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Fortschritte ^Veterinär-Hygiene
Redaktion:
Dr. O. Profe
Kgl. Kreistierarzt
Cöln.
III. Jahrgang 1905/06.
"III
BERLIN SW. 61 .
Verlag von
Louis Marcus Verlagsbuchhandlung
Tempelhofer Ufer 7.
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MAYie 1921
Library
° e ^f/
1’vlAY 16 id 21
Af. EI. O
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Inhalts-Verzeichnis.
Seite
Originalien.
Bericht vom VIII. internationalen tierärzt¬
lichen Kongress.145, 169, 193
Fisolioeder, Zum Nachweis des Milzbran¬
des durch Züchtung (mit 4 Lichtdruck-
Tafeln .217
Foth, Feststellung einheitlicher Grundsätze
für die Beurteilung der Malleinreaktion 241
Glage, Die Rotlaufimpfung, unter besonde¬
rer Berücksichtigung des Verhaltens der
Schweineseucheerkrankung nach dersel-
l>en und der sonst beobachteten üblen
Zufälle (Fortsetzung und Schluss) . . 3
Gut zeit, Beitrag zur Aetiologie der Fleisch¬
vergiftungen (mit 9 Abbildungen) 125, 155. 182
.T, de Haan, Ein Fall von Uveitis malleotica 49
Immendorff, Ueber Futterkalk .... 11
Infektiöser Scheidenkatarrh, Kälberruhr, Aph¬
thenseuche, neuere Therapie und Pro¬
phylaxe . 15
Kaiser, Zur Kenntnis der Transsudate und
Exsudate bei Tieren unter normalen und
pathologischen Verhältnissen . . . 25, 50
Perron cito, Der Einfluss der Kälte auf das
Aphthenseuchevirus. 78
Preussens Kreistierärzte. 1
Profe, Tierseuchen und Seuchengesetz (mit
1 Kurve). 73
—, Ueber das Vorkommen eines Mikrokokken
in Tumoren.210
—, Zur Technik der Trichinenschau (mit 1
Abbildung) . 31
Sc heben, Zur Kenntnis der Helmin thiasis
nodularis intestinalis des Rindes (mit 13
Abbildungen).97, 121
Stolpe, Ueber die mittels der Agglutination
nachweisbaren Beziehungen des Strepto¬
coccus equi zu den vom Menschen stam¬
menden Streptokokken.205
Bücheranzeigen.
Bermbach, Ueber Präzipitine und Anti¬
präzipitine . 72
—, Untersuchung des Blutes mittels eiweiss-
präzipitierender Sera. 72
Baruchello und Mori, Sulla biologia del
cosi detto tifo o Febbre petecchiaie del
cavallo.210
Clausen. Grundriss der Trichinenschau 24, 21G
Copper, Der Uebergang bestimmter Stoffe
von der Mutter in das Fruchtwasser . . 1G8
Froehner-Wittlinger. Der preussische
Kreistierarzt, Bd. IV. 22
Heine, Hilfsbucii des Fleischl>esehauers . 24
—, Leitfaden der Trichinenscliau. 24
H ofer, Handbuch der Fischkrankheiten . . 24
Hutvra und Marek, Spezielle Pathologie
und Therapie der Haustiere, Bd. I 168, 214
Seite
Jahresbericht über die Verbreitung von Tier¬
seuchen im Deutschen Reiche, 18. .lahr¬
gang, 1903 . 72
de Jong, Veterinaire Pathologie en Hygiene 21
Kitt, Lehrbuch der allgemeinen Pathologie 23
Koenig, Veterinär-Kalender 1905 .... 24
—, Veterinär-Kalender 1906 . 1G8. 215
Le Traducteur. Französisch-Deutsch . . 24
Long-Preusse, Praktische Anleitung zur
Trichinenschau. 21
Mazzini, Agazzi Contributo alla diagnosi
sperimentale della morva. 72
—, Una Visita ai Macelli di Roma e di Na¬
poli . 72
liibbert, Die Entstehung des Karzinoms . 215
»Sc hmal t z, Deutscher Veterinär - Kalender
1904—1905 . 23
—, Deutscher Veterinär-Kalender 1905 bis
Schnorf, Neue physikalisch - chemische
The Translator, Englisch-Deutsch. 24
Veröffentlichungen aus den Jahres-Veterinär-
Berichten 1903 . 216
Oeffentliches Veterinär-Wesen.
Allgemeine Verfügung betr. das aus oder
nach Luxemburg gehende Fleisch . . . 1G2
Ausführungsbestimmungen zu § 2 des Milz¬
brandentschädigungsreglements .... 165
Bekanntmachung, betr. Abänderung der Vor¬
schriften über die Prüfung der Tierärzte,
vom 14. Dezember 1905 . 249
Bekanntmachung betr. die Ausführung des
R. G. über Beseitigung von Ansteckungs¬
stoffen lx?i Viehbeförderungen auf Eisen¬
bahnen .104
Bekanntmachung betr. die Fleischbeschau¬
gebühren .130
Bekanntmachung betr. Freizügigkeit des
Fleisches .. 84
Erlass betr. das Sterilisol als Konservierungs¬
mittel . 81
Erlass, betr. den Rang der Lehrer der tier-
ärztl. Hochschulen, sowie der Departe¬
ments- und Kreistierärzte.130
Erlass betr. Herstellung von Kulturen des
Loefflerschen Mäusetyphus-Bazillus . . 79
Influenza unter den Pferden. 81
Massregeln zur Vorbeugung der Echino¬
kokkenkrankheit .111
Perniziöse Anämie in Frankreich .... 112
Polizei-Verordnung betr. die ausschliessliche
Zuständigkeit der tierärztlichen Fleisch¬
beschauer . ... 129
Polizeiverordnung betr. Massregeln gegen die
Rinderpest.112
Reglement zur Ausf. des Gesetzes l>etr. Ent¬
schädigung für an Milzbr. gef. Tiere , . 162
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Inhalts-Verzeichnis.
IV
Seite
Rinderpest in Aegypten.112
Runderlass betr. die Behandlung des Fleisches
„nüchterner“ Kälber.162
Stand der Tierseuchen im Deutschen Reich
am 15. März 1905 . 16
Stand der Tierseuchen im Deutschen Reich
am 15. April 1905 35
Stand der Tierseuchen im Deutschen Reich
am 15. Mai 1905 . 55
Stand der Tierseuchen im Deutschen Reich
am 15. Juni 1905 . 79
Stand der Tierseuchen im Deutschen Reich
am 15. Juli 1905 . 104
Stand der Tierseuchen im Deutschen Reich
am 15. August 1905 . 129
Stand der Tierseuchen im Deutschen Reich
am 15. September 1905 . 161
Stand der Tierseuchen im Deutschen Reich
am 15. Oktober 1905 . 191
Stand der Tierseuchen im Deutschen Reich
am 15. November 1905 . 213
Stand der Tierseuchen im Deutschen Reich
am 15. Dezember 1905 ....... 225
Stand der Tierseuchen im Deutschen Reich
am 15. Januar 1906 . 249
Stand der Tierseuchen im Deutschen Reich
am 15. Februar 1906 . 286
Tarif für die Gebühren der Kreistierärzte in
gerichtlichen Angelegenheiten .... 133
Tierseuchen in Canada.225
llebersicht über den Stand der ansteckenden
Krankheiten der Haustiere in der Schweiz
im Jahre 1905 . 286
Verfügung betr. Aufbewahrung der Fleisch¬
beschaustempel . 84
Verfügung betr. Wiederholung der Fleisch¬
beschau . 82
Verordnung lietr. den Verkehr mit Kuhmilch 85
Verordnung betr. den Verkehr mit Tuber-
kulinum Kochi. 80
Verordnung betr. die Tagegelder und Reise¬
kosten der Veterinärbeamten .... 131
Verordnung über Inkrafttreten des Gesetzes
betr. die Dienstbezüge der Kreistierärzte 131
Varia.
Als leben, M., Giftigkeit des normalen
Darminhalts.2 ?3
TI. Deutscher Kolonial-Kongress, Berlin . . 144
Führung des tierärztlichen Doktortitels . . 264
Gründung einer deutschen Gruppe des milch-
wirtschaftlichen Welt verba ndes ... 263
Hatschek, Neue Theorie der Vererbung . 264
Internationale Konferenz über die tro¬
pischen Tierkrankheiten. 22
VIII. Internationaler Tierärztlicher Kongress.
Internationaler Tuberkulose-Kongress . . . 141
Perkuhn, Stalldesinfektion mittels Lingner-
Apparates.262
Preussens Kreistierärzte. 1
77. Versammlung Deutscher Naturforscher
und Aerzte. 142
Referate.
Allgemeine Bakteriologie und Untersuchungs-
metlioden.
Baruehello. Untersuchungen über die
Darmstreptokokken des Pferdes .... 201
Bodon, Untersuchungen über die molekulare
Konzentration der pathologischen Flüs¬
sigkeiten . 36
Brunner, Beitrag zur Anaerohenzüohtimg . 238
No. 1—12
Seite
Caporali und Rizzacasa, Organe als Nähr¬
medien für Mikroorganismen. 37
Carini, Kuhpoekenlymphe und Tetanus . . 37
Carl, Zur Milzbranddiagnose. 38
Detre und Seilei, Ueber die hämolytische
Wirkung des Sublimats. 36
Engel, Refraktometrie bei der Unterschei¬
dung entzündlicher und nichtentzünd¬
licher Flüssigkeitsansammlungen . . . 238
Foä, Die Agglutinationserscheinung . . . 261
Hel ly, Exsudatzellen und deren Beeinflus¬
sung durch Bakterien.114
Henke und Zeller, Aceton-Paraffin-Schnell-
einbettung. 39
Hofstädter, Das Eindringen von Bakterien
in Kapillaren.113
Kern, Ein neues Bakterienfilter.116
Lewandowsky, Wachstum von Bakterien
in Salzlösungen.115
Maurice Boigey, Ueber acidophile Bak¬
terien .115
Orszäg, Einfache Methode zur Färbung von
Sporen.237
Pietro, Empfindlichkeit der Tiere gegen
Penicillium glaucum ..239
Rosenthal, Erzeugung hochwertiger Agglu¬
tinationssera .115
Sitsen. Ueber Aceton-Paraffineinbettung . 239
Stölting, Ueber Lebensfähigkeit der mit
kleinsten Tröpfchen versprühten Bak¬
terien . 30
Uffenheimer, Die Durchgängigkeit des
Magendarmkanals neugeliorener Tiere für
Bakterien und Eiweissstoffe.113
Rolly und Liebermeister, Untersuchun¬
gen über die Ursachen der Abtötung der
Bakterien im Dünndarm.260
Wrzosek, Experimentelle Beiträge zur Lehre
von dem latenten Mikrobismus .... 35
—, Züchtung der Anaeroben in den
lufthaltigen Medien.238
Zieler. Färbung schwer färbbarer Bakterien 110
Desinfektion.
Jakorleff, Tiefenwirkung gasförmiger des¬
infizierender Substanzen. 96
Ivischensky, Desinfizierende Eigenschaften
des Natrium hyperboracicum .... 96
Lode, Desinfektion der Personen-, Vieh- und
Güterwagen der Eisenbahn. 95
Rodziewicz, Einfluss des Argentum colloi-
dale auf das Blut.240
Schnürer und Januschke. Desinfektion
der Viehwagen mit Formaldehyd . . . 240
Tonello, Wasserreinigung mit Tacliiol . . 95
Vincent, Antiseptische Eigenschaften des
Eisen sulfates.240
Ernährung, einschliesslich der Fleisch- und
Milchhygiene.
Ballo, Bestimmung des Sehmutzgehalte§ in
der Milch.135
de Blasi, Ueber die Passage der Antikörper
in die Milch und ihre Absorbierung im
Säuglingsdarm. 134
Cao. Chemische Milchsterilisation .... 136
Dabrowski, Welche Desinfektionsmittel
verleihen der Milch ihren Geruch . . . 135
Heyken. Steigerung des Milchertrages durch
Tränken mit gutem Wasser.136
Jarmatz, Die verschiedenen Melassearten
als Hafer-Ersatzmittel.137
Klein, Verbreitung des Baeillus enterid.
Gärtner in der Kuhmilch.135
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No. 1-12.
Inhalts-Verzeichnis.
V
Seite
Rullmann, Ueber die Reaktionen der oxyd.
Enzyme der Kuh- und Frauenmilch . . 133
Seligmann, Einfluss von Aldehyden auf die
Oxydasen der Milch.134
Tangl und Farkas, Untersuchungen über
den Stoff- und Energieumsatz des be¬
fruchteten Forellen-Eies . . 1 . . . 136
Teichert, Bakt.-cliem. Studien über die
Butter in der Provinz Posen.136
Weissflog, Beobachtungen über die Milch,
besonders Kollostralmilch ..135
Immunität und Schutzimpfung.
Aruch und Petrini, Zur Frage über Rotz-
immunitat und Rotzheilung. 17
Bertarelli, Aktive und passive Immunisie¬
rung der Neugeborenen.118
Bisanti, Schutzimpfungen gegen Geflügel¬
cholera .120
Bremener, Einfluss des Diphtlieriegiftes
auf den Stickstoff- und Salzwechsel bei
den Tieren.120
Capellani, Schutzkraft der Leukocyten . . 117
Detre und Seilei, Die blutlösende Wirkung
des Tetanusgiftes. 259
Fehsenmeier, Die Impfungen gegen Rot¬
lauf der Schweine in Baden.258
Friedberger und Moreschi, Aktive Immu¬
nität von Kaninchen gegen Cholera und
Typhus. 259
Holterbach, Dauer der Immunität bei
Druse. . 259
Jemma, Schutz vor der Tuberkulose mittels
der Milch immunisierter Kühe .... 192
.Tensen, C. O., Ueber Kälberruhr und deren
Verhütung durch Seruminjektionen . . 258
Jungklaus, Ein Beitrag zur Milzbrand¬
impfung .120
Klein, Ueber Ervthropräcipitin.256
Koch, Schütz," Neufeld, Miessner,
Ueber Immunisierung von Rindern
gegen Tuberkulose.191
Konrddi, Ist die Wut vererbbar ! .... 41
Kr ei dl und Mandl, Experiment l>ei träge zu
Wechselbeziehungen zwischen Fötus und
Mutter. 42
Lieber, Ueber die bakterienfeindlichen
Stoffe des Blutfibrins.257
Löffler. Neues Verfahren zur Gewinnung
von Antikörpern.256
Marie, A., Untersuchungen über das anti-
rabietische Serum.120
Markl, Ueber den Mechanismus der Abwehr
des Organismus bei Infektion mit Tu¬
berkelbazillen . .. 17
Neufeld und Rimpau. Ueber die Anti¬
körper des Streptokokken- und Pneumo-
kokken-Immunserums . 17
Otto! eng hi und Mori, Wirkung des Aethyl-
äthers auf hämolythische und bakteri¬
zide Sera ..." . 43
Remlinger, Ueber Wutgift und Wut¬
impfung . 42
Remlinger und Mustapha Effeiuii, Wut¬
impfungen beim Rinde ....... 18
Sacconaghi, Leukocvtose. Immunität . . 116
Schnürer, Zur präinfektionellen Immuni¬
sierung der Hunde gegen Lyssa .... 118
Semmer. Heilbarkeit des Rotzes und der
Tuberkulose. 40
Spangarn. Tntorno plPazinne betterieida
del sangue puro etc. verso il baeillo del
carbonchio . 258
Theiler, Die Simultanimpfung gegen Rin¬
derpest . .... 258
Seite
Tizzoni und Panichi, Zerstörung des
Pneumoniekokkus im Blute immunisierter
Tiere. 40
Turro und Suner, Mechanismus der natür¬
lichen Immunität.117
Waele und Sugg, Untersuchungen über
Kuhpockenlymphe.259
Wolff, Ueber Grundgesetze der Immunität 16
Zupuck, Ueber gattungsspezifische Immuni¬
tätsreaktionen . 39
Infektionskrankheiten.
Abba und Bormanns, Methode der Wut-
- diagnose auf histologischem Wege . . 87
Almqui st, Kultur von pathogenen Bakterien
in Düngerstoffen.287
Arloing, Schlusssätze über die Beziehun¬
gen zwischen der Menschen- und Tier¬
tuberkulose .231
Bahr, Bakterien zur Vertilgung von Ratten
und Mäusen.255
Bail, Ueber Empfindlichkeit bei tuberku¬
lösen Tieren. 19
Bartel und Stein, Zur Biologie schwach¬
virulenter Tuberkelbazillen. 62
Bashford, Wachstum des Krebses . . . 235
Beck, Zur Frage der säurefesten Bazillen 60
v. Behring, Ueber alimentäre Tuberkulose¬
infektion im Säuglingsalter. 55
Bertarelli, Experimentelle Untersuchun¬
gen über die Tollwut.234
—, Ueber Tuberkulose der Reptilien ... 59
Bonome, Schwankungen des Agglutinin-
und Präzipitingehaltes des Blutes bei
der Rotzinfektion. 63
Bossi, Untersuchungen über den Uebergang
der Tuberkelbazillen von der Mutter auf
den Fötus bei Kaninchen und Meer¬
schweinchen . 19
Calmette et Gnärin, Vallee. Die Ent¬
stehung der Tuberkulose.250
Carles, Keimfreie Eier.288
Dago net, IJebertragbarkeit des Karzinoms 71
Den zier, Die Bakterienflora das Genital¬
kanals des Rindes. 167
de Does, Ein Fall von Pseudo-Malleus der
Testikel eines Pferdes. 69
Eber, Experimentelle Uel>ertragung der Tu¬
berkulose vom Menschen auf aas Rind 89
—, Widerstandsfähigkeit vor behandelter Rin¬
der gegen Tuberkulose-Infektion ... 88
Ficker, Zur Rotzdiagnostik. 87
Flügge, Erwiderung auf v. Behrings Ar¬
tikel: Ueber alimentäre Tuberkulose-In¬
fektion . . 56
Friedmann, Beiträge zur Frage kongeni¬
taler Tuberkulose . . . ..227
Goggia, I fenomeni di necrobiosi presentati
dai l)acilli tubercolari.287
Guszmann, Experimente über Implantation
von Hautteilen . 72
Hess, Bericht über die von der Gesellschaft
schweizerischer Tierärzte veranstaltete
Untersuchung betreffend die Knöten-
seuche.213
Heymans. Pleurale und peritoneale Tuber¬
kulose des Rindes.232
Hoffman n, Wachstum von Tuberkel-Ba¬
zillen auf 10 o/o Glyzerinkartoffeln ... 90
Hoefnagel, Tuberkelbazillen im Fleische 90
Hollandt, Die Zungenaktinomykose des
Schweines.253
Hunter, Pest bei Katzen.254
Jarosch, Ueber Septikämie der Truthühner 214
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VI
Inhalts-Verzeichnis.
No. 1—12
Seite
de Jong, Steigerung der Virulenz des
menschlichen Tuberkelbazillus zu der
des Rindertuberkelbazillus. 60
Justus, Der physiologische Jodgehalt der
Zellen. 72
Kanitz, Der Wert der Röntgenbehandlung
bei Favus.256
Karlinski, Zur Frage der gerininativen
Tuberkulose bei Tieren.227
Karwacki, Bakterienflora der malignen Tu¬
moren .235
Klein, Feber einen neuen tierpathogenen
Vibrio . 71
Kleine, Neue Untersuchungen über die
Hühnerpest .253
Kleine und Möllers, Feber Hühnerpest
bei Gänsen.214
Klemperer, Experimenteller Beitrag zur
Tuberkulosefrage.60
Koiirädi, Weitere Untersuchungen zur
Kenntnis der Symptome und Prophylaxe
der experimentellen Lyssa. 66
Korczynski, Einfluss der Tuberkulotoxine
auf Entwickelung und Giftigkeit anderer
Bakterien. 19
Koske, Welche Veränderungen entstehen
nach Einspritzung von Bakterien. Hefen.
Schimmelpilzen und Bakteriengiften in
die vordere Augenkammer?. 64
—, Zur Frage der Uebertragbarkeit der
Schweineseuche auf Geflügel und der Ge¬
flügelcholera auf Schweine durch Ver¬
füttern ng .. 63
Kos sei, Schlusssätze über die Beziehungen
zwischen der Menschen- und Tiertuber¬
kulose .231
Kossel und Weber, Beziehungen der Men¬
schen- und Tiertuberkulose.228
Kossel, Weber, Heuss, Vergleichende
Untersuchungen über Tuberkelbazillen
verschiedener Herkunft II. 56
Krompecher, Untersuchungen über das
Verhältnis von Epithel, Endothel und
Bindegewebe zueinander. 71
Langer, Untersuchungen über die differen¬
tialdiagnostische Bedeutung der Rotz¬
agglutination .167
—, Untersuchungen übereinen mit Knötchen¬
bildung einhergehenden Prozess in der
Leber des Kalbes und dessen Erreger . . 69
Lefebure und Gautier, Die spontane Ka-
ninchenseptikämie. 70
Legge, Milzbrand bei gewerblichen Ar¬
beitern in Grossbritannien.226
—, Ueber den Gewerbeanthrax. 88
Levaditi, Spirillose der Hühner .... 91
Loeb, Das endemische Vorkommen des
Krebses bei Tieren. 91
Löte, Uel>er die Lyssa der Vögel. 66
Lottermoser, Tuberkulose eines Rinder¬
fötus . ... 19
Magnus, Untersuchungen über das Ver¬
halten der Eidechsen gegen Infektion
mit Milzbrand, Tetragenus und Mäuse-
septikämie. 67
Meier, Ueber das Wachstum der Tuberkel¬
bazillen auf vegetabilischen Nährböden 61
M6mmo, La pcste equina.255
M emmo, Martoglio. Adani. Tnfezioni
g rotozoarie negli animali dornest ici in
ritrea.256
Merveilleux, Häufigkeit und Verbreitung
des Sarkoms.235
Mölner, Gibt es Impfkarzinome '. 71
Seite
Mori, Ueber eine bei Katzen aufgetretene,
durch einen besonderen Mikroorganismus
bedingte Epizootie. 68
Nie olle, Wutdiagnose an faulendem Gehirn¬
material . 87
Oppermann, Experimentelle Beiträge zur
Aetiologie der natürlichen Milzbrandfälle 250
Orlowski, Zusammenhang zwischen para-
sitärer Ruhr und Magensaftmangel ... 91
Osman Nouri, Absorption des Tuberkel¬
bazillus durch die Haut.227
Pf aff, Eine infektiöse Erkrankung der Ka¬
narienvögel . 68
Pierry und Mandoul, Vielgestaltigkeit
des Koclischen Bazillus in den tuber¬
kulösen Sputen.252
Plate, Resorptionsfähigkeit mit Tuberkel¬
bazillen vom Magendarmkanal aus . . 252
Preisz, Untersuchungen über die feinere
Struktur und die Ent wickelung der Sporen
beim Milzbrandbazillus. 20
—, Vergleichende Untersuchungen über den
Tuberkelbazillus des Menschen und des
Rindes .. 20
Pütz, Der Bacillus pyogenes und seine Be¬
ziehungen zur Schweineseuche .... 22
Rabinowitsch, Studien über verschiedene
Tuberkulosearten ..231
Raw, Human and bovine tuberkulosis . . 89
Riebet, Einfluss gekochten Fleisches auf
exp. Tuberkulose.233
Roger und Weil, Neue experimentelle Sac-
charomykose der Kaninchen. 21
Römer, Ueber Tuberkelljazillenstämme ver¬
schiedener Herkunft. 18
Ronse, Anaerolie Bakterien als Ursache von
Nekrose und Eiterung l>eim Rinde . . . 254
Sanfelice, Streptothrix-Pseudotuberkulose. 63
Sau erbeck. Beitrag zur pathologischen Hi¬
stologie der experimentalem Trypano-
somen-Infektion.288
Schaudinn und Ho ff mann.* Vorläufiger
Bericht ül>er das Vorkommen von
Spirochaeten in syphilitischen Krank¬
heitsprodukten . 64
Scliern, Darmtu berkul ose des Huhnes . . 233
Schmidt, Vorkommen eines protozoon-
artigen Parasiten in Malignen-Tumoren 92
Schmitz, Ueber Choleravaccin.288
Schnürer, Zur diagnostischen Verwertung
der Rotzagglutination.167
v. Schroen, Der neue Mikrobe der Lungen¬
phthise . 90
Schütz und Miessner. Zur Serodiagnose
der Rotzkrankheit .166
Siegel, Untersuchungen ül>er die Aetiologie
der Pocken und der Maul- und Klauen¬
seuche . 65
—, Untersuchungen über die Aetiologie
der Syphilis. 66
Smidt. Zur Charakterisierung der Hog-
choleragruppe . 64
Sticker. Uebertragungen bösartiger Ge¬
schwülste bei Tieren.236
Storch. Zur Prophylaxe der puerperalen
Infektionen. 68
Streit, Ueber cerebrospinale Meningitis
der Pferde . 21
—, Untersuchungen über Geflügeldiphtherie 91
Tarozzi. UcImt das Latentlelieu der Teta-
nussporen im tierischen Organismus . . 286
Tiberti. Ueber den Transport des Tetanus¬
giftes zu den Rückenmarkszentren durch
die Nervenfasern. 66
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No. 1—12.
Inhalts-Verzeichnis.
VII
Seite
Tizzoni und Bongiovanni Wirkung der
Badiumstra lilen auf das Viris rabiei . . 234
Tonzig, Verbreitung von Tuberkulose
durch gesalzenes Fleisch.233
v. Tormay, Die Tuberkulose unter den Haus¬
tieren und die Milchbehandlung ... 20
Wagner, Puerperalerkrankung beim Meer¬
schweinchen . 21
Weber und Taute, Die Kaltblüter tuber¬
kulöse . . 58
Wright, Biologie des Strahlenpilzes . . . 252
Parasitologie und Invasionskrankheiten.
Bowhill, Piroplasmose der Pferde . . . 168
Braun, Zur Entwicklung der Taenia tenui-
collis .. 95
Byloff, Ein Beitrag zur Kenntnis der
Battentrypanosomen. 45
de Does, Tumor der Stirnhöhle. 47
Gmeiner, Sarcoptesräude der Kaninchen 362
Günther und Weber, Trypanosomenkrank-
heit beim Menschen.168
Jakimoff, Zur Biologie der Trypanosomen
der Nagana und des Mal de Caderas . . 46
James, Parasitic found in tlie blood of
dogs.167
Jammes und Maudoul, Bakterizide Eigen¬
schaften der Säfte der Würmer. Ueber
die Biologie der Cestoden. 47
Jan cs <5, Untersuchungen über Weiterent¬
wicklung der Malaria-Parasiten in den
Anopheles-Arten. 44
Juliusberg, Epithelioma contagiosum von
Taube und Huhn. 48
Künneman, Bhabditis strongyloides als Ur¬
sache eines Hautausschlages l>eim Hunde 95
Laveran, Wirkung des menschlichen Serums
auf Trypanosomen der Nagana. Caderas
und Surra. 46
Martini, Untersuchungen über die Tsetse¬
krankheit .*. 43
Seite
Neal, Ward, Novy und Frederick, Kulti¬
vierung der Trypanosomen Lewisi und
Brucei . . 46
Panse, Trypanosoma (Theileri !) in Deutsch-
Ostafrika . 168
Paschen, Piroplasmose bei einheimischen
Schafen. 93
Petrie, Beobachtungen über Struktur und
Verbreitung einiger Trypanosomen . . 262
Bexilius, Gastruslarven als Todesursache
bei einem Pferde.168
Sinediey, Cultivation of Trypanosomata . . 94
—, Züchtung der Trypanosomen.262
Stälielin, Stoffwechsel bei der Surra-
erkran kung .168
Ten Broche, Einige Fälle von Filaria-
Embryonen bei Pferd und Bind . . . . 47
Väinossy, Giftbindende Tätigkeit der Leber 47
Wendelstadt und Fellmer, Einwirkung
von Brillantgrün auf Nagana - Trypano¬
somen . 288
Widakowich, Nematoden an der Hypo¬
physis von Felis domestica.168
Ziemann, Beitrag zur Trypanosomenfrage . 93
Versicherungswesen.
Badische Pferde - Versicherungsanstalt zu
Karlsruhe.139
Viehversicherung in Bayern.140
Wasser, Luft, Boden, Klima.
Baumgart, Tierzucht und Bassenveredelung 138
Kartasch ewsky, Wirkung des Wasser¬
stoffes auf den Stoffwechsel.139
Schilling, Bericht über Untersuchungen
betr. Viehkrankheiten in Togo .... 137
Ziemann, Ueber die sogen. Kieferkrankheit
der Pferde und Maultiere in Kamerun . 139
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Fortschritte der Veterpfcj|ygiene.
3. JAHRGANG. APRIL 1905? MAY 16 1921 HEFT 1.
—■ -- * - V * --
Preussens Kreistierärzte. ! spät erSi(jhti.|^HB\HfiäÄing der Fachschule
Am 7. Februar 1817 wurde den preussischen
Kreistierärzten der Bang der Subaltembeamten
bei Lokalbehörden angewiesen. Knapp zwölf
Jahre ist’s bis zur Centenarfeief. So ent¬
spracht den um ein Jahrhundert zurück¬
liegenden Verhältnissen. Des Kechnens un¬
kundige oder des Schreibens nicht geübte
Fach-Scholaren und Zöglinge konnten der
Weisheit mangelnde Schätze unter eines Ko¬
pisten oder Schreibermeisters Leitung erringen.
Es war ein bedeutsamer Schritt in der
Entwickelung der Tierheilkunde, als nach dem
Publikandum über Aufnahme und Unterricht
von Eleven der Tierarzneischule zu Berlin
vom 5. Juni 1838 diejenigen, welche sich zu
erstklassigen Tierärzten ausbilden und Amts¬
charakter erwerben wollten, den Nachweis der
Sekundanerwürde führen mussten.
Vierunddreissig Jahre später bestimmte
des Reichskanzlers Bekanntmachung die Reife
für Prima als notwendiges Mass Scholaren-
Weisheit für der Tiermedizin Studien, die auf
sieben Semester bemessen wurden.
Eines Säkulum Viertel ist verflossen seit
Verordnung des Tierseuchengesetzes für
Deutschland, das sich in breiter Basis auf die
gewissenhafte Tätigkeit beamteter Tierärzte
stützt. Es konnte ohne ihre Mitarbeit gar
nicht zur Durchführung gelangen. Ist’s nötig
den Nachweis zu führen dessen, was sie ge¬
leistet haben?
Siebzig jahre nach Verleihung des untersten
Beamtenranges an die beamteten Tierärzte
wurden die preussischen Tierarzneischulen zu
Hochschulen, also zu wissenschaftlichen Lehr¬
anstalten erhoben. Seit zweier Jahre Frist
wird endlich die Reife eines Gymnasiums oder
einer gleichwertigen Anstalt als Vorbedingung
für das Studium der Tiermedizin verlangt.
Die Aussicht auf die Centenarfeier am
7. Februar 1917 besteht trotz allem.
Seit Jahrzehnten sind von deutschen Tier¬
ärzten die endlich erzielte Maturität und die
zur Hochschule flllt fiöissem Bemühen erstrebt
worden als Vorbedingung und Rahmen zum
akademischen Studium, das seit mehr denn
dreissig Jahren dem ärztlichen nachgebildet
und nicht weniger wissenschaftlich ist als
dieses und andere. Wem muss das bewiesen
werden? Erst in den letzten Jahren haben
Preussens beamtete Tierärzte lebhafter, ge¬
schlossener versucht, der tiefsten Rangstufe
untergeordneter Beamten sich zu entringen.
In merkwürdiger, schwerlich erkannter, noch
weniger anerkannter Bescheidenheit haben sie
verharrt in einem für die enorme Entwickelung
der Naturwissenschaften und ihre praktische
soziale Bedeutung fast prähistorisch gewordenen
Zustande; hoffend, dass gerechte Würdigung
ihres Seins auch die Rangfrage einer logischen
Entwickelung entgegenführen, dass wissen¬
schaftliches Studium und wissenschaftliche
verantwortungsvolle Tätigkeit sie aus den
Reihen untergeordneter Beamten herausheben
würde. Seit fast zwei Dezennien Hochschule,
und die Hoffnung hat bis heute getrogen.
In einem Artikel der Berliner Tierärzt¬
lichen Wochenschrift vom 29. Mai 1902 war
gesagt: „Den Kreistierärzten sollte mit der
fünften Rangklasse der Titel Veterinärrat ver¬
liehen werden.“ In einem weiteren Artikel
des selben um tierärztliche Interessen seit
langem verdienstvollen Blattes vom 15. Januar
1903: „Es ist wünschenswert, dass das zu er¬
wartende Gesetz, dem Kreisarzt-Gesetz ent¬
sprechend, die Rangfrage regelt.“ In den
Verhandlungen des preussischen Landtages
sagte am 30. Januar 1903 der gut informierte
Abgeordnete Dr. Müller: „Man sollte die
Kreistierärzte gerechterweise den übrigen
wissenschaftlich vorgebildeten Beamten im
Range gleichstellen.“ Das Berliner Fachblatt
sagt am 19. März 1903: „Es kann nur mit
Freuden begrüsst werden, wenn ein Gesetz
kommt, wodurch neben anderem auch die
Rangfrage geregelt wird. Die Entwickelung
dieser Seite des Veterinärwesens kann erst an
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2
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
3. Jahrgang.
einem Ziele Halt machen, das ist die Einreihung
der Kreistierärzte in die fünfte Bang¬
klasse.“ In einer Denkschrift heisst es:
„Wir Kreistierärzte hoffen zuversichtlich,
dass uns die kommende Beform die Bang¬
klasse verleihen wird, welche wir erwarten
dürfen. Der erniedrigende Bang droht die Be¬
rufsfreudigkeit zu zerstören.“ Droht? Er zer¬
stört bis zur Verbitterung. Noch präziser heisst’s
in No. 22 des zwölften Jahrgangs des in Han¬
nover erscheinenden Fachblattes: „Es muss
immer und immer wieder betont werden, dass
die Gesamtheit der preussischen Kreistierärzte
den allein gedeihlichen Abschluss ihrer Re¬
organisation lediglich in der Einrangierung
unter (soll heissen: in) die letzte Klasse der
höheren Beamten erblickt. Jedes erlaubte
Mittel muss angewandt werden, dieses Ziel zu
erreichen. Wer die Weiterentwicklung des
preussischen Veterinärwesens will, muss auch
die Heraushebung der Kreistierärzte aus ihrer
Subalternstellung und Versetzung in die der
höheren Beamten wollen.“ An anderer Stelle:
„Viele Kreistierärzte bekunden, dass sie sich
genötigt gesehen hätten, von Veranstaltungen,
bei denen Dienstrang in Frage kommen
konnte — das sind vornehmlich patriotische
Feste —, sich femzuhalten.“ Was beweist
besser die Notwendigkeit, den Kreistierärzten
die ihnen zukommende Stellung zu gewähren,
als dieses Zeugnis beschämender Rückständig¬
keit? Der Belgarder Kreistierarzt sagt in
einem Artikel: „Auf die Gewährung der Bitte,
dass die Kreistierärzte in der fünften Rang¬
klasse untergebracht werden, legen die Kreis¬
tierärzte bei der ganzen Reform ihrer Stellung
das Hauptgewicht. Elschner-Wreschen: „Jede
Rangerhöhung, die die Kreistierärzte nicht
klipp und klar in den fünften Rang erhebt,
würde für diese eine eklatante Erniedrigung
sein und muss mit Festigkeit abgelehnt wer¬
den.“ Wem’s paradox klingt, mag’s im Texte
nachlesen. Bei derselben Gelegenheit mahnten
die Abgeordneten von Savigny und Rosenow
die Kreistierärzte, materielle Momente zurück¬
treten zu lassen, den höchsten Wert allein auf
den Rang der Räte fünfter Klasse zu legen
und in der Rangfrage festzubleiben. — War
die Mahnung nötig? Klang’s nicht im gleichen
Akkorde durch alle Versammlungen, durch
alle Artikel? Von keiner Seite geschah ein
Einspruch, wurde abweichender Meinung Aus¬
druck gegeben, auch von solchen nicht, die
dem Vereine der Kreistierärzte fernstanden.
Als für die Herren vöm Militär die Chargen¬
frage des künftigen Veterinär-Offizierkorps auf¬
tauchte, klang aus der Meinungen Stimmen¬
gewirr ein greller Misston: das „oblige“ stellt
unerschwingliche Anforderungen an den kärg¬
lichen Beutel und das persönliche „se donner“,
billiger und bequemer nicht über des Wacht¬
meisters Höhe zu ragen. — Erklärliche Ent¬
rüstung: Subalternseele, durch Generationen
verkümmert in derSoldateska tieferen Regionen.
Ganz anders bei Preussens Kreistierärzten.
Alles einig in dem Streben nach würdigem
Rang, dem gegenüber der Mammon eine cura
posterior. Lieber absolute Ranglosigkeit als
weniger denn fünfte Klasse. Des fünften
Ranges Besitz sollte auch unter materiellen
Opfern erstrebt werden. Diese Einmütigkeit
verlieh der Bewegung ein denkbar günstiges
Gepräge, das auch nicht getrübt wurde durch
die Auslassungen des Departementstierarztes
zu Oppeln, der seinem Innern nach nicht mehr
zu den Kreistierärzten gehört. Jedem ist’s
aus seines Artikels Tendenz ersichtlich. Muss
es erst bewiesen werden? In diesem Artikel
verrät Verfasser streng vertraulich — aber
nur denen, die Interesse für die Frage be¬
kunden —, dass man die Kreistierärzte nur
nicht aufnehmen will in die Reihen der
höheren Beamten. Wem ist’s was Neues?
Das ist selbst harmlosen Gemütern bewiesen
durch die unzureichenden Erklärungen der
Schwierigkeiten, die sich der Erhebung der
Kreistierärzte in die fünfte Rangklasse ent¬
gegensetzten, und die schwankenden Auf¬
fassungen über die Berechtigung der Kreis¬
tierärzte zu ihrem Wollen und Wünschen.
In erster Linie wurde die Finanzlage und
-Frage ins Treffen geführt. Erstere ist nicht
schlecht, die letztere kein Hindernis, wenn’s gilt,
etwas zu schaffen, dessen Notwendigkeit von
den betreffenden Ressorts wuchtig genug ver¬
treten wird. Das weiss jeder, der am parlamenta¬
rischen Leben auch nur bescheidenen Anteil
nimmt. Ein Minister der Finanzen sperrt sich
jedem auf den Beutel gerichteten Antrag gegen¬
über, will er den Ruf der Tüchtigkeit nicht aufs
Spiel setzen. Der Einwand, dass Aerzte einer
höheren Entwickelungsphase höhere Liqui-
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Heft 1.
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
3
dationssätze aufsteüen, entspringt hilfloser taten, als sie mahnten, den höchsten Wert
Verlegenheit und ist gewiss bereits 1817, als allein auf den Rang der Räte fünfter Klasse
die Kreistierärzte den untersten Rang der zu legen, in der Rangfrage festzubleiben. Bis
Subaltembeamten erhielten, von zünftigen Merseburg drang die Mahnung nicht. Der
Agrariern erhoben worden. In den letzten,
Jahrzehnten ist jeder Vorwärtsbewegung des
Veterinärwesens derselbe Einwand entgegen¬
gehalten worden. Jedesmal hat die Erfahrung
seine Haltlosigkeit erwiesen. Der bis dahin
sehr rührige Mitkämpfer für die Interessen der
Kreistierärzte und in jungen Jahren zum
Departementstierarzt ernannte Bermbach konnte
der ersten Versammlung preussischer Kreistier¬
ärzte als Träger ministerieller Huld mitteilen,
dass die Vorgesetzte Behörde aufs lebhafteste
bemüht sei, kreistierärztliche Wünsche zu ver¬
wirklichen. Dann aber wurde gewarnt, man
solle die Hoffnungen nioht zu hoch spannen.
Die Kreistierärzte von Preussen haben niemals
hoch gespannte Hoffnungen genährt. Was sie
erhofften, erstrebten in nie ermüdender Ge¬
duld und Gewissenhaftigkeit, war immer in
den Grenzen berechtigter Erwartung gehalten.
Was uns also Oppelns erster Tierarzt verriet,
war bekannt. Wir wissen’s auch heute noch:
wo jene Tränen hängen. Die Einmütigkeit
der Kreistierärzte war nicht gestört. Die An¬
gelegenheit war günstig nach wie vor. Da er¬
klang am 26. Januar 1905 ein überängstlicher
und verzweifelt unzeitgemässer Ruf aus Merse¬
burgs gesegneten Gauen: „Die Kreistierärzte
sind nicht in der Lage, für irgendwelche Ver¬
besserungen materielle Opfer zu bringen.“
Also um keinen Deut anders als jener Unken¬
ruf aus der schwarzen Halsbinde. Sass denn
hier von den vielen keiner am runden Tisch,
der, wenn’s sein musste, diese „Meinung“ klug
und verschwiegen an das Ohr des Vereins¬
vorstandes dirigieren konnte, anstatt sie so
offen auszuhängen? Und war’s denn wirklich
so ängstlich? Kaum. Die Finanzfrage konnte
noch immer günstiger Lösung entgegengeführt
werden, schon im nächsten Jahre, wenn’s not
tat. Aufbesserungen von Gehältern und Ein¬
nahmen sind nicht etwas so Seltenes im preussi-
schen Ausgabenetat. Aber im Mauerwerk des
Vorurteils und des engherzigsten Kastengeistes
Bresche zu legen, ist Titanenwerk, halben
Kräften nicht erreichbar. Die im parlamen¬
tarischen Leben nicht unerfahrenen Herren
von Savigny und Rosenow wussten, was sie
bedauerliche Erfolg war der, dass am 15. Februar
eine Umfrage bei den Kreistierärzten geschah
zur Feststellung, ob ihre Mehrheit, um den
fünften Rang zu erhalten, die Pauschalierung
der Gebühren billigt oder auf die Einrangierung
verzichtet. Nach dem Vorhergegangenen ein
klägliches Bild, nach dem geschlossenen Vor¬
gehen ein unsicheres Schwanken, ein Zer¬
splittern. Der Vorstand mochte nicht anders
handeln können. Er wurde gezwungen, beirrt
durch jenes zumeist aus guten Pfründen
kommende Angstgeschrei, dem wir’s vielleicht
zu danken haben, wenn wir am 7. Februar 1917
das Centenarfest feiern.
Die Rotlaufimpfung,
unter besonderer Berücksichtigung des
Verhaltens der Schweineseuche¬
erkrankung nach derselben und der sonst
beobachteten Übeln Zufälle.
Von Glage.
(Fortsetzung und Schluss.)
Schwein 13. Das Schwein ist etwa 8
Wochen alt und stammt mitsamt den nächsten 5
aus demselben Bestände, in welchem die Schweine¬
seuche stark herrschte. Es waren dort in den letzten
Jahren regelmässig viele Ferkel, zum grossen Teile
an Durchfall, gestorben. Die Ueberlebenden ent¬
wickelten sich einige Monate schlecht und mästeten
sich dann gut auf. Dieser Verhältnisse wegen
musste ein Zukauf von älteren Tieren erfolgen.
Die von mir beschafften Schweine gehörten indessen
zu verschiedenen Würfen und waren verschieden alt.
Das Schwein 13 ist ziemlich normal für sein
Alter entwickelt. Es wiegt bei Beginn des Ver¬
suches 17 Pfund. Die Haut ist normal weiss, an dem
Kücken etwas grindig, an dem Bauche sind ein¬
zelne rötliche Stippchen und Flecke zu bemerken.
Die Futteraufnahme erfolgt wechselnd, der Kot ist
dünn und übelriechend, gelbgrau von Farbe. Husten
wird vereinzelt gehört. Die Innenwärme betragt in
den 3 Beobachtungstagen vor Beginn des Versuches
39,4; 39,4; 39,3. Dann erhält das Tier 6
ccm Serum und 0,5 ccm Kultur. Am
nächsten Tage beträgt die Innenwärme 40,3, nimmt
aber schon 24 Stunden später ab und beträgt fort¬
laufend 39,7; 39,9; 39,9; 39,7; 39,4; 39,3. Das
Schwein wurde nicht bemerkenswert kränker, son¬
dern erholte sich im Gegenteil. Gewicht jetzt 21
Pfund. Es erhält nun nochmals 0,75 com
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Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
3. Jahrgang.
Kultur subkutan. Temperatur fortlaufend 39,5:
39,4; 39,6; 39,3; 39,4; 39,2; 39,4. Eine Reaktion
tritt nicht ein. Das Gewicht wächst auf 27 Pfund
an. Das Schwein wird getötet. Die Obduktion
ergibt ‘ normale Verhältnisse hinsichtlich der Lage¬
rung der Baucheingeweide. Die Serosa des Dick¬
darms ist trübe und glanzlos, mit zottigen Anhäng¬
seln besetzt, die Schleimhaut mit fest anhaftenden
Schleimmassen bedeckt. Magen, Leber, Milz, Nieren
nicht bemerkenswert verändert. Pleura, Herz ge¬
sund. In den Bronchien teilweise viel eitriger
Schleim. Die vorderen Lappen und der rechte
Mittellappen beherbergen einige grau-rote hepati-
sierte Stellen von je Fünfpfennig- bis Fünfmark-
stückgrösse. Der Schnitt durch dieselben glatt,
feucht, grauer Saft hervor tretend. Die Bronchien¬
wände bindegewebig verdickt.
Diagnose : Schweineseuche, gekennzeichnet
durch einen chronischen Dickdarmkatarrh, chro¬
nische Bronchitis mit geringfügiger Pneumonie als
Folgezustand 4 .
Auf die Rotlaufimpfung könnte man die
Steigerung der Temperatur um 1 0 nach der
Simultanimpfung beziehen, sonst trat nichts
Bemerkenswertes ein.
Schwein 14. Der Befund bei dem mit dem
vorigen gleichaltrigen Ferkel ist ähnlich wie bei
No. 13. Diei Haut ist indessen ziemlich stark grindig.
Gewicht 16 Pfund. Innenwärme 39,4; 39,6; 39,4.
Das Tier erhält 5 ccm Serum und 0,5
Kultur subkutan am Ohr. An der Impf¬
stelle für die Serumimpfung entwickelt sich in den
nächsten Tagen eine hühnereigrosse, heisse, schmerz¬
hafte Schwellung, die in 6 Tagen wieder ver¬
schwindet. Innenwärme 40,7; 40,5; 39,9; 40,2. Das
Tier frisst schlechter, hustet viel. Tabelle weiter:
39,9; 39,9; 39,7; 39,9. Gewicht 14 Pfund. Das
Schwein erhält nun 0,75 ccm Kultur.
Innenwärme 40,1; 39,6; 39,6; 39,7; 39,4. Eine be¬
merkenswerte Reaktion tritt sonst nicht auf. Ge¬
wicht 19 Pfund. Symptome mehr zurückgegangen.
Die Schlachtung ergibt im wesentlichen folgendes:
Baucheingeweide alle normal aussehend. Magen-
und Darmschleimhaut verdickt, mehr faltig, pig¬
mentiert und mit schleimigen Massen besetzt, die
sehr reich an Rundzellen sind. Leber, Milz, Nieren.
Herz, Pleura normal. Die vorderen Lappen, die
Mittellappen und die vorderen Ränder der Haupt¬
lappen der Lungen derb, kompakt, grau-rot, auf
Schnitten sehr feucht, wenig voluminöser als die
hinteren lufthaltigen Partien und scharf von diesen
interlobulär abgesetzt. In die lufthaltigen noch
ein kleiner hepatisierter Herd isoliert eingesprengt.
Die Bronchien zu den erkrankten Lappen vollge¬
stopft mit dickem, weissem Eiter.
Diagnose : Schweineseuche, gekennzeichnet
durch einen chronischen Magen-Darmkatarrh und
Bronchialkatarrh mit ziemlich umfangreicher Pneu¬
monie.
Auf die Rotlaufimpfung dürfte die Tem¬
peraturerhöhung und die vorübergehende Ver¬
schlechterung im Allgemeinbefinden zu be¬
ziehen sein.
Schwein 15. Das Schwein ist 10 Wochen
alt, wiegt 17 Pfund und zeigt ausgesprochene
Symptome der Schweineseuchc. Es hustet ver¬
einzelt etwas, hat Verstopfung, und Flatus gehen
öfters ab. Futteraufnahme wechselnd gut. Munter¬
keit ziemlich erhalten. Schwanz geringelt getragen.
Haut grindig längs des Rückens. Innenwärme 39,5:
39,4; 39,5. Das TiererhältsimultanÖccm
Serum und 0,5 ccm Kultur. Darauf wird
es vorübergehend kränker, verkriecht sich in die
Streu, liegt viel, hustet wenig, frisst aber schlechter,
nagt viel an Holz, frisst Jauche usw. Es ist
etwas steif beim Gehen. Innenwärme 40,6; 40,8;
40,2; 39,5; 39,4; 39,3; 39,6; 39,5; 39,5. Das Tier
erhält jetzt 0,75 ccm Kultur subkutan.
Temperatur 39,8; 39,9; 39,3; 39,2; 39,4; 39,6. Eine
Reaktion tritt nicht ein. Das Gewicht bleibt 17
Pfund. Allgemeinsymptome wie bei Beginn des
Versuches. Als Kümmerer geschlachtet. Die Sek¬
tion ergibt einen intensiven, chronischen Magen¬
katarrh, der Darm erscheint kaum bemerkenswert
verändert. In den Bronchien zäher Schleim. Lunge,
Herz, Leber, Milz, Nieren, Brustfell, Bauchfell
gesund.
Diagnose : Schweineseuche, gekennzeichnet
durch einen chronischen Magenkatarrh und eben¬
solchen Bronchialkatarrh.
Auf die Rotlaufimpfung wäre die kurze
Fieberperiode nach der Simultanimpfung und
die Steigerung in den Symptomen zu dieser
Zeit zu beziehen.
Schwein 16. Das Schwein ist etwa 10
Wochen alt und zeigt geringe Zeichen der Schweine¬
seuche, eine wenig grindige Haut, wechselnde Fress¬
lust und einen aufgetriebenen Hinterleib. Munter¬
keit normal. Innenwärme 39,5; 39,5; 39,6. Das
Tier erhält 5 ccm Serum und 0,5 o c m
Kultur simultan subkutan einge¬
spritzt. Eine Reaktion tritt nicht ein. Innen¬
wärme 39,9; 39,7; 39,9; 39,5; 39,4 ;39,3; 39,6 ; 39,5;
39,5. Das anfängliche Gewicht von 15 Pfund stieg
jetzt bis 17 Pfund. Das Tier erhält nun
0,75 ccm Kultur subkutan. Innenwärme
39,4; 39,8; 39,6; 39,4; 39,5; 39,5; 39,5. Eine stär¬
kere Erkrankung erfolgt nicht. Gewicht 20 Pfund.
Das Schwein wird getötet. Es finden sich die
Zeichen eines intensiven Magen - Darmkatarrhs,
ausserdem ist der Bronchus des rechten Mittel¬
lappens mit eitrigen Massen vollgepfropft, die zu¬
gehörige Partie der Lunge geschrumpft, sehr derb,
blaurot, im Volumen bedeutend kleiner als die
lufthaltigen Teile. Auf Durchschnitten treten be¬
sonders der Bronchus und dessen Zweige hervor.
Alle übrigen Teile der Lunge und sonstigen Organe
gesund.
Diagnose : Schweineseuche, ausgedrückt
durch einen chronischen Magen-Darmkatarrh und
Bronchialkatarrh mit anschliessender Atelektase.
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Fortschritte der Veterinär-Hygien*.
5
Heft 1
Die Rotlaufimpfung hat diesem Tiere nicht
bemerkenswert geschadet.
Schwein 17. Etwa 8 Woclien alt, Gewicht
lß Pfund. Ausgesprochene Schweineseuche zeigend.
Das Tier zeigt einen perversen Appetit, gähnt oft,
frisst wechselnd gut. Kot hart, schleimig bedeckt,
übelriechend. Husten mehrfach gehört, besonders
beim Fressen. Haut an den Ohren und der Stirn
grindig, Ohren gerötet und besetzt mit quaddel-
artigen Erhabenheiten. Einzelne solche auch am
Bauche. Innenwärme 39,5; 39,5; 39,4. Impfung
jetzt mit 5 ccm Serum und 0,5 drei¬
tägiger Rotlaufbacillenkultur. Das
Tier wird darauf stärker krank, verkriecht sich
gerne,. liegt viel und frisst schlecht. Innenwärme
40,4; 40,6; 10,1; 40,3; 39,7; 39,9; 39,5; 39,3. Jetzt
erhält das Tier 0,75 ccm Kultur. Eine
Reaktion erfolgt nicht. Innenwärme 39,9; 39,9;
39,7; 39,7; 39,3; 39,4; 39,3. Das Gewicht nimmt zu
auf 19 Pfund. Die Schlachtung ergibt einen inten¬
siven Magen-Darmkatarrh, ferner sitzen am Bauch¬
fell viele bindegewebige Zotten und 2 subserös ge¬
lagerte kleine Abszesse mit grünem Inhalt. Ebenso
besteht ein starker chronischer Bronchialkatarrh.
Lunge gesund, ebenso Herz, Brustfell, Leber und
Milz.
Diagnose : Schweineseuche, begründet
durch den chronischen Magen-Darmkatarrh, die
Abszesse am Bauchfell und den chronischen Bron¬
chialkatarrh.
Auf die Rotlaufimpfung musste man die
Verschlechterung im Allgemeinbefinden nach
der Simultanimpfung und die Erhöhung der
Temperatur beziehen.
Schwein 18. Das Tier ist etwa 12 Wochen
alt, wiegt dabei nur 23 Pfund und ist ziemlich
mager. Ausgesprochene Symptome der Schweine¬
seuche nicht nur hinsichtlich des äusseren Habitus,
der Beschaffenheit der Haut, sondern auch durch
reichliches Husten und beschleunigtes Atmen ge¬
kennzeichnet. Innenwärme 39,8; 39,7; 39,8. Das
Tier erhält 5 ccm Serum und 0,5 ccm
Kultur subkutan. Innenwärme jetzt 40,6: |
40,9; 40,4; 40,1; 39,9; 39,8; 39,5. Das Ferkel wird
nach der Impfung schwerer krank, frisst wenig,
hustet viel und liegt meist im Lager verkrochen.
Am 3. Tage nach der Injektion tritt reichlich übel¬
riechender Durchfall ein. In den nächsten Tagen
allmählich Besserung. Gewicht 21 Pfund. Nun
erhält das Schwein 0,75 Kultur. Alsbald
setzt erneut eine schwere Erkrankung ein. Atmung
beschleunigt, Husten anfallsweise sehr häufig.
Steifer Gang. Geringe Fresslust, stärkerer Haut¬
ausschlag. Innenwärme fieberhaft: 41,1; 40,9; 41,4;
40,9; 40,7; 40,8; 40,7; 40,4; 40,8; 40,4; 40,7;
40,4; 40,3; 40,4; 40,4; 40,5; 40,0; 40,2; 40,1;
40,4; 40,1. Das Schwein magert in dieser Zeit stark
ab und ist schwer krank. An der rechten Seite der
Oberlippe bildete sich am 2. Tage nach der letzten
Impfung eine hühnereigrosse derbe Geschwulst,
i die langsam heranwuchs und zur Verunstaltung der
j Seite führte und die Futteraufnahme erschwerte.
Allmählich zeigt sich in derselben Fluktuation.
Die Symptome am Respirationsapparat treten in
Form von heftigen Atembeschwerden und Husten¬
anfällen stark hervor. Durchfall vorübergehend,
meist Verstopfung. Kot dunkel. Gewicht am letz¬
ten Tage 17 Pfund. Tod 21 Tage nach der letzten
Impfung.
Die Sektion ergibt: Kadaver sehr mager, Haut
mit schwarzen Borken besetzt. An der rechten
Oberlippe ein faustgrosser Abscess mit gelbgrünem
Inhalt in schwieliger, sehniger Kapsel. In der Nach¬
barschaft desselben mehrere kleine Abscesse. In
der Bauchhöhle keine Flüssigkeit. Därme normal
gelagert. Peritoneum überall glatt, glänzend, spie¬
gelnd. Magenschleimhaut geschwollen, nicht hüg¬
lig, fast glatt, braun pigmentiert, mit eitrigem
Schleim belegt. Dünndarm fast leer, Schleimhaut
gerötet, etwas geschwollen, mit zähem Schleim
bedeckt. Dickdarmschleimhaut ziemlich normal,
auf der Höhe der Falten Rötungen. Nirgends
Defekte oder Geschwüre. Leber im Zustande chro¬
nischer Stauung. Milz sehr klein, Nieren normal.
Pleura, Herz normal. Lungen in den hinteren Par¬
tien hellrot, knisternd, lufthaltig, beide Vorder¬
lappen, der rechte Mittellappen, die vorderen
unteren Ränder der Hauptlappen beiderseits und
der innere Lappen derb, graurot, im Wasser unter¬
sinkend, im Volumen wenig über die lufthaltigen
sich erhebend. Auf Schnitten sehr feucht, grauen
Saft abfliessen lassend, entzündliche Zonen scharf
lobulär von den lufthaltigen abgesetzt. In den
zugehörigen Bronchien viel eitriger Schleim.
Diagnose : Schweineseuche, gekennzeichnet
durch einen Magen-Darmkatarrli, Bronchialkatarrh
mit ziemlich umfangreicher lobulärer Pneumonie
und spezifische Abszesse an der Oberlippe.
Die Rotlaufimpfung hatte gerade bei
diesem Tiere eine sofort anschliessende lang¬
anhaltende Fieberperiode mit starker Ver¬
schlimmerung der Symptome der Schweine¬
seuche zur Folge. Die Temperatur stieg wie
angegeben, nach der zweiten Impfung auf 41,1
bis 41,4 und blieb über 40° bis zum Tode.
Die vorstehend geschilderten Versuche bei
den Schweinen 12—18 wurden mit der Simul¬
tanimpfung und nachheriger zweiter Kultur¬
injektion nach 8—10 Tagen ausgeführt. Ge¬
wählt wurden Dosen von 5 ccm Serum, also
reichlich Serum, und 0,5 ccm 2—4 tägiger
Kultur, für die zweite Kulturgabe 0,75 ccm.
Die Kulturen waren aus einem Seruminstitut
bezogen, töteten Mäuse in 2—4 Tagen und
wurden durch Abimpfung fortgezüchtet. So¬
weit bei den Versuchen aus Rotlaufkadavern
frisch gezüchtete benutzt wurden, ist dieses be-
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Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
3. Jahrgang.
sonders erwähnt. Lokale Reaktionen an der
Impfstelle traten nur einmal ein, trotzdem ich
absichtlich bezüglich der Reinigung oberfläch¬
lich vorging und entweder die Stellen gar nicht
säuberte oder nur mit einem in Alkohol ge¬
tauchten Wattebausch abwischte, wenn sie gar
zu schmutzig erschienen. Rotlaufbacillen
konnten nach der Schlachtung oder dem Tode
in den Organen nicht nachgewiesen werden.
Zum Vergleiche impfte ich ein gesundes
Ferkel in gleicher Weise:
Schwein 19. Das Ferkel gehört mit Ferkel
23 und dem vorher besprochenen Ferkel 7 zu einem
Wurf aus gesundem Bestände, ist 8 Wochen alt,
wiegt 24,5 Pfund und zeigt sich gesund. Die Tem¬
peratur beträgt 2 Tage vor Beginn des Versuches
39,5 und 39,6.
Eingespritzt werden an einem
Ohr subkutan 5 ccm Serum und am an¬
deren 0,5 ccm einer viertägigen Kot¬
lauf-Bouillonkultur, welche Mäuse
i n 2—3 Tagen sicher tötet.
Das Ferkel bleibt vollkommen gesund, eine
lokale Erkrankung an der Impfstelle tritt ebenso
nicht ein. Die Innenwärme beträgt in den Tagen
nach der Impfung 39,6; 39,7; 39,4; 40,0; 39,8; 39,3
und 39,4. Auch an dem Tage, an welchem eine
Temperatur von 10,0 festgestellt wurde, sind Krank¬
heitssymptome nicht wahrzunehmen.
8 Tage nach jener Impfung wurde
von neuem 0,75 ccm zweitägige Rot¬
lau f - B o u i 11 o n k u 11 u r eingespritzt.
Diese Kultur war frisch aus einem an Rotlauf
krepierten Schwein gezüchtet worden.
Eine Erkrankung stellt sich nicht ein, die
Impfstelle zeigt keine entzündliche Reaktion. Die
Temperatur beläuft sich in den Tagen nachher auf
39,4; 39,5 und 39,4. Das Tier wird noch 4 Mo¬
nate beobachtet, gedeiht normalmässig und er¬
weist sich nach vorgenommener Schlachtung gesund.
Eine bemerkenswerte Reaktion zeigte das
Tier also im Gegensätze zu vielen der Schweine
mit Schweineseuche auf die Rotlaufimpfung
nicht.
Zwei weitere Schweine mit Schweineseuche
erhielten ebenfalls simultan 5 ccm Serum und
0,5 ccm Kultur, aber keine zweite Kulturinjek¬
tion, weil sie schon nach der Simultanimpfung
tödlich erkrankten.
Schwein 20. Das Schwein ist 12 Wochen
alt und wiegt 13 Pfund. Es ist ausgesprochen
an Schweineseuche erkrankt, verkümmert, mager,
hat schwarze Borken auf der Haut, besonders zu
beiden Seiten des spitzen Rückens. Es hustet
wenig in Anfällen und leidet an Verstopfung. Es
frisst zwar regelmässig, aber wenig und macht
einen kranken Eindruck. Der Schwanz hängt
schlaff herab. Es stammt mit dem nächsten
aus einem Bestände. Innenwärme 39,3; 39,5;
39,3. Das Tier erhält 5 ccm Serum
und 0,5 ccm einer dreitägigen K u 1 -
t u r. Darauf wird es schwerer krank. Die Sym¬
ptome steigern sich, besonders nehmen die Atem¬
beschwerden zu. Die Innenwärme beträgt fort¬
laufend in den nächsten 3 Tagen 40,4; 40,6; 40,8.
Am dritten Tage stirbt das Schwein. Die Sektion
zeigt ein ausgesprochenes Bild akut gewordener
Schweineseuche. Ferkel mager, Haut allenthalben
grindig, mit grauen Borken bedeckt, am Bauche
gerötet. Baucheingeweide normal gelagert. Die
Serosa des Dickdarms mit zottigen, feinen An¬
hängseln besetzt, an den übrigen Därmen und
Baucheingeweiden spiegelnd, glänzend. Magen und
Dünndarm gasig aufgetrieben. Dickdarm zusam¬
mengefallen, Blinddarmwandung auffällig hell,
fast weiss. Die Schleimhaut des Magens pigmen¬
tiert, mit eitrigen Massen bedeckt, faltig, die
hüglige Beschaffenheit der Drüsenregion fast ver¬
strichen. Dünndarm enthält zähen Schleim, ebenso
der Dickdarm. An letzterem die Schleimhaut
fleckig gerötet. Auf derselben einige glatte, ober¬
flächliche Substanzverluste, katarrhalische Erosi¬
onen. Leber blutreich, Milz normal. In beiden
Pleurasäcken reichlich eine rötliche, trübe Flüs¬
sigkeit, mit Fibrinflocken dazwischen. Wand¬
ständiges Blatt, sowie Lungenüberzug von gelben,
häutigen, leicht ablösbaren Fibrinplatten bedeckt.
Herzbeutel gefüllt mit ähnlich beschaffener Flüs¬
sigkeit in grosser Menge. Herzbeutel und Herz-
oberflächee mit zottigen und häutigen Fibrinauf¬
lagerungen reichlich besetzt. Lungen in den hinteren
Lappen lufthaltig, rosarot. Die vorderen Lappen,
Mittellappen, die vorderen unteren Ränder der
Hauptlappen derb, sinken im Wasser unter. Farbe
graurot, Schnittfläche feucht, Volumen ein wenig
über die lufthaltigen Partien erhaben. Schnitt¬
fläche saftig, graurot, die Bronchien mit eitriger
Masse gefüllt. Deren Wände sowie das inter-
lobuläre Gewebe bindegewebig verbreitert. Mikro¬
skopisch im Darm, der Flüssigkeit im Pleurasack
Stäbchen in grosser Menge. Die Züchtung fördert
Grips sehe Bacillen zu Tage.
Diagnose : Schweineseuche, ausgedrückt
durch einen Magen-Darmkatarrh, Bronchialkatarrh
mit anschliessender chronischer Pneumonie und
darauf folgender akuter Pleuritis und Perikarditis.
Diese Verschlimmerung resp. tödliche
Krankheit schloss sich, wie die Temperatur an¬
zeigt, an die Rotlaufimpfung an.
Schwein 21. Das Ferkel ist etwa 7 Wochen
alt und wiegt 15 Pfund. Es zeigt ausgesprochene,
aber nicht sehr hochgradige Symptome der
Schweineseuche. Dieselben bestehen in verein¬
zeltem Husten, wechselndem Appetit, grindiger
Haut, aufgetriebenem Hinterleib. Die Innenwärme
beträgt 39,4; 39,5; 39,6. Das Tier erhält
5 ccm Serum und 0,5 ccm dreitägige
Kultur subkutan. Der Zustand verschlechtert
sich auffallend. Es tritt am Tage nach der Impfung
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Heft 1.
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
7
Fieber ein, welches ununterbrochen anhält bis zu
dem am 28. Tage nachher eintretenden Tode, Lie
Krankheitserseheinungen bestehen vorwiegend in
Atembeschwerden, mattem Husten. Das Tier liegt
fast stets auf dem Brustbein oder sitzt nach
Hundeart. Die Futteraufnahme ist schlecht. Innen¬
wärme 40,7; 40,9; 40,4; 40,5; 40,2; 40,6; 41,0;
40,9; 41,5; 40,7; 40,6; 40,7; 41,3; 41,1; 40,7;
40,8; 40,7; 40,5; 40,3; 40,9; 40,5; 40,6; 40,5;
40,0; 40,2; 40,0; 40,4; 40,2. Der Tod erfolgt unter
völliger Erschöpfung. Das Tier ist skelettartig
mager geworden. Es wiegt 10 Pfund. Die Sektion
ergibt: Kadaver sehr mager, Haut mit grauen
Massen grindig belegt und schilfrig. Retroperi-
toneales Fett kaum vorhanden. Darm normal ge¬
lagert. Aussehen der Serosa spiegelnd, glänzend,
durchscheinend, fleckenweise ramiform gerötet.
Magen stark gasig aufgetrieben, ebenso der Dünn¬
darm. Dickdarm dagegen zusammengezogen, mit
viel trockenem Kot, der wie Pferdemist aussieht,
angefüllt. Magen- und Darm Schleimhaut überall
mit zähem Schleim bedeckt, nirgends Defekte
oder Geschwüre. Leber blutreich, Milz, Nieren nor¬
mal. Lungen beiderseits mit dem Brustfell ver¬
wachsen durch bindegewebige, in Maschen sulzige,
gelbe Flüssigkeit einschliessende Maasen. Die
Trennung glückt noch ohne Hilfe des Messers und
ohne Zerreissen der Lunge. Nur an der linken
Lunge ist die Verbindung fester, ebenso verhält
sich der Herzbeutel zum Herzen. Lunge fast ganz
im Zustande einer chronischen katarrhalischen
Entzündung, graurot bis blaurot, derb, auf Durch¬
schnitten sehnige Züge zwischen den grauroten
Lobulis und bindegewebige Ringe um die Bron¬
chien, die als graue Pünktchen hervortreten. In
diesem Zustande beide Vorder-, beide Mittel¬
lappen, der innere Lappen und ein Teil dos
rechten Hauptlappens befindlich. Ein grosser
Teil der Hauptlappen ist ausserdem graurot, auf
Schnittflächen saftig, aber wenig durch Bindege¬
webe derb geworden, sondern frisch hepatisiert. In
dem Mittellappen rechts und dem Vorderlappen
links einige knotige Herde von Haselnussgrösse
mit grüner oder grauer Inhaltsmasse und sehniger
Umgebung. Einige Herde auch stecknadelkopfgross.
Bronchien mit eitrigen Schleimpfropfen angefüllt.
Diagnose : Schweineseuche, gekennzeichnet
durch eine eitrige Bronchitis mit folgender ka¬
tarrhalischer Pneumonie und Pleuritis und Peri¬
karditis und durch einen Magen-Darmkatarrh.
Auch bei diesem Tiere fällt auf, dass die Er¬
krankung sich direkt nach der Rotlaufimpfung
verschlimmerte, anscheinend durch Ausbildung
einer akuten Pleuritis.
Zwei weiteren Schweinen verabreichte ich
relativ grössere Dosen Kultur. Das eine
Schwein war an Schweineseuche erkrankt, das
andere gesund. Die Resultate folgen nach¬
stehend.
Schwein 22. Das Schwein 22 ist 4 Monate
alt und wiegt dabei nur 24 Pfund. Es ist also für
sein Alter in der Entwicklung beträchtlich zurück¬
geblieben. Der Ankauf erfolgte aus einem Be¬
stände, in welchem amtlich Schweineseuche fest¬
gestellt war. Das Schwein ist sehr lebhaft, munter
und frisst gut, mit häufig wechselndem Appetit.
Der Kot ist trocken, schleimig belegt. Die Haut
mit wenig schwärzlichen BQrken an den Ohren be¬
setzt, sonst weiss und von normaler Beschaffenheit.
Das Schwein hustet ganz auffällig viel, besonders
beim Fressen in langen Anfällen. Dabei zeigt es
erschwertes Atmen und röchelnde Töne. Die Tem¬
peratur beträgt 3 Tage vor der Impfung 39,4;
39,5; 39,4. Das Schwein erhält subkutan
an den Ohren simultan 5 ccm Serum
und 0,75 ccm Kultur. Am nächsten Tage be¬
trägt die Innenwärme 40,1. Das Schwein ist nicht
schwerer krank. Die Temperatur sinkt alsbald
wieder auf 39,7; 39,5; 39,6; 39,5; 39,4; 39,5; 39,3.
Bis zu diesem Tage ist das Gewicht 24 Pfund ge¬
blieben. Jetzt, am 8. Tage nachder ersten
Impfung, erhielt das Schwein 1 ccm
einer zweitägigen, frisch aus einem
Kadaver isolierten Rotlaufbacillen-
Bouillonkultur. In den nächsten Tagen ist
das Tier schwerer erkrankt, hustet reichlich in
langen Anfällen, atmet beschleunigt, liegt meist
in der Streu, frisst aber regelmässig. Beim Impfen
hatte es infolge der Widerspenstigkeit sich zu¬
fällig an einem Nagel eine lange Risswunde am
Bauche zugezogen. Diese Wunde zeigt bald Eiterung
mit grasgrünem Eiter. Die 'Temperatur ist 5 Tage
lang nach der Impfung 40,2; 40,6; 40,5; 40,3;
40,1. Dann erholt sich das Schwein wieder all¬
mählich mehr und nimmt an Körpergewicht zu bis
27 Pfund. Die Innenwärme setzt sich fort in der
Höhe von 39,9; 39,7; 39,9; 39,6; 39,8. Das Gewicht
beträgt jetzt 30 Pfund. Das Allgemeinbefinden
ist besser. Die Wunde am Bauche in Hei¬
lung begriffen. Nun erhält das Tier noch
1 ccm dreitägige Rotlaufbouil Ion -
k u 11 u r. Es reagiert hierauf in keiner Weise und
wird nach 5 Tagen deshalb geschlachtet und fol¬
gender Befund erhoben:
Am Bauche befindet sich eine eiternde in
Heilung begriffene etwa halbfingerlange Riss¬
wunde. Der Eiter ist grün und reich an Stäbchen.
Der Nährzustand ziemlich gut. Baucheingeweide
normal gelagert, fast überall spiegelnd. Dickdarm
mit vielen zottigen, feinen Anhängen besetzt. Blind¬
darm stark gasig aufgetrieben, ebenso Magen ziem¬
lich gross und gashaltig. Am Bauchfell mehrere
haselnussgrosse Knoten mit grünem Inhalt und
schwieliger Kapsel. Bauchfell darüber verdickt.
Magen und Darmschleimhaut überall mit zähen,
fest anhaftenden, schleimig-eitrigen Massen be¬
deckt, besonders auf der verdauenden Magen¬
schleimhaut dicke, schleimige Platten aufgelagert.
Hier die Schleimhaut dunkelbraun pigmentiert.
Nirgends Defekte oder Knoten im ganzen Darm.
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8
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
3. Jahrgang.
Leber, Milz, Nieren, normal. In den Bronchien
zäher, glasiger Schleim von grauer Farbe. Vor¬
dere und mittlere Lungenlappen verdichtet, hepati-
siert, von sarkomartiger Konsistenz und gelbroter
Farbe. Schnittfläche trocken. Volumen der hepa-
tisierten Lappen ziemlich klein. Nirgends Eiterung
in der Lunge, zwischen den Blättern des Mittel¬
fells indessen ein haselnussgrosser Eiterherd mit
grünem Eiter, abgekapselt. Pleura überall spiegelnd.
Aus den Eiterherden und der Lunge die spezi¬
fischen Bacillen gezüchtet.
Diagnose : Schweineseuche, begründet
durch einen Magen-Darmkatarrh mit Abscessen
am Bauchfell, einen Bronchialkatarrh mit lobulärer
Pneumonie und durch eine spezifische Wund¬
eiterung.
Auf die Rotlaufimpfung beziehen könnte
man die geringe Temperaturerhöhung nach der
Simultanimpfung, sicherlich aber die Fieber¬
periode nach der zweiten Kulturimpfung und
die während dieser Zeit eintretende Verschlech¬
terung des Allgemeinbefindens. Die nochmals
vorgenommene letzte Kulturimpfung erzeugte
keine Reaktion.
Schwein 23. Das Ferkel wiegt 22 Pfund
und ist gesund. Die Temperatur beträgt 2 Tage
vor der Impfung 39,3 und 39,3.
Das Ferkel erhält 5 ccm Serum und 2 ccm
viertägige Rotlauf-Bouillonkultur subkutan an den
Ohren.
Die Gesundheit des Tieres wird dadurch nicht
beeinflusst. Die Innenwärme beläuft sich auf
39,3; 39,7; 39,6; 39,5; 39,6; 39,6 und 39,7.
Am 8. Tage nach der ersten Impfung werden
am Ohr nochmals 3 ccm Kultur eines zweitägigen
frisch aus einem Rotlaufschwein gezüchteten
Stammes subkutan iniziert.
Eine Gesundheitsstörung tritt nicht ein. Die
Innenwärme beträgt 39,9; 39,7 und 39,6. Das
Ferkel entwickelt sich gut und wird nach vier¬
monatlicher Beobachtung geschlachtet. Die Sektion
ergibt nichts Abweichendes, besonders auch an
den Herzklappen.
Die nächsten Versuche behandeln eine Si¬
multanimpfung, bei der weniger Kultur ge¬
nommen wird.
Schwein 24. Das Schwein ist 10 Wochen
alt und stammt aus einem amtlich gemeldeten
Bestände, zusammen mit 25 und 26 einem Wurfe
angehörend. Das Tier ist nicht schwer krank, zeigt
aber ausgesprochene Symptome in Form eines sel¬
tenen Hustens, eines perversen Appetits und eines
Darmkatarrhs. Der Leib ist aufgeschürzt. Die Haut
normal weiss. Borstenkleid struppig. Innenwärme
6 Tage vor der Impfung 39,8; 39,6; 39,8; 39,8;
39,5; 39,9. Das Ferkel erhält 5 ccm Serum
und 0,25 ccm einer dreitägigen Kultur.
Gewicht 23 Pfund. Die Innenwärme steigt auf
40,3; 40,4; 39,7; 39,6; 39,7; 39,8; 39,9; 39,7; 39,4
und 39,7. Eine bemerkenswerte Verschlimmerung
ausser der Temperaturerhöhung tritt nicht ein.
Nun erhält das Tier 0,5 ccm einer
viertägigen Rotlauf-Bouillonkultur.
Eine Reaktion tritt nicht ein. Innenwärme an¬
dauernd normal. Nach 10 Tagen wird das Schwein
geschlachtet. Die Sektion ergibt: Gewicht 30 Pfund.
Nährzustand mässig gut. Baucheingeweide normal
gelagert und normal aussehend. Intensiver Magen¬
katarrh. Schleimhaut verdickt, faltig, Drüsenregion
fast ganz glatt, dicke, zellenreiche Schleimbeläge
auf derselben, die schwer abzuspülen sind. Sonst
alle Eingeweide normal. Brustorgane gesund.
Diagnose : Schweineseuche. Das Tier
stammt aus einem notorischen Schweineseuche¬
bestand und hat einen charakteristischen Magen¬
katarrh.
Die Rotlaufimpfung hatte, sofern man von
der geringen Temperaturerhöhung absieht,
keine nachteiligen Folgen.
Schwein 25. Das Ferkel wiegt 20 Pfund.
Es ist ebenfalls wenig krank und ringelt sogar
den Schwanz. Nur der perverse und oft wechselnde
Appetit, der aufgetriebene Bauch und das struppige
Borstenkleid zeigen die vermutliche Schweineseuche
an. Innenwärme in 6 Beobachtungstagen: 39,2;
39,9; 33,9; 39,7; 39,9; 39,8. Das Tier erhält
simultan 5 ccm Serum und 0,25 ccm
dreitägige Kultur. Eine Reaktion bemerkt
man nicht. Innenwärme am nächsten Tage 40,0,
dann sinkend und fortlaufend 39,7; 39,6; 39,8;
39,8; 39,7; 39,9; 39,7; 39,7; 39,6. Jetzt erhält
das Ferkel 0,5 ccm einer viertägigen
Kultur. Auch hierauf erfolgt keine Verschlim¬
merung des Zustandes. Nach 14 Tagen wird das
Tier geschlachtet. Es wiegt 26 Pfund. Dabei
findet man einen ausgesprochenen Magen-Darm-
katarrh, eine Bronchitis mit Atelektase des rechten
Vorder- und Mittellappens. Diese Lappen sind
sehr klein, verschrumpft, und die Bronchien mit
glasigem Schleim gefüllt.
Diagnose : Schweineseuche auf Grund
des Schlachtbefundes (Magen-Darmkatarrh und
Bronchialkatarrh mit Atelektase).
Die Rotlaufimpfung hatte keine bemerkens¬
werte schädliche Wirkung.
Schwein 26. Das Tier ist mager, zeigt
Durchfall und ist ausgesprochener krank, als die
vorigen. Es wiegt nur 17 Pfund. Die Tempe¬
ratur ist von vornherein in 6 Beobachtungstagen
40,2; 40,3; 40,0; 40,0; 40,1; 40,3. Das Ferkel
erhält 5 ccm Serum und 0,25 ccm drei¬
tägige Kultur. Die Innenwärme beläuft sich
auf 40,2; 40,3; 40,2; 40,0; 39,8; 39,7; 39,6; 39,8;
39,8; 39,7. Eine schwerere Erkrankung des ohnehin
augenfällig kränkelnden Ferkels tritt nicht ein.
Der Durchfall bleibt einige Tage bestehen und
verschwindet dann. Das Tier wiegt nun nur 15
Pfund. Es erhält 0,5 ccm viertägige
Kultur. Eine Reaktion tritt nicht ein. Innen-
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Heft 1.
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
9
wärme 39,7; 39,6; 39,7. Das Ferkel wird nach
14 Tagen geschlachtet. Dabei zeigt sich ausser
dem schlechten Ernährungszustand und der grin¬
digen, borkigen Haut ein augenfälliger Magen-
Darmkatarrh, gekennzeichnet durch dicke, eitrig¬
schleimige Beläge und schwärzliche Pigmentierung
der Schleimhaut. Die vorderen Lungenlappen
weisen fleckenweise nesterförmige katarrhalische
Hepatisation auf, die zugehörigen Bronchien sind
schleimig verstopft.
Diagnose : Schweineseuche.
Die Rotlauf im pfung hatte ein bemerkens¬
wertes Resultat nicht gezeitigt, was um so auf-
fäUiger ist, als das Ferkel schon vor der Imp¬
fung ziemlich kränklich war.
Die nächsten beiden Schweine stammen aus
einem notorischen Schweineseuchebestande.
Ein drittes, mit angekauftes starb auf dem
Transport, wobei eine fast die ganze Lunge
einnehmende katarrhalische Hepatisation und
ein Magen-Darmkatarrh gefunden wurde. Die
beiden Schweine waren ebenfalls augenfällig
krank, besonders das nächste.
S c h w e i n 27. Das Tier zeigt die gewöhnlichen
Symptome der Schweineseuche (Husten, Durchfall
usw.) in ziemlichem Grade. Es ist mager und
verkümmert. Die Innenwärme beträgt 39,7; 39,5;
39,4. Das Ferkel wird dann geimpft mit
3 ccm Serum und 0,25 Kultur, um probe*
weise die Serumdosis herabzusetzen.
Innenwärme in den nächsten Tagen 39,7; 39,9;
40,8; 40,6. Das Ferkel wird schwerer krank in
den beiden letzten Tagen, frisst überhaupt nicht,
atmet dyspnoisch, hustet viel und liegt fast stets
in der Streu versteckt. ' Es stirbt, also am 4. Tage
nach der Impfung. Die Sektion ergibt eine auf¬
fällige Rötung und Schwellung der Darmschleim¬
haut, wobei dieselbe mit dicken, eitrigen Belägen
bedeckt ist, eine grosse Blutfülle der Leber und
eine so hochgradige katarrhalische Lungenentzün¬
dung beiderseits, dass 'nur in den Hauptlappen
jederseits ein mässiger Teil lufthaltig geblieben ist.
Diagnose : Schweineseuche.
Ob die Rotlaufimpfung diesen tödlichen
Ausgang veranlagte, oder das ohnehin schwer¬
kranke Tier eines natürlichen Todes an
Schweineseuche starb, ist kaum zu entscheiden.
Schwein 28. Dieses Tier ist weniger krank,
als das vorige, hat aber deutliche Symptome der
Schweineseuche aufzuweisen. Es hustet reichlich,
zeigt Merkmale eines chronischen Magenkatarrhs
und ist in der Entwicklung zurückgeblieben. Ge¬
wicht im Alter von 12 Wochen 26 Pfund. Haar¬
kleid struppig und glanzlos. Die Innenwärme be¬
trägt 39,3; 39,4; 39,5. Das Tier erhält
ebenfalls 3 ccm Serum und 0,25 ccm
Kultur. Es reagiert darauf durch prompte Er¬
höhung der Temperatur, welche in den nächsten
Tagen beträgt: 40,1; 40,5; 40,3; 40,2; 40,6; 40,2;
39,6; 39,7; 39,6; 39,2. Während dieser Zeit sind
auch sonst die Allgemeinsymptome auffälliger,
besonders ist der Patient matter und müder, liegt
viel, frisst schlecht. Als die Temperatur auf nor¬
maler Höhe beständig geblieben war, wie die vor¬
stehende Tabelle zeigt, erhält das Tier eine
zweite Kulturimpfung von 0,75 ccm
Kultur. Alsbald nehmen die Symptome der
Seuche wieder -zu. Die Temperatur steigt
wieder über 40,0. Sie setzt sich fort mit
40,1; 40,6; 40,4; 40,5; 40,0; 40,0; 40,2
und sinkt nun auf 39,8; 39,9; 39,7; 39,6. Das
Ferkel wiegt nur noch 22 Pfund. Krankheits-
erscheinungen wie bei Beginn des Versuches.
Es wird geschlachtet. Die Untersuchung ergibt
einen hochgradigen Magenkatarrh und chronische,
villöse Peritonitis an der Magenserosa, einen nicht
sehr ausgeprägten Darmkatarrh, eine katarrhalische
Bronchitis und lobuläre katarrhalische Hepatisation
der vorderen und mittleren Lappen und der drei¬
kantigen Spitze rechts.
Diagnose : Schweineseuche, kenntlich an
den Katarrhen.
In diesem Falle hatte die Impfung
wiederum eine bemerkenswerte vorübergehende
Verschlimmerung der Krankheit gezeitigt.
Besonders lag mir daran, die Gefahren der
Simultanimpfung bei Schweinen mit Schweine¬
seuche zu studieren. Ich glaubte das vor¬
stehende Material hierfür als genügend an-
sehen zu dürfen und benutzte noch 3 Schweine
mit Schweineseuche für Versuche mit einer ge¬
trennten Immunisierung.
Schwein 29. Dasselbe stammt mit den
nächsten beiden aus einem Bestände, in dem die
Schweineseuche herrschte. Es ist 8 Wochen alt
und wiegt 20 Pfund. Alle 3 Tiere sind ziemlich
gleich und nicht hochgradig erkrankt. Sie fressen
regelmässig, mit wechselndem Appetit, haben ein
fast normales Borstenkleid auf weisser Haut, sind
nur etwas struppig und dickbäuchig. Husten zeigen
alle 3 sehr selten, vorübergehend tritt Durchfall
ein, ebenso bei diesem Tiere einmal Erbrechen.
Munterkeit erhalten. Innenwärme bei diesem Tiere:
39,2; 39,4; 39,3; 39,3; 39,4; 39,6. Das Ferkel
erhält jetzt 5 ccm Serum. Die Temperatur
steigt darauf auf 40,2; 40,0; 39,7, ist also nur
vorübergehend und gering erhöht. Sonst tritt nichts
Erwähnenswertes ein. Nach den 3 Tagen
erhält das Schwein 0,5 ccm viertägige
Bouillonkultur Rotlaufbacillen. Die
Innenwärme setzt sich fort mit 40,2; 39,9; 39,7;
39,7; 39,5; 39,4; 39,2; 39,4; 39,3. Sonst tritt keine
Reaktion auf. Das Tier bekommt jetzt
1 ccm viertägige Kultur subkutan.
Es reagiert hierauf nicht. Innenwärme 39,8; 39,6;
39,7. Das Ferkel hat sich mässig entwickelt und
wird nunmehr geschlachtet. Gewicht 24 Pfund.
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10
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
3. Jahrgang.
Die Sektion ergibt einen Magenkatarrh und einen
Dickdarmkatarrh, wobei auf der Schleimhaut dep
letzteren, besonders im Blinddarm einzelne ka¬
tarrhalische Erosionen mit glattem Grund von
etwa halber Erbsengrösse zu sehen sind. Ausser¬
dem liegt eine Bronchitis vor, wobei sich als Folge¬
zustand eine lobuläre Pneumonie hinzugesellte. He-
patisiert ist nur an der rechten Lunge der Mittel¬
lappen, welcher eine ziemlich derbe Konsistenz,
eine trockene Schnittfläche, ein ziemlich grosses
Volumen und eine gelbrote Farbe besitzt. Am
rechten Vorderlappen befinden sich einige atelek-
tatische, blaurote, eingesunkene, kompakte Lungen¬
partien.
Diagnose : Schweineseuche.
Ausser geringer Temperaturerhöhung war
nach der Impfung nichts zu bemerken.
Schwein 30. Der Befund gleicht bei Be¬
ginn des Versuches dem vorigen. Gewicht des
Tieres nur 15 Pfund. Innenwärme 39,7; 39,0; 39,1;
39,2; 39,9; 39,9. Das Schwein erhält
5 ccm Serum. Schlimme Folgen stellen sich
nicht ein. Innenwärme 39,8; 39,8; 39,3. Nun
Kulturgabe von 0,5 ccm viertägiger
Bacillen. Ebenso keine Reaktion. Innenwärme:
39,7; 39,3; 39,3; 39,4; 39,1; 39,3; 39,6; 39,5;
39,6. Zweite Kulturgabe von 1 ccm
viertägiger Bacillen. Das Tier zeigt keine
Folgeerscheinungen. Innenwärme 39,6; 39,4; 39,4.
Das Ferkel wird dann geschlachtet. Es wiegt 17
Pfund. Die Sektion ergibt einen starken Magen-
katarrh, weiter nichts.
Diagnose : Schweineseuche, weil das
Ferkel aus einem kranken Bestände herstammt
und einen spezifischen Katarrh an der Magen¬
schleimhaut aufweist.
Die Rotlaufimpfung hatte nicht schädigend
gewirkt.
Schwein 31. Befund, wie vorhin bei dem
Beginn des Versuches. Innenwärme: 39,0; 39,1;
39,8; 39,5; 39,4; 39,5. Nun erfolgt die Se¬
ruminjektion am Olir mit 5 ccm Serum.
Es tritt keine Reaktion ein. Innenwärme: 39,6;
39,6; 39,6. Alsdann wird 0,5 ccm vier¬
tägige Kultuf eingespritzt. Auch hier¬
nach zeigt sich keine Störung. Innenwärme: 39,5;
39,8; 39,2; 39,2; 39,4; 39,7; 39,5; 39,4; 39,1.
Die zweite Kulturgabe von 1 ccm vier¬
tägiger Kultur erfolgt alsdann. Tem¬
peratur 39,1; 39,5; 39,3. Das Tier, welches zu
Beginn 19 Pfund wog und jetzt 21, wird ge¬
schlachtet. Die Sektion ergibt einen Magen-Darm¬
katarrh, ferner einen Broncliialkatarrh mit teil¬
weiser anschliessender Hepatisation der Lunge.
Katarrhalisch liepatisiert sind der ganze rechte
Vorder- und Mittellappen und links eine scharf
umschriebene interlobulär abgesetzte kleine Stelle
im Mittellappen.
Diagnose : Schweineseuche.
Die Rotlaufimpfung hatte keine schäd¬
lichen Folgen.
Hiermit brach ich die Versuche ab. Wenn
man die Resultate übersieht, so erkennt man,
dass die Impfung entschieden schädliche Folgen
bei Schweinen mit Sc) i weineseuche hat oder
wenigstens oft haben kann. Eine Anzahl Tiere
reagierten allerdings nicht. Die Zahl derselben
wird in der Praxis prozentualiter wohl noch
höher sein, als bei den Versuchen, für welche
ich naturgemäss Schweine auswählte, die min¬
destens erkennbare klinische Symptome, be¬
sonders auch am Respirationsapparat, zeigten.
Worauf die Schädigung anatomisch fundiert ist,
lässt sich kaum entscheiden. Es schien, als ob
die akuten Pleuriten oder frische, weit um sich
greifende Hepatisationen in Frage kommen
konnten. Wichtigere Schlüsse auf eine tatsäch¬
liche Schädigung konnte nur das klinische Ver¬
halten bieten, weil sich oft augenfällige Ver¬
schlimmerung einstellte, direkt im Anschlüsse
an die Impfung, was die Versuche beweisen
dürften. In einzelnen Fällen folgten lange
Perioden fieberhafter Erkrankung direkt nach
der Impfung, und die Schweine, die vor¬
geschritten krank sind, starben leicht infolge
dieses Eingriffes. Mit den Versuchen
habe ich die experimentelle Bestä¬
tigung dafür erbracht, dass die
praktischen Erfahrungen hinsicht¬
lich der nachteiligen Wirkung der
Rotlaufimpfung bei Schweinen mit
Schweineseuche tatsächlich be¬
rechtigt sind.
Daraus ergibt sich für die Praxis der Im¬
pfung die Notwendigkeit, jeden Bestand vor
Ausführung derselben auf das Vorhandensein
der Schweineseuche zu prüfen, was bei den ver¬
steckten, wenig offensichtlichen Zeichen der
Seuche vielfach nicht leicht ist und um so sorg¬
fältiger geschehen sollte, sonst bleiben üble Zu¬
fälle nicht aus. Offenkundig kranke Tiere darf
man natürlich nicht impfen. Ich glaube, dass
fast alle angeblichen Misserfolge nach der Rot¬
lauf impf ung durch Schweineseuche resp. Ver¬
schlimmerung derselben und durch versehent¬
liches Impfen bereits vorher durch Rotlauf in¬
fizierter Tiere veranlasst sind, besonders
weil die Tierärzte wegen der Meinungsver¬
schiedenheiten, die diese Frage gezeitigt,
noch das Wesen der Schweineseuche nicht
gleichmässig deuteten. Auch in dieser Be¬
ziehung könnten die geschilderten wechsel¬
vollen und doch auf einen einheitlichen Grund
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Heft 1.
Fortschritte der Veterin&r-Hygiene.
11
zurückzuführenden kurzen Befunde vielleicht
Nutzen schaffen. Ausserdem darf ich ausdrück¬
lich feststellen, dass unter allen Schweinen, die
aus den verschiedensten Gegenden der benach¬
barten Provinzen und Staaten bezogen wurden,
auch nicht ein einziges war, welches die
Schweineseuche in anderem Bilde zeigte, als
es von Grips, Verfasser und Nieberle
geschildert wurde.
Der eigentliche Grund der Versuche ist, wie
ich schon sagte, die Befürchtung, dass die Rot¬
laufimpfung wegen der Schweineseuchefrage in
Misskredit geraten könne. Das darf aber nicht
geschehen, eine so hervorragende Methode muss
geschützt und gesichert werden.
Bei dieser Sachlage ist es notwendig, die
Rotlaufimpfung mit ihren Vorzügen auf das
schärfste hervorzuheben und den Landwirten
in jeder Weise unermüdlich klar zu machen,
welche grosse wissenschaftliche und praktische
Leistung Lorenz vollbrachte. So schliesse ich
die Besprechung in der Hoffnung, dass die Ver¬
suche zu grösserer Sorgfalt bei der Impfung
anregen und zur richtigeren Deutung der Ver¬
luste beitragen möchten, damit die Rotlauf¬
impfung weiterhin ihren Siegeszug in der
Praxis ungeschmäht nehmen kann.
Ueber Futterkalk.
Von Prof. Dr. H. Immendorff.*)
Die Bezeichnung „Futterkal k“, so
sollte man meinen, müsse für ein jedes als
Futterbeigabe dienendes Präparat Geltung be¬
sitzen, das als wesentlichsten Bestandteil
Kalk enthält. Hiernach wäre der ziemlich
reine kohlensaure Kalk in der Form der
Schlämmkreide, — die, wie bekannt, viel¬
fach dem Futter beigemischt wird, — derjenige
Stoff, der in erster Linie auf den Namen Fut¬
ter k a 1 k Anspruch machen könnte. Tat¬
sächlich versteht man jedoch in der land¬
wirtschaftlichen Praxis und im Futter¬
mittelhandel unter Futterkalk keineswegs
kohlensauren Kalk, sondern phos¬
phorsauren Kalk und zwar wiederum eine
ganz bestimmte Form desselben, nämlich die
des gefällten (präzipitierten) phosphorsauren
Kalks. Als gleichbedeutend mit dem Namen
Futterkalk trifft man auch die Bezeich-
*) Nach einem Aufsatz in der „Deutschen Pferde¬
zucht“.
nungen Knochenfuttermehl oder Fut¬
terknochenmehl. Trotz der Verschieden¬
artigkeit der Benennungen, von denen keine
dem Sinne nach richtig ist, versteht der Land¬
wirt darunter doch immer denselben Stoff,
nämlich die oben genannte Form des phosphor¬
sauren Kalkes. Es konnte natürlich nicht aus-
bleiben, dass bestimmte Handelskreise aus
dieser Verwirrung der Namen Nutzen zu ziehen
suchten. Der Verband Landwirtschaftlicher
Versuchsstationen im Deutschen Reiche hat sich
aus diesem Grunde veranlasst gesehen, durch
eine Begriffsbestimmung dieser verschiedenen
Bezeichnungen Klarheit zu schaffen. Die Er¬
klärung des Verbandes lautet: „Unter Knochen¬
futtermehl oder Futterknochenmehl (Anm. d.
Verf.: auch Futterkalk) versteht nach der Ent¬
wicklung, welche der Handel und Verbrauch
dieser Futterbeigabe genommen hat, der kau¬
fende Landwirt nur den gefällten phos¬
phorsauren Kalk, der zum grössten Teil
aus Dicalciumphosphat besteht, nicht
aber eine der Formen des Knochen¬
mehles (rohes, gedämpftes, entleimtes, kal-
ciniertes Knochenmehl), wie es zu Düngungs¬
zwecken in den Handel und Gebrauch gelangt.“
Der Landwirt will also, wenn er Fut¬
ter k a 1 k kauft, seinen Tieren nicht allein
Kalk, sondern auch gleichzeitig Phosphor¬
säure zuführen und beide Bestandteile selbst¬
verständlich in leicht aufnehmbaren Formen.
Als solche galten bisher in erster Reihe die Be¬
standteile des eben näher bezeichneten ge¬
fällten phosphorsauren Kalkes.
Der neuerdings ungemein angewachsene
Verbrauch der kalk- und phosphorsäurehaltigen
Futterbeimischungen und die noch stärker an¬
gewachsene Neigung des Handels diesen Ver¬
brauch durch zum Teil — wenigstens für die
Zwecke, für die sie bestimmt ist, — sehr ge¬
schickte Reklame ins Ungemessene zu steigern,
veranlasst mich im folgenden das, was über
die Notwendigkeit oder Zweckmässigkeit der
Beifütterung von Kalk und Phosphorsäure
sicher bekannt ist, summarisch darzulegen. Auf
die Bedeutung der genannten Stoffe für die
Pferdezucht wbrde ich im besonderen kurz ein-
gehen.
Von den im Tierkörper vorkommenden
mineralischen Stoffen verdienen Kalk und
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12
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
3. Jahrgang.
Phosphorsäure bekanntlich deshalb be¬
sondere Beachtung, weil sie in ziemlich be¬
deutenden Mengen zum Aufbau des Organis¬
mus notwendig sind. Muskelfaser und Nerven-
substanz sind verhältnismässig reich an Phos¬
phorsäureverbindungen und die Mineralsub¬
stanz des Knochengerüstes besteht, neben etwas
kohlensaurem Kalk, im wesentlichen aus phos¬
phorsaurem Kalk. Ebenso ist die Milch reich
an beiden Bestandteilen. Es geht aus diesen
Angaben schon ohne weiteres hervor, dass ein
ganz besonderes Bedürfnis für die Aufnahme
dieser Stoffe dort bestehen muss, wo umfang¬
reiche Neubildungen der genannten Körper¬
bestandteile und starke Absonderung von Milch
vor sich gehen, — also beim trächtigen, milch¬
gebenden und vor allem beim jungen in der Ent¬
wicklung begriffenen Tiere.
Trotz des unter diesen Umständen bedeu¬
tenden Kalk- und Phosphorsäurebedürfnisses
enthalten für gewöhnlich die aus mehre- |
ren, normal zusammengesetzten Be- j
standteilen gemischten Futterrationen der j
Haustiere ausreichende Mengen der beiden 1
Stoffe und zwar in Formen, die ohne Frage
als die für den Tierkörper geeignetsten zu be¬
zeichnen sind. 'In solchen normalen Fällen
muss es als vollständig überflüssig bezeichnet
werden, durch künstliche Zusätze, den Gehalt
des Futters an Kalk oder Phosphorsäure oder
an beiden Stoffen künstlich erhöhen zu wollen.
Vollständig normal im angedeuteten Sinne
ist in der Praxis nun aber die Fütterung der
Nutztiere nicht immer, wenigstens dort nicht,
wo man grosse Mengen gewisser Abfälle zu i
verwerten gezwungen ist oder wo man ein¬
seitig bestimmte, sonst normale Futterstoffe
in grossen Mengen verabreichen muss. Auch
kommt es vor, dass im übrigen durchaus natur-
gemässe Futterrationen durch besondere Ver¬
hältnisse, unter denen die sie zusammen¬
setzenden Pflanzen oder Pflanzenteile gewach¬
sen sind, einen Mangel an gewissen Mineral-
stoffen auf weisen.
Wenn wir uns die dem Landwirt zur Ver¬
fügung stehenden Futterstoffe auf ihren Ge¬
halt an Kalk und Phosphorsäure näher ansehen
(ich verweise zu diesem Zwecke auf die Zu¬
sammenstellungen in Mentzel und v. Len¬
ge r k e s landwirtschaftlichem Kalender), so ist
fast auf den ersten Blick zu erkennen, dass
die proteinreichen Futterstoffe auch reich sind
an Phosphorsäure und man kann als völlig
sicher annehmeri, dass Futterrationen, die den
Tieren ausreichende Eiweissmengen zu¬
führen, auch genügend mit Phosphor¬
säure versehen sind.
Anders liegt die Sache beim Kalk. Die
Körnerfrüchte und ihre Abfallprodukte, wie
Kleien, Futtermehle, Schlempen etc., ferner die
Knollen und Wurzelfrüchte und deren Fabri¬
kationsabfälle, wie Schnitzel, Kartoffel-
Schlempe und -Pülpe sind arm an Kalk, so
dass bei stärkerer Fütterung mit diesen Stoffen
ein Mangel an Kalk eintreten kann. Wie oben
bereits angedeutet wurde, können auch beson¬
dere Wachstumsverhältnisse, — wie zum Bei¬
spiel grosse Kalkarmut des Bodens, auf dem
die Futterpflanzen angebaut waren (z. B. man¬
gelhaft gedüngter Hochmoor oder Heideboden)
oder abnorm trockene Witterung während der
Vegetationszeit — veranlassen, dass sonst aus¬
reichend mit Kalk (und Phosphorsäure) ver¬
sehene Futterstoffe, wie Heu, Stroh etc. für
Fütterungszwecke zu geringe Mengen davon be¬
sitzen. Aber auch hier ist es wiederum in erster
Linie der Kalk, welcher in zu geringen Mengen
auftritt.
Es soll nicht behauptet werden, dass es
im Futter niemals an Phosphorsäure fehlen
kann, — bei einseitig und schlecht ernährten
Schweinen und auch bei mangelhaft gefütterten
anderen Nutztieren mag das hin und wieder
Vorkommen, — aber soviel steht fest, dass,
gegenüber den Fällen, in denen es an Kalk
im Futter mangelt, die Fälle, in denen es an
Phosphorsäure fehlt, sehr selten sind. Ganz
besonders empfindlich, und zu schweren Krank¬
heitserscheinungen Anlass gebend, kann be¬
kanntlich die Kalkarmut des Futters dann
werden, wenn auch das Tränkwasser den Tieren
keine wesentlichen Mengen Mengen von Kalk
zuführt.
Bei dem gewaltigen Umfange, den in neue¬
ster Zeit die Beifütterung von phosphorsaurem
Kalk, also von Kalk und Phosphor¬
säure, angenommen hat, sollte man beinahe
glauben, dass die hervorgehobene Tatsache des
ziemlich seltenen Phosphorsäuremangels über¬
sehen worden wäre, das ist aber keineswegs
der Fall; in fast allen Lehrbüchern der Tier¬
ernährungslehre wird darauf hingewiesen.
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Heft 1.
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
13
Wenn trotzdem gerade dem phosphorsauren
Kalk der Vorzug vor dem kohlensauren Kalk
eingeräumt wird, so entspringt das im wesent¬
lichen der Ansicht, dass der phosphorsaure
Kalk dem Tierkörper auch gerade den Kalk
in einer demselben besonders zusagenden Form
zuführe.
Sehr deutlich geht das z. B. aus einer Be¬
merkung J. Kühns hervor, dieselbe lautet:
„Bei einer genauen Berechnung mit Hilfe der
analytischen Anhalte wird sich nicht selten
herausstellen, dass es in genügend protein¬
reichen Futterrationen der Kälber nicht an
reichlicher Phosphorsäure fehlt, dass aber im
Verhältnis zu dieser der Kalk in nicht ganz
zureichender Menge vorhanden ist. Dann wird
zuweilen empfohlen, anstatt der Knochenerde
dem Futter nur geschlämmte Kreide beizu¬
mischen, es ist aber doch in Rücksicht auf die
Verdauungsvorgänge zweckmässiger, basisch¬
phosphorsauren Kalk zu verabreichen.“ Mär-
cker schreibt noch deutlicher: „Vielfach meint
man, dass es gut sei, Tieren, namentlich in der
Jugend, viel Phosphorsäure zu geben,
indessen ist es sehr unwahrscheinlich, dass dies
nötig ist, man verwechselt meistens das Phos¬
phorsäurebedürfnis mit dem Kalk-
b e d ti r f n i s. Die guten Erfolge bei Anwen¬
dung des phosphorsauren Kalkes, des soge¬
nannten Futterknochenmehles, dürften darauf
zurückzuführen sein, dass der Kalk hier in
einer besonders guten Form zur Anwendung
kommt.“
Bei den Empfehlungen des phosphorsauren
an Stelle des kohlensauren Kalkes ging und
geht man immer von der Erwägung aus, dass
der kohlensaure Kalk, durch Abstumpfung der
freien Säure des Magensaftes, die Verdauung
und damit die Ausnutzung der Futterstoffe
wesentlich einschränken müsse. Durch das
stark alkalische Futter könnten dann auch wei¬
tere Verdauungsstörungen anderer Art herbei¬
geführt werden. Es sind das jedoch nur Ver¬
mutungen, Versuche, die hierüber Auskunft
geben konnten, lagen nicht vor und die schlech¬
ten Erfahrungen, die man bei der Verfütterung
kalkreicher Rübenschnitzel gemacht hat, kön¬
nen auch auf andere Ursachen als den Kalk¬
reichtum der Schnitzel zurück geführt werden.
Ganz neuerdings hat nun J. Volhard
in Möckern Fütterungsversuche mit Hammeln
ausgeführt, bei denen den Tieren überreichliche
Mengen von kohlensaurem Kalk (Schlämm¬
kreide) zum Futter verabreicht wurden; sie
blieben dabei vollständig gesund und nutzten
die Futterbestandteile in durchaus normaler
Weise aus. Volhard weist nun selbst darauf
hin, dass damit nicht festgestellt sei, ob koh¬
lensaurer Kalk im Uebermass auf die Dauer
nicht doch schädigende Wirkungen zeigen wird.
Es ist auch aus den Versuchen nicht ohne wei¬
teres zu schliessen, dass andere Nutztiere sich
genau ebenso verhalten werden, wie die
Hammel. Jedenfalls aber zeigen die Versuche,
dass bei Zufütterung von Kalk in mässigen
Grenzen — und mehr ist ja niemals erforder¬
lich, wenn es gilt, einem Kalkmangel abzu¬
helfen, — mit derselben Berechtigung der zu
geringe Kalkgehalt des Futters durch die sehr
billige Schlämmkreide, wie durch den
teueren gefällten phosphorsauren
Kalk erhöht werden kann. In vielen Fällen
wird der Kalkmangel im Futter sogar schon
durch ein kalkreiches Tränkwasser ausgeglichen
werden können, wenn es möglich ist, den Tieren
ein solches zu verschaffen. So führt T h.
Kasparek einen in dieser Beziehung sehr
interessanten Fall an, in welchem die jahre¬
lang andauernde Knochenbrüchigkeit von 130
Rindern von dem Zeitpunkte an aufhörte, wo
härteres Wasser gegeben wurde.
Wenn aber der Landwirt den phosphor-
sauren Kalk, auch zur Beseitigung eines
Kalkmangels allein, bevorzugen sollte, — viel¬
leicht mit dem Hintergedanken, dass bei seiner
Verwendung ein möglicherweise vorhandener
Phosphorsäuremangel gleich zeitig berücksich¬
tigt wird, — so ist dagegen, abgesehen von den
höheren Kosten, natürlich nichts einzuwenden.
Nur muss darauf hingewiesen werden, dass auf
Grund von Versuchen die in Möckern von A.
Köhler ausgeführt wurden, unsere bisherigen
Anschauungen über die Aufnehmbarkeit der
verschiedenen Formen des phosphorsauren Kal¬
kes etwas revisionsbedürftig sind. Es hat sich
bei diesen Versuchen, die in einwandsfreier Art
mit einjährigen Lämmern angestellt worden
sind, — [und über deren Ergebnisse der Herr
Versuchsansteller im September auf der Na¬
turforscherversammlung berichtete] — gezeigt-,
dass entleimtes Knochenmehl sowohl,
wie kalcinierteKnochen (Knochenasche),
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Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
3. Jahrgang.
in Uebereinstimmung mit der bisherigen An¬
sicht, sowohl in bezug auf Kalk, wie besonders
auf Phosphorsäure in unzureichender
Weise ausgenutzt werden.
Bei dem Dicalciumphosphat, —
dem präzipitierten phosphorsauren Kalk des
Handels, der für das beste Präparat dieser Art
gilt — war dagegen die Ausnutzung von Phos¬
phorsäure wie von Kalk keineswegs eine so
hohe, wie man allgemein annimmt. Die Auf¬
nahme beider Bestandteile im Dicalcium-
phosphat liess sich jedoch ganz bedeutend er¬
höhen, wenn ein leicht lösliches Kalksalz (milch¬
saurer Kalk) beigegeben wurde.
Die Versuche zeigten ferner, dass in dem
reinen gefällten Trioalciumphos-
phat vor dessen Verwendung man bisher ge¬
radezu warnen zu müssen glaubte, die Assimi¬
lationsfähigkeit der Phosphorsäure wie des
Kalkes eine recht bedeutende und eine viel bes¬
sere ist, als bisher angenommen wurde. Dem
Dicalciumphosphat allein erwies es sich nicht
unbeträchtlich überlegen.
Die vorstehenden Ausführungen lassen
sich, wie folgt, kurz zusammenfassen:
1. Bei ausreichender Fütterung trächtiger
und milchgebender Tiere, wie auch des Jung¬
viehs ist es nur in seltenen Fällen notwendig,
Phosphorsäure zuzuführen. Dagegen kann
Kalkmangel häufiger auftreten.
2. Zur Beseitigung dieses Mangels kann —
falls, was das beste wäre, kalkreiche Futter¬
stoffe nicht zugelegt werden sollen — Schlämm¬
kreide in mässigen Mengen Verwendung finden.
Vielleicht wird, es weisen darauf die Ergeb¬
nisse der Versuche Köhlers hin, noch besser
der milchsaure Kalk oder eine ähnliche Form,
sich für diesen Zweck eignen. Auch die Trän¬
kung des Viehs mit kalkhaltigem (hartem)
Wasser wird oft schon vollständig ausreichende
Mengen von Kalk zuführen.
3. Wählt man zur Beseitigung des Kalk¬
mangels, phosphorsauren Kalk, wobei
ja auch ein etwa vorhandener Phosphorsäure¬
mangel mit berücksichtigt wird, so ist jede
Form des Knochenmehles und auch gepulverte
Knochenasche (calcinierte Knochen) zurück¬
zuweisen. Von den gefällten (präzipitierten)
phorphorsauren Kalken ist dem Tridal -
ciumphosphat, nicht dem Dicalciumphos¬
phat (wie bisher) der Vorzug zu geben.
Es wird wohl nur kurze Zeit dauern, bis
der Handel den Landwirten ein Gemisch von
Dicalciumphosphat und milchsaurem Kalk an¬
bieten wird. Nach den Versuchsergebnissen
Köhlers wäre ein solches richtig zusammen¬
gesetztes und preiswertes Präparat in erster
Linie zu empfehlen. Selbstverständlich kann
sich auch jeder selbst diese Mischung hersteilen.
Was nun die Bedeutung von Phosphorsäure
und Kalk speziell für das Pferd anbetrifft,
so kann hier mit aller Sicherheit ausgesagt
werden, dass bei der Stallfütterung der Stuten,
der trächtigen, wie säugenden und auch bei
der Ernährung der jungen Pferde ein Mangel
an Phosphorsäure ausgeschlossen erscheint. Das
Fehlen von ausreichenden Kalkmengen wird
aber auch hier hervortreten können und nicht
ohne Einwirkung* auf das Knochenwachstum
bleiben. Ganz besonders stark wird diese Ein¬
wirkung hervortreten, wenn den Tieren gleich¬
zeitig nur weiches Wasser zur Verfügung steht.
Man hat dementsprechend auch häufig die Be¬
obachtung machen wollen, dass das Knochen¬
gerüst der Pferde in kalkreichen und mit har¬
tem Wasser versehenen Gegenden fester und
kräftiger wird als in kalkarmen Gegenden mit
weichem Wasser.
In solchen Fällen des Kalkmangels dürfte
häufig schon die Beschaffung eines härteren
(kalkreicheren) Wassers imstande sein, alle Un¬
zuträglichkeiten zu beseitigen. Es ist dabei
nur zu berücksichtigen, dass ein gutes Tränk¬
wasser für Pferde nicht mehr als ca. 22 0 Härte
(220 mg Kalk im Liter) zeigen und auch beson¬
ders nicht grössere Mengen von Magnesia gelöst
enthalten soll. Der letzten schreibt man die
Bildung von Steinkonkrementen in den Ge¬
därmen zu und übermässiger Kalkgehalt des
Wassers soll zur Steinbildung in den Harn¬
organen führen.
Wo die Natur kalkhaltiges Wasser nicht
darbietet, ist es leicht, sich künstlich ein solches
mit beliebigem Kalkgehalt (selbstverständlich
innerhalb gewisser Grenzen) herzustellen. Es
ist dazu nur nötig reiner gebrannter Kalk und
ein Kohlensäure-Entwicklungsapparat oder eine
Kohlensäurebombe wie sie fast jeder Gastwirt
heute benutzt. Ausserdem sind notwendig
etliche grössere Gefässe und die Erlernung
einiger Handgriffe. Selbstverständlich kommt
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15
Heft 1 Fortschritte der V
es mir nicht in den Sinn, für jeden Landwirt,
der einige. Fohlen aufzieht, solche Hilfsmittel
zu empfehlen. Wo es sich aber um die Auf¬
zucht sehr wertvoller Pferde handelt, und wo
nichts gespart wird, was den Erfolg sicher
stellen kann, dürfte es sich unter Umständen
empfehlen, Versuche in dem angedeuteten Sinne
anzustellen.
Vielleicht gelingt es aber auch, — und
diesen Fingerzeig geben die Versuche Köh¬
lers — durch Beigabe von etwas milchsaurem
Kalk (oder dem Kalksalz einer anderen orga¬
nischen Säure) zum Tränkwasser, jedem Kalk¬
mangel mit noch grösserer Leichtigkeit abzu¬
helfen.
Im vorhergehenden wurde wesentlich die
Stallfütterung der Pferde ins Auge gefasst.
Wie bekannt, macht sich aber auch beim Weide¬
gange der Tiere mancherorts der Kalkmangel
des Futters unliebsam bemerklich. In solchen
Fällen ist es, worauf schon häufig hingewiesen
wurde, angezeigt, nicht durch Beifütterung von
Chemikalien, sondern durch rationelle Düngung
der Weiden dem Nährstoffmangel der Weide¬
pflanzen und damit auch dem Nährstoffmangel
der weidenden Tiere abzuhelfen. Nebenher
könnte auch in diesem Falle auf der Weide
kalkreicheres Tränkwasser verabreicht werden.
Infektiöser Scheidenkatarrh, Kälberruhr,
Aphthenseuche, neuere Therapie und
Prophylaxe.
Zur Bekämpfung dieser so wichtigen
seuchenhaften Erkrankungen liegen neuere
Arbeiten vor, die einer weiteren Beachtung
wert sind. Ueber den infektiösen Scheiden¬
katarrh veröffentlicht Bezirkstierarzt J. Ritzer
seine Beobachtungen aus dem bis zu 90%
verseuchten Distrikte Ludwigstadt in der
Wochenschrift für Tierheilkunde und Viehzucht
No. 7—9. Der Verf. bespricht zunächst den
Seuchenzug, betont die besondere Disposition
des Simmenthalerschlages zur Akquisition der
Krankheit und gibt dann Hinweise zur Be¬
handlung. Verf. legt Gewicht darauf, dass
die Therapie sich nicht allein auf das er¬
krankte Organ, also die Scheide, sondern
auch auf die Umgebung derselben und den
Schweif erstrecke. Für die letztere empfiehlt
der Verfasser Waschungen anfangs jeden
eterinar-Hygiene.
zweiten Tag, später zweimal in der Woche
mit 1V 2 %iger Bacillollösung, welche auch zum
Einlegen des Putzzeuges verwendet wird, um
eine Uebertragung der Krankheit zu vermeiden.
In der Behandlung der Scheide selbst ging
Verf. von Ausspülungen mit l 1 l 2 0 lo^S eT Bacillol
lösung aus, zieht aber nunmehr nach ein¬
gehenden Prüfungen die Behandlungen mit Ba-
cillolsalbevor. Die letztere für Kühe in 10%, für
Bullen in 6% Gehalt an Bacillol wird täglich
mittels Fingers oder Spatels in den von einem
Gehilfen offen gehaltenen unteren Winkel der
Scheide eingebracht und zwar in der Grösse
einer Haselnuss. Die in der Scheide ver¬
flüssigte Salbe kommt mit allen Teilen der¬
selben in Berührung und übt längere Zeit
als eine blosse Ausspülung ihre Wirkung aus.
Dem Bullen wird ein gleichgrosses Stück der
Salbe in den Schlauch eingebracht und durch
Verstreichen von aussen verteilt. Mit dieser
Behandlung gelang es dem Verfasser, selbst
in schwersten Fällen innerhalb 6 Wochen
vollständige Heilung zu erzielen.
Distrikts- und Stadttierarzt K. M. Fleischer
berichtet im österr. landwirtsch. Wochenblatt
(No. 20 ct. 1904) über seine Erfahrungen bei
der Kälberruhr. Derselbe geht von dem
Standpunkte aus, dass die Infektion unmittelbar
während des Geburtsaktes stattfindet, und
findet, dass der frisch gerissene Nabelstrang
die meiste Disposition zur Infektion besitzt,
Verfasser sucht daher durch Behandlung der
Scheide vor dem Geburtsakte prophylaktisch
einer Infektion vorzubeugen. Zu diesem
Zwecke werden 3—4 Wochen vor dem Ab¬
kalben die trächtigen Tiere abgesondert und
„wöchentlich 2—3 mal ihre Geburtswege mit
einer 1% lauen Bacillollösung ausgespült.“
Der Nabelstrang des Kalbes wird septisch
unterbunden und mit einer Mischung von
zwei Teilen Holzteer und einem Teil Spiritus
bestrichen. Verf. erklärt, dass auf diesem
Wege ein Erfolg leicht zu erzielen ist. Die
nach dem Ueberstehen der Kälberruhr häufig
hinterbleibende Hornhauttrübung wird vom
Verfasser mit e ner Mischung von Bacillol 1.0,
Glyzerin 5.0, Aqua destill. vollkommen ge¬
heilt. Eine recht rege Nachprüfung dieser
therapeutischen Methode wäre im Interesse der
volkswirtschaftlichen Bedeutung dieser seuchen¬
haften Erkrankung wünschenswert.
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16
Fortschritte der Veterinär- Hygiene.
3. Jahrgang.
In der Berl. tierärztlichen Wochenschrift
(No. 29 ct. 1904) berichtet Kreistierarzt Pilger
über die erfolgreiche Tilgung der Aphthen¬
seuche, welche im Kreise Simmern einen
bösartigen Charakter angenommen hatte,
mittels nachfolgender Behandlung:
Einreibung der Geschwüre mit 10%iger Ba-
cillolsalbe, in schweren Fällen der Erkrankung
der Lederhaut mit Bacillol-Kataplasmen. Die
Abtrocknung der Geschwüre und Heilung der
Lederhaut erfolgte sehr rasch, die Kälber
blieben am Leben, die Mastochsen verloren
nichts vom Körpergewicht. Gehöfte, die vor
Ausbruch der Seuche wiederholt von ihren
Besitzern mit 2 V 2 %igör Bacillollösung des¬
infiziert worden waren, blieben von der
Seuche verschont.
Die wiederholte Desinfektion der Stall¬
ungen, Höfe und öffentlichen Wege mit der¬
selben Lösung erwies sich als einfacher, be¬
quemer und für die Abschwächung des Seuchen¬
gangs wirksamer als die Desinfektion mit
Kalkmilch. Verf. regt daher Nachprüfung
seiner Resultate an.
Oeffentliches Veterinärwesen.
Stand der Tierseuchen im Deutschen Reich
am 15. März 1905.
Der Rotz wurde festgestellt: in Preussen
in 16 Gemeinden und ebenso vielen Gehöften, in
Bayern in 6 Gemeinden und 6 Gehöften, in
Sachsen in einem Gehöft, im ganzen somit
in 23 Gemeinden und 23 Gehöften. Die
Aphthenseuche gelangte zur Feststellung
in Preussen in 13 Gemeinden und 15 Gehöften,
in Bayern in 5 (und 6) Gemeinden, in Württem¬
berg in 3 (und 6), in Baden in 2 (und 2) Ge¬
meinden, in Hessen und Eisass-Lothringen in
je einem Gehöft, zusammen in 25 Gemeinden
und 31 Gehöften. Die Schweineseuche ein¬
schliesslich der Schweinepest wurde fest¬
gestellt und zur Anzeige gebracht in 1668
Gemeinden und 2292 Gehöften.
Referate.
Immunität und Schutzimpfung.
A. Wolff. Ueber Grundgesetze der Im¬
munität. Zentralbl. für Bakteriologie, Parasiten¬
kunde und Infektionskrankheiten. Bd. 37, Heft 2.
Die Entwickelung der Immunitätslehre ging aus
von der Kenntnis der zwischen Toxinen und Anti¬
toxinen bestehenden Beziehungen. Durch Ueber-
tragung der ihnen zugrunde liegenden Versuche auf
die Erforschung der bakteriellen Immunität gelangte
man zu überaus wichtigen Resultaten auf dem Ge¬
biete der Biologie. Bei einer geringen Anzahl Bak¬
terien ist echte Toxinbildung nachgewiesen, so bei
Diphtherie- und Tetanusbazillen, d h. Ausscheidung
von Giften von seiten der lebenden Bakterienleiber,
während bei der grossen Mehrzahl der pathogenen
Bakterien es sich um Gifte handelt, die an die
Leibessubstanz der Bakterien geknüpft sind. Diese
werden durch eine Auflösung der Bakterien, Bakte-
riolyse in Freiheit gesetzt Sie sind von R. Pfeiffer
als Endotoxine bezeichnet.
Toxine und Endotoxine sind giftig wir¬
kende Substanzen, welche in bestimmten
Dosen den Tod der behandelten Tiere nach
einer Inkubationszeit herbeiführen.
Die Toxine bewirken, in abgestuften Dosen in¬
jiziert, das Auftreten von Antikörpern im Serum,
welche dem Tiere aktive Immunität verleihen. Durch
Einverleibung dieses Serums wird ein weiteres Tier
passiv immun gemacht. Multipla des (antitoxischen)
Serums schützen gegen Multipla der Toxindosis.
Endotoxine bewirken nicht das Auftreten anti-
endotoxischer Substanzen im Serum. Dieses wirkt
nur bakteriolytisch. Multipla der Serumdosis
schützen nicht gegen Multipla der Infektionsdosis.
Die Bakteriolyse ist die Folge eines spezifischen
Vorganges. Ausser dieser gibt es noch eine nicht
spezifische Bakteriolyse. bei der die in den Bazillen¬
leibern enthaltenen Endotoxine durch autolytische
Vorgänge in Freiheit gesetzt werden. In alten Kul¬
turen von Bakterien findet man infolgedessen nur
wenige Einzelindividuen.
Die einzelnen Bakterienarten verhalten sich der
Autolyse gegenüber verschieden. Ein Teil verfällt
sehr schnell, man findet dann in Filtraten relativ
junger Kulturen Giftwirkung; ein anderer langsam,
es finden sich in Kulturflltraten nur geringe Mengen
von Giften.
Immerhin ist festzuhalten, dass die Toxine die
Produktion von Antitoxinen anregen, während die
Endotoxine niemals anti-endotoxische Immunität aus-
losen. Dennoch bewirkt die Einverleibung von
Endotoxinen ausser der schon besprochenen Gift¬
wirkung auch eine Reaktion des Tierkörpers. Die
Injektion bewirkt das Auftreten der sogenannten
bakteriziden Immunität oder Ambozeptoren, welche
sich an den Rezeptoren der Bakterien verankern
und nach Hinzutreten des Komplements eine Bak¬
teriolyse und damit das Freiwerden der Endotoxine
bewirken. Die Bakterienauflösung erfolgt sowohl im
unvorbehandelten, normalen Tiere wie im vor¬
behandelten Immuntier, bei letzterem nur wesentlich
schneller, so dass die Bakterien vor der Aullösung
nicht mehr Zeit gefunden, sich erheblich zu ver¬
mehren, die Bildung neuer Träger von Giftsubstanzen
verhindert wird, während bei der langsamen Bakterio¬
lyse des nicht vorbehandelten Tieres neben dieser
fortwährend eine Vermehrung der Bakterien einher-
Digitized by LjOoq le
17
Heft 1.
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
geht, wodurch erreicht wird, dass schliesslich die
Dosis letalis an Bakterienendotoxinen erreicht wird.
Somit besteht zwischen dem normalen und dem
Immuntier kein qualitativer, sondern nur ein quanti¬
tativer Unterschied.
Der Zustand von Tieren, deren Serum Zytolysine^
Agglutinine und Präzipitine etc. enthält, kann nicht j
als Immunität im eigentlichen Sinne bezeichnet werden
Die bakteriellen Endotoxine bilden keine Sonder_
klasse von Giften, sondern sind körperfremdes Ei.
weiss, giftig wie jedes körperfremde Eiweiss.
Für Toxine und Endotoxine muss ein gemein¬
samer Angriffspunkt im Tierkörper angenommen
werden, als welcher das Zentralnervensystem zu
gelten hat. Der Tetanus nimmt somit nicht eine
Sonderstellung ein, sondern stellt das Prototyp der
Toxin- und Endotoxinwirkung dar. Zur Wirkung
im Gehirn sind nur minimale Dosen von Toxin und
Endotoxin erforderlich.
Die Chancen der bakteriziden Serumtherapie
würden sich bessern, wenn es gelänge, die dia¬
gnostischen Methoden so zu verfeinern, dass die In¬
fektionskrankheiten bereits k im Inkubationsstadium
erkannt werden könnten, der Behandlung mittels
der Sera also zu einer Zeit zugeführt werden
könnten, in der noch wenige Bakterien' im Körper
vorhanden sind. Die Endotoxine der noch nicht
zahlreichen Bakterien würden nach deren Auflösung
die Dosis letalis nicht erreichen. Profe.
Mark!« Ueber den Mechanismus der Ab¬
wehr des Organismus bei Infektion
mit Tuberkelbacillen. (Centralblatt für
Bakt., 38,1.)
Es existiert eine Reihe von Arbeiten, die sich
mit der Frage nach dem Schicksal der in den Körper
eingedrungenen Tuberkelbacillen beschäftigen. So
namentlich von Metsclmikoff, dann Borrel, Broden,
Dembinski u. a.
Verfasser hat zu seinen Untersuchungen meh¬
rere Stämme der menschlichen Tuberkulose benutzt
und einen Stamm von Perlsucht. Den infizierten
Tieren wurden von Zeit zu Zeit aus der Bauch¬
höhle Exsudalt röpfchen mittelst Glaskapaillaren
entnommen, auf Deckgläschen mit Aether-Alkohol-
mischung fixiert und nach der Gabbetschen Me¬
thode auf Tuberkelbacillen gefärbt.
Nach 3—6 Stunden war lebhafte Leukocytose
und Phagocytose wahrzunehmen, zunehmend mit !
der Zeitdauer der Infektion. Nach zweimal 24 Stun¬
den schien die Leukocytose etwas abzunehmen.
Nur wenige Leukocyten zeigten normales Aussehen
und enthielten gut gefärbte Tuberkelbacillen; die
meisten färbten sich schwach und enthielten zahl¬
reiche feine Körnchen ohne deutliche Konturen.
Nach dreimal 24 Stunden erschienen mononucleäre
Leukocyten im Präparate. Ausserhalb der Zellen
lagen zahlreiche, stark angeschwollene Bacillen
(Riesenformen), dann grosse keilen- und unregel¬
mässig geformte Bacillen und schliesslich Granula,
farblos und glänzend, mit einem roten Punkt im
Zentrum.
Wartete man viermal 24 Stunden, so sah man
witnler gemischte Leukocyten und ausgesprochene
Phagocytose, die nach fünfmal 24 Stunden wieder
abnahm, um in den folgenden Tagen ganz zu ver¬
schwinden.
Auch bei der extrezellulären Auflösung scheint
nicht ausgeschlossen, dass die Leukocyten durch
ihre Zerfallsprodukte im Spiel sind. Bringt man
Tuberkelbacillen iu vitro mit frischem Serum zu¬
sammen, so tritt auch nach stundenlanger Brut¬
temperatur keine Auflösung oder Formverminde¬
rung, auch nicht Schädigung der Färbbarkeit ein.
Auch kommen die meisten Granula erst knapp
vor oder nach dem Abklingen der Phagocytose zum
Vorschein. Es hat sogar den Anschein, dass in
dieser Phase die Granula /aus den Pliagocyten aus¬
treten, welche ihre Aufgabe bereits vollbracht
haben.
Diese Beobachtungen dürften mit der An¬
sicht, dass die Leukocyten nur abgetötete oder
geschwächte Mikroben aufnehmen, nicht in Ueber-
einstimmung stehen. Jacob.
Aruch und Petrini. Zur Frage über Rotz¬
immunität und Rotzheilung. (II mo-
derno zooiatro,. 1903, No. 3 u. 4.)
Verfasser haben über obiges Thema zahlreiche
Untersuchungen angestellt und sind zu den fol¬
genden Ergebnissen gelangt:
Man kann dem Kalbe ohne böse Folgen intra¬
venös das Rotzgift einspritzen. Die durch die In¬
jektion des virus mallei bedingte thermische Re¬
aktion wiederholt sich beim Kalbe jedesmal nach
einer neuen Einspritzung. Serum des Kalbes, dem
das Rotzgift einverleibt wurde, stellt einen we¬
niger entsprechenden Nährboden für die Kultur
des Rotzbacillus dar, als das normale Serum, es
kann sogar die Entwickelung solcher Kultur hem¬
men. Serum eines mit Rotzvirus geimpften Kalbes
übt keine immunisierende oder therapeutische Wir¬
kung auf das mit Rotz infizierte Meerschweinchen
aus; es enthält aber die Immunstoffe für Esel,
Pferd und Hund. Das Extrakt aus den Lymph-
drüsen eines rotzbehandelten Kalbes ist für Ka¬
ninchen, Esel und Hunde vollkommen unschäd¬
lich ; beim Meerschweinchen ruft es dagegen
Kachexie und grosse Neigung zur Malleusinfektion
hervor.
Beim Kaninchen verursachen die subkutanen
oder intraperitonealen Injektionen des Lymph-
drüsenextraktes eine bedeutende Erythro- und
Leukocytose, auch wird die Vergrösserung des Kör¬
pergewichtes wahrnehmbar. Das erwähnte Lympli-
drüsenextrakt übt keine baktericide oder aggluti¬
nierende Wirkung auf den Rotzbacillus aus.
Verfasser hoffen, man wird mittels des Ly mph -
drüsenextraktes und des Serums von rotzbehandel¬
ten Kälbern den Einhufern eine grössere Resistenz
Segen Malleus verleihen können. Baczynski.
Neufeld und Rimpau. Ueber die Antikörper
des Streptokokken- und Pneumo-
kokken-Immunserums. Deutsche med.
Wochenschr. 30. Jahrg. No. 40.
Die Untersuchungen über die Antikörper des
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18
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
3. Jahrgang.
Serums haben bekanntlich zur Aufstellung zweier
Typen, der antitoxischen und der bakteriziden
Antistoffe geführt. Die Anschauung indessen, dass
mit den genannten beiden Typen alle Möglich¬
keiten einer spezifischen Serumwirkung erschöpft
seien, erscheint nach den Untersuchungen der j
Y r erf., die sich auf die Versuche von Denvs und
Leclef (La Cellule 1895) stützen, nicht zulässig.
Es gibt vielmehr noch eine dritte Art spezifi¬
scher Serumwirkung, welche weder dem Typus
der antitoxischen noch der bakteriziden Sera folgt.
Sie steht zwar der bakteriziden nahe, sie bedarf
aber im Gegensatz zu dieser einer direkten zellu¬
lären Mitwirkung im Sinne der Phagocyteiltlieorie.
Das von einem gegen Streptokokken immuni¬
sierten Kaninchen gewonnene Serum liess eine ab¬
tötende oder auf lösende Wirkung auf Strepto¬
kokken nicht erkennen. Wurden dagegen normale
Kaninchen-Leukocyten hinzugefügt, so trat eine
lebhafte Phagocytose ein. In einem mit normalem
Serum angestellten Kontrollversuch konnte keine
Phagocytose beobachtet werden. Das spezifische
Serum wirkt direkt verändernd auf die Bakterien
ein, in der Art, dass diese die Immunkörper bin¬
den, um nunmehr sekundär von'den Zellen aufge¬
nommen zu werden.
Versuche im Tierkörper ergaben eine Ueber-
einstimmung mit den Beobachtungen im Reagenz¬
glase. ProfA
Remlinger u. Muatapha Effendi, W utimpfungen
beim R i n d. (Rec. de m6d. v6t. 1904, S. 289.)
R. und M. wurden aufgefordert, die Schutz¬
impfungen gegen Wut an einer Rinder- und Büffel¬
herde vorzunehmen. Es waren nämlich einige Tiere
von dieser Herde von einem wutkranken Hunde ge¬
bissen. Bei allen jenen Tieren waren Maulwunden
vorhanden, welche bei einigen Büffeln sogar zum
tödlichen Ausgang führten, indem sie Eingangs¬
pforte der allgemeinen Sepsis bildeten. Es wurden
insgesamt 12 Rinder und *10 Büffel geimpft. Nach
5 Tagen seit dem Bisse wurden jedem Tier 10 ccm
Emulsion, welche aus dem Gehirn eines an Wut
gestorbenen Kaninchens verfertigt wurde, intravenös
eingespritzt. Nach einer Woche hat man die
Impfung wiederholt, wozu zwei solche Gehirne ver¬
wendet wurden.
Alle geimpften Tiere, 4 Rinder und 4 Büffel
ausgenommen, gingen zugrunde. Es zeigte sich
somit, dass die Verluste nach der Impfung (63,63o /0 )
ebensogross waren, wie bei den gebissenen, nicht ge¬
impften Tieren. R. und M. unternahmen nun For¬
schungen, welche zur Aufgabe hatten, mehr positive
Impfungsmethoden auszufinden, wolxü folgende Er¬
gebnisse ans Licht gebracht wurden; Intravenöse,
an den Schaf bocken ausgeführte Gehirnemulsion¬
impfungen sind nicht ungefährlich; Serum der
Schafböcke, welchen solche Impfungen appliziert j
wurden, gewinnt nur langsam immunisierende Eigen- |
schäften. R. und M. meinen, die geeignetste Schutz- j
impfungsmethode gegen Wut bei den Herbivoren sei |
die subkutane Einspritzung des Heilserums, welches ;
mit Wutvirus zu mischen ist. BaczyÜ9ki. I
Infektionskrankheiten.
P. Römer, Ueber Tuberkelbacillenstämme
verschiedener Herkunft. (Habilitations¬
schrift.)
Verfasser beschreibt zunächst die in der Ab¬
teilung für experimentelle Therapie des Instituts
für Hygiene und experimentelle Therapie in Marburg
übliche Fortzüchtung der verschiedenen Tuberkel-
baoillenstämme. Zur Dosierung des Impfstoff! $ur
Infektion von Versuchstieren wurde stets eine
geringe Menge Kulturrasen abgewogen, mit physio¬
logischer Kochsalzlösung oder Bouillon zu gleich-
massiger Emulsion zerrieben und mit diesen Flüssig¬
keiten dann bis zu dem gewünschten Grade ver¬
dünnt.
Eine Kultur, die vor 7 Jahren aus mensch¬
lichem tuberkulösen Auswurf nach mehrmaliger
Meerschweinchenpassage gezüchtet war, erzeugt bei
allen Versuchstieren, mit Ausnahme der Rinder,
in genügend grosser Dosis angewendet, das ge¬
wöhnliche Bild der Tuberkulose. Sie vermag aucJi
Rinder krank zu machen, hinterlässt aber im Körper
derselben keine Krankheitsherde. Am meisten emp¬
fänglich sind Meerschweinchen, dann folgen Ka¬
ninchen, Pferde, Ziegen, Schafe und zuletzt Rinder.
Bei weissen Mäusen, die sich nach einigen Autoren
refraktär gegen die Tuberkulose verhalten sollten,
kommt es, allerdings nur nach Einverleibung
grösserer Mengen von Tuberkelbacillen, erst nach
mehreren Monaten zu einer allgemeinen Verbreitung
der Tuberkelbacillen in den Organen und im Blute
(Bakteriämie), was vermutlich mit der Unempfind¬
lichkeit dieser Tiere gegen das Tuberkulin zusam¬
menhängt. Nach intraperitonealer Impfung war
bei weissen Mäusen ausserdem das Auftreten von
Phagocytose wahrzunehmen. Bei Ziegen und Schafen
schien durch längere Vorbehandlung mit Tuber¬
kulin die Empfänglichkeit für Tuberkulose erhöht
zu sein.
Die vom Rinde stammenden Tuberkelbacillen¬
stämme, meist durch Schaf-, Kaninchen- oder
Meerschweinchenpassage gewonnen, ziehen morpho¬
logisch und kulturell keinen Unterschied von den
menschlichen Tuberkelbacillensstämmen. Im Gegen¬
satz zu den übrigen Rindertuberkelbacillenstämmen
wuchs ein Stamm (Tuberkelbac. 17) als feuchter,
glänzender Rasen und zeigte verminderte Säure¬
festigkeit, ähnelte also darinder Hühnertuberkulose.
Die Hühnertuberkelbacillenstämme Zeichen sich
durch eine hohe Virulenz gegenüber den verschie¬
denen Tierarten, besonders auch gegenüber Rin¬
dern, aus. Die Fähigkeit bei Meersschweinchen.
echte Tuberkeln zu bilden, scheint sich durch
Säugetierpassage zu erhöhen. Im Kaninchenkörper
bilden sich viel leichter Tuberkeln. Bei Hühnern
selbst gelang es nicht, durch intramuskuläre oder
intravenöse Injektion Tuberkulose zu erzeugen.
Verfasser konnte feststellen, dass die beiden Hüh¬
ner, aus denen die beiden Stämme gezüchtet waren,
Organe einer perlsüchtigen Kuh gefressen und sich
dadurch wahrscheinlich infiziert hatten.
Verfasser hält die Arteinheit der Hühnertuber-
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Heft 1.
19
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
kulose fast sämtlicher Organe gelitten hatte, fand
kulosestämme und der Säugetiertubedmlosestäinmc
für erwiesen.
Mit Hühnertuberkelbacillen infizierte Tiere
reagierten nicht nur auf „Hülmertuberkulin“, son¬
dern auch auf „Menschen- und Säugetiertuberkulin“.
Umgekehrt reagierten mit Säugetier tuberkulöse in¬
fizierte Tiere auf „Hühnertuberkulin“
Im Gegensatz zu Koch vertritt Verfasser auch
die Arteinheit der menschlichen und Kindertuber¬
kulose, wegen ihrer gleichen morphologischen und
kulturellen Eigenschaften, sowie mit Rücksicht
auf die für alle Tuberkelbacillenstämme gleichen
„Empfänglichkeitsskala“ aller Tierarten (am meisten
Meerschweinchen, dann Kaninchen, Pferde, Ziegen.
Schafe und am wenigsten Rinder), ferner wegen der
wechselseitigen Tuberkulinreaktion und den gegen¬
seitigen Immunitätsbeziehungen.
Aus den zahlreichen Tierversuchen zieht Ver¬
fasser den »Schluss, dass ein Tuberkelbacillen¬
stamm, der für eine Tierart virulenter ist als
ein anderer, unter allen Umständen auch für alle
anderen Tierarten sich infektiöser erweist als
dieser. Jacob.
O. Bail. Ueberempfindliclikeit bei tu¬
berkulösen Tieren. (Wiener klin. Wchft.
Ref. im C. f. Bakt. 36, 8 u. 9.)
In Bestätigung der Befunde von Deutsch teilt
Verf. seine Erfahrungen über Ueberempfindlichkeit
tuberkulöser Tiere gegen Superinfektion mit. Die
äusserst schnell zum Tode führende Peritonitis
derartiger Tiere zeigt sich in dem Vorhandensein
oft sehr grosse Exsudatmengen, die ausser kleinen,
plasmaarmen, mononukleären Lymphocyten nur
wenig Zellen enthalten. Dieser eigenartige Befund
tritt auch nach tödlicher intraperitonealer Tuber¬
kulininjektion auf. Wann der Zeitpunkt der Ueber¬
empfindlichkeit gegen Bacillen eintritt, ist bis jetzt
nicht sicher zu sagen. Es gelang nicht durch
Ueberschwemmung des Meerschweinchenorganismus
mit künstlichen Kulturen die Ueberempfindlich¬
keit herbeizuführen, ohne dass die entsprechende
Organerkrankung schon ausgebildet wäre. Inter¬
essant und für das Verständnis der Tuberkulosen¬
vergiftung vielleicht bedeutungsvoll erscheint fol¬
gendes Ergebnis: Durch Zentrifugieren zellfrei
gemachtes Exsudat von tuberkulösen Meerschwein¬
chen, die überempfindlich mit Leukocytenreaktion
kurz nach der Injektion von Tuberkelbacillen ge¬
storben sind, mit grossem Mengen lebender junger
Kulturen kleinen normalen Tieren eingespritzt,
lassen sehr schnell, oft in weniger als 24 Stunden,
den Tod eintreten, den weder Bacillen allein noch
das Exsudat für sich herbeiführen können. Das
Exsudat von Tieren, die ohne Lymphocytenreak-
tion gestorben sind, hat diese Wirkung nicht.
Jacob.
Lottermoser, Tuberkulose eines Rinder¬
fötus. Zeitschrift für Veterinärkunde, 17. Jahr¬
gang, Heft 3.
Bei einem etwa 7 Monate alten Fötus einer
Kuh, die an Knochentuberkulose und an Tuber¬
sich Tuberkulose der Leber, der Mediastinal- und
Bronchialdrüsen, sowie der Milz. Die braunrote
Leber liess fünf stecknadelkopfgrosse gelblicligraue
und einige grössere Knoten mit gelb gefärbtem
Zentrum erkennen. Auf Durchschnitten fanden sich
noch weitere gleich beschaffene Knötchen. Die ver-
grösserteil Fortaldrüsen zeigen el>enso wie die Bron¬
chial- und Mediastinaldrüsen zum Teil verkalkte
gelbe Knötchen. Unter der Milzkapsel waren hanf¬
korngrosse Knötchen deutlich sichtbar.
In Ausstriehpräparaten konnten Tuberkel¬
bazillen festgestellt werden. Profe.
Korczynski, Einfluss d. Tuberkulotoxine
auf Entwicklung und Giftigkeit an¬
derer Bakterien. (Gazeta lekarska 1904,
No. 53.)
Die Ergebnisse dieser Arbeit lassen sich folgen¬
deiweise zusammenfassen: Tuberkulotoxine, welche
den gewöhnlichen Nährmedien zugemischt wurden,
üben einen deutlich-günstigen Einfluss auf die Ent¬
wicklung des Staphylokokkus pyog. aur., der Strep¬
tokokkusarten und des Bakterium coli com. aus.
Streptokokkus und Bakt. coli wachsen desto
üppiger, je grössere Mengen von Tuberkulotoxinen
dem Nährboden beigemengt wurden. Das aus Tu¬
berkelbacillen verfertigte Extrakt beeinflusst gün¬
stiger die Entwicklung der Agarkultur des Bakt.
coli, als die Tuberkulinbouillon. Dieser Einfluss
offenbart sich auch in den Bouillonkulturen dies
Bakt. coli und der Streptokokken kann aber nicht
immer deutlich wahrgenommen werden. Das auf
gewöhnlichem Agar gezüchtete Bakt. coli besitzt
viel geringere Giftigkeit, als das auf dem mit Tu-
berkulotoxin gemischten Agar sich entwickelnde.
Vom Mengeninhalte der Tuberkulotoxine im Agar
hängt also wahrscheinlich der Giftigkeitsgrad des
Bakt. coli ab. Wenn man einer nicht tödlichen
Dosis des Bakt. coli etwas Tuberkulinbouillon
beimengt, wird diese Dosis für betreffende Tier¬
spezies absolut verderblich. Baczynski.
Bossi, Untersuchungen über den Ueber-
gang der Tuberkelbacillen von der
Mutter auf den Fötus bei Kaninchen
undMeerschweinchen. (II Policlinico fase.
1903.)
Verfasser verimpfte Tuberkelbacillen an Meer¬
schweinchen und Kaninchen, indem er denselben
tuberkulöse Sputa oder Reinkulturen des Kochschen
Bacillus in die Bauchhöhle oder direkt ins Blut
einspritzte. Einmal bediente er sich zur Impfung
einer verkästen Meerschweinchendrüse, in welcher
Tuberkelbacillen reichlich vorhanden waren.
Verfasser suchte alle Impfungen in den ersten
Tagen der Trächtigkeit auszuführen, da eine spätere
I Einverleibung der Tuberkulose oft Abortus oder
Tod der Mutter an Peritonitis verursachte. Am ge¬
fährlichsten zeigten sich in dieser Hinsicht die ein¬
gespritzten Sputa. B. suchte nachher in der Pla-
centa nach den Tuberkelbacillen. Vornehmlich
handelte es sich dem Verfasser um Feststellung
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20
3 Jahrgang
Fortschritte der V
der Fruchtinfektioii, wozu er die üblichen bakterio¬
logischen Forsch ungsmetlioden an wandte. Die Er*
gebnisse lauten dahin: Es wurde der Koclische
Bacillus kein einziges Mal in den inneren Organen
und im Blute der Frucht gefunden. In der Pia*
centa fand man dreimal Tuberkelbacillen; histo¬
logische, tuberkulöse Veränderungen des Mutter¬
kuchens waren aber nie wahrzunehmen. Die Ab¬
wesenheit der Tuberkelbacillen im Fötus bestätigt
die Theorie der Nichtvererbung der, Tuberkulose.
Sehr wahrscheinlich dagegen ist der Uebergang
der Toxine auf dem Blutwege. Die Früchte werden
minder resistent, gehen oft im Mutterleibe zu¬
grunde, die Nachkommenschaft der kranken Mütter
ist für die tuberkulöse Infektion sehr empfänglich.
In der Muttermilch hatte man nie Tuberkelbacillen
angetroffen. Fast alle Mütter sind sub partu ver¬
endet. Oft beobachtete man auch Abortus und
Tod der Früchte nach der tuberkulösen Infektion
der Mütter. Obige Tatsachen wurden an 8 Meer¬
schweinchen und 5 Kaninchen festgestellt.
Baczyüski.
B. von Tormay, Budapest. Die Tuberkulose
unter den Haustieren und die Milch¬
behandlung. Orvosi Hetilap. 1904. No. 6.
Im Aufträge der Reformkommission des ungar.
Landessanitätsrates untersuchte von Tormay die
Verbreitung der Tuberkulose unter den Haustieren
des Landes. In seinen Konklusionen regt er folgende
Massnahmen an. Es sollte die tuberkulöse Erkran¬
kung jedes Schlachttieres durch die Fleischbeschau
festgestellt werden, die Konvenienz der kranken
Tiere gemeldet werden, es soll ton „ Probe“-Bezirke
im Lande organisiert werden. Zucht-Stiere sollten
der Tuberkulin-Probe unterworfen werden. Der
Milchverkauf aus Ställen, in welchen sich Kühe mit
Eutertuberkulose oder hochgradiger Perlsucht be¬
finden, strenge untersagt und geahndet werden. Aus¬
schluss kranker Tiere von der gemeinsamen Tränke.
Die Reinlichkeit der Ställe müsse kontrolliert werden,
Fahrlässigkeit bestraft werden. Die Konservierung
der Milch in Milchkannen durch Hineinmengen von
Chemikalien muss strenge verboten werden. Der
beim Zentrifugieren in der Zentrifuge zurück-
bleibende Milch-Schlamm soll vernichtet werden.
Zimmermann.
H, Preisz, Budapest. Vergleichende Unter¬
suchungen über den T uberkel-
bazillus des Menschen und des
Rindes Orvosi Hetilap. 1904. No. 11.
Trotzdem Preisz die interessante Beobachtung
machte, dass auf Glyzerin-Kartoffel der menschliche
Tuberkelbazillus eine eigentümlich gelblich-rötliche
Färbung zeigt, während der Perlsuchtbazillus diese
Färbung niemals zeigte, und dieser Unterschied bis
zur 25. Generation bestehen blieb, hält er daran fest,
dass menschliches Virus Rinder, Rinder-Virus
Menschen zu infizieren imstande sei. Zahlreiche, sehr
eingehende experimentelle Untersuchungen stützen
diese Anschauung. Zimmermann.
eterinär-Hygiene.
H. Preis/, Budapest. Untersuchungen über die
feinere Struktur und die Entwickelung der
Sporen beim Milzbrand-Bazillus. Magyar
Orvosi Archivum. 1904. No. 3.
Bringt man junge, lebende Milzbrand-Bazillen in
eine dünne Fuchsin-Lösung, so tritt keine stärkere
Färbung der äussersten und innersten Plasma-
Schichte auf, wie das in wässeriger Methylenblau-
Lösung der Fall ist, sondern es tritt konstant ein
dunkelgefärbtes, kugeliges oder längliches und ein¬
geschnürtes, plattes und scharf umschriebenes
Körnchen auf, welches gewöhnlich in den äussersten
Plasma-Schichten liegt und als Kern der Zelle zu
betrachten ist, da es sowohl mit der Kernteilung
als der Sporenbildung in engem Zusammenhänge
steht.
Die Vermehrung des Bazillus geht auf die Weise
vor sich, dass sich in der Mitte der länger gewor¬
denen Zelle aus der äussersten Plasma-Schichte eine
ganz dünne Scheidewand bildet, welche oft durch
den Kern hindurch geht. Schon nachdem eine dicke
Wand besteht, sieht man den in Häute-Form aus¬
gezogenen Kern, dessen eine Hälfte sich in der
einen, die andere in der anderen Zelle befindet.
In der Mitte älterer Zellen, im zentralen Plasma,
treten kleine Körnchen neuerer Art auf, deren Zahl
sehr wechselnd ist, und welche später so gross
werden können, dass sie den grössten Teil der Zelle
einnehmen. Diese Körnchen sind säurefest und
identisch mit jenen, welche Bunge als „Vorsporen“
bezeichnete.
Nach der Untersuchung Preizes entwickelt
sich diese säurefeste Substanz in dem Achsenteile
des Plasmas, welch letzterer auch zerfällt, nachdem
sich diese Körnchen entwickelt haben. Die säure¬
festen Körper sind, die allerjüngsten Formen aus¬
genommen; nicht gleichartig, in ihrem Innern ist
eine Substanz enthalten, welche sich mit karbol¬
saurem Methylenblau metachromatisch, also rot, oder
veilchenblau färbt. Die säurefesten Körper hält Pr.
für fettähnliche Substanzen, da sie sich mit III. Sudan-
Rot färben lassen.
Die säurefesten Körper verwandeln sich nicht
in Sporen, doch ist es wahrscheinlich, dass sie eine
Reservesubstanz enthalten, welche später, in verän¬
derter Form, zur Ernährung der Spore dient. Dar¬
um findet man bloss dort grosse säurefeste Körper,
wo die Sporen-Bildung eine mangelhafte ist.
Die Entwickelung der Spore geht immer in
einem Ende des Bazillus vor sich; die ersten
Zeichen der Sporenbildung sind, dass das Plasma
des einen Zell-Poles sich mit dünner Fuchsin-Lösung
dunkler färbt. Dieser euchromatische Anteil des
Zellplasmas wächst irisfürmig in das Innere der Zelle
hinein, die Iris schliesst sich schliesslich und bildet
eine vollständige Scheidewand zwischen dem polaren
Anteil der Zelle, der späteren Spore imd der Mutter¬
zelle. Oft beobachtet man in der Nähe des euchro-
matischen Plasmas an dem sporenbildenden Teil der
Zelle einen ebensolchen dunklen Kern, wie man ihn
in jungen Zellen sieht.
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Heft 1.
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
21
Das Wesen der Entwickelung der Spore ist also,
dass sich in der Nähe des einen Zellendes aus dem
modifizierten, wandständigen Plasma eine Scheide¬
wand bildet, welche den Pol der Zelle vom Körper
der Zelle trennt. Im Innern der Mutterzelle ent¬
steht also eine sich von ihr unabhängig machende
Zelle, die zukünftige Spore. Die Spore ist anfangs
klein und klebt an der inneren Wand der Zelle
*
vergrössert sich jedoch später, löst sich von der
Wand der Mutterzelle ab, erhält scharf gezeichnete
Konturen und wandert der Mitte der Mutterzelle zu.
In diesem Stadium ist die Spore kugelig oder oval,
homogen, grösser als die reife Spore, und wird als
„Vorspore“ bezeichnet, da sich die definitive Spore
in derselben entwickelt. In der Mitte separiert sich
nämlich bald ein sich stark färbender Körper, der
Körper der definitiven Spore.
Auf dieselbe Weise entwickeln sich die Sporen
beim malignen Oedem und beim Tetanus.
Die Sporen des Milzbrandes können an der
Stelle ihrer Entwickelung keimen. Darum sieht
man auf der Oberfläche fester Nährböden oft sekun¬
däre Kolonien auftreten.
Mit der Bildung der Spore hat also der Bazillus
seine Tätigkeit nicht immer beendigt, es kann zu
neuerlicher Keimung kommen. Zimmermann.
Streit. Ueber cerebrospinaleMeningitis
der Pferde. (Revue gönörale de mödecine
vötörinaire, 1904, 16. avril.)
Diese in Deutschland oft vorkommende Krank¬
heit ist auch in Amerika wohlbekannt. Verfasser,
Assistent der Bakteriologie am landwirtschaftlichen
Kollegium in Ontario, hatte seine Untersuchungen
in einem Gehöfte, wo fünf Pferde an dieser Krank¬
heit starben, angestellt. Die Krankheit verlief
akut, die Symptome beruhten in Appetitverlust,
Schlingbeschwerden, Kolik und allgemeiner Kör¬
perschwäche. Die Temperatur wenig erhöht, Puls
und Atmung fast normal. Später wurden die Tiere
ganz apathisch und es traten Lähmungserschei¬
nungen der Zunge, der Kaumuskel und des Schlun¬
des auf, auch gesellte sich oft der Opisthotonus
dazu. Die Lähmung nahm immer mehr zu, schliess¬
lich stürzten die Tiere zu Boden und verendeten.
Bei der Sektion fand man Ekchymosen und Infil¬
trationen im Schlund, Kehlkopf und in der Luft¬
röhre. Eine seröse Flüssigkeit befand sich im Rück¬
gratkanal, die Hirnhäute oedematös, dura mater
fettig degeneriert; im subarachnoidealen Raume
graue Flüssigkeit, Hirngefässe injiziert, pia mater
mit Ekchymosen bedeckt. Im Milzblute und sub r
arachnoidaler Flüssigkeit befanden sich inkapsu-
lierte Diplokokken, die sich nach Gram färbten.
Auf Agar bildeten diese Mikroben runde, punkt¬
artige, in der Mitte dunkle, an der Peripherie
durchsichtige Kolonien. Der entdeckte Mikrob ge¬
deiht auf geronnenem Serum, entwickelt sich ziem¬
lich schwer in Eiweiss und Gelatine, auf der Kar¬
toffel wächst er gar nicht. Die Bouillonkultur
wächst bei 37.6°—38° ziemlich üppig, indem sie
Flocken bildet, welche sich am Kolbenboden sam¬
meln. Der Streitsche Mikrob tötet die Kaninchen
nach subkutanen, intraspinalen, intravenösen und
intraperitonealen Injektionen. Auch ist er für
Meerschweinchen und weisse Mäuse pathogen.
Dieser Diplokokkus ist dem von Ostertag isolierten
ähnlich, der letztgenannte besitzt aber keine Kap¬
sel, färbt sich nach Gram nicht und ist für
Versuchstiere vollkommen apathogen.
Baczynski.
Wagner, Puerperalerkrankung bei
Meerschweinchen. Centralbl. für Bakt.,
Parasitenkunde und Infektionskrankh. 37. Bd.
Heft 1.
Verfasser beobachtete unter den zur Zucht be¬
stimmten Meerschweinchen des Instituts, dass die
Muttertiere kurz vor oder kurz nach der Geburt
in kurzer Zeit zu gründe gingen, während die
männlichen und ebenso die nicht trächtigen
oder nicht puerperalen Tiere niemals einer
ähnlich schnell verlaufenden Krankheit unter¬
lagen. Der pathologisch - anatomische Befund
war im wesentlichen folgender: Uterus ent¬
zündet, Herzmuskel fettig degeneriert, ebenso die
Leber und (lie Nieren, Milztumor. In einigen
Fällen bestand Teritonitis, in anderen fanden sich
pyämische Metastasen in Lungen oder Leber. In
den meisten Fällen fanden sich bei der bakterio¬
logischen Untersuchung Streptokokken in Rein¬
kultur. Durch Einführung dieser in Bouillon ge¬
züchteter Streptokokken in den Fruchtsack mittelst
eines Katheters konnte Verfasser bei puerperalen
Meerschweinchen stets dieselbe tödliche Krankheit
hervorrufen, was bei nicht puerperalen Tieren
nicht gelang; auch für die Männchen war der ge¬
fundene Streptokokkus nicht pathogen. Andere
aus der Vagina gesunder Meerschweinchen isolierte
Streptokokken erwiesen sich auch für puerperale
Meerschweinchen als ungefährlich. Profö.
Roger und Weil. Neue experimentelle
Saccharomykose der Kaninchen. (Ar¬
chiv es de möd. experim. 1904, No. 3.)
Bekanntlich ist es Wlaeff, St. Fölice
u. a. gelungen, durch die Einspritzungen gewisser
Blastomyceten bei den Kaninchen adenomoide
Wucherungen des Drüsenepithels hervorzurufen.
Roger und Weil beschreiben in oben betitelter Ar¬
beit die Ergebnisse der Verimpfung an Kaninchen
einer Blastomycetengattung — Saccharomyces lin-
guae pilosae —, welche eine spezifische Krankheit
— Melanoglossitis — beim Menschen verursachen.
Es zeigte sich, dass die Kaninchen nach der
intravenösen.Einverleibung dieses Mikroben in drei
Tagen bis einigen Monaten starben, wobei bei ihnen
alle Erscheinungen einer progressiven Kachexie zu
beobachten waren. Die Sektion erwies nur un¬
bedeutende Veränderungen in den Nieren. Mikro¬
skopische Untersuchung entdeckte aber die Wuche¬
rung des Harnkanälchen epithels und reichliche
Cystenbildung. Im allgemeinen ähnelte der mikro¬
skopische Bau der krankhaften Gebilde hochgradig
Digitized by
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22
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
3. Jahrgang.
der Struktur eines Adenoms. Analogische Ver¬
änderungen waren auch in den Gallenkanälchen zu
sehen. Auf Grund obiger Ergebnisse sind Verfasser
geneigt, die parasitäre Theorie der Tumorenbildung
als begründet anzusehen, meinen aber, der Einfluss
der Parasiten sei zur Entstehung von Neubildungen
oft nicht ausreichend, es spielen vielmehr bei die¬
sem Prozesse auch andere, näher nicht bekannte
Umstände eine hervorragende Rolle.
Baczynski.
H. PAtz. Der Bacillus pyogenes und
seine Beziehungen zur Schweine¬
seuche (vorläufige Mitteilung). (Zeitschr. f.
Fleisch- u. Milchhygiene, 1904, Heft 11.)
Die teils vom Verfasser, teils von anderer Seite
im hygienischen Institut der tierärztlichen Hoch¬
schule, Berlin, ausgeführten Versuche und Unter¬
suchungen haben zu dem Ergebnis geführt, dass
die ovo i'de Bakterie (Bac. suisepticus)
auch fernerhin als der Erreger der
Schweineseuche zu gelten hat. Der
Gripssche Bacillus erscheint ledig¬
lich als Eitererreger und Erzeuger
einer Komplikation, welche in einem
schleimig-eitrigen Bronchialkatarrh
besteht. Vielleicht kann durch das Eindringen
des Bacillus pyogenes in der Lungenparenchym
auch Nekrose hervorgerufen werden.
Francke.
Internationale Konferenz über die tropischen
Tierkrankheiten. Im Anschluss an den VIII. inter¬
nationalen tierärztlichen Kongress wird in Buda¬
pest eine internationale Konferenz in Angelegen¬
heit der tropischen Tierkrankheiten abgehalten. Am
25.—31. Mai v. J. wurde von den Vertretern der
südafrikanisch-englischen Kolonien in Kapstadt eine
Konferenz abgehalten, wobei Beratungen über die
Schutzmassregeln gegen die in Südafrika herrschen¬
den Tierkrankheiten gepflogen wurden. Diese Kon¬
ferenz fasste in ihrer Schlusssitzung den Beschluss,
Schritte einzuleiten, damit im Anschluss an den
im Jahre 1905 in Budapest anberaumten internatio¬
nalen tierärztlichen Kongress eine eigene Konferenz
stattfinde, zu welcher die Vertreter der südafri¬
kanischen Städte und Kolonien, der australischen
und neuseeländischen englischen Kolonien, von
Indien, Aegypten, der Vereinigten Staaten von
Nord-Amerika, der südamerikanischen Staaten,
sowie überhaupt aller Länder und Kolonien,
in welchen dieselben oder ähnliche Krank¬
heiten bei den Haustieren Vorkommen, wie
in Südafrika, um dieselben zum Gegenstände
wissenschaftlicher Erörterungen zu machen. Das
Organisations-Komitee des tierärztlichen Kongresses
hatte die tropischen Krankheiten bereits vorher
in das Programm aufgenommen, der erwähnte Be¬
schluss der kapstädtischen Konferenz wird jedoch
beitragen, das Interesse für den Budapester Kon¬
gress bei den Fachmännern der fernsten Weltteile
zu erwecken.
Von den Lokal-Komitees des Kongresses hat
sich jüngst auch das badische Komitee gebildet.
Mitglieder desselben sind unter dem Vorsitze des
Geheimen Oberregierungsrates Dr. L y d t i n: Regie¬
rungsrat Hafner in Karlsruhe, Veterinärarzt
Braun in Baden-Baden, Veterinärassessor Feh-
renmeier und Bezirkstierarzt Ko hl he pp.
Ebenso hat sich auch das dänische Komitee orga¬
nisiert, und zwar unter dem Vorsitze von Dr. Bang,
Professor der tierärztlichen Hochschule; Mitglieder
desselben sind: Professor C. O. J e n s e n , Mar¬
schalltierarzt Dr. G a u t i c r und Militär-Obertier¬
arzt H. Fries. Für das Zustandekommen des
österreichischen Komitees sind Ministerialsektions-
rat A. Binder und k. k. Landesveterinärreferent
A. Greiner in Wien bemüht. Die Kreierung des ser¬
bischen Lokalkomitees hat Landeetierarzt A.Popo-
v i t s c h in Belgrad auf sich genommen. Ausser¬
dem haben A. Cope, Sektionschef des Acker¬
bauministeriums in London, Dr. 0. Malm,
Veterinär-Direktor der norwegischen Regierung in
Christiania, und Professor Thomassen in Ut¬
recht, den Generalsekretär des Kongresses. Pro¬
fessor Dr. Stefan v. Rätz, verständigt, dass
sie durch die tierärztlichen Vereine und Fach¬
blätter alles aufbieten werden, um das Interesse
für den Kongress zu wecken und die Kollegen für
die Beteiligung an demselben zu gewinnen.
Bflcheranzeigen.
Der preussische Kreistierarzt als Beamter,
Praktiker und Sachverständiger« IV. Band: Der
preussische Kreistierarzt als Sachverständiger auf
dem Gebiete des Sportes, des Jagd-, Fischerei-
und Tierschutzes und der Tierversicherung. Be¬
arbeitet von Tierarzt Diffln^- Rüsselsheim, Professor
Dr. Hofer- München, Kreistierarzt Hofherr-Herzberg
a. E., Stadttierarzt Dr. Kopp-Metz, Tierarzt und
Schlachthofdirektor Suckow -Bergisch-Gladbach und
Kreistierarzt Weber« Fulda. Mit 87 Abbildungen im
Text. Berlin SW. 61, Louis Marcus Verlags¬
buchhandlung, 1905.
Der vierte Band behandelt die Beziehungen des
Kreistierarztes zum Sport, zur Jagd, zur Fischerei,
zum Tierschutz und zur Tierversicherung. Den Be¬
ginn macht der als Pferdekenner, Sportsman und
Sportschriftsteller bestens bekannte Suckow mit
dem Kapitel: Der Kreistierarzt in seiner Beziehun¬
gen zum Pferdesport. Verfasser leitet seine Ab¬
handlung ein mit einer Kritik der deutschen Voll¬
blut- und Halbblutzucht, die für diese nicht gerade
glänzend ist. Er betont die Notwendigkeit erhöhter
Anteilnahme an züchterischen und sportlichen
Fragen von seiten der Tierärzte. Des weiteren
werden die Fehler angeführt, auf welche die man¬
gelnde Entwicklung der Halbblutzucht bei uns
zurückzu führen ist. Sehr wichtig und von beson¬
derem Interesse für den Tierarzt sind die auf reicher
Erfahrung fussenden Ausführungen über verschie¬
dene Krankheiten in ihrer Bedeutung für die Renn-
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Heft 1.
23
Fortschritte der Veterin&r-Hygiene.
Pferdezucht. Wir lernen hier gewissermaßen neue
Berufskrankheiten der Rennpferde kennen. Auch
das Doping (künstliche vorübergehende Steigerung
der Arbeits-Energie durch chemische und physi¬
kalische Einwirkungen) der Rennpferde erfährt eine
interessante und lehrreiche Besprechung. Allge¬
meine züchterische Bemerkungen und rennsport¬
liche Ratschläge für beamtete Tierärzte beschliessen
die Suckowsche Abhandlung, die fliessend und ge¬
wandt geschrieben ist. Die Lektüre ist auch dem
Nicht-Sportman Genuss. Jeder wird diesem Ab¬
schnitt viel Wissenswertes und Interessantes ent¬
nehmen können.
D i f f i n ä - Rüsselsheim behandelt den Hunde¬
sport. Alle Arten Hunde in bezug auf Rassen und
Verwendung sind berücksichtigt. Hundezucht und
Hundehaltung finden ausreichende Erwähnung.
Verf. hat mit seinem geschickt gruppierten Artikel
einen recht interessanten Abschnitt des Werkes
geliefert.
Der Kreißtierarzt in seinen Beziehungen zum
Schutze der Jagd betitelt sich der nächste, von
H o f h e r r behandelte Abschnitt. Nach einigen ein¬
leitenden Angaben führt Verf. zunächst das Wild¬
schongesetz vom 14. Juli 1904 nebst einem Kom¬
mentar an. Was die sachverständige Begutachtung
gerichtlich oder polizeilich beschlagnahmten Wildes
angeht, also die wichtigste Beziehung des Tier¬
arztes zum Jagdschutz, so finden wir hier keinerlei
Angaben. Die hierher gehörenden Ausführungen
sind zum Teil zwar in Band III unter Wildpret ge¬
macht, aber mit diesen doch nicht erschöpft. Des
weiteren wird leider jede Angabe über Wildkrank¬
heiten vermisst, ein Gebiet, auf welchem das sach¬
verständige Urteil des Tierarztes sicher in aller¬
erster Linie eingeholt wird. Mit einer Darstellung
der häufigsten Wildkrankheiten und deren Abwehr-
massregeln hätte sich Verf. einer nicht leichten,
aber sehr dankenswerten Aufgabe unterzogen.
Schade, dass er die so schöne Gelegenheit nicht
genutzt hat. Seine Wildhege und Wildpflege wird
jedem Jäger eine interessante Lektüre bieten, tier¬
ärztlicher Tätigkeit wird sich nach dieser Seite hin
schwerlich jemals ein Feld bieten. Das Kapitel
über den Schutz der Fischerei von Hofer ist ein
wenig zu knapp weggekommen, eine eingehendere
Behandlung aus der Feder dieses so sachkundigen
Autors wäre recht erwünscht gewesen. Eine sehr
fleissige und wohlgelungene Arbeit hat Weber über
Tierschutz geliefert. In dieser sorgsam zusammen¬
getragenen, mit vielen Abbildungen versehenen Ab¬
handlung wird wohl kaum Wichtigeres aus dem
Gebiete des Tierschutzes vermisst werden. Sie ist
geeignet, weitgehende Anregung zur lebhaften An¬
teilnahme der Tierärzte am Tierschutz zu geben.
Der vierte Band wird beschlossen mit einer
sehr eingehenden Abhandlung über die Tierver¬
sicherung von K o p p. Wer je in die Lage kommt,
sich über diese oder jene Frage der Tierversiche¬
rungswesens zu informieren, wird hier gewiss er¬
giebige Auskunft erhalten. Eine reiche Fülle gut
und kritisch gesichteten Materials ist hier von
dem gewandten, auf dem Gebiete der Tierversiche¬
rung gut bewanderten Verfasser zusammengebracht
Mit dem vierten Bande liegt nunmehr das
Gesamtwerk: Der preussische Kreis¬
tierarzt vollendet vor. Die stolze Auf¬
gabe, welche die Herausgeber sich gestellt
haben, ist mit Hilfe der zahlreichen Mitarbeiter
aufs beste erfüllt. Der Verlag ist in unein¬
geschränktem Masse bemüht gewesen, dem ge¬
waltigen Werk würdigen Rahmen, geschmackvolle
Form zu geben. So ist es vereinten Kräften ge¬
lungen, ein literarisches Meisterwerk zu schaffen,
auf welches die Tierärzte stolz zu sein alle Ver¬
anlassung haben. Die Gesamtanlage des Werkes
erweist ein bemerkenswertes Organisationstalent der
Herausgeber. Die durchaus gelungene Anpassung
und Anreihung der einzelnen Kapitel an den ge¬
planten Aufbau hat dem ganzen Werk einen ein¬
heitlichen und harmonischen Charakter verliehen.
Die einzelnen Abschnitte sind fast ausnahmslos
vorzüglich abgefasst; sie zeichnen sich durchgängig
aus durch eine lebhafte Schreibweise und fliessende
Darstellung. „Der preussische Kreistierarzt“ ist nicht
nur ein erstklassiges wissenschaftliches Nach¬
schlagewerk und ein zuverlässiger Ratgeber in allen
Fragen tierärztlicher Sachverständigentätigkeit,
sondern das Werk stellt, worauf ganz besonders
hingewiesen werden soll, auch eine fesselnde Lek¬
türe dar für jeden, der auf einem oder anderem
Gebiete der tiermedizinischen Wissenschaft Inter¬
esse entgegenbringt. Es ist wohl zu erwarten,
sicher aber zu wünschen, dass das sehr schöne und
gediegene Werk weitesten Eingang bei den Tier¬
ärzten finden möge. Den Herausgebern aufrich¬
tigen Glückwunsch zu der Vollendung ihrer ragen¬
den Schöpfung. Profö.
Lehrbuch der allgemeinen Patho¬
logie für Tierärzte und Studierende
von Professor Dr. Th. Kitt in München. Mit
4 Farbentafeln und 119 Textfiguren. Stuttgart,
Verlag von Ferdinand Enke. 1904.
Ein Lehrbuch der allgemeinen Tierpathologie
hat bisher gefehlt. Verfasser, der bereits einen
speziellen Teil (Lehrbuch der pathologischen Ana¬
tomie der Haustiere) herausgegeben, hat mit vor¬
liegenden Buche eine Lücke der tierärztlichen Fach¬
literatur geschlossen. Kitts lebendige, anschau] iche,
auf das Wesentliche gerichtete Darstellungsweise
hat hiermit wieder ein treffliches Lehrbuch ge¬
schaffen, das dem Studierenden eine vorzügliche An¬
leitung, dem Tierarzt eine dankenswerte Anregung
sein wird, seine Kenntnisse der allgemeinen Patho¬
logie zu erneuern und zu festigen. Die Abbildungen
und Farbentafeln sind ausserordentlich schön. Die
Anschaffung kann auf das angelegentlichste emp¬
fohlen werden. ProfA
Deutscher Veterinär -Kalender für
das Jahr 1904—1905. Herausgegeben in zwei
Teilen von Prof. Dr. R. Schmält z. Berlin 1905.
Verlag von Richard Schoetz.
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24
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
3. Jahrgang
Der Schmaltzsche Kalender, der in gewöhn¬
lichem Taachenkalenderformat eine ungewöhnliche
Fülle von Angaben unter Mitwirkung bewährter
Kräfte bringt, erfreut sich eines so guten Rufes,
dass ee sich erübrigt, auf seine Vorzüge des
näheren einzugehen.
Veterinär-Kalender für das Jahr
1905. Herausgegeben von Korpsrossarzt K o e n i g.
Berlin 1905. Verlag von August Hirschwald.
Der Koenigsche Kalender räumt dem Kapitel
Beliandlung der wichtigsten Krankheiten den weit¬
aus grössten Umfang ein, was als ein besonderer
Vorzug des Kalenders zu bezeichnen ist.
Le Traducteur (Französisch-Deutsch) und
The Translator (Englisch-Deutsch), Halb¬
monatsschriften zum Studium der französischen,
englischen und deutschen Sprache. Bezugspreis je
2,50 Fr. halbjährlich. Probenummern kostenlos
durch den Verlag des „Traducteur“ oder des
„Translator“ in La Chaux-de-Fonds (Schweiz).
Diese beiden Blätter sind ein vortreffliches
Hilfsmittel zum Weiterstudium der genannten
Sprachen. Der sorgfältig gewählte, reichhaltige
Lese- und Uebungsstoff, teilweise mit korrekter
Uebersetzung, teilweise mit erklärenden Fussnoten,
macht sie für den einzelnen sowohl als auch für
den Familienkreis ganz besonders empfehlenswert.
Die Abonnenten verschiedener Zunge können mit¬
einander in Korrespondenz treten. Ihr Preis ist in
Anbetracht der gebotenen Vorteile ein niedriger
und jeder eifrige Leser wird durch sie gewiss nach¬
haltige Förderung finden.
Handbuch der Fischkrankheiten
von Dr. Bruno Hofer. Mit 18 Farbentafeln
und 222 Text-Abbildungen. Verlag der Allgem.
Fischerei-Zeitung, München. 1904.
Ueber die Widerstandsfähigkeit
zweier in Marburg mit Tuberkel¬
bazillen verschiedener Herkunft vor¬
behandelter Rinder gegen subkutane
und intravenöse Infektion mit tuber¬
kulösem, vomRindestam me ndenVirus.
Von Prof. Dr. A. Eber. Abdruck aus der Zeit¬
schrift für Tiermedizin. Neunter Band, 1905.
Experimentelle Uebertragung der
Tuberkulose vom Menschen auf das
Rind. Von Prof. Dr. A. Eber. Abdruck (ins:
Beiträge zur Klinik der Tuberkulose. Stübers
Verlag.
Hilfsbuch des Fleischbeschauers.
Von Dr. Paul Heine.
Leitfaden der Trichinenschau. Von
Dr. Paul Heine. Erster Schlachthaustierarzt in
Hannover. Verlag von M. u. H. Schaper. 1905.
Grundriss der Trichinenschau. Leit¬
faden für den Unterricht in der Ausbildung der
Trichinenschauer nebst den preussischen gesetz¬
lichen Bestimmungen von Clausen, Schlacht¬
hof-Direktor, Hagen i. W. Berlin 1905. Verlag
von Richard Schoetz.
Re frakto metrische Untersuchun¬
gen vonMilch u. Fleisch. Von Dr. R i e v e 1,
Hannover. Sonderabdruck aus No. 12. der Deut¬
schen Tierärztlichen Wochenschrift. 13. Jahr¬
gang, 1905.
Vetörinaire Pathologie en Hygiene.
Mededeelingen en Onderzockingen uit Praktijk en
Laboratorium door Dr. D. A. de Jong, Jyn
Veearts, Directeur van het openbaar Slachthuis te
Leiden. G. L. Van den Berg. 1905.
Besprechung Vorbehalten. D. H.
Long-Preusse, Praktische Anlei¬
tung zur Trichinenschau. Sechste Auf¬
lage, bearbeitet von M. Preusse, Departementstier¬
arzt und Veterinär-Assessor in Danzig. Verlag von
Richard Schoetz, Berlin, Luisenstr. 36. Preis
2,50 Mk.
Das in sechster Auflage erschienene Werkchen
enthält in drei Abschnitten in knapper Form das¬
jenige, was der Laie zum Erlernen der praktischen
und theoretischen Trichinenschau benötigt. Der
erste Teil bringt Mitteilungen aus der Anatomie und
Physiologie des tierischen Körpers. Im zweiten Teil
findet sich Geschichte und Entwicklungsgeschichte
der Trichine, sowie ihre Lebensweise und Haupt¬
merkmale. Der dritte Teil behandelt die Aus¬
übung der Trichinenschau. Eine kurze Beschrei¬
bung des Mikroskopes leitet denselben ein. Ent¬
nahme der Proben, die Herstellung und Durch¬
musterung der Präparate, Kennzeichnung des unter¬
suchten Tieres etc. sind unter Berücksichtigung
der einschlägigen neueren gesetzlichen Bestimmun¬
gen erläutert. In ziemlich ausführlicher Weise ist
der Finne gedacht worden, es fällt jedoch auf,
dass auf die Unterscheidungsmerkmale gegenüber
der dünnhalsigen Finne sowie dem Echinokokkus
kein besonderer Wert gelegt ist. Eine genaue Be¬
schreibung des letzteren wird überhaupt vermisst.
Den Schluss bildet eine kurze Anleitung zur Er¬
kennung des Rotlaufs und der Schweineseuche nebst
Hinweis auf die Anzeigepflicht.
Als Anhang ist dem Büchlein ein Abdruck der
auf die Trichinenschau bezüglichen Bestimmungen
des Reichsfleischbeschaugesetzes, des preussischen
Ausführungsgesetzes, der Ausführungsbestimmungen
des Bundesrats und der preussischen ministeriellen
Ausführungsvorschriften beigefügt.
Das Buch kann als ein brauchbares Lehrbuch
für den Laien bezeichnet werden, für den das
Studium des mehr wissenschaftlich gehaltenen
ausgezeichneten Johneschen Werkes zu schwierig ist.
Unterhössel.
Einsendung von Original-Abhandlungen,
Büchern, Monographien und Separat-Abdrücken
wird direkt an den Redakteur, Kreistierarzt Dr.
O. Profd, Cöln a. Rh., Hansaring 50, oder an die
Verlagshandlung Louis Marcus, Berlin SW.,
Tempelhofer Ufer 7, erbeten.
Für d. Redaktion verantworte Kreistierarzt Dr. O. Prof 6, Cöln a. Rh., Hansaring 50. Druck von Pass & Gar leb G. m. b. H., Berlin W. 35.
Verlag und Eigentum: Louis Marcus Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 61.
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Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
3. JAHRGANG. MAI 1905. HEFT 2.
Aus dem Königlichen Institut für experimentelle
Therapie zu Frankfurt am Main.*)
Zur Kenntnis der Transsudate und
Exsudate bei Tieren unter normalen und
pathologischen Verhältnissen.
Von Georg Kaiser, prakt. Tierarzt,
Homburg v. d. Höhe.
A. Historisches und ältere Unter¬
suchungen.
Seit Einführung der farbenanalytischen
Untersuchungsmethoden durch Ehrlich ist
das Gebiet der normalen wie pathologischen
Histologie des Blutes durch die zahlreichen
Arbeiten der letzteren Jahre bis zu einem ge¬
wissen Abschluss gelangt und die Hämatologie
gehört zu den am meisten geklärten Kapiteln
der gesamten Pathologie.
Nur mittelst der Farbenanalyse war es
möglich, die komplizierten Verhältnisse des
hämopoetischen Systems zu klären und für die
Diagnose und Therapie der Bluterkrankungen
den schwierigen AVeg zu bahnen. Nachdem es
durch distinkte Färbemethoden gelungen war,
in den verschiedenen Leukocyten spezifische
Granulationen festzustellen und diese als die
eigentlichen Stoffwechselprodukte der spezi¬
fischen Zelltätigkeit anzusehen, wurde die bio¬
logische Bedeutung der Leukocytose immer
mehr geklärt.
Einer der ersten, welcher die hervorragende
Bedeutung der Leukoevten für den Organismus
erkannte und allerdings auch überschätzte, war
Metschnikoff.
Derselbe stellte bekanntlich eine Theorie
auf, nach welcher der Organismus zur Abwehr
eingedrungener Mikroben sich ausschliesslich
der Leukocyten bediente, welche in der "Weise
in Aktion treten sollten, dass sie den Ein¬
dringling mit ihren Pseudopodien umschlossen,
in ihre Leibessubetanz aufnahmen und auf-
frassen.
*) Die Arbeit ist bereits vor drei Jahren aus¬
geführt und aus äusseren Gründen bisher nicht
veröffentlicht worden.
Die biologische Fähigkeit der Leukocyten
besteht nun sicher nicht nur in einer solchen
gewissermassen rein mechanischen Fresstätig-
keit, sondern es sind dieselben auch imstande,
wie es zuerst Büchner und seine Schüler
gezeigt haben, durch die Absonderung gewisser
chemischer Produkte (Alexine) eine gewisse
Fernwirkung zu entfalten.
Es ist heutzutage wohl die Ansicht der
Mehrzahl der Autoren, dass die Leukocyten
fast stets nur solche Mikroorganismen aufzu¬
fressen imstande sind, welche durch irgend¬
welche Einflüsse, unter welchen bei normalen
Verhältnissen die Alexine «eine bedeutende
Bolle spielen, bereits in den Körperflüssig¬
keiten zum mindesten in ihrer "Widerstands¬
fähigkeit schwer geschädigt waren.
Die Leukocyten sind nicht nur selbst im¬
stande, chemische Produkte abzusondern, son¬
dern zeigen sich auch für von aussen auf sie
einwirkende Beize äusserst empfindlich. So
sehen wir, dass überall dort, wo der normale
Chemismus im Körper gestört ist, oder wo
sich Bakterien angesammelt haben, die selbst
chemisch wirksame Stoffe produzieren, die
Leukocyten zusammenströmen und den Kampf
mit den eingedrungenen Noxen ihrerseits auf¬
nehmen.
Dieser beschriebene Vorgang wird als
Chemotaxis bezeichnet (1).
Die eingedrungenen Mikroorganismen wir¬
ken z. T. in zirkulierenden Blutkreisen, und
so müssten wir erwarten, was ja in der Tat
auch der Fall ist, dass unter solchen Umständen
die Zahl der Leukocyten im kreisenden Blute
durch Herauslocken derselben aus Knochenmark
und Milz etc. sich vermehrt, und dass es so
zu einer echten Leukocj'tose kommt.
Dieser Prozess hat schon sehr bald die
Aufmerksamkeit der Forscher beansprucht und
ist so vielfach studiert, dass die Frage der
Leukocytose des Blutes bis zu einem gewissen
Grade als geklärt angesehen werden kann.
Anderseits ist es für die Entstehung der
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26
3. Jahrgang.
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
Leukocytose nicht eine unumgängliche Vor¬
bedingung, dass ungelöste Partikelchen im
Blute kreisen, sondern es genügt für das Heraus¬
locken der weissen Blutkörperchen die Anwesen¬
heit gelöster Substanzen, die zum Teil Stoff¬
wechselprodukte der Bakterien sein können,
zum Teil einfach chemische Verbindungen sind.
Da nun festgestellt ist, dass die Leuko-
cyten, und zwar die polynucleären, durch den
Reiz chemotaktisch wirkender Substanzen, spe¬
ziell solcher von Bakterien gelieferten, ange¬
lockt werden, ist es eine selbstverständliche
Forderung, dass an solchen Stellen, wo sich
v unter dem Einfluss lokal vorhandener Bak¬
terien Transsudate und Exsudate bilden, die
weissen Blutkörperchen des Blutes an diese
Stelle hingelockt werden.
Die Untersuchung von Transsudaten und
Exsudaten scheinen nun von vornherein für
die Erkennung feinerer chemotaktischer Vor¬
gänge ganz besonders geeignet, da wir es hier
mit Flüssigkeiten zu tun haben, die histolo¬
gisch der Lymphe entsprechen sollen.
Es war durch das Studium der Trans¬
sudate und Exsudate zu erwarten, dass es ge¬
lingen würde, noch weiter in das biologische
chemische Verhalten der Leukocyten einzu¬
dringen. Merkwürdigerweise hat dies Gebiet
noch sehr wenig Beachtung gefunden.
Während die Leukocytose des Blutes den
Gegenstand einer fast unglaublichen Menge
von Arbeiten darstellt, ist das Studium der
histologischen Zusammensetzung der Trans¬
sudate und Exsudate relativ stiefmütterlich
behandelt worden.
Erst aus den letzten beiden Jahren liegen
Arbeiten vor, von denen wir diejenigen von
AVidal (2, 3, 4, ß), Milschner (6), Al¬
fred W u 1 f (7), Litten (8) und Coenen
(9) erwähnen.
Die W i d a 1 sehen Untersuchungen be¬
ziehe i sich hauptsächlich auf pleuritische Ex¬
sudate des Menschen und zwar bei den ver¬
schiede nen Formen der Entzündung der Pleura.
Widal stellte bei der Pleuritis tuberku-
losa eine spezifische Vermehrung der Lympho-
cyten fest, und zwar verhalten sich die jpoly-
nucleären zu den Lymphocyten wie 1 :9. Bei
mechanischer Pleurit is, sei sie durch eine Herz¬
krankheit, Krebs, Verletzung oder Beiz der
Nachbarschaft hervorgerufen, konstatierte er
immer Haufen zusammenflieseender Endothel¬
elemente. Wurde selbst bei einem Tuberku¬
lösen eine mechanische Pleuritis festgestellt,
so waren die vorhin erwähnten Endothel¬
elemente zu finden.
Injizierte er von letzterem Exsudate in
die Leibeshöhle von Meerschweinchen, so wur¬
den die Tiere nicht tuberkulös. Es soll da¬
durch bewiesen werden, dass nicht die Tuber¬
kulose die Anhäufung der Endothelelemente
hervorrief, sondern der mechanische Reiz.
Bei durch Pneumokokken hervorgerufenen
und den serofibrinösen Pleuritiden fand W i -
d a # l grosse mononukleäre Zellen, die wahre
Macrophagen darstellen.
Diese mononukleären waren fast immer
isoliert und nicht in Form von Haufen ge¬
lagert. In den serofibrinösen Exsudaten bei
typhösen Erkrankungen konstatierte Widal
eine Vermehrung der eosinophilen Zellen: 23
eosinophile auf 100 weisse Blutkörperchen, im
Blute 2,4 auf 100 weisse.
In einem zweiten Fall von Pleuritis fibri-
nosa eines aus den Kolonien stammenden Pa¬
tienten, bei dem man parasitäre Infektion an¬
nahm, ergab die Zählung, dass auf 100 weisse
Blutkörperchen 14 eosinophile kamen.
In einem dritten Fall von hämorrhagischer
Pleuritis eines ausserdem an Tuberkulose lei¬
denden Patienten fand er 54 eosinophile auf
100 weisse Blutkörperchen. Im Blute 9 eosino¬
phile auf 100 weisse Blutkörperchen.
Diese Eosinophilie führte Widal
auf akute Intoxikationen zurück. Nach Injek¬
tion dieser Exsudate in die Peritonealhöhle von
Meerschweinchen entstand eine fibrinöse Peri¬
tonitis.
Die Züchtung von Mikroben gelang W.
nicht. Durch Injektion des Pleuraexsudates
des noch an Tuberkulose leidenden Menschen
in die Peritonealhöhle eines Meerschweinchens
gelang es nicht, Tuberkulose zu erzeugen.
Am Schlüsse seiner Untersuchung resü¬
miert W i e d a 1 wie folgt: Der Befund von
zelligen Elementen in den Exsudaten ist für
die klinische Diagnose verwendbar.
Die Untersuchungen von Milschner
betreffen die Ascitesflüssigkeit von an myo-
logener Leukämie leidender Menschen Milöch-
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Heft 2.
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
27
ner stellte darin die mit basophiler Kömelung
ausgerüsteten Mastzellen fest, 23,9 °/o.
In der Veterinärpathologie finden wir
meistens nur Angaben, die auf experimenteller
Grundlage beruhen, während die klinische
Seite der Hämatologie nicht so bearbeitet ist
wie in der Menschenpathologie. So finden wir
in der Literatur folgende Angaben:
Im Jahre 1890 stellte M. L. Eanvier (10)
in der Peritonealflüssigkeit von Meerschwein¬
chen und Kaninchen amöboide Leukocyten mit
distinkten Granulationen und Lymphocyten
fest. Bei der Hatte fand er ausserdem noch Leu¬
kocyten mit basophiler Körnelung.
Während ich bereits mit meinen Untersuch¬
ungen über Transsudate und Exsudate begonnen
hatte, erschienen Arbeiten von J. Sabrazes
(11) und L. Muratet (12) über Transsudate
in der Peritoneal- und Pleurahöhle einiger
Schlacht- und kleinerer Versuchstiere.
Sabrazes nahm bei seinen Untersuchun¬
gen eine Zählung der Leukocyten vor und be¬
stimmte das prozentuale Verhältnis der einzel¬
nen Formelemente des Blutes. Er stellte ver¬
gleichende Untersuchungen zwischen den zei¬
tigen Elementen des Blutes und den seröser
Flüssigkeiten der Tiere an.
Aus dem Untersuchungsbefunde folgert
Sabrazes, dass die Leukocyten in den se¬
rösen Flüssigkeiten vermehrt sind, sobald das
Blut ebenfalls eine Vermehrung derselben zeigt.
In einer zweiten Arbeit stellt Sabrazes
vergleichende Untersuchungen über den Leu-
kocytengehalt verschiedener Exsudate an.
Er zentrifugierte die serösen Flüssigkeiten
in verschiedenen Zeiträumen, gleich nach der
Entnahme aus dem Körper, und kam zu dem
Resultate: Bei unmittelbar nach der Entnahme
zentrifugierter Flüssigkeit ist der Prozentsatz
der Leukocyten ein geringerer, der Prozent¬
satz der polinucleären Elemente dagegen ein
höherer, bei nach der Koagulation und Schüt¬
teln mit Glasperlen zentrifugierter Flüssig-
keite ntritt das umgekehrte Verhältnis ein.
B. Eigene Untersuchungen.
Meine nun folgenden Untersuchungen, die
ich auf Veranlassung von Herrn Geheimrat
Prof. Dr. Ehrlich vornahm, erstrecken sich
zunächst auf eine Nachprüfung der Resultate
Sabrazes, dann aber ganz besonders auf
erweiternde Untersuchungen der serösen Flüs¬
sigkeiten der Peritoneal-, Pleural- und Peri-
cardialhöhle unter normalen und pathologischen
Zuständen.
Zur Untersuchung benutzte ich Material
von folgenden Tierspezies: Pferd, Rind, Kalb,
Schwein, Schaf, Ratte. Die Entnahme der
serösen Flüssigkeiten geschah direkt nach dem
Abschlachten, bei Eröffnung der einzelnen
Höhlen, mittelst der Pipette unter Vermeidung
von Verunreinigung durch Blut.
Bevor ich auf die Technik der Unter¬
suchungen näher eingehe, möchte ich einiges
über die Qualität und Quantität der normalen
serösen Flüssigkeiten kurz anführen.
Im allgemeinen lässt sich folgendes sagen,
dass die Quantität der serösen Flüssigkeiten
bei alten und sehr mageren Tieren eine höhere
ist als bei jungen und gut genährten. Sodann
ist die Flüssigkeitsmenge eine relativ höhere
bei Tieren, die direkt aus guter Fütterung zur
Abschlachtung kommen als bei den Tieren, die
schon mehrere Tage auf Schlachthöfen auf¬
gestellt sind und nur sogenanntes Erhaltungs¬
futter bekommen haben.
Aus der Peritonealhöhle eines mageren,
sonst gesunden Pferdes kann man bis zu zwei
Liter seröser Flüssigkeit entnehmen, aus der
Pericardialhöhle 60—70 ccm. Dieselbe Wahr¬
nehmung konnte ich auch bei anderen alten und
abgemagerten Tierspezies machen. Bei gut ge¬
nährten Pferden ist die Flüssigkeitsmenge eine
geringere, 100—50 40 ccm. Dieselben Zahlen
gelten auch für das Rind, beim Kalbe kann
man ca. 5—10 cc£m aus jeder Höhle entnehmen,
beim Schwein ca. 10—15 -ccm, ebenso beim
Schafe.
Technik der Untersuchung.
Die Transsudate und Exsudate wurden
nach der Entnahme direkt in sterile Flaschen
eingefüllt und durch Schütteln mit Glasperlen
defibriniert. Die Fibrinmenge bei Pferden war
ganz minimal, während die Flüssigkeiten aller
übrigen untersuchten Tiere reichliche Mengen
von Fibrin enthielten, was ein sofortiges
Schütteln nötig machte, um die Gerinnung zu
verhindern.
Mittelst einer elektrischen Zentrifuge, die
4000 Umdrehungen in der Minute macht, wurde
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2s
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
3. Jahrgang.
die Flüssigkeit zentrifugiert, wobei sich inner¬
halb 10 Minuten die »zelligen Elemente zu
Boden setzten. Die darüberstehende zellfreie,
klare Flüssigkeit wurde abgegossen und von
dem Bodensatz mittelst (feinster Glaspipette
ein Tröpfchen entnommen und auf sog. Blut¬
deckgläser von 0,08 mm Dicke nach Art der
Anfertigung der Blutpräparate -ausgebreitet.
Nachdem die Präparate gut lufttrocken waren,
wurden sie auf einer Kupferplatte durch Er¬
hitzung auf 130° während einer Dauer von
10 Minuten fixiert. In allen Fällen wurde ein
Teil der Präparate mit Ehrlichs Triacid,
ein Teil in Eosin-Methylenblau gefärbt. Die
Benutzung dieser beiden Färbeflüssigkeiten ist
nötig, da mit einer einheitlichen Färbung nicht
alle Zellen erkennbar gemacht werden können,
während man durch Anfertigung von Präpa¬
raten mit beiden Farblösungen unter allen Um¬
ständen über das Vorhandensein von Lympho-
cyten (monucucleären neutrophilen), polynu-
cleären neutrophilen, eosinophilen Zellen durch
Triazidlösung, über Mastzellen durch Eosin-
Methylenblau Aufschluss erhält. Die spezielle
Technik der Anfertigung der Präparate ist
folgende:
Auf die wie vorhin angegeben angefer¬
tigten und fixierten Präparate wird entweder
Triacidlösung oder Eosin-Methylenblau ge¬
gossen und 5—10 Minuten darauf belassen.
Der Farbstoff wird alsdann mit Wasser abge¬
spült, das Präparat mittelst Fliesspapier gut
getrocknet, in Canadabalsam eingebettet und
mittelst der Oelimmersion untersucht.
Von jeder Flüssigkeit wurden mindestens
10 Präparate auf das genaueste durchgemustert
und das zahlenmässige Verhältnis der einzel¬
nen Zellarten, soweit es möglich war, fest¬
gestellt.
♦ *
*
Die genaue Untersuchung des Zellgehaltes
der Transsudate musste zunächst vorgenommen;
werden, um eine Grundlage für die Unter¬
suchung pathologischer Produkte zu haben.
Es gelangten zur Untersuchung bei den
verschiedenen Tierspezies zunächst normale
Peritoneal-, Pleural- und Pericardialflüssig-
keiten. Die Anzahl der zelligen Elemente ist
in Prozenten ausgedrückt:
p<
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0
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—
—
—
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—
—
—
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0
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45
0
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—
—
—
—
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0
35
65
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—
—
—
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—
—
—
—
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45
35
—
—
—
—
8
—
—
—
—
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40
54
60
0
15
25
9
—
—
—
—
—
—
—
—
25
6
20
49
10
35
3
15
47
32
5
25
38
0
0
35
65
Kind 1
24
6
25
45
0
4
<>6
30
—
—
—
—
2
20
15
40
25
0
4
60
36
45
6
39
10
3
; 52
8
15
25
0
7
63
30
—
—
—
—
4
0
23
57
20
5
8
57
30
15
9
36
40
5 1
18
4
18
60
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6
30
64
—
—
—
—
Kalb 1!
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—
—
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30
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6
30
42
0
0
35
65
18
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30
45
3
0
0
63
37
0
0
63
37
54
10
26
10
4
18
0
50
32
12
0
51
32
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—
—
—
5!
16
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—
—
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—
—
—
Schwein 1
0
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; 4
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50
0
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0
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50
40
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—
—
—
—
—
—
—
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0
5
47
48
—
—
—
—
—
—
—
—
4
0
9
53
38
0
0
55
45
—
—
—
—
5
0
0
54
46
—
—
—
—
—
—
—
—
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0
0
62
38
0
0
58
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—
—
—
Schaf 1
20
0
50
30
—
—
—
—
—
—
—
—
2 I
0
0
63
47
—
—
—
—
—
—
—
—
Ratte
0
13
15
5
(+ 4 1
5°/ 0 Mast7
lell.)
Alsdann wurden die pathologischen Flüs¬
sigkeiten in nachfolgenden Fällen untersucht:
1. Pferd.
Seit 10 Stunden an Kolik leidend, Notschlachtung,
Verdrehung und Entzündung des Kolons.
Peritonealflüssigkeit
polynukleäre ca. 90% Lymphozyten ca. 5%
eosinophile * 00 „ Endothelelemente „ 5 „
Starke Vermehrung der Leukozyten, und zwar
der polynukleären. Das Protoplasma ist vakulär de¬
generiert. Die Kerne zeigen Zerfallserscheinungen
und färben sich nur schwach blau.
2. Pferd.
Seit 12 Stunden an Lumbago erkrankt und ge¬
storben. Entnahme der Exsudate sofort nach dem
Tode.
Peritonealflüssigkeit — Perikardialflüssigkeit
polynukleäre ca. 20% polynukleäre ca. 00%
eosinophile „ 8, eosinophile * 00 w
Lymphozyten „ 30 „ Lymphozyten „ 55 *
Endothelelemente * 39 * Endothelelemente „ 45 *
Einige Polynukleäre haben Vakuolen. Die ver¬
gleichende Untersuchung des Blutes ergab eine ge¬
ringe Vermehrung der Polynuklearen, deren Granula
deutlich gefärbt sind.
1. K i n d.
Tuberkulose der serösen Häute, sämtlicher Ein¬
geweide. Peritoneal- und Pleuralflüssigkeiten zeigen
rötliche Färbung.
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Heft 2.
Fortschritte der Veterinär -Hygiene.
29
Peritonealflüssigkeit — Pleuralflüssigkeit
polynukleäre ca. 14% polynukleäre ca. 12%
eosinophile „ 6 * eosinophile * 4 „
Lymphozyten „ 70 * Lymphozyten „ 70 „
Endothelelemente „ 10 „ Endothelelemente „ 14 „
Perikard ialfl üssigkeit
polynukleäre ca. 00% Lymphozyten ca. 64%
eosinophile * 6 „ Endothelelemente „ 30 *
Auffallend bei Durchsicht der Präparate ist die
starke Anhäufung der zölligen Elemente, besonders
in der Peritoneal- und Pleural fl üssigkeit, weniger
stark in der Perikardial fl üssigkeit. Die Vermehrung
erstreckt sich hauptsächlich auf die Lymphozyten.
Die Polynuklearen sind teilweise stark mit kleinen
Vakuolen besetzt, ebenso einige Endothelien.
2. Rind.
Tuberkulose der serösen Häute und Lungen.
Peritoneal fl üssigkeit — Pleuralflüssigkeit
polynukleäre ca. 10% polynukleäre ca. 9 °/
eosinophile „ 6 „ eosinophile „ 7 „
Lymphozyten * 74 „ Lymphozyten „ 75 „
Endothelelemente „ 10 ^ Endothelelemente „ 9 „
Perikardialflüssigkeit
polynukleäre ca. 10% Lymphozyten ca. 75°/ 0
eosinophile „ 6 „ Endothelelemente „ 9 „
3. Rind.
Tuberkulose der Lungen und serösen Häute.
Peritoneal fl üssigkeit — Pleuralflüssigkeit
polynukleäre ca. 10% polynukleäre ca. 2%
eosinophile „ 7 eosinophile „ 3 „
Lymphoziten „ 77 „ Lymphozyten „ 80 „
Endothelelemente „ 6 Endothelelemente „ 5 *
Perikardialflüssigkeit
polynukleäre ca. 2% Lymphozyten ca. 78%
eosinophile „ 4 „ Endothelelemente * 16 „
Die Polynuklearen vom 3. Rind sind stark mit
Vakuolen besetzt. Zur Prüfung der vakuolären Zellen
auf Glykogen wurden die nicht fixierten Präparate
nach der Methode Ehrlichs Joddämpfen ausgesetzt,
sodann in Lävulosesirup gebracht und untersucht.
Bei dieser Behandlung blieben die Zellen resp. die
Vakuolen unverändert, es trat keino Braunfärbung
ein, was auf die Anwesenheit von Glykogen hätte
schliessen lassen.
4. R i n d.
Tuberkulose der Lunge und der serösen Häute,
polynukleäre ca. 10% Lymphozyten ca. 75%
eosinophile „ 6 „ Endothelelemente „ 9 „
Die Exsudate der tuberkulösen Tiere zeigten eine
spezifische Vermehrung der Lymphozyten und starke
Anhäufung von Vakuolen in den Polynuklearen. Die
roten Blutkörperchen treten zahlreicher auf als in
den normalen Flüssigkeiten.
5. Rin d.
Peritonitis. Notschlachtung. HämorrhagischesExsudat.
Peritonealfl üssigkeit
polynukleäre ca. 70% gr. u. kl. Lym-
eosinophile „ 2 „ phozyten ca. 20%
Endothelelemente „ 8 „
Das Protoplasma der Polynuklearen zeigt starken
vakuolären Zerfall. Von den Lymphozyten sind die
grossen vermehrt. In einigen Polynuklearen sind
Streptokokken eingeschlossen Sehr zahlreich sind
ausserdem die roten Blutkörperchen.
1. Schwein.
Pneumonie infolge von Schweineseuche. Perikar-
titis und Pleuritis.
Peritonealflüssigkeit — Pleuralflüssigkeit
polynukleäre
ca. 00%
polynukleäre ca.
75%
eosinophile
„ 00 „
eosinophile „
o
o
M
Lymphozyten
i 45 „
Lymphozyten
15 .
Endothelelemente * 55 „
Endothelelemente „
10 „
Perikardialflüssigkeit
polynukleäre
ca. 76%
Lymphozyten ca.
00
eosinophile
* oo„
Endothelelemente *
6 „
Die Peritonealflüssigkeit zeigt keine Abweichung
von den normalen Verhältnissen, während die ent¬
zündlichen Exsudate der Pleura und des Perikards
zahlreiche Poly nukleare auf weisen. In der Pleural -
fliissigkeit sind viele Zellen mit Vakuolen besetzt,
so dass die Kerne ganz verdeckt sind. Viele Kerne
sind unter dem Einfluss des Toxins zerfallen. Zu¬
weilen sieht man polynukleäre neutrophile Zellen
die erst beginnen, sich mit Vakuolen zu füllen und
deren Kerne gerade anfangen, abzublassen.
Viele Poly nukleare sind mit Schweineseuche-
bakterien angefüllt.
In der Perikardial fliissigkeit ist das Plasma der
polynukleären Zellen nicht mehr färbbar, da es voll¬
ständig mit Vakuolen angefüllt ist. Die Zellenkerne
sind nur noch undeutlich sichtbar.
2. Schwein.
Die Leber ist stark mit Echinokokken durch¬
setzt, das Leborgewebe stark geschrumpft.
Peritonealfl üssigkeit
polynukleäre ca. 00% Lymphozyten ca. 55%
eosinophile ., 00 „ Endothelelemente w 45
3. Schwein.
Die Leber mit einigen verkästen Echinokokken
durchsetzt.
Peritonealflüssigkeit — Perikardialflüssigkeit
polynukleäre ca. 7% polynukleäre ca. 8%
eosinophile „ 5 „ eosinophile „ 4.,
Lymphozyten „ 55, Lymphozyten „ 54 „
Endothelelemente „ 33 ., Endothelelemente „ 34 „
1. Schaf.
Leber nur mit einigen Leberegeln durchsetzt.
Parenchym nicht verändert.
Peritonealflüssigkeit
polynukleäre ca. 00% Lymphozyten ca. 62%
eosinophile „ 10 „ Endothelelemente „ 28 „
2. Schaf.
Leber mit einigen Leberegeln durchsetzt. Paren¬
chym nicht verändert.
Peritoneal flü ssigkeit
polynukleäre * ca. G0% Lymphozyten ca. 50%
eosinophile „ 7 „ Endothelelemente „ 43 *
3. Schaf.
Leber mit Leberegel stark durchsetzt.
Peritonealfl üssigkeit
polynukleäre ca. 00% Lymphozyten ca. 35%
eosinophile „ 50* Endothelelemente M 15 „
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30
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
3. Jahrgang.
4. Schaf.
Leber stark mit Leberegel durchsetzt.
Peritonealflüssigkeit Perikardialflüssigkeit
polynukleäre ca. 00% polynukleäre ca. 00%
eosinophile „ 55% eosinophile * 00.
Lymphozyten * 25 * Lymphozyten „ 60 *
Endothelelemente „ 20 * Endothelelemente „ 40 „
5. Schaf.
Leber weniger stark mit Leberegel durchsetzt.
Peritonealflüssigkeit
polynukleäre ca. 00% Lymphozyten ca. 35%
eosinophile „ 25 „ Endothelelemente * 40 „
6. Schaf.
Leber stark mit Leberegel durchsetzt.
Peritoneal tlüssigkeit
polynukleäre ca. 00% Lymphozyten ca. 35%
eosinophile „ 45 „ Endothelelemente * 20 „
Einige eosinophile Zellen haben Vakuolen.
7. Schaf.
Leber von Leberegel weniger stark r durchsetzt,
Perikardialflüssigkeit
polynukleäre ca. 00%
eosinophile
Lymphozyten
Endothelelemente
00 ,
57 ,
43 ,
Peritonealflüssigkeit
polynukleäre ca. 00%
eosinophile * 25 *
Lymphozyten „ 40 „
Endothelelemente „ 35 *
8. Schaf.
Leber mit Leberegel stark durchsetzt.
Tier sehr abgemagert.
Peritonealflüssigkeit
ca. 00% Lymphozyten ca. 50%
„ 45 „ Endothelelemente * 10 „
1. Ratte, trichinös.
Peritonealflüssigkeit
ca 00% Lymphozyten ca. 25%
„ 25 * Endothelelemente „ 6 „
Mastzellen ca. 44%.
polynukleäre
eosinophile
polynukleäre
eosinophile
Die Ausbreitung der Peritonealflüssigkeit be-
der Ratte erfolgt sofort nach der Entnahme aus dem
Körper mittels feiner Pipette direkt auf das Deck¬
glas. Während der Fütterung der Ratte mit Trichi¬
nen, die ich speziell zur Prüfung des Blutes auf
spezifische Leukozytose vornahm’, konnte man,
nicht analog der Infektion des Menschen, eine Ver¬
mehrung der eosinophilen Zellen konstatieren, sondern
nur eine Leukozytose im allgemeinen.
Ergebnis der Untersuchungen:
Die vorliegenden Untersuchungen scheinen
mir eine einfache Deutung zuzulassen, die
also im wesentlichen den von W i d a 1 bei
Menschen angeführten Tatsachen entspricht.
Es scheint hiernach, dass die formalen
Transsudate, wie sie in der reinsten Form in
der Pericardialflüssigkeit Vorkommen, vor¬
wiegend aus Lymphocyten bestehen. Wir
werden also anzunehmen haben, dass diese
Transsudate vorwiegend aus der Lymphe ent¬
stehen, die sich aus den Lymphspalten in die
betreffende Körperhöhle, welche ja anatomisch
einem grossen Lymphraum entspricht, ergiesst.
Die Anschauung, dass etwa die Ly mph 3-
cyten aktiv aus dem Blute in die Transsudate
einwandem, ist von der Hand zu weisen, da die
Lymphocyten einer aktiven Locomotion ent¬
behren.
Sehr wichtig ist es, dass auch die tuber¬
kulösen Exsudate genau dem Bilde einer reinen
lymphocytenhaltigen Flüssigkeit entsprechen.
Es spricht dies dafür, dass diese patho¬
logischen Exsudate fast ausschliesslich darauf
zurückzuführen sind, dass vielleicht durch Er¬
weiterung der Lymphgefässe und einer aktiv
gesteigerten Lymphzirkulation das Zusammen¬
strömen der Lymphe erfolgt, die zu relativ er¬
heblichen Exsudaten führen kann.
Genau so verhält es sich bei der tuberku¬
lösen Pleuritis des Menschen, wie W i d a 1 ge¬
zeigt hat.
Zu diesem allereinfachsten Bilde treten die
anderen Zellformen hinzu. Auf die konstant
vorkommenden Endothelien möchten wir keinen
grossen Wert legen, da diese rein mechanisch
von den serösen Häuten sich ablösen können.
Wichtiger ist dagegen das Vorkommen der
anderen Zell formen der polynucleären Neu¬
trophilen und Eosinophilen.
Wir beziehen das Vorkommen zahlreicher
Polynucleären, neutrophilen immer jauf eine
sekundäre und aktive Einwanderung von Poly¬
nucleären in das primäre lymphocytenhaltige
Transsudat.
Dieser Vorgang kommt schon bei gewissen
Tieren, wie wir gesehen, normal vor. Offenbar
dadurch, dass eben durch Zerfall der im Trans¬
sudate vorhandenen Lymphocyten, Endothe¬
lien etc. Stoffe frei werden, die eme gewisse
Anziehung auf die polynucleären Zellen aus¬
üben.
Dieser Vorgang scheint regelmässig vor-
zukommen beim Pferde und Ochs, die schon
eine beträchtliche Zahl an Polynucleären auf¬
weisen.
Massenhaft wird aber die Auswanderung
von polynucleären Zellen dann, wenn innerhalb
des Exsudates Bakterien vorhanden sind, die
durch ihre Toxine die polynucleären Zellen
anlocken.
Wir verweisen auf die Fälle von Perito¬
nitis, Pleuritis, Pericarditis etc. Besonders in-
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Heft 2.
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
31
teressant ist der Fall von Schweineseuche, wo
in der Peritonealflüssigkeit sich alles normal
verhält, während die Pleural- und Pericardial-
flüssigkeiten massenhaft Polynucleären auf¬
weisen.
In derartigen Fällen konstatiert man eine
weitgehende Alteration der polynucleären Zel¬
len, insbesondere Schwinden der Körnung und
Kernzerfall, also Befunde, die auf eine* schä¬
digende Wirkung der Bakterientoxine zurück¬
zuführen sind.
Man wird daher in den Exsudaten, in wel¬
chen polynucleäre Zellen vorwiegen, die An¬
wesenheit von Mikroben supponieren müssen.
Ob dieselben im einzelnen Falle auf mikro¬
skopischem Wege nachweisbar sind, hängt von
der Art der Krankheit ab.
Ich erinnere nur an die Lungenseuche des
Kindes, wo der Erreger so klein ist, dass er
durch Filter geht und mikroskopisch nicht
nachweisbar ist.
Eine analoge Rolle wie die Polynucleären
spielen die Eosinophilen. Auch hier handelt
es sich darum, dass in das Exsudat sekundär
die Eosinophilen einwandern.
Sehr wichtig ist es (vergl. Ehrlich-
Lazarus- Anämie [ 14") aber, dass die che¬
motaktische Reizbarkeit fundamental ver¬
schieden ist von derjenigen der polynucleären
Zellen, insofern, als die gewöhnlichen Bak¬
terien und deren Produkte, welche gewöhnlich
die polynucleären Zellen anlocken, die eosino¬
philen nicht im mindesten beeinflussen, manch¬
mal sogar abstossen (negative Chemotaxis).
Aus dem Studium der lokalen Eosinophilie
geht hervor, dass es insbesondere zwei Arten
von Körpern sind, die die Eosinophile anlocken:
I. gewisse Zerfallsprodukte von Zellenmaterial,
II. gewisse Stoffe, 'die von Tieren aus der
Klasse der Helminthen abgesondert werden.
Auf die erste Weise sind die Eosinophilen
zurückzuführen, die wir bei normalen Tieren
gefunden haben.
Dagegen kann es keinem Zweifel unter¬
liegen, dass die starken Eosinophilen bei
Schafen auf Helminthen zurückzuführen sind.
Es spricht dafür der Umstand, dass bei zwei
normalen Schafen keine eosinophilen Zellen
vorhanden waren, dass dagegen bei allen Tieren,
die Leberegel hatten, Eosinophilen vorkamen
und zwar in erhöhtem Masse, je stärker das
Tier erkrankt war, um so stärker die Eosino¬
philen.
In Rücksicht darauf, dass die eosinophilen
Zellen des Blutes nicht erheblich vermehrt
waren, kommen wir zu der Ansicht, dass die
Vermehrung der Eosinophilen darauf zurück¬
zuführen ist, dass in das Exsudat durch eine
Art Diffussioj^sVorgang aus der Leber resp.
aus den oberflächlich liegenden erweiternden
Gallenkanälen der Leber die Stoffwechselpro¬
dukte der Helminthen übertreten und so die
Emigration der Eosinophilen veranlassen. Was
das sonderbare Vorkommen von Mastzellen
bei Ratten anbelangt, so lässt sich das auf die
anatomischejn Verhältnisse des Tieres zurüek-
führen. Dasselbe bildet nämlich ausserordent¬
lich grosse‘Mengen von Mastzellen, insbesondere
in dem die Serosa konstituierenden Bindege¬
webe des Peritoneums.
Zusammenfassung:
Wir sehen also, dass die Untersuchung der
Exsudate sich vollständig dem anschliesst, was
die Untersuchung der verschiedenen Formen
der Leukocytose ergeben hat, nämlich, dass die
Lymphocyten nur passiv ausgeschieden wer¬
den, während die pj^uiucleären, eosinophilen
Zellen etc. der verschiedenen Typen aktiv ein¬
wandern.
(Schluss folgt.)
Zur Technik der Trichinenschau.
Von Prof6 - Cöln.
In Heft 2 des 13. Jahrgangs der Zeitschrift
für Fleisch- und Milchhygiene wurde von mir
eine vom Probenehmer Trebert konstruierte
Präparaten-Presse auf Grund einiger Versuche
besprochen. Aus den Versuchen ergab sich,
dass die Verwendung der Trebertschen Kom-
pressorienpresse nicht zu empfehlen sei.
Später (Heft 4 desselben Jahrgangs) ver¬
öffentlichte H. C. J. Duncker-Berlin seine
mit der Trebertschen Presse angestellten Ver¬
suche, deren Resultate er als wesentlich anders
als das meiner Versuche bezeichnete. Die Prü¬
fung eines mir neuerdings von anderer Seite
zugesandten ähnlichen Instrumentes veranlasst
mich, noch einmal kurz auf H. C. J. Dunckers
und meine Versuche zurückzugreifen.
Trebert fügte seinem Apparat eine Ge¬
brauchsanweisung bei. 'Der Zweck einer sol-
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32
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
3. Jahrgang.
chen besteht bekanntlich darin, jedem, der sich
des Apparats bedient, die Handhabung anzu¬
geben. Da angenommen werden muss, dass auch
jeder den Apparat der gegebenen Weisung ge¬
mäss gebraucht, 90 ist die Prüfung von mir
folgerichtig nach der Gebrauchs-Anweisung
vorgenommen worden, was in der Besprechung
auch wiederholt hervorgehoben ist.
Trebert gibt in dieser Anweisung aus¬
drücklich an: die Schraubenspindel wird soweit
angezogen, dass sie sich bei normaler Kraft¬
anwendung nicht mehr drehen lässt. So und
nicht anders, vor allem aber ohne Athleten¬
künste sind die Versuche von den hiesigen
Trichinenschauern unter meiner Aufsicht und
von mir selbst vorgenommen worden. Es sind
von mir im ganzen 11 Versuche angestellt
worden, deren Resultat folgendes war:
Durch den mittelst einer Schraubenpresse
nach Angaben 'treberts auf Fleischpräpa¬
rate geübten Druck wird
1. die Uebersichtlichkeit der Präparate be¬
einträchtigt, da nach Aufhören des Druckes
sich Luftblasen in und über den Präparaten
bilden;
2. eine nicht unwesentlich geringere Menge
von Untersuchungsmaterial zulässig;
3. die charakteristische Form der Trichinen
verändert und sogar zerstört.
H. C. J. Duncker gibt ausser zwei Ver¬
suchen mit nicht trichinösem Fleische drei Ver¬
suche mit trichinösem Fleische an.
Bei Anwendung der Presse nach Vor¬
schrift von Trebert (Versuch 2, 3 und 4) fand
H. C. J. Duncker
I. die haferkorngrossen Fleischpräparate
in „einander übergelaufen, so dass sie eine zu¬
sammenhängende Fläche bildeten 4 *; zur Ver¬
meidung dieses Uebelstandes hätten somit klei¬
nere Fleischproben verwendet werden müssen,
deckt sich also mit No. 2 meiner Ver¬
suchsergebnisse;
•iberall grössere und kleinere lufthal¬
tige Lücken und Bisse, sodass „in einem Ernst¬
fälle“ eine genaue Untersuchung auf Trichinen
wenn nicht unmöglich, so doch sehr schwierig
gewesen wäre“, deckt sich das picht
mit No. 1 meiner Versuchsergeb¬
nisse ?
3. „die Trichinen völlig unkenntlich ge¬
worden“; von 13 vor der Pressung gezählten
Trichinen fanden sich nach derselben nur 10,
im zweiten Falle von. 9 nur 6 Trichinen. Ist
dieses ein wesentlich anderes Re¬
sultat, als das von mir unter No. 3
angeführte ist?
Es ist dann noch ein fünfter Versuch von
H. C. J. Duncker angegeben, bei dem das
Kompressorium (oder der Kompressor, aber
nicht, wie H. C. J. Duncker sagt, das Kom¬
pressor) mit Proben eines alten trichinös be¬
fundenen amerikanischen Schinkens belegt und
mit den Händen gepresst wurde. Weil das
Fleisch angetrocknet und eine Anfeuchtung
der Schnitte vermieden worden war, so gelang
es wohl, die mehr nach den Enden zu gelegenen
Präparate durch Anziehen der Kompressorien-
schrauben „genügend dünn zu bekommen, die
mittleren Präparate liessen jedoch etwas zu
wünschen übrig 4 *. Bei der mikroskopischen
Untersuchung wurden 6 Trichinen gefunden.
Als die Präparate dann nochmals vorsichtig
unter der Präparatenpresse nachgequetscht wur¬
den, fanden sich anstatt 6 Trichinen deren 8.
Bei diesem Versuche nun ist einmal nicht
angegeben, wieviel Quetschpräparate für das
Kompressorium angefertigt wurden. Es ist
ferner nicht angegeben, auf welchen Feldern,
ob vorwiegend in der Mitte oder an den Enden
des Kompressoriums die Präparate gelegen
haben. Des weiteren ist nicht verständlich,
warum die Proben des trockenen Fleisches nicht,
wie dies in jedem Leitfaden der Trichinenschau
vorgeschrieben ist, angefeuchtet worden sind.
Schliesslich aber ist aus diesem Versuch nicht
ersichtlich, in welchen Präparaten die zunächst
nicht beobachteten Trichinen sich fanden. Mög¬
licherweise lagen diese in den nach den Enden
des Kompressoriums zu befindlichen Quetsch¬
präparaten, auf welche das vorsichtige
Pressen einen Einfluss wohl überhaupt nicht
ausgeübt hat. Die hier von H. C. J. Duncker
geübte Anwendung der Präparatenpresse ent¬
spricht nicht der von Trebert gegebenen An¬
weisung, so dass dem hier geschilderten Ver¬
such die Bedeutung eines Parallelversuchs zu
den meinigen fehlt, umsomehr, als der Kon-
trollversuch — Untersuchung vor der Anwen¬
dung der Presse — entgegen der allgemein be¬
stehenden Vorschrift, trockene Fleischpräparate
mit Wasser oder einer sonstigen Flüssigkeit
anzufeuchten, ausgeführt ist. Dieser Versuch
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Heft 2.
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
33
ist somit unter ganz anderen (zum Teil fehler- 1
haften) Bedingungen ausgeführt als die mei-
nigen.
Da, wo H. C. J. Duncker einwandfrei und
den Trebcrtschen Anweisungen gemäss ge¬
arbeitet hat, ist er, wie jedem einleuchten
muss, zu ganz denselben, die Präparaten-
presse nicht empfehlenden Resultaten gelangt
wie ich.
H. C. J. Duncker sagt dann, dass die
Wirkung der Präparatenpresse kontrolliert
werden muss. Nach den geschilderten Ergeb¬
nissen ist aber zu fordern, dass „in einem Ernst¬
fälle“ diese Kontrolle wiederum sachgemäss
kontrolliert werden muss.
In Heft 16 des 5. Jahrganges der Rund¬
schau auf dem Gebiete der Fleischbeschau etc.
lässt sich auch Döbrich über den Wert der
Trebertschen Präparatenpresse vernehmen. Er
führt als wesentliches Moment ,an, dass
Duncker beim Nachquetschen 8 Trichinen an¬
statt der vorher gezählten 6 gefunden habe.
Er übersieht, ebenso wie H. C. J. Duncker,
dass der Versuch unter völlig anderen Voraus¬
setzungen erfolgt ist als die meinigen und
entgegen der von Trebert selbst gegebenen
Anweisung. Er unterlässt es aber, sämtliche
übrigen Versuche von H. C. J. Duncker an¬
zuführen, die zu denselben Resultaten geführt
haben wie die meinigen. Er schlussfolgert
dann mehr keck als richtig: Duncker ist zu
einem von dem Profeschen wesentlich ab¬
weichenden Resultat gekommen. Von eigenen 1
Versuchen schreibt Döbrich nur, dass „gewöhn¬
liche Druckschrift durch die Quetschpräparate
gut lesbar war“. Hierauf scheint er den ein¬
zigen Wert zu legen; über sonstige Beobach¬
tungen verrät er nichts, stellt aber den Tre¬
bertschen Kompressorien das Zeugnis aus,
dass sie „äusserst praktisch“ sind.
Die sowohl von Duncker wie von mir
gemachte Beobachtung, dass die in der Mitte
der gewöhnlichen Kompressorien gelegenen
Präparate weniger gut durchsichtig sind, als
die an den Enden gelegenen, kann zu der An¬
nahme führen, dass, namentlich wo es sich um
zähes und trockenes, konserviertes Fleisch han¬
delt, einzelne Trichinen — vielleicht die ein¬
zigen in sämtlichen Präparaten — übersehen
werden könnten. Diesem Mangel sucht man
bekanntlich dadurch zu begegnen, dass nach
Festschraubung der Kompressorienschrauben
die Gläser durch Druck mit den Händen auch
in der Mitte stärker aneinandergepresst werden.
Dass eine solche Pressung von seiten schwäch¬
licher Personen erhebliche Anstrengung erfor¬
dert und dennoch in nicht zweckentsprechendem
Masse erfolgt, ist einleuchtend; ebenso dass
sich in diesem Falle die Anwendung von be¬
sonderen Kompressorienpressen empfiehlt. Unter
allen Umständen aber müssen Instrumente ver¬
mieden werden, deren Konstruktion „bei nor¬
maler Kraftanwendung“ eine Verzer¬
rung und Zerstörung der Trichinen ermöglicht,
wie dies bei der Trebertschen Presse unzweifel¬
haft der Fall ist.
Eine mir vor einiger Zeit von der Firma
Otto Toepfer & Sohn, Potsdam, übersandte
Präparatenpresse hal»e ich infolge vorstehender
Erwägungen ebenfalls einer Prüfung unter¬
zogen, die ich in Folgendem kurz wieder¬
geben will. Das Prinzip ist im grossen und
ganzen das selbe, nur ist eine Lösung
modifiziert. Der eine Schenkel einer U-förmig
gebogenen Metallplatte stellt den Boden, der
andere, von zwei Oeffnungen durchbohrte
Schenkel die Deckplatte der Presse dar. In den
mit Schraubenwindungen versehenen Oeff¬
nungen befinden sich zwei Schraubenspindeln,
die oben je einen runden, gekerbten Schrauben¬
kopf, unten je eine mit Hartgummi montierte
Scheibe tragen. Durch Einschieben des mit
Präparaten versehenen, gewöhnlichen (Berliner)
Kompressoriums zwischen die beiden Platten
und Anziehen der Schrauben mittelst der ge¬
kerbten Schraubenköpfe wird auf die Präpa¬
rate ein Druck ausgeübt. Die runden Schrauben¬
köpfe stellen ebenso wie die Schraubenfortsätze
an der Trebertschen Presse einen Hebel dar.
Ihr Durchmesser beträgt kaum die Hälfte der
Länge des Trebertschen Schraubenhebels, so¬
mit ist auch der erzielte Druck bei gleicher
Kraftanstrengung kaum halb so gross wie der
bei der Trebertschen Presse hervorgebrachte.
Die Scheibenform verhindert auch die Ent¬
faltung übermässiger Kraft besser als der ein¬
fache Hebel. Durch Verminderung des Schrau¬
benkopfdurchmessers lässt sich der bei nor¬
maler Kraftanwendung erzeugte Druck noch
weiter abschwächen und experimentell auf
eine Höhe normieren, die ein Zerquetschen der
Muskelfibrillen und Trichinen ausschliesst.
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34
Fortschritte der Veterinär -Hygiene.
Die mit der Toepferschen Presse ange-
stellten Versuche gestalteten sich folgender-
massen:
Von frischem und konserviertem schwach¬
trichinösem Fleische wurden in 7 Versuchen je
24 etwa haferkorngrosse Proben auf die 24
Felder des Kompressoriums gelegt. Nach Auf¬
legen der oberen Glasplatte wurden die Kom-
pressorienschrauben fest aufgeschraubt. Die
nach den Enden zu gelegenen Präparate waren
regelmässig durchsichtig und Hessen darunter
befindliche gewöhnliche Druckschrift gut er¬
kennen. Die mittelsten 6—8 Präparate Hessen
die gleiche Schrift nur undeutlich erkennen.
In den Präparaten fanden sich insgesamt 15
sehr deutliche, spiralig aufgewundene Trichinen
in zarten Kapseln. Nachdem das Kompresso-
rium unter normalem Kraftaufwande in der
Presse einem Druck ausgesetzt worden war,
wobei die Kompressorienschrauben sich nicht
mehr fester anziehen Hessen, zeigten sich bei
der nachfolgenden Untersuchung in einigen
Präparaten vereinzelte Luftblasen, die vorher
nicht beobachtet wurden. Druckschrift war
nunmehr durch alle Präparate hindurch gut
lesbar. Die Trichinen waren deutlich erkenn¬
bar, ihre Lage war gar nicht oder nur wenig
verändert. In den übrigen Präparaten sind
weitere Trichinen nicht nachweisbar geworden.
Dem insbesondere bei schwächlichen Per¬
sonen ins Gewicht fallenden Vorteile dergleich-
mässigen Quetschung aller Präparate desselben
Kompressoriums stehen die wenn auch hier ]
nur in geringerem Grade auf tretenden Nach¬
teile der Luftblasenbildung in den Präparaten
und der sehr geringen Lage Veränderung
der Trichinen gegenüber. Nachteile, die bei
Anwendung der Presse durch schwächliche
Personen vielleicht gar nicht mehr hervor¬
treten, andernfalls aber durch Reduzierung des
Durchmessers der Schraubenköpfe behoben wer¬
den können.
Mikroskope.
Ein von derselben Firma konstruiertes Mi¬
kroskop „Picolo“ zeichnet sich durch hand¬
liche Form, geringes Gewicht (2260 g), sehr
grossen Objekttisch und vorzügliche Linsen aus.
Von der Firma Paul Waechter in Ber¬
lin-Friedenau ist ein im Sonderkatalog jals
Mikroskop No. V a, neues Modell, bezeichnetes
Instrument eingeführt, das ähnlich dem Zeiss-
3. Jahrgang.
sehen Trichinenmikroskop gebaut ist. Die Ein¬
stellung geschieht mittelst eines sehr genau
gearbeiteten Prisma durch Zahntrieb. Es liefert
bei grossem Gesichtsfelde scharfe und klare
Bilder.
Dieses Mikroskop hat neuerdings noch eine
Abänderung (No. V a, Modell 1905) erfahren
durch Konstruktion eines so grossen Objekt¬
tisches, dass ein Hcrunterkippeü des Kom¬
pressoriums absolut ausgeschlossen ist. Das
Kompressorium liegt vollkommen sicher auf,
auch selbst wenn sich das letzte Feld desselben
in dem Gesichtsfeld des Mikroskops befindet.
Der Objekttisch ist mit Hartgummi belegt,
wodurch eine stets schwarze Objekttischfläche
gesichert bleibt, und die Möglichkeit der Be¬
schädigung der Unterseite des Kompressoriums
durch Zerkratzen und Zerschrammen bedeutend
verringert ist. Um dem Mikroskop, insbesondere
dem Kasten keine zu grossen Dimensionen zu
geben, ist der Objekttisch aufsetzbar einge¬
richtet und zwar in einer sehr einfachen, halt¬
baren Konstruktion durch einfaches Aufschie¬
ben, ohne Schrauben oder sonstige Befestigungs¬
vorrichtungen. Bei den Stativen mit Schräg¬
stellung ist auf dem Tisch ein Anschlag ange¬
bracht, welcher verhindert, dass das Kom¬
pressorium nach hinten heruntergleitet.
Für die ambulante Trichinenschau em¬
pfiehlt sich das leicht zusammenlegbare Mikro¬
skop No. V b. Eß ist in drei Teile zerlegbar
und besteht aus a, dem Fuss mit umlegbarer
Säule, Tubusträger, Führung und Trieb¬
schraube, b, dem Objekttisch mit Spiegel und
Blendscheibe, c, dem Tubus mit den optischen
Teilen. Gewicht des vollständigen Mikroskopes
mit Etui ca. 2 kg.
Als bemerkenswerte Neuerung findet sich
in dem bezeichneten Sonderkatalog das Mikro¬
skop No. XIII a mit Patent-Objekttisch für
zwangsläufige Führung des Kompressoriums.
Der Tisch besteht in der Hauptsache aus
einem Stäbchen- oder Gitterwerk, bei welchem
zwei Kämme so ineinandergreifend fest ange¬
ordnet sind, dass zwischen den einzelnen
Zähnen oder Zinken fortlaufend ein freier
Raum von 1 inm lichter Breite bleibt. An dem
Kompressorium befindet sich ein Führungs¬
stift, welcher in das erwähnte Gitterwerk ein¬
greift, wenn man das Kompressorium auf den
Objekt tisch legt. Wird das Kompressorium
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Heft 2.
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
35
min in der üblichen [Weise verschoben, so
können diese Bewegungen nicht mehr beliebig
ausgeführt werden, sondern erfolgen in der
Leitung des in das Gitter werk eingreifenden
Führungsstiftes zwangsweise in so bestimmt
vorgeschriebenen Bahnen, dass kein Teil des
Objektes, bezw. des Kompressorium-Feldes
übersehen werden kann. Abgesehen von der
hierdurch erreichten Sicherheit der Unter¬
suchung, bietet dieser Objekttisch auch noch
den Vorteil, dass die Präparate erheblich grösser
als bisher gemacht werden und das ganze
Kompressoriumfeld ausfüllen können. Die ein¬
zelnen Gesichtsfelder schliessen nicht nur hier¬
bei unmittelbar aneinander an, sondern es bleibt
bei Vergrösserungen bis 60 mal in jedem fol¬
genden Gesichtsfeld sogar immer noch ein
kleiner Teil des vorhergehenden sichtbar. Der
zur Durchmusterung eines 24teiligen Kom-
pressoriums mit dem neuen Objekttisch not¬
wendige Zeitaufwand soll im Höchstfälle nur
15 Minuten betragen.
Trichinenschau-Mikroskop Nr. XHIa mit Patent -Objekt¬
tisch für zwangsläufige Führung des Kompressoriums.
Der beschriebene Objekttisch lässt sich
auf sehr einfache Weise mittelst einer Klemm¬
schraube auf dem Objekttisch des Waechter-
schen Mikroskopes No. V a oder ähnlicher Mi¬
kroskope befestigen, das zu ihm gehörige zwei¬
reihe 24 teilige Kompressorium bietet zugleich
noch, ähnlich dein verbesserten Kompressorium
nach Johne, den Vorteil, dass die Unterplatte
desselben in einem Rahmen liegt, welcher
diese vor dem Zerkratzen auf dem Objekttisch
schützt.
Oeffentliches Veterinärwesen.
Stand der Tierseuchen im Deutschen Reich
am 15. April 1905.
Der Rotz gelangte zur Beobachtung: in
Preussen in 15 Gemeinden und 16 Gehöften, in
Bayern in 5 Gemeinden und 5 Gehöften, zu¬
sammen somit in 20 Gemeinden und 21 Ge¬
höften. Die Aphthenseuche wurde fest¬
gestellt: in Preussen in 8 Gemeinden und 9
Gehöften, in Bayern in 5 Gemeinden und
10 Gehöften, in Württemberg in 3 Gemeinden
und 4 Gehöften, in Baden in einem Gehöft,
in Hessen in 4 Gehöften einer Gemeinde und
in Anhalt in 2 Gemeinden und 3 Gehöften,
zusammen in 20 Gemeinden und 31 Gehöften.
Die Schweineseuche einschliesslich der
Schweinepest gelangte zur Anzeige: in
1755 Gemeinden und 2274 Gehöften.
Referate.
Allgemeine Bakteriologie. Untersuchungs-
methoden.
A.Wrzosek, Experimentelle Beiträge zur
Lehre von dem latenten Mikrobis-
mus. Virchows Archiv, Bd. 178, Heft 1.
Die Lehre von der unbedingten Sterilität ge¬
sunder Gewebe ist durch neuere Arbeiten, nach
denen innere Organe normalerweise ständig Mi¬
kroben enthalten, als eine irrige erwiesen.
Verf. prüfte die Verhältnisse nach und fand in
Gewebsflüssigkeit aus Milz, Leber und Lunge bei
21 Tieren nur zweimal Mikroben. Durch Verimpfung
von aus der Tiefe entnommenen Organstückchen
fand er in Milz bei 28 Tieren siebenmal, in Mesen¬
terialdrüsen neunmal bei 17 Tieren, in Lunge acht¬
mal bei 15 Tieren, in Bronchialdrüsen fünfmal bei
10 Tieren, in Leiter fünfmal bei 30 Tieren Mikroben.
Es gelang, in Reinkultur verfütterte Mikroben
aus den Organen wirksam zu gewinnen.
Nach Unterbindung des daritus thoracicus
fanden sich die Mikroben äusserst selten in den
inneren Organen.
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Fortschritte der Veterinär- Hygiene.
3 Jahrgang.
Somit ist als feststehend aiizusehen, dass unter
normalen Verhältnissen Mikroben «aus dem Darm
vorwiegend durch Vermittlung des daritus thora-
cicus in die inneren Organe gelangen können. Wird
hier z. B. durch Trauma ein locus minoris resi-
stienciae geschaffen, so kann es zur Entstehung
eines Infektionsherdes kommen, was gewöhnlich
und im intakten Gcwel>c waJirscheinlich durch die
Wirkung der Phagozyten verhindert wird.
Profö.
L. Detre und J. Hellei, Budapest. Uober die
hämolytische WirkungdesSublimats.
Mathem. 6s Term6szettudomänyi lOrtesitö. 1904.
No. 3. — Orvosi Hetilap. 1904. 41 — 46.
Das Sublimat gehört zu den „Rot-Blutkörperchen-
Giften“, indem seine Lösungen in gewisser Konzen¬
tration nach den Ergebnissen D e t r e s und S e 11 e i s
Untersuchungen, Hämolyse erzeugen. Zu starke Lö¬
sungen fixieren die Blutkörperchen ; zu schwache
Lösungen vermögen sie nicht oder kaum zu lösen.
Zwischen den beiden Extremen liegt die, Lösungs¬
zone“ des Sublimats. Die Stärke der Lö¬
sung ist der Zeit und dem Temperaturgrad pro-
portioneli. Bei gleicher Zeit und Temperatur ist die
Wirkung innerhalb der Lösungszone mit der Kon¬
zentration der Lösung proportionell.
Der Blutlösung geht eine latente Zone voran
welche mit der Temperatur und der Konzentration
in verkehrtem Verhältnisse steht. Die Grenztitre
normaler Individuen sind fast gleiche. Für ihres
Blutserums beraubte rote Blutkörperchen liegt die
Lösungstitre des Sublimats niedriger, als beim nativen
Blute, weil das Serum eine Schutzwirkung gegen¬
über dem Gifte ausübt. Das Serum schützt auf
quantitativ nachweisbare Weise die roten Blutkörper¬
chen; zur Paralysierung grösserer Giftmengen sind
grössere Serummengen notwendig.
Die Schutzwirkung des Serums ist stark thermo¬
stabil, sie geht erst nach Erhitzung auf 80° verloren.
Behandlung mit Aether oder Chloroform beraubt das
Serum seiner Schutzwirkung. Das ätherische Ex¬
trakt gewinnt Schutzwirkung. Die schutzwirkenden
Agentien des Serums sind also in Aether und Chloro¬
form löslich.
Die Lösung der Blutkörperchen ähnelt der Lö¬
sung des Serums, nur ist die Schutzwirkung eine
viel grössere. Im Innern der Blutkörperchen finden
sich ebenfalls sublimatbindonde „Lipoid M -Substanzen,
denen in der Wirkungsvermittelung des Giftes eine
Rolle zukommt. Diese Annahme ist um so wahr¬
scheinlicher, als die Schutzfähigkeit des Blutsaftes
also eine Fähigkeit, Sublimat zu binden, im grossen
und ganzen der Empfindlichkeit der Blutzelle pro¬
portioneil ist.
Die mit einer ätherischen oder Chloroformlösung
von Lezithin zusammengeschüttelte Sublimatlösung
verliert einen Teil ihrer blutvergiftenden Wirkung:
das verschwundene Sublimat tritt mit dem Lezithin
in Verbindung, wobei sich vielleicht sogar eine
chemische Verbindung herstellt. Wenn man die
grosse Affinität des Lezithins an das Sublimat, an¬
dererseits den Umstand bedenkt, dass das in jeder
lobenden Zelle vorhandene Lezithin einen grossen
Teil der Lipoide ausmacht, können sich die Autoren
der Annahme nicht verscldiessen, dass die hämoly¬
tische Wirkung des Sublimats auch in der lebenden
Zelle durch die Lezithingruppe vermittelt wird.
Zimmermann.
H. Stölting. Ueber Lebensfähigkeit der
mit kleinsten Tröpfchen versprüh¬
ten Bakterien. (Dissert. Göttingen. Ref. im
Ctbl. f. Bakt. B. 3G, 8 u. 9.)
Die in kleinsten Tröpfchen versprühten Bak¬
teriell sterben im allgemeinen überraschend schnell
ab. Es haben darauf verschiedene physika¬
lische Bedingungen Einfluss. Im diffusen Tages¬
licht erlischt die Keimfähigkeit erheblich schneller
als im Dunklen, doch machen geringere Hellig¬
keitsdifferenzen nicht viel aus. Von Bedeutung
ist auch die Oberfläche der Gegenstände, auf denen
sich die bakterienbeladenen Tröpfchen nieder¬
lassen. Ist dieselbe rauh, wie bei Geweben (Fla¬
nell, Leinwand), so vermögen die Bakterien viel
länger den schädlichen äussern Einflüssen zu wider¬
stehen, als wenn sie glatt sind wie bei Holz und
Glas. Naheliegend ist der Gedanke, dass bei rauher
Oberfläche einzelne Bakterien in der Tiefe Schutz
finden. So wurden häufig die letzten entwickelten
Kolonien tief in den Proben sitzend gefunden. Bei
niedrigen Wärmegraden (wenige Grade über dem
Nullpunkt) blieben die Keime wesentlich länger
am Leben als bei Zimmertemperatur oder Blut¬
wärme. Der Feuchtigkeitsgrad der Luft scheint
nur geringen Einfluss auszuüben.
Wie dieses Verhalten der Bakterien zu erklären
ist, ist noch nicht sicher. Man kann daran den¬
ken, dass im Tageslicht direkt schädlich wirkende
Strahlen vorhanden sind. Aber auch die sorgfältig
vor lacht geschützten Keime zeigten eine recht
beschränkte Lebensdauer. Austrocknung kommt
kaum in Frage, denn die Differenz der Lebens¬
dauer zwischen den in feuchter oder trockener
Kammer auf bewahrten Bakterien war sehr gering,
ausserdem ist bekannt, dass man an Seidenfäden
angetrocknete Kulturen lange Zeit entwicklungs¬
fähig halten kann. Deutlich war der Einfluss der
Aussentemperatur. Steigende Temperatur verkürzt
die Entwicklungsfähigkeit. Vielleicht sind dabei
chemische Vorgänge im Spiel. Die Stoffwechsel¬
vorgänge, die in jeder lebenden Substanz sich fort¬
während abspielen, werden ja auch mit steigen¬
der Erwärmung reger und müssen entweder zu
einer Selbstvergiftung oder zum Verhungern füh¬
ren. Ebenso steigert ja auch das Licht den Stoff¬
wechsel, kann also auch nach dieser Richtung
einen Einfluss ausüben. Jacob.
K. Bodon, Budapest. Untersuchungen über
die molekulare Konzentration der
pathologischen Flüssigkeiten. Math.
6s Termöszettudomanvi Ertesitö. 1904. No. 3.
B o d o n hat unter Leitung des Prof. T a n g 1
an Exsiftiaten und Transsudaten Untersuchungen
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Heft 2.
Fortschritte der V
über deren molekulare Konzentration vorgenommen.
Bestimmt wurde in 17 Fällen der Gefrierpunkt, das
spezifische Gewicht, die elektrische Leitungsfiihigkeit,
der Hydroxyliongehalt auf elektrometrischem Wege,
die Menge der Trockensubstanz, der Asche, der Ei-
weisse, Fette und des Chlors, sowie die Menge des
titrierbaren Alkalis. Die Ergebnisse dieser Unter¬
suchungen sind folgende:
Die Exsudate haben den bisherigen Daten ent¬
sprechend ein höheres spezifisches Gewicht und ent¬
halten mehr Trockensubstanz und Eiweiss, als die
Transsudate. Aus dem höheren spezifischen Gewicht
kann man nicht immer darauf schliessen, dass die
Menge der Trockensubstanz oder des Eiweiss eine
höhere sei.
Bezüglich des Gefrierpunktes ist zwischen Ex¬
sudaten und Transsudaten ein nachweisbarer, be¬
ständigerer, grössererUnterschied nicht vorhanden, ob¬
zwar im Allgemeinen der Gefrierpunkt der Exsudate
etwas höher liegt als bei den Transsudaten, d. h. also,
die Konzentration der Exsudate ist etwas kleiner,
als die der Transsudate. Sowohl bei den Exsudaten,
als auch bei den Transsudaten entspricht die mole¬
kulare Konzentration grösstenteils dem Werte des
normalen Blutserums. Die in der Konzentration auf¬
tretenden Schwankungen sind hauptsächlich durch
die wechselnde Konzentration der Nicht-Elektrolyten
erzeugt, während die Elektrolyten, also im grossen
und ganzen die nichtorganischen Körper, in sämt¬
lichen Flüssigkeiten in fast gleicher Konzentration
vorhanden sind.
Der Aschengehalt ist auch hier keine verlässliche
Quelle für die Bestimmung des Gehaltes an Elektro¬
lyten. Der Hydroxyliongehalt der Exsudate und
Transsudate ist fast dem Hydroxyliongehalt des
destillierten Wassers gleich, das heisst, dieselben
sind neutral, wie das 'Blutserum, trotzem sie titrier¬
bares Alkali enthalten. Zwischen dem Hydroxvlion-
gehalte und der Menge des titrierbaren Alkalis be¬
steht kein fixes Verhältnis. Zimmermann.
Caporali u. Kizzacasa. Die Organe als Nähr¬
medien für Mikroorganismen. (Giorn.
intern, d. scienze med. 1904.
Die Verf. hatten sich zur Aufgabe gestellt, die
verschiedenen Organe ausfindig zu machen, die
sich zur Züchtung von Keimen eignen. Die weit¬
gehenden Untersuchungen brachten sie zu nach¬
folgenden Schlüssen: Im allgemeinen werden die
mit den verschiedenen Organgeweben verfertigten
und in Dosen von 1—1,5 ccm per Kilogramm in
Meerschweinchen injizierten, sterilen Bouillons von
diesen Tieren ohne grossen Schaden vertragen.
Milzbrand und Diphtheriebacillen entwickeln
sich auf dem Ganglionparenchven, ohne aber die¬
selbe Virulenz zu erreichen wie in gewöhnlicher
Fleischbrühe. Die in der Ganglionsubstanz-Bouillon
gezüchteten Bakterien bleiben endlich absolut un¬
schädlich, wenn sie Kaninchen, und zwar in den¬
selben Dosen, injiziert werden, die bei den Kon-
trollversuchen zum Tode führten. i
Knochenmarkbouillon ist ein ziemlich günsti¬
e t e r i n ä r - II y g i e n e. 37
ger Nährboden für Diphthericbacillen, weniger gut
für Milzbrand. Die Milz ist für das Gedeihen des
Milzbrandbacillus ein sehr guter Nährboden, viel
besser als die gewöhnliche Bouillon. Doch ist diese
Milzgewebebouillon für Diphthericbacillen nicht
ebenso förderlich. Die in Thymusbouillon ent¬
wickelten Bakterien sind nicht virulent. Leber¬
substanz ist für Milzbrand ein schlechter für
Diphtheriebacillen ein guter Nährboden, ebenso ist
es bei der Lungenbouillon. Ungeeignet als Nähr¬
boden ist im Vergleich zur gewöhnlichen Bouillon
die mit Nervensubstanz verfertigte. Die Gehirn¬
substanz dagegen ist ein ausgezeichneter Nähr¬
boden, in dem besonders der Diphtheriebacillus
besser gedeiht als in den andern Bouillons. Schild¬
drüse und Nebennieren sind ungünstige Nähr¬
böden.
Diese Ergebnisse bestätigen in einfacher Weise
ein pathologisches Prinzip, dem auch die Klinik
zugestimmt hat, dass nämlich ein Mikroorganis¬
mus sich in dem einen Organ besser züchten lässt
als in dem andern, und zwar infolge verschiedener,
bestimmter chemischer Substanzen, die im einen
Fall die Lebensfähigkeit der Bakterien begün¬
stigen, in andern dagegen dieselbe hemmen.
Jacob.
A. Carini. Kuhpockenlymphe und Teta¬
nus. Centralbl. f. Bakt. 37, 1.
In einigen Orten der Vereinigten Staaten traten
in den letzten Jahren, speziell im Herbst 1901,
mehrere Fälle von Tetanus nach Impfung auf und
wurden auch teilweise veröffentlicht (Wilson, Find¬
lay u. a ). Mac Farland hat 14 derartige Beobach¬
tungen in der Literatur und 81 noch unbeschriebene
Fälle zusammengestellt, von denen drei aus Europa
stammen und hat die Frage nach allen Richtungen
untersucht. Er kam zu dem Resultat, dass die
in diesen Fällen verwendete Lymphe Tetanus¬
bacillen enthalten habe und diese Ansicht wurde
entgegen der der Commission of the Cambden Board
of Health, die zum Studium der Angelegenheit ein¬
gesetzt worden war, von Wilson bestätigt, dem
es gelang, Tetanusbacillen in der Lymphe nach¬
zuweisen.
Zur weiteren Klärung der Frage hat Verf. Ver¬
suche angestellt und in über 400 Einzelversuchen
mit 50 verschiedenen Lymphproben, fünfmal Teta-
nusbacillen nach weisen können. Es geht aus diesem
Befunde hervor, dass die Tetanusbacillen zu der
normalen Bakterienflora der Lymphe zu rechnen
sind, dass sie aber nur selten und in sehr ge¬
ringer Zahl in dieser Vorkommen. Sie setzen der
Einwirkung des Glyzerins eine grössere Widerstands¬
kraft entgegen als die anderen Bakterien der
Lymphe.
Die Anwesenheit einer so geringen Anzahl von
Tetanussporen in der Lymphe bildet wohl keine
erhebliche Gefahr, sonst hätten bei der grossen
Ausdehnung der Vakzination mehr Tetanusfälle zur
Beobachtung kommen müssen. So haben auch
einige der zu den Versuchen verwendeten Lymph-
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38
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
3. Jahrgang.
arten, in denen Tetanussporen nachgewiesen wurden,
zu tausenden von Impfungen gedient, ohne dass
Komplikationen aufgetreten wären.
Es kann aber infolge ungenügender Reinlichkeit
die Menge der Tetanuskeime grösser werden und
die Anwendung solcher Lymphe Gefahren mit sich
bringen. Es ist daher geboten, die Impfungen mit¬
telst oberflächlicher Skarifikation vorzunehmen und
nicht mit Stichen, da durch letztere den in der Vak¬
zine eventuell enthaltenen Tetanuskeimen, die zu
ihrer Entwicklung günstigen Bedingungen der An-
aerobiose geschaffen werden können. Aus demselben
Grunde darf ein festanliegender Verband, der den
Luftzutritt verhindern würde, nicht angelegt
werden. Für die Lymphgewinnungsanstalten wird
es angebracht sein, vor Abgabe einer Lymphe sich
vermittelst des vom Verf. angegebenen Verfahrens
zu vergewissern, dass dieselbe keine Tetanuskeime
enthält, eine Vorsichtsmassregel, die im Berner
Institut stets beobachtet wird. Jacob.
S. Carl. Zur Milzbranddiagnose. (Deut¬
sche tierärztl. Woehenschr., 1904, No. 29, 30,
31, 32.)
Verfasser hat sich bemüht anstelle des Plat¬
tenkultusverfahren einen anderen Modus zur Siche¬
rung der Milzbranddiagnose ausfindig zu machen.
Er ging dabei von der Tatsache aus, dass die
sogenannten Kadaverbacillen, wenn nicht aus¬
schliesslich, so doch sicher in überwiegender Menge
anaerober Natur sind, und dass ein aseptisch ent¬
nommener Ausstrich auf schiefem Agar vorhandene
Milzbrandbacillen, falls sie noch nicht zu Grunde
gegangen sind, allein auskeimen lassen wird, der¬
art, dass ihre Kolonien makro- und mikroskopisch
zu identifizieren sein werden.
Tatsächlich kam Carl bei seinen im Original
nachzulesenden Versuchen zu folgendem Ergebnis:
Ein aus einer peripheren Körpervene aseptisch
entnommener, auf ein Röhrchen mit schiefem zwei-
prozentigem Glycerinagar übertragener Blutaus¬
strich, bei einer Temperatur von durchschnittlich
30 0 C. aufbewahrt, lässt die vorhandenen Milz¬
brandbacillen innerhalb 14—22 Stunden zur sicht¬
baren Kulturentwicklung kommen, und zwar ent¬
weder in Reinkultur, oder unter gleichzeitigem Auf¬
gehen von so wenig andersartigen Keimen, dass die
Beobachtung und Differenzierung des gesuchten
Krankheitserregers nicht gestört wird. Dies trifft
auch zu für Kadaver, welche mehrere Tage Tem¬
peraturen von 26—32° ausgesetzt waren.
Carl hält hiernach dafür, dass das etwas um¬
ständliche Plattenverfahren — aseptische Blutent¬
nahme aus dem Kadaver vorausgesetzt — umgangen
werden kann und glaubt, dass sein Verfahren wegen
seiner Einfachheit in der Praxis ohne Schwierigkeit
durchführbar ist.
Die Glycerinagarröhrchen seien leicht aus bak¬
teriologischen Instituten zu beschaffen, nicht teuer
und durch Aufbewahren im Keller längere Zeit
gebrauchsfertig zu halten. Es sollen jedoch nur
Röhren mit wenig Kondens wasser Verwendung
finden. Dem Zerbrechen der geimpften Röhren lasse
sich dadurch Vorbeugen, dass man dieselben in
einem Etui von dünnem Blech in der Tasche trage.
Wichtig sei die Art der Entnahme von Blut
aus dem Kadaver. Ziemlich leicht gelinge es, aus
den Ohrgefässen steriles oder nahezu steriles Blut
zu erhalten, wenn man das Ohr mit einem — im
Freien mit Hilfe von Hartspiritus — erhitzten
Messer quer abschneidet, die ersten hervorquellen¬
den Tropfen abfallen lässt und den Ohrrest in der
Hand mit der Schnittfläche stets nach unten hält.
Auch die beim Abhäuten des Kadavers hervortreten¬
den Hautgefässe könnten zur Blutgewinnung be¬
nutzt werden.
Durch das gleichzeitige Wachstum anders¬
artiger Kolonien wird die kulturelle Milzbrand-
Diagnose, abgesehen davon, dass diese Beimengun¬
gen nicht häufig sind, nicht erschwert. Es wachsen
höchstens 10—20 fremde Kolonien, die, wenn die
Oese Blut gut auf der ganzen Agarfläche verteilt
wird, Platz genug auf derselben haben. Der Sicher¬
heit wegen kann man 3—4 Röhrchen gleichzeitig
besäen; nur bei ganz frischen Milzbrandfällen wür¬
den 2 genügen.
Bei durchfallendem Licht lassen sich die un¬
regelmässigen, im Innern granulierten Milzbrand¬
kolonien sehr leicht von den bräunlich-gelb durch¬
scheinenden, kreisrunden, fremden Ursprungs unter¬
scheiden, bei fünfzigfacher Vergrösserung wird der
Unterschied noch auffälliger.
Differentialdiagnostisch können in Betracht
kommen, ausser Kadaverbakterien, solche aus der
Gruppe der Heubakterien und der von Käsewurm
beschriebene Pseudomilzbrand baoillus; die Heu¬
bakterien sind beweglich, der letztere entfaltet ein
ausserordentlich schnelles Wachstum.
Die Herstellung der für die Züchtung des
Anthrax notwendigen höheren Temperatur bietet
nach Carl auch da, wo ein Brutofen fehlt, keine
sonderlichen Schwierigkeiten.
Carl benutzte hierzu mit Erfolg den Gasofen
oder einen sogenannten Dauerbrenner (Amerikaner
oder Irischer Ofen), in deren Nahe die Kul¬
turen deponiert wurden.
Im Sommer eignen sich als Wärmequellen die
Speicherräumlichkeiten unter den Dächern des
Hauses, sowie der Herd in der Küche. Schliesslich
lässt sich auch die Körperwärme ausnutzen in der
Weise, dass man das Metalletui mit den Nähr¬
böden in der hinten in der Hose befindlichen
Tasche unterbringt. Bei all diesen aushilfsweisen
Wärmequellen muss man mit einer kleinen Ver¬
zögerung der Kolonienbildung rechnen.
Endlich kommt der Verfasser noch auf die
Versendung der Blutproben zur bakteriologischen
Nachprüfung zu sprechen und schlägt vor, die
Milzbrandbacillen gewissermassen in situ zu ver¬
senden.
Das sei dadurch leicht zu erreichen, dass man
ein Ohr am Grunde mit einer elastischen Ligatur,
im Notfälle* mit einem Bindfaden, straff abschnüre,
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Heft 2.
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
39
kopfwärts abschneide und in Pergament verpackt
versende. Wenn dieses Absclinüren des Ohres bei
Verdacht auf Milzbrand durch zuverlässige Per¬
sonen (Fleischbeschauer, Abdecker) kurz nach dem
Tode der Tiere vorgenommen werde, so wäre da¬
durch eine Einwanderung von Kadaverbacillen,
welche ja die Lebensfähigkeit des Anthraxerrcgers
so sehr beeinträchtigen, so gut wie ausgeschlossen
und der kulturelle und mikroskopische Nachweis
des Milzbrandbacillus bedeutend erleichtert.
Francke.
Henke und Zeller. Aceton - Paraffin -
Schnelleinbettung. Centralbl. f. allgem.
Pathologie u. patliolog. Anatomie, 16. Bd., No. 1,
1905.
Das Bestreben der mikroskopischen Technik
gellt seit längerer Zeit dahin, ein Verfahren aus-
zuarbeiten, nach dem sich die Anfertigung von
Paraffinschnitten in möglichst kurzer Zeit ermög¬
lichen lässt. Von solchen Methoden ist nament¬
lich die Lubarsclische bekannt geworden.
Das vorliegende Verfahren gründet sich einer¬
seits auf die Eigenschaft des Acetons, Wasser an¬
zuziehen und Eiweisskörper zu fallen, d. h. zu
fixieren, und andererseits sich in Paraffin zu lösen.
Der Einbettungsmodus selbst ist folgender:
Die frischen Gewebsstückchen kommen in ein
Gefäss mit reinem Aceton (ca. 25faches Volumen)
und verbleiben hier je nach der Grösse i/ 2 —1i/ 2
Stunden. Die letztere Zeit gilt für Stücke von etwa
1 cm Durchmesser. Das Fixiermittei kann noch¬
mals benutzt werden, wenn ihm das Wasser durch
geglühtes Kupfersulfat wieder entzogen worden ist.
Nach vollendeter Härtung kommen die Ge-
webspartikel direkt in flüssiges Paraffin von
52—56° C. Da der Siedepunkt des Acetons bei
50° liegt, so verdunstet bei dieser Temperatur der
grösste Teil desselben, und infolgedessen kann das
Paraffin sehr schnell das Gewebe durchdringen.
Dazu sind y*—11/ 2 Stunden notwendig.
Die von solchen Präparaten hergestellten
Schnitte lassen sich genau so behandeln wie die
nach anderen Methoden gewonnenen. Die Färb¬
barkeit ist eine sehr gute.
Nach den Autoren ist das vorliegende Ver¬
fahren deshalb so einfach, weil der häufige (5 fache)
Wechsel der Medien, wie er bei der Luburschschen
Methode notwendig ist, wegfällt. Ausserdem
sprechen noch Gründe der Geldersparnis dafür, da
1 kg Aceton nur 1,25 Mark kostet.
Referent hat die vorstehend geschilderte Me¬
thode selbst praktisch geprüft und kann dieselbe
wegen ihrer Einfachheit und Leistungsfähigkeit
durchaus empfehlen. Nur ist es notwendig, die
Präparate zur richtigen Zeit aus dem Aceton zu
nehmen, und ebenso dieselben nicht mehr wie not¬
wendig in Paraffin verweilen zu lassen, da sonst
leicht eine zu starke Schrumpfung eintritt.
Im Gegensatz zur Humanmedizin sind in un¬
serer Wissenschaft Schnelldiagnosen weit weniger
notwendig. Ich möchte daher für unsere Zwecke
eine von mir selbst erprobte Modifikation des
obigen Verfahrens Vorschlägen, die zwar etwas mehr
Zeit beansprucht wie die Originalmethode, aber
immer noch einfacher ist, wie die seither übliche
Art der Paraffineinbettung.
Die zu schneidenden Ge webspar tikel werden
zunächst in 5 °/o Formalin gehärtet, sodann einige
Stunden in fliessendem Wasser ausgewaschen, mit
Fliesspapier abgetrocknet, und auf je 6—12 St.
(je nach der Grösse) in zwei mit Aceton gefüllte
Gläser gebracht, auf deren Boden sich wasserfreies
Kupfervitriol befindet. Vom zweiten Glas kom¬
men die Präparate direkt in das flüssige Paraffin
von 52—56°.
Auf diese Weise findet fast gar keine
Schrumpfung statt. Die Weiterbehandlung ist die¬
selbe wie bei dem seitherigen Verfahren.
Noch bessere Resultate erzielt man bei An¬
wendung der Zenkersclien Flüssigkeit + 10 o/o
Formol. Nur ist die Anwendung dieses Fixations¬
mittels etwas umständlicher, weil die Organteile
wie bekannt in Alkohol unter Zusatz von etwas
Jodlösung nachgehärtet werden müssen. Von hin¬
aus kommen sie behufs Entfernung des Alkohols
in Wasser und aus diesem in das Aceton. Carl.
Immunität und Schutzimpfung.
L. Zupuck. Ueber gattungsspezifische
Immunitätsreaktionen. (Ztschft. für
Hygiene und Infektkr. B. 49, 3.)
Am Schlüsse seiner ausgedehnten Arbeit, deren
Einzelversuche und -ergebnisse im Original nach-
zuleeen sind, kommt Verf. zu folgenden Resultaten,
die seine experimentellen Untersuchungen gezei¬
tigt haben:
I. Die Grundlage für ein natürliches System
der Bakterien, so dass die heute so zahlreichen
Bakterienarten nach gründlicher Durcharbeitung in
allen erforderlichen Richtungen in einer erstaun¬
lich geringen Anzahl von Gattungen Platz finden.
II. Das ätiologische Korrelationsgesetz und in
der Folge ein natürliches System der Infektions¬
krankheiten.
III. Die aus dem ätiologischen Korrelations¬
gesetz notwendigerweise erwachsende Erkenntnis,
dass differente, klinisch und anatomisch einander
nahestehende Krankheiten suigeneris von heute
unbekannter Aetiologie zu Erregern gattungsver¬
wandte Mikroorganismen haben werden. So glaubt
Verf. Voraussagen zu dürfen, dass die Erreger der
akuten Exantheme untereinander gattungsverwandt
sein werden.
IV. Eine prinzipielle Aenderung unserer ätio¬
logischen Anschauungen, indem es nun feststeht,
dass klinisch und anatomisch völlig einheitliche
Infektionskrankheiten mehrere artverschiedene und
gattungs verwandte Bakterien zu Erregern haben
können. An Stelle des menschlichen. Abdominal¬
typhus ist eine Reihe verschiedenartiger typhoider
Erkrankungen getreten. Die epidemische Dysen-
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40
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
3. Jahrgang.
terie wird sicherlich durch verschiedene Arten der
Shiga-Kruseschen Gattung erzeugt; ähnlich dürfte
es sich auch mit der Aetiologie der Schweinepest
verhalten und der der asiatischen Cholera. Kolle
und Gotschlich haben bei einer Anzahl klinisch
unzweifelhafter, zum Teil letaler Fälle keine Kocli-
schen, dagegen andere Vibrionen gefunden. Yerf.
hält es für wahrscheinlicher, dass diese Vibrionen
ohne jegliche Beteiligung der Kochschen Vibrionen
die Cholera erzeugt haben, gemäss dem ätiolo¬
gischen Korrelationsgesetz“. Ausserdem können am
Zustandekommen einer und derselben Epidemie der
nämlichen Infektionskrankheit verschiedene gat¬
tungsverwandte Baktcrienarten zugleich beteiligt
sein.
V. Die Tatsache, dass sämtliche, heute be¬
kannten Immunitätsreaktionen nicht art- sondern
gattungsspezifische sind.
V. Eine bedeutende Vereinfachung der theo¬
retischen Vorstellungen über den Bau der Toxine,
der agglutinogenen und präzipitogenen Substanzen.
Die vielen, bei jeder Art in einer andern spezi¬
fischen Weise beschaffenen haptophoren Apparate
Ehrlichs können durch eine geringe Anzahl von
qualitativ gleichgebauten, gat tungsspezifischen, er¬
setzt werden.
VII. Eine neue Grundlage für eine spezifische
Therapie der Infektionskrankheiten. Hier lehnen
sich die Anschauungen des Verf. direkt an die
Ehrlichsche Seitenkettentheorie und die Ehrlich-
schen Ermittlungen über den Bau der bakteriellen
Gifte an. Auf Grund seiner Untersuchungen glaubt
Verf. annehmen zu dürfen, dass die haptophore
Gruppe von Toxinen einzelner gattungsverwandter
Arten gleichgebaut ist. Wechselnd gestaltet sich
bei einzelnen Arten die Zahl dieser gleichwertigen
haptophoren und ferner der Gehalt an toxophoren
Gruppen. Für Immunisierungs- und Heilzwecke
müssen demnach am meisten jene Arten einer
Gattung geeignet erscheinen, deren ,,Giftmolekül“
eine möglichst grosse Anzahl von haptophoren
Gruppen besitzt und welche für die zu immuni¬
sierende Tierspezies die geringste Giftigkeit be¬
sitzen. Das Grundprinzip der gattungsspezifischen
Therapie besteht somit in Behandlung von Infek¬
tionskrankheiten durch heterogene, jedoch der
krankheitserregenden gattungsverwandte, für die
betreffende Tierspezies unschädliche Arten.
Jacob.
Tizzoni und Panichi, Ueber die Zerstörung
des Fränkelschen Pneumokokkus im
Blute immunisierter und hyper-
vaccinierter Tiere. (Ref. im Centralblatt'
f. Bakt., 36, 1—3.) ,
Verfasser kommen zu folgenden allgemeinen
Resultaten:
1. Die völlige Zerstörung des Fränkelschen
Pneumokokkus im Blute der immunisierten oder
hypervaccinierten Tiere erfordert eine sehr lange
Zeit, einige Monate, was bis jetzt für keinen anderen 1
Krankheitserreger bekannt ist.
2. Keinen Einfluss üben auf eine derartige
Zerstörung die Qualität des Serums (homogenes,
heterogenes) und der Grad der Immunität (voll¬
kommene, unvollkommene) aus.
3. Die Erscheinungen, die man bei der unvoll¬
kommenen Immunität beobachtet (Fieber, nervöse
Symptome, Abmagerung(, stehen in keiner Bezie¬
hung zu einer rascheren Zerstörung der Keime,
aber hängen wahrscheinlich von einer ungenügen¬
den Neutralisation der primären oder sekundären
Gifte ab.
4. Dagegen beeinflusst die Tierspezies merk¬
lich die Zeit einer derartigen Zerstörung; sie ist
viel länger bei Tieren, die für den Fränkelschen
Pneumokokkus sehr empfänglich sind (Kaninchen),
kürzer bei denen, die resistenter sind (Schaf, Esel).
5. Die Quantität des injizierten Serums oder
der Grad der mittelst Hypervaccination erteilten
Immunität üben keinen Einfluss auf die dem Kreis¬
lauf einverleibten Keime aus.
6. Dagegen steht die Zeit einer derartigen
Zerstörung in Beziehung zu der Menge des zu zer¬
störenden Virus, sowohl desjenigen, das direkt
in den Kreislauf eingetreten ist, als auch des¬
jenigen, das indirekt in das Blut gelangen kann,
dadurch, dass aus sekundären Lokalisationen Ma¬
terial resorbiert wird.
7. Die Verstärkungssinjektionen, die mit massig
gesteigerten und gelegentlich geprüften Virusdosen
gemacht wurden, vermehrten schliesslich die zer¬
störende Wirkung des Blutes auf den Fränkelschen
Pneumokokkus, indem sie in einem gewiäsen Augen¬
blick die Zeit abkürzten, in welcher man eine voll¬
kommene Verarbeitung des eingeführten Virus oder
eine vollkommene Sterilität desselben Blutes er¬
reicht.
8. Das Maximum des Immunisierungswertes
des von den hyperaccinierten erhaltenen Serums
fällt wahrscheinlich mit der kürzesten Zeit (10 bis
15 Tage) zusammen, die für die völlige Zerstörung
und Verarbeitung der grössten injizierten Virus¬
dosis erforderlich ist.
9. Die im Blute vorhandenen Keime finden
sich sowohl im Blutkuchen, als auch in dem von
ihm getrennten klaren Serum wieder.
10. Um sicher derartige Keime im Blute nach-
zuweisen, ist nötig, dass dieses rasch ausreichend
mit Bouillon verdünnt wird.
11. Die aus dem Blute immunissierter oder
hypervaccinierter Tiere erhaltenen Kulturen stellen
Veränderungen in ihren mikroskopisschen und kul¬
turellen Charakteren dar und haben vollkommen
ihre pathogene und vaccinierende Wirkung ver¬
loren. Jacob.
E. Semmer. Ueber Heilbarkeit des Rotzes
und der Tuberkulose und über Im¬
munität gegen diese Krankheiten.
OesteiT. Monatsschr. f. Tierheilk. Mai 1904.
Im Mai des Jahres 1886 wurde am Dorpater
Veterinärinstitut ein halbjähriges Stutfüllen mit
Milzemulsion von einem an Impfrotz gefallenen
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Heft 2.
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
41
Meerschweinchen in Nasenschleimhaut nnd Schul¬
terunterhaut geimpft. Es entstanden Rotzgeschwüre
an den Impfstellen, Rotzknötchen und Geschwür-
chen auf der Nasenschleimhaut, starker Nasenaus¬
fluss, Schwellung der Kehlgangslymphdrüsen und
Husten. Mit dem von dem Füllen entnommenen
Material geimpfte Meerschweinchen fielen an Rotz.
Das Füllen zeigte sich bis Ende August typisch
rotzkrank, dann aber trat plötzlich Besserung ein.
Ende September sistierte der Nasenausfluss voll¬
kommen, die Nasenschleimhaut war normal ge¬
worden, an Stelle der Geschwüre fanden sich
Narben. Auch die Ilautgeschwüre waren verheilt.
Mit Nasenschleim geimpfte Hunde und Meer¬
schweinchen erkrankten nicht mehr an Rotz.
Im April 1889 wurde das Fohlen mit dem
Nasenschleim eines notorisch rotzigen Pferdes ge¬
impft, und zwar wurde der Schleim 1. in künst¬
lich erodierte Stellen der Nasenscheide wand einge¬
rieben, 2. in die verletzte Stirnhaut gebracht und
3. subkutan an der Nase injiziert. An den beiden
ersten Stellen erfolgte unbedeutende Eiterung, an
letzterer bildete sich eine hühnereigrosse Ge¬
schwulst, die allmählich abnahm und verschwand.
Ein Kontrollpferd fiel an Rotz.
Im Mai 1889 wurde das Fohlen erneut ge¬
impft und zwar diesmal mit virulenten Rotzba¬
cillen aus Kartoffelkulturen. An den Impfstellen
traten bedeutende, schmerzhafte Geschwülste auf,
und die Kehlgangsdrüsen schwollen an. Nach Oeff-
nung der Abszesse und Behandlung mit Karbol¬
säurelösung trat jedoch Heilung ein. Zwei mit Rotz¬
bacillen enthaltenden Inhalt eines Abszesses ge¬
impfte Hunde erkrankten an Rotz. Im August 1890
wurde das mittlerweile vier Jahre alte Versuchs¬
tier getötet. Die Obduktion ergab nichts, was auf
einen chronischen Rotz hätte hindeuten können.
In der Milz, Leber und auf der Nasenschleimhaut
fanden sich Narben, in der Leber einige stecknadel¬
kopfgrosse weisse Knötchen, mit welchen ein Hund
und eine Katze ohne Erfolg geimpft wurden. Rotz¬
bacillen konnten in den Knötchen nicht nach¬
gewiesen werden.
Aehnliche Fälle von Genesung und Immunität
gegen Rotz wurden von 1890—1895 im kaiserl. In¬
stitut für Experimentalmedizin in St. Petersburg
beobachtet. Zwei rotzige Pferde, welche durch
grosse Malleingaben geheilt wurden, erkrankten
nachher nach subkutaner Applikation nur noch lo¬
kal. An den Impfstellen traten Abszesse auf, welche
von selbst aufbrachen und bald vollständig ab¬
heilten, ohne irgendwelche Störungen zu hinter¬
lassen. Auch nach dem Töten dieser Pferde Hessen
sich bei der Sektion nur noch Narben auf der
Nasenschleimhaut und kleine bindegewebige Ver¬
dickungen in den Lungen und Lymphdrüsen nach-
weisen. Dagegen erwies sich ein Pferd, das mit ab¬
geschwächten Rotzbacillenkulturen geimpft wurde,
welche Meerschweinchen nicht mehr töteten, als
gegen virulente Rotzbacillen nicht immun. Es er¬
krankte vielmehr an allgemeinem Rotz.
Nach dem Verf. hat man in Russland auch
beim Menschen wiederholt Heilung des Rotzes ge¬
sehen, und zwar bei energischer Behandlung mit
Quecksilber. Dasselbe, was Verf. vom Rotz sagt,
will er auch für die Tuberkulose gelten lassen.
Zur Erzeugung einer sicheren Immunität erscheint
ihm jedoch das Tuberkulin resp. Mallein allein nicht
geeignet. Eine länger andauernde oder bleibende
Immunität trete nur nach wirklicher Erkrankung an
der betreffenden Seuche ein, sei es auch nach einer
durch mitigiertes Impfmaterial erzielten nur leich¬
teren Erkrankung. Dieselbe ist weder eine lebens¬
längliche, wie z. B. bei der Rinderpest, Lungen¬
seuche, Scharlach, Masern, teils auch Pocken und
Hundswut, oder eine vorübergehende, wie z. B. bei
Maulseuche, Milzbrand, Rauschbrand, Staupe, In¬
fluenza, Schweinerotlauf, Schweineseuche, Schweine¬
pest, Hühnercholera, Typhus u. a.
Unterh össel.
A. Konrädi, Ist die Wut vererbbar ? (Cen-
tralbl. f. Bakt., 38,1.)
Eine sichere plazentare Uebertragung von der
Mutter auf das Kind wurde beobachtet bei Infek¬
tionen mit Milzbrand, Pneumonie, Typhus, pyogenen
Kokken, Febris recurrens, Variola, Malleus, Sy¬
philis, Tuberkulose, bei letzterer in 12 sicher be¬
wiesenen Fällen (Wassermann). Ueber die plazen¬
tare Uebertragung der Wutkrankheit finden sich in
der Literatur nur wenige, sich widersprechende An¬
gaben.
Als Infektionsstoff diente bei den Versuchen
des Verfassers das Virus einer 34. Kaninchenpas¬
sage, welches trächtigen Meerschweinchen unter
die harte Hirnhaut injiziert wurde. Einem
Meerschweinchen, das am 6. Tage an Wut er¬
krankte, wurden im Moment des Todes vier ganz
entwickelte Junge herausgenommen. Ihr ver¬
längertes Mark wurde in Emulsion mit physio¬
logischer Kochsalzlösung unter die harte Hirnhaut
von 8 Meerschweinchen und 2 Kaninchen gespritzt.
Es erkrankten 2 dieser Meerschweinchen am 91.
Tage nach der Infektion, am 92. Tage ein drittes,
am 96. Tage das vierte und die übrigen vier am
98. Tage. Von den beiden Kaninchen erkrankte
das eine nach 105, das zweite erst nach 475 Tagen.
Die mit Virus von diesen erkrankten Tieren ge¬
impften Kontrolliere gingen nach 20—31 tägiger
Inkubation und kurzer Krankheit zugrunde. Dann
impfte Verfasser ein trächtiges Kaninchen mit
Strassenvirus und infizierte dann, nachdem das
Tier eingegangen war, mit Material aus den Föten
Meerschweinchen, die nach 15 tägiger Inkubation
starben an typischer Wut. Ein Kaninchen aus
demselben Fötus infiziert, wurde nach 12 Tagen
krank, ging aber nicht zugrunde; nach 229 Tagen
wurde es wieder krank und ging an Wut ein.
Nach der Meinung der meisten Forscher kann
die Uebertragung nicht durch das Plazentablut ge¬
schehen, da dasselbe das Virus nicht enthält. Nach
E. Marx gelingt aber eine Infektion von der Blut¬
bahn bei Hunden und Kaninchen leicht.
e
42
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
3. Jahrgang.
Verf. zieht aus seinen Versuchen folgende
Schlüsse:
1. Das Wutvirus geht von ^der Mutter auf den
Fötus über, scheint aber inzwischen abgeschwächt
zu werden.
2. Zu solchen Untersuchungen sollte man nicht
nur Kaninchen, sondern auch Meerschweinchen
benutzen, da diese für die Wut empfänglicher sind.
3. Die Beobachtungsdauer muss auf ungefähr
li/ 2 Jahre verlängert werden. Jacob.
Renilinger. 1. La salive recueillie chez
les animauz enragös aprös injection
de pilocarpine n’est pas virulente.
(Compt. rend. d. la soc. de biol. 1904. 2. V a c -
cination du mouton contre la rage.
3. Contribution ä l’etude du virus
rabique fixe (ibid.). 4. La tortue ter-
restre est refractaire ä la rage (ibid.)*
1. Der Speichel von wutkranken Kaninchen,
Hunden und Schafen, der durch subkutane Pilo¬
carpininjektion gewonnen war, erwies sich selbst
in Mengen von 15 ccm subkutan oder intramus-
kulaer injiziert als nicht infektiös. Die Versuche
erstreckten sich auf 63 Tiere, so dass das Re¬
sultat als sicher angesehen werden kann.
2. Verf. suchte das Verfahren von Marie, dass
die Injektion einer neutralen Mischung von Virus
und Immunserum eine unschädliche und sichere
Immunisierungsmethode für Kaninchen ist, auf
Schutzimpfung der Schafe zu übertragen. Er impfte
Schafe intraokulär mit Virus fixe und es zeigte
sich, dass Tiere, bei denen an demselben oder am
zweiten und dritten Tage nach der Impfung mit
subkutanen Injektionen von je 20 ccm neutralen
Virus-Serumgemisches begonnen wurde und diese
Injektionen drei Tage lang fortgesetzt wurden, ge¬
sund blieben. Eine einmalige Injektion von 40 ccm
Virus-Serumgemisch vermochte nicht zu schützen.
Sie verzögerte aber den Tod und zwar im Ver¬
gleich zur Kontrolle um so länger, je früher die
Impfung ausgeführt war.
3. Um die Anschauung, dass das Virus fixe
für andere Tiere als Kaninchen relativ unschäd¬
lich sei, zu stützen, stellte Verf. die Resultate
zusammen, die er bei gelegentlichen Impfungen
an Hunden mit Virus fixe in den letzten Jahren
erhalten hat. Es wurden 14 Tiere subkutan ohne
besondere Vorsichtsmaßregeln zur Verwendung der
Muskeln etc. geimpft. Eines, das 5 ccm erhalten
hatte, starb. Die übrigen hatten bedeutend grössere
Mengen erhalten (in zwei Fällen zwei ganze Ge¬
hirne) und blieben gesund. Die Mortalität betrug
also 7,14 o/o. Dann erhielten 5 Hunde 5—20 ccm
Emulsion intramuskulaer injiziert. Ein Tier starb
am 29. Tag. Die Mortalität betrug also 20 o/ 0 .
Bei intravenöser Injektion von 5—20 ccm Emul¬
sion bei 10 Hunden starben 4 an Wut, zwei er¬
krankten und wurden geheilt, 4 blieben gesund.
Die Mortalität betrug also 40 0 / 0 , die erkrankten
mitgerechnet 60 0 / 0 . Bei intraokulärer Impfung von
46 Hunden (es wurden meist einige Tropfen bis
in den Optikus gebracht) erkrankten 36 Tiere, 9
kamen davon. Die Mortalität betrug 80 o/ 0 .
4. Bei Testudo graeca liess sich in keiner
Weise durch Virus fixe eine Infektion erzeugen,
auch dann nicht, wenn man die Tiere im Brüt-
sclirank auf 35 Grad erhielt. Das Blut der Schild¬
kröten hat im Reagenzglas keinerlei rabizide
Eigenschaften. Jacob.
Kreidl und Mandl. Experiment-Beiträge
zu den physiologischen Wechsel¬
beziehungen zwischen Foetus und
Mutter. (Sitzungsberichte d. kais. Akadem.,
B. 108, H. VI u. VII, Wien.) Ref. im Ctbl. f. d.
mediz. Wissensch. No. 15.
Aus den Versuchsergebnissen sei folgendes her¬
vorgehoben :
Die Verfasser fanden zunäclist die bemerkens¬
werte Tatsache, dass gewisse Körper des Rinder¬
blutes, die allgemein als den Eiweisskörpern nahe¬
stehend betrachtet werden, aus dem Foetus in die
Mutter gelangen. Produkte des Foetus können an
die Mutter abgegeben werden; denn es zeigte sich,
dass der Foetus Haemolysine zu bilden imstande
ist und dass er zum Teil dieselben an die Mutter
abgibt.
Aus den Versuchen ist ferner zu ersehen, dass
der Foetus schon intrauterin — wenigstens in den
hohem Entwickelungsstadien — mit der Fähigkeit
begabt ist, gegen fremde, ihm zugeführte Stoffe
mit der Bildung von Antikörpern zu reagieren. Die
in der Mutter gebildeten Haemolysine passieren als
solche die placentare Scheidewand, wenn man die
fremde Blutart der Mutter einverleibt. Dagegen
konnte man nach Vorbehandlung des Foetus in der
Mutter unter gewissen Umständen sowohl das Auf¬
treten passiver als' auch aktiver Haemolysine beob¬
achten. Sehr auffallend war, dass man in allen
jenen Fällen, in welchen die Foeten die experimen¬
tale Einverleibung der Sera nicht überlebten und
vorzeitig ausgestossen wurden, stets im mütter¬
lichen Serum den Nachweis aktiver Haemolysine
erbringen konnte, während in einem Falle, in dem
der Foetus den Eingriff durch lange Zeit ertrug
und lebend entwickelt wurde, nur der Nachweis
einer passiven Immunisierung der Mutter gelang.
Aus der Tatsache, dass in jenen Fällen im mütter¬
lichen Serum aktive spezifische Haemolysine auf-
treten, ist der Schluss zu ziehen, dass hier die zur
Bildung der Haemolysine erforderlichen Bestand¬
teile der fremden, dem Foetus injizierten Blutart
in den Kreislauf der Mutter gelegt sind.
Schliesslich untersuchten die Verfasser auch
das Verhalten der Amnions- und Allantoisflüssig-
keit zu Haemolysinen. Weder die spezifischen
Haemolysine der Muttertiere noch die der Foetus
waren darin nachzuweisen. Weder durch Hinzu¬
fügen des inaktivierten Serums der Mutter oder
eines normalen Ziegenserums, gelang es, in den
genannten Flüssigkeiten die spezifischen Haemoly¬
sine für Rinderblut nachzuweisen. Nach diesen Be¬
funden ist also mit Sicherheit zu behaupten, dass
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Heft 2.
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
43
weder aus dem mütterlichen, noch aus dem kind¬
lichen Serum Haemolysine in das Fruchtwasser
übergehen, und dass daher, wie auch Polane ge¬
funden hat, das Fruchtwasser weder reines kind¬
liches, noch reines mütterliches Serum sein könne.
Jacob.
Ottolenghi und Mori. Wirkung des Aethyl-
äthers auf die haem oly t i s chen und
bakteriziden Sera. (Ctbl. f. Bakt., 38, 4.)
1. Der Aethyläther hat die Eigenschaft, dass er
normalen Sera, die normaler Weise haemolytisclies
Vermögen besitzen, dieses entzieht.
2. Zur Aufhebung des haemolytischen Ver¬
mögens durch den Aethyläther bedarf es einer be¬
stimmten Menge dieses Mittels und einer be¬
stimmten Zeitdauer der Einwirkung.
3. Die Aufhebung des haemolytischen Ver¬
mögens ist, aller Wahrscheinlichkeit nach, aus¬
schliesslich durch eine Veränderung der haemoly¬
tischen Komplemente bedingt.
4. Der Aether übt, wenigstens beim Kaninchen¬
serum, und in dem Zeitraum, der zur Vernichtung
des haemolytischen Vermögens genügt, keine merk¬
liche Wirkung auf die bakteriziden Komplemente
aus.
5. In dem zur Aufhebung des haemolytischen
Vermögens erforderlichen Zeitraum entzieht der
Aether den Sera nicht die Eigenschaft, die roten
Blutkörperchen zu agglutinieren. Jacob.
Parasitologie« Invasionskrankheiten.
E. Martini. Untersuchungen über die
Tsetsekrankheit. (Ztschft. f. Hyg. 50, 1.)
Verfasser kommt auf Grund umfassender Un¬
tersuchungen, deren Einzelheiten im Original nach¬
gelesen werden müssen, zu einer Reihe von Schluss¬
folgerungen, von denen folgende hervorgehoben
seien:
In den beiden untersuchten Barbarponies wur¬
den zwei hinsichtlich Virulenz zuerst völlig ver¬
schiedene Stämme von Tsetseparasiten festgestellt,
obwohl die beiden Pferde dieselbe Tsetsegegend
passiert hatten und somit wohl der gleichen In¬
fektion ausgesetzt waren.
Die Parasiten des „Togohengstes“ zeigten sich
bei subkutaner, intravenöser und intraperitonealer
Impfung tödlich für Pferd, Esel, Hund, Katze,
Schwein, Ziege, Kaninchen, Meerschweinchen, Ratte
(graue und weisse) und Maus (graue und weisse).
Die „Togostute“ erwies sich, obwohl in ihrem Blute
durch mikroskopische Untersuchung niemals Tsetse¬
parasiten gefunden wurden, dennoch als Tsetse-
parasitenträger, weil Hunde nach subkutaner oder
entraperitonealer Injektion grösserer Blutmengen
der Stute sich nach einiger Zeit mit den Parasiten
infiziert zeigten. Die Tsetseparasiten können sich
in einmal infizierten Tieren monate- bis jahrelang
(R. Koch) und zwar tödlich virulent für andere
Tiere halten.
Der Versuch, eine mehr den natürlichen Ver¬
hältnissen entsprechende Uebertragung — unter
Verwendung von einheimischen Stechfliegen,
Stomoxys calcitrans, — zu erzielen, gelang nicht*
Bei der Verimpfung tödlich wirkender Tsetse¬
parasiten erwies sich auf die Dauer des Leidens
ohne wesentlichen Einfluss, ob sie mit sehr ver¬
einzelten (in der Blutdosis) oder mit ihrem Hun¬
dertfachen ausgeführt wurde. Nur die Incubation
war bei grösserer Parasitendosis gewöhnlich ab¬
gekürzt. War das Blut von einem toten Tier, so
trat das tödliche Ende des geimpften Tieres meist
später ein.
Unter der künstlichen Infektion mit vollviru¬
lentem, d. i. tödlich infizierendem Material, nahm
die Krankheit, nach klinischen Beobachtungen und
pathologisch-anatomischen Befunden zu scliliessen,
stets den gleichen Verlauf, wie er von der natür¬
lichen Infektion durch die Tsetsefliege (Glossina
morsitaus) bekannt ist.
In dem mittels Troikart dem kranken Tier
aus der Jugularvene entzogenen Blut zeigte sich
eine sehr deutliche Abnahme des Fibrinbildungs¬
vermögens.
Bei Hunden, Katzen und Kaninchen führte die
Erkrankung sehr oft zur Erblindung durch diffuse
Hornhauttrübung. Dabei wurden in der Flüssigkeit
der vorderen Augenkammer Tsetseparasiten nach¬
gewiesen. Die Tsetsekrankheit der Pferde und Esel
ist der Schlafkrankheit des Menschen durchaus
nahestehend, nicht bloss in ihren Parasiten, son¬
dern auch in ihren klinischen Erscheinungen und
pathologisch-anatomischen Befunden.
Die Tsetseparasiten des Togohengstes, des für
die meisten Tiere — ausser für einheimische Rinder
— tödlichen Stammes, Hessen sich in genügend
lange fortgesetzten Tierpassagen bis zu einem
Höchstvirus für die betreffenden, zu einer Art
Virusfixe (Pasteur) anzüchten, und zwar besonders
deutlich in Ratten und Mäusen.
Die Tsetseparasiten, die sich für eine Tierart
als abgeschwächt erweisen, können noch, nach
längerem Aufenthalt in dieser, von ihr aus ver-
impft, für andere Tierarten tödlich sein.
Alle Schlüsse in bezug auf Virulenz-
Abschwächung und -Steigerung sind durch diese
Versuche nur für die künstliche Infektion bewiesen.
Jedoch lässt sich an der Hand von Beobachtungen,
die bei dieser gemacht wurden, jetzt eine ganze
Reihe von Eigenheiten erklären, die bei der Feld¬
infektion durch Glossina morsitaus Vorkommen und
sich seither nicht erklären Hessen, z. B. die
Virulenzschwankungen (R. Koch).
Die von mehreren Forschern (R. Koch und
Schilling) festgestellte Tatsache, dass einzelne
Pferde mit Tsetseparasiten jalirelang sich vollstän¬
dig rüstig halten können, braucht — nach den vor¬
liegenden Versuchen zu sch Hessen — nicht durch
eine vermutete grössere Widerstandsfähigkeit dieser
Tiere begründet zu werden, sondern sie lässt sich
vielmehr auch so verstehen, dass diese Tiere mit
einem Parasitenstamm infiziert wurden, der durch
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44
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
3. Jahrgang.
Glossinen mannigfach in ein und derselben Tier¬
passage verimpft, für sie eine Yirulenzabschwächung
erfahren hat. Ein solches gesund erscheinendes,
aber infiziertes Tier, ist damit nicht notwendiger¬
weise immun gegen die für seine Tierart sonsl
tödlich virulenten Tsetseparasiten.
Aus der Tatsache, dass von den Tsetseparasiten-
trägern aus, selbst wenn sie scliwachvirulente Para¬
siten führen, dennoch hochvirulente, z. B. durch
Passage in gewissen Tierarten sich entwickeln kön¬
nen, ergibt sich nach It. Koch als Bedingung für
das Gelingen einer allgemeinen Ausrottung der
Seuche:
Jeder Tsetseparasitenträger, sei es unter dem
Grosswild, sei es unter den Haustieren, muss un-
scliädlich gemacht, d .h. getötet werden, da es
niemals gelingen wird, der übertragenden Insekten,
der Glossinen, Herr zu werden, und da die bisher
geglückten Immunisierungsversuche zu keinem an¬
deren Resultat geführt haben, als dass — anschei¬
nend gesunde — Parasiten träger künstlich ge¬
schaffen werden.
Nur gelegentlich wird die Immunisierung in
Frage kommen, z. B. wenn es sich darum handelt,
Reitpferde oder Lasttiere oder Schlachtvieh auf
längerer Expedition durch eine Tsetsegegend zu
bringen; an ihrem Bestimmungsort angekommen,
können sie ja dann unschädlich gemacht werden.
Jacob.
N. Jancsö, Kolozsvär. Untersuchungen über die
Weiterentwickelung der Malaria-Parasiten
in den Anopheles-Arten. Math.ösTermöszet-
tudomänyijlSrtesitö. 1904. No. 12.
In der Umgebung von Kolozsvär kommt von
den Anopheles-Arten Anopheles claviger am häufigsten
vor und nur in geringer Anzahl Anopheles bifur-
catus. Von den Culiciden kommt hauptsächlich
Culex pipiens häufig vor. Die Anopheles-Eier finden
sich in stabilen, mit spärlicher Sumpfvegetation ver¬
sehenen, stehenden Gewässern, mitunter jedoch auch
im Regenwasser, das sich in der Fussspur sammelt,
oder im Wasser langsamer Bäche. Die weiblichen
Anopheles claviger überwintern zu Tausen¬
den in Ställen, sich vom Blute der Haustiere
nährend; Anopheles bifurcatus überwintert in
Höhlen, Baumlücken.
Die Entwickelung einer Generation von Ano¬
pheles dauert im Sommer 10 Tage lang. Im Früh¬
ling und Herbst gehören 4—5 Wochen dazu. Tn
grösseren Mengen fliegen die überwinterten Ano¬
pheles-Schwärme Ende April aus, zur Zeit, um
welche die Rinderherden auf die Weide ge¬
trieben werden.
Zur Aufbewahrung der geflügelten'Mücken hatte
Jancsö eine Falle konstruiert, in welcher es gelang,
die Mücken 2—3 Monate hindurch am Leben zu er¬
halten. Die Fütterung mit Blut, selbst mit solchem
von Kindern, war hier leicht möglich. Zur Unter¬
suchung der sich am Magen von Anopheles ent¬
wickelnden Zysten ist es am besten, den Magen nach
Ross vorzuziehen und ungefärbt zu untersuchen.
Aus den Untersuchungen geht hervor, dass die
in den Magen von Anopheles gelangten Gameten,
wenn das Insekt in einer Temperatur von 30° Cels.
gehalten wird, sich nach 15 Minuten bis 1 Stunde
geschlechtlich vermehren, sich nach 15 Stunden in
larvenähnliche Orkinete verwandeln und sich unter
die Epithelschichte des Magens einzubohren be¬
ginnen.
Die Gameten bohren sich durch die Epithel¬
schichte hindurch bis zur Tunica elastico-muscu-
laris, beginnen dort zu wachsen, werden zu durch¬
scheinenden Zysten, welche oft zu Hunderten in die
freie Bauchhöhle hineinragen. Anfangs sind die
Zysten der einzelnen Arten an ihrer verschiedenen
Farbe, an der Anordnung ihres Pigmentes und
Hyalins noch zu erkennen, später verschwinden die
Unterschiede. Unter anderen gibt J. eine detaillierte
Beschreibung des Entwickelungsganges der Lave-
rania bei 20° Cels. Die Züchtung dieser Art ist mit
so ungeheuren Schwierigkeiten verbunden, dass J.
in der Literatur keine einzige Beschreibung oder
Zeichnung von derselben fand, und seine Be¬
schreibung als die erste dieser Art zu be¬
trachten ist. Die Zyste entwickelt sich schliess¬
lich zur Sporozyste, welche Tausende von Sporo-
zoiten, Restkörperchen und Pigmentreste enthält.
Ist die Sporozyste einmal reif geworden, so platzt
sie und ergiesst ihren Inhalt in die freie Bauchhöhle.
Die in die freie Bauchhöhle ergossenen Sporo-
zoiten sammeln sich in kürzester Zeit an beiden
Seiten des Halses in Speicheldrüsen an. Die Sporo-
zoiten gelangen bei der nächsten Blutsaugung in die
Stichwunde und erzeugen nach einer gewissen
Inkubations-Zeit eine Erkrankung an Wechselfieber,
indem sie sich zu Schizonten umbilden.
Grassi und die anderen Beobachter waren zu
der Erfahrung gelangt, dass sich die Malaria-Para¬
siten nur dann geschlechtlich vermehren, wenn sich
nur deren Zysten entwickeln, wenn die Anopheles
unmittelbar nach der Blutsaugung in eine Tempera¬
tur von 16,5° Cels. gelangt und dort einige Stunden
zubringt. Auch machte Grassi die Erfahrung, dass
zwischen den einzelnen Parasiten rücksichtlich ihrer
Temperaturansprüche Unterschiede bestehen. — J.
wiederlegt beide Behauptungen. Durch zahlreiche
Versuche wurde erwiesen, dass die Anopheles in¬
fiziert werden, selbst dann, wenn sie in eine Tempera¬
tur von 8° gelangen, vorausgesetzt, dass sie nach
den ersten 24 Stunden in eine Temperatur gelangen,
welche höher ist als 16° Cels. So sind die bei
kühlem Wetter entstehenden Erkrankungen an Ma¬
laria zu verstehen.
Eine grosse Reihe von Versuchen wurde an¬
gestellt, um nachzuweisen, wie und in welchem Zeit¬
räume sich die Geschlechtsgenerationen der einzelnen
Parasiten entwickeln. Es stellte sich heraus, dass
zwischen den einzelnen Arten mit Bezug auf ihre
Temperaturänspriicho keine Unterschiede bestehen,
dass jede Art am besten bei 24—30° Cels. gedeiht,
und dass bei einer Temperatur unter 18° Cels. ge¬
wöhnlich degenerative Formen auftreten. Wirken
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Heft 2
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
45
aber niedrigere Temperaturen nur kürzere Zeit —
jedoch oft bis zu 3—4 Tagen — auf dieselben ein,
so wird die Entwickelung der Zysten bloss eine
Zeitlang hintangehalten, ohne weiter irgendwie be¬
einflusst zu werden.
Die Erfolge der Untersuchungen wurden durch
Inokulationen kontrolliert. Es wurden im ganzen
15 Personen inokuliert, natürlich bloss solche, die
sich freiwillig dazu hergaben Die Inokulationen
wiesen nach, dass die Inkubations-Dauer, der höhere
oder geringere Grad der Erkrankung, durchaus nicht
von dor Temperatur abhängt, bei welcher die Ano¬
pheles infiziert wurden. So war zum Beispiel die
Erkrankung, welche nach einem einzigen Stiche
eines bei 15—17° Cels. gehaltenen Anopheles auftrat,
ebenso schwer, wie die, welche nach unzähligen
Stichen vieler bei 30° Cels. gehaltener Anophelen
auftrat. Es ist also erwiesen, dass die Schwere der
Infektion ausschliesslich von der Parasiten-Art und
den individuellen Eigenschaften der erkrankten Per¬
son abhängt. Schliesslich werden aus den Experi¬
menten Schlüsse gezogen, welche sich auf dio geo¬
graphische Verbreitung und das Vorkommen nach
den Jahreszeiten beziehen.
Grassi und die italienischen Forscher setzen den
Beginn des Malaria-Jahres in Italien auf den Anfang
des Monats Juli, und alle bis dahin vorkommende Fälle
sollen Rezidiven vom vorigen Jahre sein. Ursache
dieser Erscheinung ist, dass die Temperatur im
Freien erst im Juli die nötige Höhe von 24° Cels.
erreicht — J. akzeptiert diese Ansicht nicht. Die
italienischen Forscher vernachlässigten die Tatsache,
dass an Orten, an welchen eine Endemie mässigen
Grades herrscht, zwei Erhebungen in der Endemie-
Welle zu konstatieren sind — die eine im Mai, die
andere im September. Ja, in Malaria-Gegenden mit
mässiger Temperatur, wie z. B. in. Deutschland, fällt
das Maximum der Erkrankungen an Malaria gerade
auf den Monat Mai. J. beobachtet in Kolozsvär seit
10 Jahren die Endemie und hat in mehr als 1500 Fällen
Blutuntersuchungen ausgeführt. Die Untersuchungen
ergaben, dass man in Kolozsvär eine Frühjabr-
Vivax, eine Sommer-Präkox, eine Herbst-Laverania-
Epidemie beobachten kann, und dieAkme der Ende¬
mie demzufolge auf das Frühjahr oder auf den Herbst
fallen wird, je nachdem die Zahl der Vivax- oder
der Präkox-Infektionen eine grössere sein wird. In
den Gegenden, wo mildere Endemien Vorkommen,
fällt die Akme der Endemie aus dom Grunde auf
den Monat Mai, weil bloss Vivax-Infektionen Vor¬
kommen. Forscht man nun nach, was die Ursache
dieser eigentümlichen saisonmässigen Verteilung der
Parasiten ist, so kommt man zu folgendem Schlüsse:
Da zwischen den Temperatur-Ansprüchen der ein¬
zelnen Arten keine Unterschiede bestehen, und da
man auch koine anderen objektiven Ursachen für
dieses saisonmässige Auftreten finden kann, so muss
man sich mit der Annahme begnügen, dass die
einzelnen Malaria - Parasiten so verschiedenartige
Gattungen darstellen, dass selbst ihre Endemie-Zeit
in eine andere Jahreszeit fällt. Zimmermann.
Byloff, Ein Beitrag zur Kenntnis der
Rattentrypanosomen. Sitzungsbericht d.
Akademie d. Wissenschaften zu Wien. Mathemat.
natUrw. Klasse. 113. Bd. 1904, S. 111.
Unter 8 eingefangenen Kanalratten fand Ver¬
fasser eine, welche im Blute den in Rede stehenden
Parasiten beherbergte. Dieses Tier Ixmutzte der
Autor, um eingehende Impfversuche anzustcllen
und die Entwicklung des Lebewesens näher zu stu¬
dieren.
Die Impfung erfolgte ausschliesslich intra¬
peritoneal, worauf sowohl bei wilden als auch
zahmen Ratten Krankheitserscheinungen auftraten,
bestehend in Sträuben des Haarkleids, Mattigkeit,
Dispnoe und Abmagerung. Die wilden infizierten
Tiere gingen in 3—8 Tagen ein, während die zahmen
Ratten nach 4—6 Wochen genasen.
Bezüglich des Resultats seiner Untersuchungen
gibt Verfasser folgenden Ueberblick:
Die in die Peritonealhöhle mit dem Blut ein¬
gespritzten ausgewachsenen Formen von Trypano¬
somen gehen vorerst nur in geringer Menge in
das Blut über. Sic verschwinden langsam aus der
Peritonealhöhle und erscheinen vom 2. bis 4. Tage
in Gestalt von Teilungs- und Jugendformen im
Blute. Offenbar tritt schon in der Bauchhöhle
empfänglicher Tiere ein Teilungsprozess auf. Die
durch denselben gelieferten Produkte gelangen
dann auf detm Wege der Lymphbahn, möglicher¬
weise auch durch direkten Uebertritt in die Blut¬
gefässe, in den Blutstrom.
Im Blute wachsen die Jugendformen anschei¬
nend rasch und unter Bildung sehr verschiedener
Teilungsformen heran.
Fortgesetzte Teilungen, 'welche sowohl nach
dem Typus der 'Längsteilung, der Segmentierung
und möglicherweise auch nach anderen Typen zu¬
stande kommen, führen zur Bildung sehr kleiner
Elemente, welche schliesslich am 3. oder 4. Tage
nach der Infektion in beträchtlicher Menge vor¬
handen sind. Diese kleinsten Gebilde wachsen
heran und teilen sich dann wieder. Der Teilungs-
grozess geht zu Ende, wenn eine sehr reichliche
Ueberschwemmung des Blutes an Trypanosomen
stattgefunden hat.
Die zahmen Ratten überstehen die Infektion,
w r obei ihr Blut von Trypanosomen frei wird.
Die Teilungsvorgänge des Zellkörpers verlaufen
unter allen Umständen, ob nun JLängsteilung oder
Segmentierungsvorgänge zu beobachten sind, stets
unter Erscheinungen, welche der Mitose am ähn¬
lichsten sind. Die Kernsubstanz zeigt bei der Tei¬
lung Spirembildung und das Auftreten von schleif en-
förmigen Segmenten, die sich aus der Chromatin¬
substanz des Kernes bilden. Die Geisselwmrzel zeigt
während des Teilungs Vorganges ein Verhalten,
welches an das derZentralkörper andererZellen erinnert.
Geisselwurzel und Kernsubstanz scheinen, nach
ihrem örtlichen Verhalten zu schliessen, während
der Teilung in sehr nahe Beziehung zu einander
zu treten. Carl.
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46
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
3. Jahrgang.
Laveram U e b e r die Wirkung des mensch¬
lichen Serums auf die Trypanoso¬
men der Nagana, Caderas und Surra.
(Compt. rend. 137.
Die Einwirkung menschlicheu Serums ruft bei
Tieren, die an Nagana, Caderas oder Surra er¬
krankt sind, entweder ein zeitweises oder sogar
ein definitives Verschwinden der krankheitser¬
regenden Trypanosomen hervor. Dies ist um so
auffallender, als kein anderes Mittel bis jetzt im¬
stande war, diese Krankheit zu heilen. Auch die
Sera anderer Tierspezies besitzen diese Fähigkeit
nicht. Das. Serum geschwänzter Affen ist, wie
Verf. bereits früher gefunden hat, unwirksam, und
neuerdings konnte ein Versuch mit dem Serum
eines Schimpansen angestellt werden, der dasselbe
Resultat gab und zeigte, dass dieses Serum keinen
Einfluss auf die Entwicklung der Nagana besitzt.
Dass gerade das Serum des Menschen, das gerade
weder für Surra noch für Caderas oder Nagana
empfänglich ist, mit solchen trvpanosomenfeind-
lichen Eigenschaften begabt ist, ist jedenfalls von
grossem theoretischen Interesse. Es werden jedoch
auch einige menschliche Krankheiten, darunter die
Schlafkrankheit durch Trypanosomen hervorgerufen
und es ist daher empfehlenswert, deren Verhalten
zu verschiedenen Tierspezies zu erproben und das
Serum eventuell refraktärer Arten zu therapeu¬
tischen Zwecken zu benutzen. Jacob.
Mi Neal, J. Ward, Novy und Gk Frederick. Ueber
Kultivierung der Trypanosomen,
Lewisi und Brucei. (Ref. in Hyg. Rund¬
schau 1906, No. 3.)
Den Verff. ist es gelungen das Trypanosoma
Lewisi, den Mikroorganismus, der weit verbreitet
ist und häufig im Blut der Ratten vorkommt, aber
nur selten den Tod der Tiere veranlasst, künst¬
lich auf festen Nälirböden zur Entwicklung zu
bringen. Die Kultur gelang am besten auf ge¬
wöhnlichem Agar, dem ein Drittel Kaninchenblut
zugefügt und das dann wieder in schräger Lage
erstarrt war. Namentlich bei Zimmertemperatur
kam es hier zum Wachstum sehr grosser, aus
über Tausenden von Individuen bestehenden Ro¬
setten des Trypanosoma, und die Lebensfähigkeit
des Parasiten blieb viele Wochen, bis zu 306 Tagen
erhalten. Auch bei Brütwärme fand eine rasche
und starke Vermehrung der Trypanosomen statt,
doch geht hier die Kultur schon nach 12—14 Tagen
zugrunde, ohne Zweifel, weil in dieser Zeit auch
das Hämoglobin der Röhrchen sich in Hämatin
verwandelt. Die Virulenz der Trypanosomen bleibt
bei gewöhnlicher Temperatur unverändert erhalten,
während sie bei Brütwärme rasch verloren gellt.
Bei Trypanosoma Brucei gelang es nur aus
vier von den 50 geimpften Ratten die Mikroorga¬
nismen zum Wachstum gelangen zu lassen. Schon
diese Tatsache liess keinen Zweifel, dass die Para¬
siten dieser Art viel schwerer auf unseren Nähr¬
böden gedeihen als Trypan. Lewisii. Der Blut¬
gehalt, der ein positives Resultat liefernden Röhr¬
chen musste weit höher sein, meistens 2 : 1 oder
3 : 1 betragen, als bei den Kulturen des andern
Trypanosoma. Bei Zimmertemperatur gelang das
Wachstum am besten; es begann ungefähr am 10.
und dehnte sich aus bis zum 52. Tag. Doch zeigte
mehrere Male auch die Entwicklung bei höherer
Temperatur ein gutes Ergebnis, wenngleich schon
bei 34 Grad die Resultate schwankend wurden.
Mit dem Alter verloren die Kulturen auch ihre
Virulenz für den tierischen Körper; während die
friscli entstandenen infektiös ebensogut wie Blut
oder Gewebssaft waren, so ging diese Fähigkeit
mehr und mehr zurück und war schliesslich ganz
verschwunden. Mit derartigen Kulturen schien eine
ausreichende Schutzimpfung möglich zu sein.
; ; Jacob.
L. Jakimoff. Zur Biologie der Trypano¬
somen der Nagana und des Mal de
Caderas. (Ctbl. f. Bakt., B. 37, 5.)
Verfasser liatte sich die Aufgabe gestellt, Ver¬
suche früherer Autoren nachzuprüfen und einige
neue Fragen aus der Biologie dieser Flagellaten
zu bearbeiten. Es waren folgende Fragen, die er
zu beantworten suchte:
1. Die Wirkung der Trypanosomen auf ver¬
schiedene Tierarten. 2. Feststellung der mini¬
malen zur Infektion noch ausreichenden Mengen
trypauosomenhaltigen Blutes. 3. Erhaltung der
Virulenz infektiösen Blutes unter verschiedenen
Aufbewahrungsbedingungen. 4. Uebergang der
Trypanosomen in verschiedene Körperflüssigkeiten
des infizierten Organismus. 6. Einwirkung einiger
chemischer und physikalischer Agentien auf die
Lebensfähigkeit der Trypanosomen.
Zur Untersuchung wurden verwendet: weisse
und graue Mäuse, weisse und graue Ratten, Meer¬
schweinchen, Kaninchen, Hunde, Katzen, Ziegen,
Fuchs, Tauben und Frösche. Das Infektions¬
material wurde meist subkutan oder intraperitoneal
injiziert. Die Untersuchungen erstreckten sich auf
Trypanosoma Brucei und Trypanosoma Elmassiani.
Die Zusammenfassung der Ergebnisse ergibt
folgendes:
1. Die künstliche Infektion mit Trypanosomen
der Nagana und des Mal de Caderas ergibt bei
Mäusen und Ratten eine sehr akute Erkrankung,
die weniger als eine Woche dauert; bei Hunden,
Fuchs, Meerschweinchen, Kaninchen und Katzen
nimmt die Krankheit einen langsamen Verlauf (1—6
Wochen); bei Ziegen erscheint sie äusserst chro¬
nisch; Frösche und Tauben sind immun.
2. Durch häufige Passage durch den Tier¬
organismus steigert sich die Virulenz der Trypano¬
somen.
3. Werden die Trypanosomen bei mikroskopi¬
scher Untersuchung des Blutes geimpfter Tiere
(Ziegen, Kaninchen, Katzen) vermisst, so liegt
darin kein Beweis, dass die Impfung nicht ge¬
haftet hätte, da ein derartiges Blut sich dennoch
als infektiös erweisen kann.
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Heft 2.
Fortschritte der Ve terin&r-Hygiene.
47
4. Um die Infektion zustande zu bringen, ist
eine äusserst geringe Zahl von Trypanosomen aus¬
reichend, da trypanosomreiches Blut selbst in Ver¬
dünnung von 1:5000 bis 1: 50 000 noch infiziert.
5. Ausserhalb des Organismus erhält sich das
Leben und die Virulenz der Trypanosomen der
Nagana und des Mal de Caderas am längsten
(bis zu 6 Tagen) im defibrinierten Blut bei Zim¬
mertemperatur; Zusätze von Kochsalzlösung oder
von Serum anderer Tiere, sowie niedrige oder Brut¬
schranktemperaturen beeinträchtigen die Konser¬
vierungsdauer.
6. Die Trypanosomen sind äusserst empfindlich
gegen Erwärmung und desinfizierende Substanzen.
7. Ausser dem Blute enthalten den Infektions¬
stoff noch die Ceretrospinalflüssigkeit, die pleu¬
ralen, peritonealen und perikardialen Exsudate, die
Galle und die Flüssigkeit der Hautödeme.
8. Unsere Hausfliegen sind nicht imstande als
Krankheitsüberträger zu dienen, wie etwa Tse-tse-
Fliege (Glossina morsitanz) bei der Nagana oder
die Mosca brava (Stomoxys calcitrans) bei dem
Mal de Caderas. Jacob.
Ten Broche. Einige Fälle von Filania-
Embryonen in dem Blute des Pfer¬
des und Rindes. Tijdschrift voor Veesit-
senyhunde. Moast 1905.
Ten Broche fand in dem Blute von zwei Pfer¬
den, welche schlechte Futteraufnahme, einen
schwankenden Gang im Hinterteile mit einiger
Schwellung an den Geschlechtsorganen zeigten,
doch übrigens frei normal waren, Filania-Embryo-
nen. Behandlung mit Liq. Focoleci ergab in einem
Falle Heilung der Krankheit. In dem Blute bei
Kälbern mit Diarhöe wurden ebenso dieselben
Parasiten gefunden. Verabreichung von Liq. Foco¬
leci blieb ohne Resultat. % Ubbels.
1) Jammes und Maudoul. Ueber die bakteri¬
ziden Eigenschaften der Säfte der
Würmer.
2) Dieselben. Ueber die Biologie der
C e s t o d e n. Berichte an die Academie des
Sciences (Paris), La Semaine medicale, 1904
No. 81, 1905 No. 5.
1) Die beiden Verfasser berichten über die
Untersuchungen, welche sie bezüglich der von
manchen Autoren behaupteten bakteriziden Eigen¬
schaft der Säfte der Würmer angestellt haben. So
hat man z. B. geglaubt, dass ein Bandwurm von
Vorteil sei für einen Tuberkulösen.
Die Autoren haben festgestellt, dass den As¬
kariden keineswegs eine Wirkung auf die Bakterien
zukommt.
Dagegen scheinen die Bandwürmer einen der¬
artigen Effekt hervorrufen zu können. Bei 5 Meer¬
schweinchen, welchen 5—8 ccm Bandwurmsaft (von
welcher Art, ist nicht angegeben. D. Ref.) intra¬
peritoneal injiziert worden waren, und welche
gleichzeitig eine Aufschwemmung von Tuberkel¬
bacillen in demselben Substrat subkutan erhalten
hatten, setzten die tuberkulösen Prozesse viel
später ein und waren merkbar weniger auagebreitet,
wie bei den Kontrollieren.
Aus diesen Gründen sind die Autoren geneigt,
in den Bandwurmsäften eine lösliche Substanz an¬
zunehmen, welche eine gewisse bakterienschädi¬
gende Wirkung besitzt.
2) Die Autoren suchen in vorliegender Arbeit
die Ursachen der bakteriziden Kraft der Bandwurm¬
extrakte zu erklären. Da diese den verschiedenen
Arten der Bakterien gegenüber verschieden ist —
nach der Empfindlichkeit geordnet, kommt zuerst
der Choleravibrio, daun der Typhusbacillus, der
Kolibacillus, endlich die sporenbildenden Mikroben
(B. subtilis, B. mesentericus) — so glauben die
Autoren, dass ein Parallelismus zwischen den Funk¬
tionen der Cestoden und denen der Darmwand des
Wirtes besteht. Diese Wechselbeziehung kann ge¬
folgert werden, wenn man bedenkt, dass der
Schmarotzer und die Darmwand sich in gleicher
Weise gegen die Wirkung der Verdauungssäfte ver¬
teidigen. Es ist deshalb die bakterizide Wirkung
der Tänien ein Schutzmittel analog demjenigen der
Schleimhaut des Verdauungsapparate, mit dem die
Parasiten auch noch in anderer Beziehung zu ver¬
gleichen sind, da sie von ihrer ganzen Oberfläche
die Nahrungsstoffe in sich auf nehmen.
Die Wirkung des Bandwurms wäre daher dahin
zusammenzufassen, dass er seine Abwehrmittel zu
denen seines Wirtes hinzufügt, und auf diese Weise
dem letzteren Nutzen stiftet. Carl.
Z. Yämoss j • Budapest. Ueber die' giftbin*
dende Tätigkeit der Leber. Magyar
Orvosi Arohivum. 1904. No. 2.
Der Autor machte die interessante Beobachtung
dass die Leber den grössten Teil der vom Darm-
trakte zur Aufsaugung gelangenden Gifte zu binden
vermag und den Organismus auf diese Weise vor
der schädlichen Einwirkung derselben bewahrt. Diese
Beobachtung wird durch eine Reihe der Unter¬
suchungen und Experimente bestätigt. Die Leber
verdankt diese ihre giftbindende Fähigkeit den ver¬
schiedenen Ei weisskörpern, die in ihr enthalten sind
und die Giftstoffe chemisch binden. Die in hohem
Grade giftigen Alkaloide (Strychnin, Atropin) wer¬
den durch die Nukle'ine der Leberzellen gebunden.
Die Leber hungernder Tiere oder fettig degenerierte
Lebern vermögen viel weniger Giftstoffe zu binden,
als die normale Leber des gut genährten Tieres.
Zimmermann.
de Does. Tumor der Stirnhöhle. Mitteilun¬
gen aus dem Geneesk. Labor, in Weitevreden,
Java.
Ein in der Stirnhöhle eines Pferdes gefundener,
apfelgrosser Tumor, der in den Maschen des binde¬
gewebigen Gerüstes teils frei, teils in riesenzellen¬
artigen Gebilden eingeschlossen war, enthielt para¬
sitenähnliche Kugeln, die einigermassen mit Mol-
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48
Fortschritte der Veterin&r-Hygiene.
3. Jahrgang
luskumkörperclien übereinstimmten. Die wahre
Natur dieser Körperchen konnte flieht näher fest-
gestellt werden. de Haan.
Jnlinsberg, Max. Ueber das Epithelioma
contagiosum von Taube und Huhn.
Dr. med. W., 1904, No. 43.
Die von Marx und Sticker seinerzeit an dem
Epithelioma contagiosum der Hühner angestellten
Versuche sind von Juliusberg an dem Epithelioma
der Tauben wiederholt und erweitert worden.
Juliusberg kommt zu folgenden Schlussfolgerungen:
1. Das Virus der Taubenpocke ist in derselben Weise
filtrierbar wie das Virus der Hühnerpocke. 2. Die
Inkubationszeit ist bei der Hühner- und Tauben¬
pocke bei der Impfung mit dem Filtrat um etwa das
doppelte länger als bei der Impfung mit den Ge¬
schwülsten resp. deren Krusten. 3. Bei der unter¬
suchten Taubenpockenepedemie war das Contagium
durch fortgesetzte Tierpassagen modifiziert und
schliesslich avirulent geworden. 4. Zusatz von
Erythrosin (l o/o) zu einer gleichen Menge des
Filtrats tötet nach dreitägiger Belichtung durch
Tageslicht das Virus ab. 5. Eine Uebertragung
auf den Menschen und auf Mäuse gelingt weder
mit der Tauben- noch Hühnerpocke. 6. Keiner der
aus dem Epithelioma contagiosum mit Leichtigkeit
züchtbaren Hefepilze, Kokken oder Bacillen ist
pathogen für Taube und Huhn.
Klee.
i
VIII. Internationaler Tierärztlicher
Kongress in Budapest.
Auf Ersuchen des Organisations-Komitees des
Kongresses hat Se. Kaiserl. und Königl. Hoheit
Erzherzog Josef August geruht, das Protekto¬
rat des VIII. Internationalen Tierärztlichen Kon¬
gresses zu übernehmen. Seine Hoheit erklärte sich
9 ,uch bereit, der feierlichen Eröffnungssitzung bei¬
zuwohnen und die Kongress-Verhandlung persön¬
lich zu eröffnen, sowie am Abend des ersten Tages
die offiziellen Vertreter der ausländischen Regie¬
rungen und die Kongressleitung in der königlichen
Burg zu empfangen.
Das Exekutiv-Komitee des im September 1. J.
zu Budapest abzuhaltenden VIII. Internationalen
Tierärztlichen Kongresses hat unter dem Vorsitze
von Dr. Franz Hutyra, Rektor der tierärzt¬
lichen Hochschule, eine Sitzung abgehalten, in
welcher mehrere den Kongress betreffende wichtige
Beschlüsse gefasst worden sind.
Ueber Vortrag des Generalsekretärs, Professor
Dr. Stefan von Rätz, wurde beschlossen, dass
die Eröffnungssitzung am 3. September, Sonntags
um 11 Uhr, stattfindet. Die Sitzungen der Vete-
rinär-Sanitäts-Polizei-Sektion sind für 4., 6. und
8. September anberaumt, an welchen Tagen keine
anderen Sitzungen abgehalten werden. Die Sitz¬
ungen der biologischen und pathologischen Sek¬
tion, sowie der etwa gesondert zusammen tretenden
Sektion für die tropischen Krankheiten, sind für
5. und 7. September angesetzt. Die Schlusssitzung
findet am 9. September statt, aber vorher hält
noch die pathologische Sektiop eine Sitzung ab
behufs Verhandlung der Frage über die Gebär¬
parese. ,
Für die Bequartierung und Zerstreuung der
Kongressmitglieder sorgt ein eigenes Komitee, an
dessen Spitze Professor Dr. Bela Plösz steht.
Auf den Antrag desselben wird das Exekutiv-
Komitee ausser dem je zweitägigen Besuche der
königl. - ungarisch. Staatsgestüte und Gestüts¬
domänen, auch Exkursionen in die Hohe Tätra (2
bis, 3 Tage) und an den Plattensee (1 Tag) arran¬
gieren, falls sich dafür die Teilnehmer in genügen¬
der Anzahl melden. Betreffs dieser Exkursionen
wird das Exekutiv-Komitee die Mitglieder recht¬
zeitig verständigen. Ausser dem üblichen Be-
grüssungsbankett wird das Municipium der Haupt-
und Residenzstadt Budapest die Kongressmitglie¬
der bewirten und auch sonstige Festivitäten stehen
in Aussicht, die königl. Oper aber beabsichtigt
zu Ehren des Kongresses eine Festvorstellung ab¬
zuhalten. Für die Zerstreuung der mit den Kon¬
gressmitgliedern anlangenden Damen wird ein
eigenes Damenkomitee sorgen, das zunächst kreiert
wird.
Die verschiedenen Lokal-Komitees haben über¬
all sehr eifrig für den Kongress agitiert. Das
unter dem Vorsitze Barriers, Direktor des tier¬
ärztlichen Instituts zu Alfort, stehende französische
Komitee hat bisher 31 Mitglieder; Professor Gal¬
tier aus Lyon 13 Mitglieder; Direktor Degive
aus Brüssel 34 Mitglieder, und Prof. Hess aus
Bern 16 Mitglieder angemeldet. Auch das unter
dem Vorsitze des Sektionsrates Binder stehende
österreichische Komitee hat dem Generalsekretariat
den Beitritt zahlreicher Kollegen angemeldet. Die
Anzahl der bisher angemeldeten Mitglieder be¬
trägt zirka 300.
Die in Angelegenheit der tropischen Krank¬
heiten abzuhaltende Konferenz hat namentlich in
England und in den englischen Kolonien lebhaften
Beifall gefunden. Das diesbezügliche Interesse
äusserte sich dahin, dass der englische Minister
des Aeussern durch den englischen Konsul zu
Budapest ausser den bereits gesandten Einladun¬
gen, noch weitere 200 Einladungen nebst Programm
erbeten hat.
Einsendung von Original-Abhandlungen«
Büchern, Monographien und Separat-Abdrilcken
wird direkt an den Redakteur, Kreistierarzt Dr.
O. Profd, Cöln a. Rh., Hansaring 50, oder an die
Verlagshandlung Louis Marcus, Berlin SW.,
Tempelhofer Ufer 7, erbeten.
tfttr d. Redaktion verantwortl. Kreistieragzt Dr. O. Profö, Cöln a. Rh., Hansaring 60. Druck von Pass & Garleb G m.b.H., Berlin W.35
Verlag und Eigentum: Louis Marcus Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 61.
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der Veterinär-Hygiene.
3. JAHRGANG. JUNI 1905.
HEFT 3.
Ein Fall von Uveitis malleotica.
von. J. de Haan, Arzt.
Direktor des „Geneeskundigen Laboratoriums“ zu
Weltevreden, Java, Niederl., Ost-Indien.
Mitteilungen über Augenrotz kommen in
der Literatur nicht häufig vor. Es scheint also
diese Lokalisation des Krankheitsprozesses eine
seltene zu sein. Richter 1 ) beschreibt den fol¬
genden Fall von Augenrotz bei einem Pferde.
Das kranke Auge zeigte eine granulierende
Keratitis. Die granulierende Stelle sass im
temporalen Augenwinkel auf der Corneoscleral-
grenze, war 12 mm lang, 5—7 mm breit, hatte
eine grau- bis blaurote Farbe und eine körnige,
ein wenig über die Umgebung hervorragende
Oberfläche, in welcher graue bis graugelbe
grieskorn- bis stecknadelkopfgrosse Körnchen
vorkamen, die nach 1—2 Tagen in Zerfall über¬
gingen und kleine Geschwüre zurückliessen.
Zwölf Stunden nach der Mallein-Einspritzung,
durch welche die Rotzdiagnose sichergestellt
wurde, war die granulierende Fläche grösser
und roter, und während vor der Injektion nur
einzelne Körnchen auf der Oberfläche zu
finden waren, war jetzt die Hälfte der Ober¬
fläche nach dem inneren Augenwinkel hin da¬
mit besät. Ungefähr 36 Stunden nach der Ein¬
spritzung war das alte Bild wieder zurück-
gekehrt.
Dieser Fall, w r orüber die Mitteilung mir
nur im Referat zugänglich war, wird auch von
Nocard und Leclainche 2 ) zitiert. Sie
geben dabei die Versicherung, dass „le dia-
gnostic bacteriologiquc est assure par le pro-
fresseur Schütz.“ Weiter fand ich noch eine
Mitteilung von Strzeminski 3 ) über einen
Tierarzt, der viel mit rotzigen Pferden in Be¬
rührung gewesen war und bei dem sich in
x ) Richter. Ein Fall von Angenrotz beim
Pferde. Jahresbericht der Veterinarmedicin 1896.
*) Nocard et Leclainche. Les maladies
microbiennes des animaux.
3 ) Strzeminski. Ein Fall von primärem
Rotz auf der Conjunctiva. Jahresbericht der Ve¬
terinarmedicin 1901.
der Konjunktiva des unteren Augenlides ein
kleines Knötchen bildete. Es wurde extirpiert
und bei mikroskopischer Untersuchung wurden
Rotzbazillen darin gefunden. Nach Kauterisa¬
tion der kranken Stelle mit dem Galvanocautcr
folgte Genesung.
Mit diesen zwei Fällen ist eigentlich, so¬
weit ich wenigstens die Literatur darüber hier
habe nachschlagen können, die Kasuistik des
Augenrotzes erschöpft.
Es besteht noch eine Mitteilung über eine
experimentelle Untersuchung G a 11 i e r s 4 ) über
die Möglichkeit der Aufnahme des Rotzkon-
tagiums durch die Konjunktiva. Bei 42 Meer¬
schweinchen brachte er eine Oese mit Rotz¬
bazillen in den Konjunktivalsack und sah, dass
danach bei 22 Tieren eine Infektion auftrat.
Die Konjunktiva zeigte oft keine Veränderun¬
gen, aber in den Halslymphdrüsen, den Lungen,
der Leber und Milz entwickelten sich Rotz¬
knoten. Obwohl diese Untersuchung theoretisch
sehr wichtig ist, scheint es mir doch sehr frag¬
lich, ob der allgemeine Rotz je in dieser Weise
entsteht, da es wohl kaum Vorkommen wird,
dass Infektionsmaterial in solcher Menge in
den Konjunktivalsack gerät.
Die grosse Seltenheit des Augenrotzes
macht somit die folgende Beobachtung
bemerkenswert. Bei einem rotzverdächtieren
Pferde hatte sich allmählich eine Augen¬
erkrankung gebildet, die wohl einiger-
massen auf die bei Pferden öfters vor¬
kommende Mondblindheit deutete, obwohl
vom behandelnden Tierarzte die Möglichkeit
einer rotzigen Erkrankung des Auges in Be¬
tracht gezogen wurde. Die Kornea war trübe
und in der vorderen Augenkammer befand sich
auf dem Boden ein Exsudat, das nur wenig
flüssig war. Als die Vermutung des Rotzes zur
Gewissheit geworden war, wurde das Tier ge¬
tötet und das Auge zur weiteren Untersuchung
dem Laboratorium überlassen. Bei der makro-
G a 11 i e r. lieber die Aufnahme von Con-
tagien durch die Conjunctiva. Jahresbericht der
Veterinarmedicin 1899.
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50
3. Jahrgang.
Z' (M »
/O
^v*ortsohritte der Veterinär-Hygiene.
skopischen Untersuchuitefcach sagittaler Durch¬
schneidung ergab sich, re^
Augenkammer ein zähflüssig^! Exsudärlag,
das sich teilweise in dünner Schichte auch über
die Hinterfläche der Kornea ausgebreitet hatte.
An der temporalen Seite des Auges waren schon
mit blossem Auge auf der Hinterfläche der
Iris einige graugelbe stecknadelkopfgrosse
Knötchen zu sehen inmitten eines graugelben
Belages, der sich auch über die Chorioidea aus¬
breitete. Nach Härtung und Anfertigung mi¬
kroskopischer Schnitte dieses Teiles wurden in
der Iris, dem Corpus ciliare und der Chorioidea,
also im ganzen Uvealtraktus, eine Anzahl klei¬
ner Knötchen und ein kleinzelliges Infiltrat ge¬
funden, deren Zellen jedoch so dicht gedrängt
waren, dass es nicht gelang, darin Rotzbacillen
zu finden. Sie wurden aber in Rein¬
kultur gezüchtet aus dem Exsu¬
date, das Iris und Chorioidea be¬
deckte. Auch die Skleralgrenze der Kornea
war mit Leukocyten infiltriert.
Es ist nicht wahrscheinlich, dass die Rotz¬
mikroben von der Aussenseite her in das Auge
geraten sind. Jedenfalls hat auch der Rotz,
der in seinem ganzen Verlaufe so mancherlei
Uebereinstimmung hat mit der Tuberkulose,
wie wir sie beim Menschen beobachten, wie
diese Krankheit das Vermögen, unter nicht
näher zu bestimmenden Umständen in dem
Uvealtraktus Metastasen zu bilden.
Zur Kenntnis der Transsudate und
Exsudate bei Tieren unter normalen und
pathologischen Verhältnissen.
Von Georg Kaiser, Homburg v. d. Höhe.
(Fortsetzung und Schluss.)
Untersuchungen der Transsudate
und Exsudate auf den Gehalt an
Bilirubin.
A. Historisches.
Der Gallenfarbstoff, das Bilirubin, dürfte
aus den Lehrbüchern der Physiologie genügend
bekannt sein. Es erübrigt hier nur noch, sein
sonstiges Vorkommen und seine Verwandschaft
mit anderen Körpern kurz klar zu legen. Bili¬
rubin soll mit den Haematoiden identisch sein,
und führt sein Abstammen auf den Blutfarb¬
stoff zurück. Es ist wahrscheinlich, dass in
der Leber Blutkörperchen aufgelöst werden,
deren Hämoglobin durch Abgabe seines Eisen¬
gehaltes und Aufnahme von Wasser in Bili¬
rubin umgewandelt wird. Bilirubin findet
sich ausser in der Galle überall da, wo ausser¬
halb des Kreislaufes Blut stagniert und der
Zersetzung anheimfällt (15), so bei apoplek-
tigen Blutergüssen, in Thromben, in jedem
Graf sehen Follikel, aus dem sich in den¬
selben ergiessenden Blutstropfen bei der men-
strualen Zerreissung desselben, bei allen Blut¬
ergüssen in den Lfungen und überall da, wo
subkutan Blut injiziert wurde. Von Ehrlich
wurde es in den pleuritischen Exsudaten bei
Menschen festgestellt.
Olof. Hamarsten berichtet über das
Vorkommen von Gallenfarbstoff im Blutserum
von Mensch und Tier.
Dieser Autor führt die schöne bernstein¬
gelbe Farbe, welche oft im Pferdeblutserum
beobachtet wird, wenigstens teilweise auf Bili¬
rubin zurück. Er stellte auf chemischem Wege
das Bilirubin aus Pferdeblutserum dar. Die
Menge des Farbstoffes wechselt sehr.
Von 20 untersuchten Fällen fand er nur
in drei Fällen kein Bilirubin. Das Blut zu
seinen Untersuchungen entnahm er teils mittelst
Aderlass bei lebenden Tieren, teils geschlachtet
sofort nach der Tötung. Nach den Ergebnissen
seiner Untersuchungen kommt er zu dem
Schlüsse, dass Bilirubin als ein physiologischer
Bestandteil des Pferdeblutserums aufzufassen,
sei. Die Untersuchungen, die er über etwaigen
Bilirubingehalt des Menschen- und Rinder¬
blutes anstellte, ergaben ein negatives Re¬
sultat.
B. Eigene Untersuchung.
Bei meinen Untersuchungen zum Nach¬
weis des Bilirubingehaltes der Transsudate und
Exsudate bediente ich mich folgenden Ver¬
fahrens :
Ich zentrifugierte die Flüssigkeit während
einer Dauer von 10 Minuten, wobei sich die
zelligen Elemente zu Boden setzten. Die klare
Flüssigkeit wurde abgegossen und diese auf
Bilirubin geprüft.
Zum Nachweiss des Bilirubins wurde die
Ehrlich sehe Diazolösung verwandt. Wie
Ehrlich zuerst gezeigt hat, verbindet sich
das Bilirubin mit Diazo-Verbindung zu einem
prachtvollen Farbstoff, dem Azobilirubin, das
in saurer Lösung blau, in neutraler rot, in
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Heft 3.
Fortschritte der Veterin&r-Hygiene.
51
ammoniakalischer violettrot ist. Mittelst der
Diazolösung lässt sich das Bilirubin noch in
einer Verdünnung von 1 : 60 000 (17) nach weisen.
Um das Bilirubin im Blutserum, Transsudate
etc. festzustellen, fällt man das in den ge¬
nannten Flüssigkeiten enthaltene Eiweiss zu¬
nächst mit Vs Alkohol aus, filtriert, setzt zu
dem alkoholischen Filtrat Diazolösung zu und
säuert mit Salzsäure stark an.
Ist Bilirubin in nicht zu geringer Menge
vorhanden, so färbt sich die Flüssigkeit pracht¬
voll blau. Ist Bilirubin nur in Spuren da, so
färbt sich die Flüssigkeit leicht bläulich.
Schüttelt man die Flüssigkeit mit Chloroform
aus, so geht das Azobilirubin je nach der Kon¬
zentration der Lösung mit blauer oder blau¬
violetter Farbe in das Chloroform über.
In meinen Protokollen bezeichne ich ein
Bilirubingehalt, bei dem sich die Flüssigkeit
schön blau färbt, als „deutliche Reaktion 1 ',
eine solche, bei dem die Flüssigkeit nur etwas
leicht bläulich wird, als „Spur 1 '.
Zusammensetzung der Diazolösung:
I. 1 g Amidoazetophenon werden in 1000 ccm ver¬
dünnter Salzsäure gelöst und 950 ccm Wasser
und 50 ccm Salzsäure.
II. 0,5 Natrium nitrit, in 100 ccm destilliertem Wasser.
Zum Gebrauch werden 40 ccm von Lösung I mit
1 ccm von Lösung II vermischt.
Von 12 Pferden zeigten in der Peritoneal¬
flüssigkeit 11 Spuren, 1 deutliche Reaktion,
von 10 Pferden in der Pericardialflüssigkeit
2 Spuren, 8 deutliche Reaktion, von 5 Pferden
in der Pleuralflüssigkeit 1 keine Reaktion, 3
Spuren, 1 deutliche Reaktion. Je 4 Rinder
und Schafe und 5 Schweine Hessen in sämt¬
lichen zur Untersuchung gelangten Flüssig¬
keiten keinerlei Reaktion wahmehmen.
Die Befunde über den Bilirubingehalt
(lecken sich mit dem Befunde von O. Ha¬
inarsten und bestätigen, dass im Pferde¬
serum im Gegensatz zum Serum der übrigen
Tiere Bilirubin enthalten ist.
Dementsprechend fand ich auch in den
Transsudaten und Exsudaten des Pferdes
gleichfalls Bilirubin.
Untersuchungen auf den Gehalt der
Transsudate an Hämolysin.
Historisches.
Belfanti und Parbone stellten als
die Ersten fest, dass durch Behandlung von
Tieren mit den Blutkörperchen einer fremden
Spezies das Serum dieser Tiere eine hohe Gif¬
tigkeit für eben diese Spezies gewann. Bor¬
det gelang der Nachweis, dass diese Giftwir¬
kung in corpore die Fähigkeit einer spezi¬
fischen Hämolyse in vitro entspricht. Das Er¬
gebnis dieses Versuches war, dass durch Ein¬
führung roter Blutkörperchen einer beliebigen
Spezies in den Organismus einer anderen die
Bildung von Hämolysinen ausgelöst wird,
welche die Blutkörperchen der Spezies, deren
Blut zur Injektion benutzt war, so schädigt,
dass ihr Hämoglobin in Lösung geht.
Neuerdings ist es den für die gesamte
Pathologie hoch bedeutsamen Forschungen von
Ehrlich und Morgenroth gelungen, den
Mechanismus dieser Vorgänge eingehend zu
untersuchen und aufzuklären.
Historischer Rückblick und Zu-
sammenfa8sungder Lehre Ehrlichs.
Durch Untersuchungen von Landois,
später von Büchner (18) und anderen war
es bekannt, dass dem Serum mancher Tiere
die Eigenschaft zukommt, auf das Blut von
Tieren anderer Spezies in der Weise einzu¬
wirken, dass dasselbe durch Austritt des Hä¬
moglobins aus den roten Blutkörperchen lack-
farben wird, ein Vorgang, der jetzt allgemein
als Hämolyse bezeichnet wird.
Der feinere Mechanismus, welcher sich bei
diesen Vorgängen abspielt, wurde erst später
geklärt, als es bekannt wurde, dass (diese
hämolytische Eigenschaft des Blutes gesteigert
werden kann durch Einverleibung von roten
Blutkörperchen einer Tierspezies bei einer
anderen, also kurz gesagt durch ein Immuni¬
sieren mit und gegen rote Blutkörperchen
(Bordet).
Vor allem ist es das Verdienst Ehrliche
und Morgenroths (19), die Vorgänge,
welche bei dieser künstlich gesteigerten Hä¬
molyse sich abspielen, genau studiert zu haben.
Unter anderem stellten sie durch Vergleich
mit den normalen hämolytischen Vorgängen
fest, dass der Mechanismus der normalen und
künstlich gesteigerten Hämolyse dem Wesen
nach dasselbe ist und es sich nur um eine
quantitative Verschiedenheit handelt.
Dieses erscheint auf Grund der heute fast
allgemein anerkannten SeitenkettentheDrie
Ehrlichs als durchaus verständlich.
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52
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
3. Jahrgang.
Nach der Ehrlich sehen Anschauung be¬
steht jede Zelle aus einem Leistungskern und
verschiedenen Seitenketten. Die Seitenketten
haben zu den im Blute kreisenden Nährstoffen
chemische Affinitäten.
Den Seitenketten, die Ehrlich mit dem
Namen Rezeptor belegt hat, kommt die Eigen¬
schaft zu, die verschiedensten Stoffe, die in
der Blutbahn kreisen, abzufangen. Während
Nährstoffe, die auf solche Weise von der Zelle
verankert werden, für den Haushalt der Zelle
nutzbar gemacht werden, ist das Verhalten der
Zellen .unter bestimmten Bedingungen ein
ganz anderes. So gegenüber den Toxinen und
denjenigen Stoffen, gegen welche eine Immuni¬
tät des Organismus zu erzielen ist. Diejenigen
Stoffe, gegen welche immunisiert werden kann,
gehören wohl zu den komplizierten Eiweiss¬
verbindungen, stehen also chemisch den Nah¬
rungsmitteln äusserst nahe. Werden nun der¬
artige Giftstoffe in einen Organismus einge¬
führt, so werden sie von denjenigen "Rezep¬
toren, mit welchen sie chemisch verwandt sind,
zunächst ergriffen und an die Zelle gebunden.
Es entsteht dadurch ein Rezeptorendefekt, in¬
dem so die so besetzten Rezeptoren für die
physiologische Verankerung von Nährstoffen
nicht mehr disponibel sind. Es wäre die Zelle,
falls der Zustand so bliebe, nicht imstande,
das Nahrungsmittel, welches normaliter von
diesem besetzten Rezeptor ergriffen werden
soll, an sich zu ziehen. Es ist also eine not¬
wendige Forderung für die Erhaltung der
Zelle, dass dieser Rezeptor neu gebildet wird.
Man ist nun sicher berechtigt, das Wei¬
gert sehe Gesetz der Ueberkompensation auch
auf diese feinsten biologischen Zellenvorgänge
zu übertragen, und so nahm Ehrlich an, dass
auch in diesem Falle nicht nur ein Rezeptor
der verlorengegangenen Art, sondern eine
ganze Reihe neuer gebildet wird. Werden auch
diese Rezeptoren durch Einführung der auf
dieselbe passenden Substanz besetzt, so wird
es wieder zu einer Regenerierung kommen, die
schliesslich einen solchen Umfang annimmt,
dass sie von der Zelle losgestossen frei im
Serum kreisen.
Diese losgestossenen Rezeptoren stellen
das Immunisierungsprodukt dar und werden
bei einer neuen Einführung des giftigen Ei¬
weissmoleküls dieses während der Zirkulation
im Blute abfangen, und so verhindern, dass
die noch in der Zelle sitzenden Rezeptoren be¬
legt und so unter Umständen durch toxische
Wirkung zerstört werden.
Ganz dieselben Vorgänge spielen sich nun
ab (bei der Immunisierung !mit roten Blut¬
körperchen.
Wir sehen nach Einführung derselben in
einen Tierorganismus eine Neubildung und
Lostrennung von Rezeptoren stattfinden. Diese
losgestossenen [Rezeptoren belehnet Ehr¬
lich .als Immunkörper oder Zwischenglied.
Es stellt sieh nämlich heraus, dass die Wir¬
kungsweise dieses Immunisierungsproduktes
nicht eine so einfache ist wie die Wirkung
des durch Bakterienprodukte erhaltenen Anti¬
körpers.
In diesem letzteren Falle genügt das Zu¬
sammentreten des Immunisierungsproduktes,
d. h. des Antitoxins mit dem Toxin, um letz¬
tere unwirksam zu machen. Es verhalten sich
beide zu einander wie Säure und Base.
Die Wirkung eines durch Immunisieren
erzeugten hämolytischen Serums findet nur
statt, wenn das Serum frisch ist. Es geht fast
stets verloren bei längerem Stehen oder wenn
man das Serum eine halbe Stunde auf 56°
erwärmt. In beiden Fällen wird aber die ur¬
sprüngliche hämolytische Wirksamkeit des
Serums sofort wieder hergestellt, wenn man
frisches, normales Serum hinzufügt.
Es besteht in diesem Verhalten eine ab¬
solute 'Uebereinstimmung der hämolytischen
Sera mit den Baktericiden, wie Pfeiffer
bereits früher beschrieben hat. Durch geist¬
reiche Versuche, die näher zu erörtern hier zu
weit führen würde, haben Ehrlich und
Morgenroth mit unumstösslicher Sicherheit
nachgewiesen, dass das Immunisierungsprodukt
von Ehrlich als Immunkörper bezeichnet,
welches bei der Behandlung eines Tieres mit
roten Blutkörperchen und auch mit Bakterien
in der vor besprochenen Weise entsteht, direkt
mit den Zellen derselben Art, welche die Los*
stossung der Rezeptoren veranlasst haben, Zu¬
sammentritt und sich imit einer bindenden
Gruppe fest an ihnen verankert.
Es ist als solches aber noch nicht imstande,
die Zelle zu schädigen, dazu ist es notwendig,
dass noch ein anderer Faktor hinzutritt, der
eine Verwandtschaft zu einer zweiten binden-
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Heft 3.
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
53
den Gruppe des Immunkörpers haben muss
und auch dieser, der nur als Zwischenglied
fungiert, die Zelle vernichtet. Dieser zweite
Stoff, der im Gegensatz zu dem recht stabilen
Immunkörper zu den allerlabilsten Substanzen
gehört, die wir kennen, nennt Ehrlich Kom¬
plement.
Erwähnt sei noch, dass Ehrlich für
einen solchen Immunkörper, der also zwei
Affinitäten hat, den Namen Ambocepter ein¬
geführt hat, während er den antitoxischen
Immunkörper, der allein schon wirksam ist, als
Uniceptor bezeichnet. (Siehe Schlussbetrach¬
tung Ehrlichs [10].)
Das Komplement ist ein Bestandteil des
normalen Serums. Wodurch eine Steigerung
oder Veränderung desselben im Organismus
herbeigeführt wird, ist uns unbekannt. Der
Immunkörper dagegen ist also abhängig bei
einer künstlichen Immunisierung von der Art
und Menge der eingeführten Eiweissstoffe,
muss dann aber bei nicht behandeltem Tier
sicher abhängig sein von Einflüssen wie die
Fütterung oder wie der Zerfall und Resorption
von Zellen, der ja beständig im Organismus
vor sich geht.
Ein genaueres Studium der hämolytischen
Sera unter den verschiedensten Bedingungen
muss im Laufe der Zeit unbedingt dazu führen,
unsere Kenntnisse der feinsten biologischen
Vorgänge zu erweitern.
So wollte ich es auch nicht unterlassen, da
mir in den Transsudaten und Exsudaten ein
schönes Material zu Gebote stand, durch Unter¬
suchung derselben auch nach dieser Richtung
hin einen kleinen Beitrag für die physiologische
Forschung zu liefern.
Eigene Untersuchungen.
Die Versuche wurden in der Weise aus¬
geführt, dass eine Serie Reagensgläser mit ab¬
steigender Menge der zentrifugierten. Flüssig¬
keit beschickt und alsdann ein Tropfen defi-
briniertes Kaninchen- oder Meerschweinchen¬
blut oder 1 ccm 5 o/o Aufschwemmung von
Blutkörperchen dieser Tiere in 0,85 °/o Koch¬
salzlösung zugegeben wurde. Nach zweistün¬
digem Verweilen im Brutschrank und nach
weiteren 12 Stunden im Eisschrank ist der
Versuch beendet und man sieht dann, ob die
eventuelle Lösung der Blutkörperchen ein¬
getreten ist.
Macht man mit abfallender Menge der zen¬
trifugierten Flüssigkeit Reihen, so findet man
leicht die Grenzen der kompletten Lösung und
die Grenze, wo keine Spur von Lösung mehr
eintritt.
Als „komplett 4 ‘ ist in folgendem stets die¬
jenige Probe bezeichnet, bei welcher ein Um¬
schütteln keinerlei corpusculäre Elemente mehr
erkennen lässt, dann folgt „inkomplett“, wenn
noch fein deutlich zusammenhängendes Sedi¬
ment zu konstatieren war, dann folgt „Spur“
und dann „Null 4 *.
Es sind zunächst von 8 Pferden die ver
schriedenen Flüssigkeiten in steigenden Mengen
0,1 bis 1,0 untersucht worden. Weder Meer¬
schweinchen- noch Kaninchenblut wird vom
Pferdetranssudate gelöst. Auch in einem Falle
eines an Lumbago leidenden Pferdes, wo Se¬
rum und Transsudate geprüft wurden, fand
sich keine hämolytische Wirkung. Auch Blut
eines anderen normalen Pferdes wurde von
Serum und Transsudate nicht gelöst (kein
Isolysin).
Versuche mit Flüssigkeiten von Rindern.
1. Zugesetzt 1 ccm 5% Kaninchenblutlösung.
Peritoneal!! iiss igkeit
1,0 —komplett
0,75 = „
0,5 = „
0,25 = inkomplett
0,1 = rot
Perikardial fliissigkeit
1,0 = komplett
0,75 — inkomplett
0,5 = rot
0,25 = Spur
0,1 = Null.
2. Zugesetzt 1 ccm 5% Kaninchenblutlösung.
Peritonealflüssigkeit
1,0 — komplett
0,75 =
0,5 = „ Schleier
0,25 =
0,1 = rot
Perikardialflüssigkeit
1,0 = komplett
0,75 = inkomplett
0,5 = rot
0,25 = Spur
0,1 = Null.
3. Zugesetzt 1 ccm 5% Meerschweinchenblutlösung.
Peritoneal fliissigkeit
0,1 = inkomplett
0,75 —
0,5 =
0,25 «?= rot
0,1 = Spur
Pleuralflüssigkeit
0,1 = inkomplett
0,75 =
0,5 =
0,25 — Spur
0,1 — rot.
4. Zugesetzt 1 ccm Meerschweinchen bl utlösung
Pleuralflüssigkeit Perikard ialfliissigkeit
1,0 = komplett 1,0 = komplett
0,75 = * 0,75 = inkomplett
0,5 = „ 0,5 = „
0,25 = rot 0,25 = Spur
0,1 ==. Spur 0,1 — Null.
5. Zugesetzt 1 ccm 5% Kaninchenblutlösung.
Perikardialflüssigkeit
1,0 = komplett 0,5 — inkomplett
0,75 = w 0,25 = Spur
0,1 = Null.
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54
Fortschritte der Veterinär-Hy giene.
3. Jahrgang.
6. Kalb, zugesetzt ein Tropfen defibriniertes
Kaninchenblut.
Peritonealflüssigkeit
1,0 = inkomplett 0,5 = rot
0,75 = rot 0,25 = Spur
0,1 = Null.
7. Kalb, zugesetzt ein Tropfen defibriniertes Meer¬
schweinchenblut.
Perikardialflüssigkeit
.1,0 inkomplett 0,5 rot
0,75 rot 0,25 Spur
0,1 = Nuü.
Die Transsudate vom Rinde lösen regel¬
mässig Meerschweinchen- und Kaninchenblut.
Kaninchenblut scheint in der Regel etwas
stärker gelöst zu werden. Die Transsudate
von Kälbern scheinen nach den von mir an-
gestellten Versuchen eine deutlich geringere
Wirkung zu haben, als die von Erwachsenen.
Die lösende Wirkung des Serums beim Ochs
ist anscheinend nur um ein geringes stärker.
Die in gleicher Weise angestellten Ver¬
suche mit 3 Schafen ergaben, dass die Trans¬
sudate der Schafe lösen und keinen Unterschied
von einander zeigen.
Die in gleicher Weise wie beim Rinde vor¬
genommenen Versuche mit Flüssigkeiten von
7 Schweinen ergaben, dass die Transsudate
vom Schwein auf Meer sch weinchenblut lösende
Wirkung zeigen, während Kaninchenblut nicht
gelöst wird. Das Serum zweier Tiere, das auf
Kaninchenblut einwirkte, hatte nur eine Spur
Lösung.
* *
♦
Die vorliegenden Versuche dürften immer¬
hin eine gewisse Grundlage für das weitere
Studium der normal vorkommenden Hämoly- (
sinen der Körperflüssigkeiten bilden. Aus den
Versuchen mit dem Transsudate von Ochs,
Kalb, Schaf, Schwein ergibt sich, dass sich in
demselben wirksame normale Hämolysine be¬
befinden. Die Transsudate vom Schaf ent¬
halten, wie ja auch regelmässig das Serum
dieser Spezies, Hämolysine (Zwischenkörper +
Komplement) für die Blutkörperchen des Ka¬
ninchens und Meerschweinchens.
Auch die Transsudate des Ochsen lösen
diese Blutkörperchen arten auf, ein Verhalten,
das demjenigen, welches man wohl meistens
beim Serum dieser Spezies antrifft, entspricht.
Von Interesse dürfte es sein, dass anschei¬
nend bei Saugkälbern die hämolytische Wir¬
kung der Transsudate eine geringere ist und
man geht vielleicht nicht fehl, wenn man hier
einen gewissen Einfluss der Ernährung an¬
nimmt. Ein abweichendes Verhalten zeigen die
Transsudate des Schweines, indem dieselben
nur ein Hämolysin für Meerschweinchenblut,
kein Hämolysin für Kaninchenblut enthalten.
Frei von Hämolysin erweisen sich die Sera
und Transsudate der zahlreich von mir unter¬
suchten Pferde.
Ob das Ausbleiben der hämolytischen Wir¬
kung auf der Abwesenheit von Zwischenkör¬
pern oder Komplement oder auf dem Fehlen
von beiden beruht, müsste noch der Gegen¬
stand besonderer Untersuchung sein. Die von
mir erhaltenen Befunde können durchaus nicht
unerwartet sein, da auch das Serum des Pferdes
in vielen Fällen keine oder nur sehr geringe
hämolytische Wirkung für das Kaninchen- und
Meerschweinchenblut besitzen.
Der Zweck meiner allerdings lückenhaften
Untersuchungen wäre erfüllt, wenn dieselben
dem tierärztlichen Kliniker eine gewisse Grund¬
lage geben würde für die Untersuchungen über
das Verhalten pathologischer Exsudate, denn
ich bin überzeugt, dass auch die Veterinär¬
medizin von dem eingehenden Studium der
Körperflüssigkeiten in der Richtung, wie sie
Ehrlich in seinen Schlussbetrachtungen vor¬
gezeichnet hat, für die Diagnostik und für das
Verständnis mancher pathologischer Prozesse
reichen Nutzen ziehen würde.
Für erfolgreiche, Fehlerquellen vermei¬
dende Untersuchungen dieser Art ist aber vor
allem eine gründliche Kenntnis der normalen
Körperflüssigkeiten nötig, da in den oft be¬
deutenden individuellen Schwankungen ihrer
Eigenschaften sonst die Möglichkeit mannig¬
faltiger Irrtümer gegeben ist.
♦ *
*
Zum Schlüsse ist es mir eine ebenso an¬
genehme wie ehrenvolle Pflicht, Herrn Geheim¬
rat Prof. Dr. Ehrlich für die liebenswürdige
Bereitwilligkeit, mit der er mir einen Arbeits¬
platz im Königl. Institut für experimentelle
Therapie zu Frankfurt a. M. zur Verfügung
gestellt hat und für das ständige Interesse und
die unablässige Förderung, die er mit Rat und
Tat mir bei meinen Arbeiten entgegengebracht
hat, auch an dieser Stelle meinen aufrichtigsten
Dank zu sagen.
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Heft 3.
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
55
Verzeichnis der benutzten Literatur.
1. Ehrlich-Lazarus. Die Anämie.
2. Wi dal-Rav aut. Applications cliniques de
l’6tude histologique des äpanchements s6ro-flbrineux
de la plövre (pleurösies tuberculeuses). Comptes
Rendus de la sociötö de Biologie 1900.
3. Dieselben. Applications cliniques de l’6tude
histologique des 6panchements s6ro-fibrineux de la
plövre (pleurösies möcaniques). Comptes Rendus etc.
4. Dieselben. Applications cliniques de Tötude
histologique des 6panchements söro-flbrineux de la
pl&vre (pleuräsies infectieuses aigues). Comptes
Rendus xx.
5. Dieselben. Recherches histologiques sur le
liquide des pleurösies experimentales.
6. L. Milschner. Ueber das Vorkommen von
Mastzellen bei myelogener Leukämie. Zeitschrift für
klin. Medizin 1900. p. 194.
7. Alfred Wolf. Transsudate und ihre Mor¬
phologie und Unterscheidung. Zeitschrift für klin.
Medizin 1901. No. 5 u. 6. p. 398.
8. Litten. Zur Diagnostik der pleuritischen
Exsudate. Med. Woche 1901 No. 19.
9. Coenen. Ueber künstlich erzeugte Exsu¬
date. 1901.
10. M. L. Ran vier. Sur les 616ments anatomi-
ques de la s6rosit6 peritoneale. Comptes Rendus des
seanoes. 1890—91.
11. J. Sabrazes-L. Muratet. Formule cyto-
logique des serosites normales de la plevre et du
peritoine du boeuf. Comptes Rendus de l’academie
des Sciences. 31. XII. 1900.
12. J. Sabrazes-L. Muratet. Titel No. 11. Am
21. X. 1900. 11. XI. 1900.
13. Ehrlich-Lazarus. Die Anämie. Noth¬
nagels spez. Pathologie und Therapie.
14. Ehrlich-Lazarus.
15. Landois. Lehrbuch für Physiologie 1900.
16. Olof Hamarsten. Om förekomsten af gall-
fÖryämm i blodserum. Upsala Lakarefbrenings
förhaudlingar 14.50. Ref. i. Maly’s Tierarschiv VIII.
1878.
17. Dr. Pröscher. Ueber Acetophenon arobili-
rubin. Hoppe-Seilers Zeitschrift XXIX Heft 5 u. 6.
18. S. Büchner. Münchener mediz. Wochen¬
schrift 1900. No. 9.
19. Ehrlich-Morgenroth. Ueber Hämolysine.
Erste bis sechste Mitteilung. S. A.
20. Ehrlich. Schlussbetrachtungen. S. A. aus
Nothnagels spez. Pathologie und Therapie.
Oeffentliches Veterinärwesen.
Stand der Tierseuchen im Deutschen Reich
am 15. Mai 1905.
Der Botz gelangte zur Feststellung in
Preussen in 11 Gemeinden und 14 Gehöften, in
Bayern in 3 Gemeinden und 3 Gehöften, zu¬
sammen somit in 14 Gemeinden und 17 Ge¬
höften. Die Aphthenseuche wurde ge¬
meldet in Preussen aus je einem Gehöft der
Regierungsbezirke Königsberg, Posen, Brom¬
berg und Breslau, aus 7 Gemeinden und
11 Gehöften Bayerns, aus 4 Gemeinden und
ebensovielen Gehöften in Württemberg, aus
2 Gemeinden und 6 Gehöften in Hessen, zu¬
sammen somit aus 17 Gemeinden und 25 Ge¬
höften. Die Schweineseuche einschliesslich
der Schweinepest gelangte zur Anzeige
in 1762 Gemeinden und 2263 Gehöften.
Referate.
1 nfektion skrankh eiten.
E. t. Behring. Ueber alimentäre Tuber¬
kuloseinfektion im Säuglingsalter
(Klinik d. Tuberkulose B. IH, 2).
Verf. hält an der Anschauung fest, dass „die
menschliche Lungenschwindsucht nur das Ende vom
Liede ist, das einem Schwindsuchtskandidaten an
der Wiege gesungen ist“, d. h. dass genau wie bei
der Lungentuberkulose der erwachsenen Rinder, die
Lungenphtise auch beim Menschen das typische
Ende einer chronisch verlaufenden, epizootischen
Tuberkuloseinfektion im Säuglingsalter ist, die nicht
mit Selbstheilung endigte. Dann betont Verf. noch¬
mals, auf den Inhalt seines Stockholmer Vortrages
zurückkommend, die Möglichkeit der Tuberkulose-
immun isierung von Rindern und die Priorität seiner
Ergebnisse gegenüber M’Fadgan. Es wird freilich
erst die Zukunft entscheiden, ob die durch Jenneri-
sierung gegen Perlsucht geschützten Kühe auch
dauernd nach längerer Benutzung zu intensiver
Milchproduktion gegen Tuberkulose immun bleiben,
ob ihre Mischmilch in der Tat ganz frei von Tuberkel¬
bazillen ist und daher auch ohne Sterilisierung ein
ideales, der enormen Säuglingssterblichkeit vor¬
beugendes Nahrungsmittel bildet v. Behring weist
auf die Mangelhaftigkeit auch der „Milchkuranstalten“
und Sanitätsmolkereien hin und ihre abnorm hohen
Preise und betont, dass der Keim zur Tuberkulose
ebensogut durch die bazillenhaltige Muttermilch, als
durch ebenso infizierte Kuhmilch auf den Säugling
übertragen werden kann und dass auch durch die
Milch, die bazillenfrei war, insofern Infektionen ver¬
mittelt werden können, als alle Bazillen, die sich auf
andere Weise (Staub, Tröpfchen der Atmungsluft
Kranker etc.) in der Mundhöhle der Kinder an¬
gesiedelt haben, durch die Milch in Magen und Darm
hinuntergespült werden. „Die Säuglingsmilch ist
die Hauptquelle der Schwindsuchtsentstehung.“
Energisch bekämpft Verf. das Missverständnis seiner
Gegner (Heymann und Speck u. a ), die ihm an
Stelle dieses Satzes die Worte in den Mund gelegt
hatten: die Kuhmilch ist die Hauptquelle für die
Schw indsuchtsentstehung.
Verf. betont nachdrücklich, dass er die Möglich-
**
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56
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
3. Jahrgang.
keit der Infektion Erwachsener mit Tuberkulose¬
virus anerkenne, dass diese Infektion sogar enorm
häufig sei; nur dass gerade sie das Bild der ulzerösen
Schwindsucht hervorrufen sollen, bestreitet er. Die
Inhalationstheorie (Flügge, Comet) hält er nach wie
vor für unzutreffend.
Die lokalen Gewebszerstörungen der Lungen¬
schwindsucht seien der Ausdruck der Infektion bei
einem durch frühzeitigen Import von Tuberkel¬
bazillen weniger tuberkuloseempfänglich gewordenen
Individuum. Wenn man Bazillenmengen, wie die
der Schwindsuchtlunge in die der Gewebssäfte eines
noch nicht partiell immunisierten Menschen bringen
würden, so bekäme er eine Miliartuberkulose, aber
keine Lungenschwindsucht. Was die Vererbung der
Tuberkulose betrifft, so betont Verf. im Gegensatz
zur kongenitalen und prägenitalen die postgenitale
Heredität. Jacob.
C. Flügge« Erwiderung auf v. Behrings
Artikel: Ueber alimentäre Tuber¬
kuloseinfektion (ibid.)
Verf. kann nach wie vor nur den Leitsatz „Kuh¬
milch als Hauptquelle der Infektion“ (statt Säuglings¬
milch“) aus Behrings Publikationen herauslesen, da
Behring selbst auf dfe praktisch enorm seltene
Tuberkelbazilleninfektiön der Muttermilch nicht
weiter eingeht und sich v. Behrings ganze Wirk¬
samkeit doch im wesentlichen auf die Bekämpfung
der Tuberkulose durch den Versuch einer Tilgung
der Tuberkelbazillen in der Kuhmilch erstreckt.
Nach Verf. teilen diese angeblich falsche Auffassung
Wolff, Schlossmann, Unruh, Ritter, Volland, Cornet,
Loeffler, Fischer, B. Fraenkel, Bajinsky u. a. Dann
protestiert F. energisch gegen die „Wortverdrehung“,
die darin liegt, dass v. Behring das Hinunterspülen
von sonstwie in den Mund gelangten Tuberkelbazilien
durch die Säuglingsmilch, ebenfalls unter die Rubrik
„Säuglingsmilch, Quelle der Infektion“, bringt, gegen
die Verwechslung des Begriffes „Infektionsquelle“
mit dem beliebigen indifferenten Vehikel der Keime.
Ebensogut wie die Milch könnte man auf diese Weise
den Speichel, das Wasser und die Malzsuppo als die
„Infektionsquelle der Säuglingstuberkulose“ ansehen.
Weiterhin konstatiert F., dass v. Behrings Auffassung
über Verbreitungsweise und Bekämpfung der Phtise
sich insofern der seinigen genähert habe, als er die
grössere Gefährlichkeit des menschlichen Tuber¬
kulosevirus nicht durch stärkere Virulenz, sondern
durch reichlicher gebotene Infektionsgelegenheit be¬
dingt sieht. Jacob.
Kossel, Weber, Heuss, Vergleichende Unter¬
suchungen über Tuberkelbazillen
verschiedener Herkunft. II. Tuberku¬
lose-Arbeiten a. d. Kaiserlichen Gesundheitsamt,
3. lieft. 1905.
Die in Helft I der Tuberk.-Arb. veröffentlichten
Untersuchungen hatten ergeben, dass in der über¬
wiegenden Mehrzahl der Fälle von menschlicher
Tuberkulose Tuberkelbacillen gefunden wurden,
welche sich von den Erregern der Perlsucht des
Rindes morphologisch, kulturell und in ihrem pa¬
thogenen Verhalten unterscheiden. Beim Menschen
kommen jedoch auch in tuberkulös veränderten Or¬
ganen TuberkelbaciUen vor, welche in ihrer Eigen¬
schaft den Erregern der Perlsucht gleichen.
In der vorliegenden Arbeit haben die Verff.
diese Versuche ergänzt und namentlich auf die
Versuche mit Verfüttrung und Einatmung von
Tuberkelbacillen das Hauptgewicht gelegt.
Die Untersuchung der Tuberkelbacillenstämme
in den Kulturen ergab, dass von 64 aus Tuber¬
kulose des Menschen gezüchteten Kulturstämmen
56 den Typus humanus, 8 den Typus bovinus zeigten.
Aus tuberkulösen Veränderungen bei 11 Rindern
wurden 13 Kulturstämme gezüchtet, welche sämt¬
lich den Typus bovinus auf wiesen. Aus tuberkulösen
Veränderungen bei Schweinen stammten 7 Kulturen,
welche ebenfalls zum Typus bovinus gehörten. Die
betreffenden Stämme hielten die ihnen zukommen¬
den Eigenschaften mit grosser Zähigkeit fest, es
liess sich eine Aenderung des Typus humanus auch
dann nicht feststellen, wenn sie Passagen durch
Rinder, Ziegen und Schweine durchgemacht hatten.
Das Verhalten der verschiedenen Tuberkel¬
bacillenstämme wurde an Kaninchen und Rindern
durch Impfung geprüft.
Bei Kaninchen erwiesen sich die aus Rindern
und Schweinen gezüchteten 20 Stämme bei Ein¬
spritzung unter die Haut als hochpathogen.
Von den von Menschen stammenden Kulturen
wurden 52 Stämme des Typus humanus und 8 des
Typus bovinus in der Menge von 0,01 g Kaninchen
unter die Haut gespritzt. Von den 52 Stämmen
des Typus humanus vermochte nur ein einziger
Stamm, in welchem, wie sich bei genauer Unter¬
suchung herausstellte, beide Typen von Bacillen
enthalten waren, allgemeine disseminierende Tuber¬
kulose hervorzurufen. Die Stämme des Typus bo¬
vinus töteten ausnahmslos Kaninchen unter den
Erscheinungen der allgemeinen Tuberkulose. Der
Unterschied in der krankmachenden Wirkung des
Typus humanus und des Typus bovinus bei Kanin¬
chen kam auch bei intravenöser Einspritzung ge¬
nau abgewogener Kulturen zum Ausdruck. Bacillen
des Typus bovinus in einer Menge von 1—2 mgr.
intravenös verimpft, töteten Kaninchen in 17 bis
20 Tagen an allgemeiner Miliartuberkulose, wäh¬
rend in derselben Menge eingespritzte Bacillen des
Typus humanus zuerst das Allgemeinbefinden der
Tiere gar nicht beeinträchtigten. Erst nach Mo¬
naten fanden sich Zeichen der chronischen Tuber¬
kulose. Manchmal kam es gar nicht zur Erkrankung.
Die Versuche an Rindern erstreckten sich auf
Einspritzungen unter die Haut oder in die Hohlvene.
Im ganzen wurden einschliesslich der in dem
ersten Teil der Arbeit beschriebenen Versuche durch
Einspritzungen unter die Haut 24 Rinder infiziert
und mit 20 Stämmen von Tuberkelbacillen tierischer
Herkunft (13 aus 11 Rindern^ 7 aua 7 Schweinen),
welche in der Kultur den Charakter des Typus
bovinus zeigten und beim Kaninchen hochvirulent
waren. Von diesen 24 Rindern erkrankten 23 an
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Heft 3.
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
57
disseminierter Tuberkulose, 9 verendeten an Tuber¬
kulose oder mussten schwerkrank getötet werden.
Sämtliche 20 Stämme aus Tuberkulose tierischer
Herkunft erzeugten demnach disseminierte Tuber¬
kulose. Einspritzungen sehr geringer Mengen in
die Halsvene führten bei einem Tier nach 17 Tagen
zum Tode.
Versuche mit Kulturstämmen aus Tuberkulose
bei Menschen ergaben bei Rindern folgendes Re¬
sultat : Im ganzen waren 64 Kulturstämme aus
tuberkulösen Veränderungen bei Menschen gezüchtet
worden, von welchen 58 dem Typus humanus, 8
dem Typus bovinus angehörten. Von den ersteren
wurden 38 an 44 Rindern durch subkutane Ein¬
spritzungen geprüft, von diesen Tieren erkrankte
an disseminierter Tuberkulose keines. 7 Kulturen
des aus Menschen gezüchteten Typus bovinus wurden
an 9 Rindern geprüft. Es erkrankten an dissemi¬
nierter Tuberkulose 9 und von diesen verendete ein
Tier an Tuberkulose.
Fütterungsversuche an Rindern mit
Tuberkelbacillen aus Tuberkulose von Rindern und
Schweinen wurden an 7 Rindern angestellt. 3 Rin¬
der erhielten während 86 Tagen täglich in Kleie¬
trank eine Glyzerinbouillonkultur des Typus bovinus,
2 Kälber bekamen 58 bezw. 63 Tage lang täglich
eine Glyzerinbouillonkultur des Typus bovinus und
2 Kälber erhielten, das erste 1 g Kulturmasse, das
andere 1 Glyzerinbouillonkultur mit dem Futter.
Von diesen 7 Rindern verendeten 3 nach etwa 3 Mo¬
naten an Fütterungstuberkulose, während die übrigen
4 Tiere an fortschreitender Tuberkulose erkrankten.
Versuche mit Verfütterung der Tuberkelbacillen
aus Tuberkulose bei Menschen ergaben folgendes:
3 junge Rinder erhielten* während 84 Tagen täglich
etwa 100—200 ccm Auswurf von Schwindsüchtigen
in Kleietrank verabreicht. Die Tiere wurden nach
52, 141 und 137 Tagen nach Beendigung der Füt¬
terung getötet und erwiesen sich als frei von Tuber¬
kulose. In einer zweiten Versuchsreihe erhielten
3 Rinder während 104 Tagen täglich im Kleietrank
je 1 Glyzerinbouillonkultur von Tuberkelbacillen
aus Tuberkulose beim Menschen. Es gelangten 26
verschiedene Kulturen zur Verfütterung, davon ge¬
hörten 24 Stämme dem Typus humanus an, 1 Stamm
dem Typus bovinus, einer war eine Mischung beider
Typen. Die Tiere wurden 50, 183 und 316 Tage
nach Beendigung der Fütterung geschlachtet. Bei
sämtlichen Tieren liess sich lokalisierte Tuber¬
kulose nach weisen, die daraus gezüchteten Kulturen
erwiesen sich als zu Typus bovinus gehörig.
Wahrscheinlich stammen diese Keime aus den
beiden mit den übrigen Kulturen verfütterten Stäm¬
men des bovinen Typus. Es war demnach bei 104
Tage fortgesetzter Verfütterung aus Menschen
gezüchteter Tuberkelbacillen, von welchen die
meisten dem Typus humanus und 2 dem Typus
bovinus angehörten, lokalisierte Tuberkulose auf¬
getreten, welche im Vergleich mit den Fütterungs¬
versuchen des Typus bovinus allein nur gering¬
gradig war.
In einer dritten Versuchsreihe wurden 3 Kälber
während 82 Tagen mit je einer Glyzerinkultur des
Typus humanus gefüttert. Bei der nach 65, 192
und 241 Tagen nach Beginn der Fütterung erfolgten
Schlachtung fanden sich leichte Veränderungen in
den Mesenterialdrüsen, sowie Gewebsveränderungen,
welche keinen fortschreitenden Charakter hatten,
sondern auf die Drüsen beschränkt blieben \ind
unter Eintritt völliger Verkalkung ausheilten.
Einmalige Verfütterung von Tuberkelbacillen
des Typus humanus an Kälbern hinterliess demnach
keine anatomischen Veränderungen. Dagegen führte
eine einmalige Verfütterung von Tuberkelbacillen
des Typus bovinus aus Miliartuberkulose beim Men¬
schen nach 79 Tagen zum Tode. Der letzte Versuch
beweist, dass die aus Tuberkulose beim Menschen
gezüchteten Tuberkelbacillen des Typus bovinus den
gleichartigen Bacillen aus Rindern und Schweinen
an Pathogenität für Rinder bei Verfütterung nicht
nachstehen.
Ferner wurde auch ein Versuch mit Verfütte¬
rung von Hühnertuberkulosebacillen an einem Kalb
gemacht, welches 32 Glyzerinbouillonkulturen dieser
Bacillen mit dem Futter erhielt. Bei der nach
21/2 Monaten erfolgten Tötung fanden sich ähn¬
liche Veränderungen in den Peyerschen Haufen und
in den Gekrösdrüsen, wie nach Verfütterung von
Bacillen des Typus humanus.
Einmalige Verfütterung von Tuberkelbacillen
des Typus bovinus ergab bei 3 Ferkeln ausgebreitete
Tuberkulose, wiederholte Verfütterung derselben Ba¬
cillen auch ausgebreitete Tuberkulose, die bei 2
von 3 Tieren zum Tode führte.
Verfütterung von Glyzerinbouillonkulturen der
Tuberkelbacillen des Typus humanus während 90
Tagen an 3 Ferkeln riefen tuberkulöse Veränderungen
hervor, welche sich sowohl in den Gekrösdrüsen als
auch in den Halsdrüsen und den Organen der Brust¬
höhle vorfanden. Allerdings stehen die Bacillen
des Typus humanus in ihrer Wirkung auf das
Schwein erheblich hinter den Bacillen des Typus
bovinus zurück.
Die Inhalationsversuche wurden mit
einem besonders konstruierten Apparat angestellt,
welcher ermöglichte, dass eine Infektionsgefahr für
die mit den Versuchen beschäftigten und mit der
Pflege der Tiere betrauten Personen möglichst aus¬
geschlossen war, die Tiere die zerstäubte Flüssig¬
keit ohne grossen Verlust einatmeten und eine An¬
steckung der Tiere durch andere Eingangspforten
als die Luftwege tunlichst vermeiden liess.
Zur Inhalation aus Tuberkulose bei Rindern
und Schweinen dienten 6 Kälber, welche 0,001 bis
0,5 g Tuberkelbacillen in 50 ccm Kochsalzlösung
aufgeschwemmt erhielten. Es stellte sich heraus,
dass die Einatmung von Tuberkelbacillen des Typus
bovinus selbst in den kleinsten Mengen bei Rindern
ausnahmslos eine fortschreitende Tuberkulose her¬
vorrief. Mit Ausnahme von 2 Tieren erlagen die
Tiere innerhalb von 26 bis 62 Tagen einer Lungen¬
erkrankung, welche im allgemeinen den Charakter
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58
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
3. Jahrgang.
einer käsigen Broncho-Pneumonie trug. Die beiden
überlebenden Tiere wurden nach 171 bezw.
174 Tagen getötet und erwiesen sich gleichfalls
als schwer tuberkulös.
Mit Tuberkelbacillen aus Tuberkulose bei Men¬
schen wurden bei 6 Rindern Versuche angestellt,
welche ergaben, dass selbst grosse Mengen von
Tul>erkelbacillen des Typus humanus (bis 0,8 g)
nicht zur Entwicklung einer fortschreitenden Tuber¬
kulose führten, sondern mitunter ohne jede spezi¬
fische, krankmachende Wirkung auf Kälber blieben.
Zum Schluss wurden noch eine Reihe von Ver¬
suchen angestellt, um nachzuweisen, ob der Ba¬
cillus des Typus humanus durch Passage einer be¬
stimmten Tierart sich dem Organismus derselben
anpasst. Es blieb nicht nur die Virulenz unbeein¬
flusst, sondern es trat auch hinsichtlich des Wachs¬
tums und der Morphologie keine Aenderung des
Typus ein.
Die Verff. legen die Ergebnisse ihrer Arbeiten
über die vergleichenden Untersuchungen mit Tu¬
berkelbacillen verschiedener Herkunft in folgenden
Schlusssätzen nieder:
1. Bei den Erregern der Tuberkulose der Warm¬
blüter ist zu unterscheiden zwischen Hühnertuber-
kelhazillen und Säugetiertuberkelbacillen.
2. Bei den Säugetiertuberkelbacillen lassen sich
zwei Typen unterscheiden, die zweckmässig als
Typus bovinus und Typus humanus zu bezeichnen
sind.
3. Eine Umwandlung der Bacillen der Hühner¬
tuberkulose in Säugetiertuberkelbacillen ist selbst
bei längerem Aufenthalt der ersteren im Säugetier¬
körper nicht eingetreten.
4. Eine Umwandlung des Typus humanus in den
Typus bovinus ist im Körper des Kaninchens, des
Rindes und der Ziege nicht erfolgt.
Ueber die Bedeutung der verschiedenen Tu¬
berkelbacillen für die Entstehung tuberkulöser Ver¬
änderungen bei Menschen, Rindern, Schweinen und
Hühnern ergibt sich ferner aus den im Gesund¬
heitsamte vorgenommenen Versuchen:
5. Die bei den Hühnern verbreitete Tuberkulose
wird durch den Hühnertuberkulosebacillus erzeugt.
6. Die Perlsucht der Rinder wird durch die
Tuberkelbacillen des Typus bovinus hervorgerufen.
7. Bei der Tuberkulose der Schweine fanden sich
Bacillen des Typus bovinus. Beweise für die An¬
nahme, dass unter natürlichen Verhältnissen eine
Ansteckung von Schweinen mit Tuberkelbacillen des
Typ\is humanus vorkommt, haben die Untersuchun¬
gen nicht ergeben.
8. In tuberkulösen Veränderungen bei Menschen
Hessen sich meist die Tuberkelbacillen des Typus
humanus nachweisen. Tuberkelbacillen des Typus
bovinus fanden sich bei menschlicher Tuberkulose
in einer verhältnismässig kleinen Zahl von Fällen.
9. Die Bacillen des Typus humanus fanden sich
in allen untersuchten Formen der menschlichen
Tuberkulose.
10. Die von den Verff. untersuchten Fälle von
Infektion des Menschen mit Tuberkelbacillen des
Typus bovinus allein betrafen Kinder im Alter unter
7 Jahren und boten mit Ausnahme eines Falles, in
dem eine Entscheidung nicht möglich war, Er¬
scheinungen dar, welche mit Sicherheit den Schluss
gestatteten, dass die Ansteckung durch Eindringen
der Tuberkelbacillen vom Darm aus erfolgt war.
11. In einem Falle von Darmtuberkulose bei
einer 30jährigen Frau fanden sich in den Gekrös-
drüsen Tuberkelbacillen des Typus bovinus neben
solchen des Typus Immanus. Bei einem ötyijährigen
Kinde Hessen sich in den Mesenterialdrüsen Ba¬
cillen des Typus bovinus, in der Milz Bacillen
des Typus humanus nachweisen.
12. Mit Ausnahme eines Falles, in welchem Tu¬
berkelbacillen aus Miliartuberkeln der Lunge eines
Kindes gezüchtet waren, stammten die beim Men¬
schen gefundenen Tuberkelbacillen des Typus bo¬
vinus aus tuberkulös veränderten Teilen der Darm¬
schleimhaut oder der Gekrösdrüsen.
13. In einem Teil derjenigen Fälle, welche auf
Infektion mit Tuberkelbacillen des Typus bovinus
zurückzuführen waren, hatte sich die Tuberkulose
auf den Darm und die Gekrösdrüsen oder auf letztere
allein beschränkt.
14. Die Annahme, dass die Tuberkelbacillen des
Typus bovinus auf den Menschen eine stärkere
krankmachende Wirkung entfalten als die Tuberkel¬
bacillen des Typus humanus, findet in den vor¬
liegenden Untersuchungen keine Stütze.
15. Die Anschauung, dass eine Umwandlung
der Tuberkelbacillen des Typus bovinus in Bacillen
des Typus humanus bei längerem Aufenthalte der
ersteren im menschlichen Körper erfolgt, findet
durch die bei den vorgenommenen Versuchen fest¬
gestellten Tatsachen keine Bestätigung.
Koske.
Weber und Taute, Die Kaltblütertuberku¬
lose. Tuberkulose Arbeiten a. d. Kaiserlichen
Gesundheitsamt. 3. Heft. 1905. S. 110.
Bezüglich der Kaltblütertuberkulose werden sei¬
tens einer Reihe von Autoren verschiedene An¬
schauungen vertreten. Einige sprechen die Ver¬
mutung aus, dass es sich bei den Kaltblütertuberkel¬
bacillen um säurefeste Stäbchen oder sogenannte
Pseudotuberkelbacillen handeln könne, während
andere der Meinung sind, dass die Frage einer
Umwandlung der Tuberkelbacillen im Kaltblüter¬
organismus durch eine Reihe von Experimenten ge¬
löst sei. Verff. weisen an der Hand der einschlägi¬
gen Literatur nach, dass letzteres durchaus nicht
bewiesen sei und haben durch eine Reihe von Ver¬
suchen die Fragen, ob eine Umwandlung von echten
Tuberkelbacillen in die sog. Kaltblütertuberkulose
möglich sei und ob es sich bei der Kaltblüter¬
tuberkulose um säurefeste Stäbchen handle, zu
lösen versucht.
Durch eine besondere Methode wurden die in
den Froschorganen stets enthaltenen gewöhnlichen
Bakterien ausgeschaltet, indem durch zweckent¬
sprechende Formaldehydbehandlung die Begleit-
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Heft 3.
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
59
bakterien abgetötefc wurden, während die gegen
dieses Desinfektionsmittel weniger empfindlichen
säurefesten Stäbchen am Leben blieben. Die Züch¬
tung auf Rinderblutserum bei 26—30 0 gelang
verhältnismässig leicht.
Zunächst wurden Frösche mit Tuberkelbacillen
geimpft, 2 erhielten Rindertuberkelbacillen, 5
menschliche Tuberkelbacillen, 1 Hühnertnberkel-
bacillen in Reinkultur und 2 tuberkulöses Sputum
in die Bauchhöhle bezw. in den Rückenlymphsack.
Bei keinem der Frösche fanden sich bei der Ob¬
duktion Knötchen in den inneren Organen, säure¬
feste Stäbchen waren im Leberausstrich einzeln oder
in geringer Zahl nachweisbar. Durcji Kultur und
Impfversuche ergab sich, dass die in den Frosch¬
körper eingeführten Tuberkelbacillen lange Zeit
lebensfähig und virulent blieben, eine Vermehrung
im Froschkörper aber nicht stattfindet, vielmehr
eine sehr langsame Abnahme. Neben den echten
Tuberkelbacillen konnten aber in allen Versuchs¬
reihen für Meerschweinchen nicht pathogene, säure¬
feste Stäbchen durch den Kulturversuch nach¬
gewiesen werden.
Die Untersuchung von Fröschen, die nicht mit
Tuberkulosebacillen geimpft waren, zeigte, dass
auch aus der Leber dieser Tiere, welche niemals
zum Versuch gedient hatten, Kaltblütertuberkel¬
bacillen herausgezüchtet werden konnten.
Weitere Untersuchungen ergaben, dass sich im
Moos, im Schlamm und in der Erde der Terrarien
eine grosse Menge säurefester Bakterien befanden.
Es gelang nach vielen vergeblichen Versuchen aus
einer Probe frischen Mooses die Kaltblütertuberkel¬
bacillen in Reinkultur z\i gewinnen. Zahlreich
fanden sich diese Bakterien auch im Schlamm der
Bassins des Berliner Aquariums, sowohl im Süss-
wasser-, als auch im Seewasserbussin. Auf Frösche
verimpft, verhielten sie sich genau so wie die aus
dem Froschkörper gezüchteten.
Im ganzen wurden 36 Stämme von Kaltblüter¬
tuberkelbacillen in Reinkultur gewonnen. Diese
stimmen im allgemeinen unter sich überein, als
charakteristisch ist die Bildung einer glatten,
rahmigen, wenig widerstandsfähigen Haut auf
Glyzerinbouillon, der weisse, rahmige Belag auf
Glyzerinserum und die sehr häufig vorkommende
violette Färbung des Nährbodens in alten Kulturen
anzusehen. Das Temperaturoptimum liegt bei 26
bis 30 °, während das Wachstum bei 35—37 0
nur bei einigen Stämmen erfolgte.
In genügender Menge auf Frösche verimpft,
töteten die Kaltblütertuberkelbacillen diese Tiere
nach 2—4 Wochen; es bedarf allerdings einer ziem¬
lich grossen Menge von Kultur ( 1 / 2 — 1 Oese). Eine
hohe Pathogenität kommt diesen Bakterien nicht
zu, da durch sie bedingte Erkrankungen im Berliner
Aquarium nur ausnahmsweise eintreten, trotzdem
diese Bacillen in grosser Menge in den Bassins sind.
Verff. kommen auf Grund ihrer Untersuchungen
zu dem Schluss, dass die Kaltblütertuberkelbacillen
der Gruppe der saprophytischen, säurefesten Bak¬
terien angehören, welche sich häufig vereinzelt im
Körper der Kaltblüter finden, ohne ihn zu schä¬
digen ; sie können jedoch ausnahmsweise zu üppigem
Wachstum im Kaltblüterorganismus gelangen, wenn
durch einen lokalen oder allgemeinen Krankheits¬
prozess die Widerstandskraft des Organismus her¬
abgesetzt ist. Koske.
E. Bertarelli. Ueber Tuberkulose der
Reptilien. (Ctbl. f. Bakt., 38, 4.)
Verfasser studierte die Infizierung der Reptilien
mit Menschen- und Hühnertuberkulose. Er stellte
seine Versuche an zwei Exemplaren von Varanus
varius (Shaw) an, die seit mehreren Jahren in der
Gefangenschaft gelebt und sich ziemlich gut ein¬
gepasst hatten.
Die Versuche ergaben, dass man bei Verwen¬
dung aktiven Tuberkelsputums die menschliche
Tuberkulose auf den Varanus übertragen kann, dass
er aber allem Anschein nach der Tuberkulose nicht
leicht erliegt.
Beim Durchgang durch dieses Reptil wird der
Keim bedeutend abgeschwächt, ohne jecloch den
Meerschweinchen gegenüber besondere Schutzeigen¬
schaften an den Tag zu legen. Auch die Lebens¬
fähigkeit des Keimes scheint stark herabgesetzt zu
sein, so dass er nach dem Durchgang durch den
Varanus bei Serienübertragungen nur schlecht
wächst, zusammen mit dieser Tatsache wird im Or¬
ganismus des geimpften Tieres überdies eine mor¬
phologische Veränderung des menschlichen Tu¬
berkelbacillus wahrgenommen. Er neigt dazu, evo-
lutive Formen, länglich mit leicht abgerundeten
Enden anzunehmen, die sich sehr leicht unterein¬
ander verschlingen. Ausserdem vermehrt sich zu¬
weilen der im menschlichen Sputum enthaltene und
dem Varanus subkutan injizierte Tuberkelbacillus
in situ aussergewöhnlich stark und dies, ohne auf¬
fallende Verletzungen zu verursachen, wobei er also
ein Anpassungsvermögen verrät, das man dem neuen
Medium gegenüber fast saprophytisch nennen
könnte.
Andrerseits lassen die wenigen bis jetzt ge¬
machten Nachforschungen zum mindesten darüber
Zweifel auf kommen, ob die Tuberkulose bei den
Reptilien eine aussergewöhnliche Krankheitsform
ist oder nicht. Zweifellos aber besagen sie, dass
bei den Reptilien der warmen Zonen zuweilen stark
an tuberkulöse Verletzungen erinnernde Läsionen
beobachtet werden. Dagegen war es nicht möglich,
bei den in grosser Zahl untersuchten Reptilien un¬
serer Gegenden ähnliche Veränderungen zu finden.
Während nun diese Bestätigungen einerseits uns
vergewissern, dass im Organismus dieser Klasse
von kaltes Blut führenden Wirbeltieren auch der
Tuberkelbacillus des Menschen abgeschwächt wird,
ohne jedoch einen Impfstoff abzugeben, und
während sie zugunsten einer saprophytischen An¬
passung des Keimes sprechen, lassen sie uns gleich¬
zeitig die Hoffnung, dass in den Reptilien der
warmen Länder tuberkulöse Läsionen angetroffen
werden können, die sich zur Isolierung des Keimes
und Anlegen von Kulturen eignen. Jacob.
Digitized by hjooole
60
3. Jahrgang.
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
M. Beck, Zur Frage der säurefesten Ba¬
cillen. Tuberkulose-Arb. a. d. Kaiserlichen Ge-
sundheitsamte. 3. Heft. S. 145.
Verf. besclireibt 2 säurefeste Stäbchen, von wel¬
chen das eine, bacillus tuberkuloides I, gelegent¬
lich einer Untersuchung von Butter gezüchtet wurde,
das andere, bacillus tuberkuloides II aus der Ton¬
sille einer an Lungenschwindsucht verstorbenen
Frau stammt.
Bacillus tuberkuloides I ist unbeweglich und
lässt sich am besten nach der Färbung von Koch-
Ehrlicli darstellen. In älteren Kulturen färbt sich
das Stäbchen auch mit anderen Anilinfarbstoffen,
wächst üppig auf Glyzerinagar und Kartoffeln,
weniger gut auf gewöhnlichem Agar. Nach Ein¬
spritzung selbst grösserer Mengen der Bacillen in
die Bauchhöhle von Mäusen, Ratten, Meerschwein¬
chen und Kaninchen traten in der Regel keine
Erscheinungen auf, nur wenn die Bacillen mit
Butter oder Milch zusammen eingespritzt wurden,
fanden sich käsige Knötchen auf den Organen der
Bauchhöhle. Die subkutane Injektion grösserer
Mengen von Bacillen wurde seitens der Versuchs¬
tiere reaktionslos vertragen, Impfungen der Stäb¬
chen in die vordere Augenkammer hatten nur leichte
Reizerscheinungen zur Folge, wogegen schwere Er¬
scheinungen auftraten, wenn die Bacillen zusammen
mit Butter eingespritzt wurden. Das Stäbchen ist
mit keinem bisher bekannten säurefesten Bakterium
zu identifizieren.
Der Bacillus tuberkuloides II färbt sich nach
der Ziehlschen Methode und unterscheidet sich
von dem Wachstum der Tuberkulosebacillen durch
seine rasche Entwicklung und durch den schmierig¬
schleimigen Pilzrasen. Besonders üppig ist das
Wachstum auf 4 o/ 0 Glyzerinbouillon, Temperatur¬
optimum 38°.
Tierversuche ergaben, dass bei Meerschwein¬
chen nach subkutaner Impfung innerhalb 8 bis
10 Wochen der Tod eintrat. Bei der Sektion fanden
sich der Tuberkulose ähnliche Erscheinungen. Die
intraperitoneale Injektion führte unter Verkäsung
der Mesenterialdrüsen und Bildung von glasig durch¬
scheinenden Knötchen in den Lungen schneller
zum Tode. Fütterungsversuche ergaben eine Ver¬
käsung der Mesenterialdrüsen.
Bei Kaninchen entstand nach subkutaner In¬
jektion nur ein Abszess, bei Einspritzung in
die vordere Augenkammer Phthisis bulbi und
Bildung einiger käsiger Herde in Milz und Nieren.
Ratten reagierten auf intraperitoneale Ein¬
spritzung durch Bildung von Netzknötchen.
Bei Mäusen verlief die subkutane und intra¬
peritoneale Infektion negativ.
3 Kälbern, welche auf Tuberkulin nicht reagiert
hatten, wurden bestimmte Mengen Bacillen in die
Blut bahn gespritzt, um die darauffolgende Wir¬
kung zu beobachten und um zu sehen, ob diese
Bacillen imstande sind, eine ähnliche Infektion
wie die wirklichen Tuberkulosebacillen zu erzeugen.
Die Tiere reagierten durch leicht febrile Tempera¬
turen. Bei einem Tiere wurde bei der Schlachtung
nur eine vergrösserte Bronchialdrüse aufgefunden,
in welcher durch Impfung und Züchtung das säure¬
feste Stäbchen nachgewiesen wurde.
Das 2. Kalb erhielt 6 Monate nach der Infektion
10 mg einer Perlsuchtkultur in die Blutbahn ge¬
spritzt. Bei der Obduktion fanden sich in einer
Bronchial- und Mediastinaldrüse und in den Lungen
käsige Herde. Eine einmalige intravenöse Ein¬
spritzung mit dem bac. tuberkuloides II rief dem¬
nach noch keine Immunität hervor.
Kalb 3 wurde nach 8 Monaten geschlachtet,
es zeigte keine Veränderungen.
Im Kaltblüter Organismus hält sich das säure¬
feste Stäbchen lange Zeit am Leben, scheint diesen
aber nicht zu infizieren.
Aus den Untersuchungen geht hervor, dass der
bacillus tuberkuloides II den echten Tuberkulose¬
bacillen selir nahe verwandt ist, es bildet gewisser-
massen neben den Courmont-Arloingschen Bacillen
den Uebergang zu den echten Tuberkulosebacillen.
Koske.
Klemperer. Experimenteller Beitrag zur
Tuberkulosefrage. Ztschr. f. klin. Med.
Verf. war es gelungen, durch subkutane Impfung
mit Menschentuberkelbazillen ein Kalb gegen nach¬
trägliche Infektion mit Perlsucht zu immunisieren.
Er stellte dann Versuche an, vorher perlsüchtig in¬
fizierte Rinder durch subkutane Impfung mit Men-
schentuberkelbazillen zu immunisieren; die Ent¬
wickelung der Perlsucht wurde auf diese Weise bei
einem Kalb ganz verhindert, bei anderen war
wenigstens eine Hemmung und Abschwächung des
Krankheitsverlaufes erkennbar. Selbstversuche er¬
gaben, dass Aufschwemmungen von Rindertüberkel-
bazillen, subkutan beigebracht, beim gesunden Men¬
schen verschwinden, ohne Tuberkulose zu erzeugen.
Analoge Selbstversuche bei einem tuberkulösen
Kollegen ergaben ebenfalls keine Entwickelung von
Tuberkulose an den Injektionsstellen. Ebenso zeigten
Versuche an vier Phthisikern, die mit deren Ein¬
willigung angestefit wurden, dass die subkutane
Einführung von lebenden Rindertuberkelbazillen
innerhalb gewisser Grenzen für den tuberkulösen
Menschen unschädlich ist; subjektive Besserung und
Gewichtszunahme wurde nicht selten beobachtet.
Jacob.
De Jong. Steigerung der Virulenz des
menschlichen T u b e r k e 1 b a c i 11 u s zu
derdes Rindertuberkelbacillus. (Cen¬
tralblatt f. Bakt. 38, 2.)
Nach der von Behring u. a. bekämpften An¬
sicht Kochs kann der Mensch zwar mit Tuberkulose
des Rindes infiziert werden, jedoch nur in sehr
seltenen Fällen und jedenfalls bestehen zwischen
den Tuberkelbacillen des Menschen und denen des
Rindes derartige Unterschiede, dass man nicht
von einer Art sprechen kann, sondern zwei ver¬
schiedene Arten annehmen muss. Nach der An¬
sicht des Verf. sind eventuelle Unterschiede
zwischen menschlichen und Rindertuberkelbacillen
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Heft 3.
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
61
nicht als Artnnterachiede aufzufassen, sondern als
solche, die zwischen den einzelnen Individuen der¬
selben Art mannigfach Vorkommen und durchaus
nicht konstant sind. Kossel hat bei seinen Unter¬
suchungen aus dem menschlichen Körper Tuberkel¬
bacillen isoliert, die eine hohe Virulenz für das
Rind zeigten; er nimmt an, dass diese Bacillen
ursprünglich vom Rinde stammen. Verf. ist aber
der Meinung, dass hier nur Virulenzunterschiede
bestehen. Es gelang ihm zu zeigen, dass der Mensch
einen Tuberkelbacillus liefern kann, der in seiner
Wirkung auf das Rind dem diesem Tier eigenen
Mikroorganismus nicht nachsteht. Tuberkelbacillen
nämlich, die aus dem Sputum eines Bauernmäd¬
chens gezüchtet waren, verursachten einen raschen
Tod bei Kälbern, sowohl bei subkutaner als bei
intravenöser und intrapulmonaler Anwendung.
Ist die Auffassung, dass zwischen Menschen-
und Rinderbacillen hauptsächlich nur Virulenz¬
unterschiede bestehen, richtig, dann muss es mög¬
lich sein, die Virulenz des Menschenbacillus zu
steigern gegenüber der des Rinderbacillus. Beh¬
ring hat bestimmt behauptet, dass dies durch Tier¬
passage möglich sei, ebenso sprechen Versuche von
Ravenei dafür.
Verf. hat zu seinen Versuchen einen Tuberkel¬
bacillus vom Menschen benutzt, mit dem er vor
einigen Jahren zwei Rinder und eine Ziege intra¬
venös infiziert hatte. Die beiden Rinder wurden
nach der Impfung vorübergehend krank, dann
augenscheinlich wieder gesund und zeigten nach
der Schlachtung nur eine sehr geringe Tuberkulose.
Die Ziege wurde vorübergehend ernstlich krank,
erholte sich aber bald und nahm an Gewicht wieder
zu. Sie wurde weiter beobachtet, und vor zu¬
fälliger Infektion sorgfältig geschützt. Auf In¬
jektion von Tuberkulin war die Reaktion sehr
heftig. Drei Jahre nach der Impfung veränderte
sich der Zustand: Die Schwellungen der Impf¬
stelle hatten sich vergrössert, die rechte Bugdrüse
hatte an Umfang zugenommen und das Tier hustete
wieder. Drei Jahre und 145 Tage nach der In¬
fektion verendete das Tier an Tuberkulose.
Dieser, vom Menschen genommene Tuberkel¬
bacillus besass also eine äusserst geringe Viru¬
lenz. Es war interessant zu untersuchen, ob der
dreijährige Aufenthalt im Ziegenkörper seine
Eigenschaften geändert hatte. Ein Meerschwein¬
chen, das mit Material aus der Bugdrüse jener
Ziege geimpft war, war nach 86 Tagen zugrunde
gegangen. Von ihm wurden Bacillen zur Kultur
genommen und in geringer Menge (weniger als
Koch und Schütz bei ihren Versuchen in der Regel
verwendeten) davon einer Ziege subkutan injiziert.
Das Tier starb an heftiger allgemeiner Impfungs¬
tuberkulose nach 34 Tagen. Ebenso starb ein drei
Monate alter gesundes Kalb, das auf Tuberkulin
nicht reagiert hatte, nach 25 Tagen an allgemeiner
Impfungstuberkulöse, verursacht durch die sub¬
kutane Injektion des gleichen Bacillus.
Der Einwand, dass diese Versuche zufällig
wenig resistente Tiere betreffen könnten, wurde
durch eine zweite Versuchsreihe widerlegt. Auch
hier wurde Ausgang genommen von einer Kultur,
die aus einem Meerschweinchen gezüchtet war,
das aus der Bugdrüse jener Ziege geimpft worden
war. Ein 163 kg schweres Kalb wurde 116 Tage
nach der Impfung getötet und zeigte bei der Ob¬
duktion eine progressive Tuberkulose. Aus der
Bugdrüse dieses Kalbes wurde eine Kultur ange¬
legt, die ein junges Meerschweinchen von 247 g
erst nach 120 Tagen tötete. Ein anderes Kalb von
87,5 kg Gewicht, 121 Tage alt, starb 30 Tage nach
der Impfung an Tuberkulose.
Aus diesen Versuchen, die nach demselben
Verfahren angestellt waren wie die von Kossel
im Reichsgesundheitsamt angestellten, folgert Verf.
aufs neue, dass kein Artunterschied zwischen den
Tuberkelbacillen des Menschen und des Rindes
besteht, dass also die Meinung «der Kochschen
Schule unrichtig ist. Ein schwach virulenter
Menschentuberkelbacillus lässt sich mittels Tier¬
passage steigern zu der Virulenz, die der Rinder¬
tuberkelbacillus in der Regel besitzt.
Jacob.
Meier. Ueber das Wachstum der Tu¬
berkelbacillen auf vegetabilischen
Nährböden. Inaug.-Dissert., Freiburg, 1903.
Die vorliegende Arbeit hat den Zweck, die
bisher bekannt gewordenen Angaben über das
Wachstum der Tuberkelbacillen auf vegetabilischen
Nährböden nachzuprüfen und ausserdem die Frage
nach dem Pleomorphismus des Kochschen Bacillus
einer erneuten Untersuchung zu unterziehen.
Als Nährböden wurden in der Hauptsache ge¬
kochte Kartoffelscheiben von geringem Stärke-
und grossem Wassergehalt benutzt. Unter diesen
Umständen besitzen die Kartoffeln eine glasige,
nicht mehlige Schnittfläche und reagieren sauer.
Ausserdem kamen zur Anwendung: Rüben (weisse,
rote und Mohrrüben), Mondamin, Birnen, Schwarz¬
wurzeln, Champignons und Trüffeln. Zum Besäen
der Nährböden dienten Reinkulturen menschlicher
Tuberkulose und solcher des Geflügels.
Die gefundenen Resultate bestätigen zum Teil
die von anderen Autoren gemachten Beobachtun¬
gen. Als Vervollständigung kann Verfasser bezüg¬
lich der Kartoffelkulturen hinzufügen, dass bei den
Wachstumserscheinungen das Höhen- und Dicken¬
wachstum vorherrschte. Das übergeimpfte Ma¬
terial vergrösserte sich hauptsächlich dadurch, dass
auf der Oberfläche eines Impfpartikels sich kleine,
längsovale oder runde Körnchen bildeten, die sich
neben- und übereinander legten. Auf diese Weise
entstehen Gebilde, die einer auf ebener Fläche
liegenden Weintraube nicht unähnlich sind.
Es gelang auf allen Nährböden Wachstum her¬
vorzurufen, allerdings oft recht spärliches. Die
saure Reaktion der Nährsubstrate war kein Hin¬
dernis für die Entwicklung.
Bei längerem Wachstum machte sich häufig an
deh Kulturen eine merkwürdige Pigmentierung be-
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62
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
3. Jahrgang.
merkbar. Einzelne Partien der Kolonien nahmen
zuerst eine grauschwarze, später intensiv schwarze
Farbe an. Bei der mikroskopischen Untersuchung
ergibt sich, dass das Pigment aus feinsten, in¬
tensiv schwarzen Partikeln von verschiedener Form
besteht, analog den feinsten Körnchen des Lungen¬
pigments. Diese Körperchen siedeln sich als feinste
rundliche Gebilde ausserhalb des Bacillus an und
fliessen sodann zu grösseren Komplexen zusammen,
welche weder in Alkohol, Aether oder Chloroform
noch in Alkalien oder Säuren löslich sind. Nach
Ansicht des Autors handelt es sich daher um ein
dem reinen Kohlenstoff nahestehendes Stoff¬
wechselprodukt.
Der Pleomorphismus der Tuberkulose kam bei
den vorliegenden Kulturen in den meisten Fällen
zur Beobachtung. Die vom Menschen stammenden
wiesen oft schon früh fadenähnliche Gebilde auf.
Verzweigungen «wurden jedoch nicht gefunden im
Gegensatz zu den mit Hühnertuberkulose ange¬
legten Kartoffelkulturen, welche im mikroskopi¬
schen Bild diese Eigenschaft besassen. Die
Bacillen der letzteren Art waren ausserdem für
den Farbstoff viel weniger aufnahmefähig wie die¬
jenigen menschlicher Herkunft.
Die Individuen beider Tuberkulosearten können
sich ausserdem in der Weise verändern, dass sie
kürzer und dicker werden, wobei zu gleicher Zeit
eine grössere Affinität zu den Anilinfarben eintritt.
Die auch von anderer Seite beschriebene
Vakuolenbildung in den Bacillen ist Verfasser ge¬
neigt als Degenerationserscheinung aufzufassen.
Dagegen deutet der Autor die öfters auftretenden,
am Ende der Bakterienzelle liegenden und intensiv
gefärbten Gebilde als Sporen, da sie nur in Kul¬
turen mit spärlichem Wachstum vorkpmmen. Eine
Auskeimung zu beobachten gelang jedoch nicht.
Ein ausgesprochener, auch makroskopisch feststell¬
barer Unterscliied in der Koloniebildung der Men¬
schen- und Geflügeltuberkulose war nicht vor¬
handen.
Zum Schlüsse weist Verfasser auf die prak¬
tische Seite der Frage hin, die in der Möglichkeit
einer Vermehrung des Tuberkelbacillus ausserhalb
des Körpers gegeben ist. Carl.
Bartel und Stein. Zur Biologie schwach-
virulenter Tuberkelbacillen. (Ctbl. f.
Bakt., 38, 2—4.)
Die Verfasser suchten durch ihre Versuche klar
zu legen, wie sich schwach virulente Bacillen in
dem von ihnen spezifisch veränderten Gewebe in
natürlicher Verteilung, steril aufbewahrt, bei all¬
mählicher weiterer Abschwächung der Virulenz und
wohl auch mit der Zeit eintretender Verminderung
der Zahl in biologischer Hinsicht verhalten, und
welches ihr Verhalten ist, wenn man sie abtötet.
Es sollte geprüft werden, ob eine Vermehrung der
Bacillen eintritt, ob eine solche, wenn sie statt¬
findet, günstigere Verhältnisse für die immer noch
schwierige Kultivierung des Tuberkelbacillus dar-
hietet, welche morphologischen und tinktoriellen
Veränderungen sich zeigen, inwieweit eine Ab¬
schwächung eintritt und wie sie sich äussert, und
schliesslich, ob und inwieweit abgetötete, gleicher¬
weise nur in geringer Zahl in dem von ihnen spe¬
zifisch veränderten Gewebe in natürlicher Ver¬
teilung vorhandene, menschliche Tuberkelbacillen
am Impftier Veränderungen makroskopischer und
mikroskopischer Natur hervorrufen und welcher Art
diese sind.
,Zum Ausgangspunkt der Versuche wurden
lebenswarme, exstirpiert tuberkulös veränderte Or¬
gane, Milz, Leber, Netz, von Meerschweinchen ge¬
wählt, die mit schwach virulentem tuberkulösen
Material verschiedener Herkunft (Kulturen und
tuberkulöse Organe vom Menschen) geimpft waren.
Ihre Schlussfolgerungen fassen die Autoren in
folgende Sätze zusammen:
Eine Vermehrung von Tuberkelbacillen post
mortem in dem von ihnen spezifisch veränderten
Gewebe bei Abwesenheit anderer Mikroorganismen
unter den günstigen Temperaturbedingungen von
37 0 und in feuchter Kammer scheint nicht wahr¬
scheinlich. Die weitere Frage, ob durch die in
den Versuchen gesetzten Verhältnisse günstigere
Kulturbedingungen geschaffen werden können,
konnten die Verfasser nicht in positivem Sinn ent¬
scheiden, wiewohl die Kultivierung gelegentlich
leicht gelang.
Morphologische Veränderungen, wie Segmen¬
tierung, körniger Zerfall, Verzweigung, bald mehr
plumpe, bald schlanke Bacillenformen, sowie Aen-
derungen des färberischen Verhaltens — blassroter
oder mehr braunroter Farbenton — konnten gleich
falls konstatiert werden.
Ferner glauben sich Verfasser dahin aus¬
sprechen zu können, dass bezüglich der Wirkungs¬
weise schwach virulenter lebender und toter Tu¬
berkelbacillen, wenn dieselben in dem von ihnen
spezifisch veränderten Gewebe in natürlicher Ver¬
teilung eingeschlossen sind. Das Gleiche gilt, was
Krompecher bezüglich schwach virulenten, leben¬
den und toten Kulturmaterials gefunden hat,
nämlich: Schwach virulente, abgetötete Tuberkel¬
bacillen, in den von ihnen spezifisch veränderten
Organen in natürlicher Verteilung eingeschlossen,
sind nicht imstande, am Impftiere Veränderungen
spezifischer Natur hervorzurufen, oder auch nur
Marasmus zu erzeugen.
Findet man also bei Impftieren, die lediglich
mit sicher schwach virulenten Bacillen infiziert
wurden, Tuberkelbildungen, so kann man aus den¬
selben, auch wenn es sich nur um lokalisierte Tuber¬
kulose handelt, auf die Anwesenheit lebender Er¬
reger schliessen, wenn auch von sehr herabgesetzter
Virulenz und von geringer Zahl. Durch fortgesetzte
Abschwächung gelang es den Verfassern, Tuberkel
zu erzeugen, die fast ausschliesslich aus Riesen-
" zellen bestanden; ausgesprochene Verkäsung war
dann nur ausnahmsweise zu sehen; auch Bacillen
waren nur gelegentlich noch nachzuweisen.
Jacob.
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Heft 3.
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
63
Sanfelfce« Streptothrix-Pseudotuber-
kulose. Centralbl. f. Bakt. etc.. 1. Abt., Orig.
Bd. 38, Heft 1.
Streng wissenschaftlich gebührt die Bezeichnung
Pseudotuberkulose nur solchen Infektionen, deren
Entstehen einem dem Tuberkelbazillus morphologisch
sowie kulturell verwandten Mikroorganismus zu¬
zuschreiben ist, und welche andererseits ein der
echten Tuberkulose ähnliches Krankheitsbild auf¬
weisen. Verf. hat die pathogene Wirkung ver¬
schiedener Streptothrixarten studiert. Besonders
intravenöse Infektionen erzeugten der Tuberkulose
ähnliche miliare Knötchen in den Organen. Die
frischen Initialknötchen zeigten bei Meerschweinchen
und Kaninchen an der Zentralstelle eine oder mehrere
Riesenzellen mit blossen Zellkernen, die isolierte
oder gruppenweise vereinigte Bazillen enthalten. Um
die Riesenzellen dehnt sich eine Zone von Zellen,
deren Kern ebenfalls blass und blasenartig ist, von
zerfallenen Kernen und Chromotinkörnchen aus. Die
Degenerationsphase beginnt wie bei der echten
Tuberkulose vom Zentrum aus mit Zerstörung der
Riesenzellen. Keiner der anderen Granulom er¬
zeugenden Mikroorganismen weist ein so vielseitiges
Uebereinstimmen mit dem Tuberkelbazillus auf, wie
die Pseudotuberkulose-Pilzgruppe, die aber von der
Aktinomyzesgruppe scharf zu trennen ist. ProfA
ßonome. Schwankungen des Agglutinin-
und Präzipitingehaltes des Blutes
bei der Rotzinfektion. (Ztbl. f. Bakt. B. 38,
5 u. 6.)
Verf. hat Untersuchungen gemacht über Schwan¬
kungen des Agglutinin- und Präzipitingehaltes des
Blutserums bei Einhufern, bei Katzen und bei Meer¬
schweinchen, sowohl in normalem Zustande als auch
während der Rotzkrankheit. Er fasst seine Resul¬
tate in folgenden Hauptsätzen zusammen:
1. Das Blutserum von Pferd und Esel zeigt so¬
wohl während der experimentellen Rotzinfektion
als auch während der artifiziellen Immunisierung
gegen den Rotzbazillus eine bedeutende Zunahme
des Agglutiningehaltes. Diese Vermehrung steht in
keinem Verhältnis zu der Stärke der Infektion, und
scheint rascher hervorzutreten, wenn die Impfung
des Rotzbazillus durch die verwundete Nasenschleim¬
haut, als wenn sie durch die normalen Verdauungs¬
wege erfolgt ist.
2. Während der Malleinreaktion erhöht sich die
Agglutinationskraft des Blutes rotzkranker Pferde.
Diese Erhöhung, die hohe Grade erreichen kann, ist
jedoch vorübergehend. Sie steht in keinem Ver¬
hältnis zur Stärke der durch die Malleinreaktion
verursachten thermischen Reaktion, sie ist aber
immer von organischer Reaktion und von ödema-
töser Schwellung an der Injektionsstelle begleitet.
3. Bei den auf Mallein nicht mehr reagierenden
und nur eine mehr oder minder ausgeprägte or¬
ganische Reaktion gebenden Pferden kommt wäh¬
rend der Malleinisation eine beträchtliche Zunahme
der Agglutinationskraft des Blutserums zur Er¬
scheinung. Dieser Erhöhung der agglutinierenden
Eigenschaften muss man einen bedeutenden Wert
für die Diagnose einiger verdächtigen Rotzformen
zuschreiben.
4. Das Verhalten des Blutserums bezüglich seiner
agglutinierenden Eigenschaften gegenüber dem Rotz¬
bazillus zeigt viele Analogien mit dem Verhalten
des ganzen Organismus bei der Malleinvergiftung.
Gleich wie bei dieser kann in der Tat der Agglu¬
tiningehalt bedeutende Schwankungen zeigen und
bis zum normalen Grad sich abschwächen, obwohl
das Pferd rotzkrank bleibt.
Diese Verminderung das Agglutinierungsver-
mögens von zweifellos rotzkranken Pferden kann
man durch Bildung anderer Arten von Antikörpern
ausser den Agglutininen, das ist durch die Anti¬
komplemente, erklären, die durch Bildung der nor¬
malen Komplemente das Phänomen der Agglutination
verhindern. Diase Behauptung gründet sich auf
das Resultat der gelungenen Reaktionsversuche, die
durch Zusatz von Seris gesunder Pferde, Katzen und
Menschen erfolgte.
5 Die auf 52—55° während einer Stunde vor¬
genommene Erwärmung zerstört die Agglutinations¬
kraft des Serums rotzkranker Tiere (Pferde, Katzen,
Meerschweinchen) nicht gänzlich. Die Erwärmung
während einer Stunde auf 62—65° zerstört sie voll¬
ständig.
Die Agglutinationskraft stellt sich wieder ein,
wenn man dem durch Hitze unwirksam gemachten
Serum normale Sera anderer Tiere im Verhältnis
1:2 bis 1:3 zusetzt. Die Komplemente des nor¬
malen Katzenserums reaktivieren viel besser als die¬
jenigen des normalen Menschenserums die Aggluti¬
nationskraft des erwärmten Pferdeserums. Die Meer¬
schweinchenkomplemente verhalten sich ungefähr
wie diejenigen des Menschen.
6. Die Agglutinine finden sich immer in
grösserer Menge als die Präzipitine im Serum rotz-
kranker Pferde, Katzen und Meerschweinchen. Die
Filtrate der Rotzbouillonkulturen enthalten keine
durch Serum präzipitabelen Substanzen, oder doch
nur in ganz geringer, kaum wahrnehmbarer Menge.
Grösserer Gehalt an präzipitabelen Substanzen findet
sich dagegen in dem aus frischen Organen (Milz)
hergestellten Plasma rotzkranker Katzen und in
wässerigen Glyzerinextrakten aus frischen oder ge-
trockenen Agarrotzkulturen. Dieser Unterschied er¬
klärt sich durch die Annahme, dass im Filtrate der
Rotzbouillonkulturen nur die löslichen Toxine des
Rotzbazillus und nicht die Proteine enthalten sind,
die sich hingegen in grösserer Menge im wässerigen
Glyzerinextrakt aus mit Glassand zerriebenen Rotz-
kulturen finden. Jacob.
Koske. Zur Frage der Uebertragbar-
keit der S c h w e i n e s e u c h e auf Ge¬
flügel und der Gef 1 üge 1 cho 1 era auf
Schweine durch Verfütterung. Arb.
a. d. Kaiserlichen Gesundheitsamte. Bd. XXII,
S. 503.
Um die Frage zu klären, ob die Bakterien der
Schweineseuche durch Verfütteruug auf Geflügel
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64
Fortschritte der Veterinar-Hygiene.
3. Jahrgang.
übertragbar sind und ob umgekehrt eine der
Schweineseuche ähnliche Infektion bei Schweinen
durch die Aufnahme der Erreger der Geflügelcholera
möglich ist, wurden eine Reihe von Fütterungsver¬
suchen an Sperlingen, Krähen, Tauben, Hühnern,
Enten, Gänsen mit dem Erreger der Schweineseuche
und an Schweinen Fütterungs- und Inhalations -
versuche mit den Bazillen der Geüügelcholera an¬
gestellt.
Die Untersuchungen ergaben, dass durch Ver-
fütterung der Schweineseuchebakterien in Reinkultur
oder der von schweineseuchekranken Tieren stam¬
menden Organteile bei verschiedenen Vogelarten
(Sperlingen, Krähen, Tauben, Hühnern und Gänsen)
eine tödliche Allgemeininfektion hervorgerufen werden
konnte. In dem Kot der Fütterungstiere wurden in
den meisten Fällen virulente Schweineseuchebakterien
nachgewiesen.
Durch Verfütterung von Geflügelcholerabakterien
in Reinkultur oder von an Geflügelcholera verende¬
tem Geflügel, ferner durch Inhalation von Geflügel¬
cholerabakterien konnte bei Schweinen eine der
Schweineseuche ähnliche Erkrankung nicht erzeugt
werden. Die Bazillen der Geflügelcholera konnten
jedoch bei den Versuchsschweinen in den Kehlgangs-
drüsen, oberen Halsdrüsen und Bronchialdrüsen
nachgewiesen werden.
Es Hessen sich sichere Unterschiede zwischen
beiden Bakterienarten bis jetzt weder durch ihr
morphologisches und biologisches Verhalten, noch
durch den Pfeifferschen Versuch feststellen. Auch
die Ergebnisse des Castelianischen Sättigungsver-
fahrens Hessen Verschiedenheiten zwischen den Er¬
regern der Schweineseuche und der Geflügelcholera
nicht erkennen.
Da eine Uebertragung der Schweineseuchebakte¬
rien auf Geflügel möglich ist, dürfte es zweckmässig
sein, bei gleichzeitiger Haltung von Schweinen und
Geflügel auf gesonderte Fütterung, StaUung, Weide¬
plätze usw. zu halten. Zur weiteren Erforschung
Beziehungen zwischen der Schweineseuche und Ge¬
flügelcholera wäre es wünschenswert, wenn seitens
der Tierärzte in allen den FäUen, in welchen beide
Krankheiten zugleich auftreten, genaue Erhebungen
über deren Entstehung angestellt und diese Erfahrun¬
gen in geeigneter Weise veröffentlicht würden.
Autoreferat.
Srnidt« Z u r Ch ar ak te r isi er ung der Hog-
choleragruppe. Centralbl. f.Bakt. etc., 1. Abt^
Orig. Bd. 38, Heft 1.
Verf. fand, dass durch Höchster polyvalentes
Schweinepestserum die Bakterien der Schweinepest,
des Mäusetyphus und Bakterien des Paratyphus
kräftig agglutiniert werden und zwar alle fast gleich-
mässig, dass Coli-, Dysenterie-, Enteritis- und
Typhus-Bazillen nicht stärker agglutiniert werden
als durch normales Serum. Im Einzelfaüe gelingt
es weder morphologisch, noch kulturell, noch durch
Agglutinationsversuch sicher zu entscheiden, ob ein
Stamm als Mäusetyphus-, Paratyphus(B)- oder
Schweinepest-Bazillus anzusprechen ist Ein etwaiger
Zusammenhang zwischen Paratyphusfällen und ana¬
logen Tierkrankheiten erscheint hiernach nicht aus¬
geschlossen. Prof 6.
Sohaidlu und Hoffknann. Vorläufiger Be¬
richt über das Vorkommen von Spiro-
chaeten in syphilitischen Krank¬
heitsprodukten und die Pupillaren.
Arb. a. d. Kaiserl. Gesundheitsamte. Bd. XXII,
S. 527.
Bei den Untersuchungen, welche Verf. über das
Vorkommen von Mikroorganismen in syphilitischen
Krankheitsprodukten anstellten, fand Schaudinn in
lebenden Objekten und in gefärbten Präparaten Or¬
ganismen, die zur Gattung Spirochaete gestellt
werden müssen. Diese Spirochaeten konnten bis¬
her sowohl an der Oberfläche sogenannter syphüi-
tischer Effloreszenzen, als auch in der Tiefe des
Gewebes und in den spezifisch erkrankten Leisten¬
drüsen in 7 Fällen von reiner Syphilis, in 5 mit
anderen Erkrankungen komplizierten Fällen von
Syphilis und in einem Spitzenkondylom nachgewiesen
werden. Es handelt sich um 2 Formenreihen von
Spirochaeten, einen dunkel färbbaren und einen
blassen Typus, welch letzterer sich bei aUen rein
syphiHtischen Produkten allein vorfand und sich nur
durch eine kräftige Modifikation der Giemsaschen
Färbung darstellen Hess, während ersterer mit den
Färbemethoden für Spirochaeten (Gentianaviolett,
Karbolfuchsin usw.) leicht gefärbt werden konnte.
Ob zwischen den bei spitzen Kondylomen gefundenen
und den bei Syphilis vorhandenen Parasiten sichere
Unterscheidungsmerkmale sich herausfinden lassen
werden, soll weiteren Forschungen Vorbehalten bleiben.
Koske.
Koske. WeIche Veränderungen entstehen
nach Einspritzung von Bakterien,
Hefen, Schimmelpilzen und Bakte¬
riengiften in die vordere Augen¬
kammer? Arb. a. d. Kaiserlichen Gesundheits¬
amte. Bd. XXII, S. 411.
Die Arbeit wurde unternommen, um nachzu¬
weisen, inwieweit eine Anzahl zum Teil für Kaninchen
nicht pathogener Bakterien, Hefen und Sprosspilze
imstande sind, sich innerhalb der vorderen Abschnitte
des Auges zu vermehren, von hier aus in die hinteren
Teile des Auges einzudringen und eine eitrige
Augen entzündung zu erzeugen. Sodann sollte ver¬
sucht werden klarzustellen, ob die Bakterien als
solche oder ihre Stoffwechselprodukte die Verände¬
rungen im Auge hervorrufen.
Es wurden bei den Untersuchungen drei zur
Gruppe des bac. subtiHs gehörige Bakterienstämme,
bac. prodigiones, bac. suipestifer, staph. pyog. aur.,
vibrio Metschniokoff, bac. tuberkuloides Rabinowitsch,
bac. tuberkuloides Beck und ein bac. tuberkulosis
benützt. Von Schimmelpilzen und Hefearten wurden
mucor mucedo, aspergillus fumigatus, die Rosahefe
und Weissbierhefe geprüft.
Die Versuche ergaben, dass von den oben an¬
geführten Bakterien die 3 Stämme des bac. subtilis,
bac. prodig., staph. pyog. aur., bac. suipesk, bac.
Digitized by kjOOQle
Heft 3.
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
45
tuberkulosis, Weissbierhefe und Rosahefe, in die
andere Angenkammer gespritzt, auf die hinteren
Abschnitte des Auges Übergriffen und zur Pan-
ophthalmie führten.
Diese Wirkung ist auf eine Vermehrung der
Bakterien in der Vorderkammer und die Reizwir-
kung der Bakterienzellen und ihrer Stoffwechsel¬
produkte zurückzuführen, da abgetötete und mit
Alkohol oder Aether ausgezogene Bakterien nur
vorübergehende leichte Reizerscheinungen hervor¬
riefen. Auch die von den Bakterien in flüssigen
Nährböden gebildeten Stoffe riefen Entzündungs¬
erscheinungen hervor, welche aber in einiger Zeit
ohne Zurücklassung von Veränderungen abheilten.
Autoreferat.
J. Siegel Untersuchungen über die
Aetiologie der Pocken und der Maul¬
und Klauenseuche (Abhdl. d. Preussisch.
Akadem. d. Wissensch., 1905).
Nachdem schon Guarnieri u. a. in der
Lymphe bezw. im Blut von Blattemkranken eigen¬
tümliche Gebüde beobachtet hatten, die er als Pro¬
tozoen und Erreger der Variola ansah, führte erden
Nachweis, dass bei Einimpfung der Pockenlymphe
in die Cornea des Kaninchens, die von ihm be¬
schriebenen Gebilde regelmässig in der Umgebung
der Impfstelle in den Epithelzellen, neben dem Kern
gelagert, zu finden waren. Er nannte die Gebilde
Cytorrhyctes variolae.
Siegel hat nun die Guarnierischen Körperchen
einer erneuten Prüfung unterzogen. Er bediente sich
teils der Corneaimpfung, teils injizierte er einige
Tropfen Lymphe unter die Haut oder in die Bauch¬
höhle, wodurch eine wesentlich stärkere Vermehrung
der Parasiten im Blut erzielt wurde. Als Versuchs¬
tiere dienten ausser zwei Kälbern grösstenteils
Kaninchen. Die Parasiten konnten mikroskopisch im
Blut nachgewiesen werden, doch blieben aseptisch
entnommene Organstücke auf Agar und Blutserum
stets keimfrei, was Verf. als Beweis dafür ansieht,
dass es sich hier nicht um Bakterien handeln kann.
Die Gebilde zeigten folgendes Verhalten: Bei der
Untersuchung des lebenden Objektes im Organsaft
sieht man kleinste 0,5—1 \x lange und einige Zehntel p
breite Gebilde in lebhafter Bewegung; dieselben
haben die Form eines von einem Ende zugespitzten
Ovals, der spitze Fortsatz ist stärker glänzend; im
Innern sieht man zwei kleine, schwach oval gestaltete,
gewöhnlich hintereinander gelagerte, sehr stark
glänzende Körperchen, die Verf. wegen ihres un¬
regelmässigen Vorkommens und wegen ihrer Färb¬
barkeit mit Azur als Kerne deutet. Diese Gebilde,
die Verf. als die „beweglichen Körper“ bezeichnet,
beschreiben unter fortwährender, lebhaft oszillierender
Bewegungdesspitzen Endes ununterbrochenSchleifen-
touren. Dieser eigentümliche Bewegungsmodus
scheint spezifisch zu sein und erinnert sehr an die
Bewegung von Trypanosomen im Blute der Karpfen.
Es handelt sich um aktive Bewegung, denn bei Zu¬
satz von Chloralhydrat und anderen verschiedenen
Stoffen sistiert sie sofort, und der spitze Fortsatz ver¬
schwindet Ausserdem erkennt man im Gewebesaft
kugelige und eiförmige 1—2,5 p lange, stark glänzende
Gebilde ohne Eigenbewegung, die oft in der Mitte,
oft aber nach dem einen Ende zu eingeschnürt sind;
diese letzteren Formen sollen nach Verf. besonders
charakteristisch sein. Selten finden sich 3—5 p
messende kreisrunde Formen, die im Innern eine
Menge von kleinen, glänzenden, in stetiger os¬
zillierender Bewegung befindlichen Punkten ein-
schliessen; auch hier hört die Bewegung nach Zu¬
satz von Chloralhydrat auf. Mit Azur färben sich
diese kleinen Körperchen blau, und man kann dann
deren 4—8 oder 16, selbst bis zu 32 zählen.
Die „beweglichen Körper“ vermögen das Chamber-
landfllter zu passieren. Es gelangVerf., auch durch
Ueberimpfung eines solchen filtrierten, die beweg¬
lichen Körperchen enthaltenden Plasmas auf die
Kaninchencornea die Entwickelung der Guarnieri¬
schen Körperchen in der Cornea zu beobachten.
Diese beschriebenen Formen finden sich in Niere,
Leber, Milz und Knochenmark, seltener im Blut;
in Ausstrichen von Nieren- und Corneasaft finden
sich ausserdem ovale Formen mit oft deutlicher
Längsteilung.
Für die Teilungserscheinungen an den mit Azur
blau gefärbten Kernen ist eine schon bei der ersten
Längsteilung auftretende Verschiebung der ein¬
zelnen Teile.
V erf. hält die „beweglichen Körper“ mit zwei Kernen
für Jugendformen, die sich durch Zweiteilung (Längs¬
teilung) vermehren können; ein anderer Teilungs¬
modus ist die Mehrfachteilung, wobei jene Ver¬
schiebungen und die hiervon abhängigen Erscheinun¬
gen zur Beobachtung gelangen. Die Teilungsprodukte
sind entweder wieder „bewegliche Körper“ oder
Haufen grösserer, von einer dicken Plasmahülle um¬
gebenen Formen, die als Zystosporen bezeichnet
werden können und wahrscheinlich Dauerformen
entsprechen; durch weitere Teilung zerfallen diese
in Sporozoiten.
Verf. fasst seine Resultate folgendermassen zu¬
sammen:
1. Die als Begleiter der Pocken- bezw. Vaccine¬
krankheit gesehenen Körperchen, deren bisherige
Beschreibung ein sicheres Urteil, ob es sich um
Degenerationsprodukte oder um Entwicklungsstufen
eines Parasiten handelt, nicht gestattete, sind Para¬
siten, und zwar Protozoen. Dies wird besonders
durch die gelungenen Kernfärbungen des Ausstrich-
Präparates bewiesen.
2. Diese Protozoen sind systematisch einzureihen
als eine neue Gruppe bei den Sporozoen oder
Flagellaten.
3. Der Parasit geht durch das Chamberlandfilter
hindurch, was durch das Mikroskop und mit Impf¬
versuchen bewiesen werden kann.
II. Cytorhyctes aphtarum (nov. spec.).
Verf. bediente sich bei der Untersuchung der
Maul- und Klauenseuche im wesentlichen der gleichen
Methoden, wie bei Untersuchung der Pocken. Als
Versuchstiere benutzte er einige junge Schweine,
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66
Fortschritte der Veterinär- Hygi e n e.
3. Jahrgang.
dann auch Meerschweinchen und Kaninchen, deren
Empfänglichkeit bereits von Bollinger festgestellt
war. Die Lymphe wurde diesen Tieren in oineVene
oder in die Bauchhöhle injiziert, worauf bei Ka¬
ninchen eine schwere Erkrankung mit rapider Ge¬
wichtsabnahme, Haarausfall und zum Teil Schwellung
der Schleimhäute sich einstellte.
Die bei dieser Erkrankung gefundenen Parasiten
zeigten morphologisch und biologisch eine weit¬
gehende Aehnlichkeit mit den bei den Pocken be¬
obachteten Gebilden; nur die Bildung von Dauer¬
sporen konnte nicht nachgewiesen werden, vielleicht
wegen der zu kurzen Untersuchungsdauer. Der
typische Unterschied beider Spezies besteht in der
verschiedenen Lokalisation des Sporulationsvorganges
in der Haut. Während bei Pocken niemals ein Ein¬
dringen des Parasiten in den Kern stattfindet, ist bei
der Maul- und Klauenseuche gerade der Kern aus- 1
nahmslos der Sitz des Parasiten. Eine Verwechslung
mit Chromatinschollen soll nach der Ansicht des
Verf. wegen der schlechten Färbbarkeit mit Häma-
toxylin ausgeschlossen sein.
J« Siegel. Untersuchungen über die
Aetiologie der Syphilis. (Ibid.)
Auch bei diesen Untersuchungen kamen im all¬
gemeinen die gleichen Methoden zur Verwendung
Die Schnitte wurden hergestellt aus Primär¬
indurationen des Präputiums und breiten Kondylomen
des Menschen, papulo-pustulösen Hauterkrankungen
und- inneren Organen geimpfter Affen, Hauterkran-
küngen und geimpften Augen von Kaninchen. Die
Impfung wurde vorgenommen mit einer feinen
Emulsion von Stücken nicht ulzerierter breiter
Kondylome und Primäraffekte. Bei längerer Kon¬
servierung dieser Emulsion trat eine wesentliche
Abschwächung der Virulenz ein; auch war die
Emulsion von Kondylomen wirksamer als die von
Primäraffekten, weil, wie Verf. glaubt, in ersteren
die grösseren Sporulationsformen der Parasiten zahl¬
reicher sind. Nach der Impfung finden sich, bei
heftiger Erkrankung der Versuchstiere, nicht nur in
Blut und Geweben zahlreiche Parasiten, sondern es
wurde auch in der Umgebung des Impf bezirkes eine
Auflockerung der Intima der Gefässe beobachtet,
sowie späterhin als Sekundärerscheinungen papulo-
pustulöses Exanthem namentlich der Lippen- und
Kopfhaut.
Die bei der Syphilis beobachteten Parasiten
finden sich sowohl im Blute als in den Geweben,
in letzteren ausschliesslich im Bindegewebe und den
Gefässwänden, und zwar stets im Zellplasma und der
Grundsubstanz, niemals in Kernen.
Morphologisch und biologisch unterscheiden sich
die Parasiten sonst kaum von den bei den Pocken etc.
beschriebenen Formen, so dass es nicht möglich ist,
typische Art-Charaktere aufzustellen. Auch hier
findet man die sog. „beweglichen Körper“ mit be¬
weglichen Fortsätzen. Ausser den kleinen finden
sich auch grössere bewegliche Formen mit 4 bis
8 Kernen, die ebenfalls noch einen deutlichen geissel-
fo rangen Fortsatz haben können. Durch fortgesetzte
Teilung entstehen nicht selten 2—3 parallel gerichtete
Kernreihen; im Endstadium der Sporulation finden
sich bis 16 Kerne, um welche dann nach der
Schilderung des Verf. ebenfalls Protoplasma¬
ansammlung stattflndet, woraus dann wieder den
beweglichen Körpern ähnliche Jugendformen hervor¬
gehen.
Verf. bezeichnet die Parasiten als Cytorhyctes
luis. Er fasst seine Ergebnisse folgen dermassen zu¬
sammen :
1. Im Blut syphilitisch erkrankter, ärztlich nicht
behandelter Menschen, in den Primäraffekten ifnd
den breiten Kondylomen finden sich Protozoen, die
der Gattung Cytorhyctes angehören.
2. Sitz des Parasiten in der Haut ist im Gegen¬
satz zu den akuten Exanthemen nicht das Epithel,
sondern Bindegewebe und Gefässe.
3. Bei geimpften Kaninchen findet man Er¬
krankungen der Haut und Iris, sowie dieselben
Protozoen wie bei erkrankten Menschen. Jacob.
D. Konradl. Weitere Untersuchungen zur
Kenntnis der Symptome und Prophy¬
laxe der experimentellen Lyssa.
Centralbl. f. Bakt. etc., 1. Abt., Orig. Bd. 38, Heft 2.
Verf. kam auf Grund zahlreicher an Kaninchen
angestellter Versuche im wesentlichen zu dem Er¬
gebnisse, dass man den Ausbruch der Wutkrankheit
mit einer Lokalbehandlung verhindern kann, dass
die Lokalbehandlung bei Verletzungen an den
Extremitäten innerhalb 12, bei Gesichtswunden
innerhalb 3 Minuten folgen muss, und dass die Lyssa
wie andere Krankheiten rezidivieren kann. ProfA
J. LÖte, Kolozsvär. Ueber die Lyssa der Vögel.
Orvosi Hetilap. 1904. No. 1.
Löte machte seine Versuche teils an Raubtieren,
teils an zahmen Haustieren. Die Versuche wurden
mit dem Infektionsstoff der beginnenden oder mehr¬
minder vorgeschrittenen Lyssa ausgeführt. Versuchs¬
tiere waren: der gewöhnliche Mäusehäher und die
Nachteule, von den Haustieren das Huhn und die
Taube. Die Impfung erfolgte immer unter die
Gehirnhaut, die Reinheit des Impfstoffes wurde durch
Ueberimpfung geprüft Von den 3 Raubtieren er¬
krankten sämtliche, von den Hühnern und Tauben
bloss manche, auch diese waren ziemlich lange krank,
gingen spät zugrunde, ja bei manchen trat sogar
spontane Heilung ein.
Die Experimente lehren, dass unser Hausgeflügel
für Lyssa wenig empfindlich ist. Manche experi¬
mentelle Erfahrung scheint dafür zu sprechen, dass
das Virus der Lyssa im Körper der* Vögel eine Ab¬
schwächung erfährt, doch müssen die Experimente
noch fortgesetzt werden. Zimmermann.
Tiberti. Ueber den Transport des Te¬
tanusgiftes zu den Rückenmark s -
zentren durch die Nervenfasern (Ctbl.
f. Bakt., B. 38, H. 4—6).
Verf. zieht aus seinen Versuchen folgende Schluss¬
folgerungen :
1. Injiziert man Tetanustoxin subkutan bei einem
empfänglichen Tier, so geht dasselbe grösstenteils in
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Heft 3.
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
67
die Lymphgefässe über und von diesen aus ins Blut;
zum geringeren Teile wird es von den Nerven¬
endigungen resorbiert und wird durch diese zu den
Nervenzentren weitergeleitet. Nach hypodermischer
Injektion von Tetanustoxin in ein Glied ist das
Toxin konstant in den Nervenstämmen des Gliedes
selbst nachweisbar.
2. Der Transport des Tetanustoxins zu den
Nervenzentren durch die Nerven findet statt nicht
durch die Lymphwege der Nerven selbst, sondern
im Plasma der Nervenfasern, aus denen der Achsen¬
zylinder besteht. Damit die Nervenfasern imstande
sind, das Tetanustoxin aufzunehmen und es zu den
Nervenzentren weiterzuleiten, ist es nötig, dass der
Achsenzylinder seine normale Integrität besitzt.
3. Dem Achsenzylinder entlang läuft der Strom
des Giftes nur in zellulopetaler Richtung. Das
Tetanustoxin verschiebt sich nach der Nervenzelle
bin, wahrscheinlich weil letztere auf das Tetanus¬
gift. mit dem die Nervenfasern durchtränkt werden,
eine Anziehung ausübt.
4.. Injiziert man in einen Muskel Tetanustoxin,
so breitet es sich in der den Muskel selbst durch-
spillenden serösen Flüssigkeit aus und wird, nach¬
dem es von den Endigungen der den Muskel durch¬
setzenden Nerven resorbiert worden ist, vermittelst
der Nerven zu den Zentren weitergeleitet.
5. Das in die Wadenmuskeln eines Kaninchens
inokulierte Tetanustoxin trifft man im entsprechenden
Ischiadikus in beträchtlichen Dosen erst 1V 2 Stunden
nach der Injektion an, während man es viel schneller
im Blut trifft (schon nach 10 Min.)
6. Es genügen minimale Dosen von Tetanus¬
toxin, um schwere Tetanuserscheinungen hervor¬
zurufen, wenn die Injektion direkt in das Parenchym
des Nerven erfolgt. Dieselben Dosen rufen, wenn
sie unter die Haut oder in den Kreislauf injiziert
werden, keine Tetanuserscheinungen hervor.
7. Injiziert man Tetanustoxin in einen Nerven-
stamm und inokuliert dann Tetanustoxin in die
durch denselben Stamm innervierten Muskeln, so
gelingt es, den Zutritt des Toxins zu den ent¬
sprechenden Nervenzentren zu verhindern, und man
bemerkt deshalb keine Tetanuserscheinungen irgend¬
welcher Art in dem betreffenden Muskelgebiet
8. Das direkt in einen Nerven inokulierte
Tetanustoxin hat keinen anderen Weg der Ueber
tragung auf die Nervenzentren als die Substanz des
Nerven selbst, wie dies die Tatsache beweist, dass
man durch Unterbrechung des Rückenmarks an
einem bestimmten Punkte die Wirkungen des Toxins
auf den in Verbindung mit dem Sitz der Einwirkung
stehenden Abschnitt des Rückenmarks beschränken
und die Verbreitung des Toxins in den oberen Re¬
gionen des Rückenmarks selbst verhindern kann.
9. In den durch Durchscheidung der entsprechen¬
den Nervenstamme ihrer Innervation vollständig be¬
raubten Muskeln zeigen sich keine Tetanuserscheinun¬
gen infolge subkutaner Inokulation von Tetanustoxin.
10. Wenn man Tetanustoxin direkt in das
Rückenmark, in die Substanz desselben, injiziert, so
erhält man eine beträchtliche Abkürzung des Iri-
kubationsstadiums, und es zeigt sich ein besonders
durch den Namen Tetanus dolorosus charakterisiertes
Krankheitsbild.
11. Injiziert man Tetanustoxin in den Kreislauf,
so werden nach einem mehr oder weniger langen
Inkubationsstadium, je nach der betreffenden Tier¬
gattung alle Muskeln gleichzeitig von tetanischen
Kontraktionen ergriffen, weil das Toxin des Tetanus
gleichzeitig von allen Nervenästen resorbiert und zu
den Nervenzentren weitergeleitet wird.
In diesem Falle fehlt der sog. lokale Tetanus, den
man beobachtet, wenn das Toxin unter die Haut oder in
das Parenchym eines Nerven injiziert wird. Es ist
eine viel stärkere Dosis von Toxin erforderlich, um
bei einem Tiere Tetanuserscheinungen hervorzurufen,
wenn man die Injektion in den Kreislauf macht, als
nötig ist, wenn man sie subkutan oder direkt in die
Nervenstränge vornimmt.
12. Das in die Blutbahn injizierte Tetanustoxin
geht schnell in die Lymphe über. In der zerebro-
sdinalen Flüssigkeit kann das Tetanusgift nicht mit
Sicherheit nachgewiesen werden. Jacob.
Magnus, W. Experimentelle Untersu¬
chungen über das Verhalten der
Eidechsen gegen eine künstliche
Infektion mit Milzbrand, Tetra¬
genus und Mäuseseptikämie. Inau-
gural-Dissertation Heidelberg 1904.
Versuche mit Milzbrand an niederen Wirbel¬
tieren sind schon verschiedentlich und zwar mit
Fröschen, Schildkröten und Eidechsen angestellt
worden. Namentlich war es Metschnikoff, welcher
die letztgenannte Tierart diesbezüglichen Experi¬
menten mit dem Resultat unterwarf, dass bei Zim¬
mertemperatur die Eidechsen immun seien, wäh¬
rend sie bei Blutwärme der Infektion erliegen
sollten.
Der Autor vorliegender Arbeit prüfte nun diese
Versuche dadurch nach, dass er Eidechsen in ent¬
sprechenden Behältern allmählich an verschieden
hohe Temperaturen gewöhnte und sodann intra¬
peritoneal und subkutan mit Milzbrandkultur
impfte. Es ergab sich, dass bei diesen Tieren von
einer Immunität gegenüber Milzbrand nicht die
Rede sein kann, und dass es zur Herbeiführung
einer tätlichen Infektion nicht notwendig ist, die
Eidechsen einer höheren Temperatur auszusetzen.
Jedoch trat bei abnehmender Wärme eine Ver¬
zögerung des Exitus let. ein. Bei 17° C. z. B.
starben die Tiere erst nach 5—6 Tagen, während bei
26—29 0 C. der Tod schon nach 1 Tag 4 Stunden
eintrat.
Der Nachweis der Bacillen gelang immer im
Herzblut, meist auch in Leber und Lungen, weniger
sicher in Milz und Nieren. Makroskopisch sicht¬
bare Veränderungen an den inneren Organen waren
nicht immer vorhanden. Meist bestand Milz- und
I jebersch wellung.
Eine Abschwächung des Krankheitserregers im
Eidechsenkörper war nicht eingetreten, da die
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68
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
3. Jahrgang.
Impfmause nach 16 bezw. 12 Stunden zugrunde
gingen.
Bei den Versuchen mit Mäuseseptikämie konnte
als für die Entwicklung günstige Temperatur
29° C. festgestellt werden (Tod nach 1 1/2 Tagen).
Aber auch bei 19—21 0 C. auf bewahrte Tiere ver¬
endeten noch, allerdings erst nach 9 Tagen. Eine
Virulenzabnahme war auch hier nicht eingetreten.
Hauptfundstätte der Milzbrandbacillen war das
Herzblut und die Lungen. Milztumor war immer,
Schwellung der Leber öfters vorhanden.
Der Mikrokokkus tetragenus führte den Tod
der Eidechsen am schnellsten herbei bei 32° C.
(Tod nach 1 Tag). Die unterste Grenze liegt bei
22° (Tod nach, 9 Tagen). Auch hier keine Schädi¬
gung der Virulenz des Mikroorganismus. Die
Hauptfundstelle des letzteren waren die Lungen.
Leber und Milz stark geschwollen. In zwei Fällen
in Pleura und Perikard aus Reinkultur bestehende
Eitennassen. Carl.
F* Pfaff. Eine infektiöse Erkrankung
der Kanarienvögel. Zentralbl. f. Bakt. etc.
1. Abt. Orig. Band 38 Heft 3.
Verf. hatte Gelegenheit, eine Infektionskrankheit
unter den Kanarienvögeln eines Händlers zu beob¬
achten. Die pathologisch - anatomischen Verände¬
rungen an den Organen der verendeten Vögel waren
folgende: Milz und Leber waren von zahlreichen
gelb-weissen Herden durchsetzt, die Darmschleim¬
haut war entzündet. Im Herzblut, in der Milz und
der Leber zahlreiche Bakterien von gleichem Aus¬
sehen. Es waren das 1—2 fi lange, 0,5 fi breite,
einzeln gelegene, unbewegliche und geissellose Bak¬
terien, die keine Sporen bildeten. Mit gewöhnlichen
Anilinfarben gut färbbar, nach Gram Entfärbung.
Auf Agarplatten gezüchtet, bildeten die Bakterien
nach 24 Stunden durchscheinende, gelblich-graue,
ziemlich trockene Kolonien. In Bouillon bildeten
sich nach 24 Stunden feine Flocken, die zu Boden
sanken und die Bouillon klar Hessen. Auf Agar
bilden die Kolonien einen gelblich - weissen, auf
Gelatine einen bläulich-weissen Ueberzug. Die Bak¬
terien bilden schnell kräftigwirkende Toxine. Die
Bakterien erwiesen sich als pathogen für Kanarien¬
vögel, Sperlinge, Zeisige, Tauben, nicht für Hühner,
des weiteren als pathogen für weisse Mäuse, Meer¬
schweinchen und Kaninchen. ProfA
N. Morl« Ueber eine bei Katzen aufge¬
tretene durch einen besonderen
MikroorganismusbedingteEpizootie.
Centrbl. f. Bakt. etc, l.Abt., Bd. 38, Heft 1 und 2.
Verf. gewann gelegentlich einer in Siena unter
den Katzen aufgetretenen Epidemie aus den Or¬
ganen einer kranken und in der Agonie getöteten
Katze ein Stäbchen in Reinkulturen, durch dessen
Verimpfung er bei Katzen wieder dieselbe Krank¬
heit erzeugen konnte. Die Stäbchen zeigten eine
zwischen 0,8 p und 2,0 p variierende Länge und leb¬
hafte Eigenbewegung, die durch 6—8 Geisselfäden
hervorgerufen wird. Sie bilden keine Sporen, färben
sich mit den gewöhnlichen basischen Anilinfarben,
aber nicht nach Gram. Es sind fakultative Anaerobier.
In Bouillon nach 4—6 Stunden Trübung, später bildet
sich ein Häutchen an der Oberfläche. Gelatine wird
nicht verflüssigt. Im Agarstrich bildet das Stäbchen
graublauen Belag, auf Kartoffel dicken saftreichen,
graugelben Belag. Der Mikroorganismus tötet, schon
in geringen Mengen verimpft, weisse Mäuse in 2,
Kaninchen in 3, Meerschweinchen in 1—2, Katzen
in 10—15 und Tauben in 6 Tagen. Bei derAutopsie
findet man Oedem, stark geschwollene Milz, ver-
grösserte Leber, Hämorrhagien, flüssiges Herzblut.
Verf. nennt den Mikroorganismus Bacillus caticida.
ProfA
Storch in Schmalkalden. Zur Prophylaxe der
puerperalen Infektionen. Berüner tier-
ärztiiche Wochenschrift. 1904, No. 12.
In der tierärztlichen Geburtshilfe sind die
Regeln der Asepsis und Antisepsis bislang wenig
zur Anwendung gekommen. Sie sind wohl haupt¬
sächlich deshalb ausser acht gelassen, weil die
Durchführung derselben mit grossen Schwierig¬
keiten verknüpft ist. Denn einmal sind die schlech¬
ten Stallungen als Operationsraum der Anwendung
der Asepsis nicht günstig und andrerseits stellen
viele schwierige Geburtsfälle an den Operateur in
Beziehung auf Ausdauer solche Anforderungen, dass
derselbe nur noch das eine Ziel verfolgt, die Ge¬
burt zu Ende zu führen, ohne der antiseptischen
Kautelen zu gedenken. Trotz dieser Schwierig¬
keiten ist die Beachtung der Antisepsis in der
Geburtshilfe zur Verhütung der puerperalen Infek¬
tionen absolut notwendig.
Man weiss heute genau, dass die puerperalen
Erkrankungen der Geschlechtsorgane ihre Ent¬
stehung der bakteriellen Infektion verdanken. Die
Erreger dieser Infektionskrankheiten sind bei
unseren Haustieren noch nicht alle erforscht. Je¬
doch steht fest, dass die puerperale nekrotisierende
Vaginitis und Metritis des Rindes durch den Ne¬
krosebacillus veranlasst wird. Zur puerperalen In¬
fektion bedarf es einmal einer Wundfläche, welche
den Bakterien den Eintritt in die Gewebe gestattet.
Hierfür genügen geringgradige Epitheldefekte, wie
sie fast bei jeder Geburt Vorkommen und andrer¬
seits müssen die Krankheitserreger selbst vor¬
handen sein.
Der genannte Nekrosebacillus ist ubiquitär und
wird fast regelmässig im Rinderkote gefunden.
Meistens ist er ein harmloser Saprophyt, kann je¬
doch auch, wie dargetan, parasitär auf treten.
Nach Fällen von Puerperalseptikämien oder
anderen mit septisch, putriden Prozessen verbun¬
denen Krankheiten wird selten eine sachgemässe
Desinfektion des Stalles ausgeführt. Die Krank¬
heitskeime bleiben in der Streu und auf dem Stall¬
boden liegen und geben so Gelegenheit zu neuen
gleichartigen Infektionskrankheiten. In der neueren
Literatur sind mehrere Fälle verzeichnet, in denen
seuchenartig auftretende puerperale Erkrankungen
durch den mit Krankheitskeimen besäten Stall¬
boden verursacht waren. Indes in der Mehrzahl
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Heft 3
Fortschritte der Ve teri n&r- Hy giene.
69
der Fälle worden die ruerperalseptikämien durch
die mangelhafte Sauberkeit bei der Geburtshilfe
veranlasst.
Der Geburtshelfer hat deshalb die Pflicht, den
Anforderungen der Asepsis bezw. Antisepsis, so¬
weit es ihm die Aussenverhältnisse gestatten, nach¬
zukommen. Zu diesem Ende hat er zunächst die
Wahl seiner Kleidung so zu treffen, dass dieselbe
leicht gereinigt werden kann. Verf. benutzt zur
Bekleidung des Oberkörpers ein leichtes, ärmelloses
Jägerhemd und als Beinkleider waschbare Loden¬
hosen. Dieselben werden häufig und insbesondere
nach der Entwicklung fauler Früchte peinlichst
ausgekocht und gewaschen.
Hände und Arme werden nach der Anweisung
von Kümmel und Fürbringer keimfrei gemacht.
Ferner ist bei der Durchführung der Antisepsis
die Desinfektion des Instrumentariums von Wichtig¬
keit. Stricke, Pflugleinen und Tragbänder sind
durch fünf Minuten langes Kochen in Wasser keim¬
frei zu machen.
Sind dieselben bei der Entwicklung von Dunst¬
kälbern oder -fohlen gebraucht, so sind sie gemäss
der Anweisung de Bruins zu verbrennen.
Die kleineren Instrumente sind ebenfalls fünf
Minuten in siedendes Wasser zu legen, die grösseren
reinigt man. mangels passender Sterilisationsvor¬
richtungen am besten mit Seifenwasser und Bacillol-
lösung oder noch besser durch Erhitzen in Gas¬
oder Spiritusflamme.
Um eine Verunreinigung der Instrumente auf
dem Transporte nach Möglichkeit zu verhüten,
sind dieselben in einen Beutel aus reiner Lein¬
wand zu befördern.
Vor Beginn der Operation werden Scham und
Schwanz des Tieres mit Seife, Wasser und Bacillol-
lÖ8ung gereinigt. Werden Wurf und Arme während
der Geburt durch Exkremente besudelt, so werden
letztere mit einer Desinfektionsflüssigkeit wegge¬
spült. Grosse Bedeutung wird vom Verf. der Des¬
infektion des Irrigatorschlauohes deshalb beigelegt,
weil derselbe sich oft als Zwischenträger von In¬
fektionskeimen erwiesen hat. Auskochen ist auch
hier das sicherste Mittel, das Instrument keim¬
frei zu machen. Verf. benutzt Duritschläuche, weil
dieselben durch den Koohprozess nicht angegriffen
werden.
Die allgemeine Anwendung vorstehender Hegeln
der Asepsis und Antisepsis in der Geburtshilfe
würde sicher zum Nutzen der Landwirtschaft die
Zahl der puenperalen Erkrankungen herabsetzen.
Knese.
de Does. Ein Fall von Pseudo-malleus
(Saccharomvcosis) der Testikel
eines Pferdes. Mitteilungen aus dem Gen-
eesk. Labor, in Weltevreden, Java.
Verf. beschreibt einen Fall von Saccharomy-
cosis der Testikel eines Pferdes, der grose Aehn-
lichkeit mit Malleus zeigte. Die Krankheit hatte
■zu enormer Vergrösserung aer Testikel geführt (Ge¬
wicht 1.5 kg). In den vielen Herden waren die
Hefezellen in ausserordentlich grosser Zahl zu
finden. de Haan.
B. Langer. Untersuchungen über einen
mit Knötchenbildung einhergehen¬
den Prozess in der Leber des Kalbes
und dessen Erreger. (Ztsch. f. Hyg. und
Inf. Bd. 45, 3.)
Die Untersuchungen beziehen sich auf Material,
das durch Herrn Schlachthofdirektor Haffner-
Düren der Tierärztlichen Hochschule in Berlin ein¬
geschickt wurde. Es waren Leberstücke mit ziem¬
lich scharfen Rändern, von braunroter Farbe, auf
der Schnittfläche hellbraun, mit zahllosen, teilweise
grieskorngrossen, scharf umgrenzten Herden von
grauweisser bis orangeroter Farbe. Ueber die
Schnittfläche ragten die Knötchen halbkugelig her¬
vor. Die Tiere hatten während des Lebens keine
Krankheitserscheinungen gezeigt. Nach der
Schlachtung fand sich fast immer Schwellung der
Milz, punktförmige Blutungen in den Nieren — in
einigen Fällen auch hier Knötchenbildung wie in
der Leber — und bisweilen Katarrh der Bronchien.
Der Nabel war stets intakt.
Es wurde eine genaue experimentelle, patho¬
logisch-histologische und morphologisch und bio¬
logisch-bakteriologische Untersuchung vorgenom¬
men. Mit fünf verschiedenen Stämmen von Rein¬
kulturen, die aus den eingesandten Kalbslebern ge¬
wonnen waren, wurden Mäuse geimpft. Diese Ver¬
suche ergaben, ebenso wie die Fütterungsversuche
an Mäusen, dass der gezüchtete Bacillus der Er¬
reger der Erkrankung und der Veränderungen in der
Leber ist. (Ausführliche Krankengeschichten und
Sektionsbefunde im Original.)
Die pathologischen Veränderungen waren fol¬
gende :
In den ersten Tagen der Infektion zeigte sich
bei den Versuchstieren allgemeine parenchymatöse
Erkrankung der Organe. Bei Tieren, die nach drei
bis vier Tagen und später eingingen, traten sie
mehr in den Hintergrund. Es fanden sich dann an
den Organen, besonders der Leber, tiefgreifende,
lokale Veränderungen. In den Herden lagerten sich
an Stelle der sich langsam lösenden Leberzellen
zahlreiche weisse Blutkörperchen., Besondere Hei¬
lungsvorgänge in diesen Herden waren selbst bei
Tieren, die erst 28 Tage nach der Infektion ein¬
gingen, nicht zu erkennen. Abgesehen von den
vereinzelten Fällen von Abzessbildung mit Ab¬
kapselung in der Leber, muss man annehmen, dass
die Defekte durch Regeneration des Leberparen¬
chyms ausgeglichen werden.
Der Krankheitserreger selbst hat folgende
Eigenschaften:
Es ist ein 0,6—1,0 p langes, bewegliches Stäb¬
chen, welches fakultativ anaerob auf den gebräuch¬
lichsten — schwach alkalischen — Nährböden ohne
Farbstoffbildung bei Zimmer- und Bluttemperatur
wächst. Es färbt sich mit den gewöhnlichen
Anilinfarben, ist nach Gram negativ und auch nicht
säurefest. Die Lakumsmolke wird anfangs gerötet,
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70
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
3. Jahrgang.
später gebläut. Es bildet reichlich Gas (H 2 S -f- C0 2 )
jedoch kein Indol. Gelatine wird nicht verflüssigt,
Bouillon gleichmässig getrübt. Die Isolierung ge¬
lingt leicht auf Agar. Das Bakterium ist haupt¬
sächlich für Kälber, weisse und graue Mäuse
pathogen, weniger für Meerschweinchen und Kanin¬
chen. Hunde sind immun. Momentane Erhitzung
auf 65 0 0. tötet den Bacillus. Durch Typhusserum
wird er agglutiniert, Toxine sind in Organen und
Kulturen nicht nachzuweisen. Der Bacillus ist un¬
zweifelhaft ein naher Verwandter des Bacterium
typhi. Er ist ein Spezies der Gruppe Paratyphus.
Verf. nennt ihn wegen seiner Wirkung beim Kinde
Knötchen in der Leber zu erzeugen: Bacillus
nodulifaciens bovis. Jacob.
Lefcbure und Gautier. Die spontane Kanin-
chenseptikämie von Eberth und Mandry.
Progrös v6t6rinaire. 1904, pg. 397—404.
Im Jahre 1882 hat Eberth unter dem Namen
„Spontane Septikämie“ eine infektiöse Kaninchen¬
krankheit beschrieben. Diese ist seither öfters
unter den Kaninchen der Laboratorien beobachtet
worden, in Kaninchenzüchtereien scheint sie in¬
des noch nicht beobachtet worden zu sein bis zu
dem regnerischen Sommer des Jahres 1903, in dem
die Verfasser Gelegenheit hatten, ein Dutzend Ka¬
ninchen einer Züchterei zu untersuchen, die nach
und nach derselben Krankheit erlegen waren.
Die Symptome waren folgende: Ein bis drei
Tage vor dem Tode wurden die Kaninchen träge,
sassen zusammengekauert in einem Winkel ihres
Stalles und Hessen die Ohren hängen. Nur mit
Mühe konnte man sie aus ihrer, einer Kugel ähn¬
lichen, Stellung zum Verlassen ihres Platzes be¬
wegen. Husten und Nasen-Ausfluss waren nicht vor¬
handen, in der Mehrzahl der Fälle auch kein Durch¬
fall. Bei einigen zur Autopsie gekommenen Tieren
waren im Rektum breiartige Massen vorhanden und
die Haare am Perinäum durch flüssige Exkremente
verklebt.
Kurz vor dem Tode trat Dyspnoe ein, die Ka¬
ninchen fielen auf die Seite, sperrten das Maul
auf und verendeten unter heftigen Schreien.
Die Sektion ergab in der Bauchhöhle ein durch¬
scheinendes, gelatinöses Exsudat, am Darm Kon-
gestionszustäode. Leber, Milz und Nieren waren
normal. In der Brusthöhle wurden die Lungen ge¬
sund gefunden, dagegen bestand eine Perikarditis
und Myokarditis. Im Herzbeutel eine reichliche
Menge von Exsudat gleicher Beschaffenheit wie
in der Bauchhöhle, ln der Peritonealflüssigkeit
fanden die Verf. eine ungeheure Anzahl von Bak¬
terien in der Form von kurzen Stäbchen bis zu
rundUcher Gestalt. Es wurden Kulturen in Nähr¬
bouillon, auf geronnenem Serum und Gelatine-
Stichkulturen angelegt. Bei einer Temperatur von
37—38° C entstand in der Bouillon eine diffuse
Trübung, die sich nach 4—5 Tagen unter Bildung
eines Niederschlags aufhellte. Auf dem geronnenen
Serum entstanden nach 20 Stunden kleine, runde,
durchscheinende Kolonien.
Auf der Gelatine entstand ein dünner grau-
weisser Oberflächen-Belag mit zackigen Rändern,
entlang dem Impfstrich, kleine weisse, zusammen-
fliessende Kolonien. Die Gelatinp wird nicht ver¬
flüssigt.
In allen drei Kulturen fanden sich dieselben
Bakterien. Der Bacillus ist bewegHch und ent¬
färbt sich nach Gram. Auf Kartoffeln gebracht
bildet der Spaltpilz einen graugelben, schleimigen
Belag, der bei längerem Wachstum schmutziggrau
wird.
Bei Kaninchen sind bisher vier Septikamien
beschrieben worden:
1. Die Septikämie von Lucet. Diese ist charak¬
terisiert durch das Auftreten einer Anschwellung
im Bereiche des Unterkiefers und Halses. Es be¬
steht Husten und Nasenausfluss. Der Erreger
wächst nicht auf Kartoffeln und ist für Hühner
nicht pathogen.
2. Die spontane Septikämie von Eberth und
Mandry. Symptome sind nicht angegeben. Der
Erreger wächst auf Kartoffeln, Hühner widerstehen
den stärksten Inokulationen.
3. Die Septikämie von Thoinot und Masselin.
Hierbei besteht Diarrhoe. Der Erreger von gleicher
Gestalt, wie der der Geflügelcholera. Kein Wachs¬
tum auf Kartoffeln. Hühner werden getötet.
4. Septikämie von Beck, charakterisiert durch
einen Katarrh der Luftwege, Husten und Dyspnoe.
Tod nach 5 —6 Tagen. Für Hühner nicht infektiös.
Wennschon die Tatsache, dass nur bei der
Septikämie von Eberth und Mandry ein Wachstum
auf Kartoffeln vorkommt, den Autoren beweisend
schien, haben diese doch Impf versuche bei Ksu-
ninchen, Hühnern und grauen Mäusen angestellt.
Die Maus starb nach einer Impfung in die Bauch¬
höhle nach 10 Stunden. Die Sektion ergab ein
gelatinöses Exsudat, das eine Reinkultur des er¬
wähnten, in enormer Zahl vorliandenen, Bacillus
darstellte. Auch im Blute der Milz und der Leber
wurde dieser gefunden. Nach Färbung mit Fuchsin
präsentieren sich einzelne der Spaltpilze unter
typischer Polfärbung als der Gruppe Pasteurella
zugehörig.
Das in die Schenkelmuskulatur geimpfte Ka¬
ninchen starb nach 48 Stunden. Als Folge der
Impfung trat eine entzündliche Schwellung der
Schenkelmuskulatur ein. ^Berührung und Bewegung
des Schenkels werden sehr schmerzhaft empfunden.
Nach I 1/2 Tagen verschlimmert sich der Zustand,
das Tier sitzt zusammengekauert und unbeweglich
da, die Ohren hängen herab und sind kalt. Nah¬
rung wird zurückgewiesen. Die bei der Impfung
vorhandene Temperatur von 39,5° C ist aof 35°,
zwei Stunden später auf 34° C gesunken.
Zu dieser Zeit (39 Stunden nach der Impfang)
fällt das Tier auf die Seite, die Extremitäten werden
konvulsivisch bewegt. Das geringste Geräusch und
die leiseste Berührung lösen heftige Krampfe, be¬
gleitet von durchdringendem Geschrei aus. Gegen
Ende tritt deutliche Asphyxie ein, die Atmung
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Heft 3.
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
71
wird dyspnoisch, jeden Augenblick werden kurze
Schreie ausgestossen. Der Tod erfolgt im Coma.
Von den Sektionserscheinüngen ist das gelatinöse
Exsudat in der Bauchhöhle und im Herzbeutel am
bemerkenswertesten. In diesen Flüssigkeiten wurde
der geschilderte Bacillus in grosser Menge gefun¬
den, aber weder im Blute noch in der Leber. Die
Impfung der Henne ergab ein völlig negatives Re¬
sultat. Klee.
E. Klein. Ueber einen neuen tierpatho¬
genen Vibrio (Vibrio cardii). (Ctbl. f.
Bakt. 38, 2.)
Verf. hat mittels des Drigalski-Konradis chen
Nährbodens zwei verschiedene Arten von Vibrionen
aus Muscheltieren isoliert. Der eine Vibrio bat
Kommaform, zeigt 1—3 Greissein am Ende, bildet
kleine runde himmelblaue Kolonien, die Gelatine
nicht verflüssigen. Der andere Vibrio, isoliert aus
einer Herzmuschel (Cardium edule), verflüssigt
Gelatine und bildet in Stichkulturen eine trich¬
terförmige Einziehung wie der Choleravibrio. Die
Kolonien auf Drigälski-Konradischem Nährboden
sind blau, von konischer Form; es sind meist
Kommaformen, manche S-förmig. Bei subkutaner
Injektion in Meerschweinchen ruft der Vibrio selbst
in grossen Dosen nur lokalen Tumor hervor; intra-
peritoneal wirkt er giftig, eine Oese einer 24—48
Stunden alten Agarkultur bewirkt den Tod des
Tieres in 20 Stunden. Verf. schlägt für den Vibrio
den Namen Vibrio cardii vor. Jacob.
E* Krompecher • Budapest. Untersuchungen
über das Verhältnis von Epithel,
Endothel und Bindegewebe zuein¬
ander. Ovrosi Hetilap. 1903. No. 44.
Der Autor hat schon wiederholt darauf hinge¬
wiesen, dass es neben den bisher bekannten Krebs¬
formen noch eine Form des Karzinoms gibt, welche
viel gutartiger als die anderen Formen und bei
rechtzeitiger Exstirpation eine ziemlich gute Pro¬
gnose gibt. Es sind das die Basalzellenkrebse, welche
hauptsächlich in der Haut, auf den Schleimhäuten
und in Speicheldrüsen aufzutreten pflegen und sich
sowohl histologisch als klinisch von allen anderen
Krebsformen scharf unterscheiden lassen. Dem Ver¬
fasser war es aufgefallen
1. dass das histologische Bild dieser Krebse eine
auffallende Aehnlichkeit mit dem der Sarkome auf¬
weist. Durch Untersuchüng der Basalzellen bei an¬
deren pathologischen Prozessen, ferner bei Wirbel¬
tieren niedriger Arten, bei Fröschen, Salamandern
und an embryonalen Geweben, und durch eingehen¬
des Studium derselben kam der Verfasser zu dem
Schlüsse, dass zwischen Epithel, Endothel und Binde¬
gewebe keine so absolute Speziflzität besteht, als
man bisher annahm,
2. dass in gut ernährten Geweben, bei Em¬
bryonen, niedrigeren Wirbeltieren und bei über¬
ernährten pathologischen Geweben ein Uebergangs-
gewebe zwischen Epithel und Bindegewebe zu Anden
ist, und
3. dass das Epithel sich im entwickelten Orga¬
nismus in Bindegewebe umwandeln kann.
Die Veränderungen des Milieus verursaohen
morphologische Veränderungen, und der Verfasser
versucht, der Milieutheorie auch in der allgemeinen
Pathologie Geltung zu verschaffen. Autor betont,
dass man die Pathologie auf breitere, embryologische
Basis stellen müsste. Zimmermann.
Mölner. Gibt es Impfkarzinome? Archiv
f. klm. Chirurgie, 74. Bd., 3. u. 4. Heft.
Auf Grund einer umfangreichen kritischen Dar¬
stellung der gesamten Literatur über diesen Gegen¬
stand und eigener Untersuchungen kommt Verfasser
hauptsächlich zu folgenden Schlüssen:
1. Die sogenannten Impfkarzinome sind nach
dem heutigen Stand unseres Wissens nur entstan¬
den zu denken aus implantierten Karzinomzellen.
2. Implantation von Karzinomzellen auf En¬
dothel kommt nicht selten vor. Darum erscheint
auch heute noch der Rat Hanaus beachtenswert, zu
künstlichen Uebertragungsversuchen seröse Flächen
zu benutzen.
3. Implantation von karzinomähnlichen Tu¬
moren in frische Wunden ist experimentell wieder¬
holt, aber doch nur in einem kleinen Bruchteil
der Versuche und unter besonderen Vorsichtsmass-
regeln gelungen. Unbeabsichtigte „Impfung“ in
frische geschlossene Wunden erscheint darum theo¬
retisch möglich, ist aber in keinem der so auf¬
gefassten Fälle sicher bewiesen.
4. Implantation von Karzinomzellen auf in¬
taktes Epithel ist experimentell noch nicht ge¬
lungen.
Trotzdem ist Anwachsen von Karzinomzellen
auf dem einschichtigen Ovarial-Epithel als erwiesen
zu betrachten.
5. Unabsichtliche Uebertragung von Krebs auf
ein anderes Individuum derselben Art ist noch
nicht sicher beobachtet. Darum und weil Ueber¬
tragung innerhalb desselben Individuums unter den
für die Ansteckung in Betracht kommenden Ver¬
hältnissen sehr selten ist, ist die Angst vor der
Kontagiosität des Karzinoms einstweilen ganz un¬
begründet.
6. Zufällige Implantation von Karzinom-Kei¬
men bei Operationen sind trotzdem nicht sicher
auszuschliessen. Daher sind die früher angegebenen
Vorsichtsmassregeln nicht überflüssig. Carl.
Dagonet. Uebertragbarkeit des Karzi¬
noms. Arch. de m6d. exp£riment. T. XVI.
Verf. injizierte einer weissen Ratte intraperi¬
toneal den Zellbrei eines Peniskarzinoms vom Men¬
schen. Nach 15 Monaten ging das Tier zugrunde
und zeigte in dem Netz- und auf dem Peritoneal¬
überzug von Leber und Milz zahlreiche kleine
Tumorknoten, die histologisch mit dem Karzinom
übereinstimmten. Damit wäre die Uebertragung
auf ein Tier einer anderen Spezies gelungen.
Profe.
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72
Fortschritte der Veterin&r-Hygiene.
3. Jahrgang
J b Gnszmann, Budapest. Experimente über
Implantation von Hautteilen. Mathem.
6s Termdszettudomänyi Ärtesitö. 1904. No. 3.
Mit den nach experimentellen Grundsätzen aus¬
geführten Implantationen gelang es Guszmann,
fast ausnahmslos Zysten zu erzeugen. Ein Teil der
Wand der Zysten besteht aus dem implantierten
Hautanteil, der andere Teil ist neu gebildet. Der
bindegewebige Anteil der neugebildeten Zystenwand
hat sich aus dem alten Unterhautbindegewebe ent¬
wickelt, die Epitheldecke derselben stammt aus dem
fort wuchern den Epithel des implantierten Lappens.
Die Epithelzunahme, welche die Grundlage der
Zystenbildung abgibt, äussert sich in zweierlei Form.
Der eine Typus folgt der von Kaufmann beschriebenen
Form, indem das Epithel einfach vom Rande des
implantierten Hautläppchens auf das nachbarliche
Bindegewebe übergreift und dieses langsam über¬
wuchert. Die andere Form der Ueberkleidung mit
Epithel geschieht auf die Weise, dass das wuchernde
Epithel von der epidermalen Oberfläche des Haut-
läppens auf das gegenüberliegende Bindegewebe
übergreift, um von hier auf die Oberfläche desselben
weiter zu kriechen! Das Epithelgewebe des Läpp¬
chens gelangt auf die Weise auf das gegenüber¬
liegende Bindegewebe, dass die durch das Enthäuten
entstandenen zahlreichen intrazystösen Verbindungen
als Leitbahn benutzt werden.
In dem* neu entwickelten Wandanteile der Zyste
fällt neben der hoben Differenzierung des mehr¬
schichtigen Epithelbelages hauptsächlich der Um¬
stand auf, dass man zerstreut Haarfollikeln mehr oder
weniger ähnliche Gebilde findet, welche man als
Folgen der sekundären Implantation auffassen muss.
Diese künstlich erzeugten Zysten stehen daher in
ihrer ganzen Ausdehnung, also nicht nur in den
dem implantierten Hautläppchen entsprechenden
Anteile in ihrer Struktur den einfachen Dermoid¬
zysten sehr nahe. Zimmermann.
J. Jnstns, Budapest. Der physiologische Jod-
gehalt der Zellen. Orvosi Hetilap. 1904. No. 4.
Justus hat nachgewiesen, dass die Zellkerne
Jod enthalten. Mit einer neueren Serie von Ver¬
suchen gelang es J., nun nachzuweisen, dass die
Organe ausnahmslos Jod enthalten, das eine mehr,
das andere weniger; es ist sogar gelungen, das Jod
quantitativ in den Organen nachzuweisen, indem das
Jod aus der Asche ausgeschieden und mit Benzol
ausgeschüttelt wird. Die Intensität der Farblösung
gibt das Mass für die Menge des Jodes. Die Schild¬
drüse enthält viel mehr Jod, als alle anderen Or¬
gane. Alle Theorien, welche von der Annahme aus¬
gehen, dass die Schilddrüse unser einziges jod¬
haltiges Organ ist, sind nicht stichhaltig.
Zimmermann.
Reiche. Bearbeitet im Kaiserlichen Gesundheit^
amte zu Berlin. 18. Jahrgang. Das Jahr 1903. Mit
vier Uebersichtskarten. Berlin. Verlag von Julius
Springer. 1904,
G. Mazzini, A. Agazzi. Contributo
alla diagnosi sperimentale della
m o r v a. Torino. G. N. Cassone succ. G. Cande-
lettL 1904.
Grimme. Einige Bemerkungen zu
neueren Arbeiten über die Morpho¬
logie des Milzbrand bazillus. Abdruck
aus Zentralbl. für Bakt., Paras. u. Infekt. 1. Abt.
Orig. 36. Band. 1904.
L. Rabinowitsch. Die Geflügel¬
tuberkulose und ihre Beziehungen zur
Säugetiertuberkulose. Sonderabdruck aus
der Deutschen Medizinischen Wochenschrift. 1904.
No. 46.
P. Bermbach. Die Untersuchung des
Blutes mittelst ei w e is s p rä-z i pit ier en¬
de r S e r a.
Ders. Ueber Präzipitine und Anti¬
präzipitine. Sep.-Abdruck aus Archiv für die
ges. Physiologie Bd. 107. Verlag von Martin Hager.
Bonn. 1905.
Schott. Ueber eine neue Ultravio¬
lett-Quecksilberlampe. Uviol - Dam pe.
L. Rabinowitsch. Zur Frage der In¬
fektiosität der Milch tuberkulöse i*
Kühe. Abdruck aus der Zeitschrift für Tiermedizin.
8. Bd. 1904.
H. Markus. Experimenteele ondo-
carditis bij het varken door de ba-
cillen der zoogen aamde urticaria
(Backsteinblattern). Overdruck uit het Tijd-
schrift voor Veeartsenijkunde. 1904.
Schnorf. Neuephysikalisch-chemi¬
sche Untersuchung der Milch. Unter¬
scheidung physiologischer und pathologischer Kuh¬
milch. Verlag Art. Institut Orell Füssli. Zürich. 1905.
Mazzini. UnaVisita ai Macelli di
Roma e di Napoli. Torino. Cassone succ. Cande-
letti. 1904.
Besprechung Vorbehalten. D. II.
Einsendung von Original-Abhandlungen,
Büchern, Monographien und Separat-Abdrücken
wird direkt an den Redakteur, Kreistierarzt Dr.
O. Profd, Cöln a. Rh., Hansafing 50 , oder an. die
Verlagshandlung Louis Marcus, Bierlln SW.,
Bücheranzelgen.
Jahresbericht über die Verbrei-
ing von Tierseuchen im Deutschen
Tempelhofer Ufer 7 , erbeten.
Lir d. Redaktion verantworte Kreistierarxt Dr. O. Prof6, Cöln a. Hh, Hansariu^ ;>0. Dnu’k von I as s k (n .u I nl> » ’ * ^
Verlag und Eigentum: Louis Marcus Verlagsbuchhandlung, Berliu SW. t>l.
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Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
3. JAHRGANG. JULI 1905. HEFT 4.
Tier-Seuchen und Seuchengesetz.
Von Profö-Cöln.
Am 23. Juni dieses Jahres war eines Jahr¬
hunderts Viertel verflossen seit Einführung
des Tierseuchengesetzes in Deutschland, eine
Institution, deren Bedeutung, ein Zeitraum,
dessen Umfang des Rückblicks immerhin ver¬
lohnen. In den ersten dem Inkrafttreten des
Seuchengesetzes folgenden Jahren war eine
wesentliche Herabminderung der Erkrankungs¬
ziffern bei den einzelnen Seuchen kaum zu
erwarten. Bei einer Betrachtung der Seuchen
unter dem Einfluss des Seuchengesetzes können
die etwa fünf ersten Jahre füglich ausser acht
gelassen werden. Für das Jahr 1904 ist der
Jahresbericht über die Verbreitung der Tier¬
seuchen noch nicht erschienen, so dass dieses
unberücksichtigt bleiben muss, eine Lücke, die
nicht allzusehr ins Gewicht fällt in Anbetracht
des Umstandes, dass von den Seuchen im Jahre
1904 einen wesentlich anderen Stand als 1903
keine einzunehmen scheint. Bemerkenswert ist
hierzu, dass im Laufe des Jahres 1904 die
Lungenseuche erloschen ist, und das Reich
seitdem von Lungenseuche frei geblieben ist.
AVenn der Verlauf einzelner Seuchen in
den letzten 20 Jahren, so der des Malleus und
der Lungenseuche, die Einwirkung des Seu¬
chengesetzes in günstigem Lichte zeigt, so
scheinen dem gegenüber andere Infektions¬
krankheiten ihrer Verbreitung und dem Verlauf
ihrer Seuchengänge nach doch nur sehr uner¬
heblich von den durch das Reichs-Gesetz ge¬
gebenen Massregeln beeinflusst zu werden. Am
prägnantesten zeigt sich dies beim Milzbrand,
beim Rauschbrand und bei der Aphthenseuche.
Auch nach dem Inkrafttreten der Novelle zum
Seuchengesetz vom 1. Mai 1894 lassen die ge¬
nannten Infektionskrankheiten keine Tendenz
zur steten und dauernden Abnahme in ihrer
numerischen und regionären Ausbreitung er¬
kennen. Zum besseren Ueberbliek über die
Verbreitung der Tierseuchen in den letzten
20 Jahren, d. h. unter dem Einfluss des Seu*
chengesetzes, ist eine skizzenhafte Kurven¬
tabelle beigefügt, an Hand deren die einzelnen
Infektionskrankheiten betrachtet werden sollen
Der Milzbrand hat gegenüber seinem
Auftreten in früheren Jahrhunderten seinen
Charakter völlig geändert. Wir wissen, dasß
im 16. bis 18. Jahrhundert fast alle Reiche
des Abendlandes, insbesondere Italien, Frank¬
reich, Oesterreich, Russland und Deutschland,
von Anthraxinvasionen heimgesucht wurden,
denen Menschen und Tiere in beträchtlicher
Zahl zum Opfer fielen. Erst seit Anfang bis
Mitte des 19. Jahrhunderts zeigt der Milzbrand,
in Deutschland wenigstens, ein vorwiegend,
d. h. in etwa 80 °/o aller Erkrankungsfälle,
sporadisches Auftreten, indem er sich auf einen
einzigen Fall in dem betroffenen Gehöfte be¬
schränkt. Das Seuchengesetz hatte also nicht
mit jenen rapide ausbrechenden Massenerkran¬
kungen zu rechnen, wie sie in früheren Jahr¬
hunderten beobachtet wurden, sondern mit einer
Seuche, die vorwiegend in Form von Einzel¬
erkrankungen auf trat. Im Jahre 1885 betrug
in Deutschland die Zahl der zur Feststellung
gelangten Erkrankungsfälle 2605 in 1226 Ge¬
höften. Sie stieg kontinuierlich bis 1898, wo
sie eine Höhe von 4921 in 4015 Gehöften er¬
reichte. Während also die Erkrankungsfälle
in 13 Jahren sieh nicht ganz um das Doppelte
vermehrt hatten, war die Zahl der betroffenen
Gehöfte um mehr als das Dreifache ange¬
stiegen, was eine ganz erhebliche räumliche
Ausbreitung des Anthrax bedeutet. Abgesehen
von einer unerheblichen Remission in den beiden
folgenden Jahren und einem exzessiveren An¬
steigen im Jahre 1901, ist in den letzten Jahren
die Zahl der Milzbranderkrankungen ungefähr
auf dem im Jahre 1898 erreichten Niveau
stehen geblieben, dagegen ist der Milzbrand in
dieser Zeit in Gehöften, Gemeinden und Kreisen
auf getreten, in denen seit Menschengedenken
niemals Anthrax beobachtet worden ist. Im
Jahre 1886 waren 440 (= 41,6 °>) Kreise be¬
troffen, im Jahre 1893 waren 669 (= 63,3 ««)
Kreise von Anthrax betroffen worden, Erschei¬
nungen, die deutlich für die fortschreitende
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74
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
3 . Jahrgang.
Ausbreitung des Anthrax sprechen. Gerade in
dieser regionären Verbreitung des ^Milzbrand
liegt ein eklatanter Hinweis auf der gesetz¬
lichen Bestimmungen Unzulänglichkeit in ihrer
Form und Handhabung. Es wird immer wieder
hervorgehoben, dass die seit etwa 1893 für
mehrere Provinzen eingeführte Entschädigung
für an Milzbrand gefallene Tiere zu einer Er¬
höhung der zur Anzeige und damit zur Fest¬
stellung gelangten Milzbrandfälle geführt hat.
Es kann diesem Umstand indessen ein erheb¬
licher und wesentlicher Einfluss auf das An¬
wachsen der bekannt werdenden Milzbrandfälle
nicht beigemessen werden. Es müsste denn seit
den Jahren 1893/94, in denen für die Provinzen
Brandenburg, Westfalen und für die Rhein-
provinz, sowie für die Regierungsbezirke Kassel
und Wiesbaden die Entschädigung der an
Milzbrand gefallenen Tiere angeordnet wurde,
ein kräftiges Ansteigen der Erkrankungskurve
zu beobachten sein. Dem ist indessen nicht so,
die Kurve steigt von 1885 bis 1898 konti¬
nuierlich und fast gleichmässig an. Ebenso ist
der steile Anstieg der Kurve mit dem Jahre
1901 nicht etwa auf Rechnung der Einführung
einer Entschädigungspflicht zu setzen, da im
Jahre 1900 für Ostprcussen die Entschädigung
zur Einführung gelangte. Die Zunahme der
Erkrankungen wurde nicht aus Ostpreussen,
sondern aus Posen, Frankfurt, Breslau u. a. Be¬
zirken gemeldet.
Es muss somit als feststehend angesehen
werden, dass der Milzbrand tatsächlich an Zahl
der Erkrankungsfälle wie an Ausbreitungs¬
gebiet während der letzten 20 Jahre nicht un¬
wesentlich gewonnen hat.
Annähernd dieselben Verhältnisse zeigt
der Rauschbrand in seinem Auftreten wäh¬
rend der letzten 20 Jahre. Die Zahl der Er¬
krankungsfälle schwankt jn den Jahren 1885
bis 1890 zwischen 2- und 300, erhebt sich im
.Jahre 1891 auf 365, im folgenden auf 619, um
dann stetig bis zum Jahre 1897 anzusteigen,
wo eine Erkrankungsziffer von 1283 erreicht
wird. In den folgenden Jahren zeigt sich ein
ganz unerheblicher Rückgang bis auf die Er¬
krankungsziffer 1036 im Jahre 1903.
Um nun die für die wirksame Bekämpfung
des Milzbrandes und Rauschbrandes unzu¬
reichenden Momente des Tierseuchengesetzes
zu ergründen, ist es nötig, den Ursachen und
Anlässen der jeweiligen Krankheitsausbrüche
nachzugehen.
In der Literatur finden sich hierüber zahl¬
reiche Angaben. So findet man bereits im Jahre
1881 in den Berichten der beamteten Tierärzte
Preussens das unvorschriftsmäßige Vergraben
der Milzbrandkadaver auf Feldmarken als Ur¬
sache neuer Krankheitsausbrüche vermerkt,
ferner das Ausspulen von Milzbrandkeimen
aus dem Boden und deren Transport in Gegen¬
den, die seit jeher von Milzbrand verschont
geblieben waren. Macke 1 empfiehlt im Jahre
1882 (!) als wichtigste Massregel die Zer¬
störung der Kadaver und der infizierten Gegen¬
stände durch Feuer. Leider fand dieser sehr
verständige Gedanke keine allgemeine Beach¬
tung an massgebender Stelle. Dagegen führt
Siedamgrotzky (1891) die von Jahr zu Jahr er¬
sichtlich sich vollziehende Verminderung der
Milzbrandfälle in der Amtshauptmannschaft
Zwickau auf den Einfluss einer rationell be¬
triebenen Abdeckerei zurück, die die Milzbrand¬
kadaver des Bezirks thermisch verarbeitete.
Buch ist der Meinung, dass der Milzbrand
stetig zugenommen habe, und zwar handle es
sich um wirkliche Zunahme der Krankheits¬
fälle und nicht nur um vermehrte Anzeigen.
Er führt die Zunahme der Milzbrandfälle auf
das völlig unzureichende Verscharrungssystem
zurück. Daneben werden einzelne Seuchenaus-
brüche auf in Stallungen und Gehöften aus¬
geführte Notschlachtungen von Milzbrandtieren
zurückgeführt. Weiterhin werden mehrfache
Angaben über Einschleppungen aus dem Aus¬
lande mittelst infizierter Häute und Futter¬
mittel gemacht.
Bei Rauschbrand liegen die Verhältnisse,
die Infektion betreffend, soweit wir heute zu
übersehen imstande sind, nicht wesentlich
anders. Auch hier handelt es sich um Infek¬
tionskeime, die aus denl Boden aufgenommen
werden; auch hier wird die Infektion wohl
ausschliesslich durch die so außerordentlich
resistenten Sporen herbeigeführt, mit denen
der Boden beim Verscharren der Rauschbrand¬
leichen immer wieder von neuem reichlich infi¬
ziert wird.
Es erhellt somit aus Vorstehendem, dass
beim Auftreten des Milzbrandes, ebenso auch
des Rauchbrandes, in erster Linie die
heute noch ziemlich allgemein zur Anwendung
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76
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
3. Jahrgang
gelangende Art der Kadaverbeseitigung durch
das Vergraben nicht nur eine ausserordentlich
grosse Gefahr in bezug auf die Weiterver¬
breitung der Krankheit bildet, sondern die Ver¬
breitung des Anthrax und Rauschbrandes ge¬
radezu bedingen muss. Erst in zweiter Linie
kommen die Einschleppungen aus "dem Aus¬
lande und die Kotschlachtungen milzbrand-
und rauschbrandkranker Tiere als ursächliche
Momente für die Milzbrand- und Rauschbrand¬
ausbrüche in Frage.
Die Ansicht, dass das Vergraben von
Milzbrandkadavern als eine unschädliche Be¬
seitigung nicht zu erachten ist, findet einen
allerdings sehr schüchternen Ausdruck darin,
dass in den hierauf Bezug nehmenden gesetz¬
lichen Bestimmungen der meisten Länder die
Beseitigung der Kadaver vorzugsweise
durch Kochen, Verbrennen etc. angeordnet ist.
Daneben ist aber überall das Vergraben zuge¬
lassen. "Letzteres wird dann auch aus Mangel
an Initiative und alter Gewohnheit gemäss in
erster Linie praktiziert. Verschiedentlich ist
auf die Unzulänglichkeit des Vergrabens von
Milzbrandkadavern hinsichtlich der Unschäd¬
lichkeit der Beseitigung hingewiesen. Auch
von seiten des preussischen Ministers für Land¬
wirtschaft, Domänen und Forsten ist der An¬
erkennung dieser Unzulänglichkeit in einem
Erlasse vom 21. Juli 1903 Ausdruck gegeben,
nach welchem Versuche über die Verbrennung
von Milzbrandkadavern auf freiem Felde an¬
gestellt werden sollten. Die in vielen Ländern
vorgesehenen Schutz- und Abwehrvorrichtun¬
gen auf den Verscharrungsplätzen vermögen
die grösste Gefahr, nämlich das Ausschwemmen
der Milzbrandkeime durch Niederschlag- oder
Grundwasser, nicht zu hindern. Es steht fest,
dass das Vergraben von Milzbrandkadavern
eine bewusste Neuinfektion des Bodens mit
Milzbrandkeimen bedeutet. Lediglich die Ver¬
nichtung der Milzbrandkadaver in Kadaver-
vernichtungs-Anstalten entspricht allen An¬
forderungen der Hygiene. Auch das Verbrennen
der Milzbrandkadaver über freiem Feuer kann,
solange die Einführung von Kadavervemich-
tungsanstalten keine allgemeine ist, als eine
Art der unschädlichen Beseitigung angesehen
werden.
Dass sieh das Verbrennen grosser Kadaver
auf freiem Feuer ermöglichen lässt, und zwar
ohne erhebliche Schwierigkeiten, beweisen die
Angaben der preussischen beamteten Tierärzte
in den Jahresberichten für das Jahr 1902 und
1903, nach denen in etwa 80 °/u aller Ver¬
brennungsversuche das Resultat ein günstiges
war, das beweisen ferner zahlreiche im Stadt¬
kreise Köln unternommene Versuche, nach
denen in einer Stunde 80—85 kg Kadaver
verbrennen, nach denen zur Verbrennung von
100 kg Kadaver 60 kg Torf oder 40 kg Holz
oder 30 kg Braunkohle oder 24 kg Steinkohle
genügen.
Solange aber das Vergraben von Milz¬
brand- und Rauschbrandkadavern nicht ver¬
boten wird, ist eine Abnahme der genannten
Infektionskrankheiten nicht zu erhoffen.
Die Tollwut hat eine Abnahme seit Be¬
stehen unseres Tierseuchengesetzes ebenfalls
nicht erfahren. Die Zahl der erkrankten Tiere
schwankte in den Jahren 1885 bis 1895 zwi¬
schen 460 und 580. Im Jahre 1890 erhob sie
sich auf 714, im Jahre 1896 auf 939, zwei
Jahre später auf 1202, um in den Jahren
1901 und 1902 wieder bis auf 676 und 612
abzufallen. Im Jahre 1903 erreichte sie wieder
eine Höhe von 920. Abgesehen also von einem
vorübergehenden Absinken in den Jahren 1901
und 1902 ist eine nicht unerhebliche Zunahm*
der Erkrankungsziffer zu verzeichnen. Indessen
hat die Zunahme, fast ausschliesslich in den
Grenzbezirken, und zwar hauptsächlich in den
östlichen, stattgehabt, während Teile im Innern
des Reiches seit Jahren frei von Tollwut sind
Hieraus ist ersichtlich, dass die Einschleppung
immer wieder vom Auslande her erfolgt. Die
Zunahme der Erkrankungsziffer ist bei den
im grossen und ganzen zweckmässigen gesetz¬
lichen Vorschriften vorwiegend auf die fehlende
Besteuerung der Hunde in den meisten länd¬
lichen Bezirken, vor allem aber auf die mangel¬
hafte, wenig straffe Durchführung der Sperr-
massregeln und der Tötungs-Vorschrift herren¬
los umherstreifenden Hunden gegenüber durch
die Orts-Polizeibehörden, besonders in länd¬
lichen Bezirken, zurückzuführen.
Eine sichtliche Abnahme hat der M a 1 -
lens erfahren. Tn den ersten Jahren nach dem
Inkrafttreten des Seuchengesetzes war die jähr¬
liche Erkrankungsziffer etwa 1200, im Jahre
1889 erhob sie sich auf 1337, nahm dann mit
geringen Remissionen stetig ab und betrug in
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Heft 4.
77
Fortschritte der
den letzten 10 Jahren nur noch etwa die Hälfte
der Höhe in den ersten Jahren. In den Jahren
1902 und 1903 sank die Zahl der erkrankten
Tiere auf 360 beziehentlich 313 herab. Dass
dieser Erfolg einer durch ihre lange Inkuba¬
tion, durch den schleichenden Verlauf und
durch langfristige Latenzstadien besonders ge¬
fährlichen Infektionskrankheit gegenüber er¬
zielt werden konnte, ist auf das radikale Ver¬
fahren der Tötung (oder doch der sorgsamen
Absperrung) infizierter Bestände unter {Ent¬
schädigung der Besitzer zurückzuführen, ein
Tilgungsverfahren, das sich bei einer ihrem
Verlaufe nach ähnlichen Infektionskrankheit,
der Lungenseuche, als ebenso wirkungs¬
voll erwies. Während in den Jahren 1885 bis
1887 die Zahl der an Lungenseuche erkrankten
Tiere noch etwa 1800 bis 2300, in den Jahren
1891 und 1892 noch etwa 1200, bis zum Jahre
1899 im Durchschnitt noch etwa 800 betrug,
nahm sie mit den folgenden Jahren so rapide
ab, dass sie sich 1902 nur noch auf 85 und
1903 nur noch auf 12 bemass. Im Jahre 1901
waren von der Seuche noch befallen 3 Staaten,
3 preussische Provinzen, 7 Regierungsbezirke,
14 Kreise, 35 Gemeinden und 64 Gehöfte. Der
Gesamtbestand an Rindern in den neu ver- :
i
seuchten Gehöften betrug 1650, der Gesamt- i
verlust aus Anlass der Bekämpfung betrug ;
noch etwa 1000 Stück Rinder. Für gefallene j
oder auf polizeiliche Anordnung getötete Tiere S
sind bezahlt worden 124 566 Mk. Im Jahre \
1903 waren von der Seuche betroffen nur mehr 1
2 Staaten, 3 preussische Provinzen, 5 Regie- 1
rungsbezirke, 6 Kreise, 6 Gemeinden und 6;
Gehöfte. Der Gesamtbestand an Rindern in :
den neu betroffenen Gehöften betrug 349, deri
Gesamtverlust aus Anlass der Bekämpfung be-;
trug nur 196 Stück Rinder. Für gefallene und {
auf polizeiliche Anordnung getötete Tiere wur-S
den 31169 Mk. bezahlt. Seit Mitte des Jahres’
1904 ist das Reich von jener Landwirtschaft!
und Nationalvermögen ausserordentlich ge-|
fährdenden Infektionskrankheit frei. Ebenso j
ist das Reich seit dem Jahre 1886 frei von*
den Pocken der Schafe, abgesehen von 2•
sporadischen Ausbrüchen in den Jahren 1888:
und 1900. Es sind das hervorragende Erfolge!
eines Seuchengesetzes, die indessen nicht zum!
geringen Teile der Tüchtigkeit der Veterinär-;
beamten als Verdienst anzurechnen sind.
Veterinär-Hygiene.
Die Aphthenseuche ist seit dem
Niedergange der Lungenseuche die am meisten
gefürchtete Infektionskrankheit der heimi¬
schen Rindviehbestände geworden. Ihre ausser¬
ordentliche Kontagiosität befähigt sie, von ein¬
zelnen Herden aus mit einer unaufhaltsamen
Wucht umsichzugreifen und grössere Distrikte,
zahlreiche Bestände, zu überziehen. Dement¬
sprechend beobachtet man auf den die Ver¬
breitung der Aphthenseuche darstellenden
Kurventabellen steil aufsteigende und ebenso
allerdings auch steil abfallende Kurven. In
den Jahren 1885 und 1886 waren im Deutschen
Reiche verseucht 3- bis 400 Gehöfte, im fol¬
genden Jahre etwa 1200, im Jahre 1889 schon
doppelt so viele, im Jahre 1891 war die Zahl
der verseuchten Gehöfte wiederum verdoppelt
und im nächsten Jahre noch einmal um das
Doppelte, nämlich auf über 100000, gestiegen.
Nun springt in den nächsten Jahren die Kurve
auf und ab, zwischen 9000 und 77 000. Im Jahre
1901 findet dann wieder ein Abstieg auf etwa
7000 statt, der auch während der nächsten zwei
Jahre anhält. Im Jahre 1903 sind noch 1137
Gehöfte von der Seuche betroffen worden. Da¬
mit ist also ein Stand erreicht, der dem im
Jahre 1887 beobachteten etwa gleichkommt,
während der Tiefstand der Jahre 1885 und
1886 bei weitem nicht erreicht ist. Sonach
kann von einem Rückgang der Aphthenseuche
unter der Wirkung des Seuchengesetzes nicht
die Rede sein. Vor Seuchengängen, wie sie
die Jahre 1888 bis 1900 mit sich brachten,
sind wir heute ebensowenig sicher, wie vor
20 Jahren. Es unterliegt keinem Zweifel, dass
in erster Linie die hochgradige Kontagiosität
und die einzelne Seuchengänge auszeichnende
hohe Virulenz die Abwehr und Unterdrückung
der Aphthenseuche in hohem Masse erschwert,
nach der anderen Seite aber bildet der stark
bureaukratische Zug, der durch das Seuchen-
gesetz weht, gerade der Aphthenseuche gegen¬
über mit ihrer kurzen Inkubation und ihrer
ausgesprochenen Kontagiosität eins der gröss¬
ten Hindernisse in der wirksamen Bekämpfung
der Seuche.
Die durch das Gesetz geregelte Mitwir¬
kung der Tierärzte bei der Seuchenbekämpfung
vollzieht sich nicht in der Weise, die im In¬
teresse dieser wünschenswert ist. Hierzu ist
eine Erweiterung der Befugnisse und der Selb-
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tfortsohritte der Veterinär-Hygiene.
3. Jahrgang.
7Ö
ständigkeit der beamteten Tierärzte erforder¬
lich. Zunächst ist es eine durchaus unverständ¬
liche Massregel, dass die durch § 9 Abs. 1
vorgeschriebene Anzeige eines Seuchen-Aus-
bruchs oder -Verdachts nicht in allererster
Linie an den beamteten Tierarzt zu erfolgen
hat, der ein unbestreitbares Recht darauf hat,
als erster über Seuchenbewegungen im Bezirke
Kenntnis zu erhalten. Dadurch, dass ihm diese
Kenntnis erst durch die schwerfällig funk¬
tionierende Polizeibehörde wird, gewinnt die
Aphthenseuche Zeit und Gelegenheit, zwischen¬
zeitlich auf andere Gehöfte Und Gemeinden
überzugreifen. Ehe über deren Verseuchung
dann dem beamteten Tierarzt die nötige Mit¬
teilung geworden ist, stehen bereits sämtliche
Nachbarkreise in hellen Flammen der Seuche.
Ferner sollten die beamteten Tierärzte
nicht nur als Handlanger, im günstigsten Sinne
als Berater der »eist recht umständlich ver¬
fahrenden Behörden dienen, sondern sie sollten
in die Lage gesetzt sein, regelmässig bei Aus¬
brüchen von Seuchen, oder angesichts drohen¬
der Seucheninvasionen, wo rasches Handeln
dringend nötig ist, sofort und aus eigener Ini¬
tiative und zwar verantwortlich zu handeln.
Eine Infektionskrankheit, oder vielleicht
besser eine Krankheitsgruppe, hat in den letzten
Jahren eine geradezu bedrohliche Ausdehnung
angenommen, das ist die Schweineseuche,
deren Bekämpfung solange vollkommen illuso¬
risch bleiben muss, wie über deren Charakter
und Wesen eine solche Unklarheit herrscht, wie
dies hier der Fall ist. Solange der Begriff
der Schweineseuche nicht völlig geklärt ist,
sollte man verständig genug sein, die Hoffnung
auf ihre wirksame Bekämpfung weder auf ge¬
setzliche Massnahmen noch auf ein Impf-Ver-
fahren zu setzen.
Für die zu erwartende Novelle des Reichs-
tierseuchengesetzes ist im Interesse einer durch¬
greifenden Bekämpfung auch derjenigen Seu¬
chen, die bisher $inen günstigen Einfluss der
gesetzlichen Massnahmen nicht erkennen lassen,
insbesondere zu empfehlen, dass 1. eine tatsäch¬
lich unschädliche Beseitigung der Milzbrand-
und Rauschbrandkadaver durch thermisch- oder
chemisch-technische Verarbeitung oder Ver¬
brennung mit allen Mitteln erzielt wird, 2. bei
der Durchführung der Sperrmassregeln der
Tollwut gegenüber die Ortspolizeibehörden zu
einer energischen Handhabung der gesetzlichen
Vorschriften angehalten werden, 3. den beam¬
teten Tierärzten Befugnisse in der Feststellung
der Seuchen und der Apordnung von Mass¬
nahmen in ganz anderem Umfange eingeräumt
werden, als dies bislang der Fall war.
Für eine erfolgreiche Bekämpfung der
Schweineseuche schliesslich ist es erforderlich,
eine möglichst baldige und gründliche Auf¬
klärung der Krankheit selbst herbeizuführen,
die wir nicht erwarten dürfen, solange ein¬
zelnen Instituten gewissermassen das Monopol
der Seuchenforschung eingeräumt wird. Es
müssten für Regierungsbezirke oder Provinzen
Centralen geschaffen werden mit geeigneten Ar¬
beitskräften und einem Departements! ierarzt
als Leiter, welchen die Aufgabe zufiele, den
epidemiologischen Charakter, die pathologische
und bakteriologische Seite aller der Schweine¬
seuche zuzuzjjhlenden und ihr ähnlichen
Krankheiten zu studieren. Würden diese Ar¬
beiten nach einem bestimmten Plane gerichtet,
dann müsste eine Zusammenstellung und Ver¬
gleichung ihrer Resultate zu einer Aufklärung
der heute noch immer offenen Frage führen.
Die rein bakteriologisch arbeitenden Hochschul¬
institute haben eine zu lose Fühlung mit den
praktischen Seiten der Frage, mit der Epi¬
demie und ihrem Auftreten, als dass sie berufen
sein sollten, die erwünschte Klärung zu bringen.
Die Verwirklichung dieser Momente vor¬
ausgesetzt, können wir. hoffen, dass nach wei¬
teren 25 Jahren eine merkliche Abnahme des
Milzbrands und Rauschbrands, der Tollwut
und der Schweineseuchen, zu konstatieren sein
wird. Dann können wir vielleicht auch die
Wahrnehmung machen, dass es gelungen ist,
die Gefahr der Aphthenseuche niederzuhalten.
Vorläufig sind wir diesem Ziele noch beträcht¬
lich fern.
Der Einfluss der Kälte auf das Aphthen-
seuehevirus.
Von Prof. E. Perroncito.
Gelegentlich des neuerlichen Auftretens
einiger Fälle von Aphthenseuche in der Pro¬
vinz Turin gelang es mir, ganz frischen
Speichel von infizierten Rindern zu gewinnen.
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Seit 4.
Fortschritte der Veterin&r-Hyglen*.
19
wodurch mir die Möglichkeit zu dem nach¬
folgend beschriebenen Versuch gegeben war.
Der am Vormittage des 30. November in
einem Fläschchen: aufgefangene Speichel wurde
auf die äussere Brüstung eines Laboratorium¬
fensters gebracht und während der ganzen
folgenden Nacht in der freien Aussenluft be¬
lassen. Da während dieser die Aussentempe-
ratur bis auf 8 bis 9° unter Null fiel, war
der Speichel vollständig gefroren. Am Morgen
des folgenden Tages wurde das Fläschchen
hereingenomemn und der Inhalt im Laborato¬
rium bei Zimmertemperatur aufgetaut. Hierauf
wurde der Speichel mit physiologischer Koch¬
salzlösung im Verhältnis von 1 zu 10 aufge¬
nommen. Mit diesem so behandelten Materiale
wurden zwei kräftige und gesunde Jungrinder
und zwei Schafe in der Weise geimpft, dass
ihnen die Lösung kräftig in die Schleimhaut
des Maules eingerieben wurde. Selbst nach
Verlauf einer Zeit von mehreren Wochen nach
dem Infektionsversuch zeigte keins der Ver¬
suchstiere irgendwelche Krankheitserscheinun¬
gen. Es geht hieraus hervor, dass eine Tem¬
peratur von 8 bis 9° unter Null bei einer
Einwirkung vor* mehreren Stunden die Erreger
der Aphthenseuche abzutöten imstande ist.
Weitere Versuche zum Zwecke der Feststellung,
welche Temperaturen zur Abtötung des Aph¬
thenseuchevirus erforderlich sind, würden von
erheblicher Wichtigkeit sein für die Hygiene
und den Viehhandelsverkehr.
Loeffler hat zwar einiges über die Infek¬
tionsfähigkeit des bei niederen Temperaturen
aufbewahrten Aphthenseuchevirus veröffent¬
licht. Auch Nocard beobachtete Abschwächung
des selben Virus, wenn es eine Zeitlang im Eis¬
schrank aufbewahrt wurde. Aber niemand
scheint mit verschiedenen Temperaturen über
deren Einfluss auf das Aphthenseuchevirus ex¬
perimentiert zu haben.
Es ist ohne weiteres ersichtlich, welche
ausserordentliche Bedeutung einer solchen
wissenschaftlichen Feststellung beigelegt wer¬
den muss, da es nicht ausgeschlossen erscheint,
dass die niedrige Aussentemperatur und ihr
Einfluss auf das Aphthenseuchevirus in pro¬
phylaktischer Hinsicht verwertet werden
könnte.
OeflbntUohes Veterinarwesen.
StemL der Tierseuchen im Deutschen Reioh
am & Juni 1905.
Der Hofe* wurde festgestellt: in Preussen
in 16 Gemeinden und 24 Gehöften der Re-
gierungsbezirkeJferienwerder, Stadtkreis Berlin,
Fnam, Bromberg, Breslau, Oppeln, Hildesheim,
Lünetom Bad. Sigmaringen; in Bayern, und
zwar im Regievmogptourk Oberfranken in einem
Gehöfte, zusammen so mit m 17 Gemeinden
und 25 Gehöften. Die Apktfcenseuche
gelangte zur Feststellung in je einem G e hö f te
der Regierungsbezirke Posen und Brom bei#
und in 5 Gehöften zweier Gemeinden im
Neckarkreis. Die Schweineseuche ein¬
schliesslich der Schweinepest wurde fest¬
gestellt und zur Anzeige gebracht in 1743 Ge¬
meinden und 2257 Gehöften.
Erlasse, Verfügungen.
Preussen. Erlass, betr. Herstellung
von Kulturen des Löfflerschen
M&usetyphus-Bazillus.
Da in mehreren Fällen bei Personen,
welche mit der Herstellung und dem Auslegen
von Kulturen des Löfflerschen Mäusetyphus-
Bazillus beschäftigt gewesen, Krankheits¬
erscheinungen beobachtet worden sind, so emp¬
fiehlt es sich, dass die Fabrikationsstätten den
Gefässen, in denen sie die Kulturen in den
Verkehr bringen, neben den Gebrauchsanwei¬
sungen regelmässig auch Verhaltungsmass-
regeln zur Verhütung von Gesundheitsstörun¬
gen bei den Menschen beigeben.
Ew. Hochwohlgeboren benachrichtigen wir
hiervon mit dem ergebensten Ersuchen, den
Firmen, landwirtschaftlichen i Versuchsstati¬
onen etc., die sich mit der Herstellung von
Mäusetyphus-Bazillen befassen, gefälligst hier¬
von Kenntnis zu geben und dafür Sorge zu
tragen, dass in den Räumen, in denen die Ar¬
beiten stattfinden, an offensichtlicher Stelle
eine Abschrift der beifolgenden Verhaltungs-
massregeln auf gehängt, dass diese Vorsichts¬
nassregeln bei der Herstellung und dem Aus¬
legen der fraglichen Bazillen auch beobachtet
werden, und dass den Abnehmern der frag¬
lichen Kulturen je ein Exemplar der Verhal-
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80
Fortschritte der Veterin&r-Hygiene.
3. Jahrgang.
tungsmassregeln neben der Gebrauchsanwei¬
sung verabfolgt wird.
Berlin, den 4. April 1905.
Der Ministei* der geistl. etc. Angelegenheiten.
I. A.: Förster.
Der Minister für Landwirtschaft etc.
I. V.: v. Conrad.
An die Herren Regierungspräsidenten.
Verhal tungsmassregeln
zur Verhütung von Gesundheits¬
schädigungen durch Beschäf¬
tigung mit Mäusetyphus-Bazillen.
1. Mäusetyphus-Bazillen sind für Menschen
im allgemeinen" nicht gesundheitsschädlich.
2. Jedoch können durch Aufnahme grösse¬
rer Mengen von Mäusetyphus-Bazillen, nament-1
lieh bei Personen, welche an Darmstörungen
leiden oder dazu neigen, sowie bei Kindern
Durchfälle und Leibsehmerzen hervorgerufen
werden.
3. Deshalb sind solche Personen und
Kinder unter 12 Jahren ^ zum Auslegen der
Mäusetyphus-Bazillen nicht zu verwenden.
4. Die mit der Zurichtung des Infektions¬
materials und dem Auslegen der Mäusetyphus-
Bazillen betrauten Personen sind davor zu
warnen, während der Arbeit zu essen, zu rau¬
chen oder mit den verunreinigten Fingern den
Mund zu berühren. Namentlich sollten sie sich
hüten, von dem mit den Bazillen getränkten
Brot zu essen.
5. Die bezeichneten Personen haben nach
der Arbeit Gesicht und Hände gründlich mit
warmem Wasser und Seife zu waschen.
6. Die zur Herstellung und Aufbewahrung
der Mäusetyphus-Bazillen und zur Tränkung
der Brotstückef mit solchen Bazillen benutzten
Gefässe sind nach jedesmaligem Gebrauche
mit heisser Sodalösung auszuwaschen oder
auszukochen.
7. Bei Benutzung der Kulturen der Mäuse¬
typhus-Bazillen, die unter Verwendung von
Milch hergestellt sind, ist auf die Befolgung
der vorstehenden Ratschläge besonders zu
achten.
Hessen. Verordnung des Minist, d. I.,
Abt. für öffentl. Gesundheits¬
pflege, betr. den Verkehr mit Tu-
berculinum Kochi. Vom 12. Mai 1905.
Durch die Aufnahme des Tuberculinum
Kochi in das deutsche Arzneibuch, vierte Aus¬
gabe, sind die Bestimmungen unserer Amts¬
blätter Nr. 215 und 261 in Wegfall gekommen.
Die weitere Bekanntmachung über den Verkehr
mit dem Mittel in unserem Amtsblatt Nr. 320
ist in der nachstehenden Weise abgeändert
worden:
Das Tuberculinum Kochi darf in den Apo¬
theken nur in den unversehrten Original-
Fläschchen und nur gegen schriftliche Anwei¬
sung eines approbierten Arztes an diesen selbst
oder eine von ihm beauftragte Person abge¬
geben werden. Die zur Anwendung des Tuber¬
kulins erforderlichen Verdünnungen können
einwandfrei nur vermittelst sterilisierter Mess¬
zylinder und Pipetten hergestellt werden, die
nicht im Besitze eines jeden Arztes, wohl aber
in den Apotheken vorhanden zu sein pflegen;
seitens der letzteren soll deshalb das Tuber¬
kulin fortan auch in verdünntem Zustand ab¬
gegeben werden dürfen. Da aber das Tuber¬
kulin in Verdünnungen schnell verdirbt, wenn
zur Verdünnung nicht ein entwicklungshem¬
mendes Mittel, am besten eine schwache Kar-
bolsäurOlösung, verwendet wird, so bestimmen
wir, dass die Verdünnungen nur mit 0,5 °/o
Karbolsäurelösung geschehen, in der Regel
erst kurz vor Anwendung des Mittels vorge¬
nommen und nicht länger als vier Wochen
vorrätig gehalten, werden dürfen. Die zur Her¬
stellung der Verdünnungen bestimmten Mess¬
zylinder und Pipetten sowie die zur Aufnahme
der Verdünnungen bestimmten Arzneigläser —
sechseckige Gläser mit weitem Halse und
eingeschliffenem Glasstöpsel — sind unmittel¬
bar vor der Herstellung im Trockenschranke
bei 150° C zu sterilisieren. Zunächst wird
durch Vermischung von einem Raum teil Tu¬
berculinum Kochi mit neun Raumteilen einer
0,5 o/o Karbolsäurelösung eine 10 °/o Tuberkulin¬
lösung hergestellt, welche als Stammlösung für
weitere Verdünnungen dienen kann. Das Auf-
nahmegefäss ist mit dem Gehalt der Lösung
an Tuberkulin und dem Tage der Herstellung
zu signieren.
Bei Bereitung der Stammlösung, welche
nicht länger als vier Wochen vorrätig gehalten
werden darf, muss stets der ganze Inhalt des
angebrochenen Originalfläschchens verarbeitet
werden.
Die weiteren Verdünnungen sind so herzu¬
stellen, dass von der Stammlösung ein Volum-
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Heft 4.
Fortschritte der VeterinirrHygiene
81
teil mit neun Teilen 0,5 % Karbolsäurelösung
und von der so gewonnenen Lösung wieder ein
Volum teil mit neun Teilen 0,5 °/o Karbolsäure¬
lösung vermischt wird etc.
Diese weiteren Verdünnungen dürfen je¬
doch immer nur auf schriftliche Anweisung
(Rezept) eines approbierten Arztes angefertigt
und nur an diesen selbst oder eine von ihm be¬
auftragte Person abgegeben werden.
Die Befolgung dieser Bestimmungen wird
bei den Apothekenbesichtigungen kontrolliert
werden.
Deutsches Reich. Influenza unter den
Pferden der Zivilbevölkerung im
Jahre 1904.
Preussen.
Es waren betroffen
im Monat
Kreise
Ge¬
meinden
Gehöfte
Januar .
24
28
34
Februar.
13
15
20
März ..
18
21
28
April.
19
21
23
Mai.
21
25
30
Juni.
20
25
28
Juli.
12
15
20
August ..
15
18
27
September ....
1 13
14
19
Oktober.
1 17
21
32
November.1
17
25 1
96
Dezember.|
| 20
35
60
An der Influenza verendet sind Pferde in
den Regierungsbezirken Königsberg 14, Gum¬
binnen 6, Danzig 9, Marienwerder 4, Berlin 6,
Potsdam 5, Frankfurt 3, Stettin 3, Posen 10,
Bromberg 8, Breslau 9, Oppeln 4, Magde¬
burg 16, Merseburg 3, Schleswig 70, Lüne¬
burg 2, Stade 7, Osnabrück 2, Cassel 2, Cöln 2,
Sigmaringen 1, zusammen 186.
Bayern.
Regierungsbezirke
Zahl der erkrankten
an 1 an 1
Brust- 1 Pferde-1
seuche j stäupe j ^ a mft
Pferde
iin
ganzen
hier¬
von
ver¬
endet
Oberbayern . . .
119
7
_
126
12
Niederbayern . .
31
2
—
33
2
Pfalz.
7
1
—
8
'»
Oberpfalz . . .
12
—
—
12
2
Oberfranken .
4
—
—
4
—
Mittelfranken . .
13
8
10
31
1
Unterfranken . .
_ .
—
—
—
—
Schwaben . . .
26
—
b
1 32
b
Summe [[ 212
18
, u>
1 246 |
25
Im ganzen waren 34 Bezirksämter bezw.
unmittelbare Städte, 64 Gemeinden und 78
Gehöfte betroffen.
Im Grossherzogtum Baden waren in
5 Amtsbezirken und Gemeinden 6 Gehöfte
mit einem Bestände von 35 Pferden betroffen.
Es erkrankten 16 Pferde, von denen 8 veren¬
deten.
Im Stadtbezirk Bremen trat die Seuche
im Mai in 2 Gehöften auf, in denen je ein
Pferd an Brustseuche erkrankte; 1 Pferd ist
eingegangen. Im Juni erkrankte ebenfalls in
2 Gehöften je 1 Pferd, die jedoch genasen.
Im Herzogtum Braunschweig trat
die Seuche in 4 Kreisen, 5 Gemeinden und 5
Gehöften, mit Ausnahme 1 Fall von Pferde¬
staupe, in Form der Brustseuche auf. Im
ganzen sind 8 Pferde verendet.
Im Herzogtum Sachsen-Koburg-
G oth a waren 12 Gehöfte verseucht, von denen
5 von der Brustseuche und der Skalma be¬
troffen waren, während für 2 Gehöfte die
Form der Seuche nicht angegeben ist. 1 Pferd
ist an Brustseuche verendet.
Der Minister
der geistlichen, Unterrichts¬
und Medizinal - Angelegen¬
heiten.
M. d. g. A. M. Nr 6166.
M. f. Landw. pp. Nr. I Aa 3168.
M. f. Hdl. pp. Nr. II b 4398.
M. d. Inn. Nr. Ha 3271.
Berlin ,W. 64, den 29. Mai 1905.
Es ist die Wahrnehmung gemacht, dass
unter dem Namen „Sterilisol“ ein Konservie¬
rungsmittel mit dem ausdrücklichen Hinweis
in den Handel gebracht wird, dass es unbean¬
standet Verwendung finden könne und in ge¬
sundheitlicher Beziehung völlig einwandsfrei
sei. Demgegenüber ist durch die im chemischen
Laboratorium des Kaiserlichen Gesundheits¬
amtes ausgeführten Untersuchungen festge¬
stellt, dass Proben des Präparats etwa 2 Vs %
Formaldehyd enthalten haben. Nach einem von
mir, dem Minister der Medizinal-Angelegen-
heiten, erforderten Gutachten der Königlichen
Wissenschaftlichen Deputation für das Medi¬
zinalwesen sind aber das Formalin sowohl wie
alle Zubereitungen, welche diesen Stoff ent¬
halten, als gesundheitlich bedenkliche Konser¬
vierungsmittel für Nahrungs- und Genuss¬
mittel anzusehen. Bei der gewerbsmässigen Zu¬
bereitung von Fleisch ist ferner die Verwen-
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82
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
3. Jahrgang.
düng von Formaldehyd auf Grund des § 21
des Fleischbeschaugesetzes laut Bekanntmach¬
ung des Herrn Reichskanzlers vom 18. Fe¬
bruar 1902 (Reg. Bl. 48) ausdrücklich ver¬
boten.
Um der Gefahr entgegenzu treten, dass das
Sterilisol eine der öffentlichen Gesundheit nicht
zuträgliche Verwendung findet, ersuchen wir
Ew. Hochwohlgeboren, die mit der Ausübung
der Nahrungsmittelpolizei betrauten Behörden
auf die mehrfach erfolgte Feststellung nicht
einwandfreier Zusammensetzung des „Sterili-
sols“ aufmerksam zu machen und auch auf
die beteiligten Kreise der Bevölkerung in ge¬
eignet erscheinender Weise aufklärend einzu¬
wirken.
Der Minister der geistlichen, Unterrichts¬
und Medizinal-Angelegenheiten.
Im Aufträge: gez. Förster.
Der Minister für Landwirtschaft, Domänen
und Forsten.
In Vertretung: gez. von Conrad.
Der Minister für Handel und Gewerbe.
Im Aufträge: gez. v. d. Hagen.
Der Minister des Innern:
In Vertretung: gez. v. Bischof fshausen.
Preussen.
Die preussischen Minister für Landwirt¬
schaft, des Innern, der Finanzen, des Kultus
und für Handel und Gewerbe haben an die Pro¬
vinzialbehörden nachstehende Verfügung ge¬
richtet :
Für das nach Massgabe des Fleischbe¬
schaugesetzes vom 3. Juni 1900 amtlich unter¬
suchte Fleisch ist im allgemeinen eine Wieder¬
holung der Beschau ausgeschlossen. Nur für
Gemeinden mit öffentlichen Schlachthäusern
ist in § 20 Abs. 2 des Gesetzes eine Ausnahme
zugelassen. Die danach solchen Gemeinden ver¬
bliebene Befugnis auf Grund des § 2, No. 2
und 3 des Schlachthausgesetzes ^vom 18. März
1868 und 19. März 1881, das nicht im Schlacht¬
haus ausgeschlachtete frische Fleisch, bevor es
feilgeboten oder in Gastwirtschaften etc. ver¬
wendet wird, ungeachtet der anderwärts bereits
vorgenommenen Untersuchung dem vollen kom¬
munalen Beschauzwange zu unterwerfen, ist
durch § 5, Abs* 1 des preussischen Ausfüh¬
rungsgesetzes vom 28. Juni 1902 im Zusammen¬
hänge mit dem Ergänzungsgesetze vom 23. Sep¬
tember 1904 auf solches Fleisch beschränkt
worden, das nicht bereits von einem tierärzt¬
lichen Beschauer untersucht worden ist. Ab¬
gesehen hiervon, ist nach § 20, Abs. 1 des
Fleischbeschaugesetzes (vergl. auch § 5, Abß. 1
des Ausführungsgesetzes) eine abermalige amt¬
liche Untersuchung nur noch zu dem Zwecke
gestattet, um festzustellen, ob das Fleisch seit
der ersten Untersuchung verdorben ist oder
sonst eine gesundheitsschädliche Veränderung
seiner Beschaffenheit erlitten hat. Auch bleibt
die durch das Gesetz vom 14. Mai 1879 ge¬
regelte allgemeine Beaufsichtigung des Ver¬
kehrs mit Nahrungs- und Genussmitteln nach
§ 29 des Fleischbeschaugesetzes unberührt.
Dass mit derselben auch eine Kontrolle zu
dem Zwecke verbunden werden kann, um Zu¬
widerhandlungen gegen die Fleischbeschauvor¬
schriften, sowie etwaige Versehen oder Pflicht¬
verletzungen der Fleischbeschauer aufzudecken,
ist in der Begründung zum Fleischbeschau¬
gesetze als selbstverständlich bezeichnet. Zur
Erleichterung der letztgedachten Aufgaben der
polizeilichen Fleischkontrolle dienen die Vor¬
schriften über die Kennzeichnung des der Be¬
schau unterworfenen Fleisches, die im Hinblick
auf die sogenannte Freizügigkeit des tierärzt¬
lich untersuchten Fleisches in Schlachthaus-Ge¬
meinden durch die allgemeine Verfügung vom
24. September v. J. eine Verschärfung er¬
fahren haben. Im übrigen sind bisher in
Preussen im Anschluss an die Fleischbeschau-
Gesetzgebung allgemeine Vorschriften über eine
Kontrolle des im Verkehre befindlichen Flei¬
sches nicht erlassen worden. Es sind vielmehr
für diese Kontrolle neben den Bestimmungen
des Nahrungsmittelgesetzes lokale Anord¬
nungen massgebend, die, soviel bekannt, im
wesentlichen eine polizeiliche Beaufsichtigung
und Ueberwachung der Fleischverkaufsstätten,
namentlich der Märkte und Läden etc., regeln.
Vielfach ist diese Beaufsichtigung in Städten
und grösseren Orten Tierärzten übertragen. In
einzelnen Schlachthausgemeinden sind beson¬
dere Kontrolleure bestellt, deren Aufgabe es
ist, den Fleischverkehr im Interesse der Be¬
achtung der auf Grund des Schlachthaus-Ge¬
setzes erlassenen beschränkenden Vorschriften
zu überwachen und Zuwiderhandlungen zur An¬
zeige zu bringen. Insbesondere fehlt es in
Preussen an allgemeinen Kqntrollvorschriften
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Heft 4.
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
83
für den Verkehr mit Fleisch von einer Ge¬
meinde nach der anderen, soweit nicht die schon
erwähnten Beschränkungen in Schlachthaus¬
gemeinden Platz greifen. In einigen ausser-
preussischen Bundesstaaten bestehen solche Be¬
stimmungen, z. B. in Württemberg, Baden und
Elsass-Lothringen, wo durch ortspolizeiliche
Vorschriften angeordnet werden kann, dass das
zum Vertriebe nach einer Gemeinde eingeführte
Fleisch einer Untersuchung daraufhin zu unter¬
werfen ist, ob es der ordnungsmässigen Be¬
schau unterlegen hat, und ob es inzwischen
verdorben oder sonst gesundheitsschädlich ver¬
ändert worden ist. Für solche Untersuchungen,
zu deren Vornahme auch die Vorlegung an
einer bestimmten Stelle gefordert werden kann,
ist in jenen Staaten sogar die Erhebung beson¬
derer Gebühren zugelassen.
In Preussen ist seitens einiger Schlacht¬
hausgemeinden kürzlich der Versuch gemacht
worden, ähnliche Verkehrsbeschränkungen für
das eingeführte, tierärztlich bereits untersuchte
frische Fleisch im Wege von Polizei Verord¬
nungen zu erreichen. In den hier bekannt ge¬
wordenen Fällen sind jedoch die Aufsichts-Be¬
hörden angewiesen, bis auf weiteres solchen
Versuchen entgegenzutreten, zum Teil wegen
der dagegen obwaltenden rechtlichen Bedenken,
ferner, weil das Bedürfnis für derartige Be¬
schränkungen zurzeit nicht als nachgewiesen
erachtet werden kann, zur Beurteilung der Be¬
dürfnisfrage vielmehr die Beschaffung weiteren
Materials erforderlich erscheint. Diese Frage
erheischt namentlich deswegen auf Grund
neuerer Erfahrungen eine eingehende Prüfung,
weil einerseits durch die allgemeine reichs¬
gesetzliche Durchführung der Schlachtvieh- und
Fleischbeschau für alles in den Verkehr ge¬
langende Fleisch der wichtigsten Schlacht-
tierc unzweifelhaft eine wesentlich grössere
Sicherheit in der Versorgung der Bevölkerung
mit gesunder Fleischnahrung als früher ge¬
schaffen worden ist, anderseits durch die schon
erwähnte Einschränkung der kommunalen
Nachuntersuchungen in Schlachthausgemeinden
gewisse Kontrollen des Fleischverkehrs fort¬
gefallen sind. Um in diese Prüfung eintreten
zu können, ersuchen wir, über die tatsächlichen
Verhältnisse, die im dortigen Bezirk in bezug
auf die Kontrolle des Fleischverkehrs (im
Gegensatz zu der eigentlichen „ordentlichen“
Schlachtvieh- und Fleischbeschau auch als
„ausserordentliche Fleischbeschau“ bezeichnet)
bestehen, die nötigen Ermittlungen anzustellen,
über das Ergebnis, unter Hervorhebung der da¬
bei etwa beobachteten Missstände, bis zum
1. Januar 1906 zu berichten und erforderlichen¬
falls Vorschläge über die zur Beseitigung von
Mängeln zu ergreifenden Massregeln zu machen.
Um insbesondere die Wirkung der seit dem
1. Oktober 1904 geltenden Erleichterungen des
Verkehrs mit tierärztlich untersuchtem frischen
Fleisch in Schlachthausgemeinden klarzu¬
stellen, ist uns mit dem Bericht eine Ueber-
sicht über die Zahl der Schlachtungen und
die Untersuchung eingeführten frischen Flei¬
sches in den Schlachthausgemeinden des dor¬
tigen Bezirks für die Zeit vom 1. Oktober 1903
bis ebendahin 1905 einzureichen. Diese Nach¬
weisung ist auf Grund von Angaben aufzu¬
stellen, die von jeder Schlachthausgemeinde zu
erfordern sind. Auf die statistischen Mit¬
teilungen und auf die Darstellung der Fleisch¬
verkehrskontrolle in den Schlachthausgemein¬
den sind jedoch die tatsächlichen Angaben
nicht zu beschränken; sie haben sich vielmehr
auf den gesamten Verkehr mit Fleisch im
Bezirk und auf die Art der Beaufsichtigung
dieses Verkehrs zu erstrecken. Etwaige be¬
stehende Kontrollvorschriften, die sich be¬
währt haben, sind im Wortlaute mitzuteilen.
Ohne einer weitergehenden Berichterstat¬
tung vorgreifen zu wollen, erwarten wir eine
Aeusserung über folgende Fragen:
1. Hat die derzeitige Kontrolle des Verkehrs
mit Fleisch, insbesondere mit dem aus
dem Schlachtort ausgeführten Fleisch, zur
Verhütung erheblicherer sanitärer Miss¬
stände ausgereicht oder ist dies nicht der
Fall, und welcher Art sind die beobach¬
teten Missstände gewesen?
2. Welche Vorschläge können zur Verhütung
etwaiger Missstände gemacht werden ?
Insbesondere 1. wird von einer besseren
Organisation und schärferen Handhabung
der polizeilichen Kontrolle in den Fleisch¬
verkaufsstellen, den Betriebsstätten der
Schlächter und der Fleischwarenfabrikan-
ten ein ausreichender Erfolg erwartet,
oder 2. erscheint ausserdem noch eine
regelmässige Kontrolle der Verbringung
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84
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
3. Jahrgang.
von Fleisch nacli anderen Gemeinden er¬
forderlich ?
Sofern zu II. 1. und 2. Vorschläge ge¬
macht werden, sind die befürworteten Mass-
regeln näher zu bezeichnen, namentlich ist zu
erörtern, durch welche Organe die neuen oder
verschärften Kontrollen auszuüben sein wer¬
den, ob es sich beispielsweise empfiehlt, die
Fleischbeschauer hierzu zu verwenden. Wir
setzen voraus, dass bei den dortigen Vorschlägen
das sanitäre Bedürfnis und die Interessen von
Handel und Verkahr sorgsam abgewogen
werden.
Allgemeine Verfügung
No. 25 vom 25. Mai 1905.
(An sämtliche Herren Regierungspräsidenten
und den Herrn Polizeipräsidenten von Berlin.)
Es ist in letzter Zeit mehrfach festge¬
stellt oder doch der dringende Verdacht aus¬
gesprochen worden, dass amtliche Fleischbe¬
schaustempel von unbefugten Personen dazu be¬
nutzt worden sind, um Fleisch von nicht unter¬
suchten Tieren, namentlich von solchen, bei
denen eine Beanstandung zu befürchten war,
abzustempeln und demnächst in den Verkehr
zu bringen. Dieser Missbrauch ist meist da¬
durch ermöglicht oder begünstigt worden, dass
die Fleischbeschauer die amtlichen Stempel
nicht sicher genug aufbewahrt oder während
des Gebrauchs nicht genügend unter Obhut ge¬
halten oder gar fahrlässigerweise dritten Per¬
sonen ohne Aufsicht zum Zwecke der Stem¬
pelung untersuchter Tiere überlassen haben.
Derartige Nachlässigkeiten beeinträchtigen den
Wert der mit der Stempelung bei der Fleisch¬
beschau erstrebten Kontrolle der genauen Beob¬
achtung der Fleischbeschauvorschriften er¬
heblich und müssen als grobe Pflichtvernach¬
lässigung der Beschauer angesehen werden. Wir
ersuchen, sämtlichen bei der amtlichen Schlacht¬
vieh- und Fleischbeschau, einschliesslich der
Trichinenschau, tätigen Sachverständigen eine
sorgfältige und sichere Aufbewahrung, sowie
während des Gebrauchs eine ununterbrochene
Beaufsichtigung der ihnen anvertrauten amt¬
lichen Beschaustempel* zur Pflicht zu machen
Verletzungen dieser Pflicht würden, wie dies
tatsächlich in einem Falle von uns bereits an¬
geordnet ist, den Verlust des Amtes als Fleisch¬
beschauer oder Trichinenbeschauer für den
Schuldigen zur Folge haben müssen.
Der Minister für Landwirtschaft, Domänen und
Forsten.
v. Podbielski.
Der Minister der geistlichen, Unterrichts- und
Medizinal-Angelegenheiten.
I. A.: Förster.
Preussen.
Bekanntmachung.
Da noch vielfach Zweifel und Unklar¬
heiten über die durch die Fleischbeschau-Ge¬
setzgebung geschaffene Freizügigkeit des Flei¬
sches und die noch bestehenden Beschränkungen
des Verkehrs mit Fleisch in Schlachthaus-Ge¬
meinden obwalten, sehe ich mich veranlasst,
nachstehendes zur öffentlichen Kenntnis zu
bringen.
1. Fleisch, welches von Schlachttieren her¬
rührt, bei denen die Untersuchung vor und
nach dem Schlachten unterblieben ist, darf
nur im eigenen Ifaushalt des Schlachtenden
verwendet werden. Dies gilt auch für den
Fall, dass solches Fleisch zubereitet oder zu
Würsten und sonstigen Erzeugnissen verar¬
beitet wird.
Wer solches Fleisch in frischem oder zu¬
bereiteten Zustande in Verkehr bringt, macht
sich der Uebertretung des § 27 No. 3 des
Reichsfleischbeschaugesetzes auch dann schul¬
dig, wenn keine gewerbsmässige Abgabe vor¬
liegt. Die nicht gewerbsmässige Abgabe von
Fleisch, bei welchem die Untersuchung unter¬
blieben ist, ist nur in denjenigen Fällen zu¬
lässig, in denen infolge unvorhergesehener Um¬
stände, z. B. beim Tode des Besitzers oder bei
Auflösung des Haushalts aus anderen Grün¬
den, die ursprüngliche Absicht der ausschliess¬
lichen Verwendung des Fleisches im eigenen
Haushalte des Besitzers nicht hat aufrecht
erhalten werden können.
2. Fleisch, welches von Schlachttieren her-
| rührt, bei denen die amtliche Schlachtvieh-
und Fleischbeschau durch nicht tierärztliche
Beschauer (Laienfleischbeschauer) ausgeführt
worden ist, darf an sich in Verkehr gebracht
werden, unterliegt aber, wenn es in frischem
Z u s t a n d e in Gemeinden mit Schlachthaus¬
zwang eingeführt wird und hier feilgeboten
oder in Gast- und Speise wirtschaften zube-
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Heft 4.
Fortschritte der Veterinär-Hygiene»
85
reitet werden soll, einer amtlichen Untersu¬
chung durch die von den Schlachthausgemein¬
den bestellten tierärztlichen Beschauer.
Zubereitetes Fleisch der fraglichen Art, also
auch Würste, Schinken etc., ist bei Einfuhr
in Schlachthausgemeinden dieser Nachunter¬
suchung nicht unterworfen.
3. Fleisch, welches von Schlachttieren her¬
rührt, bei denen eine amtliche Untersuchung
durch approbierte Tierärzte stattgefunden hat,
darf überallhin frei eingeführt werden, und ist
auch bei Einfuhr in Schlachthausgemeinden
der Nachuntersuchung entzogen.
4. Schlachthausgemeinden dürfen diejeni¬
gen Untersuchungen, welche auf Grund des § 21
des Schlachthausgesetzes vom 18. März 1868
9. März d881
stattfinden, nur an solchem frischen, nicht im
Schlachthaus ausgeschlachteten Fleisch vor¬
nehmen lassen, welches am Schlachtorte einer
amtlichen Untersuchung durch approbierte
Tierärzte nicht unterlegen hat, und müssen
diese Untersuchungen durch approbierte Tier¬
ärzte ausführen lassen.
5. Frisches und zubereitetes Fleisch darf
an den Verkaufsstellen durch die sachverstän¬
digen Organe der Ortspolizeibehörden jederzeit
darauf untersucht werden, ob das Fleisch ver¬
dorben ist oder eine gesundheitsschädliche Ver¬
änderung seiner Beschaffenheit erlitten hat.
Derartigen Untersuchungen unterliegt auch
das in Schlachthausgemeinden eingeführte, vor¬
her tierärztlich untersuchte Fleisch mit der
Massgabe, dass diese Untersuchungen nur durch
approbierte Tierärzte ausgeführt werden dür¬
fen.
Die Ortspolizeibehörden sind u. a. auch be¬
fugt, an den Verkaufsstellen Ermittelungen
und Untersuchungen darüber anzustellen, ob
das in den Verkehr gelangende Fleisch durch¬
weg der Fleischbeschau unterworfen gewesen
ist, oder ob zubereitetes Fleisch mit verbotenen
Stoffen behandelt worden ist.
6. Als zubereitetes Fleisch ist anzusehen
alles Fleisch, welches infolge einer ihm zuteil
gewordenen Behandlung die Eigenschaften
frischen Fleisches verloren hat und durch eine
entsprechende Behandlung nicht wiedergewin¬
nen kann. Unter einer Behandlung, welche dem
Fleische die Eigenschaften des frischen nimmt,
ist nur eine solche zu verstehen, bei welcher
das Fleisch in seinem natürlichen Zusammen¬
hänge verändert wird, mag es durch Kochen,
Dämpfen, Braten, Rösten lediglich für den so¬
fortigen Genuss oder durch Haltbarmachen auf
längere Zeit, besonders Kochen und Räuchern,
Dörren, Pökeln, für den späteren Genuss zu¬
bereitet sein. Von den hier in Frage kommen¬
den Veränderungen schliesst zunächst weder
das Loslösen von den Knochen, noch das
Reinigen und Zerhacken die Eigenschaft des
Fleisches als eines frischen jtus, so ist z. B.
(nicht geräucherte) Bratwurst als frisches
Fleisch anzusehen. Das gleiche gilt für
rohes Hackfleisch, wenn es auch durch
Würzen zum sofortigen Genuss zubereitet
ist. Durch blosses Salzen kann die
Eigenschaft des Fleisches als eines frischen
nur beseitigt werden, wenn das Salz das Innere
des Fleisches durchdrungen und damit dessen
natürliche Zusammensetzung dauernd verändert
hat. Dagegen genügt hierzu nicht bloss ein
oberflächliches Salzen, welches nur dazu be¬
stimmt und geeignet ist, das Fleisch schmack¬
haft zu machen.
Königsberg, den 4. Mai 1905.
Der Polizeipräsident.
Grossherzogtum Sachsen. Ministerial-
verordnung, betr. den Verkehr mit
Kuhmilch. Vom 21. Dezember 1904.
Mit Höchster Genehmigung wird in Ge-
mässheit des § 4 Abs. 2 des Reichsgesetzes,
betr. den Verkehr mit Nahrungsmitteln, Ge¬
nussmitteln und Gebrauchsgegenständen, vom
14. Mai 1879 — R.-G.-Bl. S. 145 — und des
§ 1 Ziffer 2 des Gesetzes vom 7. Januar 1854
— R.-Bl. S. 17 — über den Verkehr mit Kuh¬
milch folgendes verordnet:
§ 1. Kuhmilch darf nur in den V i'cehr
gebracht werden, wenn sie keine gesun Iheits-
sehädliche Beschaffenheit hat und frei von
sichtbaren Verunreinigungen ist.
Demnach ist vom Verkehr ausgescl ’ ;sen
solche frische Kuhmilch, Sahne, sauere Milch,
Buttermilch, gefrorene, abgekochte, sterili¬
sierte und pasteurisierte Milch, welche
a) blau, rot oder gelb gefärbt, mit Schim¬
melpilzen besetzt, bitter, faulig riechend,
schleimig oder sonst verdorben ist, Blutreste
oder Blutgerinsel enthält;
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86
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
3. Jahrgang.
b) vor Ablauf des fünften Tages nach dem
Abkalben gewonnen ist;
c) von Kühen stammt, die an Milzbrand,
Rauschbrand, Tollwut, Pocken, Strahlenpilz¬
krankheit, Gelbsucht, Ruhr, Euterentzündung,
Blutvergiftung, Pyämie (Eiterfieber), Septi-
chämie (Jauchefieber), fauliger Gebärmutter¬
entzündung oder anderen fieberhaften Erkran¬
kungen leiden, sowie von Kühen, von denen die
Nachgeburt noch nicht abgegangen ist;
d) von Kühen stammt, die an Eutertuber¬
kulose, oder vorgeschrittener, mit starker Ab¬
magerung oder Durchfällen verbundener Tu¬
berkulose leiden;
e) von Kühen stammt, die mit giftigen
oder stark wirkenden in die Milch übergehen¬
den Arzneimitteln, insbesondere Arsen, Brech¬
weinstein, Jodkali, Nieswurz, Eserin, Opium,
Pilokarpin behandelt werden;
f) fremdartige Stoffe irgendwelcher Ar ( t
enthält oder mit Wasser oder aus Wasser her¬
gestelltem Eise versetzt ist. Der Zusatz von
nur aus Milch sauber hergestelltem Eise so¬
wie solcher Konservierungsmittel, welche vom
Staatsministerium als erlaubt bekannt gegeben
werden, ist gestattet;
g) Milchschmutz in dem Masse enthält, dass
sich bei dem einstündigen Stehen eines halben
Liters Milch in einem hellen Glasgefässe ein
Bodensatz zeigt.
§ 2. Milch von Kühen, welche an Maul¬
und Klauenseuche erkrankt sind, öder im Ver¬
dacht einer Seuchen- oder einer anderen, die
Milch beeinflussenden Erkrankung stehen, darf
nur in abgekochtem Zustande in den Verkehr
gebracht werden. Aus Sammelmolkereien darf
Milch, welcher der Fettgehalt durch die Zen¬
trifuge nahezu entzogen ist, nur in pasteuri¬
siertem oder sterilisiertem Zustande (siehe §6)
verkauft werden.
§ 3. Die für den Verkauf bestimmte Milch
soll mit grösster Reinlichkeit gewonnen, als¬
bald durch Seihen vom Schmutze befreit und
weiterhin reinlich behandelt werden. Es ist
verboten, Personen, welche mit Ausschlag be¬
haftet sind oder an ekelerregenden oder an den
im § 4 bezeichneteji Krankheiten leiden, oder
an solchen Krankheiten leidende Personen zu
pflegen haben, melken zu lassen, öder bei der
Behandlung der Milch zu beschäftigen.
Die Milch darf nur in Räumen aufbewahrt
werden, die rein, gut gelüftet, nicht bewohnt,
kühl sind und nicht in direkter Verbindung
mit Schlaf- oder Krankenzimmern stehen.
§ 4. Ausser den nach § 1 des Reichs¬
gesetzes vom 30. Mai 1900 (R.-G.-B1. S. 306),
betr. die Bekämpfung gemeingefährlicher
Krankheiten, anzuzeigenden Erkrankungen ist
der Ausbruch von Scharlach, Diphtherie,
Krupp, Typhus in einem Gehöfte, aus wel¬
chem Milchverkauf stattfindet, oder in der
Wohnung eines Milchhändlers binnen 24 Stun¬
den dem Gemeinde Vorstand anzuzeigen. Dieser
hat, wenn und solange nach ärztlichem Gut¬
achten die Gefahr besteht, dass die Milch von
den vorgedachten Krankheiten beeinflusst wird,
die Abgabe von Milch aus solchen Gehöften
oder Handlungen zu verbieten. ,
§ 5. Wer Milch unter der Bezeichnung
Sanitäts-, Kur-, Kinder, sterilisierte, pasteu¬
risierte, Eis-Milch oder unter ähnlicher Be¬
nennung verkaufen will, hat seinen Stall unter
die Aufsicht eines Tierarztes zu stellen und
dies unter Angabe des Namens des Tierarztes
dem Bezirksdirektor anzuzeigen.
Die Aufsicht des Tierarztes hat sich zu
erstrecken auf die Gesundheit der Kühe, auf
die gute Beschaffenheit des Futters und auf
die hygienischen Einrichtungen der Stallungen.
Ueber den Umfang und die Art der Aus¬
übung dieser Aufsicht werden vom Staats¬
ministerium die erforderlichen Bestimmungen
erlassen.
§ 6. Als abgekocht gilt die Milch, die bis
100° C erhitzt oder einer Hitze von 90° C
mindestens 15 Minuten lang ausgesetzt wor¬
den ist.
Als sterilisiert gilt Milch, die sofort nach
dem Melken von Schmutzteilen befreit worden,
spätestens 6, oder, wenn sie gekühlt aufbewahrt
wird, 12 Stunden nach dem Melken in von dem
Bezirksdirektor als zweckentsprechend an¬
erkannten Apparaten ordnungsmässig behan¬
delt, und noch während sie auf 100° C 15 Mi¬
nuten lang erhitzt wird, luftdicht verschlossen
w T orden ist. Als pasteurisiert gilt Milch, die
auf gleiche Weise nach dem Melken behandelt,
verschlossen und 15 Minuten lang auf 70° C
oder 2 Minuten lang auf 85 0 C erhitzt worden
ist. Der Verschluss muss in beiden Fällen
bis zur Abgabe der Milch an den Konsumenten
unversehrt bleiben. Der Tag der Sterilisation
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Heft 4.
Fortschritte der Veterin&r-Hygiene.
87
bezw. Pasteurisation ist an den Gefässen kennt¬
lich zu machen.
§ 7. Die Abgabe der im § 5 genannten
Milcharten darf nur in ungefärbten (weissen
oder hellen) Glasgefässen, die in dauerhafter
Weise auf dem Gefässe oder der Plombe die
Bezeichnung des Produzenten tragen müssen,
erfolgen. Die Gefässe müssen mit Papier¬
streifen derart verklebt, plombiert oder ander¬
weitig fest verschlossen sein, dass eine Oeff-
nung ohne Verletzung des Verschlusses nicht
möglich ist.
§ 8. Für Gemeinden von mehr als 6000
Einwohnern kann durch PojizeiVerordnung Be¬
stimmung getroffen werden:
a) über die Anmeldung, Beschaffenheit
und Beaufsichtigung der ständigen gewerb¬
lichen Milchverkaufslokale im Gemeinde-Be¬
zirke und über die Pflicht der Milchverkäufer,
den Namen ihrer Milchlieferanten anzugeben;
b) über die Beschaffenheit der Milch-
gefässe und der Milchwagen;
c) dass ausser den' in § 5 genannten Milch¬
arten nur Vollmilch und Magermilch in den
Verkehr gebracht werden und dabei als Voll¬
milch nur Milch bezeichnet werden darf, wel¬
cher nach dem Melken nichts hinzugesetzt und
keine Nährstoffe entzogen worden sind, und
die einen Fettgehalt von mindestens 2,8 %
hat, alle Milch mit geringerem Fettgehalt als
2,8 °/o aber als Magermilch bezeichnet werden
muss;
d) dass die in § 5 gedachten Milcharten
mindestens 3 % Fett enthalten müssen und dass
auch dieser Milch nichts hinzugesetzt und
keine Nährstoffe entzogen sein dürfen;
e) dass süsse und sauere Sahne, die zum
Verkauf kommt, mindestens 10 °/o, Schlag¬
sahne mindestens 25 % Fett enthalten muss
Referate.
Infektionskrankheiten.
Abba n. Bormanns. Leicht ausführbare
Methode der Wutdiagnose auf histo¬
logischem Wege. Annales de l’Inst. Pasteur,
1905, No. 1.
Da die biologische Methode der Wutdiagnose,
nämlich die diagnostische Impfung mit Gehim-
emulsion, eine ziemlich umständliche Prozedur dar¬
stellt und recht lange auf das Ergebnis warten
lässt, empfehlen die Verff. auf Grund zahlreicher
Experimente die histologische Methode, welche
sehr schnell (nach 24 Stunden, selten länger) zum
Ziele führt und welche ausser Mikroskop sehr
wenige Hilfsmittel fordert. Der Ursprung dieser
Methode lässt sich auf die Forschungen von Negri,
Daddi, Volpino, Luzzani u. a. zurückführen, die
in den Nervenzellen des Gehirngewebes der an Wut
verendeten Tiere Gebilde fanden, welche nach
ihrem Entdecker die „Negrischen Körperchen“ ge¬
nannt wurden und am reichlichsten in den Nerven¬
zellen der Ammonshörner zu finden waren. Die
Verff. schneiden aus dem Ammonshorne 3—4 mm
dicke Gewebsstücke aus, fixieren dieselben durch
5—6 Stunden in 4—5 g 10 o/o Osmiumsäure, spülen
eine oder mehrere Stunden im strömenden Wasser
ab, härten 3—4 Stunden in absolutem Alkohol, ver¬
fertigen mit Rasiermesser dünne Schnitte und
untersuchen dieselben im Glyzerin mikroskopisch.
Die Nervenzellen sind in diesen Präparaten
kaffeebraun, die Kerne schwach, die Kernchen
intensiv gelb gefärbt. Im Zellprotoplasma sind die
Negrischen Körperchen zu sehen, die auch intensiv
gelb gefärbt sind und lichte Punkte aufweisen,
welche an Vakuolen erinnern. Diese Körperchen
sind verschieden gross und zahlreich. Die Verff.
untersuchten 96 Fälle sowohl biologisch als auch
histologisch. In 58 Fällen war das Ergebnis wut¬
positiv, in 38 wut-negativ. In diesen 58 positiven
Fällen fand man nur zweimal keine Negrischen
Körperchen.
Die Verff. meinen, die Anwesenheit der Negri¬
schen Körperchen gibt den sicheren Beweis der
Lyssa, ihr Fehlen schliesst aber deren Vorhanden¬
sein nicht aus. Es wird somit im Pasteurschen
Institut zu Turin hauptsächlich die histologische
Methode gebraucht und nur in zweifelhaften Fällen
auch die biologische angewandt.
Baczyüski.
C. Nicolle. Die Wutdiagnose an faulen¬
dem Gehirnmaterial. C. R soc. Biol., 1904,
Bd. LVII, S. 319—351.
In den Tropen ist man fast immer genötigt, die
Wut an faulenden Gehirnen festzustellen. Geimpfte
Kaninchen sterben unter solchen Umständen au
Sepsis, die Diagnose wird somit unmöglich. Um.
diesen misslichen Zuständen abzuhelfen, schlägt
Verf. vor, die Gehirne während 48 Stunden in
sterilisiertem Glyzerin aufzubewahren. Sieben in
Fäulnis übergegangene Gehirne, welche auf obige
Weise behandelt wurden, ergaben sechsmal positive
Erfolge (Wut) und nur einmal war das Ergebnis
negativ. Wenn man Meerschweinchen als Impf¬
objekt gebraucht, ist es angezeigt, die zur Impfung
dienenden Gehirne länger als 48 Stunden der
Glyzerinwirkung auszusetzen, da die genannten Tiere
gegen Sepsis empfindlicher als Kaninchen sind.
Baczynski.
M. Ficker. Zur R o t z d iag nos t i k. Hygie¬
nische Rundschau. 15. Jahrg. No. 13.
Bei der hohen Kontagiosität des Malleus ist
die möglichst frühzeitige und sichere Diagnose¬
stellung von grosser Wichtigkeit. Der gefährlichen
und nicht immer übereinstimmende Resultate
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Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
3. Jahrgang.
gebenden Agglutinationsprüfung glaubt Verf. durch
Verwendung gleichmässig gewonnener, abgetöteter
Kulturen besser Eingang verschaffen zu können.
Das Verfahren der Herstellung wird genauer an¬
gegeben. Da die Kulturen aber auch mit nor¬
malem Serum agglutiniert werden und genaue
Grenzwerte nicht ermittelt sind, mangels eines
genügend grossen Materials auch nicht leicht zu
ermitteln sind, entbehrt die vom Verf. empfohlene
Agglutinationsprobe einstweilen des praktischen
Wertes. Profe.
Legge« Ueber den Gewerbeanthrax. Brit.
Med. Journ. 1905. Ref. d. Münch. Med. W. No. 23.
In England müssen nach dem Eabrikgesetz alle
Fälle von Anthrax angezeigt werden, die bei den
verschiedenen Industrien zur Beobachtung kommen.
Meist werden Sortierer oder Kämmer von Wolle, Spin¬
ner von Wolle und Leute, die mit Rosshaar (Bürsten)
zu tun haben, davon betroffen, seltener Arbeiter,
die mit dem Transport oder der Bearbeitung von
Fellen zu tun haben. Isolierte Fälle treten auch
bei Lederarbeitern und Hornarbeitern auf. Im
ganzen kamen 1899-^1904 261 Fälle zur Anzeige.
Von den im Jahre 1901 in diesen Industrien (Wolle)
angestellten 259 909 Arbeitern waren nur 4264 mit
dem als besonders gefährlich geltenden Sortieren
und Kämmen der Wolle beschäftigt und davon er¬
krankten 64 (=0,21 o/o im Jahr). Von den Ross¬
haararbeitern (2206) erkrankten 40 (0,3 o/ 0 im Jahr).
Die Wollenarbeiter erkrankten fast nur im Bereich
von Bradford, wo fast nur asiatische Wolle ver¬
arbeitet wird. Die Mortalität unter den angezeigten
Fällen betrug 25,6 o/ 0 , was höher ist als die Sterb¬
lichkeit bei 34 052 Fällen, die in Italien gesammelt
wurden (24,1 o/ 0 ) und niedriger als die Sterblichkeit
unter 1473 von Koch gesammelten Fällen (32 o/ 0 ).
Am gefährlichsten ist der Anthrax, wenn die Pustel
am Kopf oder Halse sitzt, weniger an den oberen
Extremitäten und am Rumpf. Bei Kutschern,
Schlächtern etc. kommen in England Milzbrand¬
fäll© selten vor. Aus Neuseeland und Australien
importiert England jährlich für 270 Millionen Mark
Wolle, und doch wurde innerhalb dieser 6 Jahre
kein Fall von Anthrax auf Verbreitung dieser Woll¬
sorten zurückgeführt. Von Persien wird nur für
265 000 Mk. Wolle importiert und doch erkrankten
30—40 Menschen bei Verarbeitung dieser Wolle.
Auch die türkische Wolle und das chinesische und
russische Rosshaar sind sehr gefährlich. Die Fell-
arl>eiter erkrankten l>esonders l>ei Beschäftigung mit
Häuten, die aus China stammen.
Die Therapie war bisher meist die, dass die
Pustel exzidiert und die Wunde mit Ipecacnanba
l)epudert wurde. Dasselbe Mittel wurde innerlich
mit Erfolg gegeben. Neuerdings hat man in Italien ‘
sehr gute Erfahrungen mit dem von Sclavo her¬
gestellten Serum gemacht. Bei 41, nur mit Serum
Ijehandclten, geheilten Fällen, l»etrug die Behand¬
lungsdauer nur 8 To.getnit sehr gutem kosmetischem
Resultat. Auch in England hat sich das Serum
gut bewährt. Es ist auch in grossen Mengen und '
intravenös unschädlich und wird gut ertragen. Selbst
ganz hoffnungslose Fälle wurden geheilt. Die Ein¬
spritzung ist beinahe in jedem Fall von Temperatur¬
steigerung gefolgt, kurz danach bessert sich da&
Befinden sehr rasch. Die Verhütung ’ der Infek¬
tion ist sehr schwierig, da selbst durch gegerbtes
Leder noch eine Uebertragung stattfinden kann.
Rosshaar, sofern es nicht von weisser Farbe ist,
lässt sich durch strömenden Dampf sterilisieren.
Die frühzeitig erkannte Krankheit ist mit Serum
immer heilbar. Jacob.
A. Eber. Ueber die Widerstandsfähig¬
keit zweier in Marburg mit Tuberkel¬
bazillen verschiedener Herkunft
vorbehandelter Rinder gegen sub¬
kutane und intravenöse Infektion
mit tuberkulösem, vom Rinde stam¬
menden Virus. Zeitschrift für Tiermedizin,
1905, Bd. IX.
Verf. prüfte zwei durch von Behring gegen
Tuberkulose immunisierte Rinder auf ihre Wider¬
standsfähigkeit gegen künstliche Infektion mit
vom Rinde stammendem tuberkulösem Material. Die
Immunisierung fand nicht nach der neueren von
Behringschen Methode statt, so dass das Ergebnis
der Versuche über diese kein abschliessendes
Urteil zulässt. Es fragt sich hierbei nur darum,
ob durch Vorbehandlung mit Tuberkelbazillen eine
erhöhte Widerstandskraft gegen künstliche Tuber¬
kuloseinfektion bei Rindern zu erzeugen ist.
Der Versuch wurde in der Weise vorgenommen,
dass neben den vor behandelten Rindern (1 und 2)
ein weiteres (3) mit vom Rinde stammendem tuber¬
kulösen Material intravenös geimpft wurde,
während ein viertes Rind (4) als Kontrolltier für
die allgemeinen hygienischen nnd Ernährungs-
Verhältnisse diente. 9 Monate nach der Infektion
zeigte das geschlachtete Kontrolltier 3 bei der
Sektion fünf erbsengrosse embolische Tuberkel in
der Lunge nebst zahlreichen hirsekom- bis erbsen¬
grossen. teils verkästen, teils verkalkten, tuberku¬
lösen Herden in den bronchialen und mediastinalen
Lymphdrüsen, ein bohnengrosses Konglomerat
stccknadelkopf- bis linsengrosser tuberkulöser Knöt¬
chen in der linksseitigen Kchlgangslymphdrüse und
zwei hirsekorngrosse Tuberkel in den portalen
Lymphdrüsen. Rind 1 und 2 zeigten bei der 18
und 20 Monate nach der ersten Infektion vorge-
nommenen Sektion keine krankhaften Verände¬
rungen, welche auf diese intravenöse Injektion
zurückgeführt werden konnten. In der Zwischen¬
zeit wurden Rind 1 und 2 einer zweiten Infektion
unterworfen, gleichzeitig mit Rind 6, während ein
siclxmtcs als Kontrolltier dienen soll. Die Infektion
erfolgte durch subkutane Einverleibung tuberku¬
lösen, vom Rinde stammenden Materials. Während
Rind 6 bei der 9 Monate nach der Infektion vor-
genommenen Sektion einen wallnussgrosseu abge-
kapselten tuberkulösen Abszess an der Injektions¬
stelle und tul>erkulöse Hyperplasie und herdweise
Verkäsung bezw. Verkalkung der Buglymphdrüse auf-
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* Heft 4.
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
89
wies, Hessen Rind 1 und 2 während der ganzen Be¬
obacht ungszeit weder an der Injektionsstelle noch
au der zugehörigen Lymplulrüse irgendwelche Ver¬
änderungen erkennen. Bei einem dritten subkutan
erfolgten Infektionsversuch fanden sich bei zwei
imvorbehandelten Tieren 13 und 11 nach 61/2 bezw.
fd/i Monaten Tuberkulose der Impfstelle, der
Lungen, des Pleura, der Milz, der Lel>er. Das vor-
lieliarulelte Rind 2 zeigte i\ l j> Monate nach der
Infektion Tuberkulose der Impfstelle der Niere und
der Lunge. Rind 1 zeigte keine Krankheitserschei¬
nungen, Tuberkulinprolie fiel negativ aus. Bei einer
vierten intravenös vorgenommenen Infektion mit
einer Tuberkellmillen-Reinkultur zeigte schliess¬
lich auch das immunisierte Rind 1 zahlreiche
linsen- bis erbsengrosse embolische Tuberkel in der
Lunge und in beiden Nieren, zwei verkäste bezw.
verkalkte tuberkulöse Herde in den mesenterialen
Lymphdrüsen.
Aus diesen Versuchsergehnissen geht hervor,
dass sich die beiden in Marburg vorbehandelten
Rinder widerstandsfähiger gegen künstliche 1m
fektionen mit tulx»rkulösem Virus vom Rinde ge¬
zeigt haben, als die nicht vorl>chandelten. Die
• Widerstandsfähigkeit der vorbehandelten Tiere war
indessen keine absolute. Profe.
• - i
A. Eber. Experimentelle U Übertragung
der Tuberkulose vom Menschen auf
das Rind. Beiträge zur Klinik der Tuberkulose.
. Bd. IU, Heft 4.
Verf. stellte bei sielien jungen, auf Tuberkulin
nicht reagierenden Rindern teils direkt, teils nach
Meerschweiftchenpassage Infektionsversuche an mit
tuberkulösem Materiale aus Darmteilen und Mesen¬
terialdrüsen von Kindern in fünf Fällen. Zweimal
handelte es sich hier um primäre Darmtuberkulose,
zweimal um vorgeschrittene Tuberkulose und ein¬
mal um tuberkulöse Ilerde in den Bronchialdrüsen
neben den Darm Veränderungen. Gleichzeitig mit
diesen Uebertragungsversuchen wurden bei fünf ge¬
sunden Rindern Infektionsversuche mit vom Rinde
stammendem tuberkulösen Materiale gemacht.
Hierbei erwies sich das vom Menschen
stammende Material für zwei Rinder stark virulent,
für zwei Rinder mittelgradig virulent, für drei
Rinder geringgradig virulent bezw. völlig avirulent.
Das t v o m Rinde stammende Material erwies sich
für ein Rind stark virulent, für zwei Rinder
mittelgradig virulent, für zwei Rinder geringgradig
virulent.
Diese Uebertragungsversuche widersprechen der
Auffassung, R. lvocli^, nach welcher die mensch¬
liche Tuberkulose von- der des Rindes verschieden
und auf dieses nicht übertnigbar sei. Es ist in
einem falle gelungen, mit vom Men¬
schen stammen dem Material ganz cha-
rakteristisclie Seröse 11 tuberkulöse
beim Rinde zu erzeugen. Von Interesse ist
auch das Ergebnis der mit tuberkulösem Material
vom Rinde ausgeführten Infektionsversuche, welche
gezeigt haben, dass es keineswegs leicht ist, bei
gesunden Versuchstieren mit vom Rinde stammen¬
dem tuberkulösen Material eine Tuberkulose von
progressivem Charakter hervorzurufen.
Wenn es möglich ist, menschliche Tuberkulose
auf Rinder zu ül>ertragen und hierlxn die typischen
Formen der Rindertuberkulose künstlich zu er¬
zeugen, so ist die Behauptung Koclis, dass die
menschliche Tuberkulose von der des Rindes ver¬
schieden sei, nicht aufrecht zu erhalten.
Profe.
N. Ravv. Human and bovine tuber-
c 11 1 o s i s. Tuberculosis. Vol. III. No. 11 .)
Verf. teilt, gestützt auf die klinische Beobach¬
tung von 3000 Tuberku lose fällen und auf 600 Sek¬
tionen, seine Anschauungen über die Beziehungen
der menschlichen zur Rindertuberkulose mit. Beim
Erwachsenen entsteht die Tuberkulose im all¬
gemeinen durch Einatmung der Bacillen, die von
einem anderen Fall stammen, oder durch zufällige
Einatmung von ausgetrockneten Tuberkel hoc illen.
I 11 seltenen Fällen kann aber von den tuberkulösen
Lymphdrüsen des Halses her eine Lungentuber¬
kulose ihren Ausgang nehmen; bei Kindern ist der
Ausgang von erkrankten Mesenterialdrüsen und die
Wanderung durch das Zwerchfell zu Brustfell und
Lungen möglich. Raw stimmt darin mit Koch über¬
ein, dass die Rindertuberkulose, die streng von der
menschlichen zu unterscheiden ist, im Menschen
nicht das Krankheitsbild der menschlichen Tuber¬
kulose hervorzurufen vermag. Doch kann nach
Verf. der Mensch von beiden Formen befallen
werden, durch Infektion von Mensch zu Mensch
und durch Aufnahme von Milch und Fleisch.
Verf. nimmt an, dass primäre IntestinaJtuber-
kulose, Tabes mesenteria und andere tuberkulöse
Affektionen der serösen Organe bovinen Ursprungs
sind, wahrscheinlich durch Milchinfektion hervor¬
gerufen. Raw hat 293 Fälle von Tabes mesenterica
diagnostiziert und darunter nicht einen einzigen,
der ausschliesslich mit Muttermilch ernährt worden
| wäre, ausnahmslos waren alle mit Kuhmilch er¬
nährt. Verf. weist darauf hin, dass diese Er¬
krankung, in den Mesenterialdrüsen beginnend,
schliesslich zu den Lungen gelangen kann. Hin¬
sichtlich der Skropliulose nimmt Verf. an, dass
die Halsdrüsen durch die Aufnahme der Tuberkel¬
bacillen mit der Milch auf dem Wege der Tonsillen
und des Pharynx hervorgerufen werden und in der
Regel eine lokale Affektion darstellen.
Die Rindertuberkulose ist in Indien sehr selten,
desgleichen auch die Erkrankung der Kinder, wäh¬
rend Lungentuberkulose der Erwachsenen sehr ver¬
breitet ist. Auf der malagischen Halbinsel, sowie
in Hongkong, wo Rindertuberkulose selten ist, wird
auch bei Kindern selten Tuberkulose beobachtet.
In Aegypten, wo die Kinder zwei Jahre und länger
an der Brust genährt werden, ist gleichfalls die
Erkrankung der Kinder an Drüsen- und Abdominal¬
tuberkulose selten. Verf. hat in Liverpool in den
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90
Fortschritte der Ve terinär-IFy^ienAi
3. Jahrgang.
letzten zwei Jahren eine erhebliche Abnahme der
Abdominaltuberkulose fe9tgestellt, die er auf stren¬
gere Milchkontrolle und Versorgung der Armen mit
sterilisierter Milch zurückführt.
Raw fasst seine Anschauungen in folgender
Theorie zusammen:
Menschen- und Rindertuberkulose verhalten sich
im menschlichen Körper antagonistisch zueinander,
und Kinder, die an Rindertuberkulose gelitten
haben, werden später nicht von Lungentuberkulose
befallen. Verf. schliesst, dass eine milde Infektion
mit Rindertuberkelbacillen eine gewisse Immunität
gegen Lungenschwindsucht hervorruft, analog wie
die Vaccination gegen Pocken schützt.
Jacob.
W. Hoffmann. Zum Wachstum von Tu¬
be rhelbacillen auf 10 o/o Glyzerin-
Kartoffeln. Hygienische Rundschau. 14.
Jahrg. No. 7 und 15. Jahrg. No. 9.
•Verf. empfiehlt auf Grund mehrfacher Ver¬
suche über die Züchtung des Tuberkelbacillus auf
Kartoffeln solche Kartoffelröhrchen, in denen das
gebildete Kondenswasser durch steriles 10 o/ 0 Gly¬
zerinwasser ersetzt ist. Es gelingt mittels dieses
Nährbodens sicher und schnell, aus tuberkulösem
Materiale Tb.-Reinkulturen zu gewinnen. Die Viru¬
lenz wird durch Fortzüchtung durch viele (40)
Generationen hindurch abgeschwächt. ProfA
O. v. Schroen. Der neue Mikrobe der Lun¬
genphthise und der Unterschied zwi¬
schen Tuberkulose und Lungen¬
schwindsucht. (Ref. im Ctbl. f. Bakt. B. 36,
18-20.)
Tuberkulose und Phthise sind zwei verschiedene
Prozesse, die durch zwei in Struktur, Morphogenese
und biologischem Charakter verschiedene Mikro¬
organismen hervorgerufen werden. Dem Auftreten
des phthisiogenen Mikroben in der Lunge geht ge¬
wöhnlich das des Tuberkelbacillus voraus; doch
vermag Verf. nicht mit Bestimmtheit zu sagen,
ob es auch eine primitive oder gemeine Lungen¬
phthise gibt ohne vorangegangene Tuberkulose.
„Phthise ist ein von Tuberkulose wesentlich ver¬
schiedener Prozess, hervorgerufen durch einen be¬
sonderen Mikroben, der nicht wie der Tuberkel¬
bacillus in erster Linie Neubildung, verschiedene
Entzündungsformen und Koagulationsnekrose im
Lungengewebe erzeugt, sondern als Parasit von rein¬
stem Wasser sich an Stelle des Lungengewebes setzt,
dasselbe anfangs beiseite schiebt, dann durch Usur
zerstört und zum Schlüsse selbst einer sich in ihm
rapid ausbreitenden Degeneration verfällt, infolge
deren ausgedehnte Zerstörungen der Lunge, be¬
sonders in Form von Kavernen auftreten. Während
die käsigen phthisischen Herde zum weitaus grössten
Teil vom Mikroben der Phthise selbst gebildet sind,
werden die Kavernen von drei Schichten desselben
ausgekleidet, die der Ausdruck von drei Stadien
seiner „sukzessiven Evolution und Revolution sind/*
Die Tuberkulose der Lunge kann als aktiver
Prozess bereits erloschen sein, wenn die- Phthise in
derselben auftritt (Metabiose); dann hat die Phthise
meist einen langsameren Verlauf, oder der Tuberkel-
bacillus und der „neue Microbe“ treten gleichzeitig
in der Lunge auf (Symbiose); dann ist der Verlauf
der Phthise ein rasender.
Vorläufig macht Verf. über den Mikroben der
Phthise nur einige Mitteilungen Er sei ein ver¬
zweigter, arboreszierender, fruktifizferender Faden¬
pilz. Bei seinem ersten Auftreten in der Lunge
soll er als zartes Fädchen erscheinen, das in die
Epithelzellen der Lungenalveolen eindringt. Es
bildet sich durch seitliche Sprossung ein feines
Netz, das das Zellprotoplasma in Maschen durch¬
setzt und den Kern umspinnt. Das Protoplasma wird
vom Mikroben aufgezehrt, der atrophische, des Chro-
matius beraubte Kern erscheint im Zentrum des
durchsichtigen Mikrobenknäuels suspendiert. Die
benachbarten Fadenpilze konfluieren und bilden eine
filzige Masse; die Stämme und Zweige werden
grösser und dicker; sie sind hohl und ohne Sept-a.
Dann entstehen in den feinsten Endästchen, aber
auch an seitlich heran wachsenden Stielen kleine
Kapseln, die anfangs homogen, später eine Hülle
und einen granulösen Inhalt haben, der im
Reifestadium sich dahin ändert, dass aus den Körn¬
chen zu parallelen Bündeln vereinigte Fädchen ent¬
stehen, die, die Kapsel verlassend, die Epithel¬
zellen der nächsten Alveolen befallen. Nach be¬
endeter Fruktifikation erweitern sich die Stämme
und Aeste des Mikroben und anastomosieren mit¬
einander, wodurch das Bild ganz anders wird.
Gleichzeitig verfällt der Mikrobe, den Verf., weil
er keine Sporen bildet, nicht zu den Hyphomyceten
rechnet, schleimiger Erweichung, fettiger Degene¬
ration, transversaler Fragmentation und Detritus¬
bildung.
Die Färbung des Mikroben ist Verf. erst in
letzter Zeit gelungen; Tuberkelbacillus und der
Mikrobe sind Antagonisten in ihrer chromopliilen
Affinität. Die Färbemethode teilt Verf. nicht mit.
Eine Reinkultur des Mikroben besitzt Verf.
nicht, wohl aber eine „Tropfenkultur“. Jacob.
Hoefnagel, Utrecht. Ueber das Vorkom¬
men von Tuberkelbacillen im
Fleische von Rindern und Schwei¬
nen mit chronischer allgemeiner Tu¬
berkulose. (Tydschrift vor Veeartsenykünde.
Juni 1905.)
Verf. stellte sich die Frage, ob das Fleisch von
Schlachttieren, welche an chronischer allgemeiner
Tuberkulose litten, auch Tuberkelbacillen enthält,
und ob in bejahenden Fällen diese Bacillen imstande
sind, nachteilige Folgen beim Konsumenten zu ver¬
anlassen.
Hoefnagel impfte dazu ein Kalb, eine Ziege,
zwei Ferkel und mehrere Kaninchen und Meer¬
schweinchen, subkutan mit Fleischstückchen von
Rindern und Schweinen, welche mit chronischer all¬
gemeiner Tuberkulose behaftet waren. Das Fleisch
wurde entnommen aus verschiedenen Teilen des
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Heft 4.
Fortschritte der Veterin&r-Hygiene.
91
Körpers, am liebsten aus der Nähe von Drüsen,
welche sich tuberkulös zeigten. Die Ergebnisse
waren alle negativ, es gelang nicht, eines der Ver¬
suchstiere zu infizieren. Verf. möchte darum das
Fleisch von obengenannten Schlachttieren lieber
nicht sterilisieren, sondern frei zum Genuss zu¬
lassen. Ubbels,
Orlowsky. Ueber den Zusammenhang
zwischen der parasitären Ruhr und
dem Magensaftmangel. Rnsskij Wratsch
1905. No. 2.
Der Verf. dieser Arbeit kommt auf Grund von
vier untersuchten Fällen aus eigener Praxis und
14 Fällen anderer Forscher zur Ueberzeugung, dass
die Protozoen (Balantidium coli, Trichomonas in¬
testinalis, Cercomonas hominis, Cercomonas in¬
testinalis, Megastoma entericum) nur in solchen
Zuständen Durchfall verursachen können, wo tief¬
gehende pathologische Veränderungen in der Magen-
und Darmschleimhaut zu beobachten waren. Die
Veränderungen in der Magenschleimhaut, welche
den Magensaftmangel bedingen, ermöglichen den
lebendigen Protozoen den Zugang zum Gedärm. Die
Veränderungen in der Darmschleimhaut erleichtern
wiederum denselben den Zutritt in die Submucosa.
Hier vermehren sich die erwähnten Protozoen,
reizen die lädierte Schleimhaut und rufen schliess¬
lich eine langdauernde Ruhr hervor. Seine An¬
sicht stützt Orlowsky auf folgende Tatsachen. Ge¬
sunde Tiere ist man sogar nach der Neutralisierung
deren Magensaftes nicht imstande, mit Protozoen
zu infizieren. Die Einführung der Protozoen per
anum in die Endteile des Verdauungstraktes ruft
keine krankhaften Erscheinungen hervor. Obgleich
man zu den Klistieren fast ausschliesslich un¬
gekochtes Wasser gebraucht, beobachtet man die
parasitäre Ruhr höchst selten. Beim Magen¬
karzinom, wo der Magensaft alkalisch reagiert,
findet man oft Protozoen ohne irgendwelche Er¬
scheinungen von seiten des Darmes. In sämtlichen
diesen Fällen widersteht, nach Ansicht des Verf.,
die gesunde Darmschleimhaut der schädlichen Wir¬
kung der Protozoen. Baczynski.
Streit. Untersuchungen über Geflügel¬
diphtherie. Zeitschr. für Hygiene. Bd. 46.
Verf. stellte Untersuchungen über eine im süd¬
lichen Ontario häufige Krankheit der Hühner an,
die in einer serösen, später eiterigen Entzündung
bestand, von der Nase und den Augen ausging,
auf Gaumen und Rachen Übergriff und durch Bil¬
dung von Krusten, Croupmembranen und Geschwül¬
sten mit käsigem Inhalt ausgezeichnet war. ln
den Crouphäutchen fand Verf. unter anderen Bak¬
terien ein kurzes, plumpes Stäbchen, das er als
den Erreger der „Roup“ genannten Krankheit an¬
sieht. Es ist für Kaninchen, Mäuse, Meerchwein-
chen, Hühner und Tauben virulent und verursacht
bei Hühnern das echte Bild der Krankheit. Doch
will Verf. auch durch Verimpfung des aus den
roupkranken Tieren gezüchteten Bac. pyocyaneus
dasselbe Krankheitsbild erhalten haben. Prof6.
Levaditi. Beitrag zum Studium der Spi-
rillose der Hühner. Ann. de Plnst.
Pasteur. 1904. No. 3.
Ueber die von Marchoux und Salimbcui beob¬
achtete und beschriebene in Brasilien vorkom¬
mende durch Spirillen erzeugte Krankheit der Hüh¬
ner hat Verf. weitere Versuche angestellt. Nach
subkutaner Injektion von infektiösem Hühnerblut
treten bei Hühnern die Spirillen erst am zweiten
Tage im Blute auf; sie vermehren sich anfangs
vornehmlich in den grossen Körperorganen. Das
Blutserum und Blutplasma von Tieren, die die
Krankheit überstanden haben, zeigen kräftig agglu¬
tinierende Eigenschaft. Profö.
Loeb. Ueber das endemische Vorkom¬
men des Krebses bei Tieren. (Centralbl.
f. Bakt., B. 37, 2.)
Verfasser verwandte zu seinen Untersuchungen
über Uebertragung und Wachstum von Sarkomen
in weissen Ratten zwei cystische Sarkome, die sich
spontan in der Thyreoidea von weissen Ratten ge¬
bildet hatten. Diese stammten aus dem patho¬
logischen Laboratorium der Poliklinik in Chicago.
Sie waren in Zwischenräumen von ca. 1 Jahr er¬
krankt, ebenso eine dritte Ratte aus demselben
Laboratorium. Die Tiere zeigten ausgedehnte
Metastasenbildungen, die Tumoren konnten erfolg¬
reich übertragen werden auf andere Tiere.
Es entsteht die Frage: „Durch welche Ur¬
sachen entstanden diese Larcome in einer relativ
geringen Zahl von weissen Ratten in wenigen
Käfigen eines Laboratoriums?“
Es ist eine auffallende Tatsache, dass in den
verschiedenen Krebscudemien, die bisher bei Tieren
beobachtet wurden, die Tumoren in den einzelnen
Fällen den gleichen Charakter hatten. Die makro¬
skopische und mikroskopische Gleichartigkeit der
Tumoren schliesst einen Zufall in diesen Befunden
aus. Sie weist darauf hin, dass eine bestimmte
Ursache in allen diesen Fällen wirksam war.
Die Gleichartigkeit der an einem Ort gefunde¬
nen Tumoren trat besonders in den vorgenommenen
Transplantationen zutage. Selbst das Verhalten
der Tumorzellen zu verschiedenen Zeiten der
Transplantation war das gleiche, so in bezug auf
das Fehlen einer Latenzzeit im Wachstum, die
Schnelligkeit des Wachstums, die Nekrose der zen¬
tralen und das Erhaltenbleiben der peripheren
Teile der Stücke etc. Auch kleine Verschieden¬
heiten der Tumoren, wie Häufigkeit lokaler Me¬
tastasen und Kontaktinfektionen blieben konstant
während der Transplantationen auf viele Tiere.
Man kann aus diesen Beobachtungen indirekt
Schlüsse auf den Charakter eines möglichen Or¬
ganismus, der der Tumorbildung zugrunde liegt,
ziehen. Falls eine parasitaere Infektion vorliegt,
scheinen die Befunde fast mit Sicherheit darauf
hinzuweisen, dass verschiedenartige Tumoren durch
verschiedenartige Organismen erzeugt werden.
Anders wäre der gleichartige Charakter der
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92
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
3. Jahrgang.
Tumoren in den verschiedenen Tieren nicht zu
erklären.
Die Transplantationsversuche engen das Feld
der in Betracht kommenden Mikroorganismen we¬
sentlich ein. Sie sprechen gegen Organismen, die
sich ähnlich wie Blastomyceten oder Tuberkel¬
bacillen verhalten, sie schliessen durch Berkefeld-
filter filtrierbare, ausserhalb von Zellen lebende
und gegen Abkühlung empfindliche Organismen aus.
Sie lassen al>er ultramikroskopische und sehr kleine
innerhalb der Zellen lebende Parasiten zu und
solche, die grösser sind und ausserhalb der Zellen
leben können, aber in fixierten Schnitten nicht
sichtbar sind.
Erhitzen eines Tumorstückes auf 45 0 während
einer halben Stunde vernichtet die Fähigkeit des
transplantierten Stückes wieder tumorartig zu
wechseln. Dies gilt ähnlich auch für Carcinoine
(Jensen). Freilich sind a-ucli andere Erklärungen
dieser Tatsache möglich.
In den beobachteten Fällen liegt nun noch
die Möglichkeit liereditaerer Einflüsse vor. Die
letzten Untersuchungen beim Menschen durch
Lyon zeigen, dass familiäre Einflüsse bei Endemien
eine grosse Rolle spielen und genügend sind, das
scheinbar endemische Vorkommen zu erklären.
Jacob.
Otto Schmidt. Ueber das Vorkommen eines
protozoenartigen Parasiten in den
malignen Tumoren und seine Kultur
ausserhalb des Tierkörpers. (Mit drei
Tafeln). Bonn, Martin Hager Verlag, 1905.
In der Frage über die Ursachen des Krebses
und der bösartigen Geschwülste überhaupt stehen
sich bekanntlich die Forscher in zwei Lagern gegen¬
über. Während auf der einen i/eite die Möglich¬
keit einer Infektion und damit der Uebertragung
des Krebses von Mensch auf Mensch mit Ent¬
schiedenheit verneint wird, wird von der anderen
Seite das Auftreten, die Verbreitung und der Krank¬
heitsverlauf für den ansteckenden Charakter der
Krankheit verwertet, Es sind auch von einer ganzen
Reihe namhafter Forscher Mikroorganismen in
Krebsen und anderen Geschwülsten gefunden und
. daraus gezüchtet worden. Sowohl Bakterien, wie
Hefezellen, als auch Protozoen sind von den ver¬
seil iedenen Gelehrten als Erreger der Krebskrank¬
heit beschuldigt worden. Eine allgemeingültige
Anerkennung hat indessen bisher keiner der
Forscher für sich und seine Krebseneger gewinnen
können.
Es ist das zum Teil wohl dadurch zu erklären,
dass, wenn auch selbst Namen von so gutem Klange,
wie der eines Leyden, Sanfelice, die Forschungs¬
ergebnisse deckten, diese selbst eine weitgehende
Verschiedenarfcigkeit untereinander aufwiesen. Das
gilt auch insbesondere von den Untersuchungs¬
ergebnissen Schüllers, Haylacks und Leydens, die
zwar das Uebereinstimmende zeigten, dass es sich
um Protozoen handelte; die einzelnen, beobachteten
Formen aller wiesen erhebliche Abweichungen von¬
einander «auf.
Diese Erscheinung sucht der Verf. durch die
Annahme zu erklären, dass von den. Gelehrten
verschiedene Entwicklungsphasen eines und des¬
selben Parasiten beobachtet, der gesamte, viel¬
gestaltige Formen umfassende Zeugungskreis aber
ihrer Beobachtung entgangen sei.
Erst die Untersuchungen der letzten Jahre
halien gezeigt, wie unendlich verschieden das mor¬
phologische und biologische Verhalten der # ein¬
zelnen Arten, wie gross die Anpassungsfähigkeit
der Urtiere sein kann. Es sei nur erinnert an die
Malariaparasiten, die abwechselnd im Körper des
Menschen und einer Mückenart ihre Entwicklung
durchmachen, deren Wirtswechsel also sich zwischen
Mensch und Mücke vollzieht. So glaubt Verf. auch
für die Krebserreger, die er als Protozoen ansieht,
einen Wirtswechsel annchmen zu müssen, in dem
der Zwischenwirt nicht wie bei der Malaria (die
Mücke) ein Tier ist, sondern ein Pflanzenorganis¬
mus, hier ein Schimmelpilz oder ein Hefepilz. Dieser
dringt in den Tierkörper ein und ermöglicht so
die Uebertragung des Parasiten auf letzteren, oder
die Parasiten dringen in Form von Dauerformen,
Sporen, in den Tierkörper ein/ Der aus bösartigen
Geschwülsten in Reinkulturen gezüchtete Schimmel¬
pilz enthielt in jedem Falle den typischen Parasiten.
Ueber den Entwicklungskreis des Parasiten
gibt Verf. folgende Mitteilungen. Die erwachsene
Amöbe liegt in Teilen des Schimmelpilzes und
bildet einfache Keimlinge (Gymnosporen) oder eine
geschlechtliche Generation. Die Befruchtung der
weiblichen Produkte (Oogonien) durch die männ¬
lichen (Antheridien) findet im Innern des Schimmel¬
pilzes statt und lässt das Oozonium zur Oozyste
werden. Letztere birgt nach der Reifung bis zu
hundert Sporen, .die je einen Sporozoiten enthalten.
Die Sporozoiten dringen nun wieder in neue Pilz¬
sporen ein und entwickeln sich nach deren Aus¬
keimung wieder zur Amöbe, womit der Zeugungs¬
kreis in der Pflanze geschlossen ist.
In ganz ähnlicher Weise vollzieht sich der Ent¬
wicklungsgang im Tierkörper. Nur dass hier der
ungeschlechtlichen, eine ungleich bedeutendere
Erhöhung der Parasitenanzahl ermöglichenden Fort¬
pflanzung eine grössere Rolle eingeräumt ist.
Um die durch ungeschlechtliche Vermehrung
des Tieres eintretende Erschöpfung des Organismus
zu verhindern, ist eine Verjüngung oder Auf¬
frischung nötig, die hier in der Kopulation freier
geschlechtlich verschiedener Individuen stattfindet.
Die Geschlechtsformen treten vorwiegend in der
Gestalt der Gastrula auf. Nach der Befruchtung
bilden sich in dem Mutter Organismus, dem
Oogonium, die Sporen, die unter bestimmten Ver¬
hältnissen austreten.
Was nun die Frage angeht, ob der Schmidtsche
Parasit der Erreger der bösartigen Geschwülste ist,
so wird der Umstand, dass er vom Verf. bisher
in jeder von ihm untersuchten Geschwulst gefunden
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Heft 4.
93
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
wurde, unstreitig im Sinne ihrer Bejahung gedeutet
werden müssen. Der Umstand, dass es gelang, mit
Reinkulturen des Parasiten in bisher drei Fällen
bei Mäusen — weitere Untersuchungen hierüber
sind noch im (Tange — charakteristische bösartige
Geschwülste zu erzeugen, die sich weiterhin leicht
auf andere Mäuse übertragen Hessen, kann schliess¬
lich auch von dem ausgesprochenen Skeptiker nicht
mehr als Zufall gedeutet werden. Auch die Er¬
fahrungen und Beobachtungen, die Verf. an Kranken
mit algetöteten Kulturen und mit einem mittelst
der Reinkulturen gewonnenen Serum gemacht hat,
müssen als ein indirekter Nachweis für den ur¬
sächlichen Zusammenhang zwischen den Parasiten
und den Krebsgeschwülsten angesehen werden. Verf.
beobachtete nach Einspritzung von zumeist ge¬
ringen Mengen abgetöteter Reinkulturen seines
Parasiten eine entzündliche Reaktion im Bereich
der Geschwülste und Erhöhung der Körj>crtempo-
ratur bei Krebskranken, Erscheinungen, die aus- |
blieben, wo es sich um gutartige Geschwülste
handelte. Nach fortgesetzten Einspritzungen dieser
Kulturen und des Serums von Tieren, die mit den¬
selben Kulturen vorlndiandelt waren, zeigten die
Geschwülste Erweichung und Abnahme ihres
Volumens, ln einzelnen Fällen konnte völliges
Schwinden der Geschwülste Ijeobaehtet werden.
Ger allgemeine Körperzustand besserte sich. Verf.
ist demnach wohlberechtigt zu der Annahme, einen
Weg zur erfolgreichen Behandlung der Krebskrank-
lieit angebahnt zu haben. Er selbst betont, dass
er seine Methode als eine fertige heute noch nicht
1 jetrachtet.
Er fasst die Ergebnisse seiner jahrelangen
Untersuchungen dahin zusammen:
Der Parasit kommt in jeder bösartigen Ge¬
schwulst vor. Er erzeugt lx*i disponierten Tieren
wiederum bösartige Neubildungen. Seine Rein¬
kulturen und mit diesen gewonnenes Serum ent¬
falten ausgesprochene Schutz wirk ungen gegen bös¬
artige Geschwülste. Bei Injektion geringer Dosen
seiner abgetöteten Reinkulturen treten bei Men¬
schen, die an bösartigen Neubildungen leiden,
spezifische Reaktionen auf. Fortgesetzte Injektionen
in steigenden Dosen bewirken in Geschwülsten Ver¬
änderungen, die als Heilvorgängc aufzufassen sind.
Profe.
Parasitologie« Invasionskrankheiten.
H. Ziemann. Beitrag zur T r y p a nosumen-
frage. Centralbl. f. Bakt. etc., 1. Abt. Orig.
Bd. 38, Heft 3 und 1.
Die Trypanosomen werden eingeteilt in Gruppe
A, der wohlcharakterisierteu Trypanosomen und
in. Gruppe B, der voneinander schwieriger, nach
Koch überhaupt nicht deutlich zu trennenden
Trypanosomen. Zu A gehören: Trypanosoma Thei-
leri, nur auf Rinder, und Rattentrypanosoma, nur
auf Ratten iibertragl)ar, zu B: die Trypanosomen, |
welche bedingen 1. die Tsetsekrankheit der Haus¬
tiere in Afrika (Mäuse, Ratten, Kaninchen sind ]
sehr empfangich), 2. die Surrakrankheit. der Haus¬
tiere in Asien, Mauritius, Philippinen und Abessi¬
nien (besonders gefährlich Pferden und Kamelen),
3. Mal de Oaderas der Pferde in Südamerika, 4. die
Dourine in Marokko, Algier, Südfrankreich und
Spanien (besonders bei Pferden vorkommend),
5. die Trypanomiasis des Menschen. Während einige
Forscher die unter B genannten Parasiten als be¬
sondere Spezies auffassen, fassen Koch und
Musgrave dieselben als voneinander nicht abgrenz-
bare Parasiten auf, da sie sich morphologisch nicht
sicher unterscheiden lassen und nicht auf einen
bestimmten Wirt angewiesen seien.
Zum Zwecke einer genaueren vergleichenden
Betrachtung untersuchte Verf. die Parasiten der
menschlichen Trypanosomenkrankheit und der
Tsetsekrankheit in Kamerun eingehender. Zunächst
ergab sich, dass neben der eigentlichen Tsetse¬
krankheit eine davon scheinbar verschiedene In-
I fektion vorkam, bedingt durch einen dem Surra-
parasiten ähnlichen Organismus, vom Verf. als
Trypanosoma vivak Ijezeichnet. Dieser konnte in
verschiedenen Teilen Kameruns sowie in Batta
nachgewiesen werden. Seine Verbreitung ist nach
Ort, Zeit und Art der gehaltenen Haustiere ver¬
schieden. Insbesondere glaubt Verf. das Vorhanden¬
sein einer nach der Jahreszeit wechselnden Kurve
bezüglich Häufigkeit der frischen Trypanosoma
vivax-Infektion annehmen zu sollen, eine Annahme,
die für die Epidemiologie und die Prophylaxe von
grosser Wichtigkeit ist. Der Verlauf der Trypa¬
nosoma vivax-Infektion kann bei Rindern, Schafen
und Ziegen ein enorm akuter sein, kann aber auch
ein sehr chronischer werden und sich auf Monate
bis zu einem Jahre und darüber ausdehnen. In
allen Fällen ist eine mehr oder weniger stark aus¬
gesprochene Anämie zu bemerken, besonders stark
in den akuten. Die Infektion bewirkt keinen
Abortus. Im Herzblut der Frucht finden sich keine
Parasiten. Die Nachkommen infizierter Mutter¬
tiere sind nicht immun. Die Inkubationszeit bei
künstlicher wie natürlicher Infektion beträgt 5 bis
8 Tage. Trypanosoma vivax unterscheidet sich von
Trypanosoma Brucei einmal morphologisch, alsdann
durch grössere Beweglichkeit und grössere Viru¬
lenz des ersteren, ferner durch die Schwierigkeit
einer vexualen Differenzierung im Gegensatz zu
Trypanosoma Bruccei, schliesslich durch die Art der
natürlich infizierbaren Tiere, indem scheinbar nur
Rinder, Schafe und Ziegen betroffen werden. Trotz¬
dem vermag Verf. nicht mit Sicherheit zu sagen,
dass Trypanosoma vivax nicht ein vielleicht modi¬
fizierter Surraparasit ist.
Verf. empfiehlt die von ihm begonnenen Im¬
munisierungsversuche mit Blut chronisch infizierter
scheinbar gesunder Tiere, eventuell kombiniert mit
einer vorsichtigen Arsenikkur in grösserem Mass¬
stalje zu wiederholen. Profe.
Paschen. Ueber Piroplasmose bei ein¬
heimischen Schafen. Hyg. Rundschau.
No. 11.
Digitized by UiOOQie
94
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
3. Jahrgang.
Im November vorigen Jahres machte Verf. bei
zwei Schafen Versuche mit Ovine. dem Material
der Schafpocken. Es bot sich so die Gelegenheit,
bei einer Krankheit, die innige Verwandtschaft mit
Variola vera darbietet, sowohl was die Schwere
der Erkrankung, als auch, was die enorme Infek¬
tiosität betrifft, im Inkubationsstadium das Blut zu
untersuchen. Diese Gelegenheit hat man bei Pocken
naturgemäss sehr selten, da man dem einzelnen
Individuum nicht ansehen kann, ob es sich im
Inkubationsstadium der Krankheit befindet. Es
wurde dem Tier alle 24 Stunden Blut entnommen
aus der Ohrvene, später auch durch Einstich in
die nach der Inokulation entstandenen Tumoren.
24 Stunden nach der Inokulation fand sich im
Blute des Hammels nichts; 2x24 Stunden ganz
vereinzelte, 3x24 Stunden, zugleich mit dem An¬
stieg der Temperatur etwas reichlicher, wenn auch
noch sehr spärlich, Parasiten in den roten Blut¬
körperchen, die sich typischerweise nach Giemsa
färbten, innen roten Kern und blaues Protoplasma
zeigten. Sie lagen teils zu 2, 3 oder 4, teils einzeln
in Form von kleinsten Bingen, manchmal in Stab-
chenform, bei denen der Kopf rot, der übrige Teil
blau gefärbt war, dann auch in Kokkenform in
den roten Blutkörperchen. Die Grösse der Ringe
beträgt 1—2 p. Auch zusammenhängende Formen,
wie bei dem Pirosoma bigeminum des Texasfiebers
fanden sich. An einigen Stellen fanden sich Tei¬
lungsformen; freie Formen waren nicht vorhanden.
Der Parasitenbefund konnte 10 Tage lang bei dem
Hammel weiter beobachtet werden.
Bei dem Schafe, das gleichzeitig inokuliert
wurde, konnten die Parasiten 3x24 Stunden nach¬
her nur in ganz vereinzelten Exemplaren nach-
gewiesen werden; die Untersuchung war bei der
Kleinheit der Objekte, der grossen Zahl der Blut¬
plättchen, die nur zu leicht zu Verwechslungen
führen können, sehr mühsam. Vielleicht hätte die
Blutentnahme zur Nachtzeit günstigere Resultate
ergeben.
Es war bestechend, das Auftreten dieser Para¬
siten mit der Inokulation der Ovine in Verbindung
zu bringen, d. h. dieselben, als die eventuellen
Erreger der Ovine, von denen wir ebensowenig
wissen, wie von denen der Blattern, wie überhaupt
der exenthematischen Krankheiten anzusehen.
Kontrolluntersuchungen an Blutausstrichen von 6
gesunden Schafen und 2 Lämmern blieben negativ.
Nach Fülleborn u. a. fand sich in ausserdeutschen
Ländern, in Gegenden mit Haemaglobinurie der
Rinder meist auch die analoge Krankheit der
Schafe. Aus den Arbeiten von Jackschalt, Never-
mann, Ziemann u. a, ist bekannt, dass die Haema¬
globinurie der Rinder in ganz Deutschland ver¬
breitet ist, und auch, dass jährlich viele Tiere
dieser Krankheit erliegen.
Morphologisch glichen die in den roten Blut¬
körperchen gefundenen Parasiten dem als Piro-
plasma bekannten Erreger der Haemaglobinurie der
Rinder. So lag der Schluss nahe, dass es sich
auch hier um eine Piroplasmose beim Schaf han¬
delte, die schon vor der Inokulation bestand. Aus¬
lösend wirkte dann das Fieber und die Störung
des Allgemeinbefindens.
Nach Mitteilung des Herrn Glage war im Ham¬
burger Schlachthof vor ca. 7 Jahren bei einer Gruppe
von fünf Schafen und und ein Jahr später bei
einer von zwei Schafen Haemoglobinurie und
Ikterus, Milztumor, schwarze, zerflossene Pulpa,
Leberschwellung und Nieren Schwellung, Petechien
in den serösen Häuten aufgetreten. Die Unter¬
suchung einer Niere, die damals in Formalin¬
gelatine konserviert und aufgehoben wurde, ergab
Ringe in den roten Blutkörperchen. Doch ist diese
Untersuchung noch nicht abgeschlossen.
Die Uebertragung der Piroplasmose beim
Hammel fand jedenfalls vor Aufstellung im Stall
statt; das Tier wurde ganz jung gekauft und hatte
keine Zecken (das Tier wurde häufig nach Schaf-
läusen abgesucht, wobei Zecken sicherlich nicht
entgangen wären). Nach der Aufnahme im Stall fand
sich keine Gelegenheit mehr zur Infektion mit
Rhipicephalus, der nur auf Wiesen und im Unter¬
holz sich, findet.
Es liegt also hier eine ganz leichte, unbemerkt
verlaufende Form, wie Motas sie beschrieb, vor.
Es war kein Ikterus und keine Haemoglobinurie,
und sonst keine für Piroplasmose charakteristischen
Symptome vorhanden. Es wird sich jedenfalls
lohnen, bei einer grösseren Zahl von Schafen, die
irgend eine interkurrente Krankheit, Durchfall,
Schnupfen hatten, auf Piroplasmen zu untersuchen.
Vielleicht wird man dann zu der Auffassung
kommen, dass die Piroplasmose bei den ein¬
heimischen Schafen etwas ganz Gewöhnliches ist,
dass sie eine ganz leichte Erkrankung der Lämmer
bildet, die dadurch immunisiert werden.
Bei sehr zahlreichen Blutuntersuchungen von
geimpften Kälbern wurden keine Piroplasmen ge¬
funden. Jacob.
R. D. Smedlejr. The cultivation of T r y -
panosomata. (Journal of Hyg. B. V.)
Die Kultivierung des Trypanosoma Lewisi ge¬
lingt am besten auf neutralem schwachsauren Blut¬
agar. Dieses, auf gewöhnliche Weise hergestellt, soll
2% mit 1% Pepton und l°/ 0 Kochsalz sein. Es
wird mit deflbriniertem Kaninchenblut zu gleichen
Teilen versetzt und in dem sich oben ansammelnden
Kondenswasser geimpft. Die beste Temperatur ist
18—25°. Auf einem solchen Nährboden entwickeln
sich nach 4 Tagen einige Rosetten, aus 4—6 Exem¬
plaren bestehend. Die Geissei ist nach der Peri¬
pherie gerichtet. Am 10. Tage sieht man mehr kleine
Kolonien aus 20 und mehr Exemplaren, auch freie
Formen und besonders Paare. Es gelang, über die
Dauer von 9 Monaten 9 Generationen fortzuführen.
Die Kulturformen sind von denen im Blut in ihrer
Gestalt verschieden. Sie sind meist spindelförmig
und ausserordentlich beweglich Eine undulierende
Membran ist nicht zu sehen; das Zentrosoma hegt
weiter vorn, die Geissei verläuft in der Mitte des
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Heft 4.
95
Fortschritte der Ve teri när-Hygiene.
Leibes und ist lang und sehr beweglich. Impft man
die Kulturform auf Ratten, so erscheint in diesen die
ursprüngliche Form wieder.
Die Kultivierung des Trypanosoma Brucei
macht grössere Schwierigkeiten; sie gelang unter
10 Versuchen nur dreimal Am geeignetsten ist
Rattenblut. Kaninchen haben zu wenig Parasiten
im Blut und von Mäusen ist zu wenig Blut zu er¬
halten. In der ersten Generation fanden sich am
4. Tage Klumpen von Trypanosomen, die gut be¬
weglich waren; später traten Degenerationserschei¬
nungen in Form von Vakuolenbildung auf. Ueber-
tragungsversuche auf neuen Nährboden gelangen
nicht, wenn nicht neues defibriniertes Blut zugesetzt
wurde. In der zweiten Generation war erst am
25. Tage Vermehrung zu sehen, in der dritten Gene¬
ration schon am 7. Tage. Später wurden auch
massenhafte Ansammlungen, „Kolonien“, gefunden,
die aber kleiner als die des Rattentrypanosoma
waren. Die Kulturen gingen nach 80 Tagen ein,
nachdem sie längere Zeit nicht mehr iiberimpft
worden waren. Jacob.
Kfiimemanii, Rhabditis strongy loides als
Ursache eines Hautaussclilages bei
einem Ilunde. Deutsche Tierär/.tl. Wochen¬
schrift. 13. Jalirg. No. 24.
Yerf. fand bei einem braunen Jagdhunde an
der Unterseite der Brust, des Bauches sowie an
den Aussenflächen der Extremitäten ein Ekzem,
das zunächst als Akarusausschlag angesehen wurde
Bei der mikroskopischen Untersuchung einiger
Krusten fanden sich keine Akarusmilben, wohl aber
zahlreiche Jugendformen eines Bundwurmes. Bei
der .alsdann vorgenommenen Untersuchung der
I<agerstreu fanden sich in dieser grosse Mengen
derselben Jugendformen und danel>en auch ge-
schlechtsreife Rundwürmer, nach denen Verf. die
Art als Rhabditis strongvloides bestimmte. Nach
Aenderung des Ligers heilte das Ekzem schnell ab.
Profe.
M. Braun. Notiz zur Entwicklung der
Taenia tenuicollis Rud. Ctbl. f. Bakt.
39, 1.
Von den fünf bekannten Arten der Taenien im
Darm unserer Musteliden sind drei Arten genauer
bekannt (Taenia intermedia Rud.. tenuicollis Rud.,
crassicollis Rud.), von den anderen beiden (Taenia
breoicollis Rud. und conocephala Dies.) wissen
wir wenig.
Durch Zufall kam Verf. in den Besitz eines
Hermelins (Putorius ermineus) aus der Umgebung
von Tuchei (Westpreussen) und zweier Wiesel
(Putorius vulgaris Briss.) aus der Umgebung Königs-
l>ergs. Ein Wiesel und das Hermelin waren mit
Taenien behaftet. Der zweite Fund (Taenia tenni-
eollis) wurde zu einem Fütterungs versuch von
Mäusen verwendet, nachdem gut ausgebildete
Oncosphären in den letzten Gliedern aufgefunden
waren. Die erste Maus wurde nach ca. 61/2 Wochen
getötet. Ihre Leber enthielt sehr zahlreiche, zum
Teil in Zerfall begriffene, Cystieerken, deren Kopf
einen erst nur aus Hacken tuten bestehenden Hacken¬
kranz besass. Auch die zweite, nach 13 Wochen
getötete Maus zeigte nur in der Leber sitzende, kleine
Cystieerken, die aber beinahe ausgewachsen waren.
Die nach 16 Wochen getötete Maus zeigte
die Leber mit Cystieerken besetzt, deren völlig aus-
gebildete Hacken mit denen der Taenia tennicollis
völlig übereinstimmten. Die Formen selbst waren
nur wenig gewachsen. Jacob.
Desinfektion.
A. Lode. Die Fortschritte der Desinfek¬
tion der Personen-, Vieh - und Güter¬
wagen der Eisenbahn. Vortr. auf d. intern.
Kongress f. Hyg. in Brüssel 1903.
Verf. gelangt auf Grund eigener Unter¬
suchungen zu folgenden Schlüssen: die Desinfek¬
tion der Eisenbahnwagen ist ein wichtiger Faktor
im Kampf gegen die Verbreitung von Infektions¬
krankheiten der Menschen und Tiere. Die Vor¬
schriften der meisten Staaten lassen jedoch in
dieser Beziehung viel zu wünschen übrig. Bei der
Desinfektion von Viehwagen sind besonders wider¬
standsfähige Keime zu berücksichtigen. Eine 12
bis 14mal wiederholte Bespülung mit einer 5 0 / 0 .
Chlorkalklösung unter 1/2 Atmosphäre Druck ist
nach Ansicht des Verf. eine vorzügliche Methode.
Die Desinfektion ist obligatorisch nur dann, wenn
ein Fall von Infektionskrankheit festgestellt ist
oder auch nur der Verdacht vorliegt. Die Güter¬
wagen können in einfacher Weise mit einer 2 °/o.
Soda- oder 3 0 / 0 . Schmierseifenlösung gereinigt
werden. In derselben Weise müssen die zu des¬
infizierenden Wagen gereinigt werden. Bei Per¬
sonenwagen ist das beste Verfahren eine Verbindung
von Formalin Verdampfung mit nachfolgender An¬
wendung von antiseptischen Lösungen oder noch
besser von Wasserdampf von 100°. Bei den Wagen
3. Klasse braucht man für einen Abteil 200 ccm
Formalin, bei 1. und 2. Klasse das dreifache, bei
Anwendung des Breslauer Apparates. Jacob.
Dr. Tonello. Wasserreinigung mit Pa-
ternoschem Tachiol. Giornale della R. S.
Ital. dTgiene 1905. No. 4.
Verf. gebrauchte zu seinen Wasserreini¬
gungsversuchen das „Paternosche Tachiol“
(Silberfluorür). Das genannte Mittel, wel¬
ches eine bedeutende Desinfektionskraft be¬
sitzen soll, zeigt dabei fast keine Gift¬
wirkung. Einfache Zugabe von 0,002 Tachiol zum
Wasser macht es nach 10 Minuten zum inneren
Gebrauche geeignet. Das zu den Experimenten ge¬
brauchte Wasser wurde aus den Gräl>en und Brunnen
geschöpft oder absichtlich mit Typhus- oder Ooli-
kulturen künstlich infiziert.
Tonello ist zu folgenden Resultaten gelangt:
Das in obenerwähntem Verhältnis gebrauchte
Tachiol entwickelt im Wasser eine grosse bakte¬
rizide Wirkung, wobei es für Saprophyte verderb¬
licher ist, als für Typhus- und Colibakterieu. Es
verleiht dem Wasser einen unangenehmen, metalli-
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96
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
sehen Geschmack und bewirkt dessen Opalisiening.
Tachiol ist ein ausgezeichnetes Desinfiziens — in¬
sofern es in grossen Dosen zum infizierten Wasser
zugemischt wird. Baczyhski.
Kischensky. Desinfizierende Eigen¬
schaften des Natrium liyper boraci -
cum. Russkij Wratsch 1905. No. 1.
Natrium hyperboracicum, von der chemischen
Formel: Na B0 3 -(-4H 2 0 stellt sich als kristallini¬
sches, schwer lösliches Pulver von alkalischer
Reaktion vor. Es enthält 10,3 o/ 0 aktiven Sauer¬
stoff und zersetzt sich bei 25° C. mit Ausscheidung
59 o/o Wasserstoffsuperoxyd und Borax. Um die
desinfizierenden Eigenschaften dieses Mittels zu er¬
gründen, hatte Verf. eine ganze Reihe von Experi¬
menten über dessen Einfluss auf verschiedenartige
Kulturen von Mikroben angestellt. Die Ergebnisse
lauten dahin: Das Mittel besitzt bedeutende des¬
infizierende Kraft. In der gesättigten Wasserlösung
(1,7 o/o) des Natr. hyperboracicum gehen Typhus-
bacillen nach 20 Minuten, Staphylococcus pyog.
aureus nach 30 Minuten zugrunde; was die Milz¬
brandsporen anbelangt, waren die Ergebnisse von
der Kulturbeschaffenheit abhängig. Die organischen
Bestandteile des Mediums, in welchem die Mikroben
enthalten sind, vermindern erheblich die desinfi¬
zierende Kraft des Natrium hyperboracicum, da
ein bedeutender Teil vom aktiven Sauerstoff sich
chemisch mit diesen Medien verbindet. Schliesslich
hebt der Verf. hervor, dass das von ihm erforschte
Desinfiziens in der Wirkung zwar mit Wasserstoff¬
superoxyd übereinstimmt, die letztgenannte Ver¬
bindung aber in mancher Hinsicht übertrifft: 1. Es
kann nämlich in Pulverform gebraucht werden;
2. besitzt alkalische Reaktion — was thera¬
peutisch wichtig ist ; 3. kann leichter in chemisch
reinem Zustande erhalten werden als das Wasser¬
stoffsuperoxyd. Baczynski.
Jakowleff. Tiefenwirkung gasförmiger
desinfizierender Substanzen. Kais.
Gesellsch. f. Naturkunde, Moskau. Ref. im Ctbl.
f. Bakt. B. 36, 14—17.
Als Grundlage für die Methode zur Unter¬
suchung der Tiefenwirkung desinfizierender Gase
nahm Verf. folgende Thesen an: 1. Die Würdigung
der Tiefenwirkung der Gase muss bei den Ver¬
suchen auf den antiseptischen Eigenschaften der
Gase basieren. 2. Das bei den Versuchen verwendete
Material — Sporen und Vegetationsformen der
Bakterien — muss von gleicher bestimmter und
konstanter Resistenz sein. 3. Es ist notwendig,
bei den Versuchen die Möglichkeit zu haben, die Ob¬
jekte in bestimmten Zeitintervallen herauszunehmen,
ohne den Hermetismus des Raumes, in dem die
Versuche ausgeführt werden, zu beeinträchtigen und
ohne sämtliche übrigen Versuchs beding ungen zu
ändern. 4. Angesichts der wichtigen Rolle dos
Wasserdampfes bei der Gasdesinfektion ist es
3. Jahrgang.
nötig, bei den Versuchen die Möglichkeit zu haben,
die Tiefenwirkung des Gases und des Wasserdampfes
gesondert ins klare zu bringen. 5. Gleichzeitig und
parallel mit den Tiefenwirkungsversuchen müssen
Kontrollversuche an freien Objekten unter den
gleichen übrigen Bedingungen ausgeführt werden.
6. Es ist notwendig, die Möglichkeit zu haben, die
Rolle der Luftdurchmischung, hoher Temperaturen
und der Konzentratioussteigerung der desinfizieren¬
den Gase in der Luft auf die Tiefenwirkung der-
sellien aufzuklären.
Die zweite Bedingung löste Verf. in der Weise,
dass er bei seinen Versuchen auf Glasperlen ge¬
brachte und daselbst nach der Methode von Paul
und Krönig ausgetrocknete Milzbrandsporen ver¬
wendete ; ihre Resistenz wurde mittels strömendem
Wasserdampf bestimmt. Die Bedingungen 3. 4, 5
und 6 gelangen dem Verf., mit Hilfe einer von ihm
konstruierten Desinfektionskammer, vollkommen
zu lösen. Die Tiefenwirkung des Formaldehyds
wurde durch eine und zwei Schichten (lichtesten
Baumwollstoffes bei Zimmerwärme ohne und mit
Luftdurclimischung der Kammer geprüft.
Die hauptsächlichsten Folgerungen aus den
Versuchen waren folgende:
1. Die minimale, zur Abtötung erforderliche
Zeitdauer für freie sowohl, als mit Leinwand be¬
deckte Objekte ist wesentlich verschieden in Ab-
liängigkeit von der Reihenfolge, in welcher die
Verdunstung der Gase und des Wasserdampfes er¬
folgt: verdunstet zuerst das Gas und dann das
Wasser, el>enso l>ei gleichzeitiger Verdunstung
leider, so ist der Zeitraum doppelt, so kurz, als
l)oi umgekehrter Reihenfolge. In letzterem Fall hat
die Durchmischung der Luft nach Verdunstung des
Wassers den Desinfektionseffekt beschleunigt.
2. Die Desinfektionskraft des Formaldehyds
gegenüber unbedeckten und mit einer Baumwollstoff¬
schicht bedeckten Objekten tritt in beiden Fällen
gleichzeitig und vollkommen gleichartig hervor,
d. h. das Formaklehyd durclidringt eint' Schicht
dichten Baumwollstoffs, unabhängig von der Reihen¬
folge des Verdunstens des Gases und des Wassers,
vollkommen frei und so schnell, als ob gar kein
Hindernis vorhanden wäre.
3. Bei doppelter Ix'imvandsohielit kommt die
Desinfekt ionswirkung des Formaldehyds etwas
langsamer zur Geltung, als bei einfacher Schicht.
Jacob.
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Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
3. JAHRGANG. AUGUST 1905. HEFT 5.
Zur Kenntnis der Helminthiasis nodularis
intestinalis des Rindes und des Schafes.
Von Dr. L. S c h e b e n-Hamburg.
Im Jahre 1876 fand Drechsler zum
ersten Male in tuberkelähnlichen Knötchen
eines Rinderdünndarms eine Rundwurmlarve.
Diese Knötchen sind nach der von ihm ge¬
lieferten, von Bollinger ergänzten Beschrei¬
bung von folgender Beschaffenheit: „Kaum
sichtbare bis erbsengrosse Knötchen, bestehend
aus einer Bindegewebskapsel, deren innere
Zone mit Rundzellen vom Charakter der Eiter¬
zellen reichlich versehen ist, während das
erweichte Zentrum bei den jüngsten Knötchen
neben dem erwähnten Parasiten, der hier
offenbar als Fremdkörper die Ursache der
Knötehenbildung darstellt, aus Eiter und
fettigkörnigem Detritus, in den grossen Kno¬
ten dagegen aus käsig-kalkiger Masse be¬
steht.“ Die Würmer fand Drechsler vornehm¬
lich in den kleinen Knötchen, bei denen ihm
auch eine starke Injektion der Blutgefässe auf¬
fiel. Der negative Erfolg bei der Suche nach
dem Nematoden in den grösseren Knötchen wird
durch die Schwierigkeit der Isolierung aus
dem kalkig-käsigen Inhalt erklärt. An einem
Darme fand Drechsler 430 Knötchen.
Den Wurm selbst beschreibt der Zoologe
G r a f f, soweit ihm dies bei dem schlechten
Erhaltungszustände der eingesandten Exem¬
plare möglich ist: 1—1,5 mm lange Nema¬
todenlarve. Das Vorderende trägt eine obere
und eine untere Papille. Der lange Oesophagus
beginnt mit einem zweilippigen Munde, er¬
weitert sich zu einer schwachen bulbösen An¬
schwellung und ist mit einer deutlichen
Muskelstreifung versehen. Da das Tier eine
Jugendform ist, kann die Spezies nicht genauer
bestimmt werden, ist also auch nicht zu sagen,
ob das erwachsene Tier bekannt ist oder nicht.
Leider ist die Zeichnung Graffs vor der Ein¬
sendung in die Druckerei verloren gegangen.
C. Curtice fand ebenfalls in dem Dünn¬
därme des amerikanischen Rindes und
Schafes Knötchen, die einen von ihm als
Oesophagostomum columbianum bezeichneten
Ilundwurm, teils in Larven-, teils in ge¬
schlechtsreifem Zustande beherbergten. (Nach
Oster tag.) Hiermit identisch sind noch
Larven, die in Darmknötchen j a p a n i -
sycher Rinder und Schafe gefunden wurden.
Der Parasit scheint bei allen Widerkäuern dort
^orzukommen. Im Jahre 1895 liefert uns
S t r ö s e eine ausführlichere Arbeit über die
Ursache der Knötchenkrankheit des deutschen
Rindes, die auch durch treffliche Zeichnungen
erläutert ist. Der in diesen Knötchen hausende
Wurm ist nach Ströse nicht mit dem Drechs-
lerschen Parasiten identisch. Er ist grösser
(2,83—3,85), Vorderende breit, Hinterende mit
stumpfer Spitze auslaufend. Neben dem
Munde zwei Lippen, eine dorsale und eine
ventrale, an deren Bildung sich hauptsächlich
die Subcuticula beteiligt. Jede Lippe zeigt vorn
einen kuppelartigen Fortsatz. Eine Cuticular-
bildung ist ebenfalls der charakteristische
Bauchwulst. Das Tier besitzt einen weiten
chitinösen Mundbecher, Beweis, „dass unsere
Larve dem Genus Dochmius angehört.“
Auf seiner Dorsalseite ragt in die Mundhöhle
ein spitzer Bohrzahn hinein, welcher
einem sich zwischen die innere Stützlamelle
des Schlundes und die Wandung des Mund¬
bechers einschiebenden Skelettstücke aufsitzt.
Ein gleiches Gebilde findet sich an der Ventral¬
seite vor. Die gedachten chitinösen Skelett¬
stücke heben sich scharf von ihrer Umgebung
ab ; es fehlt ihnen die den Stützlamellen des
Schlundes eigentümliche Querstreifung, wie
auch die der Mund becherwand zukommende
Längsschichtung. Der Oesophagus nimmt */ 7
der Gesamtlänge des ganzen Körpers ein, ist
vorn schmal, hinten fast doppelt so breit und
hebt sich scharf vom Mundbecher ab. Der
Inhalt des Mitteldarms besteht aus körnigen
Und scholligen Massen, welche sich auch im
Rektum vorfinden. Das Rektum mündet in
einer Entfernung von 0,15 mm vom Körper¬
ende in den Anus auf der Unterseite des Tieres.
Geschlechtsorgane öder eine Anlage derselben
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98
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
3. Jahrgang.
sind nicht vorhanden. Diese Larve „Ankylosto-
mum bovis“ parasitiert nach Ströse nur in der
Darinwand des Dünndarmes des Kindes. Ich
erwähne schon an dieser Stelle, dass ich in sehr
vielen Fällen auch den Blinddarm mit Anky-
lostomum - Knötchen wie besäet fand. Ueber
Fig. 1.
\4LJkJ
3 /.
M
Fig. 2.
Fig. a.
den sonstigen Entwickelungsgang, bezw. die
Spezies, weiss Ströse nichts. Er weist auf die
Möglichkeit eines Zusammenhanges mit Anky-
lostomum duodenale hin und gibt in dieser Rich¬
tung hygienische Winke für die Fleischbeschau.
Drei Jahre später bringt v. Ratz eine kurze
Mitteilung über eine von ihm in den Dünn¬
darmknötchen gefundene Nematodenlarve, die
er auf Grund ihrer Kopfbildung für ein
Oesophagostomum zu halten sich berechtigt
glaubt, und die er wegen eines blasenförmigen
Anhanges an der Bauchseite Oesophagostomum
vesiculosum nennt. 1900 nimmt v. Ratz indes
diese Diagnose zurück; er hält seinen Findling
jetzt für eine J ugendform von Oesopha¬
gostomum inflatum. Leider sind die
v. Ratzschen Mitteilungen durch Skizzen nicht
erläutert.
Kritisch über die angeführten Arbeiten
äussert sich Ostertag: Ströse hält die
Identität seines Fundes mit dem Drechslerschen
für zweifelhaft, was indes nicht gerechtfertigt
sein dürfte, da es Ströse sowohl wie Drechsler
mit Larvenstadien zu tun hatten. Ferner:
Weitere Untersuchungen müssen zeigen, ob die
in deutschen und amerikanischen Därmen vor¬
kommenden Parasiten identisch sind. Kitt
bemerkt kurz, dass die Artzugehörigkeit der
fraglichen Würmer nicht feststehe.
R a i 11 i e t spricht vor v. Ratz die Ver¬
mutung aus, dass die Drechslersche Nemato¬
denlarve ein Jugendstadium des im Rinder-
darme parasitierenden Oesophagostomum
inllatum sei. Ich hebe jedoch schon an
dieser Stelle hervor, dass er Ströses Fund
nicht kennt, da er sich sonst offenbar darüber
ausgesprochen haben würde.
Aus dem vorhergehenden ergibt sich ohne
weiteres, dass über die Art der Einwanderung
bezw. die Biologie der fraglichen Parasiten
Dunkel herrscht, wenn auch als wahrscheinlich
angenommen wird, dass die Infektion mit der
Aufnahme des Weidefutters erfolgt. (Dal-
rymple, Stiles u. a.)
In pathologischer Beziehung macht
Ströse die Beobachtung, dass das Allgemein¬
befinden der erkrankten Tiere wenig gestört
erscheint. Janson berichtet, dass es bei den
Rindern infolge der grösseren Widerstands¬
fähigkeit ihrer Gewebe nicht zu so schweren
Veränderungen kommt wie bei den kleinen
Wiederkäuern, bei denen das Krankheitsbild
sich aus Anaemie, Hydraemie, Chlorosis und
Cachexie zusammensetzt. S a a k e bringt die
Knötchenkrankheit in ätiologischen Zusammen¬
hang mit Darminvaginationen. Kitt verallge
meinert die von Olt gelegentlich seiner Publi¬
kation über „die entozoischen Follikularerkran-
kungen des Schweines“ gemachte Betrachtung,
indem er sagt, dass die entstandenen Ge¬
schwülste Eintrittspforten für virulente Mikro-
phyten darstellen. In therapeutischer
Beziehung sind in „Verminous diseases“ von
Stiles eingehende Erörterungen zu finden.
Auch eine hygienische und kommerzielle
Seite hat diese eigenartige Erkrankung, inso¬
fern der Darm der Schlachttiere als mensch¬
liches Nahrungsmittel zu betrachten ist, und
einen nicht unwesentlichen Handelsartikel dar¬
stellt, der der gesundheitspolizeilichen Kon-
Fig. 5.
trolle unterliegt. Hierauf will ich an dieser
Stelle nicht eingehen.
Wenn wir die oben zitierten Forschungs¬
resultate nun einer näheren Betrachtung uni er¬
ziehen, können wir uns nicht verhehlen, dass
unsere Kenntnisse der Helminthiasis nodularis
Digitized by
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Heft 5.
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
99
des Rindes nichts weniger als erschöpfend sind.
Speziell herrscht gerade in zoologischer Be¬
ziehung meines Erachtens grosse Unsicherheit.
Kommt ein Ankylostomum oder ein Oesopha-
gostomum ätiologisch in Frage oder müssen Ver¬
treter beider Arten verantwortlich gemacht
werden? Sind die in Deutschland gemachten
Befunde mit den amerikanischen zu identifi¬
zieren oder handelt es sich um ungleichartige
Krankheiten. Ueber welche Länder ist die
Krankheit noch weiter verbreitet ? Wie findet
die Infektion statt ? Haben wir Arten vor
uns, die im Rinde parasitieren, oder ist das
Rind nur der Zwischenwirt?
Diese und ähnliche Fragen sind zum Teil
einer Lösung noch nicht näher gebracht. Be¬
sehen Fleisches, mit Knötchen besetzte, in
Salz konservierte Rinderdärme aus aller Herren
Länder zu sehen. Meine Untersuchung an
inländischen Därmen machte ich an von hie¬
sigen Schlächtern bezogenem Material.
Der makroskopischen Beschreibung der
Autoren habe ich wenig hinzuzufügen. Flache,
kaum hirsekorngrosse, hellgelbe bis rötlich-
gelbe Erhebungen der innern Darm wand. Die
grossen Knötchen sind teils hellgelb, teils gelb¬
grün, teils grün, teils hellbraun bis schwarz¬
braun gefärbt. Die Knötchen erreichen im all¬
gemeinen die Grösse einer Erbse, doch habe
ich auch in seltenen Fällen solche in der Grösse
einer Kirsche gesehen.
Der Inhalt, der von einer fibrösen Kapsel
Fig. 6.
Fi g. 7.
b
d
sonders in zoologischer Beziehung steht oft
nur Behauptung gegen Behauptung. Meine
erste Aufgabe war es nun, in letzterer Be¬
ziehung das Bild etwas zu klären und, speziell
auch der Anregung Ostertags folgend, eine ver¬
gleichende Untersuchung der in deutschen und
ausländischen Rinderdärmen vorkommenden
Würmer vorzunehmen.
Nebenher habe ich mich auch bemüht, Er¬
gänzungen zu dem anatomischen Bilde zu
bringen. Endlich habe ich einige bakterio¬
logische Untersuchungen der Knötchen vor¬
genommen.
Meine Untersuchungen konnte ich an einem
ganz ausserordentlich reichhaltigen Materiale
vornehmen. Fast täglich hatte ich Gelegenheit,
bei Ausführung von Untersuchungen ausländi-
umschlossen wird, ist, abgesehen von dem
Parasiten, ein sehr verschiedenartiger. Wäh¬
rend die mittelgrossen Knötchen, besonders
die gelblichgrünen und grünen, meist eiterige
Erweichungsherde darstellen, ist der Inhalt
der grössten Knötchen meist eingedickt,
käsiger Natur. Wieder andere sind ver¬
kalkt; manche lassen sich aus der Kapsel her¬
ausschälen und stellen eine schwer schneidbare
Masse dar, die zuweilen eine konzentrische
Schichtung erkennen lässt. In einigen Fällen
konnte ich Pflanzenbestandteile als Inhalt von
Knötchen nachweisen. Häufig waren die mit¬
telgrossen Wurniherde eröffnet, so dass durch
die kleinen runden Defekte der Inhalt frei
zutage trat. Später, so scheint es, schlicsscn
sich die ulzerierenden Knötchen vielleicht in-
Digitized by VjOOQie
100
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
3. Jahrgang.
folge eines sekundären lokalen Entzündungs¬
vorganges unter Volumenzunahme wieder.
Während die kleinsten Knötchen, wie schon
gesagt, eine rötliche Farbe haben, und sich
scharf von der Umgebung abheben, ist mir
bei den grossen gelblichen Herden hin und
wieder eine deutliche Ramifizierung der Um¬
gebung aufgefallen. In einigen Fällen fand ich
auf der kranken Darmwand rotbraune Stipp¬
ehen verstreut, unter diesen grössere dunklere
von borkenartiger Beschaffenheit, die sich mit
der Scalpellspitze leicht herausheben liessen
und sich unter dem Mikroskop als aus
amorphen rotbraunen Schollen bestehend er¬
wiesen. Ob, bczw. inwieweit die zuletzt be¬
schriebenen Veränderungen in ätiologischer
Beziehung zu der Knötchenkrankheit zu brin¬
gen sind, lasse ich unerörtert, wennschon es
vielleicht nahe liegen dürfte, sie als durch Ver¬
letzung mittels der Mundwerkzeuge eines
Darmschmarotzers entstandene Läsionen zu
deuten.
Die Untersuchung der einzelnen Knötchen
auf die Anwesenheit von Parasiten ist recht
umständlich, da sich durchaus nicht in jedem
Knötchen ein Wurm vorfindet. Ich habe oft
zwanzig und mehr Knötchen untersucht, ohne
zu dem gewünschten Resultat zu kommen.
Ohne Stativlupe oder gar mit blossem Auge
sind die kleinen weisslich-gelblichen Würmchen
(Fig. 1), zumal wenn es sich nicht um frische
Därme handelt, schwer zu erkennen oder gar
in unversehrtem Zustande zu gewinnen. Man
bedarf eines schwachen mikroskopischen
Systems, oder noch besser bedient man sich
einer Stativlupe. Im übrigen empfehle ich zur
Vereinfachung der Untersuchung auf Würmer
die Anwendung eines gewöhnlichen Trichinen-
kompressoriums. Man kann so in relativ
kurzer Zeit eine grosse Anzahl von Knötchen
durchsuchen. Die Tierchen lassen sich leicht,
zumal bei Zusatz eines Tröpfchens Glyzerin,
erkennen und bei einiger Vorsicht auch iso¬
lieren und auf einen Objektträger bringen.
Nach meiner Erfahrung hat man am meisten
Aussicht die Tierchen zu finden bei den mit¬
telgrossen, uneröffneten Knötchen; die klein¬
sten lassen sich nicht leicht in geeigneter Weise
präparieren und in dem Inhalte der grössten
wird man vergeblich suchen, da die Würmer
in diesem Stadium des Knötchens schon aus¬
gewandert sind. Die kleinen Knötchen studiert
man am besten an Schnitten. Ich habe in einer
Anzahl von Fällen die Knötchen in Sublimat-
Alkohol-Lösung konserviert, in Paraffin ein¬
gebettet und geschnitten. Die Photographien
sind bei schwacher Vergrösserung (System VII)
aufgenommen worden. Figur 12 und 13 stellen
je einen Schnitt durch ein kleines Knötchen
dar. In Figur 1 sehen wir die Larve bezw.
Schnitteile derselben von einer deutlichen
Kapsel umhüllt. Figur 13 zeigt die Wurmlarve
frei im Knötchen liegen. Rings rundzellige
Infiltration; das Gewebe sonst intakt. Figur 11
zeigt uns die Randpartie eines gelben nekro¬
tischen (verkästen) Knötchens; K bezeichnet
die Kapsel.
Es sei mir, ehe ich auf meine weiteren
Befunde eingehe, gestattet, einige zoologische
Bemerkungen vorauszuschicken. Man will in
den fraglichen Knötchen verschiedene Wurm¬
arten gefunden haben. Einmal das Ankylosto-
mum Ströse (Fig. 6, 8 u. 10), ferner das Oeso-
phagostomum inflatum und das Oesophagosto-
mum columbianum. (Fig. 3 u. 9 n. Cobb und
Giles.)
Nun ist einerseits das Ankylostomum und
andererseits das Oesophagostomum eine wohl
charakterisierte Art, und eine Verwechselung
beider Arten miteinander ist schlechterdings
unmöglich. Ich hebe diese Tatsache deshalb
besonders hervor, weil man nach der Darstel¬
lung einiger Autoren eher das Gegenteil an¬
nehmen könnte. Das Genus Ankylostomum
s. Dochmius s. Uncinaria s. Monodontos ist vor
allem durch den weiten Mundbecher (Fig. 6,
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Heft 5.
Fortschritte der Veterin&r-Hygiene.
101
7, 8, b) mit der chitinösen Kapsel charakteri¬
siert. Ferner charakteristisch ist ein an der
hinteren Kapselöffnung dorsal gelegener,
kegelförmiger, schief nach vorn gerichteter
Zahn. (Fig. 6, 7, 8 d.) Letztere Eigentümlich¬
keit war für Molin sogar bestimmend, sein
Genus „Monodontos“ zu schaffen. Am Rande
der Mundkapsel des erwachsenen Ankylosto-
mum finden sich in der Regel Zähne zum Fest¬
halten an der Darmschleimhaut, die bezgl.
Anzahl und Lage zur Bestimmung der
Spezies differentialdiagnostische Verwertung
finden.
Wie anders das Oesophagostomum!
Molin nennt das von ihm aufgestellte
Genus „Oesophagostomum“ „Schlundmaul“,
weil er die Gleichförmigkeit von Mundhöhle und
Schlund für charakteristisch hält. Im Gegen¬
satz zu Ankylostomum, das eine auffällig
weite Mundhöhlung besitzt, hat das Oesopha¬
gostomum keine Mundhöhle; caput corpore
continuum, os terminale, cavitate nulla,
sagt Molin. (S. Fig. 2. Kopfende von Oeso-
phagostom. subl. n. Molin.) Ein 'differential¬
diagnostischer Unterschied, wie er besser gar
nicht zu wünschen sein kann! Ausser dem
Fehlen einer Mundhöhle verlangt nun Railliet
einen Chitinring um das Kopfende. — Ein
Blick auf die in Figur 3 abgebildete
Larve Ströses zeigt nicht nur ohne weiteres,
dass hier von einem Oesophagostomum nicht
die Rede sein kann, sondern auch zur Genüge,
dass wir es hier mit einem Ankylostomum zu
tun haben, wie dies ja auch aus der Ströseschen
Abhandlung zur Genüge hervorgeht. (S. a.
Fig. 7 Ankylost. cernuum zum Vergleich.) Die
jüngeren Stadien, s. Figur 2, lassen die oben
beschriebene Charakteristik des Ankylostomum
nicht erkennen, und doch handelt es sich je¬
denfalls um ein solches, da es im selben Darm
gefunden wurde wie das in Figur 3 dargestellte.
Es wäre schlechterdings unmöglich, auf diesen
Stadien eine bestimmte Diagnose zu stellen.
Dies bringt mich auf den Drechslerschen Fund.
Ströse meint, dass von einer Identität seines
Nematoden mit dem Drechslerschen keine Rede
sein könne, und führt als Gründe die ver¬
schiedene Grösse der Tiere, die schwächere
bulbäre Anschwellung des Schlundes, sowie die
Nichterwähnung des auffälligen Mundbechers
an. Mit Recht weist Ostertag diesen Einwand
mit Rücksicht darauf, dass wir es mit einer
Larvenform zu tun haben, zurück. Meine
Beobachtung, dass neben den älteren als
Ankylostomum kenntlichen Formen jüngere
Stadien (derselben Genus) vorhanden sind, die
ein relativ indifferentes Aeusseres haben, wie
auch die Tatsache, dass bei den jüngeren
Entwickelungsformen z. B. des Ankylostomum
duoden. hom. bekanntlich die typische Kopf¬
gestalt noch nicht hervortritt, dürfte eben¬
so für die Hinfälligkeit des Ströseschen
Einwandes sprechen. Ferner führt Ströse
den Umstand an, dass Graff den sehr auf¬
fälligen Bauchwulst unerwähnt gelassen. Auch
dieser Einwand scheint mir hinfällig zu sein,
sowohl aus den oben ausgeführten Gründen,
als auch mit Rücksicht auf die zarte Beschaf¬
fenheit dieses Gebildes. Wennschon ich ihn
am unbehandelten Objekte oft deutlich sah,
suchte ich ihn doch nach vollzogener Iso¬
lierung, Konservierung und Färbung oft ver¬
geblich, zumal da das Material nicht ganz
intakt ist. Und Graff hebt ja doch ausdrück¬
lich hervor, dass die Vollständigkeit seiner
Untersuchung hinsichtlich des schlechten Er¬
haltungszustandes der ihm überlieferten Exem¬
plare zu wünschen übrig lasse.
Ich bin daher in diesem Punkte nicht
Ströses Ansicht. Es spricht vielmehr hinsicht¬
lich des Drechslerschen Nematoden manches für,
nichts gegen die Diagnose: Ankylostomum.
Es spricht aber vielleicht auch nichts wesent¬
liches gegen die Annahme, dass es sich um eine
Oesophagostomumlarve gehandelt habe. Daher
können meines Erachtens die noch relativ
indifferenten Drechslerschen Larvenstadien
für sich allein diagnostisch keine Verwertung
finden.
Oesophagostomum vesiculosum
nannte v. Ratz zuerst (S. o.) seine im Dünn¬
darmknötchen gefundene Rundwurmlarve:
„Grösse 1—1,25 mm, Vorderteil verjüngt,
hinterer Teil dünner als in der Mitte. Schwanz¬
ende zugespitzt und mi* kleiner knopfartiger
Anschwellung versehen. Mundöffnung klein,
elliptisch. Die Cuticula um dieselbe ring¬
förmig angeschwollen und mit zwei Papillen
versehen. Dem Ursprung der Speiseröhre
entsprechend ist eine zweite Anschwellung
sichtbar, und in einer Richtung mit dem Mit¬
telteile der Speiseröhre befindet sich auf der
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102
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
3. Jahrgang.
Bauchfläche eine blasenförmige Erwei¬
terung, an deren unterem Saume sich ein
röhrenartiges Gebilde hinzieht. Die Mundöff¬
nung führt in eine geräumige Mundhöhle, welche
mit einer kelchartigen chitinösen Kapsel ver-
Fig. 11.
sehen ist. Die Speiseröhre ist in der Mittel¬
gegend dünner, während der hintere Teil in
eine magenartige Erweiterung übergeht. Ge¬
schlechtsorgane waren an keinem einzigen
Exemplare aufzufinden. Auf Grund der Kopf¬
gestalt lässt sich aber auch auf diesen Stadien
konstatieren, dass diese Larven zu dem von
Mollin (soll Molin heissen, d. V.) gegründeten
Genus Oesophagostomum gehören.“
Ein Rückblick auf die oben zitierte Defi¬
nition eines Oesophagostomum, die Molin uns
gibt, dürfte meines Erachtens zur Genüge zei¬
gen, dass der Hinweis auf Molin verfehlt sei.
Ja, ich glaube nicht zu weit zu gehen
mit der Behauptung, dass v. Ratz im Gegen¬
teil ein Ankylostomum vor sich gehabt hat.
Sagt uns doch von Ratz nicht nur, dass seine
Spezies eine Mundhöhle hat, sondern er be¬
schreibt uns auch eine chitinöse kelchartige
Kapsel, Eigentümlichkeiten, die dem Genus
Dochmius nicht fehlen dürfen; ferner das
knopfförmig verdickte Schwanzende. Auch die
„blasenförmige Erweiterung“ auf der Bauch¬
fläche, die nichts anderes sein dürfte als der
„Bauchwulst“ Genus Dochmius nach Ströse.
Und die Beobachtung v. Ratz’s, dass sich an
deren unterem Saume ein röhrenartiges Ge¬
bilde hinzieht, stimmt auffallend zu der Ver¬
mutung v. Linstows, dass wir es hier mit
einem Gebilde zu tun haben, das in Beziehung
zum ductus excretorius steht. Nun beruft sich
aber v. R a t z in seiner späteren diesbezüg¬
lichen Veröffentlichung zur Stütze seiner
Diagnose Oesophagostomum inflatum auf Coo-
per Curtice, „durch dessen Untersuchungen
bekannt geworden sei, dass die Kopfbildung
der Oesophagostomumlarve von jener der ent¬
wickelten Wurms verschieden sei, insofern diese
eine chitinartige Mundkapsel besitzt, welche
derjenigen des im Schafe lebenden Sclerosto-
mum und den Jugendformen des im Hunde vor¬
kommenden Ankylostomum ähnlich ist, und
dass sich mithin die Larven von Oesopha¬
gostomum in diesen Stadien der Entwickelung
von den geschlechtsreifen Würmern unter¬
scheiden.
Auch die Richtigkeit dieser Ausführung
vermag ich nicht einzusehen. Leider ist es
mir nicht gelungen, trotz vielen Bemühungen,
selbst nicht durch schriftliche Interpellation
Curtices, der zitierten Abhandlung habhaft
zu werden, da auch dem Autor selbst kein Exem¬
plar mehr zur Verfügung steht. Indes genügt
schon die in Fig. 9 nach G. M. G i 1 e s wieder¬
gegebene Oesophagostomumlarve Curtices, um
zu zeigen, dass dies Tier mit einem Ankylosto¬
mum nichts zu tun hat. Da sieht man, dass
die Cuticula am Kopfende lange breite Seiten¬
membranen hat; der Oesophagus hat zwei An¬
schwellungen, eine vordere kleinere, eine hin¬
tere starke. Am Kopfende keine weite Höhlung
mit Zähnen am Grunde. In Fig. 5 habe ich
Oesophagostomum inflatum Schn, zur Ab¬
bildung gebracht (n. Railliet). Es bedarf eigent-
Fig. 12.
lieh keiner weiteren Erörterung, um zu be¬
weisen, dass diese Form sich unmöglich aus einer
ankylostomumartigen Larve entwickeln kann,
wie v. Ratz wahrscheinlich zu machen sucht.
Man beachte ferner die von Ratzschen Aus-
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Heft 5.
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
103
führungen aus dem Jahre 1900. Die jüngsten
Stadien (1—1,5 mm) lassen den Mundbecher
noch nicht erkennen, die 2,0—2,5 mm langen
älteren Stadien dagegen haben das Aussehen
eines Ankylostomum erhalten, worauf es endlich
zu einem veritablen Oesophagostomum wird.
Dieser Entwiekelungsgang stände einzig da.
Denn wenn schon nicht in allen Fällen (wie
sich ja aus der Polemik über die jüngsten
indifferenten Stadien [Drechsler, von Ratz]
ohne Mundkapsel unseres Knötchenwurmes er¬
gibt), aus dem Bau der Larven die Art oder gar
die Spezies bestimmt werden kann, so ist dies
doch sehr häufig möglich. Speziell die Mund¬
teile sind vielfach denen der geschlechtsreifen
Tiere ganz gleich. Immer aber findet die Bil¬
dung der Mundteile des geschlechtsreifen Tieres
noch während des Larvenlebens statt. (A.
Schneider). Es ist also wohl denkbar, und die
Entwickelungsgeschichte anderer Ankylosto¬
mum zeigt dies ja auch, dass wir bei
den jüngsten Entwickelungsformen der Larve
die Mundbecher bei einer Ankylostomum-
spezies vermissen, aber dass ein Oesopha¬
gostomum die Gestalt eines Ankylostomum
im Larvenleben zeitweise erhalten soll,
das würde, scheint mir, ganz unglaubhafte
phylogenetische Ausblicke eröffnen. Auch von
Ratz scheint sich dieser Stütze nicht ganz
sicher gefühlt zu haben, er führt vielmehr das
Hauptmoment seiner Diagnose als Tatsache
ins Feld, dass im Rinderdickdarm das Oeso¬
phagostomum parasitiert. Da nun, sagt v. R a t z,
die besprochene Form aus dem Rinde stammt,
so erscheint die Annahme wahrscheinlich, dass
die Würmer die Larven von Oesophagostomum
inflatum sind. Hic haeret aqua! Deshalb soll
nun das Oesophagostomum, das nicht, zumal
Oesoph. infl. die geringste Aehnlichkeit mit
unserem Findling hat, die Vaterschaft an-
treten.
Dass im Rinderdünndarm ein anscheinend
harmloses Würmchen schmarotzt, das dieselbe
Kopfbildung hat wie unser Dochmius Ströse,
ein echtes Ankylostomum, hat man fast all¬
gemein vergessen. Dieser Wurm wurde von
R u d o 1 f i gefunden, und 1866 von Schnei¬
der bestimmt und genau beschrieben.
Sein Name ist Ankylostomum
(Dochmius, Strongylus, Uncinaria) radiatum
Schneider, nicht zu verwechseln mit
dem Oesophagostomum (Strongylus) in-
flatus Schneider, s. Oesophagostomum
(Strongylus) radiatum Rud. Von Zürn ist der
Dochmius radiat. noch richtig beschrieben
(nach Schneider). Er nennt ihn strongylus
radiatus, „strahligen Pollisadenwurm“. Diese
deutsche Bezeichnung gibt auch Anlass zu
Verwechselungen. Der strahlige Pollisaden-
wurm ist nämlich (nach Gurlt) der Oesopha¬
gostomum inflatum Schneider, den Zürn wie¬
derum den „breiten Pollisadenwurm“ nennt.
Am meisten hat wohl die vage Bezeichnung
„Strongylus“, die beiden Arten zukommt, zu
verhängnisvoller Verwechselung und schliess-
lichem Vergessen einer Spezies geführt. Ausser
den Amerikanern (s. unten) kennt meines
Wissens nur Railliet den „Strongylus radiatus
Schneider“ wirklich als Ankylostomum.
Während nämlich die Dochmiasis der
übrigen Haustiere in den tierärztlichen Lehr-
Fig. 13.
büchern genau beschrieben wird und die Ver¬
treter dieser Gattung im Zusammenhang ab¬
gehandelt worden, ist von einer Dochmiasis der
Rinder nirgends die Rede, und der „Strongylus
radiatus“ wird nur so nebenher, offenbar nur
der Vollständigkeit halber, erwähnt, ohne aber
als Ankylostomum erkannt zu werden. Wäre
dem nicht so, so hätte man ohne Zweifel die
W ahrscheinlichkeitsdiagnose stellen müssen,
dass man in ihm das Endstadium des Ankylosto¬
mum Ströse vor sich habe. Ferner hätte auch
die Bemerkung Ströses, dass es nicht bekannt
sei, ob das erwachsene Ankylostomum beim
Rinde schmarotze, Veranlassung zum Hinwek
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104
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
3. Jahrgang.
auf den Ankylostomum radiatum geben müssen.
Railliet ist der einzige, wie schon erwähnt,
der den Strongylus radiatus als „Uncinaire
radiee“, Männchen 10—16 mm, Weibchen
24—28 mm lang, beschreibt; er aber kennt die
Strösesche Arbeit offenbar nicht.
Ich glaube nachgewiesen zu
haben, dass die Behauptung v. ßatzs
hinsichtlich der Zugehörigkeit sei¬
ner anky 1 ostomumähn 1 ichen Larve
zum Genus Oesophagostomum oder
gar zur Spezies Oesophag. inflat.
in keiner Weise erwiesen ist, und
glaube ferner mit grösserm Rechte
sagen zu können: Da im Rinder¬
dünndarme das Ankylostomum
radiatum lebt, ist die Wahrschein¬
lichkeit vorhanden, dass die Anky-
lostomumlarve, die in der Dünn-
und Blinddarmwand des Rindes
parasitiert, eine Jugendform die¬
ser Spezies ist. Für das Vorkommen
von Oesophagostomumlarven in der
Darmwand des europäischen Rindes
ist bisher jedenfalls kein Beweis
erbracht worden.
Diese Ankylostomumlarve habe ich in den
von mir untersuchten Rinder-Dünn- und Blind¬
därmen aus Deutschland, Frankreich, Spanien,
Russland, England gefunden. Dieser Parasit
ist demnach über ganz Europa verbreitet.
Dieses Stadium habe ich, wie eingangs ge¬
schildert, leicht isoliert. Durch einige ganz
junge Knötchen habe ich Schnitte gemacht
und kleinere, offenbar ganz junge Stadien
gefunden, die einen Mundbecher nicht erkennen
lassen. Aber der Umstand, dass wir sie neben
den schon älteren als Ankylostomen deutlich
erkennbaren Nematoden treffen, spricht dafür,
dass wir hier ebenfalls ein Jugendstadium
dieser Strongyliden - Art vor uns haben.
Bei einem im hiesigen Rinderdarm gefundenen
Exemplare konnte ich die Anlage von Ge¬
schlechtsorganen feststellen. Jüngere Stadien
habe ich zum Teil von einer deutlichen Kapsel
umschlossen (Fig. 12), in beiden Fällen gerollt
wie eine Muskeltrichine, in dem submucösen
Gewebe liegen sehen (Fig. 13). Das Knötchen
war mit Rundzellen infiltriert. Die Kapsel
ist bei den älteren Stadien meist verschwun¬
den. Der Wurm verschwindet aus dem zer¬
fallenen nekrotischen Gewebe, und ein Loch
auf der höchsten Erhebung der Knötchen
deutet seine Auswanderung meist dem blossen
Auge an.
Dies war das Resultat meiner Unter¬
suchung der europäischen Därme des Rindes
in parasitärer Richtung.
Dasselbe Resultat zeitigte
indes auch die Untersuchung zahl¬
reicher aus Nord- und Süd -Ame¬
rika eingeführter Rinderdärme.
Auch hier fand ich gegen alles Er¬
warten die Strösesche Ankylosto¬
mumlarve. Ich sage gegen alles Erwarten.
Denn dieser Befund steht in einem auffälligen
Gegensatz zu den Berichten über die Unter¬
suchungen der amerikanischen Forscher.
(Schluss folgt.)
Oeffentliches Veterinärwesen.
Stand der Tierseuchen im Deutschen Reich
am 15. Juli 1905.
Der Rotz wurde festgestellt: in Preussen
in 14 Gemeinden und 22 Gehöften der Re¬
gierungsbezirke /Marienwerder, Stadtkreis
Berlin, Frankfurt, Bromberg, Breslau, Oppeln,
Merseburg, Minden, Düsseldorf und Sigmarin¬
gen, in Bayern in 2 Gemeinden und 2 Gehöften
der Regierungsbezirke Oberfranken und
Schwaben, zusammen somit in 16 Gemeinden
und 24 Gehöften. Die Aphthenseuche ge¬
langte zur Feststellung in je einem Gehöft der
Regierungsbezirke Posen und Bromberg, in
1 Gemeinde und 18 Gehöften der Oberpfalz
und in 1 Gemeinde und 5 Gehöften des Re¬
gierungsbezirks Neckarkreis, zusammen in 4 Ge¬
meinden und 25 Gehöften. Die Schweine¬
seuche einschliesslich der Schweinepest
wurde festgestellt und zur Anzeige gebracht
in 1561 Gemeinden und 2103 Gehöften.
Erlasse, Verfügungen.
Elsass-Lothringen. Bekanntmachung
betreffend die Ausführung des
Reichsgesetzes vom 25. Februar 1876
über die Beseitigung von An-
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Heft 5.
Fortschritte der Veteri när-Hy giene.
105
s teckungsstof f en bei Viehbeför¬
derungen auf Eisenbahnen, welche
der Aufsicht der Landesverwal¬
tung von Eisass -Lothringen unter¬
stellt sind. Vom 16. Dezember 1904.
Auf Grund des § 13 der Bekanntmachung
des Reichskanzlers vom 16. Juli 1904, betr.
die Ausführung des Gesetzes vom 25. Febr. 1876
über die Beseitigung von Ansteckungsstoffen
bei Viehbeförderungen auf Eisenbahnen (Reichs-
gesetzbl. S. 311 ff.), und dejs § 3 der Bekannt¬
machung des Reichskanzlers vom 17. Juli 1904,
betr. die Abänderungen der Bestimmungen über
die Beseitigung von Ansteckungsstoffen bei
der Beförderung von lebendem Geflügel auf
Eisenbahnen vom 2. Februar 1899 (Reichsge-
setzbl. S. 317 ff.), sowie auf Grund der Be¬
stimmungen unter XXXII Absatz 8 und LII
Absatz 6 der Anlage B zur Eisenbahn-Ver¬
kehrsordnung, wird für die der Aufsicht der
Landesverwaltung unterstellten Eisenbahnen
folgendes angeordnet:
An Stelle der Bestimmungen der Bekannt¬
machung vom 23. Juni 1887, (Beilage I zu
No. 27 des Zentral- und Bezirks-Amtsbl. für
Elsass-Lothringen für 1887), welche hiermit
aufgehoben werden, treten folgende Bestim¬
mungen :
Abschnitt I. Allgemeines.
§ 1. Verpflichtung zur
Desinfektion.
1. Nach jedesmaligem Gebrauch sind einer
Reinigung und Desinfektion zu unterziehen:
I. Wagen, in denen folgende lebende Tiere
befördert worden sind:
a) Pferde, Maultiere, Esel, Rindvieh,
Schafe, Ziegen, Schweine, (Kleinvieh
in Kisten vergleiche § 10, Ziffer 3;
b) Geflügel unverpackt;
c) Geflügel verpackt, falls eine Verun¬
reinigung der verwendeten Wagen
durch Streu, Futter oder Auswurfstoffe
stattgefunden hat.
II. Wagen, die zur Beförderung von
Gütern folgender Art benutzt worden
sind:
a) fäulnisfähige tierische Abfälle in
losem Zustand;
b) Stalldünger, auch als Schutzmittel, so¬
wie andere Fäkalien und Latrinen-
stoffe, sofern nicht die Wagen bestim¬
mungsgemäss ausschliesslich zum
Transporte dieser Gegenstände dienen.
2. Eine verschärfte Desinfektion hat ein¬
zutreten :
a) bei Wagen mit Klauenviehsendungen
(Rindvieh, Schafen, Ziegen, Schweinen)
aus verseuchten. Gegenden, d. h. von solchen
Stationen, in deren Umkreis von 20 Kilo¬
metern die Maul- und Klauenseuche
herrscht oder noch nicht für erloschen er¬
klärt ist;
b) auf Anordnung der zuständigen Polizei¬
behörde ;
c) wenn die Eisenbahnbeamten von Umstän¬
den Kenntnis erlangen, die es zweifellos
machen, dass eine Infektion des Wagens
durch Rinderpest, Milzbrand, Rauschbrand,
Wild- und Rinderseuche, Maul- und
Klauenseuche, Rotz, Rotlauf der Schweine
oder Schweineseuche (einschliesslich
Schweinepest), Geflügelcholera oder Hüh¬
nerpest vorliegt, oder die den drin¬
genden Verdacht einer solchen Infektion
begründen. Der dringende Verdacht der
Infektion durch Rinderpest, Milzbrand
usw. ist insbesondere dann anzunehmen,
wenn ein krankes oder totes Tier in dem
Wagen angelangt war und nicht durch den
Augenschein (z. B. bei schweren Verletzun¬
gen der Tiere) oder durch sachverständige
Untersuchung erwiesen wird, dass die
Krankheit oder der Tod des Tieres in
keinem Zusammenhang mit einer der er¬
wähnten Seuchen steht.
3. Die Reinigung und Desinfektion gemäss
Ziffern 1 und 2 hat sich auf alle Teile des
Wagens zu erstrecken, und zwar auch in den
Fällen, wo der Wagen nur teilweise beladen
war.
4. Wegen der Desinfektion der Ladegeräte,
Rampen und des Streumaterials wird auf die
§§ 14—16 verwiesen.
5. Wenn der Absender die Desinfektion
des Wagens vor der Beladung verlangen sollte,
so ist diesem Verlangen gegen Erhebung der
Desinfektionsgebühr zu entsprechen.
§ 2. Beschaffenheit der zur Tier¬
beförderung verwendeten Wagen.
Wagen mit beschädigter innerer Verscha¬
lung sind zur Beförderung der in § 1, Ziffer 1
genannten Tiere und Güter nicht zu verwenden.
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Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
3. Jahrgang.
§ 3. Beförderung von Vieh oder
lebendem Geflügel mit Gepäck
oder Gütern in demselben Wagen-
raum.
Bei Beförderung von Vieh oder lebendem
Geflügel mit Gepäck oder Gütern in demsel¬
ben Wagenraum ist zur Vermeidung einer In¬
fektion dafür zu sorgen, dass das Vieh oder das
lebende Geflügel mit den Gepäckstücken oder
Gütern nicht in Berührung kommt und diese
nicht durch tierische Entleerungsstoffe verun¬
reinigt werden.
Die Beförderung von unverpacktem Vieh
im Gepäckraum der Packwagen ist unstatthaft.
§4. Verbot der Beladung noch nicht
desinfizierter Wagen und Be¬
schränkung in der Beförderung
solcher Wagen.
1. Ein der Desinfektion unterliegender
leerer Wagen darf in keinem Fall vor Been¬
digung der Desinfektion in Benutzung ge¬
nommen werden: nur zum Zwecke der Ueber-
führung nach der Desinfektionsanstalt ist es
gestattet, ihn in einen Zug einzustellen.
2. Viehsammelwagen (Viehkurswagen), die
voll besetzt gewesen und vor der Endstation
entleert worden sind, dürfen vor ordnungs-
mässiger Reinigung und Desinfektion nicht
weiter benutzt werden. Auch in die auf den
Zwischenstationen entladenen Teile eines Vieh¬
sammelwagens (Viehkurswagen) sind vor der
Desinfektion keine Tiere mehr einzustellen.
Wenn eine Infektion oder der dringende Ver¬
dacht einer solchen vorliegt, darf Vieh in diese
Wagen überhaupt nicht mehr zugeladen
werden.
Abschnitt II. Kennzeichnung der
zu desinfizierenden Wagen und
Zuführung zur Desinfektion.
§5. Bezettelung der Wagen.
1. Sämtliche zu desinfizierenden Wagen
sind auf der Versandstation, bei Umladung
auf der Umladestation, aus dem Auslande
kommende auf der Grenzübergangsstation, von
dem abfertigenden Lademeister 1 ) auf beiden
Seiten sorgfältig zu bezetteln, und zwar:
*) Unter Lademeister ist hier und in den
folgenden Abschnitten stets der die Geschäfte
eines Lademeisters besorgende Bedienstete zu ver¬
stehen.
a) Im Falle gewöhnlicher Desinfektion mit
zweiteiligen Zetteln von schwefelgelber Farbe
und mit der Aufschrift „Zu desinfizieren“ nach
anliegendem Muster.
b) Im Falle der verschärften Desinfektion
mit zweiteiligen Zetteln von schwefelgelber
Farbe mit einem in der Mitte aufgedruckten
senkrechten roten Streifen und mit der Auf¬
schrift „Verschärft zu desinfizieren“, nach
anliegendem Muster. Soweit die Voraussetzun¬
gen für die verschärfte Desinfektion erst auf
der Empfangs- oder einer Unterwegstation ein-
treten oder bekannt werden, hat die Bezettelung
nachträglich durch die entdeckende Dienststelle
zu erfolgen.
Die in die Züge einzustellenden Kleinvieh-
Sammelwagen (Viehkurswagen) sind von dem
Lademeister der Zugangsstationen oder derjeni¬
gen Station, die den Wagen einstellt, mit Des¬
infektionszettel zu versehen.
Findet eine Benutzung der Sammelwagen
nicht statt, so hat der Zugführer auf der End¬
station die Entfernung der Zettel zu veran¬
lassen.
2. Die Zettel nach Muster 1 und 2 dienen
in ihrem untern Teile zur Anbringung der
Wagenaufschriften. Die Ausfüllung der Zettel
hat mit Blaustift zu erfolgen. Die Anbringung
der Wagenaufschriften mittels Kreide ist unter¬
sagt.
3. Die Zugführer und Empfangsstationen
haben darauf zu achten, dass die Zettel an
beiden Seiten vorhanden sind, und haben sie
unverzüglich zu ersetzen, wenn sie fehlen.
4. Auf der Entladestation ist von dem
Lademeister, der die Entladung zu beaufsichti¬
gen hat, der untere Teil der Muster 1 und 2
mit einem Zettel von schwefelgelber Farbe nach
anliegendem Muster, nachdem der Vordruck
mit Blaustift ausgefüllt worden ist, so zu über¬
kleben, dass die Aufschrift „Zu desinfizieren“
oder „Verschärft zu desinfizieren“ sichtbar
bleibt. Ist Entlade- und Desinfektionsstation
dieselbe, so ist nur die Zeit der Entladung
einzutragen.
5. Nach der Desinfektion sind die Zettel
durch die Desinfektionsanstalt zu entfernen und
an ihrer Stelle solche von weisser Farbe und mit
dem Aufdrucke
„Desinfiziert am.
Stunde. in.“
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Heft 5.
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
107
nach anliegendem Muster anzubringen, die erst
bei der Wiederbeladung des Wagens zu beseiti¬
gen sind.
§ 6. Vermerk auf den Begleit¬
papieren.
Auf den Begleitpapieren für Wagen, die
verschärft zu desinfizieren sind, haben die Ver¬
sand- oder Unterwegsstationen in deutlicher
Schrift den Vermerk
„Verschärft zu desinfizieren“
anzubringen.
§7. Zuführung zur Desinfektion.
1. Die nach den Desinfektionsstationen
oder Desinfektionsanstalten überzuführenden
Wagen sind, soweit es ihre Bauart gestattet,
zur Verhütung einer Uebertragung von An¬
steckungsstoffen durch Herausfallen von Ge¬
rätschaften, Stroh, Dünger usw. sorgfältig ge¬
schlossen zu halten.
2. Die zu desinfizierenden Wagen sind
mit möglichster Beschleunigung der Desin¬
fektionsanstalt zuzuführen. Für die sofortige
Zuführung ist die Station verantwortlich.
3. Falls die Desinfektion nicht auf der
Entladestation erfolgt, hat diese der Desin¬
fektionsanstalt unverzüglich eine Benach¬
richtigung nach anliegendem Muster als einge¬
schriebenen Brief zu übersenden.
4. Kann ein Wagen nicht mit dem ange¬
meldeten Zug abgehen, so hat die Entlade¬
station hiervon die Desinfektionsstation unter
Bezeichnung des nunmehr den Wagen anbrin¬
genden Zuges zu benachrichtigen.
5. Auf Grund der Benachrichtigung hat
die Desinfektionsanstalt die pünktliche Zu¬
führung der Wagen zu überwachen.
6. Trifft ein Wagen nicht mit dem ange¬
meldeten Zuge oder dessen Anschlusszuge ein,
so hat die Desinfektionsanstalt sofort der Ent¬
ladestation telegraphisch Nachricht zu geben.
Diese hat unverzüglich, erforderlichenfalls tele¬
graphisch, nach dem Wagen zu forschen und
seine Zuführung zur Desinfektionsanstalt zu
veranlassen.
Abschnitt III. Ort und Zeit der
Desinfektion.
§8. Ort der Desinfektion.
1. Jede Eisenbahn Verwaltung hat diejeni¬
gen Stationen ihrer Bahn zu bestimmen, auf
welchen die Desinfektion der entladenen Wagen
stattfinden soll; dem Ministerium sind diese
Stationen zu bezeichnen.
2. Die Reinigung und Desinfektion er¬
folgt:
a) auf der Entladestation, falls diese Des¬
infektionsstation ist;
b) andernfalls auf der Desinfektionsstation,
der die Entladestation am nächsten liegt.
3. Die Reinigung und Desinfektion der zur
Beförderung von Vieh und lebendem Geflügel
benutzten Gepäckwagen, Gepäckbeiwagen,
Hundeabteile, Eilgut- und Stückgut-Kurs¬
wagen, Viehsammelwagen (Viehkurswagen) fin¬
det auf der Station statt, auf der der Wagen
vollständig entleert tmd ausgesetzt wird. Die
unterwegs entladenen und leer bis zur End¬
station laufenden Wagen sind zur Verhütung
des Herausfallens von Streu und Auswurf¬
stoffen sorgfältig geschlossen zu halten.
Zur Verhütung einer Verschleppung der
Viehseuche durch die bei der Reinigung und
Desinfektion der Wagen beschäftigten Arbeiter
haben die betreffenden Arbeiter zur Aus¬
führung der Arbeiten regelmässig besondere
Kleider und Schuhwerk anzulegen, und diese
nach Beendigung der Arbeiten wieder abzu¬
legen und gehörig zu reinigen.
§9. Zeit der Desinfektion.
Findet die Desinfektion am Ort der Ent¬
ladung statt, so hat sie unverzüglich, jedenfalls
24 Stunden nach der Entladung, zu geschehen.
Findet sie auf einer anderen als der Entlade¬
station statt, so ist sie längstens binnen
48 Stunden nach der Entladung zu bewirken
(vergl. jedoch § 8, Ziffer 3).
Abschnitt IV. Desinfektions¬
verfahren.
§ 10. Reinigung.
1. Der eigentlichen Desinfektion der
Wagen muss stets eine Reinigung — Besei¬
tigung der Streumaterialien, des Düngers, der
Reste von Stricken, der Federn usw., sowie ein
gründliches Abwaschen mit heissem Wasser —
vorangehen. Wo heisses Wasser nicht in ge¬
nügender Menge zu beschaffen ist, darf auch
unter Druck ausströmendes kaltes Wasser ver¬
wendet werden, jedoch muss vorher zur Auf¬
weichung des anhaftenden Schmutzes eine Ab¬
spülung mit heissem Wasser erfolgen.
2. Die Reinigung ist nur dann als aus¬
reichend anzusehen, wenn durch sie alle von
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108
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
3. Jahrgang.
dem Vieh- oder Geflügeltransport herrührenden
Verunreinigungen vollständig beseitigt sind;
auch die in die Fugen der Wagenböden einge¬
drungenen Schmutzteile sind vollständig —
erforderlichenfalls unter Anwendung von eiser¬
nen Geräten mit abgestumpften Spitzen und
Bändern — zu entfernen.
Bei der Beinigung ist darauf zu achten,
dass auch die durch etwaige Spalten des Wagen¬
bodens auf das Untergestell und die sonstigen
unter dem Wagenboden befindlichen Wagen¬
teile gefallenen Verunreinigungen entfernt
werden.
3. Bei Wagen, die zur Beförderung von
einzelnen Stücken Kleinvieh in Kisten oder
Käfigen gedient haben und nicht durch Streu,
Futter, Auswurfstoffe usw. verunreinigt wur¬
den, gilt, vorbehaltlich der Bestimmung unter
§ 1, Ziffer 2, eine Waschung der Wände, des
Fussbodens und der Decke mit heissem Wasser
als ausreichende Desinfektion.
4. Die Verpflichtung zur Beseitigung der
Streumaterialien, des Düngers, der Beste von
Stricken usw., sowie zur Reinigung der Wagen
und Gerätschaften nach jedesmaligem Gebrauch
bleibt auch dann bestehen, wenn Ausnahmen
von einer eigentlichen Desinfektion der Wagen
und Gerätschaften zugelassen werden.
§11. Einfache Desinfektion.
1. Die einfache Desinfektion wird nach
erfolgter Reinigung durch Waschen der Fuss-
böden, Decken und der Innen- und Aussen-
wände mit einer auf mindestens 50° Celsius
erhitzten Sodalaugc bewirkt, zu deren Her¬
stellung mindestens 2 kg Soda auf 100 Liter
Wasser verwendet sind.
2. Nach der Desinfektion sind die Wagen
zur gehörigen Lüftung offen zu halten.
§12. Verschärfte Desinfektion.
Der Wagen ist nach erfolgter Beinigung
zunächst einfach zu desinfizieren. Sodann sind
die Fussböden, Decken und Wände mit einer
dreiprozentigen Lösung einer Kreosolschwefel-
säuremischung sorgfältig zu bepinseln. Die
letztere ist durch Mischen von 2 Raumteilen
rohem Kresol (cresolum crudum des Arznei¬
buches für das Deutsche Reich) und 1 Raumteil
roher Schwefelsäure, (acidum sulfuricum crudum
des Arzneibuches für das Deutsche Reich) bei
gewöhnlicher Temperatur zu bereiten. Zur Her¬
stellung der dreiprozentigen Lösung darf die
Mischung frühestens 24 Stunden, spätestens drei
Monate nach ihrer Bereitung benutzt werden.
Die Lösung ist innerhalb 24 Stunden zu ver¬
wenden. Anstatt des Bcpinselns kann auch eine
Bespritzung mit einem geeigneten Desin¬
fektionsapparat erfolgen.
§ 13. Behandlung von Wagen mit
Polsterung oder innerer Ver¬
schalung.
1. Bei gepolsterten Wagen ist die Polste¬
rung vor der Desinfektion zu entfernen und
gehörig zu reinigen. Hat eine Infektion des
Wagens durch eine der im § 1, Ziffer 2 c ge¬
nannten Seuchen stattgefunden, oder liegt der
dringende Verdacht einer solchen Infektion vor,
so muss die Polsterung verbrannt werden. Der
Wagen selbst ist nach den vorstehenden Be¬
stimmungen zu reinigen und zu desinfizieren.
Ausländische Wagen, deren Polsterung nicht
entfernt werden kann, dürfen im Inlande nicht
wieder beladen werden.
2. Wenn Wagen mit einer inneren Ver¬
schalung der verschärften Desinfektion zu
unterwerfen sind, ist die Verschalung abzuneh¬
men und ebenso wie der Wagen zu reinigen
und zu desinfizieren.
§ 14. Desinfektion der Gerätschaf¬
ten und beweglichen Rampen.
1. In gleicher Weise wie die Wagen sind
die bei der Verladung und Beförderung der
Tiere zum Füttern, Tränken, Befestigen und zu
snstigen Zweckeon benutzten Gerätschaften der
Eisenbahnverwaltung zu reinigen und zu desin¬
fizieren. Dasselbe gilt für die den Interessenten
gehörenden Ladegeräte, die bei der Abnahme der
Tiere der Eisenbahn zur Rückbeförderung über¬
geben werden.
2. Die beweglichen Rampen und Einlade¬
brücken der Eisenbahn Verwaltung sind bei Be¬
nutzung zur Vieh- und Geflügel Verladung täg¬
lich mindestens einmal zu reinigen und zu des¬
infizieren. Die verschärfte Desinfektion ist er¬
forderlich im Falle der Benutzung durch
Klauenvieh aus verseuchten Gegenden (§ 1,
Ziffer 2 a), ferner im Falle einer Infektion,
des dringenden Verdachts einer solchen oder
besonderer polizeilicher Anordnung.
§15. Desinfektion der festen
Rampen.
1. Die festen Rampen, die Ein- und Aus¬
ladeplätze für Wild und Geflügel und die Vieh-
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Heft 5
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
109
und Geflügelhöfe (Buchten, Bansen) der Eisen¬
bahn sind stets von Streumaterialien, Dünger,
Federn usw. gesäubert zu halten.
2. Rampen mit undurchlässigem Boden so¬
wie feste hölzerne Rampen sind bei Benutzung
zur Vieh- oder Geflügel Verladung täglich min¬
destens einmal mit Wasser abzuspülen.
3. Eine Desinfektion der festen Rampen
sowie der Ein- und Ausladeplätze für Vieh
und Geflügel ist nur im Falle der Benutzung
durch Klauenvieh aus verseuchten Gegenden
(§ 1, Ziffer 2 a), ferner im Falle einer Infektion,
des dringenden Verdachts einer solchen oder
besonderer polizeilicher Anordnung erfor¬
derlich.
4.. Hierbei ist folgendes Verfahren zu be¬
obachten :
a) Rampen mit undurchlässigem Boden so¬
wie feste hölzerne Rampen müssen nach er¬
folgter Reinigung mit Sodalauge (§11, Ziffer 1)
abgewaschen und mit einer dreiprozentigen
Lösung der Kresolschwefelsäuremischung ab¬
gepinselt und abgespült werden.
b) Rampen mit undurchlässigem Boden
sind nach erfolgter Reinigung mit einer drei-
prozentigen Lösung der Kresolschwefelsäure¬
mischung mittels Kanne oder Spritze stark zu
besprengen, bis die Oberfläche durchweg feucht
erscheint. Hölzerne Versehläge, Buchten,
Gatter, Schranken usw. sind zu reinigen und
mit einer dreiprozentigen Lösung der Kresol¬
schwefelsäuremischung sorgfältig zu bepinseln
oder mit einem geeigneten Desinfektions¬
apparat zu bespritzen.
5. Bei Frostwetter sind die Rampen usw.
nicht zu übergiessen, sondern sogleich nach dem
Abtrieb des Viehes mit einem Pulver zu be¬
streuen, das aus 100 Gewichtsteilen gebrannten
Kalks herzustellen ist, der nach Zusatz von
Wasser zu Pulver gelöscht und dann mit 10
Gewichtsteilen einer mindestens ßechsprozen-
tigen Lösung der Kresolsäuremischung über¬
gossen ist.
§ 16. Streumatcrialien.
1. Streumaterialien, Dünger, Federn und
sonstige Abgänge sind zu sammeln und so auf¬
zubewahren, dass Vieh und Geflügel damit
nicht in Berührung kommen kann.
2. Die Abfuhr des Düngers darf in Fällen
von Rotz nicht durch Pferdegespann, im übrigen
nicht durch Rindviehgespanne geschehen und
muss in dichten Wagen oder Behältern erfolgen,
so dass eine Verunreinigung der Strassen, Wege
usw. durch Düngerteile ausgeschlossen ist.
3. Dünger von Tieren, die an Rinderpest,
Milzbrand, Rauschbrand, Wild- und Rinder¬
seuche oder Rotz leiden oder einer dieser
Seuchen verdächtig sind, muss verbrannt oder
gekocht oder so tief vergraben werden, dass er
mit einer mindestens ein Meter hohen Erd¬
schicht bedeckt ist.
4. Dünger von Tieren, die mit Maul- und
Klauenseuche, Rotlauf der Schweine oder mit
Schweineseuche (einschliesslich Schweinepest)
behaftet oder einer dieser Seuchen verdächtig
sind, muss entweder in derselben Weise
(Ziffer 3) beseitigt oder mit einer dreiprozen¬
tigen Lösung der Kresolschwefelsäure¬
mischung, die vollständig mit dem Dünger
zu durchmischen ist, desinfiziert werden.
5. Abgänge von cholera- oder hühnerpest¬
krankem oder -verdächtigem Geflügel müssen
entweder durch vollständige Durchmischung
mit Kalkmilch oder dreiprozentiger Lösung
der Kresolschwefelsäuremischung desinfiziert
oder verbrannt oder mindestens einen Meter
tief vergraben werden.
Abschnitt V. Verfahren bei unter¬
lassener oder unzulänglicher Des¬
infektion.
§ 17. 1. Wird festgestellt, dass Wagen
nach einer früheren Benutzung zur Beförde¬
rung von Tieren, tierischen Abfällen oder Fä¬
kalien nicht oder nicht vorschriftsmässig ge¬
reinigt und desinfiziert wurden, so sind sie
behufs nachträglicher Reinigung und Desinfek¬
tion unter denselben Sicherungsmassregeln wie
die von Tieren, tierischen Abfällen und Fä¬
kalien entladenen Wagen der zuständigen Des¬
infektionsanstalt zuzuführen.
2. Wird die Notwendigkeit der verschärf¬
ten Desinfektion erst auf einer Unterwegstation
oder auf der Empfangstation festgestellt, so
hat die entdeckende Dienststelle der Versand¬
station sowie gegebenenfalls den Umlade- oder
Tränkstationen zum Zwecke verschärfter Des¬
infektion aller Gegenstände, mit denen das Vieh
in Berührung gekommen ist, sofort telegra¬
phisch Mitteilung zu machen.
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110
3. Jahrgang.
Veterinär-Hygiene.
Fortschritte der
Abschnitt VI. Aufsicht, Kontrolle,
Strafbestimmungen.
§ 18. 1. Die veranwortliche Aufsicht über
die Arbeiten, die auf Grund dieser Vorschriften
durch die Eisenbahn auszuführen sind, ist be¬
stimmten Bediensteten zu übertragen, welche
der Ortspolizeibehörde derjenigen Gemeinde, in
welcher die betreffende Desinfektionsanstalt
liegt, sowie dem zuständigen Kreistierarzte zu
bezeichnen sind.
Die Bediensteten sind persönlich dafür
verantwortlich, dass die der Desinfektions¬
anstalt zugeführten Wagen rechtzeitig desinfi¬
ziert werden und dass kein zugeführter Wagen
vor ordnungsmässigem Vollzug der Desinfek¬
tion die Desinfektionsanstalt verlässt.
In gleicher Weise wird es dem Zug- und
Wagenrevisions- sowie dem Abfertigungs¬
personal zur strengen Pflicht gemacht, genau
darauf zu achten, dass ungenügend oder gar
nicht gereinigte und desinfizierte Wagen nicht
übernommen, in die Züge eingestellt oder be¬
laden werden.
Die Nichtbeachtung dieser Vorschriften
wird in jedem Fall streng bestraft. Auch haben
Bedienstete, die entgegen diesen Vorschriften
oder einem ihnen erteilten besonderen Aufträge
die Anordnung, Ausführung oder Ueber-
wachung einer Desinfektion vernachlässigen,
nach § 5 des Reichsgesetzes vom 25. Februar
1876, betr. die Beseitigung von Ansteckungs¬
stoffen bei Viehbeförderung auf Eisenbahnen,
gerichtliche Bestrafung mit Geldbusse bis zu
1000 Mk. und, wenn infolge Vernachlässigung
Vieh von einer Seuche ergriffen worden ist,
mit Geldbusse bis zu 3000 Mk. oder Gefängnis
bis zu einem Jahre zu erwarten, sofern nicht
nach den Vorschriften des Strafgesetzbuches
eine der Art oder dem Masse nach schwerere
Strafe verwirkt ist.
2. Die zuständige Polizeibehörde sowie die
zuständigen Veterinärbeamten sind befugt,
jederzeit von der Ausübung der Desinfektions¬
arbeiten Kenntnis zu nehmen.
3. Die Desinfektionsstationen haben ein
Kontrollbuch nach anliegendem Muster zu
führen, welches jederzeit auf Verlangen den
kontrollierenden Polizei- und Veterinärbeamten
vorzulegen ist.
4. Sämtliche Spalten des Kontrollbuchs
sind von dem Beamten auszufüllen, dem die ver¬
antwortliche Aufsicht über die ordnungs-
mässige Desinfektion der Viehwagen übertragen
ist. Sind auch Ladegeräte zu desinfizieren, so
ist das in Spalte „Bemerkungen“ zu vermerken.
Verschärft desinfizierte Wagen sind durch
Unterstreichen des Eigentumsmerkmals und
der Wagennummern zu kennzeichnen.
Das Kontrollbuch ist vierteljährlich abzu-
schliessen und ein weiteres Jahr aufzubewahren.
Strassburg, den 16. Dezember 1904.
Ministerium für Elsass-Lothringen
Abteil, f. Landwirtschaft u. öffentl. Arbeiten.
Der Unterstaatssekretär.
Zorn von Bulach.
Anhang. Kon troll vorSchriften der
Landesverwaltung.
1. Seitens der Landesverwaltung sind an
die Landesveterinär-Polizeibehörden die folgen-
Kontrollvorschriften erlassen worden;
a) Mit der polizeilichen Kontrolle der Des¬
infektion der Eisenbahnwagen, welche zum
Transporte von Pferden, Maultieren, Eseln,
Rindvieh, Schafen oder Ziegen gedient haben,
sind die Kreistierärzte und deren Stellvertreter,
und zwar jeder in seinem Kreise, beauftragt.
b) Zur Ausübung ihrer Funktionen ist den
Kreistierärzten und deren Stellvertretern der
Zutritt zu den Desinfektionsplätzen der Eisen¬
bahnen jederzeit zu gestatten und ihnen jede
Auskunft über den Transport des Viehs, die
Beschaffenheit des transportierten Viehs und
das Desinfektionsverfahren gewissenhaft
zu erteilen. Ihrer Kenntnisnahme von allen
Einrichtungen und Vorgängen, welche dieses
Verfahren betreffen, darf kein Hindernis in den
Weg gelegt werden.
c) Wenigstens einmal im Monat haben sich
die Kreistierärzte oder deren Stellvertreter auf
den Stationen, auf welchen Viehausladungen
und Wagendesinfektionen stattfinden, und ins¬
besondere auf den Grenzstationen von dem Vor¬
handensein und der Beschaffenheit der zum
Desinfizieren der Wagen und Gerätschaften er¬
forderlichen Materialien zu überzeugen, vom
Stationsvorstand den Nachweis vorlegen zu
lassen, wieviel Transportwagen seit der letzten
Visitation zur Desinfektion auf der Station
gelangt sind, und ob und wann dieselbe voll¬
zogen worden ist. Wo möglich haben sie an
Ort und Stelle einer Desinfektion beizuwohnen
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Heft 5.
Fortschritte der Veterin&r-Hygiene.
111
und sich über die pünktliche Ausführung der¬
selben zu vergewissern sowie erforderlichen¬
falls Auskunft und Anleitung über einzufüh¬
rende Verbesserungen zu geben.
Die Kontrolle hat sich auch auf die Des¬
infektion des aus den Wagen entfernten Dün¬
gers und Streumaterials zu erstrecken, sowie
darauf, ob dieser Dünger ohne Gefahr verwertet
wird, endlich auf die Reinhaltung der Rampen
und Viehhöfe.
Die Kreistierärzte oder deren Stellvertreter
haben ihre Bemerkungen dem Stationsvorstande
zu machen und sodann ihrer Vorgesetzten
Dienstbehörde berichtlich vorzulegen.
d) Die Kreistierärzte oder deren Stell¬
vertreter haben die Stationen resp. die Des¬
infektionsplätze besonders unmittelbar vor der
Abhaltung der Viehmärkte am Stationsorte und
an dessen Nachbarorten zu besuchen.
e) Die Stationsvorstände haben die Kreis¬
tierärzte oder deren Stellvertreter im Falle
einer Infektion oder des Verdachts einer solchen
vom Transporte von krankem Vieh zu benach¬
richtigen und sie. aufzufordern, der Desinfek¬
tion der Wagen, der Gerätschaften, des Dün¬
gers und des Streumaterials beizuwohnen und
dieselbe zu überwachen. Die für die Des¬
infektion vorgeschriebene Frist darf jedoch des¬
halb nicht überschritten werden. Den Stations¬
vorständen liegt dieselbe Verpflichtung ob,
wenn Transportwagen aus dem nicht deutschen
Auslande zur Desinfektion angebracht werden*
wenn und solange in dem betreffenden Lande
eine Viehseuche herrscht.
Das entladene kranke oder verdächtige
Vieh soll bis zum Eintreffen des Kreistier¬
arztes oder dessen Stellvertreters an einen ab¬
gelegenen, wenn möglich gedeckten Ort ein¬
gestellt werden; es kann auch in einen Stall
gestellt werden, wenn da keine Berührung mit
anderen Tieren Vorkommen kann. Im Falle,
dass die Wohnung des Kreistierarztes oder
dessen Stellvertreters zu weit von der Station
entfernt ist, kann in dringenden Fällen ein
anderer approbierter Tierarzt beigerufen wer¬
den. — Sollte es sich um ein auf der Reise
krepiertes Stück Vieh handeln, so ist der Ka¬
daver bis zur Ankunft des Tierarztes im Wagen
zu lassen; die noch lebenden Tiere sollen ab¬
geladen und an einen abgelegenen Ort gestellt
werden.
In Fällen drohender Gefahr für die Ver¬
breitung der Infektion haben die Kreistierärzte
oder deren Stellvertreter sofort die erforder¬
lich scheinenden weiter gehenden Sicherheits-
massregeln zu beantragen. Sie sind befugt,
wenn die Anträge an die Generaldirektion der
Eisenbahn zu richten sind, sich des Eisenbahn¬
dienst-Telegraphen zur Uebersendung der An¬
träge zu bedienen.
f) Die Kreistierärzte und deren Stellver¬
treter haben über alle Vorkommnisse ihrer Kon¬
trolle, namentlich über ihre Visitationen der
Stationen und Desinfektionsplätze ein Dienst¬
tagebuch zu führen. Dasselbe hat der Landes-
tierarzt wenigstens einmal im Jahre zu revi¬
dieren. Dem letzteren stehen den Eisenbahn¬
behörden gegenüber dieselben Befugnisse zu wie
den Kreistierärzten oder deren Stellvertretern.
Uebcr seine Wahrnehmungen hat er an seine
Vorgesetzte Dienstbehörde zu berichten.
2. Diese Bestimmungen werden den Dienst¬
stellen zur strengsten Nachachtung empfohlen.
Hierzu wird auf folgende Punkte besonders auf¬
merksam gemacht:
a) Bei den Revisionen der Desinfektions¬
anstalten durch den Landestierarzt, die Kreis¬
tierärzte oder deren Stellvertreter ist denselben
das Kontrollbuch vorzulegen.
b) Ueber die von den Kreistierärzten oder
deren Stellvertreter erhobenen Anstände und
Bemerkungen, sowie über die von denselben ge¬
machten Verbesserungsvorschläge ist der Ge¬
neraldirektion sofort durch die Betriebsdirek¬
tion Anzeige zu erstatten.
c) Die Stationsvorstände haben sich stets
an den für die betreffende Station zuständigen
Kreistierarzt oder, falls dessen Vertreter näher
wohnt, an diesen zu wenden. Eine Ausnahme
hiervon findet nach Ziffer 1, Absatz e, nur in
den Fällen statt, in welchen Gefahr im Verzüge
und der Kreistierarzt oder dessen Stellvertreter
nicht in kürzester Zeit zu erreichen ist. In
solchen Fällen ist der nächstwohnende appro¬
bierte Tierarzt zu holen, gleichzeitig aber auch
dem zuständigen Kreistierarzte, oder falls
dessen Stellvertreter näher wohnt, diesem hier¬
von Kenntnis zu geben.
Frankreich. Im Anschluss an einen Be¬
richt von Dr. R. Blanchard über eine auf die
Vorbeugung der Echinokokkenkrankheit bezüg-
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112
Fortschritte der Veterin&r-Hygiene.
3. Jahrgang.
liehe Arbeit von Dr. F. Deve hat die Akademie
der Medizin in Paris am 6. Dezember 1904 sich
für die Anordnung nachstehender Massregeln
ausgesprochen (Bullet, de Pacad. de med. 1904
S. 512):
1. Die amtliche Beschlagnahme aller Ein¬
geweide mit Hydatiden und deren Vernichtung
durch Verbrennen in den öffentlichen Schlacht¬
häusern ;
2. Fernhalten der Hunde von den öffent¬
lichen Schlachthäusern durch strenge Regelung
deren Verkehrs;
3. Anbringung von Bekanntmachungen in
öffentlichen und privaten Schlachthöfen, in
denen auf die Gefahr der Verfütterung von mit
Echinokokken behafteten Organen an Hunde
und Katzen hingewiesen wird;
4. die Schlachthäuser auf dem Lande sind
durch Tierärzte unter Berücksichtigung der
Antiechinokokken-Prophylaxe häufig zu revi¬
dieren ;
5. ein Zirkular ist an alle Tierärzte zu
richten, in dem sie unter Hinweis auf die
Pathogenie der Echinokokkose auf die Bedeu¬
tung der preventiven Massnahmen aufmerksam
gemacht werden.
Ferner wurde beschlossen, den Bericht dem
Landwirtschaftsminister und dem Polizei¬
präfekten von Paris zu übersenden.
Deutsches Reich. Im nordöstlichen
Frankreich, nahe der deutschen und belgischen
Grenze, herrscht seit einiger Zeit eine Pferde¬
krankheit, die als ansteckende perniziöse
Anämie bezeichnet worden ist. Die Professoren
Valle und Carre in Alfort haben sich eingehend
mit der Erforschung dieser Seuche befasst und
deren Uebertragbarkeit durch Versuche nach¬
gewiesen. Als Erreger der Krankheit scheinen
kleinste Lebewesen in Betracht zu kommen, die
selbst mit den neuesten technischen Hilfs¬
mitteln zurzeit noch nicht nachgewiesen werden
können.
Nachdem das Auswärtige Amt bereits
durch Veröffentlichung einer Notiz in der
Presse auf die Krankheit aufmerksam gemacht
und vor dem Ankauf von Pferden aus den ver¬
seuchten Gegenden Frankreichs gewarnt hatte,
erging seitens des Reichskanzlers (Reichsamtes
des Innern) ein Rundschreiben an die Regie¬
rungen derjenigen Bundesstaaten, die für die
Einfuhr französischer oder belgischer Pferde
in Frage kommen, worin auf die Gefahr
etwaiger Verschleppungen auf deutsches Ge¬
biet hingewiesen wurde.
Das Grossh. Hess. Ministerium des Innern
hat demgemäss die Grossh. Kreisveterinärämter
mittels Erlasses vom 14. Februar 1905 (Amtsbl.
No. 360) angewiesen, ein wachsames Auge auf
die Angelegenheit zu haben, und beim Auf¬
treten oder beim Verdacht des Auftretens der
fraglicheil Seuche sofort eingehend zu berichten.
Preussen. Reg.-Bez. Gumbinnen. Po¬
lizeiverordnung, betr. Massregeln gegen die
Rinderpest. Vom 12. Mai 1905. (Amtsbl.
S. 169.)
Auf Grund der §§ 137 und 139 des Gesetzes
über die allgemeine Landesverwaltung vom
30. Juli 1883 (Ges.-Samml. jS. 195) in Ver¬
bindung mit den §§ 6, 12 und 15 des Gesetzes
über die Polizeiverwaltung vom 11. März 1850
(Ges.-Samml. S. 265) verordne ich unter Auf¬
hebung der Polizei Verordnung vom 22. Oktober
1889 (Amtsbl. S. 332) hierdurch nach erfolgter
Zustimmung des Bezirksausschusses für den
Umfang des Regierungsbezirks Gumbinnen fol¬
gendes :
§ 1. Zuwiderhandlungen gegen die Be¬
stimmungen meiner, Massregeln gegen die
Rinderpest betreffenden, landespolizeilichen
Anordnung vom 30. März 1905 (Extra-Beil,
z. Amtsbl. St. 13) werden, soweit sie nicht
den Strafbestimmungen des Reichs-Strafgesetz¬
buchs und des Reichsgesetzes, betreffend Zu¬
widerhandlungen gegen die zur Abwehr der
Rinderpest erlassenen Vieh-Einfuhrverbote vom
21. Mai 1878 (Reichsges.-Bl. S. 95 ff.) unter¬
liegen, mit Geldstrafe bis zu 60 Mk., im Un¬
vermögensfalle mit entsprechender Haft be¬
straft.
§ 2. Vorstehende Verordnung tritt mit dem
Tage der Verkündigung in Kraft.
Der Regierungspräsident.
Aegypten. Die Regierung hat, da die
Rinderpest zurzeit fast erloschen ist, die Auf¬
hebung der Erlaubnis der Vieheinfuhr aus ver¬
seuchten Ländern und eine anderweitige Re¬
gelung der bezüglichen Bestimmungen bean¬
tragt. Der internationale Gesundheitsrat hat
darauf in der am 6. Juni 1905 stattgehabten
Sitzung folgenden Beschluss gefasst, womit
der rechtliche Zustand, wie er vor Ausbruch
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Heft 5.
* Fortschritte der Veterin&r-Hygiene.
113
der Rinderpest bestanden hat, im wesentlichen
wiederhergestellt ist:
Neue Massnahmen, betreffend die vom Aus¬
lande eingeführten Haustiere.
1. Das aus verseuchten Ländern wie Klein-
Asien etc. stammende Vieh wird bei Mex
(Alexandrien) oder in Port-Said gelandet und
in den Quarantänestationen abgeschlachtet.
Gleichwohl können die aus verseuchten Län¬
dern stammenden Tiere nach Massgabe des
Fleischkonsums in Kairo unmittelbar zur Ab¬
schlachtung nach dem Schlachthof in Kairo
allein gesandt werden, unter Beobachtung der
hierfür vorgeschriebenen Massnahmen.
2. Das aus Suakim eingeführte Vieh muss
in Suez ausgeschifft und in der Quarantäne
geschlachtet oder unmittelbar zum Schlachthof
in Kairo unter gleicher Bedingung gesandt
werden.
3. Die aus Russland, Mazedonien, Bul¬
garien, Rumänien oder anderen, nicht als ge¬
sund und frei von Seucheverdacht bezeichneten
Ländern stammenden Rinder müssen bei La-
zarat de Chathy (Alexandrien) ausgeschifft
werden, wo sie 5 Tage in Quarantäne zu halten
sind. Sind sie nach deren Ablauf als gesund
bezeichnet, dann können sie direkt nach den
Schlachthöfen von Tanta, Mansoura u. a. unter
den vorgeschriebenen Massnahmen übergeführt
werden.
Referate.
Allgemeine Bakteriologie.
E. Hof Städter. Das Eindringen von Bak¬
terien in feinste Kapillaren. Arch. f.
Hygiene 53, 3.
Verfasser kommt zu folgenden Hauptergebnissen
seiner Versuche:
1. Die Zeit, in welcher ein Filter von einer
bestimmten Bakterienart durchdrungen wird, ist
in hohem Masse abhängig von der Bewegungs¬
fähigkeit und Grösse der betreffenden Bakterienart.
2. Ausser den grossen Boren liesitzen die Klein¬
filter auch solche von grosser Feinheit, deren Vor¬
handensein durch die Anordnung der Bakterien in
gefärbten Präparaten von Zellschliffen bewiesen
wird.
3. Für das Eindringen von Bakterien in feinste,
mit Nährlösung gefüllte Kapillaren bestehen l>e-
stiminte Grenzen; der Unterschied derselben ist
im Vergleich zur Verschiedenheit der Grösse der
angewandten Bakterienarten nur sehr gering.
4. Ein Hiueindrängen der Bakterien in mit
Nährlösung gefüllte Kapillaren, deren Durchmesser
unterhalb der bestimmten Grenzen von 1,6—1,9 p
liegen, findet nicht statt.
6. Für das Einsaugen von Bakterien in leere
Kapillaren bestehen gleichfalls bestimmte Grenzen
von 1,6—2,3 p, unterhalb derer ein Eindringen der
Bakterien nicht melir stattfindet.
6. Die Zeiten, in denen mit Nährlösung ge¬
füllte Kapillaren von Bakterien durchdrungen
werden, sind in hohem Masse abhängig von den
Durchmessern der Kapillaren. Sie werden ferner
wesentlich bestimmt durch die Grösse und Be¬
wegungsfähigkeit der betreffenden Bakterienarten.
7. Unter Einwirkung eines Druckes von 3 Atm.
gelingt es nicht, Bakterien durch Kapillaren hin¬
durchzupressen, durch die sie freiwillig nicht hin¬
durchgegangen sind.
8. Durch Anwendung hoher Drucke von 80
bis 100 Atm. werden die Bakterien durch noch
engere Kapillaren hindurchgepresst als durch
Wasserleitungsdruck. Auch hier bestehen für die
verschiedenen Arten bestimmte Grenzen von 0,6
bis 2,1 p, unterhalb derer ein Hindurchgehen der
Bakterien auf keinen Fall stattfindet. Diese Grenzen
werden in der Hauptsache bestimmt durch die
Grösse der betreffenden Bakterienarten. Durch
Kapillaren unter 0,4 p Durchmesser sind Bakterien
unter keinen Umständen durchzutreiben.
9. Absolut dichte künstliche (Ferrocyankupfer-)
Membranen gestatten den Bakterien auf keinen Fall
den Durchtritt.
10. Das physikalische Verhalten derartiger,
absolut keimdichter Membranen schliesst ihre
praktische Verwertbarkeit für die Filtration aus,
wie ülerliaupt Filter, deren Poren kleiner sind als
die kleinsten Keime, zur Filtration nicht verwendet
werden können, da durch sie Wasser nur unter
Anwendung von hohem Druck hindurchgeht.
Jacob.
Uffenheimer. Die Durchgängigkeit des
Magen dar mkanals neugeborener
Tiere für Bakterien und genuine Ei¬
weissstoffe. M. Med. Wchschft. No. 32.
Im Hinblick auf die Veröffentlichungen v. Beh¬
rings über die Tuberkuloseentstehung macht Verf.
eine vorläufige Mitteilung über die Ergebnisse
seiner Fütterungsversuche.
Bei zahlreichen Fütterungs versuchen mit
Mikrokokkus tetragenus, Milzbrandbacillus (44
Neugeborene), Tuberkelbacillus (36 Neugeborene)
und dem Bae. prodigiosus beim Meerschweinchen
zeigte sich, dass der Magendarmkanal dieses Tieres
auch in der Zeit direkt nach der Geburt für Mi¬
kroben nicht durchgängig ist, mit alleiniger Aus¬
nahme des Tuberkelbacillus. Bei diesem folgte
regelmässig der einmaligen Fütterung, auch von
recht geringen Kulturmengen, die Erkrankung der
Tiere an Tuberkulose. Eine solche trat aber eben¬
so bei alten Meerschweinchen ein; es kommen
lediglich, dem verschiedenen Alter und der ver¬
schiedenen Grösse der Tiere entsprechend, Unter¬
schiede in der zur Infektion nötigen Kulturmenge
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114
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
3. Jahrgang.
in Betracht. Bei den Versuchen mit Milzbrand
bacillen wurden auch stärkst vir ulente Stämme, die
für Kaninchen pathogen waren, verwendet, ebenso
sporenhaltiges Material. Auch die genauesten histo¬
logischen und kulturellen Organuntersuchungen
blieben negativ. Bei den Tuberkelbacillen erfolgte
die Infektion teils von der Mundhöhle aus, teils
vom Magendarmkanal, zumeist vom Processus ver¬
miformis aus. Die Bacillen durchwanderten die
Schleimhaut ohne ihre Integrität zu stören. In
nicht wenigen Fällen trat eine gleichzeitige Tuber¬
kuloseerkrankung an verschiedenen Stellen auf.
Ein Entwicklungsgang der alimentären Meer¬
schweinchentuberkulose, wie ihn v. Behring be¬
schreibt, konnte bei diesen Beobachtungen nicht
gefunden werden.
Die Fütterungsversuche mit gemeinen Eiweiss-
körpem ergaben, dass von einem spezifisch hämo¬
lytischen Serum und von Kuhmilchkasein bei den
neugeborenen Meerschweinchen nichts resorbiert
wurde. Von Hühnereiweiss wurde nur ausnahms¬
weise eine geringe Quantität ins Blut aufgenommen.
Antikörper wurden nach der Verabreichung der
drei beschriebenen Eiweissstoffe nie gebildet.
Bei Fütterung von Diphtherie- und Tetanus¬
antitoxin trat aber bei den neugeborenen, jedoch
nicht bei einem alten, Meerschweinchen ein Ueber-
gang kleiner Mengen in das Blutserum auf.
Aus diesen Untersuchungen ergab sich also
die Regel, dass beim neugeborenen Meerschwein¬
chen im allgemeinen weder Bakterien noch ge¬
meine Eiweissstoffe von der Mage n darmschleim-
haut aufgenommen werden, mit Ausnahme der
Tuberkel bacillen und der Antitoxine. Kontroll-
versuclie beim neugeborenen Kaninchen zeigten,
dass hier regelmässig der Uebergang von Bacillus
prodigiosus und von Hühnereiweiss in ziemlich
ansehnlichen Mengen erfolgte.
Es ist also der exakte Beweis geliefert, dass
der Intestinaltraktus des neugeborenen Meer¬
schweinchens sowohl den gemeinen Eiweiss¬
körpern wie den Bakterien gegenüber ein anderes
Verhalten zeigt, wie der des Kaninchens und anderer
entfernter Tierarten. Histologisch gleicht nach
den Versuchen des Verfassers die Magenschleim-
liaut des neugeborenen Meerschweinchens der des
älteren Tieres ausserordentlich; ein Unterbrochen¬
sein der Schleimschicht, wie Disse es beschreibt,
hat Verf. nie feststellen können. Jacob.
K. Helly. Versuche über Exsudatzellen
und deren Beeinflussung durch Bak¬
terien. Ctbl. f. Bakt. 39, 1.
Verf. hat schon in einer früheren Arbeit Unter¬
suchungen angestellt über den Einfluss von dem
Organismus einverleibten Infektionserregern auf die
weissen Blutkörperchen und hat dabei funktionelle
und degenerative Veränderungen gefunden, Auf¬
treten phagocytärer Tätigkeit, Vakuolisierung und
Kernteilung, Entartung der Granula. Amphopliile
Leukocyten und Lymphocyten unterscheiden sich
durch die Art ihrer Tätigkeit und durch ihre
degenerativen Veränderungen. Auch besteht eine
spezifische Verschiedenheit der Lymphocyten und
Leukocyten, eine Artgleichheit der Exsudatzellen
mit den im strömenden Blut nachweisbaren Formen
weisser Blutkörperchen.
Eines der interessantesten Ergebnisse war das,
dass verschiedene Bakterien an den Exsudatzellen
auch verschiedene Veränderungen hervorbringen.
Es war die Frage, ob diese morphologischen Ver¬
änderungen und ilrre Unterschiede spezifischen
Bakterientoxinen zuzuschreiben sind, oder ob sie
Folge von Wirkungen sind, die etwa von Stoff¬
wechsel- und Zerfallsprodukten ausgingen, die in
den Exsudaten zur Entwicklung kamen. Im erstcren
Fall lägen biologische, im letzteren mechanische
Wirkungen vor. Nach Versuchen von Denys.
v. d. Velde, Bail, Neisser und Wechsterv ist es
möglich, durch Immunisierungsverfahren die sonst
im vitalen Präparate durch Zusatz von Staphy-
lotosein eintretenden Leukocytenveränderungen
hintanzuhalten. Verf. wiederholte diese Versuche
aber am lebenden Tier, indem er sterilisiertes
Aleuronat in bakterienfreiem Infiltrat von Bouillon-
kulturen zur Aufschwemmung brachte und intra-
pleural injizierte. Es wurden Filtrate von Staphy¬
lokokkenkulturen, Diphtherie- und Pneumonie¬
bacillen (Friedländer) verwendet.
Die Injektion des Staphylokokkenfiltrates er¬
gab charakteristische Veränderungen der Leuko¬
cyten, die aber ausblieben, wenn das Tier mit
subkutanen Injektionen von Staphylokokkenfiltrat
vorbehandelt war. Man kann dies in dem Sinn
deuten, dass die Immunisierung eine Aufhebung
der leukocytenßcliädlichen Wirkungen des Filtrates
zur Folge hatte. Bei einem Staphvlokokkenimmun-
tiere, dem eine nicht sterile. al>er keine »Staphylo¬
kokken enthaltende Aleuronatfiltratmischung ein¬
gespritzt worden war, trat ein Exsudat auf, dessen
Zellen deutlich geschädigt, waren, wobei aber das
charakteristische Blasigwerden der Zellen ganz
fehlte, ebenso die im steril injizierten Immuntiere.
Es ist also die Schädigung nicht auf das Filtrat,
sondern auf die in der Mischung enthaltenen
Keime zurückzuführen.
El>enso zeigten sich auch bei Versuchen mit
Diphtherietoxin charakteristische Veränderungen,
die nach Immunisierung des Tieres ausblieben.
Auch bei Kombination der Versuche traten ent¬
sprechende Ergebnisse zutage. Es wurden »Staphylo¬
kokkenimmuntieren Aleuronataufschwemmungen in
einem Gemenge von Staphylokokken- und Diph¬
theriefiltrat injiziert, el>enso einem Diphtherie¬
immuntier. Bei ersterem Versuch beherrschte die
Diphtheriewirkung das histologische Bild des Ex¬
sudates. bei dem andern die Staphylokokken¬
wirkung.
Was das Verhalten der Exsudatzellen selbst
betrifft, ist anzunehmen, dass dieselben in deu
verschiedenen Teilen ihres Zellleibes verschieden
reagieren, je nachdem das eine oder das andere
Toxin auf sie wirkt. Man sieht bald das Zell-
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Heft 5.
Fortschritte der Veteri n&r-Hygiene.
115
protoplasma, bald den Kern, bald die Granula als
besonders geschädigten Bestandteil auftreten. Es
liegt nahe, anzunehmen, dass gleicherweise auch
die verschiedenen Funktionen der Leukocvten in
verschiedenem Masse beeinflusst werden.
Jacob.
W. Rosenthal. Versuche über die Erzeu¬
gung hochwertiger Ag g 1 u t i nat i o n s -
sera und über die Beziehungen zwi¬
schen Bakterien und Agglutinin.
Physik. Mediz. Ges. Erlangen, Ref. im Ctbl. f.
Bakteriologie. B. 36, 14—17.
Um ein Typhusbacillen stark agglutinierendes
Kaninchenserum ohne Injektion lebender Bakterien
zu erhalten, injizierte Verf. Aufschwemmungen
24 ständiger Agarkulturen in 1 o/o Formalin. Die
Injektionen erfolgten alle 10 Tage zuerst subkutan,
dann intravenös (l/ 6 Agarkultur). Es konnten in
4—6 Wochen Agglutinationswerte von 1:10 000 bis
1:30000 erzielt werden. Ein Parallel versuch mit
jungen Tieren eines Wurfes zeigte, dass mit den
formolisierten Bakterien ebenso hohe Agglutina¬
tionswerte wie mit lebenden zu erreichen waren,
bei besserem Befinden des Versuchstieres. Mit Bak¬
terien, die durch Erhitzen auf 61—64° abgetötet
waren, gelang es nicht, so hohe Agglutinations-
werte in der gleichen Zeit zu erzielen; vielleicht
sind Bakterien, die nicht über 61 0 erhitzt waren,
den Formolbakterien gleichwertig.
Die Versuche über die quantitativen Beziehun¬
gen zwischen Bakterien und Agglutinin stellte Verf.
in der Weise an, dass er nach Proeschers Vorschrift
hergestellte, formolisierte Bouillonkulturen derart
mit mehreren Reihen Serumverdünnungen ansetzte,
dass in den einzelnen Reihen die ein- bis dreifache
Bakterienmenge im Volum enthalten war. Die
Proben wurden in engen Röhrchen bei mindestens
40 0 gehalten und makroskopisch mit der Lupe
21 Stunden lang beobachtet.
Bei Vergleich der Endresultate nach 21 Stunden
zeigte sich die Agglutinationsprobe um so emp¬
findlicher, je weniger Bakterien zugesetzt waren
und zwar waren die Verdünnungsgrenzwerte an¬
nähernd umgekehrt proportional der Bakterien¬
menge. Es besteht also eine quantitative Beziehung
zwischen der Agglutininmenge und der Bakterien¬
masse, die von der Verdünnung ziemlich unab¬
hängig ist.
Dies gilt aber nur für die Beobachtung nach
vielen Stunden; nach der ersten halben Stunde war
tatsächlich nur die Serumverdünnung, nicht die
Menge der zugesetzten Bakterien für das Ergeb¬
nis entscheidend.
Man kann also bei den üblichen, zu diagnosti¬
schen Zwecken angestellten Agglutinationsproben,
die nach ca. 2 Stunden abgeschlossen sein sollen,
auf eine genaue Dosierung der Bakterienmasse
verzichten. Wenn man aber längere Zeit be¬
obachten und den Agglutinationswert genau be¬
stimmen will, dann darf man nur solche Versuche
miteinander vergleichen, bei denen genau die gleiche
Menge toter Bakterien zugesetzt war.
In einem anderen Versuche über den Ueberschuss
des gebundenen Agglutinins über das zur völligen
Agglutination nötige, wurde nach 24 Stunden bei
einer Doppelreihe von Verdünnungen, bei denen
die zugesetzten Bakterienmassen sich wie 1:3 ver¬
hielten, aus all den Röhrchen, in denen vollständige
Klärung eingetreten war, die gleiche Menge klarer
Flüssigkeit abpipettiert und von neuem mit einer
kleinen Menge Bakterienbouillon angesetzt und ab¬
gewartet, in welchen Proben nach 24 Stunden noch
vollständige Agglutination eintrat. Aus dem Ver¬
gleich des ersten und zweiten Versuchs ergab sich,
dass die Bakterien in beiden Parallelreihen min¬
destens die 14fache bezw. 12,3fache Agglutinations-
menge gebunden hatten, die zu ihrer vollständigen
Agglutination ausreichte. Jacob.
Lewaiidowtky. Ueber das Wachstum von
Bakterien in Salzlösungen vonhoher
Konzentration. Archiv für Hygiene. Bd. 49.
Während gewöhnlich als höchster Kochsalz¬
gehalt der Nährmedien, bei dem noch Bakterien-
wachstum beobachtet werden konnte, ein solcher
von etwa 15% galt, vermochte Verf. durch seine
Versuche nachzuweisen, dass sich gewisse Bakterien
noch bei einem Gehalt von 25 Teilen Kochsalz zu
100 Teilen Bouillon vermehrten. Weiterhin beob¬
achtete Verf., dass die Kalisalze die Bakterien
weniger schädigten als die Natriumsalze, ln kon¬
zentrierter Salpeterbouillon fand üppige Bakterien-
Vermehrung statt. Profö.
Maurice Boigey. Hebers, g. acidophile Bak¬
terien. Arcli. (len. de Med. 1905, No. 48.
Die Säurefestigkeit wurde früher als eine fast
ausschliessliche Eigenschaft geringer Menge von
Bacillen, vor allem aber des Kochschen Bacillus
betrachtet. Schon im Jahre 1881 aber entdeckte
Lustgarten viele acidophile Mikroben; ähnlich ist
es Koch und Petri gelungen, dieselben in Milch
und Butter zu finden. Die Forschungen von Ra-
binowitsch, Korn, Coggi u. a. haben neuerdings
sechszehn Abarten von diesem Bakterientypus ent¬
deckt. B o i g e y fand sie in allerlei Stoffen und
nämlich: im Sputum bei Pneumonia gangraenosa,
in den Ausleerungen bei Disentherie, im Konjunk-
tivalsclileim bei croupöser Lidsackentzündung, im
Eiter bei Mittelohrentzündung und Balanitis,
schliesslich in der Milch, Butter und im Käse.
Die Anwesenheit dieser Bacillen in den oben¬
genannten Substanzen kann wegen ihrer morpho¬
logischen Aehnlichkeil und Süurefcstigkeit, falsche
Diagnose der Kochschen Bacillen verursachen, um
so mehr als auch die pathologischen, durch säure¬
feste Bakterien hervorgerufenen Veränderungen,
denen durch den Tb.-Bacillus bedingten sehr
ähneln. Es gibt al>er drei Merkmale, auf Grund
deren die säurefesten Mikroben vom Tb.-Bacillus
leicht unterscheidbar sind: 1. Die Kulturen der
acidophilen Bakterien gedeihen auf allen Nähr¬
böden bei Zimmerwärme; 2. wenn man das mikro-
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116
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
3. Jahrgang«
skopische Präparat der acidophilen Bakterien vor
dem Abfarben mit heissem Wasser, Chloroform
oder Aether behandelt, verlieren diese Bacillen
ihre Säurefestigkeit fast gänzlich; 3. Serum, wel¬
ches die Tb.-Bacillen agglutiniert, zeigt keine dies¬
bezügliche Wirkung auf acidophile Bakterien.
Auf Grund obiger Betrachtungen gelangt Verf.
zur Ueberzeugung, die acidophilen Bakterien seien
nur verschiedene Abarten einer und derselben Bak¬
terienspezies, deren bekanntester Repräsentant der
Tb.-Bacillus ist. Baczynski.
Zieler. Zur Färbung schwer färbbarer
Bakterien (K o t z b a c i 11 e n etc.) in
Schnitten der Haut und anderen
Organen. Ctbl. f. allg. Pathol. B. 14. No. 14.
Verf. empfiehlt folgendes, von ihm erprobtes
Verfahren zum Nachweis der Rotzbacillen, Typhus¬
bacillen, Gonococcen etc. im Gewebe: 1. Fixierung
und Färbung (beliebig) Paraffineinbettung oder
Entfernen des Celloidins vor dem Färben*;
2. Färben über Nacht in der von V. Trauter an¬
gegebenen schwachen Orceinlösung: Orcein D
(Grübler) 0,1; Offiz. Salpetersäure 2,0; Alkohol
70 o/o 100,0; 3. Abspülen in 70 o/ 0 Alkohol; 4. Wasser;
5. Färbung in polychromem Methylenblau; 6.
destilliertes Wasser; 7. Differenzieren in Glyzerin-
Aethergemisch (Grübler); 8. destilliertes Wasser;
9. Alkohol 70 o/ 0 , Alkohol absol., Nylol, Balsam.
Auf diese Weise wird eine schwache Färbung
der Kernsubstanz erzielt. Das Protoplasma zeigt
eine dunkel-hellblaue Farbe. Der Untergrund er¬
scheint farblos oder höchstens leicht braun ge¬
färbt. Rotzbacillen und Gonococcen sind dunkel- bis
schwarzblau, Typliusbacillen rötlich violett gefärbt.
Die Mikroorganismen heben sich demnach deutlich
von dem hellen Untergründe ab. Die so behandelten
Schnitte besitzen eine genügende Alkoholfestigkeit.
Jacob.
Kern. Ein neues Baktcrienfiltcr. (Ctbl.
f. Bakt. 39, 2.)
Die Anregung zur Konstruktion die.-es Filtcis
entstammt demselben Prinzip, auf Grund dessen
Verf. das Reichelsehe Filter verbesserte. Das Filter
t>esteht aus einer Porzellanschale, deren Boden in
der Mitte durchlocht ist. Uebcr dem Loche ist
die Filterkerze, deren blindes Ende hinauf, da*
offene an dem Loche am Boden endet und einer
Einstülpung des Bodens gegen das Lumen der
Schale ähnlich ist. Unter dem Schalenboden ist
ein Ansatzrohr, das in das Lumen der Kerze führt.
Schale, Kerze und Ansatzrohr sind in einem Stück
aus Ton gearl »eitet, Schah* und Ansatzrohr sind
mit Glasur ül»erzogen.
Während die Schale die zu filtrierende Flüss'g-
keit auf nimmt« dient das Ansatzrohr dazu, um mit
ihr mit Hilfe eines Gummistöpsels das Filter dem
Halse einer Vakuumflasche aufsetzen zu können,
in welch letztere sich das Filtrat aus der Ton¬
kerze durch die Ansatzröhre entleert. Das Lumen
der Röhre ist so weit gehalten, dass mittelst einer
Bürste die Filterkerze von innen gut zu reinigen
ist. Dabei aber ist die Röhre selbst nicht zu dick,
um sie mittelst eines durchlochten Gummistöpsels
gewöhnlichen Vakuumflaschen aufsetzen zu können.
Die Tonkerze ist oben abgerundet, ihr Scheitel¬
punkt liegt unter dem Schalenniveau, ihr Lumen
ist bloss durch das Ansatzrohr mit der Aussen-
welt bezw. beim Filtrieren mit der Vakuumflasche
verbunden.
Die Vorteile, die dieses Filter andern gegen¬
über bietet, sind folgende:
1. Es hat nur eine und leicht zu bewerk¬
stelligende Dichtung, jene zwischen Filter und
Vakuumflasche.
2. Es besteht nur aus einem Tonstück und
einer Gasglocke, die beide leicht mechanisch ge¬
reinigt und sterilisiert werden können.
3. Wenn das Filter auch nicht ganz gefüllt
ist, so kann die Luft doch nicht die Kerze durch¬
ziehen und das Vakuum verringern.
4. Es filtriert auch dann die ganze Kerzen¬
masse, wenn verhältnismässig nur wenig Flüssig¬
keit in der Schale ist; es ist also zum Filtrieren
kleinerer Quantitäten ebenfalls geeignet.
6. Der Preis ist geringer.
Das Filter ist von der Firma F. & M. Lauten¬
schläger in Berlin ausgeführt und kostet mit Glas¬
glocke 10,50 Mk. Jacob.
Immunität und Schutzimpfung.
Sacconaghi. Leukocytose, leukocyten-
bildende Organe, Immunität. Societä
editr. Milano, Ref. d. M. Med. Wchschft. No. 29.
Verf. l>ehandelt in einer längeren Abhandlung
die Leukocytose, die Leukocvtenbilduug und das
Verhältnis derselben zur Immunität und Anti¬
körperbildung. Als Versuchstiere benutzte er Ka¬
ninchen, die deshalb besonders geeignet sein sollen,
weil ihr Blut und ihre blutbildenden Organe denen
des Menschen am nächsten stehen. Als Injektions¬
substanz dienten die aus Pferdeserumalbunin mittels
schwefelsaurem Ammoniak gefüllten Präcipitine.
Verf. kommt zu dem Ergebnis, dass dem
Knochenmark die Bildung der Antikörper zukommt.
Während die älteren hämoleukocytischen Elemente
zerfallen, sind es die jüngeren myeloleukocytisclien,
die energisch reagieren und Antikörper bilden.
Die medulläre Hyperplasie zeigt sich langsam
und sehr schrittweise vor allem in einer Ver¬
mehrung der myelocytischen Elemente und die
Leukocytose erscheint, und zwar intensiv gleich
von Beginn an, mit einer Vermehrung der hämo¬
leukocytischen Formen. Es ist aber mit der Ver¬
mehrung dieser Formen keine Immunitätserschei¬
nung verbunden, während die Immunität gebunden
erscheint an eine vorwiegend Myeloleukocyten er¬
zeugende Hyperplasie des Knochenmarks.
Die Verteidigungskräfte des Organismus müssen
indirekt zur Proliferation dieser jungen Formen
beitragen; nachdem die Hämoleukocyten kaum ihr
erstes Jugendstadium durchlaufen haben, müssen
sie schon als unbrauchbar gewordenes Material an
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Heft S.
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
das Mark gelangen und von diesem, das genötigt
ist, sich immer neue Kräfte zu verschaffen, ver¬
arbeitet werden. So hat man auch eine Erklärung
für die intensive Leukoeytose gleich im Begimi,
wie für die entsprechende Verminderung der hämo-
leukocvtischen Formen von dem Augenblick an,
wo die myelocytisehe Hyperplasie des Knochen¬
marks l>eginnt und das Phänomen der Immunität
erscheint. Jetzt sind die häinoleukocytischen
Elemente wie die myelocytischen vermehrt, aber
es ülierwiegen die letzteren ülx?r die ersteren. Auch
die Megakarocyten Bizzozeros finden sich propor¬
tional der allgemeinen Hyperplasie vermehrt und
vielleicht in noch höherem Grade; besonders reich¬
lich sind die Lcukocytenformen, die in ihrem
Protoplasma sich eingeschlossen finden.
Jacob.
S. Capellani. Dell’azione protettiva dei
leucociti contro i vileni batterici.
La Rif. med. 1903 No. 19.
Verf. wollte feststellen, ob die Leukocyten den
giftbindenden Faktor darstellen, ob ferner der
tierische Organismus den Leukocyten seine Wider¬
standsfähigkeit gegen die Einwirkung bakterieller
Gifte verdankt und in welcher Weise diese Ele¬
mente ihre Wirksamkeit entfalten.
Die Versuche wurden mit Diphtherietoxin an
Meerschweinchen angestellt. In einer ersten Reihe !
von Versuchen hat Verf. durch Injektionen von
Staphylocoeciis aureus Entzündungen unter der
Haut hervorgerufen und in die entzündete Stelle
das Gift in der für Meerschweinchen bestimmten
minimalen letalen oder auch in grösserer Dosis
injiziert. Die Tiere blieben am Leben. Um jeden
Zweifel auszuschliessen, dass etwa die Eiter- ,
erreger oder ihre Stoffwechselprodukte das injizierte
diphtherische Toxin hätten binden können oder zer- j
stören, verwandte Verf. zur Erzeugung lokaler Ent- ‘
ziindungskerde Terpentinöl und Milchsäure und ;
injizierte danach das Gift. Das Ergebnis war immer
dasselbe.
Wurde das Toxin nicht an derselben Stelle,
sondern an einem andern Punkte des Körpers in¬
jiziert, so trat der Tod wie bei den Kontroll-
tieren ein.
Es war die Frage zu lösen, ob diese ver¬
mehrte Resistenz einer verringerten Resorption oder
einem andern Faktor zuzuschreiben war. Verf.
injizierte daher Aleuronat in die Bauchhöhle der
Meerschweinchen und dann das Toxin. Auch diese
Tiere blieben am Leben.
Auf Grund dieser Ergebnisse glaubt Verf.
schliessen zu können, dass die Leukocyten nicht
allein die Fähigkeit besitzen, den tierischen Or¬
ganismus gegen eine Invasion von Mikroorganismen
zu schützen, sondern auch die Wirkung von che¬
mischen und bakteriellen Giften zu vernichten.
Diese Eigenschaft soll nach der Ansicht des Verf.
besonders den eosinophilen Zellen zukommen, da
diese eine Substanz enthalten, die in besonderer
117
Weise auf bakterielle Toxine reagiert und deren
Wirkung aufhebt. Jacob.
Turro u. Suner. Der Mechanismus der
natürlichen I m m u n i t ä t auf physio¬
logischer Grundlage. Ctbl. f. Bakt. 39.
1 u. 2.
Die Verff. stellen ihre Hauptgesichtspunkte und
Ergebnisse in folgenden Schlussbemerkungen' zu¬
sammen :
Die Injektion mit Kochsalzlösung in grossen
Dosen steigert die Widerstandskraft des Kaninchens
gegen Milzbrand oder Streptokokkeninfektion. Das
gleiche dürfte bei andern Infektionen der Fall
sein. Die Kochsalzinjektionen machen im Zell¬
plasma eine Menge Alexine frei, die die bakterizide
Kraft der Flüssigkeiten steigern und das Plasma
unter Bedingungen stellen, die im Falle einer ge¬
steigerten Löslichkeit der Plasmen den Organ¬
widerstand steigern. Wir folgern also daraus,
dass die Plasmen aller Organe in vitro bakterizid
wirken, vorausgesetzt, dass sie in Lösung gehen.
Es ist dies ein so überaus klares Faktum, dass
wir eine experimentelle Widerlegung für unmög¬
lich halten. Auch die Steigerung des Organ Wider¬
standes erklärt sich dann zur Genüge aus der
plasmolytischen Wirkung der Kochsalzinjektion.
Im Organismus kommen ähnliche Vorgänge vor.
wie in vitro bei Maeeratiou der Milzpulpa oder
des Nierenparenchyms, die nur dann eine bakterio-
lytische Tätigkeit entfalten können, wenn sie lös¬
lich sind. Die natürliche Immunität — worunter
wir den Gesamtwiderstand verstehen, den der
Organismus einer Infektion entgegenstellt, nicht
bloss sein refraktäres Verhalten — wird in letzter
Linie verursacht durch den Mechanismus, der die
Löslichkeit, und damit die Aktivität der mit bak-
teriolytischen Eigenschaften ausgestatteten Plas¬
men besorgt. Das Meerschweinchen bildet für
den Milzbrand einen nicht gerade guten Nährboden.
Es setzt der Einwirkung des gefährlichen Parasiten
einen schwachen al)cr nachdrücklichen Widerstand
entgegen. Schon stärker ist dieser beim Kaninchen.
Er wächst beim Rinde und steigt graduell beim
Ochsen und lieim Menschen und erreicht seinen
Höhepunkt beim Hunde. Der geschilderte Grad
der Immunität, resp. die Verteidigungsmittel des
Organismus sind im Grunde genommen abhängig
von der bakteriolvtiscben Kraft der Zelle, und
diese Kraft steht in direktem Verhältnis zur Lös¬
lichkeit: Wenn ein Gewebe seine Konsistenz ver¬
mehrt, dergestalt, dass seine Enzyme nur wenig
diffusionsfällig sind, so verringern sich seine Ver¬
teidigungsmittel; gerinnt es ganz, so sind sie gleich
Null und das Gewebe bleibt schutzlos. Wenn da¬
gegen nichts die osmotische Kraft des Zellplasmas
einschränkt, wenn es mit Leichtigkeit an die
Körpersäfte mit proteolytischen Eigenschaften aus¬
gestattete Substanzen abgibt, so werden sich nur
schwer Infektionserreger ansiedeln in den Geweben
und sich nur schwer in den Flüssigkeiten ent¬
wickeln können, wenn nur die bakteriziden Kräfte
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118
3. Jahrgang.
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
in direktem Verhältnis zur physiologischen Energie
der Stammzellcn stehen. So sehen wir denn, dass,
wenn man künstlich die Löslichkeit des Kaninchen¬
plasmas steigert, das Tier sich, solange der experi¬
mentelle Eingriff vorhält, dem Milzbrand gegenüber
wie der Hund verhält. Ist die Wirkung des Ein¬
griffs erloschen, so unterliegt das Kaninchen,
während der Hund ausserordentliche Verteidigungs¬
mittel besitzt, leicht, indem es wieder seinen
normalen physiologischen Tonus einnimmt.
Im Grund genommen, ist der Mechanismus
der natürlichen Immunität gerade das Gegenteil
vom Mechanismus der Infektion; es sind zwei ganz
entgegengesetzte Prozesse, denn der Organismus
wird infiziert durch seine Koagulationsfähigkeit
und verteidigt sich durch sein Lösungsvermögen.
Jacob.
J. Schnürer. Zur präinfektionellen Im¬
munisierung der Hunde gegen Lyssa.
Ztscht. f. Hyg. B. 51, 1.
Von 25 Hunden, die in verschiedener Menge
virulentes Material subkutan erhalten hatten, starb
ein Hund an Impflyssa (paralytische Lyssa); er
hatte allerdings die sehr grosse Menge von 1,8 g
Mark erhalten, die durch die beigegebene Immuni¬
sierungsdosis offenbar nicht genügend abgeschwächt
worden war. Vier Hunde, die die gleiche Dosis
erlialten hatten, blieben gesund. Drei Hunde
starben, ohne auf ihre Immunität geprüft zu sein.
Der eine an Tänien, der zweite an Pyämie, der
dritte an Hydrocephalus. Von den übrigen 21
Hunden wurden 14 der sulxluralen Infektion (8
mit Virus fixe, 6 mit Strassenwut), 3 der intra¬
muskulären (2 mit Strassenwut, 1 mit Virus fixe),
2 der intramuskulären und später der subduralen
Infektion stets mit Strassenwut unterworfen, 2
Immunhunde wurden den Bissen wütender Hunde
ausgesetzt.
Von den 8 subdural mit Virus fixe infizierten
Hunden starben 6. Davon 2 am Tage nach der
Infektion, so dass ihre Immunität zweifelhaft blieb;
einer am 7. Tage, ohne dass sein Gehirn infektiös
war. Vielleicht hat die Staupepneumonie, verbunden
mit allgemeiner Kachexie das Zustandekommen der
Immunität verhindert. Bei einem Hund war aviru¬
lentes Mark verwendet worden, ein anderer war
sehr jung (nur 4 Wochen alt). Von den 6 mit
Strassenwut subdural geprüften Tieren starb nur
ein junger, 4 Wochen alter, die übrigen blieben
refraktär. Von den übrigen Tieren starb keines.
Wenn nun auch vom streng wissenschaftlichen
Standpunkte die Prüfung der Verlässlichkeit der
Immunisierungsmethode gegen Lyssa die Unemp¬
fänglichkeit der Immunhunde auch gegen sub¬
durale Infektion gefordert werden , muss, welcher
Forderung in den vorliegenden Untersuchungen in
14 Fällen mit 7 Todesfällen entsprochen wurde,
so ist andererseits jedoch auch schon die Immu¬
nität gegen intramuskuläre Infektion, wie sie bei
5 Hunden zur Anwendung kam, sicherlich für
praktische Zwecke ausreichend, da ja die experi¬
mentelle Infektion durch mehrere Kubikzentimeter
dicke Markemulsion tief in die Muskeln injiziert
die natürliche Infektion an Menge des Materiales
weitaus übertreffen dürfte. Ausserdem haben auch
2 Hunde, die bereits die intramuskuläre Infektion
überstanden hatten, späterhin sich refraktär auch
gegen die subdurale Infektion erwiesen.
Was nun die Dauer der Immunisierung und
die Zahl der Einzelimpfungen anbelangt, so waren
von den 2 gegen die subdurale Infektion mit Virus
fixe refraktären Hunden einer durch 40 Tage mit
28 Einzelimpfungen, der 2. jedoch nur einer ein¬
tägigen Behandlung mit einer Einzelimpfimg unter¬
zogen worden. Die 5 gegen subdurale Impfung
mit Strassenvirus refraktären Hunde waren, eben¬
so wie die gegen intramuskuläre und spätere sub¬
durale Infektion und auch die gegen Wutbisse
refraktären nur ein einzigesmal injiziert worden.
Nur ein intramuskulär geprüfter und immun be¬
fundener Hund hatte eine 40 tägige Impfung mit
28 Einzelimpfungen durchgemacht.
Die Richtung, in welcher die weiteren Ver¬
suche vorzunehmen sind, um das angestrebte Ziel,
eine möglichst einfache, sichere und gefahrlose
Immunisierungsmethode der Hunde gegen Lyssa
zu finden, ist nach den vorliegenden wenigen Ver¬
suchen klar vorgezeichnet. Nach dem Prinzip der
kombinierten Methode soll ein Verfahren ausge¬
arbeitet werden, das unter Benutzung entsprechend
hochwertigen Serums und unter Berücksichtigung
der dem Körpergewicht, evtl. Alter und Rasse ent¬
sprechenden Menge virulenten Markes den Hun¬
den einen sicheren Schutz gegen subdurale und
intramuskuläre Infektion verleiht. Jacob.
E. Bertarelli. Ueber aktive und passive
Immunisation der Neugeborenen und
S ä u g linge durch die Verdauungs¬
organe. C. f. Bakt. B. 39, 3.
Verf. legte sich folgende Fragen vor: Gibt
die aktive und passive Immunisation durch den
Magendarmkanal beim Neugeborenen und Säugling
wirklich bessere Resultate als beim Erwachsenen !
Ist es demnach vom biologischen Gesichtspunkte
aus gestattet, auf eine solche Immunisations-
methode Hoffnungen zu bauen?
Bei der aktiven Immunisation ist ein wich¬
tiger Umstand des Alters des Tieres in Beziehung
zu den einzelnen Gattungen, denn die fortschrei¬
tende Entwicklung des Magendarmkanals und die
Funktion desselben ist bei den verschiedenen Tier¬
arten in genau dersellien Lebensperiode verschieden.
Zu den Versuchen wurden vor allem Hunde ver¬
wendet und lebende und tote Kulturen von Typhus¬
bacillen. Es zeigte sich nun in der ersten Ver¬
suchsreihe, dass die neugeborenen Hunde keine
Agglutinin« zu bilden vermögen, und dass eine
merkliche Bildung von agglutinierenden Anti¬
körpern erst nach 4—5 Tagen beginnt. Bei den
Säuglingen hat man unter gegebenen Verhältnissen
eine etwas höhere Agglutininbildung als bei den
Erwachsenen.
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Heft 5.
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
119
Aehnliche und gleichartige Versuche wurden
zwecks Immunisat ion erwachsener und neugeborener
Tiere gegen Zellelemente ausgeführt. Es dienten
dazu Hunde und Kaninchen und als Immunisations-
element Blutkörperchen von Hühnern. Bei neu¬
geborenen Kaninchen waren sehr viele Versuche
nötig, ehe es gelang, einige der behandelten Tiere
am Leben zu erhalten. Es zeigte sich nun, dass
die Bildung der hämolytischen Antikörper (Ambo¬
zeptoren) sowohl bei Hunden als auch bei Ka¬
ninchen in den ersten Lebenstagen nicht statt¬
findet, sondern anscheinend erst gegen den vierten
oder fünften Tag beginnt, und wahrscheinlich
rascher bei den Hunden als bei den jungen Ka¬
ninchen vor sich geht. Späterhin wächst dieses
Vermögen in einer Weise, dass gegen den 15.—20.
Tag darin kein grosser Unterschied mehr wahr-
zunehmen ist im Vergleich mit den erwaclisenen
Tieren. Unter den Säuglingen lässt sich schliess¬
lich während der ganzen Milchperiode kein be¬
sonderer Zeitpunkt ausfindig machen, in dem das
Antikörperproduktionsvermögen erhöht wäre. Wenn
dann doch ein kleiner Unterschied existiert, so
kann er angesichts der angewandten Verfahren über¬
gangen werden.
Eine andere Versuchsreihe über passive Iinmu-
nisation ergab folgendes: Bei allen dem Versuch
Unterworfenen Tieren gelingt die passive Immu-
nisation durch den Magendarmkanal nur schlecht,
denn es bedarf zuweilen enormer Quantitäten Agglu¬
tinineinheiten, um im Blute der Tiere ein äusserst
spärliches Agglutinationsvermögen zu erhalten.
Individuelle Variationen haben überdies eine
grosse Bedeutung für das Ergebnis der passiven
Immunisation. Einzelne Tiere bieten mit einer
relativ niedrigen Zahl A. E. ein stärker agglu¬
tinierendes Serum, als andere Tiere, bei denen
grosse Agglutininquantitäten eingeführt wurden.
In den verschiedenen Altersstufen fällt die
passive Immunisation auf dem Verdauungswege
allgemein schlecht aus, doch beobachtet man bei
den Neugeborenen (was bei den Hunden mehr zu¬
tage tritt), eine leichtere Agglutininaufsaugung.
In der Stillungsperiode und nach den ersten Lebens¬
tagen scheint diese Absorption nicht mehr eben¬
sogut vor sich zu gehen. Zweifellos ist, wenn man
alle Experimentationsverhältnisse in Betracht
zieht, das praktische Ergebnis wenigstens hinsicht¬
lich der Passage des Agglutinins in die Blutbahn
bei diesen Säuglingen nicht viel grösser als bei
den erwachsenen Tieren.
Alles in allem findet also nur in den ersten
Lebenstagen eine leichtere Absorption der Agglu-
tinine durch den Magendarmkanal statt.
In einer weiteren Versuchsreihe hat Verf. Hün¬
dinnen und weibliche Kaninchen, die ungefähr zur
selben Zeit gedeckt worden waren, vorsichtig mit
Typhus inokuliert. Nach erfolgter Geburt wurde
das Agglutinationsvermögen des Serums und der
Milch der immunisierten Mütter geprüft und so¬
dann auch das der von ihnen geworfenen Jungen.
Ein kleiner Teil der Jungen wurde dann den Müttern
gelassen, ein zweiter Teil nicht immunisierten
Müttern gegeben und der Rest mit Saugflaschen
gestillt. Ausserdem wurden an die Brust der immu¬
nisierten Mütter auch einige von anderen, nicht
immunisierten Müttern geworfene Junge gegeben.
Bei den Kaninchen gelang der Versuch niemals
vollständig, bei den Hunden fiel er aber dreimal
ziemlich gut aus.
Die Ergebnisse waren folgende: Die mit von
Natur agglutininreicher Milch genährten Säuglinge
saugen diese Agglutinine leicht auf und weisen
sie im Blut auf. Die unter diesen Verhältnissen
praktizierte passive Immunisation ist wirksamer
als diejenige, die dadurch erhalten wird, dass den
Säuglingen auf dem Verdauungswege auch von der¬
selben Tierart kommendes agglutinierendes Serum
eingegeben wird. Für ein absolutes Urteil fehlt
noch die Kenntnis, wieviel Milch von einem Jungen
in 24 Stunden eingesaugt wird. Ohne diese Kennt¬
nis ist ein genauer Vergleich mit den Tieren, bei
denen agglutinierendes Serum verabreicht wurde,
nicht möglich. Doch ist die Quantität A. E. in der
Milch so niedrig, dass man, trotzdem die Kennt¬
nis von dem Werte der totalen eingeführten A. E.
fehlt, annehmen kann, dass dieser Wert nicht den
verschiedenen 10 000 A. E. gleichkommt, die den
Hunden dieser Versuche mit dem Serum eingeführt
wurden. Es ist somit logisch, zu vermuten, dass
die Agglutinine in der Milch ganz besonders an
die proteischen Substanzen gebunden sind, die
deren Absorption erleichtern, jedoch nur für den
Fall, dass nicht infolge Serumeingabe diese Auf¬
saugung, infolge der Gegenwart von Stoffen, die
die Verwertung der Agglutinine von selbst verhin¬
dern, weniger gut vor sich geht, was durch diese
Versuche nicht erwiesen ist. Die Aufsaugung der
Agglutinine der Milch geschieht in den ersten
10—12 Lebenstagen am besten, dann fällt — wenig¬
stens bei Hunden — die Verwertungsmöglichkeit
dieser Agglutinine gradweise. Es besagen also diese
Versuche, dass bei Tieren, d. h. Hunden und Ka¬
ninchen, die aktive Immunisation gegen Bak¬
terien und rote Blutkörperchen in den ersten
Lebenstagen infolge der Unmöglichkeit einer Anti¬
körperbildung, schlecht gelingt, während nachher
die Eingabe von Erythrocyten oder Bakterien durch
den Mund eine spärliche aktive Immunisation er¬
zeugt, die hinsichtlich ihrer Stärke bei Säug¬
lingen und Erwachsenen nicht sehr verschieden ist.
Was die passive Immunisation durch den
Mund betrifft so steht ausser Zweifel, dass die
Passage dieser Schutzstoffe wenigstens bei den
Neugeborenen viel besser als bei Erwachsenen vor
sich geht. Die besonderen Bedingungen, in denen
sich Magenfunktion und Magen- und Darmschleim¬
hautstruktur befinden, sind wohl der Grund, wes¬
halb bei den Neugeborenen die Absorption der
Stoffe ziemlich gut vor sich geht. Diese Absorp¬
tion und rtilisation gelingt dann noch bei weitem
besser, wenn diese immunisierenden Stoffe sich
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120
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
3. Jahrgang.
spontan in der Milch befinden. In diesem Falle
beobachtet man ungefähr in den ersten 15 Lebens¬
tagen einen bedeutenden Uebergang des Schutz¬
materials von der Mutter auf den Säugling. Von
diesem Gesichtspunkte aus lassen also die ange-
stellten Versuche daran glauben, dass die Aus¬
übung passiver Immunisation mit Milch von aktiv
immunisierten Tieren, somit die Einverleibung der¬
selben in die Individuen in ihren ersten Lebens¬
tagen Aussicht auf praktischen Erfolg gewährt.
Jacob.
Bisanti. Schutzimpfungen gegen Ge¬
flügelcholera. Le Bullet in veterinaire,
D6cembre 1904, S. 1079.
In Kollodiumsäckohen verschlossene Geflügel¬
cholerabacillen entwickeln sich in der Bauchhöhle
ausgezeichnet, indem sie auf osmotischem Wege
aus dem Tierkörper die ihnen nötigen Nährstoffe
schöpfen und andererseits ihre Lebensprodukte, die
Toxine ausscheiden. Verf. hatte sich also zur Auf¬
gabe gestellt, die Frage zu beantworten, ob es nicht,
möglich wäre, bei den solcher Weise geimpften
Tieren einen gewissen Immunitätsgrad auszubilden. ,|
Diesbezügliche Experimente wurden an Kanin¬
chen ausgeführt. B. verimpfte nämlich in Kol¬
lodiumsäckchen verschlossene Geflügelcholera¬
bacillen einigen Versuchstieren sukutan, anderen
wiederum intraperitoneal. Diese Säckchen ver- -
bleiben an der Impfstelle bei den ersten Tieren
12 Tage, bei den anderen 10 Tage. Den Kaninchen,
welche der ersten Versuchsreihe angehörten, gab
man nach 20, den der zweiten nach 15 Tagen die
mit Geflügelcholerabacillen infizierte Nahrung,
welche auch den Kontrolltieren gereicht wurde. Die
Konttolltiere gingen immer zugrunde, Kaninchen
dagegen, denen bacillenhaltige Kollodiumsäckchen
einverleibt wurden, blieben am Leben; bei den intra-
peritoneal geimpften Tieren waren keine Gesund¬
heitsstörungen zu beobachten, die subkutan ge¬
impften erkrankten zwar, genasen aber in recht
kurzer Zeit.
Diese Forschungen haben den Verf. überzeugt,
dass es wirklich möglich ist, auf obige Weise das
Geflügel gegen Geflügelchotera zu immunisieren.
Baczynski.
Jungklaus. Ein Beitrag zur Milzbrand¬
impfung. Berl. Tierärztl. Wochenschr. Jahrg.
1905, No. 17.
Verf. berichtet über das bekannte Impfverfahren
nach Pasteur, nach welchem in einem Zeitraum von
4 Jahren über 8000 Stück Rinder geimpft wurden.
Verluste an Milzbrand sind hiernach nicht beob¬
achtet worden. Die Impfung wurde jährlich wieder¬
holt. ProfA
A. Marie. Untersuch um gen über das
antirabietiscbe Serum. A nnales de
Flnstitut Pasteur, 1905, No. 1.
Verf. immunisierte Hammel und Kaninchen,
indem er denselben subkutan steigende Dosen vom
virus fix um einspritzte. Diese Impfungen wurden
aber derart ausgeführt, dass die betreffende Dosis
an mehreren Körperstellen appliziert wurde, um
die Resorption durch Nervengewebe zu erleichtern.
Das aus den solchartig immunisierten Tieren ge-
, wonnene Blut lieferte am 15. Tage nach der letzten
Einspritzung aktives Serum, welches auf das Wut¬
virus spezifisch, aber ziemlich schwach wirkte. Aus
den in vitro ausgeführten Forschungen scheint her¬
vorzugehen, dass die spezifische Substanz des Wut¬
virus vom Serum gebunden wird, wodurch die schäd¬
liche Wirkung dieses Giftes verschwindet. Das
normale Säugetierserum besitzt keine neutrali¬
sierenden Eigenschaften für Wutgift. Serum ge-
wisser Vögel besitzt dagegen diese Kraft, muss
aber in viel grösseren Mengen gebraucht werden,
als das spezifische Serum. Säugetiere liefern spezi¬
fisches Serum nur bei langdauernder Immunisierung,
magern aber bei dieser Behandlung stark ab und
gehen ohne sichtbare Todesursache früher oder
später plötzlich zugrunde. Baczynski.
Bremener. Einfluss des Diphtherie¬
giftes auf den Stickstoff- und Salz-
wochsel bei den Tieren. Medizinskoje
obosrenije 1904. No. 8—9.
Die Untersuchungen über den Stoffwechsel bei
Hunden und Katzen, welchen das Diphtheriegift
einverleibt wurde, erwiesen, dass dieses Gift einen
gesteigerten Ei weisszerfall und eine erhebliche
Abnahme von Eiweissassimilation bedingt; Chlor¬
salzeausscheidung wird vergrössert und übersteigt
fast zweimal die Stickstoffausscheidung, was auf
den Zerfall von chlorhaltigem Gewebe zurück¬
zuführen ist. Die Ausscheidung der Phosphor¬
verbindungen wird gleichfalls gesteigert und zwar
im höheren Grade, als es entsprechend der Stick¬
stoffmenge zu erwarten wäre. Das Körpergewicht
sinkt, ebenso vermindert sich auch die Harnmenge;
Körperwärme hebt sich dagegen beträchtlich. Alle
diese Veränderungen treten im ersten Stadium der
Intoxikation mit Diphtherietoxin auf und sind desto
deutlicher, je grössere Dosis gebraucht wurde. Im
nächstfolgenden Stadium, welches bis zum Tode
des Versuchstieres dauert, sinkt der Stoffwechsel
und die Körperwärme unter die Norm.
Baczynski.
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wird direkt an den Redakteur, Kreistierarzt Dr.
O. Profd,C51n a. Rh., Hansaring 50 , oder an die
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Für d. Redaktion verantwortl. Kreistierarzt Dr. O. ProfA, Cöln a. Rh., Hansaring 50. Druck von Pass & Garleb 0 ra.b.H., BerÜuW-35
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Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
3. JAHRGANG. SEPTEMBER 1905. HEFT 6.
Zur Kenntnis der Helminthiasis nodularis
intestinalis des Rindes und des Schafes.
Von Dr. L. Schoben- Hamburg.
(Schluss aus Heft 5.)
Denn nach den referierten Mitteilungen
wird Oesophago stomum Curtice als
der alleinige Erreger der gefürchteten Knöt-
ohenkrankheit der amerikanischen Binder und
Schafe angesehen.
Nach meinen Befunden in amerikanischen
Rinderdärmen konnte es sich nur um die
Entscheidung der Frage handeln, ob neben den
von mir gefundenen Ankylostomumlarven auch
wirklich Oesophagostomumlarven Vorkommen.
Denn nach den Ausführungen v. Ratzs war die
Annahme nicht von der Hand zu weisen, dass
man vielleicht das Ankylostomum irrtümlich
für ein Oesophagostomum gehalten habe. Tch
berufe mich an dieser Stelle nur auf meine
vorher (S. 102- 103) gemachten Ausführungen i
und auf die Fig. 3 und 9.
Es ist demnach als erwiesen zu
betrachten, dass die Knötchen
des amerikanischen Rinderd arm es
durch zwei verschiedene Nemato¬
den verursacht werden, das Oeso¬
phagostomum Curtice und das von
mir hier zuerst gefundene Anky*
lostomumStröse. Dies Ankylostomum ist
nach meinem Dafürhalten der häufigere Parasit,
insofern mir bei meinen zahlreichen in dieser
Richtung unternommenen Untersuchungen im¬
mer nur Ankylostomumlarven begegnet sind.
Nach Stiles kommt nun im Darme des ameri¬
kanischen Rindes dasselbe (geschlechtsreife)
Ankylostomum radiatum vor, von dem oben
eingehend die Rede war. 50 °/o der Tiere be¬
herbergen den geschleehtsreifen Schmarotzer,
der selbst anscheinend wenig Störungen her¬
vorruft. Ich spreche auch hier die Vermutung
aus, dass unsere Ankylostomumlarve eine
Jugendform des Ankylostomum radiatum
Schneider ist. Die Richtigkeit- dieser letzteren
Ansicht vorausgesetzt, würde man vielleicht
sagen können: 50°/o der amerikanischen Rinder
leiden an einer Dochmiasis nodularis des Dar¬
mes. Und in der Tat, der Prozentsatz der
mit Ankylostomumknötchen behafteten ameri¬
kanischen Rinderdärme scheint ein ganz
enormer zu sein.
Zum Schlüsse teile ich mit, dass ich in
Knötchen von australischen und südamerika¬
nischen (Argentinien) Schafdärmen ebenfalls
Jugendformen von Ankylostomum gefunden
habe, die sich von den Dochmius-Larven des
Rinderdarmes anscheinend nicht unterscheiden.
Auch beim amerikanischen und
australischen Schafe ist also ein
Ankylostomum neben dem Oeso¬
phagostomum Curtice als Erreger
der Knötchenkrankheit anzusehen.
Ueber die Spezies lässt sich natürlich auch
hier nur eine Wahrscheinlichkeitsdiagnose
stellen. In Anbetracht der schon von Schnei-
I der betonten grossen Aehnlichkeit des im
Schaf parasitierenden geschleehtsreifen Anky¬
lostomum cernuum mit dem erwachsenen Anky¬
lostomum radiatum des Rindes, und da sich die
Larven beider Tiere noch weniger voneinander
unterscheiden dürften, liegt es nahe,anzunehmen,
dass es sich vielleicht hier um eine J ugend-
form von Dochmius cernuus handelt,
der in geschlechtsreifem Zustande bei frisch
geschlachteten Tieren der Darmwand anhän¬
gend angetroffen wird. (S. Fig. 7.)
Habe ich mich im vorangehenden Teil
hauptsächlich mit der letzten Ursache, der
Knötchenkrankheit, dem tierischen Parasiten,
beschäftigt, will ich im folgenden über die
Resultate einiger bescheidenen bakteriologi¬
schen Untersuchungen des Knötcheninhaltcs
berichten.
Wie schon eingangs erwähnt, gaben Ölt
und Kitt dem Gedanken Ausdruck, dass durch
die Knötchenkrankheit i’es Darmes Gelegenheit
zu Sekundärinfektionen geschaffen wird. Diese
Möglichkeit muss ohne weiteres zugegeben wer¬
den. Denn sowohl die Einwanderung wie die
Auswanderung der auch nicht immer „sterilen“
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122
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
3. Jahrgang.
Larve schaffen einen locus minoris resistentiae,
in dem pathogene Vertreter der reichen Darm¬
flora einen nicht unwillkommenen Nährboden
finden können. Ehe es zur Abkapselung
kommt, können Mikrophyten auf hämatogenem
bezw. lymphogenem Wege in den Organismus
hineingelangen. Das Knötchen kann ferner
uleerieren, ein nicht seltener Vorgang. Oeffnet
sich auch in den weitaus meisten Fällen
das Knötchen dem Lumen des Dünndarmes zu,
so ist doch ein Durchbruch durch die Serosa
nicht auszuschliessen.*)
Da mir nur wenige Därme von frisch¬
geschlachteten Tieren zur Verfügung standen,
können meine in bakteriologischer Beziehung
gemachten Untersuchungen an und für sich
nicht den Anspruch auf Vollständigkeit
machen.
Es kam mir in erster Linie darauf an,
zu prüfen, ob überhaupt Mikrophyten in
den Knötchen vorkämen. Im positiven Falle
war dies hinsichtlich des von mir haupt¬
sächlich verwendeten Materiales insofern
von Interesse, als es sich offenbar um
sehr widerstandsfähige Bakterien handeln
musste, ein Umstand, der bei vorhandenen
pathogenen Eigenschaften in hygienischer Be¬
ziehung vielleicht nicht unbeachtet bleiben
dürfte. Ferner war es für mich von Interesse
etwas über den Zeitpunkt des frühesten Ein¬
tritts der Bakterieninvasion zu erfahren bezw.
festzustellen, ob nicht vielleicht der tierische
Parasit schon bei seiner Einwanderung die
Bakterien einschleppe. Dies Hess sich natür¬
licherweise nur an Sehnit tpräparaten von
Knötchen studieren, die wegen ihrer Kleinheit
dem künstlichen Züchtungsverfahren nicht zu¬
gänglich sind.
Ich verwandte vor allem Knötchen, die
schon durch ihre äussere Beschaffenheit
(Grösse, Farbe, Konsistenz) die Annahme nicht
unwahrscheinlich machten, dass sie durch Mit-
*) Saake beschreibt einen Fall von Darmperforation, des
Kindes, die durch verminttee Darniknütchen verursacht wurde.
Diese Arbeit gelangte leider erst in meine Hände, als diese Ab¬
handlung' schon im Druck war, so dass eine eingehendere Be¬
rücksichtigung nicht mehr möglich war. Sie ist besonders
dadurch interessant, dass ihr Autor hier schon
das 18 Jahre später von Ströse als Ankylosto-
mura bovis neu entdeckte Würmchen vor sich
gehabt hat. wie die beigefügten Zeichnungen zur Genüge
dartun dürften. Indes war sich Saake der zoologischen Be¬
deutung seines Fundes nicht bewusst, da er ja die verloren ge¬
gangene Abbildung der Drechslerschen Larve zu ersetzen glaubte.
Wirkung von Bakterien zustande gekommen
seien. An zwanzig verschiedenen Därmen stellte
ich meine diesbezüglichen Untersuchungen an.
Ich verwertete das Material in der Weise, dass
ich Kulturen anlegte, Schnitte machte und
Ausstrichpräparate verfertigte. Die Knötchen
bereitete ich in der Weise vor, dass ich die
Aussenfläche des herausgeschnittenen Darm¬
teilchens mit destiliertem Wasser abspritzte,
dann mit in Sublimat - Alkohol getauchter
Watte abwischte, mit glühender Messerspitze
leicht auf die höchste Erhebung des Knötchens
tupfte; an dieser Stelle stach ich mit glühender
Nadel ein Loch und presste mit steriler Pin¬
zette das Knötchen seitlich zusammen; den
als eiterigen Strahl oder dickbreiigen Pfropf
austretenden Inhalt fing ich mit der Unter¬
fläche des Deckels einer sterilen Petrischale
auf und legte dann Kulturen an. Meist habe
ich das Material direkt mit der Platinnadel
auf den Boden der Petrischale ausgestrichen
und mit darüber gegossenem Agar oder der
Gelatine vermengt.
Das Resultat der mit Inhalt von 18 Knöt¬
chen aus 18 ausländischen gesalzenen Rinder¬
dünn- und Blinddärmen vorgenommenen Kul¬
turversuche war in 13 Fällen positiv; von den
fiegativen mögen einige ausscheiden, da die
Knötchen zum Teil wohl zu hohen Hitzegraden
ausgesetzt wurden. Gleichsam zur Kontrolle
wurde Material aus zwei frischen Knötchen -
därmen auf Nährböden gezüchtet. Diese beiden
letzteren Versuche verliefen positiv.
Das Resultat dieser Untersuchungen ist
im allgemeinen als relativ einheitlich zu be¬
zeichnen. In allen Reihen waren Staphylo¬
kokken vorhanden, in zwei Fällen Sar-
zinen, in zwei weiteren Fällen wuchsen
gleichartige Stäbchen, die ich der Gruppe der
Heubacillen zurechne, in einem Falle
wurde ein Bacillus gezüchtet, der der Gruppe
der Kolibakterien angehören dürfte.
Die Staphylokokken sind unbeweg¬
lich, in der Grösse ungleich, färben sich nach
Gram und zeigen im ganzen auf den ver¬
wendeten Nährböden die Wachstumserscheinun¬
gen der pyogenen Staphylokokken. In Gelatine-
platten nach einigen Tagen punktförmige Ko¬
lonien mit Verflüssigungszone. Auf schrägem
Agar schnelles Wachstum, meist schön glän¬
zende, lackähnliche Auflagerung, meist mit
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Heft 6.
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
123
gekerbtem Rande längs der Impflinie. Auf
Kartoffel punktförmig sich erhebende Auf¬
lagerung längs des Impfstriches, die anfangs
schleimig, glänzend, später trocken erscheint.
In Bouillon nach 24 Stunden Bebrütung Trü¬
bung, die sich indes zum Teil bald wieder klärt;
teils sandiger, teils fädig schleimiger Boden¬
satz. Hier und da Bildung eines Oberflächen¬
häutchens, das dem Kulturröhrchen in Höhe
der Flüssigkeitssäule seinen Farbstoff mitteilt.
Verflüssigung der Gelatine in
Stichkulturen tritt in allen Fällen
ein, was ich in Bestätigung der Oesternschen
Untersuchungen hervorheben will, insofern man
ja in dem Fehlen der peptonisierenden Eigen¬
schaft einen differentialdiagnostischen Unter¬
schied zwischen Staphylococcus pyogenes hom.
und bovis zu sehen glaubt. Ich habe in dieser
Beziehung die Beobachtung zu machen ge¬
glaubt, dass der Zeitpunkt der Peptonisierung
wohl teilweise von rein äusseren Umständen
(Umgebungstemperatur, Luft- und Lichtzu¬
tritt) abhängig sein dürfte, da z. B. bei ein
und demselben Stamme einmal die Verflüssi¬
gung am vierten Tage, ein andermal erst nach
acht Tagen eintrat.
Nach der Farbe ihres Wachstums unter¬
scheide ich folgende Gruppen der gefundenen
Staphylokokken:
1. weisse (in, 5 Fällen, darunter 1 frischer
Darm),
2. hellgelbe (in 3 Fällen),
3. goldgelbe (in 5 Fällen, darunter ein
frischer Darm),
4. zitronenfarbene (in 4 Fällen).
Die pigmentierten Formen verlieren ihren
Farbstoff auch nach meiner Beobachtung zu¬
erst am Rande der Besiedelungsfläche. In
Bouillon wird der goldgelbe Bodensatz, be¬
sonders schnell anscheinend bei Luftabschluss,
weiss.
Die Sarzinen sind beide unbeweglich,
färben sich nach Gram und verflüssigen die
Gelatine. Auf Agar im Brutofen bei 35°
ausserordentlich üppiges, diffuses Wachstum,
die eine hellgelb, die andere orangegelb.
In zwei Fällen gefundene Stäbchen zeigen
folgende Merkmale: verschiedene Länge, die
kleinsten sind äusserst lebhaft, beweglich,
tonnenförmig mit endogenen Sporen. Sie
wachsep zu langen Fäden aus. Sie färben sich
nach Gram. Gelatine wird verflüssigt. Auf
Agar bei 35 0 im Brutofen charakteristische
Kolonien, konzentrische Zeichnung mit Strah¬
lenkranz. Bouillon bleibt klar, schneeweisses
Oberflächenhäutchen. Auf Kartoffel zarter,
lachsfarbener, diffuser Belag. Auf letzterem
Nährboden entstand am zweiten Tage ein Ge¬
ruch, der sehr an das eigenartige, den Behäl¬
tern gesalzener Därme entströmende „Aroma“
erinnert. (Bae. mesenterie ruber Globig?)
Das von mir in die Kolibacillengruppe ge¬
stellte, einmal in zwei Kolonien gezüchtete
Kurzstäbchen entfärbt sich nach Gram,
ist beweglich. Die Gelatine wird nicht ver¬
flüssigt. In Plattenkulturen gelblichbraunc,
wetzsteinförmige Kolonien mit dunklem Kern.
Bouillon wird trübe; gelblicher Bodensatz. Auf
Kartoffel üppiges sehmutziggraues Wachstum.
Die Untersuchung der nebenher ange¬
fertigten Ausstrichpräparate war meist
positiv. Vereinzelt fanden sich immer Kokken,
zumeist als Diplokokken, ferner Stäbchen,
plumpe und schlanke. Tuberkelbacillenfärbung
machte ich ebenfalls mit negativem Erfolg.
Was die Untersuchung der Schnittpräpa¬
rate angeht, so gelang es mir von vier in
drei Fällen festzustellen, dass die kleinsten
Knötchen, die den Wurm in der Mitte enthalten
und mit Rundzellen infiltriert sind, schon mit
Bakterien (Kokken und Stäbchen) infiziert sind.
In etwas älteren Knötchen (mit Wurm) mit
beginnender Nekrose lassen sich unter den De¬
tritusmassen wie den Leukozyten Bakterien in
Häufchen und vereinzelt deutlich nachweisen.
Es ist also hierdurch festgestellt, dass die
Wurmlarve durch ihre Einwande¬
rung die von ihr als Wohnstätte
ausersehene Darmwand mit Mikro-
phyten zu infizieren vermag.
Besonderes Interesse beansprucht auch eine
Schnittserie, die das einem erbsengrossen Knöt¬
chen benachbarte Darmgewebe zeigt; der In¬
halt des Knötchens wurde leider durch das
Messer herausgehoben. Die Färbung wurde
mit Boraxkarmin und, wie auch in den übri¬
gen Fällen mit Karbol-Thionin nach Nicolle
vorgenommen. In der Muscularis, zumal am
submukösen Rande derselben, finden sich zahl¬
reiche Bakteriennester, die sich durch ihre
blaue Färbung scharf von ihrer roten Um¬
gebung abheben. Am Rande unter der Serosa
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124
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
3. Jahrgang.
ist eine starke Rundzellenansammlung er¬
sichtlich. Die Bakterien präsentieren sich als
Kokken und Stäbchen. Ein Haufen besteht aus
Streptokokken. —
Zur Prüfung der Virulenz der gezüchteten
Bakterien nahm ich einige wenige Impfungen
an Kaninchen und weissen Mäusen vor.
Hauptsächlich beschränkte ich mich nach
je einem negativen Erfolge bei den Sarzinen
und Stäbchen, die ich in Bouillonkultur einmal
je 2 Kaninchen einimpfte, auf das Verhalten
der Staphylokokken.
Von einem Stamm des weiss wachsenden
Staphylococcus verimpfte ich subkutan 5 ccm
Bouillonkultur auf 2 Kaninchen. Eins der
Tiere zeigte 4 Tage später an der Injektions¬
stelle einen walnussgrossen Abszess, aus dem
sich nach der Eröffnung ein weisser, rahmiger
Eiter entleerte, der spärlich Kokken enthielt,
und auf Agar verimpft wieder das typische
Kulturbild zeigte. Das zweite Tier zeigte keine
Krankheitserscheinungen. Mit 3 ccm intra¬
peritoneal verimpfter Bouillonkulter konnte ich
bei einem dritten Kaninchen ebenfalls keine
Krankheitserscheinungen auslösen.
Mit 1—2 ccm Bouillonkultur von Staphylo¬
coccus aureus impfte ich 2 weisse Mäuse, die
nach 24 Stunden eingingen. Das patholo¬
gisch - anatomische Bild war wenig charak¬
teristisch. In Herzblut und Milz fanden
sich Kokken. Milz auf Agar und Blut in
Gelatine verimpft, ergaben das Infektions¬
material in Beinkultur. Eine weisse Maus,
der ich Milzpulpa der verendeten Mäuse sub¬
kutan applizierte, reagierte nicht. Mit einem
anderen gelben Traubencoccus erzielte ich durch
subkutane Impfung eines Kaninchens einen
Abszess neben der Injektionsstelle, der in Rein¬
kultur den Coccus enthielt. Ein anderes Mal
verschwand die an der Impfstelle auf getretene
Geschwulst bald wieder.
Zum Schlüsse ist es mir eine angenehme
Pflicht, Herrn Generaloberarzt Dr. von
Linstow - Göttingen für die bereitwillige wert¬
volle Unterstützung bei dem zoologischen Teile
dieser Arbeit meinen verbindlichsten Dank
auszusprechen.
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M o 1 i n , R.: „II Sottordine degli Acrofalli.“ Memor.
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Mosler u. Peiper: „Tierische Parasiten.“ Wien
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N e u m a n n , S. G.: Traitö des malades parasit.
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Oestern, Karl: Beitrag zur Kenntnis der Bak-
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des Rindes. Zentralbl. f. Bakterien- u. Parasiten¬
kunde, XXXVII. Bd.
Olt: Die entozoischen Follikularerkrankungen im
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und Milchhygiene, 1897.
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Stuttgart 1904.
Railliet, A.: Trait6 de zoolog. mödic. et agric.
Paris 1895.
v. R ä t z: Jahresbericht über die Leistungen auf
dem Gebiete der Veterinär-Medizin, Jahrg. 1898,
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— Oesophagostomum-Larven in dem Dünndarme
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X. Bd., 1900.
— Ueber die Dochmienkrankheit der Hunde.
Archiv f. Tierheilkunde, XIX. Bd.
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Stiles, B. Ch. W.: „Verminous diseases of cattle,
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Report of the Bureau of animal Industry for
1900, Washington 1901.
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Heft 6.
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
125
S t r ö s e : Ueber eine Ankylostomumlarve (Ankylost.
s Dochmius bovis n. sp.) im Dünndarm des
Kindes. Zeitschr. f. Tiermedizin 1895, XXT. Bd.
Z ii r n , F. A.: „Die tierischen Parasiten.“ Weimar
1882.
Berichtigung.
Heft 5 ist zu lesen: S. 100, rechte Spalte, Zeile 25
statt Fig. 1: Fig. 12. S. 101, linke Spalte, Zeile 29 u.
41 statt Fig. 3: Fig. 6, 8 u. 10. S. 102, linke Spalte,
Zeile 8 von unten „Bauchwulst“ des Dochimus Ströse
statt: „Bauchwulst“ Genus Dochmius nach Ströse; S.
103, rechte Spalte, Zeile 6, 8 und 11 von oben statt:
Pollisadenwurm „Pallisadenwurm.“
Erklärung der Textfiguren.
Ankylostom umlarve des Rindes und
Schafes in natiirl. Grösse.
Kopfende des Oesophagos-tomum
subulatum Molin n. Molins Zeichnung.
Kopfende eines erwachsenen Oesopha-
gostoraum columbian. Curtico
nach Cobb skizziert.
Kopfende von Oesophagostom um
inflatum. Schneider u. Kailliet.
Vorderende der Ankylostomum-
1 a r v e stark vergrössert, lateral gesehen.
Kopfende von Oesophagostom um
c e r n u u m nach Kailliet.
Vorderende der Ankylostomum-
larvo ventral gesehen: b ^ Mundbecher,
d = derselbe Zahn im Grunde der Mund¬
höhle, v = ventraler Querwulst
Larve v. Oesophagostom um Colum¬
bia n u m Gurtice n. G M. Giles skizziert
Oraler Teil der A n k y 1 o s t o m u m -
larvc vergrössert, lateral gesehen.
Schnitt durch ein grosses necrotisches
Knötchen des Rinderdarmes. Randpartie,
k = fibröse Kapsel des Knötchens (der
auf k zeigende Strich ist um die Hälfte zu
verlängern).
Schnitt durch ein kleines Knötchen des
Rinderdarmes. Photogr. System VH. Tn der
Mitte Kapsel mitSchnitteilen des Würmchens.
Schnitt durch ein kleines Knötchen des
Rinderdarmes. Photogr. System VIT. Im
Zentrum die Wurmlarve frei, geringelt.
Beitrag- zur Aetiologie der
Fleischvergiftungen.
Von Kreiztierart Gutzeit - Montjoie.
In der Nahrungsmittelhygiene spielen die
sogenannten Fleischvergiftungen, d. h. Er¬
krankungen nach dem Genüsse schädlicher
k leischwaren, eine grosse Rolle, und sie sind
auch zum Teil der Ci rund für unsere Fleisch-
besehaugesetzgelning gewesen. Das Wort
Fig. 1.
Fig. 2.
Fig. 3.
Fig. 5.
Fig. 6.
Fig. 7.
Fig. 8.
Fig 9.
Fig. 10.
Fig. 11.
Fig. 12.
Fig. 13
„Fleischvergiftung“ stammt aus einer Zeit, als
man, die Ursache und das Wesen dieser Krank¬
heiten noch nicht kennend, jeden Stoff, der in
kleinen Mengen dem Körper zugeführt, diesen
krank zu machen imstande war, als „Gift“
bezeichnete. Heute wissen wir längst, dass die
sogenannten Fleischvergiftungen mit wenigen
Ausnahmen echte Infektionskrankheiten sind
und dass die Intoxikation hierbei eine unter¬
geordnete Rolle spielt. Deshalb ist die Be¬
zeichnung „FleischVergiftung“ eigentlich
nicht ganz korrekt. Dass wir dieselbe heute
noch als Sammelnamen für gewisse Krankheiten
gebrauchen, hat wohl darin seinen Grund, dass
sieh das Wort „Fleischvergiftung“ im Volke
zu sehr eingebürgert hat.
Klinisch können wir diese Erkrankungen
nach Fleischgenuss in zwei Gruppen teilen:
1. die eigentliche Fleischvergiftung, und 2. die
Wurstvergiftung. Die erstere verläuft der
Hauptsache nach unter fieberhaften, enteriti
sehen Erscheinungen ohne Sehstörungen. Die?
Patienten bekommen Erbrechen, Durchfall,
sowie Leibschmerzen, klagen über Kopf- und
Gliederschmerzen und verlieren den Appetit.
Bei der zweiten Gruppe ist das Krankheits
bild ein ganz anderes. Die enteritischen Er
scheinungen treten vollkommen in den Hinter¬
grund gegenüber den nervösen. Das Erbrechen,
die diarrhöische Kotentleerung und das Fieber
fehlen meistens vollkommen, dagegen sind Seh-
störungen und Lähmungen im Bereiche ge¬
wisser Gehirn nerven, besonders des Opticus
und des Oculomotorius, die Regel. Derartige
Erkrankungen wurden itu südwestlichen
Deutschland, zuerst nach dem Genüsse ver¬
dorbener Würste, speziell Blutwürste, beob¬
achtet und daher mit dem Namen „Wurst¬
vergiftung“ oder Botulismus belegt. Später
fand man, dass auch andere Lebensmittel, wie
Schinken, Fleischkonserven und selbst Fische
Botulismus verursachen können. (Müller (1),
Husemann(2), Böhm (3), Senkpiehl (4), Roth (5),
Uhlrieh (6), Grocnouw (7), de Vischer (8), van
Ermenghem (9), Salchow (10) u. a.)
Was die Häufigkeit der Erkrankungen
angeht, so prävalieren wohl bei weitem die
Fleischvergiftungen. Nach der Zusammenstel¬
lung von Bollingers (11) sind von 1880—1900
allein 85 Massenvergiftungen mit mehr als
4000 Erkrankungen zu verzeichnen. Von 1900
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126
3. Jahrgang.
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
bis 1903 sind nach Ostertag (12) noch über
20 derartige Epidemien nach Fleischgenuss be¬
kannt geworden.
Das schädliche Fleisch stammte meistens
von Tieren, welche an septischer Kälberlähme,
hämorrhagischer Enteritis, septischer Metritis,
fieberhafter Darm- oder Euterentzündung oder
anderen septikämiscli - pyämischen Erkrankun¬
gen gelitten hatten.
Die in der Literatur verzcichneten Fälle
von Wurstvergiftung erreichen die obigen
Zahlen bei weitem nicht. In Württemberg sind
nach Daun von 1793 1827 234, nach Schloss¬
berger bis 1853 400 Fälle von Botulismus beob¬
achtet. Vereinzelt trat diese Krankheit noch
auf in Baden, Bayern, Pommern, Brandenburg.
Belgien und Frankreich. Die meisten der be¬
kannt gewordenen Fälle sind in der sehr
l'leissigen Arbeit von van Ermenghem (9) zu-
§üm mengestellt, und ich muss daher der Kürze
halber auf diese verweisen.
Die Ermittelung der Ersuche dieser
Massenerkrankungen hat erst in jüngster Zeit
begonnen, als die Bakteriologie Gegenstand der
Forschung wurde; leider ist dies nur in einer
verhältnismässig geringen Anzahl von Fällen
geschehen.
Die ersten bakteriologischen Untersuchun¬
gen auf diesem Gebiete unternahm Johne (12)
gelegentlich der Fleischvergiftung zu Lauter¬
bach im Jahre 1884. Derselbe isolierte aus
dem schädlichen Fleische einen milzbrandähn¬
lichen, für Mäuse und andere Versuchstiere
pathogenen Bacillus. Vier Jahre später fand
Gärtner (13) in dem Fleische ei icr notgeschlach¬
tet en Kuh und in der Milz eines an Fleisch¬
vergiftung gestorbenen Mannes einen patho¬
genen Pilz, der bei Versuchstieren Darment¬
zündung hervorzurufen imstande war und des¬
halb von Gärtner Bacillus cntcritidis benannt
wurde. Die Kuh. von welcher das Fleisch
stammte, war wegen Durchfall notgeschlachtet
worden. Das Fleisch war grösstenteils in
rohem Zustande von 12 Personen in Franken-
hausrn am Kylihäuser gegessen worden und
hatte bei denselben 12 24 Stunden, in dem
tödlich verlautenden Falle sogar zwei Stunden
nach dem Genüsse, heftigen Brechdurchfall mit
schw< reu Allgemeinerscheinungen hervorge¬
rufen. Aber auch das gekochte Fleisch, ja j
sogar die Suppe, hatte sich als schädlich er- j
wiesen. Bemerkenswert ist, dass sich die Haut
einiger Patienten abschälte, und zwar nicht
nur die dünne Epidermis an den bedeckten
Körperteilen, sondern auch die verhornte Ober¬
haut an den Händen und Füssen. Der Krank¬
heitserreger, den Gärtner nachwies, war ein
ziemlich lebhaft bewegliches Kurzstäbchen,
welches halb so dick als lang war. die Gelatine
nicht verflüssigte und sich auf Agar, Serum
und Kartoffeln gut züchten liess. Denselben
Mikroorganismus beschuldigt Johne (14) als
Ursache der Fleischvergiftung zu Cotta*) und
zu Bischofswerda, wo nach dem Genüsse von
Knack- und Mettwürsten im Jahre 1894 zahl¬
reiche Erkrankungen vorgekommen waren.
Karlinsky (15) fand den Gärtnersehen Bacillus
in getrocknetem Schaft leiseh, welches eine
Fleischvergiftung in der Herzegowina hervor¬
gerufen hatte, sowie in den Organen eines
unter den Erscheinungen der Winkel sehen
Krankheit verstorbenen Kindes. Günther (16)
wies den genannten Bacillus in der Milz und
der Leber eines an Fleischvergiftung verstor¬
benen Mannes nach, welcher zu Pfingsten 1896
in Gemeinschaft mit anderen Personen Fleisch¬
waren von einem offenbar kranken Schweine
genossen hatte. Es waren im ganzen 26 —27
Familien in drei Ortschaften der Provinz
Posen erkrankt, welche teils Schweinefleisch
oder Wurst und Blut verzehrt hatten. Die
Erscheinungen bestanden in Leibschmerzen.
Erbrechen, Durchfall, grosser Mattigkeit und
Schwäche. Die Person, welche starb, hatte
morgens von der Wurst, mittags von dem Blute
in gebratenem und dem Fleische in gekochtem
Zustande gegessen, war in der nächsten Nacht
erkrankt und bereits am Mittag des folgenden
Tages gestorben. An der Wurst und den
Fleisch proben war nichts Abnormes zu kon¬
statieren, ebenso liess sich über die Krankheit
des Schweines etwas Sicheres nicht ermitteln.
Des weiteren ist der Bacillus cntcritidis noch
von Fischer (17) und angeblich auch von Lu
barsch (18) gefunden worden und zwar von
letzterem in einem Falle von septischer Pneu¬
monie bei einem neugeborenen Kinde. Da der
von Liibarsch nachgewiesene Bacillus Milch
koagulierte, was die anderen Autoren, insbe
*) Nach Kni<c sind die ('•>’i;u»r Bacillen viel¬
leicht ident isch mit dem Bacilh;^ iimrliiJ icans ln »vis
Ba "i mau.
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Heft 6.
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
127
sondere Günther, nicht konstatieren konnten,
scheint mir die Identität des Lubarsehsehen
Bacillus mit dem Gürtnersehen doch fraglich
zu sein.
Neuerdings ist der B. enteritidis als Ur¬
sache einer Fleischvergiftung in Neunkirchen
seitens des Kaiserlichen Beichs-Gesundheits-
amtes (19) festgestellt worden.
Bei der Fleischvergiftung zu Rotterdam,
bei welcher im .Juli 1892 92 Personen in 24
Familien nach dem Genüsse von Kuhfleisch
erkrankten, wiesen Poels (20) und Dhont (21)
in dem intermuskulären Gewebe dieses Flei¬
sches ein kurzes und ausserordentlich feines
Stäbchen nach, welches in seinen morpho¬
logischen und biologischen Kigenschaften grosse
Aehnlichkeit mit dem Gärtnerschen Bacillus
auf wies.
Ob die Poelssehen Bacillen indessen mit
dem Gärtnerschen oder mit einem anderen der
hier in Betracht kommenden Bacillen identisch
sind, lässt sich aus der dürftigen Beschreibung
desselben kaum ersehen. Kruse (22) und van
Ermenghem (9) halten die Identität desselben
mit dem B. enteritidis nicht für ausgeschlos¬
sen, während Ostertag (12) geneigt ist. die
Poelsschon den Moorseoler Bacillen zuzuzählen.
Nach Basenau (24) bilden die ersteren
Indol und würden sich durch diese Eigen¬
schaft von den beiden genannten unter¬
scheiden. Die Krankheitssymptome waren auch
hier: Erbrochen, häufige Diarrhöe, grosse Mat¬
tigkeit, kleiner frequenter Puls (120 pro Min.),
grosser Durst und trockein 4 Zunge. Bei eini¬
gen Personen war Veränderung dm* Stimm#
nachzuweisen. Die Erscheinungen traten nach
4 48 Stunden auf, sogar nach dem Genüsse
des gebratenen Fleisches. An dem Fleische
selbst war bei der Beschau im öffentlichen
Schlacht hause nichts Abnormes bemerkt
worden.
Ein von dem Bacillus enteritidis verschie¬
dene]* Erreger wurde 1885 als Ursache einer
Fleischvergiftung in Roersdorf durch Gaffky
urul Paak (24) entdeckt und beschriel>en. In
den bozeiehneten Ortschaften traten innerhalb
12 oder doch 24 Stunden nach dem Genüsse von
Rossfleisch, Bossflidschwurst und gekochter
Rossleber bei einer Anzahl Personen Kopf¬
schmerzen, Leibschmerzen, Appetit losigkeit,
Uebelkeit, Erbrechen, Kollern im Leibe, hef¬
tiger Durchfall und lange anhaltendes
Schwächegefühl auf, welche erst nach Tagen
bis zu zwei Wochen die Wiederaufnahme der
Arbeit gest atteten. Bei einigen Personen waren
noch Gliederschmerzen, Schüttelfrost, hohes
Fieber, belegte, Zunge, gedunsenes Gesicht und
Gliederzittern zu konstatieren.
Die schädlichen Würste waren etwa 4 cm
dick, fühlten sich weich, bezw. latschig an,
waren auf der Schnittfläche dunkelrot und ver¬
breiteten einen unangenehmen, muffigen Ge¬
ruch ; sic sollen strenge geschmeckt haben und
stark gepfeffert gewesen sein.
Die aus den Fleischwaren gezüchteten
Bacillen waren etwa doppelt so lang als breit,
beweglich, schwer tingierbar und verflüssigten
die Gelatine nicht. Der Gaffky - Paaksche
Wurstbaeillus war auch in Friedeberg Ursache
einer Wurstvergiftung, weshalb er von Kruse
(22) den Namen Bacillus Friedebergensis
erhielt.
Ein dritter Bacillus, welcher die Massen¬
erkrankungen in Moorseele 1892 und in Breslau
1894 verursachte, wurde von van Ermeng¬
hem (25) bezw. Kaensehe (2b) gefunden. Kruse
nennt denselben Bacillus Breslaviensis. In
Moorseele erkrankten im Sommer 1892 etwa
acht Personen. Dieselben hatten Fleisch von
einem an Durchfall verendeten und einem dieser
Krankheit wegen not geschlachteten Kalbe ge-
! gessen. Bereits drei Stunden nach der Mahl-
| zeit stellte sich bei einigen Patienten Er-
1 brechen, Durchfall und Kopfschmerzen ein.
; Die Mehrzahl der Personen erkrankte erst nach
24 Stunden, ein Mann sogar erst nach drei
Tagen und zwar so schwer, dass er starb. Be¬
merkenswert ist, dass das Fleisch, an welchem
angeblich keine makroskopischen Veränderun¬
gen festzustellen waren, in gut- gekochtem,
bezw. gebratenem Zustande verzehrt worden
ist. Die von van Ermenghem nachgewiesenen
Bacillen waren Kurzstäbchen von 0,6 1,5 p
Länge und ziemlich lebhafter Eigenbewegung,
welche durch 4 8 ziemlich lange, um den
ganzen Bacillenkörpcr verteilte Geissein er¬
folgte. Die Kulturen hatten auf Gelatine
grosso Aehnlichkeit mit Bad. coli; Bouillon
wurde unter Häutchenbildung getrübt. Durei.
Siedehitze, wurden die toxischen. Substanzen
nicht zerstört. Bei der Breslauer Epidemie er¬
krankten im Oktober 1892» in 26 Haushaltungen
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128
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
3. Jahrgang.
86 Leute an akutem Magendarmkatarrh, Fieber,
Hinfälligkeit, Schwindel und Herpes, nachdem
sie 3—16 Stunden vorher rohes Rinderhack¬
fleisch von einer wegen heftiger fieberhafter
Diarrhöe notgeschlachteten Kuh gegessen hat¬
ten. Das Fleisch dieser Kuh war tierärztlich
als genussuntauglich bezeichnet, aber gestohlen
und in Breslau an Wurstfabrikanten verkauft
und vorzugsweise zu Hackfleisch verarbeitet
worden. Das Fleisch selber liess bezüglich
Farbe und Konsistenz keine Veränderung er¬
kennen. Die Erkrankungen erfolgten schon
nach dem Genüsse sehr kleiner Mengen (20 g).
Gestorben ist niemand, jedoch dauerte die Re¬
konvaleszenz sehr lange. Aus dem Fleische
züchteten Flügge und Kaensche einen Pilz, der
sich für Versuchstiere sehr giftig erwies und
mit dem von van Ermenghem gefundenen
identisch sein dürfte. Dasselbe ist wohl auch
der Fall bei dem von Holst (27) bei der
Fleischvergiftung in Gaustadt 1891 aus den
Organen der daran Gestorbenen isolierten
Krankheitserreger, sowie bei dem von Silber¬
schmidt (28) aus Ferkelfleisch gezüchteten.
Nach dem Genüsse letzteren Fleisches erkrank¬
ten sieben Personen einer Familie. Dasselbe
stammte von Tieren ab, welche wegen Rötung
der Haut und Magendarmkatarrh notgeschlach¬
tet waren. Das Fleisch war bei der Fleisch¬
beschau als bedingt „geniessbar“ erklärt, ein¬
gepökelt und teils roh, teils gekocht verzehrt
worden. Ein 4 Vs jähriges Kind starb. Die ge¬
fundenen Bacillen waren beweglich, besassen
4 8 Geissein, färbten sich nicht nach Gram,
zersetzten Traubenzucker unter reichlicher Gas¬
entwickelung und brachten Milch nicht zur
Gerinnung. Gelatine wurde nicht verflüssigt.
Die Kulturen hatten schwach süsslichen Ge¬
ruch. Durch das Pökeln und das darauf¬
folgende Kochen war das Gift nicht zerstört
worden.
Als Ursache der Siraultcr Fleischvergif¬
tung im Jahre 1898 wies Hermann (29) einen
Bacillus nach, der Gelatine nicht verflüssigte
und Milch nicht koagulierte.
Basenau (30) berichtet über einen Bacillus,
welchen er im März 1893 aus dem Fleische
einer vermutlich wegen septischen Puerperal¬
fiebers notgeschlachteten Kuh züchtete und
welcher für Versuchstiere krankmachende
Eigenschaften besass. Basenau nannte ihn
Bacillus morbificans bovis. Das Fleisch,
welches die Bacillen enthielt, war blass, von
mattroter Farbe, leicht saurer Reaktion und
etwas fadem Geruch. Der Basenausche Bacillus
ist ein Kurzstäbchen von ungefähr derselben
Grösse wie der Typhusbacillus und ausgestattet
mit kräftiger Eigenbewegung und starker
Wachstumsenergie. Er ist fakultativ anaerob,
bildet keine Sporen und wird durch eine 1 Min.
dauernde Einwirkung einer Temperatur von
70° C abgetötet. Der Bacillus besitzt nicht
die Fähigkeit, Gelatine zu verflüssigen und
Rohrzucker zu invertieren. Traubenzucker wird
unter starker Gasbildung zersetzt, Milch nicht
zur Gerinnung gebracht. In Kulturen bildet
er keine toxischen Stoffe.
Aus dem Fleische notgeschlachteter kran¬
ker Tiere züchtete Basenau (23) noch sechs
andere pathogene Bacillen, deren Giftigkeit füi
den Menschen indes nicht feststeht. Die
Bacillen hatten alle mehr oder weniger Coli-
typus; sie waren 0,3—0,4 : 1,0—1,5 ja gross,
schlank mit abgerundeten Enden und besassen
lebhafte Eigenbewegung. Bei der Unterschei¬
dung legte Basenau weniger Gewicht auf die
Form und das Wachstum, als auf die chemische
Tätigkeit der Bacillen, besonders das Ver¬
halten derselben zu den verschiedenen Zucker¬
arten.
Ein von den bisher angeführten erheblich
verschiedener Krankheitserreger verursachte im
Diakonissenhause zu Utrecht im November
1895 wiederholt Erkrankungen an Brechdurch¬
fall mit Apathie. Innerhalb drei Wochen er¬
eignete es sich zweimal, dass alle Personen,
gesunde und kranke, welche mittags Fleisch
genossen hatten, nachher erkrankten. Aus dem
unvollständig durchgekochten Fleische züchtete
Hamburger (31) einen 1 - 1,5 p langen und
0,4 jLi breiten Bacillus, der bewegungslos war,
sich gut mit den gewöhnlichen Anilinfarb¬
stoffen und auch nach Gram färbte, Gelatine
nicht verflüssigte, in Gelatine- und Agarstichen
bürstenförmig, auf gekochtem Rind-, Kalb- und
Pferdefleisch schnell unter Ammoniakbildung
als weisser Belag wuchs und auf fast klar
bleibender Bouillon ein weisses Häutchen bil¬
dete, welches auf der Oberfläche vertikale
Qu< rleistchen besass. Der letzteren Eigen¬
schaft wegen nannte Hamburger diesen Pilz
Bacillus eellulaeformans. Derselbe erwies sich
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Heft 6.
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
129
pathogen für Menschen, Mäuse, weniger für
Hunde, und verursachte leichtes Erbrechen,
Durchfall, Darmentzündung, parenchymatöse
Hepatitis und Nephritis, seltener auch Gastritis
und Milztumor. Kälber und Meerschweinchen
reagierten auf Verfütterung dieser Bacillen
nicht. Durch Tonzellen filtrierte Bouillon¬
kulturen, subkutan einem Hunde appliziert,
führten ausgesprochene Apathie und frequente
Defäkation herbei, welche fünf Stunden anhielt.
Gleichzeitig bestand Appetitmangel und Schüt¬
telfrost. Die giftige Wirkung der filtrierten
Kultur verlor sich nach halbstündigem Er¬
hitzen derselben bei 100° C. Dasselbe geschah
mit Fleisch, welches auf 100° C erhitzt war.
Obwohl die Hamburgersche Beschreibung
des von ihm nachgewiesenen Bacillus sehr
mangelhaft ist, lässt sich aus derselben doch
entnehmen, dass dieser Bacillus nicht zu der
Coligruppe gehört, sondern wahrscheinlich den
Proteusarten zugezählt werden muss. Jeden¬
falls ist er nicht, wie Basenau vermutet,
identisch mit Proteus Zenkeri, einer Varietät
des Proteus vulgaris.
Wiederholt haben Proteusarten zu Erkran¬
kungen geführt. In Strassburg waren im Jahre
1864 18 Personen unter Erscheinungen einer
blutigen Diarrhöe mit Erbrechen, Abge-
schlagenheit und geringem Fieber erkrankt.
Bei einer Person, welche starb, waren noch
Wadenkrämpfe und Dyspnoe aufgetreten. Aus
den Stühlen und dem Darminhalte des Ver¬
storbenen züchtete Levy (32) einen Stamm von
Proteus vulgaris von ausserordentlicher Viru¬
lenz. Das Fleisch, welches die Erkrankungen
verursacht hatte, soll zuvor in einem un¬
sauberen Eisschranke aufbewahrt worden sein,
in dessen Bodenschlamm gleichfalls Proteus
vulgaris nachgewiesen werden konnte. Silber¬
schmidt (33) fand in sogenannten „Landjägern“,
welche bei 24 Personen schwere Gastroenteritis
verursacht hatten,
1. eine verflüssigende Bakterienart, deren
Kulturen denen des Proteus vulgaris ent¬
sprechen,
2. einen die Gelatine nicht verflüssigenden
coliartigen Bacillus, welchen er mit
Bakt. coli commune identifizierte.
Die erstgenannte Bacillenart zeigte leb¬
hafte Eigenbewegung, färbte sich mit Karbol¬
fuchsin und Methylenblau unregelmässig,
indem nur die Pole den Farbstoff intensiv an-
nahmen, homogen dagegen mit Anilinwasser-
gentianaviolett. Die Gramsche Färbung wurde
nicht angenommen. Gelatine und Rinderblut¬
serum wurden schon nach 24 Stunden verflüs¬
sigt, Bouillon unter Bodensatzbildung stark
getrübt. Auf Agar bildeten die Bacillen einen
feuchtglänzenden, grauen Belag auf der ganzen
Oberfläche. Milch wurde nach 8—10 Tagen
zur Gerinnung gebracht.
(Fortsetzung: folgt.)
Oeffentliches Veterinärwesen.
Stand der Tierseuchen im Deutschen Reich
am 15. August 1905.
Der Rotz wurde festgestellt: in Preussen
in 19 Gemeinden und 30 Gehöften der Regie¬
rungsbezirke Marienwerder, Stadtkreis Berlin,
Potsdam, Posen, Bromberg, Breslau, Oppeln,
Magdeburg, Hildesheim, Lüneburg, Minden,
Düsseldorf und Sigmaringen, in Braunschweig
in 1 Gemeinde und 1 Gehöft der Regierungs¬
bezirke Oberfranken und Elsass-Lothringen
ebenfalls in 1 Gehöft, zusammen somit in 21
Gemeinden und 32 Gehöften. Die Aphthen-
seuche gelangte zur Feststellung in einem
Gehöft des Regierungsbezirkes Potsdam, in
2 Gemeinden und 23 Gehöften der Oberpfalz
und Unterfranken, in 2 Gemeinden und 2
Gehöften des Regierungsbezirks Neckarkreis^
zusammen in 5 Gemeinden und 26 Gehöften.
Die Schweineseuche einschliesslich der
Schweinepest wurde festgestellt und zur
Anzeige gebracht in 1502 Gemeinden und 2004
Gehöften.
Erlasse, Verordnungen und
Bekanntmachungen.
Preussen. Reg.-Bez. Magdeburg. Polizei¬
verordnung, betr. die ausschliessliche Zustän¬
digkeit der tierärztlichen Fleischbeschauer bei
Schlachttieren, bei welchen die Beschau vor
der Schlachtung unterblieben ist und solchen,
welche vor Ausführung der Fleischbeschau
vorschriftswidrig zerlegt worden sind. Vom
23. Juni 1905. (Amtsbl. S. 240.)
Auf Grund des § 24 Absatz 1 No. 2 des
Reichsgesetzes, betr. die Schlachtvieh- und
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130
Fortschritte der
Fleischbeschau, vom 3. Juni 1900 (R.-G.B1.
8. 547), des § 13 des preussischen Gesetzes,
betr. die Ausfühning des Schlachtvieh- und
Fleisehbeschaugesetzes vom 28. Juni 1902
(Ges.-Samml. S. 229) und der §§ 137 und 139
des Gesetzes über die allgemeine Landesver¬
waltung vom 30. Juli 1883 (Ges.-Samml. S. 195)
sowie der §§ 6, 12 und 15 des Gesetzes über
die Polizeiverwaltung vom 11. März 1850 (Ges.-
Samml. S. 265). wird unter Zustimmung des
Bezirksausschusses für den Regierungsbezirk
Magdeburg nachstehendes angeordnet:
§ 1. Die Fleischbeschau bleibt bei den¬
jenigen Tieren, bei denen:
1. die Untersuchung vor der Schlachtung
(Sehlaehtviehbesehau) nicht stattgefunden
hat,
2. vor der Untersuchung nach der Schlach¬
tung (Fleischbeschau) eine den Bestim¬
mungen des § 17 Abs. 2 der Bundesrats¬
bestimmungen A vom 30. Mai 1902
(Zentr.-Bl. f. d. D. R., Beil, zu No. 22
8. 115 1 *) zuwiderlaufende Zerlegung des
geschlachteten Tieres ausgeführt wor¬
den ist,
dem tierärztlichen Beschauer Vorbehalten.
Demnach haben Fleischbeschauer, welche
nicht die Approbation als Tierarzt besitzen,
die Fleischbeschau in den vorstehend aufgeführ¬
ten Fällen abzulehnen und den Besitzer an den
tierärztlichen Beschauer zu verweisen.
§ 2. Zuwiderhandlungen gegen diese Poli¬
zeiverordnungen werden, soweit nicht nach
sonstigen gesetzlichen Bestimmungen eine
höhere Strafe verwirkt ist, mit Geldstrafe
bis 60 Mk. bestraft.
Im Falle des Unvermögens tritt an Stelle
der Geldstrafe verhältnismässige Haft.
§ 3. Diese Polizeiverordnung tritt am
Tage ihrer Veröffentlichung in Kraft.
Der Regierungspräsident.
Preussen. Reg.-Bez. Magdeburg. Bekannt¬
machung, betr. die Fleischbeschaugebühren in
den Fällen der vorstehend abgedruckten Poli¬
zeiverordnung. Vom gleichen Tage. (Ebd.)
Auf Grund des § 23 des Reichs fl ei seh-
beschaugesetzes vom 3. Juni 1900 (R.-G.-Bl.
S. 547), des § 11 Abs. 2 des preuss. Aus¬
führungsgesetzes vom 28. Juni 1902 (Ges.-
Veterinär-Hygiene.
3. Jahrgang
Samml. 8. 229) und der §§ 60 bis 65 der preuss.
Ausführungsbestimmungen, betr. die Schlacht¬
vieh- und Fleischbeschau, einschliesslich der
Trichinenschau bei Schlachtungen im Inlande
vom 20. März 1903 (Min.-Bl. f. d. ges. inn.
Verw. S. 56) werden dem Gebührentarif, betr.
die für die Schlachtvieh- und Fleischbeschau
zu zahlenden (Jebühren, sowie für die den Be¬
schauern zu gewährenden Entschädigungen,
vom 27. März 1905 (Amtsbl. S. 143), nach¬
stehende Bestimmungen angefügt:
1. Ist im Falle des § 1 No. 1 der in der
Uebersehrift erwähnten Polizeiverordnung die
Untersuchung vor der Schlachtung (Schlacht-
viehbesehau) unterblieben, ohne dass ein» 1 Not-
schlaehtung im Sinne des §1 Abs. 2 des Reichs*
fleisehbeschaugesetzes vorlag, so fallen dem
Tierbesitzer die Kosten der Untersuchung durch
den zuständigen Tierarzt (Ergänzungsheschau)
zur Last.
ln Fleisehboschaubezirken, in denen die
ordentliche Beschau durch Tierärzte ausgeübt
wird, haben diese in den vorstehend erwähnten
Fällen von den Besitzern die Ergänzung«*
beschaugebülfren zu beanspruchen. (Zu vgl.
No. IV des eingangs erwähnten Tarifs.)
Ist im Falle des § 1 No. 2 der Polizei¬
verordnung vor der Untersuchung nach der
Schlachtung (Fleischbeschau) eine den Bestim¬
mungen des § 17 der Bundesratsbestimmungen
A vom 30. Mai 1902 (Zentralblatt für das
Deutsche Reich, Beil. z. No. 22 S. 115 1 *) zu-
widerlaufende Zerlegung des geschlachteten
Tieres ausgeführt worden, so hat der Tier¬
besitzer ebenfalls die Kosten der Ergänzungs¬
beschau bezw. im Falle der Ausübung der
ordentlichen Beschau durch einen Tierarzt die
festgesetzten Ergänzungsbeschaugebühren zu
tragen.
3. Vorstehende Bestimmungen treten am
Tage ihrer Veröffentlichung in Kraft.
Unterschrift wie oben.
Prousseil. Erlass, betr. den Rang der
etatsmässigen Lehrer der tierärztlichen Hoch¬
schulen sowie der Departements- und Kreistier¬
ärzte.
Vom 25. Juni 1905. (Gesetz-Samml. S. 253.)
Auf den Bericht vom 17. Juni d. J. be¬
stimme Ich folgendes:
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Heft 6
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
131
I. Die etatsmässigen Lehrer der tierärzt¬
lichen Hochschulen werden unter Bezeichnung
ihrer Stellen als Professoren von Mir ernannt
und gehören der vierten Rangklasse an.
II. Die etatsinässig angestellten Departe¬
mentstierärzte sind den technischen Mitgliedern
der Regierungen (1). V c. der Kabinettsorder,
betr. eine Abänderung in der bisherigen Or¬
ganisation der Provinzialbehörden, vom 31.
Dezember 1825 [Gesetz-Samml. 182b S. 5 |) mit
dem Range der Räte fünfter Klasse und dem
Stimmrechte der Regierungsassessoren zuzu¬
zählen. Sie können Mir, sofern sie sich in ihrer
Stellung bewährt haben, zur Verleihung des
Charakters als „Veterinär-Rat“ vorgeschlagen
werden.
Veterinärräten, die diesen Charakter min¬
destens 10 Jahre besitzen, jedoch nicht mehr
als der Hälfte der Gesamtzahl der Departe-
mentstierärzte, will Ich auf Antrag den per¬
sönlichen Rang der Räte vierter Klasse ver¬
leihen; auch will ich einzelne Veterinärräte, die
den Rang der Räte vierter Klasse mindestens
10 Jahre besitzen, in besonderen Fällen durch
die Verleihung des Charakters als „Geheimer
Veterinär-Rat“ auszeichnen.
III. Die Kreistierärzte (Bezirkstierärzte in
den Ilohenzollernschen Landen) erhalten den
Rang zwischen der fünften Rangklasse und
der Klasse der Referendarien der Landes¬
kollegien. Als Auszeichnung kann für ältere
Kreistierärzte die Verleihung des Charakters
als „Veterinär - Rat“ mit dem persönlichen
Range der Räte fünfter Klasse beantragt
werden.
Kiel, an Bord M. J. „Hohenzollern“, den
25. Juni 1905.
Wilhelm.
Frhr. v. Rheinbaben, v. Podbielski.
v. Bet hin an n - Ho 11 weg.
An den Finanzminister, den Minister für
Landwirtschaft, Domänen und Forsten und den
Minister des Innern.
Preussen. Verordnung über das Inkraft¬
treten des Gesetzes, betr. die Dienstbezüge der
Kreistierärzte, vom 24. Juli 1904 (Gesetz-
Samml. S. 169).
Vom 25. Juni 1905. (Gesetz-Samml. S. 249.)
Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden König
von Preussen usw., verordnen auf Grund des
§ 10 des Gesetzes, betr. die Dienst bezöge der
Kreistierärzte (Gesetz-Samml. S. 169), was
folgt:
Einziger Paragraph.
Das Gesetz, betr. die Dienstbezüge der
Kreistierärzte, vom 24. Juli 1904 (Gesetz-
Samml. S. 169) tritt am 1. Juli 1905 in Kral'1.
Urkundlich unter Unserer Höchsteigen¬
händigen Unterschritt und beigedrucktem Kö¬
niglichen Insiegel.
Gegeben Kiel, an Bord M. J- „Hohenzol¬
lern“, den 25. Juni 1905.
(L. S.) Wilhelm.
Fürst v. Bülow. Schönstedt. Gr. v. Posadowsky.
Studt. Frhr. v. Rheinbaben, v. Podbielski.
Möller, v. Budde, v. Einem. Frhr. v. Richt¬
hofen. v. Bethmunn - Hollweg.
Preussen. Verordnung, betr. die Tage¬
gelder und Reisekosten der Veterinärbeamten.
Vom 25. Juni 1905. (Gesetz-Samml. S. 250.)
Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden König
von Preussen usw., verordnen auf Grund des
§ 12 des Gesetzes vom 24. März 1873 (Gesetz-
Samml. S. 122) in der Fassung der Verordnung
vom 15. April 1876 (Gesetz-Samml. S. 107)
und des Artikels V des Gesetzes vom 21. Juni
1897 (Gesetz-Samml. S. 193) sowie des § 4
des Gesetzes vom 24. Juli 1904 (Gesetz-Samml.
S. 169), was folgt:
§ 1. Bei Dienstreisen zur Verrichtung
veterinär- oder sanitätspolizeilicher Geschäfte
innerhalb ihrer Amtsbezirke erhalten die
Kreistierärzte (Bezirkstierärzte in den Hohen-
zollernschen Landen):
1. an Tagegeldern 10 Mk.
Erstreckt sich eine Dienstreise* auf zwei
Tage und wird sie innerhalb 24 Stunden be¬
endet, so sind im ganzen nur 15 Mk. zu
liquidieren.
Wird die Dienstreise an ein und demselben
Tage angetreten und beendet, so tritt eine
Ermässigung der Tagegelder auf 8 Mk. ein.
2. an Reisekosten:
a) bei Reisen, die auf Eisenbahnen oder
Dampfschiffen gemacht werden können, für
das Kilometer 7 Pfennig und für jeden Zu-
und Abgang 2 Mk.;
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132
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
3. Jahrgang.
b) bei Reisen, die nicht auf Eisenbahnen,
Kleinbahnen oder Dampfschiffen zurückgelegt
werden können, für das Kilometer 40 Pfennig.
Das gleiche gilt für Professoren der tier¬
ärztlichen Hochschulen und Departementstier¬
ärzte, soweit ihnen die Wahrnehmung der
kreistierärztlichen Geschäfte für einen be¬
stimmten Bezirk übertragen worden ist.
§ 2. Bei Reisen in gerichtlichen Angelegen¬
heiten erhalten unbeschadet der Bestimmungen
des § 5 des Gesetzes vom 24. Juli 1904 (Ge-
setz-Samml. S. 169)
I. Kreistierärzte (Bezirkstierärzte) und, so¬
weit es sich um kreistierärztliche Geschäfte
des ihnen überwiesenen kreistierärztlichen Be¬
zirkes handelt, Professoren der tierärztlichen
Hochschulen und Departementstierärzte
1. an Tagegeldern 7 Mk. 50 Pfennig,
2. an Reisekosten:
a) bei Reisen, die auf Eisenbahnen oder
Dampfschiffen gemacht werden können, für das
Kilometer 7 Pfennig und für jeden Zu- und
Abgang 2 Mk.;
b) bei Reisen, die nicht auf Eisenbahnen,
Kleinbahnen oder Dampfschiffen zurlickgelegt
werden können, für das Kilometer 35 Pfennig.
II. Departementstierärzte, soweit nicht die
Bestimmungen zu I Platz greifen,
1. an Tagegeldern 9 Mk.,
2. an Reisekosten:
a) bei Reisen, die auf Eisenbahnen oder
Dampfschiffen gemacht werden können, für
das Kilometer 9 Pfennig und für jeden Zu-
und Abgang 3 Mk.;
b) bei Reisen, die nicht auf Eisenbahnen,
Kleinbahnen oder Dampfschiffen zurückgelegt
werden können, für das Kilometer 50 Pfennig.
Eine Ermässigung der Tagegelder bei ein¬
tägigen und bei solchen zweitägigen Dienst¬
reisen, die innerhalb 24 Stunden begonnen und
vollendet werden, tritt nicht ein. Im übrigen
finden jedoch die für die Staatsbeamten gel¬
tenden allgemeinen Bestimmungen über die
Gewährung von Tagegeldern und Reisekosten
Anwendung.
§ 3. Diese Verordnung tritt gleichzeitig
mit dem Gesetze, betr. die Dienstbezüge der
Kreistierärzte, vom 24. Juli 1904 (Gesetz-
Samml. S. 169) in Kraft.
Urkundlich unter Unserer Höchsteigen¬
händigen Unterschrift und beigedrucktem Kö¬
niglichen Insiegel.
Gegeben Kiel, an Bord M. J. „Hohenzol-
lern“, den 25. Juni 1905.
(L. S.) Wilhelm.
Schönstedt. Frhr. v. Rheinbaben, v. Podbielski.
Preussen. Tarif für die Gebühren der
Kreistierärzte in gerichtlichen Angelegen¬
heiten.
Vom 15. Juni 1905. (Gesetz-Samml. S. 254.)
Auf Grund des § 3 des Gesetzes, betr. die
Dienstbezüge der Kreistiörärzte, vom 24. Juli
1904 (Gesetz-Samml. S. 169) setze ich im Ein¬
vernehmen mit dem Finanzminister und dem
Justizminister folgendes fest:
§ 1. Die den Kreistierärzten für die Tätig¬
keit als gerichtliche Sachverständige zi:s!eilen¬
den Gebühren sind nach den Bestimmungen des
anliegenden Tarifs zu bemessen.
§ 2. Die Höhe der Gebühr ist, sofern der
Tarif einen Mindest- und Höchstbetrag vorsieht,
innerhalb der festgesetzten Grenzen nach den
besonderen Umständen des einzelnen Falles,
insbesondere nach der Beschaffenheit und
Schwierigkeit der Leistung sowie nach dem
Zcitaufwande zu berechnen. Wird mehr als
der Mindestsatz einer Gebühr beansprucht, so
ist dies in der Gebührenberechnung unter An¬
gabe der für die Verrichtung aufgewendeten
Zeit und Arbeitsleistung zu begründen.
Bei besonders schwierigen und umfang¬
reichen Verrichtungen darf die Höchst gebühr
mit Zustimmung des Regierungspräsidenten
(Polizeipräsidenten in Berlin) überschritten
werden.
Die Gerichte sind befugt, den Regierungs¬
präsidenten (Polizeipräsidenten in Berlin) um
eine gutachtliche Aeusserung über die Ange¬
messenheit der Gebührenforderung zu ersuchen.
§ 3. Verrichtungen, für die der Tarif Ge¬
bührensätze nicht auswirft, sind nach Massgabe
der Sätze, die für ähnliche Leistungen nach
dem Tarife gewährt werden, zu vergüten.
§ 4. Dieser Tarif tritt gleichzeitig mit
dem Gesetze, betr. die Dienstbezüge der Kreis¬
tierärzte, vom 24. .Juli 1904 (Gesetz-Samml.
S. 169) in Kraft.
Der Minister
für Landwirtschaft, Domänen und Forsten,
v. Podbielski.
Anlage.^
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[ Lfde No.
Heft 6.
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
133
G c 1) ü h r e n t a r i f.
Bezeichnung der Vorrichtung
1
2
3
4
Abwartung eines Termins bis zur Dauer
von zwei Stunden, einschliesslich der
während des Termins ausgeführten Un¬
tersuchungen und erstatteten münd¬
lichen Gutachten.
Jede angefangene halbe Stunde mehr
Als Anfang des Termins gilt die Zeit,
zu der geladen ist. als Endpunkt die
Zeit der Entlassung.
Unterbrechungen der Verhandlung
und Beurlaubungen des Veterinär-Be¬
amten werden in die Terminsdauer mit
eingerechnet; dies gilt jedoch bei einer
Unterbrechung oder Beurlaubung, die
auf mehr als zwei Stunden bestimmt
wird, dann nicht, wenn der Veterinär-
lx»ainte an seinem Wohnorte vernom¬
men wird oder wenn seine Rückreise
durch die Unterbrechung oder Beur¬
laubung nicht verzögert wird.
Die Gebühr ist für jeden Verhand¬
lungstag Uesonders zu berechnen.
Ist der Veterinärbeamte in mehreren
Terminen an demselben Tage beschäf¬
tigt gewesen, so darf eine mehrfache
Berechnung derselben Zeit nicht statt¬
finden.
Untersuchung eines Tieres behufs Vor¬
bereitung des in einem Termine zu er¬
stattenden Gutachtens.
Hat sich der Veterinärbeamte zum
Zwecke der Untersuchung au Ort und
»Stelle begel>en und kann die Unter¬
suchung ohne sein Verschulden nicht
statt finden, so ist die Mindestgebühr
anzusetzen.
Mehr als 3 Untersuchungen dürfen
nur mit Zustimmung der ersuchenden
Behörde berechnet werden.
Für eine Akteneinsicht ausserhalb des
Termins. .
a) Für die Obduktion eines Pferdes
oder Rindes, einschliesslich des Ob¬
duktionsberichts .
Auslagen für die Zuziehung von Ge¬
hilfen sind in diesem »Satze nicht ein-
l>egriffen, sondern besonders zu liqui¬
dieren.
b) Für die Obduktion eines anderen
Haustiers, einschliesslich der durch die
Zuziehung von Gehilfen entstehenden
Kosten und des Obduktionsberichts .
c) Werden mehrere Obduktionen in
derselben Sache an demselben Tage
ausgeführt, so ist für jede der ersten
Obduktion folgende Obduktion anzu¬
setzen
bei Pferden und Rindern.
bei den übrigen Haustieren.
Die Gesamtgebühr für Obduktionen
darf an einem Tage 25 Mk. nicht üln?r-
sc breiten.
Im unmittelbaren Anschluss an die
Obduktion etwa erforderlich werdende
mikroskopische Untersuchungen von
Kadaverteilen sind in dem obigen
Sätzen einbegriffen.
6
6
1
7
8
9
2—5
10
1,50-4
Bezeichnung
der Verrichtun
£
u
-a
:3
©
p
Für Ausstellung eines Befundseheins
oder Erteilung einer schriftlichen Aus¬
kunft ohne nähere gutachtliche Aeusse-
rung..
Für ein schriftliches, ausführliches,
wissenschaftlich begründetes Gutachten
Für die Untersuchung eines Futter-,
Nahrungs- oder Arzneimittels, ein¬
schliesslich eines Befundscheines oder
kurzen Gutachtens.
Sind bei der Untersuchung zeitrau¬
bende bakteriologische oder chemische
Arbeiten erforderlich, so sind diese mit
12 bis 60 Mk. besonders zu vergüten.
Auslagen für Reagenzien, Nährböden,
Versuchstiere, zu der Untersuchung be¬
schaffte Instrumente und sonstige not¬
wendige Unkosten sind in diesen Sätzen
nicht einbegriffen, sondern besonders
zu vergüten.
Ausser der Gebühr zu 6 erhält der Ve¬
terinärbeamte im Falle der Wahrneh¬
mung eines Termins die zu 1 be¬
stimmte Gebühr, dagegen sind die zu
2 und 3 bestimmten Gebühren in der
Gebühr zu 6 mit einbegriffen.
Erfordert ein Gutachten zu 6 eine Unter¬
suchung der in 7 bezeichneten Art
oder wird im Falle zu 7 nachträglich
ein schriftliches, ausführliches und
wissenschaftlich tiegründetes Gutach¬
ten erfordert, so kommen die Gebühren
zu 6 und 7 nebeneinander zum An¬
sätze. Erfordert eine Untersuchung zu
7 einen vorgängigen Besuch oder eine
Besichtigung, so tritt die Gebühr zu
2 hinzu.
Schreibgebühren sind, sofern der Ve¬
terinärbeamte sich zur Reinschrift der
Berichte und Gutachten fremder Hilfe
bedient, nach Massgabe der für die
Berechnung der. gerichtlichen Schreib¬
gebühren geltenden Bestimmungen zu
bewilligen.
3
8—30
3—12
Referate.
Ernährung, einschliesslich der Fleisch- und
Milchhygiene.
Rullmann. Ueber die Reaktionen der
oxydierenden Enzyme de r Kuh- und
Frauen milc h. Vortrag, Ref. d. M. Med.
Wchschft. No. 32.
Da nachgewiesenermassen die wichtigsten
Milchbestandteile — Eiweissstoffe, Lecithin. Milch¬
zucker, die Enzyme und der Geschmack selbst —
bei längerem Erhitzen über 70 0 C leiden, so ist
es wichtig, über die stattgehabte Erhitzung durch
Reaktionen möglichst einfach und rasch Aufschluss
bekommen zu können. Loew war der erste, der
die Wirkung der Enzyme auf Aldehydgruppen
zurückführte, eine Anschauung, die sich durch
Seligmanns neuere Versuche zu bestätigen scheint.
Während nun diese oxydierenden Enzyme in
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134
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
3. Jahrgang.
der tierischen Milch der Grasfresser fast bei allen
Arten in grosser Menge nachgewiesen sind, ist
dies bei den Fleischfressern, also auch bei der
Frau bis jetzt nur in geringem Grade möglich
gewesen.
Scharfe und rasch ausführbare Euzymreaktionen
sind zur Ergänzung der bakteriologischen Milch¬
untersuchungen notwendig; um z. B. bei Anwen¬
dung des Forster-Gerterschen Pasteurisierungsver-
fahrens, das darauf beruht, dass Milch genau eine
Stunde lang unter ständigem Bewegen auf 68 bis
69 0 gehalten (Befreiung von allen Keimen) und
dann rasch abgekühlt wird, zu konstatieren, dass
keine Ueljerschreitung dieser Temperatur und da¬
mit Schädigung der wichtigsten Nährbestandteile
und des Geschmackes selbst stattgehabt habe, ist
eine chemisch-biologische Prüfung unerlässlich.
An Rohmilch, Gerbermilch und anderen ver¬
schieden erhitzten, sterilisierten und ganz keim¬
freigemachten Milchproben zeigte der Vortr. die
Schärfe der meist benutzten Reaktionsarten. Neben
Ausführung der ältesten Methode des Enzymnach¬
weises durch alkoholische Guajakharzlösung unter
Zusatz von Wasserstoffsuperoxyd und der besonders
für die gerichtliche Beweisführung geeignete Reak¬
tion nach Schardinger, empfiehlt Vortr. besonders
das für den praktischen Arzt geeignete Storchsche
Reagenz, aus Wasserstoffsuperoxyd und einer 2 «o
wässerigen Paraphenylendiaminchlorhydrat lösung
bestehend. Bei Ausführung der Reaktionen als
Schichtreaktionen zeigen sich die Enzymänderungen
in präzisester Weise. Rohe Milch und die nicht
über 68—69° erhitzte Gerbermilch ergeben sofort
einen deutlichen blaugrauen Ring; ist diese Tempe¬
ratur aber nur ganz kurze Zeit überschritten, dann
tritt die Ringbilduug wesentlich später ein.
Jacob.
De Blasi, Ueber die Passage der Anti¬
körper in die Milch und ihre Ab¬
sorbierung durch den Säuglings¬
darm. Centralbl f. Bakt. etc. I. Abt. Ref. Bd. 36,
No. 12, 13. »
Zur Uebertragung der Immunität von seiten
eines stillenden Tieres auf den Säugling ist das Vor¬
handensein zweier Bedingungen nötig. Es müssen
die Antikörper unverändert in die Milch übergehen,
und es müssen die in der Milch vorhandenen Anti¬
körper durch die Magendarm-Schleimhaut hindurch
und unverändert in das Blut des Säuglings übergehen.
Den Uebergang der Antikörper in die Milch
haben verschiedene Gelehrte übereinstimmend nach¬
gewiesen. Dagegen haben die Versuche über den
Durchgang der Antikörper durch die Magendarm-
Schleimhaut des Säuglings bei den verschiedenen
Autoren zu entgegengesetzten Resultaten geführt, für
deren Erklärung verschiedene Hypothesen aufgestellt
wurden. Verf. glaubt den wesentlichsten Anteil an
den Unterschieden der Versuchsergebnisse auf Grund
seiner Versuche darin zu finden, dass die Unter¬
schiede, die zwischen aktiv und passiv immuni¬
sierten Tieren bestehen, sich auch in den in die
Milch übergehenden Antikörpern, vor allem aber in
ihrer Absorbierung durch den Darm der Säuglinge
geltend machen. Profö.
E. Seligmann. Einfluss v o n Aide h y den.
besonders des F o r m alias auf di e
O x y d a s e n der Milch. (Ztschft. f. Hyg.
50 , 1 .)
Eine Reihe von Aldehyden und ähnlichen Kör¬
pern üben zwar einen gewissen, begünstigenden Ein¬
fluss auf die Oxv(lasen der Milch aus. Aber dieser
Einfluss ist, ausser l>eim Formaldehyd, gering und
richtet sich scheinbar nach der Konstitution der
Verbindungen. Darauf beruht wohl auch die höhere
Intensität der Formalinwirkung, so dass man an¬
nehmen könnte, die locker gebundene Aldehyd¬
gruppe als solche beeinflusse das Enzymmolekül,
um so stärker, je labiler sie ist.
Unabhängig von Versuchen, über die Kolle l>e-
riclitete, prüfte Verfasser den Einfluss, den der
Zusatz von Formalin 1:50 000 auf die Milch aus-
j übt, also die zuerst von Behring empfohlene Kon-
I zentration. Die Aufbewahrung geschah im Eis-
| schrank bei 8—10° C. oder bei Zimmertemperatur.
Als Vergleichsobjekt diente gleich alte Rohmilch.
Die Haltbarkeit, die mit Hilfe der Säuretitrierungs¬
methode (nach Soxhlet), der Alkoholprobe und des
normalen Gerinnungsbeginns geprüft wurde, zeigte
sich erheblich verändert. Während PolimPeh schon
am zweiten Tage eine beträchtliche Säurebildung
zeigt, ist bei der Formalinmilch ein Anstieg der
Säurewerte zur gleichen Zeit nicht bemerkbar.
Dieses Verhälten ändert sich nicht mit der Dauer
der Aufbewahrung. Etwas anders verhielt sieb
unter aseptischen Cautelen entnommene und auf-
I gefangene Milch. Hier zögert die Säurebildung lx*i
der Rohmilch etwas; sie beginnt selten vor dein
vierten Tage, erreicht aller an diesem plötzlich
hohe Werte, während die Formalinmilch desselben
Alters keine Spur von Säuerung zeigt.
| Auch pasteurisierte Milch wurde geprüft. Sie
I zeigt ein ähnliches Verhalten wie rohe Formalin¬
milch, in dem die Säuerung nur gering ist. Jedoch
entwickelt sich Fäulnis und Gerinnung früher als
bei dieser, während pasteurisierte Formalinmilch
so gut wie gar keine Säuerung und beträchtlich
später Gerinnung zeigt.
Eine Reihe von Veränderungen l>ezieht sich auf
die enzymatischen Reaktionen:
Das Hg 0 2 - Spaltungsvermögen der Milch er¬
fährt durch Formalinzusatz eine Steigerung.
Formalin verstärkt die Fähigkeit der Milch,
verschiedene enzymatische Farbenreaktionen zu
geben.
Während die Reaktionsfähigkeit roher Milch
mit dem Alter rasch abnimmt, bleibt sie bei
Formalinmilch unverändert energisch. Frsaclie ist
zum Teil mangelnde Milchsäurebildung.
Rohe Milch verliert durch Erhitzen ihre Reak¬
tionsfähigkeit, Forma linmilch wird nur wenig ver¬
ändert.
Gekochte reaktionslose Milch kann durch
I Formalinzusatz wieder aktiviert werden.
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Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
135
Heft 6 .
Die Hcduktionskraft der rohen Milch gegenüber
nlkoholischor Mel hylenblaulösung sinkt bet räch t-
lich nach Formalinzusatz.
Die praktisch«» I>«»<leutun<r dieser Befunde ist
folgende: Es verliert eine Beilie bisher angewandter
Frohen zur Unterscheidung roher und gekochter
Milch ihre Bedeutung, da das bisher beweisende
Verschwinden der Reaktion durch Formalinzusatz
wieder aufgehol>en werden kann. Denn: manche
Aerzte führen die so häufige Idiosynkrasie gegen
Milch auf die Enzyme der Milch zurück. Da diese
zum Teil durch Formalin in ihrer Wirksamkeit ge¬
steigert werden, ist es möglich, dass hierdurch eine
vorhandene Idiosynkrasie vermehrt und die so über¬
aus empfindliche Säuglingsverdauung schädlich be¬
einflusst worden kann. Jacob.
E. Klein. Fob e r d i e V e r b r e i t u n g des
Bacillus en t e r i d. G ä r t n c r in der
Kuhmilch. ((Mbl. f. Bakt., 38, 4.)
Von 31) Milehproben, die verschiedenen Farmen
einer Anzahl englischer Landliezirke entstammten
und auf Tulierkelbaeillen geprüft wurden, zeigte
sieh, dass 10 Prolien (= 25,5 °o) nach Injektion
des Milchabsatzes (von je 300 cem gesammelt) sub¬
kutan in die Feiste oder peritoneal bei Meer¬
schweinchen eine chronische Krankheit der Milz
herv«»‘rufen, Vergrösserung dersellien lind miliare
Knötchen mit eiterigem Zentrum. Die andern Or¬
gane waren normal, äusserlieh zeigten die Tiere
bei der Tötung keine Krankheitserscheinungen.
Ausstrichpräparate der Knötchen und Kulturen zeig¬
ten. dass es sich um den Bacillus enteridis Gärtner
handelte. Der Mikrolic war hochvirulent, .subkutane
Injektion von -- Kubikzentimeter einer einen
Tag alten Bouillonkultur tötete Meerschweinchen
von 300 g sicher in kurzer Zeit.
Entscheidend für die Diagnose sind: blaue
Kolonien auf Drigalski. Bläuung der Lit musmilch,
reicliliehe, lange, dünne, wellige Flagellen, wie bei
Typhus, entschiedene und rasche Agglutination
durch Blutserum eines mit dem typischen Bacillus
Gärtner immunisierten Kaninchens.
Der Mikrobe konnte in den Milchproben (aus
zehn verschiedenen Farmen) nur in sehr be¬
schränkter Zahl vorhanden sein, denn keines der
mit dem Milohabsatz injizierten Meerschwein¬
chen erkrankte akut. Bei ganz kleineu Dosen
(iööö ccm ^is 4^3 ccm) gehen die Tiere nicht
akut ein, und weisen erst vom 9. oder 10 . Tage an
bei der Sektion die allmähliche Entwickelung der
eitrigen Milzknötchen auf.
Die Kühe, von denen die Milch stammte, waren
nicht erkennbar krank, doch waren überall die Zu¬
stände l>ei der Abmilelmng höchst unrein. Die
Proben wurden durch einen erfahrenen Sanitäts-
insj>ektor bei ihrer Ankunft in grossen Kübeln
in den verschiedenen Bahnstationen in sterile
Flaschen gefüllt und direkt ins Laboratorium ge¬
bracht. Dass solche Milch, wenn sie an einem
warmen Orte stehen gelassen wird, oder in der j
heissen .Jahreszeit ungekocht genossen wird, nicht
ohne Gefahr ist, darf als wahrscheinlich angenom¬
men werden. Jacob.
Weissflog. Beobach tu n'g eniiberdieMilch
speziell die Kollo stral milch. Deutsche
Tierärztl. Wochenschr. 13. Jahrg. No. 17.
Verf fand bei seinen Untersuchungen keine
Gesetzmässigkeit in der Zeit und Dauer des Auf¬
tretens von Kollostralkörperchen. Diese fanden sieh
reichlicher in den ersten 6 bis 9 Tagen, in anderen
Fällen in den ersten 3 Tagen, schliesslich auch bis
zu 21 Tagen post partum. In geringer Anzahl
finden sich Kollostrumkörperchen während der ganzen
Laktationsperiode. Der Fettgehalt der Kollostral-
milch ist durchweg weder höher noch geringer als
der normaler Milch. Unmittelbar nach der Geburt
besitzt die Milch nicht den normalen Fettgehalt,
entweder ist dieser zunä hst höher oder geringer
um sich dann in einigen Tagen auf den normalen
Gehalt des Individuums einzustellen.
Der Maximalertrag an Milch wird nicht un¬
mittelbar nach der Geburt, sondern erst einige (6
bis 14) Tage nachher erreicht, um dann nach län¬
gerer Zeit wieder ganz allmählich abzufallen.
Pro KL
üabrowski. Welche Desinfektionsmittel
verleihen der Milch ihren Geruch.'
Gaze tu rolnicza, 1905, No. 5.
Aus den diesbezüglichen Forschungen l)tp
browskis gebt hervor, dass die Milch am leichtesten
und dauerndsten nach Eingabe von Anis oder Be¬
handlung des Tieres mit Jodoform den Geruch
dieser Substanzen annimmt; dasselbe kann über
Karbolsäure gesagt werden, nur ist dieser Geruch
nicht so haltbar. Noch leichter verliert die Milch
den Terpentin- und Formalingeruch. Am wenigsten
geht der Geruch des Chlorkalkes in die Milch
über, woraus zu schlicssen wäre, dieses Desinfek¬
tionsmittel sei für die Kuhställe am ent¬
sprechendsten. Baczynski.
M. Ballo. Bestimmung des Schmutzte-
kaltes in der Milch. (Oester. Chem. Zei¬
tung. Ref. in d. Hyg. Rundschau No. 4.)
Um den Gehalt der Milch an Schmutzstoffen
zu bestimmen, bedient sich Verf. der nach Art
eines gewöhnlichen Filters zusammengelegten
Müllergaze und zwar No. 18 und 20 (Dufour), die
alle dem Auge sichtbaren Partikelchen zurückhält
und deren Maselionweite doch auch gross genug
ist. um selbst die grössten Fettkügelchen dureh-
zulassen. Das Gazefilter wird in einen gerippten
Trichter gestellt, mit Wasser angefeuchtet und
dann die Milch aufgegossen, die sehr rasch durch¬
läuft. Der auf denn Filter angesaminclte Schmutz
wird wie beim Renkseheii Verfahren weiter be¬
handelt, nämlich mit Wasser, dann mit Alkohol
und Aetlier gewaschen und entweder am Filter
getrocknet und in ein gewogenes Gefäss mit Feder¬
fahne hinoingebraoht. oder solange er noch nass
ist. mit etwas Wasser in eine Platinschale gespült,
eingedunstet, getrocknet und gewogen. Die Mc-
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136
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
3. Jahrgang.
thode hat sich bei Masseuuntersuchungeii sehr
gut bewährt. Der hohe Preis für Gaze kommt
nicht in Betracht, weil jedes Filter wiederholt
benutzt werden kann. Kontrollversuche mit ge¬
wogenen Mengen Kuhdünger der Milch zugesetzt
ergeben nach diesem neuen Verfahren 92—95 °o
der angewendeten Menge, während nach dem Ver¬
fahren von Renk nur 61,6, 66 und 89 °/o wieder¬
gefunden wurden. Nach dem Verfahren des Verf.
wurde also der ganze Milchschmutz bestimmt, der
im Kuhdünger etwa 8—10 °/o an ätherlöslichen Be¬
standteilen vorhanden sind, die beim Waschen des
Filters mit Aether wenigstens zum Teil in Lösung
gehen.
In Budapest erwiesen sich von 502 zur Unter¬
suchung eingebrachten Milchproben bei der ma¬
kroskopischen Prüfung 37 als verschmutzt; diese
enthielten 6,9 bis 44,0, eine sogar 110,5 mg, im
Durchschnitt 27,0 mg Schmutz pro Liter.
Jacob.
Pro. Chemische Milch stnrilisation.
Rivista d'igiene 1901. No. 21 u. 22.
Verf. bespricht in seiner Arl>eit die Licht- und
Schattenseiten der Milelipasteurisation. deren Ste¬
rilisation l>ei hoher Wärme und ül>erlegt den Wert
der zur Konservierung der Milch dienenden chemi¬
schen Mittel, wie: Borsäure. Formol u. dgl.
Besondere Berücksichtigung verdient in dieser
Hinsicht das Wasserstoffsuperoxyd. Seine Experi¬
mente führte Cao mit dem sog. ..Merckschen,
chemisch reinen Wasserstoffsuperoxyde“ von
schwachsaurer Reaktion durch.
Cao versichert, dieses Präparat besitze zehnmal
höhere Konzentration als das gewöhnlich im Handel
vorkommende oxygenierte Wasser. Die mit der
wasserstoffsuperoxydhaltigen Milch genährten Tiere
blieben vollkommen gesund — man beobachtete bei
ihnen höchstens eine vorübergehende Tympanitis.
Wenn die Milch mit •">— 6 °/oo Was s e r s t of fs upe r-
oxyd vermengt wurde, konnte man nach 24 Stunden
dessen Anwesenheit mittels gewöhnlicher Reaktion
nicht feststellen. Uebrigens l>efreit die Erwärmung
der Milch bis 60° C. dieselbe von allen geringsten
Spuren dieses Mittels. Wenn das Verhältnis der
Flüssigkeiten 1 <y 0 beträgt, kann die Anwesenheit
des oxygenierten Wassers noch während einiger
Tage konstatiert werden; kurzdauernde Erwärmung
bis 70° C. reicht dann nicht aus, um die Milch
von dem erwähnten Mittel zu befreien. Man kann
es aber durch mehrstündige Erwärmung bis 30° C.
zustande bringen.
Verf. meint, (lass nur oxygeniertes Wasser zur
Milchkonservation vollkommen entsprechend ist.
Die 0.8—1 proz. Zugabe kann nur zu gänzlicher Ste¬
rilisation oder längerer Konservation der Milch ge¬
braucht werden. Für den Transport und kurz¬
dauernde Aufbewahrung der Milch reicht aber „viel
geringere“ — vom Verfasser leider nicht näher l>e-
stimmte — Menge vom Wasserstoffsuperoxyd aus. —
Baczynski.
Teicliert. B a k t. e r i o 1 o g i s c h - c h e m i s c h e
Studien über die Butter in de r Pro¬
vinz Pose n m i t b e s o n d e rer B e r ü ek -
s i c h t i g u n g der T u b e r k e 1 b a c i 11 c n.
Klin. Jalirb. 1904. Bd. 12.
Die wichtigsten Schlüsse, die Verf. aus seinen
an einem sehr umfangreichen Material vorgenom-
meneu Untersuchungen zieht, sind folgende:
Die Tuberkulose unter den Schlachttieren in
der Provinz Posen hat ständig zugenommen. Die
hygienischen Verhältnisse der Posener Molkereien
entsprechen nicht modernen Anforderungen. Ein
grosser Teil der in der Butter vorkoinmeiiden Bak¬
terien, insbesondere der Micr. acidi lactis, der Ba¬
cillus butyri bruneus, einige Hefen und Schimmel¬
pilze bauen die Ei weisskörper der Milch kräftig
ab. In der aus der Provinz stammenden Butter
finden sich in 22 "o aller Fälle Tuberkelbaeillen
vor, ein Befund, der sich mit der Häufigkeit der
bei Schlachttieren in Posen festgesteilten Tuber¬
kulose deckt. l’rofe.
Heyken , Steigerung des Milchertrages
durch Tränken mit gutem Wasser.
Illustr. landw. Zeitung, 25. Jahrg., No. 35
Verf. hat durch einen Versuch ermittelt, dass
die Art das Tränkwassers von erheblicher Bedeut ung
auf die Milchergiebigkeit ist. Tn einem Teile der
Marsch wurde das stark eisenhaltige Brunnenwasser
durch ein mittelst Leitung zugeführtes tadelfreies
Quellwasser ersetzt. Ein Teil der Landwirte hatte
auch die Stallungen an die Wasserleitung ange¬
schlossen. Verf. suchte zwei Kühe eines Stalles aus.
die eine quantitativ konstante tägliche Milchsekretion
zeigten. Beide lieferten 40 Liter Milch pro Tag. Die
Tiere wurden nun 14 Tage lang mit dem alten
Brunnenwasser getränkt, worauf das Milchquantum
am 4. Tage auf 39, nach 14 Tagen auf 38 Liter herab¬
ging. Nachdem nunmehr wieder Quellwasser ver¬
abreicht worden war, hob sich das Milchquantum in
einigen Tagen wieder auf 40 Liter. (Verf. hat leider
verabsäumt, Kontrolltiere in dem Versuche zu be¬
obachten. D. Ref.) Profe.
Fr. Tangl und K. Farkas, Budapest. Unter¬
suchungen über den Stoff- und
Energie Umsatz des befruchteten
Forellen-Eies. Math. 6s Termeszettudomäny i
Ertesitö. 1904. No. 3.
T a n g 1 und Farkas stellten fest, dass während
der Entwickelung der Forelle der Gehalt des Eies
an Trockensubstanz und an Wasser abnimmt Doch
ist dieser Verlust, ein verhältnissmässig geringerer
als im Eie des Huhnes oder der Seidenraupe. Das
Fett wird nicht weniger, im Gegenteile, es nimmt
sogar an Menge zu. Dieses Fett kann bloss aus
den Eiweisskörpern des Eies entstanden sein, da
die unbebrüteten Eier Glykogen in Spuren enthalten.
Die während des Brütens verbrauchte chemische
Energie — die Arbeit der Entwickelung — beträgt
in je einem Ei 6,68 grm Kalorien. Diese Energie
stammt aus den stickstofffreien Molekülen der Ei¬
weisskörper. Zimmermann.
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Heft 6.
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
137
Jarmatz. Die verschiedenen Melasse-
arten in i li r e r Bedeutung als H a fer-
Krsatzfuttermit-tel für das Truppen-
pferd. Zeitsehr. f. Veterinärkde. 17. Jahrg.
1. Heft.
Von allen in den Handel kommenden Hafer-
Surrogaten nimmt die zuckerhaltige Melasse den
ersten Platz ein. Es werden der Melasse die ver¬
schiedensten Stoffe zugesetzt, um ihr das fehlende
Kiweiss zuzuführen, die im l'ebermass vorhandenen
Salze zu neutralisieren und ihr eine handliche Form
zu verleihen. Auf diese Art. entstanden die ver¬
schiedenartigen Präparate, wie Melasse-Torfmelil,
Kohorin-Kraftfutter. Milch-Melasse. Blut-Melasse,
Melnsse-Trockensehnitzel u. a. Hinsichtlich der
Beurteilung der einzelnen Fabrikate stehen sich
die Ansichten vielfach schroff gegenül>er. Auf
(irund der bisher immerhin vielfachen Versuchs¬
fütterungen, besonders bei den Pferden der Armee,
kommt Verf. zu folgendem Urteil: Die verschieden¬
artigen Melassefuttermittel, von denen die Torf¬
meldmelasse besonders zu empfehlen ist, kommen
als Nahrungsmittel bei Ernährung der Truppen¬
pferde nicht in Betracht und können dement¬
sprechend als ein Ersatzfutter für Hafer keine Ver¬
wendung finden. Dieselben haben lediglich den
Wert als diätetisches Beifutter und nur dann, wenn
kein Hafer al>gezogen und eine Heuzulage gewährt
wird. Eine dauernde Anwendung dieser Surrogate
ist nicht empfehlenswert. Die Verfiitterung emp¬
fiehlt sich im Frühjahr zur Zeit des Haarwechsels,
der hierdurch abgekürzt wird, im Herbst nach Be¬
endigung des Manövers, 1 km dürftig genährten Tieren
und bei Rekonvaleszenten. Der Salzgehalt der Prä¬
parate soll 8 °o nicht übersteigen. Profc.
Wasser, Luft, Boden, Klima.
Schilling. Bericht über Untersuch ungc n
betreffs Viehkrankheiten im Schutz¬
gebiete Togo. 1903/01. Deutsches Kolonial¬
blatt. 15. Mai 1905.
Der Bericht beginnt mit der Mitteilung, dass
in der Stationsherde von Sansane-Mangu eine
Seuche ausgebrocheu war, die indes schon vor dem
Eintreffen des Verf. ..dank den energischen und
zweckmässigen Massregeln eines Oberleutnants
lokalisiert und zum Erlöschen gebracht worden
war,“ so dass Verf. nunmehr gleich an seine Auf-
galie. die Bekämpfung der Ttetsekrnnkheit oder
Xagana, gehen konnte, ln dieser Richtung wurden
Impfungen an Rindern vorgenoinmen mit Material,
das von spontan erkranktem Pferde stammte und
18—20 Hunde und Ratten passiert hatte. Das
Peritonealexsudat des Hundes wurde benutzt. Es
enthielt reichlich die Naganaparasiten. Dosis ist
nebensächlich. Nach einem Jahre waren noch in
50 o/o der Impflinge (Rinder) lebende Trypanosomen
enthalten. Keine Krankheitserscheinungen l>ei den
geimpften' Rindern. 10 o/ 0 Verlust; Todesursache
fraglich. Mit diesen so geimpften Tieren wurde so
verfahren:
Ein Teil wurde nach Kpeme geschickt. Die
Verhältnisse sind dort derart, dass eine Ttetsc-
infektion ausgeschlossen erscheint. ln Kpeme
starben von den 18 Rindern 3; bei 2 Xajanapara-
siten im Blute, 1 akute Tvmpanitis. 2 erkrankten
an Ttotse. erholten sich alter wieder. Von den
nicht vorbehandelten Kontrolltiercn starben 1 Rind
und 4 Kälber.
Ein anderer Transport Rinder wurde nach
Atakpame gebracht, wo bisher Rinder ausnahms¬
los zugrunde gingen. 15 o/ 0 der Impflinge blieltcn
am Leben, von den 0 Konfrontieren starben 5.
Todesursache wegen Unbrauchbarkeit der Blut-
präparate nicht aufgeklärt.
Eine dritte Altteilung der vorbehandelten riete
wurde nach Misahöhe getrieben. Diese Tiere
g i n g e n alle z u g r u n d e. Die Schuld hieran,
meint Sch., trägt die ungewohnte Art der Arlteits-
leistung der Tiere als Zugvieh, besonders aber das
schlechte Trinkwasser während des Transportes.
Des weiteren wurden 3 vorltehandelte Rinder
und 2 nichtvorbehandelte Kälber mit dem Blute
einer natürlich infiziert e n K uh d i r e k t
geimpft. Resultat: Bei einer vorbehandelten Kuh
keine Parasiten, l>ei den übrigen vorbehandelton.
w i e a u e h d e n K o n t r o 111 i e r e n, verläuft
der Prozess in gleicher Weise. Heilung nach 2
bis I Monaten.
Endlich werden 3 vorltehandelte und 3 Kon¬
frontiere der na t, ü r 1 i c hen Infektion aus-
gesetzt. in einer (regend, in der bisher fast nur
tödliche Infektion beobachtet worden sein soll.
Resultat: Nur eine (der kleinen KonknneIjaras.se
augehörige) Kuh blich frei von Parasiten. Ein
vorbehandeltes Rind erlag der Infektion nach
2 Monaten. l>oi dem dritten waren die Parasiten
noch nach 5 Monaten vorhanden. Von den Kon¬
frontieren stirbt eins (Kalb) nach 11 Tagen,
1 Rind erkrankt schwer, (Las dritte (Kalb) Kon¬
frontier war indt*s nach 5 Monaten frei von
Parasiten.
Auf tlrund dieser Feststellung glaubt Verf.
folgende Schlüsse ziehen zu können:
1 . Auch hei direktem Uebergang in Nagana-
gebiet kann die beschriebene Impfung wenigstens
einen teilweisen Schutz gewähren, wenn sie in
Abständen wiederholt wird.
2. ..Die Vorl>ehandlung. wie sie oben beschrieben
wurde, genügt also, auch wenn man längere Zeit
verstreichen lässt, bis man das l>etreffende Rind
der Infektionsgefahr aussetzt, nur in einem Teil
der Fälle. um auch gegen diese natürliche
Infektion zu schützen. Vergleicht man ferner diesen
Versuch mit dem vorausgehenden, so konstatiert
man. abgesehen von beträchtlichen individuellen
Schwankungen, dass die Infektion durch den Stich
der Fliege eine schwerere Erkrankung hervorruft,
als es die künstliche Impfung vermag. Vcrsuchs-
resultate also, welche nicht an dem Prüfsteine der
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138
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
3. Jahrgang.
natürlichen Infektion im Ttetsegebiet erworben sind,
halxm noch keine endgültig ausschlaggebende Be¬
deutung. Die Annahme, dass die Fliege den Para¬
siten in einem anderen Stadium der Entwicklung
ülierträgt, als wir ihn im kreisenden Blute finden,
gewinnt durch diesen Versuch sehr an Wahrschein¬
lichkeit.“
3. Kälter erhalten keine Immunität von der
Mutter, sind jedoch weniger empfindlich gegen
Infektion.
In einer Fachzeitung sollen, sagt Yerf. neben-
hre, Untersuchungen ül>er die eingangs erwähnte
Seuche, ül>er Trypanose der Schafe, ülx*r eine
jerniziöse Anämie der Schafe. ül>er eine der Wut
ähnliche Erkrankung der Hunde veröffentlicht
werden.
Um die Grundirnmunität zu steigern, wurden
3 vor! ye handelte Tiere mit vom Pferde stammenden
und einmal durch Hund geschickten Parasiten
nochmals geimpft. Die Tiere blieben in einem ge¬
fährlichen Ttetsegebiet, in das sie nach l 1 /., Mo¬
naten geschickt wurden, gesund. Im Blute waren
keine Parasiten nachzuweisen.
I. Also lässt s i c h d i e Im m u n i t ä t d e r
T i e r c durch eine zweite Impfung mit
f ast v ( 1 11 v i r u len) (‘ m M a t e r i a 1 so f e s t i-
g e n , <1 a s s auch d e r Stich d e r F 1 i e g e
n i c h t i m s t a n d e i s i , z u infiziere n. Zur
Ueliernahme der Kontrolliiupfungen empfiehlt
Yerf. der Kaiscrl. Regierung in Lome den
Regierungsarzt in Anecho. In Anwendung
d er I m p f m e t h o d c hat Sch. die in So-
kode ansässigen Europäer unterrichtet. Hierbei
werden sie überwacht von dem Regierungs-
arzte. Zum Schlüsse warnt Yerf. vor der Auf¬
fassung, jetzt sei alles erledigt, und er macht
den Yorschlag, in einem L a boratorium in
Deutschland einen Arzt mit Y er¬
suchen über die Nag a na zu b e schat¬
tigen, ..denn es liegt in der Natur des Gegen¬
standes. dass gewisse Arl>eiten bequemer und
sicherer in einem Lande vorgenommen werden
können, in welchem die Krankheit nicht vorkommt.
Parallel und in ständiger Verbindung hiermit muss
andererseits aber auch die praktische Anwendung
und Prüfung der im Laboratorium gewonnenen
Resultate in einer oder mehreren unserer tropischen
afrikanischen Kolonien gehen. Ich weiss aus Er¬
fahrung. dass es nicht genügt, einen praktisch
tätigen Arzt ..im Nel>enamt“ mit solchen Versuchen
zu betrauen. Solche Halbheiten führen auch nur
zu halben Ergebnissen, ln dem Studium, in welchem
die Untersuchungen über Ttetsekrankheiten zurzeit
stehen, machen sich die darauf verwendeten Mittel
sicher und reichlich bezahlt.“ — Quousque tandern!
Schoben.
Baumgart. Tierzucht und Rassenve r e d e -
1 u n g. — Ziegenzucht. (Deutsches Kolonialblatl.
Berlin 1. April. 15. Mai 1905.)
Die Grösse aller Haustiere nimmt vom Aequator
ab südwärts und nordwärts zu und so ist auch
der Grössen unterschied der afrikanischen Ziege
durch Klima und Fütterungsverhältnisse bedingt,
nicht durch Rassen Vermischung. Die afrikanische
Ziege ist wohl immer Haustier gewesen. Durch
Kreuzung mit Holländerziege ist die heutige Ziegen-
rasse entstanden.
In De u t s c h - S ü d • W e s t - A f r i k a , das
immer in Fühlung mit »Südafrika gestanden, gib?
es zwei Arten dieser Haustiere: Die grössere um,
stärkere Nama- und die kleinere Dama r;i*
ziege. Sie sind der deutschen Hausziege, von der
sie sieh ausschliesslich durch die langen Schlaj»p-
ohren und durch stärkeres Gehörn unterscheiden
(Böcke mit *1—6 Hörnern), sehr ähnlich. Frucht¬
barkeit gross: 1,6 Zicklein auf 1 Muttertier. Stär¬
kere Ausnutzung in letzterer Beziehung degeneriert
die Piere. Milchproduktion äusserst minimal. Wa>
das l^amru nicht braucht, bildet einen Teil de?
Lohnes für den Hüter. Auch aus den F eile n
wird wenig Nutzen gezogen. Ein Teil findet Ver¬
wendung im Haushalt; einige Firmen kaufen sie
spottbillig massenhaft auf und versenden sie nach
Kapstadt. Die Wolle wird den Tieren in dem
dornigen Busch und dem Klcttengras zerrissen und
verfilzt, also entwertet. So bleibt, abgesehen von
den dornbuschfreien Plätzen im Zentrum des I^ande>.
nur die Verwertung der Ziege als F 1 o i s c h 1 i c f e -
r a n t i n übrig.
Wie mit der Angoraziege (1810 von Kleinasien
nach Kapstadt eingeführt) sind auch die Kreu¬
zung s v e r s u c h e mit deutschen Rassen,
dem Saanen- und Toggenburger Schlag durchweg
günstig zu zensieren. Leider ging ein grosser Teil
der eingeführten Siianen tiere aai Räude zugrunde.
Man tarechnet jetzt im allgemeinen den Nutzen,
den eine Ziege einbringt zu 100 o/o in zwei Jahren
Eine Ziege kostet ca. 10 Mk. Mehr Zuchtverständ-
nis ist sehr zu wünschen. In grosser Zahl sollte
man die Tiere halten, so dass sich ein Hüter lohnt.
Kraale müssen gebaut werden. Besonders jetzt nacn
dem Aufstande, durch den ca. 10 000 dieser Tiere
verloren gingen, würde sich eine rationelle Ziegen¬
zucht lohnen. — Einführung von Zuchttieren.
Schauen usw. i>t »Sache des kgl. Gouvernement«*
bezw. der Referenten für Tierzucht und Veterinär¬
medizin im Verein mit dem Berzirkstierarzt naH
eventuellem. Anhören von erfahrenen Farmern.
Die S e h a f z u c h t steht in Süd-West-Afrika
natürlich, rücksichtlich der ol>en erwähnten \ er-
höltnisse und des hohen Lolmauspruchs der Scherer
insofern Wollprodukt.ion eine untergeordnete Rolle
spielt, auf tiefer Stufe. Und als Fleischtier h*nM
sieh die anspruchslose Ziege mehr. Wollschaf mit
afrikanischem Fctt>1eiss$ehaf gekreuzt. Inf- r;
schon in der dritten Generation marktfähige Wolle.
| Landesziege erst in der doppelten Zeit. Ud>er Prci>-
verliältnisse ist nichts gesagt.
Uel>er Pf o r d e z u c h t ist sehr wenig gebaut.
Sie Nt Sache der Gestütsvcrwalt uug in Nnue!ia>
Die Kastration der zur Zucht untauglichen Hengste
wird seitens der Tierärzte aiigestrobt.
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Heft 6.
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
139
Riiulerzuch t. Aus amtlichen Beständen
gelangen Kreuzungsprodukte rassereiner Kinder mit
afrikanischen Schlägen zum Verkauf. Zur Paarung
werden Rassestiere gegen Bezahlung voa 3 Mk. pro
Kind ausgeliehen. Diese rassereinen Tiere sind in
den Yeterinärinstituten untergebracht.
Sonst ist noch ül>er die Tätigkeit der Re¬
gierungs-Tierärzte zu sagen, dass sie zur Grün-
lung von Zuchtgenossensehaften Sorge zu tragen
haben und dass ihnen ferner die Pflicht obliegt.
..in Ansehung der Angora- und »Schafzucht 1 * die
Herdbücher zu führen. Seheben.
Zeniann, Marineolwrstabsarzt. Ueber die so-
g e n an nte ,.Kief orkrankhei t“ der
Pferde und Maultiere in Kamerun.
Archiv für wissenseh. und prakt. Tierheilkunde,
äl. Band. 3. Heft.
Verf. beobachtete in Kamerun bei Pferden und
Maultieren eine ihm eigenartig erscheinende
Krankheit, die in Iwnderseitiger Schwellung der
Oberkieferknochen besteht, welche auch auf Druck
nicht schmerzhaft zu sein scheint. Gleichzeitig
kann eine gleichmüssig zunehmende Verdickung der
horizontalen Unterkiei’eräste eintreten. Im Cavum
narium sieht man die beiderseitigen Schwellungen
die knöcherne Seitenwand immer mehr nach innen
zu vnrwöllxm, wodurch Behinderung der Atmung
statt findet. Verf. schreibt wörtlich: ..Die Atmung
wird immer beschleunigter. Zuletzt hört man auf
erhebliche Entfernung das laut pfeifende Atmen
des Tieres. Dieselben (? Ref.) bieten in diesem
Stadium ein höchst bejammernswertes (! Ref.) Bild.
In den letzten Tagen nimmt auch die Fresslust
ab. und stehen die Tiere (und die Tiere
stehen, Ref.), traurige Bilder des Elends (gibts
auch heitere ! Ref.), röchelnd da, bis die Töt¬
ung den Qualen infolge der zunehme n-
den chronischen Erstickung ein Ende
macht (also die Tötung macht infolge der zu¬
nehmenden chronischen Erstickung den Qualen ein
Endo! Ref.). Die Dauer des Leidens scheint
zwischen 4—12 (muss heissen 4 und 12) Monaten zu
Ix't ragen. Blutbet und zeigt e nichts Abnormes
ausser einer Art Piroplasma, über die (muss
heissen deren, Ref.) bereits Erwähnung getan
ist. Sektionsbefund. Die inneren Organe zeigen
venig Bemerkenswertes (d. h. wohl für den Nicht-
sachverständigen, wie den Autor. Ref.). Nirgends
Zeichen von Malleus und Aktinomykose (sind l>ei
dem Pferde doch dem Autor wohl kaum bekannt
geworden; denn Laien bekommen die genannten
Erkrankungen schwerlich zu Gesicht). Dem Autor
sind die einfachsten, auch Laien bekannten physio¬
logischen Eigentümlichkeiten des Pferdes nicht be¬
kannt (cf. p. 308, 1. Abschnitt). Uel>er die Aetio-
logie weiss Verf. nichts zu berichten. (In dem
Archiv muten in schlechtem Deutsch gehaltene
Abhandlungen von Julien IxTremdend an.)
Profe.
Kartaschewskij, W i r k u n g d e s W a s s er¬
st o f f e s auf den Stoffwechsel und die
W ä rmeproduktion bei den Tieren.
(Iswiesstja Imperatorskoj wojenno-medicinskoj
Akademji 1904, Band 3. No. 5.)
Verfasser hatte im 'Laboratorium des Prof.
A 1 b i c k i j zahlreiche Forschungen angestellt, um
die Frage zu beantworten, welchen Einfluss die Er¬
setzung des Stickstoffes durch Wasserstoff in der
Atmungsluft auf den Tierkörper ausübt. Er ge¬
langte zur Lieberzeugung, Wasserstoff sei für den
Organismus als Atmungsgas keineswegs gleich¬
gültig, er ruft vielmehr zahlreiche und ziemlich
deutlich wahrnehmbare Erscheinungen hervor. Der
allgemeine Zustand und die Körperwärme der Ver¬
suchstiere (Hunde) blieben dabei unverändert,
ebenso der Stickstoffwechsel; die Sauerstoffauf-
nahme und Kohlensäureausscheidung steigerten sich
dagegen erheblich. Atmungsäquivalent war durch
oben erwähnte Behandlung gar nicht beeinflusst.
Wasserverdunstung unterliegt nur geringen Schwan¬
kungen. Wärmeabgabe hebt sich hochgradig wegen
vergrösserter Ausstrahlung und Wärmeleitung; un¬
beträchtlich, fast unwahrnehmbar steigert sich da¬
gegen der allgemeine Wärmeverlust und Wärme¬
bildung. Diese geringe Steigerung der Wärmepro¬
duktion hängt übrigens von der schnelleren Fett¬
verbrennung ab. Eiweisswechsel bleibt normal. Aus
dem Gesagten geht hervor, dass der normale Stoff¬
wechsel nach der Einatmung des H- und O-Go-
menges zwar nicht bedeutend verändert wird, jeden¬
falls aber solcher Modifikation unterliegt, welche
bis jetzt nicht nur übersehen, sondern auch ihre
Existenz bezweifelt wurde.
Baczynski.
Versicherungswesen.
BadBche PferdeverdcheruiigsHiiHtalt zu Karlsruhe.
26. Jahresbericht über das Geschäftsjahr 1904. Er¬
stattet vom Diiektor, Tierarzt Eberbach.
B a d i s c li e P f e r d e v e r s i c h e r u n g s a n -
stall zu Karls r u h e. 26. Jahresbericht über
das Geschäftsjahr 1904. Erstattet vom Direktor.
Tierarzt Eberbach.
Das Geschäftsjahr ist für die Anstalt als ein
günstiges zu bezeichnen. Der Bestand war Ende
1904 12 399 Mitglieder mit 18 801 versicherten
Pferden und 14 264 587 M. Versicherungswert. Der
reine Zuwachs l>etrug 678 Mitglieder mit 1086
Pferden und einem Versicherungskapital von
1 048 241 M. Venvaltungskosten = 19,4 <y 0 .
Die Schadenfälle erreichen mit der Zahl 1296
gegen 1174 im Vorjahr den höchsten Stand seit
dem Bestehen der Anstalt. Die Gesamtentschädi-
gungssumme betrug 551 681,50 M. (mehr gegen das
Vorjahr 51 637.20 M.). Hiervon betrafen 562 Pferde
mit 318 032 M. Entschädigungssumme Todesfälle
und 734 Fälle mit 233 649 M. entstanden durch
Unbrauchbarkeit und infolge unheilbarer Krank¬
heiten.
Nach der Gebrauchsweise der Pferde entfielen
66 o; 0 der entschädigten auf den landwirtschaft-
Digitized by UiOOQie
3. Jahrgang.
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
140
liehen Betrieb, 34 o/ 0 auf den des Gewerbes. 35
Pferde hatten ein Alter von 1—3, 174 von 4—6,
355 von 7—9, 339 von 10—12, 166 von 13—15.
123 von 16—18 und 104 von über 18 Jahren.
Von den einzelnen Schadenursachen weist der
Starrkrampf eine vermehrte Zahl auf (23 gegen
11 des Vorjahrs). Als Grund hierfür gibt Eberbach
den heissen Sommer an, welcher für die Entwick¬
lung des Infektionsstoffes günstige Bedingungen
bot.
Dagegen hat die Zahl der wegen schwarzer
Harnwinde zu entschädigenden Pferde trotz des
grösseren Versicherungsbestandes abgenommen (51
Fälle gegen 63 im Vorjahr). Ohne Zweifel ist
diese Tatsache auf die von der Direktion den ein¬
zelnen Versicherten dringend empfohlenen Vor¬
sich tsmassregeln zurückzuführen.
Die Kolikfälle erreichten eine ganz abnorme
Höhe (72 mehr wie 1903). Besonders stark war
das Auftreten dieser Krankheit im Frühjahr und
Sommer, was ohne Zweifel mit der reichen Heu¬
ernte und der grossen Hitze zusammenhängt. Be¬
sonders gab es viele Blähkoliken, die darauf zurück¬
zuführen sind, dass das Grünfutter in der heissen
Zeit schnell welkte, und dass bei der reichen Ernte
nicht gespart wurde. Ausserdem wurde das neue
Heu oft bei dem billigen Preis in übermässiger
Menge verfüttert, anstatt dass altes Futter der
Ration beigegeben wurde.
Huf- und Beinleiden mussten 376 mal (298
im Vorjahr) entschädigt werden. Diese Steigerung
ist darauf zurückzuführen, dass sich aus den Vor¬
jahren immer mehr fehlerhafte Pferde ansammelten.
Seit ihrem Bestehen hat die Anstalt für 13 315
Pferde 5 481 528 M. Entschädigung geleistet.
Carl.
Bayern. V i e h v e r s i c h e r u n g. (Geschäfts¬
bericht der Landes - Viehversicherungsanstalt für
das Versicherungsjahr 1. November 1903/04.)
In das Berichtsjahr sind 1471 Ortsvereine
(gegen 1463 im Vorjahre) eingetreten; am Schlüsse
betrug der Versicherungsstand 1530 Vereine mit
75 945 Mitgliedern und 297 855 Tieren bei einem
Versicherungswerte von 70 164 665 M. (gegenüber
1537 Vereinen mit 74 673 Mitgliedern und 292 515
Tieren im Werte von 67 217 630 M. im Vorjahre).
Auf einen Verein trafen im Durchschnitt 50 Mit¬
glieder mit 195 versicherten Tieren. Der Ver¬
sicherungswert für ein Viehstück stellte sich durch¬
schnittlich auf 236 M. An der Versicherung waren
8,37 o/o aller durch die Viehzählung vom Jahre
1900 ermittelten Tiere l>eteiligt, (8,23 Oo im Vor¬
jahre).
Insgesamt wurden von 9294 Entschädigungs¬
ansprüchen 9205 Fälle = 3,09 o 0 der versicherten
Tiere für begründet erachtet, nämlich:
5866 = 63,73 o/o für notgeschlachtete Tiere,
3118 = 33,87 o/o für umgestandene Tiere.
221 = 2,40 Oo für gewerblich geschlachtete Tiere,
letzten' auf Grund der Schlachtviehvorsieherung.
Der Gesamtbetrag für die festgesetzten Entschädi¬
gungen belief sich auf 1 479 540,01 M. Demselben
stand ein Reinerlös aus der Verwertung von not¬
geschlachteten und umgestandenen Tieren mit
467 268,94 M. = 31,58 vom Hundert der fest¬
gesetzten Entschädigungsbeträge gegenüber: die
Nettoentschädigung betrug 1 012 271,07 M. = 1,48
vom Hundert der beitragspflichtigen Versicherungs¬
summe.
Im Durchschnitt ergab sich ein Reinerlös von
77,05 M. für ein notgeschlachtetes und 4.90 M.
für ein umgestandenes Tier. Unter den 297 855
versicherten Tieren befanden sich 13 748 Ochsen.
161 255 Kühe, 79 732 Stück Jungvieh, 43 120 Ziegen.
Hiervon wurden entschädigt 254 Ochsen = 1,85" o
der versicherten Tiere mit Nettoentschädigung von
37 760 M. = 0.72 o/o der Versicherungssumme: 5350
Kühe = 3,32 o/ 0 mit 850127 M. — 1,72 «o; 1311
Stück Jungvieh = 1,64 o/o mit 101 901 M. = 0.68 o 0 :
2290 Ziegen = 5,31 o/o mit 22 483 M. = 3.48*«.
Als Schadens Ursache wurden bei den ent¬
schädigten Viehstücken ermittelt: Krankheilen des
Nervensystems und der Sinnesorgane in 414 Fällen
= 4,50 o / 0 der Schadenfälle, Krankheiten des Gefäss-
svstems in 631 — 6,86 o/o, Krankheiten der At¬
mungsorgane in 290 = 3,15 °/o, Krankheiten der
Verdauungsorgane in 1832 = 19,90 o/o, Krankheiten
der Harnorgane in 199 2,16 °o. Krankheiten
der Geburtswege usw. in 1794 = 19,19 °o, Infek¬
tionskrankheiten in 2440 = 26,51 o/ 0 , tierische
Parasiten in 248 = 2,69 o/ 0 , Krankheiten der Haut
und der Muskeln in 153 = 1,66 °/o, Krankheiten
der Knochen und Gelenke in 157 = 1,71 °/o. Krank¬
heiten der Klauen in 12 = 0,13 °o, Vergiftungen
in 16 = 0,17 o/o, Störungen der Ernährung in 508
i= 5,52 o/o, äussere Einwirkungen oder durch sie
verursachte Krankheiten in 397 = 4,31 o 0 . un¬
bestimmte Krankheiten in 114 = 1,24 o/o.
Die Infektionskrankheiten waren auch in diesem
Berichtsjahre wieder am stärksten vertreten, dar¬
unter die Tuberkulose mit 2322 Fällen = 25.23 o 0
der Gesamtschadenfälle. Demnächst folgten — wie
in den Vorjahren — die Krankheiten der Verdau¬
ungsorgane mit 19,90 °/o (darunter 7,30 0 o \ er¬
seht licken von Fremdkörpern und 3.27 "o akute
Blähung) und die Krankheiten der Geburtswege usw.
mit 19,49 o/o.
Die 8984 notgeschlachteten und umgestandenen
Tiere betrafen 6694 Stück Rindvieh und 2290 Ziegen.
Bei dem entschädigten Rindvieh hat eine tier¬
ärztliche Behandlung in 69,36 o / 0 (im Vorjahre
69,20 o/o) der Schadenfälle stattgefunden.
Die Entschädigungen aus der Schlachtviehver¬
sicherung haben für 221 Fälle 15 404,71 M. be¬
tragen. In 162 Fällen, in welchen es sich um
teilweise ungeniessbares Fleisch handelte, wurde
durchschnittlich der Betrag von 37,22 M. für ein
Tier als Entschädigung gezahlt.; in 59 Fällen, bei
gänzlicher Ungeniessbarkeit- des Fleisches, wurden
durchschnittlich 158,90 M. für das Stück entrichtet.
Dazu kommt der Erlös, welcher aus der Verwertung
von Tieren dem Versicherten verblieben ist.
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Heft 6.
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
141
Die tierärztlichen Kosten stellten sich auf 0,15
und diejenigen der örtlichen Verwaltung auf 0,10<>/o
der beitragspflichtigen Versicherungssumme.
Die Ortsumlage betrug im Durchschnitt 0,70<>/o.
Mit Zurechnung der Verbandsumlage stellte sich
der ganze Beitrag im Durchschnitt auf 1,32 o/o
(gegen 1,213 o/o im Vorjahre). Der Gesamtbeitrag
auf je 100 M. Versicherungssumme betrug 0,62 o/ 0
in 97 Ortsvereinen (ohne Schäden), 0.63 bis 1,31 o/o
in 744 Ortsvereinen, 1.32 o/o (durclischnittl.) in 16
Ortsvereinen, 1,33 bis 1.60 o/ 0 in 374 Orts vereinen,
1,61 bis 2 o/o in 220 Ortsvereinen, 2,01 bis 2,50 o /0
in 69 und 2,51 bis 3,00 o/ 0 in 10 Ortsvereinen. Ein
Beitrag über den Satz von 2 o/ 0 betraf Ortsvereine
mit hoher Schadensziffer und vorherrschender
Milchwirtschaft. Der Reservefonds, das gemein¬
schaftliche Vermögen aller angeschlossenen Orts¬
vereine, stellte sich auf 346 197,79 M.
Internationaler Tuberkulose - Kongress.
Frankreich. Im Anschluss an den für Oktober
d. J. geplanten Internationalen Tuberkulose-Kon¬
gress soll in Paris, gleichfalls im Oktober d. J.,
ein Internationaler Kongress für Nahrungsmittel-
Hygiene und zweckmässige Ernährung des Men¬
schen veranstaltet werden. Die Anregung dazu ist
von der französischen Gesellschaft für Nahrungs¬
mittel-Hygiene und zweckmässige Ernährung des
Menschen ausgegangen. Der Kongress soll in fol¬
gende 5 Sektionen zerfallen: Biologische Physik,
Biologische Chemie und Physiologie, zweckmässige
Ernährung, analytische Chemie, Fälschungen und
Gesetzgebung, Statistik, Unterricht und praktische
Wirksamkeit. Die französische Regierung hat mit
dem Gesetzentwurf vom 21. April 1905 (Depu¬
tiertenkammerdrucksache No. 2428/05) bei den
gesetzgebenden Körperschaften die Bewilligung
eines Staats bei träges von 50 000 Frcs. zu den
Kosten des Kongresses beantragt. Der Entwurf
ist in der zweiten Sitzung der Deputiertenkammer
vom 21. April an die Budgetkommission der Kammer
verwiesen worden. Einzelheiten über das Programm
stehen noch aus.
Frankreich. Im Anschluss an den zu Paris vom
2. bis 7. Oktober d. J. stattfindeuden Internationalen
Tuberkulosekongress ist für die Zeit vom 2. bis
29. Oktober die Veranstaltung einer Internationalen
Tuberkulose-Ausstellung im Grand Palais des
Champs-Elys6es in Aussicht genommen. Der Ein¬
tritt soll unentgeltlich sein und jedermann frei-
stehen.
Die Ausstellung wird 4 Sektionen umfassen mit
insgesamt 14 Unterklassen:
1. Section scientifique. MusEe.
Microbiologie. Tuberoulose experimentale, mEdi-
cale, chirurgicale, vEtErinaire.
Classe I. Anatomie pathologique:
A. Macrosoopique.
Picces naturelles (en bocaux, piEces sEches etc.) ;
Moulages, cires, plätres, estampages, etc.; Dessins,
photograph ies, etc.
B. Microscopique.
Coupes; Microphotographies; Dessins, etc.
Classe II. BactEriologie;
A. Cultures, tubes, ballons, boites, etc.;
B. PrEpaxafcions;
C. Produits bactEriens;
D. Figures.
Microphotographies, Dessins, etc.
Classe III. Documents scientifiques:
Tableaux statistiques, planches murales, gra-
phiques, volumes, revues, etc.
2. Section sociale,
Ravages de la Tuberculose-PrEvention-Assistanci*.
Classe IV. Oeuvres et Etablissements publies et
privEs de preservation antituberculeuse.
Ligues et sociEtEs de propagande; oeuvres d’liy-
giEne sociale (mortalitE infantile, crEches, gouttes
de lait, colonies de vacanoes, alcoolisme, logc-
ments salubres, eures d’air prEventives, jardins
ouvriers, etc.).
Classe V. Oeuvres et Etablissements püblics et
privEs d’assistance antituberculeuse.
Dispensaires, höpitaux spEcialisEs, Sanatoriums
d'enfants et d’adultes, höpitaux marins, etc.
Photograph ies, plans, maquettes, vues, dessins,
graphiques, tableaux statistiques, etc., Statuts et
imprimEs.
3. Section industrielle.
Prophylaxie, HygiEne, MatEriel et Mobilier d’Assis-
tance applicables ä la lutte anti tuberculeuse.
Classe VI. Alimentation.
Produits alimentaires.
HygiEne de l’alimentation.
Classe VII. Habitation.
Construction; aEration; chauffage et Ventila¬
tion ; agencements sanitaires; ameublements; de-
coration, etc.
Classe VIII. Etablissements publics et Loge¬
ments collectifs.
Construction et installation des Ecoles; habi-
tations ouvriEres; ateliers et bureaux; casernes;
salles publiques; thEätres, etc.; construction et in¬
stallation des Höpitaux spEciaux; Sanatoriums;
aEriums, ^tc.
Classe IX. Transports et Voyages.
Construction et Assainissements des voitures
publiques (omnibus; tramways; Wagons, etc.:
transport des malades), navires, bateaux, chalands.
etc. La chambre d’hötel.
Classe X. Nettoyage et DEsinfection.
ProcEdEs; appareils ; produits, etc.
Classe XI. MatEriel spEcial.
Pour Dispensaires, Sanatoriums et Höpitaux
de Tuberculeux.
Classe XII. Stations de Cure d’air.
Classe XIII. MatiEre mEdicale.
Stations thermales; eaux minErales,
Produits pharmaoeutiques, etc.
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142
Fortschritte der V eteri när* Hygiene.
3. Jahrgang.
4. Section historique.
Classe XIV. La Tuberculose ä travers les
ages dans Part et l’histoire.
' Reproductions et Documents ; Dessins ; estampes ;
tableaux; volumes; etc.
Die Ausstellungsgebühren betragen für je 1 qm
Bodenfläche 50 Frcs. und für je 1 qm Wand¬
fläche 25 Frcs. Den Ausstellern werden Plätze
in jeder Grösse von 1 qm an überlassen. Beson¬
derer Abmachung unterliegen die Gebühren für
freistehende Vitrinen sowie für etwaige einem ein¬
zelnen Aussteller ganz zuzuteilende Räume. Befreit
werden können von den Ausstellungsgebühren
Gegenstände von rein wissenschaftlichem oder so¬
zialem Interesse, welche von Behörden oder ge¬
meinnützigen Einrichtungen ausgestellt werden.
Auch sind die auf Klasse XIV (Section historique)
entfallenden Gegenstände gebührenfrei.
Das Generalkommissariat der Ausstellung be¬
findet sich zu Paris, rue de PEcole de M6decine 21.
Die 77. Versammlung deutscher Naturforscher
und Aerzte
(vom 24. bis 30. September d. .1. in Meran).
In den allgemeinen Versammlungen sollen
folgende Vorträge gehalten werden:
W. Wien (Würzburg): l'eber Elektronen. —
Xoclit (Hamburg): Leber Tropenkrankheiten. —
H. Molisch (Prag): Lelier Lichtentwicklung in den
Pflanzen. — H. Dürek (München): Leber Beri-
Beri und intestinale Intoxikationskrankheiteu im
Malavischen Archipel. — LI. Neisser (Lubliuitz):
Individualität und Psychose. — J. Wimmer (Wien):
Mechanik der Entwicklung der tierischen Lebe¬
wesen.
Für eine Gesamtsitzung beider Hauptgruppen
sind in Aussicht genommen:
a) A. Gutzmer (Jena): Bericht ül>er die Tätig¬
keit der Lnterrichtskommission.
b) Vorträge: C. Correns (Leipzig): Leber Ver¬
erbungsgesetze. — K. Heider (Innsbruck): Ver¬
erbung und Chromosomen. — B. Hatschek (Wien) :
Neue Theorie der Vererbung.
Im übrigen wird dem Plan der wissenschaft¬
lichen Verhandlungen naclistehendes entnommen:
Gemeinschaftliche Sitzung der Abteilungen 6
(Geophysik. Meteorologie und Erdmagnetismus), 7
(Geographie. Hytlrographie und Kartographie), 8
(Mineralogie, Geologie und Paläontologie) der
naturwissenschaftlichen Hauptgruppe :
Delkeskanz (Giessen) : Mineralquellen in ihren
Beziehungen zu Erzlagerstätten und Eruptivge¬
steinen.
Gemeinschaftliche Sitzung der medizinischen
Hauptgruppe:
Ueber Natur und Behandlung der Pellagra.
Referenten : Neusser (Wien), Sturli (Wien). Tuczek
(Marburg), Merk (Innsbruck), von Hal»erler (Inns¬
bruck).
2. Abteilung: Physik einschliesslich Instru¬
mentenkunde und wissenschaftliche Photographie.
Grunmach (Berlin): Leier die Diffusion von
Kohlensäure durch Kautschuk. — Seitz (Würz¬
burg) : Leber eine neue Art sehr weicher Röntgen¬
strahlen.
5 a. Abteilung: Agrikulturchemie und land¬
wirtschaftliches Versuchs wesen.
Kaltenegger (Brixen): Lelxn* die biologischen
und technischen Bedingungen des Lel>endtrans-
j>ortes von Fischen und anderen Wassertieren. (Mit
Demonstration fies neuerfundenen Fischt ransport-
automaten Hydrobion). — Paufler (S. Michele):
Die Degeneration des ()l>erinntaler Rinderschlages
in,S. Michele. — Schindler (S. Michele): Die Ana¬
lyse des Weines. — Stutzer (Königsberg): Neue
Erfahrungen über die analytische Ermittlung von
verdaulichem Reineiweiss in Futtermitteln.
8. Abteilung: Mineralogie. Geologie und Palä¬
ontologie :
Knett (Karlsbad): Geologie der Mineralquellen
in Theorie und Praxis.
10. Abteilung: Zoologie.
Joseph (Wien) : Neue zytologische Befunde. —
Schneider (Wien): Leber Plasmal>ewegung l>ei
Protozoen.
12. Abteilung: Mathematischer uni natur¬
wissenschaftlicher Lnterricht.
Huber (Wien): Inwiefern ist der Abiturient
der österreichischen Realschule zum Studium der
Medizin l>esonders geeignet ! Antrag: Dem Rcal-
schul-Abiturienten, der sich dem medizinischen
Studium widmet, soll die Prüfung aus der grie¬
chischen Sprache erlassen werden.
13. Abteilung: Pharmazie und Pharmakognosie.
Bernegan (Hannover): Studien über die Kola¬
nuss. — Jolles (Wien): Beiträge zur Methodik
der Harnuntersucliung. — Meyer (Essen a. d. Ruhr) :
Beitrag zur vergleichenden Fett Untersuchung. —
Pabisch (Wien): a) Botanisch-chemische Studien
über einige Pfeilgifte aus Zeutral-Borneo. Ein Bei¬
trag zur Kenntnis der Pfeilgiftdrogen, b) Phariua-
kognostische Studien ül>er einige Fischgiftwurzeln.
14. Abteilung: Anatomie, Histologie. Em¬
bryologie mul Physiologie. x
Fröhlich (Wien): Leber die Einwirkung von
Kohlensäure und Alkohol auf den Muskel. — Haus¬
mann jun. (Meran): Zur Kenntnis der Arsenge¬
wöhnung. — Laqueur (Bad Ems): Die chemischen
Unterschiede des Kaseins und Parakaseins (d. i.
des durch Lab veränderten Kaseins). — Xeu)K»rg
und Löwy (Berlin): Zur Physiologie der Ver¬
dauung. — Pauli (Wien): Die Wanderung von Ei-
weiss im elektrischen Strom. — Siegfried (I.eipzig):
Ueber den allmählichen Abbau des Eiweisses.
15. Abteilung: Allgemeine Pathologie und
pathologische Anatomie.
Albrecht (Frankfurt a. M.): a) Eutwicklungs-
mechanische Frage der Geschwulstlehre, b) Zur
physiologischen und pathologischen Morphologie
der Blutzellen, c) Pathologische Notizen. Mit
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Heft 6.
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
143:
Demonstrationen. — von Baumgarten (Tübingen):
lieber das Verhalten der Tuberkelbacillen an der
Eingangspforte der Infektion. — Boxer (Wien):
Blutnährboden zur Differenzierung der Strepto¬
kokken und Pneumokokken. — Ernst (Zürich):
Körperchen von feinem strahligen Bau im Krebs-
ge\vel>e. — (lappisch (Innsbruck): Ein Beitrag zur
Kenntnis der Aktinomykose des Menschen. — Grün¬
baum (Leeds): L T eber die heterotypen Mitosen des
Karzinoms. — von Hibler (Innsbruck): Leber die
Differentialdiagnose der pathogenen Anaerobier. —
Oestreich (Berlin): Feststellung der unmittelbaren
Todesursache durch die Sektion. — Schwarz (Wien) :
Zur Kenntnis der Pseudotuberkulose der Neger. —
.Sternberg (Wien): Beiträge zur Histologie der Milz
bei akuten Infektionskrankheiten. — Verocay
(Prag) : a) Ueber besondere retroperitoneale Tu¬
moren. b) Aktinomykose der Beckenorgane.
16. Abteilung: Innere Medizin. Pharmakologie.
Balneologie und Hydrotherapie.
von Boltenstern (Berlin): Zur Bewertung des
Kaffees als Volksgenussmittel. — Hammer (Heidel¬
berg) : Die Tuberkulintherapie und Diagnose der
Lungentuberkulose. — Herz (Meran): Ueber Aero-
therapie. — Jolles (Wien): Leber die quantitative
Bestimmung der Phenole im Harne. — Posselt
(Innsbruck): Leber die Stellung des Alveolar¬
echinokokkus. — Röttger (Schöneberg-Berlin):
Moderne Reiz- und Genussmittel. — Rollv (Leipzig) :
Leber Abtötung der Bakterien im Dünndarm. —
Schmitz (Wildungen): Die Vorbereitung der Haut
vor dem Bade, insbesondere dem Mineralbade, vom
osmol ogi Sehen Standpunkte aus betrachtet. —
Steinberg (Meran): a) Ein Dezennium Wüstenklima
in kritischer Beleuchtung, b) Veränderte Indi¬
kationen für das klimatisch veränderte Mittelmcer-
klima. — Vieth (Ludwigshafen) : Zur Pharmakologie
der Farbstoffe. — Volland (Davos-Dorf): Etwas
zur Behandlung der an Lungenentzündung Er¬
krankten.
17. Abteilung: Geschichte der Medizin und
Naturwissenschaften.
Marcuse (Mannheim): Leber die Entwicklung
der Lehre von der Tuberkulose von den ältesten
Zeiten bis auf die Gegenwart.
20. Abteilung: Kinderheilkunde.
Cammerer jun. (Stuttgart): a) Das Längen¬
wachstum und sein Verhältnis zum Gewichtswachs-
tum bei chronischer Unterernährung, b) Lnter-
suchungen über die Säuglingsemährung in Arbeiter¬
kreisen. — Cronheim und Müller (Berlin): Weitere
Stoffwechsel-Versuche an Säuglingen mit roher und
sterilisierter Milch unter besonderer Berücksich¬
tigung des Salzstoffwechsels. — Eschrich (Wien):
Leber die Säuglingsstation in Wien. — Moro
(Wien): Leber die Bedeutung der physiologischen
Darmflora. — von Pirquet (Wien): Neuere Er¬
fahrungen über die Serumkrankheit. — Reim (Frank¬
furt a. M.): Ueber die Frage von der Erblichkeit
der Rhaohitis. — Rietschel (Berlin): Zur Chemie
des Pertussis-Harns. — Ritter (Berlin): Leber
Icterus catarrhalis der Kinder auf infektiöser Grund¬
lage. — Roeder (Berlin): Die Tuberkulose im schul¬
pflichtigen Kindesalter. — Voigt (Hamburg): Die
Verwendung der Kaninchenlymphe zur Menschen¬
impfung.
21. Abteilung: Neurologie und Psychiatrie.
Eulenburg (Berlin): Leber Selbstmorde im
jugendlichen Lebensalter. — Hausmann jun.
(Meran): Zur Kenntnis der Arsengewöhnung.
22. Abteilung: Augenheilkunde.
Bär (Meran): Leber Tabak- und Alkohol-
Amblyopie.
25. Abteilung: Dermatologie und Svphilo-
dologie.
Kreibich und Pollak (Graz): Leber Vaccine.
— Richter (Berlin): a) Ueber alte und neue Teer¬
präparate. b) Ein Beitrag zur Entstehung der
Arznei-Ausschläge. — Saalfeld (Berlin): Leber die
Berechtigung der Kosmetik als Teil der wissen¬
schaftlichen Dermatologie. — Nobl (Wien): Zum
Parasitismus der Vaccine. — Kren (Wien): Demon¬
stration histologischer Präparate von Affcnsklerosen.
— Loeb (Mannheim): Die präventive Behandlung
der Gonorrhöe bei der Frau. — Müller (Metz):
Die venerischen Krankheiten in der Garnison Metz;
| ein erstmaliger Versuch eines Nachweises für die
Leistungsfähigkeit der mikroskopischen Lnter-
. suchung bei der Kontrolle der Prostituierten. —
! Nobl (Wien) : Bakteriologie der nicht blennorrhoi-
sclien Lrethritideu. — Oppenheim und Löw (Wien):
Zur Pathogenese der tuberkulösen Epididymitis und
Orchitis.
27. Abteilung: Militär-Sanitäts wesen.
Neumann (Bromborg): Die Aufgaben der
| Krankheitsverhütung bei Volk und Armee. —
i Scheuerer (Speyer a. Rh.): Militärkrankenpflege
r in Kurorten und Genesungsheimen. — Schücking
' (Salzburg): Die sanitären Vorbereitungen der .Ja¬
paner für den letzten Feldzug. — Siekinger (Brünn):
a) Zahnpflege in der Armee, b) Anregung in
! bezug auf die Ernährung.
28. Abteilung: Gerichtliche Medizin. (Zugleich
! Tagung der Deutschen Gesellschaft für gerichtliche
! Medizin“.)
Diskussionsthemata, a) ,.Tod durch Elektri¬
zität“. I. Referent: Kratter (Graz). 11. Referent:
.Tellinek (Wien).
b) „Morphinismus in strafrechtlicher Bezieh¬
ung“. I. Referent: von Kaan (Meran). II. Referent:
Strassmann (Berlin).
c) „Der Geisteszustand jugendlicher Krimi¬
neller“. I. Referent: Anton (Graz). 1J. Referent:
Puppe (Königsberg i. Pr.).
Angemeldete Vorträge: Dohm und Scheele
(Kassel): Beiträge zur Lehre von den Degenerations¬
zeichen. — Ipsen (Innsbruck): Lcl>er den Nach¬
weis von Atropin. — Pfeiffer (Graz): Neue Bei¬
träge zur Kenntnis der Präzipitinreaktion. (Spezi-
fizität der Reakt ion.) — Reuter (Wien): Ueber
I den Nachweis von Kohlenoxydgas im Leichenblut.
— Richter (Wien): - a) Nachweis von Bakterien
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Fortschritte der Veterin&r-Hygiene.
3. Jahrgang«
144 *
in Blutspuren und seine forensische Bedeutung,
b) Widerstandsfähigkeit von Leichengeweben und
Leichenorganen gegenüber äusseren Gewaltsein¬
wirkungen. — Stolper (Göttingen): Zur Verhütung
der Unfallsneurosen. — Wachholz (Krakau): Zur
Koh lenoxydvergiftung.
29. Abteilung: Hygiene, einschliesslich Bak¬
teriologie und Tropenhygiene.
Bamberger (Wien): Pneumatogen, ein neues
System von Atmungsapparaten. — Freiherr von
Düngern (Freiburg i. Br.): Zur Frage der Iden¬
tität von Menschen- und Rindertuberkulose. —
Grünbaum (Leeds): Einige Beobachtungen betreffs
der Opsonina — Heim (Erlangen): a) Ein neues
Verfahren zum schärferen Nachweis von Verun¬
reinigungen des Fluss- und Trinkwassers. b) Ein¬
fachstes Bakterienfilter. — Lindner (Kassel-
Wahlershausen) : Zwei neue Protozoen als Para¬
siten im Tierkörper. — R. 0. Neumann (Heidel¬
berg) : Ueber das gelbe Fieber und seine Bekämp¬
fung. — Freiherr von Pirquet (Wien): Ueber-
empfindlichkeit und beschleunigte Reaktionsfähig¬
keit. — Remy (Bonn): Die Immunitätsfrage unter
besonderer Berücksichtigung der bei der Pflanze
beobachteten Immunitätserscheinungen. — Tromms¬
dorf (München): Ueber den Mäusetyphusbacillus
und seine Verwandten. — Weyl (Charlottenburg-
Berlin) : Zur Geschichte der sozialen Hygiene im
Mittelalter. — von Wunschheim (Innsbruck):
Weitere Mitteilungen über die Aetiologie der
Hundestaupe.
II. Deutscher Kolonialkongress, Berlin,
5.— 7 - Oktober 1905.
Dem ersten Deutschen Kolonialkongress
war ein guter Erfolg beschieden. Die Ergeb¬
nisse dieser Zusammenkunft sind in einem
stattlichen Bande niedergelegt (Verhandl. des
Deutschen Kolonialkongresses 1902 Berlin,
Dietr. Beimer 1903).
Der zweite Kongress verspricht ebenfalls
die auf ihn gesetzten Erwartungen der
Kolonial freunde zu erfüllen. Er soll vom
5.—7. Oktober d. J. in Berlin unter dem Prä¬
sidium des Herzogs Johann Albrecht
zu Mecklenburg (Präsidenten der Deutschen
Kolonial - Gesellschaft) im Reichstagsgebäude
tagen; als Vizepräsident fungiert Exzellenz
von Holleben. Der Kongress wird von 81
Körperschaften veranstaltet, von denen vor
allem die Deutsche Kolonial-Gesellschaft zu
nennen ist. Auch eine relativ grosse Zahl
preussischer wissenschaftlicher Institute ist auf
dem Kongress vertreten.
In den Verhandlungen werden naturgemäss
die verschiedensten Gebiete Berücksichtigung
finden. Hier interessiert besonders die Sektion
für Tropenmedizin, Tropenhygiene
; (Obmann: Direktor Dr. Wutzdorff, Berlin).
Diese Sektion dürfte auch eine reichhaltige
interessante Ausstellung bieten, zu deren Zu¬
standekommen das hamburgische Institut für
Schiffs- und Tropenkrankheiten zum grossen
Teil beitragen wird. Ausserdem ist mit dem
Kongress u. a. eine Ausstellung kolonialer
Erzeugnisse, Nutzpflanzen und tropenlandwirt¬
schaftlicher Maschinen verbunden. Von einer
Beteiligung der doch ganz gewiss nicht wenig
interessierten Veterinär-Medizin verlautet kein
Wort.
VIII. Internationaler Tierärztlicher
Kongress, Budapest, 2.-9. Septemb. 1905.
Erzherzog Joseph eröffnete als Ver¬
treter des Kaisers Franz Joseph und als Pro¬
tektor den Kongress durch eine Ansprache.
Hierauf konstituiert sich das Kongressbureau;
Präsident der Ackerbauminister Andreas
Gyorgy. Es wurden 4 Sektionen gebildet:
1. Sektion für Veterinär wesen,
2. „ „ Physiologie,
3. „ „ Pathologie,
4. „ „ Tropenkrankheiten.
Der Teilnehmer sind nicht weniger als
1236. Oesterreich-Ungarn und Deutschland sind
natürlich am zahlreichsten vertreten (Ungarn
522, Oesterreich 139, Deutschland 298). Im
übrigen trägt der Kongress einen vollkommen
internationalen Charakter; folgende Länder
sind vertreten: Oesterreich - Ungarn, Serbien,
Bosnien, Bulgarien, Deutschland, Frankreich,
Schweiz, Italien, Belgien, Holland, Russland,
England, Schweden, Norwegen, Dänemark,
Spanien, Portugal, Amerika, Japan, Vorder¬
indien, Aegypten, Tunis, Süd-Afrika.
Die wichtigsten Faktoren dürften vereinigt
sein, dem Kongresse einen äusserlich glänzen¬
den Erfolg zu sichern; für den wissenschaft¬
lichen Wert dieser internationalen Zusammen¬
kunft bürgen die Namen zahlreicher bewährter
Männer.
Einsendung von Original-Abhandlungen,
Büchern, Monographien und Separat-Abdrüclcen
wird direkt an den Redakteur, Kreistierarzt Dr.
O. Profi, Cöln a. Rh., Hansaring 50, oder an die
Verlagshandlung Louis Marcus, Berlin SW M
Tempelhofer Ufer 7, erbeten.
Pür d. Redaktion verantwort!. Kreistierarzt Dr. O. Prof 6, Cöln &. Rh., Hansaring 50. Druck von Pass & Gar leb G.ra.b. H., Berlin W.H5
Verlag und Eigentum: Louis Marcus Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 61.
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Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
3. JAHRGANG. OKTOBER 1905. HEFT 7.
Bericht vom VHI. internationalen
tierärztlichen Kongress.
Dem achten internationalen tierärztlichen
Kongress hatte das malerisch an beiden Ufern
der Donau gelegene, an die letzten steilen Aus¬
läufer der Alpen sich anlehnende Budapest gast¬
lich die Tore geöffnet.
Am 2. September fand im Hotel Royal
ein Begrüssungsabend statt, an dem die Kon¬
gressleitung die aus fast allen Kulturländern
gekommenen Mitglieder bewirtete.
Der erste Sitzungstag wurde eingeleitet
mit der Enthüllung des vom Lehrkörper der
Budapester Hochschule errichteten Denkmals
für den früheren Professor Azary. Die Fest¬
rede hielt der Rektor Professor H u t y r a. Nach¬
mittags wurde der Kongress durch eine Sitz¬
ung im grossen Saale der Ungarischen Aka¬
demie der Wissenschaften von dem Protektor
Erzherzog Josef mit folgender Rede fest¬
lich eröffnet:
Meine Herren! Mit Freuden erfüllte ich
die Bitte unseres Organisationskomitees, das
Protektorat des VIII. internationalen Veterinär¬
kongresses zu übernehmen und mit Freuden
erschien ich in der heutigen Festsitzung, um
den Kongress zu eröffnen. Dank der von meinen
Ahnen ererbten Liebe für die ungarische Erde
und die ungarische Landwirtschaft, werde ich
Ihre Verhandlungen, in deren Verlaufe hervor¬
ragende Fachmänner des Auslandes über die
zur Förderung des Veterinärwesens geeigneten
Massnahmen und die damit verbundenen An¬
gelegenheiten beraten werden, mit lebhaftem
Interesse begleiten. Das Veterinär wesen unseres
Vaterlandes hat sich im Laufe der letzten Jahr¬
zehnte durch die tatkräftige und erfolgreiche
Mitwirkung des tierärztlichen Korps auf ein
hohes Niveau erhoben. Dgis Ausland wird sich
hiervon im Wege berufener Vertreter in un¬
mittelbarster Weise überzeugen und die gewiss
nicht wegbleibende Anerkennung, sowie das
Resultat der Verhandlungen werden voraus¬
sichtlich sowohl für diesen wichtigen Zweig
der Verwaltung, als auch für die weitere Ent¬
wicklung der vaterländischen Veterinärwissen¬
schaft von günstiger Wirkung sein.
Alsdann unterbreitete der Vorsitzende der
Kongressleitung, Professor H u t y r a, die Vor¬
schläge des Komitees bezüglich der Wahl des
Vorstandes. Gewählt wurden zum Präsidenten
Ackerbauminister G y ö r g y , zu Ehrenpräsi¬
denten Lydtin und Arloing, zu Vizepräsi¬
denten Staatssekretär T h o r m a y, Ministerial¬
rat Lestyanssky, Hutyra, zum General¬
sekretär v. Ratz, zu Sekretären Dr. Zimmer¬
mann, Uhlarik und Breuer.
Darauf erklärte der Präsident das Kon¬
gressbureau für konstituiert und hielt folgende
Begrüssungsrede:
Geehrte Herren! Ich darf nur die warmen
Worte wiederholen, welche auf dem in Baden-
Baden vor fünf Jahren gehaltenen Kongresse
gesprochen wurden, um dem warmen Dank der
gesamten Bevölkerung, in erster Reihe der
volkswirtschaftlichen Faktoren und der Kol¬
legen würdigen Ausdruck zu verleihen dafür,
dass Sie in so schöner Anzahl in unserer Mitte
erschienen sind. Wir bitten Sie, mit den ruhi¬
gen, objektiven Augen der Wissenschaft aus
unsere eventuellen Mängel nachzusehen und
unseren Eifer zu würdigen, mit welchem wir
unserer volkswirtschaftlichen Zurückgeblieben¬
heit abhelfen wollen. Die dauerndsten und
wertvollsten der heutzutage so erfreulich sich
vermehrenden Berührungspunkte zwischen den
Nationen sind diejenigen, welche im Kreise der
volkswirtschaftlichen Fragen und dort haupt¬
sächlich auf dem Gebiete der gemeinsamen
Abwehr der gemeinsamen Feinde zustande
kommen. Auf diesem Boden bewegt sich unser
Kongress und so begrüssen wir Sie mit zwei¬
facher Freude in unserem Kreise.
Alsdann begrüsste Oberbürgermeister
Markus die Kongressmitglieder im Namen
und in Vertretung der Stadt. Regierungsrat
Kautz (Berlin) dankte in längerer Rede für
die Vorbereitung des Kongresses; ihm schlossen
sich Arloing und Stockmann an.
Hiernach konstituierten sich die Fachsek-
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146
Fortschritte der Veteriuär-Hygiene.
tionen des Kongresses und zwar auf Grund
einer Vorlage der Kongressleitung wie folgt:
I. Fachsektion für Veterinärwesen. Präsi¬
denten: Esser, Dammaim, Arloing, Malm, Tho-
massen; Vizepräsidenten: Locusteanu, De Jong,
Gracsänyi, Stockmann, Lüppke, Beisswänger,
Malkmus, Cagny.
II. Biologische Faohsektion. Präsidenten:
Schmalz, Kjerrulf, Happich, Barrier; Vize¬
präsidenten : Casper, Edelmann, Nadaskay,
J akab. 1
III. Pathologische Fachsektion. Präsiden¬
ten: Bang, Wirtz, Schütz, Degive; Vizepräsi¬
denten : Leclainohe, Mac Faydean, Hess, Preiss.
IV. Fachsektion für tropische Krankheiten.
Präsidenten: Perroncito und Lighieres.
Auf Antrag Dammanns wurde das vom
Exekutivkomitee festgesetzte Arbeitsprogramm
einstimmig und en bloc angenommen. Dann
verlas Generalsekretär Professor v. Ratz
nachfolgenden Bericht über die Vorarbeiten
zum Kongress:
Die bisherigen internationalen Veterinär¬
kongresse haben sich hauptsächlich mit der
Verhandlung von Veterinärfragen befasst. Ein
Teil dieser Fragen kann noch nicht als end¬
gültig gelöst angesehen werden. Ausserdem er¬
schien es zweckmässig, auch aus dem Kreise
der Pathologie, der Biologie und der Hygiene
solche Fragen aufzunehmen, deren Diskussion
aus wissenschaftlichem oder praktischem Ge¬
sichtspunkte wünschenswert ist. Infolgedessen
ist die Organisation des Kongresses in der Weise
abgeändert worden, dass eine Veterinärsektion,
eine biologische, eine pathologische und eine
Sektion für tropische Krankheiten errichtet
wird. Ausserdem wurde eine ständige Kommis¬
sion zur Aufrechterhaltung des Kontakts
zwischen dem jetzigen Kongresse und den künf¬
tigen Kongressen in Aussicht genommen. Zu
diesem Kongresse haben sich* Teilnehmer in so
grosser Anzahl gemeldet, wie zu keinem
früheren; zur Behandlung der auf die Tages¬
ordnung gestellten 27 Fragen sind 58 Fach¬
männer gewonnen worden. Die Referate zu
diesen Fragen (45 an der Zahl) sind den Mit¬
gliedern im voraus zugesendet worden. Zur
Deckung der Kosten der Vorarbeiten hat der
ungarische Ackerbauminister 5000 K bewilligt,
zur Deckung der Kosten des Kongresses selbst
sind 15 000 K in das Staatsbudget pro 1905 ein¬
3. Jahrgang.
gestellt, die Hauptstadt Budapest hat für den
Kongress 100Ö0 K, der Landes-Veterinärverein
4000 K, der Landes-Agrikulturverein 500 K
bewilligt. Zur Teilnahme haben sich gemeldet:
aus Deutschland 198, aus Oesterreich 139, aus
Frankreich 57, aus Rumänien 56, aus Belgien
36, aus der Schweiz 37, aus Serbien’ 32, aus
Russland 16, aus England 14, aug Bosnien 12,
aus Italien 10, aus Holland 8, aus Amerika 11,
aus Dänemark 9, aus Schweden 7, aus Nor¬
wegen 5, aus Bulgarien 6, aus Aegypten 4,
aus Tunis 2 Mitglieder, aus Portugal, Japan,
Vorderindien, Afrika und Spanien je ein Mit¬
glied, aus Ungarn 522, insgesamt 1236 Mit¬
glieder. Offiziell sind vertreten: Oesterreich,
Belgien, Bulgarien, Dänemark, Aegypten, die
Vereinigten Staaten von Nordamerika, Frank¬
reich, Holland, Japan, China, der Kongostaat,
Mexiko, Montenegro, Grossbritannien, Deutsch-
: land, Norwegen, Russland, Rumänien, die
Schweiz, Serbien, Schweden und Tunis.
Hiermit hatte die Tagesordnung ihr Ende
erreicht und der Präsident Ackerbauminister
György schloss die Sitzung.
Abends fand in der Ofener Königsburg,
einem den Festungsberg krönenden imposanten
Bau, dessen 180 m lange Front gegen die Donau
gerichtet ist, ein glänzender Empfang zu Ehren
der Mitglieder des Kongresses statt, für welchen
besondere Einladungen ergangen waren. Die
Mitglieder versammelten sich im gelben Marmor¬
saale. Um 8 Uhr betrat Erzherzog Josef mit
seiner Begleitung, unter welcher auch der Mi¬
nister-Präsident Fejervaty bemerkt wurde, den
Saal. Hier stellte Ackerbauminister G y ö r g y,
von H u t y r a unterstützt, dem Protektor Erz¬
herzog Josef die Delegierten des Kongresses
vor. Der Erzherzog richtete an alle Vorge¬
stellten freundliche Worte, mit einzelnen kon-
versierte er längere Zeit. Die Liebenswürdig¬
keit, mit welcher Se. k. u. k. Hoheit den Pflich¬
ten der Gastfreundschaft entsprach, berührte
alle Gäste ungemein sympatisch.
Im Sitzungssaale des alten Parlaments¬
gebäudes begannen »m Montag, den 4. Sep¬
tember, die Sektionssitzungen des Kongresses.
Um 9 Uhr vormittags tagte die Sektion für
Veterinärpolizei, in welcher als erstes Thema
„Die Vieh-Versicherung“ auf der Tagesordnung
stand. Den Vorsitz führten Ministerialrat
Lestyansky, Geheimrat Esser und Dr.
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Heft 7.
Fortschritte der Veterinär -Hygiene.
de Jong. Von den vier Referenten sprach als
einziger der Nestor der deutschen Tierärzte,
Ly dt in. Redner führte aus, dass, wie die ge¬
schichtliche Entwicklung gelehrt habe, die
Schäden aus den Tier Verlusten den einzelnen
Landwirt ausserordentlich belasten, solange er
sie selbständig tragen muss, und dass sie in
diesem Falle den Wohlstand der ländlichen Be¬
völkerung wesentlich herabzumindern geeignet
sind. Diese Last muss dem einzelnen durch
Versicherung erleichtert und auf die Allgemein¬
heit verteilt werden, der sie nicht fühlbar wird.
Es liegt im allgemeinen Interesse der Staaten,
die Organisation dieser Versicherung nicht der
Privatinitiative zu überlassen, sondern von
Staats wegen zu bewirken. Bei der Versiche¬
rung ist zu unterscheiden, solche für Seuchen¬
fälle, für Schlachtvieh und die Lebendversiche¬
rung.
Bei der Diskussion wendet sich P i r o c h i
(Mailand) mit unnötiger Emphase gegen die Ver¬
staatlichung, für welche er besondere Schwierig¬
keiten in den zahlreichen Bezirken der Länder
mit ihren Sonderheiten und in dem hierdurch
erforderlichen komplizierten Beamtenapparat
erblickt. Für tu na (Bukarest) hebt die Nach¬
teile der privaten und Genossenschafts-Ver¬
sicherung hervor und empfiehlt die staatliche
Organisation mit Ausnahme der Schlachtvieh-
Versicherung. In gleichem Sinne äussert sich
Littlewood (London), zu gleichem Resul¬
tat gelangt Vamos auf dem Wege einer
längeren sozialgeschichtlichen Betrachtung
über das Versicherungswesen. Vennerholm
(Stockholm) versuchte die Vorteile der Privat¬
versicherungen in ein freundliches Licht zu
rücken.
Nachfolgende Schlusssätze wurden nahezu
einstimmig von der Sektion angenommen.
1. In der im Berichte geschilderten Gestalt
und Ausdehnung ist di# allgemeine Zwangs¬
versicherung der Haustierbesitzer gegen die
Verluste an Tieren durch Seuchen eine einfache,
billige und wirksame staatliche Einrichtung,
die sich überall dort empfiehlt, wo die Staats¬
kasse die Entschädigung für Seuchenverluste
nicht allgemein und endgültig übernimmt.
2. Die Versicherung von Rindern, Schwei¬
nen, Ziegen und der zum landwirtschaftlichen
Gebrauche verwendeten Pferde gegen Verluste
durch Tod, Unfall oder Notschlachtung ist zur
147
Sicherung des grossen Teils des Volksver¬
mögens, welcher in den Haustierbeständen ge¬
borgen ist, zur Förderung der rationellen Zucht
der Haustiere und somit zur Hebung der Land¬
wirtschaft überhaupt als eine dringliche Auf¬
gabe der landwirtschaftlichen und tierärzt¬
lichen Interessenvertretungen und der Staats¬
regierungen zu erklären.
3. Die einfachste, billigste und wirksamste
Form dieser Art von Vieh Versicherung ist die
in dem Berichte geschilderte Bildung von klei¬
neren örtlichen Viehversicherungsvereinen auf
Gegenseitigkeit und der Zusammenschluss
dieser Vereine zu einem grösseren Verbände,
welcher die Rückversicherung der Ortsvereine
übernimmt. Die Unterstützung der Verbände
durch Staatsmittel empfiehlt sich, noch mehr
dje Einrichtung und die Leitung dieser Ver¬
bände als staatliche oder provinziale Anstalten.
4. Die Bildung der Versicherungsverbände
weckt das Verständnis der landwirtschaftlichen
Bevölkerung für die allgemeine obligatorische
Versicherung, zunächst von Rindern, welche
den hauptsächlichsten und wertvollsten Teil
der Haustierbestände bilden. Ist die Mehrzahl
der Viehbesitzer für diese gewonnen, so ist es
Aufgabe des Staates oder der Provinzialregie¬
rung, die allgemeine obligatorische Versiche¬
rung einzurichten und die Führung der Ge¬
schäfte zu übernehmen.
An die Rinder Versicherung kann die Ver¬
sicherung von Pferden, Schweinen und Ziegen
angeschlossen werden.
5. Die Leistungen einzelner auf Gegen¬
seitigkeit beruhender privater Versicherungs¬
gesellschaften sind anerkennenswert. Jedoch ist
eine Einheitlichkeit in den Grundsätzen der Ver¬
sicherung im Sinne unseres Berichtes, sowie
gesetzliche Vorschriften für die Errichtung und
den Betrieb dieser Versicherungen und deren
Stellung unter Staatsaufsicht im Interesse der
Landwirtschaft zu empfehlen.
6. Die Versicherung gegen die Verluste am
Werte lebender Pferde durch langwierige, nicht
heilbare und den Gebrauch störende oder hem¬
mende Krankheiten oder Unfälle bedarf einer
weiteren Entwicklung und Ausdehnung.
7. Die Versicherung von Haustieren gegen
Verluste durch Tod, Unfall oder Notschlach¬
tung während des Transports auf Eisenbahnen
und Schiffen, während der Aufstellung auf
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H8
Fortschritte der Veterinär -Hygiene.
3. Jahrgang.
Schauen und Märkten und während des Auf¬
enthaltes auf entfernten Sommerweiden ent¬
spricht einem allgemeinen unter den Züchtern
und Viehhändlern gefühlten Bedürfnisse.
8. Die Schlachtvieh Versicherung ist eine
zum Vollzug der gesetzlichen Vorschriften über
Fleischbeschau notwendige Einrichtung. Sie be¬
seitigt die Schwierigkeiten, welche sich bei dem
Vollzug der Fleischbeschaugesetze ergeben und
verhütet die Unterschleife.
Sie bewahrt die Schlachtviehproduzenten
und die Fleischkonsumenten vor der Ueberwäl-
zung der durch die Fleischbeschau herbeigeführ¬
ten Verluste auf ihre Schultern, schützt die
einzelnen Gewerbetreibenden vor allzu grossen
Vermögensverlusten und verteilt die entstan¬
denen Schäden gleichinässig und in erträglicher
Weise auf die Gesamtheit der Fleischgewerbe¬
treibenden.
Da die Schlachtviehversicherung den Voll¬
zug der Fleischbesch augesetze sichert, wahrt
sie auch die öffentliche Gesundheit. Die
Schlachtviehversicherung liegt daher im Inter¬
esse des Fleischgewerbes, der Landwirtschaft
und der öffentlichen Gesundheit.
Ein derartig allgemein verbreitetes Inter¬
esse rechtfertigt das Eingreifen der Staats- und
Provinzialregierungen zur Errichtung von all¬
gemeinen obligatorischen Schlachtvieh-Versiche-
rungs-Anstalten und zur Unterstützung dersel¬
ben aus Staatsmitteln. Ihr Tätigkeitsgebiet
sollte eine möglichst grosse Ausdehnung be¬
sitzen. Anderenfalls gebietet der Schlachtvieh¬
handel, welcher sich nicht einschränken lässt,
eine Verständigung der einzelnen Anstalten
über Gegenseitigkeit.
9. Eine einheitliche Statistik und deren
Veröffentlichung in bestimmten Zeiträumen ist
für jede der Versicherungsarten anzustreben.
Eine allgemeine gleichartig durchgeführte
Statistik liefert das Material für den wissen¬
schaftlichen Aufbau jeder Art der Viehver¬
sicherung, bereichert die Lehre von den Krank¬
heiten der Haustiere und legt den Grund für
den Keim und die Entwicklung der veterinär-
pathologischen Geographie.
10. Bis zu ihrer vollständigen Klärung
ist die Vieh versicherungsfrage auf die Tages¬
ordnung jedes folgenden internationalen tier¬
ärztlichen Kongresses zu setzen.
Hiermit war die Tagesordnung der Vor¬
mittagssitzung zur Erledigung gebracht.
Nachmittags 3 Uhr setzte die Sektion ihre
Beratungen fort. Berichterstatter Sektionsrat
Binder (Wien) sprach über die Einführung
eines einheitlichen Schemas für die periodischen
Tierseuchen - Nachweise zum Zwecke einer
schnellen Verständigung über das Auftreten
von Tierseuchen und tunlichster Einschränkung
der Sperrgebiete. Referent hatte in Gemein¬
schaft mit Regierungsrat Roeckl (Berlin)
folgende Resolution eingebracht:
1. Der Nachrichtendienst über die Verbrei¬
tung von Tierseuchen ist von der Tierseuchen¬
statistik zu trennen.
2. Der Nachrichtendienst hat regelmässig
wöchentlich zu erfolgen.
3. Der Ausbruch und das Erlöschen der
Maul- und Klauenseuche in den Knotenpunkten
des Vieh Verkehrs (grösseren Viehhöfen, Märk¬
ten u. dergl.) ist sofort telegraphisch an die
Landes-Zentralstelle zu melden und von dieser
ungesäumt in den amtlichen Publikations¬
organen und den gelesensten Tagesblättern be¬
kanntzugeben. In gleicher Weise hat eine tele¬
graphische Meldung und unverzügliche Ver¬
öffentlichung stattzufinden beim ersten Auf¬
treten der Maul- und Klauenseuche in bislang
seuchefreien Gegenden.
4. Der Nachrichtendienst ist auf diejenigen
Seuchen zu beschränken, die hauptsächlich
durch den Viehhandel verbreitet werden.
5. In den für den Nachrichtendienst be¬
stimmten Wochenausweisen sind die betroffenen
Länder (Landesteile), grösseren und kleineren
Verwaltungsbezirke namentlich aufzuführen,
dagegen die am Schlüsse der Berichtswoche
wegen der Seuche oder des Seuchenverdachtes
polizeilich gesperrten Gehöfte (Weiden, Her¬
den), sowie die hierdurch betroffenen Gemein¬
den (Ortschaften, Gutsbezirke) nur in Zahlen
anzugeben.
6. Die wöchentlichen Ausweise sind regel¬
mässig spätestens am vierten oder fünften Tage
nach Schluss der Berichtszeit zu veröffent¬
lichen, erforderlichenfalls den Interessenten un¬
mittelbar zu übersenden und den Vertretungen
der fremden Staaten, mit denen ein Austausch
dieser Nachrichten stattfindet, ungesäumt mit¬
zuteilen.
7. Die Statistik ist tunlichst monatlich,
jedenfalls aber vierteljährlich zu bearbeiten und
zu veröffentlichen.
8. Die Statistik hat alle der Anzeigepflicht
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llefl 7.
149
Fortschritte der V
unterliegenden ansteckenden Tierkrankheiten
zu umfassen.
9. In der Statistik ist sowohl die Verbrei¬
tung der einzelnen Seuchen als auch der Grad
der Verseuchung im Verhältnisse zum Viehbe¬
stände anzugeben. Es sind ferner die Ausbrüche
und das Erlöschen der Seuchen fälle innerhalb
der Berichtszeit nach Ländern (Landesteilen),
grösseren und kleineren Verwaltungsbezirken,
sowie die Zahlen der betroffenen Gemeinden
(Ortschaften, Guts bezirke) und Gehöfte (Wei¬
den, Herden) aufzuführen. Die Zahlen der er¬
krankten, gefallenen und getöteten (oder ge¬
schlachteten), unter Umständen auch die der
gefährdeten Tiere — d. h. der für die Seuche
empfänglichen Tiere des ganzen Bestandes im
betroffenen Gehöfte — sind stets getrennt nach
Gattungen anzugeben.
10. Die Statistik ist alsbald nach ihrem
Erscheinen den beteiligten Verwaltungsbehör¬
den und im Austausch den Vertretungen der
fremden Staaten zugänglich zu machen.
Wie die Erfahrung lehrt, genügt die
wöchentliche Ausgabe von Tierseuchen-Bulle¬
tins, weshalb die Ausweise sich auf solche Zeit¬
räume zu beziehen hätten.
Eine längere Pause zwischen der Veröffent¬
lichung dieser Ausweise eintreten zu lassen, ent¬
spräche mit Rücksicht auf die Raschheit, mit
welcher sich heute der Vieh verkehr ab wickelt,
den diesfälligen Bedürfnissen nicht.
Ferner müssen diese Ausweise sich unbe¬
dingt auf die nominelle Angabe aller der An¬
zeigepflicht unterliegenden Tierseuchen er¬
strecken.
Im Interesse der internationalen Verständ¬
lichkeit würde es sich empfehlen, die Seuchen,
ausser in der Amtssprache des betreffenden
Staates, auch in der von der Wissenschaft ge¬
wählten klassischen Bezeichnung anzugeben.
Die Namen der betreffenden grösseren Ver¬
waltungsgebiete (z. B. Land, Komitat, Regie
rungsbezirk, Provinz, Gouvernement, Departe¬
ment, Kanton) und der Verwaltungsgebietc
erster Instanz (Bezirk), aber auch der ver¬
seuchten Gemeinden wären anzuführen.
Die Zahl der verseuchten Gehöfte auszu¬
weisen ist darum erforderlich, um die Grösse
der Verbreitung einer Tierseuche in der Ge¬
meinde beurteilen zu können.
Endlich müssen die erwähnten Daten über
eterinär -Hygiene.
die Verseuchung der betreffenden Gemeinden
bis zur amtlichen Erklärung des Erlöschens
der Seuche in derselben ausgewiesen werden.
Eine Ausnahme von dem in Vorschlag ge¬
brachten Modus wäre nur hinsichtlich der Rin¬
derpest zu statuieren und mit Rücksicht auf die
besondere Gefährlichkeit derselben zu be-
schliessen, dass das Auftreten dieser Tierseuche
in Staaten, die bis dahin frei von derselben ge¬
wesen sind, allen anderen Staaten, mit welchen
ein Austausch von Tierseuchen-Aus weisen statt¬
findet, sofort telegraphisch mitzuteilen ist.
Der Kongress fasste folgenden Beschluss:
„Der Kongress erachtet die Feststellung eines
einheitlichen Schemas für die periodischen
Seuchen-Nach weise im Interesse der Veterinär¬
verwaltungen der einzelnen Staaten als auch
mit Rücksicht auf eine entsprechende Abwick¬
lung des internationalen Viehverkehrs für sehr
nützlich und wünschenswert und beauftragt
seinen geschäftsführenden Ausschuss, in dieser
Richtung das Erforderliche einzuleiten.“
Das dritte und letzte Thema des Tages be¬
traf die Ausdehnung der Verkehrsbeschränkun¬
gen beim Auftreten der nicht unmittelbar kon-
tagiösen Infektionskrankheiten, besonders des
Milzbrandes. Als Referenten sprachen Pro¬
fessor M alkmus (Hannover) und Dr. P r o f e
(Köln). Präsident war Malm (Christiania).
P r o f e führt aus, dass gegenüber dem vor¬
wiegend sporadischen Auftreten des Milzbran¬
des seine räumliche Ausbreitung in der Mehr¬
zahl der europäischen Länder noch immer eine
sehr bedeutende sei und eine Abnahme nicht er¬
kennen lasse. Ausserordentlich zahlreiche An¬
gaben in der Literatur und tägliche praktische
Erfahrung weisen immer wieder auf die mangel¬
hafte und unzulängliche Beseitigung der Milz¬
brandkadaver als nicht versiegende Infektions¬
quelle hin. Erst in zweiter Linie kommen Not¬
schlachtungen und das dabei unvermeidliche
Aussäen von Milzbrandkeimen auf Streu, Fut¬
ter usw. und die Uebertragung durch Personen
in Betracht. Die Verkehrsbeschränkungen
haben sich zu erstrecken auf die verseuchten
Gehöfte und Weiden, deren Sperrung angezeigt
erscheint, sobald mehr als ein Tier in einer
Herde innerhalb von acht Tagen an Milzbrand
erkrankt, auf die erkrankten und der Krankheit
verdächtigen Tiere und deren Teile, auf infi¬
ziertes Stroh, Futter und Streuinaterial und
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150 Fortschritte der V
sonstige infizierte Gegenstände, auf Personen,
die Träger des Ansteekungsstoffes sein können,
auf die Kadaver und deren Teile, die durch hohe
Temperaturen zu vernichten sind; das Vergraben
der Kadaver ist als unzulässig zu bezeichnen.
M alkmus will besonderes Gewicht auf
das Verbot der Ausfuhr von infiziertem Futter
aus den Seuchengehöften gelegt wissen, wäh¬
rend gegen dessen Verfütterung im Seuchen¬
gehöfte unter Aussetzung der Entschädigung
bei weiteren Erkrankungen nichts einzuwen¬
den sei.
Gegen die Ausführungen wendet sich Gc-
heimrat Loeffler (Greifswald), welcher her¬
vorhebt, dass nach den Feststellungen Kochs
die Milzbrandkeime im Inneren der Kadaver
infolge von Sauerstoffmangel zugrunde gehen
ohne Sporen zu bilden, dass somit die Milz¬
brandkadaver als völlig unschädlich anzusehen
sind. In ähnlichem Sinne äussert sich Olt
(Giessen), welcher eine Oberflächendesinfek¬
tion (!) der Milzbrandkadaver vorschlägt. Tar-
takofsky (Petersburg) bemerkt, dass in Russ¬
land grosse Gebiete verseucht seien, deren Sper¬
rung undurchführbar sei. Die Verbrennung der
Kadaver stösst in Russland auf unüberwindliche
Hindernisse.
Beisswänger betont die Gefahr der
Milzbrandeinschleppung aus dem Auslande und
die Notwendigkeit, die Angelegenheit auf inter¬
nationalem Wege zu regeln.
Stubbe (Brüssel) bezeichnet die Theorie
Kochs und Loefflers von der Unschädlichkeit
der Milzbrandkadaver als unrichtig, da be¬
wiesen ist, dass selbst nach vielen Jahren aus-
gograbene Milzbrandkadaver Sporen enthalten.
Dasselbe beweisen auch die guten Erfolge,
welche in Belgien mit der thermischen Ver¬
nichtung der Kadaver erzielt sind.
Profe führt zum Schlüsse aus: Die von
Loeffler gemachte Mitteilung, dass nach Kochs
Untersuchungen die Kadaver der infolge von
Milzbrand gefallenen Tiere keine infektions¬
fähigen Keime in ihrem Inneren enthalten, da
Sporen nur unter Zutritt von Sauerstoff ge¬
bildet werden, entbehre für die Tierärzte des
Reizes der Neuheit. Die Schlussfolgerung
Loefflers, dass die Milzbrandkadaver somit eine
Infektionsgefahr nicht vorstellen, sei eine irrige
und stehe in schroffem Widerspruche zu zahl¬
reichen Literaturangaben und den täglich be-
eterinär-Hygiene. 3. Jahrgang
obachteten Erfahrungen in der Praxis; sie werde
dadurch nicht annehmbarer, dass ein Mann wie
Loeffler sie darbietet. Einmal sei beim Milz¬
brand mit einer nicht unerheblichen Anzahl von
Notschlachtungen zu rechnen, bei denen die
nach der Abhäutung an der Körperoberfläche
befindlichen Bakterien sehr schnell und sicher
Sporen bilden. Ferner trete bei den gar nicht
zu umgehenden Obduktionen Sauerstoff zum
Inneren der blutigen Körperorgane, so dass
Sporen gebildet werden. Schliesslich aber fin¬
den sich regelmässig Sporen an der Oberfläche
der Kadaver in den blutigen Dejekten an den
natürlichen Körperöffnungen, auch bei völlig
uneröffneten Kadavern. Es stehe fest, dass eine
Neuinfektion des Bodens statthat, solange Milz¬
brandkadaver auf Feldern, Wiesen und Weiden
vergraben werden.
Aus den Referaten ist noch folgendes her¬
vorzuheben :
Es unterliegt keinem Zweifel, dass Milz¬
brand in einzelnen Staaten vielfach vom Aus¬
lande her eingeschleppt wird, und zwar infolge
der überaus mangelhaften Kadaverbeseitigung,
einmal mittels tierischer Rohprodukte, wie
Häute, Haare, Borsten, Horn, zum anderen Male
durch Streu und Futtermittel. Wenn auch be¬
züglich der ersteren ein ausreichend sicheres
Desinfektions verfahren zu erzielen sein wird,
so ist eine Desinfektion von Streu- und Futter¬
mitteln als völlig ausgeschlossen zu betrachten.
Solange die einzelnen Staaten durch Vergraben
der Milzbrandkadaver das Land immer wieder
von neuem mit Milzbrandkeimen besäen .und
den Milzbrand künstlich fortzüchten, kann
ihnen die Berechtigung, ihre Grenzen gegen
tierische Rohprodukte, Streu- und Futtermittel,
zur Abwehr des Milzbrandes abzuschliessen,
nicht zugestanden werden. Erst in dem Augen¬
blicke, in welchem ein Kulturstaat die einwand¬
freie unschädliche Beseitigung der Milzbrand¬
kadaver zur Durchführung bringt und damit
die wesentlichste Infektionsquelle des Landes
verstopft, erwirbt er ein unbestreitbares Recht
darauf, Massnahmen zu treffen, die geeignet
sind, jegliche Einschleppungen von Anthrax-
keimen aus Staaten zu hindern, in denen gleich¬
artige, die unschädliche Beseitigung der Kada¬
ver gewährleistende Bestimmungen nicht er¬
lassen sind. Ihm wird unbedingt das Recht
zugebilligt werden müssen, Rohprodukte, die
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Heft 7.
151
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
Träger des Ansteckungsstoffes sein können, nur ginskis über primäre Darmtuberkulose beim
nach erfolgter Desinfektion über die Grenzen Menschen, ferner der Umstand, dass die Derma-
gelangen zu lassen, gegen Streu- und Futter- titis verrucosa tubereulosa häufig bei Anatomen
mittel, bezüglich deren der gleiche Verdacht der Universitäten Vorkommen, während gleiche
besteht, aber die Grenzen hermetisch zu Infektionen mit Rindertuberkulose bei Veteri-
schliessen. när-Anatomen nicht beobachtet werden. Die
Mit Bücksicht auf die erhebliche Bedeu- vielfachen, durch den Londoner Ausspruch
tung des Gegenstandes wurden zahlreiche, meist Kochs in, Fluss geratenen Untersuchungen haben
sehr abweichende Anträge aus der Versamm- weitgehende Unterscheidungsmomente in mor-
lung eingebracht. Diesen andrängenden Wün- phologischer und kultureller Hinsicht, wie auch
sehen schien der Präsident nicht wohl ge- in bezug auf die Pathogenität der beiden Arten
wachsen. Die Wogen der Ereignisse schlugen von Tuberkelbazillen ergeben, für welche im
ihm anscheinend über dem lockigen Haupte zu- Kaiserlichen Gesundheitsamte die Bezeichnung
sammen, so dass er mit hilflos ringenden Hän- Typus humanus und Typus bovinus zur An¬
den zu den Satzungen griff und sich an den Wendung gebracht wurde. Das Reichsgesund-
19. Paragraphen klammerte, der ihn dem heitsamt stellte auch die Merkmale der beiden
drohenden Strudel entriss. Hiernach konnte die Arten fest und fand, dass der Tuberkelbazillus
Verhandlung mit dem Meinungsaustausch und des Typus bovinus auch beim Menschen, allein
ohne Beschlussfassung abgeschlossen werden. oder gleichzeitig mit dem de^ Typus humanus,
Des Abends waren die Kongressmitglieder Vorkommen kann. Dagegen kommt der Typus
Gäste des Ackerbauministers G y ö r g y , in den humanus beim Rinde, wenigstens spontan nicht
Räumen des am Ufer des Stadtwäldchenteiches vor. Referent formuliert hierauf folgende drei
gelegenen landwirtschaftlichen Landesmuseums. Sätze:
Am 5. September, dem zweiten Verhand- 1- Die Tuberkulose der Rinder wird durch
lungstage, hielten zwei Sektionen gleichzeitig den Typus bovinus des Tuberkelbazillus er-
ihre Sitzungen ab, und zwar am Vor- und Nach- zeugt.
mittage. Es waren dies die Sektionen für Bio- 2. Spontane Tuberkulose des Rindes, durch
logie und für Pathologie. Zur Verhandlung den Typus humanus des Tuberkelbazillus er-
in der letzteren kam die im Mittelpunkte des zeugt, kommt nicht vor.
allgemeinen Interesses stehende Frage über die 3. Bei der Tuberkulose des Menschen
Beziehungen zwischen der Tuberkulose des kommt sehr selten auch der Typus bovinus vor.
Menschen, des Rindes, des Geflügels und anderer Diesem Standpunkt tritt de Jong (Lcy-
Haustiere (hauptsächlich des Hundes). Die den) scharf und präzise mit folgenden Aus-
Kongressmitglieder hatten sich somit auch in führungen entgegen:
grosser Zahl eingefunden und sahen erwartungs- Referent hielt 1903 auf dem hygienischen
voll der viel verheissendenVerhandlung entgegen, und demographischen Kongresse zu Brüssel
Zunächst betrat Schütz die Redner- über dieses Thema einen Vortrag, in welchem
tribüne und gab in seiner bisweilen stark feier- er für die Identität der Tuberkulose aller Säuge-
lichen, an einen Kanzelredner erinnernden Vor- tiere eingetreten ist und bloss die Tuberkulose
tragsweise einen Ueberblick über die Entwick- der Hühner davon unterschieden hat. Er könnte
lung des vorliegenden Themas: Nachdem Koch hier dieselben Argumente wiederholen, hätten
nach Entdeckung des Tuberkelbazillus die Ein- nicht inzwischen Kossel, Weber und Heuss die
heit des menschlichen und der Rinder-Tuber- Resultate ihrer im Berliner Reichsgesundheihs-
kulose nachgewiesen hatte, sah er sich vor- amt ausgeführten Untersuchungen in zwei sehr
nehmlieh auf Grund seiner und der Schützschen interessanten Berichten publiziert, in welchen
Versuche auf dem Londoner Kongress für sie den Nachweis führen, dass die von Koch in
Tuberkulose im Jahre 1901 veranlasst, den Art- London dargelegte neuere Meinung sich nicht
Unterschied in den Erregern der beiden Krank- ganz bewährt hat, zugleich bctonen sie, dass
heitern hervorzuheben. es unerlässlich ist, bei den Tuberkelbazillen
Für diesen Art-Unterschied sprechen die der Säugetiere einen menschlichen und einen
statistischen Angaben Kochs, Baumgartens, Ba- Binder-Typus aufzustellen.
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152
Fortschritte der V e t e r i nü r -11 y g i e n e.
3. Jahrgang.
Referent hat auf («rund der Experimente
verschiedener Autoren und seiner eigenen
Untersuchungen, die er seit der Zeit fortgesetzt
hat, in Brüssel die Dualität der Tuberkulose
in Abrede gestellt. Darauf gestützt, kann er
der Auffassung von Kossel, Weber und Hcuss
nicht beipflichten, weil zwischen der Tuber¬
kulose des Menschen und Rindes kein entschie¬
dener und konstanter Unterschied besteht. Die
morphologischen und kulturellen Verschieden¬
heiten derselben sind bloss Uebergangsformcm
und auch ihre Virulenz ist keine beständige.
Es ist dem Referenten gelungen, die Virulenz
eines Tuberkelbazillus menschlicher Herkunft
dadurch zu potenzieren, dass er denselben durch
den Organismus eines Tieres hindurchlcitcte.
Das Resultat dieses Experimentes hat er im
Zentralblatt für Bakteriologie veröffentlicht.
Seiner Ansicht nach haben Kossel, Weber
und Heuss den Nachweis nicht erbracht, dass
die Absonderung des menschlichen und Rinder-
Typus vom wissenschaftlichen Gesichtspunkte
aus möglich ist, dem übrigens auch seine eigenen
Experimente widersprechen. Ausserdem hat
auch die Sonderstellung keinen Wert, sobald
es sich erweisen lässt, dass ihre Virulenz ver¬
änderlich ist.
Die hinsichtlich der Identitätsfrage neuer¬
lich vorgenommenen Untersuchungen haben die
neue Doktrin von Koch nicht bestätigt, weil
die Tuberkulose des Menschen und Rindes stets
identisch ist. Dessenungeachtet können die spe¬
zifischen Bazillen qualitative Verschiedenheiten
aufweisen, die indessen nicht konstant sind, wie
es sich bei zahlreichen Bakterien herausgestellt
hat. Diese Verschiedenheiten sind sehr augen¬
fällig, wenn man bei den Experimenten Rinder¬
bazillen von sehr starker Virulenz bei ver¬
schiedenartigen Tieren angewendet hat; oftmals
aber verliert sich dieselbe im Verlaufe der
experimentellen Untersuchung.
Referent weist hierauf nach, dass es un-
l>egründet ist, die Tuberkulose der Schweine,
Pferde, Schafe und Ziegen von jener des Men¬
schen und Rindes abzusondern.
Seine Behauptung betreffs der Verschie¬
denheit der Tuberkulose der Vögel hält der Ver¬
fasser jedoch aufrecht, weil sich die Bazillen
der Tuberkulose des Huhns von den Bazillen
der Säugetiere konstant unterscheiden, und zwar
sowohl zufolge ihrer kulturellen Eigenschaften,
als auch ihrer pathogenen Wirkung. Einen
neueren Beweis hierfür erbrachte die vom Re¬
ferenten beobachtete spontane Tuberkulose der
Mäuse, welche durch Tuberkelbazillen des
Huhns verursacht wurde, wie dies unter anderen
im Referat erwähnten Experimenten auch von
Rabinowitseh bestätigt worden ist. Allein der
Hühnerbazillus kann in gleicher Weise auch
andere Säugetiere infizieren, insofern er in den¬
selben eine von der durch Bazillen von Säuge¬
tieren abweichende Tuberkulose hervorbringt.
Die Tuberkulose des Hundes wird durch
Bazillen von Säugetieren verursacht. In dem
Falle, über welchen das Referat berichtet, war
die Virulenz der Bazillen eine intermediäre, was
mit der Ansicht von Kossel, Weber und Heuss
wenig übereinstimmt. Die Experimente, welche
Referent mit diesen Bazillen vorgenommen hat,
sind im Referat aufgeführt. Hierauf fasst der
Referent seine Meinung in folgende Punkte zu¬
sammen :
I. Die menschlichen Tuberkelbazillen sind
identisch mit denen der grösseren Haustiere
(Säugetiere), den Hiind mit inbegriffen, obgleich
sich hinsichtlich der Virulenz bei den verschie¬
denartigen Versuchstieren erhebliche Verschie¬
denheiten geltend machen. Insbesondere haben
sich die menschlichen Bazillen weniger viru¬
lent erwiesen, als die von Tieren.
II. Die Bazillen der Hühner-Tuberkulose
unterscheiden sich von den Bazillen der Säuge¬
tiere vermöge ihrer Eigenschaften. Dies will
jedoch nicht besagen, dass sie für die Säuge¬
tiere nicht pathogen seien.
Professor P r e i s s (Budapest) steht mit
seinen Darstellungen und Schlüssen auf dem¬
selben Boden wie de Jong, d. h. er huldigt
durchaus der phylogenetisch-unistischen An¬
schauung. Er führt aus:
Sämtliche Tuberkelbazillen, woher sie auch
stammen mögen, haben gewisse kardinale Eigen¬
schaften g'emein, die schon allein auf einen ge¬
meinschaftlichen Urstamm hinweisen; sie sind
säurefest, wachsen langsam, die Kulturen sind
einander sehr ähnlich, die pathogene Wirkung
ist bei allen nahezu dieselbe, alle produzieren
nahezu gleiche Toxine. Die Unterscheidungs¬
merkmale sind keine durchgreifenden und vor
allem keine derartigen, dass sie nicht als Um¬
wandlungen einer Spezies aufgefasst werden
können. Der Frage, wo hört die Varietät auf
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Heft 7.
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
ir>:t
und wo beginnt die Spezies, ist zu entgegnen:
solange man weiss, dass Bakterien oft binnen
kurzem wesentlicher Abänderungen fähig sind,
und zwar nicht geringerer Abänderungen als
es die zwischen den Tuberkelbazillen beobach¬
teten sind, solange man zwischen den Typen
allerlei Uebergangsstämme findet und solange
auch zwischen den Typen nur graduelle Unter¬
schiede bestehen, solange wird man auch bei
der anatomischen Aehnlichkeit der beiden Tu¬
berkulosen annehmen müssen, dass die verschie¬
denen Tuberkulose-Erreger sich aus einer ein¬
zigen Bakterienart herausgebildet haben, als
dass es verschiedene Arten sein sollten. Refe¬
rent fasst seine Ausführungen in folgende
Sch lüsse zusammen:
I. In der Regel unterscheiden sich die Tu¬
berkelbazillen des Menschen, des Rindes und
der Vögel voneinander durch gewisse Eigen¬
schaften; diese Unterschiede sind aber nicht
konstant, indem Stämme gefunden werden, die
in einer oder mehreren Eigenschaften als Ueber-
gänge von einem zum anderen Typus aufgefasst
werden müssen. Auch künstlich gelingt es, die
Eigenschaften der Tuberkelbazillen zu modi¬
fizieren. Dabei aber zeigen sämtliche Tuberkel¬
bazillen in gewissen Punkten vollkommene
Uebereinstimmung oder sehr grosse Aehnlich¬
keit. Es darf sonach angenommen werden, dass
die verschiedenen Tuberkelbazillen nicht ver¬
schiedener Art sind, sondern dass sie im Laufe
der Zeit durch Anpassung an verschiedene Tier¬
arten entstandene Varietäten einer Bakterien¬
spezies darstellen.
II. Die eine Varietät kann sich gelegentlich
in eine andere umgestalten; folglich kann die
Tuberkulose irgend einer Tierart für andere
Tierarten nicht als gefahrlos erachtet werden.
Dr. Weber (Berlin). Im Reiehsgesund-
heitsamte sind 67 Tuberkulosefälle vom Men¬
schen, 12 Tuberkulosefälle vom Rinde und fünf
Fälle vom Schweine zur Untersuchung gelangt.
Die hierbei gewonnenen Ergebnisse haben zu der
Aufstellung der beiden Typen des Tuberkel¬
bazillus geführt. Unter den 64 Fällen vom
Menschen zeigten 8 Kulturstämme allerdings
die Merkmale des Typus bovinus, darunter
waren einige Fälle von akuter Miliartuberku¬
lose. Aus tuberkulösen Veränderungen bei
Rindern sind nur Kulturstämme des Typus bo¬
vinus gezüchtet worden. Eine Aenderung des
Typus humanus liess sieh auch dann nicht er¬
reichen, wenn er (wieviel? d. Red.) Passagen
durch Rinder, Ziegen und Schweine durchge¬
macht hatte.
Einzelne Formen zeigten bei beiden Typen
gewisse kulturelle oder morphologische Diffe¬
renzen. Ref. fasst seine Ausführungen dahin
zusammen: Die Tuberkulose des Menschen wird
vorwiegend durch Bazillen des Typus huma¬
nus hervorgerufen, seltener durch solche des
Typus bovinus. Die Rindertuberkulose beruht
auf Infektion durch den Typus bovinus. Die
Bazillen des Typus humanus vermögen Schwei ne
derart zu infizieren, dass auch, die Möglichkeit
der direkten Infektion vorliegt. Bei den Hühner-
tuberkulosebazillen handelt es sich um eine
dritte Art, die nicht als identisch mit den Ba¬
zillen der allgemeinen Vogeltuberkulosc anzu¬
sehen ist.
In gewandtem, der Ironie nicht ganz ent¬
behrendem Vortrage wendet sich als nächster
Redner Geheimrat D a m m a n n (Hannover)
mit seinen überzeugenden Ausführungen gegen
die Kochsche Theorie und gegen „seinen Freund
Schütz.“ Referent hat seit mehreren Jahren
über die Frage gearbeitet und seine Versuche
über ein reiches Tiermaterial ausgedehnt. Die
Schützschen Mitteilungen treffen nicht den
Kern der Sache. Sie haben anscheinend dem
Kongress gefallen, aber deshalb brauchen sie
nicht richtig zu sein. Wenn die vom Menschen
gewonnenen und gezüchteten Tuberkelbazillen
aufs Rind mit Erfolg zu übertragen sind, so
stellt dies — im Gegensatz zu dem Stand¬
punkte von Schütz — eine Erkrankung dar.
Insbesondere erkranken Kälber bald leichter,
bald schwerer. Einzelne Kälber sind nach
subkutaner Impfung gestorben. Die Versuche
erstreckten sich auf 18 Stämme, die vom Men¬
schen herrührten. Sie verhielten sich in ihrer
Virulenz durchaus verschieden; nur 5 Stämme
zeigten sich für Rinder avirulent. Wenn Koch
und Schütz sagen, die menschliche Tuberkulose
lässt sich auf Tiere nicht übertragen, so lehren
die angeführten Versuche, dass diese Auffas¬
sung nicht richtig ist. Es ist weiterhin möglich,
die Stämme durch verschiedene Züchtungs¬
methoden und Tierpassagen in Form, kultu¬
rellen Eigenschaften und Pathogenität ganz er¬
heblich zu modifizieren. So erhöhe z. B. die
Passage durch Ziegen die Pathogenität der vom
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154
Fortschritte der Veterinär- Hyg i e n e.
3. Jahrgang.
Menschen stammenden Tuberkelbazillen wesent¬
lich, so dass Schweine und Kälber nach Infek¬
tion mit diesen zugrunde gehen. Referent ver¬
tritt die Ansicht, dass die Trennung in Typus
humanus und Typus bovinus sich nicht auf¬
recht erhalten lässt, dass die Behauptungen von
Koch und Schütz nicht haltbar sind, da die Mög¬
lichkeit der gegenseitigen Infektion von Menscli
und Tier vorhanden ist. Hiernach haben sich
die Massnahmen zu richten.
Der zwingenden Logik in den Ausführun¬
gen Dammanns hat sich wohl niemand der
Anwesenden entziehen können, auch das Koch-
Schützsche Lager nicht; denn es wurde von
dieser Seite kaum noch ein ernsthafter Ver¬
such gemacht, die fraglos verlorene Position
zurückzuerobern. Die weiter unten wiederge¬
gebenen Anmerkungen Loefflers wirkten
nur noch wie ein den Rückzug deckender
Scheinausfall, der aber von de Jong nach¬
drücklich zurückgeworfen wurde.
Arloing (Lyon) vertrat ebenfalls durch
seine eingehenden Darlegungen den Standpunkt
der Einheit der Tuberkelbazillen und wandte
sich durchaus erfolgreich gegen die Theorie
Koch-Schütz.
Rabinowitsch (Berlin) kam auf Grund
ihrer ausführlich mitgeteilten Untersuchungs¬
ergebnisse zu dem Schluss, dass die Erreger der
Säugetier- und Geflügeltuberkulose infolge
ihrer häufigen Wechselbeziehungen als ver¬
schiedenen Tierspezies angepasste Varietäten
einer Art auf gefasst werden müssen, unter
denen sich der l^pus humanus und der Typus
bovinus am nächsten stehen.
Römer (Marburg) betont, dass im Prinzip
neue Momente durch die Untersuchungen über
die von Koch und Schütz aufgerollte Frage
nicht erbracht sind, dass lediglich verschiedene
Standpunkte dargelegt seien. Römer schliesst
sich dem von P r c i s s genauer präzisierten
Standpunkte an.
Dr. Kautz (Berlin) bemerkt, dass nach
den im Reichsamt des Innern aufgestellten Leit¬
sätzen der Genuss von Nahrungsmitteln, die
Produkte von mit Tuberkulose behafteten
Tieren darstellen, nicht unbedenklich ist. Wei¬
tere Untersuchungen müssen diese (für wen?)
noch nicht gelöste Frage klären.
Loeffler (Greifswald): Bestimmte Bak¬
terientypen zeigen immer wiederkehrende, kon¬
stant differente Merkmale im Wachstum, Form
und in der Virulenz, die zur Differenzierung
durchaus ausreichen. So beschaffene Merkmale,
wie sie in musterhafter Weise vom Reichs¬
gesundheitsamte für die Tuberkelbazillen nach¬
gewiesen sind, müssen zugegeben werden. Der
hierdurch bedingte Unterschied zwischen Typus
humanus und Typus bovinus muss somit an¬
erkannt werden. Für Menschen, Rinder und
Geflügel ist die Tuberkulose je eine spezifi¬
sche Erkrankung mit eigenem und besonderem
Stamm von Erregern. Das nur haben Koch und
Schütz gemeint, und das besteht auch.
de Jong: Es handelt sich darum, ob die
Differenzierungsmerkmale konstant sind oder
nicht; wenn selbst von gegnerischer Seite zu¬
gegeben wird, dass hier wohl eine Ausnahme
vorkommt und dort eine und Uebergangsformen,
dann sind die Merkmale eben nicht konstant.
Wenn Schütz und Loeffler sagen, dass Koch
bei seiner Rede in London die spontane Infek¬
tion gemeint hat, so hat Koch jedenfalls etwas
anderes gesagt, als er gemeint hat, wir müssen
uns an das halten, was er gesagt hat.
Der Kongress nimmt schliesslich folgende
Schlusssätze an:
1. Die Rindertuberkelbazillen können den
Menschen infizieren. Beim Menschen sind Tu¬
berkelbazillen anzutreffen, welche dem Rinde
gefährlich sein können. Gegenseitige Infektion
ist möglich.
2. Es ist wünschenswert, weiterhin zu er¬
forschen, inwiefern die Geflügeltuberkulose
eine Gefahr für den Menschen und die Säuge¬
tiere bilde.
3. Es ist unentbehrlich, die Schutzmass-
regeln gegen die Gefahren aufrecht zu erhalten,
welche die Rindertuberkulose dem Menschen
verursacht.
Hiermit war dieser fraglos allgemein am
meisten interessierende Teil des vom Kongress
in Angriff genommenen wissenschaftlichen
Materials beendet. Die Verhandlung bedeutete
eine entschiedene Niederlage der von Koch und
Schütz vertretenen Auffassung und ihrer An¬
hänger. Auf dem Tuberkulose-Kongress in
Paris hat sie augenscheinlich dasselbe Schick¬
sal erfahren.
(Fortsetzung folgt)
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Hort 7.
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
155
Beitrag zur Aetiologie der
Fleischvergiftungen.
Von Kreiztierart Gutzeit - Montjoie.
(Fortsetzung aus Heft 6.)
Pfuhl (34) beobachtete im April 1900 bei
8L Soldaten eines in Hannover garnisonieren-
den Regiments Erscheinungen von akutem
Magen-Darmkatarrh, welche mit Erbrechen und
Uebelkeit verbunden waren. Sämtliche Leute
hatten zuvor lose Rinderwurst verzehrt, welche
hinsichtlich der Farbe und des Geruches tadel¬
los war und guten Wohlgeschmack hatte.
Unter loser Rinderwurst versteht man in Han¬
nover ein Gemenge von Rindfleisch der ver¬
schiedensten Organe mit reichlichem Gewtirz-
und Semmelzusatz. Die Wurst wird lose, d. h.
nicht in Därme gefüllt, in den Handel gebracht.
Sie wird zum Genüsse bei mässiger Temperatur
(etwa 50° C) kurze Zeit erwärmt und stellt
dann eine grauweissliche, grobbröckelige
Fleisehpastete dar von meist ganz vorzüglichem
Geschmack. Aus dieser Wurst züchtete
Pfuhl einen Bacillus, welcher am meisten mit
Proteus mirabilis übereinstimmte. Derselbe
war ein kleines, bewegliches Kurzstäbchen mit
abgerundeten Enden, welches in verschiedener
Grösse und Form auftrat und oft zu Schein¬
fäden verbunden war. Mit Karbolfuchsin fiel
die Färbung unregelmässig aus, indem die Pole
sich meist stärker färbten als die Mitte. Die
Gramsche Färbung fiel negativ aus. Mittels
der Löfflerschen Methode wurden zahlreiche
lange Geissein nachgewiesen. Sporenbildung
wurde nicht beobachtet. Gelatine wurde lang¬
sam verflüssigt, Blutserum dagegen nicht. Auf
Agar bildeten die Bacillen einen glänzenden,
schleimigen, graugelblichen Belag, der sich nur
langsam seitwärts ausbreitete. In Bouillon
erfolgte kräftiges Wachstum unter Bildung
eines gelblichweissen Bodensatzes, wogegen eine
Häutchenbildung an der Oberfläche niemals
bemerkt wurde. In hohen Schichten Agar,
sowie in Trauben- und Milchzuckeragar fand
Gasentwickelung statt. Milch wurde koagu¬
liert; die Reaktion derselben blieb alkalisch.
Die Indolreaktion gelang gut, Lakmus wurde
reduziert (entfärbt).
Eine ähnliche Epidemie beobachtete
Schumburg (35) bei 34 Soldaten in Hannover
gleichfalls nach dem Genüsse loser Rinderwurst.
Dieselbe sah gut aus und hatte keinen unan¬
genehmen Geruch. Mittags war die Wurst in
die Kaserne gebracht worden, abends wurde sie
mit Fett und etwas Wasser erwärmt und dann
genossen. Bereits wenige Stunden nach der
Mahlzeit traten Uebelkeit, profuse Durchfälle,
Mattigkeit und Erbrechen auf, Symptome,
welche nach 12 Stunden bis auf 1—2 Fälle
wieder verschwunden waren. Die Genesung
trat rasch ein, gestorben ist niemand. Aus
dem Rest dieser Fleischpastete isolierte Schum¬
burg eine langsam die Gelatine verflüssigende
giftige Bakterienart, die er der Gattung
Proteus zuzählte; ob mit Recht, lässt sich aus
der Arbeit nicht ersehen, da die Bacillen nicht
näher beschrieben sind. Letztere werden durch
eine halbstündige Erhitzung auf 70° C
oder eine mehrere Sekunden lange Einwirkung
von 100° C abgetötet. Filtrate von Bouillon¬
reinkulturen (es ist leider nicht angegeben, in
welcher Weise filtriert worden ist, ob durch
Ton- oder Papierfilter) erwiesen sich als giftig
und führten in Dosen von 0,1—0,5 cbem,
Mäusen unter die Haut gespritzt, deren Tod
herbei.
Im August 1897 hatten im Mansfelder Gc-
birgskreise zahlreiche Personen Fleisch von
einer notgeschlachteten Kuh verzehrt. Diejeni¬
gen Personen, welche rohes Hackfleisch oder
schwach gebratene Leber gegessen hatten —
es waren im ganzen 63 Personen —, erkrankten
unter den bekannten Erscheinungen. Als Ur¬
sache dieser Erkrankungen gelang es Wesen¬
berg (36), einen 1,2—2 p langen und 0,5—0,8 p
breiten, beweglichen Bacillus nachzuweisen,
welcher 8—12 Geissein besass, sich nach Gram
nicht färbte, Gelatine langsam verflüssigte, in
Bouillon lange Ketten bildete, auf Agar als
feuchtglänzender, schmieriger, grauweisser, bei
durchfallendem Lichte bläulich schillernder
Belag wuchs, kein Indol bildete und Trauben¬
zucker unter lebhafter Gasentwickelung zer¬
setzte. Milch wurde unter Säurebildung an¬
fangs koaguliert, die ausgeschiedenen Kasein¬
flocken aber wieder gelöst. Die Bacillen wur¬
den durch drei Minuten langes Erhitzen auf
100° C abgetötet.
Glücksmann (37) wies in einem geräucher¬
ten Schweinesehinken, nach dessen Genuss zwei
Personen erkrankt waren, davon eine mit töd¬
lichem Ausgange, Proteus vulgaris naeh, dessen
Reinkulturen Mäuse und Meerschweinchen
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156
3. Jahrgang.
Fortschritte der Veterinär -Hygiene.
töteten. Das Schwein war notgeschlachtet
worden und Glüeksmann nimmt daher an, dass
dasselbe an Proteosis gelitten habe. Jäger (38)
züchtete Proteus fluorescens aus einer verdor¬
benen Wurst, die sich als gesundheitsschädlich
erwiesen hatte. Johne (39) sah bei der Fleisch¬
vergiftung in Chemnitz 1886 den Proteus
mirabilis als Ursache der Erkrankung an.
Im Juni 1902 erkrankten in Conzen zehn
und in Montjoie eine Person nach dem Genüsse
einer Sülze, welche von einem notgeschlachteten
Kalbe herrührte, unter Erscheinungen eines
akuten Magen-Darmkatarrhs mit Schwindel¬
anfällen, Schüttelfrost, Fieber (bis zu 40° C),
Mattigkeit, Gliederschmerzen und heftigem
Kopfweh. Aus dem Fäces einer Patientin iso¬
lierte ich Proteus vulgaris, welcher sich für
Mäuse und Meerschweinchen eminent giftig er¬
wies und diese Tiere sowohl nach der Ver-
fütterung als nach subkutaner Injektion in
1—2 Tagen tötete.
In einem Falle sind Staphylokokken
Ursache einer Fleischvergiftung gewesen.
Kuborn (40) nämlich wies den Staphylococcus
pyogenes aureus als Ursache der Fleischver¬
giftung in Denis nach, bei welcher 30 Per¬
sonen, davon eine tödlich, nach dem Genüsse
des Fleisches einer umstandenen Kuh er¬
krankten.
In den angeführten Fällen von Fleischver¬
giftung war die Ursache somit keine einheit¬
liche und, abgesehen von dem Kubornschen
Fall, durch Bacillen bedingt, welche entweder
dem Bacterium coli bezw. dem Typhusbacillus
morphologisch und biologisch nahestanden,
und meist von kranken Tieren herrührten, oder
der Gattung Proteus angehörten und bakterien¬
freies Fleisch post mortem infizierten. Die
Bacillen dieser beiden Gruppen wachsen alle
gut bei Luftzutritt, sie sind demnach alle aerob.
Die beiden Gruppen unterscheiden sich von¬
einander durch ihr Peptonisierungsvermögen,
indem die erste Gruppe die Gelatine nicht zu
verflüssigen vermag, während der letzteren jene
Fähigkeit mit wenigen Ausnahmen in bedeu¬
tendem Masse zukommt. Ferner sind die
Proteusarten durch ihren Formenreichtum aus¬
gezeichnet, besonders durch ihre Neigung, zu
Fäden auszuwachsen und durch Bildung strah-
liger Ausläufer und Schwärminsei n bei
Gelatinekolonion.
Im Gegensatz zur Fleischvergiftung
scheint es sich bei der Wurstvergiftung oder
dem Botulismus nur um einen einzigen Erreger
zu handeln, soweit die vorliegenden Beschrei¬
bungen einen solchen Schluss zulassen. Der
Mikroparasit ist gelegentlich der im Dezember
1895 in Ellezellcs im Hennegau beobachteten
Epidemie von van Ermenghem (9) genau un¬
tersucht und beschrieben worden. In dem ge¬
nannten Orte trat unter den Mitgliedern eines
Musikvereins, welche bei einem Leichen-
schmause rohen Schinken gegessen hatten, eine
eigenartige Erkrankung auf, welcher drei Per¬
sonen zum Opfer fielen; wenigstens zehn
schwebten in Todesgefahr, während zehn andere
Musiker nur leicht erkrankt waren. Die Ver¬
storbenen und die Erkrankten hatten ungefähr
200 g Muskelfleisch, weniger Speck, gegessen.
Die Erscheinungen setzten 20—24 Stunden
nach der Mahlzeit ein, nur drei Personen
fühlten sich früher unwohl. Es zeigten sich:
Uebelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen, darauf
Magenschmerzen. Zwei Personen hatten wäh¬
rend der ersten zwei Tage flüssigen Stuhl, bei
den übrigen dagegen machte sich hartnäckige *
Verstopfung bemerkbar. 36 -48 Stunden nach
der Mahlzeit traten charakteristische Seh¬
störungen auf. Die Patienten klagten über
nebelartige Verschleierung der Augen; nahe
Objekte erschienen undeutlich und doppelt.
Daneben bestand Pupillenerweiterung, Ptosis,
Starrheit des Blickes, Tränen bezw. abnormer
Glanz der Augen. Endlich waren Durst,
Schlingbeschwerden und Gefühl der Konstrik¬
tion im Halse mehr oder weniger deutlich
ausgesprochen.
Das Schwein, von dem der Schinken
stammte, soll angeblich gesund gewesen sein,
letzterer zwar normales Aussehen, jedoch ab¬
normen Geruch und schlechten Geschmack ge¬
habt haben. Es hat sich auch nur der eine
Schinken, welcher auf dem Boden des Pökel-
gefässes gelegen hatte, als schädlich erwiesen.
Dieser Schinken enthielt zahlreiche, 4—9 p
lange und 0,9—1,2 p dicke, schwach beweg¬
liche Stäbchen mit 4—8 Geissein und end¬
ständigen Sporen. Die Bacillen Hessen sich nur
bei Sauerstoffabschluss auf Gelatine, Agar, in
Bouillon und Milch züchten, wuchsen jedoch
nicht auf Kartoffeln. Die angegebenen Eigen¬
schaften unterscheiden den Bacillus botulinus
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Heft 7
157
Fort schritte der Veterinär - II ygieoe.
sehr wesentlich von (len Fleisch vcrgiftungs-
erregern und verleihen ihm gewisse Aehnlich-
keit mit den Oedembacillen.
Brieger und Kempner (41) gelang es auch,
ein von dem „Bacillus botuünus“ (wie jener
Erreger heisst) gebildetes Toxin, welches dem
Diphtherie- und Tetanusgift sehr nahe stehen
soll, mittels des Brieger-Boerschen Verfahrens
aus den Reinkulturen auszufüllen und Ziegen
gegen dieses Gift aktiv zu immunisieren.
Den Bacillus botulinus fand auch Römer
(42) ebenfalls in einem Schinken, der bei meh¬
reren Personen giftig gewirkt hatte. Aehnliche
Befunde hatten Barszezewsky, Charni und
Bordier, Hermann, Forsmann u. a.
Eine Epidemie, welche sowohl hinsichtlich
ihrer klinischen Erscheinungen als auch ihrer
ätiologischen Untersuchungsergebnisse den so¬
genannten Fleischvergiftungen zuzuzählen ist,
trat im Sommer 1902 auf in den Kreisen Eupen
und Aachen-Land und führte zu einem Straf¬
prozess, bei welchem ich als dritter Sachver¬
ständiger zugezogen war. Der Metzger,
welcher die schädlichen Fleischwaren geliefert
hatte, wurde unter Anklage gestellt, aber frei¬
gesprochen, weil ihm eine Fahrlässigkeit nicht
nachgewiesen werden konnte.
Der Vorgang war folgender :
Am 21. Juni 1902 hatte die Metzgerfrau
E. aus B. bei Aachen in den Ortschaften Ha.,
L., He., Sch., O. und W. Leberwurst, Schweins¬
koteletts, Rinderhackfleisch und Rindfleisch
verkauft. Nach dem Genüsse dieser Fleisch¬
waren erkrankten in 13 Familien von 54 Per¬
sonen 51, davon allein 49 nach dem Genüsse
von Leberwurst. Letztere hatte sich also als
am schädlichsten erwiesen. Die nicht erkrank¬
ten Personen sollen nur sehr wenig von den
Fleischwaren gegessen haben. Ausser Leber¬
wurst sind von fünf Mitgliedern der Familie
H. zu Ha. noch Schweinskoteletts verzehrt
worden, zwei weitere Personen haben nur ge¬
kochte Bratwurst, zwei andere gehacktes Rind¬
fleisch und Schweinskoteletts gegessen und sind
danach erkrankt. Ueber die Beschaffenheit der
gelieferten Leberwurst wurden seitens der Er¬
krankten verschiedene Angaben gemacht. Die
einen fanden die Wurst stark gepfeffert, weich
und auf der Schnittfläche rot, die anderen fest
und von normalem Aussehen. Durch Geruch
sich bemerkbar machende Fäulnis hat niemand
wahrgenommen. In der Gerichtsverhandlung
gaben alle zu, dass die Wurst appetitlich ge¬
wesen sei und gut geschmeckt habe, nur soll
sie stark gepfeffert gewesen sein.
Ein Hund, welchem ein Stück nochmals
gekochter Leberwurst gegeben war, soll er¬
krankt sein, während ein anderer nach Fütte¬
rung mit Wurst gesund blieb.
Die Krankheitserscheinungen traten nach
Angabe der behandelnden Aerzte 8—20 Stun¬
den nach dem Genüsse der Fleischwaren auf,
bestanden in heftigem Magendarmkatarrh,
Brechdurchfall, Magenkrämpfen, Bauchschmer¬
zen, Kopf- und Gliederschmerzen, Durst und
hochgradiger Schwäche. Bei mehreren Per¬
sonen war Fieber, Cyanose der Lippen und bei
einem älteren Manne Albuminurie nachzu¬
weisen. Erscheinungen, welche an Atropinis¬
mus erinnern, waren bei keinem Patienten zu¬
tage getreten. Die Krankheit dauerte 5—8
Tage und führte in allen Fällen zur Genesung.
Todesfälle kamen nicht vor.
Ende Juni 1902 übersandte mir der hiesige
Kreisarzt Herr Dr. Peren ein Stück jener Leber¬
wurst zur bakteriologischen Untersuchung.
Die Wurst hatte infolge der damals herrschen¬
den grossen Hitze bereits einen grünen Anflug,
im übrigen war sie sehr weich, auf der Schnitt¬
fläche rötlichgrau, fast durchweg feucht und
schmierig. Von frisch angelegten Bruchflächen
der Wurst entnahm ich für die bakteriologische
Untersuchung mit ausgeglühter Platinöse
Material an zwei verschiedenen Stellen, und
zwar an einer auffallend schmierigen und an
einer trockenen Stelle. In Ausstrichpräparaten
fand ich ausschliesslich feine, an den Enden
abgerundete Bacillen in ungeheurer Menge. Es
gelang mir, dieselben rein zu züchten und fest¬
zustellen, dass diese Bacillenart für Mäuse und
Meerschweinchen hochgradig virulent war, we¬
niger für Kaninchen und Katzen, und zwar
sowohl bei Verfütterung als bei subkutaner
Einverleibung.
Nach der Aussaat in Petrischalen wuchsen
auf der Oberfläche der Nährgelatine bei
18—20° G grauweisse, durchscheinende Kolo¬
nien, welche nach drei Tagen etwa griesskorn-
gross waren, am vierten Tage jedoch einen
Durchmesser von 2—4 mm hatten. Sie zeigten
alle ein grauweisses Zentrum, welches am
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158
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
3. Jahrgang'.
vierten Tage undurchsichtig wurde, und eine
durchscheinende Peripherie. Die Gelatine
wurde vom vierten Tage ab im Bereiche der
Kolonien verflüssigt und bildete linsenförmige
Vertiefungen, die schnell an Ausdehnung Zu¬
nahmen, bis der Inhalt der Petrischale am
fünften oder sechsten Tage eine flüssige Masse
bildete. Bei 26facher Vergrösserung (Fig. 1)
hatte das Zentrum ein gelbes Aussehen, man
konnte an demselben scharfe flammenspitzen¬
ähnliche, gezackte Ränder und arabeskenartig
verschlungene Linien oder feine Körnung nach-
weisen. Vom Rande dieses Zentrums liefen
strahlenförmig sehr feine und oft nur bei
starker Abblendung erkennbare Linien aus,
welche der ganzen Kolonie ein sonnenbildähn¬
liches Aussehen gaben (Fig. 2). Bei vier Tage
alten Kolonien konnte man diese Zeichnung am
deutlichsten wahrnehmen. Der gelbe zentrale
Kern lag der Regel nach in der Mitte, seltener
hatte er exzentrische Lage, auf welche eine
hellgraue gekörnte Zone (Fig. 3) und darauf
eine gelbe, gezacktrandige, radiär gestreifte
Aureole folgte. Letztere war regelmässig
dunkler gefärbt und weniger durchsichtig als
die gekörnte Zone. Bei genauer Betrachtung
konnte man lebhafte, aber räumlich kurze Be¬
wegungen an den Körnchen wahrnehmen. Von
der Peripherie der strahlenförmigen Aureole
endlich gingen astartige, feine Ausläufer in
die Nachbarschaft, welche in kurzer Zeit ein
Netz von Arabesken oder schlangenförmigen
Schnörkeln bildeten. Mit zunehmender Ver¬
flüssigung (Fig. 4 u. 5) verschwand sowohl die
arabeskenartige Zeichnung des Kerns sowie die
radiäre Streifung der Aureole, die Schnörkel
an der Peripherie konfluierten und bildeten
eine dünne, hellgraue, durchscheinende Auf¬
lagerung, in welcher sich die Konturen der
Arabesken nach dem Zentrum zu allmählich
verwischten, während am Rande der Kolonie
sich wieder neue Schnörkel bildeten.
Die radiären Streifen bestanden vorzugs¬
weise aus Fäden. Zuweilen konnte man mit
Leitzschem Trockensystem VI die kurzen Fäden
in zentrifugaler Richtung sich bewegen sehen.
Fig. 1.
Fig. 2.
Fig. 3.
Fig. 4.
Fig. 5.
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Heft 7.
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
159
Die nicht an der Oberfläche der Gelatine
gelegenen Kolonien waren gelb und scharf kon-
turniert. Manche dieser Kolonien schienen ge¬
platzt zu sein und ihren Inhalt nach einer Seite
entleert zu haben.
Von der Plattenkultur wurde nun abge-
impft und der Bacillus so in Reinkulturen
erhalten. Zum genaueren Studium der Gela¬
tinekolonien wurde das Platten verfahren mit
Reinkulturen wiederholt und dabei dasselbe
Resultat wie oben erhalten.
Auf schräg erstarrtem Agar wuchsen so¬
wohl bei gewöhnlicher, als bei anaerober
Züchtung in 24 Stunden bei Bruttemperatur
schleimtropfenähnliche, graue, durchscheinende
Kolonien, welche in dünner Schicht Perlmutter¬
glanz besassen und allmählich konfluierten;
oder die Agaroberfläche hatte, wenn das Aus¬
strichmaterial reichlich war, gleich von vorn¬
herein einen durchscheinenden, kaum sicht¬
baren, glänzenden Ueberzug, der nur unten in
der Nähe der ausgepressten Flüssigkeit etwas
dicker wurde und dort milchglasartiges Aus¬
sehen annahm. Letztere trübte sich und bildete
einen flockigen Bodensatz.
Bei Agarstichkulturen, welche im Brut¬
schrank gestanden hatten, war bereits nach
24 Stunden eine Trübung in der Nachbarschaft
des ganzen Stichkanals eingetreten, welche sich
nach aussen fortsetzte und die Form einer
Zylinderbürste annahm. Der Stichkanal selbst
markierte sich als grauweisser Strich. Auf
der Oberfläche bildete sich ein weisses Häut¬
chen, welches sich bis zum Rande des Reagenz¬
glases fortsetzte.
In Zuckeragar traten in der Nähe des
Einstiches Gasblasen auf, welche Risse in dem
Agar verursachten und dieses auseinander¬
sprengten.
Gelatineausstriche Hessen bei 20—22° C
innerhalb 24 Stunden eine rinnenartige Ver¬
tiefung an der Ausstrichstelle erkennen. In
3—6 Tagen war die ganze Gelatine verflüssigt.
Am Boden des Reagenzglases sammelte sich ein
grauweisser, flockiger Niederschlag an.
Bei Gelatinestichkulturen, welche bei Zim¬
mertemperatur gehalten wurden, bildete sich
nach 24 Stunden eine trichter- bezw. strumpf-
förmige Vertiefung. Die Verflüssigung setzte
sich von oben nach unten fort. Durch wieder¬
holtes Umzüchten bei niederer Temperatur
schien das Peptonisierungsvermögen sowie die
Fähigkeit, Zucker zu zersetzen, abzunehmen.
Auf erstarrtem Kälber- und Rinderblut¬
serum bildeten die Bacillen einen dünnen Ueber¬
zug unter gleichzeitiger Verflüssigung des
Serums. Letztere war schon nach 24stündigem
Belassen im Brutschrank deutlich nachzu¬
weisen.
Auf Kartoffeln gelang die Kultur nicht
immer, namentlich dann nicht, wenn diese sauer
waren. Falls Wachstum erfolgte, bildeten die
Bacillen einen grauweissen oder gelblichen
Belag. Auf sterilisierten Leberbrei und Rind¬
fleisch gediehen die Bacillen vorzüglich und
bildeten einen fadenziehenden, hellgrauen oder
schmutzig-graugelben, glänzenden Belag.
Die Bacillen wuchsen ferner gut in
Hühnereiern, und zwar besser in rohen, als in
gekochten. Der Inhalt der rohen Eier wurde
dabei in eine gelblich schiefergraue, übel¬
riechende Masse umgewandelt.
Am besten wuchsen die Bacillen in neu¬
traler, schwach saurer oder schwach alkalischer
Nährbouillon, namentlich, wenn diese mit
Zucker versetzt war. Die Bouillon trübte sich
bei 36—38 0 C, dn 5—6, bei 29—31° in 7—8
Stunden und schied oft schon in 24 Stunden
einen weissen flockigen Bodensatz ab. An den
Rändern des Glases bildete sich im Niveau der
Bouillon ein weisser Ring; mitunter kam es
auch zur Bildung eines weissen dünnen, leicht
zerreissbaren Häutchens. In Zuckerbouillon
trat bei Bruttemperatur nach 10—23 Stunden
Gasentwickelung auf. Besonders gut konnte
man diese erkennen, wenn man die Bacillen
in einem Gärungsröhrchen züchtete. Dabei
konnte die Wahrnehmung gemacht werden,
dass Trauben-, Frucht- und Rohrzucker unter
Gasentwicklung und Säurebildung zersetzt
wurden, was beim Milchzucker nicht der Fall
war. Die saure Reaktion des Nährmediums
war wohl auch der Grund, weshalb das Wachs¬
tum der Bakterien und die Gasentwicklung am
vierten oder fünften Tage aufhörte. Setzte
man nämlich Zinkoxyd zu, so begann dieselbe
von neuem. Auf Zusatz Fehlingscher Lösung
zu einer acht Tage alten Rohrzuckerbouillon¬
kultur trat deutliche Rotfärbung auf, während
diese bei dem unbesäten Nährmedium ausblieb.
Mithin hatten die Bacillen die Fähigkeit, Rohr¬
zucker zu invertieren.
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160
Fortschritte der Veterinär -Hygiene.
3. Jahrgang.
Mit Lakmus versetzte Bouillon wurde in¬
nerhalb 24 Stunden entfärbt. Lakmus wurde
also reduziert.
Milch wurde innerhalb 24 Stunden zur
Gerinnung gebracht; das Gerinnsel löste sich
später nicht. In der Milch konnte Ammoniak
nachgewiesen werden.
In Harn wuchsen die Bacillen gleichfalls,
jedoch nur spärlich. Bei Bruttemperatur er¬
folgte schon innerhalb neun Stunden deutliche
Trübung. Gasentwicklung trat nicht ein,
jedoch konnte kohlensaures Ammon nachge-
wiesen werden.
In Leitungswasser gelang die Kultur nicht,
selbst wenn demselben NaCl, Am 2 S0 4 ,
NaN0 3 , KN0 2 und KN0 2 + NaCl zugesetzt
war.
Sämtliche Kulturen zeigten einen unan¬
genehmen, aasartigen Geruch; es lag deshalb
nahe, auf Fäulnisgase, insbesondere auf
Ammoniak, zu fahnden. Wurde ein mit Eber-
schem Salzsäure-Gemisch befeuchteter Glasstab
über eine Bacillenkultur gebracht, so traten
sofort weisse Salmiaknebel auf. Auf Zusatz
von Nesslerschem Reagenz zu einer Bouillon¬
kultur erfolgte zuerst Rot-, dann Grünfärbung.
Ein in eine junge Bouillonkultur hineingehäng¬
ter Bleipapierstreifen lief schon innerhalb 24
Stunden schwarz an.
Bleiagarstichkulturen wurden innerhalb
derselben Zeit im Bereiche des Stiches schwarz.
Aus diesen Reaktionen muss wohl gefolgert
werden, dass die Bacillen Ammoniak bezw.
Amine und H 2 S abzuspalten vermögen.
Auf Zusatz von 10 Tropfen konzentrierter
Schwefelsäure zu 6 7 cbcm einer 3—10 tägi¬
gen Bouillonkulter mit l°/o Peptongejialt trat
keine Farbenreaktion ein. Der Erfolg war der¬
selbe, wenn zu 6 cbcm Bouillonkultur 1 cbcm
0,01 o/o Kaliumnitritlösung und 10 Tropfen
Schwefelsäure zugesetzt wurden. (Bayersche
Nitrosoindolreaktion.) Ebenso negativ fiel die
Legalsche Indolreaktion aus, welche nach Petri
in der Weise ausgeführt wurde, dass ca. 7 cbcm
Bouillonkultur mit 5—10 Tropfen Nitro-
prossidnatriumlösung und 1—3 Tropfen
Natronlauge versetzt wurden. Es trat weder
eine dunklere Färbung noch Bildung violett¬
brauner Wolken auf. Auf weiteren Zusatz von
5—10 Tropfen Essigsäure erfolgte keine Blau¬
färbung. Die Indolreaktionen wurden auch an
Agarkulturen verschiedenen Alters mit dem¬
selben negativen Resultat ausgeführt.
Auch salpetrige Säure konnte in zehn Tage
alten Bouillonkulturen weder mit Jodkalium¬
stärkekleister und verdünnter Schwefelsäure,
noch mit Metaphenylendiaminsulfat und Essig¬
säure (Grieszsche Reaktion) nachgewiesen
werden.
In nitrathaltigen Nährmedien vermögen
Bacillen das Nitrat zu Nitrit zu reduzieren.
Eine neun Tage alte, Natronsalpeter enthal¬
tende Bouillonkultur wurde mit etwa 1 cbcm
2 o/o Metaphenylendiaminsulfatlösung und 10
Tropfen Essigsäure versetzt; es trat in der
Kultur eine deutliche Gelbfärbung ein. Auf
weiteren Zusatz von Jodkaliumstärkekleister
wurde die Kultur schön blau, später allmählich
dunkelbraun.
Zur Feststellung des Sodabedürfnisses
wurden ca. 200 cbcm Bouillon zunächst durch
vorsichtigen Zusatz von Natronlauge bis zum
Lakmusneutralpunkt und durch darauffolgen¬
des tropfenweises Hinzufügen von Normalsoda¬
lösung bis zur bleibenden Rötung des als
Indikator zugesetzten Phenolpthaleins genau
neutralisiert. Diese Bouillon wurde nun zu je
5 cbcm auf Reagensröhrchen gefüllt und zu
jedem Röhrchen je 0,5; 1,0; 1,5; 2,0 usw\ cbcm
Normalsoda- bezw. Normalsalzsäurelösung hin¬
zugefügt, sterilisiert, nach dem Abkühlen mit
Wurstbacillen beimpft und in den Brutschrank
gestellt.
Nach 12 Stunden
Trübung Bodensatz
Heft 7.
161
Fortsch ritte der
Aus dieser Beobachtung folgt, dass das
Wachstumsoptimum bei schwach alkalisch bis
schwach saurer Reaktion liegt. Bei starker
Alkaleszenz tritt noch Wachstum ein, dagegen
nicht bei stark saurer lteaktion. In alkalischen
Nährmedien kommt es unter Sedimentbildung
bald zur Klärung der Bouillon.
Das Temperaturoptimum für das Wachs¬
tum der Bacillen liegt bei 33 -37° C. Das¬
selbe wurde in der Weise ermittelt, dass
Bouillonröhrchen beimpft und auf verschiede¬
nen Temperaturen gehalten wurden.
Bei 0—4° C erfolgte die Trübung der
Bouillon in 4—6 Tagen, bei 6—9° C in 36
Stunden, bei 29—31 ° C in 9 Stunden, und
bei 33—37 0 C in 6 Stunden.
Hohen Temperaturgraden gegenüber sind
die Bacillen wenig widerstandsfähig. Zur Fest¬
stellung der Resistenz gegen Hitze bediente
ich mich eines Reagensgläschens, dessen unteres
Ende zu einem dünnen Röhrehen von 2—2*4 mm
Lichtung ausgezogen war, so dass eine Pla¬
tinöse zur Probeentnahme noch bequem ein¬
geführt werden konnte. Der dünne Teil des
Reagensgläschens wurde nun mit Bouillon¬
kultur — bezw. Aufschwemmung von Bacillen,
die auf Agar gezüchtet waren, in Bouillon —
gefüllt, in ein auf 50, 60 und 70° C geheiztes
Wasserbad getaucht, und von Zeit zu Zeit eine
Prqbe mittels der Platinöse entnommen. Mit
letzterer wurden Bouillonröhrchen beimpft.
Das Resultat war folgendes:
1. bei 50° C:
Die 15, 20, 25, 30, 35 und 60 Minuten
nach der Einstellung in das Wasserbad ent¬
nommenen Proben entwickelten sich sämtlich,
die nach Inständigem Verweilen im Wasser¬
bade entnommenen dagegen nicht.
2. bei 60° C:
Nach 2, 4, 6, 8, 10 und 12 Minuten ent¬
nommene Proben blieben alle steril.
3. bei 70° C:
Resultat dasselbe wie bei No. 2.
Aus diesen Abtötungsversuchen muss man
schliessen, dass die Bacillen unter Umständen
schon durch eine zw’ei Minuten lange Einwir¬
kung von 60 0 C die Entwickelungsfähigkeit
verlieren, während sie einer Temperatur von
50° C verhältnismässig lange widerstehen und
zwar in engem Glasröhrchen über eine Stunde.
Veterinär -Hygiene.
Weitere Versuche haben ergelxm, dass in
Erlenmeyerkölbeben gezogene Bouillonkulturen
sogar fünf Stunden gebrauchten, um bei 50 °C
in dem Kölbchen abgetötet zu werden.
(Schluss folgt.)
Oeffentliches Veterinärwesen.
Stand der Tierseuchen im Deutschen Reich
am 15. September 1905.
Der Rotz gelangte zur Feststellung in
Preussen in 18 Gemeinden und 32 Gehöften, in
Bayern in einem Gehöft, zusammen somit in
19 Gemeinden und 33 Gehöften. Die Aphthen¬
seuche herrschte in je einem Gehöfte der
Regierungsbezirke Königsberg, Breslau, Op¬
peln und der Oberpfalz. Die Schweine-
seuche einschliesslich der Schweinepest
wurde festgestellt und zur Anzeige gebracht
in 1537 Gemeinden und 1995 Gehöften.
Erlasse, Verordnungen und
Bekanntmachungen.
Preussen. Allgemeine Verfügung
betr. das aus oder nach Luxemburg
gehende, zum menschlichen Ge¬
nüsse bestimmte Fl eisch. Vom 24. Aug.
1905.
Der mit dem Grossherzogtum Luxemburg
unter dem 24. Mai 1904 abgeschlossene Ver¬
trag über die gegenseitige Zulassung des zum
menschlichen Genüsse bestimmten Fleisches
zum freien Verkehr (RGBl. 1905 S. 709) ist
nunmehr in Kraft getreten. Danach wird
Fleisch, das in Luxemburg ausgeschlachtet und
nach den dort geltenden Vorschriften untersuch*
ist, in Deutschland ebenso behandelt, wie wenn
es im Inlande ausgeschlachtet und untersucht
wäre. Ferner bedarf das auf einer luxembur¬
gischen Untersuchungsstelle vorschriftsmässig
untersuchte ausländische Fleisch in Deutsch¬
land einer Untersuchung nicht mehr. Auch
können ausländische Fleischsendungen, die nach
Luxemburg eingehen, aber dort nicht unter¬
sucht werden sollen, von der luxemburgischen
Einlassstelle an eine deutsche Untersuchungs¬
stelle überwiesen werden. Endlich besorgen die
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162
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
3. Jahrgang.
luxemburgischen Einlassstellen die Abfertigung
des zur unmittelbaren Durchfuhr und des
nicht zum menschlichen Genüsse bestimmten
Fleisches (§ 13 Abs. 1 und § 17 RG.) nach
denselben Grundsätzen, wie sie für die inlän¬
dischen Einlassstellen vorgeschrieben sind.
Wegen der in Luxemburg bestehenden Ein¬
lass- und Untersuchungsstellen für ausländi¬
sches Fleisch, sowie wegen der Kennzeichnung
des in Luxemburg vorschriftsmässig unter¬
suchten Fleisches wird auf die in Abschrift
beigefügte Bekanntmachung des Herrn Reichs¬
kanzlers vom 1. d. M. (Zentralbl. f. d. Deutsche
Reich S. 198) verwiesen.
Durchlaucht
Euere Hochgeboren wollen für eine
Hoch wohl geboren
schleunige Benachrichtigung der Beschau¬
stellen und Polizeibehörden Ihres Bezirks
Sorge tragen. Die Provinzial-Steuerdirektoren
haben vom Herrn Finanzminister Mitteilung
erhalten.
Der Minister der geistlichen, Unterrichts¬
und Medizinal-Angelegenheiten. I. A.: Förster.
Der Minister für Landwirtschaft, Domänen
und Forsten. I. A.: Schroeter.
An sämtliche Herren Regierungspräsiden¬
ten und den Herrn Polizeipräsidenten in Berlin.
Mecklenburg-Schwerin. Runderlass
betr. die gesundheitspolizeiliche
Behandlung des Fleisches „nüch¬
terner“ Kälber. Vom 28. Juni 1905.
In Ergänzung bezw. Abänderung des Rund¬
erlasses vom 20. Juli 1903 bestimmen die Unter¬
zeichneten Ministerien hierdurch, dass das
Fleisch „nüchterner“, d. h. unmittelbar oder
kurze Zeit nach der Geburt notgeschlachteter
Kälber, bei denen die Untersuchung vor der
Schlachtung (Schlachtviehbeschau) nach Mass-
gabe der §§ 6—16 der Ausführungsbestimmun¬
gen A des Bundesrats zum Reichstleischbeschau-
gesetz unterblieben ist (vgl. § 1 Abs. 2 und 3
des Reichsgesetzes vom 3. Juli 1900 und § 2
Ziff. 1 Abs. 1 der Ausführungsbestimmungen
A) ohne weiteres als unreif im Sinne der Vor¬
schrift des § 40 Ziff. 5 der Ausführungsbestim¬
mungen A des Bundesrats, mithin als in seinem
Nahrungs- und Genusswert erheblich herabge¬
setzt zu bezeichnen ist.
Grossherzogi. Meck len burgsche Ministerien
des Innern. C. Graf von Bassewitz-Levetzow.
Abt. f. Medizinal-Angelegenh. Langfeld.
Preussen. Pommern. Reglement zur
Ausführung des Gesetzes vom 22. April 1892
(G.-S. S. S. 90), betr. die Entschädigung für
an Milzbrand gefallene Tiere.
16. März
Vom
20. April
1905.
(Sonderbeil. z. St. 24 d. Amtsbl. de Reg. zu
Stettin.)
Zur Ausführung des Gesetzes, betr. die
Entschädigung für an Milzbrand gefallene
Tiere vom 22. April 1892 (Gesetz-Samml. S. 90)
wird für die Provinz Pommern das nach¬
stehende Reglement erlassen.
§ 1. Ist durch tierärztliche Obduktion und
durch Nachprüfung des von dem beamteten
Tierarzt aufgenommenen Befundes durch den
Königlichen Departementstierarzt zu Stettin
und nötigenfalls durch weitere Untersuchung
(§ 2) bei getöteten oder gefallenen Pferden
(vgl. § 15) oder Rindviehstücken ein Fall von
Milzbrand oder Rauschbrand festgestellt, so
wird für die damit behafteten Tiere von dem
Provinzialverbande eine Entschädigung nach
Massgabe der nachfolgenden Bedingungen
gewährt.
§ 2. Die beamteten Tierärzte haben den
Befund- und Obduktionsbericht im Original
oder in beglaubigter Abschrift sofort dem
Departementstierarzt in Stettin zu übersenden.
Dieser prüft den Bericht und gibt ihn unter
Beifügung des Ergebnisses seiner Nachprüfung
an den Landeshauptmann weiter.
Der Landeshauptmann kann bestimmen,
dass eine weitere Untersuchung, insbesondere
eine bakteriologische Nachprüfung stattfinden
soll. Ueber das in diesem Falle zu beobach¬
tende Verfahren beschliesst der Provinzialaus¬
schuss unter Genehmigung des Ministers für
Landwirtschaft.
§ 3. Die Entschädigung beträgt s / 5 des
nach Vorschrift des § 59 des Reichsgesetzes,
betr. die Abwehr und Unterdrückung von Vieh¬
seuchen vom 23. Juni 1880/1. Mai 1894 (R.G.-
Bl. 1880 S. 153 und 1894 S. 409) ermittelten
gemeinen Wertes. Auf die Entschädigung kom¬
men die etwa aus Privat Verträgen zahlbaren
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Heft 7.
163
Fortschritte der V
Versicherungssummen mit ;l /r, ihres Betrages
in Anrechnung.
§ 4. Die Ermittelung der Entschädigung
erfolgt durch eine Kommission, welche aus
dem beamteten Tierarzt und zwei Schieds-
männern gebildet wird. Für die Zusammen¬
setzung, Berufung, Verpflichtung und Tätig¬
keit dieser Kommission finden die Bestimmun¬
gen der §§ 18, 19 des preussischen Ausführungs¬
gesetzes vom 12. März 1881 (Gesetz-Samml.
S. 128) Anwendung.
Stimmen die Gutachten der Kommissions¬
mitglieder über den Wert eines Tieres nicht
miteinander überein, so wird der Wert nach
dem Durchschnitt der drei Abschätzungen be¬
stimmt.
Das Ergebnis der Schätzung ist im Falle I
der Entschädigungsleistung für beide Teile
verbindlich.
Hat eine ausgeschlossene oder unfähige
Person — § 19 des Gesetzes vom 12. März 1881
— an der Schätzung teilgenommen, so ist die
Schätzung nichtig und zu wiederholen.
An Stelle des beamteten Tierarztes kann
im Falle der Verhinderung oder aus sonstigen
Gründen ein anderer approbierter Tierarzt
zugezogen werden.
Aus denselben Gründen sind die Ortspoli¬
zeibehörden berechtigt, an Stelle der gemäss
§ 18 des Ausführungsgesetzes vom 12. März
1881 gewählten Schiedsmänner auch andere ge¬
eignete Personen zu Schiedsmännern für den
einzelnen Fall zu ernennen.
§ 5. Die beiden Schiedsmänner sollen bei
Anmeldung eines Falles von Milzbrand oder
Rauschbrand so zeitig einberufen werden, dass
sie die Schätzung des Tieres gemeinschaftlich
mit dem Tierarzt bei Gelegenheit der Obduk¬
tion ausführen können.
Können die Schiedsmänner wegen weiter
Entfernung ihres Wohnsitzes oder aus anderen
Gründen erst zu einem späteren Termine ein¬
berufen werden, so hat der Tierarzt nach der
Obduktion sein Schätzungsgutachten allein ab¬
zugeben. Bei der späteren Abschätzung des
Tieres durch die beiden Schiedsmänner bedarf
es alsdann der nochmaligen Zuziehung des
Tierarztes nicht.
§ 6. Die Kommission — im Falle des § 5
Abs. 2 der Tierarzt einerseits und die beiden
Schiedsmänner andererseits je für sich ^ hat
eterinär-Hygiene.
über das Ergebnis der Schätzung eine von ihr
zu unterzeichnende Urkunde aufzunehmen und
der Ortspolizeibehörde zu übergeben.
§ 7. Eine Schätzung ist nicht vorzunehmen:
a) wenn es feststeht, dass eine Entschädi¬
gung nicht gewährt wird (§ 8 und § 9 dieses
Reglements),
b) wenn gelegentlich der vor dem Ein¬
treffen der Schiedsmänner vorgenommenen Ob¬
duktion (§ 5 Abs. 2 des Reglements) der be¬
amtete Tierarzt oder falls gemäss § 16 des
Reichsgesetzes vom 23. Juni 1880/1. Mai 1894
von dem Viehbesitzer ein zweiter Tierarzt
zugezogen worden ist, beide Tierärzte ihr Gut¬
achten dahin abgeben, dass das Tier nicht an
Milzbrand oder Rauschbrand erkrankt war.
§ 8. Keine Entschädigung wird gewährt:
1. für Tiere, die dem Reich, den Einzel¬
staaten oder zu den landesherrlichen Gestüten
gehören;
2. für Tiere, die der Vorschrift des § 6
des Reichsgesetzes vom 23. Juni 1880/1. Mai
1894 zuwider mit der Krankheit behaftet in
das Reichsgebiet eingeführt sind;
3. für das in Schlachtviehhöfen oder in
öffentlichen Schlachthäusern aufgestellte, auf
polizeiliche Anordnung geschlachtete oder ge¬
tötete Schlachtvieh.
§ 9. Der Anspruch auf Entschädigung
fällt ferner weg:
1. wenn der Besitzer der Tiere oder der
Vorsteher der Wirtschaft, welcher die Tiere
angehören, vorsätzlich oder fahrlässig, oder
Begleiter der auf dem Transporte befindlichen
Tiere, oder bezüglich der in fremdem Gewahr¬
sam befindlichen Tiere, der Besitzer des Ge¬
höfts, der Stallung, Koppel oder Weide vor¬
sätzlich den Vorschriften der §§ 9 und 10 des
Reichsgesetzes vom 23. Juni 1880/1. Mai 1894
zuwider, die Anzeige vom Ausbruch der Seuche
oder vom Seuchenverdacht unterlässt, oder
länger als 24 Stunden nach erhaltener
Kenntnis verzögert;
2. wenn der Besitzer eines der Tiere mit
der Seuche behaftet gekauft oder durch ein
anderes Rechtsgeschäft unter Lebenden er¬
worben hat und von diesem kranken Zustande
beim Erwerbe des Tieres Kenntnis hatte;
3. wenn Tiere, welche bestimmten Ver¬
kehrs- oder Nutzungsbeschränkungen oder der
Absperrung unterworfen sind, bei verbot s-
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164
3. Jahrgang.
Fortsch ritte der
widriger Benutzung oder ausserhalb der ihnen
angewiesenen .Räumlichkeiten oder an Orten,
zu welchen ihr Zutritt verboten ist, an Milz¬
brand oder Rauschbrand fallen, oder, weil in
vorstehenden Fällen betroffen, auf Anordnung
der Polizeibehörde getötet worden sind, oder
wenn dem Besitzer oder dessen Vertreter die
Nichtbefolgung oder Uebertretung der polizei¬
lich angeordneten Schutzmassregeln zur Ab¬
wehr der Seuchengefahr zur Last fällt;
4. wenn Tiere, die an Milzbrand oder
Rauschbrand erkrankt oder dieser Seuche ver¬
dächtig sind, vorsätzlicher oder fahrlässiger
Weise geschlachtet worden sind;
5. wenn an solchen kranken oder verdäch¬
tigen Tieren blutige Operationen oder die
Oeffnung des Kadavers ohne polizeiliche Er¬
laubnis vorsätzlicher oder fahrlässigerweise
von jemand anders, als von approbierten Tier¬
ärzten vorgenommen worden ist.
§ 10. Zur Bestreitung der Entschädigun¬
gen für die an Milzbrand oder Rauschbrand
gefallenen Tiere, der Kosten der Schätzung,
der Kosten der Nachprüfung und der sonstigen
Verwaltungskosten werden die in Gemässheit
der Bestimmungen in den §§15 und 16 des
Gesetzes vom 12. März 1881 (Gesetz-Samml.
1881 S. 128) und der §§ 5 bis 9 des „Reglements
zur Ausführung der Vorschriften in den §§ 57
bis 64 des Reichsgesetzes vom 23. Juni 1880,
betr. die Abwehr und Unterdrückung von Vieh¬
seuchen, bezw. der Vorschriften in den §§ 12
bis 22 des preussischen Gesetzes vom 12.
März 1881, betr. die Ausführung dieses Reichs¬
gesetzes — in der Provinz Pommern vom
17. März 1882“ zur Bestreitung der zu leisten¬
den Entschädigungen für die mit der Rotz¬
krankheit behafteten Pferde usw. und für das
mit Lungenseuche behaftete Rindvieh angesam¬
melten und im Bedarfsfälle gemäss §§ 5 bis 9
des Reglements vom 17. März 1882 zu ver¬
stärkenden Fonds nebst Zinsen mit der Mass-
gabe verwendet, dass die von den Pferde¬
besitzern erhobenen Beiträge nur zur Entschädi¬
gung für Pferde und die von den Rindvieh¬
besitzern erhobenen Beiträge nur zur Ent¬
schädigung für Rindvieh verausgabt werden
dürfen.
§ 11. Den Schiedsmännern ist in den Fäl¬
len, in denen sie auf Grund der Bestimmungen
dieses Reglements eine Schätzung vornehmen,
Veterinär -Hygiene.
als Ersatz für Reisekosten und Auslagen die¬
selbe Vergütung zu gewähren, welche die
Schiedsmänner gemäss § 23 des preussischen
Gesetzes vom 12. März 1881 (Gesetz-Samml.
1881 S. 128), betr. die Ausführung des Reichs¬
gesetzes über die Abwehr und Unterdrückung
der Viehseuchen zu erhalten haben.
§ 12. Die Ortspolizeibehörde oder ein¬
tretendenfalls der bestellte Seuchen-Kommis-
sarius hat unbeschadet der nach § 1 von dem
beamteten Tierarzt einzusendenden Befundauf¬
nahme, die über das Ergebnis der Schätzung
auf genommene Urkunde (§ 20 ebenda) und die
Liquidation der Schiedsmänner dem Landes¬
hauptmann unverzüglich zu übersenden und
zugleich zu bescheinigen, dass keiner der Fälle
vorliegt, in welchen nach §§ 8 und 9 dieses
Reglements keine Entschädigung gewährt
wird oder jeder Anspruch auf Entschädigung
wegfällt, auch anzugeben, ob und zu welchem
Betrage eine Versicherungssumme für das be¬
treffende Tier auf Grund von Privatvertrügen
zu zahlen ist. Die Schätzungsurkunden müssen
von der Ortspolizeibehörde mit der Bescheini¬
gung versehen sein, dass bei den Schiedsmän¬
nern keine der Voraussetzungen Vorgelegen hat,
wegen derer sie gemäss § 19 Gesetz vom 12.
März 1881 als von der Teilnahme an der
Schätzung ausgeschlossen oder zu derselben un¬
fähig zu erachten wären.
§ 13. Die Auszahlung der Entschädigun¬
gen und der Kosten der Schätzung erfolgt auf
Anweisung des Landeshauptmanns durch die
Provinzialhaiydkasse.
§ 14. Wegen der Ansprüche, welche auf
Grund dieses Reglements gegen den Provinzial¬
verband von Pommern erhoben werden, findet
der Rechtsweg nicht statt.
§ 15. Die Esel, Maultiere und Maulesel
werden in betreff der durch dieses Reglement
festgestellten Entschädigung und Beitrags¬
pflicht den Pferden gleich behandelt.
§ 16. Dieses Reglement tritt mit dem
1. Januar 1906 in Kraft und gilt für die Dauer
von 5 Jahren nach seinem Inkrafttreten.
Das vorstehende von dem 32. Provinzial¬
landtage von Pommern in der Sitzung vom
16. März 1905 beschlossene Reglement ist ge¬
mäss Artikel I Ziffer 4 des Gesetzes, betr. die
Entschädigung für an Milzbrand gefallene
Tiere vom 22. April 1892 (G.-S. S. 90) von
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Heft 7.
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
165
den Herren Ministem für Landwirtschaft,
Domänen und Forsten und des Innern unterm
20. April 1905 genehmigt worden.
Prensseo. Pommern. Ausfüh¬
rungsbestimmungen zu § 2 des Milz¬
brandentschädigungsreglements.
Vom 16. März/20. April 1905. (Extrabeil,
z. St. 30 d. Amtsbl. d. Königl. Reg. zu Köslin.)
I. In denjenigen Fällen des Milz- oder
Rauschbrandes oder des Verdachts dieser
Krankheiten, in welchen auf Grund der Be¬
stimmung des § 2 Absatz 2 des Reglements
vom 16. März/20. April 1905 auf Anordnung
des Landeshauptmanns eine bakteriologische
Nachprüfung stattfinden soll, ist das nachfol¬
gende Verfahren zu beobachten:
1. Der beamtete Tierarzt hat sofort — ge¬
gebenenfalls vor Uebersendung der im § 2 des
Reglements bezeichneten Urkunden — von
jedem in Frage kommenden Tiere
a) drei lufttrockene, ungefärbte, nicht er¬
wärmte Deckglasausstrichpräparate
bei Milzbrand
bei verendeten Tieren aus dem Blute
einer Ohr- oder Halsvene,
bei notgeschlachteten Tieren aus der
Milz,
bei Rauschbrand
vom Safte aus dem Gewebe der Rausch¬
brandgeschwülste anzufertigen;
b) auf drei Stückchen neuen sauberen Fil¬
trierpapier (von etwa 10 qcm Grösse)
bei Milzbrand
eine dicke Schicht frisch entnommenen
Blutes aus einer Ohr- oder Halsvene
oder
(bei notgeschlachteten Tieren) vom Milz¬
brei,
bei Rauschbrand
ein Stückchen aus dem muskulösen Ge¬
webe der Rauschbrandgeschwülste
zu übertragen.
Diese Präparate (a und, b) sind an der Luft
eintrocknen zu lassen und zunächst in sauberes
Filtrierpapier und sodann in Pergamentpapier
einzuschlagen und mit Aufschriften zu ver¬
sehen, die die Bezeichnung des Tieres, das
Datum des Todes, den Namen des Besitzers
(nebst Wohnort und Kreis) und den Namen
des Tierarztes enthalten müssen. Die Prä¬
parate werden darauf in einem Kästchen ver¬
packt und dem Departementstierarzt in Stettin
übersandt.
Die Herstellung und Absendung der Prä¬
parate ist in jeder Weise zu beschleunigen.
2. Ueber das eingesandte Material ist nach
beifolgendem Muster (Anlage A) Buch zu
führen. Die Eingänge sind sofort in das Unter¬
suchungsbuch einzutragen und mit der laufen¬
den Nummer zu versehen.
3. Die Prüfung des Materials geschiht beim
Milzbrand durch
a) mikroskopische Untersuchung,
b) Kultur,
c) Impfung von Mäusen.
Die mikroskopische Untersuchung erstreckt
sich auf die eingesandten Deckglasausstriche
und mindestens ein aus dem Venenblute oder
Milzbrei (1 b) angefertigtes Präparat. Die Fär¬
bung hat nach einer der Methoden zu geschehen,
die zur Darstellung der Milzbrandkapseln ge¬
eignet sind.
Zur Anlegung von Kulturen wird gleich¬
falls die eingesandte Probe (lb) verwendet.
Ein doppeltlinsengrosses Teilchen des trockenen
Materials wird mit steriler Flüssigkeit erweicht
und zur Herstellung von 3 Agar-Plattenkul¬
turen in Petrischen Doppelschalen (0,1 und 2)
benutzt. Die Plattenkulturen werden 24 Stun¬
den bei Brutwärme gehalten und hierauf bei
40 facher Vergrösserung auf Milzbrandkolonien
untersucht.
Die Impfung wird subkutan ausgeführt.
Zur Impfung sind zwei weisse oder graue Mäuse
zu verwenden. Jede derselben erhält eine
Platinöse des mit sterilem Wasser aufgeweich-
ten Materials.
Sterben Mäuse, so sind sie durch Ausstrich
und Kultur auf Milzbrand zu untersuchen.
Finden sich in den Eingeweiden keine Milz¬
brandbazillen, so ist die Impfstelle zu unter¬
suchen.
Sofern die mikroskopische Untersuchung
und eine der beiden Untersuchungsarten die
Seuche mit voller Bestimmtheit erkennen lassen,
kann von der Ausführung der dritten Unter¬
suchung Abstand genommen werden.
Beim Rauschbrand erfolgt die Prüfung
durch
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Fortschritte der
a) mikroskopische Untersuchung,
b) durch Impfung von Meerschweinchen.
Die mikroskopische Untersuchung erstreckt
sich beim Rauschbrand auf die eingesandteil
Deckglasausstriche und mindestens ein Präpa¬
rat, das aus der übermittelten Muskelprobe an¬
gefertigt und mit Gentianaviolett oder Fuchsin
gefärbt wird.
Zur Impfung wird ein Stückchen aus der
Muskelprobe in sterilem Wasser erweicht und
unter die Haut an der Innenfläche eines Hinter¬
schenkels eines Meerschweinchens gebracht.
Stirbt das Impftier, so ist die Impfstelle mikro¬
skopisch auf das Vorhandensein von Rausch¬
brandkeimen zu prüfen.
II. Ergibt die bakteriologische Unter¬
suchung Milzbrand oder Rauschbrand, so hat
der Departementstierarzt die Diagnose zu be¬
stätigen.
Lassen sich durch die bakteriologische
Untersuchung Milzbrand- oder Rauschbrand¬
bazillen nicht nachweisen, so ist zu unter¬
suchen, ob nach den von dem beamteten Tier¬
ärzte eingesandten Schriftstücken
1. die nach dem Ergebnisse der Obduktion
gestellte Diagnose überzeugend ist und zu Be¬
denken keinen Anlass gibt und bejahenfalls
2. ob der Untergang der Bazillen oder ihre
Nichtnachweisbarkeit aus den den Seuchenfall
begleitenden Umständen erklärlich ist.
Sind die Fragen zu 1 und 2 zu bejahen,
so ist die Diagnose Milzbrand oder Rausch¬
brand zu bestätigen.
Ist eine der Fragen 1 und 2 nicht zu be¬
jahen, so gilt die Seuche hinsichtlich der Ent¬
schädigungsfrage nicht als festgestellt.
Von der Bestätigung oder Nichtbestätigung
der Diagnose hat der Departemenstierarzt der
Ortspolizeibehörde und dem beamteten Tier¬
ärzte sofort Mitteilung zu machen. Gleichzeitig
sind in jedem Falle die eingesandten Schrift¬
stücke dem Landeshauptmann zu übersenden.
Das Ergebnis der Nachprüfung ist in das
Eingangsbuch unter Angabe des Tages, an dem
die Untersuchung ausgeführt oder abgeschlossen
wurde, einzutragen. Diejenigen Präparate, auf
welche die Entscheidung gestützt wird, sind ein
Jahr lang aufzubewahren.
Beschlossen von dem Provinzialausschusse
der Provinz Pommern in der Sitzung vom
Veteri nä r-Hygiene. 3. Jahrgang.
10. Juni 1905 und genehmigt von dem Herrn
Minister für Landwirtschaft, Domänen und
Forsten unterm 29. Juni 1905.
Referate.
Infektionskrankheiten.
Schütz und Miessner. Zur Serodiagnose der
Rotzkrankheit. Archiv für wissensch. und
prakt. Tierheilkde. 31. Band. 1. und 5. Heft.
Die Verff. haben an einem sehr umfangreichen
Pferdematerial die praktische Bedeutung des Agglu¬
tinationsverfahrens für die Diagnose der Rotzkrank¬
heit geprüft. Die Versuche wurden in folgender
Weise ausgeführt. Zu je 1,5 ccm des aus dem
Blute der rotzverdächtigen Pferde abgeschiedenen
Serums wurden 0,5 ccm einer 5 °/o Karbolsäure¬
lösung zugesetzt. Dann wurde das Serum mit der
Testflüssigkeit, einer Aufschwemmung abgetöteter
Rotzbacillen in Karbolkochsalzwasser (0,5o/o Karbol¬
säure und 0,85 o/o Chlornatrium) versetzt. Die an
zahlreichen gesunden und rotzkranken Tieren vorge¬
nommenen Versuche ergaben, dass das Serum der
erstcren gewöhnlich in einem Verhältnis von 1:100
bis 1:400, das der Kranken noch in einem Ver¬
hältnis von 1:1000 bis 1: 2000 die Rotzbacillen der
Testflüssigkeit agglutinierte. Es sind an dem Blut?
von 2209 Pferden, unter denen 298 Stück rotz-
krank waren, Erhebungen darüber angeetellt wor¬
den, in welcher Verdünnung das Blut gesunder und
rotzkrauker Tiere ägglutiniert. Es haben hiernach
von den kranken Pferden 0 % einen Agglutinations¬
wert von 100—300, 2 o/o einen solchen von 400,
4 von 500, J4,8 von 600, 15,8 von 800, 25,2 von
1000, 16,4 von 1500 und 21,8 o/o einen solchen von
2000 und darüber. Es haben von den gesunden
0 o/o einen Agglutinationswert über 1000, 16,2 o 0
von 500—1000, 19 o/ 0 von 400 und 64,8 o/ 0 einen
solchen von 100—300. In einem Bestände, indem der
Vlalleus mit Hilfe des AgglutinationsVerfahrens ge¬
tilgt werden soll, ist folgendermassen zu verfahren :
Alle (erkennbar) rotzkranken Pferde sind sofort
zu töten, nachdem ihnen Blut zur Agglutinations¬
probe entnommen worden ist. Alle der Ansteckung
verdächtigen Pferde sind der Agglutinationsprüfung
zu unterwerfen. Pferde, deren Blut in einer Ver¬
dünnung von 1:1000 und darüber ägglutiniert, sind
zu töten. Alle übrigen Pferde mit einem Agglu¬
tinationswert von 500—800 sind abzusondern und
erst dann zu töten, wenn sich 'bei der zweiten
Prüfung eine Veränderung des Wertes ergeben hat.
Andernfalls sind diese Pferde als rotzfrei anzu¬
sehen. Ist in einem Bestände der Malleus durch
das Agglutinationsverfahren festgestellt, so ist
nach drei Wochen das Blut aller Pferde nochmals
zu untersuchen. Eine Wiederholung der Prüfung
muss auch dann stattfinden, wenn in dem ver¬
dächtigen Bestände die zuerst vorgenommene Unter¬
suchung ein krankes Tier nicht hat ermitteln lassen,
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Heft 7. F o r L s c li r i 1 1 c der
insbesondere wenn das Blut eines oder mehrerer
Pferde im Verhältnis 1: 500 bis 1: 800 agglutiniert
hat. Wenn bei der zweiten Agglutinationsprüfung
dieselben Werte gefunden werden, wie bei der zuerst
vorgenommen, ist jede Verkehrsbeschränkung des
betr. Bestandes aufzuheben. Profe.
Schnürer. Zur diagnostischen Ver'vjer-
tungder Rotzagglutination. Centxalbl.
f. Bakt., Paras. und Inf. Bd. 39. Heft 2.
Es steht fest, dass bei Rotzinfektion der Agglu¬
tinationswert des Serums wesentlich höher ist als
bei gesunden Tieren, so dass die Diagnose ermög¬
licht wird, wenn weder durch die klinische noch
durch die pathologisch-anatomische Untersuchung
Malleus festgestellt werden kann. Verf. hat bei 15
nachweislich rotzkranken und bei 300 gesunden
und anderweitig erkrankten Pferden die Agglutina¬
tionsmethode zur Anwendung gebracht und geprüft.
Das zur Agglutination nötige Blut wurde aus der
vom innern Augenwinkel parallel zum Nasenrücken
verlaufenden Hautvene entnommen und mittels
W-förmiger Glasröhrchen aufgefangen. Zur Ver¬
minderung von Fehlerquellen, die etwa durch spä¬
teres Auftreten der Agglutinine bei frisch infi¬
zierten Tieren möglich sind, wurde die Blut-Ent¬
nahme und Untersuchung nach Verlauf von 6 bis
8 Wochen wiederholt. Der Agglutinationswert des
Serums wurde an Aufschwemmungen von auf Kar¬
toffel gewachsenen Rotzbacillen geprüft. Die Dichte
der Aufschwemmungen wurde nach einem optischen
Prinzipe bestimmt, wie es bei dem bekannten Lakto-
skop nach Faser Anwendung gefunden hat. In
der Emulsion wurden die Bacillen durch 3—4 stün-
diges Erhitzen auf 60 0 abgetötet. Nach den Unter¬
suchungen von Fedorowsky, Arpad u. a. steht fest,
dass normale Pferdesera bei Anwendung abgetöteter
Kulturen und makroskopischer Beurteilung bis
1:400 agglutiniereu können, so dass der Rotz¬
verdacht erst hierüber hinaus begründet sein kann.
Dagegen erheben sich bei Seris rotzkranker Pferde
die Agglutinationswerte auf 1:1000 bis 1:10 000.
Auf 16 resp. 24 Stunden, bei zweifelhaftem Aus¬
fälle selbst auf 36 Stunden, werden die vorher
1 Stunde auf 52—54 0 erwärmten Mischungen in
Blockschalen in den Brutofen gebracht. Die Be¬
sichtigung erfolgte mit einer sechsfach ver-
grössernden Präparierlupe. Bei negativem Ausfall
bildeten die Bakterien eine diffuse rauchgraue
Trübung am Boden, bei positivem eine aus Schnee¬
flocken ähnlichen Körnchen bestehende Wolke. Als
wichtige Ergänzung wurde die Untersuchung
mittels starken Trockensystems im hängenden
Tropfen vorgenommen. Profe.
Banger. Untersuchungen über die dif¬
ferentialdiagnostische Bedeutung
der Rotzagglutination bei den wich¬
tigsten inneren Krankheiten der
Pferde. Monatsli. für prakt. Tierhlkde. 16. Bd.
6. Heft.
Verf. machte Agglutinationsversuche an abge-
V e t e r i n ä r - H y g I e n e.
töteten ltotzbacillenkulturen mit dem Serum ■ von
100 gesunden und kranken Pferden, unter denen
sich zwei mit Rotz behaftete Tiere befanden. Der
Agglutinationswert bei den nicht malleus kranken
Pferden erhob sich niemals über 1:400 bis 500,
bei den beiden rotzkranken Tieren betrug er
1: 2000 bis 5000. Prof6.
Denzler. Die Bakterienflora des gesun¬
den Genitalkanals des Rindes in
ihrer Bedeutung für das Zustande¬
kommen des Puerperalfiebers. Mo¬
natsheft für prakt. Tierheilkde. 16. Band. 4.
und 5. Heft.
Verf. fasst die wichtigen Ergebnisse seiner
Untersuchungen dahin zusammen: Die Bakterien¬
flora des Scheidenvorhofs ist wechselnd und man¬
nigfaltig. Das Vestibulumsekret enthält pathogene
Mikroorganismen, insbesondere Staph. p. aureus,
albus und citreus, Strept. p. und Bact. coli comm.
Im Innern der gesunden Scheide vermögen unter
normalen Verhältnissen keine der genannten Bak¬
terien zu vegetieren. Bei anormaler Anwesenheit
dieser Bakterien im Scheidensekret bildet der
äussere Muttermund die Grenze zwischen der keim-
haltigen und der keimfreien Zone des Genital¬
kanals. Zervikal kanal, Uterus und Tuben sind
normalerweise keimfrei. Die Scheide besitzt eine
Selbstreinigungskraft, d. h. sie vermag eingedrun¬
gene Erreger zu eliminieren. Antiseptische Schei¬
denspülungen vermögen den physiologischen Rei¬
nigungsprozess nicht zu unterstützen. Die Ueber-
impfung hochvirulenter Staphylokokken, Strepto¬
kokken und Colibakterien in die Scheide des
Rindes ist von keinerlei störender Wirkung auf das
Individuum. Antiseptische Scheidenspülungen vor
der Geburt sind zu unterlassen; dagegen ist eine
sorgfältige Reinhaltung der äusseren Genitalien und
deren Umgebung zur Vermeidung einer Infektion
notwendig. Profe.
Parasitologie.
S. P. James. One parasitic found in the
white corpuscles of the blood of
d o g s. Ref. im C. f. B. B. 36, 24 u. 25.
Die Literatur über Blutparasiten, die aus¬
schliesslich in den weissen Blutkörperchen Vor¬
kommen, ist klein. Beobachtungen sind bisher nur
an Vögeln (Krähen, Eulen, Elstern) gemacht wor¬
den. Aber auch diese Befunde werden nicht gleich-
mässig gedeutet. Während die einen Forscher die
Wirtszellen als Leukocyten, zumeist im Degene¬
rationsstadium, betrachten, sprechen andere von
Erytr ob lasten. Verf. teilt nun seine Beobachtungen
mit, die er an Hunden in verschiedenen indischen
Provinzen gemacht hat. Er fand in einer Reihe
von Fällen Parasiten, die zweifellos in den poly¬
morphkernigen Leukocyten wohnen. Die befallenen
weissen Blutkörperchen erscheinen normal gross
oder wenig vergrössert und zeigen keine Degene-
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168
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
rationserscheinungen. Die Parasiten sind bohnen¬
förmig und 1 1/2 mal so lang wie der Durchmesser
eines roten Blutkörperchens; ihre Breite entspricht
ihrer halben Länge. Sie haben einen endständigen
Kern und wenig Chromatinsubstanz, einzelne
Formen besitzen ein Centrosoma* Sie sind von
einer Kapsel umgeben, die mit Romanowski-Fär-
bung sichtbar wird, manchmal jedoch undeutlich
abgegrenzt in das Leukocytenprotoplasma übergeht.
Kernteilung oder sonstige Fortpflanzungserschei¬
nungen konnten nicht beobachtet werden; dagegen
gelang es Verf. einmal, deutliche Lokomotion fest¬
zustellen: ein Parasit verliess in wurmförmigen
Bewegungen seinen Leukocyten und liess an der
Stelle seines ehemaligen Sitzes eine breite Lücke
zurück.
Das Leukocytozoon canis — so nennt Verf.
den neuentdeckten protozoenartigen Parasiten —
ist die erstbeschriebene Form eines Leukocyten-
parasiten beim Säugetier. Jacob.
Stfthelin. Ueber Stoffwechsel und Ener¬
gieverbrauch bei der Surraerkran-
k u n g. Arch. f. Hygiene. Bd. 50.
Verf. impfte einen Hund mit Surra-Trypano-
somen. Der Hund starb nach 31/2 Wochen. Wäh¬
rend dieser Zeit befand sich der Versuchshund im
Respirationsapparat. Dos Körpergewicht nahm von
8,58 kg bis auf 5,74 kg ab. Es zeigte sich ein
starker, allmählich zunehmender Eiweisszerfall. Im
ganzen hat bei dem Hunde die Zersetzung von
329 g Eiweiss und 631 g Fett stattgefunden. Der
Wasserverlust betrug 1880 g. Profe.
Th. Bowhill. Piroplasmose der Pferde
oder biliary fever. Journal of hygiene.
Vol. ß.
Verf. beschreibt eingehend die in Südafrika
und Transvaal häufig vorkommende Pferdepiro¬
plasmose und gibt an der Hand von drei Tafeln
mit guten mikrophotographischen Abbildungen eine
sehr genaue Beschreibung der Veränderungen des
Blutes bei den infizierten Tieren. Profe.
Panse. Trypanosoma Theileri (?) in
Deutsch-Ostafrika. Zeitschr. f. Hygiene.
Bd. 46.
Verf. fand bei einem ein Jahr alten Rinde
von der Insel Mafia, welches keinerlei auffällige
Krankheitserscheinungen gezeigt hatte, eine Try¬
panosomenart im Blute von auffallender Grösse
(40—80 p). Martini hielt es für das Trypanosoma
Theileri, welches von Bruce in Transvaal entdeckt
wurde, auch in Togo und Nordafrika vorkommt
und nur für Rinder pathogen ist. Prof6.
Günther u. Weber. Ein Fall von Trypano¬
somenkrankheit beim Menschen.
Münch, med. Wochenschr. 1904. No. 24.
Verff. beschreiben eingehend einen Fall von
3. Jahrgang.
frypanosomenkrankheit beim Menschen. Erschei¬
nungen waren: Chronischer Verlauf mit unregel¬
mässig wiederkehrenden Fieberanfällen, Kräfteab¬
nahme, Verminderung des Blutfarbstoffs, Oedeme,
Hautaffektion, Milz- und Leberschwellung, Puls¬
beschleunigung und Atemnot. In Fieberanfällen
waren die Trypanosomen im peripheren Blute nach¬
weisbar. Es gelang die erfolgreiche Uebertragung
der Trypanosomen auf Ratten und Affen (Macacus
rhesus). Profe.
Widakowich. Ueber Nematoden an der
hypophy sis cerebri von Felis Do¬
rn es tica. Ctrlbl. f. Bakt. etc., 1 Abt. Orig..
Bd. 38, Heft 4.
Verf. fand bei Durchsicht einer Schnittserie
durch die Hypophysis cerebri einer ausgewachsenen
Hauskatze in dem gewucherten umgebenden Binde¬
gewebe zahlreiche Querschnitte durch Wurmleiber.
Die Art des Parasiten konnte leider nicht näher
bestimmt werden; sicher handelte es sich um einen
getrenntgeschlechtlichen Nematoden. Ausserdem
fanden sich hier reife Eier von ca. 50 p Durch¬
messer. Profe.
RexJlius. Gastruslarven als Todesur¬
sache bei einem Pferde. Zeitschr. für
Veterinärkde. 17. Jahrg. Heft.
Verf. fand Gelegenheit, die Sektion eines Pferdes
vorzunehmen, bei welchem sehr grosse Mengen
Gastruslarven in Magen und Duodenum vorgefunden
wurden. Sie hatten hier eine chronische inxlurie-
1 rende Entzündung hervorgerufen. Durch die all¬
mählich zunehmende Schrumpfung der genannten
Teile des Intestinaltraktus wurde die Futterauf-
nahme und Verwertung behindert, der Ernährungs¬
zustand ging erheblich zurück, so dass schliess¬
lich der Tod infolge Entkräftung eintrat.
Profö.
Bücheranzeigen.
H u t y r a und Marek, Spezielle Pathologie und
Therapie der Haustiere. I Band. Jena. Verlag von
Gustav Fischer. 1905.
C o p p e r, Der Uebergang bestimmter Stoffe von
der Mutter in das Fruchtwasser. Inaug.-Diss. 1905.
Deutscher Veterinär -Kalender für
das Jahr 1905—1 9 0 6. Von Prof. Schmalz.
Veterinär-Kalender für das Jahr
19 0b. Von Korpsstabsveterinär König.
Besprechung Vorbehalten.
Einsendung von Original - Abhandlungen,
Büchern, Monographien und Separat-Abdrücken
wird direkt an den Redakteur, Kreistierarzt Dr.
O. Profd,Cöln a. Rh., Hansaring 50, oder an die
Verlagshandlung Louis Marcus, Berlin SW.,
Tempelhofer Ufer 7, erbeten.
Für d. Redaktion verantwort!. Kreistierarzt Dr. O. Profö, Cöln a. Rh., Hansaring 50. Druck von Pass & Garleb G.m.b.H., Berlin W.35.
Verlag und Eigentum: Louis Marcus Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 61.
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Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
3. JAHRGANG. NOVEMBER 1905. HEFT 8.
Bericht vom VIII. internationalen
tierärztlichen Kongress.
(Fortsetzung.)
In der für den Nachmittag des zweiten
Verhandlungstages festgesetzten Beratung der
Sektion für Pathologie wurde über das Thema:
Die Art der Infektion bei der Tuberkulose
der Haustiere verhandelt.
Als erster referierte hierüber Dr. Lorenz
(Darmstadt). Er bemerkte, dass dieser Gegen¬
stand ihm eigentlich etwas zu fern liegt, um
ihm in der Ausführlichkeit gerecht zu werden,
die seiner Bedeutung zukommt, er wolle sich
daher vorwiegend auf das tatsächlich Fest¬
stehende aus den zahlreichen zum Gegenstände
des Vortrags veröffentlichten Arbeiten be¬
schränken. Die erste Entstehung der Tuber¬
kulose beim Menschen und bei Tieren lässt sich,
wie die übrigen Infektionskrankheiten, darauf
zurückführen, dass saprophytisch lebende Bak¬
terien sich allmählich an ein parasitisches Vege¬
tieren angepasst haben. Diese Annahme, welche
sich auf die von Darwin aufgestellte Lehre
von der Anpassung gründet, findet, was die
Tuberkelbacillen angeht, in den Ergebnissen
neuerer Forschungen, insbesondere derjenigen
von Möller, eine Stütze, der auch ausserhalb
des Körpers der Warmblüter säurefeste, den
Tuberkelbacillen ähnliche Bakterien gefun¬
den hat.
Als Hauptträger der Haustier tuberkulöse
ist zurzeit das Rind anzusehen. Dass die Tuber¬
kulose unter den Rinderbeständen an Aus¬
breitung gewonnen hat, steht für diejenigen
Tierärzte fest, die diese Krankheit in den Be¬
ständen eine geraume Zeit hindurch zu beob¬
achten Gelegenheit hatten. Die Verbreitung
der Tuberkulose erfolgt durch Tiere mit den
als offene Tuberkulose bezeichneten Krank¬
heitsformen. Als Vehikel für die Uebertragung
der Tuberkelkeime von Rind zu Rind dienen
ausschliesslich die Ausscheidungen des infizier¬
ten Körpers, wie Kot, Urin, Maul- und Nasen¬
ausfluss, Wundeiter, Absonderung der Schleim¬
häute und der Geschlechtsorgane, ganz beson¬
ders aber die Milch. Für die Beurteilung der
Infektion ist am wichtigsten die Frage: wie
gelangen die von einem tuberkulösen Tiere aus-
geschiedenen Tuberkelbacillen in andere Tiere,
und wie erzeugen sie bei diesen wieder Tuber-
kulose? Was die Inhalationstuberkulose an¬
geht, so kommt die nach Cornet für den
Menschen häufigste Infektionsart durch das
eingetrocknete, zerstäubte tuberkelbacillen¬
haltige Sputum beim Rinde nicht in Frage.
Wenn auch anstatt des Sputums in den Rinder¬
stallungen tuberkelbacillenhaltiger Kot, Urin,
Maulspeichel trocknen können, so ist in den
Ställen die Luft meist eine so feuchte, dass es
hier kaum zur Verstäubung dieser Ausschei¬
dungen kommen wird. Mehr für sich hat für
Rinder die Flüggesche Tröpfeheninhalation,
nach welcher die Tiere sich gegenseitig an¬
husten und so Tuberkulosekeime in die
Atmungseingänge der neben ihnen, besonders
aber der ihnen gegenüberstehenden Tiere über¬
tragen. Gegen die Richtigkeit dieser Annahme
lassen sich gewichtige Gründe nicht anführen.
Anders verhält es sich mit der Frage, ob die
auf diese Weise in die Respirationsorgane ge¬
langten Tuberkelkeime direkt eine Lungen¬
tuberkulose erzeugen können. Im allgemeinen
kann angenommen werden, dass die aerogene
Entstehung der Lungentuberkulose, für welche
einwandsfreie positive Versuchsergebnisse nir¬
gends verzeichnet sind, nidht die Hauptrolle bei
der Entstehung der Tuberkulose spielt, während
für die Einwanderung der Tuberkelbacillen auf
lymphogenem und hämatogenem Wege von
den oberen Luftwegen aus eine grosse Zahl von
Versuchergebnissen und Beobachtungen spricht.
Dass durch Verfütterung tuberkelbacillen¬
haltigen Materials Tuberkulose entstehen kann,
steht fest, jedoch ist auch hierfür der
genauere Infektionsmodus nicht bekannt. Nach
v. Behring gelten als erwiesene Eintrittspforten
der Tuberkelbacillen in den Körper hauptsäch¬
lich nur Mund- und Naseneingang, von wo die
Tuberkelbacillen auf lymphogenem und häma-
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170
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
3. Jahrgang.
togenem Wege in die Organe dringen. Hierbei
sollen die Tuberkelbacillen zunächst nur eine
Disposition zur Tuberkuloseerkrankung er¬
zeugen.
Als zweiter Referent gab Bongert
(Berlin) eine sehr eingehende Darstellung über
die Art der Tuberkuloseinfektion, die, kurz
wiedergegeben, etwa dahin geht:
In der Lehre von der Entstehung der
Tuberkulose hat die Heredität von jeher eine
grosse Rolle gespielt. Die alte Lehre von der
Vererbbarkeit der Tuberkulose geriet mit der
Erkenntnis ihrer wahren Natur ins Wanken,
und durch Kochs Entdeckung wurde der exakte
Beweis geliefert, dass die Tuberkulose eine reine
Infektionskrankheit ist. Die Seltenheit der
Tuberkulose im jugendlichen Alter, die Zu¬
nahme im höheren, das Experiment der Ueber-
tragbarkeit und die Beobachtung der Infektion
sind als Beweise der extrauterinen Ueber-
tragung aufzufassen. Für die Vererbung der
Krankheitskeime — nur um solche kann es sich
hier handeln — sind zwei Möglichkeiten denk¬
bar, einmal auf germinativem Wege durch das
infizierte Ei oder den Samen, und zweitens
auf plazentarem Wege, indem die Tuberkulose¬
keime auf dem Wege der Blutbahn durch die
Plazenta dem Fötus zugeführt werden.
Eine wirkliche germinative Vererbung der
Tuberkulose von seiten einer tuberkulösen
Mutter oder eines tuberkulösen Vaters ist weder
durch den Versuch noch durch die Beobachtung
bewiesen. Für die Frage der Heredität kommt
somit nur die plazentare Infektion in Betracht.
In Fällen plazentarer Uebertragung der Tuber¬
kulose auf das Kalb liegt gewöhnlich eine Er¬
krankung des Uterus selbst und im Anschluss
hieran der Plazenta vor. Beim Menschen ist
die Zahl intrauterin erworbener Tuberkulose¬
fälle wesentlich geringer als beim Rinde. Es
wird der bacillären Vererbung fast allgemein
eine Bedeutung für die Entstehung der Tuber¬
kulose nicht beigemessen. Dagegen hat die An¬
sicht von der Erblichkeit der Disposition zur
Tuberkulose als erhebliches ätiologisches
Moment berufene Vertreter gefunden. Indessen
bedingt die Abstammung von tuberkulösen
Eltern durchaus nicht eine besondere Empfäng¬
lichkeit der Nachkommen für die Tuberkulose.
Der beste Beweis hierfür ist der Erfolg der
tuberkulosefreien Aufzucht der Kälber in stark
tuberkulösen Rindviehbeständen nach dem
Bangschen Verfahren. Wenn auch für die Ent¬
stehung der Tuberkulose des Menschen die kon¬
genitale Disposition, die sogenannte erbliche
Belastung, als wichtiges Moment betrachtet
wird, gilt für die Rindertuberkulose und ihre
Entstehung der Tuberkelbacillus als das einzige
ätiologische Moment (wohl kaum mit Recht.
Der Berichterstatter.). Virulenz und Quanti¬
tät des einwirkenden tuberkulösen Virus, sowie
der Ort der Invasion bedingen die grössere oder
geringere Disposition gegenüber der tuber¬
kulösen Infektion. Die Gelegenheit zur In¬
fektion aber ist das wesentlichste Moment für
das Zustandekommen der Tuberkuloseinfektion.
Die Uebertragungsgefahr wird vergrössert
durch schlechte, unhygienische Stallverhält¬
nisse. Die Haupteingangspforten für die
Tuberkelbacillen bilden die Respirationsorgane
und der Verdauungstraktus.
An der sich hier anschliessenden Debatte
beteiligten sich u. a. A r 1 o i n g und Bang.
Die Referenten kamen zu den nachfolgenden
Schlusssätzen: ,
1. Eine germinative Vererbung der Tuber¬
kulose von väterlicher oder mütterlicher Seite
ist weder experimentell noch durch einwand¬
freie Beobachtungen bewiesen; dagegen ist das
Vorkommen der Vererbung der Tuberkulose auf
plazentarem Wege sicher festgestellt. Die an¬
geborene Tuberkulose ist bisher einwandfrei
nur bei Rindern beobachtet worden.
2. Die Tuberkulose wird nur in einem ge¬
ringen Prozentsatz bei hochgradiger Ausbrei¬
tung der Krankheit auf die Nachkommen ver¬
erbt. In den weitaus meisten Fällen wird die
Tuberkulose extrauterin erworben.
3. Angeborene und erworbene Disposition
j spielen bei der Entstehung der Tuberkulose
unter den Haustieren eine untergeordnete Rolle.
Durch ungünstige wirtschaftliche Verhältnisse,
welche die Körperkonstitution herabzusetzen
geeignet sind, wird weniger eine Prädisposition
für die Tuberkulose geschaffen, als vielmehr
der Verlauf einer schon bestehenden tuber¬
kulösen Erkrankung beschleunigt.
4. Als Eintrittspforte der Tuberkulose
kommen hauptsächlich in Betracht die Respi-
rations- und die Intestinalschleimhaut. Die
Uebertragung der Tuberkulose durch die Be-
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Heft 8
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
171
gattung oder durch Infektion von Haut- und
Schleimhautverletzungen sind von untergeord¬
neter Bedeutung.
5. Die intestinale Infektion tritt am häufig¬
sten bei Kälbern und Schweinen auf, da diese
vor allen Dingen die meiste Gelegenheit haben,
Tuberkulose mit der Nahrung aufzunehmen.
Auch bei den Fleischfressern und beim Ge¬
flügel, weniger beim Pferde, bildet dieser
Infektionsmodus die Regel.
6. Bei älteren Rindern erfolgt die Ueber-
tragung der Tuberkulose hauptsächlich durch
aerogene Infektion infolge des engen Zu¬
sammenlebens kranker und gesunder Tiere.
Die Häufigkeit der isolierten tuberkulösen Er¬
krankung der Bronchialdrüsen und der Lungen
bei älteren Rindern weist auf diesen Infek¬
tionsmodus hin.
7. Die Lungentuberkulose entwickelt sich
in den meisten Fällen auf hämatogenem Wege
von den primär erkrankten Bronchialdrüsen
oder von anderen entfernt gelegenen Primär¬
herden aus.
Ueber das letzte für den zweiten Verhand¬
lungstag festgesetzte Thema: Milch und Mol¬
kereiprodukte als Verbreiter der Tuberkulose
referierte Dr. 0. Müller (Königsberg):
Tuberkelbacillen finden sich regelmässig in der
Milch, die von mit Eutertuberkulose behafteten
Kühen stammt; ob sie auch in Milch von tuber¬
kulösen Kühen mit gesunden Eutern Vor¬
kommen, ist fraglich; eine praktische Bedeu¬
tung ist diesen etwaigen Fällen indessen nicht
beizumessen. Kempner und Rabinowitsch haben
derartige Befunde angegeben und wollen so¬
gar Tuberkelbacillen nachgewiesen haben in
der Milch von Tieren, die lediglich auf Tuber¬
kulin reagierten, ohne dass sie klinisch tuber¬
kulosekrank waren. Ostertag, Friis, Mc.
Fadyean u. a. haben diese Autoren widerlegt,
deren Arbeiten ohnehin sehr der Nachprüfung
bedürften. Die in der Milch eutergesunder Kühe
vorkommenden Tuberkelbacillen können nur
von aussen durch zufällige Verunreinigung in
die Milch gelangt sein. Referent hat in zahl¬
reichen Fällen Sammelmilch der Ostpreussi-
schen Herdbuchgesellschaftsherden untersucht
und* beim Vorhandensein von Tuberkelbacillen
in der Milch nahezu regelmässig einzelne Tiere
mit Eutertuberkulose in den Herden nach¬
weisen können. In den wenigen Fällen, wo
sich keine euterkranken Kühe nachweisen
Hessen, handelte es sich um zufällige »Ver¬
unreinigung der Milch mit Tuberkelbacillen.
Häufig war zu beobachten, dass, obwohl zahl¬
reiche tuberkulöse — nicht eutertuberkulöse
— Kühe in den Herden waren, sich keine
Tuberkelbacillen in der Milch fanden. Mit der
zunehmenden Verdünnung nimmt die Infek¬
tiosität der Milch ab.
Dr. Rabinowitsch (Berlin) vertrat
den oben angedeuteten Standpunkt, nach
welchem tuberkulöse Kühe mit der Milch
Tuberkelbacillen ausscheiden, selbst wenn das
Euter nicht tuberkulös erkrankt ist. Es ist
demnach auch die Milch von auf Tuberkulin
reagierenden Kühen als infektionsfähig anzu-
sehen, nicht nur die Milch von eutertuber¬
kulösen Tieren. Sie hält an dem bezeichneten
Standpunkte fest und sucht ihn durch die Ver¬
suchsergebnisse anderer Autoren wie durch die
eigenen zu belegen.
Dr. Weber (Berlin) teilte mit, dass ein¬
zelne Versuche Rabinowitschs im Reichsgesund¬
heitsamt nachgeprüft worden sind und hierbei
nicht bestätigt wurden.
Bongert (Berlin) trat den Ausfüh¬
rungen von Rabinowitsch scharf entgegen. Er
bezeichnet die Versuche als fehlerhaft, die Fol¬
gerungen als unzutreffend. Die positiven Resul¬
tate sind lediglich als Verunreinigungen anzu¬
sehen. Er schliesst sich dem Standpunkte
Müllers an und belegt ihn eingehender an der
Hand literarischer Ausführungen und eigener
V ersuchsergebnisse.
In der am selben Tage verhandelnden biolo¬
gischen Sektion referierte Dr. Grub er (Kiel)
über: Die Milch und deren Behandlung mit
besonderer Rücksicht auf die Reform des Mel¬
kens, entsprechend den hygienischen Anforde¬
rungen. Den Ausführungen des Referenten sei
nur folgendes entnommen:
Erst den letzten Jahrzehnten sollte es Vor¬
behalten sein, die bis dahin vernachlässigte
Milchwirtschaft in neue Bahnen zu lenken.
Eine grosse Umwälzung auf milchwirtschaft¬
lichem Gebiete veranlasste die Einführung der
Milchschleuder oder Zentrifuge. Einmal hat
die ausgiebigere Entrahmung die Butteraus¬
beute gefördert, zum anderen aber Hegt in dem
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172
Forts cli ritte der Veterinär -Hygiene.
3 Jahrgang.
Zentrifugieren ein bedeutender hygienischer
Vorteil, da alle mechanischen Fremdstoffe aus¬
geschleudert werden. In der genossenschaft¬
lichen Milchverwertung errangen die Chemie,
insbesondere für die Fettbestimmung, und die
Bakteriologie für die Erkenntnis der schäd¬
lichen und der der Milch nützlichen Bakterien
grossen Einfluss.
Das Hauptprinzip für die Erzeugung und
Behandlung der gewonnenen Milch ist die Rein-
lichkeit. In erster Linie gehört hierher eine
sorgfältig durchgeführte Stallhygiene. Die
Fütterung darf grundsätzlich niemals kurz vor
dem Beginn des Melkens oder gar während des¬
selben erfolgen, um die an den Futtermitteln
haftenden Bakterien von der Milch tunlichst
fernzuhalten. Eine besondere Sorgfalt ist auf
das Melkpersonal zu verwenden. Vor dem
Melken muss das Euter mit einem feuchten
Leinentuch abgewischt werden, die ersten drei
bis vier Melkstriche sind nicht in das Melk-
gefass zu richten. Das gewonnene Gemelke ist
sofort aus dem Stall zu entfernen und zum
Zwecke des Durchseihens in einen besonderen
Raum zu bringen. Danach ist die Milch abzu¬
kühlen und bis zum Verbrauch möglichst kühl
aufzubewahren.
An die Ausführungen schloss sich eine
kurze Diskussion, welche zu folgenden Kon-
gressbeschlüssen führte:
1. Es ist notwendig, dass die Milchhygiene
mit einem praktischen Kursus über Milchbakte¬
riologie und polizeiliche Milchkontrolle als
Fach in den Lehrplan der tierärztlichen Hoch¬
schulen aufgenommen wird.
2. Es ist streng darauf zu achten, dass
Bezeichnungen, wie tuberkulosefreie Milch,
Kindermilch, hygienische Milch usw., nicht zu
Reklamezwecken benützt werden, und dass die
Gewinnung solcher Milchsorten an bestimmte
Forderungen geknüpft wird. (Dauernde Ueber-
wachung des Gesundheitszustandes, der Fütte¬
rung und Haltung der Tiere, saubere Ge¬
winnung der Milch und sofortige Kühlung der¬
selben nach dem Melken.)
3. In den polizeilichen Verordnungen über
Milchkontrolle ist zu verlangen, dass jegliche
zum Verkauf gelangende Milch keinen Schmutz
enthält. Zur praktischen Kontrolle empfiehlt
sich hierbei, die zu untersuchende Milch in
eine Literflasche aus hellem Glase zu giessen.
Nach dreistündigem Stehen darf sich hier kein
Bodensatz zeigen.
Ueber den zweiten Gegenstand der Tages¬
ordnung: Nährwert der abgerahmten Milch für
Mast- und Jungvieh, referierten Ozelko
(Ovar) und Hagemann (Bonn).
Ersterer führt aus, dass man in jedem Falle
bei gleichem Geldaufwande mit der Verfütte-
rung von Magermilch bei allen unseren Haus¬
tieren, namentlich jungen, noch wachsenden
Aufzuchttieren, weiter kommt, als ohne die
Magermilch; insbesondere dürfte dieselbe für
die Kälberaufzucht von hervorragendem Werte
sein. Findet man ein passendes und billiges
Beifutter, dann muss sie sich auch in jedem
Falle bei der Schweinemastung mindestens so
gut bezahlt machen, wie sie für gewöhnlich be¬
wertet wird. Nur mit abgerahmter Milch lässt
sich die Mästung nicht mit gutem Erfolg durch¬
führen. Angezeigt ist es, den Mastschweinen
ausser Magermilch gesottene Kartoffeln,
Gerste, Mais, Weizen, Buchweizen, Hirse, Reis¬
mehl und dergleichen zu verabreichen, die Kar¬
toffel hingegen durch Rüben, Kürbisse, zer-
stückte Rüben etc. zu ersetzen, wogegen eiweiss¬
reiches Futter, wie zum Beispiel Hülsenfrüchte,
Oelkuchen etc., zu vermeiden ist, weil sonst
bei der Fleischbildung das Milohalbumin nicht
gehörig zur Geltung gelangen könnte.
Von den ausführlichen Mitteilungen
Hagemanns seien folgende wiedergegeben:
Die Milch der Säugetiere ist diejenige Nah¬
rung, unter deren Aufnahme die Neugeborenen
nicht nur wachsen, sondern stärkere© und inten¬
siveres Wachstum zeigen als je im späteren
Leben. Die Milch enthält alle für das Gedeihen
der Säugetiere erforderlichen Nährstoffe in
einem Mischungsverhältnis, welches für die
Nutzbarmachung im Körper am günstigsten ist,
und zwar in leicht assimilierbarer Form. Be¬
merkenswert ist, dass in der Milch das Eisen
zu fehlen scheint. Das junge Tier muss also
von dem in ihm während der Embryonalzeit
deponierten Eisenvorrat so lange zehren, bis
es mit Fleisch- oder Pflanzennahrung Eisen auf¬
nehmen und assimilieren kann.
Die Kuhmilch wird nur zum kleinsten
Teile zur Aufzucht der jungen Kälber, zum
weitaus grössten Teile zur Herstellung der
Butter benutzt. Die hierbei als Nebenprodukt
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Heft 8.
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
173
gewonnene Magermilch ist ein sehr wertvolles !
und wohlfeiles Nahrungsmittel. Die Mager- |
milch enthält im Mittel 10,0 °/o (Vollmilch
12,0 o/o) Trockensubstanz, 3,5 o/ 0 (3,2 o/o) Ei-
weiss, 0,7 o/o (3,6 °/o) Fett, 5,0 o/ 0 (4,5 o/ 0 ) Zucker
und 0,8 o/o (0,7 °/o) anorganische Salze. Der
Prozess des Entrahmens nimmt also der Milch
in der Hauptsache Fett und daneben nur eine
ganz geringe Menge Eiweiss. Die entrahmte
Milch bildet insofern ein höchst wertvolles
Nahrungsmittel besonders für wachsendes Jung¬
vieh, weil sie reichlich anorganische Salze in
organischer, also leicht assimilierbarer Bindung
enthält. Gerade die Mineralsubstanzen in der
Magermilch machen sie zu einem wertvollen
Nahrungsmittel für Jungvieh, um so mehr, als
man andere Nahrungs- und Futtermittel vor¬
züglich mit der Magermilch mischen und zu
einer bequem aufzunehmenden Nahrung machen
kann. Ob die anorganischen Salze ebenso gut
assimilierbar sind, wenn die Milch sauer,
pasteurisiert oder gekocht ist, ist fraglich. Die
bei menschlichen Säuglingen gemachten Erfah¬
rungen sprechen dafür, dass die Assimilation
des Kaseins und der anorganischen Substanzen
wesentlich erschwert ist. • »
Ueber die Verwertung sind zahlreiche
praktische und wissenschaftliche Versuche an¬
gestellt, die ergeben haben, dass bei Schweinen
die saure Milch einen günstigen Einfluss auf
die Verdaulichkeit von Erbsen, Mais, Gerste
und Kartoffeln ausübt; namentlich werden
Eiweisskörper und Fett besser ausgenützt,
ferner, dass die kombinierte Fütterung von
Magermilch und Getreide am vorteilhaftesten
ist. Bei der Aufzucht und Mästung der Kälber ,
wird die Magermilch mit noch besserem Er¬
gebnis verwertet als bei der Schweinefütterung.
Es ist dies auch durchaus verständlich, da die
Bestandteile der Kuhmilch die natürlichen Be¬
standteile für den Körperaufbau des Kalbes
bilden und der Verdauungstraktus wie der
gesamte Assimilierungsapparat beim Kalbe
darauf eingerichtet ist, die Kuhmilch höchst
günstig auszunützen, was beim Schweine jeden¬
falls nicht in gleichem Masse der Fall ist,
Ferner ist zu berücksichtigen, dass die jungen
Kälber rasch wachsen und auch relativ teuer
bezahlt werden, was die Verwertung der Mager¬
milch bei Schweinen ebenfalls ungünstiger er¬
scheinen lässt.
Es ist als feststehend anzusehen, dass man
bei gleichem Kostenaufwände mit der Ver¬
bitterung von Magermilch bei den Haustieren,
namentlich jungen, noch wachsenden Aufzucht¬
tieren, weiter kommt als ohne Magermilch; ins¬
besondere ist diese für die Kälberaufzucht von
hervorragendem Werte.
Ueber den letzten auf der Tagesord¬
nung befindlichen Gegenstand: Verfälschung
des Fleisches und der Fleischprodukte und
die zu deren Nachweis dienenden neueren
Untersuchungsmethoden lagen Referate vor
von K j er ru 1 f (Stockholm), Jaoobsen
(Christiania) und Märtel (Paris).
Der letztgenannte Referent gibt etwa fol¬
gende Darstellung: Die Verfälschungen des
Fleisches können eingeteilt werden in folgende:
Benutzung natürlicher oder künstlicher Farb¬
stoffe, antiseptischer Stoffe, minderwertiger
Nährstoffe, verdorbener Ware, Fleisches von
kranken Tieren, Inverkehrbringen von Pferde-,
Hunde- oder Katzenfleisch an Stelle von wert¬
volleren Fleisch arten. Zum Nachweis der
zuletzt angeführten Verfälschung ist dem bio¬
chemischen Verfahren mittelst präzipitierender
Sera die grösste Bedeutung beizumessen.
K j e r r u 1 f weist nach einem kurzen
geschichtlichen Rückblick auf die Fleischver¬
fälschungen darauf hin, dass die seit langer
Zeit am häufigsten vorgenommene Verfäl¬
schung jedenfalls die, Pferdefleisch statt Rind¬
fleisch zu verarbeiten, gewesen ist. Da es in¬
dessen noch bis vor wenigen Jahren unmöglich
war, eine Verfälschung der bezeichneten Art
nachzuweisen, so sind allgemein auch erst in
letzter Zeit, nachdem ein solcher Nachweis in
genügend sicherer Weise möglich geworden ist,
gesetzliche Verbote gegen die Verarbeitung
minderwertiger Fleischarten an Stelle wert¬
vollerer erlassen worden.
Das Feilbieten von Pferdefleisch anstatt
Rindfleisch in grösseren Stücken dürfte nur
ausnahmsweise Vorkommen, da beide Fleisch¬
arten durch die Farbe, Beschaffenheit des
Fleisches und des Fettes auch von Laien
ohne Schwierigkeit zu unterscheiden sind.
Schwieriger gestaltet sich die Unterscheidung
und Erkennung des mit gewissen Chemikalien,
z. B. Natriumsulfat, behandelten Pferde¬
fleisches, das hierbei eine derartig frisch- oder
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Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
3. Jahrgang.
hellrote Farbe annimmt, dass es im Aussehen
dem Rindfleische sehr ähnlich wird. Dagegen
kommen Verfälschungen von Fleischwaren —
wie Hackfleisch und Wurstwaren durch
Verarbeitung minderwertigen Fleisches relativ
häufig vor.
Eine brauchbare Methode, derartige Ver¬
fälschungen nachzuweisen, wurde zuerst von
Niebel entdeckt, welcher zeigte, dass das Gly¬
kogen im Pferdefleische in grossen Mengen ent¬
halten sei, und zwar derart, dass die kleinsten
Mengen im Pferdefleische die grössten in
anderen Fleischarten enthaltenen erheblich
übertreffen. Niebel hat auch darauf die Auf¬
merksamkeit gelenkt, dass zu Verfälschungen
der Wurst nicht selten das Fleisch von un¬
geborenen oder neugeborenen Kälbern verwertet
wird. Da dieses Fleisch ebenfalls einen hohen
Glykogengehalt besitzt, so entsteht hiermit
wiederum eine Schwierigkeit für die Beurtei¬
lung. Für die erste diagnostische Untersuchung
verdächtiger Fleischwaren genügt die von Bräu¬
tigam und Edelmann vorgeschlagene Methode,
das Glykogen mit Jod nachzu weisen.
Ein spezielles Interesse gebührt der vor
kurzem entdeckten Erscheinung der Eiweiss¬
präzipitation und der hierauf sich begründen¬
den, von Wassermann, Schütze, Uhlenhut u. a.
ausgebauten Methode, welche darin besteht,
dass sich bei Kaninchen, welche mit dem Blut
oder Muskelsaft einer bestimmten Tierart ge¬
spritzt werden, ein spezifisches Antiserum
bildet, welches mit dem Serum jener Tierart
einen Niederschlag gibt. Es handelt sich hier¬
bei um eine spezifische Eiweissreaktion, und
man kann mit jedem animales Eiweiss enthal¬
tenden Stoffe ein präzipitierendes Serum her-
stellen. Mit dieser biologischen Methode ist
das Vorhandensein von frischem wie faulem,
gesalzenem wie geräuchertem — aber nicht
von gekochtem — Pferdefleisch sicher nach¬
weisbar. Im Anschluss an diese Ausführungen
wurde von der Sektion folgender Beschluss
gefasst:
Der Kongress spricht aus: dass nur die als
unschädlich anerkannten Mittel, wie Salz, Sal¬
peter und Zucker, sowie das Räuchern zur Kon¬
servierung von Fleisch und Fleischwaren ver¬
wendet werden dürfen. Alle anderen Stoffe,
welche absichtlich hinzugesetzt werden, um das
betreffende Nahrungsmittel zu konservieren
oder zu färben, sind zu verbieten; erstens weil
diese mit betrügerischer Absicht benützt werden
können, um der Ware ein besseres Aussehen
zu verleihen, als ihr nach ihrer Natur gebührt;
zweitens weil man keine Sicherheit hat,
dass diese nicht gesundheitsschädlich wirken
könnten.
Am dritten Verhandlungstage stand auf
der Tagesordnung der Sektion für Veterinär-
Polizei das Thema: Die Bekämpfung der
Tuberkulose der Haustiere.
Das Hauptreferat erstattete Bang(Kopen-
hagen). Er schlug dem Kongress vor, die von
Siedamgrotzky und ihm formulierten, dem
siebenten internationalen Kongress in Baden-
Baden unterbreiteten Beschlüsse über die vor¬
liegende Frage aufrecht zu erhalten. Sie
lauteten:
1. Die Bekämpfung der Tuberkulose ist
dringend notwendig.
2. Die Tilgung der Tuberkulose der Rinder
seitens der Besitzer (freiwillige Tilgung) ist
durchführbar und allgemein anzustreben. Sie
erfordert möglichst frühzeitige Abschlachtung
der gefährlich tuberkulösen Tiere sowie sorg¬
fältige Verhütung der Ansteckung der Kälber
und der gesunden übrigen Viehstücke. Die frei¬
willige Tilgung der Rindertuberkulose ist
staatlich durch Verbreitung richtiger Anschau¬
ungen über die Natur der Tuberkulose, über
deren Ansteckungswege und über die Bedeu¬
tung der Tuberkulinprobe anzuregen und durch
Gewährung von Staatsmitteln zu unterstützen.
Bei der Bekämpfung der Tuberkulose der Haus¬
tiere empfiehlt es sich, das Tuberkulin als das
beste bis jetzt bekannte diagnostische Mittel zu
verwenden. Die Tuberkulinabgabe ist staat¬
lich zu kontrollieren. Jedenfalls darf Tuber¬
kulin nur an Tierärzte abgegeben werden.
3. Eine staatliche Bekämpfung der Tuber¬
kulose der Rinder ist durchaus empfehlenswert.
Sie ist, wenn mit einer gewissen Vorsicht ange¬
wendet, durchführbar und wird die weitere
Zunahme der Seuche verhindern und eine all¬
mähliche Eindämmung derselben herbeiführen.
Die Bekämpfung erfordert: a) die Ver¬
pflichtung des Tierarztes, von jedem in der
Ausübung seines Berufes festgestellten Tuber-
kulosefalle Anzeige zu erstatten;
b) die baldmöglichste Beseitigung der ge¬
fährlich tuberkulösen Tiere (namentlich der
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Heft 8.
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
175
mit Euter-, Gebärmutter-, Darmtuberkulose,
sowie der mit Lungentuberkulose behafteten)
gegen Entschädigung unter Beihilfe von Staats¬
mitteln und das Verbot der Rückgabe der
Magermilch aus Sammelmolkereien in unsterili-
siertem Zustande.
Der Referent führte aus, dass in den seit
dem Badener Kongress verflossenen sechs
Jahren neue Gesichtspunkte, die geeignet
wären, die erwähnten Beschlüsse wesentlich ab¬
zuändern, nicht auf getaucht sind. Weder die
Kochschen Anschauungen von der Dualität der
menschlichen • und der Rindertuberkulose noch
die von Behring eingeführte Methode der
Immunisierung der Rinder gegen die Tuber¬
kulose vermögen hieran etwas zu ändern.
Die nach dem Londoner Kongress vor¬
genommenen zahlreichen Untersuchungen haben
mit Sicherheit zu dem Schlüsse geführt, dass
die Behauptung Kochs von der Unschädlichkeit
der Rindertuberkulose für den Menschen nicht
aufrecht zu erhalten ist. Ob v. Behring im¬
stande ist, Kälbern eine dauernde Un¬
empfänglichkeit für Tuberkulose zu verleihen,
ist erst nach jahrzehntelangen Beobachtungen
zu entscheiden; solange aber kann der übrigen
erfolgreichen Methoden zur Tuberkulose¬
bekämpfung bei Rindern nicht entraten werden.
Das vom Referenten angegebene Verfahren
zur Bekämpfung der Tuberkulose wird seit
etwa zehn Jahren in Dänemark, Norwegen und
Schweden mit gutem Erfolge zur Anwendung
gebracht. Von einigen Seiten hervorgehobene
Misserfolge sind lediglich auf die mit der Zeit
lässiger gehandhabten Massnahmen zurückzu¬
führen. Das von Ostertag eingeführte Til¬
gungsverfahren deckt sich zum grossen Teil mit
dem Bangschen. Es unterscheidet sich in dem
einen Punkte wesentlich von diesem, dass die
Jungrinder wieder in die immerhin noch ver¬
seuchten Bestände eingestellt werden, während
Bang die dauernde Isolation für unerlässlich
hält. Den namentlich von deutscher Seite er¬
hobenen Einwand, dass das Bangsche Verfahren
erhebliche Kosten verursache, kann Referent
nicht anerkennen; insbesondere können die
durch sein Verfahren erforderten Stalleinrich¬
tungen nicht als ausserordentliche Aufwen¬
dungen gelten, da sie allgemein bauliche Ver¬
besserungen darstellen, die dem ganzen Wirt¬
schaftsbetrieb zugute kommen.
Was die Bedeutung der Tuberkulinproben
für den Kampf gegen die Rindertuberkulose
angeht, auf welche Ostertag bei seinem Ver¬
fahren verzichten zu können meint, so darf
man nicht vergessen, dass gerade die Tuber¬
kulinanwendung das Verständnis für die Krank¬
heit, ihre Verbreitung, ihren Verlauf und ihre
Anstcckungswege in hohem Masse erweitert und
vertieft hat. Den Feind, den man bekämpfen
will, muss man vorerst genau kennen lernen.
Stubbe (Brüssel) bemerkte, dass das
Bangsche Verfahren in Belgien staatlicherseits
eingeführt ist und dass es sich dort bestens
bewährt hat, was auch daraus ersichtlich ist,
dass die Zahl der Absehlaohtungen von tuber¬
kulösen Tieren seit der Einführung ganz er¬
heblich abgenommen hat. Als sehr erschwerend
für die Durchführung des Tilgungsverfahrens
bezeichnet Redner den fortwährenden Wechsel
der Tiere in den dem Tilgungsverfahren unter¬
worfenen Beständen während der Dauer der
Tilgung; eine Erscheinung, die sich indessen
aus Wirtschaft liehen Gründen nicht vermeiden
lässt.
Kern hob besonders die Bedeutung der
Milch für die Verbreitung der Tuberkulose
hervor und verlangt Deklarierung der Milch
von Tieren, die auf Tuberkulin nicht reagierten.
Müller (Königsberg) erkennt die Vor¬
züge des Bangschen Verfahrens gegenüber dem
Ostertagschen an. Das erstere ist in Ostpreussen
nicht durchführbar (Redner gab aber die
Gründe hierfür nicht an), deshalb ist es not¬
wendig, zu einem anderen, wenn auch weniger
guten, zu greifen. Dass das Ostertagsche Ver¬
fahren der Tuberkulosebekämpfung nicht emp¬
fehlenswert sei, trifft nicht zu; es hat in Ost;
preussen gute, den Erwartungen entsprechende
Erfolge gezeitigt. Es soll auch nicht, wie das
Bangsche, ein Tilgungsverfahren, sondern eine
Bekämpfungsmethode sein. Es ist die Haupt¬
aufgabe hierbei neben der tuberkulosefreien
Aufzucht, die mit offenen Tuberkuloseformen
und daher für die Verbreitung der Tuberkulose
gefährlichen Tiere möglichst schnell aus den
Beständen zu entfernen, was durch sorgfäl¬
tigste klinische Untersuchung spezialistisch
geschulter Kräfte sehr wohl zu erreichen ist.
Besonders sei die so gefährliche Eutertuber¬
kulose durch die regelmässig vorgenommenen
Milchuntersuchungen mit nahezu absoluter
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176
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
3. Jahrgang.
Sicherheit auszumerzen. Nach einer vierjähri¬
gen Erfahrung hat der Prozentsatz der klinisch
erkennbaren Tuberkulose in den Beständen der
Ostpreussischen Herdbuch-Gesellschaft erheb¬
lich abgenommen.
v. Puttlitz verteidigte das Ostertagsche
Bekämpfungsverfahren und hebt die Verdienste
Ostertags um die deutsche Landwirtschaft
hervor.
De J o ng (Leyden) stellte zunächst die
Frage auf, ob man sich im Hinblick auf die
menschliche Gesundheit vor der Haustier tuber¬
kulöse zu hüten hat oder nicht. Redner erklärte
auf Grund langjähriger Untersuchungen, dass
die Rindertuberkulose als unbedingt gefährlich
für die menschliche Gesundheit zu betrachten
ist und dass der Tuberkulosebacillus der Rinder
kein anderer ist, als jener der Menschen, obwohl
Virulenzunterschiede bestehen können. Die
Rindertuberkulose ist somit als dem Menschen
gefährlich zu betrachten. Nicht nur Milch und
Fleisch der tuberkulösen Tiere, sondern auch
die Atmosphäre, welche Rinder-Tuberkel-
bacillen enthält, kann dem Menschen nach¬
teilig werden. Die Rindertuberkulose erfordert
also nicht nur vom landwirtschaftlichen,
sondern auch vom hygienischen Standpunkte
Bekämpfung und Eindämmung. Erwägt man
all dies, so kommt man zu der Schlussfolge¬
rung, dass die Bekämpfung der Haustier¬
tuberkulose, zunächst was die gefährlichen
Tiere betrifft, nicht der freiwilligen Initiative
der Züchter zu überlassen ist. Wo die mensch¬
liche Gesundheit mitzusprechen hat, da ist die
freiwillige Bekämpfung nicht ausreichend, auch
wenn dieselbe mit Staatshilfe erfolgt. Hier
hat, wenn überhaupt möglich, Staatszwang ein¬
zugreifen, und dagegen können auch vom land¬
wirtschaftlichen Standpunkte um so weniger
Beschwerden erhoben werden, als durch die
freiwillige Bekämpfung, selbst mit energischer
Staatshilfe, den landwirtschaftlichen Interessen
nur langsam und nicht im allgemeinen Sinne
gedient werden kann. Referent schloss sich im
übrigen den Bangschen Ausführungen an. Er
erkennt die Vorzüge des allerdings sich nicht
auf neue Ansichten stützenden sogenannten
Ostertagschen Verfahrens an, das aber, für die
speziell preussischen Wirtschaftsverhältnisse
zugeschnitten, als international anwendbares
System nicht gelten kann. Demgegenüber ist
die Bangsche Methode für eine allgemein anzu¬
strebende internationale Tilgung der Tuber¬
kulose durchaus empfehlenswert, und es ist
merkwürdig, dass diese als praktisches Ver¬
fahren von sachverständiger Seite bisher keine
Anerkennung gefunden hat. Für die staat-
licherseits vorzunehmende Tilgung der Tuber¬
kulose ist erforderlich die Anzeigepflicht für
die gefährlich kranken Tiere und baldige Ab¬
schlachtung derselben, für die private Tilgung
die tuberkulosefreie Nachzucht.
Ujhelyi (M.-Ovar) führte als Referent
aus, dass die Tuberkulose unter den Beständen
Ungarns zugenommen hat infolge der inten¬
siveren Gestaltung der wirtschaftlichen Ver¬
hältnisse. Die somit erforderliche Tilgung ist
nach dem Bangschen Verfahren in Angriff
genommen werden. Sie hat sehr gute Erfolge
gehabt, obwohl in Anbetracht der besonderen
Verhältnisse die künstliche Aufzucht der
Kälber mit strenger Durchführung der Isolie¬
rung des Jungviehs nicht durchzusetzen war.
Man beschränkte sich darauf, die Kälber bei
den nicht reagierenden Tieren saugen zu lassen.
Ein Nachteil dieser Massnahme hat sich bisher
nicht gezeigt.
Der Präsident, Professor D a m m a n n ,
sprach dem Hauptreferenten Bang für seine
mühevollen, aufsehenerregenden und überaus
erfolgreichen Forschungen auf dem Gebiete der
Tuberkulose und die lichtvolle Darstellung
ihrer Gefahren für die Menschen den Dank des
Kongresses aus.
Der Kongress nahm die eingangs mit¬
geteilten Beschlüsse mit einer unerheblichen
Abänderung an.
Als zweiter Gegenstand folgte auf der
Tagesordnung: Schutzimpfung gegen die
Tuberkulose der Rinder. Zunächst sprach
Römer (Marburg) über das Behringsche Ver¬
fahren und führte etwa folgendes aus:
Die Notwendigkeit eines energischen
Kampfes gegen die Tuberkulose der Rinder
w r ird allgemein anerkannt und braucht nicht
besonders begründet zu werden.
Es muss ausdrücklich betont werden, dass
trotz des von Koch auf gestellten Unterschiedes
zwischen den menschlichen Tuberkelbacillen
und den vom Rinde stammenden der Kampf
gegen die Rindertuberkulose immer ein erheb¬
liches Interesse für die Humanmedizin bietet.
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Heft 8.
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
177
Die Schutzimpfung gegen die Tuberkulose
ist entdeckt von Behring und zuerst am
12. Dezember 1901 in Stockholm veröffentlicht
worden. Sie unterscheidet sich von dem Schutz¬
impfungsverfahren Pasteurs und nähert sich
dem Typus der Jennerschen Vakzination inso¬
fern, als auch hier zur Impfung ein natürlich
abgeschwächtes Virus verwendet wird. Das für
die Schutzimpfung benutzte Tuberkulosevirus
ist ein ursprünglich vom Menschen stammender,
in seiner Virulenz seit zehn Jahren unver¬
änderter Tuberkulosestamm. Das Verfahren
besteht, wie bekannt, in der intravenösen Ein¬
verleibung dieses Kulturstammes in bestimmter
Dosis. Die Tuberkelbacillen sind für die Zwecke
der Praxis in Trockenform übergeführt.
Die technische Ausführung der Schutz¬
impfung ist leicht und hat sich unter den ver¬
schiedensten Verhältnissen und in verschie¬
denen Ländern als durchführbar bewährt. Vor
allem ist auch ihre Ungefährlichkeit zweifel¬
los erwiesen. Gerade die leichte Handhabung
der Impfung verleiht dieser eine bedeutende
Ueberlegenheit der Bangschen Methode gegen¬
über, welche in ihrer Durchführung neben der
Kostspieligkeit auf grosse Schwierigkeiten
stösst. i I ■ *
Als nächster Redner sprach zu dem Gegen¬
stände Schütz (Berlin): Man unterscheidet
bekanntlich als verschiedene Arten des
Tuberkelbacillus den typus bovinus, den typus
humanus und den Bacillus der Hühnertuber¬
kulose. Wenn am Tage zuvor die unterschei¬
denden Eigenschaften präzisiert worden sind,
so müsse Ref. nun die gemeinsamen Merkmale
hervorheben. Alle drei machen, in ein Organ
gebracht, Entzündung, rufen im Organismus
Fieber hervor und erzeugen gegenseitig wirk¬
same Immunität. Bereits im Jahre 1901 haben
Koch und Schütz beobachtet, dass der typus
humanus wenig, der typus bovinus sehr viru¬
lent für Kälber ist. Auf diese Beobachtung
stützten sich alsdann die weiteren Versuche*)
über die Immunisierung der Rinder, welche
ergeben haben, dass es gelingt, bei Rindern
durch eine einmalige Einspritzung von
Tuberkelbacillen des typus humanus oder ab¬
geschwächter Tuberkelbacillen des typus bovi-
*) Verg-l. Referat in diesem Heft: Koch, Schütz. Neu¬
feld, Mies8ner, Ueber die Immunisierung’ von Rindern gegen
Tuberkulose,
nus in einer bestimmten Dosis Immunität gegen
virulente Tuberkulose der Rinder zu erzeugen.
Das Alter dieser für die Schutzimpfung dienen¬
den Kulturen soll 25 bis 30 Tage betragen. Die
Kulturen werden für die Zwecke der Impfung
getrocknet. Die Immunität pflegt etwa drei
Monate nach der Impfung einzutreten.
A. Eber (Leipzig) berichtete über seine
Versuche mit dem Behringschen Verfahren, das
für die allgemeine praktische Anwendung gute
Erfolge verspricht, inwieweit es den gehegten
Erwartungen nachkommt, ist erst nach längerer
Zeit zu entscheiden. Ueber das von Schütz
empfohlene Verfahren und seinen Wert lässt
sich noch nicht urteilen; indessen scheint es
einen prinzipiellen Unterschied der Behring¬
schen Schutzimpfung gegenüber nicht aufzu¬
weisen.
Lorenz (Darmstadt) teilte mit, dass die
in Hessen mit dem Behringschen Verfahren an-
gestellten Impfversuche ermutigende Resultate
gezeigt haben.
Loeffler (Greifswald) erhob Bedenken
gegen die Rinderimpfung mit virulenten
Tuberkelbacillen, wobei nicht zu vermeiden ist,
dass letztere verstreut werden und Menschen
infizieren können. Wenn die Impfung mit ab¬
geschwächten Rindertuberkelbacillen zu gleich
guten Erfolgen führt, so sollte sie im Interesse
der Bekämpfung der menschlichen Tuberkulose
nur mit diesen ausgeführt werden.
Hu ty r a (Budapest) kam durch seine Aus¬
führungen zu folgenden Schlüssen:
Durch eine zweimalige intravenöse In¬
jektion von Kulturen des Menschentuberkel¬
bacillus nach v. Behrings oder einer dieser
ähnlichen Methoden lässt sich die Widerstands¬
fähigkeit der Rinder gegen künstliche Tuberku¬
loseinfektion in sehr bedeutendem Masse er¬
höhen. Das Verfahren ist für gesunde Rinder
unschädlich, und dessen Anwendung begegnet
in der Praxis keinen Schwierigkeiten. Die
Frage, ob und bis zu welchem Grade die auf
diese Weise erzeugte Immunität sich auch der
natürlichen Ansteckung gegenüber bewährt,
lässt sich auf Grund der zurzeit vorliegenden
Erfahrungen noch nicht entscheiden, sondern
es sind hierzu noch jahrelang fortgesetzte
genaue Beobachtungen der geimpften Tiere
nötig. Ein ähnlicher Impfschutz gegenüber
künstlicher Tuberkuloseinfektion lässt sich
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178
3. Jahrgang.
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
wahrscheinlich auch durch einmalige subkutane
Injektion von Kulturen des Menschen tuberkel-
bacillus erzielen.
Römer (Marburg): Wenn auch das
Schützsche Verfahren wesentlich neue Gesichts¬
punkte nicht aufweist, so zeigt es doch gewisse
Unterschiede von dem Behringschen. Wenn
Schütz von absoluter Immunität spricht, so
ist das nicht zutreffend; denn jede Immunität
ist eine relative. Ob der Schützsche Impfstoff
mehr leistet als der Marburger, bleibt abzu¬
warten. Die Leistung und das Verdienst
Behrings sind so gross, dass die Verpflichtung
besteht, erst dessen Methode zu erproben, ehe
man zu einer anderen übergeht.
An der weiteren Diskussion beteiligten
sich u. a. Lignieres, Pearson, Ar-
loing, Leclainche, Ujhelyi.
Der folgende, von Römer unterbreitete
Schlussantrag wurde als Kongressbeschluss an¬
genommen: Der achte Internationale Tierärzt¬
liche Kongress ersucht die hohen Staatsregie¬
rungen dringend, die Mittel zu ausgedehnten
Versuchen flüssig zu machen, welche die ver¬
schiedenen Methoden der Immunisierung gegen
die Tuberkulose der Rinder unter den verschie¬
denen Bedingungen der landwirtschaftlichen
Praxis erproben sollen.
Bis zur endgültigen Feststellung der
Grenzen der Leistungsfähigkeit der Schutz¬
impfung ist aber die Durchführung der sani¬
tären, schon von Erfolg gekrönten Massnahmen
fortdauernd als notwendig anzusehen.
Zu dem für den Nachmittag desselben
Verhandlungstages festgesetzten Gegenstände
der Tagesordnung: Feststellung einheitlicher
Grundsätze für die Beurteilung der Tuber¬
kulin- und Malleinreaktion, sprach als erster
Referent A. Eb e r (Leipzig), welcher auf Grund
seiner Ausführungen folgende Vorschläge zur
Feststellung einheitlicher Grundsätze für die
Beurteilung der Tuberkulinreaktionen beim
Rinde machte :
a) für Jungrinder bis zu 6 Monaten:
Bei Jungrindern bis zu 6 Monaten, welche
vor der Tuberkulineinspritzung keine 40° C
übersteigende Körpertemperatur aufweisen,
sind alle Erhöhungen der Körpertemperatur
über 40° C als Reaktionen anzusehen, sofern
die Differenz zwischen der höchsten vor der
Injektion ermittelten und der höchsten nach der
Injektion ermittelten Temperatur mindestens
0,5° C beträgt.
b) Für Rinder über 6 Monate:
1. Nur solche Kinder sind der Tuberkulin¬
probe zu unterwerfen, deren Körpertemperatur
zur Zeit der Injektion 39,5 0 C nicht übersteigt.
2. Erhöhungen der Körpertemperatur nach
der Tuberkulineinspritzung bis 39,5° C sind
in jedem Falle als unverdächtig anzusehen.
3. Bei allen Rindern, welche zur Zeit der
Tuberkulineinspritzung keine 39,5° C über¬
steigende Temperaturen auf weisen, ist jede
40° C überschreitende Erhöhung der Körper¬
temperatur als Reaktion aufzufassen.
4. Ferner sind den Reaktionen noch alle
Temperaturerhöhungen über 39,5° C bis 40° C
zuzuzählen, bei denen die Gesamterhebung
gegenüber der höchsten Temperatur vor der
Injektion mindestens 1 0 C beträgt.
5. Alle Temperaturerhöhungen über 39,5 0 C
bis 40 0 C, bei denen die Gesamterhebung gegen¬
über der höchsten Temperatur vor der Injektion
weniger als 1 0 C beträgt, sind als zweifelhafte
Reaktionen zusammenzufassen und für sich zu
beurteilen.
Die Entscheidung darüber, welche von
diesen Fällen als reagierend und welche als un¬
verdächtig zu gelten haben, ist von Fall zu
Fall zu treffen. Wichtige Anhaltspunkte für
die Entscheidungen geben erfahrungsgemäss die
Gesamterhebung gegenüber der höchsten Tem¬
peratur vor der Injektion, welche bei reagie¬
renden Tieren in der Regel mindestens 0,5° C
betragen soll, der Charakter der Temperatur¬
kurve, welcher bei reagierenden Tieren dem
einer wirklichen Fieberkurve entsprechen soll,
und der in allen zweifelhaften Fällen noch¬
mals zu erhebende genaue klinische Unter¬
suchungsbefund.
6. Für alle diejenigen Fälle der Praxis, in
denen die Tuberkulinprobe lediglich dazu dienen
soll, ein Urteil über die Verbreitung der Tuber¬
kulose in einem Rinderbestande zu gewinnen,
bezw. die Trennung der tuberkuloseverdäch¬
tigen von den unverdächtigen Tieren zum
Zwecke der Tuberkulosebekämpfung durchzu¬
führen, genügt es nach dem Vorschläge Oster¬
tags, alle diejenigen Rinder als tuberkulose-
verdächtig anzusehen, bei welchen nach der Ein¬
spritzung der vorgeschriebenen Tuberkulin-
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Heft 8.
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
179
menge die innere Körpertemperatur über
39,5° C ansteigt und um mindestens 0,5° C
die höchste vor der Impfung ermittelte Tempe¬
ratur übertrifft.
Malm (Christiania) ging in seiner inter¬
essanten Abhandlung davon aus, dass es sich
nur darum handle, Regeln für die Anwendung
des Tuberkulins und die Beurteilung der
Reaktion bei Rindern festzustellen. Bei der
Anwendung des Tuberkulins bei Schweinen
treten so viele komplizierte Verhältnisse ein,
dass Redner mit Thiro darin einig ist, dass
eine Tuberkulinprüfung bei Schweinen gelegent¬
lich und individuell ausgeführt werden muss,
nicht systematisch und sozusagen tabellarisch
wie in einem Rinderbestand. Betreffs anderer
Haustiere werden die Prüfungen ebenfalls indi¬
viduell sein, wenn auch die Beurteilung dessen,
inwieweit eine Reaktion stattgefunden hat, nach
demselben Grundprinzip wie für Rinder und
Menschen, unter Rücksichtnahme auf die vor¬
handene Anfangstemperatur, die angewandte
Dose, die Fiebertype und das Krankheits¬
stadium, geschehen muss.
Ueber die Malleinreaktion berichteten
Foth (Schleswig), Furtuna (Bukarest) und
Malm (Christiania). Die Referenten sind einig
in der Meinung, dass das Mallein (bezw. das
Morvin) ein geeignetes Mittel ist, verseuchte
Pferdebestände vom Rotz zu befreien. Dagegen
bestehen gewisse Meinungsdifferenzen in der
Deutung der Reaktion. Malm beantragte, es
sollen die für Prüfung der Malleinfrage ein¬
zusetzenden Kommissionen auch die kurative
Wirkung des Malleins untersuchen. Foth*)
empfahl folgende Anträge:
I. Das Mallein ist ein geeignetes Mittel,
um verseuchte Pferdebestände ohne verhältnis¬
mässig grosse ökonomische Opfer von den rotz-
kranken Tieren zu befreien.
II. Zur sicheren Beurteilung des Wertes
des Malleinverfahrens fehlen noch einige
Grundlagen, die nur im Wege des Experiments
im Grossen beschafft werden können.
Die experimentellen Prüfungen haben sich
zu erstrecken:
1. auf das Studium der durch künstliche
Infektion einer grossen Zahl an Pferden mit
chronischem Rotz erzeugten krankhaften Ver-
*) Dm sehr interessante Referat gelangt in einem der
nächsten Hefte zum Abdruck, d. Red.
änderungen und auf das Verhalten dieser Tiere
gegen Mallein;
2. auf die Prüfung des Verhaltens einer
grossen Zahl zweifellos nichtrotziger Pferde
gegen Mallein (Truppenpferde!);
3. auf gleichzeitige vergleichende Prüfung
des Agglutinationsverfahrens.
Den Regierungen wird empfohlen, diese
Versuche in die Wege zu leiten und mit ihrer
Durchführung eine Kommission zu beauf¬
tragen. (Allgemeine Zustimmung.)
Nach einer lebhaften Diskussion erfolgte
die Beschlussfassung gemäss den Anträgen.
Am Abend des dritten Verhandlungstages
waren die Kongressmitglieder Gäste der Stadt,
welche ein Donaufest veranstaltete.
Der Schauplatz des Festes war der Strom¬
abschnitt zwischen der Kettenbrücke und der
Elisabethbrücke. Beide Brücken waren auf den
einander zugekehrten Seiten umsäumt von
dichten Reihen elektrischer Glühlampen, die
die Konturen der Brücken scharf hervortreten
Hessen. Die Donauufer zwischen diesen beiden
Brücken waren prächtig illuminiert. Girlanden
farbiger elektrischer Lampions schlangen sich
an hohen Masten empor, verbanden sie und
bildeten mit der Illumination der Brücken ein
leuchtendes Viereck, das den Strom wie einen
See begrenzte. Sämtliche Gebäude am linken
und am rechten Donauufer waren reich illu¬
miniert.
Um 7 Uhr bestiegen die Gäste der Haupt¬
stadt die Schiffe. Nach Einbruch der Dunkel¬
heit begann die Spazierfahrt, für welche
die prachtvolle Beleuchtung, namentlich des
Parlamentsgebäudes und der Königsburg, das
Feuerwerk und die zahllosen Lampen und
Lichter einen märchenhaft schönen Rahmen
boten. Während der Fahrt tat ein kaltes
Souper auch den materiellen Bedürfnissen der
Gäste vollauf Genüge. Um 9 Uhr steuerten
die Schiffe ihren Ausgangspunkten wieder zu.
Die Passagiere kehrten heim mit dem Empf-
finden, der Stadt einen unvergesslichen Abend
in ihren gastlichen Mauern danken zu dürfen.
Am vierten Verhandlungstage hielten die
Sektionen für Biologie, für Pathologie und
für die tropischen Krankheiten Parallel¬
sitzungen ab.
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180
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
3. Jahrgang.
In der Sektion für Biologie stand als erstes
Thema auf der Tagesordnung die Melasse-Fütte¬
rung. Referent war Privatdozent Weiser
(Budapest), welcher eingehend über die Melasse
als Futtermittel berichtete. Aus dem Referat
sei Nachstehendes wiedergegeben.
Die Melasse ist ein Abfallstoff der Zucker¬
fabriken, der noch eine bedeutende Menge
Zucker enthält. Letzterer kann aber nur durch
besondere und kostspielige Verfahren und nur
teilweise rein erhalten werden. Das nach dem
Entzückern der Melasse zurückbleibende Pro¬
dukt ist die Restmelasse.
Bis vor wenigen Jahren wurde die Melasse
grösstenteils auf Spiritusgewinnung weiter ver¬
arbeitet. Der niedrige Preis für Spiritus zwang,
nach anderen Absatzgebieten zu suchen. Als
solches schien die Fütterung der landwirt¬
schaftlichen Nutztiere besonders gut geeignet.
Bei der Bewertung als Futtermittel kommt
bei der Melasse fast ausschliesslich deren
Zuckergehalt in Betracht. Den in der Melasse
vorkommenden sonstigen N-freien und den
N-haltigen Stoffen kann ein Nährwert nicht
zugeschrieben werden. Ferner ist nicht zu über¬
sehen, dass die Melasse Kalk und Phosphor¬
säure nur in sehr untergeordneten Mengen
enthält.
Die rohe Melasse wird in Tränkwasser
gelöst oder mit wenig Wasser verdünnt oder
durch Häcksel, Kleie und getrocknete Rüben¬
schnitzel aufgesaugt, an die Tiere verabreicht.
Niemals aber sollen von vornherein grössere
Mengen verabreicht werden, da dies Durchfall
bei den Tieren verursacht. Nach einem lang¬
samen Uebergang aber wird die Melasse auch
in grösseren Mengen von sämtlichen Nutztieren
sehr gut vertragen. Die Maximalmenge ist auf
1000 kg Körpergewicht berechnet für Pferde
und Zugochsen 3—4 kg, für Mastrinder 4 bis
5 kg, für Milchkühe 2—2,5 kg, für Mastschafe
und Schweine 3—4 kg. An trächtige Tiere
soll Melasse nicht verfüttert werden, da sie
leicht Abortus verursachen kann (? Der Bericht¬
erstatter.).
Bei einem an 144 Stück schwerer Last¬
pferde einer Budapester Transportgesellschaft
angestellten Versuche, der über ein Jahr aus¬
gedehnt wurde, und bei welchem neben 2,5 kg
Kleie, 1,5 kg Gerste und Wiesenheu 1,7 bis
3,25 kg Melasse pro Kopf und pro die ge¬
reicht wurden, ergab sich aus den Gewichts¬
bestimmungen und den sonstigen Beobach¬
tungen, dass die Melasse bei schweren Last¬
pferden, in mittleren Mengen verabreicht, mit
Vorteil verfüttert werden kann. Allerdings
durften 2,3—2,5 kg pro Kopf und Tag nicht
überschritten werden, da andernfalls in dem
Wohlbefinden wie auch in der Leistungsfähig¬
keit ein Rückgang beobachtet wurde. Was die
an Wiederkäuern und Schweinen gemachten
Fütterungsversuche angeht, so steht die
günstige Einwirkung der Melasse als Mast¬
futtermittel ausser Zweifel. Dagegen ist aus
den vielen veröffentlichten Versuchen nicht
mit Sicherheit zu ersehen, ob die Melasse auf
die Milchsekretion von irgend welchem Ein¬
fluss ist.
Der Umstand, dass die flüssige Masse in
den landwirtschaftlichen Betrieben unbequem
zu handhaben ist, hat dahin geführt, sie mit
aufsaugenden Medien zu mischen und sie so
als eine leicht zu handhabende Ware auf den
Markt zu bringen. Der Wert eines derartigen
Melassefuttermittels hängt ab von dem Werte
seiner Komponenten. Als Melasseträger wert¬
voll sind Weizenkleie, Maiskeime, getrocknete
Biertreber, Getreideschlempe, Palmkern- und
Kokosnussmehl, weniger wertvoll sind Mais¬
kolbenschrot, Erdnuss, Hirse, Reis- und Kaffee-
schalen, wertlos Laubholzmehl und Torf. Auch
der Wassergehalt spielt eine erhebliche Rolle
für die Bewertung des Präparates, einmal
wegen des dem Gehalt entsprechenden geringen
Nährwertes, zum anderen wegen der geringeren
Haltbarkeit, für welche eine Maximalgrenze
von etwa 20 o/o ermittelt ist. Bei Beobachtung
gewisser Vorsichtsmassregeln, besonders nach
der qualitativen und quantitativen Seite hin.
erweist sich die Melasse als ein vorzügliches
Futtermittel.
Cagny (Senlies) bezeichnete gerade die
Torfmelasse als ein gutes Beifutter, das, an
Pferde verabreicht, Kolikerkrankungen verhin¬
dert und auch für andere Tiere als ausser¬
ordentlich zuträglich anzusehen ist. Der Torf
ist als Pflanzenstoff anzusehen, dem ein ge¬
wisser Nährwert und Verdaulichkeit nicht ah-
zusprechen sind.
Schreiber (Landsberg) bemerkte, dass
für die Melassepräparate ein besseres Auf¬
saugemittel als Torf nicht vorhanden ist. Die
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Heft 8
Fortschritte der Veterinär -Hygiene.
181
Torfmelasse ist am wenigsten von allen Präpa¬
raten der Zersetzung unterworfen. Insbesondere
zersetzt sich Kleie in Verbindung mit Melasse
sehr leicht und ruft alsdann Verdauungs¬
störungen hervor.
Hagemann (Bonn) hält die Torfmelasse
für relativ teuer. Eine Einwirkung auf die
Milchsekretion ist nicht hervorgehoben, nämlich
die, dass bei Melassefütterung die Milchmenge
um etwa 1 Liter pro Tag zurückgeht, während
deren Fettgehalt um 1 °/o steigt.
Weiser hält den Torf, bei dem es sich
um abgestorbene, ausgelaugte und substantiell
veränderte Pflanzen ohne Nährstoffe handelt,
für überflüssig und für Ballast im Verdauungs¬
apparat, der völlig unverdaulich sei. Dass die
Tiere die Torfmelasse gern aufnehmen, ist kein
Beweis für deren Güte; die Tiere fressen auch
Sägespäne-Melasse gern.
Edelmann (Dresden) zog den Schluss
aus den Referaten und der Diskussion, dass
die Melasse ein zweckmässiges, wirtschaftlich
brauchbares und diätetisch wertvolles Futter¬
mittel ist, welches den Landwirten nur emp¬
fohlen werden kann. Hinsichtlich des Auf¬
saugungsmittels für die Melasse gehen die An¬
sichten soweit auseinander, dass ein ab¬
schliessendes Urteil nicht abgegeben werden
kann. In erster Linie sind die Nährwert be¬
sitzenden Mittel vorzuziehen; indessen sind
hierbei auch die wirtschaftlichen Verhältnisse
zu berücksichtigen. Es liegt ferner die Not¬
wendigkeit vor, die Melasse mit Aufsaugungs¬
mitteln zu mischen, die sich nicht zersetzen.
Der Sektionsbeschluss lautete:
Die biologische Sektion spricht sich dahin
aus, dass die Melasse wirtschaftlich und diäte¬
tisch ein wichtiges Futtermittel ist. Die Beur¬
teilung der Stoffe, die zur Aufsaugung der
Melasse als Mischmittel verwendet werden, hat
von physiologischen und wirtschaftlichen Ge¬
sichtspunkten aus zu erfolgen.
Der nächste Gegenstand der Tagesordnung
war: Die Hygiene des Stalles und der Streu.
Referent Pusch (Dresden) besprach die Stall¬
hygiene, für welche günstige Bauart, Zufuhr
an Luft und Licht, zweckmässige Entwässe¬
rung und zweckentsprechende Streu als wich¬
tigste Vorbedingung zu gelten haben. Das mög¬
lichst geräumige Lager der Tiere soll trocken,
warm und weich sein, Eigenschaften, die in
erster Linie von der Art und Verwendung der
Streu abhängig sind. Man unterscheidet Dauer¬
streu, Wechselstreu und streuloses Lager.
Die Dauerstreu findet sich in den so¬
genannten Tiefställen, in denen die Streu
monatelang liegen bleibt. Sie stellt eine denk¬
bar geeignete Brutstätte für Krankheitserreger
dar, macht besonders im Sommer die Stall¬
luft übermässig warm, dunstig, den Stall un¬
sauber. Aehnlich verhält es sich mit der
Matratzenstreu in den Kasernen. Ihr Vorteil
besteht in Strohersparnis und Schonung der
Sehnen und Hufe.
Bei der Wechselstreu wird die Streu bis
auf die weniger verunreinigten Streuteile
morgens entfernt und abends wieder erneuert.
Da hierbei die Pferde des Tages auf dem
blanken Boden stehen, werden die Sehnen und
Hufe angestrengt.
Als Streumaterial dienen Stroh, minder¬
wertiges Heu, Torf, Laub, Schilf, Heidekraut,
Kartoffelkraut, Säge- und Hobelspäne, Holz¬
wolle, Sand, Kiefern-, Fichten- und Tannen¬
nadeln.
Stroh und guter heller Moostorf der Hoch¬
moore sind als sehr zweckmässige Einstreu zu
bezeichnen. Alle anderen Streumittel sind
minderwertig und mehr als Notbehelf zu ver¬
wenden.
Dem Referate des letzten Themas dieser
Sektion: Stallfütterung und Weidegang vom
biologischen Gesichtspunkte, von V ö 11 z
(Berlin) sei nur entnommen, dass es vom
betriebswirtschaftlichen Standpunkte aus be¬
trachtet in vielen Fällen, besonders in inten¬
siven Betrieben, vorteilhaft ist, den Weidegang
zugunsten der Stallfütterung einzuschränken.
Solchem Vorgehen sind aber, sobald man Züch¬
tung treibt, enge Grenzen gezogen, weil dieses
Vorgehen zu einem Ruin der Zucht führen
müsste, und zwar um so früher, je mehr es
sich um hochgezüchtete Tiere handelt. Ohne
Weidegang ist keine Hochzucht möglich. Er
ist der mächtige Faktor, welcher unsere
extremen Leistungszuchten und Hochzuchten
lebensfähig erhalten kann.
(Schluss folgt.)
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182
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
3. Jahrgang
Beitrag zur Äetiologie der
Fleischvergiftungen.
Von Kreistierarzt G u t z e i t - Montjoie.
(Schluss aus Heft 7.)
Nachdem Basenau festgestellt hat, dass
der Bacillus morbificans in einer mit Formalin
versetzten Bouillon noch bei einer Verdünnung
von 1 : 4000, während das Bacterium coli bei
7000- und der Typhusbacillus erst bei 13000-
facher Verdünnung des Formalins zur Ent¬
wickelung gelangt, und dass das verschiedene
Verhalten zum Formalin als Unterscheidungs¬
merkmal morphologisch ähnlicher Bakterien
dienen kann, lag es nahe, die Wurstbacillen
auch in dieser Richtung hin zu untersuchen.
Es wurde zu diesem Zwecke erst eine 1% For¬
malinlösung hergestellt, indem 1 cbcm käuf¬
liches 40o/o Formalin mit 100 cbcm Wasser
gemischt wurde. In 101 cbcm dieser Lösung
war demnach enthalten 1 cbcm Formalin, mit-
I hin in 1,01 cbcm 0,01 cbcm Formalin. Wurde
also 1,01 cbcm dieser 1% Formalinlösung zu
je 9, 19, 29 usw. cbcm Bouillon gegeben, so
war das Formalin im Verhältnis von 1 : 1000,
1:2000, 1:300 usw. in der Bouillon zugegen.
Auf diese Weise stellte ich mir mittelst steriler
Mensur und Pipette Formalinbouillonlösungen
1 : 2—8000 her, füllte dieselben auf sterile
Reagensröhrchen und beimpfte diese mit je einer
Platinöse voll Bacillen.
Röhrchen I und II enthielten Formalin 1 :8000
III, IV, V „ „ 1:7000
VI, VII, VIII „ „ 1:6000
IX, X, XI „ „ 1 :5000
XII u. XIII „ „ 1 :4000
XIV u. XV „ „ 1:3000
XVI u. XVII „ „ 1 :2000
Die Reagensgläschen wurden dann am
28. November 1903, abends 11 Uhr, in den
Brutschrank gestellt und das Eintreten der
Trübung beobachtet. Letztere trat in nach¬
stehender Reihenfolge auf:
am
30.
11. vormittags
11
Uhr, also nach 36 Stunden, Trübung in
No. I )
1:8000
9f
30.
11. nachmittags
5
ii •>
99
42
99
ii ii
II J
1»
30.
11.
10
47
.. III
1:7000
99
30.
10.
11
M ii
99
48
9 9
ii ii
„ IV u. V J
99
I.
12. vormittags
11
ii ii
99
2 Tagen
ii ii
VI u. VH 1
1:6000
99
1.
12 nachmittags
3
•i ii
99
2
ii
ii ii
VIH J
99
1.
12.
11
99
3
ii
ii n
.. IX |
99
2.
12. vormittags
7
ii ii
99
3
ii
ii ii
X
1:5000
99
2.
12.
10
•I ii
99
3
•i
•i n
.. XI 1
99
5.
12.
7
ii ii
99
6
ii ii
xn 1
| 1:4000
m
7.
12.'nachmittags
1
ii ii
99
8
ii
ii ii
XIH J
„
15.
12.” —
—
,i
99
16
ii
ii ii
.. XIV
1:3000
In Röhrchen No. XII, XIII und XV trat
nur eine schwache Trübung ein, die nicht fort-
schritt, Röhrchen XIV, XVI und XVII blieben
steril. Bei einer Verdünnung des Formalin
von 1 : 3000 liegt somit die Grenze der Ent¬
wicklungsfähigkeit der Bacillen; bei Gegen¬
wart von Formalin 1 : 2000 wachsen dieselben
nicht mehr und werden bei 3—8000 facher Ver¬
dünnung des Formalins, der Konzentration ent¬
sprechend, in ihrer Entwicklung erheblich ge¬
hindert. Während unter normalen Verhält¬
nissen bereits nach sechs Stunden eine deutliche
Trübung mit Wurstbacillen beimpfter Bouillon
zu konstatieren ist, tritt eine solche bei An¬
wesenheit von Formalin im Verhältnis von
4—8000 erst nach 36 Stunden bis 16 Tagen
ein. Die Wurstbacillen zeigen somit eine
grössere Widerstandsfähigkeit der Einwirkung
des Formalins gegenüber als die Basenauschen,
die Typhus- und die Cholerabacillen.
Des Weiteren suchte ich festzustellen, ob
die Bacillen in entwickelten Bouillonkulturen
durch Formalinzusatz auch schon in obiger
Konzentration des Formalins sicher abgetötet
werden und habe gefunden, dass dies nicht der
Fall ist. Das Formalin vermochte vielmehr
erst im Verhältnis von 2 : 1000 sämtliche
Bacillen einer Kultur sicher zu vernichten.
Das Sauerstoffbedürfnis der Bacillen ist
im ganzen gering. Die Bacillen wachsen gleich
gut bei Sauerstoffgegenwart, wie hei vollstän¬
digem Abschluss desselben; die Bacillen sind
also fakultative Anaeroben. Eine Abnahme
des Peptonisierungsvermögens habe ich bei
anaerober Züchtung nicht wahmehmen können.
Bei Untersuchung im hängenden Tropfen
wurden oszillierende Eigenbewegungen an den
Bacillen wahrgenommen, und zwar zeigten
ältere Individuen die lebhaftesten Bewegungen.
Zwischen den rasche Drehungen und Schwin-
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Heft 8.
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
183
gungen ausführenden Bacillen schlängelte sich
zuweilen ein kurzer Faden hindurch bis zum
Rande des Tröpfchens. Die Enden der Bacillen
erschienen manchmal dunkler als die Mitte.
Die Färbbarkeit der Bacillen war im gan¬
zen schwer; am leichtesten färbten sich noch
die Bacillen ganz junger Kulturen mit Fuchsin
und Gentianaviolett, während Methylenblau
und Safranin schwer aufgenommen wurden.
Auch der Nährboden hatte einen Einfluss auf
die Färbbarkeit der Bacillen, denn die in
flüssigem Nährmedium gewachsenen Mikro¬
organismen hatten durchweg eine grössere
Tinktionsfähigkeit als die auf festem, insbe¬
sondere auf Agar und Kartoffeln, gezüchteten.
Ferner wunde festgestellt, dass die Färb¬
barkeit mit dem Alter schnell abnimmt
und zw’ar bei den auf festen Nährböden
gewachsenen Bacillen bereits vom dritten
Tage ab. Oft konnte man bei 3—4 Tage
alten Agarkulturen beobachten, dass sich
nur jüngere Individuen durchweg gefärbt hat¬
ten, ältere dagegen nicht oder nur an den
Enden, während deren Mitte ungefärbt blieb.
In zehn Tage alten Agarkulturen färbten sich
nur vereinzelte Bacillen gut, die jüngeren näm¬
lich, während die übrigen, zehn Minuten mit
Karbolfuchsin behandelt, nur mattrosa wur¬
den. Von fünf Tage alten Kartoffelkulturen
wurden mit Karbolfuchsin nicht alle Bacillen
gefärbt. Die auf Gelatine gewachsenen Bacil¬
len färbten sich noch verhältnismässig am
besten, büssten aber in vier Wochen ihre Tink¬
tionsfähigkeit bis auf wenige Ausnahmen
ebenfalls ein. Die gefärbten Bacillen wurden
durch Alkohol oder Säure schnell wieder ent¬
färbt; sie sind also nicht säurefest. Nach Gram
Hessen sich die Bacillen nicht färben.
Was die Gestalt der Bacillen angeht, so
hatten die jungen Individuen durchweg ellip¬
tische Form (Fig. 6). Häufig fand man zwei
oder mehrere Bacillen nebeneinander, mitunter
bildeten sie in Bouillon kurze Ketten bis zu
acht Gliedern. Diese Jugendformen waren in
jeder Kultur anzutreffen, besonders zahlreich
fanden sie sich in den ersten Tagen des Wachs¬
tums. In Ausstrichen von 2—3 Tage alten
Kartoffelkulturen lagen die Bacillen häufig in
haufenweiser Anordnung, und zwar befanden
sich dann stets in der Mitte der, Haufen die stark
gefärbten elliptischen Jugendformen, an den
Rändern dagegen die schwach gefärbten älteren
Individuen (Fig. 7). Die letzteren hatten die
Form plumper, an den Enden abgerundeter
Kurzstäbchen von 1,7—2,8 p» Länge und
0,5—0,8 pt Breite. Vereinzelt kamen auch
Fäden vor. Für die Fadenbildung schienen sich
nur flüssige Nährmedien zu eignen. Während
ich bei den auf Agar und Kartoffeln gewachse¬
nen Bacillen nur selten kurze Fäden fand,
Fig. 6. Fig. 7. Fig. 8.
konnte ich letztere in 24stündigen Gelatine¬
ausstrichen, in Gelatineplattenkolonien, in ver¬
flüssigten Gelatinekulturen und in 14 Tage
alten Bouillonkulturen stets nachweisen.
Sporenbildung habe ich niemals beobachten
können, dagegen häufig Involutionsformen als
unregelmässige, plumpe Auftreibungen an
den Bacillen mindestens sieben Tage alter
Bouillon- oder Gelatinekulturen.
Die von Hauser (43) bei Proteus mirabilis
beschriebenen Involutionsformen auf Gelatine¬
platten habe ich nur sehr selten beobachten
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184
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
3. Jahrgang
können. Vakuolenbildung war zu konstatieren,
wenn die Bacillen in ihrem Wachstum gehemmt
worden waren, besonders gut bei den mit For¬
malin versetzten Bouillonkulturen.
Zum Nachweis der Geissein (Fig. 8) be¬
diente ich mich der Löfflerschen, Försterschen,
Pcpplerschen, van Ermenghemschen und Zett-
nowschen Methode. Nach dem Löfflerschen
Verfahren gelang es mir leider nicht, die
Geissein zur Anschauung zu bringen, dagegen
lieferten die anderen Methoden, besonders die
Förstersche und Zettnowsche, gute Besultate.
Die Färbung gelang am besten bei solchem
Material, welches jungen Agar- oder Serum¬
kulturen entnommen war. An den ganz jungen
elliptischen Bacillen konnten entweder keine
oder höchstens drei lange endständige Geissein
nachgewiesen werden, an älteren Bacillen fan¬
den sich bis zu 18 Geissein in amphitricher
Anordnung von 12—17 Länge. An langen
Bacillen und an Fäden war die Anzahl der
Geissein bedeutend grösser.
Impf-, Agglutinations- und
Fütterungsversuche.
Einem Meerschweinchen wurde 1 cbcm
einer zwei Tage alten Bouillonkultur subkutan
am rechten Hintersehenkel injiziert. Das Tier
zeigte sich auffallend krank, frass nicht, sass
zusammengekauert da und starb drei Tage nach
der Impfung. Bei der Obduktion fand sich
die Unterhaut beider Hinterschenkel, des Bau¬
ches, des Rückens und zum Teil beider Vorder¬
schenkel mit roter, klarer Flüssigkeit getränkt.
An den Organen waren keine wesentlichen Ver¬
änderungen nachzuweisen. In der Unterhaut,
den Organen und dem Blute waren die be¬
schriebenen Bacillen reichlich vorhanden.
Einem zweiten Meerschweinchen wurde
1 cbcm einer drei Tage alten Bouillonkultur
unter die Haut eines Hinterschenkels gespritzt.
Ausserdem wurde dem Tiere mit Bouillonkultur
begossenes Brot als Nahrung vorgesetzt. Fünf¬
zehn Stunden nach der Injektion sass das Meer¬
schweinchen in einer Ecke des Behälters, rührte
sich nicht, verweigerte die Futteraufnahme
und zeigte deutliche Lähmung der Hinterbeine.
Unter zunehmender Schwäche verendete das
Tier in der Nacht, etwa 30 Stunden nach der
Impfung. An dem Kadaver gingen die Haare
auffallend leicht aus, namentlich an den Hin¬
terschenkeln. Die Unterhaut enthielt im
Bereiche der Brust, des Bauches, des hinteren
Teils des Rückens und beider Hinterschenkel
rote, klare Flüssigkeit. Das intermuskuläre
Gewebe beider Hinterextremitäten hatte die¬
selbe Beschaffenheit. Die Muskulatur der¬
selben war dunkelrot gefärbt und wässrig. In
der Bauchhöhle fanden sich einige Tropfen
roter, klarer Flüssigkeit. Am Darm waren
keine krankhaften Veränderungen wahrzuneh¬
men; der Darminhalt war fest, der Kot gut
geballt. Die Magenschleimhaut zeigte sich ge¬
schwollen, leicht getrübt und in Falten gelegt.
An den übrigen Organen war makroskopisch
nichts Abnormes festzustellen. In der Unter¬
haut, der Leber und dem Blute waren die
Bacillen mikroskopisch sowie kulturell nach¬
zuweisen.
In derselben Weise wurden noch mehrere
Meerschweinchen geimpft. Die Krankheits¬
erscheinungen sowie der Leichenbefund waren
im wesentlichen dieselben.
Ein ausgewachsenes Kaninchen (No. 1) er¬
hielt 2 cbcm drei Tage alter Bouillonkultur sub¬
kutan am linken Hinterschenkel. Bei demselben
stellte sich eine starke Anschwellung und
Rötung der Haut an der Injektionsstelle ein,
welche sich auf den ganzen Bauch bis zum
Brustbein fortsetzte. An zwei zehnpfennig¬
stückgrossen Stellen wurde die Haut brandig
und hinterliess Geschwüre, welche in einigen
Wochen abheilten.
Einem zweiten mittelgrossen Kaninchen
(No. 2) spritzte ich (am 27. Mai 1903) 0,2 cbcm
einer sechs Tage alten Bouillonkultur in die
Unterhaut des linken Hinterschenkels. Es ent¬
stand darauf eine intensive Hautröte und starke
teigige Schwellung der Gliedmassen. Die
Haut wurde an der inneren Schenkelfläche von
der Mitte des Unterschenkels bis hinauf zur
Leistengegend nekrotisch, stiess sich ab und
liess brandige Teile der Unterhaut und des
intermuskulären Gewebes zutage treten. Nach
sorgfältiger Entfernung der abgestorbenen
Gewebsteile und Behandlung mit Lysol heilte
die Wunde vollständig zu. Zehn Wochen nach
der ersten Impfung wurde (am 7. August 1903)
eine zweite am andern Hinterschenkel vorge¬
nommen. Es wurden diesmal 0,6 cbcm einer
zehn Wochen alten Bouillonkultur verwandt.
Nach dieser zweiten Einspritzung entstand nur
eine geringe örtliche Anschwellung, welche sich
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Heft 8.
Fortschritte der Veterin&r-Hygiene.
185
in einigen Tagen verlor. Das Allgemeinbefin¬
den des Tieres war aber seitdem ein schlechtes.
Das Kaninchen magerte zusehends ab und starb
12 Tage (19. August 1903) nach der Impfung.
Bei der Obduktion waren pathologische
Veränderungen an den Organen nicht nachzu¬
weisen; in der Bauchhöhle befanden sich je¬
doch ca. 20 cbcm klarer, gelblicher Flüssig¬
keit.
Einen Teil jener peritonealen Flüssigkeit
verwandte ich zu Agglutinationsver¬
suchen. Unter Anlehnung an das Gruber-
sche Verfahren prüfte ich das Verhalten der
genannten serösen Flüssigkeit vom Kaninchen
No. 2 sowie des Blutserums von dem hierzu
vorbereiteten Kaninchen No. 1 zu meinen
Bacillen und zu denen von Proteus vulgaris
und fand, dass in beiden Fällen nur Wurst-
bacillenkulturen agglutiniert wurden, aber
nicht Proteuskulturen.
I. Agglutinationsversuch.
Von einer 3 "Wochen alten, in einem Erlen¬
meyerkolben gezüchteten Bouillonkultur der
Wurstbazillen wurden mit sterilisierter Pi¬
pette je 5 cbcm in sterilisierte Reagensgläser
getan und denselben je 1, 2, 4, 6 und 8 Tropfen
peritonealer Flüssigkeit vom Kaninchen No. 2
zugesetzt. Ein Kontrollröhrchen wurde nur mit
Bouillonkultur beschickt. Die Bouillon war
in allen 6 Röhrchen gleichmässig getrübt.
Die Reagensgläschen wurden nun mit dem
Stativ in den auf 37 0 C gehaltenen Brut¬
schrank gestellt und von 5 zu 5 Minuten nach¬
gesehen. Bereits nach 5 Minuten war in dem
Röhrchen No. 6 eine feine Körnung nach¬
zuweisen, der nach weiteren 15 Minuten
Flockenbildung folgte. 40 Minuten nach der
Einstellung in den Thermostaten begannen sich
die Flocken in dem genannten Reagensglase zu
senken, wobei sich die über denselben befind¬
liche Bouillonschicht klärte. Derselbe Vorgang
wiederholte sich nach und nach in den übrigen
vier mit peritonealer Flüssigkeit versetzten
Reagensröhrchen, und es setzte sich nach und
nach bei allen ein flockiger Niederschlag am
Boden ab, nur das erste Röhrchen blieb un¬
verändert (Fig. 9). Das Phänomen war in 2V 2
Stunden beendet. Das Versuchsresultat ist in
nachstehender Tabelle zusammengestellt.
Agglutinations versuch mit je 5 cbcm 3 Wochen alter Bouillonkultur und
1 bis 8 Tropfen peritonealer Flüssigkeit.
Zeit
i
1
Dauer j
Röhrchen 1 j
5 cbcm Kultur
(Kontroll¬
röhrchen)
Röhrchen 2 1 Röhrchen 3
o cbcm Kultur und 5cbcm Kultur und
1 Tropfen periton. 2 Tropfen periton.
Flüssigkeit j Flüssigkeit
Röhrchen 4 1 Röhrchen 5
5cbrrn Kultur undiöcbcm Kultur lind
4 Tropfen periton. jö Tropfen periton
Flüssigkeit | Flüssigkeit
Röhrchen 6
5 cbcm Kultur und
8 Tropfen periton.
Fl üssigkeit
12.30 Uhr
Einstellung in den Brutschrank
—
—
—
—
12.35 „
5 Min.
— 1
—
—
—
—
feine Körnung
12.45 „
15 .
— 1
—
—
—
feine Körnung
—
12.50 ,,
20 „
—
-
—
feine Körnung
—
Flockenbildg.
1.00 „
30 *
—
— j
feine Körnung
—
Flockenbildg.
—
1 io „
40 „
— ;
— 1
—
—
Senkung der
Flocken
1.20 „
50 „
\ feine Körnung, im unt. Teile
des Röhrchens beginnend
—
—
1.30 „
1 Sld.
—
—
—
—
Senkung der
Flocken
—
1 50 „
1 Std. 2) M.
—
—
—
Flockenbildg.
und Senkung
—
2.30 „
2 Std.
—
—
Flockenbildg.
im unt Teil
—
—
—
3 00 „
2 1 L
" / 2 n
—
Flockenbildg.
im unt. Teil
—
—
—
—
29 „
—
Sediment
II. Agglutinationsversuch. | Minuten Flockenbildung, Sedimentierung und
den alten Bouillonkulturen der Wurstbacillen Klärung der Bouillon beobachtet.
wiederholt und auch hier nach Zusatz von 3
bezw. 8 Tropfen jener Bauchhöhlenflüssigkeit
bei Brutschranktemperatur in 20 bezw. 25
III. Agglutinationsversuch.
Drittens wurde die seröse Flüssigkeit auf
ihr Verhalten zu Proteus vulgaris geprüft. Zu
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186
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
3. Jahrgang.
diesem Versuche wählte ich je zwei 20 Stunden
alte Bouillonkulturen von Proteus vulgaris, die
aus den Fäces einer an Fleischvergiftung er¬
krankten Patientin aus Conzen rein gezüchtet
waren. Die Bouillonkulturen enthielten je
5 ebem Flüssigkeit und wurden mit 6 bezw. 8
Tropfen peritonealen Transsudats versetzt.
Nach 36 stündigem Aufenthalt im Brutschrank
waren die Kulturen noch ebenso gleichmässig I
getrübt wie vor der Einstellung in den Brut¬
schrank. Agglutination war somit nicht erfolgt.
IV. Agglutinationsversuch.
Behufs weiterer Bestätigung der vorstehen¬
den Resultate wurde noch ein zweiter Stamm
von Proteus vulgaris beschafft, welchen ich
der Güte des Herrn Priv-Doc. Dr. R. 0. Neu-
mann aus Hamburg verdanke. Auch wurde
ein zweites Kaninchen durch periodische
Impfungen mit stets gesteigerter Dosis AVurst-
bacillenkultur für die Serumreaktion vorbereitet.
Das Kaninchen (No. 1) erhielt nacheinander am:
Agglutinationsversuch mit Wuri
28. Nov. 0,2 ebem 4 Wochen alter Bouillonkultur
30. „ 0,4 „ 8 Tage
11. Dez. 1,0 „ 10 „ „ „
18. „ 2,0 „ 10 „
subkutan. Am 8. Januar wurde dem Tiere Blut
aus einer Ohrvene mittels Pravazscher Spritze
entnommen und zur Serumabseheidung in ein
kaltes Zimmer gestellt. Der Agglutinations¬
versuch wurde wieder in ähnlicher Weise aus¬
geführt, wie das erste Mal. Es wurden sechs
Reagensröhrchen mit je 5 'ebem (= 87 Tropfen)
Bouillon gefüllt, sterilisiert und mit Proteus
vulgaris verschiedener Herkunft sowie mit
Wurstbacillen beimpft. Die 19 Stunden bezw.
3 Tage alten Kulturen wurden nun mit je ein
oder zwei Tropfen Serum versetzt und in den
auf 37° C gestellten Brutschrank gebracht.
Nach 10 Minuten begannen die Wurstbacillen
zu agglutinieren, während diese Reaktion in
den Proteuskulturen ausblieb. Das Weitere ist
aus nachstehender Tabelle ersichtlich.
tbacillen und Proteusstämmen.
Röhrchen I Röhrchen II Röhrchen III Röhrchen IV Röhrchen V Röhrchen VI
|enth. 19 Std. alte entb. 3 Tage alte entb. 19 Std. alte enth. 3 Tage alte entb. 19 Std. alte enth. 3 Tage alte
Wurstbacillen- Wurstbacillen- Proteuskultur Proteuskultur Protouskultur Proteuskultur
kulturu.l Tropfen kulturu.2Tropfeii (Hbg) u. i Tropfen (Hbg) u. 2Tropfen, (Conzen) und | (Conzen) und
Serum Serum Serum Serum |l Tropfen Serum 2 Tropfen Serum
10.35 Uhr Einstellung in den Brutschrank
10.45 „ 10 Min. — feine Körnung
10.50 „ 15 „ feine Körnung —
10.55 20 — Flockenbildg. keine Veränd erung, die Bouillon bleibt getrübt
11.00 „ 25 „ Flockenbildg. — ' ‘ '
11.10 „ 35 „ — Senkung der
Flocken
11.20 „ 45 „ Senkung der —
Flocken
12.00 „ — Sediment Sediment
1.30 , — Bouillon klar
Wurde der Inhalt der Röhrchen I und II
nach erfolgter Reaktion im hängenden Tropfen
untersucht, so konnte konstatiert werden, dass
die Bacillen ihre Eigenbewegung verloren
hatten, was bei den übrigen Röhrchen nicht
zutraf.
Aus den Agglutinations versuchen, beson¬
ders aus dem Versuche IV, ist zu folgern,
dass das Serum mit Wurstbacillen vorbehan¬
delter Kaninchen erstere zu agglutinieren ver¬
mag, was bei Kulturen von Proteus vulgaris
nicht der Fall ist. Hieraus muss weiter ge¬
schlossen werden, dass der in der Wurst ge¬
fundene pathogene Bacillus mit dem Proteus
vulgaris nicht identisch ist. —
Zeit Dauer
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Heft 8.
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
187
Auf Tauben wirken die Wurstbacillen ähn¬
lich wie auf Kaninchen. Werden erstere sub¬
kutan infiziert, so erkranken sie gleichfalls,
jedoch nicht tödlich. Von drei Tauben, denen
0,4, bezw. 0,8, bezw. 1,6 cbcm einer 5 Tage
alten Bouillonkultur subkutan einverleibt war,
waren Krankheitserscheinungen bei der ersten
kaum wahrzunehmen, während Taube II und
III eine ausgesprochene Diarrhöe hatten. Taube
No. III rührte mehrere Tage das Futter nicht
an und machte einen tristen Eindruck.
Weisse Mäuse sind für die Infektion mit
den Wurstbacillen sehr empfänglich und gehen
nach derselben regelmässig ein. Eine mit
0,2 cbcm einer 3 Tage alten Bouillonkultur
geimpfte Maus erkrankte bald nach der In¬
fektion, krümmte den Rücken und sass, ohne
das Futter anzurühren, mit gesträubtem Haar
zusammengekauert da. 13 Stunden nach der
Impfung konnte man Durchfall und Lähmung
der Hinterhand bei dem Tiere feststellen; nach
vier weiteren Stunden starb dasselbe. Im
Blute, der Milz, dem Darm und der Unterhaut
waren die Bacillen anzutreffen. Die Unterhaut
war gerötet und mit Flüssigkeit getränkt. Die
Milz etwas geschwollen, sonst aber waren keine
krankhaften Veränderungen an dem Kadaver
nachzuweisen.
Eine junge Katze, welche dieses Kadaver
verzehrt hatte, bekam Durchfall danach, war
aber nicht sonderlich krank. Eine andere Katze,
welcher 0,4 cbcm 4 Wochen alte Bouillonkultur
unter die Haut gespritzt war, zeigte sich einen
Tag niedergeschlagen, frass nicht und hatte
übelriechenden dünnflüssigen Kot.
Aus diesen Versuchen geht hervor, dass
die Bacillen für Kaninchen, Meerschweinchen,
Tauben, Katzen und Mäuse pathogen sind.
Um nun weiter die Frage zu lösen, ob die
Bacillen wasserlösliche Toxine oder Toxalbu-
mine bilden, wurde eine acht Tage alte
Bouillonkultur unter Anwendung einer Wasser¬
strahlluftpumpe durch einen Tonzylinder fil¬
triert und das Filtrat Versuchstieren teils
unter die Haut gespritzt, teils dem Futter bei¬
gemengt. Zur Kontrolle erhielten andere Mäuse
die gleichen Quantitäten derselben Kultur in
nicht filtriertem Zustande subkutan.
Das Ergebnis war folgendes:
I. Versuch (Kontrollmäuse).
Maus 1 erhielt 0,4 cbcm ) nicht filtrierter, 8 tägiger
• „ 2 „ 0,6 „ > Bouillonkultur am 24. 12. 02,
„ 3 „ 0,8 „ j abends l / t l0 Uhr, subkutan.
Die 3 Mäuse starben sämtlich und zwar
Maus 2 und 3 am 25. 12. vormittags zwischen
9 und 10 Uhr, Maus 1 nachmittags zwischen
1—2 Uhr.
II. Versuch.
Maus 4 erhielt 0,4 cbcm \ Filtrat von derselben 8tägigen
•» 5 „ 0,6 „ > Bouillonkultur am 24 . 12 . 02 ,
.. 6 „ 0,8 „ J abends y 2 10 Uhr, subkutan.
Die Mäuse waren am folgenden Tage
weniger munter, erholten sich aber wieder.
Einem Meerschweinchen wurden am 24.
Dezbr. 1902 4 cbcm von dem Filtrat jener
Kultur an der Innenfläche beider Hinter¬
schenkel eingespritzt. Das Tier ist nicht krank
geworden.
III. Versuch.
Maus 7 )
g I erhielten am 24. 12. 02 Filtrat von jener
9 J Kultur auf Weissbrot.
Ergebnis dasselbe wie bei No. II.
Aus Vorstehendem erhellt ganz augen¬
scheinlich, dass in dem Filtrat wasserlösliche
Toxine in grösserer Menge nicht enthalten
waren.
Ferner wurde untersucht, ob die durch
Hitze abgetöteten Kulturen krankmachende
Eigenschaften besitzen. Zu diesem Behufe
wurde ein Teil jener 8 Tage alten Bouillon¬
kultur, deren Virulenz durch die Versuchs¬
reihe I erwiesen war, y* Stunde der Temperatur
strömenden Wasserdampfes ausgesetzt und
darauf an Mäuse verfüttert, bezw. denselben
subkutan einverleibt.
IV. Versuch.
Maus 10 erhielt 0,4 cbcm \ der durch Wasserdampf
„ 11 „ 0,6 „ > abgetöteten Bouillonkultur
„ 12 „ 0,8 „ J subkutan.
Ergebnis wie bei No. II und III.
V. Versuch.
Maus 13 \
l bekamen abgetötete Bouillonkultur auf
15 I Weissbrot.
Erfolg wie bei II, III und IV.
Da Pfuhl bei Proteus mirabilis die Beob¬
achtung gemacht hat, dass zwar durch Wasser¬
dampf abgetötete Kulturen ihre Wirksamkeit
verlieren, wohingegen bei 58—60 0 C abgetötete
Bacillen in grösseren Dosen eine Giftwirkung
noch zu entfalten vermögen, wurden die Wurst¬
bacillen auch nach dieser Richtung hin geprüft.
Nachdem 3 Kontrollmäuse mit je 0,4, 0,6
und 0,8 cbcm 28 Tage alter Bouillonkultur
geimpft waren, wurde die in einem Erlen-
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188
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
3. Jahrgang.
meyerschen Kölbchen angelegte Kultur bei
60 0 C abgetötet, indem dieselbe 2 Stunden lang
in einen auf 60° C gestellten Brutschrank ge¬
bracht wurde. Um die erfolgte Abtötung fest¬
zustellen, wurden 5 Bouillonröhrchen mit je
einer Platinöse voll jener auf 60° C gehaltenen
Kultur beimpft und 3 Tage bei 36° C ge¬
halten. Da alle Röhrchen steril geblieben
waren, konnte angenommen werden, dass die
Abtötung erfolgt sei. Es wurden nun mit der
so behandelten Bouillonkultur Mäuse geimpft
bezw. gefüttert.
VI. Versuch.
Kon trollmaus 16 erhielt 0,4 cbnn 28 Tage alter, nicht
„ 17 „ 0,6 „ > ahgetöteter Bouillon-
„ 18 „ 0,8 * J kultur subkutan.
Sämtliche 3 Mäuse starben innerhalb
24 Stunden. Die Virulenz der Kultur stand
somit ausser Zweifel.
VII. Versuch.
Maus 19 bekam 0,4 cbcm
* 20 „ 0,6 „
„21 „ 0,8 bei 6oo q abgetöteter
„22 „ 1,0 „ Bouillonkultur subkutan.
„ 23 „ 1,6 „
* 24 „ 2,0 „
Die Mäuse zeigten sich zwar einige Stun¬
den weniger munter, frassen wenig und hatten
gesträubtes Haar, erholten sich aber bald
wieder.
Der Versuch wurde wiederholt mit einer
2 Tage alten Bouillonkultur bei drei Mäusen
und einem Meerschweinchen.
Maus 25 erhielt 1,0 cbcm \ _
2 Tage alter, bei
„26 „ l, 6 * I 60°Cabgetöteter
* 27 „ 2,0 „ I Bouillonkultur
das Meerschweinchen * 2,5 „ f subkutan.
Die Mäuse waren etwa 10 Stunden krank,
das Meerschweinchen dagegen zeigte keine
Störungen des Allgemeinbefindens.
VIII. Versuch.
Maus 28 \ erhielten mit der bei 60° C abgetöteten
„ 29 \ 28 tägigen Kultur benutztes Brot als
„ 30 J Futter.
Erfolg wie bei II, III, IV, V und VII.
Aus den Versuchen VII und VIII ergibt
sich, dass bei 60° C abgetötete Bouillonkul¬
turen Mäuse selbst in grossen Dosen nicht zu
töten vermögen, mithin in ihrer Wirkung sich
ebenso verhalten wie Kulturen, welche bei
strömendem Wasserdampf abgetötet waren. In
ähnlicher Weise wurden Versuche angestellt
mit Kulturen, welche bei 50° C abgetötet
waren. Es dienten hierzu vier 10 Tage alte
Bouillonkulturen. Nachdem deren Virulenz
durch Impfung festgestellt war, wurden die
Kulturen 8 Stunden in den auf 50 0 C gestellten
Brutschrank gebracht. Die darauf vorgenom¬
mene Aussaat ergab, dass die Kulturen sicher
abgetötet waren; dieselben wurden nun zu
Impf- und Fütterungsversuchen verwandt.
IX. Versuch.
Kontrollmaus 31 erhielt 0,2 cbcm
„ 32 „ 0,4 „
„ 33 „ 0,6 „
„ 34 „ 0,6 *
Die Tiere starben sämtlich innerhalb
48 Stunden.
jener
Bouillonkultur.
X. Versuch.
Maus 35 erhielt 0,2 cbcm
T»
36
„
0,4
„
n
37
„
0,6
n
rt
38
n
0,8
n
„
39
n
1.0
„
„
40
„
1,0
„
„
41
1,2
n
, obiger
bei 50° C. abge-
„
42
„
1,4
ft
töteler
Bouillonkulturen.
n
43
„
1,6
„
n
44
„
1,8
„
„
45
„
2,0
„
n
46
1t
2,0
ft
r>
47
»
2,0
r
Maus 47 starb. Die Milz derselben war
geschwollen, sonst fehlten krankhafte Ver¬
änderungen. Die aus der Milz angelegten Kul¬
turen blieben steril. Von den übrigen Mäusen
waren No. 43—46 einige Stunden deutlich
krank, während bei 35—42 Krankheitserschei¬
nungen kaum beobachtet wurden.
XI. Versuch.
Den Mäusen 48, 49 und 50 wurde Brot,
welches mit einer zu vorigem Versuche be¬
nutzten Kultur begossen war, als Nahrung
vorgesetzt.
Diese drei Mäuse zeigten keine Krankheits¬
erscheinungen.
Es hat somit die Abtötungstemperatur der
Kulturen keinen wesentlichen Einfluss auf
deren physiologische Wirkung.
Endlich wurde festgestellt, wie sich die
Bacillen bei der Wurstfabrikation verhalten.
Zu diesem Zwecke habe ich Leberwürste von
verschiedener Dicke durch einen Metzger in
meinem Laboratorium anfertigen lassen, den
Wurstbrei künstlich infiziert, die Würste
kochen lassen und diese dann auf ihre Giftig-
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Heft 8.
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
189
keit durch den Fütterungsversuch geprüft. Es
kam mir namentlich darauf an, festzustellen,
ob die Bacillen bei der in hiesiger Gegend
üblichen gewerbsmässigen Herstellung der
Würste in diesen lebensfähig bleiben oder nicht.
Die Metzger bezeichnen die*Lieberwürste näm¬
lich schon als genügend gekocht, wenn letztere
bei diesem „Kochen“ in die Höhe kommen und
nach dem Einstechen mit einer Nadel rote
Flüssigkeit aus der Einstichöffnung nicht mehr
austritt. Bei dem gewerbsmässigen „Kochen“
der Würste wird die Siedetemperatur nicht
erreicht, weil sonst zu viele Würste platzen
würden. Gewöhnlich geschieht das Wurst¬
kochen bei einer Temperatur von 75—90° C.
Das Verfahren ist eigentlich nur ein Brühen.
Die Versuche wurden mit virulenten
Bouillonkulturen und deren Filtrat angestellt.
In nachstehender Tabelle sind diese zusammen¬
gestellt.
® £
Dicke
Dauer
II
1 ® 1
d
9
Lfd.
No.
11
P
Bestandteile der
Wurst
der¬
selben
cm
der Er¬
hitzung
Minut
Tempera
in oc
Beschaffenheit der Wurst
nach dem Kochen
Anzahl c
Mäuse
o 1
Q ®
n S
! i
CO
9
0
Bemerkungen
1
27/11
( Leber von fötalem
2'/,
15
80
feste Konsistenz, Schnittfl. grau
2
28/11
—
1 Die Mäuse
2
| Kalbe, Rinder-
10
80
n
n
n »
2
28/11
—■
J blieben leben
3
l darin
5
78
weiche
n
. rot
2
28/111
30/11
j Die Würste
4
5
76
n
n
n n
2
28/11
30/11
l waren
Vom Metzger naoh n
I aufgestiegen
5
Gutdünken heraus* >
feste
n
* grau
2
28/11
30/11
)
6
29/11
( Schweineleber,
< Semmel, Salz, Ge-
genomn
3.-37,
nen
15
85
n
fl
gleichm.
" rötl. grau
2
1/12
5/12
do.
/Die Wurst war
7
l würz, Rinderdrm.
12
95
rt
fl
rr n
2
1/12
3/12
|3 Min. nach dem
S Aufsteigen her-
I ausgenommen
8
do.
12
97
n
n r>
2
1/12
4/12
Siedetemperat.
9
1/12
( Schweineleber u.
37,-4
15
70
auss.hartu grau, inn.weich u. rot
2
1/12
5/12
10
1 Lunge, Sch weine-
20
70
weiche Kons., Schnittfl. graurot
2
1/12
5/12
l mastdarm
11
3/12
do.
37,-4
30»)
80
feste
n
n grau
2
5/12
8 u
*) Vom Metzger
nach Gutdünken her-
9/12
ausgenommen.
9 bis
eine Maus blieb
12
23
90
n
m .
fl ft
2
5/12
10/12
j leben
13
19/12
i Rinderleb. u.Lun-
4
30
90
«i
n
n n
2
19/12
—
14
\ge, Rinderdarm
40
90
n
n rt
2
19/12
—
Die Mäuse
blieben leben
15
f versetzt m Filtrat
15
85
weiche
n
rot. Saft, rötlich¬
graue Schnittfl.
2
19/12
—
16
l ein. Bouillonkult
23
90
fl-
m
SchnittfLgraurötl.
2
19/12]
—
Nach vorstehenden Versuchen erwiesen
sich die Würste nur dann als schädlich, wenn
ihnen virulente Bacillen, unschädlich jedoch,
wenn ihnen das Filtrat virulenter Kulturen
beigemengt war, oder wenn sie, ihrer Dicke
entsprechend, lange genug gekocht waren. Bei
dünnen Würsten genügte eine 10 Minuten lange
Einwirkung von 80° C, um sämtliche Bacillen
abzutöten, während bei dicken Würsten selbst
eine halbstündige Einwirkung dieser Tem¬
peratur zu obigem Zwecke nicht ausreichte.
Dicke Würste wurden vielmehr erst nach halb¬
stündigem „Kochen“ bei 90 0 C unschädlich.
Die Farbe und die Konsistenz der Würste war
auch in den Fällen, in welchen die Würste
krankmachend wirkten, eine durchaus normale;
die schädlichen Würste waren auch aufgestie-
gen und hatten beim Einstechen farblosen Saft
aus den Einstichöffnungen entleert, andrer¬
seits hatten andere Würste, welchen virulente
Bacillen nicht beigemengt waren, jene Bedin¬
gungen nicht erfüllt, und sich trotzdem als
unschädlich erwiesen.
Aus letzteren Versuchen muss daher ge¬
folgert werden, dass die Konsistenz und das
Aussehen gekochter Leberwürste keinen
sicheren Schluss auf deren Genusstauglichkeit
zulassen, und dass bei dem gewerbsmässigen
„Kochen“ der Würste in letzteren enthaltene
Krankheitserreger nicht sicher zerstört wer-
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190
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
3. Jahrgang.
den. Es ist also auch bei halbstündigem Kochen
der Würste die Gefahr einer späteren Fleisch¬
vergiftung keineswegs ausgeschlossen.
Nach den vorstehenden Ausführungen
hatte die im Kreise Eupen beobachtete Fleisch¬
vergiftung hinsichtlich ihres Auftretens grosse
Aehnlichkeit mit den von Pfuhl, Wesenburg
u. a. beschriebenen Proteosen. Die in der un¬
tersuchten schädlichen Wurst nachgewiesenen
Bacillen gehören ihrer biologischen, morpho¬
logischen und besonders ihrer biochemischen
Eigenschaften wegen zweifellos der Proteus¬
gruppe an. Die Frage, ob diese Wurstbacillen
als besondere Proteusart oder nur als Stamm
von Proteus vulgaris, s. Bacterium vulgare an¬
zusprechen sind, kann zurzeit, wo unsere Kennt¬
nisse über die Proteusbakterien noch lücken¬
haft sind, und die Ansichten der Autoren über
deren Klassifikation sehr auseinandergehen,
natürlich noch nicht mit Sicherheit entschieden
werden. Jedenfalls sind die in der Wurst ge¬
fundenen Bacillen mit zwei zum Vergleich
herangezogenen Stämmen von Proteus vulgaris
verschiedener Herkunft, wie die Serumreaktion
ergab, nicht identisch. Auch war die Strahlen¬
bildung der Gelatinekolonien bei den Wurst¬
bacillen viel deutlicher ausgesprochen als bei
den beiden Proteusstämmen. Nie wurden in
den Bouillonkulturen der ersteren Randbeläge
beobachtet, wie bei Proteus vulgaris. Durch
ihr Wachstum auf Gelatine unterscheiden sich
die Wurstbacillen auch von Proteus mirabilis,
einer abgeschwächten Varietät von Bacterium
vulgare, durch ihr Peptonisierungsvermögen
von Proteus Zenkeri, durch die Abwesenheit
von Indol von dem Pfuhlschen und durch ihr
Verhalten zu Milch von dem Wesenbergschen
Proteus. Proteus septicus (Babes) färbt sich
nach Gram und bildet auf Kartoffeln hell¬
bräunliche Auflagerungen, Proteus letalis
(Babes) peptonisiert nicht, Bacillus septicus
putidus (Roger) koaguliert Milch nicht und
wächst auf Gelatine nicht strahlig, ist somit
von dem meinigen verschieden. Auch mit den
von Weber gezüchteten drei Proteusstämmen
sind meine Bacillen nicht identisch, weil sie
kein Nitrit bilden, Gelatine nicht schmutzig rot
färben, und Trauben- sowie Rohrzucker ver¬
gären. Die von mir beschriebenen Bacillen
scheinen somit anderweitig noch nicht gefun¬
den zu sein und ich bin daher geneigt, die¬
selben als eine besondere Art anzusehen, für
die mir die Bezeichnung Proteus radians am
geeignetsten erscheint.
Literatur.
1. Müller, Das Wurstgift. Deutsche Klinik
1869 u. 1870.
2. Hußemann, Wurstgift, Realenzyklop, der
ges. Heilkunde, 1883, Bd. XV. Deutsche Klinik
1864.
Handbuch der Toxikologie 1864. 1. Hälfte
S. 327.
3. Böhm, Handbuch der Intoxikationen — von
Ziemssens Handbuch der Pathologie und The¬
rapie.
4. Senkpiehl, Ueber Massenerkrankungen
nach Fleischgenuss etc. Inaug. Diss. Berlin
1887.
5. Roth, Zwei Fälle von Wurstvergiftung
(Botulismus). Vierteljahresschr. f. ger. Med.
u. öff. Sanitätsw., 1883, Bd. 39.
6. Uhlrich, Fünf Fälle von Fleischvergiftung
in einer Familie. Klin. Monatsbl. f. Augenheil¬
kunde, Juli 1882, Jahrg. XX.
7. Groenouw, Fünf Falle von Akkommoda¬
tionsblähung bei Fleischvergiftung. Ebenda,
Mai 1890, Jahrg. 28.
8. de Vischer, De Timportance des ptomai'nes
pour la m6dicine 16gale. Verh. des X. intern,
med. Kongr., Bd. V.
de Vischer, Remarques au sujet de deux
empoißsonnemente ptoma'miques. Ann. Soc.
m4d. 14g. de Belgique 2. Ann., 1890.
9. van Emenghem, Ueber einen neuen an¬
aeroben Bacilluß und seine Beziehungen zum
Botulismus. Zeitschr. für Hygiene und Inf.,
Bd. XXVI. i
10. Salchow, Ueber einen ungewöhnlichen
Symptomenkomplex bei angeblicher Fleisch¬
vergiftung. Inaug. Diss. Berlin.
11. Bollinger, Ueber Fleischvergiftung, intest.
Sepsis u. Abdominaltyphus. München 1881.
Bayer, ärztl. Intell.-Bl., 1881.
Bollinger, Ueber Verwendbarkeit des an
Infektionskrankheiten leidenden Schlachtviehs.
Vortrag a. d. 16. Verf. d. deutsch. Ver. f. öff.
Gesundheitspflege. Braunschweig.
Bollinger, Vortrag a. d. 4 Verf. d. deutsch.
Ver. f. öff. Ges.-Pfl. Düsseldorf.
12. Ostertag, Handbuch der Fleischbeschau.
Stuttgart 1904.
13. Gärtner, Ueber eine Fleischvergiftung in
Frankenhausen und den Erreger derselben.
Correspondenzblatt d. allgem. ärztl. Vereins v.
Thüringen, 1888, No. 9.
14. Johne, Eine Fleischvergiftung zu Bischofs¬
werda. Sonder-Abdr. a. d. S. Vet.-Ber. f. 1894.
15. Karlinsky, Zur Kenntnis des Bac. ente-
ritidis Gärtner. Centralblatt f. Bakt., Bd. VI,
1889, No. 11.
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Heft 8.
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
191
16. Günther, Bakteriol. Unters, in einem Falle
von Fleischvergiftung. Arch. für Hyg., Bd.
XXVIII, Heft 2, 1897.
17. Fischer, Ueber einige bemerkenswerte Be¬
funde bei der Unters, choleraverd. Materials.
Dtsch. med. Wochenschr., 1893, No. 24.
18. Lubarsch, Ein Fall von sept. Pneumonie
etc. Virchows Arch., Band C XXIII.
19. Zeitschrift für Fleisch- ( und Milchhygiene,
1903, Heft 3, S. 101.
20. Poels, Vleeschveigifting te Rotterdam.
Weckbl. v. h. Nederl. Tijdsch. v. Geneesk.
1893, Heft 5.
Poels u. Nolen, Vleeschveigiftingen te
Rotterdam. Handeling v. li. Med. Nat. en
Geneesk. Congr. 1894.
21. P o e 1 s u. D h o n t, Tijdschrift voor Veearts-
nijk., 1892, 5. Lfg.
22. Kruse, in Flügges Mikroorganismen. Leip¬
zig, 1896, Bd. II.
23. Basenau, Weitere Beiträge zur Geschichte
der Fleischvergiftungen. Arch. f. Hygiene, Bd.
XXXII.
24. G a f f k y u. P a a k, Ein Beitrag zur Frage
der sog. Wurst- und Fleischvergiftungen. Arb.
a. d. Kais. Ges.-Amt, Bd. VI.
25. van Ermenghem, R6cherches sur les
empoissonnements produits par de la viande
de veau ä Moorseele. Bullmed. de Belgique,
1892.
26. Kaensche, Zur Kenntnis der Krankheits¬
erreger bei Fleischvergiftungen. Zeitschr. für
Hygiene u. Inf., Bd. XXII.
27. Holst, Bakt. Underaölgelser etc. Norek.
Mag. f. Läger, 1894, No. 9. Ref. Zeitschr. f.
Fleisch- und Milchhygiene, 1895, S. 232.
28. Silberschmidt, Ueber eine Fleischver¬
giftung. Correspondenzbl. f. Schweizer Aerzte,
1896, No. 8.
29. Hermann, Arch. de med. exp. et de l’ana-
tomie pathol., Bd. XI, 1899, No. 4.
30. Basenau, Ueber eine im Fleisch gefundene
infektiöse Bakterie. Arch. f. Hyg., Bd. XX.
31. Hamburger,, Bacillus cellulaeformans.
Zeitschr. f. Fleisch- u. Milchhyg., Bd. VI,
Heft 10.
32. L e v y , Experimentelles und Klinisches über
die Sepsinveigiftung etc. Arch. f. exp. Pathol.
u. Pharmakol., 1891, Bd. XXXIV. Ref. Zeitschr.
f. Fleisch- u. Milchhyg., Bd. V, No. 11.
33. Silberschmidt, Ein Beitrag zur Frage
der sog. Fleischvergiftung. Zeitschr. f. Hyg.,
Bd. XXX. Zentralbl. f. Bakt., 1896, Bd. XX.
34. Pfuhl, Massenerkrankungen nach Wurst¬
genuss. Zeitschr. f. Hyg. u. Inf., Bd. XXXV.
35. Schumburg, Wurstvergiftung, ebenda,
Bd. XXI.
36. Wesenberg, Ein Beitrag zur Bakteriologie
der Fleischvergiftungen. Zeitschr. f. Hyg. u.
Inf., Bd. XXVIII.
37. Glücksmann, Hyg. Rundschau, 1899.
38. Jäger, 0eitschr. f- Hyg. u. Inf., 1892.
39. Johne, Ein mikroskopisch-bakteriol. Beitrag
zur Frage der Fleischvergiftung. S. Vet.-Ber.
f. 1886.
40. K u b o r n, Ueber eine Fleischvergiftung, be¬
dingt durch Staphylococcus pyogenes flarus.
Allgem. med. Centralzeitung, 1894, No. 94.
Ref. Zeitschr. f. Fleisch- u. Milchhyg., 1895,
S. 76.
41. Brieger u. Kempner, Beitrag zur Lehre
von der Fleischvergiftung. Deutsche med.
Wochenschrift, 1897, No. 33.
42. Römer, Ein Beitrag zur Aetiologie des Bo¬
tulismus. Münch, med. Wochenschr., 47. Jahr¬
gang, 1902, No. 29. Ref. Zeitschr. f. Fleiscli-
u. Milchhygiene, 1902, S. 60 und 179.
43. Hauser, Ueber Fäulnisbakterien, Leipzig,
1885.
Oeffentliches Veterinärwesen.
Stand der Tierseuchen im Deutschen Reich
am 15. Oktober 1905.
Botz gelangte zur Feststellung in Preussen
in 22 Gemeinden und 38 Gehöften, in Bayern
und Sachsen-Weimar in je einem Gehöfte, in
Sachsen in 2 Gemeinden und 2 Gehöften,
zusammen somit in 26 Gemeinden und 42
Gehöften. Die Aphthenseuche herrschte
in je einer Gemeinde der Bezirke Breslau und
Oppeln, Unterfranken und Neckarkreis, zu¬
sammen in 4 Gemeinden und 6 Gehöften. Die
Schweineseuche einschliesslich der
Schweinepest wurde zur Anzeige gebracht
und festgestellt in 1489 Gemeinden und
2020 Gehöften.
Referate.
Immunität und Schutzimpfung.
R. Koch, Schütz, Neufeld, Miessner. Ueber die
Immunisierung von Rindern gegen
Tuberkulose. Archiv f. wiseensch. u. prakt.
Tierheilkunde. 31. Band. 6. Heft.
Die Möglichkeit, Rinder gegen experimentelle
Infektion mit Tuberkuloso zu immunisieren,
steht fest. Zur Immunisierung sind die verschie¬
densten Methoden angewandt worden. Die besten
Resultate sind bisher durch die intravenöse Injek¬
tion lebender menschlicher (M) Tuberkelbacillen
erzielt worden. Weiterhin sind Versuche, eine
Immunisierung zu erreichen, gemacht worden mit
Einspritzung von Stoffwechselprodukten der
Tuberkelbacillen oder von toten Tuberkelbacillen,
von lebenden den Tuberkelbacillen nahestehenden
Mikroorganismen (Bacillen der Geflügel- und der
Kaltblütertuberkulose) und von Tuberkelbacillen
(R), deren Virulenz abgeschwächt worden ist. Einen
beträchtlichen Grad von Immunität bei Rindern
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192
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
3. Jahrgang.
erreichte Mc. Fadyean durch die beiden zuerst
angeführten Methoden. Die Ergebnisse, welche von
Behring mit seiner Immunisierungsmethode erzielt
hat, werden von den Verff. einer eingehenden
Kritik unterzogen und als im allgemeinen recht
unzureichend dargestellt. Was der Verff. eigene
Versuche angeht, so gelang angeblich vollständige
Immunisierung durch zwei Injektionen einer ab¬
geschwächten Kultur (R) bei einem Kalbe, welches
nacli Verimpfung von 0,01 virulenter Kultur (R)
gesund blieb, während das Kontrolltier auf die
gleiche Dosis an akuter Miliartuberkulose der
Lungen zugrunde ging. Eine grössere Anzahl von
Kälbern wurde in systematischer Weise mit ver¬
schiedenen Tuberkelbacillenkulturen (M) oder mit
abgeschwächten Bacillen (R) vorbehandelt und
sämtlich durch intravenöse Injektion der in oben
angeführtem Versuche verwendeten Kultur (R) auf
ihre Immunität geprüft. Bei diesen Versuchen
sollten die Fragen entschieden werden, wie viele
Injektionen und welche Bakterienmengen zur Im¬
munisierung notwendig sind, wann die Immunität
eint ritt und ob verschiedene Stämme der Bacillen
(M) erhebliche Unterschiede bei der Immunisierung
erkennen lassen. Zu den Versuchen wurden etwa ein
halbes Jahr alte Kälber benutzt, bei denen die
Tuberkulineinspritzung eine Steigung der Körper¬
temperatur nicht über 0,5° hervorrief. Die zweite
Impfung wurde vorgenommen, wenn die Tiere sich
von der ersten völlig erholt hatten, wozu etwa
vier bis sechs Wochen erforderlich waren. Zur
Prüfung der Immunität der Kälber wurden sämt¬
lichen Tieren 2 cg der oben bezeichneten Kultur
(R) in die Venen gespritzt, von welcher schon der
vierzigste Teil genügte, um bei Kontrollkälbern
eine innerhalb zwanzig bis dreissig Tagen tödlich
verlaufende akute Miliartuberkulose hervorzurufen.
Was den Zeitpunkt angeht, an dem die Kontroll¬
einspritzung der letzten Impfung mit Bacillen (M)
folgte, so lag bei sechs Kälbern ein Zeitraum von
etwa vierzig Tagen zwischen beiden. Dieser Zeit¬
raum erwies sich als zu kurz nach Auffassung der
Verff., die glauben, hierauf einen Teil der Miss¬
erfolge ihrer Versuchsreihe zurückführen zu müssen.
Das vorbehandelte Kalb 6 ging dreissig Tage nach
Einspritzung der Bacillen (R) an akuter Miliar¬
tuberkulose zugrunde. Zwischen der zweiten Im-
munisierungs- und der Kontrollimpfung lagen sechs-
unddreissig Tage. Ein zweites fast in derselben
Weise vorbehandeltes Kalb blieb nach der Kontroll¬
einspritzung gesund. Aehnliches wurde auch bei
zwei weiteren Kälbern beobachtet, von denen das
eine nach der Kontrollimpfung gesund blieb, das
andere ausgebreitete Tuberkulose der Lungen aqui-
rierte. Die gesund gebliebenen Kälber hatten bei
der ersten Vorbehandlung 2 cg, die erkrankten 1 cg
Kultur erhalten. Hiernach ist anzunehmen, dass
grössere Mengen der zur ersten Vorbehandlung be¬
nutzten Tuberkelbacillen eine reichlichere und
schnellere Bildung von Schutzstoffen anregen als
geringere Mengen. Auch durch einmalige intra¬
venöse Einspritzung von Tuberkelbacillen (M) ge¬
lang es, eine hohe Immunität zu erreichen.
Profe.
Jemma. Schutz vor der Tuberkulose
mittels der Milch immunisierter
Kühe. Pediatria 1904. No. 11.
Verf. führte seine Untersuchungen an Kindern
durch, die er mit Milch der gegen Perlsucht immu¬
nisierten Kühe ernährte. Die erwähnte Immuni¬
sierung fand im Institut Maragliano zu Genua statt;
es wurde nämlich den Kühen das Tuberkulin samt
den „entfetteten“ Tb-Bacillen oder der Wasser¬
auszug von lebendigen Bacillen eingespritzt. Diese
Kuhmilch besass sowohl agglutinierende als auch
antitoxische Eigenschaften. Sie wurde im rohen
Zustande gereicht, da das Erhitzen bei 60° C. die
enthaltenen Antikörper vernichtete. Tägliche Dosis
betrug 500—1000 g. Die Kinder, welche mit dieser
Milch ernährt wurden, bekamen gleichzeitig die
Muttermilch — einige stammten von gesunden,
andere von tuberkulösen Eltern. Verf. wollte sich
überzeugen, ob die solcherweise gewonnene Milch
agglutinierende Eigenschaften im Blutserum der
mit derselben ernährten Kinder hervorzurufen im¬
stande wäre. Bei einigen Kindern zeigten sich
leichte Verdauungsstörungen, die aber in kurzer Zeit
verschwanden, so dass man die Ernährung mit Kuh¬
milch nicht einmal unterlassen brauchte. Bei ge¬
wisser Anzahl von Säuglingen beobachtete man
aber sehr heftige Erscheinungen von toxischer
Entheritis und sie mussten nachher ausschliess¬
lich mit Muttermilch ernährt werden. Mit Aus¬
nahme obiger Fälle bleiben 20 Observationen, deren
11 die Kinder von gesunden, 9 von tuberkulösen
Eltern betrafen. Die Untersuchungen dauerten
6 Wochen bis 2tya Monate. Das Serum der von
gesunden Eltern stammenden Kinder besass vor der
Ernährung mit Kuhmilch keine Spur vom Agglu¬
tinationsvermögen, diese Erscheinung zeigte sich
erst nach 15 Tagen der Kuhmilchernährung und
vergrösserte sich täglich von 1:3 bis 1:10; nach¬
dem das Agglutinationsvermögen dieses Maximum
erreichte, wuchs es nicht mehr, obgleich die Kinder
auch fernerhin mit der Kuhmilch ernährt wurden.
Um sich zu überzeugen, wie lange das Agglu¬
tinationsvermögen des Serums dauert, hatte der
Verf. aufgehört, die Kinder mit der Kuhmilch zu
ernähren. Es zeigte sich, dass nach einem Monate
gar keine Spur von Agglutininen im Blute zu
finden gewesen. Aehnlich verhielt sich die Sache
auch bei den Kindern tuberkulöser Eltern, nur war
bei ihnen die Agglutinationskraft etwas grösser
(1:15 bis 1:20) und dauerte etwas länger nach
der Kuhmilchentziehung.
Die obigen Forschungen haben bewiesen, dass
die durch Milch hervorgerufene Immunität recht
kurz dauert und keineswegs geeigneter Weg ist, die
Kinder vor der tuberkulösen Infektion zu schützen.
Baczynski.
Für d. Redaktion verantworte Kreistierarzt Dr. O. Profö, Cöln a. Rh., Hansaring 60. Druck von Pass & Qarleb G.m.b.H., Berlin W.36.
Verlag und Eigentum: Louis Marous Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 61.
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Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
3. JAHRGANG. DEZEMBER 1905. HEFT 9.
Bericht vom VIII. internationalen
tierärztlichen Kongress.
(Schluss aus Heft 8.)
In der Vormittagssitzung der Sektion für
Pathologie wurde über das Thema: Die durch
tierische Parasiten erzeugten toxischen Stoffe
verhandelt. Dem Referat von Linstow
(Döttingen) hierzu sei folgendes entnommen:
Viele Helminthen, besonders Cestoden und
Nematoden, enthalten ein Toxin (Leukomai'n
oder Ptomain), welches in den Wirten eine Zer¬
störung der roten Blutkörperchen und Reduk¬
tion des Hämoglobins hervorruft; es entsteht
eine hochgradige Anämie mit Poikilocytose,
Auftreten von kernhaltigen roten Blutkörper¬
chen und Megaloblasten; die Rollenbildung der
roten Blutkörperchen fehlt; die farblosen Blut¬
körperchen können vermehrt sein, immer aber
zeigt sich Eosinophilie derselben.
Das Toxin ist ein Blutgift und bedingt
einen pathologischen Eiweisszerfall der Ge¬
webe; im Harn wird viel mehr Stickstoff aus¬
geschieden, als dem Körper an Nahrung zu-
geluhrt wird; die Ausscheidung der Purin-
Körper ist hochgradig gesteigert, es muss also
ein erhöhter Zerfall der kernhaltigen Gewebe
statt finden. Das Blut ist die hauptsächlichste
Quelle der im Harn erscheinenden Stickstoff-
vorluste. Das Toxin ist auch ein Protoplasma¬
gift; es ruft eine Verfettung des Herzens, der
Leber, der Nieren, der Muskulatur und Milz¬
anschwellung hervor.
Nach Entfernung der Parasiten aus dem
Körper und des Toxins aus dem Blute wird die
Eiweissnahrung wieder assimiliert, die Eiweiss¬
ei nschmelzung hört auf, die roten Blutkörper¬
chen nehmen schnell an Zahl zu bis zur Norm,
die Eosinophilie der weissen schwindet ; war die
Toxinwirkung eine zu lange anhaltende oder
eine zu heftige, so tritt der Tod ein.
Perroncito (Turin) führte aus: Die
Beobachtungen und Experimente, die man bis
in die neueste Zeit über die von tierischen Para¬
siten erzeugten toxischen Stoffe angestellt hat,
liefern den Nachweis, dass die tierischen Para¬
siten als fremde Organismen im Wirttiere leben
und einerseits durch die Entziehung der Nah¬
rungsstoffe derselben, andererseits aber durch
die von ihnen ausgeschiedenen Stoffe eine schäd¬
liche Wirkung ausüben. Demungeachtet ist es
notwendig, über jede Ordnung, jede Gattung
und Art der Parasiten neuere Studien anzu¬
stellen, um die Natur und das Benehmen jeder
Parasitenart mit grösster Genauigkeit bestim¬
men zu können.
Blanchard (Paris) führte aus: Die
Art der von den Eingeweide-Würmern produ¬
zierten Toxine und deren Einwirkung auf den
Organismus des Wirtes sind trotz mehrfacher
Untersuchungen noch nicht genau genug be-
kamnt. Die Blutparasiten erzeugen gelöste
Stoffe, die unmittelbar in das Blut übergeführt
werden. Geringe Mengen dieser toxisch wir¬
kenden Stoffe werden durch die Nieren elimi¬
niert. Sobald grössere Mengen der Toxine ge¬
bildet werden, findet eine ausreichende Aus¬
scheidung aus dem Körper nicht mehr statt,
und es machen sich mehr oder minder heftige
Einwirkungen der giftigen Substanzen auf den
Organismus bemerkbar, wie dies in besonders
eigentümlicher Weise bei der Schlafkrankheit
zu l)eobachten ist. Es ist nachgewiesen, dass
die Flüssigkeit der in den Bindegeweben ge¬
legenen Parasiten, z. B. der Cestoden, Toxine
enthalten. Es ist wünschenswert, dass weitere
Untersuchungen zur Aufklärung der Toxine
von Eingeweidewürmern ausgeführt werden.
Das nächste zur Verhandlung gelangende
Thema war: „Neue Erfahrungen über die
Infektion der Menschen mit Tierkrankheiten,
mit besonderer Rücksicht auf einzelne Gewerbe¬
treibende.“ Professor Babes (Bukarest) kam
nach einer längeren Ausführung zu dem fol¬
genden Resümee: Die Zahl der von unseren
Haustieren auf den Menschen übertragbaren
Krankheiten ist durch neuere Forschungen
bedeutend vermehrt worden, während manche
früher hierher gezählten Krankheiten ausge¬
schieden werden mussten. Eine der am liäufig-
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194
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
3. Jahrgang.
sten auf den Menschen übertragenen Tierkrank¬
heiten ist der Milzbrand, bei dem das Ein¬
dringen von Keimen auch durch die unverletzte
Schleimhaut ins Auge zu fassen ist und durch
die unverletzte Haut mittels der Haarfollikel.
Es sind deshalb auch in Laboratorien sorg¬
fältige Massnahmen zum Schutze der Arbei¬
tenden und der Diener zu treffen. Als die
wichtigsten, auf den Menschen übertragbaren
Krankheiten sind die von einer Gruppe typhus¬
ähnlicher Bacillen verursachten anzusehen,
welche gewöhnlich durch das Fleisch auf den
Menschen übertragen werden. Es ist festge¬
stellt, dass es eine Serie intermediärer Mikro¬
ben zwischen Coli, Hogcholera und ähnlichen
gibt, welche sowohl spezifische, als auch sep¬
tische, pyämische oder sekundäre Erkrankun¬
gen beim Menschen verursachen können und
zum Teile bei Tieren Vorkommen; dieselben im¬
ponieren durchaus nicht immer als Fleischver¬
giftungen, auch wenn dieselben Enteritis¬
bacillen agglutinieren. Jedenfalls müssen wir
in solchen Fällen einerseits in der Interpretie¬
rung der Seroreaktion vorsichtig sein, anderer¬
seits aber auch mit der Möglichkeit einer häu¬
figen, wenn auch schwer nachweisbaren Er¬
krankung durch tierische Produkte rechnen.
In bezug auf die Wut ist festzuhalten, dass
der Erfolg der Pasteurschen Impfung zu
keiner milderen Gestaltung der veterinär-poli¬
zeilichen Bekämpfungsmassregeln führen darf,
letztere sind im Gegenteil fortgesetzt auf das
Schärfste zu handhaben. Infektionen durch die
intakte Schleimhaut sind nicht beobachtet, ihre
Möglichkeit ist auch durch zahlreiche Versuche
nicht erwiesen worden. Es ist experimentell
festgestellt, dass bei infizierten Hunden die
Wut zum Ausbruch kommt, dass dann die
Symptome verschwinden, die Tiere wieder ge¬
sund erscheinen, und dass nach einiger Zeit
wieder manifeste Tollwut beobachtet wird. Die
Schutzimpfung der Hunde kann nicht emp¬
fohlen werden, da sie noch zu wenig sicheren
Resultaten führt.
An der Diskussion, welche besonders die
Febertragung von Krankheiten durch den
Genuss von Fleisch der Kälber mit Enteriten
behandelte, beteiligten sich ausser dem Refe¬
renten besonders de J on g und Stubbe.
Der zweite Referent hierfür, v. Szeged y-
M a s z a k (Budapest), kam aut Grund s iner
Ausführungen zu folgenden Schlüssen:
Die Krankheiten, welche nach den bis¬
herigen Erfahrungen durch Tiere auf den
Menschen übertragen werden, sind die folgen¬
den : Tuberkulose, Anthrax, Tollwut, Malleus,
Aphthenseuche, Trichinose und nach neueren
Erfahrungen der Schweinerotlauf und die
Botryomykose.
Die Uebertragung der Tuberkulose vom
Rinde auf den Menschen wird — wie bekannt —
von der Mehrheit der Forscher angenommen.
Die gegenteilige Ansicht vertreten Robert Koch
und seine Anhänger. Die Frage ist sowohl
vom sanitären wie auch vom nationalökono¬
mischen Standpunkte aus wichtig. Die Erfah¬
rungen sprechen dafür, dass die Tuberkulose
des Menschen und des Rindes durch dieselben
pathologischen Keime verursacht wird, da in
zahlreichen Fällen beobachtet wurde, dass die
Krankheit vom Tier auf den Menschen auf fol¬
gende Weise übertragen werden kann:
1. es wurde beobachtet, dass die sich mit
Rindern beschäftigenden Landwirte und Kuh¬
melker an Tuberkulose erkrankten; 2. durch
Hautverletzungen, welche beim Abschlachten,
Enthäuten, Zerstückeln oder bei der Sektion
tuberkulöser Tiere Vorkommen, kann Haut¬
tuberkulose entstehen; solche Krankheiten
ziehen sich Tierärzte, Metzger oder die An¬
gestellten von Schlachthäusern zu; 3. der Kon¬
sum von Milch tuberkulöser Kühe, sowie der
hiervon bereiteten Butter kann primäre Darm¬
tuberkulose verursachen.
Der Milzbrand wird von kranken Tieren
— Rindern, Schafen - oder von an dieser
Krankheit verendeten, bezw. wegen dieser
Krankheit geschlachteten Tieren, auch durch
einzelne Teile dieser Tiere auf den Menschen
übertragen. Vom kranken Tier geht sie auf die
sie pflegenden Menschen über, also auf Schäfer.
Wärter, Kutscher, von den Tierkadavern auf
Wasenmeister, Metzger, Tierärzte; durch die
zur Aufarbeitung gelangenden infizierten
Haare auf Pferdehaarweber und auf die An¬
gestellten der Bürsten- und Pinselfabriken und
der Wollsortieranstalt.cn, auch auf die Weber
und Kürschner: durch die Häute auf die
Gerber und Angestellten der Lederfabriken.
Die Tollwut (lyssa) wird hauptsächlich auf
Leute übertragen, die infolge ihrer Beschäf¬
tigung sich häufig auf Strassen und Feldern
befinden, wie Arbeiter, Taglöhner, Feldarbeiter.
Die Krankheit kann aber auch dadurch über-
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Heft 9.
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
195
tragen werden, dass der Speichel des kranken
Tieres auf eine verletzte Stelle des Menschen
gelangt oder dass ein derart Verletzter mit
den kranken Teilen, hauptsächlich aber mit den
Nerventeilen eines tollwutkranken Tieres in
Berührung kommt.
Die Rotzkrankheit wird zumeist durch Be¬
rührung mit den infizierten Teilen kranker
oder an dieser Krankheit verendeter Tiere auf
den Menschen übertragen, zumeist auf Iteilte,
die infolge ihrer Beschäftigung häufiger mit
solchen Tieren oder mit deren Kadavern zu tun
haben; auf Tierärzte, Kutscher, Wasenmeister,
seltener auf Soldaten oder Pferdemetzger.
Die Aphthenseuche ist hauptsächlich eine
Krankheit des Rindes; auf den Menschen wird
sie unmittelbar und durch den Konsum tieri¬
scher Produkte — Milch, Käse, Butter —
kranker Tiere übertragen. Es erkranken haupt¬
sächlich die Meiereibesitzer, Kuhmelker, das
Milchwirtschaftspersonal und die Konsumenten
der Milch und der Milchprodukte. Die Krank¬
heit ist nicht selten, aber da die Fälle zumeist
sehr milde verlaufen, so werden sie selten
beobachtet; schwächere Individuen und Säug¬
linge können aber auch daran sterben; es kamen
auch Epidemien mit mehreren Todesfällen vor.
Die Pathogenität des Bacillus des
Schweinerotlaufs auf den Menschen wurde erst
in neuerer Zeit beobachtet. Der Konsum des
Fleisches kranker Tiere ist nach den bisherigen
Erfahrungen dem Menschen unschädlich; es
wurde aber öfter beobachtet, dass sich bei Ver¬
letzungen, welche während des Impfens kranker
Tiere zugezogen wurden, Symptome eines
lokalen Rotlaufes entwickelten; in der Lite¬
ratur ist auch ein Fall verzeichnet, dass ein
Metzger, der sich bei Zerstückelung eines wegen
Schweinerotlauf geschlachteten Schweines den
Finger verletzte, an dieser Krankheit er¬
krankte.
Die Botryomykosis geht wohl nur selten
auf Leute über, die sich mit Pferden beschäf¬
tigen, wie Stallburschen und Kutscher. Die
meisten Autoren bestreiten aber, dass es sich
hierbei um eine spezifische Infektion gehandelt
habe.
Die Trichinose ist besonders früher nicht
selten gewesen, eine wenn auch geringgradige
Epidemie wurde in Ungarn im Jahre 1891
beobachtet.
Eine besondere, auf diesem Kongresse zum
ersten Male gebildete Sektion für Tropen¬
krankheiten hatte als ersten Gegenstand die
tropischen Krankheiten der Haustiere auf ihre
Tagesordnung gesetzt. Von besonderem Inter¬
esse waren die Mitteilungen von T heiler
(Prätoria), welche nachstehend eingehender
wiedergegeben sind.
Als zu den Krankheiten warmer Länder
nicht zugehörend, müssen alle jene Zoonosen
ausgeschlossen werden, die auch in den ge¬
mässigten und kälteren Zonen Vorkommen. Es
sind dies namentlich Milzbrand, Rauschbrand,
Tetanus, septicämische Hämorrhagie. Diese
Krankheiten kommen in gewissen Gebieten der
warmen Himmelsstriche in grosser Häufigkeit
vor. Andererseits gibt es in den warmen Län¬
dern Seuchen und Krankheiten, die anfänglich
als charakteristisch für diese gehalten wurden,
so das Texasfieber, eine durch einen endoglobu-
lären Parasiten erzeugte Krankheit, die durch
Zecken verbreitet wird. Auch in Europa fand
man bei der Rinderhämoglobinurie, dass auch
hier Ursache und Ansteckungsmodus ähnlich
sind. Man fand die Piroplasmosis des Hundes
in Süd-Afrika, die Piroplasmosis des Pferdes
in Italien. In warme Länder zurückgezogen
haben sich Krankheiten, die früher in Europa
bekannt waren, so die Beschälseuche des
Pferdes, die Pocken der Schafe, die Barbone
des Büffels. Der Umstand, dass zunächst in
w armen Ländern genauer beschriebene Krank¬
heiten auch in Europa gefunden werden, kann
nicht als Einwand gelten, dass sie deshalb
als nicht tropisch gelten müssen. Es ist wahr¬
scheinlich, dass es sich hier um Varietäten
oder vielleicht Spezies verschiedener Parasiten
handelt, namentlich gilt dies von den endo-
globulären Protozoen. Die Actinobacillosis
wurde von Lignieres und Spitz in Argentinien
und von Leelainche und Nocard auch in Frank¬
reich gesehen. Die epizootische Lymphangitis
der Pferde wird heutzutage vornehmlich in
wärmeren Gegenden gefunden, nachdem sie
früher auch in kälteren Himmelsstrichen be¬
kannt gewesen war. Neuerdings ist sie von
Süd-Afrika aus nach England eingeschleppt
worden. Rein kontagiöse Seuchen, wie Rinder¬
pest, Lungenseuche und Rotz, dürfen wir nicht
als spezifische Krankheiten warmer Länder auf¬
fassen; und doch sind diese Seuchen gerade
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196
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
3. Jahrgang.
in den tropischen und subtropischen Gebieten
jahrhundertelang zu Hause oder haben sieh
innerhalb geschichtlicher Zeit eingebürgert.
Das Kontagium der Rinderpest wird
ausserhalb des tierischen Körpers leicht zer¬
stört, und gerade die Wärme und die Sonne
vernichten den unsichtbar kleinen Mikrol>cn
in kürzester Zeit. Aehnliebes gilt für das Kon-
tagiuni der Lungenseuche und für den Rotz¬
bacillus. Das Vorkommen und die Verbreitung
der genannten Seuchen steht in gewissem Ver¬
hältnis zum Kulturzustand eines Viehzucht
treibenden Volkes. Den Seuchen und Krank¬
heiten, die man hauptsächlich in den exotischen
warmen Gegenden findet, ist folgendes Schema
zugrunde zu legen:
1. Krankheiten durch pflanzliche Orga¬
nismen verursacht.
2. Krankheiten durch ultravisible Orga¬
nismen verursacht.
3. Krankheiten durch tierische Parasiten
verursacht.
1. Krankheiten durch pflanzliche Organismen
verursacht.
Aus der Gruppe der hämorrhagischen
Septikämie ist hierher die infektiöse Pneu¬
monie der Ziegen zu rechnen, deren Heimat
Kleinasien und Vorderindien zu sein scheint.
Es ist offenbar dieselbe Krankheit, welche im
.Jahre 1881 mit Angora-Ziegen nach der Kap
kolonie eingeschleppt wurde, jedoch getilgt
werfen konnte. In Argentinien und Ghili
existiert eine Krankheit unter dem Rindvieh,
lokal als „enteque“ bekannt, die von Lignieres
als eine Pasteurellosis bezeichnet wird, also
zur Gruppe der hämorrhagischen Septikämie
gehört. Vorläufig kann man diese Krankheit
als rein exotisch auf fassen, bis nachgewiesen
sein wird, was zu vermuten ist, dass sie wie
die Zoonosen der Gruppe der hämorrhagi¬
schen Septikämie überall vereinzelt Vorkommen
kann.
Soweit bekannt, existiert keine andere
durch vegetabilische Organismen verursachte
Krankheit, die ausschliesslich an die wärmeren
Gegenden gebunden wäre. Man kann sagen,
dass einige Krankheiten gemässigter Zonen im
allgemeinen in wärmeren Ländern häufiger Vor¬
kommen. Was ist nun die Ursache dieser Er¬
scheinung? Einmal ist man geneigt, sich vorzu¬
stellen, dass die pflanzlichen Organismen in
der Ausscnwelt der tropischen Gebieten gün¬
stigere I;ebensbedingungen, speziell Wärmever¬
hältnisse, finden, als in kälteren Himmels¬
gegenden. Das mag vielleicht für einige in
kalten Regionen seltener vorkommende Krank¬
heiten zutreffen, kann aber z. B. für Milz¬
brand und Rauschbrand in Süd-Afrika nicht
als Ursache gelten. Zur Erklärung ist die
Tatsache anzuführen, dass ein Vernichten der
Kadaver in den meisten Fällen nicht statt -
findet. Damit sind z. B. für die Verbreitung des
Antraxbacillus die denkbar günstigsten Be¬
dingungen erfüllt. Aber der Schwarze ist nicht
allein schuldig, auch der weisse Mann hat durch
seine Indolenz und Nachlässigkeit sein mög¬
lichstes getan, den sonst jungfräulichen Boden
zu infizieren.
2. Krankheiten durch ultravisible Organismen
verursacht.
Aus der Gruppe der durch ultravisible Or¬
ganismen erzeugten Krankheiten sind die rein
kontagiösen, wie die Aphthenseuche und Wut.
auszuschalten. Das sind allgemein vorkommende
Krankheiten, die gelegentlich in warmen
Ländern, auch in Süd-Afrika, Vorkommen
können. Krankheiten, deren Erreger ultra¬
visible Organismen sind, und die bis jetzt nur
in Süd-Afrika l>eobachtet wurden, sind die
Sterbe der Pferde, das Heartwater der Rinder,
Schafe und Ziegen und das Katarrhalfieber
der Schafe. Es empfiehlt sich, die Pferdesterbe
und das Katarrhalfieber zusammen zu be¬
trachten. Beide Krankheiten kommen unter
denselben tellurischen und klimatologischen Be¬
dingungen vor. Während aber die Pferfesterbe
im allgemeinen eine Krankheit des Niederungs¬
gebietes ist, beobachtet man das Katarrhalfieber
auch in höher gelegenen Distrikten, wohin sich
in gewissen Jahren ausnahmsweise die Pferde¬
sterbe versteigern kann. Die lokalen Be¬
dingungen, an die das Auftreten der Krank¬
heiten gebunden ist, sind bei beiden dieselben.
Man beobachtet sie in sumpfiger Gegend, nahe
an Flüssen und stehenden Gewässern. Sodann
erscheinen beide Krankheiten gewöhnlich nur
in regenreichen Jahren und gewöhnlich auch
nur gegen Mitte der Regenzeit; das ist im
Transvaal vom Monat Januar bis Ende April.
Des weiteren ist beiden gemeinsam, dass
die empfänglichen Tiere die Krankheit nur
während der Nacht aquirieren. Denn hält man
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Heft 9.
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
197
Pferde und Schafe von den Gewässern entfernt
und birgt man sie über Nacht auf Anhöhen in
Ställen oder in Kraalen, so beobachtet man
nur selten Krankheitsausbrüche. Die beiden
Krankheiten sind aber keineswegs identisch,
obwohl sie das Gemeinsame haben, dass der
Mikroorganismus auch im Blutserum enthalten
ist und den Berkefeldfilter passiert. Die beiden
Krankheiten sind auch nicht kontagiös, obwohl
leicht verimpfbar von Tier zu Tier der be¬
treffenden Art. Pferdesterbe und Katarrhal-
ficber der Schafe müssen unserer Auffassung
nach durch Nachtinsekten übertragen werden.
Soviel ist sicher, dass Pferdesterbe nur da beob¬
achtet wird, wo die Anopheles- und die Stego-
mya-Arten heimisch sind. Das Katarrhalfieber
kommt aber auch da vor, wo jene abwesend
sind und wo Culexarten reichlich angetroffen
werden. Indem wir einen fliegenden Zwischen-
w r irt annehmen, können wir alle die Erschei¬
nungen, die für das Auftreten der Krankheiten
und ihr Verschwunden charakteristisch sind,
erklären. In dem ausgezeichneten Werk „Les
maladies microbiennes“, verfasst von Nocard
und Leclainche, ist die Pferdesterbe in extenso
beschrieben. Ich habe dazu nur die Mitteilung
zu fügen, dass es mir gelungen ist, ein Serum
herzustellen, das präventive Eigenschaften be¬
sitzt. Dieses Serum wird hergestellt durch Ein¬
spritzungen von virulentem Blut in bereits
immune Tiere, Pferde oder Maultiere. Die prä¬
ventive Wirkung eines Serums dokumentiert
sich deutlich, wenn man Serum und Virus
mischt und das Gemenge subkutan impft. Die
Krankheit kommt in diesem Falle nicht zum
Ausbruch. Es entsteht aber auch nur eine
passive Immunität, die höchstens vier Wochen
gegen nachfolgende Virusimpfungen schützt.
Es braucht kaum gesagt zu werden, dass diese
Impfmethode vorläufig noch geringen Wert
hat, doch ist Aussicht vorhanden, genügend
hochimmunisierte Tiere zu erhalten, so dass
wir eine passende Auswahl des Serums für
alle Impflinge treffen können.
Das südafrikanische Katarrhalfieber der
Schafe beginnt nach einer kurzen Inkubations¬
zeit von 3—5 Tagen. Dann beginnt hohes
Fieber, das einige Tage dauert, ohne Allgemein¬
störungen zu verursachen. Es stellen sich so¬
dann ein: Entzündung der Klauenlederhaut,
seröser Nasenausfluss, der zunächst schleimig
ist und dann, mit Eiter und Blut vermengt, ein
missfarbiges Aussehen erhält, Exkoriationen
der Haut der Nasenflügel, Stomatitis, auf den
Lippenrändern Blutungen. Das Epithel des
Zahnfleisches, der Zunge und des Gaumens
kann abgesiossen w T erden. Fulteraufnähme und
Rumination liegen darnieder. Dieser Zustand
kann mehrere Tage andauern, w T ährend welcher
Zeit die Schafe mit auf die Seite zurück-
geschlagenem Kopfe liegen.
Neben diesen typischen schweren Fällen
gibt es leichtere Fälle, in denen es nicht zur
Klauenentzündung kommt, sondern zu leichtem
Katarrh. Dann ermöglicht die bläuliche Ver¬
färbung der Maulschleimhaut die Diagnose.
Selten ist Durchfall. Gewöhnlich verenden die
Tiere an Marasmus. Die Mortalität infolge
des Katarrhalfiebers ist sehr veränderlich. Das
Blut kranker Tiere, während der Fieberreaktion
entnommen, ist virulent. Das Serum enthält
ebenfalls das Virus. Die Krankheit dürfte
demnach als eine Septikämie, ähnlich der
Pferdesterbe, aufzufassen sein. Das Blut bleibt
monatelang virulent und erzeugt die Krankheit
dann noch, w r enn es putrid geworden ist. Ebenso
l>ei der Pferdesterbe. Erkrankung erfolgt nach
subkutaner und nach intrajugularer Impfung,
hingegen nicht, w r enn Virus per os .verabreicht
w r ird. Es erweisen sich als refraktär Pferd,
Maultier, Rind, Ziege, Kaninchen. Schafe, die
die Krankheit überstanden haben, sind immun.
Doch ist die Immunität nicht dauernd; grössere
Einspritzungen virulenten Blutes können eine
zweite Reaktion veranlassen. Durch systema¬
tisches Wiederholen der Bluteinspritzungen
w-erden die Schafe refraktär. Damit erreicht
man ein präventives Serum. Es ist das Ver¬
dienst Sprcuells, eine Impfmethode ausge¬
arbeitet zu halien. Sie besteht in der sub¬
kutanen simult. Impfung von Serum und viru¬
lentem Blute, analog der Simultan-Methode bei
der Rinderpest.
Die dritte südafrikanische Krankheit,
durch unsichtbare Mikroorganismen erzeugt,
ist das Heartwmter, „Herzwmsser“; so genannt
nach einer enormen Füllung des Herzbeutels mit
gelber Flüssigkeit. Diese Krankheit kommt bei
Rindern, Schafen und Ziegen vor; am häufig¬
sten bei den beiden letzteren Tierarten. Der
Mikroorganismus ist bis dato unbekannt, w T eder
kulturell noch mikroskopisch nachweisbar. Er
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Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
3. Jahrgang.
scheint aber an die Blutkörperchen gebunden
zu sein, denn weder Flüssigkeit aus dem Herz¬
beutel, noch Serum des sonst virulenten Blules
erzeugen die Krankheit, wenn verimpft.
Heartwater ist an ganz bestimmte Lokali¬
täten gebunden; nämlich an die, in denen eine
besondere Zeckenart, Amblyomma hebräum,
vorkommt. Es ist in erster Linie das Verdienst
Lounsburys, nachgewiesen zu haben, dass diese
Zecke der ausschliessliche Zwischenwirt des
unbekannten Mikroorganismus ist. Ainbly-
omma hebräum ist ausschliesslich eine Zecke
warmer Gegenden, und zu ihrem Bestehen ist
eine gewisse Feuchtigkeit nötig. Man findet
sie in Süd-Afrika hauptsächlich in Gegenden
mit Buschvegetation. Sie scheint an der ganzen
östlichen Meerküste Afrikas vorzukommen.
Wir haben alle Ursache, anzunehmen, dass
überall, wo diese Zecke vorkommt, auch die
Krankheit zu finden ist. Heartwater hat eine
Inkubationszeit von ca. 12- 15 Tagen. Letztere
beginnt mit plötzlicher und hochansteigender
Temperatursteigung. Während dieser Zeit
keine Symptome, Krankheit kann symptomlos
ablaufen und in Heilung übergehen, Hegel bei
den sog. persischen Schafen. Bei anderen Schaf¬
rassen und Ziegen ist die Mortalität gross.
Die Symptome bieten zum Teil wenig oder gar
nichts Charakteristisches. Der Tod erfolgt
unter plötzlichem Niederstürzen. Beim Binde
sind Beizerscheinungen des Gehirns häu¬
figer; sie stellen sich meist nur gegen
Ende der Krankheit ein. Konstanter patho¬
logischer anatomischer Befund bei ersteren
Tieren ist die gewöhnlich enorme Füllung des
Herzbeutels mit einer gelblichen Flüssigkeit
und gelat. Verquellung desselben. Auf Endo¬
kard des linken Ventrikels gewöhnlich Blu¬
tungen. Gelbe .Flüssigkeit auch in der Uleural¬
höh lo. Lungen meist im Zustand des akuten
Oedems. Gewöhnlich die anderen Organe
normal. Beim Rinde kommen die beschriebenen
Zustände in der Brusthöhle seltener vor: hin¬
gegen sind Veränderungen im Magen und Darm
eine konstante Erscheinung. Es existiert eine
akute hämorrhagische Gastritis, mit Blut¬
ergüssen und Erosionen der Mukosa, so dass
Rinderest vorgetäuscht werden kann. Als
differential-diagnostisches Merkmal gilt die
Veränderung der Peyersehen Plaques bei
letzterer. Milztumor und Schwellung der
Lymphdrüsen sind häufig vorhanden. In praxi
werden nur solche Fälle als Heartwater diagno¬
stiziert, in denen Füllung des Herzbeutels be¬
steht. Tiere, welche die Krankheit überstanden
haben, sind immun. Die Immunität scheint bei
Bindern komplett zu sein. Bei Schafen und
Ziegen beobachtet man hingegen auf Virusein¬
spritzungen hin Wiedererkrankungen, die sich
wiederholen können. Schliesslich wird auch
komplette Immunität erreicht. Bis jetzt konnte
noch kein sicheres Impfverfahren gegen diese
Krankheit ermittelt werden, doch liegen aus
der Kapkolonie Versuche vor, die eine gewisse
Hoffnung auf Erfolg zulassen. Seitdem man
die Art und Weise der Uebertragung dieser
Krankheit durch Zecken ermittelt hat, wurde
in den infizierten Gegenden der Kapkolonie
die Ausrottung der Zecken mittelst parasiti-
ziden Waschungen und Bädern (Sprays und
Dips) vorgenommen. Einige Farmer haben an¬
gefangen, ihre Vieh-, Schaf- und Ziegenherden
periodisch zu reinigen. Die Erfolge sind viel¬
versprechend.
ö. Krankheiten durch Protozoen verursacht.
Mit wenigen Ausnahmen werden die durch
Protozoen verursachten Krankheiten durch
Zwischenträger, Zecken und Insekten, ver¬
breitet, von deren Vorhandensein die Verbrei¬
tung dieser Krankheiten abhängt. Der Einfluss
der warmen Länder kommt hier deutlich zum
Ausdruck, indem die klimatischen Verhältnisse
üppiges Gedeihen der Ektoparasiten ermög¬
lichen. Von grösster ökonomischer Wichtigkeit
sind die durch Hämosporidien erzeugten, zur
Kl asse der Piroplasmen gehörenden Krank¬
heiten, das Texasfieber oder Bedwater, das
kürzlich genauer studierte Küstenfieber, die
Malaria des Pferdegeschlechts und die der
Hunde, lieber die Piroplasmosis der Schate
liegen noch keine eingehenden Untersuchun¬
gen vor.
Die Gruppt* der Piroplasmosen lässt sich
leicht in zwei Abteilungen bringen, die sich
scharf umschreiben lassen; die eine hat als
Typus das am längsten bekannte Piroplasmn
bigeminum des Texasfiebers des Bindes. Hier¬
her gehört die Piroplasmosis des Pferdes und
des Hundes, wahrscheinlich auch des Schafes.
Das Piroplasma hat birnenförmige oder rund¬
liche Gestalt. Pa Vergleich zu dem bat illen¬
förmigen Firc-plasma 1 : i tropischer Piroplas-
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Heft 9.
Fortschritte der Ve terinär-Hy gie ne.
199
mosis ist es verhältnismässig gross. Die Krank¬
heit stellt in der Mehrzahl der Fälle eine akute
Anämie dar, mit Ikterus und Hämoglobinurie.
Alle diese Piroplasmosen sind impfbare Krank¬
heiten. Sowohl mit dem Blute kranker Tiere,
als auch mit Blut immuner Tiere kann man
die Krankheit bei empfänglichen Tieren er¬
zeugen. Die Schwere der Impfkrankheit
variiert bei den einzelnen Arten, und selbst
innerhalb ein und derselben Art gibt es Rassen-
untorsehiode. Das Ueberstehen der Krankheit
l>edingt Immunität, doch bleibt das Piroplasma
im Blute eine Zeit lang anwesend, sola nge
wenigstens, als Tiere der Infektion ausgesetzt
sind.
Die zweite Abteilung der Piroplasmen ist
nur durch die tropische Piroplasmosis, afrika¬
nisches Küstenfieber, vertreten. Im (Gegensatz
zur vorigen Abteilung kennt man hier ein
kleines Piroplasma, auch bacillenförmiges ge¬
nannt, für das ich den Namen Piroplasma par-
vuin vorgeschlagen habe. Es kommt ungleich
zahlreicher im Blute vor als das grosse Piro¬
plasma. Die Krankheit hat langsamen Ver¬
kauf, die Anämie ist nur massig ausgesprochen,
daher es weniger zu Ikterus und nie zur Hämo¬
globinurie kommt; Milztumor fehlt. Diese
Krankheit ist weder verimpfbar durch Blut
kranker Tiere, noch durch das immuner Tiere,
und die Verimpfung von krankem oder
immunem Blute hinterlässt bei den Impflingen
keine Immunität.
Im besonderen gelten für die einzelnen
Piroplasmosen noch die folgenden Bemer¬
kungen :
Texasfieber des Rindes findet man über
die ganze Welt verbreitet, al>er vornehmlich in
den warmen Ländern. Diese Verbreitung legt
nahe, dass es verschiedene Typen von Piro¬
plasma bigeminum gibt. Die Piroplasmosen
der warmen Länder sind einander am nächsten
verwandt. Es lässt sich nämlich beobachten,
dass die Immunität, die gegen das Piroplasma
des einen Landes erwoi lnm, in der Regel auch
gegen die eines anderen schützt. Eine Differenz
zwischen der gewöhnlichen Piroplasmosis der
warmen und der kalten Länder liegt in der als
llel»erträgcr funktionierenden Zeckenart. Die
genauer untersuchten Piroplasmosen, Texas-
fielwT, Tristezza, australisches und südafrika¬
nisches Red water, werden alle durch einen
Rhipicephalus übertragen. Die amerikanische
Spezies wird als Rhipioephalus annulatus, die
australische als Rhipioephalus australis und
die südafrikanische als Rhipioephalus decolo-
ratus beschrieben. Es existiert auch in Süd-
Afrika eine Varietät, welche mit der amerika¬
nischen identisch sein dürfte. Die europäische
Piroplasmosis wird durch eine andere Zecke,
Ixodes reduvius, übertragen. Beide Gattungen
verhalten sich verschieden. Rhipicephalus geht
den vollen Entwicklungsgang auf ein und dem¬
selben Wirte durch, während Ixodes dazu
mehrere Wirte nötig hat. Bei allen Piroplas¬
mosen geht die Infektion von der Mutterzecke
in das Ei und kommt mit der Larve zum Vor¬
schein. Bei der kontinentalen Hämoglobinurie
scheint nach den Untersuchungen deutscher For¬
scher auch die Nymphe, die als Larve krankes
Blut gesogen, pat hogen zu wirken. Es existieren
Unterschiede, die uns berechtigen, vorläufig an¬
zunehmen , dass die grosse Gruppe des typ.
Piroplasma bigeininum aus verschiedenen
Varietäten besteht.
Die durch P. bigeininum verursachte Piro¬
plasmosis lässt sich mit dem Blute immuner
Tiere vorimpfen. Man hat beobachtet, dass die
erzeugte Impfkrankheit im allgemeinen milder
verläuft und hat deshalb darauf hin ein Impf¬
verfahren begründet, das vorteilhaft an¬
gewendet werden kann für alles in Süd-Afrika
geborene Vieh. Hingegen erkrankt das impor¬
tierte europäische Vieh in grosser Anzahl. Es
liegt also hier eine ungleich grössere Empfäng¬
lichkeit der feineren Rassen vor. Der Umstand,
dass das Blut immuner Tiere die Krankheit er¬
zeugt, setzt voraus, dass P. bigeminum in
immunen Tieren anwesend ist. Bis jetzt hat
man nur ausnahmsweise das typische bim¬
förmige P. bigeminum gefunden. Tatsächlich
liegt der Parasit in einer ganz anderen Gestalt
vor, nämlich als ein kleiner runder oder ovaler
Ring, als kleines Stäbchen oder als kleiner
Punkt mit einer Geisscl. Man kann das Auf¬
treten dieser Formen leicht nach weisen. In
Kälbern, welche im Stalle geboren und gehalten
wurden, kann man sie nicht sehen, ebenso nicht
im importierten Vieh aus Gegenden, wo Red-
water nicht vorkommt. Spritzt man diese Tiere
mit Red watorblut ein, so beobachtet man in
der Regel das Auftreten einer primären und
einige Wochen später einer sekundären Reak-
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200
Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 3. Jahrgang.
tion, begleitet mit dem Erscheinen von P.
bigeminum.
Häufig fehlen die grossen Parasiten. Die
l>eschriebenen kleinen Formen erscheinen ge¬
wöhnlich, nachdem die Reaktionen abgelaufen
sind, ob nun die bimförmigen Parasiten vor-
ausgegangen sind oder nicht. Sie treten immer
auf und beweisen, dass ein Tier immun gegen
die Krankheit ist. Kurz nach der Reaktion sind
sie häufig, um dann allmählich spärlicher zu
werden. Wiederholt man die Bluteinspritzung,
so kann man in der Regel auch wieder ein häufi¬
geres Auftreten dieser immunen Formen beob¬
achten. Sie sind auch vermehrungsfähig, indem
sie z. B. unter gewissen Einflüssen, denen ein
Tier ausgesetzt ist, häufiger erscheinen können ;
so z. B. wenn ein immunes Tier an einer hoch-
fieberhaften Krankheit leide!. Die Tatsache
der liebertragbarkeit des Redwaters mit Blut
immuner Tiere hat eine grosse praktische Be¬
deutung bei der Simultanimpfung gegen Rinder¬
pest, wo als Virus Blut kranker Tiere ver¬
wendet wird, mit dem man dann natürlich die
Krankheit verimpft. Deshalb hat man in Süd-
Afrika, wo infolge des Krieges eine grosse
Vieh Verschiebung und lmportation stattfand,
diese Impfung aufgeben müssen.
Die Piroplasmosis des Pferdegeschlechtes,
auch Pferde-Malaria genannt, ist über ganz
Süd-Afrika verbreitet., Im Lande gezogene
Tiere sind immun, die eingeführten nicht. Als
vorherrschendes Symptom wird ein akuter
Ikterus angetroffen, der seltener bei Maul¬
tieren und ganz selten bei Eseln ist. Man kann
bei allen Tieren gelegentlich Hämoglobinurie
beobachten. Das typische pathol. anatomische
Bild ist bei allen ebenfalls der Milztumor. Bei
Pferden bildet akuter Verlauf der Krankheit
die Regel. Es ist gelungen, die Piroplasmosis
des Pferdes mittelst Blut immuner Tiere auf
Maultiere zu übertragen. Die Piroplasmosis
des Pferdegeschlechtes kompliziert sieh leicht
mit einer sekundären Infektion durch ein zur
Koli-Gruppe gehörendes Bakterium. Man kann
in der Tat solch eine Komplikation durch den
Agglutinationsversuch nach weisen. Die Inku¬
bation der experimentell erzeugten Piroplas¬
mosis dauert beim Pferde 5 J) Tage. Dos
Krankheitsbild der Impfpiroplasmosis stimmt
mit dem der natürlich erworbenen überein. Hin¬
gegen scheinen leichtere Krankheitsfälle die
Regel zu sein, so dass Aussicht vorhanden ist,
analog dem Redwater des Rindes eine Impfung
zu finden. Als Serumlieferanten wählt man
nur im Lande aufgewachsene Tiere oder solche,
welche schon lange Zeit im Lande verweilt haben.
Experimentelle Untersuchungen, welche
Si>ezies von Zecken diese Piroplasmosis über¬
trägt, liegen noch nicht vor ; es kann sich nur
um drei Arten handeln, nämlich Rhipicephalus
decoloratus, Rhipicephalus evertsi und Hya-
lomma ägyptium. Es liegt aber alle Ursache
vor, die erst erwähnte Spezies als Zwischen¬
wirt der Piroplasma equi zu betrachten.
Die dritte Piroplasmosis, zum Typus des
grossen Piroplasma gehörig, ist die der Hunde.
Sie wird vornehmlich in warmen Ländern ge¬
funden. Die Zecke, welche als Träger der
Infektion funktioniert, ist Hämophysalis leaclii.
Das Interessanteste der südafrikanischen Hundc-
piroplasmosis ist die Art und Weise ihrer
Uebertragung mittelst der genannten Zeckenart.
Hämophysalis leachi hat zu ihrem vollen
Entwicklungsgänge drei Wirte nötig, nämlich
einmal als Larve, das zweite Mal als Nymphe
und das dritte Mal als Imago. Das Weibchen
infiziert sich auf einem kranken Hunde, die
Infektion geht auf das Ei über, von diesem auf
die Larve. Die Larve kann einen empfänglichen
Hund heissen und erzeugt in keinem Falle
die Krankheit, ebensowenig tut dies die
Nymphe erst wieder die Imago. Es bleibt also
die Infektion in Larve und Nymphe latent.
Wie erwähnt, verursacht das Blut immuner
Hunde bei empfänglichen Hunden die typische
Krankheit. Die Impfkrankheit ist nun zum
Unterschied der beiden vorigen Piroplasmosen
ebenso akut und tödlich, wie die durch Zecken
erzeugte. Hingegen gelingt es durch wieder¬
holtes Impfen von immunen Hunden mit
steigenden Dosen virulenten Blutes ein Serum
zu erzeugen, das präventive Eigenschaften be¬
sitzt. Dabei besteht die merkwürdige Tatsache,
dass das Blut der Serum liefernden Hunde zu¬
gleich auch infektiös bleibt. Spritzt man also
das Blut ein, so erzeugt man die Krankheit,
mischt man aber dieses Blut mit einer gewissen
Menge aus demselben Blut stammenden Serum,
so wird die Krankheit verhütet. Bis jetzt hat
die Serumbehandlung der Hunde noch keine
praktisch anwendbaren Resultate gezeigt, doch
dürfte dies nur eine Frage der Zeit sein.
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Heft 9.
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
201
Die zweite Abteilung der Gruppe der
Piroplasmosen wird nur durch eine Krank¬
heit repräsentiert, das afrikanische Küsten¬
fieber oder besser die tropische Piroplas-
mosis. Luhs und Dunkowsky fanden die
Krankheit in Transkaukasirn. Der Erreger
dieser Krankheit unterscheidet sich wesent¬
lich von denen der übrigen Piroplasmosen,
wie angeführt. Er ist viel kleiner, wes¬
halb ich den Namen Piroplasma parvum vor- |
geschlagen habe. Er wird im Blute viel zahl- j
reicher angetroffen als die zum Typus des |
grossen Piroplasma gehörigen Blutparasiten.
Die wesentlichen Unterschiede zwischen der
von Piroplasma bigemin. und des Piroplasma
parvum erzeugten Krankheiten habe ich bereits
angeführt. Ein differential-diagnostisch wich¬
tiger Unterschied zwischen Texasfieber und der
tropischen Piroplasmosis ist der, dass Immuni¬
tät gegen die gewöhnliche Piroplasmosis nicht
gegen tropische Piroplasmosis schützt. Diese
neue Krankheit ist die gefährlichste aller Tier¬
seuchen, die Süd-Afrika bedrohen. Es ist die¬
selbe Krankheit, die im Jahre 1837 von Koch
in Ost-Afrika zuerst beschrieben wurde und
von ihm anfänglich für Texasfieber gehalten
wurde. Sie breitete sich sodann über Hhodesia
und die warmen Niederungsgebiete des öst¬
lichen Transvaals aus, von wo sie sich über
verschiedene Gebiete des Landes ausdehnte.
Eine der Hauptursachen, warum diese neue
Piroplasmosis anfänglich mit Texasfieber iden¬
tifiziert wurde, ist die Tatsache, dass man in
kranken Tieren beide Piroplasmaarten an¬
treffen kann.
Die tropische Piroplasmosis hat eine durch¬
schnittliche Inkubationsdauer von 12 Tagen und
einen durchschnittlichen Krankheitsverlauf von
13 Tagen. Die kürzeste Inkubationszeit wurde
experimental auf 6 Tage berechnet, die längste
auf 25 Tage; die kürzeste Krankheitsdauer nur
7 Tage, die längste 21 Tage. Das klinische Bild
ist erst gegen Ende der mit hohem Fieber
begleiteten Reaktion ausgesprochen, variiert
bedeutend, so dass die Diagnose öfter unsicher
ist. Typische Symptome sind tränende Augen,
Katarrhai-Erscheinungen der Nase, Schwel¬
lungen der Submaxillar- und Retropharyngeal-
Drüsen. Es kann geringgradige blutige
Diarrhöe bestehen. Der Tod tritt oft unter
den Erscheinungen des Lungenödems ein, und
post mortem sieht man reichlichen Schaum¬
erguss vor der Nase. Die pathologischen Er¬
scheinungen sind variabel. Sie bestehen in gela¬
tinösen blutigen Infiltrationen der verschie¬
denen serösen Membrane, blutige Infarkte in
den meist ödematösen Lungen, Infarktbildung
der Nieren und akute Degeneration der Leber,
akute hämorrhagische Gastro-Enteritis, Schwel¬
lung aller Lymphdrüsen, leichter Ikterus. Wie
bereits erwähnt, findet nur eine geringgradige
Reduktion der Zahl der Erythrocyten statt, die
natürlich am ausgesprochensten ist, wenn eine
Komplikation mit Texasfieber vorliegt.
Es wurde eine neue Spezies, Rhipicephalus
appendieulatus (Neumann), als hauptsächlich¬
ster Zwischenwirt und von Theiler Rh. simus
nachgewiesen. Diese genannten Ixodidä sind
nun ausschliesslich Bewohner warmer Gegen¬
den, und da allein hat sich die Krankheit ver¬
breitet. Man kann die Krankheit durch Ver-
impfen von krankem Blute oder solchem
immuner Tiere nicht erzeugen. Immune Tiere
sind im Gegensatz zu den übrigen Piroplas¬
mosen keine Gefahr für die Verbreitung der
Krankheit.
Bis dato kennt man kein Impf verfahren
gegen diese Krankheit. Professor Koch hat
in Hhodesia diese Krankheit untersucht und ein
Impf verfahren bekannt gegeben. Das Resul¬
tat war, dass geimpfte und nicht geimpfte Tiere
in gleichem Verhältnis eingingen. Deshalb hat
man diese Methode ganz und gar aufgegeben.
Der Vorschlag des südafrikanischen tierärzt¬
lichen Kongresses in Kapstadt, mittelst Keu¬
lung des Viehes die infizierten Farmen zu
säubern, wurde von der Transvaal-Regierung
nicht akzeptiert. Man nahm die Alternative,
die infizierten Strecken einzudrahten. Dieses
grossartige Unternehmen wird bereits auch
ausgeführt. Es ist Hoffnung vorhanden, auf
diese Art und Weise der Weiterverbreitung
der neuen Pest Einhalt zu tun und sie end¬
lich auszurotten.
Die zweite Gruppe der durch Protozoen er¬
zeugten tropischen Krankheiten sind die Try¬
panosomiasen. Als tropische Trypanosomiasen
müssen betrachtet werden die zur Gruppe der
Nagana gehörenden, die Surra, Mal de Caderas,
die Senegambische Pferdekrankheit und die
südafrikanische Rinderkrankheit. Wir können
die Trypanosomiasen in zwei Abteilungen
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3. Jahrgang
202 Fortschritte der V
trennen, nämlich in eine, wo das Trypanosoma
nur eine bestimmte Tierart infizieren kann, und
in die zweite, in welcher der Parasit für eine
ganze Reihe von Tieren verschiedener Spezies
pathogen wirkt. Zu ersterer gehört die von
mir zuerst beschriebene südafrikanische Rinder¬
krankheit, während der Rest zur zweiten
Gruppe gehört.
Die Trypanosomiasen stimmen in ihrem
pathologisch-anatomischen Bilde im grossen
und ganzen überein. Es handelt sieh haupt¬
sächlich um eine Blutkrankheit, die entweder
als eine akute oder chronische Anämie ver¬
läuft. Eines der empfänglichsten Tiere für
die verimpfbaren Trypanosomiasen ist der
Hund. Bei ihm verläuft die Krankheit meist
akut. Die verschiedenen Trypanosomiasen ver¬
halten sich bei den verschiedenen Haustieren
verschieden. Das Pferd, der Esel und das
Maultier sind sehr empfänglich für Nagana,
die meisten von mir beobachteten Fälle ver¬
liefen akut oder subakut. Beim Schaf und
der Ziege nimmt die Nagana einen mehr chroni¬
schen Verlauf.
Die Surra der Pferde verhält sich ähnlich
wie die Nagana, und die Mortalitätsverhältnisse
sind auch dieselben. Hingegen unterscheidet
sich die Surra des Rindes von der Nagana in¬
sofern, dass Rinder zwar für die Krankheit
empfänglich sind, aber dann seltener daran
eingehen. Beiden ist auch der chronische Ver¬
lauf eigentümlich, und daher auch dieselben
Symptome, die hauptsächlich in Abmagerung
bestehen. Die Büffel scheinen für Surra emp¬
fänglicher zu sein als die Rinder. Schafe und
Ziegen, die mit Surra infiziert worden waren,
zeigten einen ähnlichen Krankheitsverlauf wie
Naganakranke.
Mal de Caderas ist eine südamerikanische
Krankheit, die vornehmlich beim Pferd ge¬
funden wird und einen subakuten oder chroni¬
schen Charakter hat und ebenso wie die vorigen
Trypanosomiasen sehr tödlich ist. Bei Schafen,
Ziegen und Rindern scheint das Mal de Caderas
unter natürlichen Bedingungen nicht varzu¬
kommen. Die Krankheit lässt sich wohl auf
diese Tiere verimpfen, sie überstehen dieselbe
aber leicht. Die Trypanosomen sind nur spärlich
vorhanden, doch kann das Blut monatelang
infektiös bleiben.
Die Gambische Pferdekrankheit scheint
eterinär-Hygiene.
einen sehr chronischen Verlauf zu haben, und
die Trypanosomen sind mikroskopisch auch nur
spärlich oder gar nicht nachweisbar, während
das Blut beständig infektiös bleibt. Diese
Krankheit lässt sich ebenfalls auf die Rinder
vcrimpfeA, und diese scheinen dafür sehr emp¬
findlich zu sein. Immerhin wurde bis dato
bei Rindern unter natürlichen Umständen dieses
Trypanosoma nicht gefunden. Auch Schafe und
Ziegen können durch Impfen infiziert werden,
die Krankheit verläuft sehr chronisch und die
Parasiten sind selten, Genesungen scheinen vor¬
zukommen.
Die hier angeführten Krankheiten warmer
Länder gehören zu den ätiologisch am genau¬
sten bekannten. Ihre Zahl ist damit nicht er¬
schöpft. In Transvaal existieren unter den
Haussäugetieren noch Krankheiten, für deren
Erforschung bisher die Zeit fehlte. Die Krank¬
heiten, welche ich als in Süd-Afrika vor¬
kommend, näher beleuchtete, stellen grosse
Kalamitäten dar, die von weitgehendster öko¬
nomischer Bedeutung sind. Dasselbe gilt auch
für die Trypanosomiasen anderer Länder,
namentlich der Surra, wie die kürzliche In¬
vasion der Insel Mauritius bewiesen hat. Die
Bekämpfung derselben stösst auf enorme
Schwierigkeiten, die in erster Linie in der Art
und AVeise der Verbreitung der Krankheit be¬
gründet ist. Als notwendige Folgen der speziell
in Süd-Afrika gemachten Erfahrungen stellt
sieh aber für kolonisatorisch vorgehende
Staaten die Notwendigkeit ein, das Studium
der Tierkrankheiten der eingeborenen und im¬
portierten Tiere zu pflegen, denn es ist immer
in erster Linie der Farmer, der berufen ist,
die Kultur eines Landes zu eröffnen und zu
begründen. Die Veterinärwissenschaft wurde
| in den neuen Ländern meist nur stiefmütter¬
lich, ja sogar verächtlich behandelt. Sie allein
aber ist l>erufen, die AVege zu eröffnen, auf
denen ein erspriessliohes Gedeihen der Tier¬
zucht warmer Gegenden möglich sein wird.
Der bakteriologisch ausgebildete Tierarzt sollte
unter die ersten Pioniere der zu eröffnenden
Länder gehören. Dass er jedenfalls Gutes
leisten kann, hat die Erfahrung in Süd-Afrika
bewiesen.
Der zweite Referent, Piot Bey (Kairo),
behandelte in seinem auf Grund seiner lang-
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Heft 9.
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
203
jährigen Beobachtung verfassten Bericht über j
die tropischen Krankheiten der Haustiere in
Aegypten zusammenfassend die durch Blut¬
parasiten verursachten Krankheiten (Trypano¬
soma, Piroplasma) die hämorrhagische Septi-
kämie (barbonc) des Büffels und Kindes, das j
Dengue-Fieber des Rindes, die Pferdepest, die i
Dysenterie der Rinder, die Lungenwurmkrank- !
heit (Strongylosis pulmonum) der Wiederkäuer,
eine Augenentzündung des Pferdes, eine Haut¬
krankheit des Rindes, die Räude des Kamels,
die Bilharziosis, und die Draoontiasis. All diese
Krankheiten richteten, bez. richten auch jetzt
noch in Aegypten epidemische Verheerungen an.
Verfasser fasste die charakteristischen
Symptome und die Obduktionsbefunde der ein¬
zelnen Krankheiten kurz zusammen, wobei aber
die Natur jeder Krankheit genau charakteri¬
siert wurde.
Die Behandlung der beschriebenen Krank¬
heiten betreffend, wies Piot Bey nach, dass,
während in den meisten Fällen die therapeu¬
tische Behandlung wirkungslos war, die pre-
ventive Behandlung und die prophylaktischen ;
Massnahmen das Hebel häufig gründlich be- I
seitigten. j
Sehr instruktiv ist in dieser Hinsicht die |
graphische Kurve, welche Piot Bev seiner Ab¬
handlung beischliesst und welche als eloquen¬
testes Plaidoyer zugunsten der sachgemässen
Intervention des Tierarztes in der Tierzucht j
dienen kann. Diese Kurve zeigt auf Grund
amtlicher Daten die allgemeine Sterblichkeit
der Haustiere der ägyptischen Staatsdomänen
in den Jahren 1879 bis 1904.
Aus diesen Daten ist ersichtlich, dass die
durchschnittliche Sterblichkeit vor Einführung
des Veterinärdienstes in den Jahren 1879 bis
1881 16 o/o betrug, wählend sie in den letzten
15 Jahren und nachdem Piot Bey mit der Or¬
ganisation des Veterinär - Dienstes betraut
wurde, unter J °o sank, mit Ausnahme von
1904, zu welcher Zeit die orientalische Kinder- j
pest ausbrach, der in Aegypten JO 40 °o des j
Kinderstandes zum Opfer fielen und in wel- i
ehern Jahr sich die Sterblichkeit auf den Do- !
mänen auf 5 <>o erhöhte, inbegriffen die durch |
die Rinderpest verursachten Verheerungen.
Als dritter Referent behandelte Li-
gnieres (Buenos-Ayres) die Trypanosomiasen
und die Piroplasmosen. Er charakterisierte die
Gruppen im allgemeinen und schilderte sodann
die einzelnen Krankheiten, beschrieb darauf
die Trypanosomen, ihre Virulenz und die Art
der natürlichen Infektion, sowie die Resultate
einiger seiner neueren Untersuchungen, nament¬
lich der an weissen Mäusen vollführten Serien¬
impfungen mit Trypanosoma equiperdum. Bei
der Mal de Caderas spricht er von der Cen-
trosonia und erwähnt eine Katze, die dem
Trypanosoma equinum 2 Jahre, 7 Monaten und
15 Tage widerstanden hat.
Nach einem Rückblick auf die wichtige
Entdeckung von Novy und MacVeel, betreffs
die Art und Weise der Züchtung der Trypa¬
nosomen, behandelte Referent die Unterschei¬
dung der Trypanosomen und entwickelte seine
Meinung über diese wichtige Frage, wobei er
nachwies, dass man auch auf die Hämatozoen
das Gesetz anwenden muss, welches er hinsicht¬
lich der Parasiten im allgemeinen, speziell aber
der Bakterien aufgestellt hat.
Ein Kapitel widmete Referent der Frage
über die Infektion mit Trypanosomen und be¬
stätigte, dass hauptsächlich die Caderas und
Nagana vielleicht noch leichter durch den Biss
übertragen werden, als die Wutkrankheit.
Eine sorgsame Zusammenfassung der Be¬
kämpfung und Heilung der genannten Krank¬
heiten bildete den Schluss des ersten Teiles.
Bei Schilderung der Piroplasmosis befolgte
Referent dieselbe Methode: nach einer allge¬
meinen Charakteristik trägt er all das vor. was
über die Piroplasmosis der Hunde. Schafe und
Kinder bekannt ist. Bei letzterer, die er ein¬
gehend studiert hat, unterscheidet er voj allem
die durch Piroplasma bigeminum verursachte
Form (Piroplasmosis bovis) von jener, die durch
Piroplasma Kochii hervorgerufen wird (Piro¬
plasmosis bacillifonnis). Die Symptome und
Veränderungen, die Parasiten und ihre Imp¬
fung, sowie die Immunität weisen charakte¬
ristische Verschiedenheiten auf.
Laut Lingnieres unterscheiden sieh nicht
nur die Piroplasmosen der Kinder voneinander,
sondern, wie er dies zuerst nachgewiesen hat.
auch die gewöhnliche Rinder-Piroplasmosis
kommt in verschiedenen Formen vor.
In einem eigenen Kapitel befasste sich
Referent mit der Bekämpfung und Heilung. Tn
letzterer Hinsicht zeigt sich kein Fortschritt.
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204
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
3. Jahrgang.
hingegen hat die Prophylaxis, welche sich
gegen die Zecken und Piroplasmen kehrt,
wesentliche Fortschritte gemacht.
Nach Aufzählung der verschiedenen Imp-
fungsarten entwickelte Referent die allge¬
meinen Prinzipien der von ihm vorgeschlagenen
Schutzimpfung, ohne aber den Impfstoff, der
sich in der Praxis bewährt hat, genau zu be¬
schreiben.
Schliesslich brachte er detaillierie Daten
bei über die Resultate der Schutzimpfung, die
er bei mehrjähriger und unter verschiede¬
nen Umständen erfolgter Anwendung ge¬
sammelt hat.
Zu dem zweiten Thema der Sektion für
Tropenkrankheiten: Die Bedeutung der Proto¬
zoen in den Krankheiten der Tiere, lagen
zwei Referate von Motas (Bukarest) und
Laverau und Vallee (Alfort) vor.
Das Wesentlichste dieser Referate ist in
dem ausführlich wiedergegebenen Bericht von
Theiler enthalten, so dass von einer Wieder¬
gabe abgesehen werden kann.
Für die Nachmittagssitzung der Sektion
für Pathologie waren drei Gegenstände auf die
Tagesordnung gesetzt. Uefcer das erste Thema,
die Serotherapie der infektiösen Krankheiten
bei den Haustieren, berichtete Lignieres
(Buenos-Ayres). Referent gab zunächst eine
kurze geschichtliche Einleitung über die Ent¬
deckung der antitoxischen und bakteriziden
Eigenschaften des Blutserums und eine Dar¬
stellung der Hypothesen. Er führte aus, dass
auch das gesunde Serum giftwidrige und bak¬
terizide Eigenschaften zufolge der im gesunden
Körper sich befindenden Bakterien besitzt, was
nicht ohne praktische Bedeutung ist. Alsdann
wurde das Verfahren zur Gewinnung spezi¬
fischer Sera beschrieben und deren Anwendung.
Einige allgemein gehaltene, nicht eben neue
Angaben machte Sobernheim (Halle).
Gegen die polyvalenten Seren und deren schema¬
tische Anwendung wendete sich Schreiber
(Landsberg). Burow (Halle) mühte sich, den
Sobernheimschen Milzbrand-Impfungen eine
empfehlende Darstellung zu geben. Thei ler
(Prätoria) und R a s s a u (Windhuk) berichteten
über die guten Resultate, die in Süd-Afrika
mit der Serumimpfung gegen die Rinderpest er¬
zielt wurden.
Ueber das zweite Thema: Der Krebs der
Haustiere, sprachen Jensen (Kopenhagen),
welcher sich gegen die Infektionstheorie aus¬
sprach. Er berichtete über seine bekannten
Transplantationsversuche und die Immunisie¬
rung mittelst Serum von Tieren, denen Krebs¬
masse injiziert war. Als zweiter Referent be¬
handelte Lienaux (Brüssel) die Frage be¬
sonders im Hinblick auf die Diagnose. 011
(Giessen) schliesslich fasste seine Ausführungen
i in folgende Schlusssätze zusammen:
1. Die Erfahrung spricht nicht dafür, dass
Trapmen, sowohl die ungemein häufigen mecha¬
nischen, wie auch die thermischen und chemi¬
schen, bei den Haustieren für Carcinomatose dis¬
ponieren.
2. Gewebsläsionen mit chronischen Reiz¬
zuständen, welche sich durch eingedrungene
tierische Parasiten und Pflanzenfragmentc in
Unsummen an Schleimhäuten der Tiere ab¬
spielen, kommen für die Aetiologie des Car-
cinoms nicht in Betracht.
3. Es liegen keine Tatsachen vor. welche
als Beweise für die parasitäre Natur des Car-
cinoms gelten können; insbesondere lassen sich
aus den statistischen Erhebungen über das Vor¬
kommen des Krebses bei Tieren keine Wahr¬
scheinlichkeitsgründe für die hypothetische An¬
nahme eines Krebsparasiten ableiten.
4. Die bis jetzt geglückten Uebertragungen
einiger maligner Neubildungen sind als reine
Transplantationen zu deuten.
Schütz (Berlin) machte als Mitglied des
Komitees für Krebsforschung die nicht eben
überraschende Mitteilung, dass der Krebs von
einigen als eine parasitäre, von anderen als
eine nicht parasitäre Krankheit angesehen wird.
Das letzte Thema: Die Rotzkrankheit der
Lunge und die mit derselben verwechselbaren
Knötchenbildungen anderen Ursprungs, hatte
R i e g 1 e r (Bukarest) als Referent übernommen.
Redner erklärte, dass Rotz der Lunge primär
und sekundär auftreten und sogar das einzige
Krankheitszeichen sein kann.
Diese sich langsam entwickelnde, latente
Form des Rotzes wird nur durch den Thermo¬
meter, durch die Malleinprobe oder durch die
Serumdiagnos;* erkannt. Die Anzahl der in
dieser Weise rotzkranken Pferde kann 30 bis
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Heft 9.
Fortschritte der Veterinär -Hygiene.
205
;>o °/o des Pferdebcstandes betragen. .Fehlen in
den übrigen Organen die durch liutz hervor¬
gerufenen Veränderungen vollkommen, so kann
der Botz der Lunge als primär betrachtet
werden. Da der Rotz der Lunge langsamer
verläuft und gutartiger ist als der offenbar
chronische Rotz, und da die krankhaften Ver¬
änderungen hier nur gering sind, so kann diese
Form des Rotzes als heilbar betrachtet werden.
Nach den bisherigen Erfahrungen wird der
Rotz der Lunge, zeigt er sich für sich allein
oder gleichzeitig mit anderen rotzkranken Or¬
ganen, sehr häufig durch Infektion im Wege
der Verdauungsorgane verursacht. Zur voll¬
kommenen Lösung dieser Frage ist es er¬
wünscht, dass mit Pferden Fütterung« - versuche
angestellt werden, wobei Rotzbacillenkulturen,
wie auch Krankheitsprodukte rotzkranker Tiere
— immer in den geringsten Mengen — ver¬
wendet werden sollen.
Die durch Rotz verursachten Verände¬
rungen der Lunge sind verschiedenartig, die
auffälligste und gewissermassen spezifische
Veränderung bilden die Rotzknötchen, welche
in den verschiedenen Formen, Dimensionen und
Transformationen oft in einem Tier Vor¬
kommen ; diese Knötchen verkalken auch manch¬
mal in geringem Masse. Gleichzeitig mit den
durch Rotz verursachten Veränderungen der
Lunge finden wir auch häufig durch Rotz-
hervorgerufene Veränderungen der bronchialen
Lymphdrüsen.
Die Rotzknötchen sind einander oft sehr
ähnlich und werden demzufolge auch häufig
verwechselt mit einigen durch chronische
Krankheiten verursachten Veränderungen, z. B.
mit den durch Bronchialkatarrh, Peribron¬
chitis, Bronchiektasie verursachten Verände¬
rungen, mit den metastatischen Knötchen der
Pvämie, mit Tuberkulose, mit den Metastasen
wirklicher Geschwülste, hauptsächlich und zu¬
meist aber mit den durchsichtig fibrösen oder
fibrös - kalkigen Knötchen parasitären Ur¬
sprunges.
Die Natur der rotzigen Veränderungen
kann genau bestimmt werden, wenn in den
übrigen Teilen des Organismus Rotzknötchen
vorhanden sind; finden sich solche nicht vor,
so prüfen wir diesbezüglich die bronchialen
Lymphdrüsen und unterziehen auch einer
genauen Prüfung die Natur und Lage der rotz¬
verdächtigen Veränderungen, sowie ihr Ver¬
hältnis zum Lungengewebe. Noch sicherer ist
die Benutzung des Mikroskopes, Züchtung von
Kulturen und Impfungen von Versuchstieren,
da die durch Rotz verursachten Veränderungen
manchmal den durch Parasiten verursachten
Knötchen genau ähnlich sind.
Es kommt auch vor, dass die in der Lunge
auftretenden Verkalkungen von Rotz stammen.
Diese Knötchen sind zuweilen ganz steril, oft
aber kann aus ihnen der Rotzbacillus gezüchtet
werden, oder aber es geben die damit aus¬
geführten Impfversuche ein positives Re¬
sultat. Am zweckmässigsten ist es, wenn die
Züchtung der Kulturen, das Impfen von Meer¬
schweinchen und die mikroskopische Unter¬
suchung gleichzeitig vorgenommen werden.
Olt (Giessen) wendete sich gegen die Aus¬
führungen des Referenten. Die von diesem
beschriebenen Lungenknötchen sind nicht
rotziger Natur; sie sind vielmehr hervor¬
gegangen aus durch Parasiten erzeugten Em¬
bolien in den Blutgefässen. Andere Knötchen
sitzen im Parenchym, in den Alveolen, sie
stellen eine Vermehrung von lymphatischen
Gewebszellen dar. Primärer Lungenrotz kommt
wohl kaum vor.
Riegler: Auf Grund mikroskopischer
Untersuchung allein kann eine Entscheidung
nicht getroffen werden. Hierzu muss der Kul¬
turversuch und die Impfung herangezogen
werden.
Schütz (Berlin) kennzeichnete präziser
die Merkmale der Rotzknötchen, hob hervor,
dass der Bacillus mal lei nicht durch eine Drüse
gehen kann, ohne dort Veränderungen zu er¬
zeugen. Primärer Lungenrotz ist noch nie beob¬
achtet worden. Das Mallein allein kann zu
keiner Entscheidung führen, ob Rotz vorliegt
oder nicht.
Am fünften Verhandlungstage hatte die
Sektion für Veterinärpolizei als erstes Thema
der Tagesordnung zu erledigen: Die Schutz¬
impfung gegen die Aphthenseuche, zu wel¬
chem Gegenstände Loeffler (Greifswald)
und Perroncito (Turin) sprachen.
Der erste Referent Loeffler führte etwa
folgendes aus: Durch das bis vor wenigen
Jahren beobachtete starke Auf tre teil der
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Aphthenseuche sind grosse Mengen der Tiere
immun geworden. Auch in den Nachkommen
dieser Tiere ist zweifellos eine gewisse Immuni¬
tät vorhanden, so dass hierdurch und den
strengen veterinärpolizeiliehen Massregeln zu¬
folge die Seuche in Deutschland zurzeit einen
ausserordentlich niederen Ausbreitungsstand
einnimmt. Indessen ist zu erwarten, dass die
Aphthenseuche über lang oder kurz in grossem
Umfange und gefolgt von erheblichen Verlusten
wieder auf treten wird. Nach den bisherigen
Erfahrungen dürfen wir nicht annehmen, dass
die veterinärpolizeilichen Massnahmen allein
imstande sind, etwaige grosse Seuchenausbrüche
erfolgreich und nachhaltend zu bekämpfen.
Hier muss die Schutzimpfung als ein wert¬
volles Kampfmittel bezeichnet werden. Es ist
möglich, Tiere gegen Aphthenseuche zu immu¬
nisieren. Die Schwierigkeit liegt nur darin
begründet, dass zur Serumgewinnung der in
ausreichenden Mengen nicht gut zu erhaltende
Aphtheninhalt erforderlich ist. Diese Lymphe
wird gewonnen von künstlich infizierten
Schweinen aus den Blasen an den Klauen, und
wird durch Filtrieren mittels Filterkerzen bak¬
terienfrei gemacht. Das Serum gewinnt man
von Pferden. Bei Schweinen und Schafen ge¬
lingt die Schutzimpfung in einem für die prak¬
tische Verwendung vollkommen ausreichendem
Masse. Dagegen verleiht das Pferdeserum den
Bindern nur eine kurze Zeit anhaltende Im¬
munität. Bessere Resultate lassen sich durch
Binderserum, in grösseren Mengen verimpfl,
erzielen. Nur ist dieser Impfstoff zu teuer;
die Schutzimpfung kostet pro Tier etwa zehn
Mark. Die weiterhin angesteilten Versuche
zur Gewinnung eines brauchbaren und gleich¬
zeitig billigen Impfstoffes haben zu dem Er¬
gebnis geführt, dass durch wiederholte Ein¬
spritzungen geringer Mengen Serum in acht¬
tägigen Zwischenräumen eine längere Zeit
dauernde Immunität erzielt wird, dass Serum-
und Lymphgemische in einem bestimmten Ver¬
hältnis eine gleichmässige ’ Grundimmunität
verleihen, die durph nachfolgende Einspritzung
von Lymphe in sehr geringen Mengen eine
sehr hochgradige wird. Eine Mischung von
<h03 ccm Lymphe und 0,5 ccm Rinder-Scrum
werden zunächst unter die Kauf gespritzt.
Nach 21 2b Tagen werden den Tieren 0,003
ccm Lymphe, nach weiteren 12 11 Tage 0.01
ccm Lymphe und nach nochmals 12—14 Tagen
j 0.04 ccm Lymphe eingespritzt. Das Verfahren
j hat sich bisher lx>i den Versuchs-Impfungen
ausgezeichnet bewährt. AVenn es auch infolge
der mehrmaligen Impfungen etwas umständ¬
lich ist, so ist es doch wirksam, ungefährlich
und billig. Die Immunisierung eines Rindes
kostet 30—50 Pfennige. Die Herstellung des
Impfstoffes sollte verstaatlicht werden. Die
Impfung darf nur von Tierärzten ausgeführt
werden.
Hecker (Leipzig) bezweifelte die prak¬
tische Durchführbarkeit der Schutzimpfung,
bezeichnete sie auch als recht gefährlich, da
j viermal mit virulentem Material geimpft wird,
I wobei leicht Infektionsstoff verstreut und ver¬
schleppt werden kann.
In der sehr lebhaft geführten Diskussion,
an welcher sich ausser dem Referenten und
anderen, Lorenz, Hess (Bern), Arloing
und Pe r r o n c i t o beteiligten, wurden vor¬
wiegend die Fragen erörtert, ob die veterinär¬
polizeilichen Massnahmen allein zur erfolg-
i eichen Unterdrückung der Aphthenseuche ge-
I nügen oder nicht, und ob das Schutzimpfungs-
* verfahren als Bekämpfungsmittel wirksame
| Ergebnisse verspricht. Referent spricht den
von Hecker geäusserten Befürchtungen ge¬
genüber sieh dahin aus, dass der virulente
Impfstoff in den Händen der Tierärzte eine
Infektionsgefahr nicht bedeutet. Er bringt in
Vorschlag: Der Kongress soll die Anerkennung
der Schutzimpfung gegen die Aphthenseuche
aussprechen, die Impfung soll bei staatlicher
] Eni schädigungspflicht für Impfverluste unter
staatlicher Aufsicht und nur von Tierärzten
ausgeführt werden. Von dem Kongress wurde
folgende Resolution beschlossen:
1. Die Erfahrung zeigt, dass die veterinär-
polizeilichen Massregeln ausgezeichnete Resul¬
tate ergeben, wenn sie sofort beim Ausbruch
der Aphthenseuche angewendet und von Tier¬
ärzten geleitet werden.
| 2. Es ist nützlich, dass die Staaten sich
gegenseitig durch Telegraph von dem ersten
' Auftreten der Seuche in ihrem Lande benach-
1 lieht igen.
I 3. Im Hinblick auf die sehr interessanten
Resultate der Schutzimpfung spricht der Kon¬
gress den AVunseli aus, dass die Regierungen
das Studium ihrer praktischen Brauchbarkeit
fördern möchten.
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Heft 9.
207
Fortschritte der
I)cn nächsten Punkt der Tagesordnung bil¬
dete das Thema: Die Bekämpfung der Sehweine-
seuelie und Schweinepest. Der erste Referent
J o e s t (Dresden) gab eine kritische Betrach¬
tung der veterinärpolizeilichen Massregeln und
erörterte die Aussichten der Schutzimpfung.
Redner gelangte auf Grund seiner Ausführun¬
gen zu folgenden Schlusssätzen: Zur Be¬
kämpfung der Schweineseuche und der
Schweinepest sind veterinärpolizeiliehe Mass¬
nahmen erforderlich. Schweineseuche und
Schweinepest sind veterinärpolizeilich gleich
zu behandeln. Die vetcrinärpolizei liehen
Massnahmen gegen die Schweineseuche und die
Schweinepest müssen dem vorherrschenden Cha¬
rakter und der Verbreitung dieser Seuchen an-
gepasst sein. Als veterinärpolizeiliche Mass ;
nahmen gegen die Schweineseuche und die
Schweinepest sind zu empfehlen: die Anzeige¬
pflicht, geeignete Sperrmassregeln, die IÜber¬
wachung des Handelsverkehrs mit Schweinen,
die unschädliche Beseitigung der Kadaver ge¬
fallener seuchekranker Schweine und anderen
infektiösen Materials, die Desinfektion der ver¬
seuchten Räume. Tummelplätze, Transport¬
mittel usw. Eine allgemeine amtliche Tötung
der verseuchten Bestände ist bei der heutigen
Verbreitung der Schweineseuche und Schweine¬
pest- nicht durchführbar. Neben der veterinär-
polizeilichen Bekämpfung ist l>ci der Schweine¬
seuche die Schutzimpfung in verseuchten Be¬
ständen zu empfehlen. Eine praktisch brauch¬
bare Schutzimpfung erfordert: a) ein Impf¬
verfahren, welches den epidemiologischen Be¬
sonderheiten der Schweineseuche Rechnung
trägt; b) einen wirksamen Impfstoff, welcher
unter Berücksichtigung der biologischen Eigen-
t ümlichkeiten der Schweineseuche - Bakterien
hergestellt ist.
Dam mann bemerkte, dass die veteri¬
nären Massnahmen von dem Referenten zwar
oine abfällige Kritik erfahren hätten, dass aber
bessere nicht in Vorschlag gebracht seien. Nach
seinen Beobachtungen hat das polyvalente
Schweineseucheserum von Wassermann - Oster-
tag sich als brauchbares Schutz- oder Heil¬
mittel nicht erwiesen.
Der zweite Referent Preisz (Budapest)
begründete in eingehender Darstellung die
nachfolgenden Schlusssätze, die als Kongress¬
beschluss zur Annahme gelangten:
Veterinär-Hygiene.
1. Die Schweineseuche (worunter man im
weiteren Sinne häufig eine Mischinfektion mit
Pest zu verstehen hat) ist durch veterinäx-
polizeiliche und hygienische Massregeln zu be¬
kämpfen.
2. Es ist kein Schutz- oder Heil impf ver¬
fahren gegenül>er der Schweineseuche als wert¬
voll bekannt. Es sind Forschungen, die zu
einem brauchbaren Impf verfahren führen könn¬
ten, empfehlenswert.
Nachmittags um 3 Uhr setzte die Sektion
ihre Beratungen fort. Verhandelt wurde das
Thema: „Bekämpfung und Tilgung der Wut¬
krankheit“. Referenten hierfür waren Spil-
man n (Lemberg) und C asper (Breslau).
Letzterer schilderte zunächst die Gefahren der
Wutkrankheit, beschrieb an der Hand eines
umfangreichen statistischen Materials die
immer mehr zunehmenden Fälle derselben und
sagte am Schlüsse seines Vortrages etwa fol¬
gendes: Es fragt sich nun, welche Massregeln
zu treffen sind, um die Tollwut vom Stand¬
punkte der internationalen Seuchenbekämpfung
aus einzuschränken und zu tilgen, beziehungs¬
weise ob und inwiefern die bestehenden veteri¬
närpolizeilichen Bestimmungen der Verbesse¬
rung bedürfen. Als erste Forderung kann nicht
nachdrücklich genug betont werden, dass die
Bekämpfung in allen Ländern nach denselben
Grundsätzen und mit derselben Strenge zu er¬
folgen hat. Es ist ferner zu erwägen, ob nicht
die im Gesetz vorgeschriebene Begrenzung des
Sperrbezirkes — 4 km — zu gering bemessen
ist. Auch die Zeitdauer der Hundesperre
scheint mit drei Monaten zu kurz berechnet, da
in vielen, sicher beobachteten Fällen die In-
kubinationszeit der Wut bei Hunden über drei
Monate betrug. Den von einigen Seiten, so
auch von Sehüder gemachten Vorschlag, es solle
für die getöteten Hunde Entschädigung ge¬
leistet werden, vermag ich nicht zu befür¬
worten. Liegt für manche Besitzer eine ge¬
wisse Härte darin, dass für sie wertvolle Hunde
ohne Entschädigung getötet werden, so ist die
Realisierung der Entschädigungspflicht doch
ausserordentlich schwierig. Auf Grund der
vorstehenden Ausführungen gestatte ich mir,
dem Kongress folgende Schlussanträge zu un¬
terbreiten : Der Kongress wolle erklären:
1. Die Bekämpfung und Tilgung der Wut-
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208
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
3. Jahrgang.
krankheit in einem kontinentalen Staate kann
nur dann erfolgreich sein, wenn auch in den
Nachbar ländern die veterinärpolizeilichen
Schutzmassregeln sachgemäss und streng zur
Durchführung gelangen. Es ist daher dringend
erforderlich, dass die Handhabung der Veteri¬
närpolizei bezüglich der Tollwut in allen Län¬
dern nach denselben (Grundsätzen erfolgt.
2. Die Anzeigepflieht, welche bisher nur
für tollwutkranke und der Tollwut verdäch¬
tige Hunde vorgeschrieben ist, muss sich auch
erstrecken auf alle Tiere, welche von tollwut¬
kranken oder toiIwutverdächtigen Hunden ge¬
bissen worden sind. Zur Anzeige müssen nicht
nur die Besitzer der Tiere und die im § 9
des Seuchengesetzes bezeichneten Personen, son¬
dern auch alle diejenigen verpflichtet werden,
welche Kenntnis davon haben, dass Tiere von
solchen Hunden gebissen worden sind.
3. Es ist zu erwägen, ob es nicht wün¬
schenswert wäre, die Hundesperre auf einen
grösseren Umkreis als bisher und auf eine
längere Zeit als drei Monate auszudehnen.
4. Als wünschenswert ist die Einführung
eines in allen Ländern gleichmässig gültigen
und streng durchzuführenden Hundehaltungs-
Gesetzes zu bezeichnen, welches folgende Be¬
stimmungen enthalten müsste:
a) Jeder Hund in den Städten und auf
dem Lande ohne Ausnahme ist anzumelden und
unter Eintragung in eine Liste zu besteuern.
b) Alle eingetragenen Hunde sind am Hals- |
band mit einer Marke zu versehen, welche den
Namen des Besitzers und die Nummer des
Hundes in der Steuerliste trägt.
c) Jeder Hund ist mit einem gut sitzenden
Maulkorbe zu versehen, welcher derartig kon¬
struiert ist, dass er das Beissen unmöglich
macht, die Nahrungsaufnahme und das Trinken
aber nicht verhindert.
d) Hunde ohne Marke und ohne Maulkorb
werden eingefangen und, wenn sie nicht bis zu
einem bestimmten Termin reklamiert sind, ge-
< ötet.
Dieser Schlussantrag wurde von der Sek-
lion einhellig angenommen.
Am sechsten und letzten Yerhandlungs-
tage, an welchem die Sektion für Biologie noch
eine Sitzung abhielt, sprach Hess Giern) üIkt
die Aetiologie und Therapie der Gebärparese.
Die Aetiologie ist ebenso wie der Begriff der
Gebärparese wenig geklärt. Bei den drei un¬
terschiedenen Krankheiten, dem Gebärfieber,
der Puerperalseptikämie und dem sogenannten
Fest liegen nach der Geburt handelt es sich
um eine nur graduell verschiedene Krankheit
mit gleicher Ursache, nämlich einer traumati¬
schen puerperalen Infektion.
Schmidt (Kolding) vertrat demgegen¬
über seinen bekannten Standpunkt, dass die
Gebärparese eine vom Euter ausgehende Auto¬
infektion ist, und dass die von ihm angegebene
Behandlungsweise die besten bisher erzielten
Resultate bietet.
Hierauf fand die allgemeine Schluss¬
sitzung des Kongresses statt, welche mit einer
kurzen Ansprache des Vorsitzenden eröffnet
wurde. Dann sprach Schmaltz (Berlin)
über die bisherige Entwicklung und künftige
Gestaltung der internationalen tierärztlichen
Kongresse. Redner führte u. a. aus, dass der
erste ähnliche Kongress im Jahre 1863 etwa
hundert Mitglieder zählte, während der achte
deren vierzehnhundert auf weist. Er gedachte
ferner der vorzüglichen Durchführung aller
Vorarbeiten des Kongresses, was in erster
Reihe ein Verdienst des unermüdlichen General¬
sekretärs von Ratz ist, und beantragte, der
Kongress möge aussprechen:
1. Die internationalen tierärztlichen Kon-
I gresse dienen der Förderung der gesamten
Veterinärwissenschaft und ihrer praktischen
Anwendung.
2. Es wird heute eine ständige inter¬
nationale Kongresskommission gewählt, in
welche aus den heute anwesenden Kongress¬
mitgliedern zu delegieren sind:
a) die beiden Leiter des diesmaligen Kon¬
gresses (Rektor Hutyra und Professor Ratz);
b) zwei Vertreter des Landes, in welchem der
nächste Kongress stattfindet; c) je ein Ver¬
treter von Deutschland, Frankreich, England,
Dänemark, Norwegen, Schweden, Russland,
Oesterreich, Italien, Rumänien, Serbien,
Schweiz und Nordamerika.
3. Die Kommission hat zunächst einen
Organisationsplan und eine eingehende Ge¬
schäftsordnung auszuarbeiten, welche für den
nächsten Kongress massgebend sind und in
dessen Schlusssitzung zur endgültigen Beratung
gestellt werden.
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Heft 9.
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
209
4. Bis auf weiteres regelt die Kommission
ihre Geschäftsordnung selbst und wählt einen
Präsidenten und einen Generalsekretär. Ihre
Abstimmungen erfolgen schriftlich, es ent¬
scheidet einfache Majorität.
f). Die Kommission hat auch die Tages¬
ordnung des nächsten Kongresses festzusetzen
und sich vor diesem darüber zu vergewissern,
ob der nächste Jubiläumskongress 1913 in
London stattfinden kann.
6. Der IX. Kongress findet 1909 in Hol¬
land statt.
Diese Anträge wurden nach kurzer Dis¬
kussion mit geringen Abänderungen ange¬
nommen.
Generalsekretär von Ratz unterbreitete
sodann die von den Sektionen gefassten Be¬
schlüsse, welche en bloc angenommen wurden.
Lothes (Cöln) legte folgenden Antrag
vor: Die tierärztlichen Bildungsanstalten
sollen das Recht der Verleihung des Grades
eines Doktors der Veterinärmedizin erhalten.
Die Würde eines Doktors der Veterinärmedizin,
welche von einer Universitätsfakultät verliehen
ist, soll ebenso anerkannt werden, wie die übri¬
gen von der Universität verliehenen Grade.
Die permanente Kongresskommission soll die
hierzu erforderlich erscheinenden Schritte un¬
ternehmen.
Dem Antrag wurde allseitig zugestimmt.
W u r t z (Utrecht) hiess den nächsten Kon¬
gress, welcher im Jahre 1909 im Haag statt¬
finden soll, schon jetzt willkommen.
An den König Franz Josef I., an die Kö¬
nigin Wilhelmine von Holland, an den Erz¬
herzog Josef, an den Grossherzog Friedrich
von Baden, an den Ackerbauminister Andreas
György, an den Badener Ackerbauminister
Eisenlohr, an den Ehrenpräsidenten Chaudeau
in Paris und an den Stadtrat von Baden-Baden
wurden Huldigungs- bezw. Begrüssungstele-
gramme abgesandt.
Alsdann schloss der Ehrenpräsident
Lydtin mit einer begeistert aufgenommenen
Rede den Kongress.
Die Reihe der Festlichkeiten, welche dem
Kongress zu Ehren veranstaltet waren, fand
am Freitag-Abend mit einem Festbankett ihren
Abschluss. Im Hotel Royal hatten sich fast
sämtliche Kongressmitglieder mit ihren Damen
eingefunden.
Den ersten Toast brachte der Ackerbau
minister auf Se. Majestät den König aus.
Kautz (Berlin) brachte seinen Trinkspruch
alif Se. k. u. k. Hoheit Erzherzog Josef aus,
Ministerialrat Lest y anssky auf den Acker¬
bauminister als Präsidenten des Kongresses.
Rektor H u t v r a sprach alsdann in seinem
Toaste etwa folgendes: Meine Damen und
Herren! Als wir vor sechs Jahren in Baden
Baden die Einladung unserer Regierung, den
nächsten Kongress in Budapest abhaltcn zu
wollen, überbrachten, hegten wir nicht geringe
Besorgnisse bezüglich des Gelingens unserer
Aufgabe. Als der jetzige Kongress heran¬
rückte, hatten wir die Freude zu sehen, dass
wir ganz besonders von den Kollegen deut¬
scher Zunge in wirksamster Weise unterstützt
wurden. Wir schöpften hieraus Hoffnungs¬
und Arbeitsfreudigkeit und trachteten unserer
Aufgal>e nach Kräften gerecht zu werden.
Inwieweit uns dies gelungen ist, das zu ent¬
scheiden ist nicht unsere Sache. Soviel aber
dürfen auch wir mit Befriedigung konstatieren,
dass die Verhandlungen sich auf hohem wis¬
senschaftlichen Niveau bewegten und dass sie
sich bis ans Ende der allerregsten Beteiligung
erfreuten. Und auch das müssen wir fest¬
stellen, dass die Mitglieder deutscher Zunge
an der oft ermüdenden Arbeit besonders tätig
teil nahmen, und wenn der Kongress wissen¬
schaftliche und praktische Erfolge gezeitigt
hat, so ist das in hohem Masse ihnen zu ver¬
danken. Es sei uns gestattet, allen für die
rastlose, aufopfernde und mühsame Arbeit
unsern wärmsten Dank auszusprechen. Wenn
Zeit und Arbeitsfreudigkeit aller Beteiligten
stark in Anspruch genommen wurden, so ge¬
schah dies nur, weil wir einen grossen Erfolg
des Kongresses zu erzielen wünschten und
weil wir Vertrauen in die Liel>e zur Wissen¬
schaft und Ihre Arbeitskraft setzten. Wir
geben der Freude und der Befriedigung Aus¬
druck, dass wir die Ehre hatten, Ivongress-
besuchcr in so überaus grosser Zahl bei uns
l>egriissen und mit ihnen in engere Beziehungen
treten zu dürfen. Die Erinnerung an unsere
Gäste wird in uns fortleben, und ich verleihe
unsern Empfindungen Ausdruck, indem ich auf
das Wohl unserer lieben Gäste mein Glas
erhebe.
Degivc (Brüssel) spendete der Stadt
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210
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
3 Jahrgang.
Budapest für den Empfang begeistertes Lob
und leerte sein Glas auf das AVohl des Muni-
zipiums der gastfreundlichen Haupt- und
Residenzstadt. *
Der Ehrenpräsident L y d t i n brachte
einen Toast auf das Exekutivkomitee aus.
P r e i s z auf den Ehrenpräsidenten. Dam-
mann hielt eine humordurchsetzte Rede auf
die Damen.
von R a t z brachte dann etwa folgenden
Trinkspruch aus: Die Geschichte der ver¬
flossenen AVoche wird uns unvergesslich sein.
Meine Vorredner haben ihrer Befriedigung über
den Verlauf des Kongresses Ausdruck gegeben
und ich danke hierfür auch im Namen des
gesamten Exekutivkomitees. Aber die Aner¬
kennung gebührt in erster Reihe denen, die
uns in den wissenschaftlichen Fragen des Kon¬
gresses mit ihren Berichten und der Veröffent¬
lichung ihrer neuesten l>edeutungsvollen Ent¬
deckungen bereitwilligst entgegengekommen
sind. Dann al>or sind die Erfolge auch ein
Verdienst der Präsidenten und Vizepräsiden¬
ten der Sektionen. Ich danke den Bericht¬
erstattern, den Präsidenten und den Vize¬
präsidenten der Sektionen für ihre aufopfern¬
den Bemühungen von ganzem Herzen. Mögen
sie lange erhalten bleiben zur Zierde der Wis¬
senschaft und zum Wohle der Allgemeinheit.
Tn und nach den Tagen des Kongresses
wurden von den Mitgliedern verschiedene Ex¬
kursionen unternommen, so nach Martonväsär,
wo l T j h elvi das Bangsche Tuberkulose-
^ ilgungsverfahren vor sechs Jahren auf meh¬
reren grossen Besitzungen zur Einführung ge¬
bracht hat. Die Kälber werden hier von auf
Tul>erkulin nicht reagierenden Kühen ernährt.
Dieses Ammensystem hat sehr gute Erfolge
gezeitigt.
Ein grosser Teil der Kongressmitglieder
trat am Nachmittage des letzten Sitzungstages
Exkursionen an nach Kisber, Mezöhegves,
Bä bol na. dem Plattensee, in die hohe Tatra
oder nach Herkulosbad. Die Reiseführung war
in die Hände einer Reisegesellschaft gelegt
worden, welche allem Vernehmen nach die
Ausflüge augenscheinlich mehr zu ihrer eige¬
nen Befriedigung, als zu der ihrer Mitreisen¬
den zu gestalten verstanden hat.
Der in mühevoller, emsiger Arbeit von
dem Vorbereitungskomitee auf breiter Basis
aufgebaute wissenschaftliche Teil des Kon¬
gresses fand im grossen und ganzen vollauf
die geplante Erledigung. Die in jeder Be¬
ziehung liebenswürdige Gastfreundschaft,
welche die Kongressbesueher in so reichem
Masse fanden, und die eigenartige, reizvolle
Schönheit der ungarischen Donaustadt wird
ihnen allen die Tage des Budapester Kon¬
gresses unvergesslich machen.
Ueber das Vorkommen eines Mikrokokken
in Tumoren 1 )
Von Dr. O. Prof o in Cöln
Gelegentlich meiner seit etwa drei Jahren
lxdriel>enen Studien und Untersuchungen über
Aufbau und Aetiologie der Geschwülste habe
•ich aus einer relativ grossen Anzahl von Tu¬
moren Kokken gezüchtet, deren regelmässiges
Vorkommen auf einen gewissen Zusammen¬
hang dieser Mikroorganismen mit der Ent¬
stehung, dem Wachstum oder dem Verlaufe
der Erkrankung hinzuweisen scheint. Wenn
ich auch weit entfernt davon hin anzunehmen,
dass in den Mikrokokken die Erreger der
Tumoren zu erblicken sind, so kann doch eine
Bedeutung der Kokken vielleicht als Sekun¬
därinfektion, die einen erheblichen Zellreiz
darstellt, vielleicht als präparatorisches Mo¬
ment, für die Entwicklung der Geschwülste
nicht ganz von der Hand gewiesen werden.
Es sei nur daran erinnert, dass der Micrococcus
botryogenus, nach Kitt und anderen eine
| Varietät des Stapliyloeoecus aureus, Fibrome
| erzeugen soll.
Meine Untersuchungen erstreckt ui sich
j auf vier Mammakarzinome, eine Achseldrüse
| (Ihm Mammakarzinom), drei Uterus- und ein
j Leberkarzinom vom Menschen, ein Mauikarzi-
; nom vom Hunde, fünf Sarkome, acht Melnno-
! sarkomc und zwei Karzinome vom Pferde, zwei
‘ Sarkome, zwei Karzinome und ein Papillom
( vom Rinde, im ganzen somit auf JO Neuhil-
| düngen. Ferner untersuchte ich hei Mäusen
drei Endotheliome oder Adenokarzinome. w*l-
j che durch Transplantation fortgezüchtet wur¬
den in verschiedenen Generationen. In allen
1 ) Abdruck aus: Mitteilungen aus Dr. Schmidts
Laboratorium für Krebsforschung. II. Ibd't Itonii.
Martin Hager Verlag,
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Heft 9.
211
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
diesen Fällen habe ich das Vorkommen eines
Mikrokokken, der aus den Tumoren in Rein¬
kultur gezüchtet werden konnte, nachgewiesen.
Wenn auch die verschiedenen gewonnenen
Stämme bisweilen kleine Differenzen in ihrem
biologischen Verhalten zeigten, wie z. B. in
liezug auf Schnelligkeit der Gelatineverflüssi¬
gung oder Milchgerinnung, so muss ich sie
nach ihrem sonstigen Verhalten doch als iden¬
tisch bezeichnen.
In jedem einzelnen Falle wurde der Tumor
auf seinen histologischen Aufbau hin unter¬
sucht. Ferner wurden zahlreiche Ausstrich¬
präparate gefertigt und in vivo, im hängenden
Tropfen, wie auch nach verschiedenen Methoden
gefärbt, untersucht. Schliesslich wurden Kul¬
turversuche mittels verschiedener Nährböden
vorgenommen. In gefärbten oder ungefärbten
Gewebsausstriehen habe ich Kokken mit Sicher¬
heit nicht naehweisen können, auch nicht unter
Benutzung der G ramschen Färbemethode.
Die Kulturversuche wurden in der Weise
vorgenommen, dass nach sorgfältigem Sterili¬
sieren der Tumoroberfläche durch Abbrennen
mit glühenden Kartoffelmessern aus der Tiefe
und den Randpartien Gewebssaft mit der
Flat innadel abgestrichen und auf bezw. in das
Nährmedium gebracht wurde, und dass linsen-
bis kleinerbsengrosse Stückchen des Tumor¬
gewebes unter gleichen Vorsichtsmassregeln
entnommen und in die Kulturröhrchen über¬
tragen wurden. Als Nährböden für die erste
Generation diente Fleischwasser, Pepton¬
bouillon, Bouillon mit Zusatz von 1—2° o
Traubenzucker, mit Zusatz von ebensoviel
Glyzerin, einfache Gelatine, Agar, Zuckeragar,
Glyzerinagar. Die festen Nährböden wurden
ferner derart verwandt, dass das aufgelegte
Tumorstückchen mit wenigem Mengen Zucker¬
oder Glyzerinbouillon übergossen wurde. Ein
Teil der Kulturröhrchen wurde bei Brutofen-,
ein Teil l)ei Zimmertemperatur gehalten.
Die mittels Platinnadel auf feste Nähr¬
böden gefertigten Gewebssaft-Ausstriebe führ¬
ten bei meinen Versuchen stets zu einem nega¬
tiven Resultat. Auf gleiche Weise angelegte
Kulturen in flüssigem Nährboden, wie Fleisch¬
wasser, Serum, Bouillon, Zucker- und Glvzerin-
bouillon blieben vorwiegend steril, ln ganz
vereinzelten Röhrchen, besonders in Zucker¬
bouillon, fand sich nach 3—f) Tagen ein«'
leichte Trübung der Flüssigkeit. In Ausstrich¬
präparaten, die aus diesen Kulturen gefertigt
und gefärbt werden, fanden sich in Reinkultur
wenig zahlreiche Kokken, die einzeln, öfter zu
zweien lagen. Letzt eie zeigten abgeplattete
Berührungsflächen, so dass sie ein kaffee-
bohnen- oder gonokokkenähnliches Aussehen
hatten. Ungleich günstiger gestaltete sich das
Ergebnis des Kulturversuches, wenn Gewebs¬
stückchen des Tumors in die Nährflüssigkeit
übertragen wurden. Hier fanden sich in 2—1
Tagen, selten auch noch später, bei sämtlichen
untersuchten Neubildungen, aber immer nur
in einer gewissen Anzahl der angelegten Kul¬
turröhrchen, eine wolkige gleiehmässigc Trü¬
bung der Nährflüssigkeit. In Ausstrich¬
präparaten fanden sich in Reinkultur die ein¬
zeln oder zu zweien gelegenen Kokken. Bei
Zimmertemperatur erfolgte das Wachstum
wesentlich später und spärlicher.
In jungen, 2—1 Tage alten Kulturen fan¬
den sich vorwiegend die kaffeebohnenähnlichen
Diplokokken, seltener einzeln gelegene Kokken.
Auch kurze Kettenverbände konnten beobachtet
werden, in denen die Pole der Diplokokken
einander zugekehrt waren. Bisweilen lagen die
Diplokokken seitlich nebeneinander, so dass die
ungefärbte Teilungszone mehrerer eine gerade
Linie bildete.- Traubenverbände sind niemals
beobachtet worden. In älteren, etwa S—14
Tage alten Kulturen herrschten die einzelnen
kugelrunden Kokken vor. In 3 1 Wochen
alten und älteren Kulturen waren Mono- und
Diplokokken zu Haufen unregelmässig anein¬
ander gelagert. Sie waren alsdann meist von
sehr wechselnder Grösse. Einzelne Kokken
waren vier- bis achtmal grösser als in den
zwei Tage alten Kulturen. Neben kräftig ge¬
färbten waren sehr viele Individuen vorhan¬
den, welche den Farbstoff nur in sehr geringem
Grade angenommen hatten. Nahezu immer
fand sich ausser den Kokken eine schlecht färb¬
bare amorphe oder feinfaserige Masse, die als
Zerfallsprodukt gedeutet werden musste. Aehn-
liche faserige Zerfallsmassen habe ich in den
zu Kon troll versuchen herangezogenen Staphy¬
lokokken und Streptokokken nicht beobachtet.
Die Kokken färbten sich, soweit sie aus
jüngeren Kulturen stammten, mit den gewöhn¬
lichen Anilinfarbstoffen leicht. In älteren
Kult tuen war das nur bei einzelnen Kokken
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212
Fortschritte der Veterinär -Hygiene.
3. Jahrgang.
der Fall. Die Gramfärbung war ebenfalls
jüngeren Organismen gegenüber positiv. Bei
längerem Einwirken des Alkohols trat aber
auch hier nicht selten Entfärbung ein. Bei
der weiteren Fortzüchtung in Zuckerbouillon
erschien die Nährflüssigkeit nach 18 — 24 Stun¬
den gleichmässig wolkig getrübt. Nach 3—4
Tagen war die Bouillon fast völlig klar, nur
die oberste Flüssigkeitsschicht war bisweilen
noch leicht getrübt. Auf der Oberflache war
niemals eine Kahmhaut gebildet. Nur am
Bande des Kulturgläschens war ein zarter blau-
weisser Ring abgesetzt. An der Glaswand und
am Boden des Röhrchens hatten sich geringe
bis mittlere Mengen eines sehr feinflockigen
grauweisscn Niederschlages abgesetzt, die beim
Schütteln des Röhrchens aufwirbelten, sich
lösten und die Bouillon leicht wolkig trübten.
Im Gelatinestich fand bei Zimmertem¬
peratur langsames Wachstum in Nagelform
statt. Die Kuppe ist grauweiss, feuchtglän¬
zend, zackig, der Stich ein gelbgrauer gleich-
massiger Strich. Nach 4—6 Tagen, selten
früher, bisweilen später, begann die Ver¬
flüssigung der Gelatine von der Oberfläche
her. Die Verflüssigungszone senkte sich lang¬
sam stumpf oder sackförmig bis zum unteren
Ende des Stiches. Eine mehr oder minder dicke
Randschicht blieb längere Zeit erstarrt stehen,
ebenso eine Bodenschicht in der Kuppe des
Gläschens.
Auf Nähragar wuchsen die Kokken in
etwa 24 Stunden zu kleinen länglich- oder kreis¬
runden, wenig erhabenen glattrandigen Kolo¬
nien aus, die später zu einem grauweisscn,
feuchtglänzenden Belage konfluierten. Mit
der Platinnadel liess sich dieser schwer ab¬
heben. Die Agarstichkulturen nahmen nach
etwa 2 Tagen Nagel form an, bei welcher die
Kuppe klein, grauweiss, feuchtglänzend und
rundzackig umrandet war; der Stich bildete
einen grauweissen bis graugelben gleichmässig
dichten Streifen.
Milch wurde in 2—6 Tagen durch die
Kokken zur Gerinnung gebracht.
Eigenartige Verhältnisse zeigten die Kul¬
turversuche bei den Melauosarkomen vom
Pferde. Die grösseren Melanosarkome zeigten
der Regel nach eine stark höckerige Oberfläche.
Einzelne der flachrunden Höcker waren derb,
andere erweicht und sogar fluktuierend; diese
enthielten dann einen dicken, intensiv schwar¬
zen Brei, der chinesischer Tusche glich. Die
Schnittfläche der derben Knoten war meist
eben, ziemlich glatt, feuchtglänzend und tief-
schwarz. Tn Deckglasausstrichen sah man aus¬
schliesslich verschieden grosse länglich- und
kreisrunde, dunkel- und scharfkonturierte, gelb-
bis dunkelbraune Gebilde, die einzeln, zu losen
Haufen aneinander gelagert und zu grösseren
Konglomeraten fest zusammengepresst lagen
(wahrscheinlich mit Pigmentkörnchen voll¬
gepfropfte Zellen).
Auf Agar, selbst in grösseren Mengen aus-
gestrichener Gcwebssaft. liess auch nach tage¬
langem Belassen im Brutofen keinerlei Wachs¬
tum erkennen, ebensowenig im Gelat inest ich
bei Zimmertemperatur. Auch in den mit reich¬
lichen Mengen Gewebssaft oder mit Tumor¬
stückchen beschickten Zuckerbouillonröhrchen
war in den ersten 2—3 Tagen nichts wahr¬
nehmbar, was auf ein Wachstum von Organis¬
men schliessen lassen konnte. Die Bouillon
war meist klar, am Boden fand sich ein brauner
Bodensatz, der beim Schütteln des Gläschens
wolkig auf wirbelte und der Bouillon eine
bräunlich trübe Färbung verlieh. Wurde von -
diesen Röhrchen auf Agar übergeimpft, so
blieben diese Kulturen zumeist steril, wurde
in Zuckerbouillon übergeimpft, so erschien
diese nach 24 Stunden leicht getrübt, nach
48 Stunden ein gelb- bis bräunlich - grauer
Bodensatz, der beim Schütteln des Röhrchens
leicht die Flüssigkeit trübte. Von dieser
zweiten Generation angelegte Agarkulturen
zeigten alsdann das oben beschriebene Wachs¬
tum der Kokken, ln mit Methylenblau ge¬
färbten Ausstrichpräparaten der ersten Ge¬
neration waren neben zahlreichen dunkel¬
braunen runden Gebilden auch olivgrüne
grössere kreisrunde Körper und ganz verein¬
zelte, gut blau gefärbte Diplokokken.
Für kleine Versuchstiere zeigten sich die
Kulturen sehr wenig virulent. Weisse Mäuse
blieben nach subkutaner und intraperitonealer
Verimpfung von verschieden alten Kulturen
in Mengen bis zu 4 ccm gesund, Eiterung wurde
niemals hiernach beobachtet. Kaninchen ver¬
trugen Kulturen intraperitoneal bis zu 50 ccm
gut. Erst auf 60- 100 ccm traten schnell Er¬
krankung und Tod ein. Bei der Autopsie fand
si<‘h das IVriloneum meist glatt und glänzend.
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Heft 9.
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
213
in der Bauchhöhle trübe, zähe Flüssigkeit mit
grauweissen Flocken, die zahlreich mit Kok¬
ken vollgepfropfte Leukocyten enthielten.
18—24 Stunden alte Bouillonkulturen der
aus Tumoren gezüchteten Kokken wurden durch
Serum eines Schafes, welches mit den Kokken
vorbehandelt war, im Verhältnis von 1 : 125
kräftig agglutiniert, Staphylokokken auch
nicht im Verhältnis von 1 : 50. Dagegen
wurden die Tumorkokken nicht agglutiniert bei
Zusatz von normalem Schafserum und von
Serum, welches von einem mit Staphylokokken
vorl>ehandcltcn Kaninchen gewonnen war.
Nach den vorstehend geschilderten Unter¬
suchungs-Ergebnissen muss das regelmässige
Vorkommen eines spezifischen Kokken in
den Tumoren angenommen werden. Als eine
zufällig erfolgte Mischinfektion kann dieses
Vorkommen nicht angesehen werden. Welche
Bolle die Kokken in der Entwicklung der
Tumoren spielen, darüber müssen weitere Un¬
tersuchungen Aufklärung bringen.
Oeffentliches Veterinärwesen.
Stand der Tierseuchen im Deutschen Reich
am 15. November 1905.
Rotz gelangte zur Feststellung in Preussen
in 21 Gemeinden und 37 Gehöften, in Bayern
in 2 Gemeinden und 2 Gehöften, in Baden,
Eisass-Lothringen und Sachsen-Weimar in je
einem Gehöfte, zusammen somit in 26 Ge¬
meinden und 42 Gehöften. Von Aphthen¬
seuche war das Reich frei. Die Schweine¬
seuche einschliesslich der Schweinepest
wurde festgestellt und zur Anzeige gebracht
in 1552 Gemeinden und 2088 Gehöften.
Referate.
Infektionskrankheiten.
Prof. Dr. E. Hess. Bericht ii b e r die vo n
d e r ,,G e s e 11 s c h a f t schweizerischer
Tierärzte“ ver a n s t a 11 e t e Untersuch¬
ung betreffend die Kuiitchenseuche.
Landwirtschaft!. Jahrbuch der Schweiz, XIX.
•Jahrgang, 190.").
Die sogenannte Knütchenseuche. die auch als
infektiöse Scheiden- und Gebärmuttereiltziiudung
bekannt ist, wurde schon in den siebziger Jahren
des vorigen Jahrhunderts in einzelnen Gegenden
der Schweiz beobachtet und im Jahre 1887 von
Isepponi erstmals eingehender beschrieben. Die
grosse Bedeutung, welche diese Krankheit aus
national-ökonomischer und viehzüchterischer Hin¬
sicht hat, war die Veranlassung, dass eine
grosse Zahl kleinerer und grösserer landwirtschaft¬
licher Vereine derselben erhöhte Aufmerksamkeit
schenkten.
Der Bericht enthält eine Uobersicht der Ant¬
worten, welche auf eine Anzahl Fragen gegeben
wurden. Sie betrafen hauptsächlich das Vor¬
kommen der Seuche, das Auftreten als Stallseuche
oder als allgemeine Seuche, die Weise der An¬
steckung, die Faktoren, welche auf die Verbrei¬
tung derselben Einfluss haben und den Einfluss
der Krankheit auf die Konzeption. Weiter wurden
Fragen gestellt über die Symptome, die Folge¬
krankheiten und die ätiologische Beziehung der
Knötchenseuche 1. zum Nichtabgang der Nach¬
geburt, zur chronischen Metritis und Pyomctra
und zur Stiersucht der Kühe und 2. zur Nabel-
venenentzündung, zur bösartigen Maulentzündung
und zum Durchfall der Kälber. Auch hinsichtlich
der Bedeutung der Stalldesinfektion und der An¬
wendung veterinärpolizeilicher Massnahmen wur¬
den Fragen gestellt. Viele Antworten darauf sind
eingelaufen. Obgleich im Fragenschema die Actio-
logie absichtlich nicht berücksichtigt wurde, so
hielt der Berichterstatter es doch für zweckmässig,
über die in den Kommissionsprotokollen und ein¬
gelangten Fragenbogen erwähnten diesbezüglichen
Versuche in aller Kürze zu referieren. Erwähnt
wurden Zscliokkes, Güillebeaus und
Oster tags Untersuchungen. Aus ihren sehr
interessanten Untersuchungen gellt hervor, dass
das infizierende Agens von sehr verschiedener Art
und Virulenz sein kann. Weiter hebt man her¬
vor, dass D e n z 1 e r schon bewiesen hat, dass
nach Injektion eines gewöhnlichen Streptococcus
pyogenes, als nach Injektion von Baeterium coli
commune in die Scheide des normalen Rindes die
gleiche Knötcheneruption auftreten kann.
Hess weist darauf, dass der Name ..Knötchen¬
seuche“, weil nur ein einzelnes Stadium im Krank¬
heitsverlauf darstellend, kein passender ist und
zweckmässiger durch infektiöse Scheiden- und
Gebärmutterentzündung“ ersetzt würde. Wo die
Impfung mit wenig virulentem Material geschieht,
entsteht wohl ein katarrhalisch - eiteriger Col-
pitis, aber nicht immer Knötchen.
Interessant und sowohl in klinischer als in
prophylaktischer und therapeutischer Hinsicht
wichtig ist die Beobachtung, dass, wie die Ver¬
suche gezeigt haben, das eiterige Scheiden- und
Uterusexsudat und das Haruröhrensekret stet«
viel virulenter sind und zu Ueberimpi'ungen sich
weit besser eignen als nur mit Knütchenseuche
behaftetes Gewebe.
Was die Behandlung betrifft, ist es nach den
eigenen Erfahrungen des Berichterstatters sehr
angezeigt, bei infizierten männlichen Tieren den
Haarpinsel am Schlauche sorgfältig zu entfernen
und die Vorhaut mit lauwarmem Seifenwasser
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214
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
3. Jahrgang.
gründlich zu reinigen. Weiter zieht er die des¬
infizierenden Vaginalinjektionen allen anderen Be¬
handlungsmethoden vor. So wendeten 98 Tierärzte
Vaginalinjektionen au, 11 Tamponade und Sup- (
positorien, 12 die Bepinselung der Scheidcnschleim-
haut, 13 die Applikation von Salben, Linimenten
und Bougies, 13 die Bepuderung der Scheiden¬
schleimhaut und 2 Tierärzte leichte Kauterisation.
Hinsichtlich der Frage, welche polizeilichen
Massnahmen erwünscht seien, bemerkt der Bericht¬
erstatter, dass vorläufig man damit warten möge,
bis man mehr wisse über die Aetiologie. die Dauer
der Ansteckungsfähigkeit. Uebertragungsart. Folge¬
krankheiten und Therapie. Eine bedeutsame Grund¬
lage für die weiteren Forschungen hatte, wie der
Verfasser mit Recht bemerkt, die ..Gesellschaft
schweizerischer Tierärzte“ mit der den Gegenstand
dieser Arbeit bildenden Enquete gelegt.
Der sorgfältig verfasste Bericht, der über diese
Krankheit viel Wissenswertes enthält, sei hiermit
dringendst empfohlen. de Bruin.
F. K. Kleine und B. Möllers. Ueber Hühner¬
pest bei Gänsen. Ctbl. f. Bukt. 39, 5.
Einer der Verf. hat nachgewiesen, dass bei
jungen Gänsen das unbekannt filtrierbare Virus
der Hühnerpest ins Gehirn und Rückenmark ein¬
wandert, wo es Reizerscheinungen und andere
Symptome auslöst. Man kann das Virus im Ge¬
hirn und Rückenmark der verendeten Tiere leicht
durch Verimpfen nachweisen. Es gelangt auf dem
Blutwege ins Zentralnervensystem.
Wegen des plötzlichen Verschwindens der
Parasiten aus dem Blut nach ihrer Einwanderung
in bestimmte Organe, sprechen die Verff. die Ver¬
mutung aus, dass man es hier mit Protozoen zu
tun haben könnte. Jene Ansicht hat seitdem eine
Stütze erhalten. Das Blut gestorbener Gänse ist
nämlich nicht in allen Fällen frei vom Virus.
Nicht selten kehren die Parasiten wie die Erreger
der Malaria und des Rückfallfiebers nach einer
Pause in das Blut zurück. Es ist in hohem Grade
wahrscheinlich, nach den Ergebnissen der bis¬
herigen Versuche, dass die Erreger der Hühner¬
pest. sich für junge Gänse durch Passage so an¬
züchten lassen, dass sie während der Krankheit
kaum noch aus dem Blute verschwinden und dass
somit die Seuche ihre charakteristischen Unter¬
schiede zwischen dem Verlauf bei Hühnern und
bei jungen Gänsen wieder völlig verlieren kann.
Bei Tauben und Enten glückte eine Anzüch¬
tung nicht. Die Mehrzahl der Parasiten geht
zweifellos in dem ungeeigneten Organismus zu¬
grunde. Ob eine Abschwächung der überlebenden
eintritt, ist sehr ungewiss. Jedenfalls gelang es
nicht, mit der Gehirnmasse alter Gänse und Tauben
Hühner zu immunisieren. Entweder starben die
Tiere oder wurden nicht geschützt. Enten, auch
junge, erkrankten selbst bei intraperitonealer In¬
jektion von 10 ccm infektiösem Blut nicht
sichtbar.
Vom unverletzten Konjunktivalsack ai. infi¬
ziert das Virus schnell. Wahrscheinlich gelangt
es in die Nase und wird dort von der Schleimhaut
resorbiert. Führte man bei Hühnern, die durch
einen Tropfen dünner Gehirnemulsion in den Kon¬
junktivalsack gebracht, schon in zwei Tagen
starben, mit der Schlundsonde die dreifache Menge
in den Magen ein, so erkrankten die Tiere nicht.
Jacob.
Jarosch. Ueber Septikämie der Trut-
li ü h n e r. Przeglad weterynarski 1905, No. 5.
Bei einem zur Sektion gelieferten Truthuhn
fand der Verf. subepikardiale Ilämorrhagien so¬
wie hämorrhagische Duodenitis; Milz war stark
vergrössert, im Blute wurden zahlreiche, schi-
kleine und schlanke, den Schweinerot lauf bacillen
sehr ähnliche Stäbchen vorgefunden — mit einem
Worte das typische Bild einer Septikämie.
Nähere bakteriologische Untersuchungen haben
folgendes ergeben: Der Bacillus ist etwa 0.8 bis
1 p lang, sehr fein, besitzt keine Eigenbeweguug,
bildet auf den Gelatinplatten zarte, wolkige, in
der Tiefe des Nährbodens wachsende Kolonien vom
nebelhaften Aussehen, in Gelatinestichkulturen, um
den Stichkanal herum weissliche zart verschwom¬
mene Wölkchen. Auf Kartoffeln kein Wachstum,
Bouillon wird schwach getrübt. Der Bacillus bei
Zimmerwärme jedoch sehr langsam und ohne
Sporenbildung. Er ist ein fakultativer Anaerob,
färbt sich mit einfachen Farbstoffen und nach
Grane. Die biologischen Untersuchungen an den
Versuchstieren ergaben seine Pathogenität für
Hausmäuse, Tauben und Kaninchen, welche sämt¬
lich in kurzer Zeit (1—7 Tage) der Infektion unter¬
lagen und dieselben pathologisch-anatomischen
Veränderungen aufwiesen, wie bei dem erwähnten
Truthuhn zu beobachten war. Das aus dem Herzen
des verendeten Kaninchens entnommene Blut wurde
einem anderen Truthuhn subkutan geimpft und
das Tier ging am fünften Tage zugrunde. Mäuse
starben in hockernder Stellung und mit verklebten
Augen, wie bei künstlicher Infektion mit Schweine¬
rotlaufbacillen. Hühner und Enten zeigten sich
dagegen vollkommen refraktär. Nach allen mor¬
phologischen und biologischen Merkmalen ist so¬
mit der eben beschriebene Bacillus dem des
Schweinerotlaufes und der Mäuseseptikämie sehr
ähnlich, wenn nicht mit beiden identisch. Die
Truthühner sind also für Septikämie empfänglich,
die Krankheit kann bei ihnen ganz spontan auf¬
tret eil und ist höchst wahrscheinlich als eine
Wundinfektion anfzufassen. Baczynski.
Bücheranzeigen.
Spezielle Pathologie und Therapie
der 11 a usti e r e. Von Dr. Franz Hntyra.
o. ö. Professor der Seuchen lehre, und Dr. Josef
Marek, o. ö. Professor der spez. Pathologie und
Therapie an der 'Tierärztlichen Hochschule in
Budaj>est. I. Band. Infektionskrankheiten. Krankr
heilen des Blutes und der Blutbildung, der Milz,
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Heft 9.
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
215
des Stoffwechsels und der Zirkulationsorgane. Mit
132 Abbildungen im Text und drei Tafeln. Jena.
Verlag von Gustav Fischer. 1905.
Das umfassend angelegte Werk, dessen erster
Band uns vorliegt, ist zum ersten Male in der
Zeit von 1894 bis 1898, von Hutyra allein verfasst,
in ungarischer Sprache erschienen. Im Jahre 1904
wurde die mit Marek gemeinschaftlich bearbeitete
zweite Auflage der Oeffentlichkeit übergeben.
Gelegentlich dieser Bearbeitung beschlossen die
Autoren, ihr Arbeitswerk auch in deutscher Sprache
herauszugeben. Ein Vorhaben, das, nach dem Ein¬
druck, den der erste Band inhaltlich hervorruft,
nur mit Freude begrüssl werden kann.
Der erste Band enthält, wie der oben wieder¬
gegebene Inhalt des Titelblatts ansagt, ausser den
Krankheiten des Blutes, des Stoffwechsels und
der Zirkulationsorgane in erster Linie die Infek¬
tionskrankheiten, welche in sechs Gruppen ein¬
geteilt sind. Die akuten allgemeinen Infektions¬
krankheiten bilden den Inhalt der ersten Gruppe.
Alsdann folgen die akuten exanthematischen.
ferner die akuten Infektionskrankheiten mit Loka¬
lisation auf gewisse Organe. Die Infektionskrank¬
heiten mit vorwiegender Beteiligung des Nerven¬
systems sind als vierte Gruppe zusammengefasst.
Es folgen hier die chronischen Infektionskrank¬
heiten, unter denen die Tuberkulose in einer sehr
umfassenden Darstellung einhundert Seiten ein¬
nimmt, und schliesslich die durch Protozoen er¬
zeugten Infektionskrankheiten. Die Besprechung
der einzelnen Krankheiten erstreckt sich auf kurze
geschichtliche Angalien, auf das Vor¬
kommen der Krankheit, wobei zumeist alle euro¬
päischen, z. T. auch aussereuropäische Staaten
berücksichtigt sind, auf die Aetiologie, die
bei den Infektionskrankheiten das Wichtige aus
der Bakteriologie knapp aber in vollständiger
Weise wiedergibt, auf die Pathogenese und
anatomische Veränderungen, Sym¬
ptome, Verlauf, bei denen die Fieberkurven
in graphischer Darstellung l>eigegeben sind, auf
Diagnose, Behandlung, Vorbauung und
Schutzimpfung unter Berücksichtigung der
neusten Forschungsergebnisse, auf die V e t e r i -
n ä r p o 1 i z e i und schliesslich auf das V o r -
kommen der betreffenden Krankheit bei m
Mens o h e n. Literaturangaben fehlen zwar; abu*
es sind in dem Texte die Autoren vielfach nament¬
lich angeführt. Die Darstellung ist lebendig und
dadurch fesselnd. Die Abbildungen sind z. T. vor¬
züglich, besonders soweit sie sich auf die Bak¬
teriologie beziehen. Nach dem ersten Bande muss
das Werk als eines der vorzüglichsten der spe¬
ziellen Pathologie und Therapie bezeichnet wer¬
den. Wir kennen kein zweites neueres Werk, das
die neusten Forschungsergebnisse in ihrer Bedeu¬
tung für die Tierpathologie und Therapie in dem
Masse würdigt wie das vorliegende. Es sei daher
nicht nur den »Studierenden als besonders geeignet
zur gründlichen Einführung in das Studium der
s]>eziellen Pathologie und Therapie zur Anschaffung
bestens empfohlen, sondern auch allen den prak¬
tischen und beamteten Tierärzten, die über die
neueren Fortschritte der für die Tierpathologie
in Betracht kommenden Disziplinen und über den
modernen Standpunkt, dieser wichtigsten Spezial¬
wissenschaft sich durch ein anregendes Werk zu
orientieren wünschen. Profe,
Deutscher Veteriniir-Kalender für
das Jahr 1905—1906. Herausgegeben in 2 Teilen
von Prof. R. Schmaltz. Mit Beiträgen von
DDr. Arndt, Ellinger, Eschbaum, Hartenstein,
Koch, Schlegel, Steinbich, Topper. Berlin 1906.
Verlag von Richard Schoetz.
Der neuste Jahrgang bringt nochmals eine
Umwandlung des Tagesnotizbuches. Es werden
6 auswechselbare Einzel hefte mit je zwei Seiten
für den Tag beigegeben, was als entschieden sehr
zweckentsprechend zu bezeichnen ist. Die hier¬
durch bedingte Umfangsvermehrung des Taschen¬
kalenders wird durch Uebernahme zweier grösserer
Abschnitte in dem zweiten Teil des Kalenders aus¬
geglichen. Der Inhalt beider Teile ist mit Rück¬
sicht auf eingetretene Aenderungen neu redigiert.
So sind u. a. die neuen Bestimmungen über die
Liquidationen der prenssischen Kreistierärzte auf¬
genommen. Es sind ferner wichtigere veterinär¬
polizeiliche bayrische Verordnungen in den 1. Teil
einbezogen worden. Die weitgehende und dankens¬
werte Rücksichtnahme von seiten des Herausgebers
auf die vielfachen Wünsche der Abnehmer sichert
dem Deutschen Veterinär-Kalender die Sympathien,
die sein zweckmässig gesicherter Inhalt von je¬
her zu werlien gewusst hat. Profe.
Veterinär-Kalender für das Jahr 1906.
Unter Mitwirkung von Prof. Dammann, Prof. Eber,
Vet.-Rat Holtzhauer, Med.-Rat- Edelmann, Prof.
Johne und Rechnungsrat Dammann, herausgegeben
von Koenig, Korpsstabsveterinär. Berlin 1906.
Verlag von August Hirschwald.
Der neue Jahrgang hat in beiden Teilen mehr¬
fache Aenderungen erfahren. Die Kapitel Ge¬
bührentaxen und Veterinär-Polizei sind erweitert.
Das Kapitel Mikroskopischer Nachweis der wich¬
tigsten Bakterien und Anleitung zur Untersuch¬
ung von Hafer, Heu und Stroh sind in den zweiten
Teil verlegt worden. Neu hinzugekommen ist eine
kurze Anleitung zur Milchuntersuchung.
Profe.
Die Entstehung des Careinoms von
Dr. Hugo Ribbert, o. Professor der allg. Pa¬
thologie und pathologischen Anatomie der Uni¬
versität Göttingen. Bonn, Verlag von Friedrich
Cohen. 1905. Preis 1 M.
Ribbert steht bekanntlich auf dem Stand¬
punkte. dass alle Geschwülste aus z. T. in der
Embryonalzeit. z. T. später abgesprengten Keimen
entstellen, die den Zusammenhang mit dem nor¬
malen Gewebe verloren haben. AuHi denen, welche
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216
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
3. Jahrgang.
nicht dersellien Auffassung huldigen, ist das
Studium der kleinen anregenden Monographie zu
empfehlen. Profe.
Veröffentlichungen aus den Jah¬
res-Veterinär-Bericht en der beam¬
teten Tierärzte Preusscns für das
Jahr 1903. Vierter Jahrgang. Zwei Teile. Mit
17 Tafeln. Berlin. Verlagsbuchhandlung Paul
Parey. 1905.
Während der erste Teil in bekannter Anord¬
nung die anzeigepflichtigen Seuchen, deren Auf¬
treten, Verbreitung, Entstehungsursachen, Behand¬
lung, Impfung enthält, umfasst der zweite Teil
l>emerkenswerte Beobachtungen und Mitteilungen
über nicht anzeigepflichtige Krankheiten, ferner
die öffentliche Gesundheitspflege, Mitteilungen
über die Agglutinationsprobe bei Rotz, welche
logischerweise und zweckmässiger in extenso in
dem ersten Teil unter Kapitel Rotz Aufnahme hätte
finden sollen. Der zweite Teil enthält des wei¬
teren zehn Obergutachten der Technischen Depu¬
tation für das Veterinärwesen und schliesslich erne
Zusammenstellung der im Jahre 1903 in Preussen
erlassenen Verordnungen über Veterinärwesen. Es
ist in den Veröffentlichungen von den preussisclien
beamteten Tierärzten eine so ausserordentliche
Fülle wichtiger wissenschaftlicher und praktischer
Beobachtungen zusammengetragen, dass sie in
keiner tierärztlichen Bibliothek fehlen sollten.
Profe.
Neue physik a lisch- chemis c h e U n -
tcrsuch ungen der Milch. Unterscheidung
physiologischer und pathologischer Kuhmilch. Von
Dr. C. Schnorf. Zürich 1905. Verlag: Art. In¬
stitut Orell Füssli. Preis 3 M.
Verf. suchte nach Milchprüfungsmethoden,
deren Resultate einen praktisch verwertbaren Rück¬
schluss auf den Gesundheitszustand der Milch¬
tiere, bezw. deren Milchdrüsen und somit auch
auf die Tauglichkeit der Milch als Nahrungsmittel
zulassen. Die Arbeit zerfällt in drei Abschnitte,
deren erster eine kurze geschichtliche Uebersicht
über die drei Methoden Refraktoskopie, Kryoskopie
und Prüfung des elektrischen LeitungsVermögens
enthält. Im zweiten Abschnitt sind die Unter¬
suchungstechnik und eigene Untersuchungsbefunde
ausgeführt. Untersuchungsresultate und Schluss¬
folgerungen bilden den dritten Teil. Das kleine
und wohlfeile Werk gibt mit den in ihm beschrie¬
benen Methoden ein wertvolles Hilfsmittel bei der
Analyse der Milch an die Hand und ist allen
denen, die mit Milchuntersuchungen oder mit der
Beschaffung von Säuglingsmilch betraut sind, zur
Anschaffung zu empfehlen. Profe.
Grundriss der Trichinenschau. Leit¬
faden für deu Unterricht in der Ausbildung der
Trichineiischauer nebst den preussisclien gesetz¬
lichen Bestimmungen von Clausen, Schlacht¬
hof-Direktor, Hagen in W. Berlin 1905. Verlag
von Richard Schoetz.
Verf. hat in der richtigen Erkenntnis, das^
die Lehrbücher von Johne und Preusse für die
kurze bemessene Ausbildungszeit der Trichineii¬
schauer zu ausführlich (— für deren Durchschnitts¬
befähigung auch zu gelehrt — d. Ref.) sind, einen
ganz kurzen, von allem Ueberflässigen freien Leit¬
faden zusammengestellt. Die nicht ganz leichte
Aufgabe, ein wissenschaftliches Gebiet für den
weniger gebildeten Laien verständlich zu machen,
und die noch schwierigere, es ilnn für die prak¬
tische Handhabung zu eigen zu machen, ist von
dem Verfasser in ganz vortrefflicher Weise ge¬
löst. Der Grundriss ist zum Zwecke der Ausbil¬
dung wie kein zweites Buch geeignet und daher
bestens empfohlen. Profö.
Sulla b y i o 1 o g i a d e 1 c o s i d e 11o t i f o
o F e b b r e petecchiale d e 1 e a v a 11 n.
Contributo allo Studio della piroplasmosi etpiiiia.
Dci L. Bar uc hell o et dott. N. M o r i. Estratm
dalla Rivista dartiglieria e genio. 1905. Vol. III.
Roma 1905.
Die Verff. haben eine Krankheitsform l>ei
Pferden in und bei Rom, die sie als Petechial¬
fieber diagnostiziert haben, des näheren unter¬
sucht und ein Piroplasrna als Krankheitsursache
nachgewiesen. Profe.
Bericht über die im Hygienische r.
I n s t i t u t d e r K ö n i g 1 i c h T i e r ä r z 11 i c h e 11
Hochschule a u s g e f ii h r t e n T u berku-
lose -Arbeiten. Von I )r. K 1 i m in o r. Dres¬
den. Separat-Abdruek a. d. Berliner Tierarzt L
Wochenschrift. 1905. No. 27.
M a 1 a d i e s des t. r o u p c a u x da n -
l’Afrique du S u d. Par le Dr. A. T heil e r.
Extrait du Bulletin de lTnstitut Pasteur. Tome
111. Aoüt 1905.
Weitere Besprechungen Vorbehalten.
I) H.
Einsendung von Original-Abhandlungen.
Büchern, Monographien und Separat-Abdrücken
wird direkt an den Redakteur, Kreistierarzt Dr.
O. Profd, Cöln a. Rh., Hansaring 50, oder an die
Verlagshandlung Louis Marcus, Berlin SW H
Tempelhofer Ufer 7, erbeten.
Kiir «1. U»*«l.nktion vcrantwortl. Krcistiorar/t Dr. (>. Profe, Cöln a. Ivh., Hansariug öO. Druck von Pass & (Jarleb (i.tn.b. II . Berlin \V k*.
Verlag und Bitfcntmn: Louis Marcus V crlagsbudi band lung, Berlin SW. Gl.
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Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
3. JAHRGANG. JANUAR 1906. HEFT 10.
Zum Nachweis des Milzbrandes durch
Züchtung.
von Dr. Fischoeder, Kreistierarzt,
in Königsberg Pr.
Mit 4 lithographierten Tafeln.
(Aus der Milzbranduntersuchungsstelle im Landcs-
liause zu Königsberg Pr.)
Nachdem Frankel 1 ) auf die diagnosti¬
sche Bedeutung der Züchtungsversuche bei
Milzbrandverdacht hingewiesen hatte, wurde
diese Frage besonders in tierärztlichen Kreisen
viel erörtert, weil gerade die Tierärzte wegen
der von den Provinzial Verwaltungen zum
Zwecke der Entschädigung eingeführten Nach¬
prüfungen an der Klärung der Milzbranddia¬
gnose das grösste Interesse haben. Auf die rein
theoretischen, mit mehr oder weniger Glück
und Geschick geführten Erörterungen will ich
hier nicht eingehen, sondern nur auf diejenigen
Angaben, welche sich auf eigene Arbeiten und
Versuche stützen und zweifellos zur Förderung
der Milzbranddiagnose wesentlich beigetragen
haben.
Der grösste diagnostische Wert wird von
Bongert dem Plattenverfahren zugeschrie¬
ben. Dem Milzbranderreger ist nämlich
nach Bongert 2 ) auf der Agar- oder
Gelatineplatte ein ganz charakteristisches
Wachstum eigentümlich, wodurch ein leich¬
tes Erkennen an dem Aussehen der Kolonie
auch in einem Bakteriengemisch ermöglicht
wird. Er charakterisiert die Milzbrand¬
kolonien dahin, dass sie auf der Ober¬
fläche der Agar- oder Gelatineschicht ein
schöngelocktes, medusenhauptähnliches Aus¬
sehen besitzen, und bei makroskopischer Be¬
trachtung weiss, etwas glänzend erscheinen. Die
Kolonien in der Tiefe der Agarschicht
gleichen dagegen makroskopisch kleinsten, mit
zarten Ausläufern versehenen Flaumfederchen
und erscheinen bei schwacher Vergrösserung
als grauschwarze, aus einzelnen u n -
*) Hyg. Rundschau 1901, Bd. XI, Nr. 13.
2 ) Centralbl. f. Bakt. usw., I. Abt., Bd. XXXIV,
1903, Nr. 8, S. 775, u. Zeitschr. f. Fleisch- u.
Milchhyg., Bd. XII, 1902, H. 7, S. 198.
regelmässigen Stückchen zusam¬
mengesetzte Gebilde, welche wenige
starre Ausläufer zeigen, so dass das ganze
ein moosartiges Aussehen besitzt und mit dem
Kelche einer Moosrose verglichen werden kann.
Gelangt ein Ausläufer einer tiefen Kolonie an
die Oberfläche, dann bildet er sofort Haar¬
locken, die alsbald zu einer kometenschweif¬
artigen Kolonie auswachsen. Diese Eigentüm¬
lichkeiten der in der Tiefe wachsenden Ko¬
lonie gewähren nach Bongert sichere
Anhaltspunkte für die Erkennung einer
Milzbrandkolonie auch unter unzähligen
anderen Kolonien. Bongert macht
jedoch darauf aufmerksam, dass die deutliche
L o c k e n bildung der Milzbrandkolonien nur
in den ersten zwei Tagen vorhanden ist, mit
dem Eintritt der Sporenbildung jedoch all¬
mählich an Deutlichkeit abnimmt und ver¬
schwindet.
Nun ist schon von verschiedener Seite dar¬
auf hingewiesen worden, dass es noch andere
Stäbchen gibt, welche auf Platten ein ähnliches
Wachstum zeigen wie die Milzbrandstäbchen,
ln den Jahresveterinärberichten 8 ) wird aus dem
Regierungsbezirk Wiesbaden über Stäbchen be¬
richtet, welche nicht nur in der für Milzbrand
typischen Form auf Agarplatten wuchsen, son¬
dern auch bei starker Vergrösserung bezüg¬
lich der langausgewachsenen sporenhaltigen Fä¬
den keine Unterschiede von Milzbrand zeigten,
aber dennoch keine Milzbrandstäbchen waren.
Auch Bongert 4 ) macht auf solche Stäb¬
chen aufmerksam, doch ist nach seinen Angaben
die Lockenbildung weniger zierlich, regel¬
mässig und deutlich ausgeprägt. Auch er¬
reichen diese Kolonien wegen der Neigung zum
starken Oberflächenwachstum meistens eine
beträchtlichere Grösse als die Milzbrandkolo¬
nien. In zweifelhaften Fällen wird eine sichere
Unterscheidung durch Betrachtung des Zen-
8 ) Bermbach, 1901, T. I, S. 23.
4 ) Zeitschr. f. Fleisch- u. Milchhyg., sowie
Centralbl. f. Bakt. usw. an den gen. Stellen und
Bakt. Diagnostik, Wiesbaden 1901. S. 8S.
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218
Fortsohritte der Veterinär-Hygiene.
3. Jahrgang.
trums der Kolonie oder der in der Tiefe ge¬
wachsenen Kolonien herbeigeführt. Die Unter¬
schiede zwischen dem Zentrum einer oberfläch¬
lichen Milzbrand- und milzbrandähnlichen Ko¬
lonie gibt er nicht an, sondern er führt nur
aus, dass die in der Tiefe gewachsenen milz¬
brandähnlichen Kolonien zum Unterschiede von
den tiefen Milzbrandkolonien „viele faden¬
förmige, mehr geradlinig verlaufende
strahlige Ausläufer und Verästelun¬
gen“ besitzen, so dass für erstere der Ver¬
gleich mit der Haarkrone einer Distel zu¬
treffend erscheint. Zur Illustration dieser
Unterschiede fügt Bongert eine ganze
Reihe von Photogrammen bei, in denen die
genannten Unterschiede der Tiefenkolonien
recht deutlich veranschaulicht werden. Da¬
hingegen sind die Unterschiede der oberfläch¬
lichen Kolonien nicht so in die Augen sprin¬
gend. Es ist schwer, an der Hand mancher
Abbildungen greifbare Unterschiede herauszu¬
finden, namentlich dort, wo es sich um abge¬
schwächten Milzbrand und Pseudomilzbrand
handelt. (Vergl. Abb. No. 6, 10—14 im Central¬
blatt und No. 36 in d. bakt. Diagnostik.)
Einen weiteren Beitrag zur Unterschei¬
dung der Milzbrand- von Pseudomilzbrand¬
kolonien hat dann Kaesewurm 5 ) geliefert.
Er beschreibt an der Hand von 18 Photo¬
grammen das Aussehen der Agarkolonien des
Milzbrand- und eines „Pseudomilzbrandba¬
zillus“, welcher haarlockenähnliche Bildungen
auf weist und besonders dem weniger Geübten
zu Täuschungen leicht Anlass geben kann, zu¬
mal er auf verschiedenen Substraten (Blut,
Milch, Milzsaft, Heu, Fliesspapier, Wollfäden
usw.) recht häufig angetroffen wird. Die wich¬
tigsten Unterscheidungsmerkmale zwischen der
Milzbrand- und Pseudomilzbrandkolonie sind
nach Kaesewurm folgende:
Die Milzbrandkolonie charakterisiert sich
schon makroskopisch dadurch, dass von
einer zentralen Masse sich kometenschweif-
artige Ausläufer abzweigen (Fig. 1), während
die Pseudomilzbrandkolonie „ein in sich ge¬
schlossenes, scheibenartiges Fadengewirr“ dar¬
stellt, „dessen Saum der makroskopisch sicht¬
baren Ausläufer entbehrt 4 * (Fig. 2). Wie wenig
stichhaltig aber dieser Unterschied ist, davon
5 ) Zeitschr. f. Fleisch- u. Milchliyg., Bd. XIV,
1904, S. 137.
kann der Leser sich selbst überzeugen, wenn
er sich die anderen Abbildungen von Kaese¬
wurm ansieht, insbesondere die in sich ge¬
schlossenen Milzbrandkolonien Figg. 5, 6 und
13 und die mit Ausläufern ausgestatteten
Pseudomilzbrandkolonien Figg. 7, 8, 11, 15 und
16. Es ist doch kaum anzunehmen, dass die
in den letztgenannten Figuren sichtbaren Aus¬
läufer makroskopisch nicht erkennbar sein
sollten. Dahingegen werden sich die Milzbrand¬
kolonien in Fig, 5 und 6 bezüglich ihrer Form
von den Pseudomilzbrandkolonien in Fig. 2
makroskopisch wohl schwerlich unterscheiden
lassen. K a e s e w u rm gibt ja auch bei der
weiteren Besprechung der Figg. 3 und 4 selbst
zu, dass diese schon makroskopisch erkenn¬
baren Wuchsunterschiede nicht immer so mar¬
kant auf treten, hebt aber zur weiteren makro¬
skopischen Unterscheidung des Milzbrands und
Pseudomilzbrands hervor, dass im allgemeinen
letzterer viel üppiger und schneller wächst,
so dass oft schon nach 6—12 Stunden die
ganze Agarfläche von einem zusammenhängen¬
den Rasen überwuchert ist, während letzteres
bei Milzbrand nie beobachtet wird, sondern
auch bei dichtem Wachstum jede ein¬
zelne Milzbrandkolonie als von der
nachbarlichen räumlich getrennt zu er¬
kennen ist. Von dieser Behauptung ist man
aber nicht überzeugt, wenn man die Abbildun¬
gen No. 1—4, 7 und 8 von Kaesewurm ver¬
gleicht. Es ist tatsächlich unmöglich, in Fig. 1
eine räumliche Trennung der Milzbrand¬
kolonien zu erkennen, und andererseits ist es
auffallend, dass die Kolonien in Fig. 2 sich
nicht weiter ausgebreitet haben, oder die Ko¬
lonien in Figg. 4 und 7 nicht zusammenge¬
schmolzen sind, wenn diese Neigung den
Pseudomilzbrandkolonien eigentümlich sein
soll.
Bei mikroskopischer Durchmuste¬
rung der Agarplatten, sagt nun Kaesewurm
weiter, werden die oberflächlichen Milzbrand¬
kolonien sofort augenfällig durch die sog.
haarlockenähnliche Ausbreitung ihrer Faden¬
verbände. Eine Gefahr der Verwechslung
mit Pseudomilzbrand, welchem eine im ge¬
wissen Sinne ähnliche Architektonik der Ober¬
flächenkolonien eigen ist, liegt aber nur inner¬
halb der ersten Tage nahe, da sich meist
schon nach 24 Stunden die angedeutete Zeich-
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Heft 10.
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
219
nung verwischt, wohingegen die echteMilz-
brandkolonie diese ihre charakteristische
Bildung dauernd bewahrt. An dieser Stelle
möchte ich nur daran erinnern, dass nach
Bongert 6 ) auch die Lockenbildung der Milz¬
brandkolonien mit Eintritt der Sporen¬
bildung allmählich an Deutlichkeit ab¬
nimmt und verschwindet, und gleichzeitig her¬
vorheben, dass bei Brutwärme die Sporen¬
bildung schon in 16 Stunden eintritt. 7 ) Wenn
man ferner die Randzonen der Figg. 14 und 15
von Kaesewurm vergleicht, so ist es tat¬
sächlich schwer, durchgreifende Unterschiede
in der Lockenbildung herauszufinden. Auch
von der weiteren Behauptung Kaese-
wurms, dass man bei der echten Milz¬
brandkolonie fast ausnahmslos einen zentral
gelegenen Kern findet, während er bei den
Pseudomilzbrandkolonien vermisst wird, kann
man sich nicht überzeugen. Bei seinen
Abbildungen liegen nämlich in den Milz¬
brandkolonien Figg. No. 5 und 6 die Kerne
durchaus nicht im Zentrum, sondern am Rande,
während bei den Pseudomilzbrandkolonien in
Figg. 7 und 8 deutliche, zentral gelegene
Kerne leicht erkennbar sind, mindestens so
gut wie bei der Milzbrandkolonie von Bon¬
ge r t. 8 )
Bezüglich der in der Tiefe wachsen¬
den Kolonien gibt Kaesewurm fol¬
gende Unterschiede an: Bei den Tiefen¬
kolonien des Milzbrandes markiert sich ein
zentral gelagertes, relativ grosses, kompak¬
tes, dunkelbraunes Gebilde, welches kräf¬
tig und scharf konturiert, während
das dunkle Zentrum der tiefen Pseudomilz¬
brandkolonie ohne scharfe Uebergänge
in das Gewirr der Ausläufer übergeht, die
sich ihrerseits astartig nach den Enden zu
verjüngen, während die Ausläufer bei echtem
Milzbrand in ihrem Verlaufe knollenartige Ver¬
dickungen auf weisen. Wenn man sich aber
die einzige Tiefenkolonie von Pseudomilz¬
brand, die Kaesewurm (Fig. 11) gibt, und
dann seine Milzbrandkolonie in Fig. 9 be¬
trachtet, so wird man der Behauptung Kaese-
«) Centralbl. f. Bakt., Bd. XXXIV, Nr. 8, S. 776.
7 ) Zeitschr. f. Fleisch- u. Milchhyg. 1903,
H. 5, S. 134.
8 ) Zeitschr. f. Fleisch- u. Milchhyg., Bd. XII.
S. 199, Fig. 1.
wurms nicht beistimmen können, und zwar
um so weniger, wenn man dabei die Figg. 4
und 6, 9 ) 7 und 8 10 ) und 38 11 ) von Bongert
in Augenschein nimmt. Aus den Bongert-
schen Abbildungen ersieht man gerade das
Gegenteil von dem, was Kaesewurm
als charakteristisch für die Milzbrand¬
tiefenkolonie betont. Bongert sagt ja auch
nicht, dass sich die Tiefenkolonie des Milz¬
brandes als ein kompaktes, scharf konturiertes
Gebilde darstellt, sondern im Gegenteil, als
ein aus unregelmässigen Stücken zusammen¬
gesetztes, wenige starre Ausläufer zeigendes
Gebilde. Er vergleicht sie auch mit einer
„Moosrose“, während sie Kaesewurm als
„wurzelähnlich“ bezeichnet, im Gegensatz zu
der „strauchähnlichen“ Pseudomilzbrandko¬
lonie, die Bongert wieder mit der „Haar¬
krone einer Distel“ vergleicht. Kaese-
wurms Charakteristik gilt demnach wahr¬
scheinlich mehr derjenigen Abbildung, die er
gerade bespricht. Sie passt aber nicht auf
Milzbrandkolonien im allgemeinen und auch
nicht auf alle anderen seiner eigenen Abbil¬
dungen.
Schon aus den angegebenen Widersprüchen
kann man ohne weiteres entnehmen, dass es nicht
so einfach sein kann, die Milzbrandkolonien
an ihrem „heraldischen“ (Kaesewurm) Aussehen
„unter unzähligen anderen Kolonien“ (Bongert)
leicht zu erkennen. Diese Widersprüche sind
für die Milzbranddiagnostik um so bedeutungs¬
voller, als sowohl Kaesewurm wie Bon¬
gert ihre Arbeiten in einem und demselben
Institut angefertigt haben. Wenn sich aber
schon in einem und demselben Institut der¬
artige Differenzen in der Charakteristik eines
und desselben Gegenstandes ergeben und dort
nicht ausgeglichen werden, so muss man sich
doch fragen: Sind denn die morphologi¬
schen Charaktere der Milzbrandkolonie tat¬
sächlich so ausgeprägt, dass man darauf den
Nachweis des Milzbrandes in der Praxis grün¬
den kann ?
Ich meine hier nicht solche Fälle, in denen
es sich nicht nur nach dem Sektionsbefunde,
sondern auch nach dem Ergebnisse der mikro-
9 ) Zeitschr. f. Fleisch- u. Milchhyg., Bd. XII,
S. 201.
10) Centralbl. f. Bakt. 1903, Taf. II.
n) Bakt. Diagnostik 1904.
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220
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
3. Jahrgang.
skopischen Untersuchung zweifellos um Milz¬
brand handelt. In diesen Fällen verläuft auch
die Impfung positiv, und es entwickeln sich
in den Agarplatten nicht nur schöne, feinge¬
lockte Oberflächenkolonien, sondern auch
Tiefenkolonien, in Form von „Moosrosen“ und
„Wurzeln“ von heraldischem Aussehen, mit
schönen Ausläufern und Kometenschweifen,
reine Schulpräparate, die auf die Beschrei¬
bung von Bongert und Kaesewurm aus¬
gezeichnet passen. Doch um diese Fälle han¬
delt es sich in der Praxis nicht, sondern meist
um solche, in denen nicht nur der an Ort
und Stelle erhobene Befund, sondern auch die
mikroskopische Untersuchung Zweifel an der
Diagnose ergeben. Durch die nach dem
Tode des Tieres einsetzenden Zersetzungsvor¬
gänge und die Entwicklung anderer Keime
werden die Milzbrandstäbchen abgeschwächt
und gehen, wie bekannt, mehr oder weniger
schnell zugrunde. Soll man nun von den ab¬
geschwächten Milzbrandstäbchen, sofern keine
Gelegenheit zur Sporenbildung vorlag, er¬
warten, dass sie immer in den von Bongert
und Kaesewurm beschriebenen und abge¬
bildeten schönen typischen Formen aus-
wachsen ? Die Milzbranderreger sind doch
Pflanzen, und wenn man schlechte Saat säet,
wird man doch nicht schön ausgewachsene
Pflanzen und gute Früchte erwarten können,
namentlich wenn man noch recht viel Un¬
kraut mitgesäet hat. Bongert gibt ja auch
selbst Photogramme von solchen oberfläch¬
lichen Milzbrandkolonien, 12 ) die man wohl
kaum beim Vergleich mit den anderen Milz¬
brandkolonien 13 ) für echte Milzbrandkolonien
halten würde. Es ist dort keine Spur von
schönen, medusenhauptähnlichen Locken, und
doch sind es echte Milzbrandkolonien, aber von
— abgeschwächtem Milzbrand; um abge¬
schwächten Milzbrand handelt es sich aber
doch meistens in der Praxis. Dabei ist es doch
ganz gleichgültig, in welcher Weise die Ab¬
schwächung zustande gekommen ist. Sucht nun
12) Centralbl. f. Bakt.. Abt. I. Bd. XXXIV,
Taf. III, Fig. 10-14.
13) Ebenda, Taf. I. Fig. 1, Taf. II, Fig. 6;
Bakt. Diagnostik 1901. Tafel V, Fig. 27, 29, Taf. VII,
Fig. 33, 36; Zeitsclir .f. Fleisch- u. Milchliyg. XII,
S. 199. Fig. 1. 2, 8: XIV. 8. 139 ff.. Fig. *5. G. 7.
8, 13, 14, 15, 17.
jemand unter solchen Umständen nur nach me¬
dusenhauptähnlichen, schönen Locken und
bringt dabei nicht auch andere Hilfsmittel in
Anwendung, so wird er den Milzbrand über¬
sehen, es sei denn, dass es ihm gelingt, eine
Tiefenkolonie zu finden, die die von
Bongert oder Kaesewurm beschriebenen
„moosähnlichen“ oder „wurzelähnlichen“, „he¬
raldischen“ Formen zeigen.
Sollten aber, im Gegensätze zu den Ober¬
flächenkolonien, die Tiefenkolonien denn
wirklich in jedem Falle, auch bei abge¬
schwächtem Milzbrand, so typisch wachsen,
dass man sie unter unzähligen anderen
Kolonien unterscheiden kann ? Schon die
grossen Widersprüche zwischen Bongert
und Kaesewurm 14 ) in der Beschreibung
der Tiefenkolonien, auf die ich oben hinge¬
wiesen habe, lassen doch ohne weiteres dar¬
auf schliessen, dass auch ihre Wuchsform
sehr verschieden sein muss, und dass es
nur dann zum Auskeimen von heraldischen
„moosrosen-“ und „wurzelähnlichen“ Gebilden
mit „Kometenschweifen“ kommt, wenn die
Keime nicht abgeschwächt sind, und wenn ihr
Wachstum durch fremde Kolonien nicht behin¬
dert wird. Ist aber der Milzbranderreger ab¬
geschwächt, und ist die Platte mit anderen
Kolonien dicht besäet, so wird es auch Bon¬
gert sicher nicht gelingen, die von ihm be¬
schriebenen Formen immer zu finden. Ja, aber
auch wenn es sich nicht um abgeschwächten
handelt, sondern um recht virulenten Milz¬
brand, so wird man oft genug solche Formen
vermissen, wie sie Bongert und Kaese¬
wurm beschreiben. Ein einfacher Blick auf
Fig. 14 meiner Abbildungen zeigt schon, dass
sogar in Reinkulturen die Milz¬
brandkolonien in den verschiedensten For¬
men auftreten. Es wird auch Bongert wohl
kaum gelingen, in Fig. 16 meiner Abbildungen
die Milzbrandkolonien von den anderen zu
unterscheiden, obwohl erstere darin in sehr
grosser Anzahl vorhanden sind. Warum will
man denn aber eigentlich auch vom Milzbrand
erwarten, dass er immer nur in einer ganz
bestimmten Form auf Agarplatten wächst?
Ist denn auch nicht der Verlauf des Milz-
14 ) V e r g 1. Tiefonknlonien von Bongert und
Kaesewurm wie oben Figg. 5 u. 8: 32. 38: 3. 4. 6.5:
9, 10.
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Heft 10.
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
221
brandes und auch anderer Infektionskrank¬
heiten oft recht verschieden ? Erst vor kurzem
haben wir bei den Schafpocken, denen
doch nach der bisherigen Lehre ein ganz be¬
sonders typischer Verlauf und ein ganz be¬
sonders typisches Aussehen eigen sein soll,
gesehen, 15 ) dass es auch im Verlaufe dieser
Krankheit Bilder gibt, die hinsichtlich der
Diagnose Zweifel aufkommen lassen, und so¬
gar bei solchen Krankheitsformen, die von an¬
derer Seite als ganz typisch bezeichnet werden.
Es waren harte Knötchen, die keinen roten
Hof besassen; trotzdem waren es echte, ja so¬
gar typische Pocken. So gibt es auch Tiefen¬
kolonien, die weder Wurzeln noch Moosrosen
ähnlich sind und auch keine Kometenschweife
besitzen, und doch echte Milzbrandkolonien
sind.
- Nach meinen Erfahrungen sind gerade bei
den Tiefenkolonien Irrtümer viel leichter mög¬
lich als bei Oberflächenkolonien, denn Locken¬
oder Fadenbildungen, wie sie an der Ober¬
fläche der Agarschicht oder zwischen dieser
und dem Glase auftreten, entgehen nicht so
leicht dem Auge des Beobachters und können
dann, wenn sie aufgefallen sind, einer näheren
Prüfung unterzogen werden.
Um nun die Ausbildung von Oberflächen¬
kolonien zu begünstigen, ist es notwendig,
dass die Agarschicht möglichst dünn ist. Zu
diesem Zwecke verfahre ich schon seit län¬
gerer Zeit in der Weise, dass ich den Rest
des Agars, der beim Ausgiessen in die Petri¬
schale im Reagensglase verbleibt, durch Rollen
des letzteren an seiner ganzen Innenwandung
in möglichst dünner Schicht verteile (Rollröhr-
chen) und dann ebenso wie die Platten nach
vollständigem Erstarren in den Brutschrank
stelle. Die spätere Durchmusterung der Rea¬
gensgläschen mit schwacher Vergrösserung ist
mindestens ebenso leicht wie die der Platten
und hat den Vorteil, dass infolge der starken
Verteilung einer geringen Menge des geimpften
Nährbodens auf eine verhältnismässig grosse
Fläche auch im Reagensglase I die einzelnen
Kolonien nicht so dicht nebeneinander auf¬
gehen. Die Kolonien können daher nicht nur
in der ihnen eigentümlichen Gestalt besser aus-
15 ) Berl. Tierärztl. Wochenschr. 1903. Nr. 44,
45 und 46.
wachsen, sondern sie können auch auf ihre
morphologischen Charaktere viel leichter mit
dem Mikroskope geprüft werden. Auf diese
Weise ist es mir in verschiedenen Fällen ge¬
lungen, schöne Milzbrandoberflächenkolonien
festzustellen, obwohl in den entsprechenden
Petrischalen trotz eingehendster Prüfung und
genauester Durchmusterung weder die von
Bongert noch die von Kaesewurm charak¬
terisierten Tiefenkolonien noch haarlockenähn¬
liche Gebilde zu finden waren. In anderen Fällen
fanden sich dagegen häufig nur mehr oder
weniger ausgebreitete Fadenverbände, ähnlich
wie in meinen Figg. 13 und 14, ohne dass es je¬
doch möglich war, ihren Ausgangspunkt zu er¬
mitteln. Durch die weitere Untersuchung dieser
Fäden konnte aber doch festgestellt werden,
dass es sich um echten Milzbrand handelte.
Jedoch wäre es nicht richtig, daraus gleich zu
folgern, dass die Röhrchenkulturen in allen
Fällen sicherer zum Ziele führen als die
Plattenkulturen. Auch gerade umgekehrte Re¬
sultate habe ich erzielt; in den Platten gin¬
gen deutlich erkennbare Milzbrandkolonien auf*
während ich in den Reagensgläschen vergeb¬
lich darnach suchte.
Jedenfalls geht aber daraus hervor, dass
man zum bakteriologischen Nachweis der Milz¬
branderreger kein Mittel unversucht
lassen darf, und dass der Milzbranderreger
nicht immer in so typischer Form
wächst, dass seine Kolonien immer als solche
unter unzähligen anderen Kolonien leicht zu
erkennen sind.
Dazu kommt aber noch der Umstand,
dass es auch andere Stäbchen gibt, welche
mit gut und typisch entwickelten Milz-
brandkolonien eine ungeheure Aehnlich-
k e i t besitzen, so dass eine einfache mikro-
oder gar nur makroskopische Prüfung, ja, auch
sogar eine Untersuchung der gefärbten Fäden
mit starker Vergrösserung nicht genügt, um
zu entscheiden, ob Milzbrand vorliegt oder
nicht.
Schon seit einigen Jahren ist es mir bei
meinen Untersuchungen aufgefallen, dass in
manchen Fällen, in denen die Impfung und
die mikroskopische Untersuchung irgendwelche
Anhaltspunkte für das Vorhandensein von
Milzbrand nicht ergaben, ja sogar in solchen
Fällen, in denen es auch auf Grund des Sektions-
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222
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
3. Jahrgang.
befundes und der sonstigen an Ort und Stelle
erhobenen begleitenden Umstände ausge¬
schlossen war, dass es sich um Milzbrand
handelte, in den angelegten Platten Kolonien
aufgingen, welche alle bisher bekannt ge¬
wordenen morphologischen Eigenschaften der
echten Milzbrandkolonien zeigten.
Die Anzahl der Kolonien war in den ein¬
zelnen Fällen recht verschieden. Einmal war
die Platte von ihnen ganz dicht besät (Fig. 15),
ein andermal fand ich wieder nur vereinzelte,
ja sogar nur eine einzige solche Kolonie. Ferner
ist es mir aufgefallen, dass diese Kolonien
in letzter Zeit, seitdem ich mit getrocknetem
Material arbeite, viel häufiger auftreten als
früher. Ich will aber dahingestellt sein lassen,
ob es nicht auf Selbsttäuschung beruht. Ich
habe nämlich früher diese Kolonien vielleicht
für echte Milzbrandkolonien gehalten, jetzt
aber nehme ich, nachdem ich darauf aufmerk¬
sam geworden bin, bei den geringsten Zwei¬
feln stets eine weitere Prüfung jeder verdäch¬
tigen Kolonie nach der biologischen und auch
nach der pathogenen Seite vor. So komme ich
in die Lage, so manche Widersprüche zwischen
den Ergebnissen der Sektion, der mikroskopi¬
schen Untersuchung, der Impfung und der
Züchtung erklären zu können, und sehe mich
nicht gezwungen, eine Untersuchungsmethode
für alleinseligmachend zu halten und die an¬
deren zu verwerfen. 16 )
Bei der Beschreibung der milzbrandähn¬
lichen Stäbchen will ich von der für die Milz¬
brandkolonie bekannten Charakteristik aus¬
gehen und diese dann unter Beifügung von
18 Photogramme mit Pseudomilzbrandkolonien
vergleichen.
Die oberflächlichen Kolonien des Milz¬
brandes besitzen ein schön gelocktes me¬
dusenhauptähnliches Aussehen. Bei den milz¬
brandähnlichen Kolonien ist dagegen nach
Bongert die Lockenbildung weniger zierlich,
regelmässig und ausgeprägt. Wenn man aber
Figg. 1 und 2 meiner Abbildungen mitein¬
ander vergleicht, so wird man finden, dass
die Pseudomilzbrandkolonie (Fig. 2) weit
grössere Aehnlichkeit mit dem Medusenhaupte
16 ) Die Ergebnisse meiner vergleichenden Ver¬
suche über den Wert der einzelnen Untersuchungs¬
methoden werde ich an anderer Stelle veröffent¬
lichen.
zeigt als die echte Milzbrandkolonie (Fig. 1),
und es liesse sich darüber streiten, ob die
Locken der echten oder der Pseudomilzbrand¬
kolonie schöner und besser ausgeprägt sind,
namentlich wenn man sich die Ränder dieser
beiden Kolonien mit stärkerer Vergrösserung
(Figg. 3 und 4) ansieht. Wenn ich auch zu¬
geben muss, dass die Lockenbildung in den
Figuren 1, 3 und 8 zierlicher ist als in den
Figuren 2, 4 und 7, so bitte ich doch, die letzt¬
genannten Figuren mit den Abbildungen der
echten Milzbrandkolonien von Bongert und
Kaesewurm zu vergleichen, und dann meine
Abbildungen No. 5, 9, 10, 11, 12 und 13 an¬
zusehen. Ich glaube sicher, dass man die Ueber-
zeugung gewinnt: an der mehr oder weniger
zierlichen Lockung wird man Milzbrand und
Pseudomilzbrand nicht unterscheiden können,
ebensowenig an der Regelmässigkeit und Deut¬
lichkeit der Locken.
Die Deutlichkeit der Lockenbildung
soll sich aber nach Kaesewurm bei Pseudo¬
milzbrand meist schon nach 24 Stunden
verwischen, bei echtem Milzbrand dagegen
dauernd sein. Diese Behauptung steht im
Widerspruche mit meinen Erfahrungen. Zu¬
nächst muss ich Bongert beitreten, wenn er
bezüglich der Milzbrandkolonie sagt, dass die
Deutlichkeit der Milzbrandlocken schon nach
2 Tagen — wenn auch nicht gleich mit dem
Eintritt der Sporenbildung — abnimmt und
dann verschwindet. Genau dasselbe trifft aber
auch für Pseudomilzbrand zu. Einen Unter¬
schied nach dieser Richtung habe ich nicht
beobachten können. Die Milzbrandlocken
werden allmählich ebenso undeutlich wie die
Pseudomilzbrandlocken. Innerhalb 24 Stunden
habe ich eine Abnahme der Deutlichkeit nie¬
mals bemerkt. Meine Abbildungen sind sämt¬
lich nach Platten hergestellt, die 24 Stunden
nach dem Anlegen mit Formalin fixiert und
etwa erst 14 Tage später photographiert sind.
Nach Bongert besitzen die Pseudomilz-
brandkolonien eine Neigung zum starken
Oberflächenwachstum, und sollen nach
Kaesewurm oft schon nach 6—12 Stunden
zu einem Rasen Zusammenflüssen, während
jede Milzbrandkolonie auch bei dichtem Wachs¬
tum von der benachbarten immer räumlich
getrennt bleibt. Wie wenig diese Behauptung
in der Praxis zutrifft, kann man sich durch
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Heft 10.
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
223
einen einfachen Blick auf No. 13 und 14 meiner
Abbildungen überzeugen. Nach meiner Erfah¬
rung verschmelzen bei dichtem Wachstum Milz¬
brandkolonien ganz genau ebenso miteinander
wie andere, und ein Ueberwuchem der ganzen
Fläche tritt bei Pseudomilzbrand durchaus
nicht häufiger ein als bei echtem Milzbrand.
Dahingegen habe ich häufig genug beobachten
können, dass verschiedene andere Kolonien
diese Neigung tatsächlich im hohen Masse be¬
sitzen. Diese Kolonien zeigen aber unter an¬
derem insofern eine Abweichung von Milz¬
brand- und von Pseudomilzbrandkolonien, als
ihr Rand verästelte Ausläufer zeigt, die mit
Lockenbildung nichts zu tun haben und da¬
her nur für Ungeübte in Frage kommen.
Was nun die Ausläufer anbetrifft, so
sind diese auch keine besondere Eigentümlich¬
keit der Milzbrandkolonien. Es gibt Milzbrand¬
kolonien, die fast kreisrund sind (Fig. 1). Das¬
selbe ist bei Pseudomilzbrand der Fall. An¬
dererseits treten aber auch dreieckige, vier¬
eckige, ovale, langgezogene mit mehr oder
weniger langen und dicken Ausläufern aus¬
gestattete Formen bei beiden Arten keines¬
wegs selten auf, wie man aus den Figuren 5—14
ersehen kann. Wenn ich auch zugebe, dass
man bei der Aussaat vollvirulenten Milz¬
brandes, wenn genügend Raum vorhanden ist,
eine starke Neigung zur Bildung von Aus¬
läufern findet, so kann ich doch Kaese-
wurm nicht zustimmen, wenn er die Bildung
von Ausläufern als etwas der Milzbrandkolonie
Eigentümliches hinstellt, das bei Pseudomilz¬
brand immer fehlt. Es gibt vielmehr kreis¬
runde Milzbrandkolonien und mit Ausläufern
ausgestattete Pseudomilzbrandkolonien, eben¬
so umgekehrt.
Von Bongert und Kaesewurm wird
nun das Zentrum der Kolonie als besonders
wichtig für die Differentialdiagnose bezeichnet.
Die echten Milzbrandkolonien sollen nach
Kaesewurm fast ausnahmslos einen zentral
gelagerten Kern besitzen, der bei der Pseudo¬
milzbrandkolonie vermisst wird. Auf Grund
meiner Erfahrungen kann ich diese Behaup¬
tung nicht bestätigen. In der Regel findet
man sowohl bei jeder Milzbrand- als auch bei
jeder Pseudomilzbrandkolonie einen Kern, wie
man auch aus den Figuren 1—4 und 9—12
deutlich erkennen kann. Der Kern kann ja
nun auch einmal mehr oder weniger zurück¬
treten, jedoch möchte ich im Gegensatz zu.
Kaesewurm behaupten, dass dies viel häu¬
figer bei echtem Milzbrand als bei Pseudo¬
milzbrand zu beobachten ist. (Figg. 5, 6, 13.)
Was nützen demnach alle diese Merk¬
male, wenn sie keine konstanten Eigenschaften
darstellen, an denen man in konkreten Fällen
entscheiden kann, um was es sich handelt ?
Es wäre mir an der Hand dessen, was über
die Oberflächenkolonien des Milzbrandes be¬
kannt geworden ist, und auf Grund meiner
mehrjährigen Erfahrung tatsächlich ganz un¬
möglich zu entscheiden, welche von den in den
Figg. 1—10 dargestellten Oberflächenkolonien
eine Milzbrand, und welche eine Pseudomilz¬
brand ist, wenn ich es nicht von vornherein
gewusst und die einzelnen Platten darnach
genau bezeichnet hätte, so dass ein Irrtum
hier nicht in Frage kommen kann. Dahingegen
ist es mir nicht möglich zu entscheiden, welche
von den in den Figg. 11 und 12 dargestellten
6 Oberflächenkolonien Milzbrand- und welche
Pseudomilzbrandkolonien sind, weil ich bei
dem Anlegen dieser beiden Platten Milzbrand-
und Pseudomilzbrandstäbchen zusammenge¬
mischt habe.
Bongert legt nun das grösste Gewicht
auf die Tiefenkolonien und sagt, es
wären grauschwarze, aus einzelnen unregel¬
mässigen Stückchen zusammengesetzte Ge¬
bilde, welche wenige starre Ausläufer zeigen.
Diese Beschreibung passt ganz ausgezeichnet
auf die in Fig. 2 meiner Abbildungen sicht¬
baren 4 Tiefenkolonien, und doch sind es
nicht Milzbrand-, sondern Pseudomilzbrand¬
kolonien. Aehnliehe Gebilde finden sich
auch in Fig. 12, doch wage ich hier nicht
zu entscheiden, ob es Milzbrand- oder Pseudo¬
milzbrandkolonien sind. Nach meinen Erfah¬
rungen möchte ich aber von der einen kleinen
Kolonie, welche im linken oberen Quadranten
unten links dicht am Rande zu sehen ist,
glauben, dass es eine Milzbrandkolonie ist,
bestimmt behaupten möchte ich es aber nicht.
Bongert sagt auch weiter, dass die tiefen
Milzbrandkolonien, ein moosartiges Aussehen
besitzen und mit dem Kelche einer Moosrose
verglichen werden können, so dass man sie
daran auch unter unzähligen anderen Kolo¬
nien erkennen kann. Wenn man sich aber
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224
Fortschritte der Veterinär-Hygfene.
3. Jahrgang.
Fig. 14 ansieht, welche eine Reinkultur von
Milzbrand darstellt, so findet man unzählige
Gebilde, die mit Moosrosen keine Aehnlich-
keit haben und doch Milzbrandkolonien sind.
Bei der Betrachtung der Fig. 15 findet man
dagegen recht zahlreiche moosrosenähnliche
Gebilde, und doch ist es nicht Milzbrand, son¬
dern eine Reinkultur von Pseudomilzbrand. Ge¬
wiss sieht Fig. 14 auf den ersten Blick anders
aus als Fig. 15, aber um die Unterscheidung
von Reinkulturen handelt es sich in der Praxis
nicht, sondern um das Auffinden und Erkennen
einer einzigen, oft nur schwach entwickelten
Milzbrandkolonie unter unzähligen anderen Ko¬
lonien. Dass das nicht so leicht, ja oft gar nicht
möglich ist, wird man ohne weiteres zugeben,
wenn man den Versuch unternimmt, in Fig. 16,
welche eine Mischung von Milzbrand- und
Pseudomilzbrandkolonien enthält, zu entschei¬
den, welche von den Kolonien Milzbrand- und
welche Pseudomilzbrandkolonien sind.
Im Gegensatz zu Bongert behauptet nun
Kaesewurm, dass die Tiefenkolonie des
Milzbrandes ein kompaktes, kräftig und scharf
konturiertes Gebilde darstellt, deren Ausläufer
knollenartige Verdickungen auf weisen, wohin¬
gegen das dunkle Zentrum bei Pseudomilz¬
brand in ein Gewirr von Ausläufern über¬
geht, die sich astartig nach den Enden zu
verjüngen. Er vergleicht die Milzbrandkolo¬
nien # daher auch mit Wurzeln. Bei Betrach¬
tung meiner Figg. 14 und 15 sieht man aber
gerade im Gegenteil, dass sich das Zentrum
der Pseudomilzbrandkolonien (Fig. 15) viel
schärfer von den Ausläufern abhebt, als bei
den Milzbrandkolonien (Fig. 14), dass die Aus¬
läufer in Fig. 15 mindestens ebenso zahlreiche
knollige Verdickungen zeigen wie in Fig. 14,
und dass von einer astartigen Verjüngung der
Ausläufer in Fig. 15 nicht mehr die Rede
sein kann, als in Fig. 14. Daher wird es
auch an der Hand der Charakteristik von
Kaesewurm nicht möglich sein, in Fig. 16
die Milzbrandkolonien an ihrem heraldischen
Aussehen von Pseudomilzbrandkolonien zu
scheiden.
Zur morphologischen Prüfung der Milz¬
brandkolonien gehört aber schliesslich auch
die Untersuchung der gefärbten Deckglas¬
präparate mit starker Vergrösserung. Wie
bekannt, setzt sich die Milzbrandkolonie aus
langen Fäden zusammen, die ihrereits aus ein¬
zelnen mehr oder weniger kurzen Stäbchen be¬
stehen. Unter günstigen Bedingungen bilden
sich in den Stäbchen schon nach 16 Stunden
Sporen. Eine Kapsel ist an den künstlich ge¬
züchteten Stäbchen nicht, oder nur ausnahms¬
weise ganz schwach erkennbar. Die Milz¬
brandstäbchen sind schliesslich dadurch aus¬
gezeichnet, dass sie an den Enden scharf ab¬
gestutzt erscheinen.
Ich habe nun versucht festzustellen, ob die
Milzbrandfäden nach dieser Richtung hin den
Pseudomilzbrandfäden bezw. -Stäbchen gegen¬
über durchgreifende Unterschiede aufweisen,
jedoch vergeblich. Auch der Pseudomilzbrand
bildet lange Fäden, die einmal fester, ein ander¬
mal wieder loser miteinander vereint sind und
auch zeitweise eine schwache Kapsel erkennen
lassen. Die Länge der einzelnen Stäbchen
wechselt genau wie bei Milzbrand, und die
Sporenbildung ist ebenso wie bei Milzbrand
(Fig. 17) einmal schon nach 24 Stunden fast
an allen Stäbchen deutlich erkennbar, ein
andermal wieder nach 24 Stunden nur an ein¬
zelnen Stäbchen kaum angedeutet (Fig. 18).
Die Enden der Pseudomilzbrandstäbchen sind
mindestens ebenso scharf abgestützt wie bei
echtem Milzbrand, und die Entfernung der
einzelnen Stäbchen voneinander wechselt ganz
genau so wie bei Milzbrand innerhalb geringer
Grenzen. Demnach ist es also auch auf diese
Weise nicht möglich, im gegebenen Falle zu
entscheiden, ob man es mit Milzbrand oder
Pseudomilzbrand zu tun hat.
Ich fasse meine Ausführungen dahin zu¬
sammen :
1. Unter ungünstigen Verhältnissen ent¬
wickeln sich die Milzbrandkolonien
nicht immer in so typischer Form,
dass man sie unter anderen Kolonien als solche
erkennen kann.
2. Es gibt auch andere Kolonien,
welche in ihrem Aussehen ganz typisch
entwickelten Milzbrandkolonien gleichen,
aber dennoch keine Milzbrandkolonien sind.
3. Die morphologischen Charaktere
der Milzbrandkolonie sind demnach nicht so
eigenartig, dass man darauf den bakteriolo¬
gischen Nachweis des Milzbrandes in der Praxis
immer gründen kann.
4. Zum bakteriologischen Nach-
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Heft 10.
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
225
weis des Milzbrandes wird vielmehr in der
Regel der Nachweis der Pathogenität zu for¬
dern sein.
Erklärung der Abbildungen.
Die Aufnahmen sind sämtlich mit dem grossen
Zeiss’schen mikrophotographischen Apparat her¬
gestellt. Als Lichtquelle diente eine elektrische
(rleichstrombogenlampe von 20 Ampere. Die
schwachen Vergrösserungen sind mit zwischen
Kondensor und Irisblende eingeschalteter Matt¬
scheibe aufgenommen. Die Verfertigung der Auf¬
nahmen Nr. 1—4 und 9—18 verdanke icli dem
Leiter der Hamburger Geschäftsstelle der Carl
Zeiss’sclien Werkstätte, Herrn Martini, die der
Aufnahmen Nr. 4—8 der Direktion eines hiesigen
Museums. Die Agarplattcn wurden sämtlich 24
Stunden nach dem Anlegen mit Formalin fixiert.
Die Aufnahme erfolgte erst etwa 14 Tage später.
Fig. 1. Milzbrandkolonie. Zeiss-Planar F. 35 mm.
gerades Licht. Vergrösserung 28 fach.
Fig. 2. Pseudomilzbrandkolonie. Ebenso herge¬
stellt. Vergrösserung 28 fach.
Fig. 3. Randzone der Milzbrandkolonie Fig. 1.
Zeiss-Planar F. 20 mm, gerades Licht. Ver¬
grösserung 58 fach.
Fig. 4. Randzone der Pseudomilzbrandkolonie
Fig. 2. Ebenso hergestellt. Vcrgr. 58 fach.
Fig. 5. Milzbrandkolonie. Zeiss-Planar F. 50 mm,
gerades Licht. Vergr. 24 fach.
Fig. 6. Milzbrandkolonie. Zeiss-Planar F. 50 mm,
schräges Licht. Vergr. 24 fach.
Fig. 7. Randzone einer Pseudomilzbrandkolonie mit
Ausläufern. Zeiss-Planar F. 20 mm, gerades
Licht. Vergr. 45 fach.
Fig. 8. Randzone einer Milzbrandkolonie mit Aus¬
läufern. Zeiss-Planar F. 20 mm, gerades Licht.
Vergr. 45 fach.
Fig. 9. Pseudomilzbrandkolonie. Zeiss-Planar F.
35 mm, gerades Licht. Vergr. 28 fach.
Fig. 10. Milzbrandkolonie. Ebenso hergestellt.
Vergr. 28 fach.
Fig. 11. Milzbrand- und Pseudomilzbrandkolonien.
Ebenso hergestellt. Vergr. 28 facli.
Fig. 12. Milzbrand- und Pseudomilzbrandkolonien.
Zeiss-Planar F. 35 mm, gerades Licht. Vergr.
40 fach.
Fig. 13. Milzbrandkolonien, Reinkultur, Agar-
platte II. Zeiss-Planar F. 35 mm, gerades Licht.
Vergr. 25 fach.
Fig. 14. Milzbrandkolonien, Reinkultur, Agar-
platte I. Ebenso hergestellt. Vergr. 20 fach.
Fig. 15. Pseudomilzbrandkolonien, Reinkultur,
Agarplatte I. Ebenso hergestellt. Vergr.
17 fach.
Fig. 16. Milzbrand- und Pscudomilzbrandkolonien.
Agarplatte I. Ebenso hergestellt. Vergr.
23 fach.
Fig. 17. Milzbrandstäbchen, Klaschpräparat aus
Agarplatte. Zeiss-Apochromat 2 mm n. Ap. 1,40,
Projektionsokular 4, Grünfilter. Orthuchromat
„Flavin“, Platte von Hauff & Co., Feuerbach.
Gerades Licht. Vergr. 750 fach.
Fig. 18. Pseudomilzbrandstäbchen. Ausstrich¬
präparat aus Agarplatte. Ebenso hergestellt.
Vergr. 750 fach.
Oeffentliches Veterinärwesen.
Stand der Tierseuchen im Deutschen Reich
am 15. Dezember 1905.
Rotz wurde festgestellt in Preussen: Re¬
gierungsbezirk Marienwerder in 3 Gemeinden
und 3 Gehöften, im Stadtkreis Berlin in 11 Ge¬
höften, im Reg.-Bez. Potsdam in 4 Gemeinden
und 7 Gehöften, im Reg.-Bez. Posen in einem
Gehöft, in den Reg.-Bez. Bromberg und Breslau
in je 2 Gemeinden und ebensovielen Gehöften,
im Reg.-Bezirk Oppeln in 2 Gemeinden und
3 Gehöften, im Reg.-Bez. Magdeburg in 2 Ge¬
höften und einer Gemeinde, in den Reg.-Bez.
Minden, Arnsberg und Cassel in je einem Ge¬
höfte, in Bayern, Württemberg, Baden und
Sachsen-Weimar in je einem Gehöfte, zu¬
sammen somit in 23 Gemeinden und 38 Ge¬
höften. Die L ungenseuche wurde in
einem Gehöfte der Kreishauptmannschaft
Leipzig beobachtet. Von Aphthenseuche
waren betroffen in Rosenberg (Westpreussen)
und in Staufen je ein Gehöft. Die Schweine¬
seuche einschliesslich der Schweinepest
herrschte in 1625 Gemeinden u. 2148 Gehöften.
Tierseuchen in Canada.
Canada. Der Bericht des Landwirt*
schaftsministers für das Jahr 1903/1904 ent¬
hält über die einzelnen zur Beobachtung ge¬
langten Tierseuchen folgende Angaben:
Die Schweinepest hat infolge strenger
Durchführung der gesetzlichen Bekämpfungs¬
massnahmen erheblich abgenommen. Die Zahl
der wegen Schweinepest gesperrten Gehöfte
betrug im Berichtsjahre 151. Einige Seuchen¬
ausbrüche, die in Ontario der Eisenbahnlinie
entlang auftraten, werden auf den Durchgangs¬
verkehr mit Schweinen aus den Vereinigten
Staaten zurückgeführt.
Tuberkulose. Die Kennzeichnung der¬
jenigen Tiere, die der Tuberkulinprobe unter¬
worfen wurden, hat sich bewährt. Es sind
im Berichtsjahre 2649 Dosen Tuberkulin ab-
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226
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
3. Jahrgang.
gegeben worden gegen 2391 im Vorjahre. Von
427 Stück Vieh, die zur Ausfuhr bestimmt,
mit Tuberkulin geprüft wurden, reagierten 36.
Aus Europa wurden 191 Tiere eingeführt, von
denen 52 auf die Impfung reagierten. Von
anderem Vieh aus verdächtigen Beständen wur¬
den 490 Stück geimpft, wovon 96 reagierten.
Rotz. Die Bekämpfung des Rotzes, die
seit 1902 in fast allen Teilen des Landes be¬
gonnen hat, deckt viele Seuchenherde auf, be¬
sonders in den Nordwest-Territorien, in der
Umgegend von Ottawa und in einigen Distrik¬
ten von Quebek. Im Berichtsjahr wurden 219
Pferde auf Grund der klinischen Erscheinungen
als rotzig erkannt und unschädlich beseitigt.
Von 1387 der Malleinimpfung unterworfenen
Pferden wurden 280 beseitigt und 420 für er¬
neute Impfungen zurückgestellt. 164 Pferde,
darunter mehrere aus dem Vorjahre übernom¬
mene, reagierten auf wiederholte Impfungen.
Das auf Grund der Malleinprüfung seit zwei
Jahren mit Sorgfalt durchgeführte Rotztil¬
gungsverfahren hat, mit Rücksicht auf die
Entfernungen des Landes, die Unmöglichkeit,
den Verbleib aller reagierenden Tiere zu über¬
wachen und die bisher mangelnde gesetzliche
Grundlage für die Entschädigung reagierender
Pferde nicht befriedigt.
Als eine grosse Errungenschaft für die er¬
folgreiche Bekämpfung des Rotzes werden des¬
halb die Ausführungsbestimmungen vom 19.
Dezember 1904 zum Viehseuchengesetz vom
13. August 1903 angesehen, wonach für rea¬
gierende Pferde, die ohne klinische Rotzerschei¬
nungen zu zeigen getötet werden, eine Ent¬
schädigung von 2/3 ihres wirklichen Wertes
bezahlt wird.
Sogenannte Piktou-Seuche (eine Lebercir-
rhose unter dem Rindvieh) ist in 130 Fällen
zur Kenntnis gelangt. Im ganzen wurden
1504*66 Pfund als Entschädigungen an die
Eigentümer gezahlt. Die auf einer Farm bei
An tigonish an gestellten F ütterungs versuche
haben ergeben, dass die Krankheit nicht an¬
steckend ist und durch Aufnahme eines Un¬
krauts (Senecio Jakobea, Ragwort), hervor¬
gerufen wird, das in jener Gegend häufig ist.
Die Räude des Rindes, die als erloschen
galt, ist im Laufe des Winters sehr stark
und heftiger als je aufgetreten. Bis zum
Schlüsse des Berichtsjahres wurden 411061
Stück Vieh einem Räudebad erstmals und von
diesen 176 685 Stück diesem Verfahren zum
zweiten Male unterworfen.
Beschälseuche. Ein erster Einbruch
dieser in Canada noch nicht festgestellten
Seuche ist im März 1904 in Alberta ermittelt
und durch eine Kommission von Sachverstän¬
digen bestätigt worden. Eine Verordnung zur
Bekämpfung der Seuche ist am 8. Juli 1904
erlassen.
Die Pferderäude ist in erheblichem Um¬
fange aufgetreten.
Die Schafräude ist nur in vereinzelten
Ausbrüchen zur Kenntnis gelangt.
Milzbrand kam in 6 Fällen zur Anzeige.
Zur privaten Schutzimpfung wurden 80 Dosen
Impfstoff abgegeben.
Der Rauschbrand hat weiter abgenommen;
es gelangten 2163 Dosen Impfstoff zur
Ausgabe.
Referate.
Infektionskrankheiten.
T. M. Legge. Milzbrand bei gewerb¬
lichen Arbeitern in Grossbritan-
n i e n. (The Milroy Lectures on Industrial
Anthrax.
Die Kenntnis des Gewerbemilzbrandes in Gross¬
britannien ist dadurch erheblich gefördert worden,
dass mit dem Fabrik- und Werkstättengesetz vom
Jahre 1901 die Anzeigepflicht für diejenigen Milz¬
brandfälle eingeführt worden ist, deren Entstehung
in einem ursächlichen Zusammenhang mit gewerb¬
lichen Beschäftigungen gebracht wird. In dem
Zeiträume von 1899 bis 1904 sind dort insgesamt
261 Fälle von Milzbrand bei gewerblichen Arbei¬
tern (224 bei männlichen, 37 bei weiblichen Per¬
sonen) gemeldet ; von ihnen endigten 67, d. i.
25,6o/o, mit dem Tode. Von den Erkrankungen
entfielen auf die Industrie der Garne und Wolle
88, der Rosshaare und Borsten 70, der Häute und
Feile 86 und auf sonstige Industrien 17. In der
Wollindustrie kamen die meisten Milzbrandfälle
beim Sortieren, Krempeln und Spinnen der Wolle
vor, in der Rosshaarindustrie beim Krempeln der
Haare für Polsterungszwecke sowie bei der Bürsten¬
anfertigung, in der Industrie der Häute und Felle
bei den Arbeiten auf den Docks, in den Speichern,
in den Gerbereien und vereinzelt bei der Leder¬
bearbeitung. Was die sonstigen gewerblichen Be¬
schäftigungen anlangt, so ereigneten sich Verein¬
zelte Fälle insbesondere lx?i Hornarbeitern, bei
Lumpensortierern, bei Arbeitern, die Getreide- oder
Kartoffelsäcke zu verladen hatten, und bei Ar¬
beitern in chemischen Düngerfabriken.
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Heft 10.
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
227
Von den in der Wollindustrie beobachteten
Milzbrandfällen kamen 64 bei Arbeitern vor, die
beim Sortieren oder Krempeln der Wolle be¬
schäftigt waren.
Bei einer Gesamtzahl von 4264 in Grossbri¬
tannien mit solchen Arbeiten beschäftigten Per¬
sonen entfiel sonach auf 1,3° 0 oder aufs Jahr
berechnet auf 0,21 o/ 0 eine Erkrankung. In Ross¬
haarbetrieben sind mindestens 40 Milzbranderkran¬
kungen vorgekommen, oder bei den insgesamt
2206 Arbeitern dieser Betriebe eine Erkrankung
auf 1,8 o/o, oder aufs Jahr berechnet auf 0.3Oo. Der
Milzbrand bei Arbeitern der Wollindustrie ist be¬
sonders in der Umgebung von Bradford aufge¬
treten, wo vorwiegend Wollen aus Klein-Asien und
Persien, die danach im Rohzustände besonders ge¬
fährlich zu sein scheint, bearbeitet werden. In
der Lederindustrie war das Vorkommen von Milz¬
brand hauptsächlich auf die Häfen von London
und Liverpool beschränkt.
Unter den 261 Fällen gewerblichen Milz¬
brandes fanden sich nur 6 von innerlicher Erkran-
kung; diese sind sämtlich in Bradford vorgekom¬
men und haben alle tödlich geendet. In 248 von
den übrigen Fällen äusserlichen Milzbrandes ist
der Sitz der Pustel festgestellt worden; sie fand
sich 108 mal (d. i. 43,5°/o) am Kopfe oder im Ge¬
sicht, 103 mal (41,5o/o) im Nacken, 31 mal (12,5°/o)
an den oberen, 3 mal (l,2p/ 0 ) an den unteren Glied¬
massen, 8 mal (1,2 o/o) am Rumpfe. Nach der Be¬
schäftigungsweise der Erkrankten war der Sitz der
Pustel ein verschiedener. In der Industrie der
Häute und Felle fand sie sich in 49,4°/o der Fälle
im Nacken, dagegen bei Arbeitern der Woll¬
industrie dort nur in 29,5o/ 0 , was offenbar im Zu¬
sammenhänge damit steht, dass die Häute auf
der Schulter getragen zu werden pflegen. Die Arme
waren vornehmlich befallen bei Personen, die mit
Kadavern an Milzbrand verendeter Tiere zu tun
hatten.
Was die Herkunft des Rohmaterials anlangt,
das zu den Erkrankungen an Gewerbemilzbrand
Varanlassung gab, so waren in der Wollindustrie
30 Erkrankungen mit Sicherheit, wahrscheinlich
aber 40 auf persische Wolle zurückzuführen, min¬
destens 21 auf Mohair und Van Mohair, der aus
der europäischen und asiatischen Türkei stammte.
In der Rosshaarindustrie waren wenigstens 22
Fälle durch chinesisches Material und in der
Bürstenanfertigung einige Fälle durch russische
oder sibirische Borsten verursacht. In der In¬
dustrie der Häute und Felle konnten auf grüne und
gesalzene Häute, die besonders von Italien und
Süd-Afrika eingeführt wurden, nur 2 Erkrankun¬
gen mit ziemlicher Sicherheit bezogen werden,
obwohl z. B. im Jahre 1902 die Einfuhr an solchem
Rohmaterial 1 595109 £ betrug. Trockene Häute
(aus China, aus Bombay und anderen Orten Ost¬
indiens) wurden dagegen in 19 Fällen Ursache
von Milzbranderkrankungen, obwohl z. B. im Jahre
1902 nur für 353 411 £ solcher Ware zur Ein¬
fuhr gelangt ist. Prof6.
Karlinski. Zur Frage der sogenannten
germinativen Tuberkulose bei
Tieren. Zeitschrift für Tiermedizin. Neunter
Band. 5. und 6. Heft.
Verf. infizierte einen Ziegenbock durch intra¬
venöse Einimpfung einer Tuberkulosekultur (vom
Menschen). Vier nach der Impfung mit gesunden
Müttern erzeugte Junge erwiesen sich ebenso wie
die Mütter als gesund. Der Bock zeigte allgemeine
Tuberkulose, in den Hoden tuberkulöse Erkran¬
kung oder Tuberkelbazillen nicht nachweisbar.
Bei einem zweiten und dritten Versuch er¬
folgte die Bazilleneinspritzung in den linken bezw.
den rechten Hoden. Im ersteren Falle fand sich bei
einem männlichen Jungen Tuberkulose des Peri¬
toneums, im letzteren bei vier weiblichen Jungen
Tuberkulose der Mesenterialdrüsen und des Peri¬
toneums, während die Mütter keinerlei Erkran¬
kungen tuberkulöser Art aufwiesen. '
Hiernach ist es möglich, dass die Tuberkulose
vom väterlichen Organismus auf das Ei durch den
Samen übertragen wird. Profe.
M. Osraan Nouri (Konstantinopel). Die Ab¬
sorption desTuberkelbacillus durch
die frisch rasierte Haut. Bericht an
die Societe de Biologie (Paris). La Semaine
medicale 1905, No. 43.
Es gelingt, den Kochsclien Bacillus dadurch auf
Meerschweinchen zu verimpfen, dass man in die
frisch rasierte Haut der Leistengegend das tuber¬
kulöse Material eiureibt. Der Erfolg dieser Impf¬
methode ist der gleiche wie bei der subkutanen
Infektion. Das bezeichnete Verfahren hätte den
Vorteil, dass der Tod durch Septikämie vermieden
würde, die häufig nach subkutaner Injektion von
Sputum oder ähnlichen Krankheitsprodukten ein-
tritt. Carl.
Friedmann. Experimentelle Beiträge zur
Frage kongenitaler Tuberkelbacil¬
lenübertragung und kongenitaler
Tuberkulose. Virchows Archiv, Bd. 181,
Heft 1, 1905.
Vor einigen Jahren stellte der Autor durch
Versuche fest, dass Tuberkelbacillen, die sogleich
nach stattgehabter Begattung Kaninchenweibchen
in die Vagina injiziert werden, ohne Vermittlung
des mütterlichen Körpers in die Embryonen über¬
gehen und sich in diesen nach 6—7 Tagen stets
vereinzelt naclrweisen lassen. Zur weiteren Klärung
dieser Frage stellte Verfasser umfangreiche Ver¬
suche an, deren Resultate folgende sind:
1. In 7—8 tägigen Kaninchenembryonen,
welche von Vatertieren abstammen, denen einige
Wochen vor der Zeugung menschliche Tuberkel¬
oder Perlsuchtsbacillen in die Samenleiter gespritzt
worden waren, sind in der Regel solche Bacillen
nachweisbar. (
2. 7 tägige Kaninchenembryonen, welche von
Vatertieren abstammen, denen wenige Wochen vor
der Zeugung Tuberkelbacillen in beide Hoden ge¬
spritzt worden waren, enthalten in der Regel solche
Bacillen. Fand die Begattung erst längere Zeit
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228
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
3. Jahrgang.
(vier und mein* Wochen) hach der Infektion statt,
so erfolgt keine Konzeption mehr. In einem Fall
erfolgte nach der Infektion keine Begattung mehr.
— Bei Meerschweinchen, denen Tuberkelbacillen
in die Hoden gespritzt werden, schreitet der tuber¬
kulöse Prozess im Hoden und die Allgemeinerkran¬
kung zu schnell vorwärts, so dass hier in der Regel
keine Konzeption eintritt.
3. Intrapulmonal mit Tuberkelbacillen infi¬
zierte Kaninchenböcke üben, falls der Prozess in
den Lungen zum Stillstand kommt, noch nach
Monaten erfolgreiche Begattungen aus: die 7tägi-
gen Embryonen sind stets bacillenfrei und ent¬
wickeln sich zu gesunden Tieren. Bei intraperi¬
tonealem Infektionsmodus dagegen dürfte infolge
zu schneller Generalisierung der Tuberkulose nur
selten noch erfolgreiche Begattung stattfinden.
4. 6 tägige Kaninphenembryonen, deren Vater¬
tiere wenige Wochen vor der Zeugung intravenös
mit Tuberkelbacillen infiziert wurden, enthalten
bisweilen wenige Bacillen. Fand die Zeugung
etwas längere Zeit (drei und mehr Wochen) nach
der Infektion statt, so lassen sich in den Gtägigen
Embryonen in der Regel keine Bacillen nacliweisen,
doch sind — nach Ausweis der mikroskopischen
Untersuchung und Meerschweinchenimpfung —
einige Bacillen auch dann noch ganz vereinzelt
(aber offenbar avirulent?) in Organen einiger Neu¬
geborener nachweisbar.
5. Tuberkelbacillen, die gleich nach der Be¬
gattung Kaninchenweibchen intravaginal injiziert
wurden, Hessen sich in 7tägigen Embryonen in der
Regel vereinzelt nacliweisen. Sie hindern jedoch
die normale Entwicklung der Früchte in keiner
Weise. Sie finden sich in seltenen Fällen in eini¬
gen Organen (Lungen, Knochenmark) der neu¬
geborenen Tiere noch ganz vereinzelt vor, aber so
gering an Zahl resp. Virulenz, dass sie offenbar
bald zugrunde gehen, keine histologischen, ge¬
schweige denn gröbere Veränderungen Hervorrufen,
so dass die betreffenden Jungen zu kräftigen, von
Kontrolltieren nicht zu unterscheidenden Tieren
auswaclisen. Vielleicht kann dieses in bezug auf
eine fortschreitende Entwicklung der in den
ab ovo infizierten Embryonen enthaltenen Bacillen
negative Resultat zum Teil auf die relative Un¬
empfänglichkeit des Kaninchenkörpers für mensch¬
liche Tuberkelbazillen bezogen werden. So fielen
ja auch die bekannten Injektionsversuche an
Hühnereiern von v. Baumgarten und Maffucci bei
Verwendung von menschlichen Tuberkelbacillen
stets negativ aus, dagegen mit Hühnertuberkel¬
bacillen stets positiv. Es ist eben bei allen diesen
Versuchen ein offenbar sehr bedeutungsvolles
Moment zu berücksichtigen: das Wechselverhältnis
zwischen Bacillenspezies und Tierspezies. — Die
Muttertiere bleiben stets gesund.
6. Intraperitoneal oder intravenös mit Tu¬
berkelbacillen infizierte und kurze Zeit darauf be¬
gattete Meerschwein- und Kaninchenweibchen
scheinen, falls die Infektion schon vorgeschritten,
überhaupt nicht mehr zu konzipieren. Es tritt
Gravidität ein, die Föten sind normal entwickelt
und frei von Tuberkulose und Bacillen, wenn die
Infektion einige Tage nach der erfolgreichen Be¬
gattung geschehen war. Bei subkutaner Infektion
des Muttertieres mit kurz darauffolgender Begat¬
tung können einzelne Bacillen durch die Placenta
in die Fötalleber übergehen, rufen liier jedoch
histologische Veränderungen nicht hervor und
dürften nach Analogie des im vorigen Kapitel fest¬
gestellten, hier in der Regel sich avirulent ver¬
halten, wenigstens zunächst keine Tuberkulose
Hervorrufen.
Kurz zusammengefasst ergibt sich also, dass
ein Eindringen des Tuberkelbacillus in die befruch¬
tete Eizelle als erwiesen angesehen werden muss.
Die letztere geht durch die bacilläre Infektion nicht
zugrunde, sondern entwickelt sich zum wohlgestal¬
teten Tier, das also durch die in statu nascendi
empfangenen Bacillen nicht tuberkulös wird, auch
in der ersten Zeit des postembryonalen Lebens
nicht, und das von Kontrolltieren nicht zu unter¬
scheiden ist. Carl.
Kossel und Weber. Die Untersuchungen
über die Beziehungen zwischen der
Menschen- und Tiertuberkulose.
Veröff. des Kais. Ges.-Amtes 1905. S. 1146.
In einer am 7. Juni 1905 im Kaiserlichen
Gesundheitsamt anberaumten Sitzung des Unter¬
ausschusses für Tuberkulose des Reichs-Gesund¬
heitsrats wurden Zusammenstellungen der wissen¬
schaftlichen Ergebnisse der bisher im Kaiserlichen
Gesundheitsamte angestellten vergleichenden Unter¬
suchungen über Tuberkelbacillen verschiedener Her¬
kunft und der praktischen Ergebnisse der neueren
Forschungen über die Beziehungen zwischen der
Menschen- und Tiertuberkulose vorgelegt. Die Zu¬
sammenstellungen haben folgenden Wortlaut:
Wissenschaftliche Ergebnisse der
bisher im Kaiserlichen Gesundheits¬
amt angestellten vergleichenden
Untersuchungen über Tuberkelbacil¬
len verschiedener Herkunft.
1. Bei den Erregern der Tuberkulose der Warm¬
blüter ist zu unterscheiden zwischen Bacillen der
Hühnertuberkulose und Bacillen der Säugetier¬
tuberkulose.
2. Bei den Bacillen der Säugetiertuberkulose
lassen sich 2 Typen unterscheiden, die zweckmässig
als Typus humanus und Typus bovinus zu be¬
zeichnen sind. Diese beiden Typen weisen sowohl
morphologisch als auch kulturell und hinsichtlich
ihrer Virulenz für Kaninchen und Rind charakte¬
ristische Unterschiede auf.
3. Eine Umwandlung der Bacillen der Hühner¬
tuberkulose in solche der Säugetiertuberkulose
konnte selbst bei längerem Aufenthalt (bis zu
2 Jahren) der ersteren im Säugetierkörper (Meer¬
schweinchen, Maus, Kaninchen, Rind) nicht be¬
obachtet werden.
4. Eine Umwandlung der Bacillen des Typus
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Fortschritte der Veterinär-Hygiene. Jahrg. 11)05/06. Heft X.
Tafel 4.
Fig. 14.
Fig. 15.
Fischoeder, Milzbrand.
Verlag von Louis Marcus in Berlin SW Hl.
Lichtdruck von Albert Frisch, Berlin W. Mo.
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Fortschritte der Veterinär-Hygiene. Jahrg. 1905/06. Heft X.
Tafel 4.
Fig. 14. Fig. 15.
Fischoeder, Milzbrand. Lichtdruck" $bn Albert Frisch, Berlin W. :15.
Verla* von Louis Marcus in Berlin SW Hl. Zed by ^jOOgiC
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Heft 10
Fortschritte der Ve teri n&r- Hy giene.
229
humanus in solche des Typus bovinus konnte nach
Uebertragung auf Kaninchen, Ziege und Rind selbst
nach längerem Aufenthalt (bis zu mehr als 1 Jahr)
in den Körpern dieser Tiere nicht beobachtet
werden.
5. Die bei Hühnern beobachtete Tuberkulose
war in allen 11 untersuchten Fällen durch den
Hühnertuberkulosebacillus erzeugt.
Für den Typus humanus und bovinus erwiesen
sich Hühner als unempfänglich.
Das Verhalten der Hühner den verschiedenen
Typen von Tuberkulosebacillen gegenüber darf
nicht ohne weiteres auf alle anderen Vogelarten
übertragen werden; bei 2 tuberkulösen Papageien
werden Bacillen des Typus humanus gefunden.
6. Aus 11 verschiedenen Fällen von Tuber¬
kulose des Rindes wurden ausnahmslos Tuberkel¬
bacillen des Typus bovinus gezüchtet.
Mit den Bacillen des Typus humanus liess sich
eine fortschreitende Tuberkulose beim Rinde nicht
erzeugen, mochte die Uebertragung durch Impfung
(Reinkulturen und zerriebene Organteile), Fütte¬
rung (Reinkulturen und tuberkulöser Auswurf) oder
Einatmung (Reinkulturen) erfolgt sein.
7. In 7 Fällen von Tuberkulose des Schweines
fanden sich Bacillen des Typus bovinus. In Ueber-
einstimmung hiermit liessen sich Ferkel durch
Uebertragung von Bacillen des Typus bovinus
(Reinkulturen) mittels Fütterung ausnahmslos in¬
fizieren.
Beweise für die Annahme, dass unter natür¬
lichen Verhältnissen eine Ansteckung von Schwei¬
nen mit Tuberkelbacillen des Typus humanus vor¬
kommt, haben die Untersuchungen zwar bis jetzt
nicht ergeben. Indes haben Fütterungsversuche,
die allerdings mit grossen Mengen von Bacillen
(Reinkulturen) bei Ferkeln angestellt wurden, ge¬
zeigt, dass die Bacillen des Typus humanus beim
Schweine eine langsam verlaufende allgemeine
Tuberkulose hervorrufen können.
In einem Falle wurden bei einem 3 Monate
alten Schwein, das sonst keine Zeichen von Tuber¬
kulose aufwies, in den verkästen Mesenterialdrüsen
Hühnertuberkulosebacillen gefunden.
8. In einem Falle von allgemeiner Tuberkulose
beim Schaf fanden sich Tuberkelbacillen des Typus
bovinus. Ferner liessen sich Schafe und Ziegen
durch Impfung mit Tuberkelbacillen des Typus
bovinus (Reinkulturen) infizieren.
9. Unter 67 verschiedenen Fällen von Tuber¬
kulose des Menschen, deren Auswahl allerdings
überwiegend von dem Bestreben geleitet wurde,
möglichst Fälle des Typus bovinus zu finden,
liessen sich in 56 Fällen die Bacillen des Typus
humanus allein, in 9 Fällen die Bacillen des
Typus bovinus allein, in 2 Fällen beide Typen
bei derselben Person gleichzeitig nachweisen.
10. Unter den 56 Fällen menschlicher Tuber¬
kulose, in denen Bacillen des Typus humanus allein
nachgewiesen wurden, fanden sich Fälle von Tuber¬
kulose der Lungen, der Drüsen, der Knochen und
Gelenke, des Darmes bezw. der Mesenterialdrüsen,
des Urogenitalapparates, des Bauchfells, sowie von
allgemeiner Miliartuberkuolse und von Lupus.
Die Bacillen des Typus humanus liessen sich
nachweisen in Auswurf, Halsdrüsen, Bronchial¬
drüsen, Axillardrüsen, Lungentuberkeln, Hirnhaut¬
tuberkeln, tuberkulöser Tubenschleimhaut, Peri¬
tonealtuberkeln, tuberkulöser Darmschleimhaut
und Gekrösdrüsen, tuberkulösen Hautstückchen,
Knochen- und Gelenkteilen, Harn.
Die Tuberkulösen gehörten verschiedenen
Lebensaltern an.
11. Die 9 Fälle von menschlicher Tuberkulose,
bei denen sich Bacillen des Typus bovinus allein
fanden, betrafen ausschliesslich Kinder im Alter
bis zu 8 Jahren und boten in 6 Fällen Erschei¬
nungen dar, welche mit Sicherheit den Schluss
gestatteten, dass die Ansteckung durch Eindringen
der Tuberkelbacillen vom Darm aus erfolgt war;
bei 2 dieser Fälle lag allgemeine Miliartuberkulose
vor. In einem dritten Falle von Miliartuberkulose
war die Entscheidung über die Eintrittspforte nicht
möglich. In 2 Fällen handelte es sich um Tuber¬
kulose der Halsdrüsen.
In der Mehrzahl dieser Fälle wurden die Ba¬
cillen der Typus bovinus an der Eintrittspforte oder
den zugehörigen Drüsen (Darm, Mesenterialdrüsen,
Halsdrüsen) nachgewiesen, in einem Falle von
Miliartuberkulose in der Lunge, welche allein unter¬
sucht werden konnte, in einem zweiten Falle von
Miliartuberkulose im Gehirn, den Bronchialdrüsen,
der Leber und in den Mesenterialdrüsen.
12. Die 2 Fälle, bei denen sich beide Typen
von Tuberkelbacillen gleichzeitig vorfanden, be¬
trafen eine 30 jährige Frau, bei der sich in den
Gekrösdrüsen Tuberkelbacillen des Typus bovinus
neben solchen des Typus humanus, und ein 5Va-
jähriges Kind, bei dem sich in den Gekrösdrüsen
Tuberkelbacillen des Typus bovinus, in der Milz
solche des Typus humanus vorfanden.
13. Im ganzen kamen zur Untersuchung bei
Kindern unter 10 Jahren 12 Fälle von Tuberkulose,
bei denen augenscheinlich der Darm die Eintritts¬
pforte gebildet hatte.
Von diesen 12 Fällen beruhten 5 auf Infektion
mit Bacillen des Typus humanus allein, 6 auf
Infektion mit Bacillen des Typus bovinus allein,
1 Fall auf Infektion mit Bacillen beider Typen.
Unter den 12 Fällen fanden sich 4 Fälle, in
denen die Tuberkulose auf die Mesenterialdrüsen
beschränkt war; von diesen beruhten 3 auf In¬
fektion mit Bacillen des Typus bovinus, 1 auf
Infektion mit Bacillen des Typus humanus.
In 2 weiteren Fällen lagen ausser der Mesen¬
terialdrüse nerkrankung tuberkulöse Darmgeschwüre
vor, einer davon beruhte auf Infektion mit Bacillen
des Typus bovinus, der andere mit solchen des
Typus humanus..
In den übrigen 6 Fällen fanden sich auch
sonst tuberkulöse Veränderungen im Körper. In
5 dieser Fälle handelte es sich um allgemeine
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230
Fortschrittder Veterinär-Hygiene.
3. Jahrgang.
Miliartuberkulose, die augenscheinlich vom Dang
ausgegangen war; 3 davon beruhten auf Infektion
mit Bacillen des Typus humanus, 2 auf Infektion
mit Bacillen des Typus bovinus. In einem Fall
wurden aus den Mesenterialdrüsen Bacillen des
Typus bovinus, aus der Milz Bacillen des Typus
humanus gezüchtet.
14. Die aus dem menschlichen Körper ge¬
züchteten Bacillen des Typus bovinus liessen sich
weder morphologisch, noch kulturell, noch hin¬
sichtlich ihrer Virulenz für das Rind von den direkt
aus dem Rinde gezüchteten Bacillen des Typus
bovinus unterscheiden.
Praktische Ergebnisse der neueren
Forschungen über die Beziehungen
zwischen der Menschen- und Tier¬
tuberkulose.
I. Tuberkulose der Haustiere.
A. Tuberkulose des Rindes.
1. Die Tuberkulose des Rindes wird durch
Tuberkelbacillen des Typus bovinus hervorgerufen.
Sie entsteht durch die Ansteckung mit Tuberkel¬
bacillen, welche von kranken Tieren bei gewissen
Formen der Tuberkulose ausgeschieden werden.
2. Als Quelle für die Ansteckung des Rind¬
viehs kommen fast ausschliesslich Rinder in Be¬
tracht, welche an Tuberkulose des Euters, des
Darms, der Gebärmutter oder der Lunge leiden und
mit der Milch, dem Darminhalt, den Absonde¬
rungen der Gebärmutter oder der Luftwege Tu¬
berkelbacillen ausscheiden.
3. Die Erkrankung von Rindern infolge der
Aufnahme von Tuberkelbacillen des Typus bo¬
vinus, welche bei tuberkulösen Erkrankungen von
anderen Haussäugetieren, z. B. Schafen, Ziegen
und Schweinen, ausgeschieden werden, ist möglich.
4. Der tuberkulöse Mensch bietet für das Rind
in den seltenen Fällen, in welchen er Tubekel-
bacillen des Typus bovinus ausscheidet, eine
Gefahr.
5. Die Tuberkulose der Hühner scheint für das
Rind unter natürlichen Verhältnissen kaum eine
Gefahr zu bieten.
6. Zur Bekämpfung der Tuberkulose bei den
Rindern ist in erster Linie die Uebertraguug der
Ansteckungskeime von tuberkulösen Rindern auf
gesunde zu verhindern.
B. Tuberkulose des Schweines.
1. Bei tuberkulösen Schweinen finden sich in
den Krankheitsherden fast ausnahmslos Tuberkel-
bacillen des Typus bovinus.
2. Die Tuberkulose des Schweines hat ihren
Ursprung vorzugsweise in der Tuberkulose des
Rindes, daneben kommt Uebertragung der Tuber¬
kulose von einem Schweine auf das andere vor.
Auch ist nicht ausgeschlossen, dass die Tuber¬
kulose anderer Haussiiugetiere und der Hühner auf
Schweine übertragen wird.
3. Der tuberkulöse Mensch kann die Tuber¬
kulose auf das Schwein übertragen und zwar gleich¬
viel, welchen Ursprungs seine eigene Erkrankung
ist. — 4 \ 9 \
4. Als Quelle der Ansteckung kommen haupt¬
sächlich Absonderungen und Körperteile kranker
Säugetiere in Betracht, in welchen lebende Tuber¬
kelbacillen enthalten sind. Die grösste Gefahr
bietet die Verfütterung von Zentrifugenschlamm
aus Molkereien an Schweine.
C. Tuberkulose der übrigen Haussäugetiere.
1. Die Tuberkulose der übrigen Haussäugetiere
leitet sich in den meisten Fällen von der Tuber¬
kulose des Rindes ab.
2. Es ist zu erwarten, dass die Bekämpfung
der Tuberkulose bei den Rindern zu einer Abnahme
der Tuberkulose bei den Schweinen und den übrigen
Haussäugetieren führen wird.
D. Tuberkulose des Hausgeflügels.
1. Die Tuberkulose des Hausgeflügels (Hühner,
Tauben, Enten, Gänse) wird in der Regel durch
den Hühnertuberkulosebacillus erzeugt und ver¬
breitet 1 ).
2. Als Quelle der Ansteckung sind in erster
Linie Tuberkelbacillen enthaltende Darmauslee¬
rungen und tuberkulös veränderte Körperbestand-
teile von krankem Geflügel zu betrachten.
II. Tuberkulose des Menschen.
1. In tuberkulös veränderten Körperteilen von
Menschen finden sich meist Tuberkelbacillen des
Typus humanus.
2. Es muss angenommen werden, dass hier
die Ansteckung mit Tuberkulose in erster Linie
durch unmittelbare oder mittelbare Uebertragung
der Tuberkelbacillen von Mensch zu Mensch erfolgt.
3. Dementsprechend haben die zur Bekämpfung
der Tuberkulose bestimmten Massnahmen sich vor¬
zugsweise gegen die unmittelbare oder mittelbare
Uebertragung des Ansteckungskeims von tuber¬
kulösen Menschen auf Gesunde zu richten.
4. Ausserdem ist mit der Möglichkeit zu
rechnen, dass mit dem Fleisch tuberkulöser
Schweine Tuberkelbacillen des Typus humanus auf
den Menschen übertragen werden.
5. Die Tatsache, dass in einer Anzahl von
Fällen in tuberkulös veränderten Körperteilen bei
Menschen Tuberkelbaciljen des Typus bovinus nach¬
gewiesen worden sind, zeigt, dass der menschliche
Körper zur Aufnahme der Ansteckungskeime aus
tuberkelbacillenhaltigen Ausscheidungen (z. B.
Milch) oder tuberkulös verändertem Fleisch der
Haussäugetiere befähigt ist.
6. Die durch Tuberkelbacillen des Typus bo¬
vinus bei Menschen hervorgerufenen Gewebsver¬
änderungen beschränken sich in einer bemerkens¬
werten Zahl von Fällen auf die Eintrittspforte
der Keime und die zugehörigen Drüsen oder auf
letztere allein. Jedoch sind Tuberkelbacillen des
Typus bovinus auch in solchen Fällen von Tuber¬
kulose gefunden worden, bei welchen die Erkran¬
kung von der Eintrittspforte aus auf entferntere
*) Bei tuberkulösen Papageien sind jedoch auch Bazillen
des Typus humanus gefunden worden.
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Heft 10.
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
231
Körperteile übergegriffen und den Tod der be¬
treffenden Person herbeigeführt hatte.
7. Daher ist der Genuss von Nahrungsmitteln,
welche von tuberkulösen Tieren stammen und
lebende Tuberkelbacillen des Typus bovinus ent¬
halten, für die Gesundheit des Menschen, nament¬
lich im Kindesalter, nicht als unbedenklich zu
betrachten.
8. Eine gewissenhaft durchgeführte Fleisch¬
beschau bietet einen erheblichen Schutz gegen die
Uebertragung der Tnberkelbacillen mit dem Fleisch
auf den Menschen; ausserdem besteht ein Schutz
in der geeigneten Zubereitung des Fleisches (gründ¬
liches Durchkochen oder Durchbraten).
9. Die Möglichkeit der Uebertragung von
Tuberkelbacillen mit der Milch und den Milch¬
produkten auf den Menschen wird durch wirk¬
same Bekämpfung der Tuberkulose unter dem Rind¬
vieh erheblich verringert. Die in der Milch ent¬
haltenen Tuberkelbacillen können durch zweckent¬
sprechende Erhitzung abgetötet werden.
10. Die Tuberkulose des nutzbaren Hausge¬
flügels scheint für die Verbreitung der Tuberkulose
unter den Menschen keine Rolle zu spielen.
Kossei. Schlusssätze zum gleichen Thema, ibid.
1. Durch die bakteriologische Untersuchung
tuberkulöser Veränderungen bei Menschen, Rin¬
dern und Schweinen lassen sich zwei verschiedene
Typen von Tuberkelbaoillen nachweisen, die vor¬
läufig als Typus humanus und bovinus bezeichnet
werden können.
2. Die weit verbreitete Tuberkulose der Rin¬
der ist ausschliesslich auf Infektion mit dem
Tuberkelbacillus des Typus bovinus zurückzuführen.
3. Die Schweine sind in hohem Grade emp¬
fänglich für die Bacillen des Typus bovinus, in
geringerem Grade für die des Typus humanus.
4. Die Tuberkulose des Menschen beruht in
erster Linie auf Ansteckung mit Bacillen des
Typus humanus, die von Mensch zu Mensch über¬
tragbar sind.
5. Tuberkulöse Veränderungen können beim
Menschen auch durch Tuberkelbacillen des Typus
bovinus hervorgerufen werden.
6. Die Uebertragung der Bacillen des Typus
bovinus auf den Menschen kann durch Nahrungs¬
mittel erfolgen, die von tuberkulösen Tieren stam¬
men, in erster Linie durch Milch von Kühen mit
Eutertuberkulose.
7. Die Rolle, die die Tuberkuloseinfektion aus
tierischer Quelle für die Verbreitung der mensch¬
lichen Tuberkulose spielt, ist gering im Vergleich
zu der Gefahr, die von dem schwindsüchtigen
Menschen ausgeht.
Arloing. Schlusssätze über das gleiche Thema, ibid.
Bemüht man sich, die Resultate der Forsch¬
ungsergebnisse über den Unterschied der verschie¬
denen Tuberkulosearten auf die Aelinlichkeit und
die sie vereinigenden Eigenschaften dieser Tuber¬
kulosearten zu prüfen, so kommt man zur Ueber-
zeugung, dass diese verschiedenen Bacillen alle
nur Varietäten derselben Art und durch keine
markierte Abgrenzung getrennt sind.
Die Variationsfähigkeit existiert für die
menschlichen Bacillen wie für die aller Tierarten.
1. Betrachtet man, anstatt sich bloss an die
Unterschiede zu halten, die Analogien, die die
verschiedenen Tuberkulosearten nähren, so wird
es einleuchten, dass diese sämtlichen Krankheiten
vom Kochschen Bacillus herrühren, dessen bio¬
logische Eigenschaften und Virulenz hinwieder¬
um vom Nährboden abhängen.
2. Die von verschiedenen Bakteriologen an¬
genommenen Typen sind bloss Varietäten, die die
Eigenschaften, die der Kochsche Bacillus durch
Niederlassung im Organismus dieser oder jener
Tierspezies erwerben kann, in grösserer oder ge¬
ringerer Zahl aufweisen.
3. Alle diese Bacillenvarietäten können durch
das Serum von Tuberkulösen in verschiedenen
Verhältnissen agglutiniert werden, alle sind mehr
oder minder fähig, in den Kulturen Tuberkulin,
im lebenden Organismus agglutinierende Sub¬
stanzen zu bilden.
4. Menschliche Tuberkulose und
Rindertuberkulose sind von ein und
derselben Natur undgegenseitig über¬
tragbar. Die Uebertragbarkeit der Rindertuber¬
kulose auf den Menschen wird heute selbst nicht
mehr von den Anhängern der Koch-Schützschen
Anschauungen bestritten; es wird bloss über die
Häufigkeit dieser Ueber tragungsart der Tuber¬
kulose gestritten.
5. Es scheint die Annahme berechtigt, dass
die Uebertragung von Mensch zu Mensch die häu¬
figste ist, wenn auch gegenüber allen Tuber¬
kulosearten Vorsicht geboten ist.
6. Alle Warmblütervertebraten können den
Kochschen Sadillus' verschiedener Vfruleüfc beher¬
bergen.
7. Beim Menschen und bei Säugetieren be¬
gegnet man den abgeschwächten Varietäten am
häufigsten in den sogenannten chirurgischen oder
lokalisierten Tuberkulosen der Knochen, Lympl -
drüsen und der Haut, doch können in diesen Teilea
ebenso virulente Bacillen Vorkommen, wie es die
der Vixeraltuberkulosen sind.
8. Die vergleichende Impfung an Meerschwein¬
chen und Kaninchen kann zum Unterschiede
zwischen abgeschwächten und voll virulenten Varie¬
täten dienen.
9. Die sehr wenig abgeschwächten Varietäten
gewinnen durch Tierpassage an Virulenz, die sehr
stark abgeschwächten behalten ihren Rückgang
der Virulenz trotz mehrerer Tierpassagen.
Jacob.
L. Rabinowitsch. Vergleichende Studien
über verschiedene Tuberkulose¬
arten. Internationaler Tuberkulosekongress
1905, Ref. d. M. med. Wchschft.
Die Verf. stellt folgende Schlusssätze auf:
1. Es existieren keine konstanten prinzipiellen
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232
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
3. Jahrgang.
Unterschiede weder in morphologischer noch tink-
torieller Beziehung zwischen den Erregern der
Säugetier-, Geflügel- und Kaltblütertuberkulose.
2. a) Kulturelle Unterschiede bestehen zwi¬
schen den Menschen- und Rindertuberkelbacillen
nur insofern, als die letzteren im allgemeinen
schwerer zu züchten sind und besonders in den
ersten Generationen ein langsames Wachstum auf-
weisen als die menschlichen Tuberkelbacillen. Es
wird aber mitunter auch das umgekehrte Verhalten
beobachtet; inwieweit hierbei die Verschiedenheit
der Nährböden eine Rolle spielt, scheint bislang
nicht mit Sicherheit festgestellt zu sein.
b) Es sind ausgesprochene kulturelle Unter¬
schiede zwischen den Erregern der Säugetier- und
Geflügeltuberkulose vorhanden, obwohl einzelne Ge¬
flügeltuberkulosestämme ein dem der Säugetier¬
tuberkulose mehr oder weniger ähnliches Wachs¬
tum zeigen.
c) Die Kulturen der Kaltblütertuberkulose
unterscheiden sich von denen der Säugetier- und
Geflügeltuberkulose nicht nur in ihrem Aussehen,
sondern hauptsächlich durch ihr Wachstums¬
optimum.
3. Bei den Säugetiertuberkelbacillen lassen
sich hinsichtlich ihrer Virulenz für verschiedene
Versuchstiere und hinsichtlich ihres kulturellen
Verhaltens zwei Typen unterscheiden, die als
Typus bovinus und Typus liumanus bezeichnet
werden.
Die Menschen- und Rindertuberkelbacillen be¬
sitzen eine verschiedene Virulenz für verschiedene
Versuchstiere; Meerschweinchen sind für beide Er¬
reger in gleicher Weise empfänglich.
Kaninchen sind für Menschentuberkulose be¬
deutend weniger empfänglich als für Rinder¬
bacillen.
Rinder sind desgleichen für Tuberkelbacillen
menschlicher Provenienz weniger empfänglich als
für Perlsuchtbacillen, obwohl auch weniger viru¬
lente Stämme von Perlsuchtbacillen Vorkommen,
die bei Rindern keine oder nur geringfügige Tuber¬
kulose erzeugen, sich also in dieser Beziehung
den menschlichen Tuberkelbacillen gleich ver¬
halten.
Vom Menschen stammende und für Rinder und
Kaninchen hochvirulente Kulturen werden zum
Typus bovinus gehörend gerechnet.
4. Die Bacillen der Geflügeltuberkulose sind
für alle Vogelarten pathogen.
Für Meerschweinchen sind sie im allgemeinen
virulenter im Ausgangsmaterial als in der Rein¬
kultur; im grossen und ganzen aber weniger viru¬
lent als Säugetierbacillen.
Für Kaninchen fast ebenso virulent bei den
verschiedenen Infektionsmodis als Rindertuberkel¬
bacillen.
Mäuse sind für Geflügeltuberkelbacillen nicht
ganz so empfänglich wie für Rindertuberkelbacillen,
aber empfänglicher als menschliche Tuberkulose.
Rinder sind für Geflügeltuberkulose mehr oder
weniger empfänglich.
5. Die Erreger der Kaltblütertuberkulose sind
im allgemeinen für Warmblüter nicht pathogen,
auch das umgekehrte Verhältnis besteht im grossen
und ganzen zu Recht.
6. Beim Menschen findet sich hauptsächlich
der Typus humanus der Säugetiertuberkulose, zu¬
weilen und vornehmlich bei Kindern der Typus
bovinus, in manchen Fällen beide vergesellschaftet.
Möglich ist, dass bei längerem Verweilen im
menschlichen Organismus der Typus bovinus sich
in den humanen Typus umwandelt. In sehr seltenen
Fällen wurde bei menschlicher Tuberkulose das
Vorkommen von Geflügeltuberkulosebacillen be¬
obachtet (eigene Beobachtung).
7. Beim Rinde findet sich gewöhnlich der
Typus bovinus, in scheinbar nicht zu seltenen
Fällen eigenartiger tuberkulöser Erkrankungen
Geflügeltuberkulosebacillen.
8. Auch bei Schweinen und Pferden wurde in
seltenen Fällen Geflügeltuberkulose beobachtet.
9. Bei Affen (36 eigene Beobachtungen) findet
sich meistens der Typus humanus, verschiedentlich
der Typus bovinus, zuweilen Geflügeltuberkulose-
bacillus.
10. Von über 120 tuberkulösen Vögeln der
verschiedensten Arten aus dem Berliner Zoolo¬
gischen Garten wurden zirka 70 isolierte Kulturen
studiert, von denen 3 ihren kulturellen und patho¬
genen Eigenschaften nach dem Typus humanus
angehörten.
a) Bei spontaner Papageientuberkulose finden
sich sowohl Säugetier- wie Geflügeltuberkulose¬
bacillen; Papageien sind in gleicher Weise mit
dem Typus humanus, bovinus und Geflügeltuberkel¬
bacillen zu infizieren.
b) Von anderen Vogelarten Hessen sich nach
eigenen Beobachtungen bisher nur Kanarienvögel
mit Säugetier tuberkulöse infizieren.
c) Mäuse und Ratten finden sich häufig mit
den Bacillen der Geflügeltuberkulose infiziert und
können als Verbreiter derselben angesehen werden.
11. Es bestehen agglutinatorische Wechsel¬
beziehungen zwischen den Bacillen der Säugetier-,
Geflügel- und Kaltblütertuberkulose.
12. Ausser einer gemeinschaftlichen Tuber¬
kulinreaktion, die als Gruppenreaktion anzusehen
ist, bestehen Immunitätsbeziehungen zwischen
Menschen-, Rinder- und Geflügeltuberkulose.
13. Demnach und vornehmlich auf Grund der
häufigen Wechselbeziehungen der Säugetier- und
Geflügeltuberkulose im Tierreich müssen die -Er¬
reger derselben als verschiedene Tierspezies an¬
gepasste Varietäten einer Art aufgefasst werden,
unter denen sich der Typus humanus und bovinus
am nächsten stehen.
Bis auf die Versuche an Rindern und Beob¬
achtungen an Schweinen und Pferden stellen diese
Sätze das Ergebnis eigener Versuche der Verf. dar.
Die Arbeiten über Vogeltuberkulose sind gemein¬
sam mit Dr. Max Koch im pathologischen Uni¬
versitätsinstitut in Berlin ausgeführt.
Jacob.
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Heft 10.
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
233
Heymans. Ucber die pleurale und peri¬
toneale Tuberkulose des Rindes.
Vortrag i. d. Acad6mie de Mcdicine belgique
(Brüssel). La Semaine medicale 1905 No. 36.
Nach der allgemeinen Anschauung sind die
Neubildungen auf den serösen Häuten beim Rinde
tuberkulöser Natur und leiten ihren Ursprung auf
Tuberkelknötchen zurück, die ursprünglich ihren
Sitz in der Serosa hatten. Von 114 Tumoren,
welche von 41 mit Tuberkulose des Brust- und
Bauchfells behafteten Tieren stammten, boten
bloss 36 bei der mikroskopischen Untersuchung
eine offenbar tuberkulöse Struktur dar, während
man bei den 78 andern weder Riesenzellen noch
Tuberkel auffinden konnte. Im übrigen enthielten
die letzteren, soweit vorhanden, keine Bacillen,
während in ersteren immer solche, wenn auch in
geringer Zahl, nachweisbar waren.
Ausserdem wurden 87 Tumoren von der Serosa
von 23 tuberkulösen Tieren zerrieben, emulgiert
und je eines derselben 2 Meerschweinchen in¬
jiziert, wobei sich folgendes ergab: 12 Neubil¬
dungen machten keines der Tiere tuberkulös, 22
infizierten nur je eines, 53 beide Meerschwein¬
chen. Die erkrankten Tiere verendeten gewöhn¬
lich erst 2 Monate nach der Infektion.
Daraus folgt, dass die Tumoren, welche sich
auf den serösen Häuten der Rinder bilden, nicht
immer virulent sind und nicht notwendigerweise
den Tuberkelbacillus als Ursache haben müssen.
Im Gegenteil, man kann feststellen, dass das
Endothel der Serosa ohne Mitwirkung der Bacillen
aufschwillt, wuchert, mit dem darunterliegenden
Bindegewebe Zotten bildet, aus welchen sich später
polypenartige Tumoren entwickeln. Diese Neu¬
bildungen, welche weder Tuberkelbacillen noch
andere Mikroben enthalten, bestehen aus entzün¬
detem Bindegewebe in verschiedenen Stadien, unter
denen der öfters von einer zentralen Nekrose be¬
gleitete hämorrhagische Typus vorherrscht.
Zusammengefasst ergibt sich, dass ein be¬
merkenswerter Teil der Serosentuberkulose des
Rindes nicht auf Tuberkel und Agglomerate von
solchen zurückzuführen ist, sondern auf einfache,
entzündliche Zustände, die zuerst progressiven und
dann regressiven Charakter haben und die hervor¬
gerufen werden durch die reizenden Substanzen
der mehr oder weniger benachbarten Tuberkel.
Sonst sind die wirklich tuberkulösen Tumoren,
wie aus dem Verhalten der geimpften Meerschwein¬
chen hervorgeht, wenig virulent und arm an
Bacillen. Es braucht also nicht jede tuberkulöse
Veränderung im Körper als bacillenhaltig be¬
trachtet zu werden. Carl.
Sehern. Ein Beitrag zur Kenntnis der
Darm tuberkulöse des Huhnes. Zeit¬
schrift für Tiermedizin. Neunter Band. 5. und
6. Heft.
Verf. kommt auf Grund seiner pathologisch¬
anatomischen Befunderhebungen zu folgenden Be¬
trachtungen über Entstehung und Entwicklung der
Darmtuberkulose beim Huhn. Die Danntuberkulose
tritt in Form kleinster Knötchen in der Dünn-
darmoberfläche oder in tieferen Schichten der
Blinddarmschleimhaut auf. Die tuberkulöse Er*
krankung kann in der Schleimhaut lokalisiert
bleiben, oder sie schreitet fort, dann tritt ge-
schwiiriger Zerfall der in der Schleimhaut sitzen¬
den Tuberkel ein, später vernarbt das Geschwür,
während der Prozess in der Tiefe weitergeht und
die übrigen Schichten der Darm wand zerstört. Per¬
foration wird durch Wucherung der Serosa ver¬
hindert. ProfA
M. Richet. Schädlicher Einfluss des ge¬
kochten Fleisches auf die experi¬
mentelle Tuberkulose. Vortrag i. d. Aca-
demie de mcdicine (Paris) La Semaine medicale.
1905. No. 24.
In einer Reihe früherer Arbeiten habe ich die
Wirksamkeit des rohen Fleisches bei der Behand¬
lung der Tuberkulose zeigen können, und es scheint
fast, als ob die praktische Medizin einigen Erfolg
aus diesen Feststellungen gezogen hätte. Ich
möchte heute Ihre Aufmerksamkeit auf die Schäd¬
lichkeit des gekochten Fleisches bei der experi¬
mentellen Tuberkulose lenken.
Die Versuche wurden mit 21 Hunden ausge¬
führt, die vermittels intravenöser Injektion von
menschlicher Tuberkelbacillenkultur tuberkulös
gemacht worden wären.
Drei von diesen Tieren wurden mit einem Brei
von Milch und Mehl Ernährt, drei mit rohem
Fleisch, drei mit gekochtem Fleisch und drei mit
einer Mischung von Milch und Käse. Nur die drei
mit gekochtem Fleisch gefütterten Tiere starben
alle, kein einziges auf eine andere Art ernährtes
Tier ging zugrunde.
Die noch übrigbleibenden neun Hunde wur¬
den verschieden ernährt: sie erhielten alle während
fünf Tagen Brei, sodann während derselben Zeit
eine andere Nahrung (je zu dreien rohes Fleisch,
gekochtes Fleisch und Milch mit Käse). Resultat:
es starben nur die mit gekochtem Fleisch ge¬
fütterten, die anderen waren bei ausgezeichneter
Gesundheit.
Eine Merkwürdigkeit verdient noch registriert
zu werden, nämlich die, dass während mehrerer
»Stunden auf 58 0 C erhitztes Fleisch sich dem
rohen nähert und nicht schädlich ist.
Es ist charakteristisch für die Ernährung mit
gekochtem Fleisch, dass nach einer gewissen Zeit
die Hunde desselben überdrüssig werden, den
Appetit verlieren und dahinsiechen. Dagegen be¬
wahren sie noch Verlangen nach rohem Fleisch.
Aus anderen Versuchen geht hervor, dass selbst
absoluter Nahrungsmangel für tuberkulöse Hunde
weniger schädlich ist wie gekochtes Fleisch. Dies
darf uns nicht wundern, denn ein hungerndes Tier
nährt sich tatsächlich von rohem Fleisch, weil
es seine eigene Körpersubstanz konsumiert.
Was die Erklärung der besprochenen schäd¬
lichen Wirkung des gekochten Fleisches anlangt,
so hält sie der Autor für eine Intoxikation.
Ohne direkte Schlüsse im Bezug auf den Men-
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234
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
3. Jahrgang.
sehen ziehen zu wollen, glaubt Verfasser doch, dass
eine Verabreichung von rohem Fleisch bei Tuber¬
kulösen angebracht sei. Carl.
Tonzig* Verbreitung von Tuberkulose
durch gesalzene Fleisch waren. Gaz.
d. ospedali, Ref. d. M. Med. Wclischft. No. 29.
Zurzeit, da edne Reihe von Autoren die Auf¬
nahme des Tuberkelbacillus vom Verdauungstraktus
annimmt, ist die Möglichkeit einer Tuberkulose¬
infektion durch Fleischwaren sehr zu berück¬
sichtigen. Verf. macht darauf aufmerksam, dass,
wenn von kranken Tieren die Krankheitsherde un¬
schädlich gemacht, das übrige Fleisch dem Ver¬
kehre freigegeben wird, in den Lymphräumen der
Muskelinterstitien genügend infizierendes Material
vorhanden sein kann. Das Einsalzen und Räuchern
vernichtet im Fleische wie in allen nicht ge¬
kochten Wurstpräparaten die Tuberkel bacillen
nicht. Eher noch ist dies von der Austrocknung
anzunehmen; doch muss sich diese über lange
Zeit, etwa fünf Monate, erstrecken.
Verf. erwies durch eine Reihe von Experimenten
im hygienischen Institut zu Padua durch Impfung
auf Meerschweinchen die Infektionsgefahr von
Salamiwurst vom Fleisch tuberkulöser Tiere.
Jacob.
Bertarelli. Experimentelle Untersuch¬
ungen über die Tollwut. Ctbl. f. Bakt.
39, 4.
Der Speichel und die Speicheldrüsen des Ka¬
ninchens wirken trotz ihrer ausgezeichneten Emp¬
fänglichkeit für Tollwut nicht infizierend. Die
Speicheldrüsen sind aber nicht stets frei von Virus
und man muss daher die Frage aufwerfen, wes¬
halb das Virus nur selten die Speicheldrüsen zu
infizieren imstande ist.
Um zu erkennen, ob das Virus die Speichel¬
drüsen des Kaninchens wirklich erreicht, hat Verf.
bei einer Anzahl Kaninchen, die mit Virus fixe
tollwütig gemacht waren, kurz vor dem Tode die
8ubmaxillaren und sublingualen Drüsen entnom¬
men, in physiologischer Lösung gewaschen und
subdural in kleinen Stücken zwei Kaninchen in¬
jiziert. Bei fünf Kaninchen erschienen weder die
Drüsen noch der zu ihnen führende Nerv infek¬
tiös, bei einem sechsten Kaninchen war der Nerv
infektiös, die Drüse nicht. Mit Strassen- und
Durchgangsvirus infizierte Kaninchen zeigten in
drei Fällen weder Drüse noch Nerv infektiös, bei
zwei anderen waren beide virulent. Es können
also auch die Speicheldrüsen zuweilen infektiös
sein. Diese Fälle scheinen weniger selten bei Toll¬
wut von langer Dauer, erzeugt durch Strassen-
und Durchgangsvirus. Dass die Speicheldrüsen
nicht virulent erscheinen, hängt davon ab, dass
das Virus nicht längs des Nervs der Drüsen selbst
Verbreitung findet.
In den Fällen, wo Verdacht von durch Virus
fixe veranlasstem Tod vorliegt (so oft nämlich
der Tod während der antirabischen Kur oder im
Endstadium derselben eingetreten ist), ist ausser
der biologischen Untersuchung auch eine mor¬
phologische Prüfung augezeigt. Zu diesem Zweck
ist es gut, einen Teil des Zentralnervensystems
des verendeten Individuums einem Hunde zu
inokulieren. Wenn der Verlauf der Krankheit auch
beim Hunde länger andauern sollte, als dies bei
Virus fixe gewöhnlich der Fall ist, die Negri-
Körperchen aber klein erscheinen (und besonders
weniger als 3 fi Durchmesser, runde Form ohne
deutlich definierte Struktur nach Methode Mann
aufweisen sollten), so wird in diesem Falle die
Annahme, dass es sich um Tod durch Virus fixe
handelt, bedeutend an Boden gewinnen. Die
experimentellen Untersuchungen über die Be¬
ziehungen zwischen dem Auftreten des Tollwut¬
virus und dem der Negri-Körperchen im Ammons¬
horn bei experimentell wütig gemachten Hunden
ergaben folgendes: Das Ammonshorn kann bereits
vier Tage vor dem Ausbruch der ersten Symptome
ansteckend wirken, sobald am Ischiadicus Ein¬
impfung, sei es mit Virus fixe, sei es mit Strassen-
virus, erfolgt. Auch nach 2—3 Tagen, nachdem
das Virus im Ammonshorn zum Vorschein gekom¬
men, werden keine Negri-Bildungen beobachtet.
Die Versuche an Murmeltieren zeigten, dass
diese auf dem Wege des Nervensystems mit ver¬
hältnismässiger Leichtigkeit mit Tollwut zu in¬
fizieren sind und dass während der Lethargie die
Dauer der Inkubationsperiode auch bei Tollwut
durch Virus fixe verlängert werden kann.
In Versuchen an kaltblütigen Tieren war eine
Uebertragung der Tollwut nicht möglich, auch
wenn man die Tiere bei 37 0 C. hielt.
Zum Schluss berichtet Verf. noch von einem
Fall von Tollwut beim Menschen, in dem der
Speichel desselben aktiv und virulent war und
das Speichelvirus durch ein Berkefeld No. 5 hin¬
durchging. Jacob.
Tizzoni u. Bongiovanni. Wirkung der Ra¬
diumstrahlen auf das Virus rabiei.
(Ctbl. f. Bakt. 39, 2.)
Verff. stellten ihre Versuche sämtlich an
Kaninchen an mit fixem Virus, das wegen seiner
hohen Wirksamkeit für diese Forschungsart die
höchste Versuchsstufe darstellt und daher eine
sichere Zuverlässigkeit bezüglich des Wertes der
gewonnenen Resultate liefert.
Bei der Versuchsreihe in vitro wurde das in
sterilisierter Bouillon zu dem Verhältnis von 1 o/o
aufgelöste Virus rabiei durch eine bestimmte Zeit
dem Einfluss der Radiumstrahlen ausgesetzt. Bei
den Versuchen am tierischen Organismus Hessen
die Verff. die Strahlen während einer Stunde täg¬
lich für acht Tage ohne Unterbrechung in das
Auge des mit demselben Brei aus dem Virus rabiei
ins Auge oder unter die Dura oder in den Nervus
ischiadicus infizierten Tieres konvergieren. Bei
einigen Fällen fiel der Beginn der Behandlung mit
demselben Augenblick der Infektion zusammen und
dauerte während der sieben darauffolgenden Tage
(gleichzeitige Methode), bei anderen begann hin-
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Heft 10.
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
235
gegen die Strahlenbehandlung erst eine oder
mehrere Stunden nach der Einimpfung (Heil¬
methode). l>ie Radiumstrahlen riefen nie örtliche
oder entfernt wahrnehmbare Veränderungen hervor.
Die Strahlen übten in den Eprouvetten eine
überaus rasche Zersetzungswirkung auf das zu der
Umgebungstemperatur von 12—15° C erhaltene
Virus rabiei aus, das sich nach kurzer Zeit (zwei I
Stunden) dieser Behandlung vollkommen unschäd¬
lich zeigte, wenn es in das Auge des Tieres in¬
jiziert wurde. Wenn dann die Wirkung des Radiums
auf das Virus rabiei nicht ausreichend war (eine
Stunde), so starben die Tiere mit grosser Ver¬
spätung gegenüber den Kontrolltieren (8 Tage),
und nicht unter den gewöhnlichen Erscheinungen
der Hundswut, sondern infolge einer langsamer
verlaufenden Erkrankung, fortschreitende Abmage¬
rung bis zum Marasmus.
Bei den Versuchen am Tiere haben sich die
Radiumstrahlen immer als wirksam erwiesen, wenn
ihre Anwendung in demselben Augenblick erfolgte,
in dem die Injektion ausgeführt wurde, sowohl
gegen Infektionen ins Auge, wie gegen direkt ins
Gehirn oder in den Nervus ischiadicus vorge¬
nommene Infektionen. Diese behandelten Tiere
zeigten bloss eine schwache Temperaturerhöhung,
vorübergehende Gewichtsabnahme und etwas Steif¬
heit und Schwäche der hinteren Extremitäten.
Von diesen Tieren leben einige (die zuerst
operierten) in vorzüglichem Gesundheitszustand
130 Tage, nachdem sie mit dem fixen Virus in¬
fiziert wurden.
Dies beweist, dass die während 8 Stunden
durch» 8 Tage ununterbrochen ins Auge gerichteten
Radiumstrahlen imstande sind, selbst auf sehr ent¬
fernte (Nervus ischiadicus) Infektionsherde ein¬
zuwirken; auch war es dabei gleichgültig, ob die
Strahlen auf das der ausgeführten Infektion des
Virus rabiei entsprechende Auge oder auf jenes
der entgegengesetzten Seite gerichtet wurden.
Das nämliche Resultat erhielt man, wenn man
die Anwendung der Strahlen eine Stunde nach der
Infektion begann. Nach 24 Stunden Erkrankung
dagegen war sie vollkommen erfolglos.
Es ist also mit Sicherheit zu behaupten, dass
das Virus rabiei vom Radium sowohl in vitro wie
im Tiere rasch vernichtet wird, welches auch die
Stelle war, wo die Infektion erfolgte, mithin, wie
gross auch die Entfernung zwischen dieser und
dem Teil ist, auf den die .Wirkung des Heilmittels
gerichtet wird.
Alles spricht für eine Desinfektion oder Ent¬
giftung des ganzen Nervensystems seitens der
durch das Auge angewandten Radiumstrahlen.
Jacob.
Karwacki. Ueber Bakterienflora der
malignen Tumoren. PamiQtnik Tow. lek.
warsz. 190ö. Bd. I.
Verf. hat sich zur Aufgabe gestellt, die malignen
Tumoren an Bakterienanwesenheit zu untersuchen.
Da in den Neubildungen schon mehrmals Fro-
tözoa, Hefen und allerlei Bakterien angetroffen
wurden, verimpfte K. das Material von allerlei Tu¬
moren auf verschiedene Nährböden. Es wurden ins¬
gesamt in dieser Richtung 14 Neubildungen unter¬
sucht. Drei Kulturen wurden zufällig verunreinigt,
dreimal war die Impfung negativ, in allen übrigen
Fällen hatte der Verfasser die Anwesenheit der
„Parasiten“ vom Schüllerschen Typus festgestellt,
ferner Zellen, die, wegen mangelnder Klassifikation,
Verf. der Reihe der Blastomyceten und Kokken
von Doyen hinzuzählt. Mit der letztgenannten
Varietät hatte K. viele Agglutinationsproben an¬
gestellt, wozu er sowohl das von gesunden, als auch
von mit Neubildungen behafteten Menschen stam¬
mende Serum gebrauchte. Die Agglutination fand
nur im Serum kranker Individuen statt und zwar
in sehr hohem Grade, da sie noch bei 320 maliger
Verdünnung zu beobachten war.
Baczynski.
de Merveilleux. Häufigkeit und Verbrei¬
tung des Sarkoms von 1892 bis 1901.
Zeitschrift für Schweizerische Statistik, 41. Jahr¬
gang, I. Band.
Nach Massgabe des von dem Bureau federal
de statistique zur Verfügung gestellten Materiales
waren in der Schweiz in den Jahren 1892 bis
1901 im ganzen 1140 Todesfälle an Sarkom zu ver¬
zeichnen. Hieran waren männliche Personen mit
54,91 o/o, weibliche mit 45,09 o/ 0 beteiligt. Von den
einzelnen Altersklassen hatten auf je 10 000 Lebende
Sarkomtodesfälle aufzuweisen: die Altersklasse von
0 bis 4 Jahren 0,74, von 5 bis 14 Jahren 0,71,
von 15 bis 19 Jahren 1,73, von 20 bis 29 Jahren
1,94, von 30 bis 39 Jahren 3,53, von 40 bis 49
Jahren 5,12, von 50 bis 59 Jahren 8,74, von 60
bis 69 Jahren 13,81, von 70 bis 79 Jahren 18,05,
von 80 und mehr Jahren 12,77. Im Gegensatz
zu der geläufigen Anschauung, dass das Sarkom
meist jüngere Personen zu befallen pflege, konnte
sonach mit ansteigendem Alter eine fortlaufende
Zunahme der Erkrankung festgestellt werden,
welche erst in der Altersklasse von 70 bis 79
Jahren mit 18,05 Todesfällen auf je 10 000 Lebende
ihren Höhepunkt erreichte. Von einzelnen Berufs¬
klassen ergaben sich bei den Landarbeitern 2,96,
bei den Metallarbeitern 3,00, bei den Uhrmachern
3,55 Sarkomtodesfälle auf je 10 000 Lebende. Eine
stärkere Verbreitung des Sarkoms in bestimmten
Gegenden wurde nicht ermittelt. Hingegen wird
eine gewisse Zunahme der Erkrankungen im Laufe
der Berichtszeit (1892 bis 1901) angenommen,
immerhin jedoch nur in sehr geringem und daher
nicht ganz sicherem Masse. Als häufigster Sitz
der Erkrankung stellten sich die Knochen, ins¬
besondere die Röhrenknochen der Gliedmassen dar.
Prof6.
E. F. Bashford. The growth of Cancer u n -
der Natural and Experim. Condi¬
tion s. Imp. Cane. Research Fund No. 2, Part. II.
Ref. in Fortschr. d. Medic. No. 27.
Es waren mehr als 900 Uebertragungsversuche
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236
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
3. Jahrgang.
mit Krebs von Hund, Katze und Ratte auf andere
Individuen der gleichen Rasse erfolglos, nur bei
Mäusen glückten sie.
Unter 30 000 zahmen Mäusen fanden sich 12
mit spontanem Krebs, meist bei Weibchen (in 11
Fällen).
Die von Michaelis beobachtete feine Rassen¬
empfindlichkeit des Mäusekrebses wurde in grossem
Massstabe bestätigt. Von einer Berliner grauen
Krebsmaus der vierten Impfgeneration wurden 19
Berliner graue Mäuse geimpft, davon 9 mit Er¬
folg, während bei 182 weissen Londoner Mäusen
nur ein nicht weiter transplantierbarer Tumor
entstand, bei 142 grauen Londoner Mäusen 2 Tu¬
moren ; jedoch ergaben die nächsten Impfgene¬
rationen bessere Resultate.
Verf. stimmt völlig der Auffassung von Jensen
bei, dass die Uebertragung des Tumors eine reine
Transplantation darstellt. Das Stroma wird aber
in dem neuen Wirt sehr bald völlig nekrotisch
und wird von den fixen Bindegewebszellen des
neuen Wirtes durch Proliferation neugebildet. Bei
Tumoren verschiedener Struktur bildet sich bei
der Transplantation das Stroma immer wieder in
einer für den primären Tumor charakteristischen
Weise. Die Bildung des Stromas muss also in
einer spezifischen Weise vom Parenchym abhängen.
Als einen völligen Gegensatz zu diesen Ver¬
suchen betrachtet Verf. Versuche an Hunden, die
er machte. Eine den Tierärzten bekannte Erkran¬
kung des Hundes „infektive venereal tumour“ hat
einen sarkomähnlichen Bau und lässt sich leicht
durch subkutane Impfung übertragen. Die so ent¬
stehenden Geschwülste hält aber Verf. nicht für
echte Sarkome sondern für infektiöse Granulome
und zeigt, dass die Zellen dieser Tumoren nicht
aus den transplantierten Geschwulstzellen, sondern
aus den proliferierenden Bindegewebszellen des
zweiten Tieres hervorgehen. Verf. hält diese Tu¬
moren für identisch mit den von Wehr, Geissler,
Duplag und Cazin u. a. beschriebenen Hundetu¬
moren und betont, dass er sie im Gegensatz zu
den genannten Autoren nicht für echte Tumoren
hält.
Der Mäusekrebs hat alle Kennzeichen des
echten malignen Tumors. Nur macht er keine
Kachexie, ausser auf sekundärem Wege (durch
Ulzeration und Infektion). Der transplantierte
Krebs zeigt denselben Wachstumsmodus wie der
spontane. Einmal erfolglos geimpfte Mäuse sind
für die Wiederimpfung empfänglich. Es ist nicht
der Boden unempfänglich bei negativen Impfungen,
sondern der jeweilige Zustand des übertragenen
Zellmaterials ist ausschlaggebend.
Versuche mit Bestrahlung durch Radiumbro¬
mid führten zur Zurückbildung der Tumoren, aber
nicht immer der Dauer der Bestrahlung propor¬
tional. Die Einwirkung des Radiums verursacht
eine Proliferation der Bindegewebszellen, und das
wuchernde junge Bindegewebe zerteilt auch die
ursprünglichen Krebsalveolen. Das diesem Stadium
vorausgehende Stadium der Hämorrhagien ist aber
die Vorbedingung für die späteren Veränderungen,
denn man kann durch Anwendung von Adrenalin,
das die neugebildeten Gefässe des Blutdruckes zum
Bersten bringt, die gleichen Veränderungen er¬
zielen. Es genügt aber nicht die blosse Nekrose
der Epithelnester, um die Bindegewebswucherung
hervorzurufen. Es kommen noch unbekannte Ur¬
sachen dazu. Jacob.
Anton Sticker, Erfolgreiche Uebertragun-
gen bösartiger Geschwülste bei
Tieren. Vortrag im naturhls torisch-medizi¬
nischen Verein in Heidelberg, 3. März 1905.
Bekanntlich sind in den letzten Jahren wieder¬
holt bösartige Geschwülste bei Mausen und Ratten
mit Erfolg übertragen worden — durch Moreau,
Boreil, Loeb, Jensen, von Leyden, Michaelis,
Ehrlich. Dagegen war es trotz zahlreicher Ver¬
suche niemals gelungen, bei höher stehenden Sauge¬
tieren Krebsgeschwülste zu erzeugen, obwohl die¬
selben, zumal unsere Haustiere*) sehr häufig spontan
an Krebs erkranken. Das Königliche Institut für
experimentelle Therapie zu Frankfurt a. M. gelangte
in den Besitz einer hochgradig bösartigen Neu¬
bildung des Hundes; dieselbe wurde in zahlreichen
Versuchen von Hund auf Hund und auf zwei Füchse
übertragen. Eine erste Mitteilung über diese Ver¬
suche wurde bereits von Sticker im vorigen Jahre
veröffentlicht.**) Den Ausgangspunkt der Versuche
bildete ein männlicher Pintscher, bei welchem
sich eine ausgebreitete knotige Geschwulstbildung
des Penis vorfand. Die mikroskopische Unter¬
suchung ergab den seltenen Befund eines Penis¬
sarkoms.
Die Uebertragung des Sarkoms gelang bei mehr
als 70 Hunden und 2 Füchsen. Sie wurde in der
Weise ausgeführt, dass mittels Troikart kleine
Partikelchen ausgeschnitten und in die Unterhaut
oder die Bauchhöhle, in einigen Fällen auch in die
Brusthöhle, den Knochen, die Mundhöhle, das Auge
und die Schädelhöhle implantiert wurden.
In der Unterhaut entstand meist ein einziger,
seltener mehrere rundliche deutlich abgesetzte
Knoten von der Grösse einer Erbse oder Bohne bis zu
der eines Apfels oder Hühnereies. Der Beginn einer
sich heranbildenden Geschwulst war vielfach schon
in der dritten Woche nach der Implantation zu kon¬
statieren: Das Wachstum war bald ein schnelles,
so dass in einem Monat die Geschwulst den Umfang
eines Hühnereies erreichte, bald ein sehr langsames,
so dass am Ende des dritten Monats sich erst
bohnengrosse Tumoren vorfanden.
In die Bauchhöhle wurde bei 22 Hunden eine
Tumor implan tat ion vorgenommen. Es entstand hier
meist eine multiple Geschwulstbildung, welche ent¬
weder auf das grosse Netz beschränkt blieb oder sich
*) Vergl. Sticker, Anton, Ueber den Krebs der
Tiere. Arcli. f. klin. Chirurgie 65. Bd. 1902.
**) Vergl. das Referat in Karzinomliteratur
II. Jahrg. S. 66.
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Heft 10.
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
237
Bauchfells erstreckte. Der Umfang der Netzknoten
über das ganze parietale und viscerale Blatt des
erreichte Hühnerei- und Faustgrösse, in einem Falle
sogar den einer Kokosnuss.
In die Brusthöhle wurde in einem einzigen Falle
Tumormasse implantiert. Es fand sich 57 Tage
nach der Verimpfung das beiderseitige parietale
Blatt des Brustfells mit Tausenden Knötchen be¬
setzt von Gries- bis Hirsekomgrösse, welche meist
längliche Haufen in den Interkostalräumen
bildeten. Im vorderen und hinteren Mittelfellraum,
sowie in der Herzgegend sass je eine faustgrosse
Geschwulstmasse. In der Lunge selber fanden sich
am mittleren Lappen der rechten Seite erbsen- bis
kastaniengrosse Knoten und am scharfen Rande des
hinteren Lappens beginnende kleinste Knötchen¬
bildung. Das Leberparenchym war durchsät von
Tausenden grieskorngrosser, weisser Knötchen; end¬
lich fand sich im retroperitonealen Raum ein
pflaumengrosser Tumor.
Nach Implantation von Tumorzellen in den
Hodensack kam es zur Ausbildung einer gänseei¬
grossen Geschwulst, welche aus einem apfel- und
zwei kastaniengrossen Knoten sich zusainraensetzte.
Am Aufhängeband des Hodens sassen mehrere kirsch¬
grosse Tumoren. Die Lymphdrüsen zu beiden Seiten
der Bauchaorta und am Hilus der Bauchspeichel¬
drüse enthielten kirschgrosse Metastasen.
Nach einer Knochenimpfung entwickelte sich an
der Tibia ein kastaniengrosser Tumor. Das Knie¬
gelenk war im Innern dicht besetzt mit griesskorn-
und linsengrossen, blumenkohlartig gehäuften Sar¬
komknötchen. In der Milz fanden sich mehrere
hanfkorngrosse, scharf abgesetzte metastatische
Knoten.
Nach einer Impfung von Tumormasse in das
submuköse Gewebe des Gaumens entstand eine
knotige, sarkomatöse Infiltration mit mehrfacher
Perforation nach der Mundhöhle. Sämtliche Kopf-
lymplidrüsen und obere Hals lymphdrüsen enthielten
umfangreiche Metastasen. Beide Lungen waren
vollständig durchsetzt mit gries- bis hirsekorn¬
grossen Knoten. Das Endokard wies zahlreiche
miliare Knötchen auf; ebensolche wurden in den
geraden Augenmuskeln vorgefunden. Die Leber und
Milz waren völlig durchsetzt mit Sarkomknötchen.
Im Anschluss an eine Punktion der Bauchhöhle
und des Magens bildete sich eine umfangreiche
Sarkomatose des Bauchfells und eine submuköse
und subseröse Geechwulstbildung in der Magenwand.
Nach Trepanation des Schädels und Einbringung
von Tumormassen in die eröffnete Hirnhöhle ent¬
stand in der Unterbaut fest dem Schädeldach auf¬
sitzend eine pflaumengrosse Geschwulst; dieselbe
setzte sich in die Schädelhöhle fort und hatte den
Knochen an einer pfennigstückgrossen Stelle porös
gemacht. Zwischen Dura mater und Gehirn sass
eine aus mehreren Knötchen bestehende erbsen¬
grosse Tunionnasse, welche die Schläfenwindung
des Grosshims an einer umschriebenen Stelle durch
Druck atrophisch gemacht, insbesondere war die
graue Substanz fast ganz geschwunden.
Bezüglich des histologischen Baues und die
Biologie dieses transplantablen Sarkoms weist
Sticker auf seine erste Mitteilung hin.
Die Uebertragung des Sarkoms auf Katze, Meer¬
schweinchen, Mäuse und Ratten verlief ergebnislos.
Dagegen konnte bei zwei Füchsen einmal in der
Unterhaut, ein anderes Mal in der Bauchhöhle eine
umfangreiche Geschwulstbildung mehr oder weniger
nach der Implantation beobachtet werden.
Die Nichtübertragbarkeit des Sarkoms auf art¬
fremde Tiere, die Uebertragbarkeit auf artver¬
wandte, den Fuchs, war durch diese Versuche be¬
wiesen, Versuche, welche um so einwandsfreier
waren, als in keinem einzigen Falle die Uebetrag-
barkeit des Sarkoms beim Hunde selber aus¬
geblieben war. Wohl kam es bei mehreren Hunden
zu einer spontanen Ausheilung der experimentell
erzeugten Geschwulst. Da erneute Implantations¬
versuche bei diesen Tieren stets negativ verliefen,
musste eine wirkliche Immunität durch Ueberstehen
der Sarkomkrankheit sich herausgebildet haben.
Diese Tatsachen gaben Veranlassung, eine Reihe
von serotherapeutischen Versuchen anzustellen,
welche zurzeit noch nicht abgeschlossen sind.
Sticker stellt am Schluss folgende beide Thesen
auf:
1. Es gibt bösartige Geschwülste, zu diesen ge¬
hört das Lymphosarkom des Hundes, welche einen
ektogenen Ursprung haben, d. h. sie nehmen ihre
Entstehung von implantierten Tumorzellen eines
anderen Tieres.
2. Für gewisse bösartige Geschwülste, so ins¬
besondere für das Lymphosarkom des Hundes, ist
der streng wissenschaftliche Beweis erbracht, dass
sie in die Reihe derjenigen Krankheiten gehören,
durch deren Uebersteliung der Organismus eine
Immunität erwerben kann.
Die erste These legt den Analogieschluss nahe,
dass es auch beim Menschen eine Krebsübertragung
gibt, ein Satz, der von hervorragenden Aerzten oft
behauptet, von anderer Seite aber immer wieder be¬
stritten wurde.
Für den übertragbaren Krebs darf aber aus der
zweiten These die Hoffnung geschöpft werden, dass
es der ärztlichen Forschung gelingen werde, wie
bei gewissen Infektionskrankheiten so auch hier eine
auf immunisatorischen Grundsätzen aufgebaute
Therapie zu finden. Autoreferat.
Allgemeine Bakteriologie, Untersuchungs¬
methoden.
0. Orszäg: Eine neue einfache Methode
zur Färbung von Sporen. Orvosi Heti-
lap. 1905, No. 26.
Orszdg beschreibt folgende neue einfache Me¬
thode zur Färbung von Sporen: Auf das Deck¬
gläschen bringt man einen Tropfen einer essigsauren
Natrium salicylicum-Lösung (4 Teile einer 0.5 °/ 0 igen
Natrium salicylicum-Lösung und einen Teil einer
5 % igen Essigsäure-Lösung). In diesem Tropfen
wird das zu färbende Bakterium verrieben, so dass
die so aufgeschmierte Masse sofort trocknet. Nun
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238
Fortschritte der Veterinär- Hygi e n e.
3. Jahrgang.
wird durch zwei- bis dreimaliges Durchziehen durch
die Flamme fixiert. Das fixierte Deckglaspräparat
wird über der Flamme 1—2 Minuten lang mit bis
zum Dampfen erwärmter Carbol-Fuchsin-Losung ge¬
färbt. Das rotgefärbte Präparat wird mit 1 %iger
Schwefelsäurelösung entfärbt, so lange bis es blass
rosenrot wird. Die Gefahr der übermässigen Ent¬
färbung, welche bei den anderen Methoden droht,
ist bei dieser Methode vollständig beseitigt.
Das entfärbte und behufs Entfernung der Säure¬
reste gründlich mit Wasser ausgewaschene Präparat
wird mit wässerigem Methylenblau oder mit
Malachitgrün zwei Minuten lang gefärbt. Auf dem
so gefärbten Präparate sind die Sporen und säure¬
festen Körperchen rot, die nicht geschrumpften
Bakterien blau oder grün gefärbt. Z.
Brunner. Beitrag zur Anaeroben Züch¬
tung. Gazeta lekarska 1905, No. 17.
Verf. beschreibt eine neue Methode der Anae-
robenzüchtung, die er seit Jahren, angeblich mit
bestem Erfolge, anwendet. Er verfährt dabei
folgenderweise: Man bringt in eine dickwandige,
mit Gummistöpsel versehene Flasche eine N-
förmige Röhre hinein, giesst irgend einen flüssigen
Nährboden, z. B. die Bouillon hinein, sterilisiert
in einem Kessel und stellt die noch recht heisse
Flasche in ein Gefäss mit siedender Kochsalz¬
lösung, damit sich der über dem Nährboden und
in der Röhre befindliche Dampf nicht in Tropfen
auflöse. Nun wird in den Endarm des liervor-
stehenden Röhrchens das Impfmaterial mittels
einer Pipette hineingebracht und das Ende der
N-förmigen Röhre über Gasflamme zugeschmolzen.
Nach dem Abkühlen des Nährbodens neigt man
die Flasche derart, dass die Bouillon das Impf¬
material berühre und stellt den ganzen Apparat
in einen Brutschrank. Das eben beschrielxme Ver¬
fahren beruht somit auf dein Nichtzulassen der
Luft mittels des über dem Nährboden entwickelten
Dampfes. Baczynski.
Wrzosek. Ueber die Züchtung der ab¬
soluten Anaeroben in den lufthal-
tigenMedien. Przegl^d lekarski 1905, No. 45.
An der Hand seiner Forschungen über die
Sterilität des normalen Tiergewebes hatte Wrzosek
über 150 innere Organe von Versuchstieren bakte¬
riologisch untersucht. Es überraschte ihn oft die
Erscheinung, dass einige aus den Gewebestück¬
chen gezüchtete Bakterien sich oft bei der Ueber-
impfung auf andere Medien ganz seltsam betrugen
— sie entwickelten sich entweder gar nicht, oder
wuchsen nur bei mangelndem Luftzutritte, z. B.
im tiefen Zuckeragar, in der tiefen Gelatine, oder
in einer Bouillon, welche sich unter Paraffin¬
schicht befand. Manchmal trübte sich die
Bouillon, in welche das Gewebe getaucht wurde,
ganz deutlich in ihrer unteren Schicht, die obere
blieb dagegen vollkommen durchsichtig, wobei die
Grenze zwischen beiden Schichten sehr scharf aus¬
geprägt war.
Diese Beobachtungen konnten zu zwei Schluss¬
folgerungen berechtigen, und zwar: 1. Es gibt
Mikroben, welche in einer solchen Bouillon ge¬
deihen, wo sich ein Tiergewebstückchen befindet,
obgleich sie sich weder auf den für die aeroben
noch für die anaeroben Bakterien gebrauchten
Nährböden züchten lassen; 2. dass die Mikroben,
welche sich in normalen Verhältnissen nur beim
Luftmangel entwickeln, auch in den lufthaltigen
Medien (Bouillon) wachsen, wenn sich in diesen
Medien ein Stückchen vom frischen Tiergewebe
befindet.
Vor einigen Monaten erschien eine interessante
und lehrreiche Arbeit des italienischen Forschers
T a r o z z i, welcher behauptet, dass die An¬
aeroben sehr üppig in den für Aeroben bestimmten
Medien (Bouillon) wachsen, wenn in denselben
sich ein Stück von irgendwelchem Tierorgane (Milz,
Niere, Leber) befindet oder durch einige Stunden
befand.
Die Tarozzischen Untersuchungen fest-
zus teilen, hatte sich nun Wrzosek zur Auf¬
gabe gestellt. Die Experimente wurden mit B.
tetani, B. sarcophysematis bovis und 1 B. botulinus
ausgeführt und die ungemein interessanten Er¬
gebnisse lauten in kurzer Zusammenfassung dahin:
In der gewöhnlichen Bouillon kann man die sog.
absoluten Anaeroben züchten, wenn in dem ge¬
nannten Nährboden ein nicht allzu kleines Stück¬
chen vom Tiergewebe sich befindet. Absolute An-
aeroben wachsen auch in der Bouillon, wo früher
einige Zeit ein Organstückchen sich befand und
entwickeln sich sogar, wenn die Bouillon nach
dem Herausnehmen des betreffenden Organstück¬
chens vor der Impfung der Anaeroben tüchtig
mit der Luft geschüttelt wird.
Die wissenschaftlich sehr wuchtigen Tarozzi¬
schen Forschungen öffnen jedenfalls neue Bahnen
für die Untersuchungen über die noch ziemlich
dunklen Lebensbedingungen der Anaeroben, um so
mehr die neuentdeckte Züchtungsmethode so ein¬
fach in ihrer Ausführung sich darstellt.
Baczynski.
K. Engel: Der Wert der Refraktometrie
bei der Unterscheidung der ent¬
zündlichen und nicht entzündlichen
Flüssigkeitsansammlungen. Orvosi He-
tilap, 1905. 24.
Zu seinen Untersuchungen benutzte Engel den
Abböschen Refraktometer. Die Entscheidung dessen,
ob eine Flüssigkeitsansammlung in einer Körper¬
höhle ein Exsudat oder ein Transsudat darstellt, ist
oft von sehr grosser Wichtigkeit. Der Eiweissgehalt
der Flüssigkeiten entzündlichen Ursprungs ist im
allgemeinen ein grösserer als der der Transsudate.
Allerdings genügt dieses eine Kriterium durchaus
nicht immer dazu, die Frage nach dem Ursprünge
der serösen Flüssigkeitsansammlungen zu lösen.
Einen beiläufigen Anhaltspunkt über den Eiweiss¬
gehalt der Flüssigkeit giebt die Bestimmung des
spezifischen Gewichts derselben. Ist das spezifische
Gewicht der Flüssigkeit höher als 1017 und nahe an
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Heft 10
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
239
1020, so ist die Wahrscheinlichkeit, dass wir es mit
einem entzündlichen Prozesse zu tun haben, eine
grosse.
Um diese Frage zu lösen, hat S t r u b e 11 die
refraktometrische Untersuchung der Flüssigkeit
empfohlen. Mit dem A b b £ sehen Refraktometer
hat nun Engel in 119 Fällen diesbezügliche Unter¬
suchungen angestellt. Aus den Ergebnissen dieser
Untersuchungen geht hervor, dass man mit Hilfe des
Refraktometers nicht etwa imstande ist, in der be¬
wussten Flüssigkeit einen Körper nachzuweisen,
dessen Anwesenheit einen solchen Lichtbrechungs-
Koeffizienten bedingt, dass die entzündliche Natur
der zu untersuchenden Flüssigkeit auf den ersten
Blick zu konstatieren wäre. Mit Hilfe des Refrakto¬
meters ist man bloss imstande, den Eiweissgehalt
der Flüssigkeit zu bestimmon, der Unterschied im
Eiweissgehalt ist nämlich fast konstant vorhanden.
Grosse Vorteile des Refraktometers sind, dass
wir auch den Eiweissgehalt des Blutserums imstande
sind zu bestimmen, ohne irgendwie nennenswerte
Blutmengen dazu zu verbrauchen. Auch sind wir
mit Hilfe des Refraktometers in der Lage, schon aus
einem Tropfen der Flüssigkeit den Eiweissgehalt
derselben bestimmen zu können. Die Menge des
Eiweisses kann mit Hilfe des Instrumentes genauer
bestimmt werden, als mittelst der Bestimmung des
spezifischen Gewichts. Auch ist es kein geringer
Vorteil, dass die ganze Messung bloss sehr kurze
Zeit in Anspruch nimmt. Doch muss zugestanden
werden, dass bei Messungen, die eine genaue Be¬
stimmung des Eiweissgehaltes bezwecken, also bei
Untersuchungen, die Fragen der Biologie oder
Pathologie zu entscheiden berufen sind, die refrakto¬
metrische Methode doch nicht genügende Sicherheit
bietet Hier müssen andere Untersuchungsmethoden
unbedingt vorgezogen werden. Z.
A. Sitsen (Amsterdam). Erfahrungen über
A c e t o n - P a r a f f i li e i n b e 11 u n g. Central¬
blatt f. allgem. Pathologie u. patholog. Anatomie,
16. Bd. No. 10 1905.
An dieser Stelle wurde vor einiger Zeit die erste
Veröffentlichung von Henke und Zeller über obiges
Thema referiert. Die vorliegende Arbeit macht es
sich zur Aufgabe, die in Rede stehende Methode
nachzuprüfen. Die dabei festgestellten Resultate
sind folgende:
a) Für diagnostische Zwecke ist die Henke-
Zellersche Aceton-Paraffineinbettung gut verwend¬
bar. Man hüte sich nur vor einem zu langen Ver¬
weilen im Aceton und nehme nicht zu dicke
Schnitte.
b) Um feine Strukturen zu erhalten empfiehlt
es sich, die Methode derart zu modifizieren, dass
man der Einbettung eine Fixation (mittels Formol-
losung am besten) Vorangehen lässt. Man erhält
dann besonders schön fixierte und leicht schneid¬
bare Objekte.
c) In Chromsalz fixierte Objekte wasche man
vor der Acetoneinwirkung gründlich aus.
d) Bei schon gehärteten Präparaten kann
Aceton die übrigen Einbettungsmittel ersetzen und
verdient wegen seiner Einfachheit den Vorzug.
e) Zum Nachweis von Glykogen verwende man
die Henke - Zellersche Methode ohne vorherige
Fixierung. Fett dagegen kann man nur erhalten
durch Schwärzung mittels Osmiumsäure.
Carl.
Di Pietro. Sulla sensibilita dei con-
cemi animali da sparimento verso
i 1 P e n i c i 11 i um glaucum. (Ref. Ctbl. f.
Bakt. 37, 1—3.)
Im allgemeinen macht die sogenannte physio¬
logische Schwäche, die von übermässiger Arbeit,
erschöpfenden Krankheiten, ungenügender Nahrung
usw. herrührt, den Organismus leichter verwundbar
im Kampfe gegen die Gifte. Ausser diesen, zur
Schwächung der Widerstandsfälligkeit des Or¬
ganismus führenden Ursachen kommen aber noch,
was heute hinreichend bestätigt ist, besondere,
dem Individuum (Hier der Rasse eigene Idiosyn¬
krasien in Betracht.
Dies wird durch einige Beobachtungen be¬
stätigt, die Verfasser bei seinen Untersuchungen
mit Penicillium toxicum machte, das nach seiner
Ansicht der wahrscheinliche Erreger der Pellagra
ist. Es haben nicht alle Tiere dem Penicillium
toxicum gegenüber dieselbe Empfindlichkeit; die¬
selbe ist je nach der Art der Tiere verschieden
und selbst bei derselben Tierart kann wieder bei
ihren verschiedenen Varietäten verschiedene Emp¬
findlichkeit wahrgenommen werden. Hunde sind
dem Penicillium gegenüber sehr empfindlich, doch
sind es nicht alle Hunderassen in demselben
Masse. Widerstandsfähiger schienen nämlich die
gemeinen, trägen Hunde vom Lande, empfindlicher
dagegen die feinen und intelligenten Rassen.
Ganz dasselbe wurde bei Katzen beobachtet.
Wenig Unterschied fand sich nur bei den Meer¬
schweinchen verschiedener Rassen und Herkunft.
Es scheinen daher gerade diese Tiere gut geeignet
zur Feststellung der graduellen Empfindlichkeit
gegen Penicillium die Vergleichsbasis abzugeben.
Unter den Kaninchen hat Verfasser stark
empfindliche und nur ganz wenig empfindliche
Rassen gesehen. Zu den ersten gehört die ganz
gewöhnliche Rasse (dreimal so empfindlich wie
die Meerschweinchen, kleine Tierchen mit weissem,
schwarzem, fahlem oder gesprenkeltem Fell, die
erwachsen nicht mehr als 1500 g wiegen). Einer
nur ganz wenig empfindlichen Rasse (zwölfmal
weniger empfindlich als die vorhergehende) da¬
gegen gehören die Kaninchen an, die sich durch
ein bedeutendes Körpergewicht (2500—3000 g) und
gewöhnlich durcli hasenartiges Fell und ziemlich
grosse Löffel auszeichnen.
Verfasser ist der Ansicht, dass die Beachtung
dieser Angaben für physio-toxische Versuche in
der Praxis nicht unwichtig ist, ganz besonders,
wenn es sich um Kaninchen handelt. Jacob.
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240
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
Desinfektion.
Vincent. Antiseptische Eigenschaften
des Eisensulfates. Rev. d’hyg. et pol.
San. 1905, H. 11.
Die Desinfektionskraft dieses Mittels be¬
stimmte der Verfasser, indem er 4—5 g Eisen¬
sulfat in einem Eiter Harn, Milch, Bouillon oder
Fleischsaft löste und diese Flüssigkeiten bei ge¬
wöhnlicher Zimmerwärme stehen liess. Diese
Menge vom Eisensulfat reichte vollkommen aus,
um das Verfaulen obiger Substanzen zu verhüten.
Nur die Milch, welche zwar nicht sauer wurde,
l>edeckte sich mit dicker Schicht von Schimmel¬
pilzen, hauptsächlich mit Penicilium glaucum und
Aspergillus flavus. Wenn das Präparat früher von
der freien Schwefelsäure durch Neutralisierung mit
Soda befreit wurde, mussten etwas grössere Dosen
vom Eisensulfat. (6—7 g pro Liter) zur Vorbeugung
der Zersetzung dieser Flüssigkeiten gebraucht
werden, was beweist, dass die Anwesenheit der
H 2 S0 4 die Desinfektionskraft des Präparates wenig
beeinflusst.
Die eigentliche Desinfektionskraft bestimmte
der Verf. durch die Untersuchung des verunreinig¬
ten Wassers, des Kloakeninhaltes, der Fäces, des
Urins usw. Zu einem Liter sehr schmutzigen
Wassfcrs, welches 60 000 Mikroben in einem Gramm
enthielt, gab Vincent je 1—2 g Eisensulfat
zu und das Wasser klärte sich nach 24 Stunden
vollkommen, wobei sich ein Bodensatz bildete, in
welchem sehr grosse Mengen von Proteus vul-
gatis, B. megaterium, B. mycoides, B. fluorescens
liq. u. dgl. zu finden waren. Die durchsichtige
Wasserschicht enthielt nur 600 Bakterien in 1 ccm.
Ein solches, ziemlich günstiges Ergebnis gelang
es aber mit Stickstoff- und eiweisshaltigen Flüssig¬
keiten, wie der faulende Harn, fermentierende
Milch, verdorbener Fleischsaft usw., nicht zu er¬
zielen. Zu den erwähnten Flüssigkeiten mussten
30—40 g Eisensulfat pro Liter zugegeben werden,
um eine relative Desinfektion zu bekommen. Im
Urin mit 20—30 g Eisensulfat lebten die Mikroben
sehr lange und der Gestank wurde infolge vom
Freiwerden der Säuren der Buttersäurenreihe noch
unerträglicher als sonst.
Zur vollkommenen Desinfektion der fäkalen
Massen müsste dieses Mittel, wie übrigens jedes
andere, in sehr grossen Mengen zugegeben werden.
Nach der Lösung von 20 g Eisensulfat in einem
Liter der fäkalen Flüssigkeit wurde B. coli com.
immer lebendig angetroffen — erst die Zugabe
von 40 g tötete dasselbe und es blieben dann nur
unschädliche Mikroben wie B. subtilis, B. mesen-
tericus vulgatus, B. megaterium usw. beim Leben.
Die Bedeutung des Eisensulfates in der Des¬
infektion der Fäces ist somit ziemlich unsicher.
Schliesslich gelangt der Verf. zur Ueberzeugung,
dass man das Desinfektionsvermögen des Eisen¬
sulfates zwar nicht leugnen kann, dasselbe aber
jedenfalls ziemlich schwach ist. Für seinen Ge¬
3. Jahrgang.
brauch spricht alxir seine Billigkeit (in Frank¬
reich kosten 100 kg 5 Frcs.). Uebrigens zeigten
die Vincentsclien Forschungen, dass die Desin¬
fektionskraft des Eisensulfates mehr oder weniger
jener der Karbolsäure gleicht, schwächer dagegen
ist, als die des Lysols, der Lauge usw.
Baczynski.
Rodziewicz. Einfluss des Argentum col-
loidale Crede auf das Blut. Doktor¬
dissertation, St. Petersburg 1904.
Verf. rieb den Kaninchen in die Haut am
Bauche die Cred£sclie Salbe ein, spritzte den
Kaninchen und Meerschweinchen i/* % bis 6 <*0
Wasserlösung des Argentum coli, subkutan und
1 0/0 Lösung intravenös ein. Auf Grund obiger
Experimente gelangt er zu folgenden Ergebnissen:
1. Hämoglobin- und Ervthrocytenmenge wächst
zuweilen nach einer solchen Behandlung erheb¬
lich; 2. nach einmaliger Einführung des Arg. coli,
erscheint im ersten Augenblicke eine Hvpoleuko-
cytose, dann vergrössert sich aber die Leuko-
cytenmenge stufenweise; diese Reaktion ver¬
schwindet gewöhnlich nach 24 Stunden, die Zahl
der vielkörnigen Leukocyten bleibt aber beständig
vergrössert; 3. nach mehrmaliger Einverleibung
des Arg. coli, dauert die Leukocytose länger;
4. nach den Einreibungen zeigt sich diese Reaktion
sowohl an der Einreibungsstelle als auch an
anderen Körperstellen.
Es übt somit das Arg. colloid. Cred6 keinen
schädlichen Einfluss auf das Blut aus, durch das
Hervorrufen der Leukocyten bewirkt es aber die
Resistenz des Organismus. Dieses Präparat soll
also bei verschiedenartigen septisch-pyämischen
Prozessen appliziert werden. Auf den allgemeinen
Gesundheitszustand üben die Präparate des arg.
colloid. keinen negativen Einfluss aus; es ist zwar
bei zwei Kaninchen Argyrosis beobachtet worden,
dies wird aber durch die übergrossen Mengen vom
eingeführten Silber erklärlich. Baczynski.
Schnürer und Januschke. Zur Desinfektion
derEisenbalin - Vieh transportwagen
mit wässerigen Formaldehydlösun-
g e n. Zeitschrift für Tiermedizin. Neunter Band.
5. und 6. Heft.
Verf. kommen auf Grund ihrer lediglich mit
Anthraxsporen gemachten Untersuchungen zu
folgendem Ergebnis: Zur Erzielung eines vollen
Desinfektionsversuches ist eine dreimalige Be¬
spritzung mit je zwei Einzelbespritzungen mit
Pausen von je 1 Stunde, 1—1,5 °/o Formaldehyd¬
gehalt, zirka 100 Liter Flüssigkeitsmenge für einen
normalen Kastenwagen und 4 Stunden Gesamt¬
dauer notwendig, mittelresistente Milzbrandsporen
und eine Aussentemperatur von 14—16 0 voraus¬
gesetzt. Prof6.
Blaieodaaf von Original-Abhandlungen, Büchern, Mono¬
graphien u. Separat-Abdrücken wird direkt an den Redakteur«
Kreistierarzt Dr. O. Prof4, Cöln a. Rh., Hansaring 80, oder
an die Verlanshandlung Louis Marcus, Berlin SW. t
Tampelhofer Ufer 7, erbeten.
Für d. Redaktion verantwortL Kreistlerarxt Dr. O. Prof6, Cöln a. Rh., Hansaring 60. Druck von Pass & Garleb G.ra.b.H., Berlin W.35.
Verlag und Eigentum: Louis Marcus Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 61.
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Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
3. JAHRGANG. FEBRUAR 1906. HEFT 11.
Feststellung einheitlicher Grundsätze für
die Beurteilung der Malleinreaktion.*)
Von Veterinär-Rat Dr. Foth, Departements tierarzt
in Schleswig.
Schon auf dem Kongress in Bern suchte
ich nachzuweisen, dass das Mallein zwar ein
wertvolles diagnostisches Hilfsmittel sei, dass
aber die damaligen Erfahrungen schon aus-
reichten, um eine erhebliche Unsicherheit seiner
Wirkung erkennen zu lassen. Obschon von dem
Wert des Diagnostikums überzeugt, hielt ich
es schon damals für geboten, vor Selbsttäu¬
schungen und übertriebenen Hoffnungen zu
warnen. Mit welchem Recht, hat die folgende
Entwicklung der Malleinfrage gelehrt.
Die Unsicherheit der Versuchsergebnisse
nachzuweisen, war schon damals leicht. Grosse
Unklarheit herrscht aber noch über die Ur¬
sachen dieser Unsicherheit. Ausgehend von der
Annahme, dass das Mallein auf rotzkranke
Pferde spezifisch wirke, suchte ich die
Gründe seines häufig differenten Verhaltens
einerseits in unserer unzureichenden Kenntnis
der vielseitigen, im Pferdekörper vom Rotz¬
bazillus hervorgerufenen Prozesse und Pro¬
dukte und andererseits in unserer ungenügen¬
den Bekanntschaft mit dem Wesen der Mallein¬
reaktion und nicht zum wenigsten in dem
überall hervortretenden Bestreben, sie in ein
mehr oder weniger willkürliches Schema zu
zwängen.
Der Kongress schloss sich meinen Aus¬
führungen an und beschloss, nachdem er mit
49 gegen 39 Stimmen den Antrag der Herren
Nocard und Preusse, die systematische Anwen¬
dung des Malleins als das beste Mittel zur
Tilgung der Rotzkrankheit zu empfehlen, an¬
genommen hatte, einstimmig, einen von
mir eingebrachten und von den Herren Chau-
veau, Leblanc, Arloing und Müller unter¬
stützten Anträge entsprechend, den hohen Re¬
gierungen zu empfehlen, Mittel zur Verfügung
zu stellen, um die schwebenden Fragen im
*) Bericht für den VIII. intern, tierärztl. Kon¬
gress in Budapest.
Wege des Experiments, d. h. durch künstliche
Infektion einer grösseren Zahl von Pferden
mit chronischem Rotz und deren Behandlung
mit Mallein, zu lösen.
Seitdem ist in* allen Ländern an der Klä¬
rung der Malleinfrage in ruhigerer aber desto
nachdrücklicherer Weise gearbeitet worden.
Die von dem Berner Kongress die Spalten der
Fachzeitschriften füllende Polemik hatte dazu
geführt, die Veterinäre in zwei Lager zu spal¬
ten. Den unbedingten Anhängern des Malleins
standen ebenso schroffe Gegner gegenüber. Es
war daher gut, dass die Kongressleitung in
Baden - Baden 1899, gleichviel aus welchen
Gründen, darauf verzichtete, die Materie zum
Gegenstand von Verhandlungen zu machen und
nach so kurzer Zeit abermals einen Streit zu
entfesseln, zu dessen Schlichtung damals aus¬
reichende Unterlagen noch nicht vorhanden
waren.
Heute ist das anders. Die Summe der
an einem ausserordentlich grossen Beobach¬
tungsmaterial gesammelten Erfahrungen ist
so gross, dass die Zeit zu einer ruhigen Er¬
örterung gekommen ist. Die unbedingten An¬
hänger, wie die schroffen Gegner von vordem,
haben gesehen, dass sie ihre Anschauungen
einer Revision unterziehen müssen, und wenn
der Kongress es erreicht, dass man auf beiden
Seiten den prinzipiellen Standpunkt aufgibt,
so wird schon dies als ein grosser Erfolg be¬
zeichnet werden müssen.
Das Mallein ist seit dem Berner Kongress
in Deutschland und der Schweiz, entsprechend
der geringen Verbreitung der Rotzkrankheit,
nur in relativ bescheidenem Masse zur An¬
wendung gekommen. Umfassenden Gebrauch
hat man dagegen in Oesterreich-Ungarn, in
Frankreich, Russland und vor allem in Ru¬
mänien davon gemacht und das Malleinver¬
fahren planmässig ausgestaltet. In ganz be¬
deutendem Umfange ist es auch in aussereuro-
päischen Ländern zur Rotzdiagnose benutzt
worden, und insbesondere hat das von mir
hergestellte Trockenmallein in den rotzver-
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242
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
3. Jahrgang.
seuchten Goldminendistrikten des früheren
Oranje-Freistaats, in Indien und anderen bri¬
tischen Kolonien ausgedehnte Verwendung ge¬
funden.
Bevor ich in eine Erörterung der Mallein¬
wirkung eintrete, bedarf die Frage, ob die ver¬
schiedenen gebräuchlichen Malleinsorten in
ihrer Wirkung erheblich differieren und ob
der Herstellungsmethode ein wesentlicher Ein¬
fluss auf die spezifische Wirksamkeit des Prä¬
parates zuerkannt werden muss, einer kurzen
Betrachtung. Nach meinen Erfahrungen be¬
steht zwischen der Wirkung meines frischen
Trockenmalleins und dem frischen franzö¬
sischen Präparat bei äquivalenter Dosierung
kein Unterschied. Dagegen habe ich die Beob¬
achtung gemacht, dass die Wirkung des flüssi¬
gen Präparates mit der Zeit unsicher wird,
während sich die des Trockenmalleins
nicht nur unverändert erhält, wie
Präparate verschiedenen Alters,
darunter ein 12jähriges, zeigen,
sondern ganz zweifellos mit der
Zeit sicherer, elektiver wird. Ich
nehme an, dass die nicht spezifischen pyro¬
genen Stoffe ihre Wirksamkeit allmählich ver¬
lieren, während die spezifische Malleinwirkung
sich mehr oder weniger allein erhält. Ich gebe
daher nur noch altes Präparat ab.
Die zur Erforschung der Malleinwirkung
eingesetzte rumänische Kommission hat nach
dem ausführlichen Bericht von Babes eben¬
falls keinen Unterschied in der Wirkung des
rumänischen, Moroin genannten Trockenpräpa¬
rats, meines Trockenmalleins und des franzö¬
sischen Präparats feststellen können. Ebenso¬
wenig sind, soweit ich ermitteln konnte, mit
dem von Kitt hergestellten flüssigen Mallein,
mit dem preussischen Mallein, dem, österreichi¬
schen, ungarischen, dänischen, russischen Mal¬
lein und den anderswo erzeugten Extrakten
besondere und abweichende Resultate erzielt
worden.
Dennoch ist, wenn auch nicht das Prinzip,
so doch die Beobachtung gewisser Einzelheiten
bei der Herstellung für die Sicherung der spe¬
zifischen Wirkung, wie ich aus zuverlässiger
Erfahrung berichten kann, von der allergröss¬
ten Bedeutung. Zunächst bedarf meine frühere
Ansicht, dass die virulentesten Rotzkulturen
auch das spezifisch wirksamste Mal lein lie¬
fern, der Korrektur. Es scheint, als ob ein
solcher Parallelismus tatsächlich nicht bestehe.
Ebenso scheint die von mir eine Zeitlang ge¬
hegte Anschauung, dass ein Mallein, das die
verriebenen Bazillenleiber enthält, spezifisch
wirksamer sei, nicht zutreffend zu sein. Das
zu den endobakteriellen Giften gehörende Mal¬
lein wird allem Anschein nach nach dem Tode
der Bazillen an die Umgebung abgegeben, kann
also durch Mageration der Kulturen und Fil¬
tration sicher gewonnen werden. Dagegen, und
das bedarf der Betonung, kommt eben dieser
Filtration eine besondere Bedeutung zu. Der
Filtrierprozess geht nur langsam vor sich und
die Gefahr bakterieller Zersetzung der dicken,
ei weissreichen, unfiltrierten Masse ist sehr
gross, um so mehr, als das Filtrat trotzdem
klar erscheint. Das Filtrieren muss daher
unter entsprechenden, ganz besonderen Vor-
sichtsmassregeln i vorgenommen werden, zu
denen ich indes den Zusatz von Desinfizienten
nicht rechne. Denn wenn diese auch die Wirk¬
samkeit des frischen Malleins anscheinend nicht
beeinflussen, so habe ich doch beobachtet, dass
die des älteren Malleins sich unter ihrem Ein¬
fluss schneller verliert. Weiterhin ist der
Einfluss des Lichtes, wie längst bekannt, aus¬
zuschalten und dem Trocknungsprozess beson¬
dere Beachtung zu schenken.
Mich weiter in Details zu verlieren, liegt
indes nicht im Rahmen dieses Vortrages.
Mein Urteil über Malleinwirkung stützt
sich auf folgende Beobachtungen:
1. Rotzige Pferde antworten auf die
Einspritzung eines guten, sorgfältig gewon¬
nenen Malleins in der Regel mit einer erheb¬
lichen Temperatursteigerung nebst entsprechen¬
der allgemeiner Abgeschlagenhcit und einer
mehr oder weniger bedeutenden schmerzhaften
Anschwellung an der Injektions teile. Die
Fieberreaktion ist, wie ich schon auf dem
Berner Kongress nachweisen konnte, regel¬
mässig um so grösser, je niedriger die Körper¬
wärme vor der Einspritzung war. Sie beträgt
aber, wie auch Babes betont, bei geeigneter
Dosierung des Malleins (0,045—0,05 g Mall,
sicc.) selbst bei subfebrilen Temperaturen
in der Regel noch wenigstens 2° und steigt
mindestens über 40°. In der Regel beginnt
die Temperatur 5—6 Stunden nach der Ein¬
spritzung, mitunter früher oder auch später,
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Heft 11.
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
243
relativ schnell anzusteigen, sich mehrere Stun¬
den auf der Höhe zu halten, fast stets nach
einem kurzen Abfall nochmals und zwar über
die erste Höhe anzusteigen und dann ganz all¬
mählich abzufallen. Sehr häufig steigt sie
dann noch einmal an Babes will sogar in
dieser Erscheinung das wesentlichste Charak¬
teristikum der von ihm als grossen typi¬
schen Reaktion bezeichneten Temperatur¬
steigerung erblicken. Ich kann das in diesem
Umfange nicht bestätigen. Das Auftreten
dieser Erscheinung ist wesentlich abhängig von
dem Zeitpunkt der Malleineinspritzung. Nimmt
man diese morgens vor, so fällt die Haupt¬
reaktion in die Abendstunden, der langsame
Temperaturabfall in die Nacht und der wieder¬
holte Anstieg fällt zusammen mit dem physio¬
logischen Wärmeanstieg des nächsten Tages,
tritt also deutlicher in die Erscheinung, als
wenn die Malleininjektion abends ausgeführt
wird. Dennoch ist die Beobachtung für die
Beurteilung der Reaktion von grosser Bedeu¬
tung. Ja, nicht selten sieht man noch am
dritten Tage ein abermaliges Ansteigen der
Körperwärme. Ich kann aber Babes nicht bei¬
pflichten, wenn er dieser Erscheinung gegen¬
über die von Schindelka und von mir vor
12 Jahren als besonders charakteristisch be-
zeichnete doppelte Kulmination der Fieber¬
kurve während der eigentlichen Reaktion, also
in den ersten 24 Stunden, als unerheblich be¬
trachtet. Wenn diese, wie allerdings zuge¬
geben werden muss, mitunter fehlt, so steht
doch fest, dass sie bei rotzigen Pferden sel¬
tener fehlt als die typische nochmalige Stei¬
gerung am zweiten Tage. Beide Erscheinungen
haben mithin einen gegenseitig ergänzenden
Wert.
Die beschriebene, von Schindelka und mir
seinerzeit als typisch bezeichnete Tempe¬
raturkurve erleidet zuweilen charakteri¬
stische, wohl bemerkenswerte Abweichungen.
Mitunter folgt der Einspritzung zunächst eine
sehr geringe und zuweilen sogar eine so be¬
deutende Hypothermie, dass die höchste Er¬
hebung der folgenden Temperaturkurve die
Anfangstemperatur zuweilen nicht erheblich
übersteigt. Oder die wie bei der typischen
Reaktion ansteigende Temperatur erhält sich
auf der fieberhaften Höhe, ja sie steigt so¬
gar noch am nächsten und selbst am folgen¬
den Tage noch weiter etwas an, ohne dass
sie inzwischen abgefallen wäre.
Beide Abweichungen sind nach meinen Er¬
fahrungen charakteristisch für Rotz.
Die allgemeinen Erscheinungen sind Be¬
gleiterscheinungen des Fiebers und für die
Beurteilung der Reaktion von untergeordneter
Bedeutung. Wichtiger dagegen sind die lokalen
Erscheinungen und ich bin geneigt, einer be¬
deutenden örtlichen Schwellung einen ergän¬
zenden diagnostischen Wert beizumessen, wo¬
bei aber zu beachten ist, dass sie auch bei
nichtrotzigen Pferden mit unerheblicher Tem¬
peraturreaktion nicht selten auftritt, und an¬
dererseits bei rotzigen Pferden mit ausge¬
sprochener thermischer Reaktion sehr häufig,
und wie Babes, ein eifriger Verfechter ihrer
Bedeutung, selbst festgestellt hat, in 10 % der
Fälle fehlt. Ihre Benutzung als weiteres dia¬
gnostisches Hilsmittel kann also leicht das
durch das Verhalten der Körperwärme bereits
gesicherte Urteil verwirren und ist mithin
nur mit Vorsicht zu empfehlen.
Der Vorschlag Wladimiroffs, die Ein¬
spritzung an der Vorderbrust vorzunehmen,
scheint mir nach einigen Versuchen in dieser
Richtung die Fehlerquelle bei nichtrotzigen
Pferden noch zu vergrössern. Ich möchte ihn
daher nicht aufnehmen.
Rotzkranke Pferde zeigen nun nicht immer
die geschilderten Erscheinungen.
Erhebliches Fieber schliesst, wie bekannt,
das Zustandekommen einer diagnostisch ver¬
wertbaren Reaktion aus, gleichviel, ob es auf
rotzige oder andere fiebererregende Prozesse
zurückzuführen ist.
Aber auch fieberlose rotzige Pferde re¬
agieren mitunter, wenn auch selten, nicht in
der geschilderten typischen Weise.
Zunächst beobachtet man, dass sie zwar
eine Reaktion nach dem beschriebenen Typus
zeigen, dass diese aber einen geringeren Um¬
fang hat. Dies mag, wie ich später ausführen
werde, auf einen Stillstand in der Entwick¬
lung der rotzigen Prozesse und einen gewissen
gleichmässigen Rückbildungszustand aller im
Körper befindlichen Rotzherde zurückzuführen
sein, der allerdings in der Regel mehr oder
weniger bald von frischen Nachschüben abge¬
löst wird, die dann auch wieder eine erhöhte
Reaktionsfähigkeit bedingen.
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244
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
3. Jahrgang.
Babes hat für diese Reaktionen den Aus¬
druck „kleine typische Reaktion“ vorgeschla¬
gen. Die Erfahrung mag lehren, ob dies für
die praktische Diagnostik zweckmässig ist.
Denn diese in ihren Kriterien weniger scharf
umschriebene Reaktion findet sich auch häu¬
fig bei nichtrotzigen Pferden. Derartige Re¬
aktionen fallen also, meinen früheren Vor¬
schlägen gemäss, einfach in die „zweifelhafte
Zone“.
Ferner reagieren rotzige Pferde zuweilen
mit einem rapid und hoch ansteigenden Fieber,
das schnell wieder abfällt. Diese, von Schin-
delka zuerst beobachtete und als atypische
Reaktion bezeichnete charakteristische Tempe¬
raturkurve galt diesem Forscher und lange
Zeit auch mir als unverdächtig. Ich muss
aber die Beobachtung von Babes bestätigen,
dass sie auch bei rotzigen Pferden vorkommt,
ja es will mir scheinen, als ob sie verdächtiger
sei, als eine mässige, wenn auch typisch ver¬
laufende zweifelhafte Reaktion. Wiederholun¬
gen des Malleinversuchs führen indes regel¬
mässig zum Ziel, da erfahrungsmässig hohe
atypische Reaktionen beim Vorhandensein von
Rotz mit hohen typischen abwechseln.
Endlich aber bleibt auch bei fieberlosen
rotzigen Pferden mitunter jede Reaktion aus.
Diese Erscheinung ist nunmehr aufgeklärt.
Bereits vor Jahren machte ich die Beobach¬
tung, dass kraftstrotzende, vollblütige Pferde
ceteris paribus am stärksten reagieren und
dass geschwächte kachektische Tiere eine er¬
heblich geringere Reaktionsenergie besitzen.
Ich empfehle daher für jene die kleinere Dosis
von 0,04, für diese die grössere von 0,045 bis
0,05, ja bis 0,06 g meines Malleins. Die gleiche
Beobachtung machte im Jahre 1894 W. Eber.
Babes gebührt das Verdienst, diese wich¬
tige Frage im Wege des Experiments ent¬
schieden zu haben, indem er bei klninisch
rotzigen und auf Mallein typisch reagieren¬
den Pferden durch mehrtägige völlige Nah¬
rungsentziehung jede Reaktionsfähigkeit auf-
heben und umgekehrt nach Belieben wieder
hervorrufen konnte.
Mithin können wir nach den bisherigen
Erfahrungen den Satz auf stellen:
Fieberlose, ausgeruhte und gegen Witte¬
rungsunbilden geschützte rotzige Pferde re¬
agieren auf die Einspritzung von Mallein stets
mit Temperatursteigerung und meistens mit
lokaler Anschwellung. Die Temperaturreak¬
tion verläuft in der Regel typisch. Ihr Um¬
fang ist abhängig von der Zentraltemperatur
und steht zu dieser in umgekehrtem Ver¬
hältnis. In der Regel erreicht sie mindestens
2° und übersteigt 40°. Ausnahmen von der
Regel sind atypischer Verlauf einerseits und
geringerer Umfang der Reaktion andererseits.
Zuweilen, wenn auch selten, kommen beide Ab¬
weichungen zusammen vor.
Diese Ausnahmefälle werden durch
Wiederholungen des Mallein Versuchs in der
Regel bald aufgeklärt.
Fieberhaft erkrankte sowie fieberlose aber
heruntergekommene Pferde sind zur Mallein¬
probe ungeeignet.
Somit muss die erste und wichtigste
Frage: ob man imstande ist, mit Hilfe des
Malleins einen rotzverdächtigen Pferdebestand
von den klinisch nicht erkennbar rotzkranken
Tieren zu säubern, nach dem gegenwärtigen
Stande unserer Erfahrung, bejaht werden.
Einen praktischen Wert kann aber das
Verfahren nur.dann haben, wenn sich auch
nach der Richtung der nichtrotzigen Pferde
die Zahl der Fehlresultate in bescheidenen
Grenzen hält. Tatsächlich weist nun, wie
bekannt, die Literatur aller Nationen zahl¬
reiche Fälle auf, wo nichtrotzige Pferde
sich dem Mallein gegenüber ebenso ver¬
halten haben wie rotzige, und es muss so¬
mit als feststehend anerkannt werden, dass
alle Malleinsorten mitunter ähnliche Reak¬
tionen wie bei rotzigen Pferden auch bei fieber¬
losen Pferden hervorrufen, bei denen rotzige
Prozesse nicht nachgewiesen werden können.
Mithin hängt der praktische Wert des
Verfahrens ab von der Grösse des Prozent¬
satzes dieser Fehlresultate.
Leider stösst nun aber die Feststellung
dieses Prozentsatzes auch heute noch auf die
gleichen Schwierigkeiten, wie vor 10 Jahren.
Denn sie setzt voraus, dass genau feststeht,
welche anatomischen Veränderungen dem Rotz
zuzurechnen sind. Es ist bekannt, dass in
dieser wichtigen Frage, soweit es sich um ge¬
wisse Knötchenbildungen in den Lungen han¬
delt, in der tierärztlichen Welt noch kein Ein¬
verständnis erzielt worden ist. Und die Aus¬
sicht, dass dies bald zu erwarten ist, ist nur
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Heft 11.
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
24$
gering. Denn gesetzt den Fall, die Ansicht
Schütz’, dass der Rotzbazillus die Verkalkung
aktiv verhindere, sei tatsächlich irrig, so wird
doch der Beweis für die rotzige Natur dieser
Knötchen, soweit sie nicht auf die Einwande¬
rung von Entozoen zurückzuführen sind, man¬
gels lebensfähiger und infektionstüchtiger
Rotzkeime kaum in einwandfreier Weise zu
erbringen sein. Lässt sich aber die infektiöse
Natur dieser Knötchen nicht nachweisen, so
könnte es veterinärpolizeilich gleichgültig sein,
ob die vorhandenen Veränderungen nach ihrem
anatomischen und histologischen Bau dem
Rotzprozesse zuzurechnen sind oder nicht. Da
sich aber erfahrungsgemäss gerade in rotz¬
verseuchten Pferdebeständen nicht selten, wenn
nicht regelmässig, bei verschiedenen Pferden
solche Knötchen finden, deren parasitäre Na¬
tur sich nicht nachweisen lässt, und da diese
Pferde in der Regel auch reagieren, so ver¬
mutet man, dass sich noch lebensfähige und
infektionstüchtige Rotzkeime im Organismus
fänden, wenn es auch nicht gelang, sie mit
Hilfe unserer Untersuchungsmethoden in den
alten bindegewebigen und verkalkten Knoten
nachzuweisen. Die Gewagtheit dieses Schlusses
liegt auf der Hand. Daher verzichtet auch
Babes auf diese Hypothese, um aber dafür
eine andere wie folgt aufzustellen: Die mi¬
liaren und parenchymatösen Knötchen sind
nach ihrem anatomischen und histologischen
Bau rotziger Natur. Der Nachweis virulenter
Rotzbazillen gelingt häufig. Sehr alte, ge¬
wöhnlich fibröse oder kalkig entartete Knöt¬
chen lassen oft ihre Natur nicht mehr er¬
kennen, und finden sich häufig auch bei nicht I
mehr reagierenden Pferden. Natürlich lassen |
sich in ihnen keine virulenten Bazillen nach¬
weisen. Aber häufig findet man auch bei
Pferden, die reagieren, Knötchen, die nur
mörtelartiges Material im Zentrum beherber¬
gen, deren Wandungen aber aus proliferiertem
und lebensfähigem Gewebe besteht, und in
denen nun ebenfalls Rotzbazillen weder durch
das Mikroskop noch durch Kultur oder Ueber-
tragung nachgewiesen werden können. Mit¬
hin, schliesst Babes, sind es nicht die Rotz¬
bazillen selbst, die die Reaktion bedingen,
auch nicht ihre unmittelbaren Stoffwechsel¬
produkte, da Pferde, denen man vorher Mal¬
lein einspritzt, nicht auf Mallein reagieren,
sondern es sind Stoffwechselprodukte des Or¬
ganismus, die dieser unter dem Einfluss der
Rotzbazillen bildet oder früher gebildet hat.
Die Anfechtbarkeit dieser Beweisführung mit
Hilfe einer erst zu beweisenden Voraussetzung,
liegt auf der Hand. Gesetzt nun aber den
Fall, die Anschauung Babes und vieler an¬
derer über die Ursprünglich rotzige Natur
vieler alter verkalkter Knötchen wäre richtig,
wenn auch praktisch bedeutungslos, so muss
es doch zahlreiche Uebergänge zwischen viru¬
lenten und nichtvirulenten Rotzknoten geben.
Das betont natürlich auch Babes und jeder,
der häufig Gelegenheit gehabt hat, rotzver¬
seuchte Bestände zu obduzieren, wird bestäti¬
gen, dass gerade in solchen Beständen auf¬
fallend häufig die hierher gehörigen Knötchen¬
bildungen gefunden werden, dass diese sich
auch neben den zweifellos rotzigen finden und
dass Uebergangsformen Vorkommen, die einen
weder nach der einen noch der anderen Rich¬
tung hin befangenen Diagnostiker beträcht¬
liche Schwierigkeiten bereiten können, wobei
die vielberufenen häufigen und leicht erkenn¬
baren Knötchen parasitären Ursprungs, sowie
solche, die auf Thrombosen, Embolien usw.
zurüekzuführen sind, von vornherein ausser
Betracht blieben.
Angenommen nun, diese Knötchenbildun-
gen w r ären tatsächlich auf die Wirkung des
Rotzbazillus zu beziehen, so wäre zunächst
erforderlich, durch einwandfreie Forschung die
Häufigkeit und den Grad ihrer Infektiosität
zu ermitteln und somit ihre epidemiologische
und veterinärpolizeiliche Bedeutung zu be¬
stimmen.
Hier also hätte, wie ich bereits vor zehn
Jahren in Bern vorschlug, das Experiment im
grossen einzusetzen, ohne das wir doch nicht
zu einer endgültigen Lösung der Malleinfrage
kommen, und ich kann nur den Wunsch wieder¬
holen, dass regierungsseitig Mittel zur Ver¬
fügung gestellt werden mögen, um durch künst¬
liche Erzeugung der chronischen Form der
Rotzkrankheit bei einer grösseren Zahl von
Pferden zunächst diese grundlegende Frage
zu lösen und so endlich einmal eine einwand¬
freie Basis für die Erörterungen über den
Wert diagnostischer Methoden, wie der
Malleinprobe und des Agglutinationsverfah-
rens, zu schaffen.
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246
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
3. Jahrgang.
Angenommen nun aber, diese Untersuchun¬
gen führen zur Bestätigung der Babesschen
Schlussfolgerungen, so werden voraussichtlich
Stimmen laut werden, die es nach den bis¬
herigen Erfahrungen, die die Veterinärpolizei
in Preussen in der praktischen Rotztilgung
mit der Nichtbeachtung dieser Knötchenbildun¬
gen gemacht hat, als zweifelhaft bezeichnen
werden, ob sie eine praktisch beachtenswerte
Gefahr der natürlichen Rotzübertragung auf
andere Pferde bergen. Zwar gibt es bei uns
zahlreiche erfahrene Tierärzte, die der Mei¬
nung sind, dass die praktische Rotztilgung
eben seit der Zeit der allgemeinen Nichtbe¬
achtung dieser Knötchen, also etwa seit der
Mitte der neunziger Jahre, nicht die gleichen
Erfolge aufzuweisen gehabt habe, wie vorher,
wo der Begriff des Rotzes von vielen etwas
weiter gefasst wurde.
In jedem Falle wird, immer unter der
Voraussetzung der Bestätigung der Babesschen
Schlüsse, diese Gefahr für die jüngeren Ueber-
gangsformen von vornherein als erheblich an¬
genommen werden müssen. Damit wäre für
die Praxis die Notwendigkeit gegeben, unter¬
schiedslos alle Pferde mit den bezeichneten
knötchenartigen Bildungen, soweit sie sich
nicht als embolische parasitäre oder sonstige
harmlose Knötchen kennzeichnen, zu töten.
Da nun aber erfahrungsgemäss die Zahl
der mit diesen Knötchen behafteten Pferde in
den rotzverseuchten Beständen, wenn man die
parasitären usw. Knötchen ausschliesst, doch
nur relativ klein ist, so wird immerhin die
Tötung aller dieser Pferde noch wesentlich
ökonomischer und ebenso sicher sein, als das
gegenwärtig häufig geübte Verfahren der Tö¬
tung ganzer Bestände.
Nun muss ich aber betonen, dass nach
meinen Erfahrungen der Grad der Reaktion
nicht nur abhängig ist von der in der Kon¬
stitution des Tieres usw. (s. oben) begründe¬
ten Reaktionsenergie, und von der Körper¬
wärme vor der Einspritzung, sondern wahr¬
scheinlich auch von der anatomischen Be¬
schaffenheit der rotzigen Veränderungen selbst.
Wenigstens habe ich die Beobachtung gemacht,
dass Pferde mit Lungenknötchen, deren rotzige
Natur nach allgemeiner Anschauung ausser
allem Zweifel steht, unter den für das Zu¬
standekommen einer Reaktion gegebenen son¬
stigen Voraussetzungen regelmässig stark und
typisch reagierten, während die mittelhohen,
zweifelhaften Reaktionen in der Hauptsache
auf die mit den in Rede stehenden Knötchen
behafteten Pferde entfielen. Allerdings fin¬
den sich auch bei diesen mitunter hohe Re¬
aktionen. Dies kann indessen nicht über¬
raschen. Ich will hier nicht auf die Heilbar¬
keit des Rotzes als Krankheit eingehen. Selbst¬
verständlich aber fielen die einzelnen Rotz¬
prozesse selbst wie in den Schleimhäuten so
auch in den Lungen vollkommen ab und es
ist klar, dass die Reaktion um so schwächer
sein wird, je allgemeiner die rotzigen Prozesse
in dem betreffenden Tiere in ihrer Entwick¬
lung zum Stillstand gekommen und in der
Rückbildung begriffen sind und je weniger
frische Nachschübe sich bilden. Immerhin aber
sind diese, wie die Erfahrung längst gelehrt
hat, immer wieder zu erwarten und die Pferde
werden dann auf wiederholte Malleineinsprit¬
zungen auch entsprechend energischer re¬
agieren. Aus diesen Ueberlegungen ergibt sich
auch, dass die Einspritzungen bei solchen
Tieren nicht nur zwei- oder dreimal, sondern
häufiger wiederholt werden müssen, damit eine
oder die andere Injektion zufällig in die Zeit
eines frischen Nachschubes fallen kann.
Die Sachlage ist mithin die, dass auch
schon vor der endgültigen Entscheidung der
offenen Frage, ob die erwähnten Knötchen¬
bildungen zum Rotz in Beziehung stehen, die
Tötung aller stark und typisch reagierenden
Pferde ohne wirtschaftliche Bedenken emp¬
fohlen werden kann, um so mehr, wenn eine
wiederholte starke Reaktion gefordert wird,
und dass die zweifelhaft reagierenden häufig
mit den fraglichen Knötchen behafteten Pferde
mehrfach wiederholten Einspritzungen unter¬
worfen werden.
Diese Stellungnahme würde aber voraus¬
setzen, dass Pferde, die weder mit rotzigen
noch mit den erwähnten Knötchen behaftet
sind, und entweder ganz gesund sind oder an
anderen Krankheiten leiden, auf die Mallein¬
injektion nicht in gleicher Weise reagieren.
Und dies scheint nach den bisherigen Erfah¬
rungen auch tatsächlich nicht der Fall zu
sein.
Die früher vielfach und auch von mir
vertretene Ansicht, dass gewisse andere Krank-
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Heft 11.
Fortschritte der Veterinär-Hy giene.
247
heiten, wie Drüse, Emphysem, chronische
bronchitische Prozesse usw. typische Reak¬
tionen bedingen können, hat sich inzwischen
bestimmt als irrig erwiesen. Sie verhalten
sich vielmehr dem Mallein gegenüber, soweit
ihre Reaktionsfähigkeit nicht durch Fieber be¬
einflusst wird, wie ganz gesunde Pferde. Diese
aber reagieren, wenn alle äusseren Bedingungen
beobachtet werden, in der Regel gar nicht,
wenn schon, so nur vereinzelt mit einer ty¬
pisch oder atypisch verlaufenden Temperatur¬
steigerung, die indes regelmässig innerhalb der
zweifelhaften Reaktionszone liegt.
Doch auch über diese wichtige und grund¬
legende Frage wäre durch einen gross an¬
gelegten Versuch unschwer und ohne nennens¬
werte Kosten Aufschluss zu erhalten: die Aus¬
breitung der Rotzkrankheit ist seit langem
in Deutschland sehr gering und der Pferde¬
bestand unserer berittenen Truppen ist voll¬
ständig frei vom Rotz. Die Durchführung der
Malleinprobe bei den Pferden mehrerer Regi¬
menter würde also diese Frage völlig einwand¬
frei lösen.
Ich habe nun mehrfach die Wiederholung
der Malleinprobe als das geeignetste Mittel
zur Aufklärung zweifelhafter Fälle bezeich¬
net und es bedarf noch einer Erörterung, wann
diese Wiederholungen vorzunehmen sind. Ein¬
spritzungen am zweiten oder dritten Tage
nach der ersten haben, wie ich genau fest¬
stellen konnte, eine kumulative Wirkung. Vom
vierten Tage an habe ich mehrfach eine, wenn
auch nicht bedeutende Herabsetzung der Emp¬
findlichkeit gesehen. Nach 14 Tagen aber
scheint die Reaktionsfähigkeit in der Regel
wieder in vollem Umfange vorhanden zu sein.
Babes hat sie sogar regelmässig schon nach
einer Woche wieder gefunden. Uebereinstim-
mung besteht aber, soweit mir bekannt ist,
unter den Beobachtern darin, dass eine An¬
gewöhnung an das Mallein wie wir sie von
dem Tuberkulin kennen, nicht oder doch nur
in so geringem Grade besteht, dass sie die
Reaktion auch bei zahlreichen Wiederholungen
nicht beeinflusst, wenn nur wenigstens 1—2
Wochen zwischen den einzelnen Malleinproben
liegen.
Diese Betrachtungen führen nun zu fol¬
genden Schlüssen:
1. Um den praktischen Wert der Mallein¬
probe in vollem Umfange beurteilen zu können,
mangelt es zurzeit noch an der notwendigen
Uebereinstimmung in der Deutung gewisser
chronischer knötchenartiger Prozesse in den
Lungen. Die Entscheidung dieser Frage kann
nach den bisherigen Erfahrungen nur durch
gross angelegte experimentelle Untersuchun¬
gen entschieden werden.
2. Ebenso wird das Verhalten sicher nicht¬
rotziger Pferde in einwandfreier Weise nur
durch das Experiment im grossen an zweifel¬
los nichtinfizierten Pferdebeständen festge¬
stellt werden können.
In beiden Richtungen werden den Staats¬
regierungen Vorschläge zu machen sein.
3. Doch bevor auch diese letzten Grund¬
lagen beschafft sind, kann das Mallein als
brauchbares Hilfsmittel zur Tilgung der Rotz¬
krankheit in infizierten Beständen empfohlen
werden. Für die veterinärpolizeiliche Praxis
empfehle ich folgendes Verfahren:
Nach Tötung aller rotzkranken sind zu¬
nächst alle fieberhaft erkrankten und alle
mehr oder weniger heruntergekommenen oder
abgearbeiteten Tiere auszuscheiden. Der Rest
ist der Malleinprobe zu unterwerfen. Die
Pferde sind zu diesem Zweck 24, und wenn
irgend möglich 48 Stunden, vor und ebenso
lange nach der Einspritzung in mässig warmen
gut ventilierten, jedoch nicht zugigen Stallun¬
gen bei normaler Fütterung zu halten. In
der Zeit vor dem Versuch ist es zweckmässig,
sie bei gutem Wetter täglich ein- bis zwei¬
mal je eine halbe Stunde in ruhiger Gang¬
art im Freien bewegen zu lassen. Zugleich
ist während der dem Versuch vorauf gehenden
24 Stunden der Gang ihrer Temperaturbewe¬
gung sorgfältig zu ermitteln. Die Kenntnis
dieser Tagesschwankungen ist zwar für das
Urteil über die Reaktion vielfach überschätzt
worden. Denn ich habe mich überzeugt, dass
die normale Temperaturkurve äusserst labil
ist und bei demselben Pferde an aufeinander¬
folgenden Tagen, unter anscheinend gleichen
äusseren Verhältnissen und bei annähernd
gleichen Anfangs- und Endtemperaturen, oft
so erhebliche Schwankungen zeigt, dass es nur
Verwirrung stiftet, wenn der höchste Punkt
der Tagesschwankung als weiterer fixer Punkt
in die Beurteilungs Vorschriften eingeführt
wird. Z. B. sind gerade rotzige Pferde mit
••
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Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
3. Jahrgang.
leicht subfebriler Körperwärme, die, wie wir
gesehen haben, typisch reagieren, ausserordent¬
lich empfindlich und zeigen oft beträchtliche
und unregelmässige Tagesschwankungen, deren
schablonenhafte Berücksichtigung also gerade
hier zu falschen Schlüssen führen würde.
Immerhin mag die Kenntnis dieser Tages¬
schwankungen, von Fall zu Fall und ohne
Schabionisierung angewendet, die Beurteilung
gewisser zweifelhafter Reaktionen erleichtern.
Im übrigen gilt also die unmittelbar an der
Einspritzung ermittelte Temperatur als Aus¬
gangspunkt für die Beurteilung der Reaktion.
Ob die Injektion morgens oder abends vorge¬
nommen wird, ist an sich gleichgültig, wenn
nur beachtet wird, dass mit Rücksicht auf
die verschiedene Höhe der Initialtemperaturen
an die auf Morgen versuche folgenden Reak¬
tionen höhere Anforderungen gestellt werden
müssen, dass diese dafür aber auch häufig
einen nochmaligen stärkeren Temperaturan¬
stieg am zweiten Tage auf weisen. Zeigt sich
dieser aber auch nach einem Abendversuch,
so ist er von um so grösserer diagnostischer
Bedeutung. Ich habe daher regelmässig die
Abendstunden für die Injektion bevorzugt. Die
Dosis meines Trockenmalleins beträgt 0,045
bis 0,05. Die grösseren Dosen sind bei weniger
gutgenährten älteren, die kleinen bei vollblü¬
tigen kraftstrotzenden jüngeren Tieren zu ver¬
wenden. Für die unter den selbstverständ¬
lichen Vors ich tsmassregeln vorzunehmende
Einspritzung, empfehle ich die untere mittlere
Partie der Halsseite mehr als die Vorderbrust.
Nach dem Versuch ist die Körperwärme zwei¬
stündlich und selbstverständlich bei jedem
Pferde während der ganzen Dauer der Mes¬
sungen mit demselben Thermometer zu messen.
Die Messungen sind bei den reagierenden Tieren
wenigstens 48 Stunden und gegebenenfalls noch
länger fortzusetzen.
Nach dem Ergebnis des Mallein Versuchs
sind die Pferde in drei Gruppen einzuteilen,
in solche mit typischer, mit zweifelhafter und
mit gar keiner Reaktion.
Gruppe I.
Hierher gehören alle Pferde mit einer
typischen Steigerung der Körperwärme
über 40° und um mehr als 2° über die zur
Zeit der Einspritzung ermittelte Temperatur.
Nochmaliger fieberhafter Temperaturanstieg
vom zweiten oder gar auch noch am dritten
Tage und erhebliche und anhaltende örtliche
Schwellungen erhöhen den Verdacht.
Weiter gehören hierher diejenigen Pferde,
deren Reaktion zunächst durch Temperatur¬
abfall und folgenden typisch verlaufenden,
wenn auch mässigen Anstieg charakterisiert ist.
Alle diese Pferde sind mehr oder weniger
dringend der Rotzkrankheit verdächtig und
frühestens nach 14 Tagen, besser erst nach drei
Wochen nochmals mit Mallein zu behandeln.
Die abermals typisch reagieren¬
den sind als wahrscheinlich rotz¬
krank auszusondern.
Alle übrigen sind der Gruppe II ein¬
zureihen.
Hierher gehören ferner von vornherein
alle Pferde mit hoher atypischer Reaktion
und im übrigen diejenigen, die eine unsichere
Reaktion zeigten, d. h. eine solche von 1,4 (oder
wie Kitt vorschlägt, von 1,3) bis 1,9°, wobei der
Grad des Verdachts sich nach dem Verhältnis
der Steigerung zur Höhe der Anfangstempera¬
tur in der mehrfach angedeuteten Weise be¬
stimmt und bei der Beurteilung der Grenz¬
werte nicht schablonenhaft, sondern unter
sorgfältiger Berücksichtigung aller, oben ein¬
gehend besprochenen für die Beurteilung der
Reaktion in Betracht kommenden Momente ver¬
fahren werden muss.
Alle diese Tiere sind in Zwischenräumen
von drei Wochen wiederholt mit Mallein zu
behandeln. Diejenigen, die in zwei aufein¬
anderfolgenden Versuchen entschieden typische
Reaktionen mit allen charakteristischen Merk¬
malen zeigen, sind als wahrscheinlich
rotzkrank den bereits aus Gruppe I aus¬
gesonderten Tieren einzureihen.
Umgekehrt sind diejenigen Pferde, die bei
zwei aufeinanderfolgenden Proben ohne jede
Reaktion geblieben sind, noch nicht als sicher
unverdächtig zu bezeichnen. Vielmehr werden
Pferde, die sich durch eine ausgesprochene Re¬
aktion einmal verdächtig gemacht haben, nur
schwer auf dem Wege des Malleinversuchs als
gänzlich unverdächtig erkannt werden können,
wie nach meinen obigen Ausführungen über
die Abhängigkeit der Reaktionsintensität von
einem etwaigen zufälligen allgemeinen Still¬
stand oder einer gleichmässigen Rückbildung
der rotzigen Prozesse, also einem scheinbaren
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Heft 11.
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
249
Heilungszustande, sowie an einem zu jeder be¬
liebigen Zeit zu erwartenden frischen Nach¬
schub ohne weiteres klar ist.
Zur Gruppe III endlich sind diejenigen
Pferde zu zählen, die bei gutem Ernährungs¬
zustände und kräftiger Konstitution völlig re¬
aktionslos auch bei einer zweiten Einspritzung
bleiben. Folgerichtig können indes auch diese
Pferde nicht als sicher unverdächtig bezeich¬
net werden, da die vorhin angedeutete Mög¬
lichkeit auch bei ihnen vorliegt, nur mit dem
Unterschiede, dass eben zufälligerweise die
beiden ersten Einspritzungen in die nachschub¬
freie Periode fielen, was natürlich nicht aus-
schliesst, dass spätere Proben ausnahmsweise
einmal zu einer Reaktion führen können.
Die auf die geschilderte Weise ermittelten
wahrscheinlich rotzkranken Tiere können ohne
grosse ökonomische Bedenken getötet werden.
Die übrigen sind nach dem Grade des Verdachts,
unter Berücksichtigung des klinischen Unter¬
suchungsbefundes nach Massgabe der veterinär¬
polizeilichen Bestimmungen, soweit als möglich
zur Arbeit unter den gebotenen Beschränkun¬
gen zuzulassen.
Aus vorstehenden Ueberlegungen ergibt
sich also, dass die Malleinprobe nach dem
gegenwärtigen Stande unserer Kenntnisse ein
geeignetes Mittel ist, einen rotzverseuchten Be¬
stand ohne unverhältnismässig grosse ökono¬
mische Opfer von den rotzkranken Tieren zu
befreien, dass aber ihre Anwendung das Ziel
einer etwaigen Abkürzung der vorgeschrie¬
benen Sperrzeit, die bei uns mindestens 6 Mo¬
nate nach dem letzten Rotzfall beträgt, zur¬
zeit nicht haben kann.
Hiermit ist nun nach meinen Erfahrun¬
gen die Leistungsfähigkeit des Malleins zur¬
zeit erschöpft. Ob aber und wieviel mehr das
Agglutinationsverfahren leistet, bedarf weite¬
rer sorgfältiger und vor allem vergleichender
Versuche, die sehr wohl an denselben Pferden
ausgeführt werden können, wenn nur die Blut¬
entnahme der Malleinprobe voraufgeht. Es ist
nicht ausgeschlossen, dass die Versuche zu dem
Ergebnis führen werden, dass beide Methoden
sich in wertvoller Weise ergänzen, was uns
dem Ziel der praktischen Tilgung der Rotz¬
krankheit ein gut Stück näher bringen würde.
Hiernach empfehle ich die Annahme fol¬
gender Anträge:
I. Das Mallein ist ein geeignetes Mittel,
um verseuchte Pferdebestände ohne unver¬
hältnismässig grosse ökonomische Opfer von
den rotzkranken zu befreien.
II. Zur sicheren Beurteilung des Wertes
des Malleinverfahrens fehlen noch einige
Grundlagen, die nur im Wege des Experi¬
ments im grossen beschafft werden können.
Die experimentellen Prüfungen haben sich
zu erstrecken:
1. auf das Studium der durch künstliche
Infektion einer grossen Zahl von Pferden mit
chronischem Rotz erzeugten krankhaften Ver¬
änderungen und auf das Verhalten dieser Tiere
gegen Mallein,
2. auf die Prüfung des Verhaltens einer
grossen Zahl zweifellos nichtrotziger Pferde
gegen Mallein (Truppenpferde!),
3. auf gleichzeitige vergleichende Prüfung
des Agglutinationsverfahrens.
Den hohen Regierungen wird empfohlen,
diese Versuche in die Wege zu leiten und mit
ihrer Durchführung in jedem Lande eine Kom¬
mission zu beauftragen.
OefFentliches Veterinärwesen.
Stand der Tierseuchen im Deutschen Reich
am 15. Januar 1906.
Rotz wurde festgestellt in Preussen in
19 Gemeinden und 31 Gehöften, in Bayern,
Württemberg, Baden und Sachsen-Weimar in
je einem Gehöfte, zusammen somit in 23 Ge¬
meinden und 35 Gehöften. Die Lungen¬
seuche wurde beobachtet in einem Gehöfte
der Kreishauptmannschaft Leipzig. Die
Aphthenseuche herrschte in Rosenberg
in Westpreussen, in Prenzlau und in Kattowitz-
Stadt in je einem Gehöfte. Die Schweine¬
seuche einschliesslich der Schweinepest
gelaugte zur Feststellung in 1500 Gemeinden
und 2036 Gehöften.
Deutsches Reich. Bekanntmachung
betr. Abänderung der Vorschriften
überdiePrüfungderTierärzte. Vom
14. Dezember 1905.
Auf Grund der Gewerbeordnung hat der
Bundesrat beschlossen, dass bei allen nach dem
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250
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
3. Jahrgang.
1. Januar 1906 begonnenen Fachprüfungen in
der Tierheilkunde die Fleischbeschau als obli¬
gatorischer Gegenstand aufgenommen wird.
Referate.
Infektionskrankheiten.
Oppermann. Experimentelle Beiträge zur
Aetiologie der natürlichen Milz¬
brand f ä 11 e. Archiv f. wissensch. u. prakt.
Tierheilkde. 32. Band. 1. u. 2. Heft.
Die sehr umfassende Arbeit zerfällt in zwei
Abschnitte. Erstens züchtete Verf. Milzbrand¬
bazillen auf bluthaltigem Kot von Haustieren und
auf bluthaltiger Erde und suchte die Resistenz
der so erhaltenen Sporen im Vergleich mit Sporen
von anderen Nährböden zu bestimmen. Zweitens
wurden mit derartig gewonnenem Sporenmaterial
Fütterungsversuche angestellt. Verf. fand, dass
die Sporulation auf Rinder- und Schafkot und
auf Erde sich günstiger gestaltete als auf Agar
und Bouillon, und zwar auf Erde am günstigsten,
wenn Blut vom Rind oder Schaf hinzugefügt wurde.
Die Optimaltemperatur für die Sporulation liegt
bei 30° C. Je grösser bei Fütterungsversuchen
die Dosis des Sporenmaterials ist, um so sicherer
erfolgt die Infektion. Plötzlicher Uebergang von
Trocken- zur Grünfütterung, Fütterung von Disteln,
Eingabe von Erde oder Glaspulver vor oder mit
Verabreichung der Sporen, waren ohne Bedeutung.
Der Kot von an Fütterungsmilzbrand verendeten
Kaninchen enthält in der Virulenz nicht abge¬
schwächte Sporen. Die Ursache der natürlichen
Fälle von Fütterungsmilzbrand ist weniger in dem
Vorhandensein prädisponierender Momente im Di-
gestionstraktus zu suchen, als vielmehr in der
Aufnahme grosser Sporenmengen. Hierdurch er¬
klärt sich ungezwungen die bekannte Tatsache,
dass von den auf demselben Terrain weidenden
Tieren immer nur einzelne dem Milzbrand zum
Opfer fallen. Prof6.
Calmette et Gu6rin. Die Entstehung der
Tuberkulose auf dem Wege der in¬
testinalen Infektion. Annales de l'In-
stitut Pasteur 1905, No. 10. — Valide. Die
Entstehung der tuberkulösen Lä¬
sionen in den Lungen. Ibidem.
Schon im Jahre 1886 hatte Chauveau die
Mutmassung ausgesprochen, dass der Verdauungs¬
kanal sowohl beim Menschen als auch beim Rinde
die Eingangspforte für die tuberkulöse Infektion
bildet und dass dieselbe auf jenem Wege vielleicht
öfter zustande kommt, als auf dem Wege der
Respirationsorgane. Bekanntlich behauptet neuer¬
lich v. Behring, dass bei den Erwachsenen
die tuberkulöse Infektion nicht durch Atmungs-,
sondern durch Verdauungsorgane sich vollzieht,
und dass die Lungentuberkulose fast immer als
Folge der im Kindesalter erworbenen Intestinal¬
tuberkulose aufzufassen ist.
Die Feststellung der Behring sehen Behaup¬
tung haben sich nun die Verff. zum Gegenstände
ihrer Forschungen genommen. — Calmette und
G u 6 r i n gebrauchten als Versuchstiere junge Zick¬
lein, ältere Ziegenböcke und Ziegen, welche sie
mit den Tuberkelbazillen menschlicher oder boviner
Provenienz, mit den Vögeltuberkulosebazillen und
Möller sehen Pseudotuberkulosebazillen infizier¬
ten. Zicklein, welche von den Müttern stammten,
deren Euter in den letzten Trächtigkeitsmonaten
mit den obengenannten Mikroben infiziert wurden,
also Tiere, die beim Saugen auf natürliche Weise
infiziert wurden, zeigten bedeutende Veränderungen
in den Mesenterialdrüsen; es erwies sich ferner,
dass jene Veränderungen nur bei diesen Zicklein
entstanden, deren Mütter mit M- oder R-Tuberkel-
bazillen behandelt wurden. Bei den Zicklein, deren
Mütter mit R-Tuberkelbazillen infiziert wurden,
sah man ausserdem in den Tuberkeln zahlreiche
verkäste Herde, auch gesellte sich oft Lungen¬
tuberkulose dazu. Bei den Tieren, welche beim
Saugen mit Vögeltuberkulosebazillen infiziert
wurden, beobachtete man tuberkulöse Affektionen
der Gelenke.
In der ferneren Versuchsreihe infizierten die
Verff. junge Zicklein, indem sie denselben eine ge¬
ringe Menge von Tuberkelbazillenemulsion mit¬
tels einer Sonde in den Magen einführten. Nur
bei den mit boviner Tuberkulose infizierten Tieren
wurden die Mesenterialdrüsen als tuberkulös be¬
funden, auch fand man bei ihnen krankhafte
Läsionen in den Lungen, den Mediastinal- und
Bronchialdrüsen. Drei übrige Varietäten von
Tuberkelbazillen vermochten weder tuberkulöse
Veränderungen noch Immunität gegen Perlsucht.
bei den Zicklein hervorzurufen.
Aus den obigen Experimenten wird es er¬
sichtlich, dass die Lungentuberkulose bei den Zick¬
lein stets als sekundäre Erkrankung nach der
Infektion des Verdauungskanals auftrat.
Die Fütterung der erwachsenen Tiere mit dem
tuberkulösen Material boviner Provenienz, welches
auf den Brotkrumen gestrichen oft in beträcht¬
licher Menge gereicht’ wurde, war nicht imstande,
dieselben zu infizieren; dieselben Tiere erkrankten
aber ausnahmslos, wenn ihnen sehr feine Tuberkel-
bazillenemulsion in den Magen künstlich einge¬
führt wurde. Es entstanden aber bei den er¬
wachsenen Ziegen keine grossen Veränderungen in
den Gekrösdrüsen, die Lungenläsionen erschienen
dagegen in sehr kurzer Zeit. Die naheliegenden
Mediastinal-, Bronchial- und Retropharyngeal -
drüsen blieben dabei vollkommen intakt.
Diesen verschiedenen Infektions verlauf und
verschiedene postinfektionelle Drüsenbeschaffen¬
heit bei den alten Tieren suchen Calmette
und Guerin dadurch zu erklären, dass es ziem¬
lich grosse Unterschiede in dem Lymphdrüsen-
bau der alten und jungen Individuen gibt. Bei
den letzten bewirkt nämlich dieser Bau einen lang¬
sameren Lymphenstrom, wodurch die Drüsen die
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Heft 11.
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
251
in demselben kreisenden Bazillen genauer behalten.
Bei den alten Tieren gelangen die Mikroben leicht
in den Ductus thoracicus und dann durch die
linke Vena subclavia, das rechte Herz und die
Lungenarterie in die Lungenliaargefässe, wo sie
wie in einen Filter aufgenommen werden und
Reiz zur Tuberkelbildung schaffen. Bei den
jungen Tieren gelangen die Tuberkelbazillen aus
den zerfallenen Gekrösdrüsen gleichfalls in die
Haargefasse der Lungen, halten sich aber in den¬
selben nicht so leicht auf, wie es bei den alten
Tieren zu sein pflegt, siedeln sich dagegen in
den Haargefässen jener Organe an, deren Sub¬
strat ein sehr dichtes Bindegewebe bildet. Hier¬
von stammt die oft im jungen Alter beobachtete
Lokalisation der Tuberkulose in den Gelenken,
Knochen, serösen Membranen und hauptsächlich
in den Hirnhäuten. Sowohl bei den alten als
auch bei den jungen Individuen befreien sich
beim Zerfall der verkästen Knötchen die in den¬
selben befindlichen Bazillen und bewirken neue
Tuberkelbildung in den Lungen. Solche sekun¬
däre Lungeninfektion entsteht entweder auf dem
Wege des Ductus thoracicus und des Venenblutes
als Folge des Zerfalles einer verkästen Bauch¬
felldrüse oder beim Zerfall der verkästen Lungen¬
knötchen als Folge der intestinalen Infektion,
welche durch das Verschlucken von tuberkel¬
bazillenhaltigem Sputum geschieht.
Auf Grund obiger Experimente bestätigen
Calmette und G u 6 r i n die Behring sehe
Theorie des intestinalen Ursprunges der Lungen¬
tuberkulose; verneinen dagegen den anderen Teil
der Behring sehen. Behauptung, als ob die Tu¬
berkulose der Erwachsenen die Folge der intesti¬
nalen Infektion im Kindesalter wäre. Die Er¬
gebnisse der Calmette sehen und Guerin-
schen Forschungen beweisen vielmehr, dass, was
wenigstens die Ziegen anbelangt, die Lungentuber¬
kulose bei den alten Individuen sogar leichter
auf dem Wege der intestinalen Infektion zustande
kommt, als bei den jungen Tieren, deren Lympli-
drüsen besser andeise Organe vor der Infektion
zu schützen vermögen, als im späteren Alter.
Für die intestinale Abstammung der Tuber¬
kulose sprechen auch die Val 1 Gesehen Unter¬
suchungen. V. experimentierte an den Kälbern,
die er mit boviner Tuberkulose auf verschiedene
Weisen infizierte. Nach der Einführung dieser
Bazillenvarietät in die Luftröhre enstand ein tuber¬
kulöser Herd an der Einstichstelle, auch bildeten
sich einige Knötchen auf der Lungenpleura, in
dem Lungengewebe, in den bronchialen und media-
stinalen Drüsen waren dagegen keine Läsionen
zu finden. Nach dem Einblasen einiger Milli¬
gramm© von giftiger Tuberkelbazillenkultur in
di© Nasen-Rachenhöhle entstanden tuberkulöse Ver¬
änderungen hauptsächlich in den retropharyn¬
gealen, manchmal auch in den mediastinalen und
bronchialen Drüsen, in den Lungen aber, in den
Hals- und Trachealdrüsen sah man keine Lä¬
sionen. Mangel an tuberkulösen Veränderungen
in den letztgenannten Drüsen ist deswegen wichtig,
dass bei den tuberkulösen Kälbern eben diese
Drüsen fast immer eingenommen werden, die Ge¬
krösdrüsen dagegen gewöhnlich keine Verände¬
rungen aufweisen. Obige Experimente beweisen,
dass nach der Infektion der oberen Luftwege die
tuberkulösen Veränderungen in den Bronchial¬
drüsen nicht leicht zustande kommen.
Anders verhält sich die Sache nach der in¬
testinalen Infektion. Bei vier Kälbern, welche
zweimal eine mit Eutertuherkulose behaftete Kuh
sogen, entstanden eklatante tuberkulöse Läsionen
in den bronchialen und mediastinalen Drüsen und
bei deren drei zeigten sich auch Veränderungen
in den Mesenterialdrüsen; die letztgenannten Ver¬
änderungen waren aber überhaupt viel kleiner,
als in den Drüsen des Brustkorbes. In den Lungen
fehlten die Knötchen fast gänzlich, die tuber¬
kulösen Veränderungen an der vorderen Zwerch -
fellfläche aber zeigten, dass die Infektion hier
von der Bauchhöhle aus auf dem Wege der Lymph-
gefässe in die Brusthöhle fortschritt.
Nach der Einführung von 1,5 mg boviner
Tuberkelbazillenkultur in die Vena meseraica eines
Kalbes, ging das Tier nach 30 Tagen zugrunde,
und bei der Sektion fand man eine akute Tubcr-
kulose der Leber und der bronchialen und media¬
stinalen Drüsen; nach der ähnlichen Infizierung
der Bauchfelldrüse eines anderen Kalbes stellte
man bei demselben ausser der Tuberkulose der
genannten Drüse auch tuberkulöse Läsionen der
bronchialen Drüsen fest.
Auf Grund obiger Forschungen gelangt
VallGe zur Ueberzeugung, dass die Tuberkulose
der Bronchial- und Mediastinaldrüsen in kürzester
Zelt und am sichersten nach der Einführung des
spezifischen Infektionsstoffes in den Verdauungs¬
kanal entsteht; dass Tuberkelbazillen die Darm-
wand, ohne in derselben sichtbare Veränderungen
hervorzurufen, passieren können, dass ähnlicher¬
weise auch die Gekrösdrüsen nach dem Durch¬
gang der Bazillen intakt zu bleiben pflegen und
dass erst die Bronchialdrüsen den Krankheits¬
erreger auf nehmen.
V a 11 £ © behauptet, dass auch beim Menschen
di© Lungentuberkulose oft der Darminfektion
folgt; er schlägt somit vor, diesbezügliche Ex¬
perimente an den Affen auszuführen, die mit der
Milch tuberkulöser Kühe genährt werden sollten,
um festzustellen, ob auch bei diesen menschen¬
ähnlichen Tieren nach solcher Behandlung spe¬
zifisch© Läsionen in den Bronchialdrüsen entstehen,
von woher aus* die Lungeninfektion auf dem Blut¬
wege zustande kommen kann.
Diese Forschungen können wirklich zu den
interessanten Resultaten führen, um so mehr aus
dem Gesagten ersichtlich ist, dass nach der Darm¬
infektion die Tuberkulose bei verschiedenen Tier¬
arten auf verschiedenen Wegen sich verbreitet.
Baczyüski.
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252
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
3. Jahrgang.
Plate. Ueber die Ke .sorptio Unfähigkeit
mit Tuberkelbazille n vom Magen-
darmkanal aus. Archiv f. wissensch. u.
prakt. Tierlieilkde. 32. Band. 1. u. 2. Heft.
Yerf. kommt auf Grund seiner Fütterungs¬
versuche zu folgendem Resultat: Die Magenwand
junger, bis 514 Tage alter Meerschweinchen ist
in 8 O 0 / 0 , die Darmwand stets für Tuberkelbazillen
passierbar. Die Magenwand ausgewachsener Meer¬
schweinchen ist unpassierbar, die Darmwand in
33o/o für Tuberkelbazillen passierbar. Der Emul¬
sion beigefügtes Krotonöl begünstigt in 80°/o
das Eindringen der Tuberkelbazillen. Sodalösung
übt keinen Einfluss hierin aus.
Profe.
Pierry und Mandoul. Vielgestaltigkeit des
Kochschen Bazillus in den tuberku¬
lösen Sputen. Compt. rend. de la Snc. de
biol. 1904, No. 36.
Auf verschiedenen Nährböden beobachtete mau
allerhand Gestalten des Kochschen Bazillus, und
zwar Kokken, geäst eite, fächerartige Gebilde und
ausserdem eine rosenkranzartige (moniliforme)
Gestalt. Ganz ähnlichen Gestalten begegnet man
in den tuberkulösen Sputen und diese unterwarfen
die Verff. einer näheren Untersuchung. SU unter¬
schieden vier Haupt- und zwei Nebengestalten.
Zu der ersten Ha.uptgcstalt gehören die gleich¬
förmigen, zu der anderen die kernigen Bazillen,
welche ketten- oder rosenkranzartig gegliedert sind.
Beide Hauptgestalten können als lange oder kurze
Bazillen erscheinen, auch nehmen sie die Form
langer oder kurzer, perlenart iger Gebilde an. Die
letztgenannte Gestalt entsteht angeblich derart,
dass jeder Bazillus eine Reihe von Chromatin¬
körpern enthält, welche eine sich verschieden fär¬
bende tlmhülle besitzen. Wenn sich sowohl die
äussere Schicht als auch die Körner gleichmüssig
färben, entsteht das Bild des gewöhnlichen Ba¬
zillus, bei ungleich massiger Färbung erhalten wir
die ..moniliforme“ Gestalt.
Baczynski.
James Wright. Biologie des Strahlen¬
pilzes (Aktinomyces). Public, of the
Massachus. Gener.-Hospit., 1905, Mai.
Aus 13 Fällen der Aktinomykose beim Men¬
schen und aus deren zwei beim Rind hatte Verf.
fadenartige Mikroben in Reinkultur isoliert, welche
einer und derselben Spezies angehörten, da die
Unterschiede zwischen einzelnen Typen nicht
grösser waren, als zwischen verschiedenen Typen
der Tb.- oder Diphtheriebacillen. Der Strahlen¬
pilz entwickelt sich nur auf dem Agar und der
Bouillon gut und zwar im Brutschrank; auf anderen
Nährböden und bei Zimmerwärme wächst er sehr
langsam und spärlich oder entwickelt sich gar
nicht. Er ist ein ausgesprochener Anaerob und
bildet keine Sporen. Die Aktinomyceskolonien be¬
sitzen in künstlichen Kulturen dieselbe Beschaffen¬
heit, wie in den natürlichen Verhältnissen. Wenn
man die Kolonien dieses Pilzes in irgendwelche
organische Flüssigkeit, z. B. in das Blutserum
oder in das pleuritische Exudat taucht, bedecken
sich oft die erwähnten Fäden mit einer glasartigen,
eosinroten Substanz von verschiedener Dicke, was
das Verschwinden der Pilzfäden zur Folge hat;
die Entstehungsbedingungen dieser Erscheinung
sind bisher unbekannt.
Die aus allen 15 beobachteten Fällen erhal¬
tenen Pilze wurden an Versuchstiere geimpft: Es
zeigte sich, dass sämtliche Exemplare das Ver¬
mögen besitzen, charakteristische Kolonien im
Gewebe der untersuchten Tiere zu bilden. Die
Kolonien befanden sich in den kleinen Knötchen
des Bindegewebes oder sie waren in den Eiter¬
herden der grossen höckerigen Knoten enthalten.
Die grossen Knoten bestanden aus Bindegewebe
von verschiedenen Entwicklungsstadien. Die Neu¬
bildungen, welche sich bei den künstlich infizierten
Tieren entwickelten, waren histologisch mit den
natürlichen Aktinomykomen identisch und er¬
reichten zuweilen verhältnismässig bedeutende
Grösse. Sogar sehr ausgedehnte Läsionen zeigten
geringe Neigung zur Verbreitung und man konnte
nur in vereinzelten Fällen die Vermehrung der
Mikroben in dem infizierten Tierkörper mutmassen.
Bekanntlich erhielt die Mehrzahl von Forschern
nach der Verimpfung der direkt aus den Aktinomy¬
komen isolierten Pilze an gesunde Tiere negative
oder zweifelhafte Ergebnisse — Wright fühlt
sich dagegen auf Grund eigener Forschungen zur
Annahme vollkommen berechtigt zu sein, die
Strahlenpilze als überimpfhar zu betrachten.
Der Verf. meint ferner, dass nur eine Mikroben¬
art die spezifische Rolle als Krankheitserreger bei
der typischen Aktinomykose spielt und dass aus¬
schliesslich denselben Mikroorganismen alle oben¬
erwähnten Eigenschaften und Merkmale zuzu¬
schreiben sind. Dieser Pilz besitzt eben das Recht
zur Benennung: actinomyces bovis — welchen
Namen ihm Bollinger und Harz verliehen.
De Toni und Trevisau mutmassen, dass der
spezifische Name actinomyces nicht rationell
ist, da diese Benennung — Aktinomyce — M e y e n
dem von ihm entdeckten Pilze (Actinomyce Hor-
kelii) gegeben hatte. Da aber der Meyensclie Ter¬
minus keinen Beifall gefunden und als spezifischer
Name für Pilze (fungi) nicht angenommen wurde,
scheint dem Verf. die Tonische und Trevisausche
Ansicht an unrationell enge Interpretation der
Grundlagen von botanischer Nomenklatur gestützt
zu sein.
Zwischen den Strahlpilzen menschlicher und
tierischer Provenienz fand der Verf. keinen Unter¬
schied. Er verneint die Bostroemsche und
Gasperinische Ansicht, dass der spezifische
Erreger der Aktinomykose sich unter gewissen
fadenbildenden, in der Aussenwelt sehr verbrei¬
teten Mikroben befindet, welche sich vom Actino¬
myces bovis durch Sporenbildung deutlich unter¬
scheiden. Wright meint, diese erste Gruppe soll
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Heft 11.
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
253
als gänzlich verschiedene Spezies — Nocardia,
— die durch dieselbe hervorgerufene Infektion
nocardiosis nicht aber Actinomycosis
benannt werden.
Der Name Actinomycosis sollte nur zur Be¬
zeichnung solcher entzündlichen Prozesse gebraucht
werden, in welchen die gebildeten Knoten charak¬
teristische Drüsen aufweisen. Man hat aber noch
nie bewiesen, dass Nocardia solche Drüsen in den
durch sie hervorgerufenen Tumoren bildet.
Es lässt sich schwer denken, dass der Strahlen¬
pilz gewöhnlich ausser dem Tierkörper leben sollte,
wenn, wie es zahlreiche Forschungen beweisen,
derselbe an den gewöhnlichen Nährböden sich
sehr schwach, bei der Zimmertemperatur aber gar
nicht entwickelt. Es wird somit die Mutmassung
wahrscheinlicher, dass der Strahlenpilz sich nor¬
mal in den Flüssigkeiten der Mundhöhle und des
Verdauungstraktes sowohl beim Menschen als
auch bei den Tieren befindet, obwohl man bis
jetzt keine schlagenden Beweise für diese An¬
nahme besitzt.
Jedenfalls besitzt der Strahlenpilz in den ge¬
nannten Flüssigkeiten seine charakteristische Ge¬
stalt nicht, er stellt sich vielmehr gewiss als frag¬
mentierte Fäden dar, welche sich gemeinschaft¬
lich mit anderen Bakterien entwickeln, von den
letzten nicht zu unterscheiden. Den Fremdkörpern,
welche in den Aktinomykomen oft Vorkommen,
weigert sich der Verf. die Holle der Ueberträger
der Mikroben zuzuschreiben. Er erklärt die Sache
folgenderweise: Ein Fremdkörper reizt das Ge¬
webe und bildet so einen locus ininoris resistentiae
für die Entwicklung des Strahlenpilzes, welcher
daselbst aus den Flüssigkeiten der Maulhöhle und
des Verdauungstraktes gelangt, charakteristische
Kolonien bildet und schliesslich das Krankheits¬
bild der s. g. Aktinomykose erzeugt.
Die Frage der keulenförmigen Verdickungen
an den Fadenspitzen ist ziemlich dunkel, denn
es lässt sich nicht entscheiden, ob sie durch die
Mikroben selbst als eine gewisse Art von Bakterien¬
kapsel gebildet werden, oder eine durch umgeben¬
des Gewebe oder Flüssigkeiten geschaffene Schicht
darstellen. W r i g li t meint die letztgenannte An¬
sicht wäre richtiger; die Holle dieser keulenför¬
migen Verdickungen, oder glasartigen Kapseln,
beruht auf dem Schutze der Kolonienmasse vor
der destruktiven Wirkung der Körperzellen- und
Säfte. Die Forschungen von Bostroem haben
unumstürzlich bewiesen, dass diejenigen Keulen
nur dann erscheinen, wenn sich die Reaktion des
Körpergewebes auf den Pilz offenbart. In den
Fällen der akuten oder miliaren Aktinomykose,
wo der Widerstand des Gewebes gegen die Infek¬
tion augenscheinlich gering ist, sind die Ver¬
dickungen undeutlich oder gar abwesend und die
Kolonie besteht ausschliesslich aus den Fäden.
Bekanntlich begleiten den Strahlenpilz in den
Tumoren verschiedene Bakterien. Diese Mikroben
üben einen ausgesprochenen Einfluss auf den
Krankheitsverlauf aus. Zweifellos hat man aber
oft mit einer reinen Infektion durch Strahlen¬
pilze zu tun. Die oft in den Aktinomykomen vor¬
kommenden Sporen, Kokken und Bacillen stellen
entweder einen Degenerationsprodukt der Strahlen¬
pilzfäden, oder sie sind wirkliche Mikrokokken
und Bakterien, welche sich vom Aktinomyces un¬
abhängig entwickeln.
Zuletzt ist es noch hervorzuheben, dass Aetino-
myces bovis keine grossen Veränderungen bei den
künstlich infizierten Versuchstieren verursachte,
in den Fällen von spontaner Infektion dagegen
war oft eine akute Aktinomykose zu beobachten.
Verf. glaubt, in diesen Fällen spiele ausser der
individuellen Empfänglichkeit auch eine sekundäre
Infektion eine bedeutende Rolle. Die zahlreichen,
dieser Krankheit eigenen Fisteln tragen das Ihrige
bei, um den Krankheitserreger im Körper zu ver¬
breiten und nicht seltene Rezidiven der Krank¬
heit hervorzurufen. Raczyhski.
Hollandt. Die Zun gen aktinomykose des
Schweines; neue, k r e n o t h r 'i x ähn¬
liche Fruktifikationsformen des
Aktinomyces in der Zunge und in
den Tonsillen. Archiv für wissenseh. und
prakt. Tierheilkde. 31. Band. 4. und 5. Heft.
Verf. kommt auf Grund seiner umfassenden
Untersuchungen und eines erschöpfenden Literatur¬
studiums zu folgenden Schlussfolgerungen. In
mindestens 5 o/o der Zungen geschlachteter Schweine
finden sich einzelne, knötchenförmige Aktinomyces-
herde, die meist durch Grannen hervorgerufen wer¬
den. Die Knötchen bestehen aus einer bindegewe¬
bigen, durch reaktive Entzündung entstandenen
Kapsel und den Aktinomycesdrüsen. Die inneren
Schichten der Kapsel enthalten meist zahlreiche
vielkernige Riesenzellen und Phagocyten mit Akti-
nomyceseinschlüssen. De Aktinomyceskömer setzen
sich aus Einzeldrüsen zusammen, die mit dem von
Bostroem beschriebenen Aktinomyces hom. et bov.
übereinstimmen. Ausser den typischen Aktinomyces-
fäden finden sich in mehreren Knötchen der Zimge
und an Grannen aus den Tonsillen bis zu 6 p
dicke, echt verzweigte Fäden aus ungefähr ku¬
bischen Gliedern, aus denen Mikrogonidien ent¬
stehen können. Diese Mikrogonidien keimen häufig
noch innerhalb des ursprünglichen Fadenverbandes
zu typischen dünnen Aktinomycesfäden aus. Der
Aktinomyces gehört somit systematisch in die Nähe
der Fadenbakterien. Zum Nachweis der Aktino¬
mycesfäden und -keulen in den Zellen eignet sich
gut die Färbung mit Anilin - Safranin (Babes),
Hämalaun und Orange G. Profe.
F. K. Kleine. Neue Untersuchungen über
die Hühnerpest. (Zeitschrift f. Ilyg. u.
Infekt. 51, 2.)
Der Verlauf der Hühnerpest ist bei verschie¬
denen Vögeln verschieden. Bei Hühnern ist der
nervöse Symptomenkomplex verhältnismässig sel¬
tener ausgebildet als bei Tauben und Gänsen, und
während das Blut der Hühner nach dem Exitus
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Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
3. Jahrgang.
höchst infektiös ist, ist dies bei verendeten Tauben
und Gänsen nicht der Fall. Es ist die Frage, ob
es sich hier um prinzipielle Gegensätze handelt,
oder ob anzunehmen ist, dass bei länger und
milder verlaufender Krankheit auch bei Hühnern
die Erreger aus dem Blute schliesslich verschwin¬
den würden, dass eben das Verschwinden eine
gesetzmässige, in der Entwicklung der Parasiten
begründete Erscheinung ist.
Um in dieser Richtung einige Beobachtungen
zu machen, benutzte Verfasser zu seinen Versuchen
junge Gänse, die im Gegensatz zu den alten Tieren
für Hühnerpest wohl empfänglich sind, ohne aber
der Seuche so schnell wie Hühner zu erliegen.
Das Blut der verendeten Tiere ist nicht infektiös,
wohl aber das der infizierten Tiere, und zwar
bisweilen schon am nächsten Tage, bevor noch
eine Temperatursteigerung eingetreten war. In der
Regel verschwindet das Virus einige Tage nach
der Infektion wieder, während die Krankheits¬
erscheinungen bis zum Exitus zunehmen. Da Ver¬
fasser für die Annahme, dass die erwähnten Hirn¬
symptome die Folge einer Intoxikation sind, ex¬
perimentell keine Stütze beibringen konnte, hielt
er es nicht für ausgeschlossen, dass die Hühner¬
pesterreger selbst in das Gehirn einwandern und
durch ihre Anwesenheit dort jene Reizerschei¬
nungen auslösen. In der Tat erwiesen sich bei
der Prüfung Gehirn und Rückenmark der Gänse,
deren Blut nicht mehr ansteckte, als höchst in¬
fektiös. Es liegt also hier eine Krankheit vor,
deren Erreger, wie bei der Lyssa, sich als Sitz
des Cerebrospinalsystems ausersehen.
Nimmt man an, dass die unsichtbaren Erreger
der Seuche zu den Bakterien gehören, so finden
sich kaum Analogien zu dem Verhalten der be¬
kannten pathogenen Spaltpilze. Ein Verschwinden
aus dem Blut und ein Aufsuchen anderer Gewebe
beobachtete man bisher nur bei Protozoen (Malaria¬
plasmodien, Recurrenzspirochaeten). Vielleicht ist
vorerst die Hypothese nicht ungerechtfertigt, dass
die Erreger der Hühnerpest im Körper sich in
zwei Stadien finden, im Blut in dem der Ver¬
mehrung, im Gehirn usw. in dem der Ruhe. Die
hochempfänglichen Hühner erliegen der Krank¬
heit, während die Mehrzahl der Parasiten sich
noch im Stadium der Vermehrung befindet.
Die Augenspiegeluntersuchung ergab bei einem
Huhn, mit dem Immunisierungsversuche gemacht
worden waren, am rechten Äugenliintergrund
runde und langgestreckte atrophische Herde mit
Pigmentsaum und Pigmentansammlung im Zen¬
trum. Links fanden sich ähnliche Herde in ge¬
ringerer Ausdehnung und Zahl. Bei den Gänsen
konnte man schon vor Eintritt von Krämpfen
öfter chorioretinitische Herde beobachten. Die
mikroskopischen Untersuchungen der Gehirn¬
schnitte von Gänsen sind noch nicht abgeschlossen.
Jacob.
L. Ronse. Anaerobe Bakterien als Ur¬
sache von Nekrose und Eiterung
beim Rinde. Ctbl. f. Bakt. B. 39, 5.
Zahlreiche, bis jetzt wenig untersuchte Ana¬
eroben spielen eine Hauptrolle bei manchen Eite¬
rungen und gangränösen Prozessen. Der am meisten
genannte dieser Erreger ist der Nekrosebacillus.
Er gilt als der spezifische Erreger des tiefgehenden
Zerfalls der verschiedenen Gewebsarten, besonders
der multiplen Lebernekrosen des Rindes. Verf. hat
einzelne Fälle von tiefgehenden Nekrosen und
Abszessen des Rindes genauer auf ihren Bakterien¬
gehalt und die Virulenz der einzelnen isolierten
Arten untersucht. Die Beschreibung dieser Fälle,
sowie die genaue Darlegung der Impfversuche mit
Rohmaterial, Reinkulturen und Kulturgemischen,
und die Beschreibung der bei den Prozessen auf¬
tretenden Bakterien muss im Original nachgelesen
werden. Die Schlussergebnisse der Arbeit sind
folgende:
1. Bei den häufig vorkommenden spontanen
Nekrosen der Rinder sind immer mehrere Bak¬
terien als Krankheitsursachen vorhanden.
2. Unter den aeroben sind Coli, Bacillen,
Streptokokken und Bacterium vulgare.
3. Unter den anaeroben Bacillus necrophorus
(Flügge), Köpfchensporenbacillen, eine anaerobe
Varietät des Bacill. pyogenes bovis (Künnemann)
und ein Spirillum von Bedeutung.
4. Die experimentelle Nekrose gelingt am
besten, wenn man ein Bakterium der ersten Gruppe
mit einem der zweiten oder auch Toxin der Köpf¬
chensporenbacillen intramuskulär bei Tauben ein¬
spritzt.
5. Wegen der vorhandenen Mischinfektion ist
es klar, dass die Impfversuche und Verimpfungen
von Taube zu Taube Unterschiede im Grade der
Nekrose ergeben müssen. Jacob.
Hunter. Pest bei Katzen. Lancet. 1905.
S. 1064.
Bisher hat man Katzen allgemein für wenig
empfänglich für Pest gehalten. Eine in Hongkong
ausgebrochene Epidemie gab Gelegenheit zu meh¬
reren Untersuchungen. Die zur Jagd auf pestkranke
Ratten verwandten Katzen erkrankten und starben.
Die bakteriologische Untersuchung der toten, wie
die klinische Beobachtung der kranken Tiere er¬
gab folgendes: Die Katzen erkranken an Pest, die
akut oder chronisch verlaufen kann. Bei der akuten
Form treten die Krankheitserscheinungen innerhalb
24 Stunden auf. Nahrung wird verweigert, das
Fell ist struppig; es treten wässerige Durchfälle
und Erbrechen auf; die Tiere magern rasch ab.
Das Abdomen ist auf getrieben und weich. Gegen
Ende der Krankheit zeigt sich grosse Schwäche
und Paralyse der Extremitäten. Der Tod erfolgt
in 2—6 Tagen. Die Obduktion zeigt Bubonen, be¬
sonders am Nacken und Mesenterium. Drüsen¬
schwellung, geringen Erguss in die Peritonealhöhle,
Petechien an der Oberfläche des Bauchfells, eben¬
so zeigt die Magenschleimhaut Blutungen, die
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Heft 11.
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
255
Tolitärfollikel des Darmes sind geschwollen, die
Mesenterialdrüsen deutlich vergrössert, in dem
manchmal nekrotischen Gewebe unzählige Fest¬
bacillen. Bei der chronischen Form der Erkran¬
kung ist die Abmagerung das hervorstechendste
Symptom. Bubonen finden sich an verschiedenen
Stellen, besonders am Nacken, umgeben von In¬
filtrationen. Diese brechen auf und entleeren dicken
rahmigen Eiter. Der Zustand wird am besten durch
den Ausdruck „Pestmarasmus“ gekennzeichnet. Der
Typus der Krankheit ist der septikämische. Die
kranken Tiere können eine Rolle bei der Verbrei¬
tung der Krankheit spielen; besonders in pestinfi¬
zierten Gebieten muss man ihnen bei den hygie¬
nischen Massnahmen Beachtung schenken. Die In¬
fektion der Katzen erfolgt wahrscheinlich durch
das Fressen infizierter Ratten und Mäuse. Auch
im Tierexperimente können sie nur durch Fütte¬
rung, nicht durch Impfung infiziert werden.
Jacob.
Bahr. Ueber die zur Vertilgung von
Ratten und Mäusen benutzten Bak¬
terien. Ctrbl. f. Bakt., Parasitenkde. und Inf.
39. Band. Heft 3.
Ratten sind im allgemeinen ungleich wider¬
standsfähiger gegen Bakterieninfektionen als
Mäuse. Die zur Vertilgung von Ratten und Mäusen
benutzten Bakterien gehören sämtlich zur Coli-
Typhusgruppe und erregen Enteriten und Septi-
kämie. Zur Bekämpfung der Feld-Mäuseplage
wandte Loeffler bekanntlich in Thessalien den
bacillus typhi muri um mit gutem Erfolge an.
Für die graue Hausmaus ist dieser Erreger nicht
sicher tödlich, unschädlich für die Wald- und
Brandmaus und für Ratten. Einen gegen Ratten
sicher wirkenden Mikroorganismen zu finden ist
auch bisher nicht gelungen, wenn auch verschiedene
Bakterien mit z. T. gutem Erfolge angewandt wer¬
den, so ist der Erfolg doch ein unsicherer. Der
von Danysy gefundene Bacillus wird durch Mäuse¬
passage sehr virulent, verliert aber diese Virulenz
für Ratten nach einigen Generationen wieder. Mit
relativ gutem Erfolge ist Issatscheukos Bacillus
besonders in Russland mit gutem Erfolge zur
Vertilgung von Ratten verwendet worden. Verf.
stellte ausser mit den genannten noch mit anderen
und dem von Neumann aus dem Ham eines Kindes
isolierten sogen. Ratinbacillus eingehende Unter¬
suchungen an, deren Ergebnis ist, dass die Ratten¬
bacillen und der Mäusetyphusbacillus sich äusserst
ähnlich sind und den Paratyphusbacillen nahe
stehen. Durch Verfütterung der Ratinbacillen wer¬
den die Ratten verschiedener Gegenden in ver¬
schieden hohem Verhältnis getötet. Auch die
Mäuse, mit Ausnahme der Waldmaus, sind gegen
die Ratinbacillen in hohem Grade empfänglich.
Von anderen Tieren zeigen sich nur junge Saug¬
kälber als ziemlich hochgradig empfänglich für
die Ratinbacillen; sie sterben in 3—5 Tagen unter
Diarrhöe und Mattigkeit. Profe.
G. Memmo. La peste equina. (Ann. d’Igiene
1905. R. i. C. f. Bakt. 37, 1—3.)
Die Pferdepest ist eine bis jetzt nur in Süd¬
afrika bekannte Krankheit, die dort den Namen
perrezickte (burisch), paar denzickte (holländisch)
oder horse-sickness trägt. Alle diese Namen be¬
sagen zwar nichts weiter als „Pferdekrankheit“,
doch pflegt man damit eine besondere Art von
Krankheit zu bezeichnen, die hauptsächlich Pferde
befällt.
In der Kolonie Erythraea herrscht unter den
Pferden eine Krankheit, die dort den Namen „kli¬
matischer Typhus“ trägt.
Verfasser hat dieser Erkrankung besondere
Aufmerksamkeit zugewandt, nicht nur wegen des
hohen Schadens, den diese Krankheit während der
italienischen Feldzüge dort verursachte, sondern
auch wegen des hohen Wertes, den das Pferd dort
schon unter normalen Verhältnissen als Transport¬
mittel hat.
Die Untersuchungen hatten vor allem den Ver¬
lauf der Krankheit im Auge sowie die durch sie
verursachten Verletzungen, die Empfindlichkeit
der verschiedenen Tiere ihr gegenüber und die
Aetiologie.
Nach Verfasser wäre die einzig zulässige Hypo¬
these über die Aetiologie die, dass die Infektion
durch blutsaugende Insekten zustande kommt.
Hält man an dieser Vermutung fest, obgleich bis
jetzt weder Gattung noch Art dieses Insektes
bekannt sind, so können nach Verfasser die epi-
zootischen Betrachtungen eine leichte Erklärung
finden. Sonach wäre in jedem Jahr, zu jeder
Jahreszeit und jederzeit, wenn die Pferdepest sich
einstellt, die Zahl dieser Insekten auf dem Maxi¬
mum angelangt, weil - eben die Verhältnisse des
Milieus und besonders der Feuchtigkeit in den
infizierten Gegenden ihrem Leben ausserordentlich
zuträglich wären, wobei sich also einfach derselbe
Vorgang wiederholte, der sich mit den Zanzaren
bei der Malaria abspielt und mit den Zecken bei
der Uebertragung der Piroplasmosen.
Auch die Therapie und die Prophylaxe werden
von dem Verfasser eingehend studiert, doch glaubt
er, dass unter den gegenwärtigen Verhältnissen
nichts anderes übrig bleibt, als zu den Vorschriften
der Veterinärpolizei Zuflucht zu nehmen, da eine
praktische Lösung des Problems noch zu entfernt
liege, vor allem, weil der Tierorganismus nach dem
ersten Eingreifen der Krankheit nicht imstande
ist, eine bleibende oder zum mindesten eine hin¬
reichend andauernde Immunität zu erlangen. Es
müssen also die kranken Tiere, auch wenn es zu
keiner direkten Ansteckung kommt, in. den bei
der Krankheit enzootisch befallenen Gegenden von
den gesunden getrennt werden. Auch dürfen die
Kadaver nicht auf dem Boden liegen bleiben und
den Hyänen zum Frasse dienen, sowie den
Schakalen und Raubvögeln. Die Prophylaxis
bleibt bei den heutigen Kenntnissen auf das be¬
schränkt, was die Erfahrung lehrt: es müssen die
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256
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
3. Jahrgang.
Tiere während der Nacht vor den Stichen der
blut saugenden Insekten möglichst geschützt
werden. Jacob.
Meiumo, Martoglio, Adani. Infezioni proto-
zoarie negli animali domestici in
Eritrea. (An. d’Igiene 1905, 1. R. i. C. f.
Bakt. 37, 1—3.)
Die Verfasser kommen zu folgenden Schluss¬
sätzen:
Auch in der Kolonie Erythraea existiert die
Malaria der Rinder.
In den Gegenden zwischen der Küste und der
mittleren Zone scheint sie enzootisch zu herrschen;
auf der Hochebene dagegen haben die Verfasser
keinen spontanen Fall der Krankheit getroffen
und da, wo sie existiert, ist die Infektion latent.
Die Rinderpest oder die Antipestimpfung
bringen die latente Infektion zum Vorschein.
Gleichzeitige Malaria- und Pestinfektion ist
klinisch schwer nachweisbar, dagegen tritt bei
Antipestimpfung das Krankheitsbild der Rinder¬
malaria typisch zutage.
Das auf der Hochebene Vorgefundene Piro-
plasma ähnelt dem bei den Piroplasmosen Europas
beschriebenen.
Es ist nicht unwahrscheinlich, dass in dem
Entwicklungsgang des Piroplasmas eine Paarung
der ausgewachsenen, birnenförmigen Parasiten
stattfindet.
Auch in Erythraea wird die Piroplasmose bei
Hunden angetroffen.
Die importierten italienischen Hunde und. die¬
jenigen Cassalas sind der Infektion gegenüber am
empfindlichsten. Der Verlauf und der patho¬
logisch-anatomische Befund erinnern bei den
Hunden von Cassala an die Piroplasmosis der
Hunde in Südafrika, bei den italienischen Hunden
dagegen an die Piroplasmosis der Hunde in Frank¬
reich.
Die Erzeugung eines künstlichen Abszesses be¬
wirkt bei den erkrankten Hunden Heilung.
In der Kolonie Erythraea herrschte längs der
Küste und in der niederen Zone der Sahel eine
Trypanosomiasis der Rinder.
Das abessinisclie Schaf und die abessinisc-he
Ziege sind der pathologischen Einwirkung des
Trypanosomus der Rinder gegenüber äusserst emp¬
findlich; das Pferd und der Esel scheinen weniger
empfindlich; die Mäuse, Hunde und Affen scheinen
dafür unempfindlich zu sein.
Die in den Rindern vorkommende Infektion
steht der Najana oder Surra sehr nahe. Sie unter¬
scheidet sich von ihnen nur durch die Beweg¬
lichkeit des Trypanosomas, das Fehlen von
Oedemen und Hautverletzungen, durch die ner¬
vösen Störungen, die die letzte Periode dieser
Krankheit kennzeichnen, die Empfindlichkeit der
Schafrassen und die Nichtempfänglichkeit der
Hunde und Mäuse.
In einem Rinde wurde ein Sympt omenkomplex
beobachtet, der wohl „Schlafkrankheit“ genannt
werden könnte.
Bei der Autopsie des Tieres wurden zwei er¬
weichte Herde in den Stirnlappen angetroffen, die
von einem Trypanosoma erzeugt worden waren, das
sich jedoch weder im Blut, noch in den Organen,
noch in der Cerebralflüssigkeit vorfand. Jacob.
H. Kanitz : Der Wert der Röntgenbehand¬
lung bei Favus. Budapesti Orvosi Ujsag. 1905,
No. 19.
Die Vorzüge der Röntgentherapie sind nach den
Untersuchungen Kanitz’s so augenfällig, dass
man behaupten kann, dass das Verfahren in der
Therapie des Favus nicht nur mit Erfolg anzu¬
wenden ist, sondern dass es infolge seiner grossen
Vorzüge über jedes andere Verfahren zu stellen ist.
Vollständige und endgültige Heilung ohne jede Nach¬
behandlung kann mit dem Röntgen-Verfahren erzielt
werden. Z.
Immunität und Schutzimpfung.
F. Löffler. Neues Verfahren zur Gew in- 3
nung von Antikörpern. D. med. Wochen- ^
schrift. 1904, No. 52. R. im Ctbl. f. in. Med.
Vcrf. ging von der Erfahrung aus, dass Enzyme
in trockenem Zustande hoch erhitzt werden können,
ohne dass sie ihre spezifischen Eigenschaften da¬
bei verlieren. Er tötete trockene Infektionserreger
durch Einwirkung trockener Hitze, zerrieb sie und
injizierte sie Kaninchen. Er fand dann im Serum
dieser Tiere sowohl Agglutinine wie auch Bak¬
terizide und bakteriolytische Antikörper. Ebenso
trocknete er Material von Geschwülsten (carci-
nomen), zerrieb sie und injizierte sie und gewann
ein Serum, das Präeipitine enthielt. Bei der Ver¬
wendung dieses Carcinomserums zu therapeutischen
Zwecken stellte sich heraus, dass infolge der In¬
jektion in der Nähe des Tumorgewebes eine leb¬
hafte Örtliche und allgemeine Injektion auftrat,
unter der sich der Allgemeinzustand hob und
heftige vom Tumor ausgehende Schmerzen für
einige Tage schwanden, dass aber das Carcinom
fortschritt. Für die Herstellung präcipitinhaltigen
Serums für forensische Untersuchungen hat die
neue Methode den Vorteil, dass Leichenblut für
Injektionen verwandt werden kann, weil infolge
der Behandlung Bakterien im Blut abgetötet wer¬
den. „Das neue Verfahren stellt eine generelle
Methode dar, um alle möglichen Substanzen, Mi¬
kroorganismen, Organteile von gesunden und
kranken Individuen, Geschwülste aller Art zur
Antikörperbildung in bequemster ganz gefahrloser
Weise zu verwenden. Die trocken erhitzten Ma¬
terialien stellen im Exsinator dunkel aufbewahrt,
Präparate von unbegrenzter Haltbarkeit dar. Sie
sind abwägbar, also genau dosierbar.“
Jacob.
A. Klein. Ueber Erythropräcipitin und
andere Immunprodukte einzelner
Bestandteile des Blutes. Ctbl. f. B. 39,
3 u. 4.
1. Nach Immunisierung mit Erytlirocyten-
extrakt entsteht: Erythropräcipitin (reichlich),
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Heft 11.
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
257
Hämolysin und Erythrocytenagglutinin. — Kein
Serumpräcipitin, kein Stromaagglutinin.
2. Nach Immunisierung mit zellfreiem Serum
entsteht: Erythropräcipitin, Serumpräcipitin, Hä¬
molysin, Erythrocytenagglutinin. — Kein Stroma¬
agglutinin.
3. Nach Immunisierung mit Stromate ent¬
steht: Erythropräcipitin, Hämolysin, Erythro¬
cytenagglutinin (reichlich), Stromaagglutiuin. —
Kein Serumpräcipitin.
4. Nach Immunisierung mit Erythrocyten ent¬
steht: Erythropräcipitin, Hämolysin, Erythro¬
cytenagglutinin. — Kein Serumpräcipitin (oder
doch nur in sehr geringer Menge), kein Stromata¬
agglutinin. Nach den entstandenen Immunpro¬
dukten geordnet:
1. Erythropräcipitin entsteht nach Injektion
aller einzelnen Bestandteile des Blutes, am reich¬
lichsten nach Injektion mit Erythrocytenextrakt.
2. Serumpräcipitin entsteht nur nach Injek¬
tion mit Serum. (In sehr geringer Menge auch
nach Injektion von Erythrocyten.)
3. Hämolysin entsteht nach Injektion aller
einzelnen Bestandteile des Blutes.
4. Erythrocytenagglutinin entsteht nach In¬
jektion aller einzelnen Bestandteile des Blutes,
am wenigsten nach Seruminjektionen.
5. Stromataagglutinin entsteht nur nach In¬
jektion mit Stromata.
Es lassen sich aus diesen Ergebnissen folgende
Schlüsse ziehen:
1. Erythropräcipitin und Serumpräcipitin sind
nicht identisch.
2. Beim Extrahieren der Erythrocyten mit
destilliertem Wasser geht sowohl präcipitinogene
als auch agglutinogene Substanz in die Lösung
über (Entstehen von reichlich Erythropräcipitin
und Agglutinin als Immunprodukte).
3. In den nach Extraktion mit destilliertem
Wasser zurückbleibcnden Stromata ist noch immer
agglutinogene Substanz vorhanden, aber nur wenig
Präcipitinogcn. (Entstehen von reichlich Agglu¬
tinin, aber nur wenig Erythropräcipitin als Im¬
munprodukte.)
4. Auch bei getrennter Immunisierung mit
Erythrocytenextrakt einerseits und Stromata
andererseits treten Agglutinin und Hämolysin ge¬
meinschaftlich als Immunprodukte auf.
Jacob.
Lieber« l T eber die bakterienfeindlichen
Stoffe des Blutfibrins. (Ztbl. f. Bakt.
B. 38, 5.)
Die Untersuchungen des Verf., inwieweit die im
Blutflbrin enthaltenen bakterienfeindlichen Stoffe
spezifischen Charakter besitzen, ergaben das Resultat,
dass nicht nur spezifische, ausschliesslich auf die be¬
treffende Infektion einwirkende Agentien, sondern
auch solche vorhanden sind, die eine allgemein
schädliche Wirkung auf die Mikroben ausüben.
Diese äussert sich in Verminderung der Viru¬
lenz und Schädigung der Vermehrungsfähigkeit.
Quantitativ sind Unterschiede vorhanden, die einen
Fibrinsorten enthalten mehr, die anderen weniger
bakterizide Stoffe. Aller Wahrscheinlichkeit nach
hat man es hier mit intrazellulären Stoffen zu tun,
die teilweise zu den Fermenten gehören, wofür eine
Reihe von Beobachtungen sprechen.
Die wenig resistenten Mikroben wurden durch
die aus Fibrin erhaltenen wässerigen Lösungen in
kurzer Zeit unschädlich gemacht, für die anderen
war eine längere Einwirkungszeit nötig, so besonders
für sporenhaltige Milzbrandbazillen, Vibrio Metech-
nikowii, Friedländer-Pneumoniebazillen, Bac. pyo-
cyanens.
Eine ganze Reihe von Mikroben, zu denen der
Vibrio cholerae asiat, Bac. typlis. abdomin, diph-
theriae, Streptokokken verschiedenen Ursprungs ge¬
hören und ebenso der Staphylococcus anreus, gehen
unter Einwirkung sowohl des normalen Fibrins als
des gegen verschiedene Krankheiten immunisierter
Tiere gewonnenen, sehr rasch zu Grunde. Ebenso
ist die Wirkung auf Mischkulturen und Tuberkel¬
bazillen.
Der Wettstreit zwischen den Forschern, die in
betreff der Frage von den Mitteln, deren sich der
tierische Organismus zu seinem Schutze gegen Bak¬
terien bedient, verschiedene Standpunkte vertreten
ist noch nicht abgeschlossen. Einige Autoren sind
der Meinung, dass die in Leukozyten und Serum
enthaltenen bakteriziden Stoffe nicht identisch sind.
Die Unterschiede zwischen beiden bestehen nach
Schattenfroh in folgendem:
1 . Die bakteriziden Stoffe der Leukozyten sind
gegen hohe Temperaturen resistenter als die Alexine,
die bekanntlich schon bei 50—60° zerstört werden
(für erstere tritt dies erst bei 80—85° ein).
2 . Beide Stoffe verhalten sich Salzen gegenüber
verschieden. Der Umstand, ob Salze zugegen sind
oder nicht, ist für die Aeusserung der den Leuko¬
zyten zukommenden bakteriziden Eigenschaften nicht
von Belang, wohl aber bei den Alexinen.
3. Die Alexine wirken sowohl bakterizid als
globulizid, d. h. sie wirken nicht nur auf Bakterien,
sondern auch auf Erythrozyten ein. Die bakteri¬
ziden Stoffe der Leukozyten dagegen vermögen nicht
die Erythrozyten zu beeinflussen.
Es konnte bis jetzt nicht nachgowiesen werden,
dass die bakteriziden Stoffe des Fibrins in diösen
drei Punkten sich gleich denen der Leukozyten ver¬
halten. Das weitere Studium der Frage muss er¬
geben, ob hier die Wirkung eines Agens oder die
Kombination mehrerer vorliegt, ähnlich wie bei den
Erscheinungen der Immunität, in denen bekanntlich
die Wechselwirkung oder Kombination zweier Agen¬
tien, des thermostabilen Antikörpers resp. Innen¬
oder Zwischenkörpers (auch Phylozytase genannt)
and des thermolabilen Komplements oder Alexins
erforderlich ist.
Zur Entscheidung der Frage, ob im Fibrin
beide Agentien enthalten sind und ob die bakteri¬
ziden Stoffe fähig sind, Endotoxine zu paralysieren,
hat Verf. ebenfalls eine Reihe von Versuchen an¬
gestellt, die aber noch nicht abgaschlossen sind.
Jacob.
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258
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
3. Jahrgang.
Theiler. Di e Simultanimpfung gegen
Rinderpest und ihre Gefahr. Monats¬
heft für prakt. Tierheilkde. 16. Band. 4. und
5. Heft.
Verf. kommt auf Grund seiner umfangreichen
praktischen Beobachtungen und Versuche zu der
Schlussfolgerung, dass die simultane Impfung, mit
Serum und Virus gegen Rinderpest in einer Gegend,
wo Texasfieber und andere Blutkrankheiten Vor¬
kommen, sehr gefährlich ist, wenn als Virus Blut
zur Anwendung kommt. In Transvaal gab man auch
bald die von Rolle und Turner eingeführte Methode
auf und impfte nur mit Serum. Bei grossen
Seuchenausbrüchen ist die Impfung mit Galle vor-
zunehrnen. Profö.
S. Spangaro. Intorno all’azione batteri-
cida del sangue puro etc. verso i 1
b a c i 11 o del carbonichio. (II Morgagni
1905. Rf. i. C. f. Bakt. 37, 1—3.).
Verfasser hat Versuche angestellt ül>er die
streitige Frage der bakterientötenden Wirkung des
Blutes, des Serums, des Plasmas, indem er die
bakterientötende Wirkung des ganzen Blutes und
die seiner Bestandteile, ohne Zutat fremdartiger
Stoffe, in vitro untersuchte.
Versuchstier war die Taube, der gewählte
Bacillus der Milzbrandbacillus.
Im Gegensatz zu den Resultaten, die mit
Plasma und Serum anderer Tiere bisher erzielt
wurden, ist das reine Plasma normaler Tauben
nicht imstande, eine bestimmte, deutlich ausge¬
prägte, bakterientötende Wirkung auszuüben. Ge¬
braucht man anstatt des reinen, durch spontane
Retraktion des geronnenen Teiles gewonnenen
Serums, das durch Schütteln und Defibrinieren des
Blutes gewonnene, so wird zuweilen eine leichte,
bakterientötende Wirkung bemerkt.
Nach Verlauf der ersten Periode vermehren
sich jedoch die Bacillen im Plasma und im Serum
ins Unendliche.
Zweitens ist die bakterientötenile Wirkung, die
ein plasmaloses Blut hervorbringt, viel intensiver
als die durch das volle Blut erzeugte, d. h. durch
das Blut, das sein Plasma nicht verloren hat.
Das Verhalten des vollen Blutes, seiner Glo-
buli (plasmaloses Blut) und seiner flüssigen Teile
(Plasma oder Serum) ist bei allen normalen Tauben
nachweisbar, obgleich betreffs Intensität der
Wirkung erhebliche individuelle Differenzen beob¬
achtet werden.
Venöses Blut zeigt genau dieselbe bakterien¬
tötende Wirkung wie arterielles Blut. Verfasser
hat jedoch keine Beweise dafür, dass venöses Blut
mehr oder weniger wirksam ist als das Blut der
Pulsadern.
Die Prüfungen mit dem Blute immun gemachter
Tiere ergaben die gleichen Resultate wie bei nor¬
malen Tieren. Es ergab sich nämlich eine starke
bakterielltötende Wirkung des vollen Blutes; noch
stärker wirkte plasmaloses Blut. Plasma und
Serum dagegen, die spontan von dem Gerinnsel
getrennt waren, zeigten keinerlei auffällige, kon¬
stante, bakterientötende Wirkungen; beim Plasma
wurde nur im Anfang eine hemmende Wirkung
auf die Entwicklung der Bacillen beobachtet,
eine deutlich ausgeprägte, bakterientötende Aktion
trat nicht zutage, ein Verhalten, das auch beim
Plasma normaler Tiere beobachtet wurde. Zwar
ergab sich zuweilen eine leichte Verminderung in
der Anzahl der Bacillen, jedoch tritt diese Er¬
scheinung innerhalb enger Grenzen und sehr selten
hervor.
Das Gesamtergebnis der Versuche ist, dass
das Blut der Tauben eine bakterientötende Wir¬
kung nur ausübt solange es flüssig ist, während
diese Eigenschaft mit der Coagulation verloren
geht. Jacob.
C. O. Jensen. Ueber Kälberruhr und deren
Verhütung durch Seruminjektionen.
Zeitschrift für Tiermedizin. Neunter Band. 5.
und 6. Heft.
Verf. berichtet über die im Anschluss an seine
ätiologischen Studien der Kälberruhr vorgenom¬
menen therapeutischen Versuche, die sich sämt¬
lich als wertlos erwiesen. Auch' die ersten in den
Jahren 1895—1897 zur Anwendung gelangten
Seruminjektionen führten zu keinem befriedigen¬
den Resultat. Auf Grund seiner weiteren sehr müh¬
seligen und exakten Laboratoriums-Versuche ge¬
langte Verf. zu einer praktisch immerhin verwert¬
baren Impfmethode, wenn letztere allerdings auch
eine vollkommene insofern nicht darstellt, als in
einzelnen Beständen die Wirkung des Serums wegen
der mangelnden oder unzureichenden Polyralenz des
Serums nahezu ganz ausbleibt. Verf. fasst seine
bisherigen Ergebnisse dahin zusammen:
In vielen Beständen, wo die Krankheit ende¬
misch und bösartig herrscht, hat die Serumbe¬
handlung die Erkrankungen und Todesfälle bis auf
0 o/o herabgesetzt, selbst wenn die Sterblichkeit
vorher nahezu 100°/o betrug. In anderen Beständen
war das Ergebnis weniger befriedigend, indem die
Sterblichkeit nicht aufhörte, sondern nur etwa von
70 auf 20 herabgesetzt wurde. Wieder in anderen
Beständen übte die Serumbehandlung keine nach¬
weisbare Wirkung. Trofe.
Fehsenmeier. Die Impfungen gegen Rot¬
lauf der Schweine in Baden 1904. Mit-
tlgn. des Ver. bad. Trzte. 1905. No. 9.
Die Impfung gegen den Rotlauf im Jahre 1904
erstreckte sich in 40 Amtsbezirken auf 9380 Ge¬
höfte, in denen innerhalb 4 Wochen vor der Imp¬
fung 504 Schweine an Rotlauf erkrankten und
256 verendeten. Von den in den Gehöften vor¬
handenen 29 971 Schweinen wurden 29 166 mit
Susserin geimpft. 1864 Tiere wurden mit Serum
allein, die übrigen mit Serum und Kultur zugleich
geimpft. Die Schutzimpfung gelangte bei 28 669
Schweinen zur Anwendung, von denen innerhalb
3 Tagen nach der Impfung 9 (= 0,15 o/ 0 ) erkrank¬
ten. Von den nicht geimpften Tieren der Be-
ständje starben später 63 an Rotlauf. Profe.
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Heft 11.
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
259
Holterbach. Dauer der Immunität nach
überstandener Druse. Mittlgn. des Ver.
bad. Trzte. 1905. No. 9.
Die in Deutschland fast allgemeine Auffas¬
sung, dass die Tiere nach einmaligem Ueber-
stehen der Druse für die Lebenszeit oder doch
wenigstens für mehrere Jahre Immunität erlangen,
ist nicht zutreffend. Verf. hat Fälle beobachtet,
in denen dieselben Patienten nach dem Ueber-
stehen der Krankheit im selben Jahre einer
frischen Infektion erlagen und eine typische Druse¬
erkrankung durchmachten. Profe.
L. Detre und J. Seile! : Die blutlösende Wir¬
kung des Tetanusgiftes. Orvosi Hetilap
1905. No. 19.
Die Untersuchungen der Autoren ergaben, dass
das Sublimat ein beiläufig zwanzigmal so starkes
Blutgift darstellt, als das zur Verfügung stehende
Tetanusgift. Auch bereitete es grosse Schwierig¬
keiten, dass die Giftlösung sehr labil war und dass
das Tetanusgift eine ausserordentlich starke Affinität
an den Blutzellen besitzt. Die Untersuchungen er¬
gaben, dass die Schutzwirkung der Lecithine nach
einiger Zeit in eine blutlösende Wirkung umschlägt.
Es wurde experimentell nachgewiesen, dass die Kom¬
bination der Tetanolysine mit Serum, mit Blutsaft
oder mit Blutzellenstroma selbst nach längerem Stehen
nicht stärker wirkt, als das native Gift, ja im Gegen¬
teil ganz wirkunglos wird. Z.
Waele u. Sugg. Experiment. Untersuch¬
ungen über die Kuhpockenlymphe.
Ctbl. f. Bakt. 39, 1 u. 2.
Verff. kommen zu folgenden Schlussergebnissen:
1. Die Empfänglichkeit des Kaninchens für
Vaccine ist grossen individuellen Unterschieden
unterworfen. Das Kaninchen widersteht grossen
Dosen des Pockengiftes und reagiert nicht durch
Eruptionen, aber es geht schliesslich an Cachexie
zugrunde.
2. Die Empfänglichkeit der Ziege für Vaccine
ist viel geringer als diejenige des Kalbes; ferner
ruft die Entwicklung der Vaccine bei der Ziege
das Auftreten von agglutinierenden Substanzen nur
in sehr geringer Quantität in in dem Serum des
Tieres hervor.
3. Das Filtrat der Vaccine durch das Chamber-
land-Filter F ist nicht nur unwirksam bei der
gewöhnlichen Verimpfung auf ein Kalb, sondern
dieses Filtrat führt, auch in grosser Menge unter
(Ke Haut injiziert, keine Immunisierung herbei.
4. Das 3—7 Tage lange Verweilen von Säckchen,
die eine kleine Quantität Vaccine enthalten, unter
der Haut des Kalbes immunisiert dieses gegen eine
spätere Impfung (in der gewöhnlichen Frist der
intrakutanen Impfung oder der subkutanen Infek¬
tion). Das Vaccinegift muss also Substanzen liefern,
die auch ohne jeden Druck durch eine Membran
diffundieren und imstande sind, die Immunität
hervorzurufen.
Dieses sehr wichtige Ergebnis lenkt die Auf¬
merksamkeit erstens auf die Möglichkeit, ein Tier
zu immunisieren, ohne es erst im eigentlichen
Sinne zu infizieren, und zweitens auf die Wichtig¬
keit dieser diffundierba^en Substanzen.
5. Die Substanzen scheinen in gewisser Menge
in der Oedemflüssigkeit vorhanden zu sein, die
man bei reichlicher, tiefer Impfung oder bei dicht
aneinander vorgenommenen subkutanen Injektionen
erhält. In der Tat führt auch die Injektion dieser
von ihren Mikroben • befreiten Oedemflüssigkeit zu
einem geringen Grade der Immunität.
6. Bei der Kultur der in Schilfsäckchen unter
die Haut eines Kalbes gebrachten Vaccine erhält
man konstant eine reichliche Entwicklung von
Streptokokken neben Staphylokokken und einigen
andern Bakterienarten.
Die Streptokokken lassen sich fast alle als
Streptococcus vaccinalis identifizieren. Diese Kul¬
turen sind nicht imstande, die nach der Impfung
gewöhnlichen Veränderungen der Haut hervorzu¬
rufen. Jacob.
Friedberger und Moresclii. Aktive Immuni'
sierung von Kaninchen gegen Cho¬
lera und Typhus. Ctbl. f. B. 39, 4.
1. Es gelingt regelmässig beim Kaninchen bei
Verwendung geeigneter Stämme durch Verimpfung
von bei 60 0 abgetöteten Cholera- und Typhus¬
bacillen in Dosen, die Bruchteile von 1 / 100 Oese
betragen, hohe baktericide Titre und hohe Agglu¬
tinationswerte zu erzielen.
2. Der gleiche Effekt wird durch trockene
und auf 120 0 erhitzte Bakterien erzielt.
3. Auf 150° erhitzte trockene Bakterien zeigen
eine beträchtliche Verminderung resp. Schwächung
ihrer Lysinogene und einen anscheinend vollstän¬
digen Verlust ihrer Agglutinogene.
4. Bei Erhitzung der Bakterien in feuchtem
Zustande auf über 100° werden die lysinogenen
Gruppen und die agglutinogenen beträchtlich ge¬
schädigt.
5. Bei Abtötung der Cholerabakterien mit
Chloroform werden die lysinogenen Gruppen nur
unbedeutend geschädigt, die agglutinogenen inner¬
halb der von den Verf. gewählten Versuchsbedin¬
gungen unwirksam gemacht.
6. Dagegen bewirkt die Antolyse von mit
Chloroformdämpfen behandelten Cholerabakterien
bei 37 0 eine Wiederzunahme der Wirksamkeit der
Antigene.
7. Auf die nach Pfeiffer-Kolle oder nach der
Methode Löffler bei 120° abgetöteten Bakterien
hat die Antolyse bei Körpertemperatur bis zu elf
Tagen keinen deutlichen Einfluss bezüglich der
Wirksamkeit der Antigene, sicher wird sie nicht
erhöht.
8. Bei 100° in Emulsion abgetötete Bakterien
erfahren durch die Antolyse eine Schädigung ihrer
Antigene.
9. Durch mehrmaliges Frierenlassen und
Wiederauf tauen erfahren bei 60 0 nach Pfeiffer-
Kolle abgetötete Bakterien keine Veränderung ihrer
Wirksamkeit für Antikörperproduktion.
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260
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
3. Jahrgang.
10. Bei einem Abtötungsmodus der Bakterien,
der die Antigene schädigt, d. h. also bei Ver¬
impfung wenig wirksamer Antigene, ist die Inten¬
sität der Antikürperbildung der Menge des Impf¬
stoffes proportional. Dagegen bestellt bei Ver¬
impfung wirksamer Vaccins innerhalb weiter
Grenzen keine Proportionalität zwischen Impfstoff¬
menge und Höhe der Antikörperproduktion, viel¬
mehr sind in der Regel die kleineren Dosen die
wirksameren.
11. Die durch einmalige Injektion mini¬
maler Bakteriendosen produzierten Antikörper¬
mengen verschwinden nur sehr langsam aus dem
Organismus; sicher sind noch grosse Mengen von
Antikörpern nach vier, selbst nach fünf Monaten
nachweisbar. Jacob.
Allgemeine Bakteriologie, Untersuchungs¬
methoden.
Rolly und Liebermcister. Experimentelle
Untersuchungen über die Ursachen
der Abtötung der Bakterien im
Dünndarm. Deutsch. Archiv, f. klin. Medizin,
83 Bd., .5. und 6. Heft, 1905.
Die Ergebnisse der vorliegenden umfangreichen
Untersuchung sind folgende:
Der leere Dünndarm vom Kaninchen beherr-
bergt hur eine verschwindend geringe Anzahl von
Bakterien, die mit unseren gewöhnlichen Methoden
nicht nachgewiesen und erst mittels Anreiche¬
rungsmethoden usw. wahrgenommen werden kön¬
nen. Erst im untersten Teil des Ileums werden
mehr Bakterien angetroffen.
In den Dünndarm eingeführte Keime werden
teilweise daselbst Vernichtet, ein Teil wird mittels
der Peristaltik fortgeschafft, so dass nach einiger
Zeit der Dünndarm wieder beinahe steril befunden
wird.
Mittels Bewegung von mit Bakterien infizierten
Nährlösungen konnte kein Einfluss auf das Bak-
terienvvachstum konstatiert werden. Die Bewegung
der betreffenden Nährlösungen war in den ver¬
schiedenen Versuchen so gross als im Dünndarm,
in anderen aber bei weitem grösser.
Die Tatsache, dass bei mangelnder Peristaltik
im Darm sich so enorm viele Bakterien entwickeln
können, hängt nicht mit dem Mangel an Bewegung
des Darminhaltes zusammen, sondern hat ihre
Ursache in anderen, erst sekundär entstandenen
und veränderten Wachstumsbedingungen für die
Bakterien.
Die Galle, das Pankreassekret, der Darmsaft,
können weder allein noch vereint eine baktericide
Tätigkeit entfalten, im Gegenteil stellen diese
»Sekrete einen guten Nährboden für alle möglichen
Mikroben dar.
In abgebundenen und in Ringerscher Lösung
von 40° gehaltenen, dabei gut beweglichen leeren
Dünndärmen geht das Wachstum der Dünndarm¬
parasiten ungehindert vonstatten.
Werden dagegen derartige abgebundene Dünn¬
darmstücke in der Bauchhöhle bei sonst nor¬
malen Bedingungen gehalten, so findet in den
ersten Stunden nach der Abbindung eine starke
Wachstumshemmung resp. Abtötung von Bakterien
statt.
Diese Versuchsresultate deuten darauf hin,
dass der lebenden normalen Darmwand eine ge¬
wisse Rolle bei der Abtötung der Bakterien zu¬
gesprochen werden muss, namentlich auch im
Hinblick darauf, dass erst dann die Bakterien
sich rascher vermehrten, wenn die Darmwand
bereits makroskopisch krankhaft verändert aussah.
Der bakteriellhemmenden Eähigkeit der nor¬
malen lebenden Dünndarmwand kommt allein oder
im Verein mit dem Pankreas- und Lebersekret die
gleiche Wirksamkeit zu.
Die Gallensäuren, die infolge des Salzsäure¬
gehaltes des Chymus im Darme frei werden könn¬
ten, können ihre antibakterielle Wirkung im
Darme nicht entfalten, da sie daselbst entweder
durch Bestandteile des Chymus oder aber durch
das Alkali des Darmsaftes sofort gebunden werden.
Da der Chymus im Dünndarm bis zum unteren
Ileum eine saure Reaktion besitzt, welche durch
die noch vorhandene Säure des Magensaftes be¬
dingt ist, so ist schon aus diesem Grunde eine
nennenswerte Bakterienvermehrung auch in dem
mit Chymus angefüllten Dünndarm ausgeschlossen.
W r ird der Mageninhalt durch Sodaeinführung
neutralisiert oder alkalisiert, so treten offenbar
mehr Bakterien in den Dünndarm über. Trotz¬
dem besitzt der normale Dünndarm die Fähig¬
keit, auch diese grössere Anzahl Bakterien zu
vernichten und durch die Peristaltik fortzu¬
schaffen, so dass er nach einiger Zeit wieder fast
steril angetroffen wird.
Wie oben bemerkt, hat Bewegung an sich
keinen schädlichen Einfluss auf das Bakterien¬
wachstum ; die Peristaltik muss jedoch schon im
Hinblick darauf bakterienhemmend wirken, dass
die Bakterien infolge der Ortsveränderung ganz
verschiedene Säure- resp. Alkeleszenzgrade des
Chymus durchlaufen müssen. Da nun viele Bak¬
terien einen ganz verschiedenen Säure- resp.
Alkalititre des Nährbodens zu ihrem optimalen
Wachstum benötigen, so können schon wegen des
schnellen Wechsels der Reaktion des Nährbodens
die Bakterien ein reichliches Wachstum nicht
entfalten.
Bei pathologischen Prozessen, z. B. Stenosen
des Dünndarms, wird die daselbst herrschende
saure Reaktion alkalisch, infolgedessen können die
meisten Bakterien, vor allem die der Fäulnis, sich
enorm vermehren, eine Folge dieser Vermehrung
sind giftige Umsetzungen des Chymus, welche die
Dünndarmwand in Entzündung versetzen, so dass
das Bakterienwachstum wieder gefördert wird
usw.
Da an keiner Stelle des Dünndarms eine Ver¬
mehrung der Bakterien unter normalen Verhält¬
nissen stattfinden kann, so spielt ein Bakterien-
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Heft 11.
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
261
antagonismus daselbst wohl keine Rolle (im Ge¬
gensatz zum Dickdarm?). Auch chemischen Ein¬
wirkungen der einzelnen Nährungsbestandteile
auf bestimmte von Bakterien hervorgerufenen
Zersetzungen und damit Vermehrung dieser Zer¬
setzungsbakterien, ist unter normalen Bedingungen
nur geringe Bedeutung beizumessen.
Durch eine künstlich erzeugte Schädigung
der Dünndarmschleimhaut wird eine enorme Bak¬
terienvermehrung im gesamten Dünndarm hervor¬
gerufen. Diese Wucherung von Mikroorganismen
tritt sowohl mit als ohne Alkalisierung des
Mageninhaltes ein, es spielt somit der Säure- resp.
Alkaligehalt des Chymus bei derselben keine Rolle.
Wie wir nacljweisen konnten, dass eine nor¬
male Dünndarmschleimhaut für die Bakterien¬
freiheit des leeren Dünndarms Sorge trägt, indem
diese die daselbst noch befindlichen Bakterien
vernichtet, ebenso haben wir den Beweis erbracht,
dass die entzündete kranke Dünndarmschleimhaut
dasselbe nicht mehr vermag. Ja, wir sehen sogar,
dass das infolge der Entzündung in vermehrter
Menge abgesonderte Dünndarmsekret ein guter
Nährboden für die daselbst befindlichen Mikroben
darstellt. Carl.
Baruchello. Untersuchungen über die
Darmstreptokokkendes Pferdes. Ctbl.
f. Bakt. 39, 5.
Während einer Untersuchung über den Bad.
coli des Pferdes machte Verf. die Wahrnehmung,
dass sich auf den Plattenkulturen, die über die
Fäces eines gesunden Pferdes gestrichen waren,
stets Streptokokkenkolonien entwickelten. Die
Schlussfolgerungen jener Arbeit in bezug auf den
Bac. coli des Pferdes waren folgende:
1. Der im Darm des Pferdes vorkommende
Bac. coli unterscheidet sich seinen Charakterzügen
nach nicht von demjenigen, der sich im Darm
des Menschen und anderer Tiere findet.
2. Auch beim Pferde lässt sich der Bac. coli
an einer einzigen Bakterienform individualisieren,
sondern man muss die verschiedenen Rassen in
einer Kategorie, der Coli-Gruppe, vereinigen.
3. Die Coli- und Coliähnliohen Bacillen, die
Verf. aus den Fäces des Pferdes isoliert hat, stellen
eine Reihe dar, die vom Bac. coli communis mit
seinen genau bestimmten Eigenschaften stufenweise
hinabsteigt bis zu den Keimen, bei denen die
meisten Charakterzüge des B. coli negativ sind,
während demselben nur einige fundamentale Eigen¬
tümlichkeiten verbleiben.
4. Ihrer Häufigkeit wegen verdient eine Bak¬
terienform hervorgehoben zu werden, die die Gram-
sche Färbung nicht annimmt. Da Verf. dieselbe
sechsmal unter 25 Fäcesproben bei Abwesenheit
des B. coli gefunden hat, gleichsam als ob sie
diesen ersetzte, so könnte man, der Morphologie
und dem Aussehen der Kolonien nach, sowie weil
sie weder Indol noch Gärung erzeugen, annehmen,
dass sie dem Bac. equi intestinalis von Dyar und
Keith entspräche. Jedoch bringt sie keine Milcli-
gerinnung hervor und entwickelt sich auch
unter 20 °.
5. Die Art und Weise der Ernährung kann
auch beim Pferde bis zu einem gewissen Grade
die Darmflora verändern. Bei den Pferden, die
gewöhnlich ihre Streu fressen, zeigt sich eine be¬
merkenswerte Wucherung des Bac. col.
Die geringen Kenntnisse, die über die Strepto¬
kokken des Darmes beim Pferde vorliegen, ver-
anlassten Verf. genaue Untersuchungen über ihr
Vorkommen in den Fäces des gesunden Pferdes
anzustellen. Er kam dabei zu folgenden Schluss¬
resultaten :
1. In den Fäces des Pferdes bemerkt man fast
immer einen sapkophytischen Streptokokkus, der
sich leicht isolieren lässt vermittels des Platten¬
verfahrens, wo er sich durch das Aussehen und
die Anordnung der äusserst kleinen Kolonien aus¬
zeichnet.
2. Derselbe Streptokokkus kommt auch in
den Fäces des Esels vor.
3. Der Darm-Streptokokkus besitzt keine be¬
sonderen morphologischen oder kulturellen Eigen¬
schaften, um ihn von dem der Drüse der Pferde
(und ebenso von dem Streptokokkus pyogenes und
dem der Pleuropulmonitis des Pferdes) zu unter¬
scheiden. Die Agglutinationsprobe und die Ent¬
wicklung eines jeden der genannten Mikroorga¬
nismen in den filtrierten Bouillonkulturen det
anderen beweisen jedoch, dass ihnen verschiedene
biologische Eigenschaften zukommen, die sie
differenzieren.
4. Dem Intestinal-Streptokokkus des Pferdes
ist eine pathogene Wirkung eigen, die durch
weitere Uebertragungen erhöht werden kann.
ß. Diese Tatsache führt zu der Vermutung
dass der genannte Streptokokkus ein gewöhnlicher
und der Regel nach unschädlicher Gast des Pferde¬
darmes, unter gewissen Umständen allein oder in
Verbindung mit dem Bac. coli schädlich werden
und noch nicht genau definierte Infektionen de/
Pferdes hervorrufen können, wie es verschiedene
Untersuchungen in betreff der Darmstreptokokken
des Menschen annehmen lassen. Die Kenntnis der¬
selben zeigt den Weg zu neuen Untersuchungen
über die Pathologie des Pferdes. Jacob.
Foä. Die Agglutinationserscheinung
bei den begeisselten und geissel-
freien Mikrob en. Lo Sperimentale Bd. 59,
H. 3 u. 4.
Die französischen Forscher Nicolle, Trenel u. a.
sind der Ansicht, dass das Agglutinationsver-
mögen der Bakterien ihrer Beweglichkeit pro¬
portional ist. Die begeisselten Mikroben sind
somit stärker agglutinierbar, als die geisselfreien.
Um diese andererseits lebhaft bestrittene Frage
zu beantworten, hatte Foä eine Reihe von Ex¬
perimenten an Kaninchen durchgeführt, wobei er
als Forschungsmaterial die Bakterien der Koli-
gruppe gebrauchte. Diese miteinander verwandte
Mikroben waren teilweise lebhaft, teilweise träge
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262
Fortscii ritte der Veterinär- H yg i e n e.
3. Jahrgang.
beweglich, teilweise ganz unbeweglich. Es erwies
sich, dass wirklich die beweglichen Mikroben
stärker agglutiniert wurden, aber nicht alle. Auch
unbewegliche Bakterien vermochten Sera zu pro¬
duzieren, durch welche sie leicht zusammengeklebt
wurden. Ebenso war das Agglutinationsvermögen
der stark begeisselten Mikroben nicht immer das
grösste. Warum die begeisselten Bakterien
übrigens grössere Affinität zu den Agglutininen
besitzen, ist nicht klar.
_ Baczynski.
Parasitologie.
G. F. Petrie. Beobachtungen über die
Struktur und die geographische Ver¬
breitung einiger Trypanosomen.
Journ. of Hyg., Vol. V. Ref. im C. f. B. 36 ;
24—25.
Verf. untersuchte in England verschiedene
Tiere auf Trypanosomen; er entdeckte hierbei eine
neue Art und beschrieb mehrere genauer:
1. Fledermäuse: Von 8 der Spezies Pipistrellus
pipristrellus angehörenden Tieren hatten 3 Try¬
panosomen im Blut. Diese waren auf Ratten nicht
übertragbar; auch auf Kulturen gingen sie nicht
recht an. Sie sind kleiner als Trypanosoma lewisi
und zeigen, sehr lebhafte Beweglichkeit. Die Länge
betrug 16 g, wovon 8 g auf die Geissei trafen.
Auffallend ist die Lage des Macromulens, der sich
sehr nahe am vorderen Ende befindet und die
starke Krümmung in Trockenpräparaten.
2. Kaninchen: Von 230 zahmen Kaninchen
wurde nur eines, von 40 wilden 4 infiziert ge¬
funden. Die Parasiten waren leicht zu züchten;
sie zeigten grosse Aehnlichkeit mit Trypanosoma
lewisi.
3. Ratten: Infiziert waren 30 o/ 0 . Der inter¬
essanteste Befund wurde erhoben als 6 junge Ratten
in einem Nest gefunden wurden. Zwei von ihnen
enthielten zahlreiche Formen in Teilung und auch
Anordnung kleiner Trypanosomen zu Rosetten; eine
Gruppe bestand aus etwa 10 Individuen. Eine
ähnliche Beobachtung wurde bisher erst einmal
veröffentlicht.
4. Maulwürfe: Von 20 beherbergten 6 die
Parasiten. Diese waren sehr spärlich vorhanden,
zeigten die Grösse und das Aussehen von Ratten-
trypanosomen, waren aber auf Ratten nicht über¬
tragbar. Diese Art ist noch nicht beschrieben.
5. Vögel, besonders Schwalben, Amseln, Sper¬
linge, Krähen. Im Blut wurden niemals Trypa¬
nosomen gefunden, dagegen in 11 von 67 unter¬
suchten Fällen im Knochenmark, doch äusserst
spärlich. Einmal wurde bei einer Schwalbe eine
Spirochäte im Blut, ein Trypanosoma im Knochen¬
mark gefunden.
6. Fische: In 19 Goldfischen waren ausnahms¬
los Trypanosomen vorhanden, doch ebenfalls recht
spärlich. Ihre Grösse war bedeutend. Bei einem
Kulturversuch auf Bluteger waren nach 10 Tagen
eine beträchtliche Menge merkwürdiger, kaul¬
quappenähnlicher Formen zu sehen; in den nächsten
Tagen traten deutliche Anzeichen von Vermehrung
auf. Weitere Züchtungsversuche missglückten.
Jacob.
Gmeiner. Die Sarcoptcsräude der Ka¬
ninchen. Archiv f. wissensrh. u. prakt. Tier-
heilkde. 32. Band. 1. u. 2. Heft.
Verf. kommt auf Grund seiner Untersuchung -n
zu folgenden Schlusssätzen: Die Räude befällt vor¬
wiegend Nase, Lippen und Stirn, in Ijesonders
charakteristischer Weise die Augen, deren Um¬
gebung graugelbe Krusten aufweist. Beim Men¬
schen beobachtet iran geleg ntlicli Ansteckung in
Form leichter, spontan abheilender Hautaffek¬
tionen, auf andere Tierarten findet eine Ueber-
tragung der Krankheit nicht statt. Isolierte
Milben bleiben bei Zimmertemperatur, selbst l>ei
0° C etwa 4 Tage, bei — 7° höchstens 8 Stunden,
in feuchter Umgebung bei 16—25° C etwa 6 Tage
lebensfähig. Unter den Antiparasitica nimmt die
Gruppe der ätherischen Oele in der Behandlung
der Sarcoptesräude der Kaninchen die erste Stelle
ein. Als besonders geeignet wurde Oleum Carvi
zu 5 o/o in Salbenform befunden.
Profe.
Smedley. Züchtung von Trypanosomen
in Reinkultur. Journal of hygiene. Vol. 5.
Es gelang Verf. zu wiederholten Malen, die
Trypanosomen Lewise und Brucei künstlich fort¬
zuzüchten. Nach seinen Angaben gelang es nament¬
lich leicht, den erstgenannten Parasiten auf Ka-
ninchenblut-Agar bei 20 bis 25 0 und dunkler Auf¬
bewahrung zur Entwicklung und Vermehrung zu
bringen. Die Parasiten zeigten keine Abschwächung
der Virulenz. Die Züchtung des Trypanosoma Bru¬
cei, des Erregers der Tsetsekrankheit, führte nicht
so regelmässig zu günstigen Resultaten. Unter
zehn Versuchen fielen nur drei positiv aus. Die
Parasiten hatten in der Reinkultur ihre Virulenz
völlig verloren. Profe.
Verschiedenes.
Perkuhn. Untersuchungen über Stall¬
desinfektion durch Formaldehyd-
Wasserverdampfung mittels des
Lingnerschen Apparates. Monatsh. für
prakt. Tierhlkde. 16. Band. 7. und 8. Heft.
Die von dem Verf. mit dem Lingnerschen For¬
maldehyd-Wasserverdampfer angestellten Versuche
haben zu folgenden Ergebnissen geführt: Auf
offen liegende, dem Wasserdampf leicht zugäng¬
liche Objekte ist die Wirkung günstig, weniger
zuverlässig auf in Holzspalten, unter Lohe und
Strohstreu befindliche Testobjekte. Temperaturen
unter 5 0 setzen die desinfizierende Kraft herab.
Genügende Abdichtung des zu desinfizierenden
Raumes ist von wesentlicher Bedeutung für das
Gelingen der Desinfektion. Da die Tiefenwirkung
unzulänglich ist, muss eine vollständige Entfernung
der Streu und eine sorgfältige Reinigung des Stalles
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Heft 11.
Fortschritte der Veterinär-Hygleod.
263
von grösseren Eiter-, Blut-, Kotpartikeln der Fonnal-
dehydverdampfung vorausgehen. Eine erhebliche
praktische Bedeutung für die Stalldesinfektion ist
auf Grund dieser Versuche dem Desinfektionsver¬
fahren mittels des Lingnerschen Formaldehyd-
Wasserverdampfers nicht zuzusprechen.
Profe.
Magnus Aisleben. Ueber die Giftigkeit des
normalen Darminhaltes. Beitr. z. ehern.
Phys. u. Path. VI, 11 u. 12. Ref. in Fortschr.
d. Med.
In dem Inhalt des oberen Teiles des Dünn¬
darms vom Hunde, sowie in der zugehörigen
Schleimhaut, findet sich nach der Fütterung von
Fleisch in der verschiedensten Form, wahrschein¬
lich auch nach Zufuhr von Brot, Fett und Stärke¬
mehl, anscheinend nicht von Milch und Milch-
eiweiss, eine giftige Substanz. Sie ruft bei Ka¬
ninchen nach intravenöser Injektion in kleinsten
Mengen allgemeine zentrale Lähmung hervor mit
darauffolgenden Krämpfen und führt meistens den
Tod durch Respirationsstillstand herbei. In man¬
chen Fällen tritt während der Lähmungsperiode
rasch Erholung ein und einige Stunden währende
Immunität gegen weitere Einspritzungen. Die ge¬
schilderte Wirkung bleibt aus, wenn man den
Darminhalt durch Kieselguhr filtriert, mit Natri¬
umcarbonat nötigenfalls neutralisiert und durch
die Leber schickt, indem man die Injektion in
die Mesenterialvene macht. Es gelang nicht, das
Gift genauer zu analysieren. Es ist in Wasser
und verdünnter Kochsalzlösung löslich und wird
durch Zentrifugieren mit Quarzsand und Kiesel¬
guhr nicht niedergerissen. Durch Aufkochen in
schwach saurer Lösung geht die Giftigkeit der
Substanz verloren.
Neben diesem Nervengift (das evtl, von den
Verdauungssäften, z. B. Trypsin stammen könnte)
findet sich im Darminhalt (Dünndarm) nach jeder
Art von Nahrung eine Substanz, die in kleinsten
Mengen sofort eine ganz steile Blutdrucksenkung
l>ewirkt, die sich nach höchstens einer Minute
wieder ausgleicht. Diese Substanz wird durch die
Leber nicht entgiftet, dagegen wird sie durch
Kochen in saurer Lösung ebenfalls zerstört.
Jacob.
Gründung einer deutschen Gruppe des milch¬
wirtschaftlichen Weltverbandes. Der Anteil der
Aerzte und Volkswirte an der Frage der Ver¬
sorgung mit Milch und Meiereierzeugnissen und
an den dafür grundlegenden milchwirtschaftlichen
Fragen ist bis auf das Interesse einzelner Forscher
nicht erheblich, trotzdem die Bekämpfung der un¬
geheuren Säuglingssterblichkeit, die Volksgesund¬
heitspflege und nicht zuletzt die Volksernährung
von dem milchwirtschaftlichen Fortschritt zum
Teil unmittelbar abhängig sind, in jedem Fall
grossen Vorschub davon zu erwarten haben. In
letzterer Beziehung sei nur daran erinnert, dass
aus - der gleichen Menge Nährstoffeinheiten im
Futter in der Form von Milch, Butter und Käse
etwa dreimal soviel Nährstoffeinheiten gewonnen
werden, als in der Form von Fleisch, dass also
bei vorwiegender Milchnahrung dreimal soviel
Menschen gegenüber vorwiegender Fleischnahrung
bei sonst gleicher Urproduktion ernährt werden
können. i
Eine grössere Anteilnahme an den milchwirt¬
schaftlichen Fortschrittsbestrebungen aus den
Kreisen der Aerzte und Volkswirte wäre deshalb
dringend zu wünschen.
Diese Fortschrittsbestrebungen dürfen nicht
an der Landesgrenfce Halt machen. Manche der
gemeinsamen Aufgaben: fachmännische Bildungs¬
fragen, Austausch von praktischen Erfahrungen
und Forschungsergebnissen, Regelung der Handels¬
verhältnisse, Bekämpfung von Betrügereien im
Handelsverkehr und dergleichen machen den Zu¬
sammenschluss, den lebendigen Wechselverkehr
der Fachleute aller Länder wünschenswert.
Derartige Erwägungen haben* zur Gründung
eines milchwirtschaftlichen Weltverbandes mit
dem Sitz in Brüssel geführt, welcher sich zunächst
die Förderung folgender Aufgaben zum Ziel ge¬
steckt hat: '
Die Herbeiführung einer einheitlichen Gesetz¬
gebung in bezug auf den Gehalt, die Nach¬
ahmung und Verfälschung von Meiereierzeug¬
nissen, sowie in bezug auf die Gesundheits¬
pflege des Milchviehes und in bezug auf den
Milchviehhandel;
die Vereinbarung übereinstimmende!* Unter¬
suchungsweisen der Molkereierzeugnisse und
Molkereihilfsstoffe;
die Vereinbarung übereinstimmender Prüfungs¬
weisen milch wirtschaftlicher Geräte und
Maschinen;
die Anstellung nach einheitlichem Plan aus¬
zuführender Versuche und dergleichen.
Als Mittel zu dem Zweck sind in Aussicht ge¬
nommen :
Zusammenkünfte der Fachleute aller Länder
bei länderweisem Wechsel der Zusammen¬
kunftsorte und in Verbindung damit milch-
wirtscliaftliche Weltausstellungen;
die Ausschreibung wissenschaftlicher, tech¬
nischer oder gewerblicher Preisaufgaben;
die Errichtung von Auskunftsstellen über die
milchwirtschaftlichen Handelsbewegungen an
den Haupthandelsplätzen;
die Herausgabe eines gemeinschaftlichen,
milchwissenschaftlichen Fachblattes;
die Einflussnahme auf die Staatsregierungen
zur Vereinbarung von Schutzbestimmungen
des Handels und der Gesundheit im Milch¬
verkehr.
Diese Bestrebungen haben eingesetzt mit der
Veranstaltung eines Kongresses der Milchfach¬
leute, der vom 16. bis 19. Oktober d. M. in Paris
stattfinden wird (die gründende Versammlung fand
1904 in Brüssel statt) und mit der Abhaltung einer
Milchausstellung mit internationalem Charakter,
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264
Fortschritt* der Veterinär-Hygiene.
3. Jahrgang.
welche für Berlin 1907 in Verbindung mit einem
milchwirtschaftlichen Kongress beschlossen ist.
Aus der Erwägung, dass die Kräfte der ein¬
zelnen, staatlichen Milchwirtschaftsverbände für
die bezeichneten Aufgaben nicht ausreichend sind,
hat sich mit dem Sitz in Brüssel der milchwirt¬
schaftliche Weltverband und als Geschäftsabtei¬
lung des deutschen milchwirtschaftlichen Vereins
eine deutsche Gruppe dieses Weltverbandes ge¬
bildet.
Je zahlreicher sich die am milchwirtschaft¬
lichen Fortschritt interessierten Hygieniker und
Volkswirte der deutschen Gruppe des Weltver¬
bandes anschliessen (Jahresbeitrag 5 Mk.), um so
weiter kann er seine Ziele stecken, um so nach¬
drucksvoller sie betreiben. Kein Beteiligter sollte
sich ausschliessen.
Anmeldungen sind an die deutsche Gruppe des
milchwirtschaftlichen Weltverbandes, Geschäfts¬
führer Oekonomierat C. B o y s e n, Hamburg,
Kampstr. 46, zu richten.
Hatschek. Neue Theorie der Vererbung.
Naturforscherversammlung 1905, Meran. Ref. d.
M. med. Wochenschft.
Die Vererbungslehre soll die Annahme einer
eigentlichen Vererbungssubstanz, die aus den
Determinanten oder Eigenschaftsträgern besteht,
vermeiden; sie soll epigenetisch sein. Die Funk¬
tionsträger müssen im Individuum sukzessive eine
Entwicklung erfahren. Alle Lebensvorgänge be¬
ruhen auf Stoffwechselvorgängen, die an den Bio¬
molekülen vor sich gehen. Verf. unterscheidet bei
diesen zwei Gruppen: Die ergastischen oder Arbeits¬
moleküle und die generativen oder Wachstums¬
moleküle. Die ergastischen spalten bei den Arbeits¬
prozessen Atomgruppen ab und werden durch den
Assimilationsprozess regeneriert. Beim Wachstums¬
prozess dagegen spalten sich die generativen Bio¬
moleküle in zwei gleichartige, deren jedes durch
Regeneration in den Zustand des ursprünglichen
Moleküls zurückkehrt. Die ergastischen Substanzen
sind abhängig von den generativen, denn die gene¬
rativen Moleküle verwandeln sich in die verschie¬
denartigsten ergastischen, die keine unabhängige
Molekularbewegung besitzen und fortwährend durch
sogenannte Abnutzung zugrunde gehen, daher durch
generative Substanz erneuert werden müssen. Die
generativen Moleküle sind in den Chromosomen
der Zellkerne enthalten; die ergastischen dagegen
finden sich vorwiegend im Zellleib. Die Diffe¬
renzierung in der Zelle und im Gesamtkörper be¬
ruht auf stufenweise und in bestimmter Richtung
erfolgender Wandlung der ergastischen Moleküle,
die ursprünglich als primäre ergastische Funk¬
tionsträger in der Eizelle enthalten waren. Die
Abänderungen, Variationen und deren Vererbung
erklären sich folgendermassen: Im Riesenbau der
generativen Moleküle müssen mannigfaltige Varia¬
tionen Vorkommen, die atomistische Architektur
wird lokalisierte Veränderungen aufweisen. Da¬
durch können die ergastischen Moleküle funktionell
beeinflusst werden. Umgekehrt besteht auch eine
Wirkung der ergastischen Substanz auf die gene¬
rative ; werden nämlich mehr ergastische Mole¬
küle durch die Arbeit der Zelle verbraucht, so
werden zahlreichere Wachstumsmoleküle in die
Zelle abgegeben. Der von den arbeitenden Struk¬
turen ausgehende chemische Reiz regt auch die
Nachbarzellen an und zwar denkt sich Verf. die
Rückwirkung derart, dass von den ergastischen
Molekülen neben ihren eigentlichen Dissimilations¬
produkten auch kleinste Splitter der lebenden Sub¬
stanz sich ablösen und als besondere ergatogene
Moleküle, die wir mit den innern Sekreten und
den Antitoxinen identifizieren können, in den Zell¬
saft und dann in die intrazelluläre Flüssigkeit des
Körpers übergehen. Diese „Ergatine“ sind es, die
den chemischen Reiz auf die generativen Sub¬
stanzen ausüben, indem sie sowohl in die arbeitende
Zelle als in die Nachbarzellen und durch die Säfte
des Körpers auch in die Fortpflanzungszellen
kommen. Spezifische Ergatine treten zu spezi¬
fischen Bezirken der generativen Moleküle in Be¬
ziehung, indem sich Aehnliches zu Aehnlichem
findet. Die spezifischen Wirkungen kommen un¬
mittelbar am Individuum selbst zur Entwicklung,
andere kommen durch die Fortpflanzungszellen
erst beim nächsten Individuum zur Entwicklung.
Erst gehäufte funktionelle Wirkung erreicht eine
Abänderung bei folgenden Generationen. Dies be¬
stätigt zum Teil die Lamarcksche Lehre. Durch
neue Lebensbedingungen wird das Gleichgewicht
der generativen Moleküle gestört, d. h. indirekt
durch Vermittlung der Ergatine; ebenso wird es
gestört durch Vermischung der Individualitäten
bei der Befruchtung. Jacob.
Die Führung des an den Universitäten
Bern und Zürich erworbenen Titels
eines Dr. med. vet. durch Tierärzte.
In der 194. Sitzung des Hauses der Abgeord¬
neten vom 30. Juli 1905 wurde von den Abge¬
ordneten Preussens beschlossen, die Petition des
praktischen Tierarztes Heinick und Genossen in
Pudewitz u. a. O. um Erlaubnis zur Führung des
an den Universitäten Bern und Zürich erworbenen
Titels eines Dr. medicinae veterinariae durch Tier¬
ärzte dem Anträge der Kommission gemäss der
Königlichen Staatsregierung als Material zu über¬
weisen.
Profe.
Einsendung von Original - Abhandlungen,
Büchern, Monographien und Separat-Abdrücken
wird direkt an den Redakteur, Kreistierarzt Dr.
O. Prof 6, Cöln a. Rh«, Hansaring 50, oder an die
Verlagshandlung Louis Marcus, Berlin SW«,
Tempelhofer Ufer 7, erbeten.
tTür d. Redaktion verantwortL Kreistierarzt Dr. O. Prof ö, Cöln a. Rh., Hansaring 50. Druck von Pass&Qarleb G rn.b. H., Berlin W 35
Verlag und Eigentum: Louis Marcus Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 61.
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Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
3. JAHRGANG. MARZ 1906. HEFT 12.
Ueber die mittelst der Agglutination nach¬
weisbaren Beziehungen des Streptococcus
equi zu den vom Menschen stammenden
Streptokokken.
Von
Dr. Bernhard Stolpe,
approb. Tierarzt aus Wiesbaden.
Als im Jahre 1888 die bis dahin dunkle
Aetiologie der Pferdedruse (Coryza contagiosa)
durch die Isolierung des Streptococcus equi ge¬
klärt wurde, erhob sich gleichzeitig die Frage,
in welchen Beziehungen dieser Mikrobe zu eini¬
gen anderen, meist vom Menschen stammenden
Kettenkokken stände.
Während diese Frage damals nur eine dok¬
trinäre war, beansprucht sie heute, wo man die
durch Streptokokken verursachten Krankheiten
mittels spezifischer Sera zu bekämpfen sucht,
ausserdem noch ein praktisches Interesse.
Schütz 1 hat sich zuerst mit ihr be¬
schäftigt und gefunden, dass der Streptococcus
equi spezifischer Natur ist. In seiner Abhand¬
lung „Der Streptococcus der Druse der Pferde‘‘
gibt er dafür folgende Begründung an:
„Der Coccus der Druse bildet rosenkranz¬
artige Ketten, die sich mit den von W e i g e r t
und Ehrlich angegebenen Farblösungen (z. B.
.Gentianaviolett, Methylenblau usw.) sehr inten¬
siv färben. Sie wachsen nicht in Fleischwasser-
Pepton-Gelatine, auch nicht in Agar-Agar. In
Fleischinfusen bilden sie eine flockige, weisse
Masse am Boden der Gefässe und auf erstarrtem
Hammelblutserum glasige, durchsichtige Trop¬
fen, die sich später vergrössern. Werden sie
fein auf Serum ausgestrichen, so bilden sie einen
trockenen, farbenschillernden Ueberzug. Im
Tropfen am Grunde der Serum- und Agargläser
bemerkt man kleine, graue Flöckchen. Wenn
Teilchen einer Serumkultur auf Deckgläschen
ausgestrichen und gefärbt werden, so sieht man
um die Kokken einen hellen Hof, der sich bei
den perlschnurartig angeordneten ohne Unter¬
brechung über die Ketten fortsetzt. Er wirkt
auf Pferde und Mäuse pathogen, ruft an der
Impfstelle Eiterung hervor und bedingt me-
tastatische Prozesse auf dem Wege der Lympli-
und Blutbahn. Die mit Drusekokken geimpften
Kaninchen, Meerschweinchen und Tauben er¬
kranken nicht.
Die Unterschiede zwischen dem Strepto¬
coccus der Druse und den übrigen bekannten,
pathogenen Streptokokken zeigen sich sofort,
wenn ich die Eigenschaften der letzteren kurz
anführe.
Streptococcus pyogenes wurde zuerst von
0gs ton nachgewiesen und später von Rosen¬
bach, Krause und Passet aus dem Eiter
des Menschen gezüchtet. Die Kokken haben
die Neigung, zu Ketten auszuwachsen und in
rosenkranzähnlichen Verbänden sowohl in der
Kultur, wie im Gewebe aufzutreten. Sie
wachsen bei Zimmertemperatur, besser aller¬
dings bei höheren Wärmegraden (30—37° C).
Sie färben sich mit den verschiedensten Anilin¬
farbstoffen, wachsen in Gelatine, ohne sie zu
verflüssigen, auf Agar-Agar, Serum und in
Fleischinfus. Bei Mäusen tritt nach subkutaner
Einimpfung geringer Mengen keine Reaktion
ein, während die Injektion grösserer Mengen
zuweilen Septikämie und den Tod nach 2 bis
3 Tagen herbeiführt. Passet dagegen ist der
Ansicht, dass sie bei Tieren überhaupt keine
Eiterung hervorrufen und Wyssokowitsch
will bei gesunden Kaninchen nach intravenöser
Injektion keine Wirkung, bei Kaninchen jedoch,
die durch Einspritzung toxischer Substanzen
geschwächt waren, eine starke Wucherung der
Kokken und infolgedessen den Tod beobachtet
haben.‘‘
„Streptococcus erysipelatos ist von Fehl-
eisen ausserhalb des Körpers gezüchtet und
auf gesunde Menschen, bei denen er ein typi¬
sches Erysipel her vor rief, übertragen worden.
Er wächst zu langen Ketten aus, die sich oft
vielfach untereinander verschlingen. Weder
sein Aussehen, noch die Art seines Wachstums
liefert irgendein charakteristisches Merkmal,
durch welches er von dem vorhergehenden ge¬
schieden werden kann. Subkutane Impfungen
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3. Jahrgang.
266 Fortschritte der V
bei Mäusen bleiben stets ohne Erfolg. Mithin
besteht nur eine geringfügige Differenz in der
Wirkung zwischen dem Streptococcus pyogenes
und. dem Streptococcus erysipelatos, und selbst
diese stellt Passet in Abrede.
Nun wächst aber der Drusecoccus in
Fleischwasser-Pepton-Gelatine nicht. Auch
kann man sich durch Verimpfung auf Mäuse
von seiner hochgradig pyogenen Eigenschaft
leicht überzeugen. In dieser Beziehung hat der
von Krause entdeckte Mikrococcus und der
Streptococcus pyogenes malignus von Flügge
eine gewisse Aehnlichkeit mit dem Drusecoccus.
Denn Mäuse, welche mit kleinen Mengen der
Kultur der ersteren subkutan geimpft wurden,
starben fast ausnahmslos nach 3—5 Tagen; auch
fand man bei den Mäusen an der Impfstelle
einen grösseren Eiterherd, ferner Diplokokken
und kurze Ketten von Kokken im Blut und in
den Organen, namentlich in der Milz. Trotzdem
sind die genannten Kokken mit dem Drusecoccus
nicht identisch, weil erstere abweichend von
letzterem in Gelatine und auf Agar-Agar ge¬
deihen
Den Beweis für die Spezifizität des Druse-
streptococcus erblickt Schütz also vor allein
in dem abweichenden kulturellen und mäuse¬
pathogenen Verhalten, Kriterien, die nach
unseren heutigen Erfahrungen jedoch keines¬
wegs mehr als ausschlaggebend in differential-
diagnostischen Fragen betrachtet werden
dürfen.
Wenn auch die Spezifizität eines Mikroben
naturgemäss zunächst auf die morphologischen
und physiologischen Eigenschaften gestützt
wird, so mahnt uns doch die zunehmende Er¬
kenntnis von der Variabilität der mikrobischen
Eigenschaften, derartigen Merkmalen keine ent¬
scheidende Bedeutung beizumessen.
Während man früher die Mikroorganismen
in ihren Eigenschaften für unveränderlich hielt,
haben wir neuerdings an zahlreichen Beispielen
erfahren, dass sie darin — genau wie viele
höhere Pflanzen — ausserordentlich variieren
können. Die Gründe für diese Schwankungen
liegen teils in inneren, bisher noch nicht näher
erforschten, teils in äusseren Verhältnissen (Ein¬
flüsse des Nährbodens).
Bouillontrübung, Gelatine Verflüssigung,
Farbstoffbildung u. a. m. sind äusserst wech¬
selnde Eigenschaften; von der Veränderung der
eterinär-Hygiene.
Formen gar nicht zu reden. Auch die Patho¬
genität hat sich schon in vielen Fällen als ein
unzuverlässiges Artkriterium erwiesen. Erst
kürzlich warnt von Behring 2 unter Hin¬
weis auf die Variabilität des Milzbrandbazillus
davor, aus verschiedenem kulturellen und tier¬
pathogenen Verhalten phylogenetisch zusammen¬
gehöriger Bakterien deren Art Verschiedenheit
zu folgern.
Das wechselnde Verhalten'vieler Bakterien
erschwert naturgemäss ihre scharfe Umgren¬
zung und damit die Trennung verwandter Arten
voneinander. So kommt es gar nicht selten
vor, dass eine Eigenschaft, die wir als typisch
für eine bestimmte Art zu betrachten gewohnt
sind, gelegentlich verschwindet oder gar bei
einer Art auftritt, die uns wegen des Mangels
dieser Eigenschaft charakteristisch erschien.
Ein geradezu klassisches Beispiel für die
Variabilität vieler mikrobischen Eigenschaften
bieten uns die vom Menschen stammenden
Streptokokken.
Lag es schon nahe, diese Mikroben im Hin¬
blick auf die Verschiedenartigkeit der durch
sie hervorgerufenen Krankheitsbilder (lokali¬
sierte eitrige Prozesse, Septikämie, Erysipel,
Angina usw.) für different zu erklären, so
wurde man darin noch bestärkt, als man ge¬
wisse morphologische, kulturelle und tierpatho¬
gene Besonderheiten an ihnen wahrgenommen
zu haben glaubte. An Versuchen, unter Be¬
rücksichtigung dieser Eigentümlichkeiten
System in die Kettenkokken zu bringen, hat
es denn auch nicht gefehlt.
So legte von Behring 3 das Hauptge¬
wicht auf das Aussehen der Bouillonkultur,
ob klar oder trüb mit gleichzeitiger Beachtung
des Bodensatzes. Von diesem Gesichtspunkt c
aus unterschied er den Streptococcus longus von
dem Streptococcus brevis.
Kurth 4 sah neben diesen Formen bei
Scharlach noch eine knäuelbildende, die er als
Streptococcus convolutus bezeichnete. Nach ihm
gibt es kurze saprophytische und kurze viru¬
lente, lange avirulente und lange virulente
Streptokokken.
Von Lingelsheim 5 dagegen, der die
vonBehring sehen Versuche fortgesetzt hat,
behauptet, dass diejenigen Stämme, die unter
günstigen Wachstumsbedingungen kurzkettig
sind, sich stets als nvirulent erweisen, während
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Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
267
Heft 12.
die langkettigen Formen einen hohen Grad von
Virulenz entwickeln können. Zu der letzteren
Kategorie sollen die meisten der frisch aus
Eiterungen und Erysipel des Menschen ge¬
züchteten Streptokokken gehören. Er muss aber
zugeben, dass gewisse Aenderungen des Nähr¬
bodens die Kettenlänge derart zu beeinflussen
vermögen, dass aus langkettigen Formen kurz-
kettige werden und umgekehrt. Auf eiweiss¬
reichen Substraten, speziell auf solchen mit
einem Gehalt von 3—5 o/o Pepton, sah er den
Streptococcus longus nur in kurzen Ketten auf-
treten.
P a n e 6 glaubte die Streptokokken des
Erysipels von denen der Eiterung lediglich auf
Grund ihres verschiedenartigen Wachstums auf
Bouillon unterscheiden zu können. Bei einem
Traubenzuckergehalt der Bouillon von 0,1 °<>
und mehr sollen erstere konglomeriert, d. h.
unter Bildung eines Bodensatzes und Klarlas-
sung der Nährflüssigkeit wachsen, während die
Eiterstreptokokken unabhängig vom Glykose-
gehalt entweder konstant oder niemals trüben.
Von Lingelsheim 7 bemerkt dazu, dass ein
stärkerer Glykosegehalt bei allen Strepto¬
kokken ein konglomeriertes Wachstum bewirkt.
Die Ursache hierfür sieht er einesteils in der
durch den Zuckerzusatz hervorgerufenen Wachs¬
tumsbegünstigung, andererseits in der Bil¬
dung grosser Säuremengen, die eine Art ag¬
glutinierender Wirkung auf die Kokken aus¬
üben.
Wie verfehlt die Versuche sind, nach kul¬
turellen Besonderheiten die Provenienz eines
Streptococcus bestimmen zu wollen, zeigt uns
recht deutlich die Arbeit von Widal und
Besangon 8 . An einem Material von 122 ver¬
schiedenen Streptokokken wiesen diese beiden
nach, dass eine Ueberführung der morphologisch
und kulturell differentesten Arten ineinander
nach Gestalt, Wachstum und Wirkung mög¬
lich ist.
Schliesslich möchte ich meine eigenen Be¬
obachtungen nicht unerwähnt lassen, die sich
auf ca. 80 Stämme verschiedenster Herkunft
erstrecken. Gezüchtet wurden dieselben auf
Pepton-Fleischwasser mit einem Zusatz von
10 °/o menschlicher Ascites-Flüssigkeit, bezw.
auf Traubenzucker - Glyzerin - Agar mit dem
gleichen Ascitesgehalt. Niemals habe ich auf
diesen Substraten so charakteristische Wachs
tumserscheinungen beobachtet, dass man auf
Grund dieser einen Eiterstreptococcus von
einem Erysipel- oder Anginastreptococcus
trennen könnte. Kurzkettige Formen gingen
unter gewissen, nicht näher ermittelten Ver¬
hältnissen in langkettige über und umgekehrt.
Ebensowenig kann ich der von irgendeiner
Seite aufgestellten Behauptung, dass die von
Anginen herrührenden Streptokokken nur einen
zarten Belag auf der Agar-Oberfläche bildeten,
beipflichten. Ich sah Angina-Streptokokken
oftmals in dicken Rasen, Eiterstreptokokken
dagegen andauernd in feinem, schleimartigem
Ueberzug auf treten.
Ebenso variabel, wie in ihren morpholo¬
gischen und kulturellen Charakteren erwiesen
sich die Streptokokken auch hinsichtlich ihrer
Pathogenität.
Während Fehleisen die von ihm ent¬
deckten Erysipel kokken keineswegs mit den bei
Phlegmonen usw. gefundenen Perlschnurkokken
identifiziert haben wollte, haben spätere Unter¬
sucher gefunden, dass ein von Erysipel stam¬
mender Streptococcus bei Tieren sowohl Phleg¬
mone, als auch eine Allgemeininfektion hervor¬
zurufen vermag. Der Grad der Erkrankung
(rasch zu Tode führende Sepsis oder lokal¬
bleibendes Erysipel, Infiltrat oder chronische
Allgemeinerkrankung) hängt lediglich von der
Virulenz und dem Infektionsmodus ab (von
Lingelsheim). Ich habe diese Beobachtung
an Kaninchen und Mäusen mehrfach bestätigt
gefunden.
Auch beim Menschen können, wie uns
Petruschky 9 gezeigt hat, pyogene Arten
typisches Erisipel erzeugen. Ausserdem sind
die Fälle gar nicht selten, in denen sich un¬
mittelbar an ein Erysipel eine Eiterung oder
gar allgemeine Sepsis anschliesst.
Auch hat man häufig im Anschluss an
Anginen eitrige Prozesse (Otitis media usw.)
und Erysipel sich entwickeln sehen.
Ob das eine oder andere auf tritt, dafür
muss, wie von Lingelsheim 7 meint, „neben
vielleicht uns noch unbekannten Relationen
zwischen der Disposition des Individuums und
der Virulenz des Streptococcus wesentlich die
Beschaffenheit der Eingangspforte (oberfläch¬
lich oder tiefer gehend, gross oder klein) an¬
gesehen werden.“
Damit waren die Versuche, eine systema-
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268
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
3. Jahrgang.
tische Artgruppierung der Streptokokken vor¬
zunehmen, noch lange nicht erschöpft. Sie alle
hier zu erwähnen, würde zu weit führen. Jeden¬
falls lassen sie sämtlich erkennen, dass eine
Trennung der Streptokokken nach morpholo¬
gischen, kulturellen und pathogenen Gesichts¬
punkten nicht durchführbar ist.
Dies gab denn auch späterhin einer Reihe
von Forschern Veranlassung, für die Artein¬
heit aller von menschlichen Krankheiten (Ery¬
sipel, lokale Eiterungen, Sepsis, Puer¬
peralfieber, Scharlach, Gelenkrheumatismus-
Angina usw.) stammenden Streptokokken zu
plaidieren, eine Auffassung, die besonders durch
die Untersuchungen Marmoreks 10 und
Aronsons 11 bestätigt worden ist.
Ersterer hatte schon in einer früheren Ar¬
beit den äusseren Kennzeichen der Strepto¬
kokken (Korngrösse, Kettenlänge, Art des
Wachstums auf Bouillon) jegliche differential-
diagnostische Bedeutung abgesprochen, da, wie
sich herausstellte, eine kleine Veränderung in
der Zusammensetzung des Nährbodens alle
diese „typischen* 4 Merkmale verschwinden liess.
Er schlug daher einen anderen Weg zur Lösung
der Artfrage ein: Er verglich eine Reihe von
Streptokokken verschiedenster Provenienz nach
ihren biochemischen Eigenschaften. Als solche
nennt er in erster Linie: Die in vivo wie in
vitro vor sich gehende Hämolyse des Kanin¬
chenblutes, sowie die Unfähigkeit des Strepto¬
coccus, im eigenen Kulturfiltrat zu wachsen.
Daneben prüfte er noch ein durch Behandlung
eines Pferdes mit einem Streptokokken-Toxin
gewonnenes Serum auf seinen Schutzwert an
Kaninchen, die mit Streptokokken verschieden¬
ster Provenienz infiziert worden waren.
Unter diesen Gesichtspunkten konnte er
keine absoluten Unterschiede zwischen den vom
Menschen stammenden Streptokokken finden.
Zu den gleichen Resultaten kam Aron-
son, der wieder nach anderen Methoden ar¬
beitete. Er zeigte, dass die Immunisierung
gegen irgendeinen menschlichen Streptokokken-
Stamm mit dem Serum eines Pferdes gelingt,
das nur mit einer Sorte behandelt wurde. So
besass beispielsweise das Serum eines mit einem
Sepsis-Stamm behandelten Pferdes eine ausge¬
sprochene Schutzkraft gegen Scharlach- und
Anginastreptokokken-Infektionen.
Als weitere Reaktion benutzte Aronson
die Agglutination. Hierbei ergab sich, dass
alle menschlichen Stämme, gleichviel welcher
Herkunft, in typischer Weise und fast in
gleicher Intensität von einem aus einem be¬
liebigen Stamm hergestellten Serum aggluti-
niert wurden.
Die Lösung, welche die lang umstrittene
Artfrage der vom Menschen stammenden
Streptokokken nunmehr im Sinne der Artein¬
heit gefunden hat, lenkt unsere Blicke von
neuem auf den Streptococcus equi in seinen
Beziehungen zu den menschlichen Kettenkok¬
ken. Wenn wir die bei den menschlichen
Streptokokken gemachten Erfahrungen auf den
ihnen in vielen Beziehungen nahestehenden
Drusestreptococcus übertragen, so müssen wir
uns vor allem fragen: Sind wir noch berech¬
tigt, den Streptococcus equi wegen seines be¬
sonderen kulturellen und tierpathogenen Ver¬
haltens für artverschieden von den mensch¬
lichen Streptokokken zu erklären?
Wir dürfen diese Frage erst dann bejahen,
nachdem sich die Konstanz der von Schütz
angegebenen Besonderheiten des Streptococcus
equi ergeben hat. Zu diesem Zwecke müssten
zahlreiche Drusestämme, sowohl Solche, die aus
malignen, als auch solche, die aus gelind ver¬
laufenen Fällen herrühren, auf ihr kulturelles
und pathogenes Verhalten geprüft werden. Ins¬
besondere wäre festzustellen, ob und in welchem
Grade äussere Ursachen (Alkaleszenz, Pepton¬
gehalt, Art und Alter des Nährbodens) diese
Eigenschaften zu alterieren vermögen. Bisher
sind diese Faktoren nicht hinreichend gewür¬
digt worden. Wie sehr man sie jedoch bei der
Differenzierung nahestehender Bakterien be¬
achten muss, haben wir bei den menschlichen
Streptokokken gesehen.
Der experimentelle Nachweis, ob der Druse¬
streptococcus in seinen Eigenschaften konstant
ist oder nicht, ist mir erspart geblieben, da
bereits die, wenn auch recht spärliche Literatur
über diesen Mikroben etliche Beispiele auf¬
zählt, aus denen seine Variabilität unzweifel¬
haft hervorgeht.
Während Schütz 1 auf Agar und Gela¬
tine kein Wachstum des Streptococcus equi sah,
beobachteten Sand und Jensen, 12 die sich
zu gleicher Zeit und unabhängig von Schütz
mit dem Erreger der Druse beschäftigten, das
Gegenteil. Sie fanden sogar das Wachstum auf
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Heft 12.
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
269
Agar insofern charakteristisch, als Stichkul¬
turen auf diesem Substrat „flügelförmige Aus¬
läufer“ aufweisen sollten. Allerdings machten
sie des öfteren die Erfahrung, dass ein Druse¬
stamm, der lange Zeit und nach jedesmaliger
Umimpfung mit „üppiger Flügelbildung“ ge¬
diehen war, das Wachstum plötzlich auf gab
oder äusserst langsam und ohne Oberflächen¬
belag und „Flügel“ wuchs.
Die beiden Autoren führen dieses variable
Verhalten auf physikalische Einflüsse des
Nährbodens zurück, ohne jedoch Bestimmteres
hierüber anzugeben.
Ich habe auf Agar und Gelatine niemals ein
Wachstum des Streptococcus equi vermisst.
Einen besonders günstigen Nährboden stellt der
Traubenzucker-Glyzerin-Agar (0,5 °/o Kochsalz,
1 o/o Pepton, 1 o/o Traubenzucker und 3 %
Glyzerin) für ihn dar. Auf der Oberfläche, im
Kondenswasser und im Stich gedieh er stets
üppig, wenn die Uebertragung auf neues Ma¬
terial alle 10 Tage erfolgte und die Kulturen,
nachdem sie 24 Stunden lang bei 37 0 gestanden
hatten, während der übrigen Zeit auf Eis ge¬
halten wurden. Die „flügelförmigen“ Aus¬
läufer sah ich nur vereinzelt auftreten.
Ueberhaupt habe ich keine konstanten charakte¬
ristischen Unterschiede zwischen Agar-Kulturen
des Streptococcus equi und solchen anderer
Streptokokken feststellen können.
Wohl beobachtete ich zuweilen auf der
Agar-Oberfläche von Streptococcus equi-Kul-
turen graublaue, zuckergussähnliche Rasen in
Gestalt einzelner oder zu einem dichte :i Be¬
lag zusammengeflossener Tröpfchen.
Die Sterilität des Streptococcus equi auf
Agar und Gelatine, wie Schütz sie beobachtet
hat, kommt mithin als Artcharakteristikum
dieses Mikroben nicht in Betracht.
Als ein weiteres „typisches“ Merkmal des
Drusestreptococcus bezeichnet Schütz das
Verhalten gegenüber dem Mäusekörper: Eitrige
Infiltration der Subkutis an der Injektionsstelle,
Metastasen in den inneren Organen.
Ob diese Erscheinungen jedoch konstante
sind, ist bis jetzt noch nicht erwiesen. Selbst,
wenn sie beständig wären, wäre der differential-
diagnostische Wert dieses Kriteriums ein zwei¬
felhafter, da, wie Schütz selbst erwähnt, auch
noch ein anderer Streptococcus, nämlich der
Streptococcus pyogenes ir.alignus (Flügge)
(Synonym für Streptococcus pyogenes (Rosen¬
bach) bei Mäusen fast die gleichen patholo¬
gischen Veränderungen verursacht, wie der
Drusestreptococcus.
Wie sehr übrigens äussere Verhältnisse,
speziell die Alkalescenz des Nährbodens den
Streptococcus equi sowohl in seinen Formen,
als auch in seiner Virulenz beeinflusst, hat
kürzlich Rahtjen 13 an einer grossen Ver¬
suchsreihe gezeigt. In morphologischer Be¬
ziehung fand er, dass die Kokken um so kleiner
wurden, je alkalischer der Nährboden war. Die
Länge der Ketten verbände war ebenfalls von
dem Alkalescenzgrad des Nährbodens abhängig,
indem eine starke Alkalescenz selten Ketten
von 4 Gliedern, oft nur Diplokokken aufkom-
men liess.
Hinsichtlich der Virulenz beobachtete er
folgendes: Sie erhielt sich relativ gleichmässig,
wenn er dem Nährboden einen bestimmten Al¬
kaligehalt verlieh (auf 10 ccm Nährflüssigkeit
3 Oesen Normallauge). Eine Aenderung dieses
Verhältnisses hatte erhebliche Virulenzschwan¬
kungen im Gefolge. Ein geringerer Alkaleszenz-
grad bewirkte üppiges Wachstum der Ketten
und baldige Abnahme der Virulenz, ein stär¬
kerer dagegen langsames Wachstum der Kokken
und allmählichen Verlust der Virulenz.
Auch der Peptongehalt ist auf das
Bouillon-Wachstum und damit auf die Ketten¬
länge von Einfluss.
Diese zuerst von von Lingelsheim 7
an den menschenpathogenen Streptokokken ge¬
machte Beobachtung, kann ich, wenn auch
nicht generell, für den Drusestreptococcus be¬
stätigen. Auf 4 o/o und 5 °/o Peptonbouillon sah
ich zuweilen diffuses Wachstum, während die
Kontrollen auf 1, 2 und 3 °/o Bouillon stets
konglomeriert wuchsen.
Wir sehen also: Der Streptococcus equi
variiert in seinen Eigenschaften ganz erheb¬
lich. Es kommen hier genau dieselben äusseren
und inneren Verhältnisse in Frage, wie wir
sie bei den vom Menschen stammenden Strepto¬
kokken bereits kennen gelernt haben. Der
Nährboden allein vermag einen Drusestamm
so zu verändern, dass er sich schliesslich in
nichts von einem Streptokokken-Stamm mensch¬
licher Provenienz unterscheidet.
Es ist daher sehr verfehlt, aus gewissen
kulturellen und tierpathogenen Eigentümlich-
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270 Fortschritte der
keiten des Drusestreptococcus dessen Spezifizi-
tät zu folgern. Die Entscheidung darüber, ob
der Streptococcus equi von den vom Menschen
stammenden Kettenkokken artverschieden oder
ob er arteins mit ihnen ist, müssen wir vielmehr
exakteren Hilfsmitteln überlassen. Ich habe da¬
her versucht, unter Zugrundelegung der Ag¬
glutinationsmethode Klarheit in die Beziehun¬
gen des Drusestreptococcus zu den von Krank¬
heitsprozessen des Menschen herrührenden
Streptokokken zu bringen.
Die Schwierigkeiten, die sich der Diffe¬
renzierung nahe verwandter Bakterien mittels
der althergebrachten Methoden (Kulturver¬
fahren, Färbemethoden, Tierversuch usw.) oft¬
mals entgegenstellen, Hessen frühzeitig den
Wunsch nach der Auffindung zuverlässigerer
Hilfsmittel aufkommen. Die Aufmerksamkeit
der Forscher lenkte sich auf die bei der künst¬
lichen Immunisierung entstehenden spezifischen
Stoffe, insbesondere auf die Agglutinine.
Schon im normalen Serum sind bekanntlich
Agglutinine enthalten, die dieses bis zu einem
gewissen Grade befähigen, in homogener Sus¬
pension befindliche Bakterien zu Häufchen zu¬
sammenzuballen, zu agglutinieren. Bei beweg¬
lichen Mikroben kann man nach dem Aggluti¬
nationsakt stets eine Immobilisierung beob¬
achten. In weit höherem Masse ist das Agglu¬
tinationsvermögen bei den Immunseris ausge¬
prägt und zwar richtet es sich hier in ganz
spezifischer Weise gegen die Bakterienart, die
zur Herstellung des Serums benutzt wurde.
Ein allgemeines Beispiel möge dies erläutern:
Das Serum eines gegen den Bacillus A immuni¬
sierten Tieres erlangt ein spezifisches Agglu¬
tinationsvermögen gegen diesen. Mikroorganis¬
men, die mehr oder weniger die Merkmale des
Bacillus A tragen, werden im allgemeinen nicht j
agglutiniert. Sie können zwar sowohl von dem j
A-Serum, als auch von normalem Serum be- |
einflusst werden, jedoch nicht in dem Grade, wie
der Bacillus A.
Diese Eigenschaft spezifischer Sera ist es,
deren man sich neuerdings mit grossem Erfolg
bei der Bakteriendifferenzierung bedient.
Um Aufschluss zu bekommen über die phy¬
logenetischen Beziehungen zweier Bakterien¬
arten, die in ihren Eigenschaften gewisse Ueber-
einstimmungen zeigen, verfährt man in folgen¬
der W eise: Ein Tier wird gegen den Bacillus A,
Veterinär-Hygiene. 3. Jahrgang.
| ein anderes gegen den Bacillus B immunisiert.
Das A-Serum agglutiniert nun besonders hoch,
d. h. noch in starken Verdünnungen alle Ver¬
treter der A-Art, während das B-Serum eine
besondere Affinität zu allen B-Stämmen besitzt.
Für beide Sera stellt man den Agglutinations¬
grenzwert fest. Nun prüft man die Agglutina¬
tionskraft des A-Serums gegen eine Reihe von
B-Stämmen und umgekehrt die des B-Serums
gegen eine Anzahl A-Stämme. Zuvor hat man
noch festzustellen, ob und wie hoch die beiden
Arten A und B von normalem Serum derselben
Tierart agglutinativ beeinflusst werden. Der
Grad der Verwandtschaft, der zwischen beiden
Arten besteht, lässt sich vergleichsweise aus
der Höhe der einzelnen Agglutinationstitres be¬
stimmen.
In so idealer Weise, wie es uns dieses all¬
gemeine Beispiel zeigt, vollzieht sich die Ag¬
glutination der Bakterien nicht immer. Durch
die Literatur sind auch schon einige Fälle be¬
kannt geworden, in denen die Agglutinations¬
methode versagte. So erfahren wir durch
Sobernheim, 14 „dass die Agglutination der
Milzbrandbazillen sich unter dem Einfluss des
Immunserums keineswegs regelmässig vollzieht,
andererseits aber oft genug auch durch normales
Serum der entsprechenden Tierart in völlig
gleicher Weise und Intensität hervorgerufen
wird.' 4
Ferner ist neuerdings von verschiedenen
Seiten mitgeteilt worden, dass Typhusbazillen
unter Umständen ihre Agglutinabilität Typhus¬
serum gegenüber vollständig einbüssen können
(sogenannte agglutininimmune Stämme). Doch
scheint es, dass man durch geeignete Behand¬
lungsmethoden diese Stämme wieder agglutinin-
empfindHch machen kann.
Diese, zu den Ausnahmen gehörende Fälle
können natürlich den Wert der Agglutinations¬
methode nicht sonderlich beeinträchtigen.
Wassermann 15 nennt sie eine zuverlässige
Identifizierungsmethode, die aber nur einwands¬
freie Resultate liefere „bei sachverständiger
Ausführung unter genauer Kenntnis der mög¬
lichen Fehlerquellen 4 *. (Alter und Virulenz der
Kultur, Alkaleszenz des Nährbodens, auf dem
die zu prüfenden Bakterien gewachsen sind,
Alter und Höhe des Serums, verschiedene Ag-
glutinabilität, Grad derSerumverdünnung usw.)
Gruber und Durham 16 waren die
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Heft 12.
271
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
ersten, welche die Agglutinationsmethode zur noch als eine offene Frage betrachtet wird, so
Differenzierung von Bakterien benutzten. Zwar muss man doch, wenn man nach dem Vorgänge
war es schon vor diesen beiden Charrinund Wassermanns 21 für die Auffassung dieses
Roger 17 aufgefallen, dass das Serum eines Vorgangs die Ehrlichsche Seitenketten-
künstlich immunisierten Tieres die Bakterien, theorie zugrunde legt, der Ansicht derjenigen
gegen die es immunisiert worden ist, zu Häuf- Autoren zustimmen, welche die Agglutination
chen zusammenballt, eine Beobachtung, die von zur Immunisierung in Beziehung bringen.
Metschnikoff 18 für den Vibrio M e t s e h - Nach der Ehrlich sehen Seitenketten
n i k o f f , von Pfeiffer 19 und später von Theorie muss jede Substanz, welche beim Immu-
Bord et 20 lür den Choleravibrio bestätigt nisierungs Vorgang das Auftreten spezifischer
wurde . Auf die praktische '\ erwertbarkeit Körper im Serum bewirkt, spezifische Bindungs-
dieses Phänomens, das G r u b e r mit dem Namen gruppen besitzen; umgekehrt muss der neuge
..Agglutination* belegte, jedoch zuerst hinge- bildete spezifische Körper die spezifische Gegen¬
wiesen zu haben, ist das Verdienst dieses For- gruppe aufweisen. „Diese bindende (hapto-
schers und seines Mitarbeiters Durham. In phore) Gruppe,sagt W assermann weiter,
einer im «Jahre 1896 erschienenen Abhandlung n i s t das Unentbehrliche für die Möglichkeit der
bezeichneten sie das Agglutinationsphänomen Immunisierung gegen jede Substanz. Handelt
als „eine neue Methode zur raschen Erke inung es s i c h dabei um Substanzen, welche besondere
des Choleravibrio und des Typhusbazillus. ‘ biologische oder pathologische Funktionen aus-
Sie wiesen darin nach, dass ein Typhus-Immun- ü b en können, also z. B. um Gifte, Fermente,
serum den Typhusbazillus in weit höheren Ver- Koaguline, so ist die Gruppe, welche die Träge¬
dünnungen agglutiniert, als das ihm in vielen rin dieser Funktion z. B. der Giftigkeit ist, ver-
Beziehungen nahestehende Bact. coli. Mittels sc hieden von der bindenden. Nach dieser An
eines Cholera-Immunserums konnten sie in ana- schaumig musste demnach ein Agglutinin zwei
loger TV eise den Choleravibrio deutlich von den Gruppen, eine haptophore und eine funktionelle,
choleraähnlichen Bakterien abtrennen. welch letztere die sichtbare Verklumpung be-
Kurze Zeit darnach fand Wid a 1, dass das sorgt, enthalten.“ Das Vorhandensein solcher
Blut eines an Typhus abdominalis erkrankten Gruppen ist nun tatsächlich durch exakte Ver
Menschen selbst im Beginn der Infektion stark j suche nachgewiesen worden,
agglutinierend auf Typhusbazillen wirkt. Auf j Bordet 22 übertrug die Ehrlich - Mor
diese Beobachtung gründet sich die klinische genroth sehen Bindungsversuche zwischen
Form der Serodiagnostik, d. i. die Erkennung Zelle und spezifischem Immunkörper auf die
menschlicher und tierischer Infektionskrank- Agglutinine. Er versetzte agglutinierendes Se¬
rum mit den zugehörigen Zellen (Bakterien)
und zentrifugierte dieses Gemisch. Das Serum
hat nun seine Agglutinationskraft verloren. Die
Zellen haben also dem Serum das Agglutinin
entzogen und sich damit beladen. Es besteht
also zwischen dem im Serum enthaltenen Ag¬
glutinin und der in der zugehörigen Zelle (hier
Bakterium) befindlichen agglutinierbaren Sub
Gleichzeitig hatten diese Entdeckungen stanz eine spezifische Bindungsavidität (W a s -
aber auch eine lebhafte Kontroverse über den sermann).
Wert des serodiagnostischen Verfahrens hervor- Neben dieser haptophoren konnte auch
gerufen. Vor allem gingen die Ansichten über noch die Existenz einer funktionellen Gruppe
die biologische Bedeutung der Agglutinations- einwandsfrei nachgewiesen werden. Bail 23
Reaktion noch sehr auseinander. Die einen fand, dass das Agglutinin inaktiviert werden
hielten sie • für eine Reaktion der Infektion. kann. Die funktionelle Gruppe wird zerstört,
Andere wieder betrachteten sie als einen Aus- nur die bindende bleibt bestehen,
druck der Immunität. Wenn auch die Erklä- Sehr eingehend haben sich Eisenberg
rung des Agglutinations Vorganges von vielen und Volk 04 mit d*'m Mechanismus des Agglu
heilen in vitro, mittels Serum und Kultur.
Den Entdeckungen G r u b e r s und Dur-
h a m s und W i d a 1 s folgten bald eine Reihe
von Untersuchungen auf diesem neuen Gebiet,
insbesondere aber über die Frage, ob sich wohl
analoge Verhältnisse bei den übrigen Infek¬
tionskrankheiten des Menschen und der Tiere
vorfänden.
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Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
3. Jahrgang.
272
tinationsvorganges beschäftigt. Sie konnten an
der agglutinierbaren Substanz der Bakterien
zwei Gruppen unterscheiden, eine stabilere
haptophore und eine labilere agglutinophore
Gruppe, desgl. an der agglutinierenden Substanz
des Serums eine stabilere Bindungsgruppe und
eine labilere fällbare Gruppe. Der Nachweis
beider geschah durch folgendes Experiment:
Agglutinierendes Serum wurde auf 65 0 erwärmt
oder mit 1/4 Normal-Salzsäure ää versetzt. Das
Agglutinin dieses Serums wurde durch die betr.
Bakterien noch gebunden — ein Beweis für die
Erhaltung der haptophören Gruppe. Aggluti-
niert wurden die Bakterien aber nicht mehr,
da die agglutinophore Gruppe des Serums in¬
folge der Erhitzung bezw. der Salzsäure zer¬
stört worden war. Blieben die Bakterien nun
längere Zeit in diesem inaktivierten Serum,
und wurden dann mit unverändertem agglutina¬
tionskräftigem Immunserum versetzt, so trat
dennoch keine Agglutination ein, weil die bin¬
dende Gruppe der Bakterien schon von der bin¬
denden Gruppe des inaktivierten Serums in Be¬
sitz genommen worden war.
Abgesehen von diesen überzeugenden La¬
boratoriumsversuchen kommen bei der Bewer¬
tung der Agglutinationsmethode vor allem die
praktischen Erfahrungen, die man mit ihr ge¬
macht hat, in Betracht. Eine gewaltige, nahe¬
zu unübersichtlich gewordene Literatur gibt
uns darüber Auskunft. Die Mehrzahl der Ar¬
beiten behandelt die klinische Anwendungsform
des Agglutinationsphänomens.
Die Erfolge, die man damit in der Human-
Medizin erzielt hat, sind teils gute, teils un- |
befriedigende. Zur Sicherung der Diagnose des
Typhus abdominalis, der bazillären Ruhr, der
Pest und Cholera hat sich die Agglutinations-
Methode geradezu unentbehrlich gemacht, wäh¬
rend man beispielsweise bei der anfänglich viel-
verheissenden Serumdiagnose der Tuberkulose
Enttäuschungen erlebte.
In der Veterinär-Medizin hat man die Ag¬
glutinationsmethode ebenfalls frühzeitig zu
diagnostischen Zwecken verwertet. Besonders
war es die Serumdiagnose des Rotzes, mit der
man sich eingehend beschäftigte. Wladimi-
r o f f 25 macht hierüber folgende Angaben:
„Zum Schluss sei noch erwähnt, dass seit dem
Jahre 1896 die Arbeiten über Agglutination der
Rotzbakterien begonnen haben. Während in
England Mac. Fadyean (1896) an dem
Blute eines rotzigen Pferdes und Fouler-
ton (1897) an dem Blute eines an Rotz er¬
krankten Menschen das Agglutinationsver¬
mögen qualitativ prüften, stellte in Russland
Wladimiroff (1897) gleichzeitig die Gren¬
zen der agglutinierenden Fähigkeit des Blutes
von gesunden und rotzkranken Tieren fest. Ob¬
wohl der graduelle Unterschied, wie zahlreiche
spätere Arbeiten bestätigt haben, sich als ge¬
nügend gross erwiesen hat, um als Grundlage
für die • Serumdiagnose des Rotzes dienen zu
können, so bleibt in Anbetracht der technischen
Unbeholfenheit dieser Methode doch abzuwar¬
ten, ob sie jemals praktische Bedeutung ge¬
winnen wird.“
Afanassieff 26 stellte Untersuchungen
über die agglutinierende Wirkung normalen
Serums und des Serums rotzkranker Pferde
gegenüber Rotzkulturen an. Während ersteres
nur einen Agglutinationswert von 1 / 400 besass,
rief letzteres noch im Mischungsverhältnis von
1:1600 den gleichen Effekt hervor.
Jensen*, 27 der sich ebenfalls eingehend
mit der Serumdiagnose des Rotzes beschäftigte,
misst dieser einen höheren Wert bei wie der
Malleinprobe. Die Untersuchungstechnik dieses
Autors gibt Jess in seinem „Kompendium der
Bakteriologie und Blutserumtherapie“ wie
folgt an: „Aus der Vena jugularis des rotz- %
verdächtigen Pferdes wird mittels Kanüle eine
kleine Menge Blut entnommen und das Serum
abstehen gelassen. Gleichzeitig stellt man eine
Reihe von Bouillonröhrchen ä 2 ccm Inhalt,
nach Infektion mit Rotzbazillen, 2 Tage bei
37° in den Brutschrank. Von dem abgesetzten
Serum fügt man nun zu den gleichmässig trüben
Rotzkulturen 0,1, 0,02 und 0,04 Serum hinzu
und lässt bei Zimmertemperatur stehen, eine
Anzahl Rotzkulturen bleiben ohne Zusatz als
Kontrollröhrchen. Dann tritt in dem Falle, dass
das Pferd rotzkrank ist, das Agglutinations¬
phänomen ein.“
Ganz einwandsfrei ist meines Erachtens
diese Art der Prüfung nun gerade nicht. Denn
der Zusatz von 0,02 Serum (dies ist die mini¬
malste von J e n s e n zugesetzte Menge!) zu
2,0 Kultur würde erst ein Mischungsverhält¬
nis von 1:100bedeuten, während von|Aianas-
s i e f f für normales Serum bereits ein Agglu-
linalionstitre von 1:400 festgestellt wurde.
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Heft 12.
273
Fortschritte der
Um einwandsfreie Resultate zu erhalten,
wäre es daher notwendig, die zu verwendende
Kultur zunächst auf ihre Agglutinabilität ver¬
schiedenen normalen Seris gegenüber zu prüfen.
Als rotzverdächtig bezw. rotzkrank könnten
dann nur die Tiere gelten, deren Serum einen
erheblich stärkeren Agglutinationswert auf¬
weist, als das stärkste noch agglutinierende
Normal serum.
Es seien noch kurz die Ergebnisse über die
Anwendung des serodiagnostischen Verfahrens
bei anderen tierischen Infektionskrankheiten er¬
wähnt.
Ostertag* 8 beobachtete nach Einwir¬
kung des Serums schweineseuchekranker
Schweine auf Kulturen des Bac. suisepticus
deutliche Agglutination.
Derselbe und Dürbeck 29 konstatier¬
ten eine agglutinierende Wirkung des Serums
pestkranker Schweine gegenüber Suipestifer-
Kulturen.
Zschokke 30 fand, dass das Blutserum
einer seit Va Jahre am „gelben Galt“ (Agalaktia
contagiosa) erkrankten Kuh auf Kulturen der
diese Krankheit erregenden Streptokokken
stark agglutinierend wirkte.
Trotz dieser Erfolge ist es zu einer prak¬
tischen Anwendung des serodiagnostischen Ver¬
fahrens, etwa in dem Mavsse wie die Gruber-
W i d a 1 sehe Reaktion zur Diagnose des
Typhus abdominalis beim Menschen, in der
Veterinär-Medizin nicht gekommen. Den Grund
hierfür sieht Kitt 31 lediglich in der „Um¬
ständlichkeit des ganzen Verfahrens“.
Während das Agglutinationsphänomen in
der Hand des Klinikers immer nur eine eng
begrenzte Anwendung erfährt, ist seine Ver¬
wertung als Bakteriendifferenzierungsmittel
eine weit vielseitigere.
Als Diagnostikum von Infektionskrank¬
heiten wird es sich nur dann mit Erfolg ver¬
wenden lassen, wenn das Blutserum des spontan
infizierten Individuums eine genügende Agglu¬
tinationskraft entfaltet. Wie sehr diese aber
im Verlaufe der Krankheit schwankt, ist durch
diesbezügliche Untersuchungen, besonders an
dem Serum Typhuskranker mehrfach erwiesen.
Wollen wir dagegen die Agglutinations¬
methode zur Differenzierung verwandter Bak¬
terien benutzen, so haben wir es in der Hand,
durch Auswahl geeigneter, nach einem bestimm-
Veterinär- Hygiene.
ten Schema zu immunisierender Versuchstiere
ein hochagglutinierendes Serum zu bekommen.
Aus der Fülle der Arbeiten, die sich
mit der Differenzierung nahestehender Bak¬
terien mittels der Agglutination beschäftigen,
führe ich nur einige von ganz besonderem Inter¬
esse an:
Kleine 32 fand bei seinen Versuchen, den
Rotzbazillus durch Züchtung bei hohen Tem¬
peraturen seiner Virulenz zu berauben, dass
ein älterer Stamm, der mikroskopisch das Bild
des echten Bac. mallei zeigte und als solcher
auch in der betr. Instituts-Sammlung geführt
wurde, sich auffallend veränderte, sobald er
nur 3 Stunden lang einer Temperatur von
50° C ausgesetzt und dann übergeimpft wurde.
Die Stäbchen erwiesen sich nämlich als etwas
grösser und dicker wie gewöhnliche Rotz¬
bazillen ; ausserdem wurde Sporenbildung an
ihnen beobachtet. Bei Meerschweinchen traten
nach intraperitonealer Injektion grosser Kultur¬
mengen keine Krankheitserscheinungen auf.
Wenn auch das Verhalten dieser Kultur mit
einem von Preusse 33 •beobachteten Fall eine
auffallende Uebereijistimmung zeigte, so war
doch der Verdacht, dass hier eine Verunreini¬
gung vorliege, wohl begründet. Denn erstens
wissen wir heute, dass der Bac. mallei asporogen
ist. Ausserdem traten bei einem anderen Rotz¬
stamm, der dauernd bei 42 0 C gehalten wurde,
jene Veränderungen nicht ein. Zur Entschei¬
dung der Identitätsfrage benutzte Kleine die
Agglutinationsmethode. Eine geeignete Agglu¬
tinationsflüssigkeit erhielt er durch Abschwem¬
men abgetöteter Agar Kulturen mittels Phenol-
Kochsalzlösung. Die so entstandene schwach-
milchige Flüssigkeit wurde zur Befreiung von
gröberen Partikelchen durch ein dünnes Filter
gegossen; damit war sie gebrauchsfertig.
Ein spezifisches Serum gewann der Autor
von Ziegen und Eseln, denen er zunächst die
Aufschwemmung einer abgetöteten Agar-Kul¬
tur intravenös injizierte; nach Verlauf von
8 Tagen erhielt das betr. Tier nochmals die
gleiche Dosis. Nach weiteren 8 Tagen erfolgte
die Blutentnahme. Das Serum agglutinierte
Rotzbazillen noch in einer Verdünnung von
1 : 3000. Ein Ziegenserum hatte sogar den Titre
1 :20 000. Das Ergebnis der vergleichenden
Prüfung war folgendes: Das Rotzserum agglu-
tiniertc nicht im mindesten die verdächtigen
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3. Jahrgang
274
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
Bazillen. Umgekehrt blieben echte Rotzbazillen
unbeeinflusst von dem Serum eines Kaninchens,
das mit dem „abgeschwächten“ Stamm behan¬
delt worden war. Kleine hält daher diesen
Stamm für eine rotzähnliche Verunreinigung.
Bei drei anderen Stämmen, die ihm als
avirulente Rotzkulturen übergeben worden
waren und makroskopisch wie mikroskopisch
mehr oder weniger Aehnlichkeit mit dem Bac.
mallei besassen, konnte er durch die Aggluti¬
nation feststellen, dass sie mit diesem nicht
identisch waren.
Auch in die Beziehungen des Streptococcus
equi zu dem Schützschen Brustseuchecoccus
ist durch die Agglutinationsmethode Licht ge¬
bracht worden.
Hell 34 und F o t h 35 hatten beide Erreger
mit Rücksicht auf ihre grosse morphologische
und kulturelle Aehnlichkeit für Subspecies einer
Art erklärt. Lignieres 36 hält sogar beide
für identisch; nach seiner Ansicht kommt dem
Drusestreptococcus eine sekundäre Bedeutung
bei der Brustseuche des Pferdes zu. Den Be¬
weis für die Identität • beider sieht er u. a. in
der Tatsache, dass das Serum eines gegen den
Drusestreptococcus künstlich immunisierten
Hundes Mäuse gegen die tödliche Dosis von
Kulturen des Brustseuchecoccus zu schützen
vermag. Bongert 37 konnte demgegenüber
feststellen, dass das Serum eines mit Schütz-
schen Streptokokken behandelten Pferdes im
Mäuseversuch sich nur gegen diese, nicht aber
gegen den Streptococcus equi wirksam zeigte.
Zu den gleichen Ergebnissen führte die
Agglutinationsprüfung. Bouillonkulturen von
Schütz sehen Streptokokken verschiedenster
Provenienz wurden von dem Serum des oben
erwähnten Pferdes stark agglutiniert, Druse
bouillonkulturen dagegen nicht.
Für die Feinheit der Agglutinationsreak¬
tion sprechen die Resultate der von Hell und
Bongert an einer grossen Zahl von Pferden
ausgeführten Infektionsversuche. Es gelang
ihnen weder durch intratracheale Injektionen
noch durch Einspritzung grosser Kulturmengen
des Streptococcus S c h ü t z in die Nasenschleim¬
haut typische Druse zu erzeugen.
Kolle und Otto 38 haben die Aggluti¬
nationsmethode erfolgreich zur Differenzierung
der Staphylokokken herangezogen. Die Sta¬
phylokokken gehören bekanntlich zu den ver¬
breitetsten Mikroorganismen. Man findet sie
im Eiter, auf der Haut, auf gesunden und
kranken Schleimhäuten, an den Kleidern, im
Bodenstaub; kurzum: in unserer ganzen Um¬
gebung. Die Frage, ob die bei den verschie¬
densten pathologischen Prozessen des Menschen
oder als anscheinend harmlose Saprophyten ge¬
fundenen Traubenkokken eine einzige Art bil¬
den oder nicht, war in hygienischer wie thera¬
peutischer Beziehung von nicht zu unter¬
schätzender Bedeutung. Ihrer Lösung mittels
der gebräuchlichen Differenzierungsmethoden
standen erhebliche Schwierigkeiten im Wege.
Es hatte sich u. a. herausgestellt, dass die Farb¬
stoffbildung durchaus nicht als ein so sicheres
Artunterscheidungsmerkmal betrachtet werden
darf, wie man lange Zeit geglaubt hatte. Auch
die Tierpathogenität liess im Stich, da man
weder ein Verfahren noch ein geeignetes Ver¬
suchstier ausfindig machen konnte.
Angeregt durch die mit Hilfe der Agglu-
tinationsreaktion gelungene Trennung der
echten Typhusbazillen von den typhusähnlichen
Bakterien, der Cholerabakterien von den cho¬
leraähnlichen Vibrionen und der Pestbakterien
von den ihnen nahestehenden Mikroben, unter¬
nahmen es diese beiden Autoren, mit derselben
Methode eine Lösung der Staphylokokken-Art-
frage zu versuchen. Ihre Untersuchungen er¬
streckten sich auf 31 Staphylokokken-Stämme
verschiedenster Herkunft: Diverse, meist loka¬
lisierte eitrige Prozesse beim Menschen, Tier¬
körper, Gartenluft, Urin, Kleider, Platten Ver¬
unreinigung, gesunde Rachenschleimhaut usw.
Ein hochagglutinierendes Serum gewannen sic
von Kaninchen, denen sukzessive bis zu 60 ab¬
getöteter Agar-Kulturen intraperitoneal inji¬
ziert worden waren; es wurden vier verschie¬
dene Stämme zur Immunisierung benutzt, drei
pyogene gelbe (eitrige Peritonitis, Furunkel,
Luft) und ein Albusstamm aus der Kral sehen
Sammlung (Fundstelle nicht näher angegeben).
Den Prüfungen über die agglutinierende Wir¬
kung dieser Sera gingen entsprechende Unter¬
suchungen mit normalem Kaninchenserum vor¬
aus. Es ergab sich, dass dieses in einem Misch¬
ungsverhältnis von 1:10 (d. h. 0,1 ecm Serum
in 1,0 ccm physiologischer Kochsalzlösung, be¬
zogen auf 1 Oese = 2 mg Kulturmasse) keine
Verklumpung bewirkt, während das spezifische
Serum noch in einer Verdünnung von 1:1200
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Heft 12.
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
275
eine ganze Anzahl von Staphylokokkenstämmen
prompt agglutinierte.
Im besonderen konnte nachgewiesen wer¬
den, dass die mit pyogenen gelben Trauben¬
kokken (eitrige Peritonitis und Furunkel) her¬
gestellten Sera im Mindestverhältnis von
1 : 100 , meist jedoch bei Vsoo, V300 un( ^ V400 alle
diejenigen gelben Staphylokokken agglutinierte,
die als Erreger von Eiterungen, schweren Fu¬
runkeln usw. aus diesen rein gezüchtet worden
waren. Dagegen wurden die teils weissen, teils
gelben, aus Luft, Urin und Kleidern stammen¬
den Staphylokokken von diesen Seris nicht
stärker als durch Normalserum beeinflusst.
Ein durch Behandlung mit einem gelben
„Luftcoccus“ gewonnenes Serum war nur gegen
diesen und einen anderen, jedoch weissen „Luft¬
coccus“ wirksam. Eine Reihe anderer nicht-
pyogener Stämme wurde entweder gar nicht
oder nicht über den physiologischen Rahmen
hinaus agglutiniert. Nach diesen Ergebnissen
darf man mit Sicherheit annehmen, dass die
echten pyogenen Staphylokokken lange nicht
so saprophytisch in der Natur verbreitet sind,
als man bisher vielfach geglaubt hat.
Zu denselben, die Ubiquität der pathogenen
Stapylokokken negierenden Resultaten kamen
Kutscher und Konrich, 39 die 57 Sta¬
phylokokkenstämme auf ihre Agglutinabilität
prüften. 34 dieser Kulturen rührten von patho¬
logischen Prozessen her, die übrigen entstamm¬
ten der Luft, gesunder Haut und Schleimhaut,
Bodenstaub, Kleidung usw. Tinktoriell und j
kulturell erfüllten sie alle an echte Staphylo¬
kokken zu stellenden Anforderungen. Die
Untersuchungsergebnisse der beiden Autoren ge¬
winnen vor allem dadurch an Bedeutung, dass
die von ihnen als pathogen agglutinierten 41
Stämme sämtlich Hämolysinbildner waren,
während die durch die Agglutination als sapro-
phytisch erkannten kein Hämolysin bildeten.
Eine einzige Ausnahme machte ein Luftcoccus,
der — allerdings in starker Filtratkonzentra-
lion — eine minimale Spur von Hämolyse
zeigte.
Auch bei den Forschungen über die patho¬
genen Bakterien der Fleischvergiftungen gastro¬
intestinalen Charakters haben die spezifischen
Eigenschaften des Blutserums eine erfolgreiche
Anwendung gefunden. Sie haben, wie van Er-
menge m 40 sagt, „eine neue Periode in der
Geschichte dieser so häufigen Krankheiten er¬
öffnet.“
Nachdem Gärtner im Jahre 1888 ge¬
legentlich einer Epidemie in Frankenhausen am
Kyffhäuser durch die Isolierung des Bacillus
enteritidis die infektiöse Natur der Fleisch¬
vergiftungen gastro - intestinalen Charakters
nachgewiesen hatte, wurden bei zahlreichen
nachfolgenden Epidemien, die ebenfalls im An¬
schluss an den Genuss des Fleisches kranker
Tiere entstanden waren, Mikroorganismen iso¬
liert, die in ihren morphologischen, kulturellen
und toxischen Eigenschaften mehr oder weniger
dem Gärtner sehen Bazillus nahekamen. Es
erhob sich nun die Frage, welche Beziehungen
zwischen den einzelnen Vertretern der zur
Gruppe des Bac. enteritidis gehörigen Bakterien
bestünden.
Känsche, 41 Gärtner 42 u. a. wollten
unter Hinweis auf gewisse morphologische, kul¬
turelle und biochemische Besonderheiten eine
Trennung in verschiedene Spezien. Van E r -
mengem wies jedoch auf die geringe Bedeu¬
tung und Inkonstanz dieser differential-dia¬
gnostischen Merkmale hin. Nach seiner Ansicht
seien zwar alle diese Mikroorganismen nicht
absolut identisch untereinander, aber sie unter¬
schieden sich voneinander nicht mehr als zahl¬
reiche Varietäten oder Rassen anderer Mikro¬
organismenarten. Er erklärt sie daher für die
Vertreter einer einzigen Art, deren Typus der
Bac. enteritidis Gärtner sei. Die Lösung,
die diese Frage jedoch unter Zuhilfenahme der
Agglutinationsreaktion durch de Nobele er¬
fuhr, veranlasste ihn, seinen Standpunkt zu
ändern.
De Nobele 43 ging in folgender Weise
vor: Er verschaffte sich durch Einverleibung
grosser Kulturmengen in Kaninchen und Ziegen
ein hochagglutinierendes Serum und prüfte
dieses gegen 17 von den verschiedensten Epi¬
demien herrührende Stämme ; unter ihnen be¬
fand sich auch der Gärtner sehe Bazillus von
Frankenhausen. Als Resultat seiner Prüfungen
ergab sich, dass man bei den bis dahin isolierten
Mikroben von der Gruppe des Bac. enteritidis
zwei Hauptgruppen unterscheiden muss, als
deren typische Vertreter der Bac. enteritidis
Gärtner und der Bac. A e r t r y c k zu be¬
trachten sind. Zur ersten Hauptgruppe gehören
die Erreger der Epidemien von Frankenhausen,
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276
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
3. Jahrgang.
Moorseele, Gent, Brügge, Brüssel, Willebroek
Rumfleth und Haustedt, zur zweiten die Er¬
reger von 9 anderen Epidemien.
Auch über die Beziehungen der Mikroorga¬
nismen der Fleischvergiftung zu einigen, mor¬
phologisch und kulturell ihnen nahestehenden
Koliarten, die schon verschiedentlich als Er- i
reger von Fleischvergiftungen gastro-intesti- J
naler Form beschuldigt worden sind, hat uns j
die Agglutinationsmethode wertvolle Auf- j
Schlüsse gegeben. De Nobele 43 und j
Fischer 41 verdanken wir Untersuchungen j
hierüber. Ersterer gewann ein Serum, das eine ;
typische Coli commune-Art im Verhältnis
1: 3000 agglutinierte; auf 13 von verschiedenen
Fleischvergiftungs-Epidemien herrührende Va¬
rietäten wirkte es indes äusserst schwach.
(Grenzwert V20O
Fischer besass ein Serum, das alle zum
Typus Bac. enteritidis Gärtner gehörigen
Mikroben in Verdünnungen von 1:40000 ag¬
glutinierte, eine grosse Anzahl von Koli-Stäm-
men — darunter einige, die aus Fällen von Nah¬
rungsmittelvergiftungen (Käse, Leberwurst,
Gänseleberpastete) stammten — fast gar nicht
beeinflusste.
De Nobele hat weiterhin das Aggluti¬
nationsphänomen dazu benutzt, um den Grad
der Verwandtschaft festzustellen, der zwischen
den Bakterien der Fleischvergiftungen gastro¬
intestinalen Charakters einerseits und den Er¬
regern gewisser Tierkrankheiten (u. a. einer
von Thomassen beschriebenen Kälbersepti-
kaemie, dem Bac. mortificans bovis von Base-
nau und einer gewissen Form von infektiöser
Kälberenteritis [Malvoz]) andererseits be- j
steht. |
Der Thomassen sehe Bazillus reagierte j
sehr stark auf ein aus dem Bac. enteritidis
hergestelltes Serum, während die übrigen —
allerdings in starker Konzentration — von
einem Serum beeinflusst wurden, zu dessen Her¬
stellung der Bazillus von Aertryck benutzt
worden war. De Nobele hält es nicht für
ausgeschlossen, dass der Genuss des mit dem
Th 0 m asse n sehen Bazillus behafteten Kalb¬
fleisches dieselben Krankheitserscheinungen
beim Menschen hervorruft wie der Gärtner-
sche Bazillus.
Aehnliche Schlüsse zieht J acobsthal 4:>
aus einem von ihm mittels der Agglutinations¬
reaktion festgestellten Fall einer Typhusinfek¬
tion beim Rinde. Er hatte aus dem Milzabszess
einer im Strassburger Schlachthof beschlag¬
nahmten Kuh einen Mikroben gezüchtet, der in
seinen Eigenschaften eine ausserordentliche
Uebereinstimmung mit menschlichen Typhus¬
bazillen zeigte. Ein aus echten Typhusbazillen
hergestelltes Serum agglutinierte den fraglichen
Mikroben im Verhältnis von 1:3000 bis 1: 4000.
.Jacobsthal glaubt daher, dass der Genuss
dieses Fleisches bei Menschen sicherlich echten
Typhus hervorgerufen hätte. Van Ermen-
gern erklärt sich so die Entstehung gewisser
Epidemien (Andelfingen 1839 undKloten 1879;,
die auf den Genuss von Kalbfleisch zurückge¬
führt werden konnten und in klinischer Bezie¬
hung das Bild des echten Typhus abdominalis
darboten.
De Nobele 43 hat sich schliesslich noch
mit der Frage beschäftigt, ob und inwieweit
sich die Agglutinationsmethode bei der Beurtei¬
lung des Fleisches solcher Tiere verwerten lässt,
die an verdächtigen, bei der Beschau oft nicht
genügend ausgeprägten Affektionen (pyaemi-
sche, septische Prozesse, schwere Darmentzün¬
dungen, Lungenentzündungen usw.) gelitten
haben. Basenau, van Ermengem und
Poels haben für solche Fälle eine bakteriologi¬
sche Untersuchung vorgeschlagen; Oster tag
hat sie befürwortet. Nachteilig an ihr ist je¬
doch, dass die Entscheidung nicht vor 8—12
Stunden eintrifft. Die Agglutinationsmethode
soll dagegen, wie de Nobele versichert, schon
nach 1—2 Stunden ein Resultat liefern. Er fand
beispielsweise, dass der Muskelpresssaft von
Tieren, die mit Mikroorganismen vom Typhus
Bac. enteritidis infiziert waren, eine deutliche
agglutinierende Wirkung auf diese Mikroben
ausübt, während der Muskelpresssaft gesunder
Tiere nicht einmal im Mischungsverhältnis 7i
Agglutination hervorruft.
De Nobele betrachtet die Reaktion als
positiv, wenn bei V10 bis V20 Bakteriennieder¬
schläge ein treten. Bei negativem Ausfall rät er,
zum Kulturverfahren zu greifen.
Die guten Erfolge, die mit Hilfe der Agglu¬
tinationsreaktion bei der Erforschung einer
Reihe wichtiger Fragen der Bakteriologie er¬
zielt worden sind, waren ein weiterer Anlass,
dieser Methode vor allen übrigen den Vorzug
zu geben bei meinen Untersuchungen. Dieselben
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Heft 12.
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
277
erstreckten sich vorzugsweise auf folgende
.Fragen:
1. In welcher Weise werden Drusestrepto-
kokken und menschliche Streptokokken von
einem Druseserum agglutinativ beeinflusst?
2. Welcher Art ist die agglutinierende
Wirkung eines aus menschenpathogenen Strepto¬
kokken hergestellten Serums sowohl auf diese
als auch auf den Drusestreptococcus?
Als Versuchsmaterial standen mir zur Ver¬
fügung:
4 vom Menschen stammende Streptokokken
Stämme (Sepsis, Phlegmone, Scharlach, Gelenk¬
rheumatismus-Angina) und 3 Streptococcus
equi-Kulturen; Fundort: Abszess der Kehl
gangslymphdrüsen dreier verschiedener druse¬
kranker Pferde.
Besondere Schwierigkeiten verursachte die
Herstellung einer geeigneten Agglutinations¬
flüssigkeit. Während manche Autoren hierzu
diffus gewachsene Bouillonkulturen der zu
prüfenden Bakterien benutzen, ziehen andere
wieder künstliche Aufschwemmungen vor, wie
man sie sich durch Abschwemmen von Kultur¬
rasen fester Nährböden mittels physiologischer
Kochsalzlösung bereitet. Beide Methoden haben
ihre Licht- und ihre Schattenseiten.
Bouillonkulturen besitzen den Vorteil, dass
die Verteilung der Mikroorganismen auf dem
natürlichen Wege des Wachstums stattgefunden
hat, zweifelsohne also auch gleiehmässiger ist,
als bei der Kochsalzaufschwemmung. Während
man bei dieser peinlichst auf die vollständige
Zerreibung des Bakterienmaterials achten muss,
damit nicht durch etwaige ungenügend ver¬
riebene Klümpchen eine Agglutination vorge¬
täuscht wird, ist bei der Methode der Bouillon¬
kulturen, die ausserdem noch den Vorteil der
Einfachheit bietet, diese Fehlerquelle so gut
wie ausgeschlossen.
Nachteilig wirken bei dieser Methode fol- ;
gende Faktoren:
1. Der schwankende Salzgehalt der
Bouillon. Ueber den Einfluss der Salze auf die
Agglutination sind von verschiedenen Seiten
Beobachtungen gemacht worden. So kommen
Eisenberg und Volk 24 auf Grund ihrer [
Untersuchungen zu dem Schlüsse, „dass ver¬
schiedene Salze in verschiedenem Masse die Ag¬
glutination unvollständig oder vollständig zu
hemmen imstande sind.^
2. Soll die wechselnde Reaktion der
Bouillon das Agglutinationsergebnis beein¬
trächtigen können.
Viele Bakterien bilden Säure und zwar oft
in solcher Menge, dass die mit ihnen geimpfte
Bouillon ihre Alkaleszenz einbüsst und stark
sauer reagiert. In solchen Kulturen sollen nun,
sobald sie mit Serum in Berührung kommen,
Koagulationserscheinungen eintreten, die —
makroskopisch wenigstens — das Bild der Ag¬
glutination vortäuschen können. Von irgend¬
einer Seite ist dies zum Einwand gegen die Be¬
nutzung von Bouillonkulturen erhoben worden;
meines Erachtens nach zu Unrecht. Denn durch
Neutralisieren bezw. Alkalisieren der Kultur
vor dem Serumzusatz lassen sich solche Nieder¬
schläge vermeiden. Eine nachträgliche Säure¬
produktion Hesse sich durch Abtöten der Bak¬
terien verhindern. Streptokokken-Bouillonkul-
iuren werden beispielsweise durch Zusatz von
0,5 °o Phenol abgetötet, ohne in ihrer Agglu-
tinabilität Veränderungen zu erleiden.
Einen weit beachtenswerteren Faktor bil¬
den bei der Anwendung von Bouillonkulturen
die Wachstumsverhältnissie mancher Mikro¬
organismen.
Bekanntlich wachsen viele Bakterien, so
der Drusestreptococcus und auch manche vom
Menschen stammende Streptokokken auf Pep¬
ton-Fleischwasser unter Bildung eines Boden¬
satzes und Klarlassung der darüberstehenden
Nährflüssigkeit. Bei den letzteren kommt es
ausserdem nicht selten vor, dass ein bislang
diffus wachsender Stamm plötzlich das eben
beschriebene konglomerierte Wachstum zeigt.
Mit solchen Kulturen lassen sich natürlich keine
Agglutinationsversuche einwandfrei anstellen.
Ich entschloss mich daher für die Methode
der künstlichen Aufschwemmungen, die mir
bereits bei Pneumokokken-Agglutinationsver-
! suchen gute Dienste geleistet hatte. Die hierzu
benutzte Agglutinationsflüssigkeit wurde in der
üblichen Weise (Kulturentnahme von Agar-
Oberflächen mittels einer Oese von bestimmtem
Fassungsvermögen, feines Verreiben des Bak¬
terienmaterials an der Wand des Reagensglases
und Abschwemmen mittels der darin enthal¬
tenen 0,5 o/o phenol isierten physiologischen
Kochsalzlösung) hergestellt.
Der Versuch, in analoger Weise aus Druse-
streptokokken eine Agglutinationsflüssigkeit
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278
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
3. Jahrgang.
herzustellen, schlug fehl. Die zahlreichen Modi¬
fikationen (s. nachstehendes Versuchsprotokoll),
die ich an dieser Methode vomahm, konnten
daran nichts ändern. Stets trat nach wenigen
Stunden spontane Sedimentierung ein.
Versuchsprotokoll.
1. Je eine Oese Drusekultur der Stämme
I, II und III, Agar-Rasen entnommen, werden
in je 5 ccm steriler, physiologischer NaCl-Lö-
sung, die 0,5 °/o Phenol enthält, fein verrieben;
der gleichmässig getrübte Inhalt der drei Röhr¬
chen zeigt nach 2—3 ständigem Brutschrank¬
aufenthalt folgende Veränderungen: Die Flüs¬
sigkeitssäule ist völlig klar geworden, während
der Boden mit einer dünnflockigen Masse be¬
deckt ist, die sich bei kräftigem Schütteln der
Röhrchen so fein in die umgebende Flüssigkeit
verteilt, dass der status quo ante wiederherge¬
stellt ist. Nach mehreren Stunden tritt jedoch
wieder Sedimentierung ein.
2. Da die Sedimentbildung in erster Linie
auf physikalische Einflüsse (Länge und Schwere
der Kokkenketten) zurückzuführen war, so ver¬
suchte ich zunächst eine Sprengung der Ketten
auf mechanischem Wege herbeizuführen.
10 Agarkulturen von Stamm I werden mit
50 ccm physiologischer NaCl-Lösung abge¬
schwemmt; diese Aufschwemmung kommt in
ein steriles, Quarzsand enthaltendes Glas, das
nun dreimal je eine Stunde auf der Schüttel¬
maschine geschüttelt wird. Die Zerlegung der
Streptokokken war, wie sich mikroskopisch
nachweisen liess, nur unvollkommen gelungen.
Selbst durch längeres Schütteln konnten die
noch vorhandenen 8—12gliedrigen Ketten nicht
gesprengt werden. Die geschüttelte Auf¬
schwemmung wurde nun zentrifugiert, eine Oese
des Zentrifugats im 5 ccm Phenol-Kochsalzlö¬
sung verrieben. Weitere Behandlung und Resul¬
tat wie bei Versuch 1.
3. In dem Bestreben, eine vollständigere
Sprengung der Kettenverbände herbeizuführen,
wurde der Zentrifugenschlamm von Bouillon¬
kulturen der Stätnme I, II und III in einem
sterilen Mörser längere Zeit hindurch verrieben;
der Erfolg war kein besserer wie bei den ge¬
schüttelten Streptokokken.
4. wurde der Versuch gemacht, durch Her¬
stellung einer Glyzerin-Emulsion die Druse
kokken in eine länger anhaltende Suspension
mit der Kochsalzlösung zu bringen. Die An¬
ordnung der Versuche, die sich auf sämtliche
Stämme erstreckten war folgende: Eine be¬
stimmte Menge Zetrifugat von Bouillonkul¬
turen bezw. Agar-Oberflächenkulturen wurde
mit der gleichen Menge sterilen Glyzerins in
einem Mörser innig verrieben. Von dieser Emul¬
sion wurden sofort 0,1 ccm zu 10 ccm Phenol-
Na-Cl-Lösung gebracht. Es entstand eine gleich-
mässige, opalisierende Flüssigkeit, die aber
nach wenigen Stunden dieselben Veränderungen
zeigte, wie bei den Versuchen 1 —3. — Der
Rest der Emulsion wurde in zwei gleiche Teile
geteilt, von denen der eine im Thermostat
(37° C), der andere bei Zimmertemperatur auf¬
bewahrt wurde. Nach 14 Tagen bezw. 4 Wochen
wurden aus beiden Proben nochmals Auf¬
schwemmungen hergestellt, die sich aber genau
so verhielten wie die ursprüngliche.
Diese Misserfolge verwiesen mich nunmehr
auf die Benutzung von Bouillonkulturen, von
denen ich mir um so mehr versprach, als ich
inzwischen an meinen Drusestämmen eine eigen¬
artige Veränderung wahrgenommen hatte. Die
drei Stämme, die auf gewöhnlicher Bouillon
in der bekannten Weise (Flockenbildung und
Klärung der Flüssigkeit) wuchsen, zeigten
diffuses Wachstum, d. h. gleichmässige Trü¬
bung ohne Flockenbildung, sobald man diesem
Substrat 10 °/o menschlicher Ascitesflüssigkeit
zusetzte. Mich interessierte in erster Linie, ob
dieses Verhalten von seiten des Drusecoccus ein
konstantes war, da mir die Wachstums-Varia¬
tionen von Streptokokken menschlicher Pro¬
venienz auf Ascites-Bouillon bekannt waren.
Ich nahm daher von Zeit zu Zeit Ueberimp-
fungen von Druse-Agarkulturen in Ascites-
Bouillon vor. Mehrere Wochen hindurch zeigten
sich keine Abweichungen, bis plötzlich zwei
meiner Stämme in der gleichen Weise wuchsen
wie auf gewöhnlicher Bouillon; auch der dritte
gab bald sein diffuses Wachstum auf. Dieses,
die Agglutinationsversuche störende Verhalten,
das uns übrigens ein Beispiel für die Variabili¬
tät des Druseerregers liefert, konnte jedoch
beseitigt werden, wenn die kürzlich von T a -
vel 46 gemachte Beobachtung allgemeine Gül¬
tigkeit besass. T a v e 1 empfiehlt als geeignete
Agglutinationsflüssigkeit für menschenpatho¬
gene Streptokokken einen Nährboden von fol¬
gender Zusammensetzung: 1 °/o ige Zucker¬
bouillon wird mit Serum im Verhältnis 2:1
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Heft 12
Fortschritte der Veterinär - Hygiene.
279
vermischt. Streptokokken sollen in dieser Mi¬
schung unter Hervorrufung einer intensiven
Trübung wachsen, die durch Zusatz von homo¬
logem Serum sehr schnell unter Abscheidung
eines Bodensatzes in Klärung übergeht.
Um festzustellen, ob sich auch meine auf
Ascites-Bouillon konglomeriert wachsenden
menschlichen Streptokokkenstämme diesem
Nährboden gegenüber in der von Tavel an¬
gegebenen Weise verhielten, ferner, um zu er¬
mitteln, wie der Drusestreptococcus auf diesem
Substrat wächst, stellte ich Prüfungen an.
Neben der Tavel sehen Serumbouillon kamen
bei diesen Ermittelungen auch noch gewöhn¬
liche Bouillon, sowie Ascites-Bouillon als Kon¬
trollen zur Verwendung. Es wurden sowohl
die Wachstumsverhältnisse auf Pferdeserum-
Zuckerbouillon, als auch auf Zuckerbouillon
mit Rinderserum- bezw. Schafserumzusatz be
obachtet.
Meine Untersuchungen ergaben, dass die
menschenpathogenen Streptokokken sich auf
dem Tavel sehen Nährboden ebenso veränder¬
lich zeigen, wie auf den übrigen von mir be¬
nutzten Nährböden. Ein charakteristisches Bei¬
spiel aus meiner Versuchsreihe möchte ich nicht
unerwähnt lassen : Ein aus einer schweren Sepsis
isolierter Streptococcus wuchs seither auf
Ascites-Bouillon mit Bodensatzbildung und
völliger Klarlassung der Bouillon. Bei meinen
vergleichenden Prüfungen konnte ich folgendes
feststellen: Ascites-Bouillon wird intensiv ge¬
trübt; kein Bodensatz. Gewöhnliche Bouillon
wird nur schwach getrübt. In Pferdeserum-
Zuckerbouillon wird schwache Trübung hervor
gerufen; dickflockiger Bodensatz. In Rind^r-
serum-Zuckerbouillon die gleichen Erschei¬
nungen. In den mit Hammelserum versetzten
Röhrchen sind zahlreiche kleinste Flöckchen
suspendiert. Die Kuppe des Reagensglases ist
von einer dicken, filzigen Flocke ausgefüllt,
die sich beim Schütteln nicht vollständig auf¬
löst. Kulturflüssigkeit und eingeimpftes Bak¬
terienmaterial waren in allen fünf Röhrchen
quantitativ gleich. Die drei Normalsera ent¬
hielten keine Konservierungsmittel; eine
Wachstumshemmung durch solche war also
ausgeschlossen. Meine Drusestämme dagegen
riefen in der T ave Ischen Bouillon und zwar
bei Zusatz von Pferdeserum intensive Trübung
und keinen Bodensatz hervor. Ob dieses Ver- !
halten jedoch ein konstantes ist, vermag ich
nicht anzugeben, da ich keine Untersuchungen
nach dieser Richtung hin angestellt habe. Der
T ave Ische Nährboden eignete sich eben nicht
für meine Zwecke. Mir kam es vielmehr darauf
an, ein Substrat ausfindig zu machen, auf dem
sowohl der Streptococcus equi als auch die
menschenpathogenen Streptokokken die gleichen
kulturellen Erscheinungen — diffuse Trübung
des Mediums ohne Sedimcntbildung — hervor¬
riefen.
Ich versuchte es nunmehr mit den ver¬
schiedensten Nährboden-Kompositionen:
1. Gewöhnlicher Rindfleischbouillon und
gewöhnlicher Pferdefleischbouillon.
2. Desgleichen mit Zusatz von 5, 10 und
20 o/o menschlicher A scites-Flüsisigkeit.
3. Desgleichen plus Pferdeserum (5, 10 und
20 o.o).
4. Fleischextrakt-Bouillon mit und ohne
j Ascites bezw. Pferdeserumzusatz.
Auf diese Nährböden übertrug ich gleiche
Kulturmengen sämtlicher mir zur Verfügung
stehenden Streptokokkenstämme. Die geimpf¬
ten Röhrchen blieben ca. 20 Stunden im Brut¬
schrank.
Auf keinem dieser Substrate liess sich je¬
doch ein konstantes diffuses Wachstum erzielen.
Die für unsere Zwecke relativ günstigste
Nährflüssigkeit war die 10 °/o Ascites-Pferde-
fleischbouillon. Auf ihr wuchsen meine sämt¬
lichen Stämme mehr oder weniger intensiv trüb,
während sie auf den übrigen Substraten zu¬
meist konglomeriert wuchsen.
Bedauerlicherweise hielt aber die Trübung
keine 20 Stunden*) lang an, es trat vielmehr
kurze Zeit naöh der Entnahme aus dem Brut¬
schrank Sedimentierung ein.
Selbst unter Berücksichtigung des Alkali-
und Peptongehalts, auf deren wachstumsbeein¬
flussende Rolle Rahtjen 13 und Lingels-
h e i m 7 hingewiesen haben, gelang es mir nicht,
dauernd homogene Bouillonkulturen zu er¬
halten. Die diesbezüglichen Versuche waren
*) Diese Zeit ist unbedingt notwendig, da die
Agglutination der Streptokokken unter dem Ein¬
fluss spezifischen Serums erwiesenermassen nicht
vor 15—20 Std. eintritt. Die Streptokokken unter¬
scheiden sich dadurch wesentlich von den meisten
übrigen Bakterien, z. B. von den Typhusbazillen,
I bei denen der Agglutinationsvorgang meist inner-
! halb 2—3 Std. eintritt.
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280
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
3. Jahrgang.
folgende: Wie ich schon erwähnte, hatte R a h t -
j e n gefunden, dass eine starke Alkaleszenz
selten Ketten von 4 Gliedern aufkommen lässt;
häufig trat sogar nur Diplokokkenbildung ein.
Gelang es also, aus langen Ketten kurze zu
züchten oder gar die Streptoform in die Diplo-
form überzuführen, so waren die Haupthinder¬
nisse bei der Bereitung einer homogenen Ag¬
glutinationsflüssigkeit beseitigt. Ich durfte an¬
nehmen, dass die kurzen Ketten und Diplo¬
kokken in einer länger dauernden Suspension
blieben, als die langen Ketten. Meine Versuche
galten daher der Züchtung von Streptokokken
in stark alkalischer Bouillon (Pferdefleisch).
Ich bereitete mir zunächst eine Bouillon
von möglichst neutraler Reaktion (die Phenol-
Phtalein-Reaktion ergab einen Alkaligehalt
von 0,1 o/o). In je ein Röhrchen von 10 ccm
dieser Bouillon, der ausserdem noch 10 % Asci¬
tes zugesetzt wurden, kamen 0,1, 0,2, 0,3 usw.
bis 1,0 einer Vio Normal-Natronlauge. Dann
besäete ich diese Röhrchen mit gleichen Mengen
einer Streptokokken-Kultur und liess sie etwa
20 Stunden bei 37 °. Das gleiche geschah mit
allen übrigen Streptokokkenstämmen. Ein Teil
der Röhrchen — vornehmlich diejenigen mit
0,8—1,0 Vio Normallauge — erwies sich als
trüb mit wenigen Flocken am Boden, während
diejenigen mit geringerem Alkaligehalt anders
aussahen. Teils war die Flüssigkeitssäule mit
Flocken durchsetzt, teils war sie völlig klar,
während sich die Flocken am Boden des Glases
angesammelt hatten.
Nachprüfungen ergaben fast stets dieselben
Resultate. Wohl traten hin und wieder Schwan¬
kungen in der Intensität der Trübung ein, aber
niemals völlige Klärung der stark alkalisierten
Röhrchen. Mikroskopische Präparate der dif¬
fusen Kulturen zeigten Diplokokken und vier
bis achtgliedrige Ketten. Eine Kultur bestand
einmal nur aus Diplokokken. Diese Form
dauernd zu erhalten, gelang mir jedoch nicht.
Trotzdem trat bei allen getrübten Röhr¬
chen nach mehrstündigem Stehen reichliche Se¬
dimentbildung ein. Die über dem Sediment
stehende Flüssigkeit blieb trüb. Selbst, wenn
diese von dem Bodensatz vorsichtig abpipet¬
tiert und in ein neues Reagensglas übertragen
wurde, schieden sie aufs neue Bakterienhäuf¬
chen aus ihr ab.
Ich war nunmehr darauf bedacht, die Se-
dimentierung zu verhindern. Als das geeig¬
netste Mittel hierfür erschien mir der Zusatz
von Nährgelatine zu der vom Bodensatz be¬
freiten Kulturflüssigkeit. Vermöge seines
hohen Viskositätsgrades war dieses Medium
vielleicht imstande, ein „sich zu Boden senken 4 *
der Ketten zu verhindern. Bei einem Zusatz
von 15 °/o einer 15 °/o Nährgelatine gelang mir
dies auch, jedoch trat bei solchen Kulturen die
Agglutination nicht deutlich zutage, wie mich
ein orientierender Versuch belehrte. Bei gerin¬
gerem Gelatinezusatz liess sich eine Sedimen-
tierung nicht vermeiden.
Ueber die Misserfolge, die ich mit der
Züchtung auf Bouillon von verschiedenem Pep¬
tongehalt hatte, ist schon anfangs dieser Arbeit
berichtet worden.
Inzwischen war mir die von Kleine 3 -
angegebene Methode zur Herstellung einer Ag¬
glutinationsflüssigkeit au» Rotzbazillen zu
Gesicht gekommen. Ich versuchte sie bei den
Streptokokken und zwar mit gutem Erfolg.
Dieses Verfahren, dass ich nun fortan bei
meinen Versuchen anwandte, habe ich etwas
modifiziert. Es besteht darin, dass man den
Rasen von Schräg-Agarkulturen mit je 10 ccm
0,5 o/o Phenol-Na Cl-Lösung abschwemmt, diese
Aufschwemmung in eine Flasche mit Quarz¬
sand giesst, diese V 2 Stunde lang kräftig schüt¬
telt und den Inhalt durch ein Fliesspapier-Filter
giesst. Das Filtrat enthält reichlich Diplo¬
kokken und kurze Ketten in homogener Sus¬
pension und erhält sich lange Zeit gleichmässig
trüb.
Auch die Gewinnung spezifischer Sera ge¬
lang erst nach mehrfachen vergeblichen Ver¬
suchen.
Als erstes Versuchtier zur Herstellung
eines Druseserums! benutzte ich ein Kaninchen.
Schütz 1 behauptet, dass fliese Tierart
auf eine Infektion mit virulenter Drusekultur
in keiner Weise reagiert. Zu einem anderen
Ergebnis kommt Bongert, 37 der bei seinen
Immunisierungs-Versuchen nach mehrmaliger
intraperitonealer Infektion den Tod eintreten
sah. Ich begann bei meinem Kaninchen zu¬
nächst mit der intravenösen Injektion abge¬
töteter Kultur.
100,0 Bouillonkultur des Druse-Stammes
No. I wurden zentrifugiert, das Zentrifugat
in 10 ccm physiologischer Kochsalzlösung auf-
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Heft 12.
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
geschwemmt, die Aufschwemmung durch ein-
stündiges Kochen bei 65° C abgetötet, auf
Körpertemperatur gebracht und dann in die
Ohrvene injiziert. Das Tier reagierte mit einer
kleinen, nur einen Tag anhaltenden Temperatur¬
erhöhung und Abnahme des Körpergewichts.
Nach acht Tagen hatte es sein ursprüng¬
liches Gewicht wieder erreicht, so dass ich ihm
die zweite Dosis — Zentrifugat von 200,0 ab¬
getöteter Bouillonkultur des Streptococcus equi
No. I — geben konnte. Dieser Injektion, so¬
wie den weiteren folgten stets die oben ge¬
nannten Erscheinungen. Ich injizierte in Inter¬
vallen von acht zu acht Tagen 0,1, 0,5, 2,0 und
schliesslich 8,0 virulente Kultur. Unmittelbar
nach dieser letzten Dosis traten schwere Kol¬
lapserscheinungen auf, die nach 1/4 Stunde je¬
doch wieder verschwanden. Doch versagte das
Tier am Abend sein Futter; das Thermometer
zeigte IV 2 0 mehr als die rektale Durchschnitts¬
temperatur. Am folgenden Morgen war das
Tier verendet. Wie die Sektion ergab, war der
Tod durch Septikaemie eingetreten. Ein aus
dem Herzblut angefertigtes Ausstrichpräparat
zeigte zahlreiche Diplokokken in Reinkultur.
In einer aus demselben Material angelegten
Bouillonkultur Hessen sich kurze Ketten und
Diplokokken nach weisen. Ein zweites Kanin¬
chen, das ich nach demselben Schema immu¬
nisierte, erlag unmittelbar nach der zweiten
Injektion einer akzidentellen Pneumonie.
Von einer weiteren Kaninchen-Immunisie¬
rung sah ich nunmehr ab, da sich mir Gelegen¬
heit bot, meine Versuche an einem Pferd fort¬
zusetzen.
In dem Immunisierungsplan trat insofern
eine Aenderung ein, als ich dieses Tier mit Bak-
terien-Autolysaten behandelte. Brieger und
Mayer war es früher schon gelungen, durch
einfaches Schütteln von in Wasser aufge¬
schwemmten lebenden Cholerabazillen nach Fil¬
tration einen sterilen Auszug zu erhalten, der
im Tierkörper bakterizide und agglutinierende
Eigenschaften für den Cholerabazillus auslöste.
Aehnliche Versuche, welche diese Autoren
neuerdings 47 mit dem Typhusbazillus
machten, ergaben, „dass durch Suspension leben¬
der Typhusbazillen in destilliertem Wasser
schon bei einfachem Stehen bei niederer Tem¬
peratur und Zimmertemperatur Substanzen in
die Suspensionsflüssigkeit übergehen, die im
281
Tierkörper Agglutinine und Bakteriolysine er¬
zeugen, und dass durch stetiges Bewegen der
Bakterien im Schüttelapparat diese Diffusion
begünstigt wird, wohl dadurch, dass die Einzel¬
individuen in stärkeren Konnex mit den flüs¬
sigen Medien kommen.“
Merkwürdigerweise besassen die bei höch¬
stens 15° gewonnenen Autolysate im Gegensatz
zu den bei Brüttemperatur gewonnenen keiner¬
lei toxische Eigenschaften für Kaninchen. Es
erhielt beispielsweise ein Kaninchen eine 24
Stunden lang bei 15 0 geschüttelte Wasserauf¬
schwemmung zweier Typhus-Agar-Kulturen
intravenös. Das Tier blieb am Leben; sein
Blutserum zeigte 8 Tage p. i. bei 1:1600 kom¬
plette, bei 1:3200 noch Spuren von Aggluti¬
nation. Der bakterizide Titre betrug 0,0001.
Die Autolysat-Methode auch zur Gewin¬
nung eines agglutinationskräftigen Druse¬
serums heranzuziehen, erschien mir im Hin¬
blick auf die beim Bac. typhi gemachten gün¬
stigen Erfahrungen sehr aussichtsvoll. Neben
einer grossen Zeitersparnis bot diese Methode
noch den Vorteil, dass sie im Gegensatz zur
Immunisierung mit virulentem Bakterienmate¬
rial vor Tierverlusten schützte.
Wie ich schon erwähnte, diente als Ver¬
suchstier ein Pferd. Der Grösse dieser Tierart
entsprechend musste natürlich auch eine grössere
Kulturmenge zur Herstellung des Autolysats
benutzt werden, als man sie bei einem Kanin¬
chen gebraucht hätte. Eine weitere Modifika¬
tion bestand darin, dass ich statt Agar-Kulturen
Bouillon-Kulturen, bezw. deren Zentrifugen¬
schlamm benutzt?. Im übrigen entsprachen die
technischen Einzelheiten genau den von Brie¬
ger und Mayer angegebenen.
Ausführung des Versuchs: Dem Pferde
wurde zunächst ein Probeaderlass gemacht,
dessen Serum gegen den Drusestamm No. IV
auf Agglutination geprüft wurde. Dabei er¬
gab sich: y 2 positiv; 7io> Vssr Kontrolle
negativ. Nun erfolgte die intravenöse Injek¬
tion des in folgender Weise bereiteten Auto¬
lysats : 2 L. Ascites^Pferdefleisch-Bouillon-
kultur des Drusestreptococcus IV wurden zentri¬
fugiert, das Zentrifugat in Aqu. dest. aufge¬
schwemmt und unter öfterem Schütteln 24
Stunden lang bei Zimmertemperatur stehen ge¬
lassen ; diese Suspension wurde nun 15 Stunden
lang in einem auf. 37° eingestellten Brut-
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282
Fortschritte der Veterin&r-Hygiene.
schrank mit automatischer Schüttelvorrichtung
geschüttelt. Zum Schluss Filtration durch
Kerze und Prüfung auf Keimfreiheit.
Das Pferd vertrug die Injektion anstands¬
los; es traten weder Temperaturerhöhung noch
Gewichtsabnahme ein. Am achten Tage Blut¬
entnahme. Das Serum zeigte gegen den Stamm
IV genau denselben Agglutinationstitre wie
vor der Behandlung mit dem Autolysat. Zu
einer Agglutininbildung führte demnach diese
Methode nicht.
Unter Benutzung desselben Pferdes setzte
ich meine Versuche zur Gewinnung eines ag¬
glutinierenden Druseserums fort; eingeleitet
wurden dieselben mit der Injektion grosser
Mengen abgetöteter Drusekokken.
Bei einem Pferde, dem ich vor Monaten
grosse Dosen abgetöteter Pneumokokken ein¬
verleibt hatte, erzielte ich nach kurzer Behand¬
lungsdauer hohe Agglutinationswerte.
Diese Methode ist kein Novum; sie lehnt
sich eng an die Versuche an, die Neufeld
mit Streptokokken und Pneumokokken an Ka¬
ninchen gemacht hat. Wie er in seiner Ar¬
beit „Ueber Immunität und Aggluti¬
nation bei Streptokokken 48 mitteilt,
gelang es ihm, durch eine einzige Injektion ab¬
getöteter Kokken Kaninchen gegen ein Viel¬
faches der dosis letalis zu schützen. Nach zwei
bis drei Injektionen, von denen die erste mit
abgetöteten, die nachfolgenden mit virulenten
Bakterien erfolgten, lieferten diese Tiere ein
Serum, das in seinen immunisierenden und ag- j
glutinierenden Eigenschaften fast den Serum- !
proben gleichkam, die durch monatelange Be¬
handlung grosser Tiere gewonnen worden
waren.
Bezüglich der Agglutinationskraft des
Serums erinnert Neufeld an eine Erfahrung,
die er bei der Immunisierung gegen Pneumo¬
kokken gemacht hatte. Er fand nämlich, dass
zwischen der Agglutinationshöhe und der Quan¬
tität des injizierten Bakterienmaterials durch¬
aus keine Parallelität herrscht, sondern, dass
erstere einzig und allein von der Heftigkeit
der zuletzt durchgemachten Reaktion abhängig
zu sein scheint. Er hat diese Erfahrung bei der
Streptokokken-Immunisierung berücksichti gt
und verfuhr dementsprechend nach folgenden
Grundsätzen:
1. Es wird nur eine eipzige, subkutane oder
3. Jahrgang.
intravenöse Injektion von abgetöteter Kultur
vorgenommen. Man benutzt hierzu das Zentri-
fugat von Bouillonkulturen; die im Filtrat ent¬
haltenen Giftstoffe sind zur Immunisierung
überflüssig.
Die Abtötung der Bakterienleiber ge¬
schieht durch Hitze; sie halten eine Erwärmung
bis auf 70° ohne Beeinträchtigung ihrer immu¬
nisierenden Bestandteile aus.
2. Nach 10 Tagen geht man zu Injektionen
mit lebender Kultur über. Da es darauf an¬
kommt, hohe und mehrere Tage anhaltende
fieberhafte Reaktionen auszulösen, so gibt man
zweckmässig recht hohe Dosen.
Die durchschnittlich verabreichte Dosis
abgetöteten Streptokokken - Kulturzentrif ugats
entsprach 50 ccm Ascites-Bouillonkultur, von
der 0,00001 ccm ein Kaninchen innerhalb
36 Stunden tötete. Dieser hohe Virulenzgrad
war natürlich durch fortgesetzte Passagen
durch den Kaninchenkörper erzielt worden.
Mein Versuch zeigt nun von dem Neu¬
feld sehen insofern eine Ab weich uung, als ich
kein Kaninchen, sondern ein Pferd zur Immu¬
nisierung wählte. Natürlich musste hier eine
weit grössere Dosis gegeben werden. Ich in¬
jizierte das durch Hitze (V 2 Stunde X 65°)
abgetötete Zentrifugat von 2000,0 ccm Ascites-
Bouillonkultur des Streptococcus equi III intra¬
venös. Zuvor wurde noch ein Probeaderlass
zwecks Feststellung der Agglutinationskraft
des Serums gemacht. Etwa drei Minuten nach
der Injektion, während welcher das Pferd voll¬
ständig ruhig geblieben war, stürzte es plötz¬
lich zusammen. Ich konstatierte Dyspnoe,
schwachen, fast unfühlbaren Puls und völlige
Anaemie der Kopfschleimhäute. Wenige Se¬
kunden später trat der Tod ein. Eine Sektion
konnte nicht gemacht werden. Ich bemerke,
dass die Herrichtung des zu injizierenden
Materials wie die Injektion selbst unter allen
Kautelen vor sich gegangen waren. Als solche
kommen in Betracht: Längeres Schütteln der
Kultur auf der Schüttelmaschine, um die
Kettenverbände möglichst zu sprengen; Fil¬
trieren durch Wattefilter zur Zurückhaltung
von Gerinnseln, wie sie bei der Erhitzung des
Zentrifugats entstehen; reichliche Verdünnung
des Zentrifugats mit blutwarmer physiologi¬
scher Kochsalzlösung. Langsames Infundieren
in die Vene; Vermeidung von Luftembolien.
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Htef. 12.
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
283
Als nunmehrige Serumlieferanten wählte
ich Schäfe. Aus technischen Gründen zog ich
diese Tiere den Kaninchen vor, da bei diesen
die Injektionen und Blutentnahmen unsicher
und zeitraubend sind.
Versuch: Hammel 86 erhält zunächst
das durch Hitze (>/s Stunde X 65°) abgetötete
Zentrifugat von 50,0 Ascites-Bouillonkultur des
Drusestammes No. III unter Beobachtung der
oben angegebenen Regeln in die Jugularis in¬
jiziert. Die Mastdarmtemperatur, die vorher
durchschnittlich 39,0° C betrug, erhebt sich
auf 40,3°, 40,8°, 41,0°, 40,2°, um dann plötz¬
lich zur Norm zurückzukehren. An sonstigen
pathologischen Erscheinungen traten auf: Ver¬
minderte Fresslust, Mattigkeit, Abnahme des
Körpergewichts.
Nach Verlauf von 10 Tagen konnte die
zweite Dosis injiziert werden. Sie betrug das
Vierfache der ersten und war in der gleichen
Weise bereitet wie diese. Wieder traten die
eben erwähnten Erscheinungen auf. Sie ver¬
loren sich jedoch ebenfalls wieder nach etwa
vier Tagen. Am achten Tage p. i. machte ich
einen Probeaderlass, um das Agglutinations¬
vermögens des Serums festzustellen. Zuvor
hatte ich das Normalserum des Hammels nach
dieser Richtung hin geprüft. Die Werte, die
sich hierbei ergaben, sind aus der Tabelle A
ersichtlich.
Die technischen Einzelheiten dieser wie
aller folgenden Agglutinationsprüfungen, die
selbstverständlich unter sterilen Kautelen
auszuführen sind, seien in folgendem kurz an¬
gegeben ; Mittels graduierter Pipette füllt man
0,9 ccm Agglutinationsflüssigkeit in ein Spitz¬
gläschen, das 0,1 ccm Serum, bezw. Serumver¬
dünnung enthält. Die Herstellung dieser Ver¬
dünnungen ist sehr einfach. Als Verdünnungs¬
mittel dient physiologische Kochsalzlösung.
Durch die jedesmalige Zusammenfügung von
0,1 Serum bezw. Serumverdünnung ist bereits
das Mischungsverhältnis 1:10 geschaffen. Um
also beispielsweise das Mischungsverhältnis
1:50 zu bekommen, braucht man sich nur das
Verhältnis 1:5 herzustellen (0,1 Serum -f- 0,4
physiologische Na-Cl-Lösung). Davon gibt man
0,1 ccm zu 0,9 ccm Agglutinationsflüssigkeit.
Die Demonstration des Agglutinationsvor¬
ganges in Spitzröhrchen bietet gegenüber der
im Reagensglas mehrere Vorteile.
1. kommt man mit wenig Material aus;
2. ist das Resultat mit einem Blick zu
übersehen. Besonders sind feinste Häufchen
(bei unvollkommener Agglutination!) in der
weit dünneren Flüssigkeitsschicht des Spitz¬
gläschens leichter zu erkennen wie im Reagens¬
glas;
3. ist die positive Reaktion dadurch, dass
sich die zusammengeballten Bakterienhäufchen
in dem schmalen Grunde des Röhrchens an¬
sammeln, deutlicher wahrnehmbar.
Vorteilhaft ist cs, den Inhalt der Röhr¬
chen gut zu vermischen. Man erreicht dies
durch mehrmaliges Umkehren der mit kleinen
Korkstopfen verschlossenen Röhrchen oder —
bei Watte Verschluss — durch Umrühren ihres
Inhalts mittels einer Pipette.
Zu den Serum-Kulturröhrchen kommt noch
ein Kontrollröhrchen, das kein Serum enthält.
Sämtliche Röhrchen werden in einem Stativ
untergebracht und dann in den Brutschrank
(37°) gestellt. Nach 15stündigem Aufenthalt
in demselben werden sie zur Feststellung des
Resultats herausgenommen. Diejenigen Röhr¬
chen, die einen genügenden Serumzusatz er¬
halten haben, zeigen dann folgendes veränderte
Aussehen: Die vorher diffus getrübte Flüssig¬
keit ist glanzhell geworden; in dem zu einer
Spitze ausgezogenen Grund der Röhrchen hat
sich eine feinflockige Masse angesammelt.
Unter dem Mikroskop betrachtet, erweisen sich
diese Flocken als dichte Kettenknäuel. Form¬
veränderungen — etwa wie die Quellungser¬
scheinungen bei den Pneumokokken — sind an
den agglutinierten Streptokokken nicht wahr¬
zunehmen.
Neben dieser vollständigen Agglutination
(in der Tabelle mit ++ bezeichnet) trifft man
auch einzelne Röhrchen an, die nur unvoll¬
kommen agglutiniert sind (-f-). Makroskopisch
sieht man bei diesen folgendes: Die ganze
Flüssigkeitssäule ist mit feinsten Flöckchen
durchsetzt, während der Boden keinen oder nur
einen ganz geringfügigen Niederschlag auf¬
weist. Mikroskopische Präparate der Flöckchen
lassen Kettenhäufchen mit dazwischen liegen¬
den Diplokokken und Ketten erkennen.
Die Kontrollröhrchen dürfen keine Ver¬
änderung zeigen. Ihr Inhalt muss genau so
homogen sein wie vor dem Brutschrankaufent¬
halt.
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284
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
3. Jahrgang.
Tabelle A:
Agglutinationsvermögen des normalen Serums von
Hammel 86 (Drusehammel).
Vs Vio '/ao V® l /so Kontrolle
Druse I — — — — — —
Druse II — — — — — —
Druse III — — — — — —
Streptoc. 51 — — — — — —
(Sepsis)
Streptoc. 42 — — — — — —
(Scharlach)
Streptoc. 68 — — — — — —
(Phlegmone)
Streptoc. 75 — — — — — —
(Angina)
Das physiologische Serum dieses Hammels
agglutinierte also meine Streptokokkenstämme
nicht einmal im Verhältnis 1:5. Ob bei stär¬
kerer Konzentration — etwa Vs oder 3 /i ~
Agglutination eintreten würde, habe ich nicht
festgestellt.
Anders das spezifische Druseserum, das
dem nach der zweiten Injektion (Zentrifugat
von 200,0 abgetöteter Bouillonkultur des Druse¬
streptococcus No. III) gemachten Aderlass ent¬
stammte.
Hierüber gibt Tabelle B Auskunft.
Tabelle
B:
Vs
Vio
Vao
V®
•/«
V®
Kon¬
trolle
Druse I
++
++
++
++
++
—
—
Druse II
++
++
++
—
—
—
Druse III
++
++
+-t-
++
++
+
—
Streptoc. ßl
++
++
++
+
+
—
—
(Sepsis)
Streptoc. 42
(Scharlach)
++
+-H
+
—
—
—
—
Streptoc. 68
(Phlegmone)
++
++
+
—
—
—
Streptoc. 75
(Angine)
++
~b
Die Werte, die sich hierbei ergeben haben,
sind nicht besonders hoch zu nennen. Zweifel¬
los hätte die Agglutinationskraft des Serums
durch fortgesetzte Immunisierung mit noch
grösseren Mengen abgetöteter Kultur oder viru¬
lenten Drusekokken bedeutend erhöht werden
können. Immerhin erheben sich die erzielten
Werte beträchtlich über die mit dem normalen
Serum festgestellten.
Die drei Drusestämme wurden von dem
Druseserum deutlich agglutiniert; der zur Im¬
munisierung benutzte Stamm III etwas stärker
wie die heterologen Stämme I und II. — Weit
mehr interessiert uns das Verhalten des Druse¬
serums gegenüber den vom Menschen stammen¬
den Streptokokken. Agglutiniert wurden sie
sämtlich und zwar teilweise in der gleichen
Intensität wie die Drusestämme. Wir dürfen
also aus diesem Verhalten auf eine ausserordent¬
lich nahe Verwandtschaft zwischen beiden
Typen schliessen.
In dem zweiten Teil meiner Untersuch¬
ungen habe ich den umgekehrten Weg einge
schlagen. Hier wollte ich, wie schon erwähnt,
| die agglutinierende Wirkung eines aus mensch¬
lichen Streptokokken hergestellten Serums so¬
wohl auf diese als auch auf den Streptococcus
equi feststellen. Diese Prüfungen sollten ge-
wissermassen die Kontrolle zu den Ergebnissen
des ersten Teiles bilden. Denn, wenn das Druse
serum menschenpathogene Streptokokken ag¬
glutiniert e, so war es sehr wahrscheinlich, dass
umgekehrt ein aus menschlichen Stämmen be¬
reitetes Serum auf Drusestreptokokken den
gleichen Effekt ausübte.
Ein agglutinierendes Serum gewann ich
ebenfalls von einem Hammel, dem ich zunächst
das durch Hitze abgetötete Zentrifugat von
50 ccm 24 stündiger Ascites-Bouillonkultur
eines aus einer schweren menschlichen Sepsis
isolierten Streptococcus intravenös applizierte.
Die Injektion hatte genau dieselben Erschei¬
nungen wie bei dem Drusehammel zur Folge:
Fieber, Mattigkeit, Abnahme des Körper¬
gewichts.
Das Serum eines 8 Tage p. i. gemachten
Probeaderlasses entfaltete bereits eine deut¬
liche agglutinierende Wirkung auf den Sepsis-
Streptococcus (V25 + ; Normalserum 1 / 5 —).
Zur Erreichung höherer Agglutinationswerte
injizierte ich dem Tier zwei Tage später noch¬
mals die vierfache Dosis in die Blutbahn. Acht
Tage darauf Blutentnahme.
Vor der Behandlung hatte ich das nor¬
male Serum dieses Hammels auf seine agglu¬
tinierende Kraft geprüft. Das Ergebnis war
im allgemeinen das gleiche wie mit dem Nor¬
malserum des Drusehammels: Bei 1: 5 keine
Agglutination. Eine Ausnahme machte nur der
Drusestamm I, der in diesem Verhältnis un¬
vollkommen agglutiniert wurde.
Die agglutinierende Wirkung des spezi¬
fischen Serums ist aus folgender Tabelle er¬
sichtlich :
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Heft 12
285
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
T a b e 11 e C.
Vs Vio V» V» */40 V» 1 /ec troUe
Druse I ++ ++ ++ ++ ++ + - -
Druse II ++ ++ ++ ++ ++ ++-
Druse III ++ ++ ++ ++ ++ ++ - -
Streptoc. 51 ++ ++ ++++++++ -
(Sepsis)
Streptoc. 42 -]—f- —J—|— -j- — — — — —
(Scharlach)
Streptoc. 68 -f*~}~ ~j—j- “f -- 1— — — — —
(Phlegmone)
Streptoc. 75 ++ ++ + -f — —-
(Angina)
Wir sehen also in der Tat eine erhebliche
Beeinflussung der Drusestreptokokken durch
ein aus menschlichen Streptokokken herge¬
stelltes Serum. Sämtliche drei Drusestämme
werden genau so hoch agglutiniert wie der
homologe, d. i. der zur Herstellung des Serums
benutzte menschliche Stamm 51.
Es sprechen also auch die Ergebnisse dieses
Versuchs für eine ausserordentlich nahe Ver¬
wandtschaft, wenn nicht gar Identität des
Streptococcus equi mit den vom Menschen
stammenden Streptokokken.
Meines Erachtens stellt der Streptococcus
equi einen den menschlichen Kettenkokken
völlig artgleichen Erreger dar, der durch die
Uebertragung von Pferd auf Pferd einen hohen
Grad von Virulenz für diese Tierart erlangt
hat. Dass die Streptokokken durch Tierpassa¬
gen in ihrer Virulenz ganz enorm gesteigert
werden können, ist durch Versuche an Mäusen
und Kaninchen längst erwiesen.
Trotz seiner „Akklimatisierung 14 an den
Pferdekörper hat der Drusestreptococcus seine
Virulenz für den Menschen nicht ganz auf-
gegeben. Wenn er gelegentlich einmal den
menschlichen Körper befällt, so ruft er hier
die gleichen pathologischen Prozesse hervor, wie
mancher genuin menschliche Streptococcus.
Olt (persönliche Mitteilung) berichtet von
einem Falle, in welchem einer seiner Assisten¬
ten, der ein mit Drusestreptokokken intra¬
venös geimpftes und an Pyaemie verendetes
Pferd obduziert hatte, sich miliare Abszesse
am Nagelfalz mehrerer Finger zugezogen hatte.
Bloch teilt in der „Aerztlichen Sachver-
ständigenzeitung‘‘, Jahrgang 1904, folgende
interessante Fälle mit: Drei Personen, denen
die Behandlung bezw. Wartung eines druse-
kranken Pferdes oblag, zeigten nach Infektion
mit Druseeiter starke septikämißche Erschei¬
nungen. Die erste — Tierarzt Dr. J. — hatte
sich im Gesicht mit ausgehustetem Druseeiter
besudelt. Nach zwei bis drei Tagen traten
Schwellung der Kieferdrüsen, Fieber, Nephri¬
tis, Polyarthritis und eitriger Nasenausfluss
bei ihm auf; der Ausfluss sowie der Harn ent¬
hielten Streptokokken in grosser Zahl.
Der mit der Wartung des Pferdes betraute
Mann zog sich eine leichte Mandelentzündung
zu, der eine Lähmung des weichen Gaumens
folgte. Er starb im Krankenhaus; Sektion
wurde nicht gemacht.
Fuhrinspektor R. bekam Fieber, Hals¬
schmerzen, Mandelabszess, darauf Erkrankung
mehrerer Gelenke. Nach Vi Jahre trat Besse¬
rung ein, jedoch blieben Mattigkeit in den
Beinen und Schmerzen in der rechten Brust¬
seite zurück. Wenige Monate später zog sich
Patient eine Erkältung zu, die eine linksseitige
Facialislähmung, Geschwüre auf dem Kopf,
Rücken, Hodensack, After, Schenkelinnen¬
flächen, Mund und harten Gaumen im Gefolge
hatten.
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Bd. 44.
Oeffentliches Veterinärwesen.
Stand der Tierseuchen im Deutschen Reich
am 15. Februar 1906.
Der Rotz wurde festgestellt in Preussen,
und zwar im Regierungsbezirk Marienwerder
in 2 Gemeinden und 2 Gehöften, Berlin in
8 Gehöften, Regierungsbezirk Potsdam in 4 Ge¬
meinden und 5 Gehöften, Posen in 3 Gemeinden
und 3 Gehöften, Bromberg in 1 Gehöft, Liegnitz
in 1 Gehöft, Oppeln in 2 Gemeinden und
3 Gehöften, in Schleswig, Arnsberg und Kassel
in je einem Gehöft, in Bayern, Baden, Sachsen-
Weimar, Lippe und Hamburg in je einer Ge¬
meinde, zusammen in 22 Gemeinden und 32
Gehöften. Die Lungenseuche bestand
in einem Gehöft der Kreishauptmannschaft
Leipzig. Die Aphthenseuche herrschte
in 2 Gemeinden des Regierungsbezirkes Gum¬
binnen, in einem Gehöft des Bezirkes Marien¬
werder, in 3 Gemeinden und 5 Gehöften des
Bezirks Oppeln, zusammen somit in 6 Ge¬
meinden und 8 Gehöften. Die Schweine¬
seuche einschliesslich der Schweinepest
gelangte zur Feststellung in 1516 Gemeinden
und 2094 Gehöften.
Uebersicht über den Stand der
ansteckenden Krankheiten der Haustiere
in der Schweiz im Jahre 1905.
An Milzbrand verendeten 276 Tiere
(gegen 264 im Vorjahre), an Rauschbrand
843 (gegen 670). An Aphthenseuche
waren erkrankt und der Erkrankung verdächtig
4694 Stück Vieh (gegen 3210). Tollwut
trat in nur einem Falle auf (gegen 17), Rotz
in 10 (gegen 23). An Stäbchenrotlauf
erkrankten 1662 (gegen 7235) Schweine.
Schafräude wurde bei 950 (gegen 470)
Tieren festgestellt.
Referate.
Infektionskrankheiten.
Tarozzi. lieber das Latentlebe 11 der
Tetanussporen im tierischen Orga¬
nismus. Ctbl. f. Bakt., Bd. 40, 3 u. 4.
Die Ergebnisse seiner Untersuchungen stellt
Verf. in folgenden Schlüssen zusammen:
1. In den mit sporenhaltigen Tetanuskultureu
subkutan infizierten Tieren können die Sporen sehr
häufig in den Kreislauf übergehen und sich in
dem Infektionsherd entfernten Organen lagern.
Ihre Gegenwart in diesen Organen ist dann mittelst
Kulturen festzustellen, indem man Stücke der be¬
treffenden Organe in agar- oder bouillouhaltigen
Röhren zur Inkubation direkt in den Thermostaten
setzt.
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Heft 12
287
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
2. Diese einmal in den Organismus eingedrun¬
genen und sich in den tiefen Organen aufhaltenden
Sporen werden dann langsam entweder ausge¬
schieden oder vernichtet; doch vermögen sie —
besonders in einigen Organen, wie der Leber —
für eine sehr lange und unbestimmte Zeit, die
in des Verf.’s Untersuchungen bis zu 31/2 Monaten
nach der Injektion betrug, latent zu leben.
3. Treten geeignete Bedingungen dazu, die
wesentlich in Nekroseerscheinungen der sie be¬
herbergenden Gewebe bestehen, dann können diese
latenten Sporen wieder zum Vegetationsleben auf-
wachen und die Tetanusinfektion erzeugen.
4. Infolge dieser experimentellen Feststellungen
scheint es logisch, anzunehmen, dass jene Tetanus¬
fälle mit einer dunklen, so vielfach erörterten
Pathogenese, die manchmal beim Menschen auf-
treten und die unter dem Namen von rheumati¬
schem oder spontanem Tetanus bekannt sind, bei
denen man weder den Inkubationsherd noch den
unmittelbaren Eintrittsweg des Keimes finden
kann, der Entwicklung von schon lange an einer
verborgenen Stelle des Organismus latent lebenden
Sporen, infplge des Hinzutritts der geeigneten Be¬
dingungen zugeschrieben werden müssen.
Jacob.
C. P. Goggia. I fenomeni di necrobiosi
presentati dai bacilli tubercolari.
Ann. d. Inst. Maragliano, Anno I. 1904, No. 1.
Ref. im Ctbl. f. Bakt. 37, 7—10.
Die vorliegenden Untersuchungen erstrecken
sich auf vier Versuchsreihen:
1. Injektion einer kleinen Dosis lebender
Tuberkelbazillen unter die Haut von Tieren ver¬
schiedener Art (Meerschweinchen, Kaninchen, Maus,
Hund, Esel). Untersuchung des Saftes, der sich
an der Einimpfungsstelle bildet, aus der Beule
ausgezogen, jeden fünften Tag.
Am fünften Tage ist bei Meerschweinchen,
Kaninchen und Mäusen noch keine Veränderung
zu bemerken. Zu derselben Zeit sind aber bei
Esel und Hund die nekrobiotischen Veränderungen
der Bazillen ganz ausgesprochen, von denen eine
grosse Zahl von den Phagozythen verschluckt er¬
scheint.
Bei den darauffolgenden Beobachtungen sieht
man nach einer verschieden langen Zeit, die bei
den Hunden am kürzesten, bei den Meerschwein¬
chen am längsten ist, im Kampf gegen die Ver¬
teidigungsmittel des Organismus die Bazillen unter¬
liegen, zur Uebertragung der Krankheit unfähig
werden, bis sie schliesslich verschwinden.
2. Die Nekrobioseerscheinungen des Kochschen
Bazillus gehen bedeutend rascher vor sich, wenn
der Mikroorganismus in kleiner Menge unter die
Haut der Tiere injiziert wird, die zuvor einer
immunisierenden Behandlung, sei es mit Tuber¬
kulininjektionen, sei es mit Bouilloninjektionen
unterworfen wurden.
3. Die Nekrobioseerscheinungen finden schein¬
bar mit grösserer Geschwindigkeit statt, wenn der
Bazillus in Gewebe injiziert wird, in denen man
zuvor Tuberkulininjektionen gemacht hat.
Durch diese Untersuchungen kommt Verf. zu
dem Schlüsse, dass das Tuberkulin vor allem die
allgemeinen Verteidigungsmittel des Organismus
erhöht; es ist aber nicht unwahrscheinlich, dass
sich die immunisierende Wirkung des Tuberkulins
in einem erheblicheren Masse an den Geweben
zeigt, mit denen es in eine engere Berührung
kommt.
4. Die letzten Versuche waren darauf gerichtet,
das Schicksal der virulenten Tuberkelbazillen,
unter die Haut von tuberkulösen Tieren inokuliert,
zu ermitteln. Die Vernichtung der Bazillen tritt
deutlicher und prompter bei den vor kurzem
tuberkulös gewordenen Tieren auf, als bei den
schon längst von der Erkrankung betroffenen.
Jacob.
E. Almquist. Kultur von pathogenen Bak-
terieninDüngerstoffen. Z. f. Hyg. 52, 2.
Verf. kommt zu folgenden Schlussfolgerungen:
1. In gedüngter Erde, sowie in reinem Dünger
können nach Sterilisation und genügendem Wasser¬
zusatz die untersuchten Krankheitserreger von
Cholera, Typhus, Paratyphus, Dysenterie und auch
Bact. coli bei verschiedener Temperatur üppig
wachsen. Die Eiterkokken und deren Verwandte
vermehren sich darin spärlicher und werden im
folgenden ausseracht gelassen.
2. Die genannten Diarrhöebakterien gedeihen
nicht vorzugsweise in konzentrierten Schmutz¬
stoffen. Extrakte vom speziellen Gewicht von nur
1,005 bis 1,0026 können eine vorzügliche Nahrung
ausmachen. Umgekehrt kann ein mehr konzen¬
triertes, salpeterreiches Extrakt nach Verdünnung
ihnen mehr Zusagen.
3. In vorliegender Nahrung offenbaren die Bak¬
terien manches Bemerkenswerte. Die Vermehrung
der Typhusbakterien zeigt manchmal bei 20 0 C.
eine Kurve, die langsamer den Höhepunkt erreicht
als bei 18 0 C. Ein beträchtlicher Höhepunkt kann
sich in der zweiten Woche oder nocli später
äussern.
4. Der späte Höhepunkt der Typhuskurve stellt
mit Bildung von kleineren Wachstumsformen in
einem gewissen Zusammenhang.
5. Beim Zusatz von 2 oder I 1/2 °/o Kochsalz
wachsen die Erreger von Typhus und Cholera
üppig. Die Wachstumskurve verläuft hierbei oft
schneller.
6. Die Virulenz der Typhus- und Cholera¬
bakterien kann beim Wachsen in Düngerstoffen
während mehrerer Wochen unvermindert bleiben.
7. Der Choleraspirill bekommt unter gewissen
Verhältnissen grosse Neigung Kugeln, d. h. Koni¬
dien, zu bilden.
8. Die völlig entwickelte Cholerakonidie keimt
in Peptonbouillon zu einem Spirill aus.
9. Die Biologie der Erreger, ebenso wie die
Verbreitungsweise der Epidemien machen die
Theorie berechtigt, dass die bezüglichen Mikro-
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288
3. Jahrgang.
Fortschritte der Veterinär-Hygiene.
Organismen in Düngerflüssigkeit und gedüngter
Erde ausserhalb unserer Wohnungen wachsen
können. Jacob.
E. Sauerbeck. Beitrag zur path. Histo¬
logie der experimentalen Trypano-
somen-Infektion (mit Trypanos. Brucei).
Ztschft. f. Hyg. 52, 1.
Die Hauptergebnisse der Arbeit sind in einer
Zusammenfassung niedergelegt, deren wichtigste
Punkte hier wiedergegeben seien:
Bei weissen Ratten, Meerschweinchen, Kanin¬
chen, Hunden führt die Infektion mit Trypanosoma
Brucei unbedingt zum Tode, und zwar am rasche¬
sten bei Hunden und weissen Ratten (in wenigen
Tagen), langsamer bei Meerschweinchen und Ka¬
ninchen (Wochen bis Monate). Die Trypanosomen
vermehren sich im Körper ihres Wirtes, teils
stetig zunehmend wie bei Ratten, teils zeitweise
verschwindend, wie bei Meerschweinchen und
Kaninchen.
Im zirkulierenden Blute scheinen die Trypano¬
somen nur die zur typischen Längsteilung
führenden Veränderungen durchzumachen. In
Lymphdrüsen, Milz, Knochenmark und Leber da¬
gegen entstehen Veränderungen wie im Leichen¬
blut, d. h. Bildung rundlicher (Leissmanscher)
Körperchen, verknüpft mit bestimmten histo¬
logischen Veränderungen, vor allem der gross-
kernigen, protoplasmatischen Formen der freien
Zellen; sie vergrössern sich an Kern und Proto¬
plasma und nehmen, amöloiden Charakter an. In
den grossen Zellen findet man die veränderten,
rundlichen Trypanosomenformen, öfter aber nur
Reste von solchen, sowie leere Vakuolen-Stellen
vernichteter Parasiten. Es ist wohl das Vorhanden¬
sein dieser runden Formen auf Phagozythose zu¬
rückzuführen, und zwar sind hier dieselben Organe
phagozytär wie bei den anderen Infektionskrank¬
heiten. Ein Parallelismus zwischen der Dauer des
Widerstandes und dem Grad der Phagozythose war
nicht zu konstatieren. Jacob.
K. Schmitz. U e b e r Cholera vaccin. Ztscli
f. Hyg. u. Infekt. 52, 1.
Die aus der Arbeit sich ergebenden Resultate
sind kurz in folgenden Sätzen zusammengefasst:
1. Das nach dem Lustigschen Verfahren aus
Choleravibrionen extrahierte Nucleoproteid wirkt
in grossen Dosen auf den tierischen Organismus
stark toxisch. Aber auch in kleineren Dosen treten
zuweilen giftige Erscheinungen auf.
2. Bezüglich der Toxizität besteht kein Unter¬
schied zwischen dem einer virulenten Kultur oder
arivulenten Kultur entstammenden Nucleoproteid.
3. Dagegen bestehen bei Tieren gleicher
Gattung individuelle Schwankungen bezüglich der
Empfindlichkeit.
4. Nach einer einmaligen oder in kurzen
Zwischenräumen wiederholten Vaccination mit
einer kleinen Dosis ruft das Clioleranucleoproteid
einen hohen Immunitätsgrad hervor.
5. Die Immunität tritt innerhalb der ersten
24 Stunden nach der Impfung ein und dauert
je nach der Quantität des überimpften Vaccins
mehrere Monate.
6 . In dem Serum des mit dem Vaccin immuni¬
sierten Tieres treten spezifische Agglutinine auf.
7. Mittelst des Bordetschen Versuchs sind in
dem Nucleoproteidserum spezifische Immunkörper
nachweisbar. Jacob.
Wendelstadt und Fellmer. Einwirkung von
Brillantgrün auf Nagana-Trypano-
s o m e n. Z. f. Hyg. 52, 2.
Verff. kommen zu folgenden Ergebnissen:
1. Das Brillantgrün bringt die Nagana-Trypa-
nosomen aus dem mit denselben überschwemmten
Blute bei Ratten und beim Affen mit Sicherheit
zum Verschwinden. Man kann mit Brillantgrün¬
behandlung das Leben der Ratten und Affen ver¬
längern. Eine Kombination mit Arsenik erhöht
die Wirkung und bringt unter Umständen eine
Heilung zustande.
2. Das Blut einer Ratte oder eines Affen, die
nach der Infektion mit Brillantgrün behandelt sind,
iät zu einer gewissen Zeit nicht infektiös.
3. Bei dem Untergang der Trypanosomen im
Blut nach Brillantgrünbehandlung finden sich ganz
bestimmte Formen mit Zystenbildung. Dieser Zyste
glauben Verff. eine Bedeutung bei der Neubildung-
von Trypanosomen zuschreiben zu dürfen. Da mit
dem Brillantgrün uns ein Mittel gegeben ist, die
normalen Formen der Trypanosomen zu vernichten,
so ist ein genaueres Studium der Uebergangs-
formen ermöglicht. Das Studium der Neuentwick¬
lung der Trypanosomen wird dadurch auch er¬
leichtert.
4. Die Neuentwicklung geht wahrscheinlich in
der Milz vor sich; ob auch in andern Organen,
war bis jetzt nicht zu entscheiden.
Jacob.
Carles. Keimfreie Eier. La M6decine mo¬
derne 1905, No. 35.
Der Verf. überzeugte sich, dass die Eier keines¬
wegs steril sind, sondern dass sie allerhand Mi¬
kroben enthalten. Die Verteilung derselben ist
nicht gleichmässig, das Eizentrum ist nämlich fast
keimfrei, je näher der Schale, desto mehr Mi¬
kroben werden angetroffen. Die Infektion der
Eier entsteht im Eileiter, da die sekundären Ge¬
schlechtsorgane des Geflügels stets verschiedene
Mikroben enthalten. Dies betrifft vor allem die
Enten, welche bekanntlich mit Vorliebe in den
schmutzigsten Pfützen sich tummeln. Richtig ist
somit die Metschnikoff sehe Ansicht, die Eier
seien schon infiziert und sogar giftig, bevor sie
gelegt werden. Carles epfiehlt also die Eier¬
produktion den Apothekern (■ — Ref.) zu über¬
tragen, wie diese aber der Eierinfektion Vor¬
beugen sollen, ist leider vom Verfasser nicht an¬
gegeben. —
Baczyhski.
Filr d. Redaktion verantwort!. Kreistierarzt Dr. O. Prof6, Cöln a. Rh., Hansaring 50. Druck von Pass & Garleb G m.b.H, Berlin W .Ti
Verlag und Eigentum: Louis Marcus Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 61.
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