: 

1. Es ist notwendig, dass die Milchhygiene 
mit einem praktischen Kursus über Milchbakte¬ 
riologie und polizeiliche Milchkontrolle als 
Fach in den Lehrplan der tierärztlichen Hoch¬ 
schulen aufgenommen wird. 

2. Es ist streng darauf zu achten, dass 
Bezeichnungen, wie tuberkulosefreie Milch, 
Kindermilch, hygienische Milch usw., nicht zu 
Reklamezwecken benützt werden, und dass die 
Gewinnung solcher Milchsorten an bestimmte 
Forderungen geknüpft wird. (Dauernde Ueber- 
wachung des Gesundheitszustandes, der Fütte¬ 
rung und Haltung der Tiere, saubere Ge¬ 
winnung der Milch und sofortige Kühlung der¬ 
selben nach dem Melken.) 

3. In den polizeilichen Verordnungen über 
Milchkontrolle ist zu verlangen, dass jegliche 
zum Verkauf gelangende Milch keinen Schmutz 
enthält. Zur praktischen Kontrolle empfiehlt 
sich hierbei, die zu untersuchende Milch in 
eine Literflasche aus hellem Glase zu giessen. 


Nach dreistündigem Stehen darf sich hier kein 
Bodensatz zeigen. 

Ueber den zweiten Gegenstand der Tages¬ 
ordnung: Nährwert der abgerahmten Milch für 
Mast- und Jungvieh, referierten Ozelko 
(Ovar) und Hagemann (Bonn). 

Ersterer führt aus, dass man in jedem Falle 
bei gleichem Geldaufwande mit der Verfütte- 
rung von Magermilch bei allen unseren Haus¬ 
tieren, namentlich jungen, noch wachsenden 
Aufzuchttieren, weiter kommt, als ohne die 
Magermilch; insbesondere dürfte dieselbe für 
die Kälberaufzucht von hervorragendem Werte 
sein. Findet man ein passendes und billiges 
Beifutter, dann muss sie sich auch in jedem 
Falle bei der Schweinemastung mindestens so 
gut bezahlt machen, wie sie für gewöhnlich be¬ 
wertet wird. Nur mit abgerahmter Milch lässt 
sich die Mästung nicht mit gutem Erfolg durch¬ 
führen. Angezeigt ist es, den Mastschweinen 
ausser Magermilch gesottene Kartoffeln, 
Gerste, Mais, Weizen, Buchweizen, Hirse, Reis¬ 
mehl und dergleichen zu verabreichen, die Kar¬ 
toffel hingegen durch Rüben, Kürbisse, zer- 
stückte Rüben etc. zu ersetzen, wogegen eiweiss¬ 
reiches Futter, wie zum Beispiel Hülsenfrüchte, 
Oelkuchen etc., zu vermeiden ist, weil sonst 
bei der Fleischbildung das Milohalbumin nicht 
gehörig zur Geltung gelangen könnte. 

Von den ausführlichen Mitteilungen 
Hagemanns seien folgende wiedergegeben: 
Die Milch der Säugetiere ist diejenige Nah¬ 
rung, unter deren Aufnahme die Neugeborenen 
nicht nur wachsen, sondern stärkere© und inten¬ 
siveres Wachstum zeigen als je im späteren 
Leben. Die Milch enthält alle für das Gedeihen 
der Säugetiere erforderlichen Nährstoffe in 
einem Mischungsverhältnis, welches für die 
Nutzbarmachung im Körper am günstigsten ist, 
und zwar in leicht assimilierbarer Form. Be¬ 
merkenswert ist, dass in der Milch das Eisen 
zu fehlen scheint. Das junge Tier muss also 
von dem in ihm während der Embryonalzeit 
deponierten Eisenvorrat so lange zehren, bis 
es mit Fleisch- oder Pflanzennahrung Eisen auf¬ 
nehmen und assimilieren kann. 

Die Kuhmilch wird nur zum kleinsten 
Teile zur Aufzucht der jungen Kälber, zum 
weitaus grössten Teile zur Herstellung der 
Butter benutzt. Die hierbei als Nebenprodukt 


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Heft 8. 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


173 


gewonnene Magermilch ist ein sehr wertvolles ! 
und wohlfeiles Nahrungsmittel. Die Mager- | 
milch enthält im Mittel 10,0 °/o (Vollmilch 
12,0 o/o) Trockensubstanz, 3,5 o/ 0 (3,2 o/o) Ei- 
weiss, 0,7 o/o (3,6 °/o) Fett, 5,0 o/ 0 (4,5 o/ 0 ) Zucker 
und 0,8 o/o (0,7 °/o) anorganische Salze. Der 
Prozess des Entrahmens nimmt also der Milch 
in der Hauptsache Fett und daneben nur eine 
ganz geringe Menge Eiweiss. Die entrahmte 
Milch bildet insofern ein höchst wertvolles 
Nahrungsmittel besonders für wachsendes Jung¬ 
vieh, weil sie reichlich anorganische Salze in 
organischer, also leicht assimilierbarer Bindung 
enthält. Gerade die Mineralsubstanzen in der 
Magermilch machen sie zu einem wertvollen 
Nahrungsmittel für Jungvieh, um so mehr, als 
man andere Nahrungs- und Futtermittel vor¬ 
züglich mit der Magermilch mischen und zu 
einer bequem aufzunehmenden Nahrung machen 
kann. Ob die anorganischen Salze ebenso gut 
assimilierbar sind, wenn die Milch sauer, 
pasteurisiert oder gekocht ist, ist fraglich. Die 
bei menschlichen Säuglingen gemachten Erfah¬ 
rungen sprechen dafür, dass die Assimilation 
des Kaseins und der anorganischen Substanzen 
wesentlich erschwert ist. • » 

Ueber die Verwertung sind zahlreiche 
praktische und wissenschaftliche Versuche an¬ 
gestellt, die ergeben haben, dass bei Schweinen 
die saure Milch einen günstigen Einfluss auf 
die Verdaulichkeit von Erbsen, Mais, Gerste 
und Kartoffeln ausübt; namentlich werden 
Eiweisskörper und Fett besser ausgenützt, 
ferner, dass die kombinierte Fütterung von 
Magermilch und Getreide am vorteilhaftesten 
ist. Bei der Aufzucht und Mästung der Kälber , 
wird die Magermilch mit noch besserem Er¬ 
gebnis verwertet als bei der Schweinefütterung. 
Es ist dies auch durchaus verständlich, da die 
Bestandteile der Kuhmilch die natürlichen Be¬ 
standteile für den Körperaufbau des Kalbes 
bilden und der Verdauungstraktus wie der 
gesamte Assimilierungsapparat beim Kalbe 
darauf eingerichtet ist, die Kuhmilch höchst 
günstig auszunützen, was beim Schweine jeden¬ 
falls nicht in gleichem Masse der Fall ist, 
Ferner ist zu berücksichtigen, dass die jungen 
Kälber rasch wachsen und auch relativ teuer 
bezahlt werden, was die Verwertung der Mager¬ 
milch bei Schweinen ebenfalls ungünstiger er¬ 
scheinen lässt. 


Es ist als feststehend anzusehen, dass man 
bei gleichem Kostenaufwände mit der Ver¬ 
bitterung von Magermilch bei den Haustieren, 
namentlich jungen, noch wachsenden Aufzucht¬ 
tieren, weiter kommt als ohne Magermilch; ins¬ 
besondere ist diese für die Kälberaufzucht von 
hervorragendem Werte. 

Ueber den letzten auf der Tagesord¬ 
nung befindlichen Gegenstand: Verfälschung 
des Fleisches und der Fleischprodukte und 
die zu deren Nachweis dienenden neueren 
Untersuchungsmethoden lagen Referate vor 
von K j er ru 1 f (Stockholm), Jaoobsen 
(Christiania) und Märtel (Paris). 

Der letztgenannte Referent gibt etwa fol¬ 
gende Darstellung: Die Verfälschungen des 
Fleisches können eingeteilt werden in folgende: 
Benutzung natürlicher oder künstlicher Farb¬ 
stoffe, antiseptischer Stoffe, minderwertiger 
Nährstoffe, verdorbener Ware, Fleisches von 
kranken Tieren, Inverkehrbringen von Pferde-, 
Hunde- oder Katzenfleisch an Stelle von wert¬ 
volleren Fleisch arten. Zum Nachweis der 
zuletzt angeführten Verfälschung ist dem bio¬ 
chemischen Verfahren mittelst präzipitierender 
Sera die grösste Bedeutung beizumessen. 

K j e r r u 1 f weist nach einem kurzen 
geschichtlichen Rückblick auf die Fleischver¬ 
fälschungen darauf hin, dass die seit langer 
Zeit am häufigsten vorgenommene Verfäl¬ 
schung jedenfalls die, Pferdefleisch statt Rind¬ 
fleisch zu verarbeiten, gewesen ist. Da es in¬ 
dessen noch bis vor wenigen Jahren unmöglich 
war, eine Verfälschung der bezeichneten Art 
nachzuweisen, so sind allgemein auch erst in 
letzter Zeit, nachdem ein solcher Nachweis in 
genügend sicherer Weise möglich geworden ist, 
gesetzliche Verbote gegen die Verarbeitung 
minderwertiger Fleischarten an Stelle wert¬ 
vollerer erlassen worden. 

Das Feilbieten von Pferdefleisch anstatt 
Rindfleisch in grösseren Stücken dürfte nur 
ausnahmsweise Vorkommen, da beide Fleisch¬ 
arten durch die Farbe, Beschaffenheit des 
Fleisches und des Fettes auch von Laien 
ohne Schwierigkeit zu unterscheiden sind. 
Schwieriger gestaltet sich die Unterscheidung 
und Erkennung des mit gewissen Chemikalien, 
z. B. Natriumsulfat, behandelten Pferde¬ 
fleisches, das hierbei eine derartig frisch- oder 


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174 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


3. Jahrgang. 


hellrote Farbe annimmt, dass es im Aussehen 
dem Rindfleische sehr ähnlich wird. Dagegen 
kommen Verfälschungen von Fleischwaren — 
wie Hackfleisch und Wurstwaren durch 
Verarbeitung minderwertigen Fleisches relativ 
häufig vor. 

Eine brauchbare Methode, derartige Ver¬ 
fälschungen nachzuweisen, wurde zuerst von 
Niebel entdeckt, welcher zeigte, dass das Gly¬ 
kogen im Pferdefleische in grossen Mengen ent¬ 
halten sei, und zwar derart, dass die kleinsten 
Mengen im Pferdefleische die grössten in 
anderen Fleischarten enthaltenen erheblich 
übertreffen. Niebel hat auch darauf die Auf¬ 
merksamkeit gelenkt, dass zu Verfälschungen 
der Wurst nicht selten das Fleisch von un¬ 
geborenen oder neugeborenen Kälbern verwertet 
wird. Da dieses Fleisch ebenfalls einen hohen 
Glykogengehalt besitzt, so entsteht hiermit 
wiederum eine Schwierigkeit für die Beurtei¬ 
lung. Für die erste diagnostische Untersuchung 
verdächtiger Fleischwaren genügt die von Bräu¬ 
tigam und Edelmann vorgeschlagene Methode, 
das Glykogen mit Jod nachzu weisen. 

Ein spezielles Interesse gebührt der vor 
kurzem entdeckten Erscheinung der Eiweiss¬ 
präzipitation und der hierauf sich begründen¬ 
den, von Wassermann, Schütze, Uhlenhut u. a. 
ausgebauten Methode, welche darin besteht, 
dass sich bei Kaninchen, welche mit dem Blut 
oder Muskelsaft einer bestimmten Tierart ge¬ 
spritzt werden, ein spezifisches Antiserum 
bildet, welches mit dem Serum jener Tierart 
einen Niederschlag gibt. Es handelt sich hier¬ 
bei um eine spezifische Eiweissreaktion, und 
man kann mit jedem animales Eiweiss enthal¬ 
tenden Stoffe ein präzipitierendes Serum her- 
stellen. Mit dieser biologischen Methode ist 
das Vorhandensein von frischem wie faulem, 
gesalzenem wie geräuchertem — aber nicht 
von gekochtem — Pferdefleisch sicher nach¬ 
weisbar. Im Anschluss an diese Ausführungen 
wurde von der Sektion folgender Beschluss 
gefasst: 

Der Kongress spricht aus: dass nur die als 
unschädlich anerkannten Mittel, wie Salz, Sal¬ 
peter und Zucker, sowie das Räuchern zur Kon¬ 
servierung von Fleisch und Fleischwaren ver¬ 
wendet werden dürfen. Alle anderen Stoffe, 
welche absichtlich hinzugesetzt werden, um das 
betreffende Nahrungsmittel zu konservieren 


oder zu färben, sind zu verbieten; erstens weil 
diese mit betrügerischer Absicht benützt werden 
können, um der Ware ein besseres Aussehen 
zu verleihen, als ihr nach ihrer Natur gebührt; 
zweitens weil man keine Sicherheit hat, 
dass diese nicht gesundheitsschädlich wirken 
könnten. 

Am dritten Verhandlungstage stand auf 
der Tagesordnung der Sektion für Veterinär- 
Polizei das Thema: Die Bekämpfung der 
Tuberkulose der Haustiere. 

Das Hauptreferat erstattete Bang(Kopen- 
hagen). Er schlug dem Kongress vor, die von 
Siedamgrotzky und ihm formulierten, dem 
siebenten internationalen Kongress in Baden- 
Baden unterbreiteten Beschlüsse über die vor¬ 
liegende Frage aufrecht zu erhalten. Sie 
lauteten: 

1. Die Bekämpfung der Tuberkulose ist 
dringend notwendig. 

2. Die Tilgung der Tuberkulose der Rinder 
seitens der Besitzer (freiwillige Tilgung) ist 
durchführbar und allgemein anzustreben. Sie 
erfordert möglichst frühzeitige Abschlachtung 
der gefährlich tuberkulösen Tiere sowie sorg¬ 
fältige Verhütung der Ansteckung der Kälber 
und der gesunden übrigen Viehstücke. Die frei¬ 
willige Tilgung der Rindertuberkulose ist 
staatlich durch Verbreitung richtiger Anschau¬ 
ungen über die Natur der Tuberkulose, über 
deren Ansteckungswege und über die Bedeu¬ 
tung der Tuberkulinprobe anzuregen und durch 
Gewährung von Staatsmitteln zu unterstützen. 
Bei der Bekämpfung der Tuberkulose der Haus¬ 
tiere empfiehlt es sich, das Tuberkulin als das 
beste bis jetzt bekannte diagnostische Mittel zu 
verwenden. Die Tuberkulinabgabe ist staat¬ 
lich zu kontrollieren. Jedenfalls darf Tuber¬ 
kulin nur an Tierärzte abgegeben werden. 

3. Eine staatliche Bekämpfung der Tuber¬ 
kulose der Rinder ist durchaus empfehlenswert. 
Sie ist, wenn mit einer gewissen Vorsicht ange¬ 
wendet, durchführbar und wird die weitere 
Zunahme der Seuche verhindern und eine all¬ 
mähliche Eindämmung derselben herbeiführen. 

Die Bekämpfung erfordert: a) die Ver¬ 
pflichtung des Tierarztes, von jedem in der 
Ausübung seines Berufes festgestellten Tuber- 
kulosefalle Anzeige zu erstatten; 

b) die baldmöglichste Beseitigung der ge¬ 
fährlich tuberkulösen Tiere (namentlich der 


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Heft 8. 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


175 


mit Euter-, Gebärmutter-, Darmtuberkulose, 
sowie der mit Lungentuberkulose behafteten) 
gegen Entschädigung unter Beihilfe von Staats¬ 
mitteln und das Verbot der Rückgabe der 
Magermilch aus Sammelmolkereien in unsterili- 
siertem Zustande. 

Der Referent führte aus, dass in den seit 
dem Badener Kongress verflossenen sechs 
Jahren neue Gesichtspunkte, die geeignet 
wären, die erwähnten Beschlüsse wesentlich ab¬ 
zuändern, nicht auf getaucht sind. Weder die 
Kochschen Anschauungen von der Dualität der 
menschlichen • und der Rindertuberkulose noch 
die von Behring eingeführte Methode der 
Immunisierung der Rinder gegen die Tuber¬ 
kulose vermögen hieran etwas zu ändern. 

Die nach dem Londoner Kongress vor¬ 
genommenen zahlreichen Untersuchungen haben 
mit Sicherheit zu dem Schlüsse geführt, dass 
die Behauptung Kochs von der Unschädlichkeit 
der Rindertuberkulose für den Menschen nicht 
aufrecht zu erhalten ist. Ob v. Behring im¬ 
stande ist, Kälbern eine dauernde Un¬ 
empfänglichkeit für Tuberkulose zu verleihen, 
ist erst nach jahrzehntelangen Beobachtungen 
zu entscheiden; solange aber kann der übrigen 
erfolgreichen Methoden zur Tuberkulose¬ 
bekämpfung bei Rindern nicht entraten werden. 

Das vom Referenten angegebene Verfahren 
zur Bekämpfung der Tuberkulose wird seit 
etwa zehn Jahren in Dänemark, Norwegen und 
Schweden mit gutem Erfolge zur Anwendung 
gebracht. Von einigen Seiten hervorgehobene 
Misserfolge sind lediglich auf die mit der Zeit 
lässiger gehandhabten Massnahmen zurückzu¬ 
führen. Das von Ostertag eingeführte Til¬ 
gungsverfahren deckt sich zum grossen Teil mit 
dem Bangschen. Es unterscheidet sich in dem 
einen Punkte wesentlich von diesem, dass die 
Jungrinder wieder in die immerhin noch ver¬ 
seuchten Bestände eingestellt werden, während 
Bang die dauernde Isolation für unerlässlich 
hält. Den namentlich von deutscher Seite er¬ 
hobenen Einwand, dass das Bangsche Verfahren 
erhebliche Kosten verursache, kann Referent 
nicht anerkennen; insbesondere können die 
durch sein Verfahren erforderten Stalleinrich¬ 
tungen nicht als ausserordentliche Aufwen¬ 
dungen gelten, da sie allgemein bauliche Ver¬ 
besserungen darstellen, die dem ganzen Wirt¬ 
schaftsbetrieb zugute kommen. 


Was die Bedeutung der Tuberkulinproben 
für den Kampf gegen die Rindertuberkulose 
angeht, auf welche Ostertag bei seinem Ver¬ 
fahren verzichten zu können meint, so darf 
man nicht vergessen, dass gerade die Tuber¬ 
kulinanwendung das Verständnis für die Krank¬ 
heit, ihre Verbreitung, ihren Verlauf und ihre 
Anstcckungswege in hohem Masse erweitert und 
vertieft hat. Den Feind, den man bekämpfen 
will, muss man vorerst genau kennen lernen. 

Stubbe (Brüssel) bemerkte, dass das 
Bangsche Verfahren in Belgien staatlicherseits 
eingeführt ist und dass es sich dort bestens 
bewährt hat, was auch daraus ersichtlich ist, 
dass die Zahl der Absehlaohtungen von tuber¬ 
kulösen Tieren seit der Einführung ganz er¬ 
heblich abgenommen hat. Als sehr erschwerend 
für die Durchführung des Tilgungsverfahrens 
bezeichnet Redner den fortwährenden Wechsel 
der Tiere in den dem Tilgungsverfahren unter¬ 
worfenen Beständen während der Dauer der 
Tilgung; eine Erscheinung, die sich indessen 
aus Wirtschaft liehen Gründen nicht vermeiden 
lässt. 

Kern hob besonders die Bedeutung der 
Milch für die Verbreitung der Tuberkulose 
hervor und verlangt Deklarierung der Milch 
von Tieren, die auf Tuberkulin nicht reagierten. 

Müller (Königsberg) erkennt die Vor¬ 
züge des Bangschen Verfahrens gegenüber dem 
Ostertagschen an. Das erstere ist in Ostpreussen 
nicht durchführbar (Redner gab aber die 
Gründe hierfür nicht an), deshalb ist es not¬ 
wendig, zu einem anderen, wenn auch weniger 
guten, zu greifen. Dass das Ostertagsche Ver¬ 
fahren der Tuberkulosebekämpfung nicht emp¬ 
fehlenswert sei, trifft nicht zu; es hat in Ost; 
preussen gute, den Erwartungen entsprechende 
Erfolge gezeitigt. Es soll auch nicht, wie das 
Bangsche, ein Tilgungsverfahren, sondern eine 
Bekämpfungsmethode sein. Es ist die Haupt¬ 
aufgabe hierbei neben der tuberkulosefreien 
Aufzucht, die mit offenen Tuberkuloseformen 
und daher für die Verbreitung der Tuberkulose 
gefährlichen Tiere möglichst schnell aus den 
Beständen zu entfernen, was durch sorgfäl¬ 
tigste klinische Untersuchung spezialistisch 
geschulter Kräfte sehr wohl zu erreichen ist. 
Besonders sei die so gefährliche Eutertuber¬ 
kulose durch die regelmässig vorgenommenen 
Milchuntersuchungen mit nahezu absoluter 


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Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


3. Jahrgang. 


Sicherheit auszumerzen. Nach einer vierjähri¬ 
gen Erfahrung hat der Prozentsatz der klinisch 
erkennbaren Tuberkulose in den Beständen der 
Ostpreussischen Herdbuch-Gesellschaft erheb¬ 
lich abgenommen. 

v. Puttlitz verteidigte das Ostertagsche 
Bekämpfungsverfahren und hebt die Verdienste 
Ostertags um die deutsche Landwirtschaft 
hervor. 

De J o ng (Leyden) stellte zunächst die 
Frage auf, ob man sich im Hinblick auf die 
menschliche Gesundheit vor der Haustier tuber¬ 
kulöse zu hüten hat oder nicht. Redner erklärte 
auf Grund langjähriger Untersuchungen, dass 
die Rindertuberkulose als unbedingt gefährlich 
für die menschliche Gesundheit zu betrachten 
ist und dass der Tuberkulosebacillus der Rinder 
kein anderer ist, als jener der Menschen, obwohl 
Virulenzunterschiede bestehen können. Die 
Rindertuberkulose ist somit als dem Menschen 
gefährlich zu betrachten. Nicht nur Milch und 
Fleisch der tuberkulösen Tiere, sondern auch 
die Atmosphäre, welche Rinder-Tuberkel- 
bacillen enthält, kann dem Menschen nach¬ 
teilig werden. Die Rindertuberkulose erfordert 
also nicht nur vom landwirtschaftlichen, 
sondern auch vom hygienischen Standpunkte 
Bekämpfung und Eindämmung. Erwägt man 
all dies, so kommt man zu der Schlussfolge¬ 
rung, dass die Bekämpfung der Haustier¬ 
tuberkulose, zunächst was die gefährlichen 
Tiere betrifft, nicht der freiwilligen Initiative 
der Züchter zu überlassen ist. Wo die mensch¬ 
liche Gesundheit mitzusprechen hat, da ist die 
freiwillige Bekämpfung nicht ausreichend, auch 
wenn dieselbe mit Staatshilfe erfolgt. Hier 
hat, wenn überhaupt möglich, Staatszwang ein¬ 
zugreifen, und dagegen können auch vom land¬ 
wirtschaftlichen Standpunkte um so weniger 
Beschwerden erhoben werden, als durch die 
freiwillige Bekämpfung, selbst mit energischer 
Staatshilfe, den landwirtschaftlichen Interessen 
nur langsam und nicht im allgemeinen Sinne 
gedient werden kann. Referent schloss sich im 
übrigen den Bangschen Ausführungen an. Er 
erkennt die Vorzüge des allerdings sich nicht 
auf neue Ansichten stützenden sogenannten 
Ostertagschen Verfahrens an, das aber, für die 
speziell preussischen Wirtschaftsverhältnisse 
zugeschnitten, als international anwendbares 
System nicht gelten kann. Demgegenüber ist 


die Bangsche Methode für eine allgemein anzu¬ 
strebende internationale Tilgung der Tuber¬ 
kulose durchaus empfehlenswert, und es ist 
merkwürdig, dass diese als praktisches Ver¬ 
fahren von sachverständiger Seite bisher keine 
Anerkennung gefunden hat. Für die staat- 
licherseits vorzunehmende Tilgung der Tuber¬ 
kulose ist erforderlich die Anzeigepflicht für 
die gefährlich kranken Tiere und baldige Ab¬ 
schlachtung derselben, für die private Tilgung 
die tuberkulosefreie Nachzucht. 

Ujhelyi (M.-Ovar) führte als Referent 
aus, dass die Tuberkulose unter den Beständen 
Ungarns zugenommen hat infolge der inten¬ 
siveren Gestaltung der wirtschaftlichen Ver¬ 
hältnisse. Die somit erforderliche Tilgung ist 
nach dem Bangschen Verfahren in Angriff 
genommen werden. Sie hat sehr gute Erfolge 
gehabt, obwohl in Anbetracht der besonderen 
Verhältnisse die künstliche Aufzucht der 
Kälber mit strenger Durchführung der Isolie¬ 
rung des Jungviehs nicht durchzusetzen war. 
Man beschränkte sich darauf, die Kälber bei 
den nicht reagierenden Tieren saugen zu lassen. 
Ein Nachteil dieser Massnahme hat sich bisher 
nicht gezeigt. 

Der Präsident, Professor D a m m a n n , 
sprach dem Hauptreferenten Bang für seine 
mühevollen, aufsehenerregenden und überaus 
erfolgreichen Forschungen auf dem Gebiete der 
Tuberkulose und die lichtvolle Darstellung 
ihrer Gefahren für die Menschen den Dank des 
Kongresses aus. 

Der Kongress nahm die eingangs mit¬ 
geteilten Beschlüsse mit einer unerheblichen 
Abänderung an. 

Als zweiter Gegenstand folgte auf der 
Tagesordnung: Schutzimpfung gegen die 

Tuberkulose der Rinder. Zunächst sprach 
Römer (Marburg) über das Behringsche Ver¬ 
fahren und führte etwa folgendes aus: 

Die Notwendigkeit eines energischen 
Kampfes gegen die Tuberkulose der Rinder 
w r ird allgemein anerkannt und braucht nicht 
besonders begründet zu werden. 

Es muss ausdrücklich betont werden, dass 
trotz des von Koch auf gestellten Unterschiedes 
zwischen den menschlichen Tuberkelbacillen 
und den vom Rinde stammenden der Kampf 
gegen die Rindertuberkulose immer ein erheb¬ 
liches Interesse für die Humanmedizin bietet. 


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Heft 8. 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


177 


Die Schutzimpfung gegen die Tuberkulose 
ist entdeckt von Behring und zuerst am 
12. Dezember 1901 in Stockholm veröffentlicht 
worden. Sie unterscheidet sich von dem Schutz¬ 
impfungsverfahren Pasteurs und nähert sich 
dem Typus der Jennerschen Vakzination inso¬ 
fern, als auch hier zur Impfung ein natürlich 
abgeschwächtes Virus verwendet wird. Das für 
die Schutzimpfung benutzte Tuberkulosevirus 
ist ein ursprünglich vom Menschen stammender, 
in seiner Virulenz seit zehn Jahren unver¬ 
änderter Tuberkulosestamm. Das Verfahren 
besteht, wie bekannt, in der intravenösen Ein¬ 
verleibung dieses Kulturstammes in bestimmter 
Dosis. Die Tuberkelbacillen sind für die Zwecke 
der Praxis in Trockenform übergeführt. 

Die technische Ausführung der Schutz¬ 
impfung ist leicht und hat sich unter den ver¬ 
schiedensten Verhältnissen und in verschie¬ 
denen Ländern als durchführbar bewährt. Vor 
allem ist auch ihre Ungefährlichkeit zweifel¬ 
los erwiesen. Gerade die leichte Handhabung 
der Impfung verleiht dieser eine bedeutende 
Ueberlegenheit der Bangschen Methode gegen¬ 
über, welche in ihrer Durchführung neben der 
Kostspieligkeit auf grosse Schwierigkeiten 
stösst. i I ■ * 

Als nächster Redner sprach zu dem Gegen¬ 
stände Schütz (Berlin): Man unterscheidet 
bekanntlich als verschiedene Arten des 
Tuberkelbacillus den typus bovinus, den typus 
humanus und den Bacillus der Hühnertuber¬ 
kulose. Wenn am Tage zuvor die unterschei¬ 
denden Eigenschaften präzisiert worden sind, 
so müsse Ref. nun die gemeinsamen Merkmale 
hervorheben. Alle drei machen, in ein Organ 
gebracht, Entzündung, rufen im Organismus 
Fieber hervor und erzeugen gegenseitig wirk¬ 
same Immunität. Bereits im Jahre 1901 haben 
Koch und Schütz beobachtet, dass der typus 
humanus wenig, der typus bovinus sehr viru¬ 
lent für Kälber ist. Auf diese Beobachtung 
stützten sich alsdann die weiteren Versuche*) 
über die Immunisierung der Rinder, welche 
ergeben haben, dass es gelingt, bei Rindern 
durch eine einmalige Einspritzung von 
Tuberkelbacillen des typus humanus oder ab¬ 
geschwächter Tuberkelbacillen des typus bovi- 

*) Verg-l. Referat in diesem Heft: Koch, Schütz. Neu¬ 
feld, Mies8ner, Ueber die Immunisierung’ von Rindern gegen 
Tuberkulose, 


nus in einer bestimmten Dosis Immunität gegen 
virulente Tuberkulose der Rinder zu erzeugen. 
Das Alter dieser für die Schutzimpfung dienen¬ 
den Kulturen soll 25 bis 30 Tage betragen. Die 
Kulturen werden für die Zwecke der Impfung 
getrocknet. Die Immunität pflegt etwa drei 
Monate nach der Impfung einzutreten. 

A. Eber (Leipzig) berichtete über seine 
Versuche mit dem Behringschen Verfahren, das 
für die allgemeine praktische Anwendung gute 
Erfolge verspricht, inwieweit es den gehegten 
Erwartungen nachkommt, ist erst nach längerer 
Zeit zu entscheiden. Ueber das von Schütz 
empfohlene Verfahren und seinen Wert lässt 
sich noch nicht urteilen; indessen scheint es 
einen prinzipiellen Unterschied der Behring¬ 
schen Schutzimpfung gegenüber nicht aufzu¬ 
weisen. 

Lorenz (Darmstadt) teilte mit, dass die 
in Hessen mit dem Behringschen Verfahren an- 
gestellten Impfversuche ermutigende Resultate 
gezeigt haben. 

Loeffler (Greifswald) erhob Bedenken 
gegen die Rinderimpfung mit virulenten 
Tuberkelbacillen, wobei nicht zu vermeiden ist, 
dass letztere verstreut werden und Menschen 
infizieren können. Wenn die Impfung mit ab¬ 
geschwächten Rindertuberkelbacillen zu gleich 
guten Erfolgen führt, so sollte sie im Interesse 
der Bekämpfung der menschlichen Tuberkulose 
nur mit diesen ausgeführt werden. 

Hu ty r a (Budapest) kam durch seine Aus¬ 
führungen zu folgenden Schlüssen: 

Durch eine zweimalige intravenöse In¬ 
jektion von Kulturen des Menschentuberkel¬ 
bacillus nach v. Behrings oder einer dieser 
ähnlichen Methoden lässt sich die Widerstands¬ 
fähigkeit der Rinder gegen künstliche Tuberku¬ 
loseinfektion in sehr bedeutendem Masse er¬ 
höhen. Das Verfahren ist für gesunde Rinder 
unschädlich, und dessen Anwendung begegnet 
in der Praxis keinen Schwierigkeiten. Die 
Frage, ob und bis zu welchem Grade die auf 
diese Weise erzeugte Immunität sich auch der 
natürlichen Ansteckung gegenüber bewährt, 
lässt sich auf Grund der zurzeit vorliegenden 
Erfahrungen noch nicht entscheiden, sondern 
es sind hierzu noch jahrelang fortgesetzte 
genaue Beobachtungen der geimpften Tiere 
nötig. Ein ähnlicher Impfschutz gegenüber 
künstlicher Tuberkuloseinfektion lässt sich 


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3. Jahrgang. 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


wahrscheinlich auch durch einmalige subkutane 
Injektion von Kulturen des Menschen tuberkel- 
bacillus erzielen. 

Römer (Marburg): Wenn auch das 
Schützsche Verfahren wesentlich neue Gesichts¬ 
punkte nicht aufweist, so zeigt es doch gewisse 
Unterschiede von dem Behringschen. Wenn 
Schütz von absoluter Immunität spricht, so 
ist das nicht zutreffend; denn jede Immunität 
ist eine relative. Ob der Schützsche Impfstoff 
mehr leistet als der Marburger, bleibt abzu¬ 
warten. Die Leistung und das Verdienst 
Behrings sind so gross, dass die Verpflichtung 
besteht, erst dessen Methode zu erproben, ehe 
man zu einer anderen übergeht. 

An der weiteren Diskussion beteiligten 
sich u. a. Lignieres, Pearson, Ar- 
loing, Leclainche, Ujhelyi. 

Der folgende, von Römer unterbreitete 
Schlussantrag wurde als Kongressbeschluss an¬ 
genommen: Der achte Internationale Tierärzt¬ 
liche Kongress ersucht die hohen Staatsregie¬ 
rungen dringend, die Mittel zu ausgedehnten 
Versuchen flüssig zu machen, welche die ver¬ 
schiedenen Methoden der Immunisierung gegen 
die Tuberkulose der Rinder unter den verschie¬ 
denen Bedingungen der landwirtschaftlichen 
Praxis erproben sollen. 

Bis zur endgültigen Feststellung der 
Grenzen der Leistungsfähigkeit der Schutz¬ 
impfung ist aber die Durchführung der sani¬ 
tären, schon von Erfolg gekrönten Massnahmen 
fortdauernd als notwendig anzusehen. 

Zu dem für den Nachmittag desselben 
Verhandlungstages festgesetzten Gegenstände 
der Tagesordnung: Feststellung einheitlicher 
Grundsätze für die Beurteilung der Tuber¬ 
kulin- und Malleinreaktion, sprach als erster 
Referent A. Eb e r (Leipzig), welcher auf Grund 
seiner Ausführungen folgende Vorschläge zur 
Feststellung einheitlicher Grundsätze für die 
Beurteilung der Tuberkulinreaktionen beim 
Rinde machte : 

a) für Jungrinder bis zu 6 Monaten: 

Bei Jungrindern bis zu 6 Monaten, welche 
vor der Tuberkulineinspritzung keine 40° C 
übersteigende Körpertemperatur aufweisen, 
sind alle Erhöhungen der Körpertemperatur 
über 40° C als Reaktionen anzusehen, sofern 
die Differenz zwischen der höchsten vor der 


Injektion ermittelten und der höchsten nach der 
Injektion ermittelten Temperatur mindestens 
0,5° C beträgt. 

b) Für Rinder über 6 Monate: 

1. Nur solche Kinder sind der Tuberkulin¬ 
probe zu unterwerfen, deren Körpertemperatur 
zur Zeit der Injektion 39,5 0 C nicht übersteigt. 

2. Erhöhungen der Körpertemperatur nach 
der Tuberkulineinspritzung bis 39,5° C sind 
in jedem Falle als unverdächtig anzusehen. 

3. Bei allen Rindern, welche zur Zeit der 
Tuberkulineinspritzung keine 39,5° C über¬ 
steigende Temperaturen auf weisen, ist jede 
40° C überschreitende Erhöhung der Körper¬ 
temperatur als Reaktion aufzufassen. 

4. Ferner sind den Reaktionen noch alle 
Temperaturerhöhungen über 39,5° C bis 40° C 
zuzuzählen, bei denen die Gesamterhebung 
gegenüber der höchsten Temperatur vor der 
Injektion mindestens 1 0 C beträgt. 

5. Alle Temperaturerhöhungen über 39,5 0 C 
bis 40 0 C, bei denen die Gesamterhebung gegen¬ 
über der höchsten Temperatur vor der Injektion 
weniger als 1 0 C beträgt, sind als zweifelhafte 
Reaktionen zusammenzufassen und für sich zu 
beurteilen. 

Die Entscheidung darüber, welche von 
diesen Fällen als reagierend und welche als un¬ 
verdächtig zu gelten haben, ist von Fall zu 
Fall zu treffen. Wichtige Anhaltspunkte für 
die Entscheidungen geben erfahrungsgemäss die 
Gesamterhebung gegenüber der höchsten Tem¬ 
peratur vor der Injektion, welche bei reagie¬ 
renden Tieren in der Regel mindestens 0,5° C 
betragen soll, der Charakter der Temperatur¬ 
kurve, welcher bei reagierenden Tieren dem 
einer wirklichen Fieberkurve entsprechen soll, 
und der in allen zweifelhaften Fällen noch¬ 
mals zu erhebende genaue klinische Unter¬ 
suchungsbefund. 

6. Für alle diejenigen Fälle der Praxis, in 
denen die Tuberkulinprobe lediglich dazu dienen 
soll, ein Urteil über die Verbreitung der Tuber¬ 
kulose in einem Rinderbestande zu gewinnen, 
bezw. die Trennung der tuberkuloseverdäch¬ 
tigen von den unverdächtigen Tieren zum 
Zwecke der Tuberkulosebekämpfung durchzu¬ 
führen, genügt es nach dem Vorschläge Oster¬ 
tags, alle diejenigen Rinder als tuberkulose- 
verdächtig anzusehen, bei welchen nach der Ein¬ 
spritzung der vorgeschriebenen Tuberkulin- 


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Heft 8. 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


179 


menge die innere Körpertemperatur über 
39,5° C ansteigt und um mindestens 0,5° C 
die höchste vor der Impfung ermittelte Tempe¬ 
ratur übertrifft. 

Malm (Christiania) ging in seiner inter¬ 
essanten Abhandlung davon aus, dass es sich 
nur darum handle, Regeln für die Anwendung 
des Tuberkulins und die Beurteilung der 
Reaktion bei Rindern festzustellen. Bei der 
Anwendung des Tuberkulins bei Schweinen 
treten so viele komplizierte Verhältnisse ein, 
dass Redner mit Thiro darin einig ist, dass 
eine Tuberkulinprüfung bei Schweinen gelegent¬ 
lich und individuell ausgeführt werden muss, 
nicht systematisch und sozusagen tabellarisch 
wie in einem Rinderbestand. Betreffs anderer 
Haustiere werden die Prüfungen ebenfalls indi¬ 
viduell sein, wenn auch die Beurteilung dessen, 
inwieweit eine Reaktion stattgefunden hat, nach 
demselben Grundprinzip wie für Rinder und 
Menschen, unter Rücksichtnahme auf die vor¬ 
handene Anfangstemperatur, die angewandte 
Dose, die Fiebertype und das Krankheits¬ 
stadium, geschehen muss. 

Ueber die Malleinreaktion berichteten 
Foth (Schleswig), Furtuna (Bukarest) und 
Malm (Christiania). Die Referenten sind einig 
in der Meinung, dass das Mallein (bezw. das 
Morvin) ein geeignetes Mittel ist, verseuchte 
Pferdebestände vom Rotz zu befreien. Dagegen 
bestehen gewisse Meinungsdifferenzen in der 
Deutung der Reaktion. Malm beantragte, es 
sollen die für Prüfung der Malleinfrage ein¬ 
zusetzenden Kommissionen auch die kurative 
Wirkung des Malleins untersuchen. Foth*) 
empfahl folgende Anträge: 

I. Das Mallein ist ein geeignetes Mittel, 
um verseuchte Pferdebestände ohne verhältnis¬ 
mässig grosse ökonomische Opfer von den rotz- 
kranken Tieren zu befreien. 

II. Zur sicheren Beurteilung des Wertes 
des Malleinverfahrens fehlen noch einige 
Grundlagen, die nur im Wege des Experiments 
im Grossen beschafft werden können. 

Die experimentellen Prüfungen haben sich 
zu erstrecken: 

1. auf das Studium der durch künstliche 
Infektion einer grossen Zahl an Pferden mit 
chronischem Rotz erzeugten krankhaften Ver- 

*) Dm sehr interessante Referat gelangt in einem der 
nächsten Hefte zum Abdruck, d. Red. 


änderungen und auf das Verhalten dieser Tiere 
gegen Mallein; 

2. auf die Prüfung des Verhaltens einer 
grossen Zahl zweifellos nichtrotziger Pferde 
gegen Mallein (Truppenpferde!); 

3. auf gleichzeitige vergleichende Prüfung 
des Agglutinationsverfahrens. 

Den Regierungen wird empfohlen, diese 
Versuche in die Wege zu leiten und mit ihrer 
Durchführung eine Kommission zu beauf¬ 
tragen. (Allgemeine Zustimmung.) 

Nach einer lebhaften Diskussion erfolgte 
die Beschlussfassung gemäss den Anträgen. 

Am Abend des dritten Verhandlungstages 
waren die Kongressmitglieder Gäste der Stadt, 
welche ein Donaufest veranstaltete. 

Der Schauplatz des Festes war der Strom¬ 
abschnitt zwischen der Kettenbrücke und der 
Elisabethbrücke. Beide Brücken waren auf den 
einander zugekehrten Seiten umsäumt von 
dichten Reihen elektrischer Glühlampen, die 
die Konturen der Brücken scharf hervortreten 
Hessen. Die Donauufer zwischen diesen beiden 
Brücken waren prächtig illuminiert. Girlanden 
farbiger elektrischer Lampions schlangen sich 
an hohen Masten empor, verbanden sie und 
bildeten mit der Illumination der Brücken ein 
leuchtendes Viereck, das den Strom wie einen 
See begrenzte. Sämtliche Gebäude am linken 
und am rechten Donauufer waren reich illu¬ 
miniert. 

Um 7 Uhr bestiegen die Gäste der Haupt¬ 
stadt die Schiffe. Nach Einbruch der Dunkel¬ 
heit begann die Spazierfahrt, für welche 
die prachtvolle Beleuchtung, namentlich des 
Parlamentsgebäudes und der Königsburg, das 
Feuerwerk und die zahllosen Lampen und 
Lichter einen märchenhaft schönen Rahmen 
boten. Während der Fahrt tat ein kaltes 
Souper auch den materiellen Bedürfnissen der 
Gäste vollauf Genüge. Um 9 Uhr steuerten 
die Schiffe ihren Ausgangspunkten wieder zu. 
Die Passagiere kehrten heim mit dem Empf- 
finden, der Stadt einen unvergesslichen Abend 
in ihren gastlichen Mauern danken zu dürfen. 

Am vierten Verhandlungstage hielten die 
Sektionen für Biologie, für Pathologie und 
für die tropischen Krankheiten Parallel¬ 
sitzungen ab. 


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Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


3. Jahrgang. 


In der Sektion für Biologie stand als erstes 
Thema auf der Tagesordnung die Melasse-Fütte¬ 
rung. Referent war Privatdozent Weiser 
(Budapest), welcher eingehend über die Melasse 
als Futtermittel berichtete. Aus dem Referat 
sei Nachstehendes wiedergegeben. 

Die Melasse ist ein Abfallstoff der Zucker¬ 
fabriken, der noch eine bedeutende Menge 
Zucker enthält. Letzterer kann aber nur durch 
besondere und kostspielige Verfahren und nur 
teilweise rein erhalten werden. Das nach dem 
Entzückern der Melasse zurückbleibende Pro¬ 
dukt ist die Restmelasse. 

Bis vor wenigen Jahren wurde die Melasse 
grösstenteils auf Spiritusgewinnung weiter ver¬ 
arbeitet. Der niedrige Preis für Spiritus zwang, 
nach anderen Absatzgebieten zu suchen. Als 
solches schien die Fütterung der landwirt¬ 
schaftlichen Nutztiere besonders gut geeignet. 

Bei der Bewertung als Futtermittel kommt 
bei der Melasse fast ausschliesslich deren 
Zuckergehalt in Betracht. Den in der Melasse 
vorkommenden sonstigen N-freien und den 
N-haltigen Stoffen kann ein Nährwert nicht 
zugeschrieben werden. Ferner ist nicht zu über¬ 
sehen, dass die Melasse Kalk und Phosphor¬ 
säure nur in sehr untergeordneten Mengen 
enthält. 

Die rohe Melasse wird in Tränkwasser 
gelöst oder mit wenig Wasser verdünnt oder 
durch Häcksel, Kleie und getrocknete Rüben¬ 
schnitzel aufgesaugt, an die Tiere verabreicht. 
Niemals aber sollen von vornherein grössere 
Mengen verabreicht werden, da dies Durchfall 
bei den Tieren verursacht. Nach einem lang¬ 
samen Uebergang aber wird die Melasse auch 
in grösseren Mengen von sämtlichen Nutztieren 
sehr gut vertragen. Die Maximalmenge ist auf 
1000 kg Körpergewicht berechnet für Pferde 
und Zugochsen 3—4 kg, für Mastrinder 4 bis 
5 kg, für Milchkühe 2—2,5 kg, für Mastschafe 
und Schweine 3—4 kg. An trächtige Tiere 
soll Melasse nicht verfüttert werden, da sie 
leicht Abortus verursachen kann (? Der Bericht¬ 
erstatter.). 

Bei einem an 144 Stück schwerer Last¬ 
pferde einer Budapester Transportgesellschaft 
angestellten Versuche, der über ein Jahr aus¬ 
gedehnt wurde, und bei welchem neben 2,5 kg 
Kleie, 1,5 kg Gerste und Wiesenheu 1,7 bis 
3,25 kg Melasse pro Kopf und pro die ge¬ 


reicht wurden, ergab sich aus den Gewichts¬ 
bestimmungen und den sonstigen Beobach¬ 
tungen, dass die Melasse bei schweren Last¬ 
pferden, in mittleren Mengen verabreicht, mit 
Vorteil verfüttert werden kann. Allerdings 
durften 2,3—2,5 kg pro Kopf und Tag nicht 
überschritten werden, da andernfalls in dem 
Wohlbefinden wie auch in der Leistungsfähig¬ 
keit ein Rückgang beobachtet wurde. Was die 
an Wiederkäuern und Schweinen gemachten 
Fütterungsversuche angeht, so steht die 
günstige Einwirkung der Melasse als Mast¬ 
futtermittel ausser Zweifel. Dagegen ist aus 
den vielen veröffentlichten Versuchen nicht 
mit Sicherheit zu ersehen, ob die Melasse auf 
die Milchsekretion von irgend welchem Ein¬ 
fluss ist. 

Der Umstand, dass die flüssige Masse in 
den landwirtschaftlichen Betrieben unbequem 
zu handhaben ist, hat dahin geführt, sie mit 
aufsaugenden Medien zu mischen und sie so 
als eine leicht zu handhabende Ware auf den 
Markt zu bringen. Der Wert eines derartigen 
Melassefuttermittels hängt ab von dem Werte 
seiner Komponenten. Als Melasseträger wert¬ 
voll sind Weizenkleie, Maiskeime, getrocknete 
Biertreber, Getreideschlempe, Palmkern- und 
Kokosnussmehl, weniger wertvoll sind Mais¬ 
kolbenschrot, Erdnuss, Hirse, Reis- und Kaffee- 
schalen, wertlos Laubholzmehl und Torf. Auch 
der Wassergehalt spielt eine erhebliche Rolle 
für die Bewertung des Präparates, einmal 
wegen des dem Gehalt entsprechenden geringen 
Nährwertes, zum anderen wegen der geringeren 
Haltbarkeit, für welche eine Maximalgrenze 
von etwa 20 o/o ermittelt ist. Bei Beobachtung 
gewisser Vorsichtsmassregeln, besonders nach 
der qualitativen und quantitativen Seite hin. 
erweist sich die Melasse als ein vorzügliches 
Futtermittel. 

Cagny (Senlies) bezeichnete gerade die 
Torfmelasse als ein gutes Beifutter, das, an 
Pferde verabreicht, Kolikerkrankungen verhin¬ 
dert und auch für andere Tiere als ausser¬ 
ordentlich zuträglich anzusehen ist. Der Torf 
ist als Pflanzenstoff anzusehen, dem ein ge¬ 
wisser Nährwert und Verdaulichkeit nicht ah- 
zusprechen sind. 

Schreiber (Landsberg) bemerkte, dass 
für die Melassepräparate ein besseres Auf¬ 
saugemittel als Torf nicht vorhanden ist. Die 


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Heft 8 


Fortschritte der Veterinär -Hygiene. 


181 


Torfmelasse ist am wenigsten von allen Präpa¬ 
raten der Zersetzung unterworfen. Insbesondere 
zersetzt sich Kleie in Verbindung mit Melasse 
sehr leicht und ruft alsdann Verdauungs¬ 
störungen hervor. 

Hagemann (Bonn) hält die Torfmelasse 
für relativ teuer. Eine Einwirkung auf die 
Milchsekretion ist nicht hervorgehoben, nämlich 
die, dass bei Melassefütterung die Milchmenge 
um etwa 1 Liter pro Tag zurückgeht, während 
deren Fettgehalt um 1 °/o steigt. 

Weiser hält den Torf, bei dem es sich 
um abgestorbene, ausgelaugte und substantiell 
veränderte Pflanzen ohne Nährstoffe handelt, 
für überflüssig und für Ballast im Verdauungs¬ 
apparat, der völlig unverdaulich sei. Dass die 
Tiere die Torfmelasse gern aufnehmen, ist kein 
Beweis für deren Güte; die Tiere fressen auch 
Sägespäne-Melasse gern. 

Edelmann (Dresden) zog den Schluss 
aus den Referaten und der Diskussion, dass 
die Melasse ein zweckmässiges, wirtschaftlich 
brauchbares und diätetisch wertvolles Futter¬ 
mittel ist, welches den Landwirten nur emp¬ 
fohlen werden kann. Hinsichtlich des Auf¬ 
saugungsmittels für die Melasse gehen die An¬ 
sichten soweit auseinander, dass ein ab¬ 
schliessendes Urteil nicht abgegeben werden 
kann. In erster Linie sind die Nährwert be¬ 
sitzenden Mittel vorzuziehen; indessen sind 
hierbei auch die wirtschaftlichen Verhältnisse 
zu berücksichtigen. Es liegt ferner die Not¬ 
wendigkeit vor, die Melasse mit Aufsaugungs¬ 
mitteln zu mischen, die sich nicht zersetzen. 

Der Sektionsbeschluss lautete: 

Die biologische Sektion spricht sich dahin 
aus, dass die Melasse wirtschaftlich und diäte¬ 
tisch ein wichtiges Futtermittel ist. Die Beur¬ 
teilung der Stoffe, die zur Aufsaugung der 
Melasse als Mischmittel verwendet werden, hat 
von physiologischen und wirtschaftlichen Ge¬ 
sichtspunkten aus zu erfolgen. 

Der nächste Gegenstand der Tagesordnung 
war: Die Hygiene des Stalles und der Streu. 
Referent Pusch (Dresden) besprach die Stall¬ 
hygiene, für welche günstige Bauart, Zufuhr 
an Luft und Licht, zweckmässige Entwässe¬ 
rung und zweckentsprechende Streu als wich¬ 
tigste Vorbedingung zu gelten haben. Das mög¬ 
lichst geräumige Lager der Tiere soll trocken, 


warm und weich sein, Eigenschaften, die in 
erster Linie von der Art und Verwendung der 
Streu abhängig sind. Man unterscheidet Dauer¬ 
streu, Wechselstreu und streuloses Lager. 

Die Dauerstreu findet sich in den so¬ 
genannten Tiefställen, in denen die Streu 
monatelang liegen bleibt. Sie stellt eine denk¬ 
bar geeignete Brutstätte für Krankheitserreger 
dar, macht besonders im Sommer die Stall¬ 
luft übermässig warm, dunstig, den Stall un¬ 
sauber. Aehnlich verhält es sich mit der 
Matratzenstreu in den Kasernen. Ihr Vorteil 
besteht in Strohersparnis und Schonung der 
Sehnen und Hufe. 

Bei der Wechselstreu wird die Streu bis 
auf die weniger verunreinigten Streuteile 
morgens entfernt und abends wieder erneuert. 
Da hierbei die Pferde des Tages auf dem 
blanken Boden stehen, werden die Sehnen und 
Hufe angestrengt. 

Als Streumaterial dienen Stroh, minder¬ 
wertiges Heu, Torf, Laub, Schilf, Heidekraut, 
Kartoffelkraut, Säge- und Hobelspäne, Holz¬ 
wolle, Sand, Kiefern-, Fichten- und Tannen¬ 
nadeln. 

Stroh und guter heller Moostorf der Hoch¬ 
moore sind als sehr zweckmässige Einstreu zu 
bezeichnen. Alle anderen Streumittel sind 
minderwertig und mehr als Notbehelf zu ver¬ 
wenden. 

Dem Referate des letzten Themas dieser 
Sektion: Stallfütterung und Weidegang vom 
biologischen Gesichtspunkte, von V ö 11 z 
(Berlin) sei nur entnommen, dass es vom 
betriebswirtschaftlichen Standpunkte aus be¬ 
trachtet in vielen Fällen, besonders in inten¬ 
siven Betrieben, vorteilhaft ist, den Weidegang 
zugunsten der Stallfütterung einzuschränken. 
Solchem Vorgehen sind aber, sobald man Züch¬ 
tung treibt, enge Grenzen gezogen, weil dieses 
Vorgehen zu einem Ruin der Zucht führen 
müsste, und zwar um so früher, je mehr es 
sich um hochgezüchtete Tiere handelt. Ohne 
Weidegang ist keine Hochzucht möglich. Er 
ist der mächtige Faktor, welcher unsere 
extremen Leistungszuchten und Hochzuchten 
lebensfähig erhalten kann. 

(Schluss folgt.) 


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182 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


3. Jahrgang 


Beitrag zur Äetiologie der 
Fleischvergiftungen. 

Von Kreistierarzt G u t z e i t - Montjoie. 

(Schluss aus Heft 7.) 

Nachdem Basenau festgestellt hat, dass 
der Bacillus morbificans in einer mit Formalin 
versetzten Bouillon noch bei einer Verdünnung 
von 1 : 4000, während das Bacterium coli bei 
7000- und der Typhusbacillus erst bei 13000- 
facher Verdünnung des Formalins zur Ent¬ 
wickelung gelangt, und dass das verschiedene 
Verhalten zum Formalin als Unterscheidungs¬ 
merkmal morphologisch ähnlicher Bakterien 
dienen kann, lag es nahe, die Wurstbacillen 
auch in dieser Richtung hin zu untersuchen. 
Es wurde zu diesem Zwecke erst eine 1% For¬ 
malinlösung hergestellt, indem 1 cbcm käuf¬ 
liches 40o/o Formalin mit 100 cbcm Wasser 
gemischt wurde. In 101 cbcm dieser Lösung 
war demnach enthalten 1 cbcm Formalin, mit- 


I hin in 1,01 cbcm 0,01 cbcm Formalin. Wurde 
also 1,01 cbcm dieser 1% Formalinlösung zu 
je 9, 19, 29 usw. cbcm Bouillon gegeben, so 
war das Formalin im Verhältnis von 1 : 1000, 
1:2000, 1:300 usw. in der Bouillon zugegen. 
Auf diese Weise stellte ich mir mittelst steriler 
Mensur und Pipette Formalinbouillonlösungen 
1 : 2—8000 her, füllte dieselben auf sterile 
Reagensröhrchen und beimpfte diese mit je einer 
Platinöse voll Bacillen. 

Röhrchen I und II enthielten Formalin 1 :8000 


III, IV, V „ „ 1:7000 

VI, VII, VIII „ „ 1:6000 

IX, X, XI „ „ 1 :5000 

XII u. XIII „ „ 1 :4000 

XIV u. XV „ „ 1:3000 

XVI u. XVII „ „ 1 :2000 


Die Reagensgläschen wurden dann am 
28. November 1903, abends 11 Uhr, in den 
Brutschrank gestellt und das Eintreten der 
Trübung beobachtet. Letztere trat in nach¬ 
stehender Reihenfolge auf: 


am 

30. 

11. vormittags 

11 

Uhr, also nach 36 Stunden, Trübung in 

No. I ) 

1:8000 

9f 

30. 

11. nachmittags 

5 

ii •> 

99 

42 

99 

ii ii 

II J 

1» 

30. 

11. 

10 



47 



.. III 

1:7000 

99 

30. 

10. 

11 

M ii 

99 

48 

9 9 

ii ii 

„ IV u. V J 

99 

I. 

12. vormittags 

11 

ii ii 

99 

2 Tagen 

ii ii 

VI u. VH 1 

1:6000 

99 

1. 

12 nachmittags 

3 

•i ii 

99 

2 

ii 

ii ii 

VIH J 

99 

1. 

12. 

11 


99 

3 

ii 

ii n 

.. IX | 


99 

2. 

12. vormittags 

7 

ii ii 

99 

3 

ii 

ii ii 

X 

1:5000 

99 

2. 

12. 

10 

•I ii 

99 

3 

•i 

•i n 

.. XI 1 


99 

5. 

12. 

7 

ii ii 

99 

6 


ii ii 

xn 1 

| 1:4000 

m 

7. 

12.'nachmittags 

1 

ii ii 

99 

8 

ii 

ii ii 

XIH J 

„ 

15. 

12.” — 

— 

,i 

99 

16 

ii 

ii ii 

.. XIV 

1:3000 


In Röhrchen No. XII, XIII und XV trat 
nur eine schwache Trübung ein, die nicht fort- 
schritt, Röhrchen XIV, XVI und XVII blieben 
steril. Bei einer Verdünnung des Formalin 
von 1 : 3000 liegt somit die Grenze der Ent¬ 
wicklungsfähigkeit der Bacillen; bei Gegen¬ 
wart von Formalin 1 : 2000 wachsen dieselben 
nicht mehr und werden bei 3—8000 facher Ver¬ 
dünnung des Formalins, der Konzentration ent¬ 
sprechend, in ihrer Entwicklung erheblich ge¬ 
hindert. Während unter normalen Verhält¬ 
nissen bereits nach sechs Stunden eine deutliche 
Trübung mit Wurstbacillen beimpfter Bouillon 
zu konstatieren ist, tritt eine solche bei An¬ 
wesenheit von Formalin im Verhältnis von 
4—8000 erst nach 36 Stunden bis 16 Tagen 
ein. Die Wurstbacillen zeigen somit eine 
grössere Widerstandsfähigkeit der Einwirkung 
des Formalins gegenüber als die Basenauschen, 
die Typhus- und die Cholerabacillen. 


Des Weiteren suchte ich festzustellen, ob 
die Bacillen in entwickelten Bouillonkulturen 
durch Formalinzusatz auch schon in obiger 
Konzentration des Formalins sicher abgetötet 
werden und habe gefunden, dass dies nicht der 
Fall ist. Das Formalin vermochte vielmehr 
erst im Verhältnis von 2 : 1000 sämtliche 
Bacillen einer Kultur sicher zu vernichten. 

Das Sauerstoffbedürfnis der Bacillen ist 
im ganzen gering. Die Bacillen wachsen gleich 
gut bei Sauerstoffgegenwart, wie hei vollstän¬ 
digem Abschluss desselben; die Bacillen sind 
also fakultative Anaeroben. Eine Abnahme 
des Peptonisierungsvermögens habe ich bei 
anaerober Züchtung nicht wahmehmen können. 

Bei Untersuchung im hängenden Tropfen 
wurden oszillierende Eigenbewegungen an den 
Bacillen wahrgenommen, und zwar zeigten 
ältere Individuen die lebhaftesten Bewegungen. 
Zwischen den rasche Drehungen und Schwin- 


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Heft 8. 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


183 


gungen ausführenden Bacillen schlängelte sich 
zuweilen ein kurzer Faden hindurch bis zum 
Rande des Tröpfchens. Die Enden der Bacillen 
erschienen manchmal dunkler als die Mitte. 

Die Färbbarkeit der Bacillen war im gan¬ 
zen schwer; am leichtesten färbten sich noch 
die Bacillen ganz junger Kulturen mit Fuchsin 
und Gentianaviolett, während Methylenblau 
und Safranin schwer aufgenommen wurden. 
Auch der Nährboden hatte einen Einfluss auf 
die Färbbarkeit der Bacillen, denn die in 
flüssigem Nährmedium gewachsenen Mikro¬ 
organismen hatten durchweg eine grössere 
Tinktionsfähigkeit als die auf festem, insbe¬ 
sondere auf Agar und Kartoffeln, gezüchteten. 
Ferner wunde festgestellt, dass die Färb¬ 
barkeit mit dem Alter schnell abnimmt 
und zw’ar bei den auf festen Nährböden 
gewachsenen Bacillen bereits vom dritten 
Tage ab. Oft konnte man bei 3—4 Tage 
alten Agarkulturen beobachten, dass sich 
nur jüngere Individuen durchweg gefärbt hat¬ 
ten, ältere dagegen nicht oder nur an den 
Enden, während deren Mitte ungefärbt blieb. 
In zehn Tage alten Agarkulturen färbten sich 
nur vereinzelte Bacillen gut, die jüngeren näm¬ 
lich, während die übrigen, zehn Minuten mit 
Karbolfuchsin behandelt, nur mattrosa wur¬ 
den. Von fünf Tage alten Kartoffelkulturen 
wurden mit Karbolfuchsin nicht alle Bacillen 


gefärbt. Die auf Gelatine gewachsenen Bacil¬ 
len färbten sich noch verhältnismässig am 
besten, büssten aber in vier Wochen ihre Tink¬ 
tionsfähigkeit bis auf wenige Ausnahmen 
ebenfalls ein. Die gefärbten Bacillen wurden 
durch Alkohol oder Säure schnell wieder ent¬ 
färbt; sie sind also nicht säurefest. Nach Gram 
Hessen sich die Bacillen nicht färben. 

Was die Gestalt der Bacillen angeht, so 
hatten die jungen Individuen durchweg ellip¬ 
tische Form (Fig. 6). Häufig fand man zwei 
oder mehrere Bacillen nebeneinander, mitunter 
bildeten sie in Bouillon kurze Ketten bis zu 
acht Gliedern. Diese Jugendformen waren in 
jeder Kultur anzutreffen, besonders zahlreich 
fanden sie sich in den ersten Tagen des Wachs¬ 
tums. In Ausstrichen von 2—3 Tage alten 
Kartoffelkulturen lagen die Bacillen häufig in 
haufenweiser Anordnung, und zwar befanden 
sich dann stets in der Mitte der, Haufen die stark 
gefärbten elliptischen Jugendformen, an den 
Rändern dagegen die schwach gefärbten älteren 
Individuen (Fig. 7). Die letzteren hatten die 
Form plumper, an den Enden abgerundeter 
Kurzstäbchen von 1,7—2,8 p» Länge und 
0,5—0,8 pt Breite. Vereinzelt kamen auch 
Fäden vor. Für die Fadenbildung schienen sich 
nur flüssige Nährmedien zu eignen. Während 
ich bei den auf Agar und Kartoffeln gewachse¬ 
nen Bacillen nur selten kurze Fäden fand, 



Fig. 6. Fig. 7. Fig. 8. 


konnte ich letztere in 24stündigen Gelatine¬ 
ausstrichen, in Gelatineplattenkolonien, in ver¬ 
flüssigten Gelatinekulturen und in 14 Tage 
alten Bouillonkulturen stets nachweisen. 
Sporenbildung habe ich niemals beobachten 
können, dagegen häufig Involutionsformen als 


unregelmässige, plumpe Auftreibungen an 
den Bacillen mindestens sieben Tage alter 
Bouillon- oder Gelatinekulturen. 

Die von Hauser (43) bei Proteus mirabilis 
beschriebenen Involutionsformen auf Gelatine¬ 
platten habe ich nur sehr selten beobachten 


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184 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


3. Jahrgang 


können. Vakuolenbildung war zu konstatieren, 
wenn die Bacillen in ihrem Wachstum gehemmt 
worden waren, besonders gut bei den mit For¬ 
malin versetzten Bouillonkulturen. 

Zum Nachweis der Geissein (Fig. 8) be¬ 
diente ich mich der Löfflerschen, Försterschen, 
Pcpplerschen, van Ermenghemschen und Zett- 
nowschen Methode. Nach dem Löfflerschen 
Verfahren gelang es mir leider nicht, die 
Geissein zur Anschauung zu bringen, dagegen 
lieferten die anderen Methoden, besonders die 
Förstersche und Zettnowsche, gute Besultate. 
Die Färbung gelang am besten bei solchem 
Material, welches jungen Agar- oder Serum¬ 
kulturen entnommen war. An den ganz jungen 
elliptischen Bacillen konnten entweder keine 
oder höchstens drei lange endständige Geissein 
nachgewiesen werden, an älteren Bacillen fan¬ 
den sich bis zu 18 Geissein in amphitricher 
Anordnung von 12—17 Länge. An langen 
Bacillen und an Fäden war die Anzahl der 
Geissein bedeutend grösser. 

Impf-, Agglutinations- und 
Fütterungsversuche. 

Einem Meerschweinchen wurde 1 cbcm 
einer zwei Tage alten Bouillonkultur subkutan 
am rechten Hintersehenkel injiziert. Das Tier 
zeigte sich auffallend krank, frass nicht, sass 
zusammengekauert da und starb drei Tage nach 
der Impfung. Bei der Obduktion fand sich 
die Unterhaut beider Hinterschenkel, des Bau¬ 
ches, des Rückens und zum Teil beider Vorder¬ 
schenkel mit roter, klarer Flüssigkeit getränkt. 
An den Organen waren keine wesentlichen Ver¬ 
änderungen nachzuweisen. In der Unterhaut, 
den Organen und dem Blute waren die be¬ 
schriebenen Bacillen reichlich vorhanden. 

Einem zweiten Meerschweinchen wurde 
1 cbcm einer drei Tage alten Bouillonkultur 
unter die Haut eines Hinterschenkels gespritzt. 
Ausserdem wurde dem Tiere mit Bouillonkultur 
begossenes Brot als Nahrung vorgesetzt. Fünf¬ 
zehn Stunden nach der Injektion sass das Meer¬ 
schweinchen in einer Ecke des Behälters, rührte 
sich nicht, verweigerte die Futteraufnahme 
und zeigte deutliche Lähmung der Hinterbeine. 
Unter zunehmender Schwäche verendete das 
Tier in der Nacht, etwa 30 Stunden nach der 
Impfung. An dem Kadaver gingen die Haare 
auffallend leicht aus, namentlich an den Hin¬ 
terschenkeln. Die Unterhaut enthielt im 


Bereiche der Brust, des Bauches, des hinteren 
Teils des Rückens und beider Hinterschenkel 
rote, klare Flüssigkeit. Das intermuskuläre 
Gewebe beider Hinterextremitäten hatte die¬ 
selbe Beschaffenheit. Die Muskulatur der¬ 
selben war dunkelrot gefärbt und wässrig. In 
der Bauchhöhle fanden sich einige Tropfen 
roter, klarer Flüssigkeit. Am Darm waren 
keine krankhaften Veränderungen wahrzuneh¬ 
men; der Darminhalt war fest, der Kot gut 
geballt. Die Magenschleimhaut zeigte sich ge¬ 
schwollen, leicht getrübt und in Falten gelegt. 
An den übrigen Organen war makroskopisch 
nichts Abnormes festzustellen. In der Unter¬ 
haut, der Leber und dem Blute waren die 
Bacillen mikroskopisch sowie kulturell nach¬ 
zuweisen. 

In derselben Weise wurden noch mehrere 
Meerschweinchen geimpft. Die Krankheits¬ 
erscheinungen sowie der Leichenbefund waren 
im wesentlichen dieselben. 

Ein ausgewachsenes Kaninchen (No. 1) er¬ 
hielt 2 cbcm drei Tage alter Bouillonkultur sub¬ 
kutan am linken Hinterschenkel. Bei demselben 
stellte sich eine starke Anschwellung und 
Rötung der Haut an der Injektionsstelle ein, 
welche sich auf den ganzen Bauch bis zum 
Brustbein fortsetzte. An zwei zehnpfennig¬ 
stückgrossen Stellen wurde die Haut brandig 
und hinterliess Geschwüre, welche in einigen 
Wochen abheilten. 

Einem zweiten mittelgrossen Kaninchen 
(No. 2) spritzte ich (am 27. Mai 1903) 0,2 cbcm 
einer sechs Tage alten Bouillonkultur in die 
Unterhaut des linken Hinterschenkels. Es ent¬ 
stand darauf eine intensive Hautröte und starke 
teigige Schwellung der Gliedmassen. Die 
Haut wurde an der inneren Schenkelfläche von 
der Mitte des Unterschenkels bis hinauf zur 
Leistengegend nekrotisch, stiess sich ab und 
liess brandige Teile der Unterhaut und des 
intermuskulären Gewebes zutage treten. Nach 
sorgfältiger Entfernung der abgestorbenen 
Gewebsteile und Behandlung mit Lysol heilte 
die Wunde vollständig zu. Zehn Wochen nach 
der ersten Impfung wurde (am 7. August 1903) 
eine zweite am andern Hinterschenkel vorge¬ 
nommen. Es wurden diesmal 0,6 cbcm einer 
zehn Wochen alten Bouillonkultur verwandt. 
Nach dieser zweiten Einspritzung entstand nur 
eine geringe örtliche Anschwellung, welche sich 


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Heft 8. 


Fortschritte der Veterin&r-Hygiene. 


185 


in einigen Tagen verlor. Das Allgemeinbefin¬ 
den des Tieres war aber seitdem ein schlechtes. 
Das Kaninchen magerte zusehends ab und starb 
12 Tage (19. August 1903) nach der Impfung. 

Bei der Obduktion waren pathologische 
Veränderungen an den Organen nicht nachzu¬ 
weisen; in der Bauchhöhle befanden sich je¬ 
doch ca. 20 cbcm klarer, gelblicher Flüssig¬ 
keit. 

Einen Teil jener peritonealen Flüssigkeit 
verwandte ich zu Agglutinationsver¬ 
suchen. Unter Anlehnung an das Gruber- 
sche Verfahren prüfte ich das Verhalten der 
genannten serösen Flüssigkeit vom Kaninchen 
No. 2 sowie des Blutserums von dem hierzu 
vorbereiteten Kaninchen No. 1 zu meinen 
Bacillen und zu denen von Proteus vulgaris 
und fand, dass in beiden Fällen nur Wurst- 
bacillenkulturen agglutiniert wurden, aber 
nicht Proteuskulturen. 

I. Agglutinationsversuch. 

Von einer 3 "Wochen alten, in einem Erlen¬ 
meyerkolben gezüchteten Bouillonkultur der 
Wurstbazillen wurden mit sterilisierter Pi¬ 
pette je 5 cbcm in sterilisierte Reagensgläser 


getan und denselben je 1, 2, 4, 6 und 8 Tropfen 
peritonealer Flüssigkeit vom Kaninchen No. 2 
zugesetzt. Ein Kontrollröhrchen wurde nur mit 
Bouillonkultur beschickt. Die Bouillon war 
in allen 6 Röhrchen gleichmässig getrübt. 
Die Reagensgläschen wurden nun mit dem 
Stativ in den auf 37 0 C gehaltenen Brut¬ 
schrank gestellt und von 5 zu 5 Minuten nach¬ 
gesehen. Bereits nach 5 Minuten war in dem 
Röhrchen No. 6 eine feine Körnung nach¬ 
zuweisen, der nach weiteren 15 Minuten 
Flockenbildung folgte. 40 Minuten nach der 
Einstellung in den Thermostaten begannen sich 
die Flocken in dem genannten Reagensglase zu 
senken, wobei sich die über denselben befind¬ 
liche Bouillonschicht klärte. Derselbe Vorgang 
wiederholte sich nach und nach in den übrigen 
vier mit peritonealer Flüssigkeit versetzten 
Reagensröhrchen, und es setzte sich nach und 
nach bei allen ein flockiger Niederschlag am 
Boden ab, nur das erste Röhrchen blieb un¬ 
verändert (Fig. 9). Das Phänomen war in 2V 2 
Stunden beendet. Das Versuchsresultat ist in 
nachstehender Tabelle zusammengestellt. 


Agglutinations versuch mit je 5 cbcm 3 Wochen alter Bouillonkultur und 
1 bis 8 Tropfen peritonealer Flüssigkeit. 


Zeit 

i 

1 

Dauer j 

Röhrchen 1 j 
5 cbcm Kultur 
(Kontroll¬ 
röhrchen) 

Röhrchen 2 1 Röhrchen 3 

o cbcm Kultur und 5cbcm Kultur und 

1 Tropfen periton. 2 Tropfen periton. 
Flüssigkeit j Flüssigkeit 

Röhrchen 4 1 Röhrchen 5 

5cbrrn Kultur undiöcbcm Kultur lind 
4 Tropfen periton. jö Tropfen periton 
Flüssigkeit | Flüssigkeit 

Röhrchen 6 

5 cbcm Kultur und 
8 Tropfen periton. 
Fl üssigkeit 

12.30 Uhr 

Einstellung in den Brutschrank 

— 

— 

— 

— 

12.35 „ 

5 Min. 

— 1 

— 

— 

— 

— 

feine Körnung 

12.45 „ 

15 . 

— 1 

— 

— 

— 

feine Körnung 

— 

12.50 ,, 

20 „ 

— 

- 

— 

feine Körnung 

— 

Flockenbildg. 

1.00 „ 

30 * 

— 

— j 

feine Körnung 

— 

Flockenbildg. 

— 

1 io „ 

40 „ 

— ; 

— 1 

— 

— 


Senkung der 
Flocken 

1.20 „ 

50 „ 


\ feine Körnung, im unt. Teile 
des Röhrchens beginnend 

— 

— 

1.30 „ 

1 Sld. 

— 

— 

— 

— 

Senkung der 
Flocken 

— 

1 50 „ 

1 Std. 2) M. 

— 

— 

— 

Flockenbildg. 
und Senkung 

— 


2.30 „ 

2 Std. 

— 

— 

Flockenbildg. 
im unt Teil 

— 

— 

— 

3 00 „ 

2 1 L 

" / 2 n 

— 

Flockenbildg. 
im unt. Teil 

— 


— 

— 

— 

29 „ 

— 



Sediment 




II. Agglutinationsversuch. | Minuten Flockenbildung, Sedimentierung und 

den alten Bouillonkulturen der Wurstbacillen Klärung der Bouillon beobachtet. 


wiederholt und auch hier nach Zusatz von 3 
bezw. 8 Tropfen jener Bauchhöhlenflüssigkeit 
bei Brutschranktemperatur in 20 bezw. 25 


III. Agglutinationsversuch. 
Drittens wurde die seröse Flüssigkeit auf 
ihr Verhalten zu Proteus vulgaris geprüft. Zu 


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186 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


3. Jahrgang. 


diesem Versuche wählte ich je zwei 20 Stunden 
alte Bouillonkulturen von Proteus vulgaris, die 
aus den Fäces einer an Fleischvergiftung er¬ 
krankten Patientin aus Conzen rein gezüchtet 
waren. Die Bouillonkulturen enthielten je 
5 ebem Flüssigkeit und wurden mit 6 bezw. 8 
Tropfen peritonealen Transsudats versetzt. 
Nach 36 stündigem Aufenthalt im Brutschrank 
waren die Kulturen noch ebenso gleichmässig I 
getrübt wie vor der Einstellung in den Brut¬ 
schrank. Agglutination war somit nicht erfolgt. 

IV. Agglutinationsversuch. 

Behufs weiterer Bestätigung der vorstehen¬ 
den Resultate wurde noch ein zweiter Stamm 
von Proteus vulgaris beschafft, welchen ich 
der Güte des Herrn Priv-Doc. Dr. R. 0. Neu- 
mann aus Hamburg verdanke. Auch wurde 
ein zweites Kaninchen durch periodische 
Impfungen mit stets gesteigerter Dosis AVurst- 
bacillenkultur für die Serumreaktion vorbereitet. 
Das Kaninchen (No. 1) erhielt nacheinander am: 

Agglutinationsversuch mit Wuri 


28. Nov. 0,2 ebem 4 Wochen alter Bouillonkultur 

30. „ 0,4 „ 8 Tage 

11. Dez. 1,0 „ 10 „ „ „ 

18. „ 2,0 „ 10 „ 

subkutan. Am 8. Januar wurde dem Tiere Blut 
aus einer Ohrvene mittels Pravazscher Spritze 
entnommen und zur Serumabseheidung in ein 
kaltes Zimmer gestellt. Der Agglutinations¬ 
versuch wurde wieder in ähnlicher Weise aus¬ 
geführt, wie das erste Mal. Es wurden sechs 
Reagensröhrchen mit je 5 'ebem (= 87 Tropfen) 
Bouillon gefüllt, sterilisiert und mit Proteus 
vulgaris verschiedener Herkunft sowie mit 
Wurstbacillen beimpft. Die 19 Stunden bezw. 
3 Tage alten Kulturen wurden nun mit je ein 
oder zwei Tropfen Serum versetzt und in den 
auf 37° C gestellten Brutschrank gebracht. 
Nach 10 Minuten begannen die Wurstbacillen 
zu agglutinieren, während diese Reaktion in 
den Proteuskulturen ausblieb. Das Weitere ist 
aus nachstehender Tabelle ersichtlich. 

tbacillen und Proteusstämmen. 


Röhrchen I Röhrchen II Röhrchen III Röhrchen IV Röhrchen V Röhrchen VI 
|enth. 19 Std. alte entb. 3 Tage alte entb. 19 Std. alte enth. 3 Tage alte entb. 19 Std. alte enth. 3 Tage alte 
Wurstbacillen- Wurstbacillen- Proteuskultur Proteuskultur Protouskultur Proteuskultur 
kulturu.l Tropfen kulturu.2Tropfeii (Hbg) u. i Tropfen (Hbg) u. 2Tropfen, (Conzen) und | (Conzen) und 
Serum Serum Serum Serum |l Tropfen Serum 2 Tropfen Serum 

10.35 Uhr Einstellung in den Brutschrank 
10.45 „ 10 Min. — feine Körnung 

10.50 „ 15 „ feine Körnung — 

10.55 20 — Flockenbildg. keine Veränd erung, die Bouillon bleibt getrübt 

11.00 „ 25 „ Flockenbildg. — ' ‘ ' 

11.10 „ 35 „ — Senkung der 

Flocken 

11.20 „ 45 „ Senkung der — 

Flocken 

12.00 „ — Sediment Sediment 

1.30 , — Bouillon klar 

Wurde der Inhalt der Röhrchen I und II 
nach erfolgter Reaktion im hängenden Tropfen 
untersucht, so konnte konstatiert werden, dass 
die Bacillen ihre Eigenbewegung verloren 
hatten, was bei den übrigen Röhrchen nicht 
zutraf. 

Aus den Agglutinations versuchen, beson¬ 
ders aus dem Versuche IV, ist zu folgern, 
dass das Serum mit Wurstbacillen vorbehan¬ 
delter Kaninchen erstere zu agglutinieren ver¬ 
mag, was bei Kulturen von Proteus vulgaris 
nicht der Fall ist. Hieraus muss weiter ge¬ 
schlossen werden, dass der in der Wurst ge¬ 
fundene pathogene Bacillus mit dem Proteus 
vulgaris nicht identisch ist. — 




Zeit Dauer 


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Heft 8. 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


187 


Auf Tauben wirken die Wurstbacillen ähn¬ 
lich wie auf Kaninchen. Werden erstere sub¬ 
kutan infiziert, so erkranken sie gleichfalls, 
jedoch nicht tödlich. Von drei Tauben, denen 
0,4, bezw. 0,8, bezw. 1,6 cbcm einer 5 Tage 
alten Bouillonkultur subkutan einverleibt war, 
waren Krankheitserscheinungen bei der ersten 
kaum wahrzunehmen, während Taube II und 
III eine ausgesprochene Diarrhöe hatten. Taube 
No. III rührte mehrere Tage das Futter nicht 
an und machte einen tristen Eindruck. 

Weisse Mäuse sind für die Infektion mit 
den Wurstbacillen sehr empfänglich und gehen 
nach derselben regelmässig ein. Eine mit 
0,2 cbcm einer 3 Tage alten Bouillonkultur 
geimpfte Maus erkrankte bald nach der In¬ 
fektion, krümmte den Rücken und sass, ohne 
das Futter anzurühren, mit gesträubtem Haar 
zusammengekauert da. 13 Stunden nach der 
Impfung konnte man Durchfall und Lähmung 
der Hinterhand bei dem Tiere feststellen; nach 
vier weiteren Stunden starb dasselbe. Im 
Blute, der Milz, dem Darm und der Unterhaut 
waren die Bacillen anzutreffen. Die Unterhaut 
war gerötet und mit Flüssigkeit getränkt. Die 
Milz etwas geschwollen, sonst aber waren keine 
krankhaften Veränderungen an dem Kadaver 
nachzuweisen. 

Eine junge Katze, welche dieses Kadaver 
verzehrt hatte, bekam Durchfall danach, war 
aber nicht sonderlich krank. Eine andere Katze, 
welcher 0,4 cbcm 4 Wochen alte Bouillonkultur 
unter die Haut gespritzt war, zeigte sich einen 
Tag niedergeschlagen, frass nicht und hatte 
übelriechenden dünnflüssigen Kot. 

Aus diesen Versuchen geht hervor, dass 
die Bacillen für Kaninchen, Meerschweinchen, 
Tauben, Katzen und Mäuse pathogen sind. 

Um nun weiter die Frage zu lösen, ob die 
Bacillen wasserlösliche Toxine oder Toxalbu- 
mine bilden, wurde eine acht Tage alte 
Bouillonkultur unter Anwendung einer Wasser¬ 
strahlluftpumpe durch einen Tonzylinder fil¬ 
triert und das Filtrat Versuchstieren teils 
unter die Haut gespritzt, teils dem Futter bei¬ 
gemengt. Zur Kontrolle erhielten andere Mäuse 
die gleichen Quantitäten derselben Kultur in 
nicht filtriertem Zustande subkutan. 

Das Ergebnis war folgendes: 

I. Versuch (Kontrollmäuse). 

Maus 1 erhielt 0,4 cbcm ) nicht filtrierter, 8 tägiger 
• „ 2 „ 0,6 „ > Bouillonkultur am 24. 12. 02, 

„ 3 „ 0,8 „ j abends l / t l0 Uhr, subkutan. 


Die 3 Mäuse starben sämtlich und zwar 
Maus 2 und 3 am 25. 12. vormittags zwischen 
9 und 10 Uhr, Maus 1 nachmittags zwischen 
1—2 Uhr. 

II. Versuch. 

Maus 4 erhielt 0,4 cbcm \ Filtrat von derselben 8tägigen 
•» 5 „ 0,6 „ > Bouillonkultur am 24 . 12 . 02 , 

.. 6 „ 0,8 „ J abends y 2 10 Uhr, subkutan. 

Die Mäuse waren am folgenden Tage 
weniger munter, erholten sich aber wieder. 

Einem Meerschweinchen wurden am 24. 
Dezbr. 1902 4 cbcm von dem Filtrat jener 
Kultur an der Innenfläche beider Hinter¬ 
schenkel eingespritzt. Das Tier ist nicht krank 
geworden. 

III. Versuch. 

Maus 7 ) 

g I erhielten am 24. 12. 02 Filtrat von jener 
9 J Kultur auf Weissbrot. 

Ergebnis dasselbe wie bei No. II. 

Aus Vorstehendem erhellt ganz augen¬ 
scheinlich, dass in dem Filtrat wasserlösliche 
Toxine in grösserer Menge nicht enthalten 
waren. 

Ferner wurde untersucht, ob die durch 
Hitze abgetöteten Kulturen krankmachende 
Eigenschaften besitzen. Zu diesem Behufe 
wurde ein Teil jener 8 Tage alten Bouillon¬ 
kultur, deren Virulenz durch die Versuchs¬ 
reihe I erwiesen war, y* Stunde der Temperatur 
strömenden Wasserdampfes ausgesetzt und 
darauf an Mäuse verfüttert, bezw. denselben 
subkutan einverleibt. 


IV. Versuch. 

Maus 10 erhielt 0,4 cbcm \ der durch Wasserdampf 
„ 11 „ 0,6 „ > abgetöteten Bouillonkultur 

„ 12 „ 0,8 „ J subkutan. 

Ergebnis wie bei No. II und III. 

V. Versuch. 

Maus 13 \ 

l bekamen abgetötete Bouillonkultur auf 
15 I Weissbrot. 

Erfolg wie bei II, III und IV. 

Da Pfuhl bei Proteus mirabilis die Beob¬ 
achtung gemacht hat, dass zwar durch Wasser¬ 
dampf abgetötete Kulturen ihre Wirksamkeit 
verlieren, wohingegen bei 58—60 0 C abgetötete 
Bacillen in grösseren Dosen eine Giftwirkung 
noch zu entfalten vermögen, wurden die Wurst¬ 
bacillen auch nach dieser Richtung hin geprüft. 
Nachdem 3 Kontrollmäuse mit je 0,4, 0,6 
und 0,8 cbcm 28 Tage alter Bouillonkultur 
geimpft waren, wurde die in einem Erlen- 


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188 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


3. Jahrgang. 


meyerschen Kölbchen angelegte Kultur bei 
60 0 C abgetötet, indem dieselbe 2 Stunden lang 
in einen auf 60° C gestellten Brutschrank ge¬ 
bracht wurde. Um die erfolgte Abtötung fest¬ 
zustellen, wurden 5 Bouillonröhrchen mit je 
einer Platinöse voll jener auf 60° C gehaltenen 
Kultur beimpft und 3 Tage bei 36° C ge¬ 
halten. Da alle Röhrchen steril geblieben 
waren, konnte angenommen werden, dass die 
Abtötung erfolgt sei. Es wurden nun mit der 
so behandelten Bouillonkultur Mäuse geimpft 
bezw. gefüttert. 

VI. Versuch. 

Kon trollmaus 16 erhielt 0,4 cbnn 28 Tage alter, nicht 
„ 17 „ 0,6 „ > ahgetöteter Bouillon- 

„ 18 „ 0,8 * J kultur subkutan. 

Sämtliche 3 Mäuse starben innerhalb 
24 Stunden. Die Virulenz der Kultur stand 
somit ausser Zweifel. 

VII. Versuch. 

Maus 19 bekam 0,4 cbcm 

* 20 „ 0,6 „ 

„21 „ 0,8 bei 6oo q abgetöteter 

„22 „ 1,0 „ Bouillonkultur subkutan. 

„ 23 „ 1,6 „ 

* 24 „ 2,0 „ 

Die Mäuse zeigten sich zwar einige Stun¬ 
den weniger munter, frassen wenig und hatten 
gesträubtes Haar, erholten sich aber bald 
wieder. 

Der Versuch wurde wiederholt mit einer 
2 Tage alten Bouillonkultur bei drei Mäusen 
und einem Meerschweinchen. 

Maus 25 erhielt 1,0 cbcm \ _ 

2 Tage alter, bei 
„26 „ l, 6 * I 60°Cabgetöteter 

* 27 „ 2,0 „ I Bouillonkultur 

das Meerschweinchen * 2,5 „ f subkutan. 

Die Mäuse waren etwa 10 Stunden krank, 
das Meerschweinchen dagegen zeigte keine 
Störungen des Allgemeinbefindens. 

VIII. Versuch. 

Maus 28 \ erhielten mit der bei 60° C abgetöteten 
„ 29 \ 28 tägigen Kultur benutztes Brot als 

„ 30 J Futter. 

Erfolg wie bei II, III, IV, V und VII. 

Aus den Versuchen VII und VIII ergibt 
sich, dass bei 60° C abgetötete Bouillonkul¬ 
turen Mäuse selbst in grossen Dosen nicht zu 
töten vermögen, mithin in ihrer Wirkung sich 
ebenso verhalten wie Kulturen, welche bei 
strömendem Wasserdampf abgetötet waren. In 
ähnlicher Weise wurden Versuche angestellt 
mit Kulturen, welche bei 50° C abgetötet 


waren. Es dienten hierzu vier 10 Tage alte 
Bouillonkulturen. Nachdem deren Virulenz 
durch Impfung festgestellt war, wurden die 
Kulturen 8 Stunden in den auf 50 0 C gestellten 
Brutschrank gebracht. Die darauf vorgenom¬ 
mene Aussaat ergab, dass die Kulturen sicher 
abgetötet waren; dieselben wurden nun zu 
Impf- und Fütterungsversuchen verwandt. 

IX. Versuch. 

Kontrollmaus 31 erhielt 0,2 cbcm 

„ 32 „ 0,4 „ 

„ 33 „ 0,6 „ 

„ 34 „ 0,6 * 

Die Tiere starben sämtlich innerhalb 
48 Stunden. 


jener 

Bouillonkultur. 


X. Versuch. 

Maus 35 erhielt 0,2 cbcm 


T» 

36 

„ 

0,4 

„ 



n 

37 

„ 

0,6 

n 



rt 

38 

n 

0,8 

n 



„ 

39 

n 

1.0 

„ 



„ 

40 

„ 

1,0 

„ 



„ 

41 


1,2 

n 

, obiger 

bei 50° C. abge- 

„ 

42 

„ 

1,4 

ft 

töteler 

Bouillonkulturen. 

n 

43 

„ 

1,6 

„ 



n 

44 

„ 

1,8 

„ 



„ 

45 

„ 

2,0 

„ 



n 

46 

1t 

2,0 

ft 



r> 

47 

» 

2,0 

r 




Maus 47 starb. Die Milz derselben war 
geschwollen, sonst fehlten krankhafte Ver¬ 
änderungen. Die aus der Milz angelegten Kul¬ 
turen blieben steril. Von den übrigen Mäusen 
waren No. 43—46 einige Stunden deutlich 
krank, während bei 35—42 Krankheitserschei¬ 
nungen kaum beobachtet wurden. 


XI. Versuch. 

Den Mäusen 48, 49 und 50 wurde Brot, 
welches mit einer zu vorigem Versuche be¬ 
nutzten Kultur begossen war, als Nahrung 
vorgesetzt. 

Diese drei Mäuse zeigten keine Krankheits¬ 
erscheinungen. 

Es hat somit die Abtötungstemperatur der 
Kulturen keinen wesentlichen Einfluss auf 
deren physiologische Wirkung. 

Endlich wurde festgestellt, wie sich die 
Bacillen bei der Wurstfabrikation verhalten. 
Zu diesem Zwecke habe ich Leberwürste von 
verschiedener Dicke durch einen Metzger in 
meinem Laboratorium anfertigen lassen, den 
Wurstbrei künstlich infiziert, die Würste 
kochen lassen und diese dann auf ihre Giftig- 


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Heft 8. 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


189 


keit durch den Fütterungsversuch geprüft. Es 
kam mir namentlich darauf an, festzustellen, 
ob die Bacillen bei der in hiesiger Gegend 
üblichen gewerbsmässigen Herstellung der 
Würste in diesen lebensfähig bleiben oder nicht. 
Die Metzger bezeichnen die*Lieberwürste näm¬ 
lich schon als genügend gekocht, wenn letztere 
bei diesem „Kochen“ in die Höhe kommen und 
nach dem Einstechen mit einer Nadel rote 
Flüssigkeit aus der Einstichöffnung nicht mehr 


austritt. Bei dem gewerbsmässigen „Kochen“ 
der Würste wird die Siedetemperatur nicht 
erreicht, weil sonst zu viele Würste platzen 
würden. Gewöhnlich geschieht das Wurst¬ 
kochen bei einer Temperatur von 75—90° C. 
Das Verfahren ist eigentlich nur ein Brühen. 

Die Versuche wurden mit virulenten 
Bouillonkulturen und deren Filtrat angestellt. 
In nachstehender Tabelle sind diese zusammen¬ 
gestellt. 



® £ 


Dicke 

Dauer 

II 




1 ® 1 


d 

9 


Lfd. 

No. 

11 
P 

Bestandteile der 
Wurst 

der¬ 

selben 

cm 

der Er¬ 
hitzung 
Minut 

Tempera 
in oc 

Beschaffenheit der Wurst 
nach dem Kochen 

Anzahl c 
Mäuse 

o 1 

Q ® 

n S 

! i 

CO 

9 

0 

Bemerkungen 

1 

27/11 

( Leber von fötalem 

2'/, 

15 

80 

feste Konsistenz, Schnittfl. grau 

2 

28/11 

— 

1 Die Mäuse 

2 


| Kalbe, Rinder- 


10 

80 

n 

n 

n » 

2 

28/11 

—■ 

J blieben leben 

3 


l darin 


5 

78 

weiche 

n 

. rot 

2 

28/111 

30/11 

j Die Würste 

4 




5 

76 

n 

n 

n n 

2 

28/11 

30/11 

l waren 




Vom Metzger naoh n 







I aufgestiegen 

5 



Gutdünken heraus* > 

feste 

n 

* grau 

2 

28/11 

30/11 

) 

6 

29/11 

( Schweineleber, 

< Semmel, Salz, Ge- 

genomn 

3.-37, 

nen 

15 

85 

n 

fl 

gleichm. 
" rötl. grau 

2 

1/12 

5/12 

do. 

/Die Wurst war 

7 


l würz, Rinderdrm. 


12 

95 

rt 

fl 

rr n 

2 

1/12 

3/12 

|3 Min. nach dem 
S Aufsteigen her- 
I ausgenommen 

8 


do. 


12 

97 

n 


n r> 

2 

1/12 

4/12 

Siedetemperat. 

9 

1/12 

( Schweineleber u. 

37,-4 

15 

70 

auss.hartu grau, inn.weich u. rot 

2 

1/12 

5/12 


10 


1 Lunge, Sch weine- 


20 

70 

weiche Kons., Schnittfl. graurot 

2 

1/12 

5/12 




l mastdarm 











11 

3/12 

do. 

37,-4 

30») 

80 

feste 

n 

n grau 

2 

5/12 

8 u 





*) Vom Metzger 
nach Gutdünken her- 






9/12 





ausgenommen. 







9 bis 

eine Maus blieb 

12 




23 

90 

n 

m . 

fl ft 

2 

5/12 

10/12 

j leben 

13 

19/12 

i Rinderleb. u.Lun- 

4 

30 

90 

«i 

n 

n n 

2 

19/12 

— 


14 


\ge, Rinderdarm 


40 

90 


n 

n rt 

2 

19/12 

— 

Die Mäuse 

blieben leben 

15 


f versetzt m Filtrat 


15 

85 

weiche 

n 

rot. Saft, rötlich¬ 
graue Schnittfl. 

2 

19/12 

— 

16 


l ein. Bouillonkult 


23 

90 

fl- 

m 

SchnittfLgraurötl. 

2 

19/12] 

— 



Nach vorstehenden Versuchen erwiesen 
sich die Würste nur dann als schädlich, wenn 
ihnen virulente Bacillen, unschädlich jedoch, 
wenn ihnen das Filtrat virulenter Kulturen 
beigemengt war, oder wenn sie, ihrer Dicke 
entsprechend, lange genug gekocht waren. Bei 
dünnen Würsten genügte eine 10 Minuten lange 
Einwirkung von 80° C, um sämtliche Bacillen 
abzutöten, während bei dicken Würsten selbst 
eine halbstündige Einwirkung dieser Tem¬ 
peratur zu obigem Zwecke nicht ausreichte. 
Dicke Würste wurden vielmehr erst nach halb¬ 
stündigem „Kochen“ bei 90 0 C unschädlich. 
Die Farbe und die Konsistenz der Würste war 
auch in den Fällen, in welchen die Würste 


krankmachend wirkten, eine durchaus normale; 
die schädlichen Würste waren auch aufgestie- 
gen und hatten beim Einstechen farblosen Saft 
aus den Einstichöffnungen entleert, andrer¬ 
seits hatten andere Würste, welchen virulente 
Bacillen nicht beigemengt waren, jene Bedin¬ 
gungen nicht erfüllt, und sich trotzdem als 
unschädlich erwiesen. 

Aus letzteren Versuchen muss daher ge¬ 
folgert werden, dass die Konsistenz und das 
Aussehen gekochter Leberwürste keinen 
sicheren Schluss auf deren Genusstauglichkeit 
zulassen, und dass bei dem gewerbsmässigen 
„Kochen“ der Würste in letzteren enthaltene 
Krankheitserreger nicht sicher zerstört wer- 


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190 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


3. Jahrgang. 


den. Es ist also auch bei halbstündigem Kochen 
der Würste die Gefahr einer späteren Fleisch¬ 
vergiftung keineswegs ausgeschlossen. 

Nach den vorstehenden Ausführungen 
hatte die im Kreise Eupen beobachtete Fleisch¬ 
vergiftung hinsichtlich ihres Auftretens grosse 
Aehnlichkeit mit den von Pfuhl, Wesenburg 
u. a. beschriebenen Proteosen. Die in der un¬ 
tersuchten schädlichen Wurst nachgewiesenen 
Bacillen gehören ihrer biologischen, morpho¬ 
logischen und besonders ihrer biochemischen 
Eigenschaften wegen zweifellos der Proteus¬ 
gruppe an. Die Frage, ob diese Wurstbacillen 
als besondere Proteusart oder nur als Stamm 
von Proteus vulgaris, s. Bacterium vulgare an¬ 
zusprechen sind, kann zurzeit, wo unsere Kennt¬ 
nisse über die Proteusbakterien noch lücken¬ 
haft sind, und die Ansichten der Autoren über 
deren Klassifikation sehr auseinandergehen, 
natürlich noch nicht mit Sicherheit entschieden 
werden. Jedenfalls sind die in der Wurst ge¬ 
fundenen Bacillen mit zwei zum Vergleich 
herangezogenen Stämmen von Proteus vulgaris 
verschiedener Herkunft, wie die Serumreaktion 
ergab, nicht identisch. Auch war die Strahlen¬ 
bildung der Gelatinekolonien bei den Wurst¬ 
bacillen viel deutlicher ausgesprochen als bei 
den beiden Proteusstämmen. Nie wurden in 
den Bouillonkulturen der ersteren Randbeläge 
beobachtet, wie bei Proteus vulgaris. Durch 
ihr Wachstum auf Gelatine unterscheiden sich 
die Wurstbacillen auch von Proteus mirabilis, 
einer abgeschwächten Varietät von Bacterium 
vulgare, durch ihr Peptonisierungsvermögen 
von Proteus Zenkeri, durch die Abwesenheit 
von Indol von dem Pfuhlschen und durch ihr 
Verhalten zu Milch von dem Wesenbergschen 
Proteus. Proteus septicus (Babes) färbt sich 
nach Gram und bildet auf Kartoffeln hell¬ 
bräunliche Auflagerungen, Proteus letalis 
(Babes) peptonisiert nicht, Bacillus septicus 
putidus (Roger) koaguliert Milch nicht und 
wächst auf Gelatine nicht strahlig, ist somit 
von dem meinigen verschieden. Auch mit den 
von Weber gezüchteten drei Proteusstämmen 
sind meine Bacillen nicht identisch, weil sie 
kein Nitrit bilden, Gelatine nicht schmutzig rot 
färben, und Trauben- sowie Rohrzucker ver¬ 
gären. Die von mir beschriebenen Bacillen 
scheinen somit anderweitig noch nicht gefun¬ 
den zu sein und ich bin daher geneigt, die¬ 


selben als eine besondere Art anzusehen, für 
die mir die Bezeichnung Proteus radians am 
geeignetsten erscheint. 

Literatur. 

1. Müller, Das Wurstgift. Deutsche Klinik 
1869 u. 1870. 

2. Hußemann, Wurstgift, Realenzyklop, der 
ges. Heilkunde, 1883, Bd. XV. Deutsche Klinik 
1864. 

Handbuch der Toxikologie 1864. 1. Hälfte 

S. 327. 

3. Böhm, Handbuch der Intoxikationen — von 
Ziemssens Handbuch der Pathologie und The¬ 
rapie. 

4. Senkpiehl, Ueber Massenerkrankungen 
nach Fleischgenuss etc. Inaug. Diss. Berlin 
1887. 

5. Roth, Zwei Fälle von Wurstvergiftung 
(Botulismus). Vierteljahresschr. f. ger. Med. 
u. öff. Sanitätsw., 1883, Bd. 39. 

6. Uhlrich, Fünf Fälle von Fleischvergiftung 
in einer Familie. Klin. Monatsbl. f. Augenheil¬ 
kunde, Juli 1882, Jahrg. XX. 

7. Groenouw, Fünf Falle von Akkommoda¬ 
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Mai 1890, Jahrg. 28. 

8. de Vischer, De Timportance des ptomai'nes 
pour la m6dicine 16gale. Verh. des X. intern, 
med. Kongr., Bd. V. 

de Vischer, Remarques au sujet de deux 
empoißsonnemente ptoma'miques. Ann. Soc. 
m4d. 14g. de Belgique 2. Ann., 1890. 

9. van Emenghem, Ueber einen neuen an¬ 

aeroben Bacilluß und seine Beziehungen zum 
Botulismus. Zeitschr. für Hygiene und Inf., 
Bd. XXVI. i 

10. Salchow, Ueber einen ungewöhnlichen 
Symptomenkomplex bei angeblicher Fleisch¬ 
vergiftung. Inaug. Diss. Berlin. 

11. Bollinger, Ueber Fleischvergiftung, intest. 
Sepsis u. Abdominaltyphus. München 1881. 
Bayer, ärztl. Intell.-Bl., 1881. 

Bollinger, Ueber Verwendbarkeit des an 
Infektionskrankheiten leidenden Schlachtviehs. 
Vortrag a. d. 16. Verf. d. deutsch. Ver. f. öff. 
Gesundheitspflege. Braunschweig. 
Bollinger, Vortrag a. d. 4 Verf. d. deutsch. 
Ver. f. öff. Ges.-Pfl. Düsseldorf. 

12. Ostertag, Handbuch der Fleischbeschau. 
Stuttgart 1904. 

13. Gärtner, Ueber eine Fleischvergiftung in 
Frankenhausen und den Erreger derselben. 
Correspondenzblatt d. allgem. ärztl. Vereins v. 
Thüringen, 1888, No. 9. 

14. Johne, Eine Fleischvergiftung zu Bischofs¬ 
werda. Sonder-Abdr. a. d. S. Vet.-Ber. f. 1894. 

15. Karlinsky, Zur Kenntnis des Bac. ente- 
ritidis Gärtner. Centralblatt f. Bakt., Bd. VI, 
1889, No. 11. 


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Heft 8. 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


191 


16. Günther, Bakteriol. Unters, in einem Falle 
von Fleischvergiftung. Arch. für Hyg., Bd. 
XXVIII, Heft 2, 1897. 

17. Fischer, Ueber einige bemerkenswerte Be¬ 
funde bei der Unters, choleraverd. Materials. 
Dtsch. med. Wochenschr., 1893, No. 24. 

18. Lubarsch, Ein Fall von sept. Pneumonie 
etc. Virchows Arch., Band C XXIII. 

19. Zeitschrift für Fleisch- ( und Milchhygiene, 
1903, Heft 3, S. 101. 

20. Poels, Vleeschveigifting te Rotterdam. 
Weckbl. v. h. Nederl. Tijdsch. v. Geneesk. 
1893, Heft 5. 

Poels u. Nolen, Vleeschveigiftingen te 
Rotterdam. Handeling v. li. Med. Nat. en 
Geneesk. Congr. 1894. 

21. P o e 1 s u. D h o n t, Tijdschrift voor Veearts- 
nijk., 1892, 5. Lfg. 

22. Kruse, in Flügges Mikroorganismen. Leip¬ 
zig, 1896, Bd. II. 

23. Basenau, Weitere Beiträge zur Geschichte 
der Fleischvergiftungen. Arch. f. Hygiene, Bd. 
XXXII. 

24. G a f f k y u. P a a k, Ein Beitrag zur Frage 
der sog. Wurst- und Fleischvergiftungen. Arb. 
a. d. Kais. Ges.-Amt, Bd. VI. 

25. van Ermenghem, R6cherches sur les 
empoissonnements produits par de la viande 
de veau ä Moorseele. Bullmed. de Belgique, 
1892. 

26. Kaensche, Zur Kenntnis der Krankheits¬ 
erreger bei Fleischvergiftungen. Zeitschr. für 
Hygiene u. Inf., Bd. XXII. 

27. Holst, Bakt. Underaölgelser etc. Norek. 
Mag. f. Läger, 1894, No. 9. Ref. Zeitschr. f. 
Fleisch- und Milchhygiene, 1895, S. 232. 

28. Silberschmidt, Ueber eine Fleischver¬ 
giftung. Correspondenzbl. f. Schweizer Aerzte, 
1896, No. 8. 

29. Hermann, Arch. de med. exp. et de l’ana- 
tomie pathol., Bd. XI, 1899, No. 4. 

30. Basenau, Ueber eine im Fleisch gefundene 
infektiöse Bakterie. Arch. f. Hyg., Bd. XX. 

31. Hamburger,, Bacillus cellulaeformans. 
Zeitschr. f. Fleisch- u. Milchhyg., Bd. VI, 
Heft 10. 

32. L e v y , Experimentelles und Klinisches über 
die Sepsinveigiftung etc. Arch. f. exp. Pathol. 
u. Pharmakol., 1891, Bd. XXXIV. Ref. Zeitschr. 
f. Fleisch- u. Milchhyg., Bd. V, No. 11. 

33. Silberschmidt, Ein Beitrag zur Frage 
der sog. Fleischvergiftung. Zeitschr. f. Hyg., 
Bd. XXX. Zentralbl. f. Bakt., 1896, Bd. XX. 

34. Pfuhl, Massenerkrankungen nach Wurst¬ 
genuss. Zeitschr. f. Hyg. u. Inf., Bd. XXXV. 

35. Schumburg, Wurstvergiftung, ebenda, 
Bd. XXI. 

36. Wesenberg, Ein Beitrag zur Bakteriologie 
der Fleischvergiftungen. Zeitschr. f. Hyg. u. 
Inf., Bd. XXVIII. 

37. Glücksmann, Hyg. Rundschau, 1899. 

38. Jäger, 0eitschr. f- Hyg. u. Inf., 1892. 


39. Johne, Ein mikroskopisch-bakteriol. Beitrag 
zur Frage der Fleischvergiftung. S. Vet.-Ber. 
f. 1886. 

40. K u b o r n, Ueber eine Fleischvergiftung, be¬ 
dingt durch Staphylococcus pyogenes flarus. 
Allgem. med. Centralzeitung, 1894, No. 94. 
Ref. Zeitschr. f. Fleisch- u. Milchhyg., 1895, 
S. 76. 

41. Brieger u. Kempner, Beitrag zur Lehre 
von der Fleischvergiftung. Deutsche med. 
Wochenschrift, 1897, No. 33. 

42. Römer, Ein Beitrag zur Aetiologie des Bo¬ 
tulismus. Münch, med. Wochenschr., 47. Jahr¬ 
gang, 1902, No. 29. Ref. Zeitschr. f. Fleiscli- 
u. Milchhygiene, 1902, S. 60 und 179. 

43. Hauser, Ueber Fäulnisbakterien, Leipzig, 
1885. 


Oeffentliches Veterinärwesen. 

Stand der Tierseuchen im Deutschen Reich 
am 15. Oktober 1905. 

Botz gelangte zur Feststellung in Preussen 
in 22 Gemeinden und 38 Gehöften, in Bayern 
und Sachsen-Weimar in je einem Gehöfte, in 
Sachsen in 2 Gemeinden und 2 Gehöften, 
zusammen somit in 26 Gemeinden und 42 
Gehöften. Die Aphthenseuche herrschte 
in je einer Gemeinde der Bezirke Breslau und 
Oppeln, Unterfranken und Neckarkreis, zu¬ 
sammen in 4 Gemeinden und 6 Gehöften. Die 
Schweineseuche einschliesslich der 
Schweinepest wurde zur Anzeige gebracht 
und festgestellt in 1489 Gemeinden und 
2020 Gehöften. 


Referate. 

Immunität und Schutzimpfung. 

R. Koch, Schütz, Neufeld, Miessner. Ueber die 
Immunisierung von Rindern gegen 
Tuberkulose. Archiv f. wiseensch. u. prakt. 
Tierheilkunde. 31. Band. 6. Heft. 

Die Möglichkeit, Rinder gegen experimentelle 
Infektion mit Tuberkuloso zu immunisieren, 
steht fest. Zur Immunisierung sind die verschie¬ 
densten Methoden angewandt worden. Die besten 
Resultate sind bisher durch die intravenöse Injek¬ 
tion lebender menschlicher (M) Tuberkelbacillen 
erzielt worden. Weiterhin sind Versuche, eine 
Immunisierung zu erreichen, gemacht worden mit 
Einspritzung von Stoffwechselprodukten der 
Tuberkelbacillen oder von toten Tuberkelbacillen, 
von lebenden den Tuberkelbacillen nahestehenden 
Mikroorganismen (Bacillen der Geflügel- und der 
Kaltblütertuberkulose) und von Tuberkelbacillen 
(R), deren Virulenz abgeschwächt worden ist. Einen 
beträchtlichen Grad von Immunität bei Rindern 


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192 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


3. Jahrgang. 


erreichte Mc. Fadyean durch die beiden zuerst 
angeführten Methoden. Die Ergebnisse, welche von 
Behring mit seiner Immunisierungsmethode erzielt 
hat, werden von den Verff. einer eingehenden 
Kritik unterzogen und als im allgemeinen recht 
unzureichend dargestellt. Was der Verff. eigene 
Versuche angeht, so gelang angeblich vollständige 
Immunisierung durch zwei Injektionen einer ab¬ 
geschwächten Kultur (R) bei einem Kalbe, welches 
nacli Verimpfung von 0,01 virulenter Kultur (R) 
gesund blieb, während das Kontrolltier auf die 
gleiche Dosis an akuter Miliartuberkulose der 
Lungen zugrunde ging. Eine grössere Anzahl von 
Kälbern wurde in systematischer Weise mit ver¬ 
schiedenen Tuberkelbacillenkulturen (M) oder mit 
abgeschwächten Bacillen (R) vorbehandelt und 
sämtlich durch intravenöse Injektion der in oben 
angeführtem Versuche verwendeten Kultur (R) auf 
ihre Immunität geprüft. Bei diesen Versuchen 
sollten die Fragen entschieden werden, wie viele 
Injektionen und welche Bakterienmengen zur Im¬ 
munisierung notwendig sind, wann die Immunität 
eint ritt und ob verschiedene Stämme der Bacillen 
(M) erhebliche Unterschiede bei der Immunisierung 
erkennen lassen. Zu den Versuchen wurden etwa ein 
halbes Jahr alte Kälber benutzt, bei denen die 
Tuberkulineinspritzung eine Steigung der Körper¬ 
temperatur nicht über 0,5° hervorrief. Die zweite 
Impfung wurde vorgenommen, wenn die Tiere sich 
von der ersten völlig erholt hatten, wozu etwa 
vier bis sechs Wochen erforderlich waren. Zur 
Prüfung der Immunität der Kälber wurden sämt¬ 
lichen Tieren 2 cg der oben bezeichneten Kultur 
(R) in die Venen gespritzt, von welcher schon der 
vierzigste Teil genügte, um bei Kontrollkälbern 
eine innerhalb zwanzig bis dreissig Tagen tödlich 
verlaufende akute Miliartuberkulose hervorzurufen. 
Was den Zeitpunkt angeht, an dem die Kontroll¬ 
einspritzung der letzten Impfung mit Bacillen (M) 
folgte, so lag bei sechs Kälbern ein Zeitraum von 
etwa vierzig Tagen zwischen beiden. Dieser Zeit¬ 
raum erwies sich als zu kurz nach Auffassung der 
Verff., die glauben, hierauf einen Teil der Miss¬ 
erfolge ihrer Versuchsreihe zurückführen zu müssen. 
Das vorbehandelte Kalb 6 ging dreissig Tage nach 
Einspritzung der Bacillen (R) an akuter Miliar¬ 
tuberkulose zugrunde. Zwischen der zweiten Im- 
munisierungs- und der Kontrollimpfung lagen sechs- 
unddreissig Tage. Ein zweites fast in derselben 
Weise vorbehandeltes Kalb blieb nach der Kontroll¬ 
einspritzung gesund. Aehnliches wurde auch bei 
zwei weiteren Kälbern beobachtet, von denen das 
eine nach der Kontrollimpfung gesund blieb, das 
andere ausgebreitete Tuberkulose der Lungen aqui- 
rierte. Die gesund gebliebenen Kälber hatten bei 
der ersten Vorbehandlung 2 cg, die erkrankten 1 cg 
Kultur erhalten. Hiernach ist anzunehmen, dass 
grössere Mengen der zur ersten Vorbehandlung be¬ 
nutzten Tuberkelbacillen eine reichlichere und 
schnellere Bildung von Schutzstoffen anregen als 


geringere Mengen. Auch durch einmalige intra¬ 
venöse Einspritzung von Tuberkelbacillen (M) ge¬ 
lang es, eine hohe Immunität zu erreichen. 

Profe. 

Jemma. Schutz vor der Tuberkulose 
mittels der Milch immunisierter 
Kühe. Pediatria 1904. No. 11. 

Verf. führte seine Untersuchungen an Kindern 
durch, die er mit Milch der gegen Perlsucht immu¬ 
nisierten Kühe ernährte. Die erwähnte Immuni¬ 
sierung fand im Institut Maragliano zu Genua statt; 
es wurde nämlich den Kühen das Tuberkulin samt 
den „entfetteten“ Tb-Bacillen oder der Wasser¬ 
auszug von lebendigen Bacillen eingespritzt. Diese 
Kuhmilch besass sowohl agglutinierende als auch 
antitoxische Eigenschaften. Sie wurde im rohen 
Zustande gereicht, da das Erhitzen bei 60° C. die 
enthaltenen Antikörper vernichtete. Tägliche Dosis 
betrug 500—1000 g. Die Kinder, welche mit dieser 
Milch ernährt wurden, bekamen gleichzeitig die 
Muttermilch — einige stammten von gesunden, 
andere von tuberkulösen Eltern. Verf. wollte sich 
überzeugen, ob die solcherweise gewonnene Milch 
agglutinierende Eigenschaften im Blutserum der 
mit derselben ernährten Kinder hervorzurufen im¬ 
stande wäre. Bei einigen Kindern zeigten sich 
leichte Verdauungsstörungen, die aber in kurzer Zeit 
verschwanden, so dass man die Ernährung mit Kuh¬ 
milch nicht einmal unterlassen brauchte. Bei ge¬ 
wisser Anzahl von Säuglingen beobachtete man 
aber sehr heftige Erscheinungen von toxischer 
Entheritis und sie mussten nachher ausschliess¬ 
lich mit Muttermilch ernährt werden. Mit Aus¬ 
nahme obiger Fälle bleiben 20 Observationen, deren 
11 die Kinder von gesunden, 9 von tuberkulösen 
Eltern betrafen. Die Untersuchungen dauerten 
6 Wochen bis 2tya Monate. Das Serum der von 
gesunden Eltern stammenden Kinder besass vor der 
Ernährung mit Kuhmilch keine Spur vom Agglu¬ 
tinationsvermögen, diese Erscheinung zeigte sich 
erst nach 15 Tagen der Kuhmilchernährung und 
vergrösserte sich täglich von 1:3 bis 1:10; nach¬ 
dem das Agglutinationsvermögen dieses Maximum 
erreichte, wuchs es nicht mehr, obgleich die Kinder 
auch fernerhin mit der Kuhmilch ernährt wurden. 

Um sich zu überzeugen, wie lange das Agglu¬ 
tinationsvermögen des Serums dauert, hatte der 
Verf. aufgehört, die Kinder mit der Kuhmilch zu 
ernähren. Es zeigte sich, dass nach einem Monate 
gar keine Spur von Agglutininen im Blute zu 
finden gewesen. Aehnlich verhielt sich die Sache 
auch bei den Kindern tuberkulöser Eltern, nur war 
bei ihnen die Agglutinationskraft etwas grösser 
(1:15 bis 1:20) und dauerte etwas länger nach 
der Kuhmilchentziehung. 

Die obigen Forschungen haben bewiesen, dass 
die durch Milch hervorgerufene Immunität recht 
kurz dauert und keineswegs geeigneter Weg ist, die 
Kinder vor der tuberkulösen Infektion zu schützen. 

Baczynski. 


Für d. Redaktion verantworte Kreistierarzt Dr. O. Profö, Cöln a. Rh., Hansaring 60. Druck von Pass & Qarleb G.m.b.H., Berlin W.36. 
Verlag und Eigentum: Louis Marous Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 61. 


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Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 

3. JAHRGANG. DEZEMBER 1905. HEFT 9. 


Bericht vom VIII. internationalen 
tierärztlichen Kongress. 

(Schluss aus Heft 8.) 

In der Vormittagssitzung der Sektion für 
Pathologie wurde über das Thema: Die durch 
tierische Parasiten erzeugten toxischen Stoffe 
verhandelt. Dem Referat von Linstow 
(Döttingen) hierzu sei folgendes entnommen: 

Viele Helminthen, besonders Cestoden und 
Nematoden, enthalten ein Toxin (Leukomai'n 
oder Ptomain), welches in den Wirten eine Zer¬ 
störung der roten Blutkörperchen und Reduk¬ 
tion des Hämoglobins hervorruft; es entsteht 
eine hochgradige Anämie mit Poikilocytose, 
Auftreten von kernhaltigen roten Blutkörper¬ 
chen und Megaloblasten; die Rollenbildung der 
roten Blutkörperchen fehlt; die farblosen Blut¬ 
körperchen können vermehrt sein, immer aber 
zeigt sich Eosinophilie derselben. 

Das Toxin ist ein Blutgift und bedingt 
einen pathologischen Eiweisszerfall der Ge¬ 
webe; im Harn wird viel mehr Stickstoff aus¬ 
geschieden, als dem Körper an Nahrung zu- 
geluhrt wird; die Ausscheidung der Purin- 
Körper ist hochgradig gesteigert, es muss also 
ein erhöhter Zerfall der kernhaltigen Gewebe 
statt finden. Das Blut ist die hauptsächlichste 
Quelle der im Harn erscheinenden Stickstoff- 
vorluste. Das Toxin ist auch ein Protoplasma¬ 
gift; es ruft eine Verfettung des Herzens, der 
Leber, der Nieren, der Muskulatur und Milz¬ 
anschwellung hervor. 

Nach Entfernung der Parasiten aus dem 
Körper und des Toxins aus dem Blute wird die 
Eiweissnahrung wieder assimiliert, die Eiweiss¬ 
ei nschmelzung hört auf, die roten Blutkörper¬ 
chen nehmen schnell an Zahl zu bis zur Norm, 
die Eosinophilie der weissen schwindet ; war die 
Toxinwirkung eine zu lange anhaltende oder 
eine zu heftige, so tritt der Tod ein. 

Perroncito (Turin) führte aus: Die 
Beobachtungen und Experimente, die man bis 
in die neueste Zeit über die von tierischen Para¬ 
siten erzeugten toxischen Stoffe angestellt hat, 
liefern den Nachweis, dass die tierischen Para¬ 


siten als fremde Organismen im Wirttiere leben 
und einerseits durch die Entziehung der Nah¬ 
rungsstoffe derselben, andererseits aber durch 
die von ihnen ausgeschiedenen Stoffe eine schäd¬ 
liche Wirkung ausüben. Demungeachtet ist es 
notwendig, über jede Ordnung, jede Gattung 
und Art der Parasiten neuere Studien anzu¬ 
stellen, um die Natur und das Benehmen jeder 
Parasitenart mit grösster Genauigkeit bestim¬ 
men zu können. 

Blanchard (Paris) führte aus: Die 
Art der von den Eingeweide-Würmern produ¬ 
zierten Toxine und deren Einwirkung auf den 
Organismus des Wirtes sind trotz mehrfacher 
Untersuchungen noch nicht genau genug be- 
kamnt. Die Blutparasiten erzeugen gelöste 
Stoffe, die unmittelbar in das Blut übergeführt 
werden. Geringe Mengen dieser toxisch wir¬ 
kenden Stoffe werden durch die Nieren elimi¬ 
niert. Sobald grössere Mengen der Toxine ge¬ 
bildet werden, findet eine ausreichende Aus¬ 
scheidung aus dem Körper nicht mehr statt, 
und es machen sich mehr oder minder heftige 
Einwirkungen der giftigen Substanzen auf den 
Organismus bemerkbar, wie dies in besonders 
eigentümlicher Weise bei der Schlafkrankheit 
zu l)eobachten ist. Es ist nachgewiesen, dass 
die Flüssigkeit der in den Bindegeweben ge¬ 
legenen Parasiten, z. B. der Cestoden, Toxine 
enthalten. Es ist wünschenswert, dass weitere 
Untersuchungen zur Aufklärung der Toxine 
von Eingeweidewürmern ausgeführt werden. 


Das nächste zur Verhandlung gelangende 
Thema war: „Neue Erfahrungen über die 
Infektion der Menschen mit Tierkrankheiten, 
mit besonderer Rücksicht auf einzelne Gewerbe¬ 
treibende.“ Professor Babes (Bukarest) kam 
nach einer längeren Ausführung zu dem fol¬ 
genden Resümee: Die Zahl der von unseren 
Haustieren auf den Menschen übertragbaren 
Krankheiten ist durch neuere Forschungen 
bedeutend vermehrt worden, während manche 
früher hierher gezählten Krankheiten ausge¬ 
schieden werden mussten. Eine der am liäufig- 


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194 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


3. Jahrgang. 


sten auf den Menschen übertragenen Tierkrank¬ 
heiten ist der Milzbrand, bei dem das Ein¬ 
dringen von Keimen auch durch die unverletzte 
Schleimhaut ins Auge zu fassen ist und durch 
die unverletzte Haut mittels der Haarfollikel. 
Es sind deshalb auch in Laboratorien sorg¬ 
fältige Massnahmen zum Schutze der Arbei¬ 
tenden und der Diener zu treffen. Als die 
wichtigsten, auf den Menschen übertragbaren 
Krankheiten sind die von einer Gruppe typhus¬ 
ähnlicher Bacillen verursachten anzusehen, 
welche gewöhnlich durch das Fleisch auf den 
Menschen übertragen werden. Es ist festge¬ 
stellt, dass es eine Serie intermediärer Mikro¬ 
ben zwischen Coli, Hogcholera und ähnlichen 
gibt, welche sowohl spezifische, als auch sep¬ 
tische, pyämische oder sekundäre Erkrankun¬ 
gen beim Menschen verursachen können und 
zum Teile bei Tieren Vorkommen; dieselben im¬ 
ponieren durchaus nicht immer als Fleischver¬ 
giftungen, auch wenn dieselben Enteritis¬ 
bacillen agglutinieren. Jedenfalls müssen wir 
in solchen Fällen einerseits in der Interpretie¬ 
rung der Seroreaktion vorsichtig sein, anderer¬ 
seits aber auch mit der Möglichkeit einer häu¬ 
figen, wenn auch schwer nachweisbaren Er¬ 
krankung durch tierische Produkte rechnen. 
In bezug auf die Wut ist festzuhalten, dass 
der Erfolg der Pasteurschen Impfung zu 
keiner milderen Gestaltung der veterinär-poli¬ 
zeilichen Bekämpfungsmassregeln führen darf, 
letztere sind im Gegenteil fortgesetzt auf das 
Schärfste zu handhaben. Infektionen durch die 
intakte Schleimhaut sind nicht beobachtet, ihre 
Möglichkeit ist auch durch zahlreiche Versuche 
nicht erwiesen worden. Es ist experimentell 
festgestellt, dass bei infizierten Hunden die 
Wut zum Ausbruch kommt, dass dann die 
Symptome verschwinden, die Tiere wieder ge¬ 
sund erscheinen, und dass nach einiger Zeit 
wieder manifeste Tollwut beobachtet wird. Die 
Schutzimpfung der Hunde kann nicht emp¬ 
fohlen werden, da sie noch zu wenig sicheren 
Resultaten führt. 

An der Diskussion, welche besonders die 
Febertragung von Krankheiten durch den 
Genuss von Fleisch der Kälber mit Enteriten 
behandelte, beteiligten sich ausser dem Refe¬ 
renten besonders de J on g und Stubbe. 

Der zweite Referent hierfür, v. Szeged y- 
M a s z a k (Budapest), kam aut Grund s iner 
Ausführungen zu folgenden Schlüssen: 


Die Krankheiten, welche nach den bis¬ 
herigen Erfahrungen durch Tiere auf den 
Menschen übertragen werden, sind die folgen¬ 
den : Tuberkulose, Anthrax, Tollwut, Malleus, 
Aphthenseuche, Trichinose und nach neueren 
Erfahrungen der Schweinerotlauf und die 
Botryomykose. 

Die Uebertragung der Tuberkulose vom 
Rinde auf den Menschen wird — wie bekannt — 
von der Mehrheit der Forscher angenommen. 
Die gegenteilige Ansicht vertreten Robert Koch 
und seine Anhänger. Die Frage ist sowohl 
vom sanitären wie auch vom nationalökono¬ 
mischen Standpunkte aus wichtig. Die Erfah¬ 
rungen sprechen dafür, dass die Tuberkulose 
des Menschen und des Rindes durch dieselben 
pathologischen Keime verursacht wird, da in 
zahlreichen Fällen beobachtet wurde, dass die 
Krankheit vom Tier auf den Menschen auf fol¬ 
gende Weise übertragen werden kann: 

1. es wurde beobachtet, dass die sich mit 
Rindern beschäftigenden Landwirte und Kuh¬ 
melker an Tuberkulose erkrankten; 2. durch 
Hautverletzungen, welche beim Abschlachten, 
Enthäuten, Zerstückeln oder bei der Sektion 
tuberkulöser Tiere Vorkommen, kann Haut¬ 
tuberkulose entstehen; solche Krankheiten 
ziehen sich Tierärzte, Metzger oder die An¬ 
gestellten von Schlachthäusern zu; 3. der Kon¬ 
sum von Milch tuberkulöser Kühe, sowie der 
hiervon bereiteten Butter kann primäre Darm¬ 
tuberkulose verursachen. 


Der Milzbrand wird von kranken Tieren 
— Rindern, Schafen - oder von an dieser 
Krankheit verendeten, bezw. wegen dieser 
Krankheit geschlachteten Tieren, auch durch 
einzelne Teile dieser Tiere auf den Menschen 
übertragen. Vom kranken Tier geht sie auf die 
sie pflegenden Menschen über, also auf Schäfer. 
Wärter, Kutscher, von den Tierkadavern auf 
Wasenmeister, Metzger, Tierärzte; durch die 
zur Aufarbeitung gelangenden infizierten 
Haare auf Pferdehaarweber und auf die An¬ 
gestellten der Bürsten- und Pinselfabriken und 
der Wollsortieranstalt.cn, auch auf die Weber 
und Kürschner: durch die Häute auf die 
Gerber und Angestellten der Lederfabriken. 

Die Tollwut (lyssa) wird hauptsächlich auf 
Leute übertragen, die infolge ihrer Beschäf¬ 
tigung sich häufig auf Strassen und Feldern 
befinden, wie Arbeiter, Taglöhner, Feldarbeiter. 
Die Krankheit kann aber auch dadurch über- 


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Heft 9. 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


195 


tragen werden, dass der Speichel des kranken 
Tieres auf eine verletzte Stelle des Menschen 
gelangt oder dass ein derart Verletzter mit 
den kranken Teilen, hauptsächlich aber mit den 
Nerventeilen eines tollwutkranken Tieres in 
Berührung kommt. 

Die Rotzkrankheit wird zumeist durch Be¬ 
rührung mit den infizierten Teilen kranker 
oder an dieser Krankheit verendeter Tiere auf 
den Menschen übertragen, zumeist auf Iteilte, 
die infolge ihrer Beschäftigung häufiger mit 
solchen Tieren oder mit deren Kadavern zu tun 
haben; auf Tierärzte, Kutscher, Wasenmeister, 
seltener auf Soldaten oder Pferdemetzger. 

Die Aphthenseuche ist hauptsächlich eine 
Krankheit des Rindes; auf den Menschen wird 
sie unmittelbar und durch den Konsum tieri¬ 
scher Produkte — Milch, Käse, Butter — 
kranker Tiere übertragen. Es erkranken haupt¬ 
sächlich die Meiereibesitzer, Kuhmelker, das 
Milchwirtschaftspersonal und die Konsumenten 
der Milch und der Milchprodukte. Die Krank¬ 
heit ist nicht selten, aber da die Fälle zumeist 
sehr milde verlaufen, so werden sie selten 
beobachtet; schwächere Individuen und Säug¬ 
linge können aber auch daran sterben; es kamen 
auch Epidemien mit mehreren Todesfällen vor. 

Die Pathogenität des Bacillus des 
Schweinerotlaufs auf den Menschen wurde erst 
in neuerer Zeit beobachtet. Der Konsum des 
Fleisches kranker Tiere ist nach den bisherigen 
Erfahrungen dem Menschen unschädlich; es 
wurde aber öfter beobachtet, dass sich bei Ver¬ 
letzungen, welche während des Impfens kranker 
Tiere zugezogen wurden, Symptome eines 
lokalen Rotlaufes entwickelten; in der Lite¬ 
ratur ist auch ein Fall verzeichnet, dass ein 
Metzger, der sich bei Zerstückelung eines wegen 
Schweinerotlauf geschlachteten Schweines den 
Finger verletzte, an dieser Krankheit er¬ 
krankte. 

Die Botryomykosis geht wohl nur selten 
auf Leute über, die sich mit Pferden beschäf¬ 
tigen, wie Stallburschen und Kutscher. Die 
meisten Autoren bestreiten aber, dass es sich 
hierbei um eine spezifische Infektion gehandelt 
habe. 

Die Trichinose ist besonders früher nicht 
selten gewesen, eine wenn auch geringgradige 
Epidemie wurde in Ungarn im Jahre 1891 
beobachtet. 


Eine besondere, auf diesem Kongresse zum 
ersten Male gebildete Sektion für Tropen¬ 
krankheiten hatte als ersten Gegenstand die 
tropischen Krankheiten der Haustiere auf ihre 
Tagesordnung gesetzt. Von besonderem Inter¬ 
esse waren die Mitteilungen von T heiler 
(Prätoria), welche nachstehend eingehender 
wiedergegeben sind. 

Als zu den Krankheiten warmer Länder 
nicht zugehörend, müssen alle jene Zoonosen 
ausgeschlossen werden, die auch in den ge¬ 
mässigten und kälteren Zonen Vorkommen. Es 
sind dies namentlich Milzbrand, Rauschbrand, 
Tetanus, septicämische Hämorrhagie. Diese 
Krankheiten kommen in gewissen Gebieten der 
warmen Himmelsstriche in grosser Häufigkeit 
vor. Andererseits gibt es in den warmen Län¬ 
dern Seuchen und Krankheiten, die anfänglich 
als charakteristisch für diese gehalten wurden, 
so das Texasfieber, eine durch einen endoglobu- 
lären Parasiten erzeugte Krankheit, die durch 
Zecken verbreitet wird. Auch in Europa fand 
man bei der Rinderhämoglobinurie, dass auch 
hier Ursache und Ansteckungsmodus ähnlich 
sind. Man fand die Piroplasmosis des Hundes 
in Süd-Afrika, die Piroplasmosis des Pferdes 
in Italien. In warme Länder zurückgezogen 
haben sich Krankheiten, die früher in Europa 
bekannt waren, so die Beschälseuche des 
Pferdes, die Pocken der Schafe, die Barbone 
des Büffels. Der Umstand, dass zunächst in 
w armen Ländern genauer beschriebene Krank¬ 
heiten auch in Europa gefunden werden, kann 
nicht als Einwand gelten, dass sie deshalb 
als nicht tropisch gelten müssen. Es ist wahr¬ 
scheinlich, dass es sich hier um Varietäten 
oder vielleicht Spezies verschiedener Parasiten 
handelt, namentlich gilt dies von den endo- 
globulären Protozoen. Die Actinobacillosis 
wurde von Lignieres und Spitz in Argentinien 
und von Leelainche und Nocard auch in Frank¬ 
reich gesehen. Die epizootische Lymphangitis 
der Pferde wird heutzutage vornehmlich in 
wärmeren Gegenden gefunden, nachdem sie 
früher auch in kälteren Himmelsstrichen be¬ 
kannt gewesen war. Neuerdings ist sie von 
Süd-Afrika aus nach England eingeschleppt 
worden. Rein kontagiöse Seuchen, wie Rinder¬ 
pest, Lungenseuche und Rotz, dürfen wir nicht 
als spezifische Krankheiten warmer Länder auf¬ 
fassen; und doch sind diese Seuchen gerade 


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196 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


3. Jahrgang. 


in den tropischen und subtropischen Gebieten 
jahrhundertelang zu Hause oder haben sieh 
innerhalb geschichtlicher Zeit eingebürgert. 

Das Kontagium der Rinderpest wird 
ausserhalb des tierischen Körpers leicht zer¬ 
stört, und gerade die Wärme und die Sonne 
vernichten den unsichtbar kleinen Mikrol>cn 
in kürzester Zeit. Aehnliebes gilt für das Kon- 
tagiuni der Lungenseuche und für den Rotz¬ 
bacillus. Das Vorkommen und die Verbreitung 
der genannten Seuchen steht in gewissem Ver¬ 
hältnis zum Kulturzustand eines Viehzucht 
treibenden Volkes. Den Seuchen und Krank¬ 
heiten, die man hauptsächlich in den exotischen 
warmen Gegenden findet, ist folgendes Schema 
zugrunde zu legen: 

1. Krankheiten durch pflanzliche Orga¬ 
nismen verursacht. 

2. Krankheiten durch ultravisible Orga¬ 
nismen verursacht. 

3. Krankheiten durch tierische Parasiten 
verursacht. 

1. Krankheiten durch pflanzliche Organismen 
verursacht. 

Aus der Gruppe der hämorrhagischen 
Septikämie ist hierher die infektiöse Pneu¬ 
monie der Ziegen zu rechnen, deren Heimat 
Kleinasien und Vorderindien zu sein scheint. 
Es ist offenbar dieselbe Krankheit, welche im 
.Jahre 1881 mit Angora-Ziegen nach der Kap 
kolonie eingeschleppt wurde, jedoch getilgt 
werfen konnte. In Argentinien und Ghili 
existiert eine Krankheit unter dem Rindvieh, 
lokal als „enteque“ bekannt, die von Lignieres 
als eine Pasteurellosis bezeichnet wird, also 
zur Gruppe der hämorrhagischen Septikämie 
gehört. Vorläufig kann man diese Krankheit 
als rein exotisch auf fassen, bis nachgewiesen 
sein wird, was zu vermuten ist, dass sie wie 
die Zoonosen der Gruppe der hämorrhagi¬ 
schen Septikämie überall vereinzelt Vorkommen 
kann. 

Soweit bekannt, existiert keine andere 
durch vegetabilische Organismen verursachte 
Krankheit, die ausschliesslich an die wärmeren 
Gegenden gebunden wäre. Man kann sagen, 
dass einige Krankheiten gemässigter Zonen im 
allgemeinen in wärmeren Ländern häufiger Vor¬ 
kommen. Was ist nun die Ursache dieser Er¬ 
scheinung? Einmal ist man geneigt, sich vorzu¬ 
stellen, dass die pflanzlichen Organismen in 


der Ausscnwelt der tropischen Gebieten gün¬ 
stigere I;ebensbedingungen, speziell Wärmever¬ 
hältnisse, finden, als in kälteren Himmels¬ 
gegenden. Das mag vielleicht für einige in 
kalten Regionen seltener vorkommende Krank¬ 
heiten zutreffen, kann aber z. B. für Milz¬ 
brand und Rauschbrand in Süd-Afrika nicht 
als Ursache gelten. Zur Erklärung ist die 
Tatsache anzuführen, dass ein Vernichten der 
Kadaver in den meisten Fällen nicht statt - 
findet. Damit sind z. B. für die Verbreitung des 
Antraxbacillus die denkbar günstigsten Be¬ 
dingungen erfüllt. Aber der Schwarze ist nicht 
allein schuldig, auch der weisse Mann hat durch 
seine Indolenz und Nachlässigkeit sein mög¬ 
lichstes getan, den sonst jungfräulichen Boden 
zu infizieren. 

2. Krankheiten durch ultravisible Organismen 
verursacht. 

Aus der Gruppe der durch ultravisible Or¬ 
ganismen erzeugten Krankheiten sind die rein 
kontagiösen, wie die Aphthenseuche und Wut. 
auszuschalten. Das sind allgemein vorkommende 
Krankheiten, die gelegentlich in warmen 
Ländern, auch in Süd-Afrika, Vorkommen 
können. Krankheiten, deren Erreger ultra¬ 
visible Organismen sind, und die bis jetzt nur 
in Süd-Afrika l>eobachtet wurden, sind die 
Sterbe der Pferde, das Heartwater der Rinder, 
Schafe und Ziegen und das Katarrhalfieber 
der Schafe. Es empfiehlt sich, die Pferdesterbe 
und das Katarrhalfieber zusammen zu be¬ 
trachten. Beide Krankheiten kommen unter 
denselben tellurischen und klimatologischen Be¬ 
dingungen vor. Während aber die Pferfesterbe 
im allgemeinen eine Krankheit des Niederungs¬ 
gebietes ist, beobachtet man das Katarrhalfieber 
auch in höher gelegenen Distrikten, wohin sich 
in gewissen Jahren ausnahmsweise die Pferde¬ 
sterbe versteigern kann. Die lokalen Be¬ 
dingungen, an die das Auftreten der Krank¬ 
heiten gebunden ist, sind bei beiden dieselben. 
Man beobachtet sie in sumpfiger Gegend, nahe 
an Flüssen und stehenden Gewässern. Sodann 
erscheinen beide Krankheiten gewöhnlich nur 
in regenreichen Jahren und gewöhnlich auch 
nur gegen Mitte der Regenzeit; das ist im 
Transvaal vom Monat Januar bis Ende April. 

Des weiteren ist beiden gemeinsam, dass 
die empfänglichen Tiere die Krankheit nur 
während der Nacht aquirieren. Denn hält man 


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Heft 9. 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


197 


Pferde und Schafe von den Gewässern entfernt 
und birgt man sie über Nacht auf Anhöhen in 
Ställen oder in Kraalen, so beobachtet man 
nur selten Krankheitsausbrüche. Die beiden 
Krankheiten sind aber keineswegs identisch, 
obwohl sie das Gemeinsame haben, dass der 
Mikroorganismus auch im Blutserum enthalten 
ist und den Berkefeldfilter passiert. Die beiden 
Krankheiten sind auch nicht kontagiös, obwohl 
leicht verimpfbar von Tier zu Tier der be¬ 
treffenden Art. Pferdesterbe und Katarrhal- 
ficber der Schafe müssen unserer Auffassung 
nach durch Nachtinsekten übertragen werden. 
Soviel ist sicher, dass Pferdesterbe nur da beob¬ 
achtet wird, wo die Anopheles- und die Stego- 
mya-Arten heimisch sind. Das Katarrhalfieber 
kommt aber auch da vor, wo jene abwesend 
sind und wo Culexarten reichlich angetroffen 
werden. Indem wir einen fliegenden Zwischen- 
w r irt annehmen, können wir alle die Erschei¬ 
nungen, die für das Auftreten der Krankheiten 
und ihr Verschwunden charakteristisch sind, 
erklären. In dem ausgezeichneten Werk „Les 
maladies microbiennes“, verfasst von Nocard 
und Leclainche, ist die Pferdesterbe in extenso 
beschrieben. Ich habe dazu nur die Mitteilung 
zu fügen, dass es mir gelungen ist, ein Serum 
herzustellen, das präventive Eigenschaften be¬ 
sitzt. Dieses Serum wird hergestellt durch Ein¬ 
spritzungen von virulentem Blut in bereits 
immune Tiere, Pferde oder Maultiere. Die prä¬ 
ventive Wirkung eines Serums dokumentiert 
sich deutlich, wenn man Serum und Virus 
mischt und das Gemenge subkutan impft. Die 
Krankheit kommt in diesem Falle nicht zum 
Ausbruch. Es entsteht aber auch nur eine 
passive Immunität, die höchstens vier Wochen 
gegen nachfolgende Virusimpfungen schützt. 
Es braucht kaum gesagt zu werden, dass diese 
Impfmethode vorläufig noch geringen Wert 
hat, doch ist Aussicht vorhanden, genügend 
hochimmunisierte Tiere zu erhalten, so dass 
wir eine passende Auswahl des Serums für 
alle Impflinge treffen können. 

Das südafrikanische Katarrhalfieber der 
Schafe beginnt nach einer kurzen Inkubations¬ 
zeit von 3—5 Tagen. Dann beginnt hohes 
Fieber, das einige Tage dauert, ohne Allgemein¬ 
störungen zu verursachen. Es stellen sich so¬ 
dann ein: Entzündung der Klauenlederhaut, 
seröser Nasenausfluss, der zunächst schleimig 


ist und dann, mit Eiter und Blut vermengt, ein 
missfarbiges Aussehen erhält, Exkoriationen 
der Haut der Nasenflügel, Stomatitis, auf den 
Lippenrändern Blutungen. Das Epithel des 
Zahnfleisches, der Zunge und des Gaumens 
kann abgesiossen w T erden. Fulteraufnähme und 
Rumination liegen darnieder. Dieser Zustand 
kann mehrere Tage andauern, w T ährend welcher 
Zeit die Schafe mit auf die Seite zurück- 
geschlagenem Kopfe liegen. 

Neben diesen typischen schweren Fällen 
gibt es leichtere Fälle, in denen es nicht zur 
Klauenentzündung kommt, sondern zu leichtem 
Katarrh. Dann ermöglicht die bläuliche Ver¬ 
färbung der Maulschleimhaut die Diagnose. 
Selten ist Durchfall. Gewöhnlich verenden die 
Tiere an Marasmus. Die Mortalität infolge 
des Katarrhalfiebers ist sehr veränderlich. Das 
Blut kranker Tiere, während der Fieberreaktion 
entnommen, ist virulent. Das Serum enthält 
ebenfalls das Virus. Die Krankheit dürfte 
demnach als eine Septikämie, ähnlich der 
Pferdesterbe, aufzufassen sein. Das Blut bleibt 
monatelang virulent und erzeugt die Krankheit 
dann noch, w r enn es putrid geworden ist. Ebenso 
l>ei der Pferdesterbe. Erkrankung erfolgt nach 
subkutaner und nach intrajugularer Impfung, 
hingegen nicht, w r enn Virus per os .verabreicht 
w r ird. Es erweisen sich als refraktär Pferd, 
Maultier, Rind, Ziege, Kaninchen. Schafe, die 
die Krankheit überstanden haben, sind immun. 
Doch ist die Immunität nicht dauernd; grössere 
Einspritzungen virulenten Blutes können eine 
zweite Reaktion veranlassen. Durch systema¬ 
tisches Wiederholen der Bluteinspritzungen 
w-erden die Schafe refraktär. Damit erreicht 
man ein präventives Serum. Es ist das Ver¬ 
dienst Sprcuells, eine Impfmethode ausge¬ 
arbeitet zu halien. Sie besteht in der sub¬ 
kutanen simult. Impfung von Serum und viru¬ 
lentem Blute, analog der Simultan-Methode bei 
der Rinderpest. 

Die dritte südafrikanische Krankheit, 
durch unsichtbare Mikroorganismen erzeugt, 
ist das Heartwmter, „Herzwmsser“; so genannt 
nach einer enormen Füllung des Herzbeutels mit 
gelber Flüssigkeit. Diese Krankheit kommt bei 
Rindern, Schafen und Ziegen vor; am häufig¬ 
sten bei den beiden letzteren Tierarten. Der 
Mikroorganismus ist bis dato unbekannt, w T eder 
kulturell noch mikroskopisch nachweisbar. Er 


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Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


3. Jahrgang. 


scheint aber an die Blutkörperchen gebunden 
zu sein, denn weder Flüssigkeit aus dem Herz¬ 
beutel, noch Serum des sonst virulenten Blules 
erzeugen die Krankheit, wenn verimpft. 

Heartwater ist an ganz bestimmte Lokali¬ 
täten gebunden; nämlich an die, in denen eine 
besondere Zeckenart, Amblyomma hebräum, 
vorkommt. Es ist in erster Linie das Verdienst 
Lounsburys, nachgewiesen zu haben, dass diese 
Zecke der ausschliessliche Zwischenwirt des 
unbekannten Mikroorganismus ist. Ainbly- 
omma hebräum ist ausschliesslich eine Zecke 
warmer Gegenden, und zu ihrem Bestehen ist 
eine gewisse Feuchtigkeit nötig. Man findet 
sie in Süd-Afrika hauptsächlich in Gegenden 
mit Buschvegetation. Sie scheint an der ganzen 
östlichen Meerküste Afrikas vorzukommen. 
Wir haben alle Ursache, anzunehmen, dass 
überall, wo diese Zecke vorkommt, auch die 
Krankheit zu finden ist. Heartwater hat eine 
Inkubationszeit von ca. 12- 15 Tagen. Letztere 
beginnt mit plötzlicher und hochansteigender 
Temperatursteigung. Während dieser Zeit 
keine Symptome, Krankheit kann symptomlos 
ablaufen und in Heilung übergehen, Hegel bei 
den sog. persischen Schafen. Bei anderen Schaf¬ 
rassen und Ziegen ist die Mortalität gross. 
Die Symptome bieten zum Teil wenig oder gar 
nichts Charakteristisches. Der Tod erfolgt 
unter plötzlichem Niederstürzen. Beim Binde 
sind Beizerscheinungen des Gehirns häu¬ 
figer; sie stellen sich meist nur gegen 
Ende der Krankheit ein. Konstanter patho¬ 
logischer anatomischer Befund bei ersteren 
Tieren ist die gewöhnlich enorme Füllung des 
Herzbeutels mit einer gelblichen Flüssigkeit 
und gelat. Verquellung desselben. Auf Endo¬ 
kard des linken Ventrikels gewöhnlich Blu¬ 
tungen. Gelbe .Flüssigkeit auch in der Uleural¬ 
höh lo. Lungen meist im Zustand des akuten 
Oedems. Gewöhnlich die anderen Organe 
normal. Beim Rinde kommen die beschriebenen 
Zustände in der Brusthöhle seltener vor: hin¬ 
gegen sind Veränderungen im Magen und Darm 
eine konstante Erscheinung. Es existiert eine 
akute hämorrhagische Gastritis, mit Blut¬ 
ergüssen und Erosionen der Mukosa, so dass 
Rinderest vorgetäuscht werden kann. Als 
differential-diagnostisches Merkmal gilt die 
Veränderung der Peyersehen Plaques bei 
letzterer. Milztumor und Schwellung der 


Lymphdrüsen sind häufig vorhanden. In praxi 
werden nur solche Fälle als Heartwater diagno¬ 
stiziert, in denen Füllung des Herzbeutels be¬ 
steht. Tiere, welche die Krankheit überstanden 
haben, sind immun. Die Immunität scheint bei 
Bindern komplett zu sein. Bei Schafen und 
Ziegen beobachtet man hingegen auf Virusein¬ 
spritzungen hin Wiedererkrankungen, die sich 
wiederholen können. Schliesslich wird auch 
komplette Immunität erreicht. Bis jetzt konnte 
noch kein sicheres Impfverfahren gegen diese 
Krankheit ermittelt werden, doch liegen aus 
der Kapkolonie Versuche vor, die eine gewisse 
Hoffnung auf Erfolg zulassen. Seitdem man 
die Art und Weise der Uebertragung dieser 
Krankheit durch Zecken ermittelt hat, wurde 
in den infizierten Gegenden der Kapkolonie 
die Ausrottung der Zecken mittelst parasiti- 
ziden Waschungen und Bädern (Sprays und 
Dips) vorgenommen. Einige Farmer haben an¬ 
gefangen, ihre Vieh-, Schaf- und Ziegenherden 
periodisch zu reinigen. Die Erfolge sind viel¬ 
versprechend. 

ö. Krankheiten durch Protozoen verursacht. 

Mit wenigen Ausnahmen werden die durch 
Protozoen verursachten Krankheiten durch 
Zwischenträger, Zecken und Insekten, ver¬ 
breitet, von deren Vorhandensein die Verbrei¬ 
tung dieser Krankheiten abhängt. Der Einfluss 
der warmen Länder kommt hier deutlich zum 
Ausdruck, indem die klimatischen Verhältnisse 
üppiges Gedeihen der Ektoparasiten ermög¬ 
lichen. Von grösster ökonomischer Wichtigkeit 
sind die durch Hämosporidien erzeugten, zur 
Kl asse der Piroplasmen gehörenden Krank¬ 
heiten, das Texasfieber oder Bedwater, das 
kürzlich genauer studierte Küstenfieber, die 
Malaria des Pferdegeschlechts und die der 
Hunde, lieber die Piroplasmosis der Schate 
liegen noch keine eingehenden Untersuchun¬ 
gen vor. 

Die Gruppt* der Piroplasmosen lässt sich 
leicht in zwei Abteilungen bringen, die sich 
scharf umschreiben lassen; die eine hat als 
Typus das am längsten bekannte Piroplasmn 
bigeminum des Texasfiebers des Bindes. Hier¬ 
her gehört die Piroplasmosis des Pferdes und 
des Hundes, wahrscheinlich auch des Schafes. 
Das Piroplasma hat birnenförmige oder rund¬ 
liche Gestalt. Pa Vergleich zu dem bat illen¬ 
förmigen Firc-plasma 1 : i tropischer Piroplas- 


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Heft 9. 


Fortschritte der Ve terinär-Hy gie ne. 


199 


mosis ist es verhältnismässig gross. Die Krank¬ 
heit stellt in der Mehrzahl der Fälle eine akute 
Anämie dar, mit Ikterus und Hämoglobinurie. 
Alle diese Piroplasmosen sind impfbare Krank¬ 
heiten. Sowohl mit dem Blute kranker Tiere, 
als auch mit Blut immuner Tiere kann man 
die Krankheit bei empfänglichen Tieren er¬ 
zeugen. Die Schwere der Impfkrankheit 
variiert bei den einzelnen Arten, und selbst 
innerhalb ein und derselben Art gibt es Rassen- 
untorsehiode. Das Ueberstehen der Krankheit 
l>edingt Immunität, doch bleibt das Piroplasma 
im Blute eine Zeit lang anwesend, sola nge 
wenigstens, als Tiere der Infektion ausgesetzt 
sind. 

Die zweite Abteilung der Piroplasmen ist 
nur durch die tropische Piroplasmosis, afrika¬ 
nisches Küstenfieber, vertreten. Im (Gegensatz 
zur vorigen Abteilung kennt man hier ein 
kleines Piroplasma, auch bacillenförmiges ge¬ 
nannt, für das ich den Namen Piroplasma par- 
vuin vorgeschlagen habe. Es kommt ungleich 
zahlreicher im Blute vor als das grosse Piro¬ 
plasma. Die Krankheit hat langsamen Ver¬ 
kauf, die Anämie ist nur massig ausgesprochen, 
daher es weniger zu Ikterus und nie zur Hämo¬ 
globinurie kommt; Milztumor fehlt. Diese 
Krankheit ist weder verimpfbar durch Blut 
kranker Tiere, noch durch das immuner Tiere, 
und die Verimpfung von krankem oder 
immunem Blute hinterlässt bei den Impflingen 
keine Immunität. 

Im besonderen gelten für die einzelnen 
Piroplasmosen noch die folgenden Bemer¬ 
kungen : 

Texasfieber des Rindes findet man über 
die ganze Welt verbreitet, al>er vornehmlich in 
den warmen Ländern. Diese Verbreitung legt 
nahe, dass es verschiedene Typen von Piro¬ 
plasma bigeminum gibt. Die Piroplasmosen 
der warmen Länder sind einander am nächsten 
verwandt. Es lässt sich nämlich beobachten, 
dass die Immunität, die gegen das Piroplasma 
des einen Landes erwoi lnm, in der Regel auch 
gegen die eines anderen schützt. Eine Differenz 
zwischen der gewöhnlichen Piroplasmosis der 
warmen und der kalten Länder liegt in der als 
llel»erträgcr funktionierenden Zeckenart. Die 
genauer untersuchten Piroplasmosen, Texas- 
fielwT, Tristezza, australisches und südafrika¬ 
nisches Red water, werden alle durch einen 


Rhipicephalus übertragen. Die amerikanische 
Spezies wird als Rhipioephalus annulatus, die 
australische als Rhipioephalus australis und 
die südafrikanische als Rhipioephalus decolo- 
ratus beschrieben. Es existiert auch in Süd- 
Afrika eine Varietät, welche mit der amerika¬ 
nischen identisch sein dürfte. Die europäische 
Piroplasmosis wird durch eine andere Zecke, 
Ixodes reduvius, übertragen. Beide Gattungen 
verhalten sich verschieden. Rhipicephalus geht 
den vollen Entwicklungsgang auf ein und dem¬ 
selben Wirte durch, während Ixodes dazu 
mehrere Wirte nötig hat. Bei allen Piroplas¬ 
mosen geht die Infektion von der Mutterzecke 
in das Ei und kommt mit der Larve zum Vor¬ 
schein. Bei der kontinentalen Hämoglobinurie 
scheint nach den Untersuchungen deutscher For¬ 
scher auch die Nymphe, die als Larve krankes 
Blut gesogen, pat hogen zu wirken. Es existieren 
Unterschiede, die uns berechtigen, vorläufig an¬ 
zunehmen , dass die grosse Gruppe des typ. 
Piroplasma bigeininum aus verschiedenen 
Varietäten besteht. 


Die durch P. bigeininum verursachte Piro¬ 
plasmosis lässt sich mit dem Blute immuner 
Tiere vorimpfen. Man hat beobachtet, dass die 
erzeugte Impfkrankheit im allgemeinen milder 
verläuft und hat deshalb darauf hin ein Impf¬ 
verfahren begründet, das vorteilhaft an¬ 
gewendet werden kann für alles in Süd-Afrika 
geborene Vieh. Hingegen erkrankt das impor¬ 
tierte europäische Vieh in grosser Anzahl. Es 
liegt also hier eine ungleich grössere Empfäng¬ 
lichkeit der feineren Rassen vor. Der Umstand, 
dass das Blut immuner Tiere die Krankheit er¬ 
zeugt, setzt voraus, dass P. bigeminum in 
immunen Tieren anwesend ist. Bis jetzt hat 
man nur ausnahmsweise das typische bim¬ 
förmige P. bigeminum gefunden. Tatsächlich 
liegt der Parasit in einer ganz anderen Gestalt 
vor, nämlich als ein kleiner runder oder ovaler 
Ring, als kleines Stäbchen oder als kleiner 
Punkt mit einer Geisscl. Man kann das Auf¬ 
treten dieser Formen leicht nach weisen. In 
Kälbern, welche im Stalle geboren und gehalten 
wurden, kann man sie nicht sehen, ebenso nicht 
im importierten Vieh aus Gegenden, wo Red- 
water nicht vorkommt. Spritzt man diese Tiere 
mit Red watorblut ein, so beobachtet man in 
der Regel das Auftreten einer primären und 
einige Wochen später einer sekundären Reak- 


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200 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 3. Jahrgang. 


tion, begleitet mit dem Erscheinen von P. 
bigeminum. 

Häufig fehlen die grossen Parasiten. Die 
l>eschriebenen kleinen Formen erscheinen ge¬ 
wöhnlich, nachdem die Reaktionen abgelaufen 
sind, ob nun die bimförmigen Parasiten vor- 
ausgegangen sind oder nicht. Sie treten immer 
auf und beweisen, dass ein Tier immun gegen 
die Krankheit ist. Kurz nach der Reaktion sind 
sie häufig, um dann allmählich spärlicher zu 
werden. Wiederholt man die Bluteinspritzung, 
so kann man in der Regel auch wieder ein häufi¬ 
geres Auftreten dieser immunen Formen beob¬ 
achten. Sie sind auch vermehrungsfähig, indem 
sie z. B. unter gewissen Einflüssen, denen ein 
Tier ausgesetzt ist, häufiger erscheinen können ; 
so z. B. wenn ein immunes Tier an einer hoch- 
fieberhaften Krankheit leide!. Die Tatsache 
der liebertragbarkeit des Redwaters mit Blut 
immuner Tiere hat eine grosse praktische Be¬ 
deutung bei der Simultanimpfung gegen Rinder¬ 
pest, wo als Virus Blut kranker Tiere ver¬ 
wendet wird, mit dem man dann natürlich die 
Krankheit verimpft. Deshalb hat man in Süd- 
Afrika, wo infolge des Krieges eine grosse 
Vieh Verschiebung und lmportation stattfand, 
diese Impfung aufgeben müssen. 

Die Piroplasmosis des Pferdegeschlechtes, 
auch Pferde-Malaria genannt, ist über ganz 
Süd-Afrika verbreitet., Im Lande gezogene 
Tiere sind immun, die eingeführten nicht. Als 
vorherrschendes Symptom wird ein akuter 
Ikterus angetroffen, der seltener bei Maul¬ 
tieren und ganz selten bei Eseln ist. Man kann 
bei allen Tieren gelegentlich Hämoglobinurie 
beobachten. Das typische pathol. anatomische 
Bild ist bei allen ebenfalls der Milztumor. Bei 
Pferden bildet akuter Verlauf der Krankheit 
die Regel. Es ist gelungen, die Piroplasmosis 
des Pferdes mittelst Blut immuner Tiere auf 
Maultiere zu übertragen. Die Piroplasmosis 
des Pferdegeschlechtes kompliziert sieh leicht 
mit einer sekundären Infektion durch ein zur 
Koli-Gruppe gehörendes Bakterium. Man kann 
in der Tat solch eine Komplikation durch den 
Agglutinationsversuch nach weisen. Die Inku¬ 
bation der experimentell erzeugten Piroplas¬ 
mosis dauert beim Pferde 5 J) Tage. Dos 
Krankheitsbild der Impfpiroplasmosis stimmt 
mit dem der natürlich erworbenen überein. Hin¬ 
gegen scheinen leichtere Krankheitsfälle die 


Regel zu sein, so dass Aussicht vorhanden ist, 
analog dem Redwater des Rindes eine Impfung 
zu finden. Als Serumlieferanten wählt man 
nur im Lande aufgewachsene Tiere oder solche, 
welche schon lange Zeit im Lande verweilt haben. 

Experimentelle Untersuchungen, welche 
Si>ezies von Zecken diese Piroplasmosis über¬ 
trägt, liegen noch nicht vor ; es kann sich nur 
um drei Arten handeln, nämlich Rhipicephalus 
decoloratus, Rhipicephalus evertsi und Hya- 
lomma ägyptium. Es liegt aber alle Ursache 
vor, die erst erwähnte Spezies als Zwischen¬ 
wirt der Piroplasma equi zu betrachten. 

Die dritte Piroplasmosis, zum Typus des 
grossen Piroplasma gehörig, ist die der Hunde. 
Sie wird vornehmlich in warmen Ländern ge¬ 
funden. Die Zecke, welche als Träger der 
Infektion funktioniert, ist Hämophysalis leaclii. 
Das Interessanteste der südafrikanischen Hundc- 
piroplasmosis ist die Art und Weise ihrer 
Uebertragung mittelst der genannten Zeckenart. 

Hämophysalis leachi hat zu ihrem vollen 
Entwicklungsgänge drei Wirte nötig, nämlich 
einmal als Larve, das zweite Mal als Nymphe 
und das dritte Mal als Imago. Das Weibchen 
infiziert sich auf einem kranken Hunde, die 
Infektion geht auf das Ei über, von diesem auf 
die Larve. Die Larve kann einen empfänglichen 
Hund heissen und erzeugt in keinem Falle 
die Krankheit, ebensowenig tut dies die 
Nymphe erst wieder die Imago. Es bleibt also 
die Infektion in Larve und Nymphe latent. 

Wie erwähnt, verursacht das Blut immuner 
Hunde bei empfänglichen Hunden die typische 
Krankheit. Die Impfkrankheit ist nun zum 
Unterschied der beiden vorigen Piroplasmosen 
ebenso akut und tödlich, wie die durch Zecken 
erzeugte. Hingegen gelingt es durch wieder¬ 
holtes Impfen von immunen Hunden mit 
steigenden Dosen virulenten Blutes ein Serum 
zu erzeugen, das präventive Eigenschaften be¬ 
sitzt. Dabei besteht die merkwürdige Tatsache, 
dass das Blut der Serum liefernden Hunde zu¬ 
gleich auch infektiös bleibt. Spritzt man also 
das Blut ein, so erzeugt man die Krankheit, 
mischt man aber dieses Blut mit einer gewissen 
Menge aus demselben Blut stammenden Serum, 
so wird die Krankheit verhütet. Bis jetzt hat 
die Serumbehandlung der Hunde noch keine 
praktisch anwendbaren Resultate gezeigt, doch 
dürfte dies nur eine Frage der Zeit sein. 


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Heft 9. 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


201 


Die zweite Abteilung der Gruppe der 
Piroplasmosen wird nur durch eine Krank¬ 
heit repräsentiert, das afrikanische Küsten¬ 
fieber oder besser die tropische Piroplas- 
mosis. Luhs und Dunkowsky fanden die 
Krankheit in Transkaukasirn. Der Erreger 
dieser Krankheit unterscheidet sich wesent¬ 
lich von denen der übrigen Piroplasmosen, 
wie angeführt. Er ist viel kleiner, wes¬ 
halb ich den Namen Piroplasma parvum vor- | 
geschlagen habe. Er wird im Blute viel zahl- j 
reicher angetroffen als die zum Typus des | 
grossen Piroplasma gehörigen Blutparasiten. 
Die wesentlichen Unterschiede zwischen der 
von Piroplasma bigemin. und des Piroplasma 
parvum erzeugten Krankheiten habe ich bereits 
angeführt. Ein differential-diagnostisch wich¬ 
tiger Unterschied zwischen Texasfieber und der 
tropischen Piroplasmosis ist der, dass Immuni¬ 
tät gegen die gewöhnliche Piroplasmosis nicht 
gegen tropische Piroplasmosis schützt. Diese 
neue Krankheit ist die gefährlichste aller Tier¬ 
seuchen, die Süd-Afrika bedrohen. Es ist die¬ 
selbe Krankheit, die im Jahre 1837 von Koch 
in Ost-Afrika zuerst beschrieben wurde und 
von ihm anfänglich für Texasfieber gehalten 
wurde. Sie breitete sich sodann über Hhodesia 
und die warmen Niederungsgebiete des öst¬ 
lichen Transvaals aus, von wo sie sich über 
verschiedene Gebiete des Landes ausdehnte. 
Eine der Hauptursachen, warum diese neue 
Piroplasmosis anfänglich mit Texasfieber iden¬ 
tifiziert wurde, ist die Tatsache, dass man in 
kranken Tieren beide Piroplasmaarten an¬ 
treffen kann. 

Die tropische Piroplasmosis hat eine durch¬ 
schnittliche Inkubationsdauer von 12 Tagen und 
einen durchschnittlichen Krankheitsverlauf von 
13 Tagen. Die kürzeste Inkubationszeit wurde 
experimental auf 6 Tage berechnet, die längste 
auf 25 Tage; die kürzeste Krankheitsdauer nur 
7 Tage, die längste 21 Tage. Das klinische Bild 
ist erst gegen Ende der mit hohem Fieber 
begleiteten Reaktion ausgesprochen, variiert 
bedeutend, so dass die Diagnose öfter unsicher 
ist. Typische Symptome sind tränende Augen, 
Katarrhai-Erscheinungen der Nase, Schwel¬ 
lungen der Submaxillar- und Retropharyngeal- 
Drüsen. Es kann geringgradige blutige 
Diarrhöe bestehen. Der Tod tritt oft unter 
den Erscheinungen des Lungenödems ein, und 


post mortem sieht man reichlichen Schaum¬ 
erguss vor der Nase. Die pathologischen Er¬ 
scheinungen sind variabel. Sie bestehen in gela¬ 
tinösen blutigen Infiltrationen der verschie¬ 
denen serösen Membrane, blutige Infarkte in 
den meist ödematösen Lungen, Infarktbildung 
der Nieren und akute Degeneration der Leber, 
akute hämorrhagische Gastro-Enteritis, Schwel¬ 
lung aller Lymphdrüsen, leichter Ikterus. Wie 
bereits erwähnt, findet nur eine geringgradige 
Reduktion der Zahl der Erythrocyten statt, die 
natürlich am ausgesprochensten ist, wenn eine 
Komplikation mit Texasfieber vorliegt. 

Es wurde eine neue Spezies, Rhipicephalus 
appendieulatus (Neumann), als hauptsächlich¬ 
ster Zwischenwirt und von Theiler Rh. simus 
nachgewiesen. Diese genannten Ixodidä sind 
nun ausschliesslich Bewohner warmer Gegen¬ 
den, und da allein hat sich die Krankheit ver¬ 
breitet. Man kann die Krankheit durch Ver- 
impfen von krankem Blute oder solchem 
immuner Tiere nicht erzeugen. Immune Tiere 
sind im Gegensatz zu den übrigen Piroplas¬ 
mosen keine Gefahr für die Verbreitung der 
Krankheit. 

Bis dato kennt man kein Impf verfahren 
gegen diese Krankheit. Professor Koch hat 
in Hhodesia diese Krankheit untersucht und ein 
Impf verfahren bekannt gegeben. Das Resul¬ 
tat war, dass geimpfte und nicht geimpfte Tiere 
in gleichem Verhältnis eingingen. Deshalb hat 
man diese Methode ganz und gar aufgegeben. 
Der Vorschlag des südafrikanischen tierärzt¬ 
lichen Kongresses in Kapstadt, mittelst Keu¬ 
lung des Viehes die infizierten Farmen zu 
säubern, wurde von der Transvaal-Regierung 
nicht akzeptiert. Man nahm die Alternative, 
die infizierten Strecken einzudrahten. Dieses 
grossartige Unternehmen wird bereits auch 
ausgeführt. Es ist Hoffnung vorhanden, auf 
diese Art und Weise der Weiterverbreitung 
der neuen Pest Einhalt zu tun und sie end¬ 
lich auszurotten. 

Die zweite Gruppe der durch Protozoen er¬ 
zeugten tropischen Krankheiten sind die Try¬ 
panosomiasen. Als tropische Trypanosomiasen 
müssen betrachtet werden die zur Gruppe der 
Nagana gehörenden, die Surra, Mal de Caderas, 
die Senegambische Pferdekrankheit und die 
südafrikanische Rinderkrankheit. Wir können 
die Trypanosomiasen in zwei Abteilungen 


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3. Jahrgang 


202 Fortschritte der V 


trennen, nämlich in eine, wo das Trypanosoma 
nur eine bestimmte Tierart infizieren kann, und 
in die zweite, in welcher der Parasit für eine 
ganze Reihe von Tieren verschiedener Spezies 
pathogen wirkt. Zu ersterer gehört die von 
mir zuerst beschriebene südafrikanische Rinder¬ 
krankheit, während der Rest zur zweiten 
Gruppe gehört. 

Die Trypanosomiasen stimmen in ihrem 
pathologisch-anatomischen Bilde im grossen 
und ganzen überein. Es handelt sieh haupt¬ 
sächlich um eine Blutkrankheit, die entweder 
als eine akute oder chronische Anämie ver¬ 
läuft. Eines der empfänglichsten Tiere für 
die verimpfbaren Trypanosomiasen ist der 
Hund. Bei ihm verläuft die Krankheit meist 
akut. Die verschiedenen Trypanosomiasen ver¬ 
halten sich bei den verschiedenen Haustieren 
verschieden. Das Pferd, der Esel und das 
Maultier sind sehr empfänglich für Nagana, 
die meisten von mir beobachteten Fälle ver¬ 
liefen akut oder subakut. Beim Schaf und 
der Ziege nimmt die Nagana einen mehr chroni¬ 
schen Verlauf. 

Die Surra der Pferde verhält sich ähnlich 
wie die Nagana, und die Mortalitätsverhältnisse 
sind auch dieselben. Hingegen unterscheidet 
sich die Surra des Rindes von der Nagana in¬ 
sofern, dass Rinder zwar für die Krankheit 
empfänglich sind, aber dann seltener daran 
eingehen. Beiden ist auch der chronische Ver¬ 
lauf eigentümlich, und daher auch dieselben 
Symptome, die hauptsächlich in Abmagerung 
bestehen. Die Büffel scheinen für Surra emp¬ 
fänglicher zu sein als die Rinder. Schafe und 
Ziegen, die mit Surra infiziert worden waren, 
zeigten einen ähnlichen Krankheitsverlauf wie 
Naganakranke. 

Mal de Caderas ist eine südamerikanische 
Krankheit, die vornehmlich beim Pferd ge¬ 
funden wird und einen subakuten oder chroni¬ 
schen Charakter hat und ebenso wie die vorigen 
Trypanosomiasen sehr tödlich ist. Bei Schafen, 
Ziegen und Rindern scheint das Mal de Caderas 
unter natürlichen Bedingungen nicht varzu¬ 
kommen. Die Krankheit lässt sich wohl auf 
diese Tiere verimpfen, sie überstehen dieselbe 
aber leicht. Die Trypanosomen sind nur spärlich 
vorhanden, doch kann das Blut monatelang 
infektiös bleiben. 

Die Gambische Pferdekrankheit scheint 


eterinär-Hygiene. 

einen sehr chronischen Verlauf zu haben, und 
die Trypanosomen sind mikroskopisch auch nur 
spärlich oder gar nicht nachweisbar, während 
das Blut beständig infektiös bleibt. Diese 
Krankheit lässt sich ebenfalls auf die Rinder 
vcrimpfeA, und diese scheinen dafür sehr emp¬ 
findlich zu sein. Immerhin wurde bis dato 
bei Rindern unter natürlichen Umständen dieses 
Trypanosoma nicht gefunden. Auch Schafe und 
Ziegen können durch Impfen infiziert werden, 
die Krankheit verläuft sehr chronisch und die 
Parasiten sind selten, Genesungen scheinen vor¬ 
zukommen. 

Die hier angeführten Krankheiten warmer 
Länder gehören zu den ätiologisch am genau¬ 
sten bekannten. Ihre Zahl ist damit nicht er¬ 
schöpft. In Transvaal existieren unter den 
Haussäugetieren noch Krankheiten, für deren 
Erforschung bisher die Zeit fehlte. Die Krank¬ 
heiten, welche ich als in Süd-Afrika vor¬ 
kommend, näher beleuchtete, stellen grosse 
Kalamitäten dar, die von weitgehendster öko¬ 
nomischer Bedeutung sind. Dasselbe gilt auch 
für die Trypanosomiasen anderer Länder, 
namentlich der Surra, wie die kürzliche In¬ 
vasion der Insel Mauritius bewiesen hat. Die 
Bekämpfung derselben stösst auf enorme 
Schwierigkeiten, die in erster Linie in der Art 
und AVeise der Verbreitung der Krankheit be¬ 
gründet ist. Als notwendige Folgen der speziell 
in Süd-Afrika gemachten Erfahrungen stellt 
sieh aber für kolonisatorisch vorgehende 
Staaten die Notwendigkeit ein, das Studium 
der Tierkrankheiten der eingeborenen und im¬ 
portierten Tiere zu pflegen, denn es ist immer 
in erster Linie der Farmer, der berufen ist, 
die Kultur eines Landes zu eröffnen und zu 
begründen. Die Veterinärwissenschaft wurde 
| in den neuen Ländern meist nur stiefmütter¬ 
lich, ja sogar verächtlich behandelt. Sie allein 
aber ist l>erufen, die AVege zu eröffnen, auf 
denen ein erspriessliohes Gedeihen der Tier¬ 
zucht warmer Gegenden möglich sein wird. 
Der bakteriologisch ausgebildete Tierarzt sollte 
unter die ersten Pioniere der zu eröffnenden 
Länder gehören. Dass er jedenfalls Gutes 
leisten kann, hat die Erfahrung in Süd-Afrika 
bewiesen. 

Der zweite Referent, Piot Bey (Kairo), 
behandelte in seinem auf Grund seiner lang- 


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Heft 9. 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


203 


jährigen Beobachtung verfassten Bericht über j 
die tropischen Krankheiten der Haustiere in 
Aegypten zusammenfassend die durch Blut¬ 
parasiten verursachten Krankheiten (Trypano¬ 
soma, Piroplasma) die hämorrhagische Septi- 
kämie (barbonc) des Büffels und Kindes, das j 
Dengue-Fieber des Rindes, die Pferdepest, die i 
Dysenterie der Rinder, die Lungenwurmkrank- ! 
heit (Strongylosis pulmonum) der Wiederkäuer, 
eine Augenentzündung des Pferdes, eine Haut¬ 
krankheit des Rindes, die Räude des Kamels, 
die Bilharziosis, und die Draoontiasis. All diese 
Krankheiten richteten, bez. richten auch jetzt 
noch in Aegypten epidemische Verheerungen an. 

Verfasser fasste die charakteristischen 
Symptome und die Obduktionsbefunde der ein¬ 
zelnen Krankheiten kurz zusammen, wobei aber 
die Natur jeder Krankheit genau charakteri¬ 
siert wurde. 

Die Behandlung der beschriebenen Krank¬ 
heiten betreffend, wies Piot Bey nach, dass, 
während in den meisten Fällen die therapeu¬ 
tische Behandlung wirkungslos war, die pre- 
ventive Behandlung und die prophylaktischen ; 
Massnahmen das Hebel häufig gründlich be- I 
seitigten. j 

Sehr instruktiv ist in dieser Hinsicht die | 
graphische Kurve, welche Piot Bev seiner Ab¬ 
handlung beischliesst und welche als eloquen¬ 
testes Plaidoyer zugunsten der sachgemässen 
Intervention des Tierarztes in der Tierzucht j 
dienen kann. Diese Kurve zeigt auf Grund 
amtlicher Daten die allgemeine Sterblichkeit 
der Haustiere der ägyptischen Staatsdomänen 
in den Jahren 1879 bis 1904. 

Aus diesen Daten ist ersichtlich, dass die 
durchschnittliche Sterblichkeit vor Einführung 
des Veterinärdienstes in den Jahren 1879 bis 
1881 16 o/o betrug, wählend sie in den letzten 
15 Jahren und nachdem Piot Bey mit der Or¬ 
ganisation des Veterinär - Dienstes betraut 
wurde, unter J °o sank, mit Ausnahme von 
1904, zu welcher Zeit die orientalische Kinder- j 
pest ausbrach, der in Aegypten JO 40 °o des j 
Kinderstandes zum Opfer fielen und in wel- i 
ehern Jahr sich die Sterblichkeit auf den Do- ! 
mänen auf 5 <>o erhöhte, inbegriffen die durch | 
die Rinderpest verursachten Verheerungen. 

Als dritter Referent behandelte Li- 
gnieres (Buenos-Ayres) die Trypanosomiasen 


und die Piroplasmosen. Er charakterisierte die 
Gruppen im allgemeinen und schilderte sodann 
die einzelnen Krankheiten, beschrieb darauf 
die Trypanosomen, ihre Virulenz und die Art 
der natürlichen Infektion, sowie die Resultate 
einiger seiner neueren Untersuchungen, nament¬ 
lich der an weissen Mäusen vollführten Serien¬ 
impfungen mit Trypanosoma equiperdum. Bei 
der Mal de Caderas spricht er von der Cen- 
trosonia und erwähnt eine Katze, die dem 
Trypanosoma equinum 2 Jahre, 7 Monaten und 
15 Tage widerstanden hat. 

Nach einem Rückblick auf die wichtige 
Entdeckung von Novy und MacVeel, betreffs 
die Art und Weise der Züchtung der Trypa¬ 
nosomen, behandelte Referent die Unterschei¬ 
dung der Trypanosomen und entwickelte seine 
Meinung über diese wichtige Frage, wobei er 
nachwies, dass man auch auf die Hämatozoen 
das Gesetz anwenden muss, welches er hinsicht¬ 
lich der Parasiten im allgemeinen, speziell aber 
der Bakterien aufgestellt hat. 

Ein Kapitel widmete Referent der Frage 
über die Infektion mit Trypanosomen und be¬ 
stätigte, dass hauptsächlich die Caderas und 
Nagana vielleicht noch leichter durch den Biss 
übertragen werden, als die Wutkrankheit. 

Eine sorgsame Zusammenfassung der Be¬ 
kämpfung und Heilung der genannten Krank¬ 
heiten bildete den Schluss des ersten Teiles. 

Bei Schilderung der Piroplasmosis befolgte 
Referent dieselbe Methode: nach einer allge¬ 
meinen Charakteristik trägt er all das vor. was 
über die Piroplasmosis der Hunde. Schafe und 
Kinder bekannt ist. Bei letzterer, die er ein¬ 
gehend studiert hat, unterscheidet er voj allem 
die durch Piroplasma bigeminum verursachte 
Form (Piroplasmosis bovis) von jener, die durch 
Piroplasma Kochii hervorgerufen wird (Piro¬ 
plasmosis bacillifonnis). Die Symptome und 
Veränderungen, die Parasiten und ihre Imp¬ 
fung, sowie die Immunität weisen charakte¬ 
ristische Verschiedenheiten auf. 

Laut Lingnieres unterscheiden sieh nicht 
nur die Piroplasmosen der Kinder voneinander, 
sondern, wie er dies zuerst nachgewiesen hat. 
auch die gewöhnliche Rinder-Piroplasmosis 
kommt in verschiedenen Formen vor. 

In einem eigenen Kapitel befasste sich 
Referent mit der Bekämpfung und Heilung. Tn 
letzterer Hinsicht zeigt sich kein Fortschritt. 


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204 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


3. Jahrgang. 


hingegen hat die Prophylaxis, welche sich 
gegen die Zecken und Piroplasmen kehrt, 
wesentliche Fortschritte gemacht. 

Nach Aufzählung der verschiedenen Imp- 
fungsarten entwickelte Referent die allge¬ 
meinen Prinzipien der von ihm vorgeschlagenen 
Schutzimpfung, ohne aber den Impfstoff, der 
sich in der Praxis bewährt hat, genau zu be¬ 
schreiben. 

Schliesslich brachte er detaillierie Daten 
bei über die Resultate der Schutzimpfung, die 
er bei mehrjähriger und unter verschiede¬ 
nen Umständen erfolgter Anwendung ge¬ 
sammelt hat. 

Zu dem zweiten Thema der Sektion für 
Tropenkrankheiten: Die Bedeutung der Proto¬ 
zoen in den Krankheiten der Tiere, lagen 
zwei Referate von Motas (Bukarest) und 
Laverau und Vallee (Alfort) vor. 

Das Wesentlichste dieser Referate ist in 
dem ausführlich wiedergegebenen Bericht von 
Theiler enthalten, so dass von einer Wieder¬ 
gabe abgesehen werden kann. 


Für die Nachmittagssitzung der Sektion 
für Pathologie waren drei Gegenstände auf die 
Tagesordnung gesetzt. Uefcer das erste Thema, 
die Serotherapie der infektiösen Krankheiten 
bei den Haustieren, berichtete Lignieres 
(Buenos-Ayres). Referent gab zunächst eine 
kurze geschichtliche Einleitung über die Ent¬ 
deckung der antitoxischen und bakteriziden 
Eigenschaften des Blutserums und eine Dar¬ 
stellung der Hypothesen. Er führte aus, dass 
auch das gesunde Serum giftwidrige und bak¬ 
terizide Eigenschaften zufolge der im gesunden 
Körper sich befindenden Bakterien besitzt, was 
nicht ohne praktische Bedeutung ist. Alsdann 
wurde das Verfahren zur Gewinnung spezi¬ 
fischer Sera beschrieben und deren Anwendung. 

Einige allgemein gehaltene, nicht eben neue 
Angaben machte Sobernheim (Halle). 
Gegen die polyvalenten Seren und deren schema¬ 
tische Anwendung wendete sich Schreiber 
(Landsberg). Burow (Halle) mühte sich, den 
Sobernheimschen Milzbrand-Impfungen eine 
empfehlende Darstellung zu geben. Thei ler 
(Prätoria) und R a s s a u (Windhuk) berichteten 
über die guten Resultate, die in Süd-Afrika 


mit der Serumimpfung gegen die Rinderpest er¬ 
zielt wurden. 

Ueber das zweite Thema: Der Krebs der 
Haustiere, sprachen Jensen (Kopenhagen), 
welcher sich gegen die Infektionstheorie aus¬ 
sprach. Er berichtete über seine bekannten 
Transplantationsversuche und die Immunisie¬ 
rung mittelst Serum von Tieren, denen Krebs¬ 
masse injiziert war. Als zweiter Referent be¬ 
handelte Lienaux (Brüssel) die Frage be¬ 
sonders im Hinblick auf die Diagnose. 011 
(Giessen) schliesslich fasste seine Ausführungen 
i in folgende Schlusssätze zusammen: 

1. Die Erfahrung spricht nicht dafür, dass 
Trapmen, sowohl die ungemein häufigen mecha¬ 
nischen, wie auch die thermischen und chemi¬ 
schen, bei den Haustieren für Carcinomatose dis¬ 
ponieren. 

2. Gewebsläsionen mit chronischen Reiz¬ 
zuständen, welche sich durch eingedrungene 
tierische Parasiten und Pflanzenfragmentc in 
Unsummen an Schleimhäuten der Tiere ab¬ 
spielen, kommen für die Aetiologie des Car- 
cinoms nicht in Betracht. 

3. Es liegen keine Tatsachen vor. welche 
als Beweise für die parasitäre Natur des Car- 
cinoms gelten können; insbesondere lassen sich 
aus den statistischen Erhebungen über das Vor¬ 
kommen des Krebses bei Tieren keine Wahr¬ 
scheinlichkeitsgründe für die hypothetische An¬ 
nahme eines Krebsparasiten ableiten. 

4. Die bis jetzt geglückten Uebertragungen 
einiger maligner Neubildungen sind als reine 
Transplantationen zu deuten. 

Schütz (Berlin) machte als Mitglied des 
Komitees für Krebsforschung die nicht eben 
überraschende Mitteilung, dass der Krebs von 
einigen als eine parasitäre, von anderen als 
eine nicht parasitäre Krankheit angesehen wird. 

Das letzte Thema: Die Rotzkrankheit der 
Lunge und die mit derselben verwechselbaren 
Knötchenbildungen anderen Ursprungs, hatte 
R i e g 1 e r (Bukarest) als Referent übernommen. 
Redner erklärte, dass Rotz der Lunge primär 
und sekundär auftreten und sogar das einzige 
Krankheitszeichen sein kann. 

Diese sich langsam entwickelnde, latente 
Form des Rotzes wird nur durch den Thermo¬ 
meter, durch die Malleinprobe oder durch die 
Serumdiagnos;* erkannt. Die Anzahl der in 
dieser Weise rotzkranken Pferde kann 30 bis 


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Heft 9. 


Fortschritte der Veterinär -Hygiene. 


205 


;>o °/o des Pferdebcstandes betragen. .Fehlen in 
den übrigen Organen die durch liutz hervor¬ 
gerufenen Veränderungen vollkommen, so kann 
der Botz der Lunge als primär betrachtet 
werden. Da der Rotz der Lunge langsamer 
verläuft und gutartiger ist als der offenbar 
chronische Rotz, und da die krankhaften Ver¬ 
änderungen hier nur gering sind, so kann diese 
Form des Rotzes als heilbar betrachtet werden. 

Nach den bisherigen Erfahrungen wird der 
Rotz der Lunge, zeigt er sich für sich allein 
oder gleichzeitig mit anderen rotzkranken Or¬ 
ganen, sehr häufig durch Infektion im Wege 
der Verdauungsorgane verursacht. Zur voll¬ 
kommenen Lösung dieser Frage ist es er¬ 
wünscht, dass mit Pferden Fütterung« - versuche 
angestellt werden, wobei Rotzbacillenkulturen, 
wie auch Krankheitsprodukte rotzkranker Tiere 
— immer in den geringsten Mengen — ver¬ 
wendet werden sollen. 

Die durch Rotz verursachten Verände¬ 
rungen der Lunge sind verschiedenartig, die 
auffälligste und gewissermassen spezifische 
Veränderung bilden die Rotzknötchen, welche 
in den verschiedenen Formen, Dimensionen und 
Transformationen oft in einem Tier Vor¬ 
kommen ; diese Knötchen verkalken auch manch¬ 
mal in geringem Masse. Gleichzeitig mit den 
durch Rotz verursachten Veränderungen der 
Lunge finden wir auch häufig durch Rotz- 
hervorgerufene Veränderungen der bronchialen 
Lymphdrüsen. 

Die Rotzknötchen sind einander oft sehr 
ähnlich und werden demzufolge auch häufig 
verwechselt mit einigen durch chronische 
Krankheiten verursachten Veränderungen, z. B. 
mit den durch Bronchialkatarrh, Peribron¬ 
chitis, Bronchiektasie verursachten Verände¬ 
rungen, mit den metastatischen Knötchen der 
Pvämie, mit Tuberkulose, mit den Metastasen 
wirklicher Geschwülste, hauptsächlich und zu¬ 
meist aber mit den durchsichtig fibrösen oder 
fibrös - kalkigen Knötchen parasitären Ur¬ 
sprunges. 

Die Natur der rotzigen Veränderungen 
kann genau bestimmt werden, wenn in den 
übrigen Teilen des Organismus Rotzknötchen 
vorhanden sind; finden sich solche nicht vor, 
so prüfen wir diesbezüglich die bronchialen 
Lymphdrüsen und unterziehen auch einer 
genauen Prüfung die Natur und Lage der rotz¬ 


verdächtigen Veränderungen, sowie ihr Ver¬ 
hältnis zum Lungengewebe. Noch sicherer ist 
die Benutzung des Mikroskopes, Züchtung von 
Kulturen und Impfungen von Versuchstieren, 
da die durch Rotz verursachten Veränderungen 
manchmal den durch Parasiten verursachten 
Knötchen genau ähnlich sind. 

Es kommt auch vor, dass die in der Lunge 
auftretenden Verkalkungen von Rotz stammen. 
Diese Knötchen sind zuweilen ganz steril, oft 
aber kann aus ihnen der Rotzbacillus gezüchtet 
werden, oder aber es geben die damit aus¬ 
geführten Impfversuche ein positives Re¬ 
sultat. Am zweckmässigsten ist es, wenn die 
Züchtung der Kulturen, das Impfen von Meer¬ 
schweinchen und die mikroskopische Unter¬ 
suchung gleichzeitig vorgenommen werden. 

Olt (Giessen) wendete sich gegen die Aus¬ 
führungen des Referenten. Die von diesem 
beschriebenen Lungenknötchen sind nicht 
rotziger Natur; sie sind vielmehr hervor¬ 
gegangen aus durch Parasiten erzeugten Em¬ 
bolien in den Blutgefässen. Andere Knötchen 
sitzen im Parenchym, in den Alveolen, sie 
stellen eine Vermehrung von lymphatischen 
Gewebszellen dar. Primärer Lungenrotz kommt 
wohl kaum vor. 

Riegler: Auf Grund mikroskopischer 
Untersuchung allein kann eine Entscheidung 
nicht getroffen werden. Hierzu muss der Kul¬ 
turversuch und die Impfung herangezogen 
werden. 

Schütz (Berlin) kennzeichnete präziser 
die Merkmale der Rotzknötchen, hob hervor, 
dass der Bacillus mal lei nicht durch eine Drüse 
gehen kann, ohne dort Veränderungen zu er¬ 
zeugen. Primärer Lungenrotz ist noch nie beob¬ 
achtet worden. Das Mallein allein kann zu 
keiner Entscheidung führen, ob Rotz vorliegt 
oder nicht. 


Am fünften Verhandlungstage hatte die 
Sektion für Veterinärpolizei als erstes Thema 
der Tagesordnung zu erledigen: Die Schutz¬ 
impfung gegen die Aphthenseuche, zu wel¬ 
chem Gegenstände Loeffler (Greifswald) 
und Perroncito (Turin) sprachen. 

Der erste Referent Loeffler führte etwa 
folgendes aus: Durch das bis vor wenigen 
Jahren beobachtete starke Auf tre teil der 


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Aphthenseuche sind grosse Mengen der Tiere 
immun geworden. Auch in den Nachkommen 
dieser Tiere ist zweifellos eine gewisse Immuni¬ 
tät vorhanden, so dass hierdurch und den 
strengen veterinärpolizeiliehen Massregeln zu¬ 
folge die Seuche in Deutschland zurzeit einen 
ausserordentlich niederen Ausbreitungsstand 
einnimmt. Indessen ist zu erwarten, dass die 
Aphthenseuche über lang oder kurz in grossem 
Umfange und gefolgt von erheblichen Verlusten 
wieder auf treten wird. Nach den bisherigen 
Erfahrungen dürfen wir nicht annehmen, dass 
die veterinärpolizeilichen Massnahmen allein 
imstande sind, etwaige grosse Seuchenausbrüche 
erfolgreich und nachhaltend zu bekämpfen. 
Hier muss die Schutzimpfung als ein wert¬ 
volles Kampfmittel bezeichnet werden. Es ist 
möglich, Tiere gegen Aphthenseuche zu immu¬ 
nisieren. Die Schwierigkeit liegt nur darin 
begründet, dass zur Serumgewinnung der in 
ausreichenden Mengen nicht gut zu erhaltende 
Aphtheninhalt erforderlich ist. Diese Lymphe 
wird gewonnen von künstlich infizierten 
Schweinen aus den Blasen an den Klauen, und 
wird durch Filtrieren mittels Filterkerzen bak¬ 
terienfrei gemacht. Das Serum gewinnt man 
von Pferden. Bei Schweinen und Schafen ge¬ 
lingt die Schutzimpfung in einem für die prak¬ 
tische Verwendung vollkommen ausreichendem 
Masse. Dagegen verleiht das Pferdeserum den 
Bindern nur eine kurze Zeit anhaltende Im¬ 
munität. Bessere Resultate lassen sich durch 
Binderserum, in grösseren Mengen verimpfl, 
erzielen. Nur ist dieser Impfstoff zu teuer; 
die Schutzimpfung kostet pro Tier etwa zehn 
Mark. Die weiterhin angesteilten Versuche 
zur Gewinnung eines brauchbaren und gleich¬ 
zeitig billigen Impfstoffes haben zu dem Er¬ 
gebnis geführt, dass durch wiederholte Ein¬ 
spritzungen geringer Mengen Serum in acht¬ 
tägigen Zwischenräumen eine längere Zeit 
dauernde Immunität erzielt wird, dass Serum- 
und Lymphgemische in einem bestimmten Ver¬ 
hältnis eine gleichmässige ’ Grundimmunität 
verleihen, die durph nachfolgende Einspritzung 
von Lymphe in sehr geringen Mengen eine 
sehr hochgradige wird. Eine Mischung von 
<h03 ccm Lymphe und 0,5 ccm Rinder-Scrum 
werden zunächst unter die Kauf gespritzt. 
Nach 21 2b Tagen werden den Tieren 0,003 
ccm Lymphe, nach weiteren 12 11 Tage 0.01 

ccm Lymphe und nach nochmals 12—14 Tagen 


j 0.04 ccm Lymphe eingespritzt. Das Verfahren 
j hat sich bisher lx>i den Versuchs-Impfungen 
ausgezeichnet bewährt. AVenn es auch infolge 
der mehrmaligen Impfungen etwas umständ¬ 
lich ist, so ist es doch wirksam, ungefährlich 
und billig. Die Immunisierung eines Rindes 
kostet 30—50 Pfennige. Die Herstellung des 
Impfstoffes sollte verstaatlicht werden. Die 
Impfung darf nur von Tierärzten ausgeführt 
werden. 

Hecker (Leipzig) bezweifelte die prak¬ 
tische Durchführbarkeit der Schutzimpfung, 
bezeichnete sie auch als recht gefährlich, da 
j viermal mit virulentem Material geimpft wird, 
I wobei leicht Infektionsstoff verstreut und ver¬ 
schleppt werden kann. 

In der sehr lebhaft geführten Diskussion, 
an welcher sich ausser dem Referenten und 
anderen, Lorenz, Hess (Bern), Arloing 
und Pe r r o n c i t o beteiligten, wurden vor¬ 
wiegend die Fragen erörtert, ob die veterinär¬ 
polizeilichen Massnahmen allein zur erfolg- 
i eichen Unterdrückung der Aphthenseuche ge- 
I nügen oder nicht, und ob das Schutzimpfungs- 
* verfahren als Bekämpfungsmittel wirksame 
| Ergebnisse verspricht. Referent spricht den 
von Hecker geäusserten Befürchtungen ge¬ 
genüber sieh dahin aus, dass der virulente 
Impfstoff in den Händen der Tierärzte eine 
Infektionsgefahr nicht bedeutet. Er bringt in 
Vorschlag: Der Kongress soll die Anerkennung 
der Schutzimpfung gegen die Aphthenseuche 
aussprechen, die Impfung soll bei staatlicher 
] Eni schädigungspflicht für Impfverluste unter 
staatlicher Aufsicht und nur von Tierärzten 
ausgeführt werden. Von dem Kongress wurde 
folgende Resolution beschlossen: 

1. Die Erfahrung zeigt, dass die veterinär- 
polizeilichen Massregeln ausgezeichnete Resul¬ 
tate ergeben, wenn sie sofort beim Ausbruch 
der Aphthenseuche angewendet und von Tier¬ 
ärzten geleitet werden. 

| 2. Es ist nützlich, dass die Staaten sich 

gegenseitig durch Telegraph von dem ersten 
' Auftreten der Seuche in ihrem Lande benach- 
1 lieht igen. 

I 3. Im Hinblick auf die sehr interessanten 


Resultate der Schutzimpfung spricht der Kon¬ 
gress den AVunseli aus, dass die Regierungen 


das Studium ihrer praktischen Brauchbarkeit 
fördern möchten. 


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Heft 9. 


207 


Fortschritte der 


I)cn nächsten Punkt der Tagesordnung bil¬ 
dete das Thema: Die Bekämpfung der Sehweine- 
seuelie und Schweinepest. Der erste Referent 
J o e s t (Dresden) gab eine kritische Betrach¬ 
tung der veterinärpolizeilichen Massregeln und 
erörterte die Aussichten der Schutzimpfung. 
Redner gelangte auf Grund seiner Ausführun¬ 
gen zu folgenden Schlusssätzen: Zur Be¬ 
kämpfung der Schweineseuche und der 
Schweinepest sind veterinärpolizeiliehe Mass¬ 
nahmen erforderlich. Schweineseuche und 
Schweinepest sind veterinärpolizeilich gleich 
zu behandeln. Die vetcrinärpolizei liehen 
Massnahmen gegen die Schweineseuche und die 
Schweinepest müssen dem vorherrschenden Cha¬ 
rakter und der Verbreitung dieser Seuchen an- 
gepasst sein. Als veterinärpolizeiliche Mass ; 
nahmen gegen die Schweineseuche und die 
Schweinepest sind zu empfehlen: die Anzeige¬ 
pflicht, geeignete Sperrmassregeln, die IÜber¬ 
wachung des Handelsverkehrs mit Schweinen, 
die unschädliche Beseitigung der Kadaver ge¬ 
fallener seuchekranker Schweine und anderen 
infektiösen Materials, die Desinfektion der ver¬ 
seuchten Räume. Tummelplätze, Transport¬ 
mittel usw. Eine allgemeine amtliche Tötung 
der verseuchten Bestände ist bei der heutigen 
Verbreitung der Schweineseuche und Schweine¬ 
pest- nicht durchführbar. Neben der veterinär- 
polizeilichen Bekämpfung ist l>ci der Schweine¬ 
seuche die Schutzimpfung in verseuchten Be¬ 
ständen zu empfehlen. Eine praktisch brauch¬ 
bare Schutzimpfung erfordert: a) ein Impf¬ 
verfahren, welches den epidemiologischen Be¬ 
sonderheiten der Schweineseuche Rechnung 
trägt; b) einen wirksamen Impfstoff, welcher 
unter Berücksichtigung der biologischen Eigen- 
t ümlichkeiten der Schweineseuche - Bakterien 
hergestellt ist. 

Dam mann bemerkte, dass die veteri¬ 
nären Massnahmen von dem Referenten zwar 
oine abfällige Kritik erfahren hätten, dass aber 
bessere nicht in Vorschlag gebracht seien. Nach 
seinen Beobachtungen hat das polyvalente 
Schweineseucheserum von Wassermann - Oster- 
tag sich als brauchbares Schutz- oder Heil¬ 
mittel nicht erwiesen. 

Der zweite Referent Preisz (Budapest) 
begründete in eingehender Darstellung die 
nachfolgenden Schlusssätze, die als Kongress¬ 
beschluss zur Annahme gelangten: 


Veterinär-Hygiene. 

1. Die Schweineseuche (worunter man im 
weiteren Sinne häufig eine Mischinfektion mit 
Pest zu verstehen hat) ist durch veterinäx- 
polizeiliche und hygienische Massregeln zu be¬ 
kämpfen. 

2. Es ist kein Schutz- oder Heil impf ver¬ 
fahren gegenül>er der Schweineseuche als wert¬ 
voll bekannt. Es sind Forschungen, die zu 
einem brauchbaren Impf verfahren führen könn¬ 
ten, empfehlenswert. 


Nachmittags um 3 Uhr setzte die Sektion 
ihre Beratungen fort. Verhandelt wurde das 
Thema: „Bekämpfung und Tilgung der Wut¬ 
krankheit“. Referenten hierfür waren Spil- 
man n (Lemberg) und C asper (Breslau). 
Letzterer schilderte zunächst die Gefahren der 
Wutkrankheit, beschrieb an der Hand eines 
umfangreichen statistischen Materials die 
immer mehr zunehmenden Fälle derselben und 
sagte am Schlüsse seines Vortrages etwa fol¬ 
gendes: Es fragt sich nun, welche Massregeln 
zu treffen sind, um die Tollwut vom Stand¬ 
punkte der internationalen Seuchenbekämpfung 
aus einzuschränken und zu tilgen, beziehungs¬ 
weise ob und inwiefern die bestehenden veteri¬ 
närpolizeilichen Bestimmungen der Verbesse¬ 
rung bedürfen. Als erste Forderung kann nicht 
nachdrücklich genug betont werden, dass die 
Bekämpfung in allen Ländern nach denselben 
Grundsätzen und mit derselben Strenge zu er¬ 
folgen hat. Es ist ferner zu erwägen, ob nicht 
die im Gesetz vorgeschriebene Begrenzung des 
Sperrbezirkes — 4 km — zu gering bemessen 
ist. Auch die Zeitdauer der Hundesperre 
scheint mit drei Monaten zu kurz berechnet, da 
in vielen, sicher beobachteten Fällen die In- 
kubinationszeit der Wut bei Hunden über drei 
Monate betrug. Den von einigen Seiten, so 
auch von Sehüder gemachten Vorschlag, es solle 
für die getöteten Hunde Entschädigung ge¬ 
leistet werden, vermag ich nicht zu befür¬ 
worten. Liegt für manche Besitzer eine ge¬ 
wisse Härte darin, dass für sie wertvolle Hunde 
ohne Entschädigung getötet werden, so ist die 
Realisierung der Entschädigungspflicht doch 
ausserordentlich schwierig. Auf Grund der 
vorstehenden Ausführungen gestatte ich mir, 
dem Kongress folgende Schlussanträge zu un¬ 
terbreiten : Der Kongress wolle erklären: 

1. Die Bekämpfung und Tilgung der Wut- 


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208 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


3. Jahrgang. 


krankheit in einem kontinentalen Staate kann 
nur dann erfolgreich sein, wenn auch in den 
Nachbar ländern die veterinärpolizeilichen 
Schutzmassregeln sachgemäss und streng zur 
Durchführung gelangen. Es ist daher dringend 
erforderlich, dass die Handhabung der Veteri¬ 
närpolizei bezüglich der Tollwut in allen Län¬ 
dern nach denselben (Grundsätzen erfolgt. 

2. Die Anzeigepflieht, welche bisher nur 
für tollwutkranke und der Tollwut verdäch¬ 
tige Hunde vorgeschrieben ist, muss sich auch 
erstrecken auf alle Tiere, welche von tollwut¬ 
kranken oder toiIwutverdächtigen Hunden ge¬ 
bissen worden sind. Zur Anzeige müssen nicht 
nur die Besitzer der Tiere und die im § 9 
des Seuchengesetzes bezeichneten Personen, son¬ 
dern auch alle diejenigen verpflichtet werden, 
welche Kenntnis davon haben, dass Tiere von 
solchen Hunden gebissen worden sind. 

3. Es ist zu erwägen, ob es nicht wün¬ 
schenswert wäre, die Hundesperre auf einen 
grösseren Umkreis als bisher und auf eine 
längere Zeit als drei Monate auszudehnen. 

4. Als wünschenswert ist die Einführung 
eines in allen Ländern gleichmässig gültigen 
und streng durchzuführenden Hundehaltungs- 
Gesetzes zu bezeichnen, welches folgende Be¬ 
stimmungen enthalten müsste: 

a) Jeder Hund in den Städten und auf 
dem Lande ohne Ausnahme ist anzumelden und 
unter Eintragung in eine Liste zu besteuern. 

b) Alle eingetragenen Hunde sind am Hals- | 
band mit einer Marke zu versehen, welche den 
Namen des Besitzers und die Nummer des 
Hundes in der Steuerliste trägt. 

c) Jeder Hund ist mit einem gut sitzenden 
Maulkorbe zu versehen, welcher derartig kon¬ 
struiert ist, dass er das Beissen unmöglich 
macht, die Nahrungsaufnahme und das Trinken 
aber nicht verhindert. 

d) Hunde ohne Marke und ohne Maulkorb 
werden eingefangen und, wenn sie nicht bis zu 
einem bestimmten Termin reklamiert sind, ge- 
< ötet. 

Dieser Schlussantrag wurde von der Sek- 
lion einhellig angenommen. 

Am sechsten und letzten Yerhandlungs- 
tage, an welchem die Sektion für Biologie noch 
eine Sitzung abhielt, sprach Hess Giern) üIkt 
die Aetiologie und Therapie der Gebärparese. 


Die Aetiologie ist ebenso wie der Begriff der 
Gebärparese wenig geklärt. Bei den drei un¬ 
terschiedenen Krankheiten, dem Gebärfieber, 
der Puerperalseptikämie und dem sogenannten 
Fest liegen nach der Geburt handelt es sich 
um eine nur graduell verschiedene Krankheit 
mit gleicher Ursache, nämlich einer traumati¬ 
schen puerperalen Infektion. 

Schmidt (Kolding) vertrat demgegen¬ 
über seinen bekannten Standpunkt, dass die 
Gebärparese eine vom Euter ausgehende Auto¬ 
infektion ist, und dass die von ihm angegebene 
Behandlungsweise die besten bisher erzielten 
Resultate bietet. 

Hierauf fand die allgemeine Schluss¬ 
sitzung des Kongresses statt, welche mit einer 
kurzen Ansprache des Vorsitzenden eröffnet 
wurde. Dann sprach Schmaltz (Berlin) 
über die bisherige Entwicklung und künftige 
Gestaltung der internationalen tierärztlichen 
Kongresse. Redner führte u. a. aus, dass der 
erste ähnliche Kongress im Jahre 1863 etwa 
hundert Mitglieder zählte, während der achte 
deren vierzehnhundert auf weist. Er gedachte 
ferner der vorzüglichen Durchführung aller 
Vorarbeiten des Kongresses, was in erster 
Reihe ein Verdienst des unermüdlichen General¬ 
sekretärs von Ratz ist, und beantragte, der 
Kongress möge aussprechen: 

1. Die internationalen tierärztlichen Kon- 
I gresse dienen der Förderung der gesamten 

Veterinärwissenschaft und ihrer praktischen 
Anwendung. 

2. Es wird heute eine ständige inter¬ 
nationale Kongresskommission gewählt, in 
welche aus den heute anwesenden Kongress¬ 
mitgliedern zu delegieren sind: 

a) die beiden Leiter des diesmaligen Kon¬ 
gresses (Rektor Hutyra und Professor Ratz); 
b) zwei Vertreter des Landes, in welchem der 
nächste Kongress stattfindet; c) je ein Ver¬ 
treter von Deutschland, Frankreich, England, 
Dänemark, Norwegen, Schweden, Russland, 
Oesterreich, Italien, Rumänien, Serbien, 
Schweiz und Nordamerika. 

3. Die Kommission hat zunächst einen 
Organisationsplan und eine eingehende Ge¬ 
schäftsordnung auszuarbeiten, welche für den 
nächsten Kongress massgebend sind und in 
dessen Schlusssitzung zur endgültigen Beratung 
gestellt werden. 


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Heft 9. 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


209 


4. Bis auf weiteres regelt die Kommission 
ihre Geschäftsordnung selbst und wählt einen 
Präsidenten und einen Generalsekretär. Ihre 
Abstimmungen erfolgen schriftlich, es ent¬ 
scheidet einfache Majorität. 

f). Die Kommission hat auch die Tages¬ 
ordnung des nächsten Kongresses festzusetzen 
und sich vor diesem darüber zu vergewissern, 
ob der nächste Jubiläumskongress 1913 in 
London stattfinden kann. 

6. Der IX. Kongress findet 1909 in Hol¬ 
land statt. 

Diese Anträge wurden nach kurzer Dis¬ 
kussion mit geringen Abänderungen ange¬ 
nommen. 

Generalsekretär von Ratz unterbreitete 
sodann die von den Sektionen gefassten Be¬ 
schlüsse, welche en bloc angenommen wurden. 

Lothes (Cöln) legte folgenden Antrag 
vor: Die tierärztlichen Bildungsanstalten 

sollen das Recht der Verleihung des Grades 
eines Doktors der Veterinärmedizin erhalten. 
Die Würde eines Doktors der Veterinärmedizin, 
welche von einer Universitätsfakultät verliehen 
ist, soll ebenso anerkannt werden, wie die übri¬ 
gen von der Universität verliehenen Grade. 
Die permanente Kongresskommission soll die 
hierzu erforderlich erscheinenden Schritte un¬ 
ternehmen. 

Dem Antrag wurde allseitig zugestimmt. 

W u r t z (Utrecht) hiess den nächsten Kon¬ 
gress, welcher im Jahre 1909 im Haag statt¬ 
finden soll, schon jetzt willkommen. 

An den König Franz Josef I., an die Kö¬ 
nigin Wilhelmine von Holland, an den Erz¬ 
herzog Josef, an den Grossherzog Friedrich 
von Baden, an den Ackerbauminister Andreas 
György, an den Badener Ackerbauminister 
Eisenlohr, an den Ehrenpräsidenten Chaudeau 
in Paris und an den Stadtrat von Baden-Baden 
wurden Huldigungs- bezw. Begrüssungstele- 
gramme abgesandt. 

Alsdann schloss der Ehrenpräsident 
Lydtin mit einer begeistert aufgenommenen 
Rede den Kongress. 

Die Reihe der Festlichkeiten, welche dem 
Kongress zu Ehren veranstaltet waren, fand 
am Freitag-Abend mit einem Festbankett ihren 
Abschluss. Im Hotel Royal hatten sich fast 
sämtliche Kongressmitglieder mit ihren Damen 
eingefunden. 


Den ersten Toast brachte der Ackerbau 
minister auf Se. Majestät den König aus. 
Kautz (Berlin) brachte seinen Trinkspruch 
alif Se. k. u. k. Hoheit Erzherzog Josef aus, 
Ministerialrat Lest y anssky auf den Acker¬ 
bauminister als Präsidenten des Kongresses. 

Rektor H u t v r a sprach alsdann in seinem 
Toaste etwa folgendes: Meine Damen und 
Herren! Als wir vor sechs Jahren in Baden 
Baden die Einladung unserer Regierung, den 
nächsten Kongress in Budapest abhaltcn zu 
wollen, überbrachten, hegten wir nicht geringe 
Besorgnisse bezüglich des Gelingens unserer 
Aufgabe. Als der jetzige Kongress heran¬ 
rückte, hatten wir die Freude zu sehen, dass 
wir ganz besonders von den Kollegen deut¬ 
scher Zunge in wirksamster Weise unterstützt 
wurden. Wir schöpften hieraus Hoffnungs¬ 
und Arbeitsfreudigkeit und trachteten unserer 
Aufgal>e nach Kräften gerecht zu werden. 
Inwieweit uns dies gelungen ist, das zu ent¬ 
scheiden ist nicht unsere Sache. Soviel aber 
dürfen auch wir mit Befriedigung konstatieren, 
dass die Verhandlungen sich auf hohem wis¬ 
senschaftlichen Niveau bewegten und dass sie 
sich bis ans Ende der allerregsten Beteiligung 
erfreuten. Und auch das müssen wir fest¬ 
stellen, dass die Mitglieder deutscher Zunge 
an der oft ermüdenden Arbeit besonders tätig 
teil nahmen, und wenn der Kongress wissen¬ 
schaftliche und praktische Erfolge gezeitigt 
hat, so ist das in hohem Masse ihnen zu ver¬ 
danken. Es sei uns gestattet, allen für die 
rastlose, aufopfernde und mühsame Arbeit 
unsern wärmsten Dank auszusprechen. Wenn 
Zeit und Arbeitsfreudigkeit aller Beteiligten 
stark in Anspruch genommen wurden, so ge¬ 
schah dies nur, weil wir einen grossen Erfolg 
des Kongresses zu erzielen wünschten und 
weil wir Vertrauen in die Liel>e zur Wissen¬ 
schaft und Ihre Arbeitskraft setzten. Wir 
geben der Freude und der Befriedigung Aus¬ 
druck, dass wir die Ehre hatten, Ivongress- 
besuchcr in so überaus grosser Zahl bei uns 
l>egriissen und mit ihnen in engere Beziehungen 
treten zu dürfen. Die Erinnerung an unsere 
Gäste wird in uns fortleben, und ich verleihe 
unsern Empfindungen Ausdruck, indem ich auf 
das Wohl unserer lieben Gäste mein Glas 
erhebe. 

Degivc (Brüssel) spendete der Stadt 


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210 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


3 Jahrgang. 


Budapest für den Empfang begeistertes Lob 
und leerte sein Glas auf das AVohl des Muni- 
zipiums der gastfreundlichen Haupt- und 
Residenzstadt. * 

Der Ehrenpräsident L y d t i n brachte 
einen Toast auf das Exekutivkomitee aus. 
P r e i s z auf den Ehrenpräsidenten. Dam- 
mann hielt eine humordurchsetzte Rede auf 
die Damen. 

von R a t z brachte dann etwa folgenden 
Trinkspruch aus: Die Geschichte der ver¬ 
flossenen AVoche wird uns unvergesslich sein. 
Meine Vorredner haben ihrer Befriedigung über 
den Verlauf des Kongresses Ausdruck gegeben 
und ich danke hierfür auch im Namen des 
gesamten Exekutivkomitees. Aber die Aner¬ 
kennung gebührt in erster Reihe denen, die 
uns in den wissenschaftlichen Fragen des Kon¬ 
gresses mit ihren Berichten und der Veröffent¬ 
lichung ihrer neuesten l>edeutungsvollen Ent¬ 
deckungen bereitwilligst entgegengekommen 
sind. Dann al>or sind die Erfolge auch ein 
Verdienst der Präsidenten und Vizepräsiden¬ 
ten der Sektionen. Ich danke den Bericht¬ 
erstattern, den Präsidenten und den Vize¬ 
präsidenten der Sektionen für ihre aufopfern¬ 
den Bemühungen von ganzem Herzen. Mögen 
sie lange erhalten bleiben zur Zierde der Wis¬ 
senschaft und zum Wohle der Allgemeinheit. 

Tn und nach den Tagen des Kongresses 
wurden von den Mitgliedern verschiedene Ex¬ 
kursionen unternommen, so nach Martonväsär, 
wo l T j h elvi das Bangsche Tuberkulose- 
^ ilgungsverfahren vor sechs Jahren auf meh¬ 
reren grossen Besitzungen zur Einführung ge¬ 
bracht hat. Die Kälber werden hier von auf 
Tul>erkulin nicht reagierenden Kühen ernährt. 
Dieses Ammensystem hat sehr gute Erfolge 
gezeitigt. 

Ein grosser Teil der Kongressmitglieder 
trat am Nachmittage des letzten Sitzungstages 
Exkursionen an nach Kisber, Mezöhegves, 
Bä bol na. dem Plattensee, in die hohe Tatra 
oder nach Herkulosbad. Die Reiseführung war 
in die Hände einer Reisegesellschaft gelegt 
worden, welche allem Vernehmen nach die 
Ausflüge augenscheinlich mehr zu ihrer eige¬ 
nen Befriedigung, als zu der ihrer Mitreisen¬ 
den zu gestalten verstanden hat. 

Der in mühevoller, emsiger Arbeit von 


dem Vorbereitungskomitee auf breiter Basis 
aufgebaute wissenschaftliche Teil des Kon¬ 
gresses fand im grossen und ganzen vollauf 
die geplante Erledigung. Die in jeder Be¬ 
ziehung liebenswürdige Gastfreundschaft, 
welche die Kongressbesueher in so reichem 
Masse fanden, und die eigenartige, reizvolle 
Schönheit der ungarischen Donaustadt wird 
ihnen allen die Tage des Budapester Kon¬ 
gresses unvergesslich machen. 

Ueber das Vorkommen eines Mikrokokken 
in Tumoren 1 ) 

Von Dr. O. Prof o in Cöln 

Gelegentlich meiner seit etwa drei Jahren 
lxdriel>enen Studien und Untersuchungen über 
Aufbau und Aetiologie der Geschwülste habe 
•ich aus einer relativ grossen Anzahl von Tu¬ 
moren Kokken gezüchtet, deren regelmässiges 
Vorkommen auf einen gewissen Zusammen¬ 
hang dieser Mikroorganismen mit der Ent¬ 
stehung, dem Wachstum oder dem Verlaufe 
der Erkrankung hinzuweisen scheint. Wenn 
ich auch weit entfernt davon hin anzunehmen, 
dass in den Mikrokokken die Erreger der 
Tumoren zu erblicken sind, so kann doch eine 
Bedeutung der Kokken vielleicht als Sekun¬ 
därinfektion, die einen erheblichen Zellreiz 
darstellt, vielleicht als präparatorisches Mo¬ 
ment, für die Entwicklung der Geschwülste 
nicht ganz von der Hand gewiesen werden. 
Es sei nur daran erinnert, dass der Micrococcus 
botryogenus, nach Kitt und anderen eine 
| Varietät des Stapliyloeoecus aureus, Fibrome 
| erzeugen soll. 

Meine Untersuchungen erstreckt ui sich 
j auf vier Mammakarzinome, eine Achseldrüse 
| (Ihm Mammakarzinom), drei Uterus- und ein 
j Leberkarzinom vom Menschen, ein Mauikarzi- 
; nom vom Hunde, fünf Sarkome, acht Melnno- 
! sarkomc und zwei Karzinome vom Pferde, zwei 
‘ Sarkome, zwei Karzinome und ein Papillom 
( vom Rinde, im ganzen somit auf JO Neuhil- 
| düngen. Ferner untersuchte ich hei Mäusen 
drei Endotheliome oder Adenokarzinome. w*l- 
j che durch Transplantation fortgezüchtet wur¬ 
den in verschiedenen Generationen. In allen 


1 ) Abdruck aus: Mitteilungen aus Dr. Schmidts 
Laboratorium für Krebsforschung. II. Ibd't Itonii. 
Martin Hager Verlag, 


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Heft 9. 


211 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


diesen Fällen habe ich das Vorkommen eines 
Mikrokokken, der aus den Tumoren in Rein¬ 
kultur gezüchtet werden konnte, nachgewiesen. 
Wenn auch die verschiedenen gewonnenen 
Stämme bisweilen kleine Differenzen in ihrem 
biologischen Verhalten zeigten, wie z. B. in 
liezug auf Schnelligkeit der Gelatineverflüssi¬ 
gung oder Milchgerinnung, so muss ich sie 
nach ihrem sonstigen Verhalten doch als iden¬ 
tisch bezeichnen. 

In jedem einzelnen Falle wurde der Tumor 
auf seinen histologischen Aufbau hin unter¬ 
sucht. Ferner wurden zahlreiche Ausstrich¬ 
präparate gefertigt und in vivo, im hängenden 
Tropfen, wie auch nach verschiedenen Methoden 
gefärbt, untersucht. Schliesslich wurden Kul¬ 
turversuche mittels verschiedener Nährböden 
vorgenommen. In gefärbten oder ungefärbten 
Gewebsausstriehen habe ich Kokken mit Sicher¬ 
heit nicht naehweisen können, auch nicht unter 
Benutzung der G ramschen Färbemethode. 

Die Kulturversuche wurden in der Weise 
vorgenommen, dass nach sorgfältigem Sterili¬ 
sieren der Tumoroberfläche durch Abbrennen 
mit glühenden Kartoffelmessern aus der Tiefe 
und den Randpartien Gewebssaft mit der 
Flat innadel abgestrichen und auf bezw. in das 
Nährmedium gebracht wurde, und dass linsen- 
bis kleinerbsengrosse Stückchen des Tumor¬ 
gewebes unter gleichen Vorsichtsmassregeln 
entnommen und in die Kulturröhrchen über¬ 
tragen wurden. Als Nährböden für die erste 
Generation diente Fleischwasser, Pepton¬ 
bouillon, Bouillon mit Zusatz von 1—2° o 
Traubenzucker, mit Zusatz von ebensoviel 
Glyzerin, einfache Gelatine, Agar, Zuckeragar, 
Glyzerinagar. Die festen Nährböden wurden 
ferner derart verwandt, dass das aufgelegte 
Tumorstückchen mit wenigem Mengen Zucker¬ 
oder Glyzerinbouillon übergossen wurde. Ein 
Teil der Kulturröhrchen wurde bei Brutofen-, 
ein Teil l)ei Zimmertemperatur gehalten. 

Die mittels Platinnadel auf feste Nähr¬ 
böden gefertigten Gewebssaft-Ausstriebe führ¬ 
ten bei meinen Versuchen stets zu einem nega¬ 
tiven Resultat. Auf gleiche Weise angelegte 
Kulturen in flüssigem Nährboden, wie Fleisch¬ 
wasser, Serum, Bouillon, Zucker- und Glvzerin- 
bouillon blieben vorwiegend steril, ln ganz 
vereinzelten Röhrchen, besonders in Zucker¬ 
bouillon, fand sich nach 3—f) Tagen ein«' 


leichte Trübung der Flüssigkeit. In Ausstrich¬ 
präparaten, die aus diesen Kulturen gefertigt 
und gefärbt werden, fanden sich in Reinkultur 
wenig zahlreiche Kokken, die einzeln, öfter zu 
zweien lagen. Letzt eie zeigten abgeplattete 
Berührungsflächen, so dass sie ein kaffee- 
bohnen- oder gonokokkenähnliches Aussehen 
hatten. Ungleich günstiger gestaltete sich das 
Ergebnis des Kulturversuches, wenn Gewebs¬ 
stückchen des Tumors in die Nährflüssigkeit 
übertragen wurden. Hier fanden sich in 2—1 
Tagen, selten auch noch später, bei sämtlichen 
untersuchten Neubildungen, aber immer nur 
in einer gewissen Anzahl der angelegten Kul¬ 
turröhrchen, eine wolkige gleiehmässigc Trü¬ 
bung der Nährflüssigkeit. In Ausstrich¬ 
präparaten fanden sich in Reinkultur die ein¬ 
zeln oder zu zweien gelegenen Kokken. Bei 
Zimmertemperatur erfolgte das Wachstum 
wesentlich später und spärlicher. 

In jungen, 2—1 Tage alten Kulturen fan¬ 
den sich vorwiegend die kaffeebohnenähnlichen 
Diplokokken, seltener einzeln gelegene Kokken. 
Auch kurze Kettenverbände konnten beobachtet 
werden, in denen die Pole der Diplokokken 
einander zugekehrt waren. Bisweilen lagen die 
Diplokokken seitlich nebeneinander, so dass die 
ungefärbte Teilungszone mehrerer eine gerade 
Linie bildete.- Traubenverbände sind niemals 
beobachtet worden. In älteren, etwa S—14 
Tage alten Kulturen herrschten die einzelnen 
kugelrunden Kokken vor. In 3 1 Wochen 

alten und älteren Kulturen waren Mono- und 
Diplokokken zu Haufen unregelmässig anein¬ 
ander gelagert. Sie waren alsdann meist von 
sehr wechselnder Grösse. Einzelne Kokken 
waren vier- bis achtmal grösser als in den 
zwei Tage alten Kulturen. Neben kräftig ge¬ 
färbten waren sehr viele Individuen vorhan¬ 
den, welche den Farbstoff nur in sehr geringem 
Grade angenommen hatten. Nahezu immer 
fand sich ausser den Kokken eine schlecht färb¬ 
bare amorphe oder feinfaserige Masse, die als 
Zerfallsprodukt gedeutet werden musste. Aehn- 
liche faserige Zerfallsmassen habe ich in den 
zu Kon troll versuchen herangezogenen Staphy¬ 
lokokken und Streptokokken nicht beobachtet. 
Die Kokken färbten sich, soweit sie aus 
jüngeren Kulturen stammten, mit den gewöhn¬ 
lichen Anilinfarbstoffen leicht. In älteren 
Kult tuen war das nur bei einzelnen Kokken 


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212 


Fortschritte der Veterinär -Hygiene. 


3. Jahrgang. 


der Fall. Die Gramfärbung war ebenfalls 
jüngeren Organismen gegenüber positiv. Bei 
längerem Einwirken des Alkohols trat aber 
auch hier nicht selten Entfärbung ein. Bei 
der weiteren Fortzüchtung in Zuckerbouillon 
erschien die Nährflüssigkeit nach 18 — 24 Stun¬ 
den gleichmässig wolkig getrübt. Nach 3—4 
Tagen war die Bouillon fast völlig klar, nur 
die oberste Flüssigkeitsschicht war bisweilen 
noch leicht getrübt. Auf der Oberflache war 
niemals eine Kahmhaut gebildet. Nur am 
Bande des Kulturgläschens war ein zarter blau- 
weisser Ring abgesetzt. An der Glaswand und 
am Boden des Röhrchens hatten sich geringe 
bis mittlere Mengen eines sehr feinflockigen 
grauweisscn Niederschlages abgesetzt, die beim 
Schütteln des Röhrchens aufwirbelten, sich 
lösten und die Bouillon leicht wolkig trübten. 

Im Gelatinestich fand bei Zimmertem¬ 
peratur langsames Wachstum in Nagelform 
statt. Die Kuppe ist grauweiss, feuchtglän¬ 
zend, zackig, der Stich ein gelbgrauer gleich- 
massiger Strich. Nach 4—6 Tagen, selten 
früher, bisweilen später, begann die Ver¬ 
flüssigung der Gelatine von der Oberfläche 
her. Die Verflüssigungszone senkte sich lang¬ 
sam stumpf oder sackförmig bis zum unteren 
Ende des Stiches. Eine mehr oder minder dicke 
Randschicht blieb längere Zeit erstarrt stehen, 
ebenso eine Bodenschicht in der Kuppe des 
Gläschens. 

Auf Nähragar wuchsen die Kokken in 
etwa 24 Stunden zu kleinen länglich- oder kreis¬ 
runden, wenig erhabenen glattrandigen Kolo¬ 
nien aus, die später zu einem grauweisscn, 
feuchtglänzenden Belage konfluierten. Mit 
der Platinnadel liess sich dieser schwer ab¬ 
heben. Die Agarstichkulturen nahmen nach 
etwa 2 Tagen Nagel form an, bei welcher die 
Kuppe klein, grauweiss, feuchtglänzend und 
rundzackig umrandet war; der Stich bildete 
einen grauweissen bis graugelben gleichmässig 
dichten Streifen. 

Milch wurde in 2—6 Tagen durch die 
Kokken zur Gerinnung gebracht. 

Eigenartige Verhältnisse zeigten die Kul¬ 
turversuche bei den Melauosarkomen vom 
Pferde. Die grösseren Melanosarkome zeigten 
der Regel nach eine stark höckerige Oberfläche. 
Einzelne der flachrunden Höcker waren derb, 
andere erweicht und sogar fluktuierend; diese 


enthielten dann einen dicken, intensiv schwar¬ 
zen Brei, der chinesischer Tusche glich. Die 
Schnittfläche der derben Knoten war meist 
eben, ziemlich glatt, feuchtglänzend und tief- 
schwarz. Tn Deckglasausstrichen sah man aus¬ 
schliesslich verschieden grosse länglich- und 
kreisrunde, dunkel- und scharfkonturierte, gelb- 
bis dunkelbraune Gebilde, die einzeln, zu losen 
Haufen aneinander gelagert und zu grösseren 
Konglomeraten fest zusammengepresst lagen 
(wahrscheinlich mit Pigmentkörnchen voll¬ 
gepfropfte Zellen). 

Auf Agar, selbst in grösseren Mengen aus- 
gestrichener Gcwebssaft. liess auch nach tage¬ 
langem Belassen im Brutofen keinerlei Wachs¬ 
tum erkennen, ebensowenig im Gelat inest ich 
bei Zimmertemperatur. Auch in den mit reich¬ 
lichen Mengen Gewebssaft oder mit Tumor¬ 
stückchen beschickten Zuckerbouillonröhrchen 
war in den ersten 2—3 Tagen nichts wahr¬ 
nehmbar, was auf ein Wachstum von Organis¬ 
men schliessen lassen konnte. Die Bouillon 
war meist klar, am Boden fand sich ein brauner 
Bodensatz, der beim Schütteln des Gläschens 
wolkig auf wirbelte und der Bouillon eine 
bräunlich trübe Färbung verlieh. Wurde von - 
diesen Röhrchen auf Agar übergeimpft, so 
blieben diese Kulturen zumeist steril, wurde 
in Zuckerbouillon übergeimpft, so erschien 
diese nach 24 Stunden leicht getrübt, nach 
48 Stunden ein gelb- bis bräunlich - grauer 
Bodensatz, der beim Schütteln des Röhrchens 
leicht die Flüssigkeit trübte. Von dieser 
zweiten Generation angelegte Agarkulturen 
zeigten alsdann das oben beschriebene Wachs¬ 
tum der Kokken, ln mit Methylenblau ge¬ 
färbten Ausstrichpräparaten der ersten Ge¬ 
neration waren neben zahlreichen dunkel¬ 
braunen runden Gebilden auch olivgrüne 
grössere kreisrunde Körper und ganz verein¬ 
zelte, gut blau gefärbte Diplokokken. 

Für kleine Versuchstiere zeigten sich die 
Kulturen sehr wenig virulent. Weisse Mäuse 
blieben nach subkutaner und intraperitonealer 
Verimpfung von verschieden alten Kulturen 
in Mengen bis zu 4 ccm gesund, Eiterung wurde 
niemals hiernach beobachtet. Kaninchen ver¬ 
trugen Kulturen intraperitoneal bis zu 50 ccm 
gut. Erst auf 60- 100 ccm traten schnell Er¬ 
krankung und Tod ein. Bei der Autopsie fand 
si<‘h das IVriloneum meist glatt und glänzend. 


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Heft 9. 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


213 


in der Bauchhöhle trübe, zähe Flüssigkeit mit 
grauweissen Flocken, die zahlreich mit Kok¬ 
ken vollgepfropfte Leukocyten enthielten. 

18—24 Stunden alte Bouillonkulturen der 
aus Tumoren gezüchteten Kokken wurden durch 
Serum eines Schafes, welches mit den Kokken 
vorbehandelt war, im Verhältnis von 1 : 125 
kräftig agglutiniert, Staphylokokken auch 
nicht im Verhältnis von 1 : 50. Dagegen 
wurden die Tumorkokken nicht agglutiniert bei 
Zusatz von normalem Schafserum und von 
Serum, welches von einem mit Staphylokokken 
vorl>ehandcltcn Kaninchen gewonnen war. 

Nach den vorstehend geschilderten Unter¬ 
suchungs-Ergebnissen muss das regelmässige 
Vorkommen eines spezifischen Kokken in 
den Tumoren angenommen werden. Als eine 
zufällig erfolgte Mischinfektion kann dieses 
Vorkommen nicht angesehen werden. Welche 
Bolle die Kokken in der Entwicklung der 
Tumoren spielen, darüber müssen weitere Un¬ 
tersuchungen Aufklärung bringen. 


Oeffentliches Veterinärwesen. 

Stand der Tierseuchen im Deutschen Reich 
am 15. November 1905. 

Rotz gelangte zur Feststellung in Preussen 
in 21 Gemeinden und 37 Gehöften, in Bayern 
in 2 Gemeinden und 2 Gehöften, in Baden, 
Eisass-Lothringen und Sachsen-Weimar in je 
einem Gehöfte, zusammen somit in 26 Ge¬ 
meinden und 42 Gehöften. Von Aphthen¬ 
seuche war das Reich frei. Die Schweine¬ 
seuche einschliesslich der Schweinepest 
wurde festgestellt und zur Anzeige gebracht 
in 1552 Gemeinden und 2088 Gehöften. 


Referate. 

Infektionskrankheiten. 

Prof. Dr. E. Hess. Bericht ii b e r die vo n 
d e r ,,G e s e 11 s c h a f t schweizerischer 
Tierärzte“ ver a n s t a 11 e t e Untersuch¬ 
ung betreffend die Kuiitchenseuche. 
Landwirtschaft!. Jahrbuch der Schweiz, XIX. 
•Jahrgang, 190."). 

Die sogenannte Knütchenseuche. die auch als 
infektiöse Scheiden- und Gebärmuttereiltziiudung 
bekannt ist, wurde schon in den siebziger Jahren 
des vorigen Jahrhunderts in einzelnen Gegenden 
der Schweiz beobachtet und im Jahre 1887 von 
Isepponi erstmals eingehender beschrieben. Die 


grosse Bedeutung, welche diese Krankheit aus 
national-ökonomischer und viehzüchterischer Hin¬ 
sicht hat, war die Veranlassung, dass eine 
grosse Zahl kleinerer und grösserer landwirtschaft¬ 
licher Vereine derselben erhöhte Aufmerksamkeit 
schenkten. 

Der Bericht enthält eine Uobersicht der Ant¬ 
worten, welche auf eine Anzahl Fragen gegeben 
wurden. Sie betrafen hauptsächlich das Vor¬ 
kommen der Seuche, das Auftreten als Stallseuche 
oder als allgemeine Seuche, die Weise der An¬ 
steckung, die Faktoren, welche auf die Verbrei¬ 
tung derselben Einfluss haben und den Einfluss 
der Krankheit auf die Konzeption. Weiter wurden 
Fragen gestellt über die Symptome, die Folge¬ 
krankheiten und die ätiologische Beziehung der 
Knötchenseuche 1. zum Nichtabgang der Nach¬ 
geburt, zur chronischen Metritis und Pyomctra 
und zur Stiersucht der Kühe und 2. zur Nabel- 
venenentzündung, zur bösartigen Maulentzündung 
und zum Durchfall der Kälber. Auch hinsichtlich 
der Bedeutung der Stalldesinfektion und der An¬ 
wendung veterinärpolizeilicher Massnahmen wur¬ 
den Fragen gestellt. Viele Antworten darauf sind 
eingelaufen. Obgleich im Fragenschema die Actio- 
logie absichtlich nicht berücksichtigt wurde, so 
hielt der Berichterstatter es doch für zweckmässig, 
über die in den Kommissionsprotokollen und ein¬ 
gelangten Fragenbogen erwähnten diesbezüglichen 
Versuche in aller Kürze zu referieren. Erwähnt 
wurden Zscliokkes, Güillebeaus und 
Oster tags Untersuchungen. Aus ihren sehr 
interessanten Untersuchungen gellt hervor, dass 
das infizierende Agens von sehr verschiedener Art 
und Virulenz sein kann. Weiter hebt man her¬ 
vor, dass D e n z 1 e r schon bewiesen hat, dass 
nach Injektion eines gewöhnlichen Streptococcus 
pyogenes, als nach Injektion von Baeterium coli 
commune in die Scheide des normalen Rindes die 
gleiche Knötcheneruption auftreten kann. 

Hess weist darauf, dass der Name ..Knötchen¬ 
seuche“, weil nur ein einzelnes Stadium im Krank¬ 
heitsverlauf darstellend, kein passender ist und 
zweckmässiger durch infektiöse Scheiden- und 
Gebärmutterentzündung“ ersetzt würde. Wo die 
Impfung mit wenig virulentem Material geschieht, 
entsteht wohl ein katarrhalisch - eiteriger Col- 
pitis, aber nicht immer Knötchen. 

Interessant und sowohl in klinischer als in 
prophylaktischer und therapeutischer Hinsicht 
wichtig ist die Beobachtung, dass, wie die Ver¬ 
suche gezeigt haben, das eiterige Scheiden- und 
Uterusexsudat und das Haruröhrensekret stet« 
viel virulenter sind und zu Ueberimpi'ungen sich 
weit besser eignen als nur mit Knütchenseuche 
behaftetes Gewebe. 

Was die Behandlung betrifft, ist es nach den 
eigenen Erfahrungen des Berichterstatters sehr 
angezeigt, bei infizierten männlichen Tieren den 
Haarpinsel am Schlauche sorgfältig zu entfernen 
und die Vorhaut mit lauwarmem Seifenwasser 


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214 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


3. Jahrgang. 


gründlich zu reinigen. Weiter zieht er die des¬ 
infizierenden Vaginalinjektionen allen anderen Be¬ 
handlungsmethoden vor. So wendeten 98 Tierärzte 
Vaginalinjektionen au, 11 Tamponade und Sup- ( 
positorien, 12 die Bepinselung der Scheidcnschleim- 
haut, 13 die Applikation von Salben, Linimenten 
und Bougies, 13 die Bepuderung der Scheiden¬ 
schleimhaut und 2 Tierärzte leichte Kauterisation. 

Hinsichtlich der Frage, welche polizeilichen 
Massnahmen erwünscht seien, bemerkt der Bericht¬ 
erstatter, dass vorläufig man damit warten möge, 
bis man mehr wisse über die Aetiologie. die Dauer 
der Ansteckungsfähigkeit. Uebertragungsart. Folge¬ 
krankheiten und Therapie. Eine bedeutsame Grund¬ 
lage für die weiteren Forschungen hatte, wie der 
Verfasser mit Recht bemerkt, die ..Gesellschaft 
schweizerischer Tierärzte“ mit der den Gegenstand 
dieser Arbeit bildenden Enquete gelegt. 

Der sorgfältig verfasste Bericht, der über diese 
Krankheit viel Wissenswertes enthält, sei hiermit 
dringendst empfohlen. de Bruin. 

F. K. Kleine und B. Möllers. Ueber Hühner¬ 
pest bei Gänsen. Ctbl. f. Bukt. 39, 5. 

Einer der Verf. hat nachgewiesen, dass bei 
jungen Gänsen das unbekannt filtrierbare Virus 
der Hühnerpest ins Gehirn und Rückenmark ein¬ 
wandert, wo es Reizerscheinungen und andere 
Symptome auslöst. Man kann das Virus im Ge¬ 
hirn und Rückenmark der verendeten Tiere leicht 
durch Verimpfen nachweisen. Es gelangt auf dem 
Blutwege ins Zentralnervensystem. 

Wegen des plötzlichen Verschwindens der 
Parasiten aus dem Blut nach ihrer Einwanderung 
in bestimmte Organe, sprechen die Verff. die Ver¬ 
mutung aus, dass man es hier mit Protozoen zu 
tun haben könnte. Jene Ansicht hat seitdem eine 
Stütze erhalten. Das Blut gestorbener Gänse ist 
nämlich nicht in allen Fällen frei vom Virus. 
Nicht selten kehren die Parasiten wie die Erreger 
der Malaria und des Rückfallfiebers nach einer 
Pause in das Blut zurück. Es ist in hohem Grade 
wahrscheinlich, nach den Ergebnissen der bis¬ 
herigen Versuche, dass die Erreger der Hühner¬ 
pest. sich für junge Gänse durch Passage so an¬ 
züchten lassen, dass sie während der Krankheit 
kaum noch aus dem Blute verschwinden und dass 
somit die Seuche ihre charakteristischen Unter¬ 
schiede zwischen dem Verlauf bei Hühnern und 
bei jungen Gänsen wieder völlig verlieren kann. 

Bei Tauben und Enten glückte eine Anzüch¬ 
tung nicht. Die Mehrzahl der Parasiten geht 
zweifellos in dem ungeeigneten Organismus zu¬ 
grunde. Ob eine Abschwächung der überlebenden 
eintritt, ist sehr ungewiss. Jedenfalls gelang es 
nicht, mit der Gehirnmasse alter Gänse und Tauben 
Hühner zu immunisieren. Entweder starben die 
Tiere oder wurden nicht geschützt. Enten, auch 
junge, erkrankten selbst bei intraperitonealer In¬ 
jektion von 10 ccm infektiösem Blut nicht 
sichtbar. 

Vom unverletzten Konjunktivalsack ai. infi¬ 


ziert das Virus schnell. Wahrscheinlich gelangt 
es in die Nase und wird dort von der Schleimhaut 
resorbiert. Führte man bei Hühnern, die durch 
einen Tropfen dünner Gehirnemulsion in den Kon¬ 
junktivalsack gebracht, schon in zwei Tagen 
starben, mit der Schlundsonde die dreifache Menge 
in den Magen ein, so erkrankten die Tiere nicht. 

Jacob. 

Jarosch. Ueber Septikämie der Trut- 
li ü h n e r. Przeglad weterynarski 1905, No. 5. 

Bei einem zur Sektion gelieferten Truthuhn 
fand der Verf. subepikardiale Ilämorrhagien so¬ 
wie hämorrhagische Duodenitis; Milz war stark 
vergrössert, im Blute wurden zahlreiche, schi- 
kleine und schlanke, den Schweinerot lauf bacillen 
sehr ähnliche Stäbchen vorgefunden — mit einem 
Worte das typische Bild einer Septikämie. 

Nähere bakteriologische Untersuchungen haben 
folgendes ergeben: Der Bacillus ist etwa 0.8 bis 
1 p lang, sehr fein, besitzt keine Eigenbeweguug, 
bildet auf den Gelatinplatten zarte, wolkige, in 
der Tiefe des Nährbodens wachsende Kolonien vom 
nebelhaften Aussehen, in Gelatinestichkulturen, um 
den Stichkanal herum weissliche zart verschwom¬ 
mene Wölkchen. Auf Kartoffeln kein Wachstum, 
Bouillon wird schwach getrübt. Der Bacillus bei 
Zimmerwärme jedoch sehr langsam und ohne 
Sporenbildung. Er ist ein fakultativer Anaerob, 
färbt sich mit einfachen Farbstoffen und nach 
Grane. Die biologischen Untersuchungen an den 
Versuchstieren ergaben seine Pathogenität für 
Hausmäuse, Tauben und Kaninchen, welche sämt¬ 
lich in kurzer Zeit (1—7 Tage) der Infektion unter¬ 
lagen und dieselben pathologisch-anatomischen 
Veränderungen aufwiesen, wie bei dem erwähnten 
Truthuhn zu beobachten war. Das aus dem Herzen 
des verendeten Kaninchens entnommene Blut wurde 
einem anderen Truthuhn subkutan geimpft und 
das Tier ging am fünften Tage zugrunde. Mäuse 
starben in hockernder Stellung und mit verklebten 
Augen, wie bei künstlicher Infektion mit Schweine¬ 
rotlaufbacillen. Hühner und Enten zeigten sich 
dagegen vollkommen refraktär. Nach allen mor¬ 
phologischen und biologischen Merkmalen ist so¬ 
mit der eben beschriebene Bacillus dem des 
Schweinerotlaufes und der Mäuseseptikämie sehr 
ähnlich, wenn nicht mit beiden identisch. Die 
Truthühner sind also für Septikämie empfänglich, 
die Krankheit kann bei ihnen ganz spontan auf¬ 
tret eil und ist höchst wahrscheinlich als eine 
Wundinfektion anfzufassen. Baczynski. 


Bücheranzeigen. 

Spezielle Pathologie und Therapie 
der 11 a usti e r e. Von Dr. Franz Hntyra. 
o. ö. Professor der Seuchen lehre, und Dr. Josef 
Marek, o. ö. Professor der spez. Pathologie und 
Therapie an der 'Tierärztlichen Hochschule in 
Budaj>est. I. Band. Infektionskrankheiten. Krankr 
heilen des Blutes und der Blutbildung, der Milz, 


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Heft 9. 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


215 


des Stoffwechsels und der Zirkulationsorgane. Mit 
132 Abbildungen im Text und drei Tafeln. Jena. 
Verlag von Gustav Fischer. 1905. 

Das umfassend angelegte Werk, dessen erster 
Band uns vorliegt, ist zum ersten Male in der 
Zeit von 1894 bis 1898, von Hutyra allein verfasst, 
in ungarischer Sprache erschienen. Im Jahre 1904 
wurde die mit Marek gemeinschaftlich bearbeitete 
zweite Auflage der Oeffentlichkeit übergeben. 
Gelegentlich dieser Bearbeitung beschlossen die 
Autoren, ihr Arbeitswerk auch in deutscher Sprache 
herauszugeben. Ein Vorhaben, das, nach dem Ein¬ 
druck, den der erste Band inhaltlich hervorruft, 
nur mit Freude begrüssl werden kann. 

Der erste Band enthält, wie der oben wieder¬ 
gegebene Inhalt des Titelblatts ansagt, ausser den 
Krankheiten des Blutes, des Stoffwechsels und 
der Zirkulationsorgane in erster Linie die Infek¬ 
tionskrankheiten, welche in sechs Gruppen ein¬ 
geteilt sind. Die akuten allgemeinen Infektions¬ 
krankheiten bilden den Inhalt der ersten Gruppe. 
Alsdann folgen die akuten exanthematischen. 
ferner die akuten Infektionskrankheiten mit Loka¬ 
lisation auf gewisse Organe. Die Infektionskrank¬ 
heiten mit vorwiegender Beteiligung des Nerven¬ 
systems sind als vierte Gruppe zusammengefasst. 
Es folgen hier die chronischen Infektionskrank¬ 
heiten, unter denen die Tuberkulose in einer sehr 
umfassenden Darstellung einhundert Seiten ein¬ 
nimmt, und schliesslich die durch Protozoen er¬ 
zeugten Infektionskrankheiten. Die Besprechung 
der einzelnen Krankheiten erstreckt sich auf kurze 
geschichtliche Angalien, auf das Vor¬ 
kommen der Krankheit, wobei zumeist alle euro¬ 
päischen, z. T. auch aussereuropäische Staaten 
berücksichtigt sind, auf die Aetiologie, die 
bei den Infektionskrankheiten das Wichtige aus 
der Bakteriologie knapp aber in vollständiger 
Weise wiedergibt, auf die Pathogenese und 
anatomische Veränderungen, Sym¬ 
ptome, Verlauf, bei denen die Fieberkurven 
in graphischer Darstellung l>eigegeben sind, auf 
Diagnose, Behandlung, Vorbauung und 
Schutzimpfung unter Berücksichtigung der 
neusten Forschungsergebnisse, auf die V e t e r i - 
n ä r p o 1 i z e i und schliesslich auf das V o r - 
kommen der betreffenden Krankheit bei m 
Mens o h e n. Literaturangaben fehlen zwar; abu* 
es sind in dem Texte die Autoren vielfach nament¬ 
lich angeführt. Die Darstellung ist lebendig und 
dadurch fesselnd. Die Abbildungen sind z. T. vor¬ 
züglich, besonders soweit sie sich auf die Bak¬ 
teriologie beziehen. Nach dem ersten Bande muss 
das Werk als eines der vorzüglichsten der spe¬ 
ziellen Pathologie und Therapie bezeichnet wer¬ 
den. Wir kennen kein zweites neueres Werk, das 
die neusten Forschungsergebnisse in ihrer Bedeu¬ 
tung für die Tierpathologie und Therapie in dem 
Masse würdigt wie das vorliegende. Es sei daher 
nicht nur den »Studierenden als besonders geeignet 
zur gründlichen Einführung in das Studium der 


s]>eziellen Pathologie und Therapie zur Anschaffung 
bestens empfohlen, sondern auch allen den prak¬ 
tischen und beamteten Tierärzten, die über die 
neueren Fortschritte der für die Tierpathologie 
in Betracht kommenden Disziplinen und über den 
modernen Standpunkt, dieser wichtigsten Spezial¬ 
wissenschaft sich durch ein anregendes Werk zu 
orientieren wünschen. Profe, 

Deutscher Veteriniir-Kalender für 
das Jahr 1905—1906. Herausgegeben in 2 Teilen 
von Prof. R. Schmaltz. Mit Beiträgen von 
DDr. Arndt, Ellinger, Eschbaum, Hartenstein, 
Koch, Schlegel, Steinbich, Topper. Berlin 1906. 
Verlag von Richard Schoetz. 

Der neuste Jahrgang bringt nochmals eine 
Umwandlung des Tagesnotizbuches. Es werden 
6 auswechselbare Einzel hefte mit je zwei Seiten 
für den Tag beigegeben, was als entschieden sehr 
zweckentsprechend zu bezeichnen ist. Die hier¬ 
durch bedingte Umfangsvermehrung des Taschen¬ 
kalenders wird durch Uebernahme zweier grösserer 
Abschnitte in dem zweiten Teil des Kalenders aus¬ 
geglichen. Der Inhalt beider Teile ist mit Rück¬ 
sicht auf eingetretene Aenderungen neu redigiert. 
So sind u. a. die neuen Bestimmungen über die 
Liquidationen der prenssischen Kreistierärzte auf¬ 
genommen. Es sind ferner wichtigere veterinär¬ 
polizeiliche bayrische Verordnungen in den 1. Teil 
einbezogen worden. Die weitgehende und dankens¬ 
werte Rücksichtnahme von seiten des Herausgebers 
auf die vielfachen Wünsche der Abnehmer sichert 
dem Deutschen Veterinär-Kalender die Sympathien, 
die sein zweckmässig gesicherter Inhalt von je¬ 
her zu werlien gewusst hat. Profe. 

Veterinär-Kalender für das Jahr 1906. 
Unter Mitwirkung von Prof. Dammann, Prof. Eber, 
Vet.-Rat Holtzhauer, Med.-Rat- Edelmann, Prof. 
Johne und Rechnungsrat Dammann, herausgegeben 
von Koenig, Korpsstabsveterinär. Berlin 1906. 
Verlag von August Hirschwald. 

Der neue Jahrgang hat in beiden Teilen mehr¬ 
fache Aenderungen erfahren. Die Kapitel Ge¬ 
bührentaxen und Veterinär-Polizei sind erweitert. 
Das Kapitel Mikroskopischer Nachweis der wich¬ 
tigsten Bakterien und Anleitung zur Untersuch¬ 
ung von Hafer, Heu und Stroh sind in den zweiten 
Teil verlegt worden. Neu hinzugekommen ist eine 
kurze Anleitung zur Milchuntersuchung. 

Profe. 


Die Entstehung des Careinoms von 
Dr. Hugo Ribbert, o. Professor der allg. Pa¬ 
thologie und pathologischen Anatomie der Uni¬ 
versität Göttingen. Bonn, Verlag von Friedrich 
Cohen. 1905. Preis 1 M. 

Ribbert steht bekanntlich auf dem Stand¬ 
punkte. dass alle Geschwülste aus z. T. in der 
Embryonalzeit. z. T. später abgesprengten Keimen 
entstellen, die den Zusammenhang mit dem nor¬ 
malen Gewebe verloren haben. AuHi denen, welche 


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216 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


3. Jahrgang. 


nicht dersellien Auffassung huldigen, ist das 
Studium der kleinen anregenden Monographie zu 
empfehlen. Profe. 

Veröffentlichungen aus den Jah¬ 
res-Veterinär-Bericht en der beam¬ 
teten Tierärzte Preusscns für das 
Jahr 1903. Vierter Jahrgang. Zwei Teile. Mit 
17 Tafeln. Berlin. Verlagsbuchhandlung Paul 
Parey. 1905. 

Während der erste Teil in bekannter Anord¬ 
nung die anzeigepflichtigen Seuchen, deren Auf¬ 
treten, Verbreitung, Entstehungsursachen, Behand¬ 
lung, Impfung enthält, umfasst der zweite Teil 
l>emerkenswerte Beobachtungen und Mitteilungen 
über nicht anzeigepflichtige Krankheiten, ferner 
die öffentliche Gesundheitspflege, Mitteilungen 
über die Agglutinationsprobe bei Rotz, welche 
logischerweise und zweckmässiger in extenso in 
dem ersten Teil unter Kapitel Rotz Aufnahme hätte 
finden sollen. Der zweite Teil enthält des wei¬ 
teren zehn Obergutachten der Technischen Depu¬ 
tation für das Veterinärwesen und schliesslich erne 
Zusammenstellung der im Jahre 1903 in Preussen 
erlassenen Verordnungen über Veterinärwesen. Es 
ist in den Veröffentlichungen von den preussisclien 
beamteten Tierärzten eine so ausserordentliche 
Fülle wichtiger wissenschaftlicher und praktischer 
Beobachtungen zusammengetragen, dass sie in 
keiner tierärztlichen Bibliothek fehlen sollten. 

Profe. 

Neue physik a lisch- chemis c h e U n - 
tcrsuch ungen der Milch. Unterscheidung 
physiologischer und pathologischer Kuhmilch. Von 
Dr. C. Schnorf. Zürich 1905. Verlag: Art. In¬ 
stitut Orell Füssli. Preis 3 M. 

Verf. suchte nach Milchprüfungsmethoden, 
deren Resultate einen praktisch verwertbaren Rück¬ 
schluss auf den Gesundheitszustand der Milch¬ 
tiere, bezw. deren Milchdrüsen und somit auch 
auf die Tauglichkeit der Milch als Nahrungsmittel 
zulassen. Die Arbeit zerfällt in drei Abschnitte, 
deren erster eine kurze geschichtliche Uebersicht 
über die drei Methoden Refraktoskopie, Kryoskopie 
und Prüfung des elektrischen LeitungsVermögens 
enthält. Im zweiten Abschnitt sind die Unter¬ 
suchungstechnik und eigene Untersuchungsbefunde 
ausgeführt. Untersuchungsresultate und Schluss¬ 
folgerungen bilden den dritten Teil. Das kleine 
und wohlfeile Werk gibt mit den in ihm beschrie¬ 
benen Methoden ein wertvolles Hilfsmittel bei der 
Analyse der Milch an die Hand und ist allen 
denen, die mit Milchuntersuchungen oder mit der 
Beschaffung von Säuglingsmilch betraut sind, zur 
Anschaffung zu empfehlen. Profe. 

Grundriss der Trichinenschau. Leit¬ 
faden für deu Unterricht in der Ausbildung der 


Trichineiischauer nebst den preussisclien gesetz¬ 
lichen Bestimmungen von Clausen, Schlacht¬ 
hof-Direktor, Hagen in W. Berlin 1905. Verlag 
von Richard Schoetz. 

Verf. hat in der richtigen Erkenntnis, das^ 
die Lehrbücher von Johne und Preusse für die 
kurze bemessene Ausbildungszeit der Trichineii¬ 
schauer zu ausführlich (— für deren Durchschnitts¬ 
befähigung auch zu gelehrt — d. Ref.) sind, einen 
ganz kurzen, von allem Ueberflässigen freien Leit¬ 
faden zusammengestellt. Die nicht ganz leichte 
Aufgabe, ein wissenschaftliches Gebiet für den 
weniger gebildeten Laien verständlich zu machen, 
und die noch schwierigere, es ilnn für die prak¬ 
tische Handhabung zu eigen zu machen, ist von 
dem Verfasser in ganz vortrefflicher Weise ge¬ 
löst. Der Grundriss ist zum Zwecke der Ausbil¬ 
dung wie kein zweites Buch geeignet und daher 
bestens empfohlen. Profö. 

Sulla b y i o 1 o g i a d e 1 c o s i d e 11o t i f o 
o F e b b r e petecchiale d e 1 e a v a 11 n. 
Contributo allo Studio della piroplasmosi etpiiiia. 
Dci L. Bar uc hell o et dott. N. M o r i. Estratm 
dalla Rivista dartiglieria e genio. 1905. Vol. III. 
Roma 1905. 

Die Verff. haben eine Krankheitsform l>ei 
Pferden in und bei Rom, die sie als Petechial¬ 
fieber diagnostiziert haben, des näheren unter¬ 
sucht und ein Piroplasrna als Krankheitsursache 
nachgewiesen. Profe. 

Bericht über die im Hygienische r. 
I n s t i t u t d e r K ö n i g 1 i c h T i e r ä r z 11 i c h e 11 
Hochschule a u s g e f ii h r t e n T u berku- 
lose -Arbeiten. Von I )r. K 1 i m in o r. Dres¬ 
den. Separat-Abdruek a. d. Berliner Tierarzt L 
Wochenschrift. 1905. No. 27. 

M a 1 a d i e s des t. r o u p c a u x da n - 
l’Afrique du S u d. Par le Dr. A. T heil e r. 
Extrait du Bulletin de lTnstitut Pasteur. Tome 
111. Aoüt 1905. 

Weitere Besprechungen Vorbehalten. 

I) H. 


Einsendung von Original-Abhandlungen. 
Büchern, Monographien und Separat-Abdrücken 
wird direkt an den Redakteur, Kreistierarzt Dr. 
O. Profd, Cöln a. Rh., Hansaring 50, oder an die 
Verlagshandlung Louis Marcus, Berlin SW H 
Tempelhofer Ufer 7, erbeten. 


Kiir «1. U»*«l.nktion vcrantwortl. Krcistiorar/t Dr. (>. Profe, Cöln a. Ivh., Hansariug öO. Druck von Pass & (Jarleb (i.tn.b. II . Berlin \V k*. 
Verlag und Bitfcntmn: Louis Marcus V crlagsbudi band lung, Berlin SW. Gl. 


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Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 

3. JAHRGANG. JANUAR 1906. HEFT 10. 


Zum Nachweis des Milzbrandes durch 
Züchtung. 

von Dr. Fischoeder, Kreistierarzt, 
in Königsberg Pr. 

Mit 4 lithographierten Tafeln. 

(Aus der Milzbranduntersuchungsstelle im Landcs- 
liause zu Königsberg Pr.) 

Nachdem Frankel 1 ) auf die diagnosti¬ 
sche Bedeutung der Züchtungsversuche bei 
Milzbrandverdacht hingewiesen hatte, wurde 
diese Frage besonders in tierärztlichen Kreisen 
viel erörtert, weil gerade die Tierärzte wegen 
der von den Provinzial Verwaltungen zum 
Zwecke der Entschädigung eingeführten Nach¬ 
prüfungen an der Klärung der Milzbranddia¬ 
gnose das grösste Interesse haben. Auf die rein 
theoretischen, mit mehr oder weniger Glück 
und Geschick geführten Erörterungen will ich 
hier nicht eingehen, sondern nur auf diejenigen 
Angaben, welche sich auf eigene Arbeiten und 
Versuche stützen und zweifellos zur Förderung 
der Milzbranddiagnose wesentlich beigetragen 
haben. 

Der grösste diagnostische Wert wird von 
Bongert dem Plattenverfahren zugeschrie¬ 
ben. Dem Milzbranderreger ist nämlich 
nach Bongert 2 ) auf der Agar- oder 
Gelatineplatte ein ganz charakteristisches 
Wachstum eigentümlich, wodurch ein leich¬ 
tes Erkennen an dem Aussehen der Kolonie 
auch in einem Bakteriengemisch ermöglicht 
wird. Er charakterisiert die Milzbrand¬ 
kolonien dahin, dass sie auf der Ober¬ 
fläche der Agar- oder Gelatineschicht ein 
schöngelocktes, medusenhauptähnliches Aus¬ 
sehen besitzen, und bei makroskopischer Be¬ 
trachtung weiss, etwas glänzend erscheinen. Die 
Kolonien in der Tiefe der Agarschicht 
gleichen dagegen makroskopisch kleinsten, mit 
zarten Ausläufern versehenen Flaumfederchen 
und erscheinen bei schwacher Vergrösserung 
als grauschwarze, aus einzelnen u n - 

*) Hyg. Rundschau 1901, Bd. XI, Nr. 13. 

2 ) Centralbl. f. Bakt. usw., I. Abt., Bd. XXXIV, 
1903, Nr. 8, S. 775, u. Zeitschr. f. Fleisch- u. 
Milchhyg., Bd. XII, 1902, H. 7, S. 198. 


regelmässigen Stückchen zusam¬ 
mengesetzte Gebilde, welche wenige 
starre Ausläufer zeigen, so dass das ganze 
ein moosartiges Aussehen besitzt und mit dem 
Kelche einer Moosrose verglichen werden kann. 
Gelangt ein Ausläufer einer tiefen Kolonie an 
die Oberfläche, dann bildet er sofort Haar¬ 
locken, die alsbald zu einer kometenschweif¬ 
artigen Kolonie auswachsen. Diese Eigentüm¬ 
lichkeiten der in der Tiefe wachsenden Ko¬ 
lonie gewähren nach Bongert sichere 
Anhaltspunkte für die Erkennung einer 
Milzbrandkolonie auch unter unzähligen 
anderen Kolonien. Bongert macht 
jedoch darauf aufmerksam, dass die deutliche 
L o c k e n bildung der Milzbrandkolonien nur 
in den ersten zwei Tagen vorhanden ist, mit 
dem Eintritt der Sporenbildung jedoch all¬ 
mählich an Deutlichkeit abnimmt und ver¬ 
schwindet. 

Nun ist schon von verschiedener Seite dar¬ 
auf hingewiesen worden, dass es noch andere 
Stäbchen gibt, welche auf Platten ein ähnliches 
Wachstum zeigen wie die Milzbrandstäbchen, 
ln den Jahresveterinärberichten 8 ) wird aus dem 
Regierungsbezirk Wiesbaden über Stäbchen be¬ 
richtet, welche nicht nur in der für Milzbrand 
typischen Form auf Agarplatten wuchsen, son¬ 
dern auch bei starker Vergrösserung bezüg¬ 
lich der langausgewachsenen sporenhaltigen Fä¬ 
den keine Unterschiede von Milzbrand zeigten, 
aber dennoch keine Milzbrandstäbchen waren. 

Auch Bongert 4 ) macht auf solche Stäb¬ 
chen aufmerksam, doch ist nach seinen Angaben 
die Lockenbildung weniger zierlich, regel¬ 
mässig und deutlich ausgeprägt. Auch er¬ 
reichen diese Kolonien wegen der Neigung zum 
starken Oberflächenwachstum meistens eine 
beträchtlichere Grösse als die Milzbrandkolo¬ 
nien. In zweifelhaften Fällen wird eine sichere 
Unterscheidung durch Betrachtung des Zen- 

8 ) Bermbach, 1901, T. I, S. 23. 

4 ) Zeitschr. f. Fleisch- u. Milchhyg., sowie 
Centralbl. f. Bakt. usw. an den gen. Stellen und 
Bakt. Diagnostik, Wiesbaden 1901. S. 8S. 


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218 


Fortsohritte der Veterinär-Hygiene. 


3. Jahrgang. 


trums der Kolonie oder der in der Tiefe ge¬ 
wachsenen Kolonien herbeigeführt. Die Unter¬ 
schiede zwischen dem Zentrum einer oberfläch¬ 
lichen Milzbrand- und milzbrandähnlichen Ko¬ 
lonie gibt er nicht an, sondern er führt nur 
aus, dass die in der Tiefe gewachsenen milz¬ 
brandähnlichen Kolonien zum Unterschiede von 
den tiefen Milzbrandkolonien „viele faden¬ 
förmige, mehr geradlinig verlaufende 
strahlige Ausläufer und Verästelun¬ 
gen“ besitzen, so dass für erstere der Ver¬ 
gleich mit der Haarkrone einer Distel zu¬ 
treffend erscheint. Zur Illustration dieser 
Unterschiede fügt Bongert eine ganze 
Reihe von Photogrammen bei, in denen die 
genannten Unterschiede der Tiefenkolonien 
recht deutlich veranschaulicht werden. Da¬ 
hingegen sind die Unterschiede der oberfläch¬ 
lichen Kolonien nicht so in die Augen sprin¬ 
gend. Es ist schwer, an der Hand mancher 
Abbildungen greifbare Unterschiede herauszu¬ 
finden, namentlich dort, wo es sich um abge¬ 
schwächten Milzbrand und Pseudomilzbrand 
handelt. (Vergl. Abb. No. 6, 10—14 im Central¬ 
blatt und No. 36 in d. bakt. Diagnostik.) 

Einen weiteren Beitrag zur Unterschei¬ 
dung der Milzbrand- von Pseudomilzbrand¬ 
kolonien hat dann Kaesewurm 5 ) geliefert. 
Er beschreibt an der Hand von 18 Photo¬ 
grammen das Aussehen der Agarkolonien des 
Milzbrand- und eines „Pseudomilzbrandba¬ 
zillus“, welcher haarlockenähnliche Bildungen 
auf weist und besonders dem weniger Geübten 
zu Täuschungen leicht Anlass geben kann, zu¬ 
mal er auf verschiedenen Substraten (Blut, 
Milch, Milzsaft, Heu, Fliesspapier, Wollfäden 
usw.) recht häufig angetroffen wird. Die wich¬ 
tigsten Unterscheidungsmerkmale zwischen der 
Milzbrand- und Pseudomilzbrandkolonie sind 
nach Kaesewurm folgende: 

Die Milzbrandkolonie charakterisiert sich 
schon makroskopisch dadurch, dass von 
einer zentralen Masse sich kometenschweif- 
artige Ausläufer abzweigen (Fig. 1), während 
die Pseudomilzbrandkolonie „ein in sich ge¬ 
schlossenes, scheibenartiges Fadengewirr“ dar¬ 
stellt, „dessen Saum der makroskopisch sicht¬ 
baren Ausläufer entbehrt 4 * (Fig. 2). Wie wenig 
stichhaltig aber dieser Unterschied ist, davon 

5 ) Zeitschr. f. Fleisch- u. Milchliyg., Bd. XIV, 
1904, S. 137. 


kann der Leser sich selbst überzeugen, wenn 
er sich die anderen Abbildungen von Kaese¬ 
wurm ansieht, insbesondere die in sich ge¬ 
schlossenen Milzbrandkolonien Figg. 5, 6 und 
13 und die mit Ausläufern ausgestatteten 
Pseudomilzbrandkolonien Figg. 7, 8, 11, 15 und 
16. Es ist doch kaum anzunehmen, dass die 
in den letztgenannten Figuren sichtbaren Aus¬ 
läufer makroskopisch nicht erkennbar sein 
sollten. Dahingegen werden sich die Milzbrand¬ 
kolonien in Fig, 5 und 6 bezüglich ihrer Form 
von den Pseudomilzbrandkolonien in Fig. 2 
makroskopisch wohl schwerlich unterscheiden 
lassen. K a e s e w u rm gibt ja auch bei der 
weiteren Besprechung der Figg. 3 und 4 selbst 
zu, dass diese schon makroskopisch erkenn¬ 
baren Wuchsunterschiede nicht immer so mar¬ 
kant auf treten, hebt aber zur weiteren makro¬ 
skopischen Unterscheidung des Milzbrands und 
Pseudomilzbrands hervor, dass im allgemeinen 
letzterer viel üppiger und schneller wächst, 
so dass oft schon nach 6—12 Stunden die 
ganze Agarfläche von einem zusammenhängen¬ 
den Rasen überwuchert ist, während letzteres 
bei Milzbrand nie beobachtet wird, sondern 
auch bei dichtem Wachstum jede ein¬ 
zelne Milzbrandkolonie als von der 
nachbarlichen räumlich getrennt zu er¬ 
kennen ist. Von dieser Behauptung ist man 
aber nicht überzeugt, wenn man die Abbildun¬ 
gen No. 1—4, 7 und 8 von Kaesewurm ver¬ 
gleicht. Es ist tatsächlich unmöglich, in Fig. 1 
eine räumliche Trennung der Milzbrand¬ 
kolonien zu erkennen, und andererseits ist es 
auffallend, dass die Kolonien in Fig. 2 sich 
nicht weiter ausgebreitet haben, oder die Ko¬ 
lonien in Figg. 4 und 7 nicht zusammenge¬ 
schmolzen sind, wenn diese Neigung den 
Pseudomilzbrandkolonien eigentümlich sein 
soll. 

Bei mikroskopischer Durchmuste¬ 
rung der Agarplatten, sagt nun Kaesewurm 
weiter, werden die oberflächlichen Milzbrand¬ 
kolonien sofort augenfällig durch die sog. 
haarlockenähnliche Ausbreitung ihrer Faden¬ 
verbände. Eine Gefahr der Verwechslung 
mit Pseudomilzbrand, welchem eine im ge¬ 
wissen Sinne ähnliche Architektonik der Ober¬ 
flächenkolonien eigen ist, liegt aber nur inner¬ 
halb der ersten Tage nahe, da sich meist 
schon nach 24 Stunden die angedeutete Zeich- 


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Heft 10. 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


219 


nung verwischt, wohingegen die echteMilz- 
brandkolonie diese ihre charakteristische 
Bildung dauernd bewahrt. An dieser Stelle 
möchte ich nur daran erinnern, dass nach 
Bongert 6 ) auch die Lockenbildung der Milz¬ 
brandkolonien mit Eintritt der Sporen¬ 
bildung allmählich an Deutlichkeit ab¬ 
nimmt und verschwindet, und gleichzeitig her¬ 
vorheben, dass bei Brutwärme die Sporen¬ 
bildung schon in 16 Stunden eintritt. 7 ) Wenn 
man ferner die Randzonen der Figg. 14 und 15 
von Kaesewurm vergleicht, so ist es tat¬ 
sächlich schwer, durchgreifende Unterschiede 
in der Lockenbildung herauszufinden. Auch 
von der weiteren Behauptung Kaese- 
wurms, dass man bei der echten Milz¬ 
brandkolonie fast ausnahmslos einen zentral 
gelegenen Kern findet, während er bei den 
Pseudomilzbrandkolonien vermisst wird, kann 
man sich nicht überzeugen. Bei seinen 
Abbildungen liegen nämlich in den Milz¬ 
brandkolonien Figg. No. 5 und 6 die Kerne 
durchaus nicht im Zentrum, sondern am Rande, 
während bei den Pseudomilzbrandkolonien in 
Figg. 7 und 8 deutliche, zentral gelegene 
Kerne leicht erkennbar sind, mindestens so 
gut wie bei der Milzbrandkolonie von Bon¬ 
ge r t. 8 ) 

Bezüglich der in der Tiefe wachsen¬ 
den Kolonien gibt Kaesewurm fol¬ 
gende Unterschiede an: Bei den Tiefen¬ 
kolonien des Milzbrandes markiert sich ein 
zentral gelagertes, relativ grosses, kompak¬ 
tes, dunkelbraunes Gebilde, welches kräf¬ 
tig und scharf konturiert, während 
das dunkle Zentrum der tiefen Pseudomilz¬ 
brandkolonie ohne scharfe Uebergänge 
in das Gewirr der Ausläufer übergeht, die 
sich ihrerseits astartig nach den Enden zu 
verjüngen, während die Ausläufer bei echtem 
Milzbrand in ihrem Verlaufe knollenartige Ver¬ 
dickungen auf weisen. Wenn man sich aber 
die einzige Tiefenkolonie von Pseudomilz¬ 
brand, die Kaesewurm (Fig. 11) gibt, und 
dann seine Milzbrandkolonie in Fig. 9 be¬ 
trachtet, so wird man der Behauptung Kaese- 

«) Centralbl. f. Bakt., Bd. XXXIV, Nr. 8, S. 776. 

7 ) Zeitschr. f. Fleisch- u. Milchhyg. 1903, 
H. 5, S. 134. 

8 ) Zeitschr. f. Fleisch- u. Milchhyg., Bd. XII. 
S. 199, Fig. 1. 


wurms nicht beistimmen können, und zwar 
um so weniger, wenn man dabei die Figg. 4 
und 6, 9 ) 7 und 8 10 ) und 38 11 ) von Bongert 
in Augenschein nimmt. Aus den Bongert- 
schen Abbildungen ersieht man gerade das 
Gegenteil von dem, was Kaesewurm 
als charakteristisch für die Milzbrand¬ 
tiefenkolonie betont. Bongert sagt ja auch 
nicht, dass sich die Tiefenkolonie des Milz¬ 
brandes als ein kompaktes, scharf konturiertes 
Gebilde darstellt, sondern im Gegenteil, als 
ein aus unregelmässigen Stücken zusammen¬ 
gesetztes, wenige starre Ausläufer zeigendes 
Gebilde. Er vergleicht sie auch mit einer 
„Moosrose“, während sie Kaesewurm als 
„wurzelähnlich“ bezeichnet, im Gegensatz zu 
der „strauchähnlichen“ Pseudomilzbrandko¬ 
lonie, die Bongert wieder mit der „Haar¬ 
krone einer Distel“ vergleicht. Kaese- 
wurms Charakteristik gilt demnach wahr¬ 
scheinlich mehr derjenigen Abbildung, die er 
gerade bespricht. Sie passt aber nicht auf 
Milzbrandkolonien im allgemeinen und auch 
nicht auf alle anderen seiner eigenen Abbil¬ 
dungen. 

Schon aus den angegebenen Widersprüchen 
kann man ohne weiteres entnehmen, dass es nicht 
so einfach sein kann, die Milzbrandkolonien 
an ihrem „heraldischen“ (Kaesewurm) Aussehen 
„unter unzähligen anderen Kolonien“ (Bongert) 
leicht zu erkennen. Diese Widersprüche sind 
für die Milzbranddiagnostik um so bedeutungs¬ 
voller, als sowohl Kaesewurm wie Bon¬ 
gert ihre Arbeiten in einem und demselben 
Institut angefertigt haben. Wenn sich aber 
schon in einem und demselben Institut der¬ 
artige Differenzen in der Charakteristik eines 
und desselben Gegenstandes ergeben und dort 
nicht ausgeglichen werden, so muss man sich 
doch fragen: Sind denn die morphologi¬ 
schen Charaktere der Milzbrandkolonie tat¬ 
sächlich so ausgeprägt, dass man darauf den 
Nachweis des Milzbrandes in der Praxis grün¬ 
den kann ? 

Ich meine hier nicht solche Fälle, in denen 
es sich nicht nur nach dem Sektionsbefunde, 
sondern auch nach dem Ergebnisse der mikro- 

9 ) Zeitschr. f. Fleisch- u. Milchhyg., Bd. XII, 
S. 201. 

10) Centralbl. f. Bakt. 1903, Taf. II. 

n) Bakt. Diagnostik 1904. 


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220 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


3. Jahrgang. 


skopischen Untersuchung zweifellos um Milz¬ 
brand handelt. In diesen Fällen verläuft auch 
die Impfung positiv, und es entwickeln sich 
in den Agarplatten nicht nur schöne, feinge¬ 
lockte Oberflächenkolonien, sondern auch 
Tiefenkolonien, in Form von „Moosrosen“ und 
„Wurzeln“ von heraldischem Aussehen, mit 
schönen Ausläufern und Kometenschweifen, 
reine Schulpräparate, die auf die Beschrei¬ 
bung von Bongert und Kaesewurm aus¬ 
gezeichnet passen. Doch um diese Fälle han¬ 
delt es sich in der Praxis nicht, sondern meist 
um solche, in denen nicht nur der an Ort 
und Stelle erhobene Befund, sondern auch die 
mikroskopische Untersuchung Zweifel an der 
Diagnose ergeben. Durch die nach dem 
Tode des Tieres einsetzenden Zersetzungsvor¬ 
gänge und die Entwicklung anderer Keime 
werden die Milzbrandstäbchen abgeschwächt 
und gehen, wie bekannt, mehr oder weniger 
schnell zugrunde. Soll man nun von den ab¬ 
geschwächten Milzbrandstäbchen, sofern keine 
Gelegenheit zur Sporenbildung vorlag, er¬ 
warten, dass sie immer in den von Bongert 
und Kaesewurm beschriebenen und abge¬ 
bildeten schönen typischen Formen aus- 
wachsen ? Die Milzbranderreger sind doch 
Pflanzen, und wenn man schlechte Saat säet, 
wird man doch nicht schön ausgewachsene 
Pflanzen und gute Früchte erwarten können, 
namentlich wenn man noch recht viel Un¬ 
kraut mitgesäet hat. Bongert gibt ja auch 
selbst Photogramme von solchen oberfläch¬ 
lichen Milzbrandkolonien, 12 ) die man wohl 
kaum beim Vergleich mit den anderen Milz¬ 
brandkolonien 13 ) für echte Milzbrandkolonien 
halten würde. Es ist dort keine Spur von 
schönen, medusenhauptähnlichen Locken, und 
doch sind es echte Milzbrandkolonien, aber von 
— abgeschwächtem Milzbrand; um abge¬ 
schwächten Milzbrand handelt es sich aber 
doch meistens in der Praxis. Dabei ist es doch 
ganz gleichgültig, in welcher Weise die Ab¬ 
schwächung zustande gekommen ist. Sucht nun 

12) Centralbl. f. Bakt.. Abt. I. Bd. XXXIV, 
Taf. III, Fig. 10-14. 

13) Ebenda, Taf. I. Fig. 1, Taf. II, Fig. 6; 
Bakt. Diagnostik 1901. Tafel V, Fig. 27, 29, Taf. VII, 
Fig. 33, 36; Zeitsclir .f. Fleisch- u. Milchliyg. XII, 
S. 199. Fig. 1. 2, 8: XIV. 8. 139 ff.. Fig. *5. G. 7. 
8, 13, 14, 15, 17. 


jemand unter solchen Umständen nur nach me¬ 
dusenhauptähnlichen, schönen Locken und 
bringt dabei nicht auch andere Hilfsmittel in 
Anwendung, so wird er den Milzbrand über¬ 
sehen, es sei denn, dass es ihm gelingt, eine 
Tiefenkolonie zu finden, die die von 
Bongert oder Kaesewurm beschriebenen 
„moosähnlichen“ oder „wurzelähnlichen“, „he¬ 
raldischen“ Formen zeigen. 

Sollten aber, im Gegensätze zu den Ober¬ 
flächenkolonien, die Tiefenkolonien denn 
wirklich in jedem Falle, auch bei abge¬ 
schwächtem Milzbrand, so typisch wachsen, 
dass man sie unter unzähligen anderen 
Kolonien unterscheiden kann ? Schon die 
grossen Widersprüche zwischen Bongert 
und Kaesewurm 14 ) in der Beschreibung 
der Tiefenkolonien, auf die ich oben hinge¬ 
wiesen habe, lassen doch ohne weiteres dar¬ 
auf schliessen, dass auch ihre Wuchsform 
sehr verschieden sein muss, und dass es 
nur dann zum Auskeimen von heraldischen 
„moosrosen-“ und „wurzelähnlichen“ Gebilden 
mit „Kometenschweifen“ kommt, wenn die 
Keime nicht abgeschwächt sind, und wenn ihr 
Wachstum durch fremde Kolonien nicht behin¬ 
dert wird. Ist aber der Milzbranderreger ab¬ 
geschwächt, und ist die Platte mit anderen 
Kolonien dicht besäet, so wird es auch Bon¬ 
gert sicher nicht gelingen, die von ihm be¬ 
schriebenen Formen immer zu finden. Ja, aber 
auch wenn es sich nicht um abgeschwächten 
handelt, sondern um recht virulenten Milz¬ 
brand, so wird man oft genug solche Formen 
vermissen, wie sie Bongert und Kaese¬ 
wurm beschreiben. Ein einfacher Blick auf 
Fig. 14 meiner Abbildungen zeigt schon, dass 
sogar in Reinkulturen die Milz¬ 
brandkolonien in den verschiedensten For¬ 
men auftreten. Es wird auch Bongert wohl 
kaum gelingen, in Fig. 16 meiner Abbildungen 
die Milzbrandkolonien von den anderen zu 
unterscheiden, obwohl erstere darin in sehr 
grosser Anzahl vorhanden sind. Warum will 
man denn aber eigentlich auch vom Milzbrand 
erwarten, dass er immer nur in einer ganz 
bestimmten Form auf Agarplatten wächst? 
Ist denn auch nicht der Verlauf des Milz- 

14 ) V e r g 1. Tiefonknlonien von Bongert und 
Kaesewurm wie oben Figg. 5 u. 8: 32. 38: 3. 4. 6.5: 
9, 10. 


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Heft 10. 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


221 


brandes und auch anderer Infektionskrank¬ 
heiten oft recht verschieden ? Erst vor kurzem 
haben wir bei den Schafpocken, denen 
doch nach der bisherigen Lehre ein ganz be¬ 
sonders typischer Verlauf und ein ganz be¬ 
sonders typisches Aussehen eigen sein soll, 
gesehen, 15 ) dass es auch im Verlaufe dieser 
Krankheit Bilder gibt, die hinsichtlich der 
Diagnose Zweifel aufkommen lassen, und so¬ 
gar bei solchen Krankheitsformen, die von an¬ 
derer Seite als ganz typisch bezeichnet werden. 
Es waren harte Knötchen, die keinen roten 
Hof besassen; trotzdem waren es echte, ja so¬ 
gar typische Pocken. So gibt es auch Tiefen¬ 
kolonien, die weder Wurzeln noch Moosrosen 
ähnlich sind und auch keine Kometenschweife 
besitzen, und doch echte Milzbrandkolonien 
sind. 

- Nach meinen Erfahrungen sind gerade bei 
den Tiefenkolonien Irrtümer viel leichter mög¬ 
lich als bei Oberflächenkolonien, denn Locken¬ 
oder Fadenbildungen, wie sie an der Ober¬ 
fläche der Agarschicht oder zwischen dieser 
und dem Glase auftreten, entgehen nicht so 
leicht dem Auge des Beobachters und können 
dann, wenn sie aufgefallen sind, einer näheren 
Prüfung unterzogen werden. 

Um nun die Ausbildung von Oberflächen¬ 
kolonien zu begünstigen, ist es notwendig, 
dass die Agarschicht möglichst dünn ist. Zu 
diesem Zwecke verfahre ich schon seit län¬ 
gerer Zeit in der Weise, dass ich den Rest 
des Agars, der beim Ausgiessen in die Petri¬ 
schale im Reagensglase verbleibt, durch Rollen 
des letzteren an seiner ganzen Innenwandung 
in möglichst dünner Schicht verteile (Rollröhr- 
chen) und dann ebenso wie die Platten nach 
vollständigem Erstarren in den Brutschrank 
stelle. Die spätere Durchmusterung der Rea¬ 
gensgläschen mit schwacher Vergrösserung ist 
mindestens ebenso leicht wie die der Platten 
und hat den Vorteil, dass infolge der starken 
Verteilung einer geringen Menge des geimpften 
Nährbodens auf eine verhältnismässig grosse 
Fläche auch im Reagensglase I die einzelnen 
Kolonien nicht so dicht nebeneinander auf¬ 
gehen. Die Kolonien können daher nicht nur 
in der ihnen eigentümlichen Gestalt besser aus- 


15 ) Berl. Tierärztl. Wochenschr. 1903. Nr. 44, 
45 und 46. 


wachsen, sondern sie können auch auf ihre 
morphologischen Charaktere viel leichter mit 
dem Mikroskope geprüft werden. Auf diese 
Weise ist es mir in verschiedenen Fällen ge¬ 
lungen, schöne Milzbrandoberflächenkolonien 
festzustellen, obwohl in den entsprechenden 
Petrischalen trotz eingehendster Prüfung und 
genauester Durchmusterung weder die von 
Bongert noch die von Kaesewurm charak¬ 
terisierten Tiefenkolonien noch haarlockenähn¬ 
liche Gebilde zu finden waren. In anderen Fällen 
fanden sich dagegen häufig nur mehr oder 
weniger ausgebreitete Fadenverbände, ähnlich 
wie in meinen Figg. 13 und 14, ohne dass es je¬ 
doch möglich war, ihren Ausgangspunkt zu er¬ 
mitteln. Durch die weitere Untersuchung dieser 
Fäden konnte aber doch festgestellt werden, 
dass es sich um echten Milzbrand handelte. 
Jedoch wäre es nicht richtig, daraus gleich zu 
folgern, dass die Röhrchenkulturen in allen 
Fällen sicherer zum Ziele führen als die 
Plattenkulturen. Auch gerade umgekehrte Re¬ 
sultate habe ich erzielt; in den Platten gin¬ 
gen deutlich erkennbare Milzbrandkolonien auf* 
während ich in den Reagensgläschen vergeb¬ 
lich darnach suchte. 

Jedenfalls geht aber daraus hervor, dass 
man zum bakteriologischen Nachweis der Milz¬ 
branderreger kein Mittel unversucht 
lassen darf, und dass der Milzbranderreger 
nicht immer in so typischer Form 
wächst, dass seine Kolonien immer als solche 
unter unzähligen anderen Kolonien leicht zu 
erkennen sind. 

Dazu kommt aber noch der Umstand, 
dass es auch andere Stäbchen gibt, welche 
mit gut und typisch entwickelten Milz- 
brandkolonien eine ungeheure Aehnlich- 
k e i t besitzen, so dass eine einfache mikro- 
oder gar nur makroskopische Prüfung, ja, auch 
sogar eine Untersuchung der gefärbten Fäden 
mit starker Vergrösserung nicht genügt, um 
zu entscheiden, ob Milzbrand vorliegt oder 
nicht. 

Schon seit einigen Jahren ist es mir bei 
meinen Untersuchungen aufgefallen, dass in 
manchen Fällen, in denen die Impfung und 
die mikroskopische Untersuchung irgendwelche 
Anhaltspunkte für das Vorhandensein von 
Milzbrand nicht ergaben, ja sogar in solchen 
Fällen, in denen es auch auf Grund des Sektions- 


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222 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


3. Jahrgang. 


befundes und der sonstigen an Ort und Stelle 
erhobenen begleitenden Umstände ausge¬ 
schlossen war, dass es sich um Milzbrand 
handelte, in den angelegten Platten Kolonien 
aufgingen, welche alle bisher bekannt ge¬ 
wordenen morphologischen Eigenschaften der 
echten Milzbrandkolonien zeigten. 

Die Anzahl der Kolonien war in den ein¬ 
zelnen Fällen recht verschieden. Einmal war 
die Platte von ihnen ganz dicht besät (Fig. 15), 
ein andermal fand ich wieder nur vereinzelte, 
ja sogar nur eine einzige solche Kolonie. Ferner 
ist es mir aufgefallen, dass diese Kolonien 
in letzter Zeit, seitdem ich mit getrocknetem 
Material arbeite, viel häufiger auftreten als 
früher. Ich will aber dahingestellt sein lassen, 
ob es nicht auf Selbsttäuschung beruht. Ich 
habe nämlich früher diese Kolonien vielleicht 
für echte Milzbrandkolonien gehalten, jetzt 
aber nehme ich, nachdem ich darauf aufmerk¬ 
sam geworden bin, bei den geringsten Zwei¬ 
feln stets eine weitere Prüfung jeder verdäch¬ 
tigen Kolonie nach der biologischen und auch 
nach der pathogenen Seite vor. So komme ich 
in die Lage, so manche Widersprüche zwischen 
den Ergebnissen der Sektion, der mikroskopi¬ 
schen Untersuchung, der Impfung und der 
Züchtung erklären zu können, und sehe mich 
nicht gezwungen, eine Untersuchungsmethode 
für alleinseligmachend zu halten und die an¬ 
deren zu verwerfen. 16 ) 

Bei der Beschreibung der milzbrandähn¬ 
lichen Stäbchen will ich von der für die Milz¬ 
brandkolonie bekannten Charakteristik aus¬ 
gehen und diese dann unter Beifügung von 
18 Photogramme mit Pseudomilzbrandkolonien 
vergleichen. 

Die oberflächlichen Kolonien des Milz¬ 
brandes besitzen ein schön gelocktes me¬ 
dusenhauptähnliches Aussehen. Bei den milz¬ 
brandähnlichen Kolonien ist dagegen nach 
Bongert die Lockenbildung weniger zierlich, 
regelmässig und ausgeprägt. Wenn man aber 
Figg. 1 und 2 meiner Abbildungen mitein¬ 
ander vergleicht, so wird man finden, dass 
die Pseudomilzbrandkolonie (Fig. 2) weit 
grössere Aehnlichkeit mit dem Medusenhaupte 

16 ) Die Ergebnisse meiner vergleichenden Ver¬ 
suche über den Wert der einzelnen Untersuchungs¬ 
methoden werde ich an anderer Stelle veröffent¬ 
lichen. 


zeigt als die echte Milzbrandkolonie (Fig. 1), 
und es liesse sich darüber streiten, ob die 
Locken der echten oder der Pseudomilzbrand¬ 
kolonie schöner und besser ausgeprägt sind, 
namentlich wenn man sich die Ränder dieser 
beiden Kolonien mit stärkerer Vergrösserung 
(Figg. 3 und 4) ansieht. Wenn ich auch zu¬ 
geben muss, dass die Lockenbildung in den 
Figuren 1, 3 und 8 zierlicher ist als in den 
Figuren 2, 4 und 7, so bitte ich doch, die letzt¬ 
genannten Figuren mit den Abbildungen der 
echten Milzbrandkolonien von Bongert und 
Kaesewurm zu vergleichen, und dann meine 
Abbildungen No. 5, 9, 10, 11, 12 und 13 an¬ 
zusehen. Ich glaube sicher, dass man die Ueber- 
zeugung gewinnt: an der mehr oder weniger 
zierlichen Lockung wird man Milzbrand und 
Pseudomilzbrand nicht unterscheiden können, 
ebensowenig an der Regelmässigkeit und Deut¬ 
lichkeit der Locken. 

Die Deutlichkeit der Lockenbildung 
soll sich aber nach Kaesewurm bei Pseudo¬ 
milzbrand meist schon nach 24 Stunden 
verwischen, bei echtem Milzbrand dagegen 
dauernd sein. Diese Behauptung steht im 
Widerspruche mit meinen Erfahrungen. Zu¬ 
nächst muss ich Bongert beitreten, wenn er 
bezüglich der Milzbrandkolonie sagt, dass die 
Deutlichkeit der Milzbrandlocken schon nach 
2 Tagen — wenn auch nicht gleich mit dem 
Eintritt der Sporenbildung — abnimmt und 
dann verschwindet. Genau dasselbe trifft aber 
auch für Pseudomilzbrand zu. Einen Unter¬ 
schied nach dieser Richtung habe ich nicht 
beobachten können. Die Milzbrandlocken 
werden allmählich ebenso undeutlich wie die 
Pseudomilzbrandlocken. Innerhalb 24 Stunden 
habe ich eine Abnahme der Deutlichkeit nie¬ 
mals bemerkt. Meine Abbildungen sind sämt¬ 
lich nach Platten hergestellt, die 24 Stunden 
nach dem Anlegen mit Formalin fixiert und 
etwa erst 14 Tage später photographiert sind. 

Nach Bongert besitzen die Pseudomilz- 
brandkolonien eine Neigung zum starken 
Oberflächenwachstum, und sollen nach 
Kaesewurm oft schon nach 6—12 Stunden 
zu einem Rasen Zusammenflüssen, während 
jede Milzbrandkolonie auch bei dichtem Wachs¬ 
tum von der benachbarten immer räumlich 
getrennt bleibt. Wie wenig diese Behauptung 
in der Praxis zutrifft, kann man sich durch 


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Heft 10. 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


223 


einen einfachen Blick auf No. 13 und 14 meiner 
Abbildungen überzeugen. Nach meiner Erfah¬ 
rung verschmelzen bei dichtem Wachstum Milz¬ 
brandkolonien ganz genau ebenso miteinander 
wie andere, und ein Ueberwuchem der ganzen 
Fläche tritt bei Pseudomilzbrand durchaus 
nicht häufiger ein als bei echtem Milzbrand. 
Dahingegen habe ich häufig genug beobachten 
können, dass verschiedene andere Kolonien 
diese Neigung tatsächlich im hohen Masse be¬ 
sitzen. Diese Kolonien zeigen aber unter an¬ 
derem insofern eine Abweichung von Milz¬ 
brand- und von Pseudomilzbrandkolonien, als 
ihr Rand verästelte Ausläufer zeigt, die mit 
Lockenbildung nichts zu tun haben und da¬ 
her nur für Ungeübte in Frage kommen. 

Was nun die Ausläufer anbetrifft, so 
sind diese auch keine besondere Eigentümlich¬ 
keit der Milzbrandkolonien. Es gibt Milzbrand¬ 
kolonien, die fast kreisrund sind (Fig. 1). Das¬ 
selbe ist bei Pseudomilzbrand der Fall. An¬ 
dererseits treten aber auch dreieckige, vier¬ 
eckige, ovale, langgezogene mit mehr oder 
weniger langen und dicken Ausläufern aus¬ 
gestattete Formen bei beiden Arten keines¬ 
wegs selten auf, wie man aus den Figuren 5—14 
ersehen kann. Wenn ich auch zugebe, dass 
man bei der Aussaat vollvirulenten Milz¬ 
brandes, wenn genügend Raum vorhanden ist, 
eine starke Neigung zur Bildung von Aus¬ 
läufern findet, so kann ich doch Kaese- 
wurm nicht zustimmen, wenn er die Bildung 
von Ausläufern als etwas der Milzbrandkolonie 
Eigentümliches hinstellt, das bei Pseudomilz¬ 
brand immer fehlt. Es gibt vielmehr kreis¬ 
runde Milzbrandkolonien und mit Ausläufern 
ausgestattete Pseudomilzbrandkolonien, eben¬ 
so umgekehrt. 

Von Bongert und Kaesewurm wird 
nun das Zentrum der Kolonie als besonders 
wichtig für die Differentialdiagnose bezeichnet. 
Die echten Milzbrandkolonien sollen nach 
Kaesewurm fast ausnahmslos einen zentral 
gelagerten Kern besitzen, der bei der Pseudo¬ 
milzbrandkolonie vermisst wird. Auf Grund 
meiner Erfahrungen kann ich diese Behaup¬ 
tung nicht bestätigen. In der Regel findet 
man sowohl bei jeder Milzbrand- als auch bei 
jeder Pseudomilzbrandkolonie einen Kern, wie 
man auch aus den Figuren 1—4 und 9—12 
deutlich erkennen kann. Der Kern kann ja 


nun auch einmal mehr oder weniger zurück¬ 
treten, jedoch möchte ich im Gegensatz zu. 
Kaesewurm behaupten, dass dies viel häu¬ 
figer bei echtem Milzbrand als bei Pseudo¬ 
milzbrand zu beobachten ist. (Figg. 5, 6, 13.) 

Was nützen demnach alle diese Merk¬ 
male, wenn sie keine konstanten Eigenschaften 
darstellen, an denen man in konkreten Fällen 
entscheiden kann, um was es sich handelt ? 
Es wäre mir an der Hand dessen, was über 
die Oberflächenkolonien des Milzbrandes be¬ 
kannt geworden ist, und auf Grund meiner 
mehrjährigen Erfahrung tatsächlich ganz un¬ 
möglich zu entscheiden, welche von den in den 
Figg. 1—10 dargestellten Oberflächenkolonien 
eine Milzbrand, und welche eine Pseudomilz¬ 
brand ist, wenn ich es nicht von vornherein 
gewusst und die einzelnen Platten darnach 
genau bezeichnet hätte, so dass ein Irrtum 
hier nicht in Frage kommen kann. Dahingegen 
ist es mir nicht möglich zu entscheiden, welche 
von den in den Figg. 11 und 12 dargestellten 
6 Oberflächenkolonien Milzbrand- und welche 
Pseudomilzbrandkolonien sind, weil ich bei 
dem Anlegen dieser beiden Platten Milzbrand- 
und Pseudomilzbrandstäbchen zusammenge¬ 
mischt habe. 

Bongert legt nun das grösste Gewicht 
auf die Tiefenkolonien und sagt, es 
wären grauschwarze, aus einzelnen unregel¬ 
mässigen Stückchen zusammengesetzte Ge¬ 
bilde, welche wenige starre Ausläufer zeigen. 
Diese Beschreibung passt ganz ausgezeichnet 
auf die in Fig. 2 meiner Abbildungen sicht¬ 
baren 4 Tiefenkolonien, und doch sind es 
nicht Milzbrand-, sondern Pseudomilzbrand¬ 
kolonien. Aehnliehe Gebilde finden sich 
auch in Fig. 12, doch wage ich hier nicht 
zu entscheiden, ob es Milzbrand- oder Pseudo¬ 
milzbrandkolonien sind. Nach meinen Erfah¬ 
rungen möchte ich aber von der einen kleinen 
Kolonie, welche im linken oberen Quadranten 
unten links dicht am Rande zu sehen ist, 
glauben, dass es eine Milzbrandkolonie ist, 
bestimmt behaupten möchte ich es aber nicht. 

Bongert sagt auch weiter, dass die tiefen 
Milzbrandkolonien, ein moosartiges Aussehen 
besitzen und mit dem Kelche einer Moosrose 
verglichen werden können, so dass man sie 
daran auch unter unzähligen anderen Kolo¬ 
nien erkennen kann. Wenn man sich aber 


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224 


Fortschritte der Veterinär-Hygfene. 


3. Jahrgang. 


Fig. 14 ansieht, welche eine Reinkultur von 
Milzbrand darstellt, so findet man unzählige 
Gebilde, die mit Moosrosen keine Aehnlich- 
keit haben und doch Milzbrandkolonien sind. 
Bei der Betrachtung der Fig. 15 findet man 
dagegen recht zahlreiche moosrosenähnliche 
Gebilde, und doch ist es nicht Milzbrand, son¬ 
dern eine Reinkultur von Pseudomilzbrand. Ge¬ 
wiss sieht Fig. 14 auf den ersten Blick anders 
aus als Fig. 15, aber um die Unterscheidung 
von Reinkulturen handelt es sich in der Praxis 
nicht, sondern um das Auffinden und Erkennen 
einer einzigen, oft nur schwach entwickelten 
Milzbrandkolonie unter unzähligen anderen Ko¬ 
lonien. Dass das nicht so leicht, ja oft gar nicht 
möglich ist, wird man ohne weiteres zugeben, 
wenn man den Versuch unternimmt, in Fig. 16, 
welche eine Mischung von Milzbrand- und 
Pseudomilzbrandkolonien enthält, zu entschei¬ 
den, welche von den Kolonien Milzbrand- und 
welche Pseudomilzbrandkolonien sind. 

Im Gegensatz zu Bongert behauptet nun 
Kaesewurm, dass die Tiefenkolonie des 
Milzbrandes ein kompaktes, kräftig und scharf 
konturiertes Gebilde darstellt, deren Ausläufer 
knollenartige Verdickungen auf weisen, wohin¬ 
gegen das dunkle Zentrum bei Pseudomilz¬ 
brand in ein Gewirr von Ausläufern über¬ 
geht, die sich astartig nach den Enden zu 
verjüngen. Er vergleicht die Milzbrandkolo¬ 
nien # daher auch mit Wurzeln. Bei Betrach¬ 
tung meiner Figg. 14 und 15 sieht man aber 
gerade im Gegenteil, dass sich das Zentrum 
der Pseudomilzbrandkolonien (Fig. 15) viel 
schärfer von den Ausläufern abhebt, als bei 
den Milzbrandkolonien (Fig. 14), dass die Aus¬ 
läufer in Fig. 15 mindestens ebenso zahlreiche 
knollige Verdickungen zeigen wie in Fig. 14, 
und dass von einer astartigen Verjüngung der 
Ausläufer in Fig. 15 nicht mehr die Rede 
sein kann, als in Fig. 14. Daher wird es 
auch an der Hand der Charakteristik von 
Kaesewurm nicht möglich sein, in Fig. 16 
die Milzbrandkolonien an ihrem heraldischen 
Aussehen von Pseudomilzbrandkolonien zu 
scheiden. 

Zur morphologischen Prüfung der Milz¬ 
brandkolonien gehört aber schliesslich auch 
die Untersuchung der gefärbten Deckglas¬ 
präparate mit starker Vergrösserung. Wie 
bekannt, setzt sich die Milzbrandkolonie aus 


langen Fäden zusammen, die ihrereits aus ein¬ 
zelnen mehr oder weniger kurzen Stäbchen be¬ 
stehen. Unter günstigen Bedingungen bilden 
sich in den Stäbchen schon nach 16 Stunden 
Sporen. Eine Kapsel ist an den künstlich ge¬ 
züchteten Stäbchen nicht, oder nur ausnahms¬ 
weise ganz schwach erkennbar. Die Milz¬ 
brandstäbchen sind schliesslich dadurch aus¬ 
gezeichnet, dass sie an den Enden scharf ab¬ 
gestutzt erscheinen. 

Ich habe nun versucht festzustellen, ob die 
Milzbrandfäden nach dieser Richtung hin den 
Pseudomilzbrandfäden bezw. -Stäbchen gegen¬ 
über durchgreifende Unterschiede aufweisen, 
jedoch vergeblich. Auch der Pseudomilzbrand 
bildet lange Fäden, die einmal fester, ein ander¬ 
mal wieder loser miteinander vereint sind und 
auch zeitweise eine schwache Kapsel erkennen 
lassen. Die Länge der einzelnen Stäbchen 
wechselt genau wie bei Milzbrand, und die 
Sporenbildung ist ebenso wie bei Milzbrand 
(Fig. 17) einmal schon nach 24 Stunden fast 
an allen Stäbchen deutlich erkennbar, ein 
andermal wieder nach 24 Stunden nur an ein¬ 
zelnen Stäbchen kaum angedeutet (Fig. 18). 
Die Enden der Pseudomilzbrandstäbchen sind 
mindestens ebenso scharf abgestützt wie bei 
echtem Milzbrand, und die Entfernung der 
einzelnen Stäbchen voneinander wechselt ganz 
genau so wie bei Milzbrand innerhalb geringer 
Grenzen. Demnach ist es also auch auf diese 
Weise nicht möglich, im gegebenen Falle zu 
entscheiden, ob man es mit Milzbrand oder 
Pseudomilzbrand zu tun hat. 

Ich fasse meine Ausführungen dahin zu¬ 
sammen : 

1. Unter ungünstigen Verhältnissen ent¬ 
wickeln sich die Milzbrandkolonien 
nicht immer in so typischer Form, 
dass man sie unter anderen Kolonien als solche 
erkennen kann. 

2. Es gibt auch andere Kolonien, 
welche in ihrem Aussehen ganz typisch 
entwickelten Milzbrandkolonien gleichen, 
aber dennoch keine Milzbrandkolonien sind. 

3. Die morphologischen Charaktere 
der Milzbrandkolonie sind demnach nicht so 
eigenartig, dass man darauf den bakteriolo¬ 
gischen Nachweis des Milzbrandes in der Praxis 
immer gründen kann. 

4. Zum bakteriologischen Nach- 


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Heft 10. 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


225 


weis des Milzbrandes wird vielmehr in der 
Regel der Nachweis der Pathogenität zu for¬ 
dern sein. 

Erklärung der Abbildungen. 

Die Aufnahmen sind sämtlich mit dem grossen 
Zeiss’schen mikrophotographischen Apparat her¬ 
gestellt. Als Lichtquelle diente eine elektrische 
(rleichstrombogenlampe von 20 Ampere. Die 
schwachen Vergrösserungen sind mit zwischen 
Kondensor und Irisblende eingeschalteter Matt¬ 
scheibe aufgenommen. Die Verfertigung der Auf¬ 
nahmen Nr. 1—4 und 9—18 verdanke icli dem 
Leiter der Hamburger Geschäftsstelle der Carl 
Zeiss’sclien Werkstätte, Herrn Martini, die der 
Aufnahmen Nr. 4—8 der Direktion eines hiesigen 
Museums. Die Agarplattcn wurden sämtlich 24 
Stunden nach dem Anlegen mit Formalin fixiert. 
Die Aufnahme erfolgte erst etwa 14 Tage später. 
Fig. 1. Milzbrandkolonie. Zeiss-Planar F. 35 mm. 

gerades Licht. Vergrösserung 28 fach. 

Fig. 2. Pseudomilzbrandkolonie. Ebenso herge¬ 
stellt. Vergrösserung 28 fach. 

Fig. 3. Randzone der Milzbrandkolonie Fig. 1. 
Zeiss-Planar F. 20 mm, gerades Licht. Ver¬ 
grösserung 58 fach. 

Fig. 4. Randzone der Pseudomilzbrandkolonie 
Fig. 2. Ebenso hergestellt. Vcrgr. 58 fach. 
Fig. 5. Milzbrandkolonie. Zeiss-Planar F. 50 mm, 
gerades Licht. Vergr. 24 fach. 

Fig. 6. Milzbrandkolonie. Zeiss-Planar F. 50 mm, 
schräges Licht. Vergr. 24 fach. 

Fig. 7. Randzone einer Pseudomilzbrandkolonie mit 
Ausläufern. Zeiss-Planar F. 20 mm, gerades 
Licht. Vergr. 45 fach. 

Fig. 8. Randzone einer Milzbrandkolonie mit Aus¬ 
läufern. Zeiss-Planar F. 20 mm, gerades Licht. 
Vergr. 45 fach. 

Fig. 9. Pseudomilzbrandkolonie. Zeiss-Planar F. 

35 mm, gerades Licht. Vergr. 28 fach. 

Fig. 10. Milzbrandkolonie. Ebenso hergestellt. 
Vergr. 28 fach. 

Fig. 11. Milzbrand- und Pseudomilzbrandkolonien. 

Ebenso hergestellt. Vergr. 28 facli. 

Fig. 12. Milzbrand- und Pseudomilzbrandkolonien. 
Zeiss-Planar F. 35 mm, gerades Licht. Vergr. 
40 fach. 

Fig. 13. Milzbrandkolonien, Reinkultur, Agar- 
platte II. Zeiss-Planar F. 35 mm, gerades Licht. 
Vergr. 25 fach. 

Fig. 14. Milzbrandkolonien, Reinkultur, Agar- 
platte I. Ebenso hergestellt. Vergr. 20 fach. 
Fig. 15. Pseudomilzbrandkolonien, Reinkultur, 
Agarplatte I. Ebenso hergestellt. Vergr. 

17 fach. 

Fig. 16. Milzbrand- und Pscudomilzbrandkolonien. 
Agarplatte I. Ebenso hergestellt. Vergr. 

23 fach. 

Fig. 17. Milzbrandstäbchen, Klaschpräparat aus 
Agarplatte. Zeiss-Apochromat 2 mm n. Ap. 1,40, 
Projektionsokular 4, Grünfilter. Orthuchromat 


„Flavin“, Platte von Hauff & Co., Feuerbach. 
Gerades Licht. Vergr. 750 fach. 

Fig. 18. Pseudomilzbrandstäbchen. Ausstrich¬ 
präparat aus Agarplatte. Ebenso hergestellt. 
Vergr. 750 fach. 


Oeffentliches Veterinärwesen. 

Stand der Tierseuchen im Deutschen Reich 
am 15. Dezember 1905. 

Rotz wurde festgestellt in Preussen: Re¬ 
gierungsbezirk Marienwerder in 3 Gemeinden 
und 3 Gehöften, im Stadtkreis Berlin in 11 Ge¬ 
höften, im Reg.-Bez. Potsdam in 4 Gemeinden 
und 7 Gehöften, im Reg.-Bez. Posen in einem 
Gehöft, in den Reg.-Bez. Bromberg und Breslau 
in je 2 Gemeinden und ebensovielen Gehöften, 
im Reg.-Bezirk Oppeln in 2 Gemeinden und 
3 Gehöften, im Reg.-Bez. Magdeburg in 2 Ge¬ 
höften und einer Gemeinde, in den Reg.-Bez. 
Minden, Arnsberg und Cassel in je einem Ge¬ 
höfte, in Bayern, Württemberg, Baden und 
Sachsen-Weimar in je einem Gehöfte, zu¬ 
sammen somit in 23 Gemeinden und 38 Ge¬ 
höften. Die L ungenseuche wurde in 
einem Gehöfte der Kreishauptmannschaft 
Leipzig beobachtet. Von Aphthenseuche 
waren betroffen in Rosenberg (Westpreussen) 
und in Staufen je ein Gehöft. Die Schweine¬ 
seuche einschliesslich der Schweinepest 
herrschte in 1625 Gemeinden u. 2148 Gehöften. 


Tierseuchen in Canada. 

Canada. Der Bericht des Landwirt* 
schaftsministers für das Jahr 1903/1904 ent¬ 
hält über die einzelnen zur Beobachtung ge¬ 
langten Tierseuchen folgende Angaben: 

Die Schweinepest hat infolge strenger 
Durchführung der gesetzlichen Bekämpfungs¬ 
massnahmen erheblich abgenommen. Die Zahl 
der wegen Schweinepest gesperrten Gehöfte 
betrug im Berichtsjahre 151. Einige Seuchen¬ 
ausbrüche, die in Ontario der Eisenbahnlinie 
entlang auftraten, werden auf den Durchgangs¬ 
verkehr mit Schweinen aus den Vereinigten 
Staaten zurückgeführt. 

Tuberkulose. Die Kennzeichnung der¬ 
jenigen Tiere, die der Tuberkulinprobe unter¬ 
worfen wurden, hat sich bewährt. Es sind 
im Berichtsjahre 2649 Dosen Tuberkulin ab- 


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226 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


3. Jahrgang. 


gegeben worden gegen 2391 im Vorjahre. Von 
427 Stück Vieh, die zur Ausfuhr bestimmt, 
mit Tuberkulin geprüft wurden, reagierten 36. 
Aus Europa wurden 191 Tiere eingeführt, von 
denen 52 auf die Impfung reagierten. Von 
anderem Vieh aus verdächtigen Beständen wur¬ 
den 490 Stück geimpft, wovon 96 reagierten. 

Rotz. Die Bekämpfung des Rotzes, die 
seit 1902 in fast allen Teilen des Landes be¬ 
gonnen hat, deckt viele Seuchenherde auf, be¬ 
sonders in den Nordwest-Territorien, in der 
Umgegend von Ottawa und in einigen Distrik¬ 
ten von Quebek. Im Berichtsjahr wurden 219 
Pferde auf Grund der klinischen Erscheinungen 
als rotzig erkannt und unschädlich beseitigt. 
Von 1387 der Malleinimpfung unterworfenen 
Pferden wurden 280 beseitigt und 420 für er¬ 
neute Impfungen zurückgestellt. 164 Pferde, 
darunter mehrere aus dem Vorjahre übernom¬ 
mene, reagierten auf wiederholte Impfungen. 
Das auf Grund der Malleinprüfung seit zwei 
Jahren mit Sorgfalt durchgeführte Rotztil¬ 
gungsverfahren hat, mit Rücksicht auf die 
Entfernungen des Landes, die Unmöglichkeit, 
den Verbleib aller reagierenden Tiere zu über¬ 
wachen und die bisher mangelnde gesetzliche 
Grundlage für die Entschädigung reagierender 
Pferde nicht befriedigt. 

Als eine grosse Errungenschaft für die er¬ 
folgreiche Bekämpfung des Rotzes werden des¬ 
halb die Ausführungsbestimmungen vom 19. 
Dezember 1904 zum Viehseuchengesetz vom 
13. August 1903 angesehen, wonach für rea¬ 
gierende Pferde, die ohne klinische Rotzerschei¬ 
nungen zu zeigen getötet werden, eine Ent¬ 
schädigung von 2/3 ihres wirklichen Wertes 
bezahlt wird. 

Sogenannte Piktou-Seuche (eine Lebercir- 
rhose unter dem Rindvieh) ist in 130 Fällen 
zur Kenntnis gelangt. Im ganzen wurden 
1504*66 Pfund als Entschädigungen an die 
Eigentümer gezahlt. Die auf einer Farm bei 
An tigonish an gestellten F ütterungs versuche 
haben ergeben, dass die Krankheit nicht an¬ 
steckend ist und durch Aufnahme eines Un¬ 
krauts (Senecio Jakobea, Ragwort), hervor¬ 
gerufen wird, das in jener Gegend häufig ist. 

Die Räude des Rindes, die als erloschen 
galt, ist im Laufe des Winters sehr stark 
und heftiger als je aufgetreten. Bis zum 
Schlüsse des Berichtsjahres wurden 411061 


Stück Vieh einem Räudebad erstmals und von 
diesen 176 685 Stück diesem Verfahren zum 
zweiten Male unterworfen. 

Beschälseuche. Ein erster Einbruch 
dieser in Canada noch nicht festgestellten 
Seuche ist im März 1904 in Alberta ermittelt 
und durch eine Kommission von Sachverstän¬ 
digen bestätigt worden. Eine Verordnung zur 
Bekämpfung der Seuche ist am 8. Juli 1904 
erlassen. 

Die Pferderäude ist in erheblichem Um¬ 
fange aufgetreten. 

Die Schafräude ist nur in vereinzelten 
Ausbrüchen zur Kenntnis gelangt. 

Milzbrand kam in 6 Fällen zur Anzeige. 
Zur privaten Schutzimpfung wurden 80 Dosen 
Impfstoff abgegeben. 

Der Rauschbrand hat weiter abgenommen; 
es gelangten 2163 Dosen Impfstoff zur 
Ausgabe. 


Referate. 

Infektionskrankheiten. 

T. M. Legge. Milzbrand bei gewerb¬ 
lichen Arbeitern in Grossbritan- 
n i e n. (The Milroy Lectures on Industrial 
Anthrax. 

Die Kenntnis des Gewerbemilzbrandes in Gross¬ 
britannien ist dadurch erheblich gefördert worden, 
dass mit dem Fabrik- und Werkstättengesetz vom 
Jahre 1901 die Anzeigepflicht für diejenigen Milz¬ 
brandfälle eingeführt worden ist, deren Entstehung 
in einem ursächlichen Zusammenhang mit gewerb¬ 
lichen Beschäftigungen gebracht wird. In dem 
Zeiträume von 1899 bis 1904 sind dort insgesamt 
261 Fälle von Milzbrand bei gewerblichen Arbei¬ 
tern (224 bei männlichen, 37 bei weiblichen Per¬ 
sonen) gemeldet ; von ihnen endigten 67, d. i. 
25,6o/o, mit dem Tode. Von den Erkrankungen 
entfielen auf die Industrie der Garne und Wolle 
88, der Rosshaare und Borsten 70, der Häute und 
Feile 86 und auf sonstige Industrien 17. In der 
Wollindustrie kamen die meisten Milzbrandfälle 
beim Sortieren, Krempeln und Spinnen der Wolle 
vor, in der Rosshaarindustrie beim Krempeln der 
Haare für Polsterungszwecke sowie bei der Bürsten¬ 
anfertigung, in der Industrie der Häute und Felle 
bei den Arbeiten auf den Docks, in den Speichern, 
in den Gerbereien und vereinzelt bei der Leder¬ 
bearbeitung. Was die sonstigen gewerblichen Be¬ 
schäftigungen anlangt, so ereigneten sich Verein¬ 
zelte Fälle insbesondere lx?i Hornarbeitern, bei 
Lumpensortierern, bei Arbeitern, die Getreide- oder 
Kartoffelsäcke zu verladen hatten, und bei Ar¬ 
beitern in chemischen Düngerfabriken. 


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Heft 10. 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


227 


Von den in der Wollindustrie beobachteten 
Milzbrandfällen kamen 64 bei Arbeitern vor, die 
beim Sortieren oder Krempeln der Wolle be¬ 
schäftigt waren. 

Bei einer Gesamtzahl von 4264 in Grossbri¬ 
tannien mit solchen Arbeiten beschäftigten Per¬ 
sonen entfiel sonach auf 1,3° 0 oder aufs Jahr 
berechnet auf 0,21 o/ 0 eine Erkrankung. In Ross¬ 
haarbetrieben sind mindestens 40 Milzbranderkran¬ 
kungen vorgekommen, oder bei den insgesamt 
2206 Arbeitern dieser Betriebe eine Erkrankung 
auf 1,8 o/o, oder aufs Jahr berechnet auf 0.3Oo. Der 
Milzbrand bei Arbeitern der Wollindustrie ist be¬ 
sonders in der Umgebung von Bradford aufge¬ 
treten, wo vorwiegend Wollen aus Klein-Asien und 
Persien, die danach im Rohzustände besonders ge¬ 
fährlich zu sein scheint, bearbeitet werden. In 
der Lederindustrie war das Vorkommen von Milz¬ 
brand hauptsächlich auf die Häfen von London 
und Liverpool beschränkt. 

Unter den 261 Fällen gewerblichen Milz¬ 
brandes fanden sich nur 6 von innerlicher Erkran- 
kung; diese sind sämtlich in Bradford vorgekom¬ 
men und haben alle tödlich geendet. In 248 von 
den übrigen Fällen äusserlichen Milzbrandes ist 
der Sitz der Pustel festgestellt worden; sie fand 
sich 108 mal (d. i. 43,5°/o) am Kopfe oder im Ge¬ 
sicht, 103 mal (41,5o/o) im Nacken, 31 mal (12,5°/o) 
an den oberen, 3 mal (l,2p/ 0 ) an den unteren Glied¬ 
massen, 8 mal (1,2 o/o) am Rumpfe. Nach der Be¬ 
schäftigungsweise der Erkrankten war der Sitz der 
Pustel ein verschiedener. In der Industrie der 
Häute und Felle fand sie sich in 49,4°/o der Fälle 
im Nacken, dagegen bei Arbeitern der Woll¬ 
industrie dort nur in 29,5o/ 0 , was offenbar im Zu¬ 
sammenhänge damit steht, dass die Häute auf 
der Schulter getragen zu werden pflegen. Die Arme 
waren vornehmlich befallen bei Personen, die mit 
Kadavern an Milzbrand verendeter Tiere zu tun 
hatten. 

Was die Herkunft des Rohmaterials anlangt, 
das zu den Erkrankungen an Gewerbemilzbrand 
Varanlassung gab, so waren in der Wollindustrie 
30 Erkrankungen mit Sicherheit, wahrscheinlich 
aber 40 auf persische Wolle zurückzuführen, min¬ 
destens 21 auf Mohair und Van Mohair, der aus 
der europäischen und asiatischen Türkei stammte. 
In der Rosshaarindustrie waren wenigstens 22 
Fälle durch chinesisches Material und in der 
Bürstenanfertigung einige Fälle durch russische 
oder sibirische Borsten verursacht. In der In¬ 
dustrie der Häute und Felle konnten auf grüne und 
gesalzene Häute, die besonders von Italien und 
Süd-Afrika eingeführt wurden, nur 2 Erkrankun¬ 
gen mit ziemlicher Sicherheit bezogen werden, 
obwohl z. B. im Jahre 1902 die Einfuhr an solchem 
Rohmaterial 1 595109 £ betrug. Trockene Häute 
(aus China, aus Bombay und anderen Orten Ost¬ 
indiens) wurden dagegen in 19 Fällen Ursache 
von Milzbranderkrankungen, obwohl z. B. im Jahre 
1902 nur für 353 411 £ solcher Ware zur Ein¬ 
fuhr gelangt ist. Prof6. 


Karlinski. Zur Frage der sogenannten 
germinativen Tuberkulose bei 
Tieren. Zeitschrift für Tiermedizin. Neunter 
Band. 5. und 6. Heft. 

Verf. infizierte einen Ziegenbock durch intra¬ 
venöse Einimpfung einer Tuberkulosekultur (vom 
Menschen). Vier nach der Impfung mit gesunden 
Müttern erzeugte Junge erwiesen sich ebenso wie 
die Mütter als gesund. Der Bock zeigte allgemeine 
Tuberkulose, in den Hoden tuberkulöse Erkran¬ 
kung oder Tuberkelbazillen nicht nachweisbar. 

Bei einem zweiten und dritten Versuch er¬ 
folgte die Bazilleneinspritzung in den linken bezw. 
den rechten Hoden. Im ersteren Falle fand sich bei 
einem männlichen Jungen Tuberkulose des Peri¬ 
toneums, im letzteren bei vier weiblichen Jungen 
Tuberkulose der Mesenterialdrüsen und des Peri¬ 
toneums, während die Mütter keinerlei Erkran¬ 
kungen tuberkulöser Art aufwiesen. ' 

Hiernach ist es möglich, dass die Tuberkulose 
vom väterlichen Organismus auf das Ei durch den 
Samen übertragen wird. Profe. 

M. Osraan Nouri (Konstantinopel). Die Ab¬ 
sorption desTuberkelbacillus durch 
die frisch rasierte Haut. Bericht an 
die Societe de Biologie (Paris). La Semaine 
medicale 1905, No. 43. 

Es gelingt, den Kochsclien Bacillus dadurch auf 
Meerschweinchen zu verimpfen, dass man in die 
frisch rasierte Haut der Leistengegend das tuber¬ 
kulöse Material eiureibt. Der Erfolg dieser Impf¬ 
methode ist der gleiche wie bei der subkutanen 
Infektion. Das bezeichnete Verfahren hätte den 
Vorteil, dass der Tod durch Septikämie vermieden 
würde, die häufig nach subkutaner Injektion von 
Sputum oder ähnlichen Krankheitsprodukten ein- 
tritt. Carl. 

Friedmann. Experimentelle Beiträge zur 
Frage kongenitaler Tuberkelbacil¬ 
lenübertragung und kongenitaler 
Tuberkulose. Virchows Archiv, Bd. 181, 
Heft 1, 1905. 

Vor einigen Jahren stellte der Autor durch 
Versuche fest, dass Tuberkelbacillen, die sogleich 
nach stattgehabter Begattung Kaninchenweibchen 
in die Vagina injiziert werden, ohne Vermittlung 
des mütterlichen Körpers in die Embryonen über¬ 
gehen und sich in diesen nach 6—7 Tagen stets 
vereinzelt naclrweisen lassen. Zur weiteren Klärung 
dieser Frage stellte Verfasser umfangreiche Ver¬ 
suche an, deren Resultate folgende sind: 

1. In 7—8 tägigen Kaninchenembryonen, 

welche von Vatertieren abstammen, denen einige 
Wochen vor der Zeugung menschliche Tuberkel¬ 
oder Perlsuchtsbacillen in die Samenleiter gespritzt 
worden waren, sind in der Regel solche Bacillen 
nachweisbar. ( 

2. 7 tägige Kaninchenembryonen, welche von 
Vatertieren abstammen, denen wenige Wochen vor 
der Zeugung Tuberkelbacillen in beide Hoden ge¬ 
spritzt worden waren, enthalten in der Regel solche 
Bacillen. Fand die Begattung erst längere Zeit 


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228 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


3. Jahrgang. 


(vier und mein* Wochen) hach der Infektion statt, 
so erfolgt keine Konzeption mehr. In einem Fall 
erfolgte nach der Infektion keine Begattung mehr. 
— Bei Meerschweinchen, denen Tuberkelbacillen 
in die Hoden gespritzt werden, schreitet der tuber¬ 
kulöse Prozess im Hoden und die Allgemeinerkran¬ 
kung zu schnell vorwärts, so dass hier in der Regel 
keine Konzeption eintritt. 

3. Intrapulmonal mit Tuberkelbacillen infi¬ 
zierte Kaninchenböcke üben, falls der Prozess in 
den Lungen zum Stillstand kommt, noch nach 
Monaten erfolgreiche Begattungen aus: die 7tägi- 
gen Embryonen sind stets bacillenfrei und ent¬ 
wickeln sich zu gesunden Tieren. Bei intraperi¬ 
tonealem Infektionsmodus dagegen dürfte infolge 
zu schneller Generalisierung der Tuberkulose nur 
selten noch erfolgreiche Begattung stattfinden. 

4. 6 tägige Kaninphenembryonen, deren Vater¬ 
tiere wenige Wochen vor der Zeugung intravenös 
mit Tuberkelbacillen infiziert wurden, enthalten 
bisweilen wenige Bacillen. Fand die Zeugung 
etwas längere Zeit (drei und mehr Wochen) nach 
der Infektion statt, so lassen sich in den Gtägigen 
Embryonen in der Regel keine Bacillen nacliweisen, 
doch sind — nach Ausweis der mikroskopischen 
Untersuchung und Meerschweinchenimpfung — 
einige Bacillen auch dann noch ganz vereinzelt 
(aber offenbar avirulent?) in Organen einiger Neu¬ 
geborener nachweisbar. 

5. Tuberkelbacillen, die gleich nach der Be¬ 
gattung Kaninchenweibchen intravaginal injiziert 
wurden, Hessen sich in 7tägigen Embryonen in der 
Regel vereinzelt nacliweisen. Sie hindern jedoch 
die normale Entwicklung der Früchte in keiner 
Weise. Sie finden sich in seltenen Fällen in eini¬ 
gen Organen (Lungen, Knochenmark) der neu¬ 
geborenen Tiere noch ganz vereinzelt vor, aber so 
gering an Zahl resp. Virulenz, dass sie offenbar 
bald zugrunde gehen, keine histologischen, ge¬ 
schweige denn gröbere Veränderungen Hervorrufen, 
so dass die betreffenden Jungen zu kräftigen, von 
Kontrolltieren nicht zu unterscheidenden Tieren 
auswaclisen. Vielleicht kann dieses in bezug auf 
eine fortschreitende Entwicklung der in den 
ab ovo infizierten Embryonen enthaltenen Bacillen 
negative Resultat zum Teil auf die relative Un¬ 
empfänglichkeit des Kaninchenkörpers für mensch¬ 
liche Tuberkelbazillen bezogen werden. So fielen 
ja auch die bekannten Injektionsversuche an 
Hühnereiern von v. Baumgarten und Maffucci bei 
Verwendung von menschlichen Tuberkelbacillen 
stets negativ aus, dagegen mit Hühnertuberkel¬ 
bacillen stets positiv. Es ist eben bei allen diesen 
Versuchen ein offenbar sehr bedeutungsvolles 
Moment zu berücksichtigen: das Wechselverhältnis 
zwischen Bacillenspezies und Tierspezies. — Die 
Muttertiere bleiben stets gesund. 

6. Intraperitoneal oder intravenös mit Tu¬ 
berkelbacillen infizierte und kurze Zeit darauf be¬ 
gattete Meerschwein- und Kaninchenweibchen 
scheinen, falls die Infektion schon vorgeschritten, 


überhaupt nicht mehr zu konzipieren. Es tritt 
Gravidität ein, die Föten sind normal entwickelt 
und frei von Tuberkulose und Bacillen, wenn die 
Infektion einige Tage nach der erfolgreichen Be¬ 
gattung geschehen war. Bei subkutaner Infektion 
des Muttertieres mit kurz darauffolgender Begat¬ 
tung können einzelne Bacillen durch die Placenta 
in die Fötalleber übergehen, rufen liier jedoch 
histologische Veränderungen nicht hervor und 
dürften nach Analogie des im vorigen Kapitel fest¬ 
gestellten, hier in der Regel sich avirulent ver¬ 
halten, wenigstens zunächst keine Tuberkulose 
Hervorrufen. 

Kurz zusammengefasst ergibt sich also, dass 
ein Eindringen des Tuberkelbacillus in die befruch¬ 
tete Eizelle als erwiesen angesehen werden muss. 
Die letztere geht durch die bacilläre Infektion nicht 
zugrunde, sondern entwickelt sich zum wohlgestal¬ 
teten Tier, das also durch die in statu nascendi 
empfangenen Bacillen nicht tuberkulös wird, auch 
in der ersten Zeit des postembryonalen Lebens 
nicht, und das von Kontrolltieren nicht zu unter¬ 
scheiden ist. Carl. 

Kossel und Weber. Die Untersuchungen 
über die Beziehungen zwischen der 
Menschen- und Tiertuberkulose. 
Veröff. des Kais. Ges.-Amtes 1905. S. 1146. 

In einer am 7. Juni 1905 im Kaiserlichen 
Gesundheitsamt anberaumten Sitzung des Unter¬ 
ausschusses für Tuberkulose des Reichs-Gesund¬ 
heitsrats wurden Zusammenstellungen der wissen¬ 
schaftlichen Ergebnisse der bisher im Kaiserlichen 
Gesundheitsamte angestellten vergleichenden Unter¬ 
suchungen über Tuberkelbacillen verschiedener Her¬ 
kunft und der praktischen Ergebnisse der neueren 
Forschungen über die Beziehungen zwischen der 
Menschen- und Tiertuberkulose vorgelegt. Die Zu¬ 
sammenstellungen haben folgenden Wortlaut: 
Wissenschaftliche Ergebnisse der 
bisher im Kaiserlichen Gesundheits¬ 
amt angestellten vergleichenden 
Untersuchungen über Tuberkelbacil¬ 
len verschiedener Herkunft. 

1. Bei den Erregern der Tuberkulose der Warm¬ 
blüter ist zu unterscheiden zwischen Bacillen der 
Hühnertuberkulose und Bacillen der Säugetier¬ 
tuberkulose. 

2. Bei den Bacillen der Säugetiertuberkulose 
lassen sich 2 Typen unterscheiden, die zweckmässig 
als Typus humanus und Typus bovinus zu be¬ 
zeichnen sind. Diese beiden Typen weisen sowohl 
morphologisch als auch kulturell und hinsichtlich 
ihrer Virulenz für Kaninchen und Rind charakte¬ 
ristische Unterschiede auf. 

3. Eine Umwandlung der Bacillen der Hühner¬ 
tuberkulose in solche der Säugetiertuberkulose 
konnte selbst bei längerem Aufenthalt (bis zu 
2 Jahren) der ersteren im Säugetierkörper (Meer¬ 
schweinchen, Maus, Kaninchen, Rind) nicht be¬ 
obachtet werden. 

4. Eine Umwandlung der Bacillen des Typus 


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Fortschritte der Veterinär-Hygiene. Jahrg. 11)05/06. Heft X. 


Tafel 4. 


Fig. 14. 


Fig. 15. 



Fischoeder, Milzbrand. 


Verlag von Louis Marcus in Berlin SW Hl. 


Lichtdruck von Albert Frisch, Berlin W. Mo. 


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Fortschritte der Veterinär-Hygiene. Jahrg. 1905/06. Heft X. 


Tafel 4. 


Fig. 14. Fig. 15. 



Fischoeder, Milzbrand. Lichtdruck" $bn Albert Frisch, Berlin W. :15. 

Verla* von Louis Marcus in Berlin SW Hl. Zed by ^jOOgiC 



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Heft 10 


Fortschritte der Ve teri n&r- Hy giene. 


229 


humanus in solche des Typus bovinus konnte nach 
Uebertragung auf Kaninchen, Ziege und Rind selbst 
nach längerem Aufenthalt (bis zu mehr als 1 Jahr) 
in den Körpern dieser Tiere nicht beobachtet 
werden. 

5. Die bei Hühnern beobachtete Tuberkulose 
war in allen 11 untersuchten Fällen durch den 
Hühnertuberkulosebacillus erzeugt. 

Für den Typus humanus und bovinus erwiesen 
sich Hühner als unempfänglich. 

Das Verhalten der Hühner den verschiedenen 
Typen von Tuberkulosebacillen gegenüber darf 
nicht ohne weiteres auf alle anderen Vogelarten 
übertragen werden; bei 2 tuberkulösen Papageien 
werden Bacillen des Typus humanus gefunden. 

6. Aus 11 verschiedenen Fällen von Tuber¬ 
kulose des Rindes wurden ausnahmslos Tuberkel¬ 
bacillen des Typus bovinus gezüchtet. 

Mit den Bacillen des Typus humanus liess sich 
eine fortschreitende Tuberkulose beim Rinde nicht 
erzeugen, mochte die Uebertragung durch Impfung 
(Reinkulturen und zerriebene Organteile), Fütte¬ 
rung (Reinkulturen und tuberkulöser Auswurf) oder 
Einatmung (Reinkulturen) erfolgt sein. 

7. In 7 Fällen von Tuberkulose des Schweines 
fanden sich Bacillen des Typus bovinus. In Ueber- 
einstimmung hiermit liessen sich Ferkel durch 
Uebertragung von Bacillen des Typus bovinus 
(Reinkulturen) mittels Fütterung ausnahmslos in¬ 
fizieren. 

Beweise für die Annahme, dass unter natür¬ 
lichen Verhältnissen eine Ansteckung von Schwei¬ 
nen mit Tuberkelbacillen des Typus humanus vor¬ 
kommt, haben die Untersuchungen zwar bis jetzt 
nicht ergeben. Indes haben Fütterungsversuche, 
die allerdings mit grossen Mengen von Bacillen 
(Reinkulturen) bei Ferkeln angestellt wurden, ge¬ 
zeigt, dass die Bacillen des Typus humanus beim 
Schweine eine langsam verlaufende allgemeine 
Tuberkulose hervorrufen können. 

In einem Falle wurden bei einem 3 Monate 
alten Schwein, das sonst keine Zeichen von Tuber¬ 
kulose aufwies, in den verkästen Mesenterialdrüsen 
Hühnertuberkulosebacillen gefunden. 

8. In einem Falle von allgemeiner Tuberkulose 
beim Schaf fanden sich Tuberkelbacillen des Typus 
bovinus. Ferner liessen sich Schafe und Ziegen 
durch Impfung mit Tuberkelbacillen des Typus 
bovinus (Reinkulturen) infizieren. 

9. Unter 67 verschiedenen Fällen von Tuber¬ 
kulose des Menschen, deren Auswahl allerdings 
überwiegend von dem Bestreben geleitet wurde, 
möglichst Fälle des Typus bovinus zu finden, 
liessen sich in 56 Fällen die Bacillen des Typus 
humanus allein, in 9 Fällen die Bacillen des 
Typus bovinus allein, in 2 Fällen beide Typen 
bei derselben Person gleichzeitig nachweisen. 

10. Unter den 56 Fällen menschlicher Tuber¬ 
kulose, in denen Bacillen des Typus humanus allein 
nachgewiesen wurden, fanden sich Fälle von Tuber¬ 
kulose der Lungen, der Drüsen, der Knochen und 


Gelenke, des Darmes bezw. der Mesenterialdrüsen, 
des Urogenitalapparates, des Bauchfells, sowie von 
allgemeiner Miliartuberkuolse und von Lupus. 

Die Bacillen des Typus humanus liessen sich 
nachweisen in Auswurf, Halsdrüsen, Bronchial¬ 
drüsen, Axillardrüsen, Lungentuberkeln, Hirnhaut¬ 
tuberkeln, tuberkulöser Tubenschleimhaut, Peri¬ 
tonealtuberkeln, tuberkulöser Darmschleimhaut 
und Gekrösdrüsen, tuberkulösen Hautstückchen, 
Knochen- und Gelenkteilen, Harn. 

Die Tuberkulösen gehörten verschiedenen 
Lebensaltern an. 

11. Die 9 Fälle von menschlicher Tuberkulose, 
bei denen sich Bacillen des Typus bovinus allein 
fanden, betrafen ausschliesslich Kinder im Alter 
bis zu 8 Jahren und boten in 6 Fällen Erschei¬ 
nungen dar, welche mit Sicherheit den Schluss 
gestatteten, dass die Ansteckung durch Eindringen 
der Tuberkelbacillen vom Darm aus erfolgt war; 
bei 2 dieser Fälle lag allgemeine Miliartuberkulose 
vor. In einem dritten Falle von Miliartuberkulose 
war die Entscheidung über die Eintrittspforte nicht 
möglich. In 2 Fällen handelte es sich um Tuber¬ 
kulose der Halsdrüsen. 

In der Mehrzahl dieser Fälle wurden die Ba¬ 
cillen der Typus bovinus an der Eintrittspforte oder 
den zugehörigen Drüsen (Darm, Mesenterialdrüsen, 
Halsdrüsen) nachgewiesen, in einem Falle von 
Miliartuberkulose in der Lunge, welche allein unter¬ 
sucht werden konnte, in einem zweiten Falle von 
Miliartuberkulose im Gehirn, den Bronchialdrüsen, 
der Leber und in den Mesenterialdrüsen. 

12. Die 2 Fälle, bei denen sich beide Typen 
von Tuberkelbacillen gleichzeitig vorfanden, be¬ 
trafen eine 30 jährige Frau, bei der sich in den 
Gekrösdrüsen Tuberkelbacillen des Typus bovinus 
neben solchen des Typus humanus, und ein 5Va- 
jähriges Kind, bei dem sich in den Gekrösdrüsen 
Tuberkelbacillen des Typus bovinus, in der Milz 
solche des Typus humanus vorfanden. 

13. Im ganzen kamen zur Untersuchung bei 
Kindern unter 10 Jahren 12 Fälle von Tuberkulose, 
bei denen augenscheinlich der Darm die Eintritts¬ 
pforte gebildet hatte. 

Von diesen 12 Fällen beruhten 5 auf Infektion 
mit Bacillen des Typus humanus allein, 6 auf 
Infektion mit Bacillen des Typus bovinus allein, 
1 Fall auf Infektion mit Bacillen beider Typen. 

Unter den 12 Fällen fanden sich 4 Fälle, in 
denen die Tuberkulose auf die Mesenterialdrüsen 
beschränkt war; von diesen beruhten 3 auf In¬ 
fektion mit Bacillen des Typus bovinus, 1 auf 
Infektion mit Bacillen des Typus humanus. 

In 2 weiteren Fällen lagen ausser der Mesen¬ 
terialdrüse nerkrankung tuberkulöse Darmgeschwüre 
vor, einer davon beruhte auf Infektion mit Bacillen 
des Typus bovinus, der andere mit solchen des 
Typus humanus.. 

In den übrigen 6 Fällen fanden sich auch 
sonst tuberkulöse Veränderungen im Körper. In 
5 dieser Fälle handelte es sich um allgemeine 


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230 


Fortschrittder Veterinär-Hygiene. 


3. Jahrgang. 


Miliartuberkulose, die augenscheinlich vom Dang 
ausgegangen war; 3 davon beruhten auf Infektion 
mit Bacillen des Typus humanus, 2 auf Infektion 
mit Bacillen des Typus bovinus. In einem Fall 
wurden aus den Mesenterialdrüsen Bacillen des 
Typus bovinus, aus der Milz Bacillen des Typus 
humanus gezüchtet. 

14. Die aus dem menschlichen Körper ge¬ 
züchteten Bacillen des Typus bovinus liessen sich 
weder morphologisch, noch kulturell, noch hin¬ 
sichtlich ihrer Virulenz für das Rind von den direkt 
aus dem Rinde gezüchteten Bacillen des Typus 
bovinus unterscheiden. 

Praktische Ergebnisse der neueren 
Forschungen über die Beziehungen 
zwischen der Menschen- und Tier¬ 
tuberkulose. 

I. Tuberkulose der Haustiere. 

A. Tuberkulose des Rindes. 

1. Die Tuberkulose des Rindes wird durch 
Tuberkelbacillen des Typus bovinus hervorgerufen. 
Sie entsteht durch die Ansteckung mit Tuberkel¬ 
bacillen, welche von kranken Tieren bei gewissen 
Formen der Tuberkulose ausgeschieden werden. 

2. Als Quelle für die Ansteckung des Rind¬ 
viehs kommen fast ausschliesslich Rinder in Be¬ 
tracht, welche an Tuberkulose des Euters, des 
Darms, der Gebärmutter oder der Lunge leiden und 
mit der Milch, dem Darminhalt, den Absonde¬ 
rungen der Gebärmutter oder der Luftwege Tu¬ 
berkelbacillen ausscheiden. 

3. Die Erkrankung von Rindern infolge der 
Aufnahme von Tuberkelbacillen des Typus bo¬ 
vinus, welche bei tuberkulösen Erkrankungen von 
anderen Haussäugetieren, z. B. Schafen, Ziegen 
und Schweinen, ausgeschieden werden, ist möglich. 

4. Der tuberkulöse Mensch bietet für das Rind 
in den seltenen Fällen, in welchen er Tubekel- 
bacillen des Typus bovinus ausscheidet, eine 
Gefahr. 

5. Die Tuberkulose der Hühner scheint für das 
Rind unter natürlichen Verhältnissen kaum eine 
Gefahr zu bieten. 

6. Zur Bekämpfung der Tuberkulose bei den 
Rindern ist in erster Linie die Uebertraguug der 
Ansteckungskeime von tuberkulösen Rindern auf 
gesunde zu verhindern. 

B. Tuberkulose des Schweines. 

1. Bei tuberkulösen Schweinen finden sich in 
den Krankheitsherden fast ausnahmslos Tuberkel- 
bacillen des Typus bovinus. 

2. Die Tuberkulose des Schweines hat ihren 
Ursprung vorzugsweise in der Tuberkulose des 
Rindes, daneben kommt Uebertragung der Tuber¬ 
kulose von einem Schweine auf das andere vor. 
Auch ist nicht ausgeschlossen, dass die Tuber¬ 
kulose anderer Haussiiugetiere und der Hühner auf 
Schweine übertragen wird. 

3. Der tuberkulöse Mensch kann die Tuber¬ 
kulose auf das Schwein übertragen und zwar gleich¬ 


viel, welchen Ursprungs seine eigene Erkrankung 
ist. — 4 \ 9 \ 

4. Als Quelle der Ansteckung kommen haupt¬ 
sächlich Absonderungen und Körperteile kranker 
Säugetiere in Betracht, in welchen lebende Tuber¬ 
kelbacillen enthalten sind. Die grösste Gefahr 
bietet die Verfütterung von Zentrifugenschlamm 
aus Molkereien an Schweine. 

C. Tuberkulose der übrigen Haussäugetiere. 

1. Die Tuberkulose der übrigen Haussäugetiere 
leitet sich in den meisten Fällen von der Tuber¬ 
kulose des Rindes ab. 

2. Es ist zu erwarten, dass die Bekämpfung 
der Tuberkulose bei den Rindern zu einer Abnahme 
der Tuberkulose bei den Schweinen und den übrigen 
Haussäugetieren führen wird. 

D. Tuberkulose des Hausgeflügels. 

1. Die Tuberkulose des Hausgeflügels (Hühner, 
Tauben, Enten, Gänse) wird in der Regel durch 
den Hühnertuberkulosebacillus erzeugt und ver¬ 
breitet 1 ). 

2. Als Quelle der Ansteckung sind in erster 
Linie Tuberkelbacillen enthaltende Darmauslee¬ 
rungen und tuberkulös veränderte Körperbestand- 
teile von krankem Geflügel zu betrachten. 

II. Tuberkulose des Menschen. 

1. In tuberkulös veränderten Körperteilen von 
Menschen finden sich meist Tuberkelbacillen des 
Typus humanus. 

2. Es muss angenommen werden, dass hier 
die Ansteckung mit Tuberkulose in erster Linie 
durch unmittelbare oder mittelbare Uebertragung 
der Tuberkelbacillen von Mensch zu Mensch erfolgt. 

3. Dementsprechend haben die zur Bekämpfung 
der Tuberkulose bestimmten Massnahmen sich vor¬ 
zugsweise gegen die unmittelbare oder mittelbare 
Uebertragung des Ansteckungskeims von tuber¬ 
kulösen Menschen auf Gesunde zu richten. 

4. Ausserdem ist mit der Möglichkeit zu 
rechnen, dass mit dem Fleisch tuberkulöser 
Schweine Tuberkelbacillen des Typus humanus auf 
den Menschen übertragen werden. 

5. Die Tatsache, dass in einer Anzahl von 
Fällen in tuberkulös veränderten Körperteilen bei 
Menschen Tuberkelbaciljen des Typus bovinus nach¬ 
gewiesen worden sind, zeigt, dass der menschliche 
Körper zur Aufnahme der Ansteckungskeime aus 
tuberkelbacillenhaltigen Ausscheidungen (z. B. 
Milch) oder tuberkulös verändertem Fleisch der 
Haussäugetiere befähigt ist. 

6. Die durch Tuberkelbacillen des Typus bo¬ 
vinus bei Menschen hervorgerufenen Gewebsver¬ 
änderungen beschränken sich in einer bemerkens¬ 
werten Zahl von Fällen auf die Eintrittspforte 
der Keime und die zugehörigen Drüsen oder auf 
letztere allein. Jedoch sind Tuberkelbacillen des 
Typus bovinus auch in solchen Fällen von Tuber¬ 
kulose gefunden worden, bei welchen die Erkran¬ 
kung von der Eintrittspforte aus auf entferntere 

*) Bei tuberkulösen Papageien sind jedoch auch Bazillen 
des Typus humanus gefunden worden. 


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Heft 10. 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


231 


Körperteile übergegriffen und den Tod der be¬ 
treffenden Person herbeigeführt hatte. 

7. Daher ist der Genuss von Nahrungsmitteln, 
welche von tuberkulösen Tieren stammen und 
lebende Tuberkelbacillen des Typus bovinus ent¬ 
halten, für die Gesundheit des Menschen, nament¬ 
lich im Kindesalter, nicht als unbedenklich zu 
betrachten. 

8. Eine gewissenhaft durchgeführte Fleisch¬ 
beschau bietet einen erheblichen Schutz gegen die 
Uebertragung der Tnberkelbacillen mit dem Fleisch 
auf den Menschen; ausserdem besteht ein Schutz 
in der geeigneten Zubereitung des Fleisches (gründ¬ 
liches Durchkochen oder Durchbraten). 

9. Die Möglichkeit der Uebertragung von 
Tuberkelbacillen mit der Milch und den Milch¬ 
produkten auf den Menschen wird durch wirk¬ 
same Bekämpfung der Tuberkulose unter dem Rind¬ 
vieh erheblich verringert. Die in der Milch ent¬ 
haltenen Tuberkelbacillen können durch zweckent¬ 
sprechende Erhitzung abgetötet werden. 

10. Die Tuberkulose des nutzbaren Hausge¬ 
flügels scheint für die Verbreitung der Tuberkulose 
unter den Menschen keine Rolle zu spielen. 
Kossei. Schlusssätze zum gleichen Thema, ibid. 

1. Durch die bakteriologische Untersuchung 
tuberkulöser Veränderungen bei Menschen, Rin¬ 
dern und Schweinen lassen sich zwei verschiedene 
Typen von Tuberkelbaoillen nachweisen, die vor¬ 
läufig als Typus humanus und bovinus bezeichnet 
werden können. 

2. Die weit verbreitete Tuberkulose der Rin¬ 
der ist ausschliesslich auf Infektion mit dem 
Tuberkelbacillus des Typus bovinus zurückzuführen. 

3. Die Schweine sind in hohem Grade emp¬ 
fänglich für die Bacillen des Typus bovinus, in 
geringerem Grade für die des Typus humanus. 

4. Die Tuberkulose des Menschen beruht in 
erster Linie auf Ansteckung mit Bacillen des 
Typus humanus, die von Mensch zu Mensch über¬ 
tragbar sind. 

5. Tuberkulöse Veränderungen können beim 
Menschen auch durch Tuberkelbacillen des Typus 
bovinus hervorgerufen werden. 

6. Die Uebertragung der Bacillen des Typus 
bovinus auf den Menschen kann durch Nahrungs¬ 
mittel erfolgen, die von tuberkulösen Tieren stam¬ 
men, in erster Linie durch Milch von Kühen mit 
Eutertuberkulose. 

7. Die Rolle, die die Tuberkuloseinfektion aus 
tierischer Quelle für die Verbreitung der mensch¬ 
lichen Tuberkulose spielt, ist gering im Vergleich 
zu der Gefahr, die von dem schwindsüchtigen 
Menschen ausgeht. 

Arloing. Schlusssätze über das gleiche Thema, ibid. 

Bemüht man sich, die Resultate der Forsch¬ 
ungsergebnisse über den Unterschied der verschie¬ 
denen Tuberkulosearten auf die Aelinlichkeit und 
die sie vereinigenden Eigenschaften dieser Tuber¬ 
kulosearten zu prüfen, so kommt man zur Ueber- 
zeugung, dass diese verschiedenen Bacillen alle 


nur Varietäten derselben Art und durch keine 
markierte Abgrenzung getrennt sind. 

Die Variationsfähigkeit existiert für die 
menschlichen Bacillen wie für die aller Tierarten. 

1. Betrachtet man, anstatt sich bloss an die 
Unterschiede zu halten, die Analogien, die die 
verschiedenen Tuberkulosearten nähren, so wird 
es einleuchten, dass diese sämtlichen Krankheiten 
vom Kochschen Bacillus herrühren, dessen bio¬ 
logische Eigenschaften und Virulenz hinwieder¬ 
um vom Nährboden abhängen. 

2. Die von verschiedenen Bakteriologen an¬ 
genommenen Typen sind bloss Varietäten, die die 
Eigenschaften, die der Kochsche Bacillus durch 
Niederlassung im Organismus dieser oder jener 
Tierspezies erwerben kann, in grösserer oder ge¬ 
ringerer Zahl aufweisen. 

3. Alle diese Bacillenvarietäten können durch 
das Serum von Tuberkulösen in verschiedenen 
Verhältnissen agglutiniert werden, alle sind mehr 
oder minder fähig, in den Kulturen Tuberkulin, 
im lebenden Organismus agglutinierende Sub¬ 
stanzen zu bilden. 

4. Menschliche Tuberkulose und 
Rindertuberkulose sind von ein und 
derselben Natur undgegenseitig über¬ 
tragbar. Die Uebertragbarkeit der Rindertuber¬ 
kulose auf den Menschen wird heute selbst nicht 
mehr von den Anhängern der Koch-Schützschen 
Anschauungen bestritten; es wird bloss über die 
Häufigkeit dieser Ueber tragungsart der Tuber¬ 
kulose gestritten. 

5. Es scheint die Annahme berechtigt, dass 
die Uebertragung von Mensch zu Mensch die häu¬ 
figste ist, wenn auch gegenüber allen Tuber¬ 
kulosearten Vorsicht geboten ist. 

6. Alle Warmblütervertebraten können den 
Kochschen Sadillus' verschiedener Vfruleüfc beher¬ 
bergen. 

7. Beim Menschen und bei Säugetieren be¬ 
gegnet man den abgeschwächten Varietäten am 
häufigsten in den sogenannten chirurgischen oder 
lokalisierten Tuberkulosen der Knochen, Lympl - 
drüsen und der Haut, doch können in diesen Teilea 
ebenso virulente Bacillen Vorkommen, wie es die 
der Vixeraltuberkulosen sind. 

8. Die vergleichende Impfung an Meerschwein¬ 
chen und Kaninchen kann zum Unterschiede 
zwischen abgeschwächten und voll virulenten Varie¬ 
täten dienen. 

9. Die sehr wenig abgeschwächten Varietäten 
gewinnen durch Tierpassage an Virulenz, die sehr 
stark abgeschwächten behalten ihren Rückgang 
der Virulenz trotz mehrerer Tierpassagen. 

Jacob. 

L. Rabinowitsch. Vergleichende Studien 
über verschiedene Tuberkulose¬ 
arten. Internationaler Tuberkulosekongress 
1905, Ref. d. M. med. Wchschft. 

Die Verf. stellt folgende Schlusssätze auf: 

1. Es existieren keine konstanten prinzipiellen 


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232 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


3. Jahrgang. 


Unterschiede weder in morphologischer noch tink- 
torieller Beziehung zwischen den Erregern der 
Säugetier-, Geflügel- und Kaltblütertuberkulose. 

2. a) Kulturelle Unterschiede bestehen zwi¬ 
schen den Menschen- und Rindertuberkelbacillen 
nur insofern, als die letzteren im allgemeinen 
schwerer zu züchten sind und besonders in den 
ersten Generationen ein langsames Wachstum auf- 
weisen als die menschlichen Tuberkelbacillen. Es 
wird aber mitunter auch das umgekehrte Verhalten 
beobachtet; inwieweit hierbei die Verschiedenheit 
der Nährböden eine Rolle spielt, scheint bislang 
nicht mit Sicherheit festgestellt zu sein. 

b) Es sind ausgesprochene kulturelle Unter¬ 
schiede zwischen den Erregern der Säugetier- und 
Geflügeltuberkulose vorhanden, obwohl einzelne Ge¬ 
flügeltuberkulosestämme ein dem der Säugetier¬ 
tuberkulose mehr oder weniger ähnliches Wachs¬ 
tum zeigen. 

c) Die Kulturen der Kaltblütertuberkulose 
unterscheiden sich von denen der Säugetier- und 
Geflügeltuberkulose nicht nur in ihrem Aussehen, 
sondern hauptsächlich durch ihr Wachstums¬ 
optimum. 

3. Bei den Säugetiertuberkelbacillen lassen 
sich hinsichtlich ihrer Virulenz für verschiedene 
Versuchstiere und hinsichtlich ihres kulturellen 
Verhaltens zwei Typen unterscheiden, die als 
Typus bovinus und Typus liumanus bezeichnet 
werden. 

Die Menschen- und Rindertuberkelbacillen be¬ 
sitzen eine verschiedene Virulenz für verschiedene 
Versuchstiere; Meerschweinchen sind für beide Er¬ 
reger in gleicher Weise empfänglich. 

Kaninchen sind für Menschentuberkulose be¬ 
deutend weniger empfänglich als für Rinder¬ 
bacillen. 

Rinder sind desgleichen für Tuberkelbacillen 
menschlicher Provenienz weniger empfänglich als 
für Perlsuchtbacillen, obwohl auch weniger viru¬ 
lente Stämme von Perlsuchtbacillen Vorkommen, 
die bei Rindern keine oder nur geringfügige Tuber¬ 
kulose erzeugen, sich also in dieser Beziehung 
den menschlichen Tuberkelbacillen gleich ver¬ 
halten. 

Vom Menschen stammende und für Rinder und 
Kaninchen hochvirulente Kulturen werden zum 
Typus bovinus gehörend gerechnet. 

4. Die Bacillen der Geflügeltuberkulose sind 
für alle Vogelarten pathogen. 

Für Meerschweinchen sind sie im allgemeinen 
virulenter im Ausgangsmaterial als in der Rein¬ 
kultur; im grossen und ganzen aber weniger viru¬ 
lent als Säugetierbacillen. 

Für Kaninchen fast ebenso virulent bei den 
verschiedenen Infektionsmodis als Rindertuberkel¬ 
bacillen. 

Mäuse sind für Geflügeltuberkelbacillen nicht 
ganz so empfänglich wie für Rindertuberkelbacillen, 
aber empfänglicher als menschliche Tuberkulose. 

Rinder sind für Geflügeltuberkulose mehr oder 
weniger empfänglich. 


5. Die Erreger der Kaltblütertuberkulose sind 
im allgemeinen für Warmblüter nicht pathogen, 
auch das umgekehrte Verhältnis besteht im grossen 
und ganzen zu Recht. 

6. Beim Menschen findet sich hauptsächlich 
der Typus humanus der Säugetiertuberkulose, zu¬ 
weilen und vornehmlich bei Kindern der Typus 
bovinus, in manchen Fällen beide vergesellschaftet. 
Möglich ist, dass bei längerem Verweilen im 
menschlichen Organismus der Typus bovinus sich 
in den humanen Typus umwandelt. In sehr seltenen 
Fällen wurde bei menschlicher Tuberkulose das 
Vorkommen von Geflügeltuberkulosebacillen be¬ 
obachtet (eigene Beobachtung). 

7. Beim Rinde findet sich gewöhnlich der 
Typus bovinus, in scheinbar nicht zu seltenen 
Fällen eigenartiger tuberkulöser Erkrankungen 
Geflügeltuberkulosebacillen. 

8. Auch bei Schweinen und Pferden wurde in 
seltenen Fällen Geflügeltuberkulose beobachtet. 

9. Bei Affen (36 eigene Beobachtungen) findet 
sich meistens der Typus humanus, verschiedentlich 
der Typus bovinus, zuweilen Geflügeltuberkulose- 
bacillus. 

10. Von über 120 tuberkulösen Vögeln der 
verschiedensten Arten aus dem Berliner Zoolo¬ 
gischen Garten wurden zirka 70 isolierte Kulturen 
studiert, von denen 3 ihren kulturellen und patho¬ 
genen Eigenschaften nach dem Typus humanus 
angehörten. 

a) Bei spontaner Papageientuberkulose finden 
sich sowohl Säugetier- wie Geflügeltuberkulose¬ 
bacillen; Papageien sind in gleicher Weise mit 
dem Typus humanus, bovinus und Geflügeltuberkel¬ 
bacillen zu infizieren. 

b) Von anderen Vogelarten Hessen sich nach 
eigenen Beobachtungen bisher nur Kanarienvögel 
mit Säugetier tuberkulöse infizieren. 

c) Mäuse und Ratten finden sich häufig mit 
den Bacillen der Geflügeltuberkulose infiziert und 
können als Verbreiter derselben angesehen werden. 

11. Es bestehen agglutinatorische Wechsel¬ 
beziehungen zwischen den Bacillen der Säugetier-, 
Geflügel- und Kaltblütertuberkulose. 

12. Ausser einer gemeinschaftlichen Tuber¬ 
kulinreaktion, die als Gruppenreaktion anzusehen 
ist, bestehen Immunitätsbeziehungen zwischen 
Menschen-, Rinder- und Geflügeltuberkulose. 

13. Demnach und vornehmlich auf Grund der 
häufigen Wechselbeziehungen der Säugetier- und 
Geflügeltuberkulose im Tierreich müssen die -Er¬ 
reger derselben als verschiedene Tierspezies an¬ 
gepasste Varietäten einer Art aufgefasst werden, 
unter denen sich der Typus humanus und bovinus 
am nächsten stehen. 

Bis auf die Versuche an Rindern und Beob¬ 
achtungen an Schweinen und Pferden stellen diese 
Sätze das Ergebnis eigener Versuche der Verf. dar. 
Die Arbeiten über Vogeltuberkulose sind gemein¬ 
sam mit Dr. Max Koch im pathologischen Uni¬ 
versitätsinstitut in Berlin ausgeführt. 

Jacob. 


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Heft 10. 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


233 


Heymans. Ucber die pleurale und peri¬ 
toneale Tuberkulose des Rindes. 
Vortrag i. d. Acad6mie de Mcdicine belgique 
(Brüssel). La Semaine medicale 1905 No. 36. 

Nach der allgemeinen Anschauung sind die 
Neubildungen auf den serösen Häuten beim Rinde 
tuberkulöser Natur und leiten ihren Ursprung auf 
Tuberkelknötchen zurück, die ursprünglich ihren 
Sitz in der Serosa hatten. Von 114 Tumoren, 
welche von 41 mit Tuberkulose des Brust- und 
Bauchfells behafteten Tieren stammten, boten 
bloss 36 bei der mikroskopischen Untersuchung 
eine offenbar tuberkulöse Struktur dar, während 
man bei den 78 andern weder Riesenzellen noch 
Tuberkel auffinden konnte. Im übrigen enthielten 
die letzteren, soweit vorhanden, keine Bacillen, 
während in ersteren immer solche, wenn auch in 
geringer Zahl, nachweisbar waren. 

Ausserdem wurden 87 Tumoren von der Serosa 
von 23 tuberkulösen Tieren zerrieben, emulgiert 
und je eines derselben 2 Meerschweinchen in¬ 
jiziert, wobei sich folgendes ergab: 12 Neubil¬ 
dungen machten keines der Tiere tuberkulös, 22 
infizierten nur je eines, 53 beide Meerschwein¬ 
chen. Die erkrankten Tiere verendeten gewöhn¬ 
lich erst 2 Monate nach der Infektion. 

Daraus folgt, dass die Tumoren, welche sich 
auf den serösen Häuten der Rinder bilden, nicht 
immer virulent sind und nicht notwendigerweise 
den Tuberkelbacillus als Ursache haben müssen. 
Im Gegenteil, man kann feststellen, dass das 
Endothel der Serosa ohne Mitwirkung der Bacillen 
aufschwillt, wuchert, mit dem darunterliegenden 
Bindegewebe Zotten bildet, aus welchen sich später 
polypenartige Tumoren entwickeln. Diese Neu¬ 
bildungen, welche weder Tuberkelbacillen noch 
andere Mikroben enthalten, bestehen aus entzün¬ 
detem Bindegewebe in verschiedenen Stadien, unter 
denen der öfters von einer zentralen Nekrose be¬ 
gleitete hämorrhagische Typus vorherrscht. 

Zusammengefasst ergibt sich, dass ein be¬ 
merkenswerter Teil der Serosentuberkulose des 
Rindes nicht auf Tuberkel und Agglomerate von 
solchen zurückzuführen ist, sondern auf einfache, 
entzündliche Zustände, die zuerst progressiven und 
dann regressiven Charakter haben und die hervor¬ 
gerufen werden durch die reizenden Substanzen 
der mehr oder weniger benachbarten Tuberkel. 
Sonst sind die wirklich tuberkulösen Tumoren, 
wie aus dem Verhalten der geimpften Meerschwein¬ 
chen hervorgeht, wenig virulent und arm an 
Bacillen. Es braucht also nicht jede tuberkulöse 
Veränderung im Körper als bacillenhaltig be¬ 
trachtet zu werden. Carl. 

Sehern. Ein Beitrag zur Kenntnis der 
Darm tuberkulöse des Huhnes. Zeit¬ 
schrift für Tiermedizin. Neunter Band. 5. und 
6. Heft. 

Verf. kommt auf Grund seiner pathologisch¬ 
anatomischen Befunderhebungen zu folgenden Be¬ 
trachtungen über Entstehung und Entwicklung der 
Darmtuberkulose beim Huhn. Die Danntuberkulose 


tritt in Form kleinster Knötchen in der Dünn- 
darmoberfläche oder in tieferen Schichten der 
Blinddarmschleimhaut auf. Die tuberkulöse Er* 
krankung kann in der Schleimhaut lokalisiert 
bleiben, oder sie schreitet fort, dann tritt ge- 
schwiiriger Zerfall der in der Schleimhaut sitzen¬ 
den Tuberkel ein, später vernarbt das Geschwür, 
während der Prozess in der Tiefe weitergeht und 
die übrigen Schichten der Darm wand zerstört. Per¬ 
foration wird durch Wucherung der Serosa ver¬ 
hindert. ProfA 

M. Richet. Schädlicher Einfluss des ge¬ 
kochten Fleisches auf die experi¬ 
mentelle Tuberkulose. Vortrag i. d. Aca- 
demie de mcdicine (Paris) La Semaine medicale. 
1905. No. 24. 

In einer Reihe früherer Arbeiten habe ich die 
Wirksamkeit des rohen Fleisches bei der Behand¬ 
lung der Tuberkulose zeigen können, und es scheint 
fast, als ob die praktische Medizin einigen Erfolg 
aus diesen Feststellungen gezogen hätte. Ich 
möchte heute Ihre Aufmerksamkeit auf die Schäd¬ 
lichkeit des gekochten Fleisches bei der experi¬ 
mentellen Tuberkulose lenken. 

Die Versuche wurden mit 21 Hunden ausge¬ 
führt, die vermittels intravenöser Injektion von 
menschlicher Tuberkelbacillenkultur tuberkulös 
gemacht worden wären. 

Drei von diesen Tieren wurden mit einem Brei 
von Milch und Mehl Ernährt, drei mit rohem 
Fleisch, drei mit gekochtem Fleisch und drei mit 
einer Mischung von Milch und Käse. Nur die drei 
mit gekochtem Fleisch gefütterten Tiere starben 
alle, kein einziges auf eine andere Art ernährtes 
Tier ging zugrunde. 

Die noch übrigbleibenden neun Hunde wur¬ 
den verschieden ernährt: sie erhielten alle während 
fünf Tagen Brei, sodann während derselben Zeit 
eine andere Nahrung (je zu dreien rohes Fleisch, 
gekochtes Fleisch und Milch mit Käse). Resultat: 
es starben nur die mit gekochtem Fleisch ge¬ 
fütterten, die anderen waren bei ausgezeichneter 
Gesundheit. 

Eine Merkwürdigkeit verdient noch registriert 
zu werden, nämlich die, dass während mehrerer 
»Stunden auf 58 0 C erhitztes Fleisch sich dem 
rohen nähert und nicht schädlich ist. 

Es ist charakteristisch für die Ernährung mit 
gekochtem Fleisch, dass nach einer gewissen Zeit 
die Hunde desselben überdrüssig werden, den 
Appetit verlieren und dahinsiechen. Dagegen be¬ 
wahren sie noch Verlangen nach rohem Fleisch. 
Aus anderen Versuchen geht hervor, dass selbst 
absoluter Nahrungsmangel für tuberkulöse Hunde 
weniger schädlich ist wie gekochtes Fleisch. Dies 
darf uns nicht wundern, denn ein hungerndes Tier 
nährt sich tatsächlich von rohem Fleisch, weil 
es seine eigene Körpersubstanz konsumiert. 

Was die Erklärung der besprochenen schäd¬ 
lichen Wirkung des gekochten Fleisches anlangt, 
so hält sie der Autor für eine Intoxikation. 

Ohne direkte Schlüsse im Bezug auf den Men- 


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234 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


3. Jahrgang. 


sehen ziehen zu wollen, glaubt Verfasser doch, dass 
eine Verabreichung von rohem Fleisch bei Tuber¬ 
kulösen angebracht sei. Carl. 

Tonzig* Verbreitung von Tuberkulose 
durch gesalzene Fleisch waren. Gaz. 
d. ospedali, Ref. d. M. Med. Wclischft. No. 29. 

Zurzeit, da edne Reihe von Autoren die Auf¬ 
nahme des Tuberkelbacillus vom Verdauungstraktus 
annimmt, ist die Möglichkeit einer Tuberkulose¬ 
infektion durch Fleischwaren sehr zu berück¬ 
sichtigen. Verf. macht darauf aufmerksam, dass, 
wenn von kranken Tieren die Krankheitsherde un¬ 
schädlich gemacht, das übrige Fleisch dem Ver¬ 
kehre freigegeben wird, in den Lymphräumen der 
Muskelinterstitien genügend infizierendes Material 
vorhanden sein kann. Das Einsalzen und Räuchern 
vernichtet im Fleische wie in allen nicht ge¬ 
kochten Wurstpräparaten die Tuberkel bacillen 
nicht. Eher noch ist dies von der Austrocknung 
anzunehmen; doch muss sich diese über lange 
Zeit, etwa fünf Monate, erstrecken. 

Verf. erwies durch eine Reihe von Experimenten 
im hygienischen Institut zu Padua durch Impfung 
auf Meerschweinchen die Infektionsgefahr von 
Salamiwurst vom Fleisch tuberkulöser Tiere. 

Jacob. 

Bertarelli. Experimentelle Untersuch¬ 
ungen über die Tollwut. Ctbl. f. Bakt. 
39, 4. 

Der Speichel und die Speicheldrüsen des Ka¬ 
ninchens wirken trotz ihrer ausgezeichneten Emp¬ 
fänglichkeit für Tollwut nicht infizierend. Die 
Speicheldrüsen sind aber nicht stets frei von Virus 
und man muss daher die Frage aufwerfen, wes¬ 
halb das Virus nur selten die Speicheldrüsen zu 
infizieren imstande ist. 

Um zu erkennen, ob das Virus die Speichel¬ 
drüsen des Kaninchens wirklich erreicht, hat Verf. 
bei einer Anzahl Kaninchen, die mit Virus fixe 
tollwütig gemacht waren, kurz vor dem Tode die 
8ubmaxillaren und sublingualen Drüsen entnom¬ 
men, in physiologischer Lösung gewaschen und 
subdural in kleinen Stücken zwei Kaninchen in¬ 
jiziert. Bei fünf Kaninchen erschienen weder die 
Drüsen noch der zu ihnen führende Nerv infek¬ 
tiös, bei einem sechsten Kaninchen war der Nerv 
infektiös, die Drüse nicht. Mit Strassen- und 
Durchgangsvirus infizierte Kaninchen zeigten in 
drei Fällen weder Drüse noch Nerv infektiös, bei 
zwei anderen waren beide virulent. Es können 
also auch die Speicheldrüsen zuweilen infektiös 
sein. Diese Fälle scheinen weniger selten bei Toll¬ 
wut von langer Dauer, erzeugt durch Strassen- 
und Durchgangsvirus. Dass die Speicheldrüsen 
nicht virulent erscheinen, hängt davon ab, dass 
das Virus nicht längs des Nervs der Drüsen selbst 
Verbreitung findet. 

In den Fällen, wo Verdacht von durch Virus 
fixe veranlasstem Tod vorliegt (so oft nämlich 
der Tod während der antirabischen Kur oder im 
Endstadium derselben eingetreten ist), ist ausser 


der biologischen Untersuchung auch eine mor¬ 
phologische Prüfung augezeigt. Zu diesem Zweck 
ist es gut, einen Teil des Zentralnervensystems 
des verendeten Individuums einem Hunde zu 
inokulieren. Wenn der Verlauf der Krankheit auch 
beim Hunde länger andauern sollte, als dies bei 
Virus fixe gewöhnlich der Fall ist, die Negri- 
Körperchen aber klein erscheinen (und besonders 
weniger als 3 fi Durchmesser, runde Form ohne 
deutlich definierte Struktur nach Methode Mann 
aufweisen sollten), so wird in diesem Falle die 
Annahme, dass es sich um Tod durch Virus fixe 
handelt, bedeutend an Boden gewinnen. Die 
experimentellen Untersuchungen über die Be¬ 
ziehungen zwischen dem Auftreten des Tollwut¬ 
virus und dem der Negri-Körperchen im Ammons¬ 
horn bei experimentell wütig gemachten Hunden 
ergaben folgendes: Das Ammonshorn kann bereits 
vier Tage vor dem Ausbruch der ersten Symptome 
ansteckend wirken, sobald am Ischiadicus Ein¬ 
impfung, sei es mit Virus fixe, sei es mit Strassen- 
virus, erfolgt. Auch nach 2—3 Tagen, nachdem 
das Virus im Ammonshorn zum Vorschein gekom¬ 
men, werden keine Negri-Bildungen beobachtet. 

Die Versuche an Murmeltieren zeigten, dass 
diese auf dem Wege des Nervensystems mit ver¬ 
hältnismässiger Leichtigkeit mit Tollwut zu in¬ 
fizieren sind und dass während der Lethargie die 
Dauer der Inkubationsperiode auch bei Tollwut 
durch Virus fixe verlängert werden kann. 

In Versuchen an kaltblütigen Tieren war eine 
Uebertragung der Tollwut nicht möglich, auch 
wenn man die Tiere bei 37 0 C. hielt. 

Zum Schluss berichtet Verf. noch von einem 
Fall von Tollwut beim Menschen, in dem der 
Speichel desselben aktiv und virulent war und 
das Speichelvirus durch ein Berkefeld No. 5 hin¬ 
durchging. Jacob. 

Tizzoni u. Bongiovanni. Wirkung der Ra¬ 
diumstrahlen auf das Virus rabiei. 
(Ctbl. f. Bakt. 39, 2.) 

Verff. stellten ihre Versuche sämtlich an 
Kaninchen an mit fixem Virus, das wegen seiner 
hohen Wirksamkeit für diese Forschungsart die 
höchste Versuchsstufe darstellt und daher eine 
sichere Zuverlässigkeit bezüglich des Wertes der 
gewonnenen Resultate liefert. 

Bei der Versuchsreihe in vitro wurde das in 
sterilisierter Bouillon zu dem Verhältnis von 1 o/o 
aufgelöste Virus rabiei durch eine bestimmte Zeit 
dem Einfluss der Radiumstrahlen ausgesetzt. Bei 
den Versuchen am tierischen Organismus Hessen 
die Verff. die Strahlen während einer Stunde täg¬ 
lich für acht Tage ohne Unterbrechung in das 
Auge des mit demselben Brei aus dem Virus rabiei 
ins Auge oder unter die Dura oder in den Nervus 
ischiadicus infizierten Tieres konvergieren. Bei 
einigen Fällen fiel der Beginn der Behandlung mit 
demselben Augenblick der Infektion zusammen und 
dauerte während der sieben darauffolgenden Tage 
(gleichzeitige Methode), bei anderen begann hin- 


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Heft 10. 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


235 


gegen die Strahlenbehandlung erst eine oder 
mehrere Stunden nach der Einimpfung (Heil¬ 
methode). l>ie Radiumstrahlen riefen nie örtliche 
oder entfernt wahrnehmbare Veränderungen hervor. 

Die Strahlen übten in den Eprouvetten eine 
überaus rasche Zersetzungswirkung auf das zu der 
Umgebungstemperatur von 12—15° C erhaltene 
Virus rabiei aus, das sich nach kurzer Zeit (zwei I 
Stunden) dieser Behandlung vollkommen unschäd¬ 
lich zeigte, wenn es in das Auge des Tieres in¬ 
jiziert wurde. Wenn dann die Wirkung des Radiums 
auf das Virus rabiei nicht ausreichend war (eine 
Stunde), so starben die Tiere mit grosser Ver¬ 
spätung gegenüber den Kontrolltieren (8 Tage), 
und nicht unter den gewöhnlichen Erscheinungen 
der Hundswut, sondern infolge einer langsamer 
verlaufenden Erkrankung, fortschreitende Abmage¬ 
rung bis zum Marasmus. 

Bei den Versuchen am Tiere haben sich die 
Radiumstrahlen immer als wirksam erwiesen, wenn 
ihre Anwendung in demselben Augenblick erfolgte, 
in dem die Injektion ausgeführt wurde, sowohl 
gegen Infektionen ins Auge, wie gegen direkt ins 
Gehirn oder in den Nervus ischiadicus vorge¬ 
nommene Infektionen. Diese behandelten Tiere 
zeigten bloss eine schwache Temperaturerhöhung, 
vorübergehende Gewichtsabnahme und etwas Steif¬ 
heit und Schwäche der hinteren Extremitäten. 
Von diesen Tieren leben einige (die zuerst 
operierten) in vorzüglichem Gesundheitszustand 
130 Tage, nachdem sie mit dem fixen Virus in¬ 
fiziert wurden. 

Dies beweist, dass die während 8 Stunden 
durch» 8 Tage ununterbrochen ins Auge gerichteten 
Radiumstrahlen imstande sind, selbst auf sehr ent¬ 
fernte (Nervus ischiadicus) Infektionsherde ein¬ 
zuwirken; auch war es dabei gleichgültig, ob die 
Strahlen auf das der ausgeführten Infektion des 
Virus rabiei entsprechende Auge oder auf jenes 
der entgegengesetzten Seite gerichtet wurden. 

Das nämliche Resultat erhielt man, wenn man 
die Anwendung der Strahlen eine Stunde nach der 
Infektion begann. Nach 24 Stunden Erkrankung 
dagegen war sie vollkommen erfolglos. 

Es ist also mit Sicherheit zu behaupten, dass 
das Virus rabiei vom Radium sowohl in vitro wie 
im Tiere rasch vernichtet wird, welches auch die 
Stelle war, wo die Infektion erfolgte, mithin, wie 
gross auch die Entfernung zwischen dieser und 
dem Teil ist, auf den die .Wirkung des Heilmittels 
gerichtet wird. 

Alles spricht für eine Desinfektion oder Ent¬ 
giftung des ganzen Nervensystems seitens der 
durch das Auge angewandten Radiumstrahlen. 

Jacob. 

Karwacki. Ueber Bakterienflora der 
malignen Tumoren. PamiQtnik Tow. lek. 
warsz. 190ö. Bd. I. 

Verf. hat sich zur Aufgabe gestellt, die malignen 
Tumoren an Bakterienanwesenheit zu untersuchen. 

Da in den Neubildungen schon mehrmals Fro- 


tözoa, Hefen und allerlei Bakterien angetroffen 
wurden, verimpfte K. das Material von allerlei Tu¬ 
moren auf verschiedene Nährböden. Es wurden ins¬ 
gesamt in dieser Richtung 14 Neubildungen unter¬ 
sucht. Drei Kulturen wurden zufällig verunreinigt, 
dreimal war die Impfung negativ, in allen übrigen 
Fällen hatte der Verfasser die Anwesenheit der 
„Parasiten“ vom Schüllerschen Typus festgestellt, 
ferner Zellen, die, wegen mangelnder Klassifikation, 
Verf. der Reihe der Blastomyceten und Kokken 
von Doyen hinzuzählt. Mit der letztgenannten 
Varietät hatte K. viele Agglutinationsproben an¬ 
gestellt, wozu er sowohl das von gesunden, als auch 
von mit Neubildungen behafteten Menschen stam¬ 
mende Serum gebrauchte. Die Agglutination fand 
nur im Serum kranker Individuen statt und zwar 
in sehr hohem Grade, da sie noch bei 320 maliger 
Verdünnung zu beobachten war. 

Baczynski. 

de Merveilleux. Häufigkeit und Verbrei¬ 
tung des Sarkoms von 1892 bis 1901. 
Zeitschrift für Schweizerische Statistik, 41. Jahr¬ 
gang, I. Band. 

Nach Massgabe des von dem Bureau federal 
de statistique zur Verfügung gestellten Materiales 
waren in der Schweiz in den Jahren 1892 bis 
1901 im ganzen 1140 Todesfälle an Sarkom zu ver¬ 
zeichnen. Hieran waren männliche Personen mit 
54,91 o/o, weibliche mit 45,09 o/ 0 beteiligt. Von den 
einzelnen Altersklassen hatten auf je 10 000 Lebende 
Sarkomtodesfälle aufzuweisen: die Altersklasse von 
0 bis 4 Jahren 0,74, von 5 bis 14 Jahren 0,71, 
von 15 bis 19 Jahren 1,73, von 20 bis 29 Jahren 
1,94, von 30 bis 39 Jahren 3,53, von 40 bis 49 
Jahren 5,12, von 50 bis 59 Jahren 8,74, von 60 
bis 69 Jahren 13,81, von 70 bis 79 Jahren 18,05, 
von 80 und mehr Jahren 12,77. Im Gegensatz 
zu der geläufigen Anschauung, dass das Sarkom 
meist jüngere Personen zu befallen pflege, konnte 
sonach mit ansteigendem Alter eine fortlaufende 
Zunahme der Erkrankung festgestellt werden, 
welche erst in der Altersklasse von 70 bis 79 
Jahren mit 18,05 Todesfällen auf je 10 000 Lebende 
ihren Höhepunkt erreichte. Von einzelnen Berufs¬ 
klassen ergaben sich bei den Landarbeitern 2,96, 
bei den Metallarbeitern 3,00, bei den Uhrmachern 
3,55 Sarkomtodesfälle auf je 10 000 Lebende. Eine 
stärkere Verbreitung des Sarkoms in bestimmten 
Gegenden wurde nicht ermittelt. Hingegen wird 
eine gewisse Zunahme der Erkrankungen im Laufe 
der Berichtszeit (1892 bis 1901) angenommen, 
immerhin jedoch nur in sehr geringem und daher 
nicht ganz sicherem Masse. Als häufigster Sitz 
der Erkrankung stellten sich die Knochen, ins¬ 
besondere die Röhrenknochen der Gliedmassen dar. 

Prof6. 

E. F. Bashford. The growth of Cancer u n - 
der Natural and Experim. Condi¬ 
tion s. Imp. Cane. Research Fund No. 2, Part. II. 
Ref. in Fortschr. d. Medic. No. 27. 

Es waren mehr als 900 Uebertragungsversuche 


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236 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


3. Jahrgang. 


mit Krebs von Hund, Katze und Ratte auf andere 
Individuen der gleichen Rasse erfolglos, nur bei 
Mäusen glückten sie. 

Unter 30 000 zahmen Mäusen fanden sich 12 
mit spontanem Krebs, meist bei Weibchen (in 11 
Fällen). 

Die von Michaelis beobachtete feine Rassen¬ 
empfindlichkeit des Mäusekrebses wurde in grossem 
Massstabe bestätigt. Von einer Berliner grauen 
Krebsmaus der vierten Impfgeneration wurden 19 
Berliner graue Mäuse geimpft, davon 9 mit Er¬ 
folg, während bei 182 weissen Londoner Mäusen 
nur ein nicht weiter transplantierbarer Tumor 
entstand, bei 142 grauen Londoner Mäusen 2 Tu¬ 
moren ; jedoch ergaben die nächsten Impfgene¬ 
rationen bessere Resultate. 

Verf. stimmt völlig der Auffassung von Jensen 
bei, dass die Uebertragung des Tumors eine reine 
Transplantation darstellt. Das Stroma wird aber 
in dem neuen Wirt sehr bald völlig nekrotisch 
und wird von den fixen Bindegewebszellen des 
neuen Wirtes durch Proliferation neugebildet. Bei 
Tumoren verschiedener Struktur bildet sich bei 
der Transplantation das Stroma immer wieder in 
einer für den primären Tumor charakteristischen 
Weise. Die Bildung des Stromas muss also in 
einer spezifischen Weise vom Parenchym abhängen. 

Als einen völligen Gegensatz zu diesen Ver¬ 
suchen betrachtet Verf. Versuche an Hunden, die 
er machte. Eine den Tierärzten bekannte Erkran¬ 
kung des Hundes „infektive venereal tumour“ hat 
einen sarkomähnlichen Bau und lässt sich leicht 
durch subkutane Impfung übertragen. Die so ent¬ 
stehenden Geschwülste hält aber Verf. nicht für 
echte Sarkome sondern für infektiöse Granulome 
und zeigt, dass die Zellen dieser Tumoren nicht 
aus den transplantierten Geschwulstzellen, sondern 
aus den proliferierenden Bindegewebszellen des 
zweiten Tieres hervorgehen. Verf. hält diese Tu¬ 
moren für identisch mit den von Wehr, Geissler, 
Duplag und Cazin u. a. beschriebenen Hundetu¬ 
moren und betont, dass er sie im Gegensatz zu 
den genannten Autoren nicht für echte Tumoren 
hält. 

Der Mäusekrebs hat alle Kennzeichen des 
echten malignen Tumors. Nur macht er keine 
Kachexie, ausser auf sekundärem Wege (durch 
Ulzeration und Infektion). Der transplantierte 
Krebs zeigt denselben Wachstumsmodus wie der 
spontane. Einmal erfolglos geimpfte Mäuse sind 
für die Wiederimpfung empfänglich. Es ist nicht 
der Boden unempfänglich bei negativen Impfungen, 
sondern der jeweilige Zustand des übertragenen 
Zellmaterials ist ausschlaggebend. 

Versuche mit Bestrahlung durch Radiumbro¬ 
mid führten zur Zurückbildung der Tumoren, aber 
nicht immer der Dauer der Bestrahlung propor¬ 
tional. Die Einwirkung des Radiums verursacht 
eine Proliferation der Bindegewebszellen, und das 
wuchernde junge Bindegewebe zerteilt auch die 
ursprünglichen Krebsalveolen. Das diesem Stadium 


vorausgehende Stadium der Hämorrhagien ist aber 
die Vorbedingung für die späteren Veränderungen, 
denn man kann durch Anwendung von Adrenalin, 
das die neugebildeten Gefässe des Blutdruckes zum 
Bersten bringt, die gleichen Veränderungen er¬ 
zielen. Es genügt aber nicht die blosse Nekrose 
der Epithelnester, um die Bindegewebswucherung 
hervorzurufen. Es kommen noch unbekannte Ur¬ 
sachen dazu. Jacob. 

Anton Sticker, Erfolgreiche Uebertragun- 
gen bösartiger Geschwülste bei 
Tieren. Vortrag im naturhls torisch-medizi¬ 
nischen Verein in Heidelberg, 3. März 1905. 

Bekanntlich sind in den letzten Jahren wieder¬ 
holt bösartige Geschwülste bei Mausen und Ratten 
mit Erfolg übertragen worden — durch Moreau, 
Boreil, Loeb, Jensen, von Leyden, Michaelis, 
Ehrlich. Dagegen war es trotz zahlreicher Ver¬ 
suche niemals gelungen, bei höher stehenden Sauge¬ 
tieren Krebsgeschwülste zu erzeugen, obwohl die¬ 
selben, zumal unsere Haustiere*) sehr häufig spontan 
an Krebs erkranken. Das Königliche Institut für 
experimentelle Therapie zu Frankfurt a. M. gelangte 
in den Besitz einer hochgradig bösartigen Neu¬ 
bildung des Hundes; dieselbe wurde in zahlreichen 
Versuchen von Hund auf Hund und auf zwei Füchse 
übertragen. Eine erste Mitteilung über diese Ver¬ 
suche wurde bereits von Sticker im vorigen Jahre 
veröffentlicht.**) Den Ausgangspunkt der Versuche 
bildete ein männlicher Pintscher, bei welchem 
sich eine ausgebreitete knotige Geschwulstbildung 
des Penis vorfand. Die mikroskopische Unter¬ 
suchung ergab den seltenen Befund eines Penis¬ 
sarkoms. 

Die Uebertragung des Sarkoms gelang bei mehr 
als 70 Hunden und 2 Füchsen. Sie wurde in der 
Weise ausgeführt, dass mittels Troikart kleine 
Partikelchen ausgeschnitten und in die Unterhaut 
oder die Bauchhöhle, in einigen Fällen auch in die 
Brusthöhle, den Knochen, die Mundhöhle, das Auge 
und die Schädelhöhle implantiert wurden. 

In der Unterhaut entstand meist ein einziger, 
seltener mehrere rundliche deutlich abgesetzte 
Knoten von der Grösse einer Erbse oder Bohne bis zu 
der eines Apfels oder Hühnereies. Der Beginn einer 
sich heranbildenden Geschwulst war vielfach schon 
in der dritten Woche nach der Implantation zu kon¬ 
statieren: Das Wachstum war bald ein schnelles, 
so dass in einem Monat die Geschwulst den Umfang 
eines Hühnereies erreichte, bald ein sehr langsames, 
so dass am Ende des dritten Monats sich erst 
bohnengrosse Tumoren vorfanden. 

In die Bauchhöhle wurde bei 22 Hunden eine 
Tumor implan tat ion vorgenommen. Es entstand hier 
meist eine multiple Geschwulstbildung, welche ent¬ 
weder auf das grosse Netz beschränkt blieb oder sich 


*) Vergl. Sticker, Anton, Ueber den Krebs der 
Tiere. Arcli. f. klin. Chirurgie 65. Bd. 1902. 

**) Vergl. das Referat in Karzinomliteratur 
II. Jahrg. S. 66. 


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Heft 10. 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


237 


Bauchfells erstreckte. Der Umfang der Netzknoten 
über das ganze parietale und viscerale Blatt des 
erreichte Hühnerei- und Faustgrösse, in einem Falle 
sogar den einer Kokosnuss. 

In die Brusthöhle wurde in einem einzigen Falle 
Tumormasse implantiert. Es fand sich 57 Tage 
nach der Verimpfung das beiderseitige parietale 
Blatt des Brustfells mit Tausenden Knötchen be¬ 
setzt von Gries- bis Hirsekomgrösse, welche meist 
längliche Haufen in den Interkostalräumen 
bildeten. Im vorderen und hinteren Mittelfellraum, 
sowie in der Herzgegend sass je eine faustgrosse 
Geschwulstmasse. In der Lunge selber fanden sich 
am mittleren Lappen der rechten Seite erbsen- bis 
kastaniengrosse Knoten und am scharfen Rande des 
hinteren Lappens beginnende kleinste Knötchen¬ 
bildung. Das Leberparenchym war durchsät von 
Tausenden grieskorngrosser, weisser Knötchen; end¬ 
lich fand sich im retroperitonealen Raum ein 
pflaumengrosser Tumor. 

Nach Implantation von Tumorzellen in den 
Hodensack kam es zur Ausbildung einer gänseei¬ 
grossen Geschwulst, welche aus einem apfel- und 
zwei kastaniengrossen Knoten sich zusainraensetzte. 
Am Aufhängeband des Hodens sassen mehrere kirsch¬ 
grosse Tumoren. Die Lymphdrüsen zu beiden Seiten 
der Bauchaorta und am Hilus der Bauchspeichel¬ 
drüse enthielten kirschgrosse Metastasen. 

Nach einer Knochenimpfung entwickelte sich an 
der Tibia ein kastaniengrosser Tumor. Das Knie¬ 
gelenk war im Innern dicht besetzt mit griesskorn- 
und linsengrossen, blumenkohlartig gehäuften Sar¬ 
komknötchen. In der Milz fanden sich mehrere 
hanfkorngrosse, scharf abgesetzte metastatische 
Knoten. 

Nach einer Impfung von Tumormasse in das 
submuköse Gewebe des Gaumens entstand eine 
knotige, sarkomatöse Infiltration mit mehrfacher 
Perforation nach der Mundhöhle. Sämtliche Kopf- 
lymplidrüsen und obere Hals lymphdrüsen enthielten 
umfangreiche Metastasen. Beide Lungen waren 
vollständig durchsetzt mit gries- bis hirsekorn¬ 
grossen Knoten. Das Endokard wies zahlreiche 
miliare Knötchen auf; ebensolche wurden in den 
geraden Augenmuskeln vorgefunden. Die Leber und 
Milz waren völlig durchsetzt mit Sarkomknötchen. 

Im Anschluss an eine Punktion der Bauchhöhle 
und des Magens bildete sich eine umfangreiche 
Sarkomatose des Bauchfells und eine submuköse 
und subseröse Geechwulstbildung in der Magenwand. 

Nach Trepanation des Schädels und Einbringung 
von Tumormassen in die eröffnete Hirnhöhle ent¬ 
stand in der Unterbaut fest dem Schädeldach auf¬ 
sitzend eine pflaumengrosse Geschwulst; dieselbe 
setzte sich in die Schädelhöhle fort und hatte den 
Knochen an einer pfennigstückgrossen Stelle porös 
gemacht. Zwischen Dura mater und Gehirn sass 
eine aus mehreren Knötchen bestehende erbsen¬ 
grosse Tunionnasse, welche die Schläfenwindung 
des Grosshims an einer umschriebenen Stelle durch 
Druck atrophisch gemacht, insbesondere war die 
graue Substanz fast ganz geschwunden. 


Bezüglich des histologischen Baues und die 
Biologie dieses transplantablen Sarkoms weist 
Sticker auf seine erste Mitteilung hin. 

Die Uebertragung des Sarkoms auf Katze, Meer¬ 
schweinchen, Mäuse und Ratten verlief ergebnislos. 
Dagegen konnte bei zwei Füchsen einmal in der 
Unterhaut, ein anderes Mal in der Bauchhöhle eine 
umfangreiche Geschwulstbildung mehr oder weniger 
nach der Implantation beobachtet werden. 

Die Nichtübertragbarkeit des Sarkoms auf art¬ 
fremde Tiere, die Uebertragbarkeit auf artver¬ 
wandte, den Fuchs, war durch diese Versuche be¬ 
wiesen, Versuche, welche um so einwandsfreier 
waren, als in keinem einzigen Falle die Uebetrag- 
barkeit des Sarkoms beim Hunde selber aus¬ 
geblieben war. Wohl kam es bei mehreren Hunden 
zu einer spontanen Ausheilung der experimentell 
erzeugten Geschwulst. Da erneute Implantations¬ 
versuche bei diesen Tieren stets negativ verliefen, 
musste eine wirkliche Immunität durch Ueberstehen 
der Sarkomkrankheit sich herausgebildet haben. 
Diese Tatsachen gaben Veranlassung, eine Reihe 
von serotherapeutischen Versuchen anzustellen, 
welche zurzeit noch nicht abgeschlossen sind. 

Sticker stellt am Schluss folgende beide Thesen 

auf: 

1. Es gibt bösartige Geschwülste, zu diesen ge¬ 
hört das Lymphosarkom des Hundes, welche einen 
ektogenen Ursprung haben, d. h. sie nehmen ihre 
Entstehung von implantierten Tumorzellen eines 
anderen Tieres. 

2. Für gewisse bösartige Geschwülste, so ins¬ 
besondere für das Lymphosarkom des Hundes, ist 
der streng wissenschaftliche Beweis erbracht, dass 
sie in die Reihe derjenigen Krankheiten gehören, 
durch deren Uebersteliung der Organismus eine 
Immunität erwerben kann. 

Die erste These legt den Analogieschluss nahe, 
dass es auch beim Menschen eine Krebsübertragung 
gibt, ein Satz, der von hervorragenden Aerzten oft 
behauptet, von anderer Seite aber immer wieder be¬ 
stritten wurde. 

Für den übertragbaren Krebs darf aber aus der 
zweiten These die Hoffnung geschöpft werden, dass 
es der ärztlichen Forschung gelingen werde, wie 
bei gewissen Infektionskrankheiten so auch hier eine 
auf immunisatorischen Grundsätzen aufgebaute 
Therapie zu finden. Autoreferat. 


Allgemeine Bakteriologie, Untersuchungs¬ 
methoden. 

0. Orszäg: Eine neue einfache Methode 
zur Färbung von Sporen. Orvosi Heti- 
lap. 1905, No. 26. 

Orszdg beschreibt folgende neue einfache Me¬ 
thode zur Färbung von Sporen: Auf das Deck¬ 
gläschen bringt man einen Tropfen einer essigsauren 
Natrium salicylicum-Lösung (4 Teile einer 0.5 °/ 0 igen 
Natrium salicylicum-Lösung und einen Teil einer 
5 % igen Essigsäure-Lösung). In diesem Tropfen 
wird das zu färbende Bakterium verrieben, so dass 
die so aufgeschmierte Masse sofort trocknet. Nun 


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238 


Fortschritte der Veterinär- Hygi e n e. 


3. Jahrgang. 


wird durch zwei- bis dreimaliges Durchziehen durch 
die Flamme fixiert. Das fixierte Deckglaspräparat 
wird über der Flamme 1—2 Minuten lang mit bis 
zum Dampfen erwärmter Carbol-Fuchsin-Losung ge¬ 
färbt. Das rotgefärbte Präparat wird mit 1 %iger 
Schwefelsäurelösung entfärbt, so lange bis es blass 
rosenrot wird. Die Gefahr der übermässigen Ent¬ 
färbung, welche bei den anderen Methoden droht, 
ist bei dieser Methode vollständig beseitigt. 

Das entfärbte und behufs Entfernung der Säure¬ 
reste gründlich mit Wasser ausgewaschene Präparat 
wird mit wässerigem Methylenblau oder mit 
Malachitgrün zwei Minuten lang gefärbt. Auf dem 
so gefärbten Präparate sind die Sporen und säure¬ 
festen Körperchen rot, die nicht geschrumpften 
Bakterien blau oder grün gefärbt. Z. 

Brunner. Beitrag zur Anaeroben Züch¬ 
tung. Gazeta lekarska 1905, No. 17. 

Verf. beschreibt eine neue Methode der Anae- 
robenzüchtung, die er seit Jahren, angeblich mit 
bestem Erfolge, anwendet. Er verfährt dabei 
folgenderweise: Man bringt in eine dickwandige, 
mit Gummistöpsel versehene Flasche eine N- 
förmige Röhre hinein, giesst irgend einen flüssigen 
Nährboden, z. B. die Bouillon hinein, sterilisiert 
in einem Kessel und stellt die noch recht heisse 
Flasche in ein Gefäss mit siedender Kochsalz¬ 
lösung, damit sich der über dem Nährboden und 
in der Röhre befindliche Dampf nicht in Tropfen 
auflöse. Nun wird in den Endarm des liervor- 
stehenden Röhrchens das Impfmaterial mittels 
einer Pipette hineingebracht und das Ende der 
N-förmigen Röhre über Gasflamme zugeschmolzen. 
Nach dem Abkühlen des Nährbodens neigt man 
die Flasche derart, dass die Bouillon das Impf¬ 
material berühre und stellt den ganzen Apparat 
in einen Brutschrank. Das eben beschrielxme Ver¬ 
fahren beruht somit auf dein Nichtzulassen der 
Luft mittels des über dem Nährboden entwickelten 
Dampfes. Baczynski. 

Wrzosek. Ueber die Züchtung der ab¬ 
soluten Anaeroben in den lufthal- 
tigenMedien. Przegl^d lekarski 1905, No. 45. 

An der Hand seiner Forschungen über die 
Sterilität des normalen Tiergewebes hatte Wrzosek 
über 150 innere Organe von Versuchstieren bakte¬ 
riologisch untersucht. Es überraschte ihn oft die 
Erscheinung, dass einige aus den Gewebestück¬ 
chen gezüchtete Bakterien sich oft bei der Ueber- 
impfung auf andere Medien ganz seltsam betrugen 
— sie entwickelten sich entweder gar nicht, oder 
wuchsen nur bei mangelndem Luftzutritte, z. B. 
im tiefen Zuckeragar, in der tiefen Gelatine, oder 
in einer Bouillon, welche sich unter Paraffin¬ 
schicht befand. Manchmal trübte sich die 
Bouillon, in welche das Gewebe getaucht wurde, 
ganz deutlich in ihrer unteren Schicht, die obere 
blieb dagegen vollkommen durchsichtig, wobei die 
Grenze zwischen beiden Schichten sehr scharf aus¬ 
geprägt war. 

Diese Beobachtungen konnten zu zwei Schluss¬ 


folgerungen berechtigen, und zwar: 1. Es gibt 
Mikroben, welche in einer solchen Bouillon ge¬ 
deihen, wo sich ein Tiergewebstückchen befindet, 
obgleich sie sich weder auf den für die aeroben 
noch für die anaeroben Bakterien gebrauchten 
Nährböden züchten lassen; 2. dass die Mikroben, 
welche sich in normalen Verhältnissen nur beim 
Luftmangel entwickeln, auch in den lufthaltigen 
Medien (Bouillon) wachsen, wenn sich in diesen 
Medien ein Stückchen vom frischen Tiergewebe 
befindet. 

Vor einigen Monaten erschien eine interessante 
und lehrreiche Arbeit des italienischen Forschers 
T a r o z z i, welcher behauptet, dass die An¬ 
aeroben sehr üppig in den für Aeroben bestimmten 
Medien (Bouillon) wachsen, wenn in denselben 
sich ein Stück von irgendwelchem Tierorgane (Milz, 
Niere, Leber) befindet oder durch einige Stunden 
befand. 

Die Tarozzischen Untersuchungen fest- 
zus teilen, hatte sich nun Wrzosek zur Auf¬ 
gabe gestellt. Die Experimente wurden mit B. 
tetani, B. sarcophysematis bovis und 1 B. botulinus 
ausgeführt und die ungemein interessanten Er¬ 
gebnisse lauten in kurzer Zusammenfassung dahin: 
In der gewöhnlichen Bouillon kann man die sog. 
absoluten Anaeroben züchten, wenn in dem ge¬ 
nannten Nährboden ein nicht allzu kleines Stück¬ 
chen vom Tiergewebe sich befindet. Absolute An- 
aeroben wachsen auch in der Bouillon, wo früher 
einige Zeit ein Organstückchen sich befand und 
entwickeln sich sogar, wenn die Bouillon nach 
dem Herausnehmen des betreffenden Organstück¬ 
chens vor der Impfung der Anaeroben tüchtig 
mit der Luft geschüttelt wird. 

Die wissenschaftlich sehr wuchtigen Tarozzi¬ 
schen Forschungen öffnen jedenfalls neue Bahnen 
für die Untersuchungen über die noch ziemlich 
dunklen Lebensbedingungen der Anaeroben, um so 
mehr die neuentdeckte Züchtungsmethode so ein¬ 
fach in ihrer Ausführung sich darstellt. 

Baczynski. 

K. Engel: Der Wert der Refraktometrie 
bei der Unterscheidung der ent¬ 
zündlichen und nicht entzündlichen 
Flüssigkeitsansammlungen. Orvosi He- 
tilap, 1905. 24. 

Zu seinen Untersuchungen benutzte Engel den 
Abböschen Refraktometer. Die Entscheidung dessen, 
ob eine Flüssigkeitsansammlung in einer Körper¬ 
höhle ein Exsudat oder ein Transsudat darstellt, ist 
oft von sehr grosser Wichtigkeit. Der Eiweissgehalt 
der Flüssigkeiten entzündlichen Ursprungs ist im 
allgemeinen ein grösserer als der der Transsudate. 
Allerdings genügt dieses eine Kriterium durchaus 
nicht immer dazu, die Frage nach dem Ursprünge 
der serösen Flüssigkeitsansammlungen zu lösen. 
Einen beiläufigen Anhaltspunkt über den Eiweiss¬ 
gehalt der Flüssigkeit giebt die Bestimmung des 
spezifischen Gewichts derselben. Ist das spezifische 
Gewicht der Flüssigkeit höher als 1017 und nahe an 


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Heft 10 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


239 


1020, so ist die Wahrscheinlichkeit, dass wir es mit 
einem entzündlichen Prozesse zu tun haben, eine 
grosse. 

Um diese Frage zu lösen, hat S t r u b e 11 die 
refraktometrische Untersuchung der Flüssigkeit 
empfohlen. Mit dem A b b £ sehen Refraktometer 
hat nun Engel in 119 Fällen diesbezügliche Unter¬ 
suchungen angestellt. Aus den Ergebnissen dieser 
Untersuchungen geht hervor, dass man mit Hilfe des 
Refraktometers nicht etwa imstande ist, in der be¬ 
wussten Flüssigkeit einen Körper nachzuweisen, 
dessen Anwesenheit einen solchen Lichtbrechungs- 
Koeffizienten bedingt, dass die entzündliche Natur 
der zu untersuchenden Flüssigkeit auf den ersten 
Blick zu konstatieren wäre. Mit Hilfe des Refrakto¬ 
meters ist man bloss imstande, den Eiweissgehalt 
der Flüssigkeit zu bestimmon, der Unterschied im 
Eiweissgehalt ist nämlich fast konstant vorhanden. 

Grosse Vorteile des Refraktometers sind, dass 
wir auch den Eiweissgehalt des Blutserums imstande 
sind zu bestimmen, ohne irgendwie nennenswerte 
Blutmengen dazu zu verbrauchen. Auch sind wir 
mit Hilfe des Refraktometers in der Lage, schon aus 
einem Tropfen der Flüssigkeit den Eiweissgehalt 
derselben bestimmen zu können. Die Menge des 
Eiweisses kann mit Hilfe des Instrumentes genauer 
bestimmt werden, als mittelst der Bestimmung des 
spezifischen Gewichts. Auch ist es kein geringer 
Vorteil, dass die ganze Messung bloss sehr kurze 
Zeit in Anspruch nimmt. Doch muss zugestanden 
werden, dass bei Messungen, die eine genaue Be¬ 
stimmung des Eiweissgehaltes bezwecken, also bei 
Untersuchungen, die Fragen der Biologie oder 
Pathologie zu entscheiden berufen sind, die refrakto¬ 
metrische Methode doch nicht genügende Sicherheit 
bietet Hier müssen andere Untersuchungsmethoden 
unbedingt vorgezogen werden. Z. 

A. Sitsen (Amsterdam). Erfahrungen über 
A c e t o n - P a r a f f i li e i n b e 11 u n g. Central¬ 
blatt f. allgem. Pathologie u. patholog. Anatomie, 
16. Bd. No. 10 1905. 

An dieser Stelle wurde vor einiger Zeit die erste 
Veröffentlichung von Henke und Zeller über obiges 
Thema referiert. Die vorliegende Arbeit macht es 
sich zur Aufgabe, die in Rede stehende Methode 
nachzuprüfen. Die dabei festgestellten Resultate 
sind folgende: 

a) Für diagnostische Zwecke ist die Henke- 
Zellersche Aceton-Paraffineinbettung gut verwend¬ 
bar. Man hüte sich nur vor einem zu langen Ver¬ 
weilen im Aceton und nehme nicht zu dicke 
Schnitte. 

b) Um feine Strukturen zu erhalten empfiehlt 
es sich, die Methode derart zu modifizieren, dass 
man der Einbettung eine Fixation (mittels Formol- 
losung am besten) Vorangehen lässt. Man erhält 
dann besonders schön fixierte und leicht schneid¬ 
bare Objekte. 

c) In Chromsalz fixierte Objekte wasche man 
vor der Acetoneinwirkung gründlich aus. 

d) Bei schon gehärteten Präparaten kann 


Aceton die übrigen Einbettungsmittel ersetzen und 
verdient wegen seiner Einfachheit den Vorzug. 

e) Zum Nachweis von Glykogen verwende man 
die Henke - Zellersche Methode ohne vorherige 
Fixierung. Fett dagegen kann man nur erhalten 
durch Schwärzung mittels Osmiumsäure. 

Carl. 

Di Pietro. Sulla sensibilita dei con- 
cemi animali da sparimento verso 
i 1 P e n i c i 11 i um glaucum. (Ref. Ctbl. f. 
Bakt. 37, 1—3.) 

Im allgemeinen macht die sogenannte physio¬ 
logische Schwäche, die von übermässiger Arbeit, 
erschöpfenden Krankheiten, ungenügender Nahrung 
usw. herrührt, den Organismus leichter verwundbar 
im Kampfe gegen die Gifte. Ausser diesen, zur 
Schwächung der Widerstandsfälligkeit des Or¬ 
ganismus führenden Ursachen kommen aber noch, 
was heute hinreichend bestätigt ist, besondere, 
dem Individuum (Hier der Rasse eigene Idiosyn¬ 
krasien in Betracht. 

Dies wird durch einige Beobachtungen be¬ 
stätigt, die Verfasser bei seinen Untersuchungen 
mit Penicillium toxicum machte, das nach seiner 
Ansicht der wahrscheinliche Erreger der Pellagra 
ist. Es haben nicht alle Tiere dem Penicillium 
toxicum gegenüber dieselbe Empfindlichkeit; die¬ 
selbe ist je nach der Art der Tiere verschieden 
und selbst bei derselben Tierart kann wieder bei 
ihren verschiedenen Varietäten verschiedene Emp¬ 
findlichkeit wahrgenommen werden. Hunde sind 
dem Penicillium gegenüber sehr empfindlich, doch 
sind es nicht alle Hunderassen in demselben 
Masse. Widerstandsfähiger schienen nämlich die 
gemeinen, trägen Hunde vom Lande, empfindlicher 
dagegen die feinen und intelligenten Rassen. 

Ganz dasselbe wurde bei Katzen beobachtet. 
Wenig Unterschied fand sich nur bei den Meer¬ 
schweinchen verschiedener Rassen und Herkunft. 
Es scheinen daher gerade diese Tiere gut geeignet 
zur Feststellung der graduellen Empfindlichkeit 
gegen Penicillium die Vergleichsbasis abzugeben. 

Unter den Kaninchen hat Verfasser stark 
empfindliche und nur ganz wenig empfindliche 
Rassen gesehen. Zu den ersten gehört die ganz 
gewöhnliche Rasse (dreimal so empfindlich wie 
die Meerschweinchen, kleine Tierchen mit weissem, 
schwarzem, fahlem oder gesprenkeltem Fell, die 
erwachsen nicht mehr als 1500 g wiegen). Einer 
nur ganz wenig empfindlichen Rasse (zwölfmal 
weniger empfindlich als die vorhergehende) da¬ 
gegen gehören die Kaninchen an, die sich durch 
ein bedeutendes Körpergewicht (2500—3000 g) und 
gewöhnlich durcli hasenartiges Fell und ziemlich 
grosse Löffel auszeichnen. 

Verfasser ist der Ansicht, dass die Beachtung 
dieser Angaben für physio-toxische Versuche in 
der Praxis nicht unwichtig ist, ganz besonders, 
wenn es sich um Kaninchen handelt. Jacob. 


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240 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


Desinfektion. 

Vincent. Antiseptische Eigenschaften 
des Eisensulfates. Rev. d’hyg. et pol. 
San. 1905, H. 11. 

Die Desinfektionskraft dieses Mittels be¬ 
stimmte der Verfasser, indem er 4—5 g Eisen¬ 
sulfat in einem Eiter Harn, Milch, Bouillon oder 
Fleischsaft löste und diese Flüssigkeiten bei ge¬ 
wöhnlicher Zimmerwärme stehen liess. Diese 
Menge vom Eisensulfat reichte vollkommen aus, 
um das Verfaulen obiger Substanzen zu verhüten. 
Nur die Milch, welche zwar nicht sauer wurde, 
l>edeckte sich mit dicker Schicht von Schimmel¬ 
pilzen, hauptsächlich mit Penicilium glaucum und 
Aspergillus flavus. Wenn das Präparat früher von 
der freien Schwefelsäure durch Neutralisierung mit 
Soda befreit wurde, mussten etwas grössere Dosen 
vom Eisensulfat. (6—7 g pro Liter) zur Vorbeugung 
der Zersetzung dieser Flüssigkeiten gebraucht 
werden, was beweist, dass die Anwesenheit der 
H 2 S0 4 die Desinfektionskraft des Präparates wenig 
beeinflusst. 

Die eigentliche Desinfektionskraft bestimmte 
der Verf. durch die Untersuchung des verunreinig¬ 
ten Wassers, des Kloakeninhaltes, der Fäces, des 
Urins usw. Zu einem Liter sehr schmutzigen 
Wassfcrs, welches 60 000 Mikroben in einem Gramm 
enthielt, gab Vincent je 1—2 g Eisensulfat 
zu und das Wasser klärte sich nach 24 Stunden 
vollkommen, wobei sich ein Bodensatz bildete, in 
welchem sehr grosse Mengen von Proteus vul- 
gatis, B. megaterium, B. mycoides, B. fluorescens 
liq. u. dgl. zu finden waren. Die durchsichtige 
Wasserschicht enthielt nur 600 Bakterien in 1 ccm. 
Ein solches, ziemlich günstiges Ergebnis gelang 
es aber mit Stickstoff- und eiweisshaltigen Flüssig¬ 
keiten, wie der faulende Harn, fermentierende 
Milch, verdorbener Fleischsaft usw., nicht zu er¬ 
zielen. Zu den erwähnten Flüssigkeiten mussten 
30—40 g Eisensulfat pro Liter zugegeben werden, 
um eine relative Desinfektion zu bekommen. Im 
Urin mit 20—30 g Eisensulfat lebten die Mikroben 
sehr lange und der Gestank wurde infolge vom 
Freiwerden der Säuren der Buttersäurenreihe noch 
unerträglicher als sonst. 

Zur vollkommenen Desinfektion der fäkalen 
Massen müsste dieses Mittel, wie übrigens jedes 
andere, in sehr grossen Mengen zugegeben werden. 
Nach der Lösung von 20 g Eisensulfat in einem 
Liter der fäkalen Flüssigkeit wurde B. coli com. 
immer lebendig angetroffen — erst die Zugabe 
von 40 g tötete dasselbe und es blieben dann nur 
unschädliche Mikroben wie B. subtilis, B. mesen- 
tericus vulgatus, B. megaterium usw. beim Leben. 

Die Bedeutung des Eisensulfates in der Des¬ 
infektion der Fäces ist somit ziemlich unsicher. 
Schliesslich gelangt der Verf. zur Ueberzeugung, 
dass man das Desinfektionsvermögen des Eisen¬ 
sulfates zwar nicht leugnen kann, dasselbe aber 
jedenfalls ziemlich schwach ist. Für seinen Ge¬ 


3. Jahrgang. 


brauch spricht alxir seine Billigkeit (in Frank¬ 
reich kosten 100 kg 5 Frcs.). Uebrigens zeigten 
die Vincentsclien Forschungen, dass die Desin¬ 
fektionskraft des Eisensulfates mehr oder weniger 
jener der Karbolsäure gleicht, schwächer dagegen 
ist, als die des Lysols, der Lauge usw. 

Baczynski. 

Rodziewicz. Einfluss des Argentum col- 
loidale Crede auf das Blut. Doktor¬ 
dissertation, St. Petersburg 1904. 

Verf. rieb den Kaninchen in die Haut am 
Bauche die Cred£sclie Salbe ein, spritzte den 
Kaninchen und Meerschweinchen i/* % bis 6 <*0 
Wasserlösung des Argentum coli, subkutan und 
1 0/0 Lösung intravenös ein. Auf Grund obiger 
Experimente gelangt er zu folgenden Ergebnissen: 
1. Hämoglobin- und Ervthrocytenmenge wächst 
zuweilen nach einer solchen Behandlung erheb¬ 
lich; 2. nach einmaliger Einführung des Arg. coli, 
erscheint im ersten Augenblicke eine Hvpoleuko- 
cytose, dann vergrössert sich aber die Leuko- 
cytenmenge stufenweise; diese Reaktion ver¬ 
schwindet gewöhnlich nach 24 Stunden, die Zahl 
der vielkörnigen Leukocyten bleibt aber beständig 
vergrössert; 3. nach mehrmaliger Einverleibung 

des Arg. coli, dauert die Leukocytose länger; 
4. nach den Einreibungen zeigt sich diese Reaktion 
sowohl an der Einreibungsstelle als auch an 
anderen Körperstellen. 

Es übt somit das Arg. colloid. Cred6 keinen 
schädlichen Einfluss auf das Blut aus, durch das 
Hervorrufen der Leukocyten bewirkt es aber die 
Resistenz des Organismus. Dieses Präparat soll 
also bei verschiedenartigen septisch-pyämischen 
Prozessen appliziert werden. Auf den allgemeinen 
Gesundheitszustand üben die Präparate des arg. 
colloid. keinen negativen Einfluss aus; es ist zwar 
bei zwei Kaninchen Argyrosis beobachtet worden, 
dies wird aber durch die übergrossen Mengen vom 
eingeführten Silber erklärlich. Baczynski. 

Schnürer und Januschke. Zur Desinfektion 
derEisenbalin - Vieh transportwagen 
mit wässerigen Formaldehydlösun- 
g e n. Zeitschrift für Tiermedizin. Neunter Band. 
5. und 6. Heft. 

Verf. kommen auf Grund ihrer lediglich mit 
Anthraxsporen gemachten Untersuchungen zu 
folgendem Ergebnis: Zur Erzielung eines vollen 
Desinfektionsversuches ist eine dreimalige Be¬ 
spritzung mit je zwei Einzelbespritzungen mit 
Pausen von je 1 Stunde, 1—1,5 °/o Formaldehyd¬ 
gehalt, zirka 100 Liter Flüssigkeitsmenge für einen 
normalen Kastenwagen und 4 Stunden Gesamt¬ 
dauer notwendig, mittelresistente Milzbrandsporen 
und eine Aussentemperatur von 14—16 0 voraus¬ 
gesetzt. Prof6. 

Blaieodaaf von Original-Abhandlungen, Büchern, Mono¬ 
graphien u. Separat-Abdrücken wird direkt an den Redakteur« 
Kreistierarzt Dr. O. Prof4, Cöln a. Rh., Hansaring 80, oder 
an die Verlanshandlung Louis Marcus, Berlin SW. t 
Tampelhofer Ufer 7, erbeten. 


Für d. Redaktion verantwortL Kreistlerarxt Dr. O. Prof6, Cöln a. Rh., Hansaring 60. Druck von Pass & Garleb G.ra.b.H., Berlin W.35. 
Verlag und Eigentum: Louis Marcus Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 61. 


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Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 

3. JAHRGANG. FEBRUAR 1906. HEFT 11. 


Feststellung einheitlicher Grundsätze für 
die Beurteilung der Malleinreaktion.*) 

Von Veterinär-Rat Dr. Foth, Departements tierarzt 
in Schleswig. 

Schon auf dem Kongress in Bern suchte 
ich nachzuweisen, dass das Mallein zwar ein 
wertvolles diagnostisches Hilfsmittel sei, dass 
aber die damaligen Erfahrungen schon aus- 
reichten, um eine erhebliche Unsicherheit seiner 
Wirkung erkennen zu lassen. Obschon von dem 
Wert des Diagnostikums überzeugt, hielt ich 
es schon damals für geboten, vor Selbsttäu¬ 
schungen und übertriebenen Hoffnungen zu 
warnen. Mit welchem Recht, hat die folgende 
Entwicklung der Malleinfrage gelehrt. 

Die Unsicherheit der Versuchsergebnisse 
nachzuweisen, war schon damals leicht. Grosse 
Unklarheit herrscht aber noch über die Ur¬ 
sachen dieser Unsicherheit. Ausgehend von der 
Annahme, dass das Mallein auf rotzkranke 
Pferde spezifisch wirke, suchte ich die 
Gründe seines häufig differenten Verhaltens 
einerseits in unserer unzureichenden Kenntnis 
der vielseitigen, im Pferdekörper vom Rotz¬ 
bazillus hervorgerufenen Prozesse und Pro¬ 
dukte und andererseits in unserer ungenügen¬ 
den Bekanntschaft mit dem Wesen der Mallein¬ 
reaktion und nicht zum wenigsten in dem 
überall hervortretenden Bestreben, sie in ein 
mehr oder weniger willkürliches Schema zu 
zwängen. 

Der Kongress schloss sich meinen Aus¬ 
führungen an und beschloss, nachdem er mit 
49 gegen 39 Stimmen den Antrag der Herren 
Nocard und Preusse, die systematische Anwen¬ 
dung des Malleins als das beste Mittel zur 
Tilgung der Rotzkrankheit zu empfehlen, an¬ 
genommen hatte, einstimmig, einen von 
mir eingebrachten und von den Herren Chau- 
veau, Leblanc, Arloing und Müller unter¬ 
stützten Anträge entsprechend, den hohen Re¬ 
gierungen zu empfehlen, Mittel zur Verfügung 
zu stellen, um die schwebenden Fragen im 

*) Bericht für den VIII. intern, tierärztl. Kon¬ 
gress in Budapest. 


Wege des Experiments, d. h. durch künstliche 
Infektion einer grösseren Zahl von Pferden 
mit chronischem Rotz und deren Behandlung 
mit Mallein, zu lösen. 

Seitdem ist in* allen Ländern an der Klä¬ 
rung der Malleinfrage in ruhigerer aber desto 
nachdrücklicherer Weise gearbeitet worden. 
Die von dem Berner Kongress die Spalten der 
Fachzeitschriften füllende Polemik hatte dazu 
geführt, die Veterinäre in zwei Lager zu spal¬ 
ten. Den unbedingten Anhängern des Malleins 
standen ebenso schroffe Gegner gegenüber. Es 
war daher gut, dass die Kongressleitung in 
Baden - Baden 1899, gleichviel aus welchen 
Gründen, darauf verzichtete, die Materie zum 
Gegenstand von Verhandlungen zu machen und 
nach so kurzer Zeit abermals einen Streit zu 
entfesseln, zu dessen Schlichtung damals aus¬ 
reichende Unterlagen noch nicht vorhanden 
waren. 

Heute ist das anders. Die Summe der 
an einem ausserordentlich grossen Beobach¬ 
tungsmaterial gesammelten Erfahrungen ist 
so gross, dass die Zeit zu einer ruhigen Er¬ 
örterung gekommen ist. Die unbedingten An¬ 
hänger, wie die schroffen Gegner von vordem, 
haben gesehen, dass sie ihre Anschauungen 
einer Revision unterziehen müssen, und wenn 
der Kongress es erreicht, dass man auf beiden 
Seiten den prinzipiellen Standpunkt aufgibt, 
so wird schon dies als ein grosser Erfolg be¬ 
zeichnet werden müssen. 

Das Mallein ist seit dem Berner Kongress 
in Deutschland und der Schweiz, entsprechend 
der geringen Verbreitung der Rotzkrankheit, 
nur in relativ bescheidenem Masse zur An¬ 
wendung gekommen. Umfassenden Gebrauch 
hat man dagegen in Oesterreich-Ungarn, in 
Frankreich, Russland und vor allem in Ru¬ 
mänien davon gemacht und das Malleinver¬ 
fahren planmässig ausgestaltet. In ganz be¬ 
deutendem Umfange ist es auch in aussereuro- 
päischen Ländern zur Rotzdiagnose benutzt 
worden, und insbesondere hat das von mir 
hergestellte Trockenmallein in den rotzver- 


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242 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


3. Jahrgang. 


seuchten Goldminendistrikten des früheren 
Oranje-Freistaats, in Indien und anderen bri¬ 
tischen Kolonien ausgedehnte Verwendung ge¬ 
funden. 

Bevor ich in eine Erörterung der Mallein¬ 
wirkung eintrete, bedarf die Frage, ob die ver¬ 
schiedenen gebräuchlichen Malleinsorten in 
ihrer Wirkung erheblich differieren und ob 
der Herstellungsmethode ein wesentlicher Ein¬ 
fluss auf die spezifische Wirksamkeit des Prä¬ 
parates zuerkannt werden muss, einer kurzen 
Betrachtung. Nach meinen Erfahrungen be¬ 
steht zwischen der Wirkung meines frischen 
Trockenmalleins und dem frischen franzö¬ 
sischen Präparat bei äquivalenter Dosierung 
kein Unterschied. Dagegen habe ich die Beob¬ 
achtung gemacht, dass die Wirkung des flüssi¬ 
gen Präparates mit der Zeit unsicher wird, 
während sich die des Trockenmalleins 
nicht nur unverändert erhält, wie 
Präparate verschiedenen Alters, 
darunter ein 12jähriges, zeigen, 
sondern ganz zweifellos mit der 
Zeit sicherer, elektiver wird. Ich 
nehme an, dass die nicht spezifischen pyro¬ 
genen Stoffe ihre Wirksamkeit allmählich ver¬ 
lieren, während die spezifische Malleinwirkung 
sich mehr oder weniger allein erhält. Ich gebe 
daher nur noch altes Präparat ab. 

Die zur Erforschung der Malleinwirkung 
eingesetzte rumänische Kommission hat nach 
dem ausführlichen Bericht von Babes eben¬ 
falls keinen Unterschied in der Wirkung des 
rumänischen, Moroin genannten Trockenpräpa¬ 
rats, meines Trockenmalleins und des franzö¬ 
sischen Präparats feststellen können. Ebenso¬ 
wenig sind, soweit ich ermitteln konnte, mit 
dem von Kitt hergestellten flüssigen Mallein, 
mit dem preussischen Mallein, dem, österreichi¬ 
schen, ungarischen, dänischen, russischen Mal¬ 
lein und den anderswo erzeugten Extrakten 
besondere und abweichende Resultate erzielt 
worden. 

Dennoch ist, wenn auch nicht das Prinzip, 
so doch die Beobachtung gewisser Einzelheiten 
bei der Herstellung für die Sicherung der spe¬ 
zifischen Wirkung, wie ich aus zuverlässiger 
Erfahrung berichten kann, von der allergröss¬ 
ten Bedeutung. Zunächst bedarf meine frühere 
Ansicht, dass die virulentesten Rotzkulturen 
auch das spezifisch wirksamste Mal lein lie¬ 


fern, der Korrektur. Es scheint, als ob ein 
solcher Parallelismus tatsächlich nicht bestehe. 
Ebenso scheint die von mir eine Zeitlang ge¬ 
hegte Anschauung, dass ein Mallein, das die 
verriebenen Bazillenleiber enthält, spezifisch 
wirksamer sei, nicht zutreffend zu sein. Das 
zu den endobakteriellen Giften gehörende Mal¬ 
lein wird allem Anschein nach nach dem Tode 
der Bazillen an die Umgebung abgegeben, kann 
also durch Mageration der Kulturen und Fil¬ 
tration sicher gewonnen werden. Dagegen, und 
das bedarf der Betonung, kommt eben dieser 
Filtration eine besondere Bedeutung zu. Der 
Filtrierprozess geht nur langsam vor sich und 
die Gefahr bakterieller Zersetzung der dicken, 
ei weissreichen, unfiltrierten Masse ist sehr 
gross, um so mehr, als das Filtrat trotzdem 
klar erscheint. Das Filtrieren muss daher 
unter entsprechenden, ganz besonderen Vor- 
sichtsmassregeln i vorgenommen werden, zu 
denen ich indes den Zusatz von Desinfizienten 
nicht rechne. Denn wenn diese auch die Wirk¬ 
samkeit des frischen Malleins anscheinend nicht 
beeinflussen, so habe ich doch beobachtet, dass 
die des älteren Malleins sich unter ihrem Ein¬ 
fluss schneller verliert. Weiterhin ist der 
Einfluss des Lichtes, wie längst bekannt, aus¬ 
zuschalten und dem Trocknungsprozess beson¬ 
dere Beachtung zu schenken. 

Mich weiter in Details zu verlieren, liegt 
indes nicht im Rahmen dieses Vortrages. 

Mein Urteil über Malleinwirkung stützt 
sich auf folgende Beobachtungen: 

1. Rotzige Pferde antworten auf die 
Einspritzung eines guten, sorgfältig gewon¬ 
nenen Malleins in der Regel mit einer erheb¬ 
lichen Temperatursteigerung nebst entsprechen¬ 
der allgemeiner Abgeschlagenhcit und einer 
mehr oder weniger bedeutenden schmerzhaften 
Anschwellung an der Injektions teile. Die 
Fieberreaktion ist, wie ich schon auf dem 
Berner Kongress nachweisen konnte, regel¬ 
mässig um so grösser, je niedriger die Körper¬ 
wärme vor der Einspritzung war. Sie beträgt 
aber, wie auch Babes betont, bei geeigneter 
Dosierung des Malleins (0,045—0,05 g Mall, 
sicc.) selbst bei subfebrilen Temperaturen 
in der Regel noch wenigstens 2° und steigt 
mindestens über 40°. In der Regel beginnt 
die Temperatur 5—6 Stunden nach der Ein¬ 
spritzung, mitunter früher oder auch später, 


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Heft 11. 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


243 


relativ schnell anzusteigen, sich mehrere Stun¬ 
den auf der Höhe zu halten, fast stets nach 
einem kurzen Abfall nochmals und zwar über 
die erste Höhe anzusteigen und dann ganz all¬ 
mählich abzufallen. Sehr häufig steigt sie 
dann noch einmal an Babes will sogar in 
dieser Erscheinung das wesentlichste Charak¬ 
teristikum der von ihm als grossen typi¬ 
schen Reaktion bezeichneten Temperatur¬ 
steigerung erblicken. Ich kann das in diesem 
Umfange nicht bestätigen. Das Auftreten 
dieser Erscheinung ist wesentlich abhängig von 
dem Zeitpunkt der Malleineinspritzung. Nimmt 
man diese morgens vor, so fällt die Haupt¬ 
reaktion in die Abendstunden, der langsame 
Temperaturabfall in die Nacht und der wieder¬ 
holte Anstieg fällt zusammen mit dem physio¬ 
logischen Wärmeanstieg des nächsten Tages, 
tritt also deutlicher in die Erscheinung, als 
wenn die Malleininjektion abends ausgeführt 
wird. Dennoch ist die Beobachtung für die 
Beurteilung der Reaktion von grosser Bedeu¬ 
tung. Ja, nicht selten sieht man noch am 
dritten Tage ein abermaliges Ansteigen der 
Körperwärme. Ich kann aber Babes nicht bei¬ 
pflichten, wenn er dieser Erscheinung gegen¬ 
über die von Schindelka und von mir vor 
12 Jahren als besonders charakteristisch be- 
zeichnete doppelte Kulmination der Fieber¬ 
kurve während der eigentlichen Reaktion, also 
in den ersten 24 Stunden, als unerheblich be¬ 
trachtet. Wenn diese, wie allerdings zuge¬ 
geben werden muss, mitunter fehlt, so steht 
doch fest, dass sie bei rotzigen Pferden sel¬ 
tener fehlt als die typische nochmalige Stei¬ 
gerung am zweiten Tage. Beide Erscheinungen 
haben mithin einen gegenseitig ergänzenden 
Wert. 

Die beschriebene, von Schindelka und mir 
seinerzeit als typisch bezeichnete Tempe¬ 
raturkurve erleidet zuweilen charakteri¬ 
stische, wohl bemerkenswerte Abweichungen. 
Mitunter folgt der Einspritzung zunächst eine 
sehr geringe und zuweilen sogar eine so be¬ 
deutende Hypothermie, dass die höchste Er¬ 
hebung der folgenden Temperaturkurve die 
Anfangstemperatur zuweilen nicht erheblich 
übersteigt. Oder die wie bei der typischen 
Reaktion ansteigende Temperatur erhält sich 
auf der fieberhaften Höhe, ja sie steigt so¬ 
gar noch am nächsten und selbst am folgen¬ 


den Tage noch weiter etwas an, ohne dass 
sie inzwischen abgefallen wäre. 

Beide Abweichungen sind nach meinen Er¬ 
fahrungen charakteristisch für Rotz. 

Die allgemeinen Erscheinungen sind Be¬ 
gleiterscheinungen des Fiebers und für die 
Beurteilung der Reaktion von untergeordneter 
Bedeutung. Wichtiger dagegen sind die lokalen 
Erscheinungen und ich bin geneigt, einer be¬ 
deutenden örtlichen Schwellung einen ergän¬ 
zenden diagnostischen Wert beizumessen, wo¬ 
bei aber zu beachten ist, dass sie auch bei 
nichtrotzigen Pferden mit unerheblicher Tem¬ 
peraturreaktion nicht selten auftritt, und an¬ 
dererseits bei rotzigen Pferden mit ausge¬ 
sprochener thermischer Reaktion sehr häufig, 
und wie Babes, ein eifriger Verfechter ihrer 
Bedeutung, selbst festgestellt hat, in 10 % der 
Fälle fehlt. Ihre Benutzung als weiteres dia¬ 
gnostisches Hilsmittel kann also leicht das 
durch das Verhalten der Körperwärme bereits 
gesicherte Urteil verwirren und ist mithin 
nur mit Vorsicht zu empfehlen. 

Der Vorschlag Wladimiroffs, die Ein¬ 
spritzung an der Vorderbrust vorzunehmen, 
scheint mir nach einigen Versuchen in dieser 
Richtung die Fehlerquelle bei nichtrotzigen 
Pferden noch zu vergrössern. Ich möchte ihn 
daher nicht aufnehmen. 

Rotzkranke Pferde zeigen nun nicht immer 
die geschilderten Erscheinungen. 

Erhebliches Fieber schliesst, wie bekannt, 
das Zustandekommen einer diagnostisch ver¬ 
wertbaren Reaktion aus, gleichviel, ob es auf 
rotzige oder andere fiebererregende Prozesse 
zurückzuführen ist. 

Aber auch fieberlose rotzige Pferde re¬ 
agieren mitunter, wenn auch selten, nicht in 
der geschilderten typischen Weise. 

Zunächst beobachtet man, dass sie zwar 
eine Reaktion nach dem beschriebenen Typus 
zeigen, dass diese aber einen geringeren Um¬ 
fang hat. Dies mag, wie ich später ausführen 
werde, auf einen Stillstand in der Entwick¬ 
lung der rotzigen Prozesse und einen gewissen 
gleichmässigen Rückbildungszustand aller im 
Körper befindlichen Rotzherde zurückzuführen 
sein, der allerdings in der Regel mehr oder 
weniger bald von frischen Nachschüben abge¬ 
löst wird, die dann auch wieder eine erhöhte 
Reaktionsfähigkeit bedingen. 


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244 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


3. Jahrgang. 


Babes hat für diese Reaktionen den Aus¬ 
druck „kleine typische Reaktion“ vorgeschla¬ 
gen. Die Erfahrung mag lehren, ob dies für 
die praktische Diagnostik zweckmässig ist. 
Denn diese in ihren Kriterien weniger scharf 
umschriebene Reaktion findet sich auch häu¬ 
fig bei nichtrotzigen Pferden. Derartige Re¬ 
aktionen fallen also, meinen früheren Vor¬ 
schlägen gemäss, einfach in die „zweifelhafte 
Zone“. 

Ferner reagieren rotzige Pferde zuweilen 
mit einem rapid und hoch ansteigenden Fieber, 
das schnell wieder abfällt. Diese, von Schin- 
delka zuerst beobachtete und als atypische 
Reaktion bezeichnete charakteristische Tempe¬ 
raturkurve galt diesem Forscher und lange 
Zeit auch mir als unverdächtig. Ich muss 
aber die Beobachtung von Babes bestätigen, 
dass sie auch bei rotzigen Pferden vorkommt, 
ja es will mir scheinen, als ob sie verdächtiger 
sei, als eine mässige, wenn auch typisch ver¬ 
laufende zweifelhafte Reaktion. Wiederholun¬ 
gen des Malleinversuchs führen indes regel¬ 
mässig zum Ziel, da erfahrungsmässig hohe 
atypische Reaktionen beim Vorhandensein von 
Rotz mit hohen typischen abwechseln. 

Endlich aber bleibt auch bei fieberlosen 
rotzigen Pferden mitunter jede Reaktion aus. 

Diese Erscheinung ist nunmehr aufgeklärt. 
Bereits vor Jahren machte ich die Beobach¬ 
tung, dass kraftstrotzende, vollblütige Pferde 
ceteris paribus am stärksten reagieren und 
dass geschwächte kachektische Tiere eine er¬ 
heblich geringere Reaktionsenergie besitzen. 
Ich empfehle daher für jene die kleinere Dosis 
von 0,04, für diese die grössere von 0,045 bis 
0,05, ja bis 0,06 g meines Malleins. Die gleiche 
Beobachtung machte im Jahre 1894 W. Eber. 

Babes gebührt das Verdienst, diese wich¬ 
tige Frage im Wege des Experiments ent¬ 
schieden zu haben, indem er bei klninisch 
rotzigen und auf Mallein typisch reagieren¬ 
den Pferden durch mehrtägige völlige Nah¬ 
rungsentziehung jede Reaktionsfähigkeit auf- 
heben und umgekehrt nach Belieben wieder 
hervorrufen konnte. 

Mithin können wir nach den bisherigen 
Erfahrungen den Satz auf stellen: 

Fieberlose, ausgeruhte und gegen Witte¬ 
rungsunbilden geschützte rotzige Pferde re¬ 
agieren auf die Einspritzung von Mallein stets 


mit Temperatursteigerung und meistens mit 
lokaler Anschwellung. Die Temperaturreak¬ 
tion verläuft in der Regel typisch. Ihr Um¬ 
fang ist abhängig von der Zentraltemperatur 
und steht zu dieser in umgekehrtem Ver¬ 
hältnis. In der Regel erreicht sie mindestens 
2° und übersteigt 40°. Ausnahmen von der 
Regel sind atypischer Verlauf einerseits und 
geringerer Umfang der Reaktion andererseits. 
Zuweilen, wenn auch selten, kommen beide Ab¬ 
weichungen zusammen vor. 

Diese Ausnahmefälle werden durch 
Wiederholungen des Mallein Versuchs in der 
Regel bald aufgeklärt. 

Fieberhaft erkrankte sowie fieberlose aber 
heruntergekommene Pferde sind zur Mallein¬ 
probe ungeeignet. 

Somit muss die erste und wichtigste 
Frage: ob man imstande ist, mit Hilfe des 
Malleins einen rotzverdächtigen Pferdebestand 
von den klinisch nicht erkennbar rotzkranken 
Tieren zu säubern, nach dem gegenwärtigen 
Stande unserer Erfahrung, bejaht werden. 

Einen praktischen Wert kann aber das 
Verfahren nur.dann haben, wenn sich auch 
nach der Richtung der nichtrotzigen Pferde 
die Zahl der Fehlresultate in bescheidenen 
Grenzen hält. Tatsächlich weist nun, wie 
bekannt, die Literatur aller Nationen zahl¬ 
reiche Fälle auf, wo nichtrotzige Pferde 
sich dem Mallein gegenüber ebenso ver¬ 
halten haben wie rotzige, und es muss so¬ 
mit als feststehend anerkannt werden, dass 
alle Malleinsorten mitunter ähnliche Reak¬ 
tionen wie bei rotzigen Pferden auch bei fieber¬ 
losen Pferden hervorrufen, bei denen rotzige 
Prozesse nicht nachgewiesen werden können. 

Mithin hängt der praktische Wert des 
Verfahrens ab von der Grösse des Prozent¬ 
satzes dieser Fehlresultate. 

Leider stösst nun aber die Feststellung 
dieses Prozentsatzes auch heute noch auf die 
gleichen Schwierigkeiten, wie vor 10 Jahren. 
Denn sie setzt voraus, dass genau feststeht, 
welche anatomischen Veränderungen dem Rotz 
zuzurechnen sind. Es ist bekannt, dass in 
dieser wichtigen Frage, soweit es sich um ge¬ 
wisse Knötchenbildungen in den Lungen han¬ 
delt, in der tierärztlichen Welt noch kein Ein¬ 
verständnis erzielt worden ist. Und die Aus¬ 
sicht, dass dies bald zu erwarten ist, ist nur 


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Heft 11. 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


24$ 


gering. Denn gesetzt den Fall, die Ansicht 
Schütz’, dass der Rotzbazillus die Verkalkung 
aktiv verhindere, sei tatsächlich irrig, so wird 
doch der Beweis für die rotzige Natur dieser 
Knötchen, soweit sie nicht auf die Einwande¬ 
rung von Entozoen zurückzuführen sind, man¬ 
gels lebensfähiger und infektionstüchtiger 
Rotzkeime kaum in einwandfreier Weise zu 
erbringen sein. Lässt sich aber die infektiöse 
Natur dieser Knötchen nicht nachweisen, so 
könnte es veterinärpolizeilich gleichgültig sein, 
ob die vorhandenen Veränderungen nach ihrem 
anatomischen und histologischen Bau dem 
Rotzprozesse zuzurechnen sind oder nicht. Da 
sich aber erfahrungsgemäss gerade in rotz¬ 
verseuchten Pferdebeständen nicht selten, wenn 
nicht regelmässig, bei verschiedenen Pferden 
solche Knötchen finden, deren parasitäre Na¬ 
tur sich nicht nachweisen lässt, und da diese 
Pferde in der Regel auch reagieren, so ver¬ 
mutet man, dass sich noch lebensfähige und 
infektionstüchtige Rotzkeime im Organismus 
fänden, wenn es auch nicht gelang, sie mit 
Hilfe unserer Untersuchungsmethoden in den 
alten bindegewebigen und verkalkten Knoten 
nachzuweisen. Die Gewagtheit dieses Schlusses 
liegt auf der Hand. Daher verzichtet auch 
Babes auf diese Hypothese, um aber dafür 
eine andere wie folgt aufzustellen: Die mi¬ 
liaren und parenchymatösen Knötchen sind 
nach ihrem anatomischen und histologischen 
Bau rotziger Natur. Der Nachweis virulenter 
Rotzbazillen gelingt häufig. Sehr alte, ge¬ 
wöhnlich fibröse oder kalkig entartete Knöt¬ 
chen lassen oft ihre Natur nicht mehr er¬ 
kennen, und finden sich häufig auch bei nicht I 
mehr reagierenden Pferden. Natürlich lassen | 
sich in ihnen keine virulenten Bazillen nach¬ 
weisen. Aber häufig findet man auch bei 
Pferden, die reagieren, Knötchen, die nur 
mörtelartiges Material im Zentrum beherber¬ 
gen, deren Wandungen aber aus proliferiertem 
und lebensfähigem Gewebe besteht, und in 
denen nun ebenfalls Rotzbazillen weder durch 
das Mikroskop noch durch Kultur oder Ueber- 
tragung nachgewiesen werden können. Mit¬ 
hin, schliesst Babes, sind es nicht die Rotz¬ 
bazillen selbst, die die Reaktion bedingen, 
auch nicht ihre unmittelbaren Stoffwechsel¬ 
produkte, da Pferde, denen man vorher Mal¬ 
lein einspritzt, nicht auf Mallein reagieren, 


sondern es sind Stoffwechselprodukte des Or¬ 
ganismus, die dieser unter dem Einfluss der 
Rotzbazillen bildet oder früher gebildet hat. 
Die Anfechtbarkeit dieser Beweisführung mit 
Hilfe einer erst zu beweisenden Voraussetzung, 
liegt auf der Hand. Gesetzt nun aber den 
Fall, die Anschauung Babes und vieler an¬ 
derer über die Ursprünglich rotzige Natur 
vieler alter verkalkter Knötchen wäre richtig, 
wenn auch praktisch bedeutungslos, so muss 
es doch zahlreiche Uebergänge zwischen viru¬ 
lenten und nichtvirulenten Rotzknoten geben. 
Das betont natürlich auch Babes und jeder, 
der häufig Gelegenheit gehabt hat, rotzver¬ 
seuchte Bestände zu obduzieren, wird bestäti¬ 
gen, dass gerade in solchen Beständen auf¬ 
fallend häufig die hierher gehörigen Knötchen¬ 
bildungen gefunden werden, dass diese sich 
auch neben den zweifellos rotzigen finden und 
dass Uebergangsformen Vorkommen, die einen 
weder nach der einen noch der anderen Rich¬ 
tung hin befangenen Diagnostiker beträcht¬ 
liche Schwierigkeiten bereiten können, wobei 
die vielberufenen häufigen und leicht erkenn¬ 
baren Knötchen parasitären Ursprungs, sowie 
solche, die auf Thrombosen, Embolien usw. 
zurüekzuführen sind, von vornherein ausser 
Betracht blieben. 

Angenommen nun, diese Knötchenbildun- 
gen w r ären tatsächlich auf die Wirkung des 
Rotzbazillus zu beziehen, so wäre zunächst 
erforderlich, durch einwandfreie Forschung die 
Häufigkeit und den Grad ihrer Infektiosität 
zu ermitteln und somit ihre epidemiologische 
und veterinärpolizeiliche Bedeutung zu be¬ 
stimmen. 

Hier also hätte, wie ich bereits vor zehn 
Jahren in Bern vorschlug, das Experiment im 
grossen einzusetzen, ohne das wir doch nicht 
zu einer endgültigen Lösung der Malleinfrage 
kommen, und ich kann nur den Wunsch wieder¬ 
holen, dass regierungsseitig Mittel zur Ver¬ 
fügung gestellt werden mögen, um durch künst¬ 
liche Erzeugung der chronischen Form der 
Rotzkrankheit bei einer grösseren Zahl von 
Pferden zunächst diese grundlegende Frage 
zu lösen und so endlich einmal eine einwand¬ 
freie Basis für die Erörterungen über den 
Wert diagnostischer Methoden, wie der 
Malleinprobe und des Agglutinationsverfah- 
rens, zu schaffen. 


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246 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


3. Jahrgang. 


Angenommen nun aber, diese Untersuchun¬ 
gen führen zur Bestätigung der Babesschen 
Schlussfolgerungen, so werden voraussichtlich 
Stimmen laut werden, die es nach den bis¬ 
herigen Erfahrungen, die die Veterinärpolizei 
in Preussen in der praktischen Rotztilgung 
mit der Nichtbeachtung dieser Knötchenbildun¬ 
gen gemacht hat, als zweifelhaft bezeichnen 
werden, ob sie eine praktisch beachtenswerte 
Gefahr der natürlichen Rotzübertragung auf 
andere Pferde bergen. Zwar gibt es bei uns 
zahlreiche erfahrene Tierärzte, die der Mei¬ 
nung sind, dass die praktische Rotztilgung 
eben seit der Zeit der allgemeinen Nichtbe¬ 
achtung dieser Knötchen, also etwa seit der 
Mitte der neunziger Jahre, nicht die gleichen 
Erfolge aufzuweisen gehabt habe, wie vorher, 
wo der Begriff des Rotzes von vielen etwas 
weiter gefasst wurde. 

In jedem Falle wird, immer unter der 
Voraussetzung der Bestätigung der Babesschen 
Schlüsse, diese Gefahr für die jüngeren Ueber- 
gangsformen von vornherein als erheblich an¬ 
genommen werden müssen. Damit wäre für 
die Praxis die Notwendigkeit gegeben, unter¬ 
schiedslos alle Pferde mit den bezeichneten 
knötchenartigen Bildungen, soweit sie sich 
nicht als embolische parasitäre oder sonstige 
harmlose Knötchen kennzeichnen, zu töten. 

Da nun aber erfahrungsgemäss die Zahl 
der mit diesen Knötchen behafteten Pferde in 
den rotzverseuchten Beständen, wenn man die 
parasitären usw. Knötchen ausschliesst, doch 
nur relativ klein ist, so wird immerhin die 
Tötung aller dieser Pferde noch wesentlich 
ökonomischer und ebenso sicher sein, als das 
gegenwärtig häufig geübte Verfahren der Tö¬ 
tung ganzer Bestände. 

Nun muss ich aber betonen, dass nach 
meinen Erfahrungen der Grad der Reaktion 
nicht nur abhängig ist von der in der Kon¬ 
stitution des Tieres usw. (s. oben) begründe¬ 
ten Reaktionsenergie, und von der Körper¬ 
wärme vor der Einspritzung, sondern wahr¬ 
scheinlich auch von der anatomischen Be¬ 
schaffenheit der rotzigen Veränderungen selbst. 
Wenigstens habe ich die Beobachtung gemacht, 
dass Pferde mit Lungenknötchen, deren rotzige 
Natur nach allgemeiner Anschauung ausser 
allem Zweifel steht, unter den für das Zu¬ 
standekommen einer Reaktion gegebenen son¬ 


stigen Voraussetzungen regelmässig stark und 
typisch reagierten, während die mittelhohen, 
zweifelhaften Reaktionen in der Hauptsache 
auf die mit den in Rede stehenden Knötchen 
behafteten Pferde entfielen. Allerdings fin¬ 
den sich auch bei diesen mitunter hohe Re¬ 
aktionen. Dies kann indessen nicht über¬ 
raschen. Ich will hier nicht auf die Heilbar¬ 
keit des Rotzes als Krankheit eingehen. Selbst¬ 
verständlich aber fielen die einzelnen Rotz¬ 
prozesse selbst wie in den Schleimhäuten so 
auch in den Lungen vollkommen ab und es 
ist klar, dass die Reaktion um so schwächer 
sein wird, je allgemeiner die rotzigen Prozesse 
in dem betreffenden Tiere in ihrer Entwick¬ 
lung zum Stillstand gekommen und in der 
Rückbildung begriffen sind und je weniger 
frische Nachschübe sich bilden. Immerhin aber 
sind diese, wie die Erfahrung längst gelehrt 
hat, immer wieder zu erwarten und die Pferde 
werden dann auf wiederholte Malleineinsprit¬ 
zungen auch entsprechend energischer re¬ 
agieren. Aus diesen Ueberlegungen ergibt sich 
auch, dass die Einspritzungen bei solchen 
Tieren nicht nur zwei- oder dreimal, sondern 
häufiger wiederholt werden müssen, damit eine 
oder die andere Injektion zufällig in die Zeit 
eines frischen Nachschubes fallen kann. 

Die Sachlage ist mithin die, dass auch 
schon vor der endgültigen Entscheidung der 
offenen Frage, ob die erwähnten Knötchen¬ 
bildungen zum Rotz in Beziehung stehen, die 
Tötung aller stark und typisch reagierenden 
Pferde ohne wirtschaftliche Bedenken emp¬ 
fohlen werden kann, um so mehr, wenn eine 
wiederholte starke Reaktion gefordert wird, 
und dass die zweifelhaft reagierenden häufig 
mit den fraglichen Knötchen behafteten Pferde 
mehrfach wiederholten Einspritzungen unter¬ 
worfen werden. 

Diese Stellungnahme würde aber voraus¬ 
setzen, dass Pferde, die weder mit rotzigen 
noch mit den erwähnten Knötchen behaftet 
sind, und entweder ganz gesund sind oder an 
anderen Krankheiten leiden, auf die Mallein¬ 
injektion nicht in gleicher Weise reagieren. 
Und dies scheint nach den bisherigen Erfah¬ 
rungen auch tatsächlich nicht der Fall zu 
sein. 

Die früher vielfach und auch von mir 
vertretene Ansicht, dass gewisse andere Krank- 


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Heft 11. 


Fortschritte der Veterinär-Hy giene. 


247 


heiten, wie Drüse, Emphysem, chronische 
bronchitische Prozesse usw. typische Reak¬ 
tionen bedingen können, hat sich inzwischen 
bestimmt als irrig erwiesen. Sie verhalten 
sich vielmehr dem Mallein gegenüber, soweit 
ihre Reaktionsfähigkeit nicht durch Fieber be¬ 
einflusst wird, wie ganz gesunde Pferde. Diese 
aber reagieren, wenn alle äusseren Bedingungen 
beobachtet werden, in der Regel gar nicht, 
wenn schon, so nur vereinzelt mit einer ty¬ 
pisch oder atypisch verlaufenden Temperatur¬ 
steigerung, die indes regelmässig innerhalb der 
zweifelhaften Reaktionszone liegt. 

Doch auch über diese wichtige und grund¬ 
legende Frage wäre durch einen gross an¬ 
gelegten Versuch unschwer und ohne nennens¬ 
werte Kosten Aufschluss zu erhalten: die Aus¬ 
breitung der Rotzkrankheit ist seit langem 
in Deutschland sehr gering und der Pferde¬ 
bestand unserer berittenen Truppen ist voll¬ 
ständig frei vom Rotz. Die Durchführung der 
Malleinprobe bei den Pferden mehrerer Regi¬ 
menter würde also diese Frage völlig einwand¬ 
frei lösen. 

Ich habe nun mehrfach die Wiederholung 
der Malleinprobe als das geeignetste Mittel 
zur Aufklärung zweifelhafter Fälle bezeich¬ 
net und es bedarf noch einer Erörterung, wann 
diese Wiederholungen vorzunehmen sind. Ein¬ 
spritzungen am zweiten oder dritten Tage 
nach der ersten haben, wie ich genau fest¬ 
stellen konnte, eine kumulative Wirkung. Vom 
vierten Tage an habe ich mehrfach eine, wenn 
auch nicht bedeutende Herabsetzung der Emp¬ 
findlichkeit gesehen. Nach 14 Tagen aber 
scheint die Reaktionsfähigkeit in der Regel 
wieder in vollem Umfange vorhanden zu sein. 
Babes hat sie sogar regelmässig schon nach 
einer Woche wieder gefunden. Uebereinstim- 
mung besteht aber, soweit mir bekannt ist, 
unter den Beobachtern darin, dass eine An¬ 
gewöhnung an das Mallein wie wir sie von 
dem Tuberkulin kennen, nicht oder doch nur 
in so geringem Grade besteht, dass sie die 
Reaktion auch bei zahlreichen Wiederholungen 
nicht beeinflusst, wenn nur wenigstens 1—2 
Wochen zwischen den einzelnen Malleinproben 
liegen. 

Diese Betrachtungen führen nun zu fol¬ 
genden Schlüssen: 

1. Um den praktischen Wert der Mallein¬ 


probe in vollem Umfange beurteilen zu können, 
mangelt es zurzeit noch an der notwendigen 
Uebereinstimmung in der Deutung gewisser 
chronischer knötchenartiger Prozesse in den 
Lungen. Die Entscheidung dieser Frage kann 
nach den bisherigen Erfahrungen nur durch 
gross angelegte experimentelle Untersuchun¬ 
gen entschieden werden. 

2. Ebenso wird das Verhalten sicher nicht¬ 
rotziger Pferde in einwandfreier Weise nur 
durch das Experiment im grossen an zweifel¬ 
los nichtinfizierten Pferdebeständen festge¬ 
stellt werden können. 

In beiden Richtungen werden den Staats¬ 
regierungen Vorschläge zu machen sein. 

3. Doch bevor auch diese letzten Grund¬ 
lagen beschafft sind, kann das Mallein als 
brauchbares Hilfsmittel zur Tilgung der Rotz¬ 
krankheit in infizierten Beständen empfohlen 
werden. Für die veterinärpolizeiliche Praxis 
empfehle ich folgendes Verfahren: 

Nach Tötung aller rotzkranken sind zu¬ 
nächst alle fieberhaft erkrankten und alle 
mehr oder weniger heruntergekommenen oder 
abgearbeiteten Tiere auszuscheiden. Der Rest 
ist der Malleinprobe zu unterwerfen. Die 
Pferde sind zu diesem Zweck 24, und wenn 
irgend möglich 48 Stunden, vor und ebenso 
lange nach der Einspritzung in mässig warmen 
gut ventilierten, jedoch nicht zugigen Stallun¬ 
gen bei normaler Fütterung zu halten. In 
der Zeit vor dem Versuch ist es zweckmässig, 
sie bei gutem Wetter täglich ein- bis zwei¬ 
mal je eine halbe Stunde in ruhiger Gang¬ 
art im Freien bewegen zu lassen. Zugleich 
ist während der dem Versuch vorauf gehenden 
24 Stunden der Gang ihrer Temperaturbewe¬ 
gung sorgfältig zu ermitteln. Die Kenntnis 
dieser Tagesschwankungen ist zwar für das 
Urteil über die Reaktion vielfach überschätzt 
worden. Denn ich habe mich überzeugt, dass 
die normale Temperaturkurve äusserst labil 
ist und bei demselben Pferde an aufeinander¬ 
folgenden Tagen, unter anscheinend gleichen 
äusseren Verhältnissen und bei annähernd 
gleichen Anfangs- und Endtemperaturen, oft 
so erhebliche Schwankungen zeigt, dass es nur 
Verwirrung stiftet, wenn der höchste Punkt 
der Tagesschwankung als weiterer fixer Punkt 
in die Beurteilungs Vorschriften eingeführt 
wird. Z. B. sind gerade rotzige Pferde mit 

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Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


3. Jahrgang. 


leicht subfebriler Körperwärme, die, wie wir 
gesehen haben, typisch reagieren, ausserordent¬ 
lich empfindlich und zeigen oft beträchtliche 
und unregelmässige Tagesschwankungen, deren 
schablonenhafte Berücksichtigung also gerade 
hier zu falschen Schlüssen führen würde. 
Immerhin mag die Kenntnis dieser Tages¬ 
schwankungen, von Fall zu Fall und ohne 
Schabionisierung angewendet, die Beurteilung 
gewisser zweifelhafter Reaktionen erleichtern. 
Im übrigen gilt also die unmittelbar an der 
Einspritzung ermittelte Temperatur als Aus¬ 
gangspunkt für die Beurteilung der Reaktion. 
Ob die Injektion morgens oder abends vorge¬ 
nommen wird, ist an sich gleichgültig, wenn 
nur beachtet wird, dass mit Rücksicht auf 
die verschiedene Höhe der Initialtemperaturen 
an die auf Morgen versuche folgenden Reak¬ 
tionen höhere Anforderungen gestellt werden 
müssen, dass diese dafür aber auch häufig 
einen nochmaligen stärkeren Temperaturan¬ 
stieg am zweiten Tage auf weisen. Zeigt sich 
dieser aber auch nach einem Abendversuch, 
so ist er von um so grösserer diagnostischer 
Bedeutung. Ich habe daher regelmässig die 
Abendstunden für die Injektion bevorzugt. Die 
Dosis meines Trockenmalleins beträgt 0,045 
bis 0,05. Die grösseren Dosen sind bei weniger 
gutgenährten älteren, die kleinen bei vollblü¬ 
tigen kraftstrotzenden jüngeren Tieren zu ver¬ 
wenden. Für die unter den selbstverständ¬ 
lichen Vors ich tsmassregeln vorzunehmende 
Einspritzung, empfehle ich die untere mittlere 
Partie der Halsseite mehr als die Vorderbrust. 
Nach dem Versuch ist die Körperwärme zwei¬ 
stündlich und selbstverständlich bei jedem 
Pferde während der ganzen Dauer der Mes¬ 
sungen mit demselben Thermometer zu messen. 
Die Messungen sind bei den reagierenden Tieren 
wenigstens 48 Stunden und gegebenenfalls noch 
länger fortzusetzen. 

Nach dem Ergebnis des Mallein Versuchs 
sind die Pferde in drei Gruppen einzuteilen, 
in solche mit typischer, mit zweifelhafter und 
mit gar keiner Reaktion. 

Gruppe I. 

Hierher gehören alle Pferde mit einer 
typischen Steigerung der Körperwärme 
über 40° und um mehr als 2° über die zur 
Zeit der Einspritzung ermittelte Temperatur. 
Nochmaliger fieberhafter Temperaturanstieg 


vom zweiten oder gar auch noch am dritten 
Tage und erhebliche und anhaltende örtliche 
Schwellungen erhöhen den Verdacht. 

Weiter gehören hierher diejenigen Pferde, 
deren Reaktion zunächst durch Temperatur¬ 
abfall und folgenden typisch verlaufenden, 
wenn auch mässigen Anstieg charakterisiert ist. 

Alle diese Pferde sind mehr oder weniger 
dringend der Rotzkrankheit verdächtig und 
frühestens nach 14 Tagen, besser erst nach drei 
Wochen nochmals mit Mallein zu behandeln. 
Die abermals typisch reagieren¬ 
den sind als wahrscheinlich rotz¬ 
krank auszusondern. 

Alle übrigen sind der Gruppe II ein¬ 
zureihen. 

Hierher gehören ferner von vornherein 
alle Pferde mit hoher atypischer Reaktion 
und im übrigen diejenigen, die eine unsichere 
Reaktion zeigten, d. h. eine solche von 1,4 (oder 
wie Kitt vorschlägt, von 1,3) bis 1,9°, wobei der 
Grad des Verdachts sich nach dem Verhältnis 
der Steigerung zur Höhe der Anfangstempera¬ 
tur in der mehrfach angedeuteten Weise be¬ 
stimmt und bei der Beurteilung der Grenz¬ 
werte nicht schablonenhaft, sondern unter 
sorgfältiger Berücksichtigung aller, oben ein¬ 
gehend besprochenen für die Beurteilung der 
Reaktion in Betracht kommenden Momente ver¬ 
fahren werden muss. 

Alle diese Tiere sind in Zwischenräumen 
von drei Wochen wiederholt mit Mallein zu 
behandeln. Diejenigen, die in zwei aufein¬ 
anderfolgenden Versuchen entschieden typische 
Reaktionen mit allen charakteristischen Merk¬ 
malen zeigen, sind als wahrscheinlich 
rotzkrank den bereits aus Gruppe I aus¬ 
gesonderten Tieren einzureihen. 

Umgekehrt sind diejenigen Pferde, die bei 
zwei aufeinanderfolgenden Proben ohne jede 
Reaktion geblieben sind, noch nicht als sicher 
unverdächtig zu bezeichnen. Vielmehr werden 
Pferde, die sich durch eine ausgesprochene Re¬ 
aktion einmal verdächtig gemacht haben, nur 
schwer auf dem Wege des Malleinversuchs als 
gänzlich unverdächtig erkannt werden können, 
wie nach meinen obigen Ausführungen über 
die Abhängigkeit der Reaktionsintensität von 
einem etwaigen zufälligen allgemeinen Still¬ 
stand oder einer gleichmässigen Rückbildung 
der rotzigen Prozesse, also einem scheinbaren 


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Heft 11. 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


249 


Heilungszustande, sowie an einem zu jeder be¬ 
liebigen Zeit zu erwartenden frischen Nach¬ 
schub ohne weiteres klar ist. 

Zur Gruppe III endlich sind diejenigen 
Pferde zu zählen, die bei gutem Ernährungs¬ 
zustände und kräftiger Konstitution völlig re¬ 
aktionslos auch bei einer zweiten Einspritzung 
bleiben. Folgerichtig können indes auch diese 
Pferde nicht als sicher unverdächtig bezeich¬ 
net werden, da die vorhin angedeutete Mög¬ 
lichkeit auch bei ihnen vorliegt, nur mit dem 
Unterschiede, dass eben zufälligerweise die 
beiden ersten Einspritzungen in die nachschub¬ 
freie Periode fielen, was natürlich nicht aus- 
schliesst, dass spätere Proben ausnahmsweise 
einmal zu einer Reaktion führen können. 

Die auf die geschilderte Weise ermittelten 
wahrscheinlich rotzkranken Tiere können ohne 
grosse ökonomische Bedenken getötet werden. 
Die übrigen sind nach dem Grade des Verdachts, 
unter Berücksichtigung des klinischen Unter¬ 
suchungsbefundes nach Massgabe der veterinär¬ 
polizeilichen Bestimmungen, soweit als möglich 
zur Arbeit unter den gebotenen Beschränkun¬ 
gen zuzulassen. 

Aus vorstehenden Ueberlegungen ergibt 
sich also, dass die Malleinprobe nach dem 
gegenwärtigen Stande unserer Kenntnisse ein 
geeignetes Mittel ist, einen rotzverseuchten Be¬ 
stand ohne unverhältnismässig grosse ökono¬ 
mische Opfer von den rotzkranken Tieren zu 
befreien, dass aber ihre Anwendung das Ziel 
einer etwaigen Abkürzung der vorgeschrie¬ 
benen Sperrzeit, die bei uns mindestens 6 Mo¬ 
nate nach dem letzten Rotzfall beträgt, zur¬ 
zeit nicht haben kann. 

Hiermit ist nun nach meinen Erfahrun¬ 
gen die Leistungsfähigkeit des Malleins zur¬ 
zeit erschöpft. Ob aber und wieviel mehr das 
Agglutinationsverfahren leistet, bedarf weite¬ 
rer sorgfältiger und vor allem vergleichender 
Versuche, die sehr wohl an denselben Pferden 
ausgeführt werden können, wenn nur die Blut¬ 
entnahme der Malleinprobe voraufgeht. Es ist 
nicht ausgeschlossen, dass die Versuche zu dem 
Ergebnis führen werden, dass beide Methoden 
sich in wertvoller Weise ergänzen, was uns 
dem Ziel der praktischen Tilgung der Rotz¬ 
krankheit ein gut Stück näher bringen würde. 

Hiernach empfehle ich die Annahme fol¬ 
gender Anträge: 


I. Das Mallein ist ein geeignetes Mittel, 
um verseuchte Pferdebestände ohne unver¬ 
hältnismässig grosse ökonomische Opfer von 
den rotzkranken zu befreien. 

II. Zur sicheren Beurteilung des Wertes 
des Malleinverfahrens fehlen noch einige 
Grundlagen, die nur im Wege des Experi¬ 
ments im grossen beschafft werden können. 

Die experimentellen Prüfungen haben sich 
zu erstrecken: 

1. auf das Studium der durch künstliche 
Infektion einer grossen Zahl von Pferden mit 
chronischem Rotz erzeugten krankhaften Ver¬ 
änderungen und auf das Verhalten dieser Tiere 
gegen Mallein, 

2. auf die Prüfung des Verhaltens einer 
grossen Zahl zweifellos nichtrotziger Pferde 
gegen Mallein (Truppenpferde!), 

3. auf gleichzeitige vergleichende Prüfung 
des Agglutinationsverfahrens. 

Den hohen Regierungen wird empfohlen, 
diese Versuche in die Wege zu leiten und mit 
ihrer Durchführung in jedem Lande eine Kom¬ 
mission zu beauftragen. 


OefFentliches Veterinärwesen. 

Stand der Tierseuchen im Deutschen Reich 
am 15. Januar 1906. 

Rotz wurde festgestellt in Preussen in 
19 Gemeinden und 31 Gehöften, in Bayern, 
Württemberg, Baden und Sachsen-Weimar in 
je einem Gehöfte, zusammen somit in 23 Ge¬ 
meinden und 35 Gehöften. Die Lungen¬ 
seuche wurde beobachtet in einem Gehöfte 
der Kreishauptmannschaft Leipzig. Die 
Aphthenseuche herrschte in Rosenberg 
in Westpreussen, in Prenzlau und in Kattowitz- 
Stadt in je einem Gehöfte. Die Schweine¬ 
seuche einschliesslich der Schweinepest 
gelaugte zur Feststellung in 1500 Gemeinden 
und 2036 Gehöften. 


Deutsches Reich. Bekanntmachung 
betr. Abänderung der Vorschriften 
überdiePrüfungderTierärzte. Vom 
14. Dezember 1905. 

Auf Grund der Gewerbeordnung hat der 
Bundesrat beschlossen, dass bei allen nach dem 


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Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


3. Jahrgang. 


1. Januar 1906 begonnenen Fachprüfungen in 
der Tierheilkunde die Fleischbeschau als obli¬ 
gatorischer Gegenstand aufgenommen wird. 


Referate. 

Infektionskrankheiten. 

Oppermann. Experimentelle Beiträge zur 
Aetiologie der natürlichen Milz¬ 
brand f ä 11 e. Archiv f. wissensch. u. prakt. 
Tierheilkde. 32. Band. 1. u. 2. Heft. 

Die sehr umfassende Arbeit zerfällt in zwei 
Abschnitte. Erstens züchtete Verf. Milzbrand¬ 
bazillen auf bluthaltigem Kot von Haustieren und 
auf bluthaltiger Erde und suchte die Resistenz 
der so erhaltenen Sporen im Vergleich mit Sporen 
von anderen Nährböden zu bestimmen. Zweitens 
wurden mit derartig gewonnenem Sporenmaterial 
Fütterungsversuche angestellt. Verf. fand, dass 
die Sporulation auf Rinder- und Schafkot und 
auf Erde sich günstiger gestaltete als auf Agar 
und Bouillon, und zwar auf Erde am günstigsten, 
wenn Blut vom Rind oder Schaf hinzugefügt wurde. 
Die Optimaltemperatur für die Sporulation liegt 
bei 30° C. Je grösser bei Fütterungsversuchen 
die Dosis des Sporenmaterials ist, um so sicherer 
erfolgt die Infektion. Plötzlicher Uebergang von 
Trocken- zur Grünfütterung, Fütterung von Disteln, 
Eingabe von Erde oder Glaspulver vor oder mit 
Verabreichung der Sporen, waren ohne Bedeutung. 
Der Kot von an Fütterungsmilzbrand verendeten 
Kaninchen enthält in der Virulenz nicht abge¬ 
schwächte Sporen. Die Ursache der natürlichen 
Fälle von Fütterungsmilzbrand ist weniger in dem 
Vorhandensein prädisponierender Momente im Di- 
gestionstraktus zu suchen, als vielmehr in der 
Aufnahme grosser Sporenmengen. Hierdurch er¬ 
klärt sich ungezwungen die bekannte Tatsache, 
dass von den auf demselben Terrain weidenden 
Tieren immer nur einzelne dem Milzbrand zum 
Opfer fallen. Prof6. 

Calmette et Gu6rin. Die Entstehung der 
Tuberkulose auf dem Wege der in¬ 
testinalen Infektion. Annales de l'In- 
stitut Pasteur 1905, No. 10. — Valide. Die 
Entstehung der tuberkulösen Lä¬ 
sionen in den Lungen. Ibidem. 

Schon im Jahre 1886 hatte Chauveau die 
Mutmassung ausgesprochen, dass der Verdauungs¬ 
kanal sowohl beim Menschen als auch beim Rinde 
die Eingangspforte für die tuberkulöse Infektion 
bildet und dass dieselbe auf jenem Wege vielleicht 
öfter zustande kommt, als auf dem Wege der 
Respirationsorgane. Bekanntlich behauptet neuer¬ 
lich v. Behring, dass bei den Erwachsenen 
die tuberkulöse Infektion nicht durch Atmungs-, 
sondern durch Verdauungsorgane sich vollzieht, 
und dass die Lungentuberkulose fast immer als 
Folge der im Kindesalter erworbenen Intestinal¬ 
tuberkulose aufzufassen ist. 


Die Feststellung der Behring sehen Behaup¬ 
tung haben sich nun die Verff. zum Gegenstände 
ihrer Forschungen genommen. — Calmette und 
G u 6 r i n gebrauchten als Versuchstiere junge Zick¬ 
lein, ältere Ziegenböcke und Ziegen, welche sie 
mit den Tuberkelbazillen menschlicher oder boviner 
Provenienz, mit den Vögeltuberkulosebazillen und 
Möller sehen Pseudotuberkulosebazillen infizier¬ 
ten. Zicklein, welche von den Müttern stammten, 
deren Euter in den letzten Trächtigkeitsmonaten 
mit den obengenannten Mikroben infiziert wurden, 
also Tiere, die beim Saugen auf natürliche Weise 
infiziert wurden, zeigten bedeutende Veränderungen 
in den Mesenterialdrüsen; es erwies sich ferner, 
dass jene Veränderungen nur bei diesen Zicklein 
entstanden, deren Mütter mit M- oder R-Tuberkel- 
bazillen behandelt wurden. Bei den Zicklein, deren 
Mütter mit R-Tuberkelbazillen infiziert wurden, 
sah man ausserdem in den Tuberkeln zahlreiche 
verkäste Herde, auch gesellte sich oft Lungen¬ 
tuberkulose dazu. Bei den Tieren, welche beim 
Saugen mit Vögeltuberkulosebazillen infiziert 
wurden, beobachtete man tuberkulöse Affektionen 
der Gelenke. 

In der ferneren Versuchsreihe infizierten die 
Verff. junge Zicklein, indem sie denselben eine ge¬ 
ringe Menge von Tuberkelbazillenemulsion mit¬ 
tels einer Sonde in den Magen einführten. Nur 
bei den mit boviner Tuberkulose infizierten Tieren 
wurden die Mesenterialdrüsen als tuberkulös be¬ 
funden, auch fand man bei ihnen krankhafte 
Läsionen in den Lungen, den Mediastinal- und 
Bronchialdrüsen. Drei übrige Varietäten von 
Tuberkelbazillen vermochten weder tuberkulöse 
Veränderungen noch Immunität gegen Perlsucht. 
bei den Zicklein hervorzurufen. 

Aus den obigen Experimenten wird es er¬ 
sichtlich, dass die Lungentuberkulose bei den Zick¬ 
lein stets als sekundäre Erkrankung nach der 
Infektion des Verdauungskanals auftrat. 

Die Fütterung der erwachsenen Tiere mit dem 
tuberkulösen Material boviner Provenienz, welches 
auf den Brotkrumen gestrichen oft in beträcht¬ 
licher Menge gereicht’ wurde, war nicht imstande, 
dieselben zu infizieren; dieselben Tiere erkrankten 
aber ausnahmslos, wenn ihnen sehr feine Tuberkel- 
bazillenemulsion in den Magen künstlich einge¬ 
führt wurde. Es entstanden aber bei den er¬ 
wachsenen Ziegen keine grossen Veränderungen in 
den Gekrösdrüsen, die Lungenläsionen erschienen 
dagegen in sehr kurzer Zeit. Die naheliegenden 
Mediastinal-, Bronchial- und Retropharyngeal - 
drüsen blieben dabei vollkommen intakt. 

Diesen verschiedenen Infektions verlauf und 
verschiedene postinfektionelle Drüsenbeschaffen¬ 
heit bei den alten Tieren suchen Calmette 
und Guerin dadurch zu erklären, dass es ziem¬ 
lich grosse Unterschiede in dem Lymphdrüsen- 
bau der alten und jungen Individuen gibt. Bei 
den letzten bewirkt nämlich dieser Bau einen lang¬ 
sameren Lymphenstrom, wodurch die Drüsen die 


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Heft 11. 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


251 


in demselben kreisenden Bazillen genauer behalten. 
Bei den alten Tieren gelangen die Mikroben leicht 
in den Ductus thoracicus und dann durch die 
linke Vena subclavia, das rechte Herz und die 
Lungenarterie in die Lungenliaargefässe, wo sie 
wie in einen Filter aufgenommen werden und 
Reiz zur Tuberkelbildung schaffen. Bei den 
jungen Tieren gelangen die Tuberkelbazillen aus 
den zerfallenen Gekrösdrüsen gleichfalls in die 
Haargefasse der Lungen, halten sich aber in den¬ 
selben nicht so leicht auf, wie es bei den alten 
Tieren zu sein pflegt, siedeln sich dagegen in 
den Haargefässen jener Organe an, deren Sub¬ 
strat ein sehr dichtes Bindegewebe bildet. Hier¬ 
von stammt die oft im jungen Alter beobachtete 
Lokalisation der Tuberkulose in den Gelenken, 
Knochen, serösen Membranen und hauptsächlich 
in den Hirnhäuten. Sowohl bei den alten als 
auch bei den jungen Individuen befreien sich 
beim Zerfall der verkästen Knötchen die in den¬ 
selben befindlichen Bazillen und bewirken neue 
Tuberkelbildung in den Lungen. Solche sekun¬ 
däre Lungeninfektion entsteht entweder auf dem 
Wege des Ductus thoracicus und des Venenblutes 
als Folge des Zerfalles einer verkästen Bauch¬ 
felldrüse oder beim Zerfall der verkästen Lungen¬ 
knötchen als Folge der intestinalen Infektion, 
welche durch das Verschlucken von tuberkel¬ 
bazillenhaltigem Sputum geschieht. 

Auf Grund obiger Experimente bestätigen 
Calmette und G u 6 r i n die Behring sehe 
Theorie des intestinalen Ursprunges der Lungen¬ 
tuberkulose; verneinen dagegen den anderen Teil 
der Behring sehen. Behauptung, als ob die Tu¬ 
berkulose der Erwachsenen die Folge der intesti¬ 
nalen Infektion im Kindesalter wäre. Die Er¬ 
gebnisse der Calmette sehen und Guerin- 
schen Forschungen beweisen vielmehr, dass, was 
wenigstens die Ziegen anbelangt, die Lungentuber¬ 
kulose bei den alten Individuen sogar leichter 
auf dem Wege der intestinalen Infektion zustande 
kommt, als bei den jungen Tieren, deren Lympli- 
drüsen besser andeise Organe vor der Infektion 
zu schützen vermögen, als im späteren Alter. 

Für die intestinale Abstammung der Tuber¬ 
kulose sprechen auch die Val 1 Gesehen Unter¬ 
suchungen. V. experimentierte an den Kälbern, 
die er mit boviner Tuberkulose auf verschiedene 
Weisen infizierte. Nach der Einführung dieser 
Bazillenvarietät in die Luftröhre enstand ein tuber¬ 
kulöser Herd an der Einstichstelle, auch bildeten 
sich einige Knötchen auf der Lungenpleura, in 
dem Lungengewebe, in den bronchialen und media- 
stinalen Drüsen waren dagegen keine Läsionen 
zu finden. Nach dem Einblasen einiger Milli¬ 
gramm© von giftiger Tuberkelbazillenkultur in 
di© Nasen-Rachenhöhle entstanden tuberkulöse Ver¬ 
änderungen hauptsächlich in den retropharyn¬ 
gealen, manchmal auch in den mediastinalen und 
bronchialen Drüsen, in den Lungen aber, in den 
Hals- und Trachealdrüsen sah man keine Lä¬ 


sionen. Mangel an tuberkulösen Veränderungen 
in den letztgenannten Drüsen ist deswegen wichtig, 
dass bei den tuberkulösen Kälbern eben diese 
Drüsen fast immer eingenommen werden, die Ge¬ 
krösdrüsen dagegen gewöhnlich keine Verände¬ 
rungen aufweisen. Obige Experimente beweisen, 
dass nach der Infektion der oberen Luftwege die 
tuberkulösen Veränderungen in den Bronchial¬ 
drüsen nicht leicht zustande kommen. 

Anders verhält sich die Sache nach der in¬ 
testinalen Infektion. Bei vier Kälbern, welche 
zweimal eine mit Eutertuherkulose behaftete Kuh 
sogen, entstanden eklatante tuberkulöse Läsionen 
in den bronchialen und mediastinalen Drüsen und 
bei deren drei zeigten sich auch Veränderungen 
in den Mesenterialdrüsen; die letztgenannten Ver¬ 
änderungen waren aber überhaupt viel kleiner, 
als in den Drüsen des Brustkorbes. In den Lungen 
fehlten die Knötchen fast gänzlich, die tuber¬ 
kulösen Veränderungen an der vorderen Zwerch - 
fellfläche aber zeigten, dass die Infektion hier 
von der Bauchhöhle aus auf dem Wege der Lymph- 
gefässe in die Brusthöhle fortschritt. 

Nach der Einführung von 1,5 mg boviner 
Tuberkelbazillenkultur in die Vena meseraica eines 
Kalbes, ging das Tier nach 30 Tagen zugrunde, 
und bei der Sektion fand man eine akute Tubcr- 
kulose der Leber und der bronchialen und media¬ 
stinalen Drüsen; nach der ähnlichen Infizierung 
der Bauchfelldrüse eines anderen Kalbes stellte 
man bei demselben ausser der Tuberkulose der 
genannten Drüse auch tuberkulöse Läsionen der 
bronchialen Drüsen fest. 

Auf Grund obiger Forschungen gelangt 
VallGe zur Ueberzeugung, dass die Tuberkulose 
der Bronchial- und Mediastinaldrüsen in kürzester 
Zelt und am sichersten nach der Einführung des 
spezifischen Infektionsstoffes in den Verdauungs¬ 
kanal entsteht; dass Tuberkelbazillen die Darm- 
wand, ohne in derselben sichtbare Veränderungen 
hervorzurufen, passieren können, dass ähnlicher¬ 
weise auch die Gekrösdrüsen nach dem Durch¬ 
gang der Bazillen intakt zu bleiben pflegen und 
dass erst die Bronchialdrüsen den Krankheits¬ 
erreger auf nehmen. 

V a 11 £ © behauptet, dass auch beim Menschen 
di© Lungentuberkulose oft der Darminfektion 
folgt; er schlägt somit vor, diesbezügliche Ex¬ 
perimente an den Affen auszuführen, die mit der 
Milch tuberkulöser Kühe genährt werden sollten, 
um festzustellen, ob auch bei diesen menschen¬ 
ähnlichen Tieren nach solcher Behandlung spe¬ 
zifisch© Läsionen in den Bronchialdrüsen entstehen, 
von woher aus* die Lungeninfektion auf dem Blut¬ 
wege zustande kommen kann. 

Diese Forschungen können wirklich zu den 
interessanten Resultaten führen, um so mehr aus 
dem Gesagten ersichtlich ist, dass nach der Darm¬ 
infektion die Tuberkulose bei verschiedenen Tier¬ 
arten auf verschiedenen Wegen sich verbreitet. 

Baczyüski. 


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252 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


3. Jahrgang. 


Plate. Ueber die Ke .sorptio Unfähigkeit 
mit Tuberkelbazille n vom Magen- 
darmkanal aus. Archiv f. wissensch. u. 
prakt. Tierlieilkde. 32. Band. 1. u. 2. Heft. 

Yerf. kommt auf Grund seiner Fütterungs¬ 
versuche zu folgendem Resultat: Die Magenwand 
junger, bis 514 Tage alter Meerschweinchen ist 
in 8 O 0 / 0 , die Darmwand stets für Tuberkelbazillen 
passierbar. Die Magenwand ausgewachsener Meer¬ 
schweinchen ist unpassierbar, die Darmwand in 
33o/o für Tuberkelbazillen passierbar. Der Emul¬ 
sion beigefügtes Krotonöl begünstigt in 80°/o 
das Eindringen der Tuberkelbazillen. Sodalösung 
übt keinen Einfluss hierin aus. 

Profe. 

Pierry und Mandoul. Vielgestaltigkeit des 
Kochschen Bazillus in den tuberku¬ 
lösen Sputen. Compt. rend. de la Snc. de 
biol. 1904, No. 36. 

Auf verschiedenen Nährböden beobachtete mau 
allerhand Gestalten des Kochschen Bazillus, und 
zwar Kokken, geäst eite, fächerartige Gebilde und 
ausserdem eine rosenkranzartige (moniliforme) 
Gestalt. Ganz ähnlichen Gestalten begegnet man 
in den tuberkulösen Sputen und diese unterwarfen 
die Verff. einer näheren Untersuchung. SU unter¬ 
schieden vier Haupt- und zwei Nebengestalten. 
Zu der ersten Ha.uptgcstalt gehören die gleich¬ 
förmigen, zu der anderen die kernigen Bazillen, 
welche ketten- oder rosenkranzartig gegliedert sind. 
Beide Hauptgestalten können als lange oder kurze 
Bazillen erscheinen, auch nehmen sie die Form 
langer oder kurzer, perlenart iger Gebilde an. Die 
letztgenannte Gestalt entsteht angeblich derart, 
dass jeder Bazillus eine Reihe von Chromatin¬ 
körpern enthält, welche eine sich verschieden fär¬ 
bende tlmhülle besitzen. Wenn sich sowohl die 
äussere Schicht als auch die Körner gleichmüssig 
färben, entsteht das Bild des gewöhnlichen Ba¬ 
zillus, bei ungleich massiger Färbung erhalten wir 
die ..moniliforme“ Gestalt. 

Baczynski. 

James Wright. Biologie des Strahlen¬ 
pilzes (Aktinomyces). Public, of the 
Massachus. Gener.-Hospit., 1905, Mai. 

Aus 13 Fällen der Aktinomykose beim Men¬ 
schen und aus deren zwei beim Rind hatte Verf. 
fadenartige Mikroben in Reinkultur isoliert, welche 
einer und derselben Spezies angehörten, da die 
Unterschiede zwischen einzelnen Typen nicht 
grösser waren, als zwischen verschiedenen Typen 
der Tb.- oder Diphtheriebacillen. Der Strahlen¬ 
pilz entwickelt sich nur auf dem Agar und der 
Bouillon gut und zwar im Brutschrank; auf anderen 
Nährböden und bei Zimmerwärme wächst er sehr 
langsam und spärlich oder entwickelt sich gar 
nicht. Er ist ein ausgesprochener Anaerob und 
bildet keine Sporen. Die Aktinomyceskolonien be¬ 
sitzen in künstlichen Kulturen dieselbe Beschaffen¬ 
heit, wie in den natürlichen Verhältnissen. Wenn 


man die Kolonien dieses Pilzes in irgendwelche 
organische Flüssigkeit, z. B. in das Blutserum 
oder in das pleuritische Exudat taucht, bedecken 
sich oft die erwähnten Fäden mit einer glasartigen, 
eosinroten Substanz von verschiedener Dicke, was 
das Verschwinden der Pilzfäden zur Folge hat; 
die Entstehungsbedingungen dieser Erscheinung 
sind bisher unbekannt. 

Die aus allen 15 beobachteten Fällen erhal¬ 
tenen Pilze wurden an Versuchstiere geimpft: Es 
zeigte sich, dass sämtliche Exemplare das Ver¬ 
mögen besitzen, charakteristische Kolonien im 
Gewebe der untersuchten Tiere zu bilden. Die 
Kolonien befanden sich in den kleinen Knötchen 
des Bindegewebes oder sie waren in den Eiter¬ 
herden der grossen höckerigen Knoten enthalten. 
Die grossen Knoten bestanden aus Bindegewebe 
von verschiedenen Entwicklungsstadien. Die Neu¬ 
bildungen, welche sich bei den künstlich infizierten 
Tieren entwickelten, waren histologisch mit den 
natürlichen Aktinomykomen identisch und er¬ 
reichten zuweilen verhältnismässig bedeutende 
Grösse. Sogar sehr ausgedehnte Läsionen zeigten 
geringe Neigung zur Verbreitung und man konnte 
nur in vereinzelten Fällen die Vermehrung der 
Mikroben in dem infizierten Tierkörper mutmassen. 
Bekanntlich erhielt die Mehrzahl von Forschern 
nach der Verimpfung der direkt aus den Aktinomy¬ 
komen isolierten Pilze an gesunde Tiere negative 
oder zweifelhafte Ergebnisse — Wright fühlt 
sich dagegen auf Grund eigener Forschungen zur 
Annahme vollkommen berechtigt zu sein, die 
Strahlenpilze als überimpfhar zu betrachten. 

Der Verf. meint ferner, dass nur eine Mikroben¬ 
art die spezifische Rolle als Krankheitserreger bei 
der typischen Aktinomykose spielt und dass aus¬ 
schliesslich denselben Mikroorganismen alle oben¬ 
erwähnten Eigenschaften und Merkmale zuzu¬ 
schreiben sind. Dieser Pilz besitzt eben das Recht 
zur Benennung: actinomyces bovis — welchen 
Namen ihm Bollinger und Harz verliehen. 
De Toni und Trevisau mutmassen, dass der 
spezifische Name actinomyces nicht rationell 
ist, da diese Benennung — Aktinomyce — M e y e n 
dem von ihm entdeckten Pilze (Actinomyce Hor- 
kelii) gegeben hatte. Da aber der Meyensclie Ter¬ 
minus keinen Beifall gefunden und als spezifischer 
Name für Pilze (fungi) nicht angenommen wurde, 
scheint dem Verf. die Tonische und Trevisausche 
Ansicht an unrationell enge Interpretation der 
Grundlagen von botanischer Nomenklatur gestützt 
zu sein. 

Zwischen den Strahlpilzen menschlicher und 
tierischer Provenienz fand der Verf. keinen Unter¬ 
schied. Er verneint die Bostroemsche und 
Gasperinische Ansicht, dass der spezifische 
Erreger der Aktinomykose sich unter gewissen 
fadenbildenden, in der Aussenwelt sehr verbrei¬ 
teten Mikroben befindet, welche sich vom Actino¬ 
myces bovis durch Sporenbildung deutlich unter¬ 
scheiden. Wright meint, diese erste Gruppe soll 


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Heft 11. 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


253 


als gänzlich verschiedene Spezies — Nocardia, 
— die durch dieselbe hervorgerufene Infektion 
nocardiosis nicht aber Actinomycosis 
benannt werden. 

Der Name Actinomycosis sollte nur zur Be¬ 
zeichnung solcher entzündlichen Prozesse gebraucht 
werden, in welchen die gebildeten Knoten charak¬ 
teristische Drüsen aufweisen. Man hat aber noch 
nie bewiesen, dass Nocardia solche Drüsen in den 
durch sie hervorgerufenen Tumoren bildet. 

Es lässt sich schwer denken, dass der Strahlen¬ 
pilz gewöhnlich ausser dem Tierkörper leben sollte, 
wenn, wie es zahlreiche Forschungen beweisen, 
derselbe an den gewöhnlichen Nährböden sich 
sehr schwach, bei der Zimmertemperatur aber gar 
nicht entwickelt. Es wird somit die Mutmassung 
wahrscheinlicher, dass der Strahlenpilz sich nor¬ 
mal in den Flüssigkeiten der Mundhöhle und des 
Verdauungstraktes sowohl beim Menschen als 
auch bei den Tieren befindet, obwohl man bis 
jetzt keine schlagenden Beweise für diese An¬ 
nahme besitzt. 

Jedenfalls besitzt der Strahlenpilz in den ge¬ 
nannten Flüssigkeiten seine charakteristische Ge¬ 
stalt nicht, er stellt sich vielmehr gewiss als frag¬ 
mentierte Fäden dar, welche sich gemeinschaft¬ 
lich mit anderen Bakterien entwickeln, von den 
letzten nicht zu unterscheiden. Den Fremdkörpern, 
welche in den Aktinomykomen oft Vorkommen, 
weigert sich der Verf. die Holle der Ueberträger 
der Mikroben zuzuschreiben. Er erklärt die Sache 
folgenderweise: Ein Fremdkörper reizt das Ge¬ 
webe und bildet so einen locus ininoris resistentiae 
für die Entwicklung des Strahlenpilzes, welcher 
daselbst aus den Flüssigkeiten der Maulhöhle und 
des Verdauungstraktes gelangt, charakteristische 
Kolonien bildet und schliesslich das Krankheits¬ 
bild der s. g. Aktinomykose erzeugt. 

Die Frage der keulenförmigen Verdickungen 
an den Fadenspitzen ist ziemlich dunkel, denn 
es lässt sich nicht entscheiden, ob sie durch die 
Mikroben selbst als eine gewisse Art von Bakterien¬ 
kapsel gebildet werden, oder eine durch umgeben¬ 
des Gewebe oder Flüssigkeiten geschaffene Schicht 
darstellen. W r i g li t meint die letztgenannte An¬ 
sicht wäre richtiger; die Holle dieser keulenför¬ 
migen Verdickungen, oder glasartigen Kapseln, 
beruht auf dem Schutze der Kolonienmasse vor 
der destruktiven Wirkung der Körperzellen- und 
Säfte. Die Forschungen von Bostroem haben 
unumstürzlich bewiesen, dass diejenigen Keulen 
nur dann erscheinen, wenn sich die Reaktion des 
Körpergewebes auf den Pilz offenbart. In den 
Fällen der akuten oder miliaren Aktinomykose, 
wo der Widerstand des Gewebes gegen die Infek¬ 
tion augenscheinlich gering ist, sind die Ver¬ 
dickungen undeutlich oder gar abwesend und die 
Kolonie besteht ausschliesslich aus den Fäden. 

Bekanntlich begleiten den Strahlenpilz in den 
Tumoren verschiedene Bakterien. Diese Mikroben 
üben einen ausgesprochenen Einfluss auf den 


Krankheitsverlauf aus. Zweifellos hat man aber 
oft mit einer reinen Infektion durch Strahlen¬ 
pilze zu tun. Die oft in den Aktinomykomen vor¬ 
kommenden Sporen, Kokken und Bacillen stellen 
entweder einen Degenerationsprodukt der Strahlen¬ 
pilzfäden, oder sie sind wirkliche Mikrokokken 
und Bakterien, welche sich vom Aktinomyces un¬ 
abhängig entwickeln. 

Zuletzt ist es noch hervorzuheben, dass Aetino- 
myces bovis keine grossen Veränderungen bei den 
künstlich infizierten Versuchstieren verursachte, 
in den Fällen von spontaner Infektion dagegen 
war oft eine akute Aktinomykose zu beobachten. 
Verf. glaubt, in diesen Fällen spiele ausser der 
individuellen Empfänglichkeit auch eine sekundäre 
Infektion eine bedeutende Rolle. Die zahlreichen, 
dieser Krankheit eigenen Fisteln tragen das Ihrige 
bei, um den Krankheitserreger im Körper zu ver¬ 
breiten und nicht seltene Rezidiven der Krank¬ 
heit hervorzurufen. Raczyhski. 

Hollandt. Die Zun gen aktinomykose des 
Schweines; neue, k r e n o t h r 'i x ähn¬ 
liche Fruktifikationsformen des 
Aktinomyces in der Zunge und in 
den Tonsillen. Archiv für wissenseh. und 
prakt. Tierheilkde. 31. Band. 4. und 5. Heft. 

Verf. kommt auf Grund seiner umfassenden 
Untersuchungen und eines erschöpfenden Literatur¬ 
studiums zu folgenden Schlussfolgerungen. In 
mindestens 5 o/o der Zungen geschlachteter Schweine 
finden sich einzelne, knötchenförmige Aktinomyces- 
herde, die meist durch Grannen hervorgerufen wer¬ 
den. Die Knötchen bestehen aus einer bindegewe¬ 
bigen, durch reaktive Entzündung entstandenen 
Kapsel und den Aktinomycesdrüsen. Die inneren 
Schichten der Kapsel enthalten meist zahlreiche 
vielkernige Riesenzellen und Phagocyten mit Akti- 
nomyceseinschlüssen. De Aktinomyceskömer setzen 
sich aus Einzeldrüsen zusammen, die mit dem von 
Bostroem beschriebenen Aktinomyces hom. et bov. 
übereinstimmen. Ausser den typischen Aktinomyces- 
fäden finden sich in mehreren Knötchen der Zimge 
und an Grannen aus den Tonsillen bis zu 6 p 
dicke, echt verzweigte Fäden aus ungefähr ku¬ 
bischen Gliedern, aus denen Mikrogonidien ent¬ 
stehen können. Diese Mikrogonidien keimen häufig 
noch innerhalb des ursprünglichen Fadenverbandes 
zu typischen dünnen Aktinomycesfäden aus. Der 
Aktinomyces gehört somit systematisch in die Nähe 
der Fadenbakterien. Zum Nachweis der Aktino¬ 
mycesfäden und -keulen in den Zellen eignet sich 
gut die Färbung mit Anilin - Safranin (Babes), 
Hämalaun und Orange G. Profe. 

F. K. Kleine. Neue Untersuchungen über 
die Hühnerpest. (Zeitschrift f. Ilyg. u. 
Infekt. 51, 2.) 

Der Verlauf der Hühnerpest ist bei verschie¬ 
denen Vögeln verschieden. Bei Hühnern ist der 
nervöse Symptomenkomplex verhältnismässig sel¬ 
tener ausgebildet als bei Tauben und Gänsen, und 
während das Blut der Hühner nach dem Exitus 


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254 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


3. Jahrgang. 


höchst infektiös ist, ist dies bei verendeten Tauben 
und Gänsen nicht der Fall. Es ist die Frage, ob 
es sich hier um prinzipielle Gegensätze handelt, 
oder ob anzunehmen ist, dass bei länger und 
milder verlaufender Krankheit auch bei Hühnern 
die Erreger aus dem Blute schliesslich verschwin¬ 
den würden, dass eben das Verschwinden eine 
gesetzmässige, in der Entwicklung der Parasiten 
begründete Erscheinung ist. 

Um in dieser Richtung einige Beobachtungen 
zu machen, benutzte Verfasser zu seinen Versuchen 
junge Gänse, die im Gegensatz zu den alten Tieren 
für Hühnerpest wohl empfänglich sind, ohne aber 
der Seuche so schnell wie Hühner zu erliegen. 
Das Blut der verendeten Tiere ist nicht infektiös, 
wohl aber das der infizierten Tiere, und zwar 
bisweilen schon am nächsten Tage, bevor noch 
eine Temperatursteigerung eingetreten war. In der 
Regel verschwindet das Virus einige Tage nach 
der Infektion wieder, während die Krankheits¬ 
erscheinungen bis zum Exitus zunehmen. Da Ver¬ 
fasser für die Annahme, dass die erwähnten Hirn¬ 
symptome die Folge einer Intoxikation sind, ex¬ 
perimentell keine Stütze beibringen konnte, hielt 
er es nicht für ausgeschlossen, dass die Hühner¬ 
pesterreger selbst in das Gehirn einwandern und 
durch ihre Anwesenheit dort jene Reizerschei¬ 
nungen auslösen. In der Tat erwiesen sich bei 
der Prüfung Gehirn und Rückenmark der Gänse, 
deren Blut nicht mehr ansteckte, als höchst in¬ 
fektiös. Es liegt also hier eine Krankheit vor, 
deren Erreger, wie bei der Lyssa, sich als Sitz 
des Cerebrospinalsystems ausersehen. 

Nimmt man an, dass die unsichtbaren Erreger 
der Seuche zu den Bakterien gehören, so finden 
sich kaum Analogien zu dem Verhalten der be¬ 
kannten pathogenen Spaltpilze. Ein Verschwinden 
aus dem Blut und ein Aufsuchen anderer Gewebe 
beobachtete man bisher nur bei Protozoen (Malaria¬ 
plasmodien, Recurrenzspirochaeten). Vielleicht ist 
vorerst die Hypothese nicht ungerechtfertigt, dass 
die Erreger der Hühnerpest im Körper sich in 
zwei Stadien finden, im Blut in dem der Ver¬ 
mehrung, im Gehirn usw. in dem der Ruhe. Die 
hochempfänglichen Hühner erliegen der Krank¬ 
heit, während die Mehrzahl der Parasiten sich 
noch im Stadium der Vermehrung befindet. 

Die Augenspiegeluntersuchung ergab bei einem 
Huhn, mit dem Immunisierungsversuche gemacht 
worden waren, am rechten Äugenliintergrund 
runde und langgestreckte atrophische Herde mit 
Pigmentsaum und Pigmentansammlung im Zen¬ 
trum. Links fanden sich ähnliche Herde in ge¬ 
ringerer Ausdehnung und Zahl. Bei den Gänsen 
konnte man schon vor Eintritt von Krämpfen 
öfter chorioretinitische Herde beobachten. Die 
mikroskopischen Untersuchungen der Gehirn¬ 
schnitte von Gänsen sind noch nicht abgeschlossen. 

Jacob. 


L. Ronse. Anaerobe Bakterien als Ur¬ 
sache von Nekrose und Eiterung 
beim Rinde. Ctbl. f. Bakt. B. 39, 5. 

Zahlreiche, bis jetzt wenig untersuchte Ana¬ 
eroben spielen eine Hauptrolle bei manchen Eite¬ 
rungen und gangränösen Prozessen. Der am meisten 
genannte dieser Erreger ist der Nekrosebacillus. 
Er gilt als der spezifische Erreger des tiefgehenden 
Zerfalls der verschiedenen Gewebsarten, besonders 
der multiplen Lebernekrosen des Rindes. Verf. hat 
einzelne Fälle von tiefgehenden Nekrosen und 
Abszessen des Rindes genauer auf ihren Bakterien¬ 
gehalt und die Virulenz der einzelnen isolierten 
Arten untersucht. Die Beschreibung dieser Fälle, 
sowie die genaue Darlegung der Impfversuche mit 
Rohmaterial, Reinkulturen und Kulturgemischen, 
und die Beschreibung der bei den Prozessen auf¬ 
tretenden Bakterien muss im Original nachgelesen 
werden. Die Schlussergebnisse der Arbeit sind 
folgende: 

1. Bei den häufig vorkommenden spontanen 
Nekrosen der Rinder sind immer mehrere Bak¬ 
terien als Krankheitsursachen vorhanden. 

2. Unter den aeroben sind Coli, Bacillen, 
Streptokokken und Bacterium vulgare. 

3. Unter den anaeroben Bacillus necrophorus 
(Flügge), Köpfchensporenbacillen, eine anaerobe 
Varietät des Bacill. pyogenes bovis (Künnemann) 
und ein Spirillum von Bedeutung. 

4. Die experimentelle Nekrose gelingt am 
besten, wenn man ein Bakterium der ersten Gruppe 
mit einem der zweiten oder auch Toxin der Köpf¬ 
chensporenbacillen intramuskulär bei Tauben ein¬ 
spritzt. 

5. Wegen der vorhandenen Mischinfektion ist 

es klar, dass die Impfversuche und Verimpfungen 
von Taube zu Taube Unterschiede im Grade der 
Nekrose ergeben müssen. Jacob. 

Hunter. Pest bei Katzen. Lancet. 1905. 

S. 1064. 

Bisher hat man Katzen allgemein für wenig 
empfänglich für Pest gehalten. Eine in Hongkong 
ausgebrochene Epidemie gab Gelegenheit zu meh¬ 
reren Untersuchungen. Die zur Jagd auf pestkranke 
Ratten verwandten Katzen erkrankten und starben. 
Die bakteriologische Untersuchung der toten, wie 
die klinische Beobachtung der kranken Tiere er¬ 
gab folgendes: Die Katzen erkranken an Pest, die 
akut oder chronisch verlaufen kann. Bei der akuten 
Form treten die Krankheitserscheinungen innerhalb 
24 Stunden auf. Nahrung wird verweigert, das 
Fell ist struppig; es treten wässerige Durchfälle 
und Erbrechen auf; die Tiere magern rasch ab. 
Das Abdomen ist auf getrieben und weich. Gegen 
Ende der Krankheit zeigt sich grosse Schwäche 
und Paralyse der Extremitäten. Der Tod erfolgt 
in 2—6 Tagen. Die Obduktion zeigt Bubonen, be¬ 
sonders am Nacken und Mesenterium. Drüsen¬ 
schwellung, geringen Erguss in die Peritonealhöhle, 
Petechien an der Oberfläche des Bauchfells, eben¬ 
so zeigt die Magenschleimhaut Blutungen, die 


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Heft 11. 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


255 


Tolitärfollikel des Darmes sind geschwollen, die 
Mesenterialdrüsen deutlich vergrössert, in dem 
manchmal nekrotischen Gewebe unzählige Fest¬ 
bacillen. Bei der chronischen Form der Erkran¬ 
kung ist die Abmagerung das hervorstechendste 
Symptom. Bubonen finden sich an verschiedenen 
Stellen, besonders am Nacken, umgeben von In¬ 
filtrationen. Diese brechen auf und entleeren dicken 
rahmigen Eiter. Der Zustand wird am besten durch 
den Ausdruck „Pestmarasmus“ gekennzeichnet. Der 
Typus der Krankheit ist der septikämische. Die 
kranken Tiere können eine Rolle bei der Verbrei¬ 
tung der Krankheit spielen; besonders in pestinfi¬ 
zierten Gebieten muss man ihnen bei den hygie¬ 
nischen Massnahmen Beachtung schenken. Die In¬ 
fektion der Katzen erfolgt wahrscheinlich durch 
das Fressen infizierter Ratten und Mäuse. Auch 
im Tierexperimente können sie nur durch Fütte¬ 
rung, nicht durch Impfung infiziert werden. 

Jacob. 

Bahr. Ueber die zur Vertilgung von 
Ratten und Mäusen benutzten Bak¬ 
terien. Ctrbl. f. Bakt., Parasitenkde. und Inf. 
39. Band. Heft 3. 

Ratten sind im allgemeinen ungleich wider¬ 
standsfähiger gegen Bakterieninfektionen als 
Mäuse. Die zur Vertilgung von Ratten und Mäusen 
benutzten Bakterien gehören sämtlich zur Coli- 
Typhusgruppe und erregen Enteriten und Septi- 
kämie. Zur Bekämpfung der Feld-Mäuseplage 
wandte Loeffler bekanntlich in Thessalien den 
bacillus typhi muri um mit gutem Erfolge an. 
Für die graue Hausmaus ist dieser Erreger nicht 
sicher tödlich, unschädlich für die Wald- und 
Brandmaus und für Ratten. Einen gegen Ratten 
sicher wirkenden Mikroorganismen zu finden ist 
auch bisher nicht gelungen, wenn auch verschiedene 
Bakterien mit z. T. gutem Erfolge angewandt wer¬ 
den, so ist der Erfolg doch ein unsicherer. Der 
von Danysy gefundene Bacillus wird durch Mäuse¬ 
passage sehr virulent, verliert aber diese Virulenz 
für Ratten nach einigen Generationen wieder. Mit 
relativ gutem Erfolge ist Issatscheukos Bacillus 
besonders in Russland mit gutem Erfolge zur 
Vertilgung von Ratten verwendet worden. Verf. 
stellte ausser mit den genannten noch mit anderen 
und dem von Neumann aus dem Ham eines Kindes 
isolierten sogen. Ratinbacillus eingehende Unter¬ 
suchungen an, deren Ergebnis ist, dass die Ratten¬ 
bacillen und der Mäusetyphusbacillus sich äusserst 
ähnlich sind und den Paratyphusbacillen nahe 
stehen. Durch Verfütterung der Ratinbacillen wer¬ 
den die Ratten verschiedener Gegenden in ver¬ 
schieden hohem Verhältnis getötet. Auch die 
Mäuse, mit Ausnahme der Waldmaus, sind gegen 
die Ratinbacillen in hohem Grade empfänglich. 
Von anderen Tieren zeigen sich nur junge Saug¬ 
kälber als ziemlich hochgradig empfänglich für 
die Ratinbacillen; sie sterben in 3—5 Tagen unter 
Diarrhöe und Mattigkeit. Profe. 


G. Memmo. La peste equina. (Ann. d’Igiene 
1905. R. i. C. f. Bakt. 37, 1—3.) 

Die Pferdepest ist eine bis jetzt nur in Süd¬ 
afrika bekannte Krankheit, die dort den Namen 
perrezickte (burisch), paar denzickte (holländisch) 
oder horse-sickness trägt. Alle diese Namen be¬ 
sagen zwar nichts weiter als „Pferdekrankheit“, 
doch pflegt man damit eine besondere Art von 
Krankheit zu bezeichnen, die hauptsächlich Pferde 
befällt. 

In der Kolonie Erythraea herrscht unter den 
Pferden eine Krankheit, die dort den Namen „kli¬ 
matischer Typhus“ trägt. 

Verfasser hat dieser Erkrankung besondere 
Aufmerksamkeit zugewandt, nicht nur wegen des 
hohen Schadens, den diese Krankheit während der 
italienischen Feldzüge dort verursachte, sondern 
auch wegen des hohen Wertes, den das Pferd dort 
schon unter normalen Verhältnissen als Transport¬ 
mittel hat. 

Die Untersuchungen hatten vor allem den Ver¬ 
lauf der Krankheit im Auge sowie die durch sie 
verursachten Verletzungen, die Empfindlichkeit 
der verschiedenen Tiere ihr gegenüber und die 
Aetiologie. 

Nach Verfasser wäre die einzig zulässige Hypo¬ 
these über die Aetiologie die, dass die Infektion 
durch blutsaugende Insekten zustande kommt. 
Hält man an dieser Vermutung fest, obgleich bis 
jetzt weder Gattung noch Art dieses Insektes 
bekannt sind, so können nach Verfasser die epi- 
zootischen Betrachtungen eine leichte Erklärung 
finden. Sonach wäre in jedem Jahr, zu jeder 
Jahreszeit und jederzeit, wenn die Pferdepest sich 
einstellt, die Zahl dieser Insekten auf dem Maxi¬ 
mum angelangt, weil - eben die Verhältnisse des 
Milieus und besonders der Feuchtigkeit in den 
infizierten Gegenden ihrem Leben ausserordentlich 
zuträglich wären, wobei sich also einfach derselbe 
Vorgang wiederholte, der sich mit den Zanzaren 
bei der Malaria abspielt und mit den Zecken bei 
der Uebertragung der Piroplasmosen. 

Auch die Therapie und die Prophylaxe werden 
von dem Verfasser eingehend studiert, doch glaubt 
er, dass unter den gegenwärtigen Verhältnissen 
nichts anderes übrig bleibt, als zu den Vorschriften 
der Veterinärpolizei Zuflucht zu nehmen, da eine 
praktische Lösung des Problems noch zu entfernt 
liege, vor allem, weil der Tierorganismus nach dem 
ersten Eingreifen der Krankheit nicht imstande 
ist, eine bleibende oder zum mindesten eine hin¬ 
reichend andauernde Immunität zu erlangen. Es 
müssen also die kranken Tiere, auch wenn es zu 
keiner direkten Ansteckung kommt, in. den bei 
der Krankheit enzootisch befallenen Gegenden von 
den gesunden getrennt werden. Auch dürfen die 
Kadaver nicht auf dem Boden liegen bleiben und 
den Hyänen zum Frasse dienen, sowie den 
Schakalen und Raubvögeln. Die Prophylaxis 
bleibt bei den heutigen Kenntnissen auf das be¬ 
schränkt, was die Erfahrung lehrt: es müssen die 


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Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


3. Jahrgang. 


Tiere während der Nacht vor den Stichen der 
blut saugenden Insekten möglichst geschützt 

werden. Jacob. 

Meiumo, Martoglio, Adani. Infezioni proto- 
zoarie negli animali domestici in 
Eritrea. (An. d’Igiene 1905, 1. R. i. C. f. 
Bakt. 37, 1—3.) 

Die Verfasser kommen zu folgenden Schluss¬ 
sätzen: 

Auch in der Kolonie Erythraea existiert die 
Malaria der Rinder. 

In den Gegenden zwischen der Küste und der 
mittleren Zone scheint sie enzootisch zu herrschen; 
auf der Hochebene dagegen haben die Verfasser 
keinen spontanen Fall der Krankheit getroffen 
und da, wo sie existiert, ist die Infektion latent. 

Die Rinderpest oder die Antipestimpfung 
bringen die latente Infektion zum Vorschein. 

Gleichzeitige Malaria- und Pestinfektion ist 
klinisch schwer nachweisbar, dagegen tritt bei 
Antipestimpfung das Krankheitsbild der Rinder¬ 
malaria typisch zutage. 

Das auf der Hochebene Vorgefundene Piro- 
plasma ähnelt dem bei den Piroplasmosen Europas 
beschriebenen. 

Es ist nicht unwahrscheinlich, dass in dem 
Entwicklungsgang des Piroplasmas eine Paarung 
der ausgewachsenen, birnenförmigen Parasiten 
stattfindet. 

Auch in Erythraea wird die Piroplasmose bei 
Hunden angetroffen. 

Die importierten italienischen Hunde und. die¬ 
jenigen Cassalas sind der Infektion gegenüber am 
empfindlichsten. Der Verlauf und der patho¬ 
logisch-anatomische Befund erinnern bei den 
Hunden von Cassala an die Piroplasmosis der 
Hunde in Südafrika, bei den italienischen Hunden 
dagegen an die Piroplasmosis der Hunde in Frank¬ 
reich. 

Die Erzeugung eines künstlichen Abszesses be¬ 
wirkt bei den erkrankten Hunden Heilung. 

In der Kolonie Erythraea herrschte längs der 
Küste und in der niederen Zone der Sahel eine 
Trypanosomiasis der Rinder. 

Das abessinisclie Schaf und die abessinisc-he 
Ziege sind der pathologischen Einwirkung des 
Trypanosomus der Rinder gegenüber äusserst emp¬ 
findlich; das Pferd und der Esel scheinen weniger 
empfindlich; die Mäuse, Hunde und Affen scheinen 
dafür unempfindlich zu sein. 

Die in den Rindern vorkommende Infektion 
steht der Najana oder Surra sehr nahe. Sie unter¬ 
scheidet sich von ihnen nur durch die Beweg¬ 
lichkeit des Trypanosomas, das Fehlen von 
Oedemen und Hautverletzungen, durch die ner¬ 
vösen Störungen, die die letzte Periode dieser 
Krankheit kennzeichnen, die Empfindlichkeit der 
Schafrassen und die Nichtempfänglichkeit der 
Hunde und Mäuse. 

In einem Rinde wurde ein Sympt omenkomplex 
beobachtet, der wohl „Schlafkrankheit“ genannt 
werden könnte. 


Bei der Autopsie des Tieres wurden zwei er¬ 
weichte Herde in den Stirnlappen angetroffen, die 
von einem Trypanosoma erzeugt worden waren, das 
sich jedoch weder im Blut, noch in den Organen, 
noch in der Cerebralflüssigkeit vorfand. Jacob. 
H. Kanitz : Der Wert der Röntgenbehand¬ 
lung bei Favus. Budapesti Orvosi Ujsag. 1905, 
No. 19. 

Die Vorzüge der Röntgentherapie sind nach den 
Untersuchungen Kanitz’s so augenfällig, dass 
man behaupten kann, dass das Verfahren in der 
Therapie des Favus nicht nur mit Erfolg anzu¬ 
wenden ist, sondern dass es infolge seiner grossen 
Vorzüge über jedes andere Verfahren zu stellen ist. 
Vollständige und endgültige Heilung ohne jede Nach¬ 
behandlung kann mit dem Röntgen-Verfahren erzielt 
werden. Z. 


Immunität und Schutzimpfung. 

F. Löffler. Neues Verfahren zur Gew in- 3 
nung von Antikörpern. D. med. Wochen- ^ 
schrift. 1904, No. 52. R. im Ctbl. f. in. Med. 

Vcrf. ging von der Erfahrung aus, dass Enzyme 
in trockenem Zustande hoch erhitzt werden können, 
ohne dass sie ihre spezifischen Eigenschaften da¬ 
bei verlieren. Er tötete trockene Infektionserreger 
durch Einwirkung trockener Hitze, zerrieb sie und 
injizierte sie Kaninchen. Er fand dann im Serum 
dieser Tiere sowohl Agglutinine wie auch Bak¬ 
terizide und bakteriolytische Antikörper. Ebenso 
trocknete er Material von Geschwülsten (carci- 
nomen), zerrieb sie und injizierte sie und gewann 
ein Serum, das Präeipitine enthielt. Bei der Ver¬ 
wendung dieses Carcinomserums zu therapeutischen 
Zwecken stellte sich heraus, dass infolge der In¬ 
jektion in der Nähe des Tumorgewebes eine leb¬ 
hafte Örtliche und allgemeine Injektion auftrat, 
unter der sich der Allgemeinzustand hob und 
heftige vom Tumor ausgehende Schmerzen für 
einige Tage schwanden, dass aber das Carcinom 
fortschritt. Für die Herstellung präcipitinhaltigen 
Serums für forensische Untersuchungen hat die 
neue Methode den Vorteil, dass Leichenblut für 
Injektionen verwandt werden kann, weil infolge 
der Behandlung Bakterien im Blut abgetötet wer¬ 
den. „Das neue Verfahren stellt eine generelle 
Methode dar, um alle möglichen Substanzen, Mi¬ 
kroorganismen, Organteile von gesunden und 
kranken Individuen, Geschwülste aller Art zur 
Antikörperbildung in bequemster ganz gefahrloser 
Weise zu verwenden. Die trocken erhitzten Ma¬ 
terialien stellen im Exsinator dunkel aufbewahrt, 
Präparate von unbegrenzter Haltbarkeit dar. Sie 
sind abwägbar, also genau dosierbar.“ 

Jacob. 

A. Klein. Ueber Erythropräcipitin und 
andere Immunprodukte einzelner 
Bestandteile des Blutes. Ctbl. f. B. 39, 

3 u. 4. 

1. Nach Immunisierung mit Erytlirocyten- 
extrakt entsteht: Erythropräcipitin (reichlich), 


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Heft 11. 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


257 


Hämolysin und Erythrocytenagglutinin. — Kein 
Serumpräcipitin, kein Stromaagglutinin. 

2. Nach Immunisierung mit zellfreiem Serum 
entsteht: Erythropräcipitin, Serumpräcipitin, Hä¬ 
molysin, Erythrocytenagglutinin. — Kein Stroma¬ 
agglutinin. 

3. Nach Immunisierung mit Stromate ent¬ 
steht: Erythropräcipitin, Hämolysin, Erythro¬ 

cytenagglutinin (reichlich), Stromaagglutiuin. — 
Kein Serumpräcipitin. 

4. Nach Immunisierung mit Erythrocyten ent¬ 
steht: Erythropräcipitin, Hämolysin, Erythro¬ 

cytenagglutinin. — Kein Serumpräcipitin (oder 
doch nur in sehr geringer Menge), kein Stromata¬ 
agglutinin. Nach den entstandenen Immunpro¬ 
dukten geordnet: 

1. Erythropräcipitin entsteht nach Injektion 
aller einzelnen Bestandteile des Blutes, am reich¬ 
lichsten nach Injektion mit Erythrocytenextrakt. 

2. Serumpräcipitin entsteht nur nach Injek¬ 
tion mit Serum. (In sehr geringer Menge auch 
nach Injektion von Erythrocyten.) 

3. Hämolysin entsteht nach Injektion aller 
einzelnen Bestandteile des Blutes. 

4. Erythrocytenagglutinin entsteht nach In¬ 
jektion aller einzelnen Bestandteile des Blutes, 
am wenigsten nach Seruminjektionen. 

5. Stromataagglutinin entsteht nur nach In¬ 
jektion mit Stromata. 

Es lassen sich aus diesen Ergebnissen folgende 
Schlüsse ziehen: 

1. Erythropräcipitin und Serumpräcipitin sind 
nicht identisch. 

2. Beim Extrahieren der Erythrocyten mit 
destilliertem Wasser geht sowohl präcipitinogene 
als auch agglutinogene Substanz in die Lösung 
über (Entstehen von reichlich Erythropräcipitin 
und Agglutinin als Immunprodukte). 

3. In den nach Extraktion mit destilliertem 
Wasser zurückbleibcnden Stromata ist noch immer 
agglutinogene Substanz vorhanden, aber nur wenig 
Präcipitinogcn. (Entstehen von reichlich Agglu¬ 
tinin, aber nur wenig Erythropräcipitin als Im¬ 
munprodukte.) 

4. Auch bei getrennter Immunisierung mit 
Erythrocytenextrakt einerseits und Stromata 
andererseits treten Agglutinin und Hämolysin ge¬ 
meinschaftlich als Immunprodukte auf. 

Jacob. 

Lieber« l T eber die bakterienfeindlichen 
Stoffe des Blutfibrins. (Ztbl. f. Bakt. 
B. 38, 5.) 

Die Untersuchungen des Verf., inwieweit die im 
Blutflbrin enthaltenen bakterienfeindlichen Stoffe 
spezifischen Charakter besitzen, ergaben das Resultat, 
dass nicht nur spezifische, ausschliesslich auf die be¬ 
treffende Infektion einwirkende Agentien, sondern 
auch solche vorhanden sind, die eine allgemein 
schädliche Wirkung auf die Mikroben ausüben. 

Diese äussert sich in Verminderung der Viru¬ 
lenz und Schädigung der Vermehrungsfähigkeit. 
Quantitativ sind Unterschiede vorhanden, die einen 


Fibrinsorten enthalten mehr, die anderen weniger 
bakterizide Stoffe. Aller Wahrscheinlichkeit nach 
hat man es hier mit intrazellulären Stoffen zu tun, 
die teilweise zu den Fermenten gehören, wofür eine 
Reihe von Beobachtungen sprechen. 

Die wenig resistenten Mikroben wurden durch 
die aus Fibrin erhaltenen wässerigen Lösungen in 
kurzer Zeit unschädlich gemacht, für die anderen 
war eine längere Einwirkungszeit nötig, so besonders 
für sporenhaltige Milzbrandbazillen, Vibrio Metech- 
nikowii, Friedländer-Pneumoniebazillen, Bac. pyo- 
cyanens. 

Eine ganze Reihe von Mikroben, zu denen der 
Vibrio cholerae asiat, Bac. typlis. abdomin, diph- 
theriae, Streptokokken verschiedenen Ursprungs ge¬ 
hören und ebenso der Staphylococcus anreus, gehen 
unter Einwirkung sowohl des normalen Fibrins als 
des gegen verschiedene Krankheiten immunisierter 
Tiere gewonnenen, sehr rasch zu Grunde. Ebenso 
ist die Wirkung auf Mischkulturen und Tuberkel¬ 
bazillen. 

Der Wettstreit zwischen den Forschern, die in 
betreff der Frage von den Mitteln, deren sich der 
tierische Organismus zu seinem Schutze gegen Bak¬ 
terien bedient, verschiedene Standpunkte vertreten 
ist noch nicht abgeschlossen. Einige Autoren sind 
der Meinung, dass die in Leukozyten und Serum 
enthaltenen bakteriziden Stoffe nicht identisch sind. 
Die Unterschiede zwischen beiden bestehen nach 
Schattenfroh in folgendem: 

1 . Die bakteriziden Stoffe der Leukozyten sind 
gegen hohe Temperaturen resistenter als die Alexine, 
die bekanntlich schon bei 50—60° zerstört werden 
(für erstere tritt dies erst bei 80—85° ein). 

2 . Beide Stoffe verhalten sich Salzen gegenüber 
verschieden. Der Umstand, ob Salze zugegen sind 
oder nicht, ist für die Aeusserung der den Leuko¬ 
zyten zukommenden bakteriziden Eigenschaften nicht 
von Belang, wohl aber bei den Alexinen. 

3. Die Alexine wirken sowohl bakterizid als 
globulizid, d. h. sie wirken nicht nur auf Bakterien, 
sondern auch auf Erythrozyten ein. Die bakteri¬ 
ziden Stoffe der Leukozyten dagegen vermögen nicht 
die Erythrozyten zu beeinflussen. 

Es konnte bis jetzt nicht nachgowiesen werden, 
dass die bakteriziden Stoffe des Fibrins in diösen 
drei Punkten sich gleich denen der Leukozyten ver¬ 
halten. Das weitere Studium der Frage muss er¬ 
geben, ob hier die Wirkung eines Agens oder die 
Kombination mehrerer vorliegt, ähnlich wie bei den 
Erscheinungen der Immunität, in denen bekanntlich 
die Wechselwirkung oder Kombination zweier Agen¬ 
tien, des thermostabilen Antikörpers resp. Innen¬ 
oder Zwischenkörpers (auch Phylozytase genannt) 
and des thermolabilen Komplements oder Alexins 
erforderlich ist. 

Zur Entscheidung der Frage, ob im Fibrin 
beide Agentien enthalten sind und ob die bakteri¬ 
ziden Stoffe fähig sind, Endotoxine zu paralysieren, 
hat Verf. ebenfalls eine Reihe von Versuchen an¬ 
gestellt, die aber noch nicht abgaschlossen sind. 

Jacob. 


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258 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


3. Jahrgang. 


Theiler. Di e Simultanimpfung gegen 
Rinderpest und ihre Gefahr. Monats¬ 
heft für prakt. Tierheilkde. 16. Band. 4. und 
5. Heft. 

Verf. kommt auf Grund seiner umfangreichen 
praktischen Beobachtungen und Versuche zu der 
Schlussfolgerung, dass die simultane Impfung, mit 
Serum und Virus gegen Rinderpest in einer Gegend, 
wo Texasfieber und andere Blutkrankheiten Vor¬ 
kommen, sehr gefährlich ist, wenn als Virus Blut 
zur Anwendung kommt. In Transvaal gab man auch 
bald die von Rolle und Turner eingeführte Methode 
auf und impfte nur mit Serum. Bei grossen 
Seuchenausbrüchen ist die Impfung mit Galle vor- 
zunehrnen. Profö. 

S. Spangaro. Intorno all’azione batteri- 
cida del sangue puro etc. verso i 1 
b a c i 11 o del carbonichio. (II Morgagni 
1905. Rf. i. C. f. Bakt. 37, 1—3.). 

Verfasser hat Versuche angestellt ül>er die 
streitige Frage der bakterientötenden Wirkung des 
Blutes, des Serums, des Plasmas, indem er die 
bakterientötende Wirkung des ganzen Blutes und 
die seiner Bestandteile, ohne Zutat fremdartiger 
Stoffe, in vitro untersuchte. 

Versuchstier war die Taube, der gewählte 
Bacillus der Milzbrandbacillus. 

Im Gegensatz zu den Resultaten, die mit 
Plasma und Serum anderer Tiere bisher erzielt 
wurden, ist das reine Plasma normaler Tauben 
nicht imstande, eine bestimmte, deutlich ausge¬ 
prägte, bakterientötende Wirkung auszuüben. Ge¬ 
braucht man anstatt des reinen, durch spontane 
Retraktion des geronnenen Teiles gewonnenen 
Serums, das durch Schütteln und Defibrinieren des 
Blutes gewonnene, so wird zuweilen eine leichte, 
bakterientötende Wirkung bemerkt. 

Nach Verlauf der ersten Periode vermehren 
sich jedoch die Bacillen im Plasma und im Serum 
ins Unendliche. 

Zweitens ist die bakterientötenile Wirkung, die 
ein plasmaloses Blut hervorbringt, viel intensiver 
als die durch das volle Blut erzeugte, d. h. durch 
das Blut, das sein Plasma nicht verloren hat. 

Das Verhalten des vollen Blutes, seiner Glo- 
buli (plasmaloses Blut) und seiner flüssigen Teile 
(Plasma oder Serum) ist bei allen normalen Tauben 
nachweisbar, obgleich betreffs Intensität der 
Wirkung erhebliche individuelle Differenzen beob¬ 
achtet werden. 

Venöses Blut zeigt genau dieselbe bakterien¬ 
tötende Wirkung wie arterielles Blut. Verfasser 
hat jedoch keine Beweise dafür, dass venöses Blut 
mehr oder weniger wirksam ist als das Blut der 
Pulsadern. 

Die Prüfungen mit dem Blute immun gemachter 
Tiere ergaben die gleichen Resultate wie bei nor¬ 
malen Tieren. Es ergab sich nämlich eine starke 
bakterielltötende Wirkung des vollen Blutes; noch 
stärker wirkte plasmaloses Blut. Plasma und 
Serum dagegen, die spontan von dem Gerinnsel 


getrennt waren, zeigten keinerlei auffällige, kon¬ 
stante, bakterientötende Wirkungen; beim Plasma 
wurde nur im Anfang eine hemmende Wirkung 
auf die Entwicklung der Bacillen beobachtet, 
eine deutlich ausgeprägte, bakterientötende Aktion 
trat nicht zutage, ein Verhalten, das auch beim 
Plasma normaler Tiere beobachtet wurde. Zwar 
ergab sich zuweilen eine leichte Verminderung in 
der Anzahl der Bacillen, jedoch tritt diese Er¬ 
scheinung innerhalb enger Grenzen und sehr selten 
hervor. 

Das Gesamtergebnis der Versuche ist, dass 
das Blut der Tauben eine bakterientötende Wir¬ 
kung nur ausübt solange es flüssig ist, während 
diese Eigenschaft mit der Coagulation verloren 
geht. Jacob. 

C. O. Jensen. Ueber Kälberruhr und deren 
Verhütung durch Seruminjektionen. 
Zeitschrift für Tiermedizin. Neunter Band. 5. 
und 6. Heft. 

Verf. berichtet über die im Anschluss an seine 
ätiologischen Studien der Kälberruhr vorgenom¬ 
menen therapeutischen Versuche, die sich sämt¬ 
lich als wertlos erwiesen. Auch' die ersten in den 
Jahren 1895—1897 zur Anwendung gelangten 
Seruminjektionen führten zu keinem befriedigen¬ 
den Resultat. Auf Grund seiner weiteren sehr müh¬ 
seligen und exakten Laboratoriums-Versuche ge¬ 
langte Verf. zu einer praktisch immerhin verwert¬ 
baren Impfmethode, wenn letztere allerdings auch 
eine vollkommene insofern nicht darstellt, als in 
einzelnen Beständen die Wirkung des Serums wegen 
der mangelnden oder unzureichenden Polyralenz des 
Serums nahezu ganz ausbleibt. Verf. fasst seine 
bisherigen Ergebnisse dahin zusammen: 

In vielen Beständen, wo die Krankheit ende¬ 
misch und bösartig herrscht, hat die Serumbe¬ 
handlung die Erkrankungen und Todesfälle bis auf 
0 o/o herabgesetzt, selbst wenn die Sterblichkeit 
vorher nahezu 100°/o betrug. In anderen Beständen 
war das Ergebnis weniger befriedigend, indem die 
Sterblichkeit nicht aufhörte, sondern nur etwa von 
70 auf 20 herabgesetzt wurde. Wieder in anderen 
Beständen übte die Serumbehandlung keine nach¬ 
weisbare Wirkung. Trofe. 

Fehsenmeier. Die Impfungen gegen Rot¬ 
lauf der Schweine in Baden 1904. Mit- 
tlgn. des Ver. bad. Trzte. 1905. No. 9. 

Die Impfung gegen den Rotlauf im Jahre 1904 
erstreckte sich in 40 Amtsbezirken auf 9380 Ge¬ 
höfte, in denen innerhalb 4 Wochen vor der Imp¬ 
fung 504 Schweine an Rotlauf erkrankten und 
256 verendeten. Von den in den Gehöften vor¬ 
handenen 29 971 Schweinen wurden 29 166 mit 
Susserin geimpft. 1864 Tiere wurden mit Serum 
allein, die übrigen mit Serum und Kultur zugleich 
geimpft. Die Schutzimpfung gelangte bei 28 669 
Schweinen zur Anwendung, von denen innerhalb 
3 Tagen nach der Impfung 9 (= 0,15 o/ 0 ) erkrank¬ 
ten. Von den nicht geimpften Tieren der Be- 
ständje starben später 63 an Rotlauf. Profe. 


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Heft 11. 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


259 


Holterbach. Dauer der Immunität nach 
überstandener Druse. Mittlgn. des Ver. 
bad. Trzte. 1905. No. 9. 

Die in Deutschland fast allgemeine Auffas¬ 
sung, dass die Tiere nach einmaligem Ueber- 
stehen der Druse für die Lebenszeit oder doch 
wenigstens für mehrere Jahre Immunität erlangen, 
ist nicht zutreffend. Verf. hat Fälle beobachtet, 
in denen dieselben Patienten nach dem Ueber- 
stehen der Krankheit im selben Jahre einer 
frischen Infektion erlagen und eine typische Druse¬ 
erkrankung durchmachten. Profe. 

L. Detre und J. Seile! : Die blutlösende Wir¬ 
kung des Tetanusgiftes. Orvosi Hetilap 
1905. No. 19. 

Die Untersuchungen der Autoren ergaben, dass 
das Sublimat ein beiläufig zwanzigmal so starkes 
Blutgift darstellt, als das zur Verfügung stehende 
Tetanusgift. Auch bereitete es grosse Schwierig¬ 
keiten, dass die Giftlösung sehr labil war und dass 
das Tetanusgift eine ausserordentlich starke Affinität 
an den Blutzellen besitzt. Die Untersuchungen er¬ 
gaben, dass die Schutzwirkung der Lecithine nach 
einiger Zeit in eine blutlösende Wirkung umschlägt. 
Es wurde experimentell nachgewiesen, dass die Kom¬ 
bination der Tetanolysine mit Serum, mit Blutsaft 
oder mit Blutzellenstroma selbst nach längerem Stehen 
nicht stärker wirkt, als das native Gift, ja im Gegen¬ 
teil ganz wirkunglos wird. Z. 

Waele u. Sugg. Experiment. Untersuch¬ 
ungen über die Kuhpockenlymphe. 
Ctbl. f. Bakt. 39, 1 u. 2. 

Verff. kommen zu folgenden Schlussergebnissen: 

1. Die Empfänglichkeit des Kaninchens für 
Vaccine ist grossen individuellen Unterschieden 
unterworfen. Das Kaninchen widersteht grossen 
Dosen des Pockengiftes und reagiert nicht durch 
Eruptionen, aber es geht schliesslich an Cachexie 
zugrunde. 

2. Die Empfänglichkeit der Ziege für Vaccine 
ist viel geringer als diejenige des Kalbes; ferner 
ruft die Entwicklung der Vaccine bei der Ziege 
das Auftreten von agglutinierenden Substanzen nur 
in sehr geringer Quantität in in dem Serum des 
Tieres hervor. 

3. Das Filtrat der Vaccine durch das Chamber- 
land-Filter F ist nicht nur unwirksam bei der 
gewöhnlichen Verimpfung auf ein Kalb, sondern 
dieses Filtrat führt, auch in grosser Menge unter 
(Ke Haut injiziert, keine Immunisierung herbei. 

4. Das 3—7 Tage lange Verweilen von Säckchen, 
die eine kleine Quantität Vaccine enthalten, unter 
der Haut des Kalbes immunisiert dieses gegen eine 
spätere Impfung (in der gewöhnlichen Frist der 
intrakutanen Impfung oder der subkutanen Infek¬ 
tion). Das Vaccinegift muss also Substanzen liefern, 
die auch ohne jeden Druck durch eine Membran 
diffundieren und imstande sind, die Immunität 
hervorzurufen. 

Dieses sehr wichtige Ergebnis lenkt die Auf¬ 
merksamkeit erstens auf die Möglichkeit, ein Tier 


zu immunisieren, ohne es erst im eigentlichen 
Sinne zu infizieren, und zweitens auf die Wichtig¬ 
keit dieser diffundierba^en Substanzen. 

5. Die Substanzen scheinen in gewisser Menge 
in der Oedemflüssigkeit vorhanden zu sein, die 
man bei reichlicher, tiefer Impfung oder bei dicht 
aneinander vorgenommenen subkutanen Injektionen 
erhält. In der Tat führt auch die Injektion dieser 
von ihren Mikroben • befreiten Oedemflüssigkeit zu 
einem geringen Grade der Immunität. 

6. Bei der Kultur der in Schilfsäckchen unter 
die Haut eines Kalbes gebrachten Vaccine erhält 
man konstant eine reichliche Entwicklung von 
Streptokokken neben Staphylokokken und einigen 
andern Bakterienarten. 

Die Streptokokken lassen sich fast alle als 
Streptococcus vaccinalis identifizieren. Diese Kul¬ 
turen sind nicht imstande, die nach der Impfung 
gewöhnlichen Veränderungen der Haut hervorzu¬ 
rufen. Jacob. 

Friedberger und Moresclii. Aktive Immuni' 
sierung von Kaninchen gegen Cho¬ 
lera und Typhus. Ctbl. f. B. 39, 4. 

1. Es gelingt regelmässig beim Kaninchen bei 
Verwendung geeigneter Stämme durch Verimpfung 
von bei 60 0 abgetöteten Cholera- und Typhus¬ 
bacillen in Dosen, die Bruchteile von 1 / 100 Oese 
betragen, hohe baktericide Titre und hohe Agglu¬ 
tinationswerte zu erzielen. 

2. Der gleiche Effekt wird durch trockene 
und auf 120 0 erhitzte Bakterien erzielt. 

3. Auf 150° erhitzte trockene Bakterien zeigen 
eine beträchtliche Verminderung resp. Schwächung 
ihrer Lysinogene und einen anscheinend vollstän¬ 
digen Verlust ihrer Agglutinogene. 

4. Bei Erhitzung der Bakterien in feuchtem 
Zustande auf über 100° werden die lysinogenen 
Gruppen und die agglutinogenen beträchtlich ge¬ 
schädigt. 

5. Bei Abtötung der Cholerabakterien mit 
Chloroform werden die lysinogenen Gruppen nur 
unbedeutend geschädigt, die agglutinogenen inner¬ 
halb der von den Verf. gewählten Versuchsbedin¬ 
gungen unwirksam gemacht. 

6. Dagegen bewirkt die Antolyse von mit 
Chloroformdämpfen behandelten Cholerabakterien 
bei 37 0 eine Wiederzunahme der Wirksamkeit der 
Antigene. 

7. Auf die nach Pfeiffer-Kolle oder nach der 
Methode Löffler bei 120° abgetöteten Bakterien 
hat die Antolyse bei Körpertemperatur bis zu elf 
Tagen keinen deutlichen Einfluss bezüglich der 
Wirksamkeit der Antigene, sicher wird sie nicht 
erhöht. 

8. Bei 100° in Emulsion abgetötete Bakterien 
erfahren durch die Antolyse eine Schädigung ihrer 
Antigene. 

9. Durch mehrmaliges Frierenlassen und 
Wiederauf tauen erfahren bei 60 0 nach Pfeiffer- 
Kolle abgetötete Bakterien keine Veränderung ihrer 
Wirksamkeit für Antikörperproduktion. 


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260 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


3. Jahrgang. 


10. Bei einem Abtötungsmodus der Bakterien, 
der die Antigene schädigt, d. h. also bei Ver¬ 
impfung wenig wirksamer Antigene, ist die Inten¬ 
sität der Antikürperbildung der Menge des Impf¬ 
stoffes proportional. Dagegen bestellt bei Ver¬ 
impfung wirksamer Vaccins innerhalb weiter 
Grenzen keine Proportionalität zwischen Impfstoff¬ 
menge und Höhe der Antikörperproduktion, viel¬ 
mehr sind in der Regel die kleineren Dosen die 
wirksameren. 

11. Die durch einmalige Injektion mini¬ 

maler Bakteriendosen produzierten Antikörper¬ 
mengen verschwinden nur sehr langsam aus dem 
Organismus; sicher sind noch grosse Mengen von 
Antikörpern nach vier, selbst nach fünf Monaten 
nachweisbar. Jacob. 


Allgemeine Bakteriologie, Untersuchungs¬ 
methoden. 

Rolly und Liebermcister. Experimentelle 
Untersuchungen über die Ursachen 
der Abtötung der Bakterien im 
Dünndarm. Deutsch. Archiv, f. klin. Medizin, 
83 Bd., .5. und 6. Heft, 1905. 

Die Ergebnisse der vorliegenden umfangreichen 
Untersuchung sind folgende: 

Der leere Dünndarm vom Kaninchen beherr- 
bergt hur eine verschwindend geringe Anzahl von 
Bakterien, die mit unseren gewöhnlichen Methoden 
nicht nachgewiesen und erst mittels Anreiche¬ 
rungsmethoden usw. wahrgenommen werden kön¬ 
nen. Erst im untersten Teil des Ileums werden 
mehr Bakterien angetroffen. 

In den Dünndarm eingeführte Keime werden 
teilweise daselbst Vernichtet, ein Teil wird mittels 
der Peristaltik fortgeschafft, so dass nach einiger 
Zeit der Dünndarm wieder beinahe steril befunden 
wird. 

Mittels Bewegung von mit Bakterien infizierten 
Nährlösungen konnte kein Einfluss auf das Bak- 
terienvvachstum konstatiert werden. Die Bewegung 
der betreffenden Nährlösungen war in den ver¬ 
schiedenen Versuchen so gross als im Dünndarm, 
in anderen aber bei weitem grösser. 

Die Tatsache, dass bei mangelnder Peristaltik 
im Darm sich so enorm viele Bakterien entwickeln 
können, hängt nicht mit dem Mangel an Bewegung 
des Darminhaltes zusammen, sondern hat ihre 
Ursache in anderen, erst sekundär entstandenen 
und veränderten Wachstumsbedingungen für die 
Bakterien. 

Die Galle, das Pankreassekret, der Darmsaft, 
können weder allein noch vereint eine baktericide 
Tätigkeit entfalten, im Gegenteil stellen diese 
»Sekrete einen guten Nährboden für alle möglichen 
Mikroben dar. 

In abgebundenen und in Ringerscher Lösung 
von 40° gehaltenen, dabei gut beweglichen leeren 
Dünndärmen geht das Wachstum der Dünndarm¬ 
parasiten ungehindert vonstatten. 


Werden dagegen derartige abgebundene Dünn¬ 
darmstücke in der Bauchhöhle bei sonst nor¬ 
malen Bedingungen gehalten, so findet in den 
ersten Stunden nach der Abbindung eine starke 
Wachstumshemmung resp. Abtötung von Bakterien 
statt. 

Diese Versuchsresultate deuten darauf hin, 
dass der lebenden normalen Darmwand eine ge¬ 
wisse Rolle bei der Abtötung der Bakterien zu¬ 
gesprochen werden muss, namentlich auch im 
Hinblick darauf, dass erst dann die Bakterien 
sich rascher vermehrten, wenn die Darmwand 
bereits makroskopisch krankhaft verändert aussah. 

Der bakteriellhemmenden Eähigkeit der nor¬ 
malen lebenden Dünndarmwand kommt allein oder 
im Verein mit dem Pankreas- und Lebersekret die 
gleiche Wirksamkeit zu. 

Die Gallensäuren, die infolge des Salzsäure¬ 
gehaltes des Chymus im Darme frei werden könn¬ 
ten, können ihre antibakterielle Wirkung im 
Darme nicht entfalten, da sie daselbst entweder 
durch Bestandteile des Chymus oder aber durch 
das Alkali des Darmsaftes sofort gebunden werden. 

Da der Chymus im Dünndarm bis zum unteren 
Ileum eine saure Reaktion besitzt, welche durch 
die noch vorhandene Säure des Magensaftes be¬ 
dingt ist, so ist schon aus diesem Grunde eine 
nennenswerte Bakterienvermehrung auch in dem 
mit Chymus angefüllten Dünndarm ausgeschlossen. 

W r ird der Mageninhalt durch Sodaeinführung 
neutralisiert oder alkalisiert, so treten offenbar 
mehr Bakterien in den Dünndarm über. Trotz¬ 
dem besitzt der normale Dünndarm die Fähig¬ 
keit, auch diese grössere Anzahl Bakterien zu 
vernichten und durch die Peristaltik fortzu¬ 
schaffen, so dass er nach einiger Zeit wieder fast 
steril angetroffen wird. 

Wie oben bemerkt, hat Bewegung an sich 
keinen schädlichen Einfluss auf das Bakterien¬ 
wachstum ; die Peristaltik muss jedoch schon im 
Hinblick darauf bakterienhemmend wirken, dass 
die Bakterien infolge der Ortsveränderung ganz 
verschiedene Säure- resp. Alkeleszenzgrade des 
Chymus durchlaufen müssen. Da nun viele Bak¬ 
terien einen ganz verschiedenen Säure- resp. 
Alkalititre des Nährbodens zu ihrem optimalen 
Wachstum benötigen, so können schon wegen des 
schnellen Wechsels der Reaktion des Nährbodens 
die Bakterien ein reichliches Wachstum nicht 
entfalten. 

Bei pathologischen Prozessen, z. B. Stenosen 
des Dünndarms, wird die daselbst herrschende 
saure Reaktion alkalisch, infolgedessen können die 
meisten Bakterien, vor allem die der Fäulnis, sich 
enorm vermehren, eine Folge dieser Vermehrung 
sind giftige Umsetzungen des Chymus, welche die 
Dünndarmwand in Entzündung versetzen, so dass 
das Bakterienwachstum wieder gefördert wird 
usw. 

Da an keiner Stelle des Dünndarms eine Ver¬ 
mehrung der Bakterien unter normalen Verhält¬ 
nissen stattfinden kann, so spielt ein Bakterien- 


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Heft 11. 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


261 


antagonismus daselbst wohl keine Rolle (im Ge¬ 
gensatz zum Dickdarm?). Auch chemischen Ein¬ 
wirkungen der einzelnen Nährungsbestandteile 
auf bestimmte von Bakterien hervorgerufenen 
Zersetzungen und damit Vermehrung dieser Zer¬ 
setzungsbakterien, ist unter normalen Bedingungen 
nur geringe Bedeutung beizumessen. 

Durch eine künstlich erzeugte Schädigung 
der Dünndarmschleimhaut wird eine enorme Bak¬ 
terienvermehrung im gesamten Dünndarm hervor¬ 
gerufen. Diese Wucherung von Mikroorganismen 
tritt sowohl mit als ohne Alkalisierung des 
Mageninhaltes ein, es spielt somit der Säure- resp. 
Alkaligehalt des Chymus bei derselben keine Rolle. 

Wie wir nacljweisen konnten, dass eine nor¬ 
male Dünndarmschleimhaut für die Bakterien¬ 
freiheit des leeren Dünndarms Sorge trägt, indem 
diese die daselbst noch befindlichen Bakterien 
vernichtet, ebenso haben wir den Beweis erbracht, 
dass die entzündete kranke Dünndarmschleimhaut 
dasselbe nicht mehr vermag. Ja, wir sehen sogar, 
dass das infolge der Entzündung in vermehrter 
Menge abgesonderte Dünndarmsekret ein guter 
Nährboden für die daselbst befindlichen Mikroben 
darstellt. Carl. 

Baruchello. Untersuchungen über die 
Darmstreptokokkendes Pferdes. Ctbl. 
f. Bakt. 39, 5. 

Während einer Untersuchung über den Bad. 
coli des Pferdes machte Verf. die Wahrnehmung, 
dass sich auf den Plattenkulturen, die über die 
Fäces eines gesunden Pferdes gestrichen waren, 
stets Streptokokkenkolonien entwickelten. Die 
Schlussfolgerungen jener Arbeit in bezug auf den 
Bac. coli des Pferdes waren folgende: 

1. Der im Darm des Pferdes vorkommende 
Bac. coli unterscheidet sich seinen Charakterzügen 
nach nicht von demjenigen, der sich im Darm 
des Menschen und anderer Tiere findet. 

2. Auch beim Pferde lässt sich der Bac. coli 
an einer einzigen Bakterienform individualisieren, 
sondern man muss die verschiedenen Rassen in 
einer Kategorie, der Coli-Gruppe, vereinigen. 

3. Die Coli- und Coliähnliohen Bacillen, die 
Verf. aus den Fäces des Pferdes isoliert hat, stellen 
eine Reihe dar, die vom Bac. coli communis mit 
seinen genau bestimmten Eigenschaften stufenweise 
hinabsteigt bis zu den Keimen, bei denen die 
meisten Charakterzüge des B. coli negativ sind, 
während demselben nur einige fundamentale Eigen¬ 
tümlichkeiten verbleiben. 

4. Ihrer Häufigkeit wegen verdient eine Bak¬ 
terienform hervorgehoben zu werden, die die Gram- 
sche Färbung nicht annimmt. Da Verf. dieselbe 
sechsmal unter 25 Fäcesproben bei Abwesenheit 
des B. coli gefunden hat, gleichsam als ob sie 
diesen ersetzte, so könnte man, der Morphologie 
und dem Aussehen der Kolonien nach, sowie weil 
sie weder Indol noch Gärung erzeugen, annehmen, 
dass sie dem Bac. equi intestinalis von Dyar und 
Keith entspräche. Jedoch bringt sie keine Milcli- 


gerinnung hervor und entwickelt sich auch 
unter 20 °. 

5. Die Art und Weise der Ernährung kann 
auch beim Pferde bis zu einem gewissen Grade 
die Darmflora verändern. Bei den Pferden, die 
gewöhnlich ihre Streu fressen, zeigt sich eine be¬ 
merkenswerte Wucherung des Bac. col. 

Die geringen Kenntnisse, die über die Strepto¬ 
kokken des Darmes beim Pferde vorliegen, ver- 
anlassten Verf. genaue Untersuchungen über ihr 
Vorkommen in den Fäces des gesunden Pferdes 
anzustellen. Er kam dabei zu folgenden Schluss¬ 
resultaten : 

1. In den Fäces des Pferdes bemerkt man fast 
immer einen sapkophytischen Streptokokkus, der 
sich leicht isolieren lässt vermittels des Platten¬ 
verfahrens, wo er sich durch das Aussehen und 
die Anordnung der äusserst kleinen Kolonien aus¬ 
zeichnet. 

2. Derselbe Streptokokkus kommt auch in 
den Fäces des Esels vor. 

3. Der Darm-Streptokokkus besitzt keine be¬ 
sonderen morphologischen oder kulturellen Eigen¬ 
schaften, um ihn von dem der Drüse der Pferde 
(und ebenso von dem Streptokokkus pyogenes und 
dem der Pleuropulmonitis des Pferdes) zu unter¬ 
scheiden. Die Agglutinationsprobe und die Ent¬ 
wicklung eines jeden der genannten Mikroorga¬ 
nismen in den filtrierten Bouillonkulturen det 
anderen beweisen jedoch, dass ihnen verschiedene 
biologische Eigenschaften zukommen, die sie 
differenzieren. 

4. Dem Intestinal-Streptokokkus des Pferdes 
ist eine pathogene Wirkung eigen, die durch 
weitere Uebertragungen erhöht werden kann. 

ß. Diese Tatsache führt zu der Vermutung 
dass der genannte Streptokokkus ein gewöhnlicher 
und der Regel nach unschädlicher Gast des Pferde¬ 
darmes, unter gewissen Umständen allein oder in 
Verbindung mit dem Bac. coli schädlich werden 
und noch nicht genau definierte Infektionen de/ 
Pferdes hervorrufen können, wie es verschiedene 
Untersuchungen in betreff der Darmstreptokokken 
des Menschen annehmen lassen. Die Kenntnis der¬ 
selben zeigt den Weg zu neuen Untersuchungen 
über die Pathologie des Pferdes. Jacob. 

Foä. Die Agglutinationserscheinung 
bei den begeisselten und geissel- 
freien Mikrob en. Lo Sperimentale Bd. 59, 
H. 3 u. 4. 

Die französischen Forscher Nicolle, Trenel u. a. 
sind der Ansicht, dass das Agglutinationsver- 
mögen der Bakterien ihrer Beweglichkeit pro¬ 
portional ist. Die begeisselten Mikroben sind 
somit stärker agglutinierbar, als die geisselfreien. 
Um diese andererseits lebhaft bestrittene Frage 
zu beantworten, hatte Foä eine Reihe von Ex¬ 
perimenten an Kaninchen durchgeführt, wobei er 
als Forschungsmaterial die Bakterien der Koli- 
gruppe gebrauchte. Diese miteinander verwandte 
Mikroben waren teilweise lebhaft, teilweise träge 


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262 


Fortscii ritte der Veterinär- H yg i e n e. 


3. Jahrgang. 


beweglich, teilweise ganz unbeweglich. Es erwies 
sich, dass wirklich die beweglichen Mikroben 
stärker agglutiniert wurden, aber nicht alle. Auch 
unbewegliche Bakterien vermochten Sera zu pro¬ 
duzieren, durch welche sie leicht zusammengeklebt 
wurden. Ebenso war das Agglutinationsvermögen 
der stark begeisselten Mikroben nicht immer das 
grösste. Warum die begeisselten Bakterien 
übrigens grössere Affinität zu den Agglutininen 
besitzen, ist nicht klar. 

_ Baczynski. 

Parasitologie. 

G. F. Petrie. Beobachtungen über die 
Struktur und die geographische Ver¬ 
breitung einiger Trypanosomen. 
Journ. of Hyg., Vol. V. Ref. im C. f. B. 36 ; 
24—25. 

Verf. untersuchte in England verschiedene 
Tiere auf Trypanosomen; er entdeckte hierbei eine 
neue Art und beschrieb mehrere genauer: 

1. Fledermäuse: Von 8 der Spezies Pipistrellus 
pipristrellus angehörenden Tieren hatten 3 Try¬ 
panosomen im Blut. Diese waren auf Ratten nicht 
übertragbar; auch auf Kulturen gingen sie nicht 
recht an. Sie sind kleiner als Trypanosoma lewisi 
und zeigen, sehr lebhafte Beweglichkeit. Die Länge 
betrug 16 g, wovon 8 g auf die Geissei trafen. 
Auffallend ist die Lage des Macromulens, der sich 
sehr nahe am vorderen Ende befindet und die 
starke Krümmung in Trockenpräparaten. 

2. Kaninchen: Von 230 zahmen Kaninchen 
wurde nur eines, von 40 wilden 4 infiziert ge¬ 
funden. Die Parasiten waren leicht zu züchten; 
sie zeigten grosse Aehnlichkeit mit Trypanosoma 
lewisi. 

3. Ratten: Infiziert waren 30 o/ 0 . Der inter¬ 
essanteste Befund wurde erhoben als 6 junge Ratten 
in einem Nest gefunden wurden. Zwei von ihnen 
enthielten zahlreiche Formen in Teilung und auch 
Anordnung kleiner Trypanosomen zu Rosetten; eine 
Gruppe bestand aus etwa 10 Individuen. Eine 
ähnliche Beobachtung wurde bisher erst einmal 
veröffentlicht. 

4. Maulwürfe: Von 20 beherbergten 6 die 
Parasiten. Diese waren sehr spärlich vorhanden, 
zeigten die Grösse und das Aussehen von Ratten- 
trypanosomen, waren aber auf Ratten nicht über¬ 
tragbar. Diese Art ist noch nicht beschrieben. 

5. Vögel, besonders Schwalben, Amseln, Sper¬ 
linge, Krähen. Im Blut wurden niemals Trypa¬ 
nosomen gefunden, dagegen in 11 von 67 unter¬ 
suchten Fällen im Knochenmark, doch äusserst 
spärlich. Einmal wurde bei einer Schwalbe eine 
Spirochäte im Blut, ein Trypanosoma im Knochen¬ 
mark gefunden. 

6. Fische: In 19 Goldfischen waren ausnahms¬ 
los Trypanosomen vorhanden, doch ebenfalls recht 
spärlich. Ihre Grösse war bedeutend. Bei einem 
Kulturversuch auf Bluteger waren nach 10 Tagen 
eine beträchtliche Menge merkwürdiger, kaul¬ 


quappenähnlicher Formen zu sehen; in den nächsten 
Tagen traten deutliche Anzeichen von Vermehrung 
auf. Weitere Züchtungsversuche missglückten. 

Jacob. 

Gmeiner. Die Sarcoptcsräude der Ka¬ 
ninchen. Archiv f. wissensrh. u. prakt. Tier- 
heilkde. 32. Band. 1. u. 2. Heft. 

Verf. kommt auf Grund seiner Untersuchung -n 
zu folgenden Schlusssätzen: Die Räude befällt vor¬ 
wiegend Nase, Lippen und Stirn, in Ijesonders 
charakteristischer Weise die Augen, deren Um¬ 
gebung graugelbe Krusten aufweist. Beim Men¬ 
schen beobachtet iran geleg ntlicli Ansteckung in 
Form leichter, spontan abheilender Hautaffek¬ 
tionen, auf andere Tierarten findet eine Ueber- 
tragung der Krankheit nicht statt. Isolierte 
Milben bleiben bei Zimmertemperatur, selbst l>ei 
0° C etwa 4 Tage, bei — 7° höchstens 8 Stunden, 
in feuchter Umgebung bei 16—25° C etwa 6 Tage 
lebensfähig. Unter den Antiparasitica nimmt die 
Gruppe der ätherischen Oele in der Behandlung 
der Sarcoptesräude der Kaninchen die erste Stelle 
ein. Als besonders geeignet wurde Oleum Carvi 
zu 5 o/o in Salbenform befunden. 

Profe. 

Smedley. Züchtung von Trypanosomen 
in Reinkultur. Journal of hygiene. Vol. 5. 

Es gelang Verf. zu wiederholten Malen, die 
Trypanosomen Lewise und Brucei künstlich fort¬ 
zuzüchten. Nach seinen Angaben gelang es nament¬ 
lich leicht, den erstgenannten Parasiten auf Ka- 
ninchenblut-Agar bei 20 bis 25 0 und dunkler Auf¬ 
bewahrung zur Entwicklung und Vermehrung zu 
bringen. Die Parasiten zeigten keine Abschwächung 
der Virulenz. Die Züchtung des Trypanosoma Bru¬ 
cei, des Erregers der Tsetsekrankheit, führte nicht 
so regelmässig zu günstigen Resultaten. Unter 
zehn Versuchen fielen nur drei positiv aus. Die 
Parasiten hatten in der Reinkultur ihre Virulenz 
völlig verloren. Profe. 


Verschiedenes. 

Perkuhn. Untersuchungen über Stall¬ 
desinfektion durch Formaldehyd- 
Wasserverdampfung mittels des 
Lingnerschen Apparates. Monatsh. für 
prakt. Tierhlkde. 16. Band. 7. und 8. Heft. 

Die von dem Verf. mit dem Lingnerschen For¬ 
maldehyd-Wasserverdampfer angestellten Versuche 
haben zu folgenden Ergebnissen geführt: Auf 
offen liegende, dem Wasserdampf leicht zugäng¬ 
liche Objekte ist die Wirkung günstig, weniger 
zuverlässig auf in Holzspalten, unter Lohe und 
Strohstreu befindliche Testobjekte. Temperaturen 
unter 5 0 setzen die desinfizierende Kraft herab. 
Genügende Abdichtung des zu desinfizierenden 
Raumes ist von wesentlicher Bedeutung für das 
Gelingen der Desinfektion. Da die Tiefenwirkung 
unzulänglich ist, muss eine vollständige Entfernung 
der Streu und eine sorgfältige Reinigung des Stalles 


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Heft 11. 


Fortschritte der Veterinär-Hygleod. 


263 


von grösseren Eiter-, Blut-, Kotpartikeln der Fonnal- 
dehydverdampfung vorausgehen. Eine erhebliche 
praktische Bedeutung für die Stalldesinfektion ist 
auf Grund dieser Versuche dem Desinfektionsver¬ 
fahren mittels des Lingnerschen Formaldehyd- 
Wasserverdampfers nicht zuzusprechen. 

Profe. 

Magnus Aisleben. Ueber die Giftigkeit des 
normalen Darminhaltes. Beitr. z. ehern. 
Phys. u. Path. VI, 11 u. 12. Ref. in Fortschr. 
d. Med. 

In dem Inhalt des oberen Teiles des Dünn¬ 
darms vom Hunde, sowie in der zugehörigen 
Schleimhaut, findet sich nach der Fütterung von 
Fleisch in der verschiedensten Form, wahrschein¬ 
lich auch nach Zufuhr von Brot, Fett und Stärke¬ 
mehl, anscheinend nicht von Milch und Milch- 
eiweiss, eine giftige Substanz. Sie ruft bei Ka¬ 
ninchen nach intravenöser Injektion in kleinsten 
Mengen allgemeine zentrale Lähmung hervor mit 
darauffolgenden Krämpfen und führt meistens den 
Tod durch Respirationsstillstand herbei. In man¬ 
chen Fällen tritt während der Lähmungsperiode 
rasch Erholung ein und einige Stunden währende 
Immunität gegen weitere Einspritzungen. Die ge¬ 
schilderte Wirkung bleibt aus, wenn man den 
Darminhalt durch Kieselguhr filtriert, mit Natri¬ 
umcarbonat nötigenfalls neutralisiert und durch 
die Leber schickt, indem man die Injektion in 
die Mesenterialvene macht. Es gelang nicht, das 
Gift genauer zu analysieren. Es ist in Wasser 
und verdünnter Kochsalzlösung löslich und wird 
durch Zentrifugieren mit Quarzsand und Kiesel¬ 
guhr nicht niedergerissen. Durch Aufkochen in 
schwach saurer Lösung geht die Giftigkeit der 
Substanz verloren. 

Neben diesem Nervengift (das evtl, von den 
Verdauungssäften, z. B. Trypsin stammen könnte) 
findet sich im Darminhalt (Dünndarm) nach jeder 
Art von Nahrung eine Substanz, die in kleinsten 
Mengen sofort eine ganz steile Blutdrucksenkung 
l>ewirkt, die sich nach höchstens einer Minute 
wieder ausgleicht. Diese Substanz wird durch die 
Leber nicht entgiftet, dagegen wird sie durch 
Kochen in saurer Lösung ebenfalls zerstört. 

Jacob. 

Gründung einer deutschen Gruppe des milch¬ 
wirtschaftlichen Weltverbandes. Der Anteil der 
Aerzte und Volkswirte an der Frage der Ver¬ 
sorgung mit Milch und Meiereierzeugnissen und 
an den dafür grundlegenden milchwirtschaftlichen 
Fragen ist bis auf das Interesse einzelner Forscher 
nicht erheblich, trotzdem die Bekämpfung der un¬ 
geheuren Säuglingssterblichkeit, die Volksgesund¬ 
heitspflege und nicht zuletzt die Volksernährung 
von dem milchwirtschaftlichen Fortschritt zum 
Teil unmittelbar abhängig sind, in jedem Fall 
grossen Vorschub davon zu erwarten haben. In 
letzterer Beziehung sei nur daran erinnert, dass 
aus - der gleichen Menge Nährstoffeinheiten im 
Futter in der Form von Milch, Butter und Käse 


etwa dreimal soviel Nährstoffeinheiten gewonnen 
werden, als in der Form von Fleisch, dass also 
bei vorwiegender Milchnahrung dreimal soviel 
Menschen gegenüber vorwiegender Fleischnahrung 
bei sonst gleicher Urproduktion ernährt werden 
können. i 

Eine grössere Anteilnahme an den milchwirt¬ 
schaftlichen Fortschrittsbestrebungen aus den 
Kreisen der Aerzte und Volkswirte wäre deshalb 
dringend zu wünschen. 

Diese Fortschrittsbestrebungen dürfen nicht 
an der Landesgrenfce Halt machen. Manche der 
gemeinsamen Aufgaben: fachmännische Bildungs¬ 
fragen, Austausch von praktischen Erfahrungen 
und Forschungsergebnissen, Regelung der Handels¬ 
verhältnisse, Bekämpfung von Betrügereien im 
Handelsverkehr und dergleichen machen den Zu¬ 
sammenschluss, den lebendigen Wechselverkehr 
der Fachleute aller Länder wünschenswert. 

Derartige Erwägungen haben* zur Gründung 
eines milchwirtschaftlichen Weltverbandes mit 
dem Sitz in Brüssel geführt, welcher sich zunächst 
die Förderung folgender Aufgaben zum Ziel ge¬ 
steckt hat: ' 

Die Herbeiführung einer einheitlichen Gesetz¬ 
gebung in bezug auf den Gehalt, die Nach¬ 
ahmung und Verfälschung von Meiereierzeug¬ 
nissen, sowie in bezug auf die Gesundheits¬ 
pflege des Milchviehes und in bezug auf den 
Milchviehhandel; 

die Vereinbarung übereinstimmende!* Unter¬ 
suchungsweisen der Molkereierzeugnisse und 
Molkereihilfsstoffe; 

die Vereinbarung übereinstimmender Prüfungs¬ 
weisen milch wirtschaftlicher Geräte und 
Maschinen; 

die Anstellung nach einheitlichem Plan aus¬ 
zuführender Versuche und dergleichen. 

Als Mittel zu dem Zweck sind in Aussicht ge¬ 
nommen : 

Zusammenkünfte der Fachleute aller Länder 
bei länderweisem Wechsel der Zusammen¬ 
kunftsorte und in Verbindung damit milch- 
wirtscliaftliche Weltausstellungen; 

die Ausschreibung wissenschaftlicher, tech¬ 
nischer oder gewerblicher Preisaufgaben; 

die Errichtung von Auskunftsstellen über die 
milchwirtschaftlichen Handelsbewegungen an 
den Haupthandelsplätzen; 

die Herausgabe eines gemeinschaftlichen, 
milchwissenschaftlichen Fachblattes; 

die Einflussnahme auf die Staatsregierungen 
zur Vereinbarung von Schutzbestimmungen 
des Handels und der Gesundheit im Milch¬ 
verkehr. 

Diese Bestrebungen haben eingesetzt mit der 
Veranstaltung eines Kongresses der Milchfach¬ 
leute, der vom 16. bis 19. Oktober d. M. in Paris 
stattfinden wird (die gründende Versammlung fand 
1904 in Brüssel statt) und mit der Abhaltung einer 
Milchausstellung mit internationalem Charakter, 


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264 


Fortschritt* der Veterinär-Hygiene. 


3. Jahrgang. 


welche für Berlin 1907 in Verbindung mit einem 
milchwirtschaftlichen Kongress beschlossen ist. 

Aus der Erwägung, dass die Kräfte der ein¬ 
zelnen, staatlichen Milchwirtschaftsverbände für 
die bezeichneten Aufgaben nicht ausreichend sind, 
hat sich mit dem Sitz in Brüssel der milchwirt¬ 
schaftliche Weltverband und als Geschäftsabtei¬ 
lung des deutschen milchwirtschaftlichen Vereins 
eine deutsche Gruppe dieses Weltverbandes ge¬ 
bildet. 

Je zahlreicher sich die am milchwirtschaft¬ 
lichen Fortschritt interessierten Hygieniker und 
Volkswirte der deutschen Gruppe des Weltver¬ 
bandes anschliessen (Jahresbeitrag 5 Mk.), um so 
weiter kann er seine Ziele stecken, um so nach¬ 
drucksvoller sie betreiben. Kein Beteiligter sollte 
sich ausschliessen. 

Anmeldungen sind an die deutsche Gruppe des 
milchwirtschaftlichen Weltverbandes, Geschäfts¬ 
führer Oekonomierat C. B o y s e n, Hamburg, 
Kampstr. 46, zu richten. 

Hatschek. Neue Theorie der Vererbung. 

Naturforscherversammlung 1905, Meran. Ref. d. 

M. med. Wochenschft. 

Die Vererbungslehre soll die Annahme einer 
eigentlichen Vererbungssubstanz, die aus den 
Determinanten oder Eigenschaftsträgern besteht, 
vermeiden; sie soll epigenetisch sein. Die Funk¬ 
tionsträger müssen im Individuum sukzessive eine 
Entwicklung erfahren. Alle Lebensvorgänge be¬ 
ruhen auf Stoffwechselvorgängen, die an den Bio¬ 
molekülen vor sich gehen. Verf. unterscheidet bei 
diesen zwei Gruppen: Die ergastischen oder Arbeits¬ 
moleküle und die generativen oder Wachstums¬ 
moleküle. Die ergastischen spalten bei den Arbeits¬ 
prozessen Atomgruppen ab und werden durch den 
Assimilationsprozess regeneriert. Beim Wachstums¬ 
prozess dagegen spalten sich die generativen Bio¬ 
moleküle in zwei gleichartige, deren jedes durch 
Regeneration in den Zustand des ursprünglichen 
Moleküls zurückkehrt. Die ergastischen Substanzen 
sind abhängig von den generativen, denn die gene¬ 
rativen Moleküle verwandeln sich in die verschie¬ 
denartigsten ergastischen, die keine unabhängige 
Molekularbewegung besitzen und fortwährend durch 
sogenannte Abnutzung zugrunde gehen, daher durch 
generative Substanz erneuert werden müssen. Die 
generativen Moleküle sind in den Chromosomen 
der Zellkerne enthalten; die ergastischen dagegen 
finden sich vorwiegend im Zellleib. Die Diffe¬ 
renzierung in der Zelle und im Gesamtkörper be¬ 
ruht auf stufenweise und in bestimmter Richtung 
erfolgender Wandlung der ergastischen Moleküle, 
die ursprünglich als primäre ergastische Funk¬ 
tionsträger in der Eizelle enthalten waren. Die 
Abänderungen, Variationen und deren Vererbung 
erklären sich folgendermassen: Im Riesenbau der 
generativen Moleküle müssen mannigfaltige Varia¬ 
tionen Vorkommen, die atomistische Architektur 


wird lokalisierte Veränderungen aufweisen. Da¬ 
durch können die ergastischen Moleküle funktionell 
beeinflusst werden. Umgekehrt besteht auch eine 
Wirkung der ergastischen Substanz auf die gene¬ 
rative ; werden nämlich mehr ergastische Mole¬ 
küle durch die Arbeit der Zelle verbraucht, so 
werden zahlreichere Wachstumsmoleküle in die 
Zelle abgegeben. Der von den arbeitenden Struk¬ 
turen ausgehende chemische Reiz regt auch die 
Nachbarzellen an und zwar denkt sich Verf. die 
Rückwirkung derart, dass von den ergastischen 
Molekülen neben ihren eigentlichen Dissimilations¬ 
produkten auch kleinste Splitter der lebenden Sub¬ 
stanz sich ablösen und als besondere ergatogene 
Moleküle, die wir mit den innern Sekreten und 
den Antitoxinen identifizieren können, in den Zell¬ 
saft und dann in die intrazelluläre Flüssigkeit des 
Körpers übergehen. Diese „Ergatine“ sind es, die 
den chemischen Reiz auf die generativen Sub¬ 
stanzen ausüben, indem sie sowohl in die arbeitende 
Zelle als in die Nachbarzellen und durch die Säfte 
des Körpers auch in die Fortpflanzungszellen 
kommen. Spezifische Ergatine treten zu spezi¬ 
fischen Bezirken der generativen Moleküle in Be¬ 
ziehung, indem sich Aehnliches zu Aehnlichem 
findet. Die spezifischen Wirkungen kommen un¬ 
mittelbar am Individuum selbst zur Entwicklung, 
andere kommen durch die Fortpflanzungszellen 
erst beim nächsten Individuum zur Entwicklung. 
Erst gehäufte funktionelle Wirkung erreicht eine 
Abänderung bei folgenden Generationen. Dies be¬ 
stätigt zum Teil die Lamarcksche Lehre. Durch 
neue Lebensbedingungen wird das Gleichgewicht 
der generativen Moleküle gestört, d. h. indirekt 
durch Vermittlung der Ergatine; ebenso wird es 
gestört durch Vermischung der Individualitäten 
bei der Befruchtung. Jacob. 

Die Führung des an den Universitäten 
Bern und Zürich erworbenen Titels 
eines Dr. med. vet. durch Tierärzte. 

In der 194. Sitzung des Hauses der Abgeord¬ 
neten vom 30. Juli 1905 wurde von den Abge¬ 
ordneten Preussens beschlossen, die Petition des 
praktischen Tierarztes Heinick und Genossen in 
Pudewitz u. a. O. um Erlaubnis zur Führung des 
an den Universitäten Bern und Zürich erworbenen 
Titels eines Dr. medicinae veterinariae durch Tier¬ 
ärzte dem Anträge der Kommission gemäss der 
Königlichen Staatsregierung als Material zu über¬ 
weisen. 

Profe. 

Einsendung von Original - Abhandlungen, 
Büchern, Monographien und Separat-Abdrücken 
wird direkt an den Redakteur, Kreistierarzt Dr. 
O. Prof 6, Cöln a. Rh«, Hansaring 50, oder an die 
Verlagshandlung Louis Marcus, Berlin SW«, 
Tempelhofer Ufer 7, erbeten. 


tTür d. Redaktion verantwortL Kreistierarzt Dr. O. Prof ö, Cöln a. Rh., Hansaring 50. Druck von Pass&Qarleb G rn.b. H., Berlin W 35 
Verlag und Eigentum: Louis Marcus Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 61. 


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Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 

3. JAHRGANG. MARZ 1906. HEFT 12. 


Ueber die mittelst der Agglutination nach¬ 
weisbaren Beziehungen des Streptococcus 
equi zu den vom Menschen stammenden 
Streptokokken. 

Von 

Dr. Bernhard Stolpe, 
approb. Tierarzt aus Wiesbaden. 

Als im Jahre 1888 die bis dahin dunkle 
Aetiologie der Pferdedruse (Coryza contagiosa) 
durch die Isolierung des Streptococcus equi ge¬ 
klärt wurde, erhob sich gleichzeitig die Frage, 
in welchen Beziehungen dieser Mikrobe zu eini¬ 
gen anderen, meist vom Menschen stammenden 
Kettenkokken stände. 

Während diese Frage damals nur eine dok¬ 
trinäre war, beansprucht sie heute, wo man die 
durch Streptokokken verursachten Krankheiten 
mittels spezifischer Sera zu bekämpfen sucht, 
ausserdem noch ein praktisches Interesse. 

Schütz 1 hat sich zuerst mit ihr be¬ 
schäftigt und gefunden, dass der Streptococcus 
equi spezifischer Natur ist. In seiner Abhand¬ 
lung „Der Streptococcus der Druse der Pferde‘‘ 
gibt er dafür folgende Begründung an: 

„Der Coccus der Druse bildet rosenkranz¬ 
artige Ketten, die sich mit den von W e i g e r t 
und Ehrlich angegebenen Farblösungen (z. B. 
.Gentianaviolett, Methylenblau usw.) sehr inten¬ 
siv färben. Sie wachsen nicht in Fleischwasser- 
Pepton-Gelatine, auch nicht in Agar-Agar. In 
Fleischinfusen bilden sie eine flockige, weisse 
Masse am Boden der Gefässe und auf erstarrtem 
Hammelblutserum glasige, durchsichtige Trop¬ 
fen, die sich später vergrössern. Werden sie 
fein auf Serum ausgestrichen, so bilden sie einen 
trockenen, farbenschillernden Ueberzug. Im 
Tropfen am Grunde der Serum- und Agargläser 
bemerkt man kleine, graue Flöckchen. Wenn 
Teilchen einer Serumkultur auf Deckgläschen 
ausgestrichen und gefärbt werden, so sieht man 
um die Kokken einen hellen Hof, der sich bei 
den perlschnurartig angeordneten ohne Unter¬ 
brechung über die Ketten fortsetzt. Er wirkt 
auf Pferde und Mäuse pathogen, ruft an der 


Impfstelle Eiterung hervor und bedingt me- 
tastatische Prozesse auf dem Wege der Lympli- 
und Blutbahn. Die mit Drusekokken geimpften 
Kaninchen, Meerschweinchen und Tauben er¬ 
kranken nicht. 

Die Unterschiede zwischen dem Strepto¬ 
coccus der Druse und den übrigen bekannten, 
pathogenen Streptokokken zeigen sich sofort, 
wenn ich die Eigenschaften der letzteren kurz 
anführe. 

Streptococcus pyogenes wurde zuerst von 
0gs ton nachgewiesen und später von Rosen¬ 
bach, Krause und Passet aus dem Eiter 
des Menschen gezüchtet. Die Kokken haben 
die Neigung, zu Ketten auszuwachsen und in 
rosenkranzähnlichen Verbänden sowohl in der 
Kultur, wie im Gewebe aufzutreten. Sie 
wachsen bei Zimmertemperatur, besser aller¬ 
dings bei höheren Wärmegraden (30—37° C). 
Sie färben sich mit den verschiedensten Anilin¬ 
farbstoffen, wachsen in Gelatine, ohne sie zu 
verflüssigen, auf Agar-Agar, Serum und in 
Fleischinfus. Bei Mäusen tritt nach subkutaner 
Einimpfung geringer Mengen keine Reaktion 
ein, während die Injektion grösserer Mengen 
zuweilen Septikämie und den Tod nach 2 bis 
3 Tagen herbeiführt. Passet dagegen ist der 
Ansicht, dass sie bei Tieren überhaupt keine 
Eiterung hervorrufen und Wyssokowitsch 
will bei gesunden Kaninchen nach intravenöser 
Injektion keine Wirkung, bei Kaninchen jedoch, 
die durch Einspritzung toxischer Substanzen 
geschwächt waren, eine starke Wucherung der 
Kokken und infolgedessen den Tod beobachtet 
haben.‘‘ 

„Streptococcus erysipelatos ist von Fehl- 
eisen ausserhalb des Körpers gezüchtet und 
auf gesunde Menschen, bei denen er ein typi¬ 
sches Erysipel her vor rief, übertragen worden. 
Er wächst zu langen Ketten aus, die sich oft 
vielfach untereinander verschlingen. Weder 
sein Aussehen, noch die Art seines Wachstums 
liefert irgendein charakteristisches Merkmal, 
durch welches er von dem vorhergehenden ge¬ 
schieden werden kann. Subkutane Impfungen 


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3. Jahrgang. 


266 Fortschritte der V 

bei Mäusen bleiben stets ohne Erfolg. Mithin 
besteht nur eine geringfügige Differenz in der 
Wirkung zwischen dem Streptococcus pyogenes 
und. dem Streptococcus erysipelatos, und selbst 
diese stellt Passet in Abrede. 

Nun wächst aber der Drusecoccus in 
Fleischwasser-Pepton-Gelatine nicht. Auch 
kann man sich durch Verimpfung auf Mäuse 
von seiner hochgradig pyogenen Eigenschaft 
leicht überzeugen. In dieser Beziehung hat der 
von Krause entdeckte Mikrococcus und der 
Streptococcus pyogenes malignus von Flügge 
eine gewisse Aehnlichkeit mit dem Drusecoccus. 
Denn Mäuse, welche mit kleinen Mengen der 
Kultur der ersteren subkutan geimpft wurden, 
starben fast ausnahmslos nach 3—5 Tagen; auch 
fand man bei den Mäusen an der Impfstelle 
einen grösseren Eiterherd, ferner Diplokokken 
und kurze Ketten von Kokken im Blut und in 
den Organen, namentlich in der Milz. Trotzdem 
sind die genannten Kokken mit dem Drusecoccus 
nicht identisch, weil erstere abweichend von 
letzterem in Gelatine und auf Agar-Agar ge¬ 
deihen 

Den Beweis für die Spezifizität des Druse- 
streptococcus erblickt Schütz also vor allein 
in dem abweichenden kulturellen und mäuse¬ 
pathogenen Verhalten, Kriterien, die nach 
unseren heutigen Erfahrungen jedoch keines¬ 
wegs mehr als ausschlaggebend in differential- 
diagnostischen Fragen betrachtet werden 
dürfen. 

Wenn auch die Spezifizität eines Mikroben 
naturgemäss zunächst auf die morphologischen 
und physiologischen Eigenschaften gestützt 
wird, so mahnt uns doch die zunehmende Er¬ 
kenntnis von der Variabilität der mikrobischen 
Eigenschaften, derartigen Merkmalen keine ent¬ 
scheidende Bedeutung beizumessen. 

Während man früher die Mikroorganismen 
in ihren Eigenschaften für unveränderlich hielt, 
haben wir neuerdings an zahlreichen Beispielen 
erfahren, dass sie darin — genau wie viele 
höhere Pflanzen — ausserordentlich variieren 
können. Die Gründe für diese Schwankungen 
liegen teils in inneren, bisher noch nicht näher 
erforschten, teils in äusseren Verhältnissen (Ein¬ 
flüsse des Nährbodens). 

Bouillontrübung, Gelatine Verflüssigung, 
Farbstoffbildung u. a. m. sind äusserst wech¬ 
selnde Eigenschaften; von der Veränderung der 


eterinär-Hygiene. 

Formen gar nicht zu reden. Auch die Patho¬ 
genität hat sich schon in vielen Fällen als ein 
unzuverlässiges Artkriterium erwiesen. Erst 
kürzlich warnt von Behring 2 unter Hin¬ 
weis auf die Variabilität des Milzbrandbazillus 
davor, aus verschiedenem kulturellen und tier¬ 
pathogenen Verhalten phylogenetisch zusammen¬ 
gehöriger Bakterien deren Art Verschiedenheit 
zu folgern. 

Das wechselnde Verhalten'vieler Bakterien 
erschwert naturgemäss ihre scharfe Umgren¬ 
zung und damit die Trennung verwandter Arten 
voneinander. So kommt es gar nicht selten 
vor, dass eine Eigenschaft, die wir als typisch 
für eine bestimmte Art zu betrachten gewohnt 
sind, gelegentlich verschwindet oder gar bei 
einer Art auftritt, die uns wegen des Mangels 
dieser Eigenschaft charakteristisch erschien. 

Ein geradezu klassisches Beispiel für die 
Variabilität vieler mikrobischen Eigenschaften 
bieten uns die vom Menschen stammenden 
Streptokokken. 

Lag es schon nahe, diese Mikroben im Hin¬ 
blick auf die Verschiedenartigkeit der durch 
sie hervorgerufenen Krankheitsbilder (lokali¬ 
sierte eitrige Prozesse, Septikämie, Erysipel, 
Angina usw.) für different zu erklären, so 
wurde man darin noch bestärkt, als man ge¬ 
wisse morphologische, kulturelle und tierpatho¬ 
gene Besonderheiten an ihnen wahrgenommen 
zu haben glaubte. An Versuchen, unter Be¬ 
rücksichtigung dieser Eigentümlichkeiten 
System in die Kettenkokken zu bringen, hat 
es denn auch nicht gefehlt. 

So legte von Behring 3 das Hauptge¬ 
wicht auf das Aussehen der Bouillonkultur, 
ob klar oder trüb mit gleichzeitiger Beachtung 
des Bodensatzes. Von diesem Gesichtspunkt c 
aus unterschied er den Streptococcus longus von 
dem Streptococcus brevis. 

Kurth 4 sah neben diesen Formen bei 
Scharlach noch eine knäuelbildende, die er als 
Streptococcus convolutus bezeichnete. Nach ihm 
gibt es kurze saprophytische und kurze viru¬ 
lente, lange avirulente und lange virulente 
Streptokokken. 

Von Lingelsheim 5 dagegen, der die 
vonBehring sehen Versuche fortgesetzt hat, 
behauptet, dass diejenigen Stämme, die unter 
günstigen Wachstumsbedingungen kurzkettig 
sind, sich stets als nvirulent erweisen, während 


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Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


267 


Heft 12. 


die langkettigen Formen einen hohen Grad von 
Virulenz entwickeln können. Zu der letzteren 
Kategorie sollen die meisten der frisch aus 
Eiterungen und Erysipel des Menschen ge¬ 
züchteten Streptokokken gehören. Er muss aber 
zugeben, dass gewisse Aenderungen des Nähr¬ 
bodens die Kettenlänge derart zu beeinflussen 
vermögen, dass aus langkettigen Formen kurz- 
kettige werden und umgekehrt. Auf eiweiss¬ 
reichen Substraten, speziell auf solchen mit 
einem Gehalt von 3—5 o/o Pepton, sah er den 
Streptococcus longus nur in kurzen Ketten auf- 
treten. 

P a n e 6 glaubte die Streptokokken des 
Erysipels von denen der Eiterung lediglich auf 
Grund ihres verschiedenartigen Wachstums auf 
Bouillon unterscheiden zu können. Bei einem 
Traubenzuckergehalt der Bouillon von 0,1 °<> 
und mehr sollen erstere konglomeriert, d. h. 
unter Bildung eines Bodensatzes und Klarlas- 
sung der Nährflüssigkeit wachsen, während die 
Eiterstreptokokken unabhängig vom Glykose- 
gehalt entweder konstant oder niemals trüben. 
Von Lingelsheim 7 bemerkt dazu, dass ein 
stärkerer Glykosegehalt bei allen Strepto¬ 
kokken ein konglomeriertes Wachstum bewirkt. 
Die Ursache hierfür sieht er einesteils in der 
durch den Zuckerzusatz hervorgerufenen Wachs¬ 
tumsbegünstigung, andererseits in der Bil¬ 
dung grosser Säuremengen, die eine Art ag¬ 
glutinierender Wirkung auf die Kokken aus¬ 
üben. 

Wie verfehlt die Versuche sind, nach kul¬ 
turellen Besonderheiten die Provenienz eines 
Streptococcus bestimmen zu wollen, zeigt uns 
recht deutlich die Arbeit von Widal und 
Besangon 8 . An einem Material von 122 ver¬ 
schiedenen Streptokokken wiesen diese beiden 
nach, dass eine Ueberführung der morphologisch 
und kulturell differentesten Arten ineinander 
nach Gestalt, Wachstum und Wirkung mög¬ 
lich ist. 

Schliesslich möchte ich meine eigenen Be¬ 
obachtungen nicht unerwähnt lassen, die sich 
auf ca. 80 Stämme verschiedenster Herkunft 
erstrecken. Gezüchtet wurden dieselben auf 
Pepton-Fleischwasser mit einem Zusatz von 
10 °/o menschlicher Ascites-Flüssigkeit, bezw. 
auf Traubenzucker - Glyzerin - Agar mit dem 
gleichen Ascitesgehalt. Niemals habe ich auf 
diesen Substraten so charakteristische Wachs 


tumserscheinungen beobachtet, dass man auf 
Grund dieser einen Eiterstreptococcus von 
einem Erysipel- oder Anginastreptococcus 
trennen könnte. Kurzkettige Formen gingen 
unter gewissen, nicht näher ermittelten Ver¬ 
hältnissen in langkettige über und umgekehrt. 

Ebensowenig kann ich der von irgendeiner 
Seite aufgestellten Behauptung, dass die von 
Anginen herrührenden Streptokokken nur einen 
zarten Belag auf der Agar-Oberfläche bildeten, 
beipflichten. Ich sah Angina-Streptokokken 
oftmals in dicken Rasen, Eiterstreptokokken 
dagegen andauernd in feinem, schleimartigem 
Ueberzug auf treten. 

Ebenso variabel, wie in ihren morpholo¬ 
gischen und kulturellen Charakteren erwiesen 
sich die Streptokokken auch hinsichtlich ihrer 
Pathogenität. 

Während Fehleisen die von ihm ent¬ 
deckten Erysipel kokken keineswegs mit den bei 
Phlegmonen usw. gefundenen Perlschnurkokken 
identifiziert haben wollte, haben spätere Unter¬ 
sucher gefunden, dass ein von Erysipel stam¬ 
mender Streptococcus bei Tieren sowohl Phleg¬ 
mone, als auch eine Allgemeininfektion hervor¬ 
zurufen vermag. Der Grad der Erkrankung 
(rasch zu Tode führende Sepsis oder lokal¬ 
bleibendes Erysipel, Infiltrat oder chronische 
Allgemeinerkrankung) hängt lediglich von der 
Virulenz und dem Infektionsmodus ab (von 
Lingelsheim). Ich habe diese Beobachtung 
an Kaninchen und Mäusen mehrfach bestätigt 
gefunden. 

Auch beim Menschen können, wie uns 
Petruschky 9 gezeigt hat, pyogene Arten 
typisches Erisipel erzeugen. Ausserdem sind 
die Fälle gar nicht selten, in denen sich un¬ 
mittelbar an ein Erysipel eine Eiterung oder 
gar allgemeine Sepsis anschliesst. 

Auch hat man häufig im Anschluss an 
Anginen eitrige Prozesse (Otitis media usw.) 
und Erysipel sich entwickeln sehen. 

Ob das eine oder andere auf tritt, dafür 
muss, wie von Lingelsheim 7 meint, „neben 
vielleicht uns noch unbekannten Relationen 
zwischen der Disposition des Individuums und 
der Virulenz des Streptococcus wesentlich die 
Beschaffenheit der Eingangspforte (oberfläch¬ 
lich oder tiefer gehend, gross oder klein) an¬ 
gesehen werden.“ 

Damit waren die Versuche, eine systema- 


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268 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


3. Jahrgang. 


tische Artgruppierung der Streptokokken vor¬ 
zunehmen, noch lange nicht erschöpft. Sie alle 
hier zu erwähnen, würde zu weit führen. Jeden¬ 
falls lassen sie sämtlich erkennen, dass eine 
Trennung der Streptokokken nach morpholo¬ 
gischen, kulturellen und pathogenen Gesichts¬ 
punkten nicht durchführbar ist. 

Dies gab denn auch späterhin einer Reihe 
von Forschern Veranlassung, für die Artein¬ 
heit aller von menschlichen Krankheiten (Ery¬ 
sipel, lokale Eiterungen, Sepsis, Puer¬ 
peralfieber, Scharlach, Gelenkrheumatismus- 
Angina usw.) stammenden Streptokokken zu 
plaidieren, eine Auffassung, die besonders durch 
die Untersuchungen Marmoreks 10 und 
Aronsons 11 bestätigt worden ist. 

Ersterer hatte schon in einer früheren Ar¬ 
beit den äusseren Kennzeichen der Strepto¬ 
kokken (Korngrösse, Kettenlänge, Art des 
Wachstums auf Bouillon) jegliche differential- 
diagnostische Bedeutung abgesprochen, da, wie 
sich herausstellte, eine kleine Veränderung in 
der Zusammensetzung des Nährbodens alle 
diese „typischen* 4 Merkmale verschwinden liess. 
Er schlug daher einen anderen Weg zur Lösung 
der Artfrage ein: Er verglich eine Reihe von 
Streptokokken verschiedenster Provenienz nach 
ihren biochemischen Eigenschaften. Als solche 
nennt er in erster Linie: Die in vivo wie in 
vitro vor sich gehende Hämolyse des Kanin¬ 
chenblutes, sowie die Unfähigkeit des Strepto¬ 
coccus, im eigenen Kulturfiltrat zu wachsen. 
Daneben prüfte er noch ein durch Behandlung 
eines Pferdes mit einem Streptokokken-Toxin 
gewonnenes Serum auf seinen Schutzwert an 
Kaninchen, die mit Streptokokken verschieden¬ 
ster Provenienz infiziert worden waren. 

Unter diesen Gesichtspunkten konnte er 
keine absoluten Unterschiede zwischen den vom 
Menschen stammenden Streptokokken finden. 

Zu den gleichen Resultaten kam Aron- 
son, der wieder nach anderen Methoden ar¬ 
beitete. Er zeigte, dass die Immunisierung 
gegen irgendeinen menschlichen Streptokokken- 
Stamm mit dem Serum eines Pferdes gelingt, 
das nur mit einer Sorte behandelt wurde. So 
besass beispielsweise das Serum eines mit einem 
Sepsis-Stamm behandelten Pferdes eine ausge¬ 
sprochene Schutzkraft gegen Scharlach- und 
Anginastreptokokken-Infektionen. 

Als weitere Reaktion benutzte Aronson 


die Agglutination. Hierbei ergab sich, dass 
alle menschlichen Stämme, gleichviel welcher 
Herkunft, in typischer Weise und fast in 
gleicher Intensität von einem aus einem be¬ 
liebigen Stamm hergestellten Serum aggluti- 
niert wurden. 

Die Lösung, welche die lang umstrittene 
Artfrage der vom Menschen stammenden 
Streptokokken nunmehr im Sinne der Artein¬ 
heit gefunden hat, lenkt unsere Blicke von 
neuem auf den Streptococcus equi in seinen 
Beziehungen zu den menschlichen Kettenkok¬ 
ken. Wenn wir die bei den menschlichen 
Streptokokken gemachten Erfahrungen auf den 
ihnen in vielen Beziehungen nahestehenden 
Drusestreptococcus übertragen, so müssen wir 
uns vor allem fragen: Sind wir noch berech¬ 
tigt, den Streptococcus equi wegen seines be¬ 
sonderen kulturellen und tierpathogenen Ver¬ 
haltens für artverschieden von den mensch¬ 
lichen Streptokokken zu erklären? 

Wir dürfen diese Frage erst dann bejahen, 
nachdem sich die Konstanz der von Schütz 
angegebenen Besonderheiten des Streptococcus 
equi ergeben hat. Zu diesem Zwecke müssten 
zahlreiche Drusestämme, sowohl Solche, die aus 
malignen, als auch solche, die aus gelind ver¬ 
laufenen Fällen herrühren, auf ihr kulturelles 
und pathogenes Verhalten geprüft werden. Ins¬ 
besondere wäre festzustellen, ob und in welchem 
Grade äussere Ursachen (Alkaleszenz, Pepton¬ 
gehalt, Art und Alter des Nährbodens) diese 
Eigenschaften zu alterieren vermögen. Bisher 
sind diese Faktoren nicht hinreichend gewür¬ 
digt worden. Wie sehr man sie jedoch bei der 
Differenzierung nahestehender Bakterien be¬ 
achten muss, haben wir bei den menschlichen 
Streptokokken gesehen. 

Der experimentelle Nachweis, ob der Druse¬ 
streptococcus in seinen Eigenschaften konstant 
ist oder nicht, ist mir erspart geblieben, da 
bereits die, wenn auch recht spärliche Literatur 
über diesen Mikroben etliche Beispiele auf¬ 
zählt, aus denen seine Variabilität unzweifel¬ 
haft hervorgeht. 

Während Schütz 1 auf Agar und Gela¬ 
tine kein Wachstum des Streptococcus equi sah, 
beobachteten Sand und Jensen, 12 die sich 
zu gleicher Zeit und unabhängig von Schütz 
mit dem Erreger der Druse beschäftigten, das 
Gegenteil. Sie fanden sogar das Wachstum auf 


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Heft 12. 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


269 


Agar insofern charakteristisch, als Stichkul¬ 
turen auf diesem Substrat „flügelförmige Aus¬ 
läufer“ aufweisen sollten. Allerdings machten 
sie des öfteren die Erfahrung, dass ein Druse¬ 
stamm, der lange Zeit und nach jedesmaliger 
Umimpfung mit „üppiger Flügelbildung“ ge¬ 
diehen war, das Wachstum plötzlich auf gab 
oder äusserst langsam und ohne Oberflächen¬ 
belag und „Flügel“ wuchs. 

Die beiden Autoren führen dieses variable 
Verhalten auf physikalische Einflüsse des 
Nährbodens zurück, ohne jedoch Bestimmteres 
hierüber anzugeben. 

Ich habe auf Agar und Gelatine niemals ein 
Wachstum des Streptococcus equi vermisst. 
Einen besonders günstigen Nährboden stellt der 
Traubenzucker-Glyzerin-Agar (0,5 °/o Kochsalz, 
1 o/o Pepton, 1 o/o Traubenzucker und 3 % 
Glyzerin) für ihn dar. Auf der Oberfläche, im 
Kondenswasser und im Stich gedieh er stets 
üppig, wenn die Uebertragung auf neues Ma¬ 
terial alle 10 Tage erfolgte und die Kulturen, 
nachdem sie 24 Stunden lang bei 37 0 gestanden 
hatten, während der übrigen Zeit auf Eis ge¬ 
halten wurden. Die „flügelförmigen“ Aus¬ 
läufer sah ich nur vereinzelt auftreten. 
Ueberhaupt habe ich keine konstanten charakte¬ 
ristischen Unterschiede zwischen Agar-Kulturen 
des Streptococcus equi und solchen anderer 
Streptokokken feststellen können. 

Wohl beobachtete ich zuweilen auf der 
Agar-Oberfläche von Streptococcus equi-Kul- 
turen graublaue, zuckergussähnliche Rasen in 
Gestalt einzelner oder zu einem dichte :i Be¬ 
lag zusammengeflossener Tröpfchen. 

Die Sterilität des Streptococcus equi auf 
Agar und Gelatine, wie Schütz sie beobachtet 
hat, kommt mithin als Artcharakteristikum 
dieses Mikroben nicht in Betracht. 

Als ein weiteres „typisches“ Merkmal des 
Drusestreptococcus bezeichnet Schütz das 
Verhalten gegenüber dem Mäusekörper: Eitrige 
Infiltration der Subkutis an der Injektionsstelle, 
Metastasen in den inneren Organen. 

Ob diese Erscheinungen jedoch konstante 
sind, ist bis jetzt noch nicht erwiesen. Selbst, 
wenn sie beständig wären, wäre der differential- 
diagnostische Wert dieses Kriteriums ein zwei¬ 
felhafter, da, wie Schütz selbst erwähnt, auch 
noch ein anderer Streptococcus, nämlich der 
Streptococcus pyogenes ir.alignus (Flügge) 


(Synonym für Streptococcus pyogenes (Rosen¬ 
bach) bei Mäusen fast die gleichen patholo¬ 
gischen Veränderungen verursacht, wie der 
Drusestreptococcus. 

Wie sehr übrigens äussere Verhältnisse, 
speziell die Alkalescenz des Nährbodens den 
Streptococcus equi sowohl in seinen Formen, 
als auch in seiner Virulenz beeinflusst, hat 
kürzlich Rahtjen 13 an einer grossen Ver¬ 
suchsreihe gezeigt. In morphologischer Be¬ 
ziehung fand er, dass die Kokken um so kleiner 
wurden, je alkalischer der Nährboden war. Die 
Länge der Ketten verbände war ebenfalls von 
dem Alkalescenzgrad des Nährbodens abhängig, 
indem eine starke Alkalescenz selten Ketten 
von 4 Gliedern, oft nur Diplokokken aufkom- 
men liess. 

Hinsichtlich der Virulenz beobachtete er 
folgendes: Sie erhielt sich relativ gleichmässig, 
wenn er dem Nährboden einen bestimmten Al¬ 
kaligehalt verlieh (auf 10 ccm Nährflüssigkeit 
3 Oesen Normallauge). Eine Aenderung dieses 
Verhältnisses hatte erhebliche Virulenzschwan¬ 
kungen im Gefolge. Ein geringerer Alkaleszenz- 
grad bewirkte üppiges Wachstum der Ketten 
und baldige Abnahme der Virulenz, ein stär¬ 
kerer dagegen langsames Wachstum der Kokken 
und allmählichen Verlust der Virulenz. 

Auch der Peptongehalt ist auf das 
Bouillon-Wachstum und damit auf die Ketten¬ 
länge von Einfluss. 

Diese zuerst von von Lingelsheim 7 
an den menschenpathogenen Streptokokken ge¬ 
machte Beobachtung, kann ich, wenn auch 
nicht generell, für den Drusestreptococcus be¬ 
stätigen. Auf 4 o/o und 5 °/o Peptonbouillon sah 
ich zuweilen diffuses Wachstum, während die 
Kontrollen auf 1, 2 und 3 °/o Bouillon stets 
konglomeriert wuchsen. 

Wir sehen also: Der Streptococcus equi 
variiert in seinen Eigenschaften ganz erheb¬ 
lich. Es kommen hier genau dieselben äusseren 
und inneren Verhältnisse in Frage, wie wir 
sie bei den vom Menschen stammenden Strepto¬ 
kokken bereits kennen gelernt haben. Der 
Nährboden allein vermag einen Drusestamm 
so zu verändern, dass er sich schliesslich in 
nichts von einem Streptokokken-Stamm mensch¬ 
licher Provenienz unterscheidet. 

Es ist daher sehr verfehlt, aus gewissen 
kulturellen und tierpathogenen Eigentümlich- 


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270 Fortschritte der 


keiten des Drusestreptococcus dessen Spezifizi- 
tät zu folgern. Die Entscheidung darüber, ob 
der Streptococcus equi von den vom Menschen 
stammenden Kettenkokken artverschieden oder 
ob er arteins mit ihnen ist, müssen wir vielmehr 
exakteren Hilfsmitteln überlassen. Ich habe da¬ 
her versucht, unter Zugrundelegung der Ag¬ 
glutinationsmethode Klarheit in die Beziehun¬ 
gen des Drusestreptococcus zu den von Krank¬ 
heitsprozessen des Menschen herrührenden 
Streptokokken zu bringen. 

Die Schwierigkeiten, die sich der Diffe¬ 
renzierung nahe verwandter Bakterien mittels 
der althergebrachten Methoden (Kulturver¬ 
fahren, Färbemethoden, Tierversuch usw.) oft¬ 
mals entgegenstellen, Hessen frühzeitig den 
Wunsch nach der Auffindung zuverlässigerer 
Hilfsmittel aufkommen. Die Aufmerksamkeit 
der Forscher lenkte sich auf die bei der künst¬ 
lichen Immunisierung entstehenden spezifischen 
Stoffe, insbesondere auf die Agglutinine. 

Schon im normalen Serum sind bekanntlich 
Agglutinine enthalten, die dieses bis zu einem 
gewissen Grade befähigen, in homogener Sus¬ 
pension befindliche Bakterien zu Häufchen zu¬ 
sammenzuballen, zu agglutinieren. Bei beweg¬ 
lichen Mikroben kann man nach dem Aggluti¬ 
nationsakt stets eine Immobilisierung beob¬ 
achten. In weit höherem Masse ist das Agglu¬ 
tinationsvermögen bei den Immunseris ausge¬ 
prägt und zwar richtet es sich hier in ganz 
spezifischer Weise gegen die Bakterienart, die 
zur Herstellung des Serums benutzt wurde. 
Ein allgemeines Beispiel möge dies erläutern: 
Das Serum eines gegen den Bacillus A immuni¬ 
sierten Tieres erlangt ein spezifisches Agglu¬ 
tinationsvermögen gegen diesen. Mikroorganis¬ 
men, die mehr oder weniger die Merkmale des 
Bacillus A tragen, werden im allgemeinen nicht j 
agglutiniert. Sie können zwar sowohl von dem j 
A-Serum, als auch von normalem Serum be- | 
einflusst werden, jedoch nicht in dem Grade, wie 
der Bacillus A. 

Diese Eigenschaft spezifischer Sera ist es, 
deren man sich neuerdings mit grossem Erfolg 
bei der Bakteriendifferenzierung bedient. 

Um Aufschluss zu bekommen über die phy¬ 
logenetischen Beziehungen zweier Bakterien¬ 
arten, die in ihren Eigenschaften gewisse Ueber- 
einstimmungen zeigen, verfährt man in folgen¬ 
der W eise: Ein Tier wird gegen den Bacillus A, 


Veterinär-Hygiene. 3. Jahrgang. 

| ein anderes gegen den Bacillus B immunisiert. 
Das A-Serum agglutiniert nun besonders hoch, 
d. h. noch in starken Verdünnungen alle Ver¬ 
treter der A-Art, während das B-Serum eine 
besondere Affinität zu allen B-Stämmen besitzt. 
Für beide Sera stellt man den Agglutinations¬ 
grenzwert fest. Nun prüft man die Agglutina¬ 
tionskraft des A-Serums gegen eine Reihe von 
B-Stämmen und umgekehrt die des B-Serums 
gegen eine Anzahl A-Stämme. Zuvor hat man 
noch festzustellen, ob und wie hoch die beiden 
Arten A und B von normalem Serum derselben 
Tierart agglutinativ beeinflusst werden. Der 
Grad der Verwandtschaft, der zwischen beiden 
Arten besteht, lässt sich vergleichsweise aus 
der Höhe der einzelnen Agglutinationstitres be¬ 
stimmen. 

In so idealer Weise, wie es uns dieses all¬ 
gemeine Beispiel zeigt, vollzieht sich die Ag¬ 
glutination der Bakterien nicht immer. Durch 
die Literatur sind auch schon einige Fälle be¬ 
kannt geworden, in denen die Agglutinations¬ 
methode versagte. So erfahren wir durch 
Sobernheim, 14 „dass die Agglutination der 
Milzbrandbazillen sich unter dem Einfluss des 
Immunserums keineswegs regelmässig vollzieht, 
andererseits aber oft genug auch durch normales 
Serum der entsprechenden Tierart in völlig 
gleicher Weise und Intensität hervorgerufen 
wird.' 4 

Ferner ist neuerdings von verschiedenen 
Seiten mitgeteilt worden, dass Typhusbazillen 
unter Umständen ihre Agglutinabilität Typhus¬ 
serum gegenüber vollständig einbüssen können 
(sogenannte agglutininimmune Stämme). Doch 
scheint es, dass man durch geeignete Behand¬ 
lungsmethoden diese Stämme wieder agglutinin- 
empfindHch machen kann. 

Diese, zu den Ausnahmen gehörende Fälle 
können natürlich den Wert der Agglutinations¬ 
methode nicht sonderlich beeinträchtigen. 
Wassermann 15 nennt sie eine zuverlässige 
Identifizierungsmethode, die aber nur einwands¬ 
freie Resultate liefere „bei sachverständiger 
Ausführung unter genauer Kenntnis der mög¬ 
lichen Fehlerquellen 4 *. (Alter und Virulenz der 
Kultur, Alkaleszenz des Nährbodens, auf dem 
die zu prüfenden Bakterien gewachsen sind, 
Alter und Höhe des Serums, verschiedene Ag- 
glutinabilität, Grad derSerumverdünnung usw.) 
Gruber und Durham 16 waren die 


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Heft 12. 


271 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 

ersten, welche die Agglutinationsmethode zur noch als eine offene Frage betrachtet wird, so 

Differenzierung von Bakterien benutzten. Zwar muss man doch, wenn man nach dem Vorgänge 

war es schon vor diesen beiden Charrinund Wassermanns 21 für die Auffassung dieses 

Roger 17 aufgefallen, dass das Serum eines Vorgangs die Ehrlichsche Seitenketten- 

künstlich immunisierten Tieres die Bakterien, theorie zugrunde legt, der Ansicht derjenigen 

gegen die es immunisiert worden ist, zu Häuf- Autoren zustimmen, welche die Agglutination 

chen zusammenballt, eine Beobachtung, die von zur Immunisierung in Beziehung bringen. 

Metschnikoff 18 für den Vibrio M e t s e h - Nach der Ehrlich sehen Seitenketten 

n i k o f f , von Pfeiffer 19 und später von Theorie muss jede Substanz, welche beim Immu- 

Bord et 20 lür den Choleravibrio bestätigt nisierungs Vorgang das Auftreten spezifischer 

wurde . Auf die praktische '\ erwertbarkeit Körper im Serum bewirkt, spezifische Bindungs- 

dieses Phänomens, das G r u b e r mit dem Namen gruppen besitzen; umgekehrt muss der neuge 

..Agglutination* belegte, jedoch zuerst hinge- bildete spezifische Körper die spezifische Gegen¬ 
wiesen zu haben, ist das Verdienst dieses For- gruppe aufweisen. „Diese bindende (hapto- 

schers und seines Mitarbeiters Durham. In phore) Gruppe,sagt W assermann weiter, 

einer im «Jahre 1896 erschienenen Abhandlung n i s t das Unentbehrliche für die Möglichkeit der 

bezeichneten sie das Agglutinationsphänomen Immunisierung gegen jede Substanz. Handelt 

als „eine neue Methode zur raschen Erke inung es s i c h dabei um Substanzen, welche besondere 

des Choleravibrio und des Typhusbazillus. ‘ biologische oder pathologische Funktionen aus- 

Sie wiesen darin nach, dass ein Typhus-Immun- ü b en können, also z. B. um Gifte, Fermente, 

serum den Typhusbazillus in weit höheren Ver- Koaguline, so ist die Gruppe, welche die Träge¬ 
dünnungen agglutiniert, als das ihm in vielen rin dieser Funktion z. B. der Giftigkeit ist, ver- 

Beziehungen nahestehende Bact. coli. Mittels sc hieden von der bindenden. Nach dieser An 

eines Cholera-Immunserums konnten sie in ana- schaumig musste demnach ein Agglutinin zwei 
loger TV eise den Choleravibrio deutlich von den Gruppen, eine haptophore und eine funktionelle, 
choleraähnlichen Bakterien abtrennen. welch letztere die sichtbare Verklumpung be- 

Kurze Zeit darnach fand Wid a 1, dass das sorgt, enthalten.“ Das Vorhandensein solcher 
Blut eines an Typhus abdominalis erkrankten Gruppen ist nun tatsächlich durch exakte Ver 
Menschen selbst im Beginn der Infektion stark j suche nachgewiesen worden, 
agglutinierend auf Typhusbazillen wirkt. Auf j Bordet 22 übertrug die Ehrlich - Mor 
diese Beobachtung gründet sich die klinische genroth sehen Bindungsversuche zwischen 
Form der Serodiagnostik, d. i. die Erkennung Zelle und spezifischem Immunkörper auf die 
menschlicher und tierischer Infektionskrank- Agglutinine. Er versetzte agglutinierendes Se¬ 
rum mit den zugehörigen Zellen (Bakterien) 
und zentrifugierte dieses Gemisch. Das Serum 
hat nun seine Agglutinationskraft verloren. Die 
Zellen haben also dem Serum das Agglutinin 
entzogen und sich damit beladen. Es besteht 
also zwischen dem im Serum enthaltenen Ag¬ 
glutinin und der in der zugehörigen Zelle (hier 
Bakterium) befindlichen agglutinierbaren Sub 
Gleichzeitig hatten diese Entdeckungen stanz eine spezifische Bindungsavidität (W a s - 
aber auch eine lebhafte Kontroverse über den sermann). 

Wert des serodiagnostischen Verfahrens hervor- Neben dieser haptophoren konnte auch 

gerufen. Vor allem gingen die Ansichten über noch die Existenz einer funktionellen Gruppe 
die biologische Bedeutung der Agglutinations- einwandsfrei nachgewiesen werden. Bail 23 
Reaktion noch sehr auseinander. Die einen fand, dass das Agglutinin inaktiviert werden 

hielten sie • für eine Reaktion der Infektion. kann. Die funktionelle Gruppe wird zerstört, 

Andere wieder betrachteten sie als einen Aus- nur die bindende bleibt bestehen, 
druck der Immunität. Wenn auch die Erklä- Sehr eingehend haben sich Eisenberg 

rung des Agglutinations Vorganges von vielen und Volk 04 mit d*'m Mechanismus des Agglu 


heilen in vitro, mittels Serum und Kultur. 

Den Entdeckungen G r u b e r s und Dur- 
h a m s und W i d a 1 s folgten bald eine Reihe 
von Untersuchungen auf diesem neuen Gebiet, 
insbesondere aber über die Frage, ob sich wohl 
analoge Verhältnisse bei den übrigen Infek¬ 
tionskrankheiten des Menschen und der Tiere 
vorfänden. 


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Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


3. Jahrgang. 


272 


tinationsvorganges beschäftigt. Sie konnten an 
der agglutinierbaren Substanz der Bakterien 
zwei Gruppen unterscheiden, eine stabilere 
haptophore und eine labilere agglutinophore 
Gruppe, desgl. an der agglutinierenden Substanz 
des Serums eine stabilere Bindungsgruppe und 
eine labilere fällbare Gruppe. Der Nachweis 
beider geschah durch folgendes Experiment: 
Agglutinierendes Serum wurde auf 65 0 erwärmt 
oder mit 1/4 Normal-Salzsäure ää versetzt. Das 
Agglutinin dieses Serums wurde durch die betr. 
Bakterien noch gebunden — ein Beweis für die 
Erhaltung der haptophören Gruppe. Aggluti- 
niert wurden die Bakterien aber nicht mehr, 
da die agglutinophore Gruppe des Serums in¬ 
folge der Erhitzung bezw. der Salzsäure zer¬ 
stört worden war. Blieben die Bakterien nun 
längere Zeit in diesem inaktivierten Serum, 
und wurden dann mit unverändertem agglutina¬ 
tionskräftigem Immunserum versetzt, so trat 
dennoch keine Agglutination ein, weil die bin¬ 
dende Gruppe der Bakterien schon von der bin¬ 
denden Gruppe des inaktivierten Serums in Be¬ 
sitz genommen worden war. 

Abgesehen von diesen überzeugenden La¬ 
boratoriumsversuchen kommen bei der Bewer¬ 
tung der Agglutinationsmethode vor allem die 
praktischen Erfahrungen, die man mit ihr ge¬ 
macht hat, in Betracht. Eine gewaltige, nahe¬ 
zu unübersichtlich gewordene Literatur gibt 
uns darüber Auskunft. Die Mehrzahl der Ar¬ 
beiten behandelt die klinische Anwendungsform 
des Agglutinationsphänomens. 

Die Erfolge, die man damit in der Human- 
Medizin erzielt hat, sind teils gute, teils un- | 
befriedigende. Zur Sicherung der Diagnose des 
Typhus abdominalis, der bazillären Ruhr, der 
Pest und Cholera hat sich die Agglutinations- 
Methode geradezu unentbehrlich gemacht, wäh¬ 
rend man beispielsweise bei der anfänglich viel- 
verheissenden Serumdiagnose der Tuberkulose 
Enttäuschungen erlebte. 

In der Veterinär-Medizin hat man die Ag¬ 
glutinationsmethode ebenfalls frühzeitig zu 
diagnostischen Zwecken verwertet. Besonders 
war es die Serumdiagnose des Rotzes, mit der 
man sich eingehend beschäftigte. Wladimi- 
r o f f 25 macht hierüber folgende Angaben: 
„Zum Schluss sei noch erwähnt, dass seit dem 
Jahre 1896 die Arbeiten über Agglutination der 
Rotzbakterien begonnen haben. Während in 


England Mac. Fadyean (1896) an dem 
Blute eines rotzigen Pferdes und Fouler- 
ton (1897) an dem Blute eines an Rotz er¬ 
krankten Menschen das Agglutinationsver¬ 
mögen qualitativ prüften, stellte in Russland 
Wladimiroff (1897) gleichzeitig die Gren¬ 
zen der agglutinierenden Fähigkeit des Blutes 
von gesunden und rotzkranken Tieren fest. Ob¬ 
wohl der graduelle Unterschied, wie zahlreiche 
spätere Arbeiten bestätigt haben, sich als ge¬ 
nügend gross erwiesen hat, um als Grundlage 
für die • Serumdiagnose des Rotzes dienen zu 
können, so bleibt in Anbetracht der technischen 
Unbeholfenheit dieser Methode doch abzuwar¬ 
ten, ob sie jemals praktische Bedeutung ge¬ 
winnen wird.“ 

Afanassieff 26 stellte Untersuchungen 
über die agglutinierende Wirkung normalen 
Serums und des Serums rotzkranker Pferde 
gegenüber Rotzkulturen an. Während ersteres 
nur einen Agglutinationswert von 1 / 400 besass, 
rief letzteres noch im Mischungsverhältnis von 
1:1600 den gleichen Effekt hervor. 

Jensen*, 27 der sich ebenfalls eingehend 
mit der Serumdiagnose des Rotzes beschäftigte, 
misst dieser einen höheren Wert bei wie der 
Malleinprobe. Die Untersuchungstechnik dieses 
Autors gibt Jess in seinem „Kompendium der 
Bakteriologie und Blutserumtherapie“ wie 
folgt an: „Aus der Vena jugularis des rotz- % 
verdächtigen Pferdes wird mittels Kanüle eine 
kleine Menge Blut entnommen und das Serum 
abstehen gelassen. Gleichzeitig stellt man eine 
Reihe von Bouillonröhrchen ä 2 ccm Inhalt, 
nach Infektion mit Rotzbazillen, 2 Tage bei 
37° in den Brutschrank. Von dem abgesetzten 
Serum fügt man nun zu den gleichmässig trüben 
Rotzkulturen 0,1, 0,02 und 0,04 Serum hinzu 
und lässt bei Zimmertemperatur stehen, eine 
Anzahl Rotzkulturen bleiben ohne Zusatz als 
Kontrollröhrchen. Dann tritt in dem Falle, dass 
das Pferd rotzkrank ist, das Agglutinations¬ 
phänomen ein.“ 

Ganz einwandsfrei ist meines Erachtens 
diese Art der Prüfung nun gerade nicht. Denn 
der Zusatz von 0,02 Serum (dies ist die mini¬ 
malste von J e n s e n zugesetzte Menge!) zu 
2,0 Kultur würde erst ein Mischungsverhält¬ 
nis von 1:100bedeuten, während von|Aianas- 
s i e f f für normales Serum bereits ein Agglu- 
linalionstitre von 1:400 festgestellt wurde. 


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Heft 12. 


273 


Fortschritte der 


Um einwandsfreie Resultate zu erhalten, 
wäre es daher notwendig, die zu verwendende 
Kultur zunächst auf ihre Agglutinabilität ver¬ 
schiedenen normalen Seris gegenüber zu prüfen. 
Als rotzverdächtig bezw. rotzkrank könnten 
dann nur die Tiere gelten, deren Serum einen 
erheblich stärkeren Agglutinationswert auf¬ 
weist, als das stärkste noch agglutinierende 
Normal serum. 

Es seien noch kurz die Ergebnisse über die 
Anwendung des serodiagnostischen Verfahrens 
bei anderen tierischen Infektionskrankheiten er¬ 
wähnt. 

Ostertag* 8 beobachtete nach Einwir¬ 
kung des Serums schweineseuchekranker 
Schweine auf Kulturen des Bac. suisepticus 
deutliche Agglutination. 

Derselbe und Dürbeck 29 konstatier¬ 
ten eine agglutinierende Wirkung des Serums 
pestkranker Schweine gegenüber Suipestifer- 
Kulturen. 

Zschokke 30 fand, dass das Blutserum 
einer seit Va Jahre am „gelben Galt“ (Agalaktia 
contagiosa) erkrankten Kuh auf Kulturen der 
diese Krankheit erregenden Streptokokken 
stark agglutinierend wirkte. 

Trotz dieser Erfolge ist es zu einer prak¬ 
tischen Anwendung des serodiagnostischen Ver¬ 
fahrens, etwa in dem Mavsse wie die Gruber- 
W i d a 1 sehe Reaktion zur Diagnose des 
Typhus abdominalis beim Menschen, in der 
Veterinär-Medizin nicht gekommen. Den Grund 
hierfür sieht Kitt 31 lediglich in der „Um¬ 
ständlichkeit des ganzen Verfahrens“. 

Während das Agglutinationsphänomen in 
der Hand des Klinikers immer nur eine eng 
begrenzte Anwendung erfährt, ist seine Ver¬ 
wertung als Bakteriendifferenzierungsmittel 
eine weit vielseitigere. 

Als Diagnostikum von Infektionskrank¬ 
heiten wird es sich nur dann mit Erfolg ver¬ 
wenden lassen, wenn das Blutserum des spontan 
infizierten Individuums eine genügende Agglu¬ 
tinationskraft entfaltet. Wie sehr diese aber 
im Verlaufe der Krankheit schwankt, ist durch 
diesbezügliche Untersuchungen, besonders an 
dem Serum Typhuskranker mehrfach erwiesen. 

Wollen wir dagegen die Agglutinations¬ 
methode zur Differenzierung verwandter Bak¬ 
terien benutzen, so haben wir es in der Hand, 
durch Auswahl geeigneter, nach einem bestimm- 


Veterinär- Hygiene. 

ten Schema zu immunisierender Versuchstiere 
ein hochagglutinierendes Serum zu bekommen. 
Aus der Fülle der Arbeiten, die sich 
mit der Differenzierung nahestehender Bak¬ 
terien mittels der Agglutination beschäftigen, 
führe ich nur einige von ganz besonderem Inter¬ 
esse an: 

Kleine 32 fand bei seinen Versuchen, den 
Rotzbazillus durch Züchtung bei hohen Tem¬ 
peraturen seiner Virulenz zu berauben, dass 
ein älterer Stamm, der mikroskopisch das Bild 
des echten Bac. mallei zeigte und als solcher 
auch in der betr. Instituts-Sammlung geführt 
wurde, sich auffallend veränderte, sobald er 
nur 3 Stunden lang einer Temperatur von 
50° C ausgesetzt und dann übergeimpft wurde. 
Die Stäbchen erwiesen sich nämlich als etwas 
grösser und dicker wie gewöhnliche Rotz¬ 
bazillen ; ausserdem wurde Sporenbildung an 
ihnen beobachtet. Bei Meerschweinchen traten 
nach intraperitonealer Injektion grosser Kultur¬ 
mengen keine Krankheitserscheinungen auf. 
Wenn auch das Verhalten dieser Kultur mit 
einem von Preusse 33 •beobachteten Fall eine 
auffallende Uebereijistimmung zeigte, so war 
doch der Verdacht, dass hier eine Verunreini¬ 
gung vorliege, wohl begründet. Denn erstens 
wissen wir heute, dass der Bac. mallei asporogen 
ist. Ausserdem traten bei einem anderen Rotz¬ 
stamm, der dauernd bei 42 0 C gehalten wurde, 
jene Veränderungen nicht ein. Zur Entschei¬ 
dung der Identitätsfrage benutzte Kleine die 
Agglutinationsmethode. Eine geeignete Agglu¬ 
tinationsflüssigkeit erhielt er durch Abschwem¬ 
men abgetöteter Agar Kulturen mittels Phenol- 
Kochsalzlösung. Die so entstandene schwach- 
milchige Flüssigkeit wurde zur Befreiung von 
gröberen Partikelchen durch ein dünnes Filter 
gegossen; damit war sie gebrauchsfertig. 

Ein spezifisches Serum gewann der Autor 
von Ziegen und Eseln, denen er zunächst die 
Aufschwemmung einer abgetöteten Agar-Kul¬ 
tur intravenös injizierte; nach Verlauf von 
8 Tagen erhielt das betr. Tier nochmals die 
gleiche Dosis. Nach weiteren 8 Tagen erfolgte 
die Blutentnahme. Das Serum agglutinierte 
Rotzbazillen noch in einer Verdünnung von 
1 : 3000. Ein Ziegenserum hatte sogar den Titre 
1 :20 000. Das Ergebnis der vergleichenden 
Prüfung war folgendes: Das Rotzserum agglu- 
tiniertc nicht im mindesten die verdächtigen 


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3. Jahrgang 


274 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


Bazillen. Umgekehrt blieben echte Rotzbazillen 
unbeeinflusst von dem Serum eines Kaninchens, 
das mit dem „abgeschwächten“ Stamm behan¬ 
delt worden war. Kleine hält daher diesen 
Stamm für eine rotzähnliche Verunreinigung. 

Bei drei anderen Stämmen, die ihm als 
avirulente Rotzkulturen übergeben worden 
waren und makroskopisch wie mikroskopisch 
mehr oder weniger Aehnlichkeit mit dem Bac. 
mallei besassen, konnte er durch die Aggluti¬ 
nation feststellen, dass sie mit diesem nicht 
identisch waren. 

Auch in die Beziehungen des Streptococcus 
equi zu dem Schützschen Brustseuchecoccus 
ist durch die Agglutinationsmethode Licht ge¬ 
bracht worden. 

Hell 34 und F o t h 35 hatten beide Erreger 
mit Rücksicht auf ihre grosse morphologische 
und kulturelle Aehnlichkeit für Subspecies einer 
Art erklärt. Lignieres 36 hält sogar beide 
für identisch; nach seiner Ansicht kommt dem 
Drusestreptococcus eine sekundäre Bedeutung 
bei der Brustseuche des Pferdes zu. Den Be¬ 
weis für die Identität • beider sieht er u. a. in 
der Tatsache, dass das Serum eines gegen den 
Drusestreptococcus künstlich immunisierten 
Hundes Mäuse gegen die tödliche Dosis von 
Kulturen des Brustseuchecoccus zu schützen 
vermag. Bongert 37 konnte demgegenüber 
feststellen, dass das Serum eines mit Schütz- 
schen Streptokokken behandelten Pferdes im 
Mäuseversuch sich nur gegen diese, nicht aber 
gegen den Streptococcus equi wirksam zeigte. 

Zu den gleichen Ergebnissen führte die 
Agglutinationsprüfung. Bouillonkulturen von 
Schütz sehen Streptokokken verschiedenster 
Provenienz wurden von dem Serum des oben 
erwähnten Pferdes stark agglutiniert, Druse 
bouillonkulturen dagegen nicht. 

Für die Feinheit der Agglutinationsreak¬ 
tion sprechen die Resultate der von Hell und 
Bongert an einer grossen Zahl von Pferden 
ausgeführten Infektionsversuche. Es gelang 
ihnen weder durch intratracheale Injektionen 
noch durch Einspritzung grosser Kulturmengen 
des Streptococcus S c h ü t z in die Nasenschleim¬ 
haut typische Druse zu erzeugen. 

Kolle und Otto 38 haben die Aggluti¬ 
nationsmethode erfolgreich zur Differenzierung 
der Staphylokokken herangezogen. Die Sta¬ 
phylokokken gehören bekanntlich zu den ver¬ 


breitetsten Mikroorganismen. Man findet sie 
im Eiter, auf der Haut, auf gesunden und 
kranken Schleimhäuten, an den Kleidern, im 
Bodenstaub; kurzum: in unserer ganzen Um¬ 
gebung. Die Frage, ob die bei den verschie¬ 
densten pathologischen Prozessen des Menschen 
oder als anscheinend harmlose Saprophyten ge¬ 
fundenen Traubenkokken eine einzige Art bil¬ 
den oder nicht, war in hygienischer wie thera¬ 
peutischer Beziehung von nicht zu unter¬ 
schätzender Bedeutung. Ihrer Lösung mittels 
der gebräuchlichen Differenzierungsmethoden 
standen erhebliche Schwierigkeiten im Wege. 
Es hatte sich u. a. herausgestellt, dass die Farb¬ 
stoffbildung durchaus nicht als ein so sicheres 
Artunterscheidungsmerkmal betrachtet werden 
darf, wie man lange Zeit geglaubt hatte. Auch 
die Tierpathogenität liess im Stich, da man 
weder ein Verfahren noch ein geeignetes Ver¬ 
suchstier ausfindig machen konnte. 

Angeregt durch die mit Hilfe der Agglu- 
tinationsreaktion gelungene Trennung der 
echten Typhusbazillen von den typhusähnlichen 
Bakterien, der Cholerabakterien von den cho¬ 
leraähnlichen Vibrionen und der Pestbakterien 
von den ihnen nahestehenden Mikroben, unter¬ 
nahmen es diese beiden Autoren, mit derselben 
Methode eine Lösung der Staphylokokken-Art- 
frage zu versuchen. Ihre Untersuchungen er¬ 
streckten sich auf 31 Staphylokokken-Stämme 
verschiedenster Herkunft: Diverse, meist loka¬ 
lisierte eitrige Prozesse beim Menschen, Tier¬ 
körper, Gartenluft, Urin, Kleider, Platten Ver¬ 
unreinigung, gesunde Rachenschleimhaut usw. 
Ein hochagglutinierendes Serum gewannen sic 
von Kaninchen, denen sukzessive bis zu 60 ab¬ 
getöteter Agar-Kulturen intraperitoneal inji¬ 
ziert worden waren; es wurden vier verschie¬ 
dene Stämme zur Immunisierung benutzt, drei 
pyogene gelbe (eitrige Peritonitis, Furunkel, 
Luft) und ein Albusstamm aus der Kral sehen 
Sammlung (Fundstelle nicht näher angegeben). 
Den Prüfungen über die agglutinierende Wir¬ 
kung dieser Sera gingen entsprechende Unter¬ 
suchungen mit normalem Kaninchenserum vor¬ 
aus. Es ergab sich, dass dieses in einem Misch¬ 
ungsverhältnis von 1:10 (d. h. 0,1 ecm Serum 
in 1,0 ccm physiologischer Kochsalzlösung, be¬ 
zogen auf 1 Oese = 2 mg Kulturmasse) keine 
Verklumpung bewirkt, während das spezifische 
Serum noch in einer Verdünnung von 1:1200 


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Heft 12. 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


275 


eine ganze Anzahl von Staphylokokkenstämmen 
prompt agglutinierte. 

Im besonderen konnte nachgewiesen wer¬ 
den, dass die mit pyogenen gelben Trauben¬ 
kokken (eitrige Peritonitis und Furunkel) her¬ 
gestellten Sera im Mindestverhältnis von 
1 : 100 , meist jedoch bei Vsoo, V300 un( ^ V400 alle 
diejenigen gelben Staphylokokken agglutinierte, 
die als Erreger von Eiterungen, schweren Fu¬ 
runkeln usw. aus diesen rein gezüchtet worden 
waren. Dagegen wurden die teils weissen, teils 
gelben, aus Luft, Urin und Kleidern stammen¬ 
den Staphylokokken von diesen Seris nicht 
stärker als durch Normalserum beeinflusst. 

Ein durch Behandlung mit einem gelben 
„Luftcoccus“ gewonnenes Serum war nur gegen 
diesen und einen anderen, jedoch weissen „Luft¬ 
coccus“ wirksam. Eine Reihe anderer nicht- 
pyogener Stämme wurde entweder gar nicht 
oder nicht über den physiologischen Rahmen 
hinaus agglutiniert. Nach diesen Ergebnissen 
darf man mit Sicherheit annehmen, dass die 
echten pyogenen Staphylokokken lange nicht 
so saprophytisch in der Natur verbreitet sind, 
als man bisher vielfach geglaubt hat. 

Zu denselben, die Ubiquität der pathogenen 
Stapylokokken negierenden Resultaten kamen 
Kutscher und Konrich, 39 die 57 Sta¬ 
phylokokkenstämme auf ihre Agglutinabilität 
prüften. 34 dieser Kulturen rührten von patho¬ 
logischen Prozessen her, die übrigen entstamm¬ 
ten der Luft, gesunder Haut und Schleimhaut, 
Bodenstaub, Kleidung usw. Tinktoriell und j 
kulturell erfüllten sie alle an echte Staphylo¬ 
kokken zu stellenden Anforderungen. Die 
Untersuchungsergebnisse der beiden Autoren ge¬ 
winnen vor allem dadurch an Bedeutung, dass 
die von ihnen als pathogen agglutinierten 41 
Stämme sämtlich Hämolysinbildner waren, 
während die durch die Agglutination als sapro- 
phytisch erkannten kein Hämolysin bildeten. 
Eine einzige Ausnahme machte ein Luftcoccus, 
der — allerdings in starker Filtratkonzentra- 
lion — eine minimale Spur von Hämolyse 
zeigte. 

Auch bei den Forschungen über die patho¬ 
genen Bakterien der Fleischvergiftungen gastro¬ 
intestinalen Charakters haben die spezifischen 
Eigenschaften des Blutserums eine erfolgreiche 
Anwendung gefunden. Sie haben, wie van Er- 
menge m 40 sagt, „eine neue Periode in der 


Geschichte dieser so häufigen Krankheiten er¬ 
öffnet.“ 

Nachdem Gärtner im Jahre 1888 ge¬ 
legentlich einer Epidemie in Frankenhausen am 
Kyffhäuser durch die Isolierung des Bacillus 
enteritidis die infektiöse Natur der Fleisch¬ 
vergiftungen gastro - intestinalen Charakters 
nachgewiesen hatte, wurden bei zahlreichen 
nachfolgenden Epidemien, die ebenfalls im An¬ 
schluss an den Genuss des Fleisches kranker 
Tiere entstanden waren, Mikroorganismen iso¬ 
liert, die in ihren morphologischen, kulturellen 
und toxischen Eigenschaften mehr oder weniger 
dem Gärtner sehen Bazillus nahekamen. Es 
erhob sich nun die Frage, welche Beziehungen 
zwischen den einzelnen Vertretern der zur 
Gruppe des Bac. enteritidis gehörigen Bakterien 
bestünden. 

Känsche, 41 Gärtner 42 u. a. wollten 
unter Hinweis auf gewisse morphologische, kul¬ 
turelle und biochemische Besonderheiten eine 
Trennung in verschiedene Spezien. Van E r - 
mengem wies jedoch auf die geringe Bedeu¬ 
tung und Inkonstanz dieser differential-dia¬ 
gnostischen Merkmale hin. Nach seiner Ansicht 
seien zwar alle diese Mikroorganismen nicht 
absolut identisch untereinander, aber sie unter¬ 
schieden sich voneinander nicht mehr als zahl¬ 
reiche Varietäten oder Rassen anderer Mikro¬ 
organismenarten. Er erklärt sie daher für die 
Vertreter einer einzigen Art, deren Typus der 
Bac. enteritidis Gärtner sei. Die Lösung, 
die diese Frage jedoch unter Zuhilfenahme der 
Agglutinationsreaktion durch de Nobele er¬ 
fuhr, veranlasste ihn, seinen Standpunkt zu 
ändern. 

De Nobele 43 ging in folgender Weise 
vor: Er verschaffte sich durch Einverleibung 
grosser Kulturmengen in Kaninchen und Ziegen 
ein hochagglutinierendes Serum und prüfte 
dieses gegen 17 von den verschiedensten Epi¬ 
demien herrührende Stämme ; unter ihnen be¬ 
fand sich auch der Gärtner sehe Bazillus von 
Frankenhausen. Als Resultat seiner Prüfungen 
ergab sich, dass man bei den bis dahin isolierten 
Mikroben von der Gruppe des Bac. enteritidis 
zwei Hauptgruppen unterscheiden muss, als 
deren typische Vertreter der Bac. enteritidis 
Gärtner und der Bac. A e r t r y c k zu be¬ 
trachten sind. Zur ersten Hauptgruppe gehören 
die Erreger der Epidemien von Frankenhausen, 


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276 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


3. Jahrgang. 


Moorseele, Gent, Brügge, Brüssel, Willebroek 
Rumfleth und Haustedt, zur zweiten die Er¬ 
reger von 9 anderen Epidemien. 

Auch über die Beziehungen der Mikroorga¬ 
nismen der Fleischvergiftung zu einigen, mor¬ 
phologisch und kulturell ihnen nahestehenden 
Koliarten, die schon verschiedentlich als Er- i 
reger von Fleischvergiftungen gastro-intesti- J 
naler Form beschuldigt worden sind, hat uns j 
die Agglutinationsmethode wertvolle Auf- j 
Schlüsse gegeben. De Nobele 43 und j 
Fischer 41 verdanken wir Untersuchungen j 
hierüber. Ersterer gewann ein Serum, das eine ; 
typische Coli commune-Art im Verhältnis 
1: 3000 agglutinierte; auf 13 von verschiedenen 
Fleischvergiftungs-Epidemien herrührende Va¬ 
rietäten wirkte es indes äusserst schwach. 
(Grenzwert V20O 

Fischer besass ein Serum, das alle zum 
Typus Bac. enteritidis Gärtner gehörigen 
Mikroben in Verdünnungen von 1:40000 ag¬ 
glutinierte, eine grosse Anzahl von Koli-Stäm- 
men — darunter einige, die aus Fällen von Nah¬ 
rungsmittelvergiftungen (Käse, Leberwurst, 
Gänseleberpastete) stammten — fast gar nicht 
beeinflusste. 

De Nobele hat weiterhin das Aggluti¬ 
nationsphänomen dazu benutzt, um den Grad 
der Verwandtschaft festzustellen, der zwischen 
den Bakterien der Fleischvergiftungen gastro¬ 
intestinalen Charakters einerseits und den Er¬ 
regern gewisser Tierkrankheiten (u. a. einer 
von Thomassen beschriebenen Kälbersepti- 
kaemie, dem Bac. mortificans bovis von Base- 
nau und einer gewissen Form von infektiöser 
Kälberenteritis [Malvoz]) andererseits be- j 
steht. | 

Der Thomassen sehe Bazillus reagierte j 
sehr stark auf ein aus dem Bac. enteritidis 
hergestelltes Serum, während die übrigen — 
allerdings in starker Konzentration — von 
einem Serum beeinflusst wurden, zu dessen Her¬ 
stellung der Bazillus von Aertryck benutzt 
worden war. De Nobele hält es nicht für 
ausgeschlossen, dass der Genuss des mit dem 
Th 0 m asse n sehen Bazillus behafteten Kalb¬ 
fleisches dieselben Krankheitserscheinungen 
beim Menschen hervorruft wie der Gärtner- 
sche Bazillus. 

Aehnliche Schlüsse zieht J acobsthal 4:> 
aus einem von ihm mittels der Agglutinations¬ 


reaktion festgestellten Fall einer Typhusinfek¬ 
tion beim Rinde. Er hatte aus dem Milzabszess 
einer im Strassburger Schlachthof beschlag¬ 
nahmten Kuh einen Mikroben gezüchtet, der in 
seinen Eigenschaften eine ausserordentliche 
Uebereinstimmung mit menschlichen Typhus¬ 
bazillen zeigte. Ein aus echten Typhusbazillen 
hergestelltes Serum agglutinierte den fraglichen 
Mikroben im Verhältnis von 1:3000 bis 1: 4000. 
.Jacobsthal glaubt daher, dass der Genuss 
dieses Fleisches bei Menschen sicherlich echten 
Typhus hervorgerufen hätte. Van Ermen- 
gern erklärt sich so die Entstehung gewisser 
Epidemien (Andelfingen 1839 undKloten 1879;, 
die auf den Genuss von Kalbfleisch zurückge¬ 
führt werden konnten und in klinischer Bezie¬ 
hung das Bild des echten Typhus abdominalis 
darboten. 

De Nobele 43 hat sich schliesslich noch 
mit der Frage beschäftigt, ob und inwieweit 
sich die Agglutinationsmethode bei der Beurtei¬ 
lung des Fleisches solcher Tiere verwerten lässt, 
die an verdächtigen, bei der Beschau oft nicht 
genügend ausgeprägten Affektionen (pyaemi- 
sche, septische Prozesse, schwere Darmentzün¬ 
dungen, Lungenentzündungen usw.) gelitten 
haben. Basenau, van Ermengem und 
Poels haben für solche Fälle eine bakteriologi¬ 
sche Untersuchung vorgeschlagen; Oster tag 
hat sie befürwortet. Nachteilig an ihr ist je¬ 
doch, dass die Entscheidung nicht vor 8—12 
Stunden eintrifft. Die Agglutinationsmethode 
soll dagegen, wie de Nobele versichert, schon 
nach 1—2 Stunden ein Resultat liefern. Er fand 
beispielsweise, dass der Muskelpresssaft von 
Tieren, die mit Mikroorganismen vom Typhus 
Bac. enteritidis infiziert waren, eine deutliche 
agglutinierende Wirkung auf diese Mikroben 
ausübt, während der Muskelpresssaft gesunder 
Tiere nicht einmal im Mischungsverhältnis 7i 
Agglutination hervorruft. 

De Nobele betrachtet die Reaktion als 
positiv, wenn bei V10 bis V20 Bakteriennieder¬ 
schläge ein treten. Bei negativem Ausfall rät er, 
zum Kulturverfahren zu greifen. 

Die guten Erfolge, die mit Hilfe der Agglu¬ 
tinationsreaktion bei der Erforschung einer 
Reihe wichtiger Fragen der Bakteriologie er¬ 
zielt worden sind, waren ein weiterer Anlass, 
dieser Methode vor allen übrigen den Vorzug 
zu geben bei meinen Untersuchungen. Dieselben 


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Heft 12. 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


277 


erstreckten sich vorzugsweise auf folgende 
.Fragen: 

1. In welcher Weise werden Drusestrepto- 
kokken und menschliche Streptokokken von 
einem Druseserum agglutinativ beeinflusst? 

2. Welcher Art ist die agglutinierende 
Wirkung eines aus menschenpathogenen Strepto¬ 
kokken hergestellten Serums sowohl auf diese 
als auch auf den Drusestreptococcus? 

Als Versuchsmaterial standen mir zur Ver¬ 
fügung: 

4 vom Menschen stammende Streptokokken 
Stämme (Sepsis, Phlegmone, Scharlach, Gelenk¬ 
rheumatismus-Angina) und 3 Streptococcus 
equi-Kulturen; Fundort: Abszess der Kehl 
gangslymphdrüsen dreier verschiedener druse¬ 
kranker Pferde. 

Besondere Schwierigkeiten verursachte die 
Herstellung einer geeigneten Agglutinations¬ 
flüssigkeit. Während manche Autoren hierzu 
diffus gewachsene Bouillonkulturen der zu 
prüfenden Bakterien benutzen, ziehen andere 
wieder künstliche Aufschwemmungen vor, wie 
man sie sich durch Abschwemmen von Kultur¬ 
rasen fester Nährböden mittels physiologischer 
Kochsalzlösung bereitet. Beide Methoden haben 
ihre Licht- und ihre Schattenseiten. 

Bouillonkulturen besitzen den Vorteil, dass 
die Verteilung der Mikroorganismen auf dem 
natürlichen Wege des Wachstums stattgefunden 
hat, zweifelsohne also auch gleiehmässiger ist, 
als bei der Kochsalzaufschwemmung. Während 
man bei dieser peinlichst auf die vollständige 
Zerreibung des Bakterienmaterials achten muss, 
damit nicht durch etwaige ungenügend ver¬ 
riebene Klümpchen eine Agglutination vorge¬ 
täuscht wird, ist bei der Methode der Bouillon¬ 
kulturen, die ausserdem noch den Vorteil der 
Einfachheit bietet, diese Fehlerquelle so gut 
wie ausgeschlossen. 

Nachteilig wirken bei dieser Methode fol- ; 
gende Faktoren: 

1. Der schwankende Salzgehalt der 
Bouillon. Ueber den Einfluss der Salze auf die 
Agglutination sind von verschiedenen Seiten 
Beobachtungen gemacht worden. So kommen 
Eisenberg und Volk 24 auf Grund ihrer [ 
Untersuchungen zu dem Schlüsse, „dass ver¬ 
schiedene Salze in verschiedenem Masse die Ag¬ 
glutination unvollständig oder vollständig zu 
hemmen imstande sind.^ 


2. Soll die wechselnde Reaktion der 
Bouillon das Agglutinationsergebnis beein¬ 
trächtigen können. 

Viele Bakterien bilden Säure und zwar oft 
in solcher Menge, dass die mit ihnen geimpfte 
Bouillon ihre Alkaleszenz einbüsst und stark 
sauer reagiert. In solchen Kulturen sollen nun, 
sobald sie mit Serum in Berührung kommen, 
Koagulationserscheinungen eintreten, die — 
makroskopisch wenigstens — das Bild der Ag¬ 
glutination vortäuschen können. Von irgend¬ 
einer Seite ist dies zum Einwand gegen die Be¬ 
nutzung von Bouillonkulturen erhoben worden; 
meines Erachtens nach zu Unrecht. Denn durch 
Neutralisieren bezw. Alkalisieren der Kultur 
vor dem Serumzusatz lassen sich solche Nieder¬ 
schläge vermeiden. Eine nachträgliche Säure¬ 
produktion Hesse sich durch Abtöten der Bak¬ 
terien verhindern. Streptokokken-Bouillonkul- 
iuren werden beispielsweise durch Zusatz von 
0,5 °o Phenol abgetötet, ohne in ihrer Agglu- 
tinabilität Veränderungen zu erleiden. 

Einen weit beachtenswerteren Faktor bil¬ 
den bei der Anwendung von Bouillonkulturen 
die Wachstumsverhältnissie mancher Mikro¬ 
organismen. 

Bekanntlich wachsen viele Bakterien, so 
der Drusestreptococcus und auch manche vom 
Menschen stammende Streptokokken auf Pep¬ 
ton-Fleischwasser unter Bildung eines Boden¬ 
satzes und Klarlassung der darüberstehenden 
Nährflüssigkeit. Bei den letzteren kommt es 
ausserdem nicht selten vor, dass ein bislang 
diffus wachsender Stamm plötzlich das eben 
beschriebene konglomerierte Wachstum zeigt. 
Mit solchen Kulturen lassen sich natürlich keine 
Agglutinationsversuche einwandfrei anstellen. 

Ich entschloss mich daher für die Methode 
der künstlichen Aufschwemmungen, die mir 
bereits bei Pneumokokken-Agglutinationsver- 
! suchen gute Dienste geleistet hatte. Die hierzu 
benutzte Agglutinationsflüssigkeit wurde in der 
üblichen Weise (Kulturentnahme von Agar- 
Oberflächen mittels einer Oese von bestimmtem 
Fassungsvermögen, feines Verreiben des Bak¬ 
terienmaterials an der Wand des Reagensglases 
und Abschwemmen mittels der darin enthal¬ 
tenen 0,5 o/o phenol isierten physiologischen 
Kochsalzlösung) hergestellt. 

Der Versuch, in analoger Weise aus Druse- 
streptokokken eine Agglutinationsflüssigkeit 


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278 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


3. Jahrgang. 


herzustellen, schlug fehl. Die zahlreichen Modi¬ 
fikationen (s. nachstehendes Versuchsprotokoll), 
die ich an dieser Methode vomahm, konnten 
daran nichts ändern. Stets trat nach wenigen 
Stunden spontane Sedimentierung ein. 

Versuchsprotokoll. 

1. Je eine Oese Drusekultur der Stämme 
I, II und III, Agar-Rasen entnommen, werden 
in je 5 ccm steriler, physiologischer NaCl-Lö- 
sung, die 0,5 °/o Phenol enthält, fein verrieben; 
der gleichmässig getrübte Inhalt der drei Röhr¬ 
chen zeigt nach 2—3 ständigem Brutschrank¬ 
aufenthalt folgende Veränderungen: Die Flüs¬ 
sigkeitssäule ist völlig klar geworden, während 
der Boden mit einer dünnflockigen Masse be¬ 
deckt ist, die sich bei kräftigem Schütteln der 
Röhrchen so fein in die umgebende Flüssigkeit 
verteilt, dass der status quo ante wiederherge¬ 
stellt ist. Nach mehreren Stunden tritt jedoch 
wieder Sedimentierung ein. 

2. Da die Sedimentbildung in erster Linie 
auf physikalische Einflüsse (Länge und Schwere 
der Kokkenketten) zurückzuführen war, so ver¬ 
suchte ich zunächst eine Sprengung der Ketten 
auf mechanischem Wege herbeizuführen. 

10 Agarkulturen von Stamm I werden mit 
50 ccm physiologischer NaCl-Lösung abge¬ 
schwemmt; diese Aufschwemmung kommt in 
ein steriles, Quarzsand enthaltendes Glas, das 
nun dreimal je eine Stunde auf der Schüttel¬ 
maschine geschüttelt wird. Die Zerlegung der 
Streptokokken war, wie sich mikroskopisch 
nachweisen liess, nur unvollkommen gelungen. 
Selbst durch längeres Schütteln konnten die 
noch vorhandenen 8—12gliedrigen Ketten nicht 
gesprengt werden. Die geschüttelte Auf¬ 
schwemmung wurde nun zentrifugiert, eine Oese 
des Zentrifugats im 5 ccm Phenol-Kochsalzlö¬ 
sung verrieben. Weitere Behandlung und Resul¬ 
tat wie bei Versuch 1. 

3. In dem Bestreben, eine vollständigere 
Sprengung der Kettenverbände herbeizuführen, 
wurde der Zentrifugenschlamm von Bouillon¬ 
kulturen der Stätnme I, II und III in einem 
sterilen Mörser längere Zeit hindurch verrieben; 
der Erfolg war kein besserer wie bei den ge¬ 
schüttelten Streptokokken. 

4. wurde der Versuch gemacht, durch Her¬ 
stellung einer Glyzerin-Emulsion die Druse 
kokken in eine länger anhaltende Suspension 
mit der Kochsalzlösung zu bringen. Die An¬ 


ordnung der Versuche, die sich auf sämtliche 
Stämme erstreckten war folgende: Eine be¬ 
stimmte Menge Zetrifugat von Bouillonkul¬ 
turen bezw. Agar-Oberflächenkulturen wurde 
mit der gleichen Menge sterilen Glyzerins in 
einem Mörser innig verrieben. Von dieser Emul¬ 
sion wurden sofort 0,1 ccm zu 10 ccm Phenol- 
Na-Cl-Lösung gebracht. Es entstand eine gleich- 
mässige, opalisierende Flüssigkeit, die aber 
nach wenigen Stunden dieselben Veränderungen 
zeigte, wie bei den Versuchen 1 —3. — Der 
Rest der Emulsion wurde in zwei gleiche Teile 
geteilt, von denen der eine im Thermostat 
(37° C), der andere bei Zimmertemperatur auf¬ 
bewahrt wurde. Nach 14 Tagen bezw. 4 Wochen 
wurden aus beiden Proben nochmals Auf¬ 
schwemmungen hergestellt, die sich aber genau 
so verhielten wie die ursprüngliche. 

Diese Misserfolge verwiesen mich nunmehr 
auf die Benutzung von Bouillonkulturen, von 
denen ich mir um so mehr versprach, als ich 
inzwischen an meinen Drusestämmen eine eigen¬ 
artige Veränderung wahrgenommen hatte. Die 
drei Stämme, die auf gewöhnlicher Bouillon 
in der bekannten Weise (Flockenbildung und 
Klärung der Flüssigkeit) wuchsen, zeigten 
diffuses Wachstum, d. h. gleichmässige Trü¬ 
bung ohne Flockenbildung, sobald man diesem 
Substrat 10 °/o menschlicher Ascitesflüssigkeit 
zusetzte. Mich interessierte in erster Linie, ob 
dieses Verhalten von seiten des Drusecoccus ein 
konstantes war, da mir die Wachstums-Varia¬ 
tionen von Streptokokken menschlicher Pro¬ 
venienz auf Ascites-Bouillon bekannt waren. 
Ich nahm daher von Zeit zu Zeit Ueberimp- 
fungen von Druse-Agarkulturen in Ascites- 
Bouillon vor. Mehrere Wochen hindurch zeigten 
sich keine Abweichungen, bis plötzlich zwei 
meiner Stämme in der gleichen Weise wuchsen 
wie auf gewöhnlicher Bouillon; auch der dritte 
gab bald sein diffuses Wachstum auf. Dieses, 
die Agglutinationsversuche störende Verhalten, 
das uns übrigens ein Beispiel für die Variabili¬ 
tät des Druseerregers liefert, konnte jedoch 
beseitigt werden, wenn die kürzlich von T a - 
vel 46 gemachte Beobachtung allgemeine Gül¬ 
tigkeit besass. T a v e 1 empfiehlt als geeignete 
Agglutinationsflüssigkeit für menschenpatho¬ 
gene Streptokokken einen Nährboden von fol¬ 
gender Zusammensetzung: 1 °/o ige Zucker¬ 

bouillon wird mit Serum im Verhältnis 2:1 


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Heft 12 


Fortschritte der Veterinär - Hygiene. 


279 


vermischt. Streptokokken sollen in dieser Mi¬ 
schung unter Hervorrufung einer intensiven 
Trübung wachsen, die durch Zusatz von homo¬ 
logem Serum sehr schnell unter Abscheidung 
eines Bodensatzes in Klärung übergeht. 

Um festzustellen, ob sich auch meine auf 
Ascites-Bouillon konglomeriert wachsenden 
menschlichen Streptokokkenstämme diesem 
Nährboden gegenüber in der von Tavel an¬ 
gegebenen Weise verhielten, ferner, um zu er¬ 
mitteln, wie der Drusestreptococcus auf diesem 
Substrat wächst, stellte ich Prüfungen an. 
Neben der Tavel sehen Serumbouillon kamen 
bei diesen Ermittelungen auch noch gewöhn¬ 
liche Bouillon, sowie Ascites-Bouillon als Kon¬ 
trollen zur Verwendung. Es wurden sowohl 
die Wachstumsverhältnisse auf Pferdeserum- 
Zuckerbouillon, als auch auf Zuckerbouillon 
mit Rinderserum- bezw. Schafserumzusatz be 
obachtet. 

Meine Untersuchungen ergaben, dass die 
menschenpathogenen Streptokokken sich auf 
dem Tavel sehen Nährboden ebenso veränder¬ 
lich zeigen, wie auf den übrigen von mir be¬ 
nutzten Nährböden. Ein charakteristisches Bei¬ 
spiel aus meiner Versuchsreihe möchte ich nicht 
unerwähnt lassen : Ein aus einer schweren Sepsis 
isolierter Streptococcus wuchs seither auf 
Ascites-Bouillon mit Bodensatzbildung und 
völliger Klarlassung der Bouillon. Bei meinen 
vergleichenden Prüfungen konnte ich folgendes 
feststellen: Ascites-Bouillon wird intensiv ge¬ 
trübt; kein Bodensatz. Gewöhnliche Bouillon 
wird nur schwach getrübt. In Pferdeserum- 
Zuckerbouillon wird schwache Trübung hervor 
gerufen; dickflockiger Bodensatz. In Rind^r- 
serum-Zuckerbouillon die gleichen Erschei¬ 
nungen. In den mit Hammelserum versetzten 
Röhrchen sind zahlreiche kleinste Flöckchen 
suspendiert. Die Kuppe des Reagensglases ist 
von einer dicken, filzigen Flocke ausgefüllt, 
die sich beim Schütteln nicht vollständig auf¬ 
löst. Kulturflüssigkeit und eingeimpftes Bak¬ 
terienmaterial waren in allen fünf Röhrchen 
quantitativ gleich. Die drei Normalsera ent¬ 
hielten keine Konservierungsmittel; eine 
Wachstumshemmung durch solche war also 
ausgeschlossen. Meine Drusestämme dagegen 
riefen in der T ave Ischen Bouillon und zwar 
bei Zusatz von Pferdeserum intensive Trübung 
und keinen Bodensatz hervor. Ob dieses Ver- ! 


halten jedoch ein konstantes ist, vermag ich 
nicht anzugeben, da ich keine Untersuchungen 
nach dieser Richtung hin angestellt habe. Der 
T ave Ische Nährboden eignete sich eben nicht 
für meine Zwecke. Mir kam es vielmehr darauf 
an, ein Substrat ausfindig zu machen, auf dem 
sowohl der Streptococcus equi als auch die 
menschenpathogenen Streptokokken die gleichen 
kulturellen Erscheinungen — diffuse Trübung 
des Mediums ohne Sedimcntbildung — hervor¬ 
riefen. 

Ich versuchte es nunmehr mit den ver¬ 
schiedensten Nährboden-Kompositionen: 

1. Gewöhnlicher Rindfleischbouillon und 
gewöhnlicher Pferdefleischbouillon. 

2. Desgleichen mit Zusatz von 5, 10 und 
20 o/o menschlicher A scites-Flüsisigkeit. 

3. Desgleichen plus Pferdeserum (5, 10 und 
20 o.o). 

4. Fleischextrakt-Bouillon mit und ohne 
j Ascites bezw. Pferdeserumzusatz. 

Auf diese Nährböden übertrug ich gleiche 
Kulturmengen sämtlicher mir zur Verfügung 
stehenden Streptokokkenstämme. Die geimpf¬ 
ten Röhrchen blieben ca. 20 Stunden im Brut¬ 
schrank. 

Auf keinem dieser Substrate liess sich je¬ 
doch ein konstantes diffuses Wachstum erzielen. 

Die für unsere Zwecke relativ günstigste 
Nährflüssigkeit war die 10 °/o Ascites-Pferde- 
fleischbouillon. Auf ihr wuchsen meine sämt¬ 
lichen Stämme mehr oder weniger intensiv trüb, 
während sie auf den übrigen Substraten zu¬ 
meist konglomeriert wuchsen. 

Bedauerlicherweise hielt aber die Trübung 
keine 20 Stunden*) lang an, es trat vielmehr 
kurze Zeit naöh der Entnahme aus dem Brut¬ 
schrank Sedimentierung ein. 

Selbst unter Berücksichtigung des Alkali- 
und Peptongehalts, auf deren wachstumsbeein¬ 
flussende Rolle Rahtjen 13 und Lingels- 
h e i m 7 hingewiesen haben, gelang es mir nicht, 
dauernd homogene Bouillonkulturen zu er¬ 
halten. Die diesbezüglichen Versuche waren 


*) Diese Zeit ist unbedingt notwendig, da die 
Agglutination der Streptokokken unter dem Ein¬ 
fluss spezifischen Serums erwiesenermassen nicht 
vor 15—20 Std. eintritt. Die Streptokokken unter¬ 
scheiden sich dadurch wesentlich von den meisten 
übrigen Bakterien, z. B. von den Typhusbazillen, 

I bei denen der Agglutinationsvorgang meist inner- 
! halb 2—3 Std. eintritt. 


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280 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


3. Jahrgang. 


folgende: Wie ich schon erwähnte, hatte R a h t - 
j e n gefunden, dass eine starke Alkaleszenz 
selten Ketten von 4 Gliedern aufkommen lässt; 
häufig trat sogar nur Diplokokkenbildung ein. 
Gelang es also, aus langen Ketten kurze zu 
züchten oder gar die Streptoform in die Diplo- 
form überzuführen, so waren die Haupthinder¬ 
nisse bei der Bereitung einer homogenen Ag¬ 
glutinationsflüssigkeit beseitigt. Ich durfte an¬ 
nehmen, dass die kurzen Ketten und Diplo¬ 
kokken in einer länger dauernden Suspension 
blieben, als die langen Ketten. Meine Versuche 
galten daher der Züchtung von Streptokokken 
in stark alkalischer Bouillon (Pferdefleisch). 

Ich bereitete mir zunächst eine Bouillon 
von möglichst neutraler Reaktion (die Phenol- 
Phtalein-Reaktion ergab einen Alkaligehalt 
von 0,1 o/o). In je ein Röhrchen von 10 ccm 
dieser Bouillon, der ausserdem noch 10 % Asci¬ 
tes zugesetzt wurden, kamen 0,1, 0,2, 0,3 usw. 
bis 1,0 einer Vio Normal-Natronlauge. Dann 
besäete ich diese Röhrchen mit gleichen Mengen 
einer Streptokokken-Kultur und liess sie etwa 
20 Stunden bei 37 °. Das gleiche geschah mit 
allen übrigen Streptokokkenstämmen. Ein Teil 
der Röhrchen — vornehmlich diejenigen mit 
0,8—1,0 Vio Normallauge — erwies sich als 
trüb mit wenigen Flocken am Boden, während 
diejenigen mit geringerem Alkaligehalt anders 
aussahen. Teils war die Flüssigkeitssäule mit 
Flocken durchsetzt, teils war sie völlig klar, 
während sich die Flocken am Boden des Glases 
angesammelt hatten. 

Nachprüfungen ergaben fast stets dieselben 
Resultate. Wohl traten hin und wieder Schwan¬ 
kungen in der Intensität der Trübung ein, aber 
niemals völlige Klärung der stark alkalisierten 
Röhrchen. Mikroskopische Präparate der dif¬ 
fusen Kulturen zeigten Diplokokken und vier 
bis achtgliedrige Ketten. Eine Kultur bestand 
einmal nur aus Diplokokken. Diese Form 
dauernd zu erhalten, gelang mir jedoch nicht. 

Trotzdem trat bei allen getrübten Röhr¬ 
chen nach mehrstündigem Stehen reichliche Se¬ 
dimentbildung ein. Die über dem Sediment 
stehende Flüssigkeit blieb trüb. Selbst, wenn 
diese von dem Bodensatz vorsichtig abpipet¬ 
tiert und in ein neues Reagensglas übertragen 
wurde, schieden sie aufs neue Bakterienhäuf¬ 
chen aus ihr ab. 

Ich war nunmehr darauf bedacht, die Se- 


dimentierung zu verhindern. Als das geeig¬ 
netste Mittel hierfür erschien mir der Zusatz 
von Nährgelatine zu der vom Bodensatz be¬ 
freiten Kulturflüssigkeit. Vermöge seines 
hohen Viskositätsgrades war dieses Medium 
vielleicht imstande, ein „sich zu Boden senken 4 * 
der Ketten zu verhindern. Bei einem Zusatz 
von 15 °/o einer 15 °/o Nährgelatine gelang mir 
dies auch, jedoch trat bei solchen Kulturen die 
Agglutination nicht deutlich zutage, wie mich 
ein orientierender Versuch belehrte. Bei gerin¬ 
gerem Gelatinezusatz liess sich eine Sedimen- 
tierung nicht vermeiden. 

Ueber die Misserfolge, die ich mit der 
Züchtung auf Bouillon von verschiedenem Pep¬ 
tongehalt hatte, ist schon anfangs dieser Arbeit 
berichtet worden. 

Inzwischen war mir die von Kleine 3 - 
angegebene Methode zur Herstellung einer Ag¬ 
glutinationsflüssigkeit au» Rotzbazillen zu 
Gesicht gekommen. Ich versuchte sie bei den 
Streptokokken und zwar mit gutem Erfolg. 
Dieses Verfahren, dass ich nun fortan bei 
meinen Versuchen anwandte, habe ich etwas 
modifiziert. Es besteht darin, dass man den 
Rasen von Schräg-Agarkulturen mit je 10 ccm 
0,5 o/o Phenol-Na Cl-Lösung abschwemmt, diese 
Aufschwemmung in eine Flasche mit Quarz¬ 
sand giesst, diese V 2 Stunde lang kräftig schüt¬ 
telt und den Inhalt durch ein Fliesspapier-Filter 
giesst. Das Filtrat enthält reichlich Diplo¬ 
kokken und kurze Ketten in homogener Sus¬ 
pension und erhält sich lange Zeit gleichmässig 
trüb. 

Auch die Gewinnung spezifischer Sera ge¬ 
lang erst nach mehrfachen vergeblichen Ver¬ 
suchen. 

Als erstes Versuchtier zur Herstellung 
eines Druseserums! benutzte ich ein Kaninchen. 

Schütz 1 behauptet, dass fliese Tierart 
auf eine Infektion mit virulenter Drusekultur 
in keiner Weise reagiert. Zu einem anderen 
Ergebnis kommt Bongert, 37 der bei seinen 
Immunisierungs-Versuchen nach mehrmaliger 
intraperitonealer Infektion den Tod eintreten 
sah. Ich begann bei meinem Kaninchen zu¬ 
nächst mit der intravenösen Injektion abge¬ 
töteter Kultur. 

100,0 Bouillonkultur des Druse-Stammes 
No. I wurden zentrifugiert, das Zentrifugat 
in 10 ccm physiologischer Kochsalzlösung auf- 


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Heft 12. 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


geschwemmt, die Aufschwemmung durch ein- 
stündiges Kochen bei 65° C abgetötet, auf 
Körpertemperatur gebracht und dann in die 
Ohrvene injiziert. Das Tier reagierte mit einer 
kleinen, nur einen Tag anhaltenden Temperatur¬ 
erhöhung und Abnahme des Körpergewichts. 

Nach acht Tagen hatte es sein ursprüng¬ 
liches Gewicht wieder erreicht, so dass ich ihm 
die zweite Dosis — Zentrifugat von 200,0 ab¬ 
getöteter Bouillonkultur des Streptococcus equi 
No. I — geben konnte. Dieser Injektion, so¬ 
wie den weiteren folgten stets die oben ge¬ 
nannten Erscheinungen. Ich injizierte in Inter¬ 
vallen von acht zu acht Tagen 0,1, 0,5, 2,0 und 
schliesslich 8,0 virulente Kultur. Unmittelbar 
nach dieser letzten Dosis traten schwere Kol¬ 
lapserscheinungen auf, die nach 1/4 Stunde je¬ 
doch wieder verschwanden. Doch versagte das 
Tier am Abend sein Futter; das Thermometer 
zeigte IV 2 0 mehr als die rektale Durchschnitts¬ 
temperatur. Am folgenden Morgen war das 
Tier verendet. Wie die Sektion ergab, war der 
Tod durch Septikaemie eingetreten. Ein aus 
dem Herzblut angefertigtes Ausstrichpräparat 
zeigte zahlreiche Diplokokken in Reinkultur. 
In einer aus demselben Material angelegten 
Bouillonkultur Hessen sich kurze Ketten und 
Diplokokken nach weisen. Ein zweites Kanin¬ 
chen, das ich nach demselben Schema immu¬ 
nisierte, erlag unmittelbar nach der zweiten 
Injektion einer akzidentellen Pneumonie. 

Von einer weiteren Kaninchen-Immunisie¬ 
rung sah ich nunmehr ab, da sich mir Gelegen¬ 
heit bot, meine Versuche an einem Pferd fort¬ 
zusetzen. 

In dem Immunisierungsplan trat insofern 
eine Aenderung ein, als ich dieses Tier mit Bak- 
terien-Autolysaten behandelte. Brieger und 
Mayer war es früher schon gelungen, durch 
einfaches Schütteln von in Wasser aufge¬ 
schwemmten lebenden Cholerabazillen nach Fil¬ 
tration einen sterilen Auszug zu erhalten, der 
im Tierkörper bakterizide und agglutinierende 
Eigenschaften für den Cholerabazillus auslöste. 
Aehnliche Versuche, welche diese Autoren 
neuerdings 47 mit dem Typhusbazillus 
machten, ergaben, „dass durch Suspension leben¬ 
der Typhusbazillen in destilliertem Wasser 
schon bei einfachem Stehen bei niederer Tem¬ 
peratur und Zimmertemperatur Substanzen in 
die Suspensionsflüssigkeit übergehen, die im 


281 


Tierkörper Agglutinine und Bakteriolysine er¬ 
zeugen, und dass durch stetiges Bewegen der 
Bakterien im Schüttelapparat diese Diffusion 
begünstigt wird, wohl dadurch, dass die Einzel¬ 
individuen in stärkeren Konnex mit den flüs¬ 
sigen Medien kommen.“ 

Merkwürdigerweise besassen die bei höch¬ 
stens 15° gewonnenen Autolysate im Gegensatz 
zu den bei Brüttemperatur gewonnenen keiner¬ 
lei toxische Eigenschaften für Kaninchen. Es 
erhielt beispielsweise ein Kaninchen eine 24 
Stunden lang bei 15 0 geschüttelte Wasserauf¬ 
schwemmung zweier Typhus-Agar-Kulturen 
intravenös. Das Tier blieb am Leben; sein 
Blutserum zeigte 8 Tage p. i. bei 1:1600 kom¬ 
plette, bei 1:3200 noch Spuren von Aggluti¬ 
nation. Der bakterizide Titre betrug 0,0001. 

Die Autolysat-Methode auch zur Gewin¬ 
nung eines agglutinationskräftigen Druse¬ 
serums heranzuziehen, erschien mir im Hin¬ 
blick auf die beim Bac. typhi gemachten gün¬ 
stigen Erfahrungen sehr aussichtsvoll. Neben 
einer grossen Zeitersparnis bot diese Methode 
noch den Vorteil, dass sie im Gegensatz zur 
Immunisierung mit virulentem Bakterienmate¬ 
rial vor Tierverlusten schützte. 

Wie ich schon erwähnte, diente als Ver¬ 
suchstier ein Pferd. Der Grösse dieser Tierart 
entsprechend musste natürlich auch eine grössere 
Kulturmenge zur Herstellung des Autolysats 
benutzt werden, als man sie bei einem Kanin¬ 
chen gebraucht hätte. Eine weitere Modifika¬ 
tion bestand darin, dass ich statt Agar-Kulturen 
Bouillon-Kulturen, bezw. deren Zentrifugen¬ 
schlamm benutzt?. Im übrigen entsprachen die 
technischen Einzelheiten genau den von Brie¬ 
ger und Mayer angegebenen. 

Ausführung des Versuchs: Dem Pferde 
wurde zunächst ein Probeaderlass gemacht, 
dessen Serum gegen den Drusestamm No. IV 
auf Agglutination geprüft wurde. Dabei er¬ 
gab sich: y 2 positiv; 7io> Vssr Kontrolle 
negativ. Nun erfolgte die intravenöse Injek¬ 
tion des in folgender Weise bereiteten Auto¬ 
lysats : 2 L. Ascites^Pferdefleisch-Bouillon- 

kultur des Drusestreptococcus IV wurden zentri¬ 
fugiert, das Zentrifugat in Aqu. dest. aufge¬ 
schwemmt und unter öfterem Schütteln 24 
Stunden lang bei Zimmertemperatur stehen ge¬ 
lassen ; diese Suspension wurde nun 15 Stunden 
lang in einem auf. 37° eingestellten Brut- 


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282 


Fortschritte der Veterin&r-Hygiene. 


schrank mit automatischer Schüttelvorrichtung 
geschüttelt. Zum Schluss Filtration durch 
Kerze und Prüfung auf Keimfreiheit. 

Das Pferd vertrug die Injektion anstands¬ 
los; es traten weder Temperaturerhöhung noch 
Gewichtsabnahme ein. Am achten Tage Blut¬ 
entnahme. Das Serum zeigte gegen den Stamm 
IV genau denselben Agglutinationstitre wie 
vor der Behandlung mit dem Autolysat. Zu 
einer Agglutininbildung führte demnach diese 
Methode nicht. 

Unter Benutzung desselben Pferdes setzte 
ich meine Versuche zur Gewinnung eines ag¬ 
glutinierenden Druseserums fort; eingeleitet 
wurden dieselben mit der Injektion grosser 
Mengen abgetöteter Drusekokken. 

Bei einem Pferde, dem ich vor Monaten 
grosse Dosen abgetöteter Pneumokokken ein¬ 
verleibt hatte, erzielte ich nach kurzer Behand¬ 
lungsdauer hohe Agglutinationswerte. 

Diese Methode ist kein Novum; sie lehnt 
sich eng an die Versuche an, die Neufeld 
mit Streptokokken und Pneumokokken an Ka¬ 
ninchen gemacht hat. Wie er in seiner Ar¬ 
beit „Ueber Immunität und Aggluti¬ 
nation bei Streptokokken 48 mitteilt, 
gelang es ihm, durch eine einzige Injektion ab¬ 
getöteter Kokken Kaninchen gegen ein Viel¬ 
faches der dosis letalis zu schützen. Nach zwei 
bis drei Injektionen, von denen die erste mit 
abgetöteten, die nachfolgenden mit virulenten 
Bakterien erfolgten, lieferten diese Tiere ein 
Serum, das in seinen immunisierenden und ag- j 
glutinierenden Eigenschaften fast den Serum- ! 
proben gleichkam, die durch monatelange Be¬ 
handlung grosser Tiere gewonnen worden 
waren. 

Bezüglich der Agglutinationskraft des 
Serums erinnert Neufeld an eine Erfahrung, 
die er bei der Immunisierung gegen Pneumo¬ 
kokken gemacht hatte. Er fand nämlich, dass 
zwischen der Agglutinationshöhe und der Quan¬ 
tität des injizierten Bakterienmaterials durch¬ 
aus keine Parallelität herrscht, sondern, dass 
erstere einzig und allein von der Heftigkeit 
der zuletzt durchgemachten Reaktion abhängig 
zu sein scheint. Er hat diese Erfahrung bei der 
Streptokokken-Immunisierung berücksichti gt 
und verfuhr dementsprechend nach folgenden 
Grundsätzen: 

1. Es wird nur eine eipzige, subkutane oder 


3. Jahrgang. 

intravenöse Injektion von abgetöteter Kultur 
vorgenommen. Man benutzt hierzu das Zentri- 
fugat von Bouillonkulturen; die im Filtrat ent¬ 
haltenen Giftstoffe sind zur Immunisierung 
überflüssig. 

Die Abtötung der Bakterienleiber ge¬ 
schieht durch Hitze; sie halten eine Erwärmung 
bis auf 70° ohne Beeinträchtigung ihrer immu¬ 
nisierenden Bestandteile aus. 

2. Nach 10 Tagen geht man zu Injektionen 
mit lebender Kultur über. Da es darauf an¬ 
kommt, hohe und mehrere Tage anhaltende 
fieberhafte Reaktionen auszulösen, so gibt man 
zweckmässig recht hohe Dosen. 

Die durchschnittlich verabreichte Dosis 
abgetöteten Streptokokken - Kulturzentrif ugats 
entsprach 50 ccm Ascites-Bouillonkultur, von 
der 0,00001 ccm ein Kaninchen innerhalb 
36 Stunden tötete. Dieser hohe Virulenzgrad 
war natürlich durch fortgesetzte Passagen 
durch den Kaninchenkörper erzielt worden. 

Mein Versuch zeigt nun von dem Neu¬ 
feld sehen insofern eine Ab weich uung, als ich 
kein Kaninchen, sondern ein Pferd zur Immu¬ 
nisierung wählte. Natürlich musste hier eine 
weit grössere Dosis gegeben werden. Ich in¬ 
jizierte das durch Hitze (V 2 Stunde X 65°) 
abgetötete Zentrifugat von 2000,0 ccm Ascites- 
Bouillonkultur des Streptococcus equi III intra¬ 
venös. Zuvor wurde noch ein Probeaderlass 
zwecks Feststellung der Agglutinationskraft 
des Serums gemacht. Etwa drei Minuten nach 
der Injektion, während welcher das Pferd voll¬ 
ständig ruhig geblieben war, stürzte es plötz¬ 
lich zusammen. Ich konstatierte Dyspnoe, 
schwachen, fast unfühlbaren Puls und völlige 
Anaemie der Kopfschleimhäute. Wenige Se¬ 
kunden später trat der Tod ein. Eine Sektion 
konnte nicht gemacht werden. Ich bemerke, 
dass die Herrichtung des zu injizierenden 
Materials wie die Injektion selbst unter allen 
Kautelen vor sich gegangen waren. Als solche 
kommen in Betracht: Längeres Schütteln der 
Kultur auf der Schüttelmaschine, um die 
Kettenverbände möglichst zu sprengen; Fil¬ 
trieren durch Wattefilter zur Zurückhaltung 
von Gerinnseln, wie sie bei der Erhitzung des 
Zentrifugats entstehen; reichliche Verdünnung 
des Zentrifugats mit blutwarmer physiologi¬ 
scher Kochsalzlösung. Langsames Infundieren 
in die Vene; Vermeidung von Luftembolien. 


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Htef. 12. 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


283 


Als nunmehrige Serumlieferanten wählte 
ich Schäfe. Aus technischen Gründen zog ich 
diese Tiere den Kaninchen vor, da bei diesen 
die Injektionen und Blutentnahmen unsicher 
und zeitraubend sind. 

Versuch: Hammel 86 erhält zunächst 
das durch Hitze (>/s Stunde X 65°) abgetötete 
Zentrifugat von 50,0 Ascites-Bouillonkultur des 
Drusestammes No. III unter Beobachtung der 
oben angegebenen Regeln in die Jugularis in¬ 
jiziert. Die Mastdarmtemperatur, die vorher 
durchschnittlich 39,0° C betrug, erhebt sich 
auf 40,3°, 40,8°, 41,0°, 40,2°, um dann plötz¬ 
lich zur Norm zurückzukehren. An sonstigen 
pathologischen Erscheinungen traten auf: Ver¬ 
minderte Fresslust, Mattigkeit, Abnahme des 
Körpergewichts. 

Nach Verlauf von 10 Tagen konnte die 
zweite Dosis injiziert werden. Sie betrug das 
Vierfache der ersten und war in der gleichen 
Weise bereitet wie diese. Wieder traten die 
eben erwähnten Erscheinungen auf. Sie ver¬ 
loren sich jedoch ebenfalls wieder nach etwa 
vier Tagen. Am achten Tage p. i. machte ich 
einen Probeaderlass, um das Agglutinations¬ 
vermögens des Serums festzustellen. Zuvor 
hatte ich das Normalserum des Hammels nach 
dieser Richtung hin geprüft. Die Werte, die 
sich hierbei ergaben, sind aus der Tabelle A 
ersichtlich. 

Die technischen Einzelheiten dieser wie 
aller folgenden Agglutinationsprüfungen, die 
selbstverständlich unter sterilen Kautelen 
auszuführen sind, seien in folgendem kurz an¬ 
gegeben ; Mittels graduierter Pipette füllt man 
0,9 ccm Agglutinationsflüssigkeit in ein Spitz¬ 
gläschen, das 0,1 ccm Serum, bezw. Serumver¬ 
dünnung enthält. Die Herstellung dieser Ver¬ 
dünnungen ist sehr einfach. Als Verdünnungs¬ 
mittel dient physiologische Kochsalzlösung. 
Durch die jedesmalige Zusammenfügung von 
0,1 Serum bezw. Serumverdünnung ist bereits 
das Mischungsverhältnis 1:10 geschaffen. Um 
also beispielsweise das Mischungsverhältnis 
1:50 zu bekommen, braucht man sich nur das 
Verhältnis 1:5 herzustellen (0,1 Serum -f- 0,4 
physiologische Na-Cl-Lösung). Davon gibt man 
0,1 ccm zu 0,9 ccm Agglutinationsflüssigkeit. 

Die Demonstration des Agglutinationsvor¬ 
ganges in Spitzröhrchen bietet gegenüber der 
im Reagensglas mehrere Vorteile. 


1. kommt man mit wenig Material aus; 

2. ist das Resultat mit einem Blick zu 
übersehen. Besonders sind feinste Häufchen 
(bei unvollkommener Agglutination!) in der 
weit dünneren Flüssigkeitsschicht des Spitz¬ 
gläschens leichter zu erkennen wie im Reagens¬ 
glas; 

3. ist die positive Reaktion dadurch, dass 
sich die zusammengeballten Bakterienhäufchen 
in dem schmalen Grunde des Röhrchens an¬ 
sammeln, deutlicher wahrnehmbar. 

Vorteilhaft ist cs, den Inhalt der Röhr¬ 
chen gut zu vermischen. Man erreicht dies 
durch mehrmaliges Umkehren der mit kleinen 
Korkstopfen verschlossenen Röhrchen oder — 
bei Watte Verschluss — durch Umrühren ihres 
Inhalts mittels einer Pipette. 

Zu den Serum-Kulturröhrchen kommt noch 
ein Kontrollröhrchen, das kein Serum enthält. 
Sämtliche Röhrchen werden in einem Stativ 
untergebracht und dann in den Brutschrank 
(37°) gestellt. Nach 15stündigem Aufenthalt 
in demselben werden sie zur Feststellung des 
Resultats herausgenommen. Diejenigen Röhr¬ 
chen, die einen genügenden Serumzusatz er¬ 
halten haben, zeigen dann folgendes veränderte 
Aussehen: Die vorher diffus getrübte Flüssig¬ 
keit ist glanzhell geworden; in dem zu einer 
Spitze ausgezogenen Grund der Röhrchen hat 
sich eine feinflockige Masse angesammelt. 
Unter dem Mikroskop betrachtet, erweisen sich 
diese Flocken als dichte Kettenknäuel. Form¬ 
veränderungen — etwa wie die Quellungser¬ 
scheinungen bei den Pneumokokken — sind an 
den agglutinierten Streptokokken nicht wahr¬ 
zunehmen. 

Neben dieser vollständigen Agglutination 
(in der Tabelle mit ++ bezeichnet) trifft man 
auch einzelne Röhrchen an, die nur unvoll¬ 
kommen agglutiniert sind (-f-). Makroskopisch 
sieht man bei diesen folgendes: Die ganze 
Flüssigkeitssäule ist mit feinsten Flöckchen 
durchsetzt, während der Boden keinen oder nur 
einen ganz geringfügigen Niederschlag auf¬ 
weist. Mikroskopische Präparate der Flöckchen 
lassen Kettenhäufchen mit dazwischen liegen¬ 
den Diplokokken und Ketten erkennen. 

Die Kontrollröhrchen dürfen keine Ver¬ 
änderung zeigen. Ihr Inhalt muss genau so 
homogen sein wie vor dem Brutschrankaufent¬ 
halt. 


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284 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


3. Jahrgang. 


Tabelle A: 

Agglutinationsvermögen des normalen Serums von 
Hammel 86 (Drusehammel). 

Vs Vio '/ao V® l /so Kontrolle 
Druse I — — — — — — 

Druse II — — — — — — 

Druse III — — — — — — 

Streptoc. 51 — — — — — — 

(Sepsis) 

Streptoc. 42 — — — — — — 

(Scharlach) 

Streptoc. 68 — — — — — — 

(Phlegmone) 

Streptoc. 75 — — — — — — 

(Angina) 

Das physiologische Serum dieses Hammels 
agglutinierte also meine Streptokokkenstämme 
nicht einmal im Verhältnis 1:5. Ob bei stär¬ 
kerer Konzentration — etwa Vs oder 3 /i ~ 
Agglutination eintreten würde, habe ich nicht 
festgestellt. 

Anders das spezifische Druseserum, das 
dem nach der zweiten Injektion (Zentrifugat 
von 200,0 abgetöteter Bouillonkultur des Druse¬ 
streptococcus No. III) gemachten Aderlass ent¬ 
stammte. 

Hierüber gibt Tabelle B Auskunft. 




Tabelle 

B: 





Vs 

Vio 

Vao 

V® 

•/« 

V® 

Kon¬ 

trolle 

Druse I 

++ 

++ 

++ 

++ 

++ 

— 

— 

Druse II 

++ 

++ 

++ 


— 

— 

— 

Druse III 

++ 

++ 

+-t- 

++ 

++ 

+ 

— 

Streptoc. ßl 

++ 

++ 

++ 

+ 

+ 

— 

— 

(Sepsis) 
Streptoc. 42 
(Scharlach) 

++ 

+-H 

+ 

— 

— 

— 

— 


Streptoc. 68 
(Phlegmone) 


++ 

++ 

+ 

— 

— 

— 

Streptoc. 75 
(Angine) 


++ 

~b 






Die Werte, die sich hierbei ergeben haben, 


sind nicht besonders hoch zu nennen. Zweifel¬ 
los hätte die Agglutinationskraft des Serums 
durch fortgesetzte Immunisierung mit noch 
grösseren Mengen abgetöteter Kultur oder viru¬ 
lenten Drusekokken bedeutend erhöht werden 
können. Immerhin erheben sich die erzielten 
Werte beträchtlich über die mit dem normalen 
Serum festgestellten. 

Die drei Drusestämme wurden von dem 
Druseserum deutlich agglutiniert; der zur Im¬ 
munisierung benutzte Stamm III etwas stärker 
wie die heterologen Stämme I und II. — Weit 
mehr interessiert uns das Verhalten des Druse¬ 
serums gegenüber den vom Menschen stammen¬ 
den Streptokokken. Agglutiniert wurden sie 


sämtlich und zwar teilweise in der gleichen 
Intensität wie die Drusestämme. Wir dürfen 
also aus diesem Verhalten auf eine ausserordent¬ 
lich nahe Verwandtschaft zwischen beiden 
Typen schliessen. 

In dem zweiten Teil meiner Untersuch¬ 
ungen habe ich den umgekehrten Weg einge 
schlagen. Hier wollte ich, wie schon erwähnt, 
| die agglutinierende Wirkung eines aus mensch¬ 
lichen Streptokokken hergestellten Serums so¬ 
wohl auf diese als auch auf den Streptococcus 
equi feststellen. Diese Prüfungen sollten ge- 
wissermassen die Kontrolle zu den Ergebnissen 
des ersten Teiles bilden. Denn, wenn das Druse 
serum menschenpathogene Streptokokken ag¬ 
glutiniert e, so war es sehr wahrscheinlich, dass 
umgekehrt ein aus menschlichen Stämmen be¬ 
reitetes Serum auf Drusestreptokokken den 
gleichen Effekt ausübte. 

Ein agglutinierendes Serum gewann ich 
ebenfalls von einem Hammel, dem ich zunächst 
das durch Hitze abgetötete Zentrifugat von 
50 ccm 24 stündiger Ascites-Bouillonkultur 
eines aus einer schweren menschlichen Sepsis 
isolierten Streptococcus intravenös applizierte. 
Die Injektion hatte genau dieselben Erschei¬ 
nungen wie bei dem Drusehammel zur Folge: 
Fieber, Mattigkeit, Abnahme des Körper¬ 
gewichts. 

Das Serum eines 8 Tage p. i. gemachten 
Probeaderlasses entfaltete bereits eine deut¬ 
liche agglutinierende Wirkung auf den Sepsis- 
Streptococcus (V25 + ; Normalserum 1 / 5 —). 
Zur Erreichung höherer Agglutinationswerte 
injizierte ich dem Tier zwei Tage später noch¬ 
mals die vierfache Dosis in die Blutbahn. Acht 
Tage darauf Blutentnahme. 

Vor der Behandlung hatte ich das nor¬ 
male Serum dieses Hammels auf seine agglu¬ 
tinierende Kraft geprüft. Das Ergebnis war 
im allgemeinen das gleiche wie mit dem Nor¬ 
malserum des Drusehammels: Bei 1: 5 keine 
Agglutination. Eine Ausnahme machte nur der 
Drusestamm I, der in diesem Verhältnis un¬ 
vollkommen agglutiniert wurde. 

Die agglutinierende Wirkung des spezi¬ 
fischen Serums ist aus folgender Tabelle er¬ 
sichtlich : 


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Heft 12 


285 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


T a b e 11 e C. 

Vs Vio V» V» */40 V» 1 /ec troUe 
Druse I ++ ++ ++ ++ ++ + - - 

Druse II ++ ++ ++ ++ ++ ++- 

Druse III ++ ++ ++ ++ ++ ++ - - 

Streptoc. 51 ++ ++ ++++++++ - 

(Sepsis) 

Streptoc. 42 -]—f- —J—|— -j- — — — — — 

(Scharlach) 

Streptoc. 68 -f*~}~ ~j—j- “f -- 1— — — — — 

(Phlegmone) 

Streptoc. 75 ++ ++ + -f — —- 

(Angina) 

Wir sehen also in der Tat eine erhebliche 
Beeinflussung der Drusestreptokokken durch 
ein aus menschlichen Streptokokken herge¬ 
stelltes Serum. Sämtliche drei Drusestämme 
werden genau so hoch agglutiniert wie der 
homologe, d. i. der zur Herstellung des Serums 
benutzte menschliche Stamm 51. 

Es sprechen also auch die Ergebnisse dieses 
Versuchs für eine ausserordentlich nahe Ver¬ 
wandtschaft, wenn nicht gar Identität des 
Streptococcus equi mit den vom Menschen 
stammenden Streptokokken. 

Meines Erachtens stellt der Streptococcus 
equi einen den menschlichen Kettenkokken 
völlig artgleichen Erreger dar, der durch die 
Uebertragung von Pferd auf Pferd einen hohen 
Grad von Virulenz für diese Tierart erlangt 
hat. Dass die Streptokokken durch Tierpassa¬ 
gen in ihrer Virulenz ganz enorm gesteigert 
werden können, ist durch Versuche an Mäusen 
und Kaninchen längst erwiesen. 

Trotz seiner „Akklimatisierung 14 an den 
Pferdekörper hat der Drusestreptococcus seine 
Virulenz für den Menschen nicht ganz auf- 
gegeben. Wenn er gelegentlich einmal den 
menschlichen Körper befällt, so ruft er hier 
die gleichen pathologischen Prozesse hervor, wie 
mancher genuin menschliche Streptococcus. 

Olt (persönliche Mitteilung) berichtet von 
einem Falle, in welchem einer seiner Assisten¬ 
ten, der ein mit Drusestreptokokken intra¬ 
venös geimpftes und an Pyaemie verendetes 
Pferd obduziert hatte, sich miliare Abszesse 
am Nagelfalz mehrerer Finger zugezogen hatte. 

Bloch teilt in der „Aerztlichen Sachver- 
ständigenzeitung‘‘, Jahrgang 1904, folgende 
interessante Fälle mit: Drei Personen, denen 
die Behandlung bezw. Wartung eines druse- 
kranken Pferdes oblag, zeigten nach Infektion 
mit Druseeiter starke septikämißche Erschei¬ 


nungen. Die erste — Tierarzt Dr. J. — hatte 
sich im Gesicht mit ausgehustetem Druseeiter 
besudelt. Nach zwei bis drei Tagen traten 
Schwellung der Kieferdrüsen, Fieber, Nephri¬ 
tis, Polyarthritis und eitriger Nasenausfluss 
bei ihm auf; der Ausfluss sowie der Harn ent¬ 
hielten Streptokokken in grosser Zahl. 

Der mit der Wartung des Pferdes betraute 
Mann zog sich eine leichte Mandelentzündung 
zu, der eine Lähmung des weichen Gaumens 
folgte. Er starb im Krankenhaus; Sektion 
wurde nicht gemacht. 

Fuhrinspektor R. bekam Fieber, Hals¬ 
schmerzen, Mandelabszess, darauf Erkrankung 
mehrerer Gelenke. Nach Vi Jahre trat Besse¬ 
rung ein, jedoch blieben Mattigkeit in den 
Beinen und Schmerzen in der rechten Brust¬ 
seite zurück. Wenige Monate später zog sich 
Patient eine Erkältung zu, die eine linksseitige 
Facialislähmung, Geschwüre auf dem Kopf, 
Rücken, Hodensack, After, Schenkelinnen¬ 
flächen, Mund und harten Gaumen im Gefolge 
hatten. 

Literatur - U eher sicht. 

1. Schütz, Archiv für wissendehaftl. und prakt. 

Tierheilkunde, 1888. 

2. von Behring, Wiener klin. Wochenschrift. 

1903, No. 12. 

3. —, Centralblatt für Bakteriologie, 1892. 

4. Kurth, Arbeiten aus dem Kaiserl. Gesund¬ 

heitsamt, 1891. 

5. von Lingels heim, Zeitschr. für Hygiene, 

1892. 

6. Bane, Referat Baumgartens Jaliresliericht. 

1898. 

7. von Lingels heim, Handbuch d. patho¬ 

genen Mikroorganismen, Lieferung 13 u. 11, 

S. 309. 

8. W i d a 1 und Besanyon, Arch. de med 

exp., 1896. 

9. Petrus chky, Zeitschr. f. Hygiene, Bd. 23. 

10. Marmorek, Aunales de l’Institut Pasteur, 

Juli 1895. 

11. Aronson, Berliner klin. Wochenschrift, 1902, 

No. 42. 

12. Sand und Jensen, Deutsche Zeitschr. f. 

Tiermedizin, 1889, Bd. 13. 

13. Rahtjen, „Versuche über die Virulenz¬ 

schwankungen von Streptoc. equi mit Be¬ 
rücksichtigung des Alkaleszenzgehalts seines 
Nährbodens“, Rostock 1904, Univers.-Buch- 
% druckerei. 

14. S obern heim, Deutsche medizin. Woclien- 

schr., 1904, No. 41. / 

15. Wassermann, Z, f. Hygiene, Bd. 42, S. 292. 


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286 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


3. Jahrgang. 


16. G ruber und Durhain, Münchner rnediz. 

Wochenschr., 1896. 

17. Charrin und Roger, Soci6te de Biologie, 

1889. 

18. Metschnikoff, Annales de Plnstitut 

Pasteur, 1891. 

19. Pfeiffer, Z. f. Hygiene, Bd. 17. 

20. Bordet, Annales de PInstitut Pasteur. 1893. 

21. Wassermann, Z. f. Hygiene, Bd. 42. 

22. Bordet, cit. nach Wassermann (1. c.). 

23. Bail, cit. nach Wassermann (1. c.). 

24. Eisenberg und Volk, Z. f. Hygiene. 

Bd. 40. 

25. Wladimiroff, Handb. d. patliog. Mikro¬ 

organismen, 9. u. 10. Lieferung. 

26. Afanassieff, cit. nach Jess „Kompend. 

d. Bakt. u. Blutserumtherapie.“ 

27. Jensen, cit. nach Jess „Kompend. d. Bakt. 

und Blutserumtherapie.“ 

28. Ost er tag, cit. nach Jess „Kompend. d. 

Bakt. und Blutserumtherapie.“ 

29. Ostertag und Dürbeck, cit. nach Jess 

„Kompend. d. Bakt. und Blutserumtherapie/ 

30. Zschokke, Schweizer Arch. f. Tierheilk., 

Bd. 46, 3. Heft. 

31. Kitt. cit. nach Friedberger-Fröliner, Kli¬ 

nische U ntersuchungsmetlioden. 

32. Kleine, Z. f. Hygiene, Bd. 44. 

33. P r e u s s e , Berl. Tierärztl. Wochenschr., 1889. 

34. Hell, Z. f. Veterinärkundc, 1890, Bd. 1 u. 2. 

35. F o t li, Z. f. Veterinärkunde, 1891, Bd. 3. 

36. Lignieres, Rec. de med. vet., 1897. 

37. Bongert, Handb. d. pathog. Mikroorg., Lie¬ 

ferung 15 u. 16. 

38. K o 11 e und Otto, Z. f. Hygiene, 1902, 

Bd. 41. 

39. Kutscher und K o n r i c li, Z. f. Hygiene, 

Bd. 48, II. Heft. 

40. van Ermen gern, Handb. d. patliog. Mikro¬ 

organismen, 9. u. 10. Lieferung. 

41. Kausche, cit. nacli van Ermengem (1. c.). 

42. Gärtner, cit. nach van Ermengem (1. c.). 

43. de N o b e 1 e , cit. nach van Ermengem (1. c.). 

44. F i s c li e r , cit. nach van Ermengem (1. c.). 

45. Jacobsthal, „Typhusliazillen beim Rinde“, 

Inangural-Dissertation, Strassburg 1902. 

46. T a v e 1, Deutsche medizin. Wochenschr., 1903, 

No. 50. 

47. Brieger und Mayer, Deutsche medizin. 

Wochenschr., 1904, No. 22. 

48. N e u f e 1 d , „Feber Immunität und Aggluti¬ 

nation bei Streptokokken“, Z. f. Hygiene. 
Bd. 44. 


Oeffentliches Veterinärwesen. 

Stand der Tierseuchen im Deutschen Reich 
am 15. Februar 1906. 

Der Rotz wurde festgestellt in Preussen, 
und zwar im Regierungsbezirk Marienwerder 


in 2 Gemeinden und 2 Gehöften, Berlin in 
8 Gehöften, Regierungsbezirk Potsdam in 4 Ge¬ 
meinden und 5 Gehöften, Posen in 3 Gemeinden 
und 3 Gehöften, Bromberg in 1 Gehöft, Liegnitz 
in 1 Gehöft, Oppeln in 2 Gemeinden und 
3 Gehöften, in Schleswig, Arnsberg und Kassel 
in je einem Gehöft, in Bayern, Baden, Sachsen- 
Weimar, Lippe und Hamburg in je einer Ge¬ 
meinde, zusammen in 22 Gemeinden und 32 
Gehöften. Die Lungenseuche bestand 
in einem Gehöft der Kreishauptmannschaft 
Leipzig. Die Aphthenseuche herrschte 
in 2 Gemeinden des Regierungsbezirkes Gum¬ 
binnen, in einem Gehöft des Bezirkes Marien¬ 
werder, in 3 Gemeinden und 5 Gehöften des 
Bezirks Oppeln, zusammen somit in 6 Ge¬ 
meinden und 8 Gehöften. Die Schweine¬ 
seuche einschliesslich der Schweinepest 
gelangte zur Feststellung in 1516 Gemeinden 
und 2094 Gehöften. 


Uebersicht über den Stand der 
ansteckenden Krankheiten der Haustiere 
in der Schweiz im Jahre 1905. 

An Milzbrand verendeten 276 Tiere 
(gegen 264 im Vorjahre), an Rauschbrand 
843 (gegen 670). An Aphthenseuche 
waren erkrankt und der Erkrankung verdächtig 
4694 Stück Vieh (gegen 3210). Tollwut 
trat in nur einem Falle auf (gegen 17), Rotz 
in 10 (gegen 23). An Stäbchenrotlauf 
erkrankten 1662 (gegen 7235) Schweine. 
Schafräude wurde bei 950 (gegen 470) 
Tieren festgestellt. 


Referate. 

Infektionskrankheiten. 

Tarozzi. lieber das Latentlebe 11 der 
Tetanussporen im tierischen Orga¬ 
nismus. Ctbl. f. Bakt., Bd. 40, 3 u. 4. 

Die Ergebnisse seiner Untersuchungen stellt 
Verf. in folgenden Schlüssen zusammen: 

1. In den mit sporenhaltigen Tetanuskultureu 
subkutan infizierten Tieren können die Sporen sehr 
häufig in den Kreislauf übergehen und sich in 
dem Infektionsherd entfernten Organen lagern. 
Ihre Gegenwart in diesen Organen ist dann mittelst 
Kulturen festzustellen, indem man Stücke der be¬ 
treffenden Organe in agar- oder bouillouhaltigen 
Röhren zur Inkubation direkt in den Thermostaten 
setzt. 


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Heft 12 


287 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


2. Diese einmal in den Organismus eingedrun¬ 
genen und sich in den tiefen Organen aufhaltenden 
Sporen werden dann langsam entweder ausge¬ 
schieden oder vernichtet; doch vermögen sie — 
besonders in einigen Organen, wie der Leber — 
für eine sehr lange und unbestimmte Zeit, die 
in des Verf.’s Untersuchungen bis zu 31/2 Monaten 
nach der Injektion betrug, latent zu leben. 

3. Treten geeignete Bedingungen dazu, die 
wesentlich in Nekroseerscheinungen der sie be¬ 
herbergenden Gewebe bestehen, dann können diese 
latenten Sporen wieder zum Vegetationsleben auf- 
wachen und die Tetanusinfektion erzeugen. 

4. Infolge dieser experimentellen Feststellungen 
scheint es logisch, anzunehmen, dass jene Tetanus¬ 
fälle mit einer dunklen, so vielfach erörterten 
Pathogenese, die manchmal beim Menschen auf- 
treten und die unter dem Namen von rheumati¬ 
schem oder spontanem Tetanus bekannt sind, bei 
denen man weder den Inkubationsherd noch den 
unmittelbaren Eintrittsweg des Keimes finden 
kann, der Entwicklung von schon lange an einer 
verborgenen Stelle des Organismus latent lebenden 
Sporen, infplge des Hinzutritts der geeigneten Be¬ 
dingungen zugeschrieben werden müssen. 

Jacob. 

C. P. Goggia. I fenomeni di necrobiosi 
presentati dai bacilli tubercolari. 
Ann. d. Inst. Maragliano, Anno I. 1904, No. 1. 
Ref. im Ctbl. f. Bakt. 37, 7—10. 

Die vorliegenden Untersuchungen erstrecken 
sich auf vier Versuchsreihen: 

1. Injektion einer kleinen Dosis lebender 
Tuberkelbazillen unter die Haut von Tieren ver¬ 
schiedener Art (Meerschweinchen, Kaninchen, Maus, 
Hund, Esel). Untersuchung des Saftes, der sich 
an der Einimpfungsstelle bildet, aus der Beule 
ausgezogen, jeden fünften Tag. 

Am fünften Tage ist bei Meerschweinchen, 
Kaninchen und Mäusen noch keine Veränderung 
zu bemerken. Zu derselben Zeit sind aber bei 
Esel und Hund die nekrobiotischen Veränderungen 
der Bazillen ganz ausgesprochen, von denen eine 
grosse Zahl von den Phagozythen verschluckt er¬ 
scheint. 

Bei den darauffolgenden Beobachtungen sieht 
man nach einer verschieden langen Zeit, die bei 
den Hunden am kürzesten, bei den Meerschwein¬ 
chen am längsten ist, im Kampf gegen die Ver¬ 
teidigungsmittel des Organismus die Bazillen unter¬ 
liegen, zur Uebertragung der Krankheit unfähig 
werden, bis sie schliesslich verschwinden. 

2. Die Nekrobioseerscheinungen des Kochschen 
Bazillus gehen bedeutend rascher vor sich, wenn 
der Mikroorganismus in kleiner Menge unter die 
Haut der Tiere injiziert wird, die zuvor einer 
immunisierenden Behandlung, sei es mit Tuber¬ 
kulininjektionen, sei es mit Bouilloninjektionen 
unterworfen wurden. 

3. Die Nekrobioseerscheinungen finden schein¬ 
bar mit grösserer Geschwindigkeit statt, wenn der 


Bazillus in Gewebe injiziert wird, in denen man 
zuvor Tuberkulininjektionen gemacht hat. 

Durch diese Untersuchungen kommt Verf. zu 
dem Schlüsse, dass das Tuberkulin vor allem die 
allgemeinen Verteidigungsmittel des Organismus 
erhöht; es ist aber nicht unwahrscheinlich, dass 
sich die immunisierende Wirkung des Tuberkulins 
in einem erheblicheren Masse an den Geweben 
zeigt, mit denen es in eine engere Berührung 
kommt. 

4. Die letzten Versuche waren darauf gerichtet, 
das Schicksal der virulenten Tuberkelbazillen, 
unter die Haut von tuberkulösen Tieren inokuliert, 
zu ermitteln. Die Vernichtung der Bazillen tritt 
deutlicher und prompter bei den vor kurzem 
tuberkulös gewordenen Tieren auf, als bei den 
schon längst von der Erkrankung betroffenen. 

Jacob. 

E. Almquist. Kultur von pathogenen Bak- 
terieninDüngerstoffen. Z. f. Hyg. 52, 2. 

Verf. kommt zu folgenden Schlussfolgerungen: 

1. In gedüngter Erde, sowie in reinem Dünger 
können nach Sterilisation und genügendem Wasser¬ 
zusatz die untersuchten Krankheitserreger von 
Cholera, Typhus, Paratyphus, Dysenterie und auch 
Bact. coli bei verschiedener Temperatur üppig 
wachsen. Die Eiterkokken und deren Verwandte 
vermehren sich darin spärlicher und werden im 
folgenden ausseracht gelassen. 

2. Die genannten Diarrhöebakterien gedeihen 
nicht vorzugsweise in konzentrierten Schmutz¬ 
stoffen. Extrakte vom speziellen Gewicht von nur 
1,005 bis 1,0026 können eine vorzügliche Nahrung 
ausmachen. Umgekehrt kann ein mehr konzen¬ 
triertes, salpeterreiches Extrakt nach Verdünnung 
ihnen mehr Zusagen. 

3. In vorliegender Nahrung offenbaren die Bak¬ 
terien manches Bemerkenswerte. Die Vermehrung 
der Typhusbakterien zeigt manchmal bei 20 0 C. 
eine Kurve, die langsamer den Höhepunkt erreicht 
als bei 18 0 C. Ein beträchtlicher Höhepunkt kann 
sich in der zweiten Woche oder nocli später 
äussern. 

4. Der späte Höhepunkt der Typhuskurve stellt 
mit Bildung von kleineren Wachstumsformen in 
einem gewissen Zusammenhang. 

5. Beim Zusatz von 2 oder I 1/2 °/o Kochsalz 
wachsen die Erreger von Typhus und Cholera 
üppig. Die Wachstumskurve verläuft hierbei oft 
schneller. 

6. Die Virulenz der Typhus- und Cholera¬ 
bakterien kann beim Wachsen in Düngerstoffen 
während mehrerer Wochen unvermindert bleiben. 

7. Der Choleraspirill bekommt unter gewissen 
Verhältnissen grosse Neigung Kugeln, d. h. Koni¬ 
dien, zu bilden. 

8. Die völlig entwickelte Cholerakonidie keimt 
in Peptonbouillon zu einem Spirill aus. 

9. Die Biologie der Erreger, ebenso wie die 
Verbreitungsweise der Epidemien machen die 
Theorie berechtigt, dass die bezüglichen Mikro- 


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288 


3. Jahrgang. 


Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 


Organismen in Düngerflüssigkeit und gedüngter 
Erde ausserhalb unserer Wohnungen wachsen 
können. Jacob. 

E. Sauerbeck. Beitrag zur path. Histo¬ 
logie der experimentalen Trypano- 
somen-Infektion (mit Trypanos. Brucei). 

Ztschft. f. Hyg. 52, 1. 

Die Hauptergebnisse der Arbeit sind in einer 
Zusammenfassung niedergelegt, deren wichtigste 
Punkte hier wiedergegeben seien: 

Bei weissen Ratten, Meerschweinchen, Kanin¬ 
chen, Hunden führt die Infektion mit Trypanosoma 
Brucei unbedingt zum Tode, und zwar am rasche¬ 
sten bei Hunden und weissen Ratten (in wenigen 
Tagen), langsamer bei Meerschweinchen und Ka¬ 
ninchen (Wochen bis Monate). Die Trypanosomen 
vermehren sich im Körper ihres Wirtes, teils 
stetig zunehmend wie bei Ratten, teils zeitweise 
verschwindend, wie bei Meerschweinchen und 
Kaninchen. 

Im zirkulierenden Blute scheinen die Trypano¬ 
somen nur die zur typischen Längsteilung 
führenden Veränderungen durchzumachen. In 
Lymphdrüsen, Milz, Knochenmark und Leber da¬ 
gegen entstehen Veränderungen wie im Leichen¬ 
blut, d. h. Bildung rundlicher (Leissmanscher) 
Körperchen, verknüpft mit bestimmten histo¬ 
logischen Veränderungen, vor allem der gross- 
kernigen, protoplasmatischen Formen der freien 
Zellen; sie vergrössern sich an Kern und Proto¬ 
plasma und nehmen, amöloiden Charakter an. In 
den grossen Zellen findet man die veränderten, 
rundlichen Trypanosomenformen, öfter aber nur 
Reste von solchen, sowie leere Vakuolen-Stellen 
vernichteter Parasiten. Es ist wohl das Vorhanden¬ 
sein dieser runden Formen auf Phagozythose zu¬ 
rückzuführen, und zwar sind hier dieselben Organe 
phagozytär wie bei den anderen Infektionskrank¬ 
heiten. Ein Parallelismus zwischen der Dauer des 
Widerstandes und dem Grad der Phagozythose war 
nicht zu konstatieren. Jacob. 

K. Schmitz. U e b e r Cholera vaccin. Ztscli 
f. Hyg. u. Infekt. 52, 1. 

Die aus der Arbeit sich ergebenden Resultate 
sind kurz in folgenden Sätzen zusammengefasst: 

1. Das nach dem Lustigschen Verfahren aus 
Choleravibrionen extrahierte Nucleoproteid wirkt 
in grossen Dosen auf den tierischen Organismus 
stark toxisch. Aber auch in kleineren Dosen treten 
zuweilen giftige Erscheinungen auf. 

2. Bezüglich der Toxizität besteht kein Unter¬ 
schied zwischen dem einer virulenten Kultur oder 
arivulenten Kultur entstammenden Nucleoproteid. 

3. Dagegen bestehen bei Tieren gleicher 
Gattung individuelle Schwankungen bezüglich der 
Empfindlichkeit. 

4. Nach einer einmaligen oder in kurzen 
Zwischenräumen wiederholten Vaccination mit 
einer kleinen Dosis ruft das Clioleranucleoproteid 
einen hohen Immunitätsgrad hervor. 


5. Die Immunität tritt innerhalb der ersten 
24 Stunden nach der Impfung ein und dauert 
je nach der Quantität des überimpften Vaccins 
mehrere Monate. 

6 . In dem Serum des mit dem Vaccin immuni¬ 
sierten Tieres treten spezifische Agglutinine auf. 

7. Mittelst des Bordetschen Versuchs sind in 

dem Nucleoproteidserum spezifische Immunkörper 
nachweisbar. Jacob. 

Wendelstadt und Fellmer. Einwirkung von 

Brillantgrün auf Nagana-Trypano- 
s o m e n. Z. f. Hyg. 52, 2. 

Verff. kommen zu folgenden Ergebnissen: 

1. Das Brillantgrün bringt die Nagana-Trypa- 
nosomen aus dem mit denselben überschwemmten 
Blute bei Ratten und beim Affen mit Sicherheit 
zum Verschwinden. Man kann mit Brillantgrün¬ 
behandlung das Leben der Ratten und Affen ver¬ 
längern. Eine Kombination mit Arsenik erhöht 
die Wirkung und bringt unter Umständen eine 
Heilung zustande. 

2. Das Blut einer Ratte oder eines Affen, die 
nach der Infektion mit Brillantgrün behandelt sind, 
iät zu einer gewissen Zeit nicht infektiös. 

3. Bei dem Untergang der Trypanosomen im 
Blut nach Brillantgrünbehandlung finden sich ganz 
bestimmte Formen mit Zystenbildung. Dieser Zyste 
glauben Verff. eine Bedeutung bei der Neubildung- 
von Trypanosomen zuschreiben zu dürfen. Da mit 
dem Brillantgrün uns ein Mittel gegeben ist, die 
normalen Formen der Trypanosomen zu vernichten, 
so ist ein genaueres Studium der Uebergangs- 
formen ermöglicht. Das Studium der Neuentwick¬ 
lung der Trypanosomen wird dadurch auch er¬ 
leichtert. 

4. Die Neuentwicklung geht wahrscheinlich in 
der Milz vor sich; ob auch in andern Organen, 
war bis jetzt nicht zu entscheiden. 

Jacob. 

Carles. Keimfreie Eier. La M6decine mo¬ 
derne 1905, No. 35. 

Der Verf. überzeugte sich, dass die Eier keines¬ 
wegs steril sind, sondern dass sie allerhand Mi¬ 
kroben enthalten. Die Verteilung derselben ist 
nicht gleichmässig, das Eizentrum ist nämlich fast 
keimfrei, je näher der Schale, desto mehr Mi¬ 
kroben werden angetroffen. Die Infektion der 
Eier entsteht im Eileiter, da die sekundären Ge¬ 
schlechtsorgane des Geflügels stets verschiedene 
Mikroben enthalten. Dies betrifft vor allem die 
Enten, welche bekanntlich mit Vorliebe in den 
schmutzigsten Pfützen sich tummeln. Richtig ist 
somit die Metschnikoff sehe Ansicht, die Eier 
seien schon infiziert und sogar giftig, bevor sie 
gelegt werden. Carles epfiehlt also die Eier¬ 
produktion den Apothekern (■ — Ref.) zu über¬ 
tragen, wie diese aber der Eierinfektion Vor¬ 
beugen sollen, ist leider vom Verfasser nicht an¬ 
gegeben. — 

Baczyhski. 


Filr d. Redaktion verantwort!. Kreistierarzt Dr. O. Prof6, Cöln a. Rh., Hansaring 50. Druck von Pass & Garleb G m.b.H, Berlin W .Ti 
Verlag und Eigentum: Louis Marcus Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 61. 


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