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Full text of "Fortunatus"

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* Volksbuͤcher / 


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Die deutſchen 
Volksbuͤcher 


herausgegeben von 
Richard Benz 


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bei Eugen Diederichs 
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Fortunatus! 


Ampedo / Andoloſia. Wie ein Juͤngling / ge⸗ 
boren aus demͤoͤnigreich Cypern / mit Namen 
ne in fremden / Landen in Armutund 

end kam / und ihm in einem wilden Wald 
die Jungfrau des Glücks in feiner Betruͤbniß 
begegnet / ihm einen Seckel gab, dem nimmer 
Gelds gebrach noch mangelte. Mit dem 
Seckel er darnach mannig Land und Koͤnig⸗ 
reich durch wanderet / auch zu König Soldan 
kam gen Alkeyr / der ihn zu Gaſt lud / und ihn 
alle ſeine Schatzkoͤſtlichkeit und Kleinod ſehen 
ließ / darnach ein alt haarlos Huͤtlein zeiget / 
genannt das Wunſchhuͤtlein / das ihm Fortu⸗ 
natus entfuͤhret / darmit heim zu Land in Cy⸗ 
pern fuhr / ſich allda verheiratete / und nach 
ſeinem Abſterben zween Soͤhne hinterließ / 
mit Namen Ampedo und Andoloſia / die den 
Seckel und das Huͤtlein von ihrem Vater erb⸗ 
ten. Was Fortunatus und nach ihm diegedach⸗ 
ten ſeine zween Soͤhne mit den zweien Klein⸗ 
oden Wunders geſtift und erfahren / Wolluſt 
und Freud / auch Not und Arbeit bis in ihren 
Tod erlitten haben / gar kurzweilig zu leſen. 


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in Land genannt Cypern iſt eine Inſel und Koͤ⸗ 
nigreich gegen der Sonnen Aufgang im Meer 
gelegen, faſt wonneſam, luſtig und fruchtbar aller⸗ 
hand edler natuͤrlicher Früchte; mannigem wiſſend, 
der zu dem heiligen Land Jeruſalem gefahren und 
im Fiben Königreich Cypern zu gelandet und da ge⸗ 
weſen iſt. Darinnen eine treffliche Stadt, genannt 
amaguſta, in welcher Stadt ein edler Buͤrger altes 
erkommens war geſeſſen, dem ſeine Eltern groß 

ab und Gut gelaſſen hatten, alſo daß er faſt reich, 
maͤchtig und darbei jung war, eines freien Mutes, 
wenig betrachtet, wie ſeine Eltern zu Zeiten das 
Ihre erſpart und gemehrt hatten. Und fein Ge⸗ 
muͤt war gaͤnzlich gericht auf zeitlich Ehr, Freud 
und Wolluſt des Leibs, und nahm an ſich einen 
koͤſtlichen Stand mit Stechen, Turnieren, dem Koͤ⸗ 
nig gen Hof zu reiten, und ander Sachen, damit 
er großes Guts ledig ward. Seine Freunde wohl 
konnten merken, daß er mehr ledig ward dann ſein 
Nutzung ertragen mochte. Und gedachten ihm ein 
Weib zu geben, ob ſie ihn von ſolchem ziehen moͤch⸗ 
ten, und legten ihm das fuͤr. Es gefiel ihm wohl, und 
verhieß ihnen darin zu folgen. Und als er ſich ſol⸗ 
chem begeben, fingen die Freunde an zu forſchen 
ihm um ein Gemahl. Alſo war ein edler Buͤrger in 
der Stadt genannt Nicoſia, iſt die Hauptſtadt von 
Cypern, da dann die Koͤnige von Cypern gemei⸗ 
niglich Hof halten, der hatte eine ſchoͤne Tochter, 


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genannt Graciana, die ward ihm vermaͤhlet, und 
ward nicht weiter gefragt, wie er ein Mann waͤre, 
ſondern von des Ruhmes wegen, fo er hätt, wie 
er ſo reich und maͤchtig waͤr, ward ihm die Jung⸗ 
frau gar koͤſtlich heimgefuͤhret; und hielt da eine 
koͤſtliche Hochzeit, als gemeiniglich 5 iſt, 
daß reiche Leute ihren Reichtum und Herrlichkeit 
inſonderheit auf ſolche Zeit beweiſen und erſcheinen 
laſſen. Als nun die Hochzeit vollbracht und voll⸗ 
endet ward, maͤnniglich an ſeine Ruhe kam, nahm 
der Buͤrger, der da genannt war Theodorus, die 
Jungfrau, und lebet mit ihr gar freundlich und tu⸗ 
gendlich. Darab ſeine Freund und auch der Braut 
Freund groß Wohlgefallen empfingen, vermeinten, 
ſie haͤtten ein gut Werk vollbracht, daß ſie Theodo⸗ 
rum, der ſo wild war, mit einem Weib alſo zahm 
haͤtten gemacht. Doch war ihnen unkund, was die 
Natur an ſich hat, daß das nicht wohl zu wenden 
iſt. Und indem ward Graciana ſchwanger eines 
Sohns und gebar den, eh das Jahr nach der Hoch⸗ 
zeit auskam, darab aber zu beiden Teilen die Freunde 
erfreut wurden. Der ward getauft und geheißen 
Fortunatus, darum Theodorus ſich auch erzeigt ein 
groß Wohlgefallen zu haben. Doch fing er an wie⸗ 
derum ſein alt Weſen zu haben mit Stechen, Tur⸗ 
nieren, viel Knechte, koͤſtliche Roſſe; ritt dem Koͤnig 
zu Hof, ließ Weib und Kind, und fragt nit wie es 
ging. Heut verkauft er einen Zins, den andern 


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Tag verſatzt er ein gelegen Gut. Das trieb er ſo 
lang und viel, bis daß er nicht mehr zu verkaufen 
und zu verſetzen hatte, und kam alſo zu Armut, hatte 
ſeine jungen Tage unnuͤtzlich verzehrt, und ward ſo 
arm, daß er weder Knecht noch Magd vermochte, 
und mußte die gute Frau Graciana ſelber kochen 
und waſchen als ein armes verkauftes Weib. Und 
als ſie nun einmal zu Tiſch ſaßen und eſſen wollten, 
en ſie gern wohl gelebt, wenn ſie es gehabt 
Der Sohn ſaß vor dem Vater und der Va⸗ 

ter ſah den Sohn gar ernſtlich an und ward innig⸗ 
lich und von Grund ſeines Herzens ſeufzen. Das⸗ 
ſelbe erſah der Sohn, der war nun bei achtzehn 
Jahren alt, und konnte nichts denn blos ſeinen Na⸗ 
men ſchreiben und leſen; doch konnt er wohl mit 
dem Federſpiel und mit anderm Waidwerk, das 
dann auch ſein Kurzweil war; der fing an und ſprach 
zu ſeinem Vater: „O mein lieber Vater, was liegt 
dir an oder was beweget dich zur Traurigkeit? = 
b an dir gemerkt, wenn du mich anſiehſt, daß du 
etruͤbt wirſt. So bitt ich dich lieber Vater, ſag 
mir, hab ich dich erzuͤrnt in einerlei Weg, oder voll⸗ 
uhr ich mein Leben nicht nach deinem Willen, das 
laß mich wiſſen, da ich doch des Willens bin, ganz 
in deinem Willen zu leben. Der Vater hub an 
und ſprach: „O lieber Sohn, darum ich traure, 
daran haſt du kein Schuld, ich kann auch niemand 
ſchuldigen; denn die Angſt und Not, darinnen ich 


1* 3 


bin, hab ich mir ſelbſt gemacht, und wenn ich gedenk 
an ſo groß Ehr und Gut, ſo ich gehabt hab, und 
daß ich ſo unnuͤtzlich deß ledig worden bin, das mir 
meine Vordern ſo treulich geſpart haben, als ich 
billig und von Rechts wegen auch gethan ſollt ha⸗ 
ben, und unſer alt Herkommen und Stamm in 
Würde haben geſetzt, das ich leider nicht gethan hab; 
und darum: wenn ich dich anſeh und gedenk, daß 
ich dir weder helfen noch raten kann, das beſchwert 
und bekuͤmmert mich ſo ſchwerlich, daß ich weder 
Tag noch Nacht keine Ruh mag haben. Auch daß 
mich alle die verlaſſen haben, mit denen ich mein 
Gut ſo mildiglich geteilt hab, denſelben bin ich jetzt 
ein unwerter Gaſt.! Und klaget alſo feine Not, da 
er innen war, mit betruͤbtem Herzen. 


¶ Wie Fortunatus mit dem Grafen von 
Flandern / ohn Wiſſen von Vater und Mut⸗ 
ter von dem Land Cypern hinwegfuhr. 


Der Sohn war betruͤbt um die Kuͤmmerniß ſei⸗ 
nes Vaters, hub an und ſprach: „O allerlieb⸗ 
ſter Vater, laß von deinem Trauern, und ſorge gar 
nichts fuͤr mich. Ich bin jung, ſtark und geſund, ich 
will gehn in fremde Lande und dienen. Es iſt noch 
viel Gluͤcks in dieſer Welt, ich hoffe zu Gott, mir 
werd ſein auch ein Teil. So haſt du einen gnaͤdigen 
Herrn an unſerm Herrn Koͤnig, dem mach dich 


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unterwuͤrſig zu dienen, der verläßt dich noch mein 
Mutter nit bis an euer End, und ſchaͤm dich deß nit, 
ſo es die Notdurft heiſchet. Und ſorg gar nichts fuͤr 
mich, du und mein Mutter habt mir genug ge⸗ 
than, daß ihr mich erzogen habet; darum ich euch 
großen Dank ſag, und ſchuldig bin, mein Lebtag 
Gott für euch zu bitten. Und ſtund alſo auf und 
ging mit einem Federſpiel, ſo er haͤtt, aus dem 
Haus, ging an des Meeres Geſtad, und gedachte 
was er anfangen wollte, damit er nicht mehr kaͤme 
für feinen Vater, daß er keine Beſchwerniß ab ihm 
naͤhme. Und als er an dem Meer hin und her ging, 
da hielt eine Galeere in dem Port, die war der Ve⸗ 
nediger Galeere, darauf die Pilgrim gen Jeruſa⸗ 
lem gefahren waren. Auf der Galeere da war der 
Graf von Flandern, dem waren zween Knecht ge⸗ 
ſtorben, und als der Graf nit mehr Geſchaͤft haͤtt 
bei dem Koͤnig, auch ſonſt der Patron fertig war 
und man aufbließ, daß man G Schiffe ging und 
weg fahren wollt, kam der Graf und viel ander 
edler Leut mit ihm, um daß ſie in die Galeere kaͤmen 
und die Schiffung nit verfaumten. Das ſah nun 
der betruͤbt Fortunatus und gedachte: „O moͤcht 
ich ein Knecht werden des Herren, mit — fahren 
ſo fern, daß ich nit mehr gen Cypern moͤchte kom⸗ 
men! und gedacht: „Frag ihn, ob er nit eines Knechts 
beduͤrfe !; ging gegen ihm und zog ab fein Barett 
und neiget ſich gar ſchoͤn, darbei der Graf wohl 


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merket, daß er nit eines Bauren Sohn war; hub 
an und ſprach: „Gnaͤdiger Herr, ich hab verſtan⸗ 
den, daß Euern Gnaden ſind Knecht abgangen, be⸗ 
darf Euer Gnad nit eins anderen?“ Der Graf 
ſprach: „Was kannſt du? Er ſprach: „Ich kann 
jagen, beitzen, und was zu Waidwerk gehoͤrt, und 
darzu verſehen einen reiſigen Knecht, wann es zu 
ſchulden kommt.! Der Graf ſprach: „Du waͤreſt 
wohl mein Fug; aber ich bin von fernen Landen und 
fuͤrcht, du zieheſt nit fo fern von dieſem Land.“ For⸗ 
tunatus ſprach: „O gnaͤdiger Herr, Ihr koͤnnt nit 
ſo fern ziehen, ich wollt es waͤr viermal ſo fern. Der 
Graf ſprach: „Was muͤßt ich dir zu Lohn geben? 
Fortunatus ſprach: „Gnaͤdiger Herr, ich begehr kei⸗ 
nen Lohn, dann darnach ich dien, darnach lohnet 
mir.“ Dem Grafen gefielen die Worte des Jungen 
wohl und ſprach: „Nun will die Galeere gleich gehn, 
biſt du fertig?” Er ſprach: „Ja Herr“ und warf 
das Federſpiel ſo er auf der Hand haͤtt in die Luft, 
ließ es fliegen, und ging ungeſegnet und ohn Urlaub 
Vaters und der Mutter mit dem Grafen als ſein 
Knecht in die Galeere, und fuhr alſo von Land und 
haͤtt wenig baar Geld bei ihm. Und kamen in kur⸗ 
zer Zeit mit allem Gluͤck gen Venedig. Und als ſie 
gen Venedig kamen, hatte der Graf von aller Herr⸗ 
lichkeit zu Venedig geſehn, daß ihn nit mehr viel hü- 
ſtet, länger da zu bleiben, fein Begierde ſtund wie⸗ 
der zu ſeinem Land und zu ſeinen guten Freunden; 


6 . 


dann er auch des Willens war, fo ihm Gott wie⸗ 
der von dem heiligen Land Jeruſalem heim huͤlf, 
wollte er ſich ein Gemahl nehmen, eines Herzogen 
Tochter von Cleve, die jung und faſt ſchoͤn war, und 
auch alle Ding abgeredt waren bis auf ſein Wie⸗ 
derkommen; darum er deſto mehr Begierde hatte 
bald wieder zu Land zu kommen. Und ließ ihm 
ferd kaufen, ruͤſt ſich zu; er kauft auch zu Venedig 
choͤne Kleinode von Sammet und von Gold, und 
ſonſt was zu einer koͤſtlichen Hochzeit gehoͤrt. Aber 
ob er gleich viel Knechte hatte, konnte keiner Welſch 
dann Fortunatus, und der war auch gar geſchickt 
u dem Kaufen zu reden. Darab der Graf ein groß 
ohlgefallen hatte und ihn lieb gewann. Das 
merkt Fortunatus und fliß ſich je laͤnger je baß 
ſeinem Herren zu dienen. Er war allweg der letzte 
von ihm und am Morgen der erſte bei ihm, das 
merkte der Herr an ihm. Und als man nun dem 
Grafen viel Roſſe kauft haͤtt, darunter etlich Schel⸗ 
men waren (als dann gewoͤhnlich iſt, wo viel Roß 
bei einander ſtehn, daß Schelmen darunter ſind) 
die mußte man dem Grafen alle muſtern und er 
teilte ſie unter ſeine Diener, und gab Fortunato 
eins bei den beſten. Das ward die andern Knechte 
verdrießen, und fingen gleich an, ihn zu haſſen, und 
ſagte einer zu dem andern: „Sehet an, hat uns der 
Teufel mit dem Walchen beſchiſſen.( Vermeinten 
alle, um daß er Welſch koͤnnt, er waͤre ein Walch, 


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wie doch er aus Cypern und rechter Geburt ein 
wohlgeborner Grieche war. Doch nit deſto minder 
mußten ſie ihn mit ihrem Herren reiten laſſen und 
durfte ihn keiner gegen den Grafen verſagen oder 
verunglimpfen. Alſo kam der Graf mit Freuden 
heim und ward gar ehrlich empfangen von allem 
ſeinen Volk, denn ſie hatten ihn gar lieb, er war ein 
frommer Graf, der ſeine Unterthanen auch lieb 
hatte. Und als er nun zu Land kommen war, da 
kamen die Umſaſſen und ſeine guten Freund und 
empfingen ihn gar ſchoͤn, und lobten Gott, daß er 
eine ſo ſelige Reiſe vollbracht haͤtte, und fingen an 
mit ihm zu reden von der Gemahlſchaft wegen, wie 
dann zuvor davon geredet war. Das gefiel ihm 
wohl, und bat und begehrt, daß man die Sache 
vollende, das auch in kurzen Tagen geſchah, und 
ward ihm des Herzogen Tochter von Cleve ver⸗ 
maͤhlet. Da ward zugericht eine große und koͤſtliche 
Hochzeit, davon viel zu ſchreiben waͤr, dann da ka⸗ 
men viel Fuͤrſten und Herren auf die Hochzeit. Alſo 
ward geſtochen, geturnieret und ſcharf gerennt, 
und ander Ritter ſpiel getrieben vor den ſchoͤnen 
und edelen Frauen, ſo dann die Fuͤrſten und Her⸗ 
ren mit ihnen da hin hatten gebracht, und die zuvor 
da waren. Nun, wieviel da Fuͤrſten und Herrn 
edler Knecht oder ſonſt Diener mit ihnen auf die 
Hochzeit Den hatten, ſo war doch keiner unter 
ihnen, deß Dienſt und Weſen gemeiniglich Frauen 


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und Mannen baß gefiel, dann Fortunatus, und 
fragten den Grafen, von wannen ihm der hoͤflich 
Diener kaͤm. Er ſagt ihnen, wie er zu ihm ſei kom⸗ 
men auf der Wider fahrt von Jeruſalem, und ſagt 
ihnen, wie er ſo ein guter Jaͤger waͤre, die Voͤgel 
in der Luft und die Tier in den Waͤlden waͤr kei⸗ 
nes ſicher vor ihm, zu dem daß er ſonſt wohl dienen 
koͤnnte, und jedermann halten nach dem er waͤre. 
ige ſolch Lob, das ihm ſein Herr gab, ward ihm 

iel geſchenkt von Fuͤrſten und von Herren und von 
edlen Frauen. 


4 
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¶ Wie Fortunatus im Stechen und Turnier 
bei ſeines Herren Hochzeit in Flandern das 
Beſte thaͤt / und beide Kleinode gewann. 


ls nun die Fuͤrſten und Herren geſtochen hatten, 

ward zu Rat der Herzog von Cleve und der 
Graf, ſein Tochtermann, ſie wollten der Herren 
Dienern, ſo auf der Hochzeit waͤren, zwei Kleinode 
ausgeben, darum ſollten ſie ſtechen und ſollten ſich 
in vier zerteilen, ſollten die zween Teil auf den einen 
Tag ſtechen, und die andern zween Teil des andern 
Tags, und wer je das Beſte that, der ſollte der Klein⸗ 
ode eines haben genommen, der eines bei hundert 
Kronen wert war. Der Herren Diener waren all 
froh, hatte jeder eine gute Hoffnung, er woͤllt das 
Beſte thun, und waren der Diener ſo viel, die ſtechen 


9 


wollten, daß ihrer wohl achtzig waren, daß je zwan⸗ 
zig wider einander ſtachen. Unter denen war For⸗ 
tunatus auch einer mit ſeines Herrn Wiſſen und 
Willen; und als ſie den erſten Tag ſtachen, da ge⸗ 
wann den Preis des Herzogen von Brabant Diener 
einer. Und als ſie des andern Tags ſtachen, aber 
zwanzig wider zwanzig, da gewann Fortunatus 


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den Preis. Da die das hörten, alle die geſtochen 
hatten, auch die andren fo nit geſtochen hatten, 
der viel mehr war, dann die geſtochen hatten, da 
hatten ſie alle gemeiniglich ein großes Mißfallen 
darab, daß Fortunatus das eine Kleinod gewonnen 

atte, und baten alle Timotheum, des Herzogen von 
Brabant Diener, der dann das eine Kleinod ges 


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wonnen hatte, daß er ſich dem Walchen, dem For⸗ 
tunato, ausböt, mit ihm zu ſtechen, und fein Kleinod 
an das ſeine ſetzte; das wollten ſie alle und jeder 
inſonderheit um ihn verdienen. Timotheus konnte 
die Bitte, ſo an ihn gelegt ward, von ſo viel guter 
Geſellen wegen nit wohl abſchlagen, und entbot 
Fortunato, wie er ſein Kleinod an das ſeine ſetzen 
wollte, und wollt mit ihm darum ſtechen vor den 
Frauen und Jungfrauen, und welcher das Beſte 
thaͤt, der ſollte die Kleinode beide haben. Da For⸗ 
tunatus das vernahm, bedacht er ſich nit lang, wie⸗ 
wohl er zuvor nit mehr geſtochen hatte, und ſaget 
ihm das zu. Dieſe Maͤr kam fuͤr die Herren, wie daß 
Timotheus und Fortunatus mit einander ſtechen 
wollten um ihre Kleinode. Das hoͤrten ſie gern. 
Und alſo ruͤſteten fie ſich gleich und kamen auf den 
Plan, und ritten mannlich auf einander, und hatt 
jeder gern das Beſte gethan. Doch am vierten Ritt 
rannte Fortunatus den Timotheus hinter ſeinen 
Gaul einer Lanze lang, und gewann da die zwei 
Kleinode, die zweihundert Kronen wohl wert wa⸗ 
ren. Da hub ſich erſt groß Neid und Haß, und aller⸗ 
meiſt unter des Grafen von Flandern Dienern. Aber 
der Graf ſah es faſt gern, daß ſeiner Diener einer 
die Kleinode gewonnen hatte, und haͤtt gemeint, alles 
ſein Hofgeſind ſollt es gern geſehn haben, und ihnen 
lieber geweſen ſein, denn daß ein Fremder die Klein⸗ 
ode weggefuͤhret haͤtt. Der Graf wußte aber nicht 


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um den Unwillen, fo feine Diener gegen Fortuna⸗ 
195 hatten; ſo durfte es auch keiner dem Grafen 
agen. 
Nun war ein alter Liſtiger unter ihnen, hieß Ru⸗ 
pert, der ſprach: Haͤtte er zehn Paar Kronen, ſo 
wollt er ſich unterſtehn und den Walchen darzu 
bringen, daß er ſelbſt eilends wuͤrd hinweg reiten, 
ohne Urlaub ſeines Herrn und maͤnniglichs, und 
wollte das alſo zuwegen bringen, daß unter ihnen 
keiner dardurch ſollte verargwohnet werden. Sie 
ſprachen alle zu ihm: „O lieber Rupert, kannſt du 
das, was feierſt du dann?“ Er ſprach: „Ich kann 
es nit zuwegen bringen ohne Geld.“ Und ſprach: 
„Nun gebe jeder eine halbe Krone, und bring ich 
ihn nit ab dem Hof, ſo will ich jedem eine ganze Kron 
dafuͤr wieder geben.“ Sie waren alle willig, und 
welcher ſie nit baar hatte, dem liehen die anderen, 
alſo daß ſie fuͤnfzehn Kronen zuwegen brachten und 
gaben die dem Rupert. Der ſprach: „Nun rede mir 
niemand in kein Sach und thu jedermann wie zu⸗ 
vor in allen Sachen.“ Dasſelbe verhießen ſie 10 
alle zu thun. Alſo fing Rupert an und geſellet ſich 
zu Fortunato und ward gar freundlich mit ihm re⸗ 
den und ihm von alten Geſchichten ſagen, ſo dann 
in den Landen waren geſchehn, und wie ein Herr 
dem andern ſein Land abgewonnen haͤtt; war auf 
die Meinung, er haͤtt einen gnaͤdigen Herrn, bei 
dem er ſein Lebtag moͤchte bleiben, ſo waͤre ihm auch 


12 


not, von alten Sachen zu wiſſen. Er faget ihm auch 
viel von ſeiner . und fing an und fuͤhrt 
chn zu ſchoͤnen Frauen, die er auch gar gern ſah, 
und wo ſie alſo hin kamen, ſo ſandte Rupert all⸗ 
wegen aus nach Wein und nach anderm guten Ge⸗ 
ſchleck, als dann Rupert wohl wußte was zu ſol⸗ 
chen Hofſtuben gehoͤrt; und war ihn ſehr loben, wie 
er faſt reich und edel waͤre, das nun Fortunatus wohl 
leiden mochte. Nun wenn ſie von den Hofſtuben 
heim kamen, ſo ging Fortunatus uͤber ſeinen Seckel 
und wollte ſeinen Teil des ausgebenen Gelds be⸗ 
zahlen. So wollte Rupert kein Geld von ihm neh⸗ 
men und ſprach, er waͤre ihm lieber denn keiner ſei⸗ 
ner Bruͤder, und was er haͤtte, das goͤnnet er ihm, 
und ſolcher guter Worte gab er ihm viel. Rupert 
wußte auch wohl, daß die Walchen nicht gern Geld 
ausgeben und meint, er koͤnnte nit wohl einen 

ern Schick anfahen, dabei man groͤßer Treu 
ſpuͤrte, dann fuͤr den andern Geld ausgeben. Nun 
trieben ſie das gar viel und oft bis Rupert ſchier kein 
Geld mehr hatte. Nun die andern, des Grafen Die⸗ 
ner, wurden inne, daß Rupert und Fortunatus zu 
den Hofſtuben gingen und alſo wohl lebten, da ſagt 
einer zu dem andern: „Meinet Rupert Fortuna⸗ 
tum mit dem Leben von hinnen zu bringen? Ja, 
waͤre er jenhalb dem Meer zu Cypern und wuͤßte 
ſolch Leben hie, er gedaͤchte ihm bald, wie er her kaͤme. 
Fuͤrwahr, thut Rupert nicht, was er uns verheißen 


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hat, er muß uns dreißig Kronen geben, und follte 
er nit mehr auf Erden haben.’ Die Wort wur: 
den Rupert geſagt, der ſpottete ſeiner Geſellen und 
ſprach: „Ich weiß ſonſt nit einen guten Mut zu ha⸗ 
ben, dann mit eurem Geld.“ Doch als ſie das Geld 
gar verbraucht hatten, an einem Abend faſt ſpat, da 
ſich der Graf mit ſeinem Gemahl an die Ruh ge⸗ 
macht hatte und nun niemand auf den Dienſt war⸗ 
ten mußte, kam Rupert zu Fortunato in ſeine Kam⸗ 
mer und hub an und ſagt zu Fortunato: „Mir iſt 
etwas in dieſer Stunde ins geheim geſagt worden 
von meines Herren Kanzler, der da inſonderheit 
mein guͤnſtiger und guter Freund iſt, und wiewohl 
er mir das gar teur und hoch verboten hat als lieb 
mir feine Freundſchaftſei, jedoch ſo kann und magich 
es dir als meinen guten Goͤnner und Liebhaber nit 
verhalten, wann es ein Sach iſt, die dich auch antref⸗ 
fen moͤcht, und iſt das die Sach: als du wohl weißt, 
wie unſer Herr der Graf ihm ein edles und ſchoͤn 
Gemahl genommen und dazu viel ſchoͤner Frauen 
und Jungfrauen in ſeinem Frauenzimmer hat, iſt 
ihm eine Fantaſey eingefallen und ſorget ſeines Ge⸗ 
mahls, auch der andren, ſo dann in dem Frauen⸗ 
zimmer bei ihr ſeind, vor denjungen Kaͤmmerlingen 
ſo ihnen dann dienen, wiewohl er in der Hoffnungiſt, 
ſie ſeien ſo ehrſam, daß ſie um kein Sach begehren 
Unehrliches zu thun. So liegt ihm doch im Sinn, 
wie es ſo ein blind Ding iſt um die Liebe, und wenn 


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die angezuͤndt wird und entbrinnet, wie hart die zu 
erloͤſchen iſt. Dann zwei liebhabende Menſchen, die 
in ganzen Treuen einander lieb haben, kann nie⸗ 
mand ſcheiden dann allein der Tod. Und um ſol⸗ 
chem fuͤrzukommen, ſo iſt ihm geraten, iſt das 
ganz auch ſein Meinung, und hat ſich das fuͤrge⸗ 
nommen zu thun, daß er morgen will reiten gen 
Lauffen, iſt eine große Stadt, und iſt auch da ein 
Bistum und Univerſitet, das iſt ein hohe Schul, da 
hat er zu rechten mit einem Grafen um eine große 
Sach, um Land und Leut, und wird koͤſtlich zu dem 
Rechten kommen, und alle ſeine Diener mit ihm 
nehmen, dann er weiß wohl, daß der Graf von Sant 
Poll, ſo wider ihn iſt, auch koͤſtlich kommen wird. 
Und die weil er alſo da fein wird, fo will er die vier 
Frauendiener laſſen verſchneiden, es ſei ihnen lieb 
oder leid. Dann es iſt gar ein guter Meiſter zu Lauf⸗ 
fen. Und will das alſo zuwegen bringen, daß deren 
keiner es von dem andern inne werden muß, und iſt 
ſein Fuͤrnehmen: ſo bald er gen Hof kommt, ſo will 
er den Meiſter beſtellen, daß er drei oder vier gut 
ſtark Knechte beſtell, und auch dazu vier Bauren⸗ 
haͤuſer an der Einoͤde, ſo wolle er ihm ſeiner Die⸗ 
ner vier ſenden, alle Tag einen, und dem ein Pferd 
geben, das er ſeinem Gemahl bringen ſoll, alsdann 
ſo ſoll er auf einen jeglichen am Morgen warten, 
und ſie fahen und mit Gewalt fuͤhren, ihrer jeglichem 
beide Glieder, oder, daß man es deſter baß verſteht, 


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beide Hoden ausſchneiden, . gar guͤtlich thun, 
und gar keinen Mangel laſſen, guten Fleiß brau⸗ 
chen, daß ſie gar wohl geheilet werden. Und ſoll 
auch das niemand ſagen, noch daß es einer von dem 
andern innen werde, und ſo ſolches geſchehen iſt, ſo 
wird er ſie wieder heim fuͤhren und in das Frauen⸗ 
zimmer thun und den Frauen laſſen dienen wie zu⸗ 
vor. Auch fo will er feinem Gemahl ſolches fagen, 
und ihr verbieten, daß ſie es heimlich haͤlt; ſo weiß 
er wohl, daß ſie es ihrer oberſten Kaͤmmerin ſagen 
wird, und alſo darnach je eine der andern, bis ſie es 
alle innen werden. Und damit ſo vermeint er fuͤr⸗ 
zukommen, daß kein Eingang fuͤrohin entſpringe 
der Liebe in ſeinem Frauenzimmer. Dann er wiſſe 
wohl, daß keine Frau keinen verſchnittenen oder ho⸗ 
denloſen Mann moͤge lieb gewinnen, dann es ganz 
wider die Natur iſt.“ Da Fortunatus die Wort 
vernahm, erfchraf er zumal ſehr, und ſprach, ob er 
keinen Ausgang aus der Stadt wuͤßte, ſo wollt er 
ihn bitten, daß er ihm den weiſet, er wollt von Stund 
an hinweg und ſeines Herrn Fuͤrnehmen nit er⸗ 
warten: „Und gaͤb er mir all ſein Gut und koͤnnte 
mich zum Koͤnig in Engelland machen, ſo will ich 
ihm keinen Tag mehr dienen; darum lieber Rupert, 
hilf und rat, daß ich hinweg komme.“ ert 
ſprach: „Wiſſe, lieber Fortunatus, die Stadt iſt an 
allen Orten beſchloſſen und kann niemand weder ein 
noch aus kommen bis morgen fruͤh, ſo man Metten 


16 


lautet, fo ſchließt man das Thor auf, genannt Porta 
de Vacha, das iſt die Kuͤhpfort, die ſchleußt man am 
fruͤheſten auf. Aber lieber Fortunatus, wenn es 
um mich ein ſolch Geſtalt hatt als um dich, fo 
wollte mich ſolches nit faſt wideren, dann du waͤreſt 
ein gemachter Junkherr dein Lebtag, und ich wollte, 
daß man mich zu ſolchem aufnaͤhme, wollt mich 
gar nicht bedenken und mich darein geben.“ For⸗ 
tunatus ſprach: „Wer ſolches begehr, ſo woͤlle 
Gott, daß es ihm widerfahr, ich will nichts davon 
N ſagen, und der mir die Wahl gaͤbe, ob ich mich 
ef ausſchneiden, daß ich Koͤnig zu Frankreich waͤre, 
oder unverſchnitten muͤßt betteln gehn mein Leb⸗ 
tag, ſo beduͤrft ich keines Rats noch darauf mich 
a" bedenken. Ich wollte eh betteln gehn, und eine 
acht nicht liegen, da ich die anderen gelegen wär.” 


(Wie Fortunato ein Grauſen gemacht 
ward / daß man ihn kapponen wuͤrd / deß⸗ 
halben er heimlich hinwegfloh. 


Riwert ſprach: „Mir iſt leid, daß ich dir dieſe 
Dinge offenbaret hab, fo ich verſteh, daß du alſo 
von hinnen willſt; dann ich hab all mein Hoffen auf 
dich gehabt, daß wir als Bruͤder wollten mit ein⸗ 
ander gelebt haben und unſre Zeit mit einander ver⸗ 
trieben. So du aber des Willens biſt, daß du je von 
binnen willſt, fo laß mich doch durch Geſchrift wiſ⸗ 


2 F 17 


fen, wo du dein Weſen haben willſt. So dann unfer 
Herr ſein Frauenzimmer verſehen hat mit ver⸗ 
ſchnittenen Kaͤmmerlingen, wollt ich dir ſchrei⸗ 
ben, fo moͤchteſt du dann wiederkommen. Denn mir 
zweifelt nit, du habeſt allweg einen gnaͤdigen Her⸗ 
ren.! Fortunatus antwortet gar ſchnell und ſprach: 
„Du ſollſt mir weder ſchreiben noch entbieten, und 


dieweil ich leb, ſo komm ich an den Hof nit mehr, 
und ich bitte dich, du wolleſt es nit offenbaren, daß 
ich alſo von Land geritten ſei, ich ſei denn zuvor drei 
Tage hinweg geweſen.“ Rupert ſprach zu Fortu⸗ 
nato: „Ich gelob dir das ſicherlich !; und nahm alſo 
Urlaub von ihm und ſtellt ſich gar klaͤglich, als ob 
er trauren wollt, ſprechend: „Die Gnade Gottes 


18 


und das reine Herz Mariä der reinen Magd, und 
der Segen aller Gottes Heiligen, die woͤllen dich ge⸗ 
leiten und in allen deinen Geſchaͤften mit dir ſein 
und dich vor allem Herzleid behuͤten“; und ſchied 
alſo von ihm. O was guter Wort gingen da aus 
einem falſchen Herzen! O Judas, wie haſt du ſo viel 
Erben hinter dir gelaſſen! Alſo ſchied Rupert von 
Fortunato. Es war nunum Mitternacht, daß da ge⸗ 
meiniglich jedermann ſchlaͤfet. Fortunato war kein 
Schlafen in ſeinem Sinn, ihn daͤucht eine Stund 
eines Tags lang, dann er beſorget, wuͤrde der Graf 
innen, daß er hinweg wollte, er wuͤrde ihn laſſen fa⸗ 
hen, und wartet mit Angſt und mit Not, bis daß 
der Tag her brach; da war er auf geſtiefelt und ge⸗ 
ſpornt, und nahm ſein Federſpiel und Hund, als ob 
er auf das Gejaͤg reiten wollte, und ritt alſo eilends 
hinweg, eilet ſo ſehr: und waͤr ihm ein Aug ent⸗ 
fallen, er haͤtte es nit mehr aufgehoben. Und als er 
bei zehn Meilen geritten war, da kaufet er ein ander 
ferd, und ſaß auf, und ritt eilends fuͤrbaß. Doch 

o ſandte er dem Grafen ſein Roß, Hund und Feder⸗ 

ſpiel alles wieder heim, daß er nit Urſach haͤtt, ihm 
nachzuſenden. Da nun der Graf innen ward, daß 
Fortunatus hinweg war 1 — Urlaub, und er ihm 
keinen Unwillen bewieſen hatte, auch hatte er ihm 
keinen Sold gegeben, da nahm es ihn fremd, und 
fragt die Diener all und jeglichen in Sonderheit, 
ob keiner wiſſet, was doch die Urſach waͤre ſeines 


2* 19 


Hinſcheidens. Sie fagten alle, fie wuͤßten es nicht, 
und ſchwuren alle, fie hätten ihm kein Leid gethan. 
Der Graf ging ſelber zu ſeinem Gemahl in das 
Frauenzimmer und fraget ſie und die andern all, 
ob ihm jemand etwas Verdruß gethan haͤtt, oder 
jemand wuͤßte, was die Urſach waͤr ſeines Weg⸗ 
ſcheidens ohn Urlaub. Sein Gemahl und die an⸗ 
dern alle ſagten, ſie wuͤßten nit, daß ihm kein Leid 
geſchehen waͤre, weder mit Worten noch mit Wer⸗ 
ken; dann am Abend, als er von ihnen gangen 
waͤr, da waͤr er froͤhlich geweſen und haͤtt ihnen 
von ſeinem Land geſagt, wie die Frauen da gekleidet 
gingen, und von andern Sitten und Gewohnheiten 
„und ſagte das mit ſo boͤſem Teutſch, daß wir das 
Lachen nit konnten verheben. Und da er uns lachen 
ſah, fing er auch an zu lachen, und mit lachendem 
Mund iſt er von uns gefchieden.”’ Der Graf ſprach: 
„Kann ich es jetzt nit innen werden, warum Fortu⸗ 
natus alſo hinweg iſt, ſo werd ich es hienach innen. 
Und fuͤrwahr, werde ich innen, daß etwa der Mei⸗ 
nen einer Urſach iſt ſeines Hinwegſcheidens, er ſoll 
es mir entgelten. Denn ohne Urſache iſt er nit alſo 
von hinnen geſchieden, ich weiß, daß ihm bei fuͤnf⸗ 
hundert Kronen vorgeſtanden ſind, dieweil er hie 
geweſen iſt, und ich hatt gemeint, er haͤtte ſein Leb⸗ 
tag nit von hinnen begehrt. Ich verſtehe aber wohl, 
daß er nit Mut hat, herwieder zu kommen, ſo er ſeine 
Kleinode und was er Gutes hat, mit ihm hinweg 


20 


genommen hat. Da nun Rupert verſtund, wie ſei⸗ 
nem Herren ſo leid um ihn war, da fiel ihm eine 
Furcht ein, und hatte Sorg, ſeiner Geſellen einer 
moͤcht etwan ſagen, wie Rupert ihn weggeſchafft 
und ging zu allen und jedem inſonderheit, bat 
daß ſie nimmer meldeten, daß er ein Urſacher 
waͤr ſeines Hinwegſcheidens; das gelobten ſie ihm 
gar treulich, doch haͤtten ſie gern gewußt, mit was 
Liſtigkeit er ihn darzu gebracht haͤtt, daß er ſo eilends 
und ohn Urlaub, als ob er etwas Merkliches ge⸗ 
haͤtte, weg geflohen waͤr. Da war einer unter 
ihnen, der da für die andern wohl an Rupert war, 
lag ihm an mit Fragen, haͤtte gern gewußt, wie er 
ihn hinweg gebracht haͤtt. Da er nit ablaſſen wollte 
von Fragen, ſagt er ihm, wie Fortunatus ge⸗ 
ſagt haͤtt das Weſen ſeines Vaters, wie er zu Ar⸗ 
mut kommen waͤr, und an des Koͤnigs Hof von 
Cypern dienete; „habe ich ihm geſagt, wie ein rei⸗ 
tender Bote eilends ritte zum Konig von Engelland, 
ihm zu fagen, wie der König von Cypern tot fei, 
dann ſie waͤren geborene Freund, und der hab mir 
geſagt, wie der Koͤnig bei Leben und geſundem Leib 
Theodorum, ſeinen Vater, habe gegraͤfet und ihm 
eine Grafſchaft gegeben eines Grafen, hieß Graf 
Anſelmus von Teratzino, der iſt geſtorben 55 Lei⸗ 
beserben; und alſo waͤr Theodorus der erſte, der 
den König um das Lehen baͤte, da es dem König 
heimgefallen war, und alſo haͤtt ihm der Koͤnig die 


21 


Grafſchaft gleich gegeben, ihm und feinen Erben, 
und ihn mit Brief und Siegel darum verſorgt nach 
aller Notdurft. Da ich das ſaget, gab er meiner 
Red nit viel Glaubens, denn daß er ſprach: Ich 
wollte gern, daß es meinem Vater wohl ginge.“ 
Doch auf ſolches iſt er weg geritten. Da die andern 
Diener die Rede vernahmen, ſprach einer zu dem 
andern: „Wie iſt Fortunatus ſo unweis geweſen, 
waͤr ihm ein ſolches Gluͤck zugeſtanden und er haͤtte 
das unſerm Herren geſagt, er haͤtte ihn an ehr⸗ 
lich zugeruͤſtet und unſer drei oder vier mit ihm ge⸗ 
ſandt, und waͤre wohl mit großen Ehren von hin⸗ 
nen kommen und haͤtt einen gnaͤdigen Herren fein 
Lebtag gehabt, was ihm zugeſtanden war.” 


¶ Wie Fortunatus gen Lunden kam. 


Nun laſſen wir den Grafen mit ſeinen Dienern, 
der da ganz unwiſſend war, wie Rupert mit 
Luͤgen umgangen war, und vernehmen, wie es 
Fortunato fuͤrbaß gegangen iſt. Als er ein ander 
Roß kauft und ſeinem Herrn das ſeine wieder 
ſandt, u er noch allzeit Sorg, man eilte ihm 
nach. Hatt er zuvor faſt geeilt, fo eilet er noch 
feſter, bis er kam gen Calis, da ſaß er in ein Schiff 
und fuhr in Engelland, dann er forcht das Kap⸗ 
ponen ſo ſehr, daß er nit getrauet ſicher zu ſein 
dieshalb dem Meere. Und als er nun in Engel⸗ 


22 


land kam und vermeint nun ficher zu fein, fing er 
an wieder gutes Muts zu werden, und kam alſo in 
die Hauptſtadt von Engelland genannt Lunden, da 
nun von allen Orten der Welt Kaufleut liegen und 
da ihr Gewerb treiben. Da war auch eine Galeere 
von Cypern dahin kommen mit koͤſtlicher Kauf⸗ 
mannſchaft und viel Kaufleute damit, darunter wa⸗ 
ren zween junge, die reiche Vaͤter in Cypern hatten, 
die ſie auf der Galeere auch gen Lunden ſandten und 
ihnen viel koͤſtlichen Kaufmannſchatz befohlen; ſie 
waren auch zuvor nimmer aus geweſen, und wuß⸗ 
ten nit viel, wie man ſich regieren und halten ſoll in 
fremden Landen dann ſoviel ſie von ihren Vaͤtern 
gehoͤrt, die 2. gute Unterweiſung gegeben hat⸗ 
ten; wären fie ihnen gefolget! Da nun die Galeere 
mit dem Kaufmannſchatz abgeladen ward und dem 
Koͤnig der Zoll gegeben war, daß ein jeder mochte 
kaufen und verkaufen, fingen diezween Jungen auch 
an ihre Kaufmannſchaͤtze zu verkaufen und loͤſten 
baar Geld und deß ein großes Teil. Darab ſie Freude 
empfingen, dann ſie nit gewohnt waren mit baa⸗ 
rem Geld umzugehn. Zu denen kam Fortunatus 
und empfingen einander gar ſchoͤn in fremden Lan⸗ 
den, und wurden gut Geſellen, und fanden gleich 
eine unnuͤtze Rotte von Buben, zu denen ſie ſich ge⸗ 
ſellten, die wußten die Leut zuzurichten mit fchö- 
nen Frauen, mit Spielen, mit Wohlleben, darbei ſie 
auch wohl waren, und Schenkung von ihnen nah⸗ 


93 


men, dieweil fie auszugeben hatten. Sie lebten alſo 
in Freuden, und wenn einer einen ſchoͤnen Buhlen 
uͤberkam, ſo wollte der ander noch eine huͤbſchere 
haben, es koſtete was es wollte. Das trieben ſie bei 
einem halben Jahr. Da begann es nahen, daß ſie 
nit viel baar Geld mehr hatten. Doch war einer 
mehr los worden dann der ander. 


¶ Wie Fortunatus zu boͤſer Geſellſchaft 
kam / mit denen und mit leichten Frauen all 
ſein Geld verthaͤt / und darnach viel Armut 
leiden mußt. 


ortunatus, der haͤtt am mindeſten, der ward 
Oauch am erſten gerecht: er war feine Kleinod 

und alles los worden. Deßgleichen die andern, was 
ſie zu Lunden geloͤſt hatten, war alles verthan mit 
ſchoͤnen Frauen, und die ſchoͤnen Frauen teilten 
es mit den Buben, teilten es ſo lang und viel, bis 
doch Fortunato und ſeinen Geſellen kein Geld im 
Seckel blieb. Da meinten ſie, ihre Buhlen ſollten 
ſie noch einlaſſen und froͤhlich mit ihnen ſein wie zu⸗ 
vor, und auch ausgeben, wie ſie gethan hatten; da 
ward aber nichts daraus: ſie beſchloſſen die Thuͤre 
vor ihnen zu, und ſpotteten ihrer zu den Fenſtern 
aus, und ſprachen: „Wenn ihr mehr Geld habet, fo 
moͤget ihr wohl wieder kommen, habet ihr aber nit 
Geld, ſo geht auf die Galeere und fahret wieder, von 


24 


dannen ihr her kommen ſeid. !“ Ihre Gefellen, die 
ihnen nachgangen waren und ſie Junkherren ge⸗ 
heißen hatten, die ſpotteten ihrer, und einer ſprach 
Be der ob zweitauſend Kronen mit feinem 
Buhlen ohn worden war: „Was Junkherr biſt 
du, da du nit mehr Geld hatteſt denn ſoviel, was 
wollteſt du anfangen?” Der andre ſprach zu die⸗ 


ſem: „Was Junkherr biſt du? Meineſt du, man 
moͤg dich allweg hie haben um zweitauſend Kronen 
willen?“ Der Dritt ſprach zu Fortunato: „Wie 
biſt du ein Narr, da du nit mehr dann fuͤnfhundert 
Kronen hatteſt, daß du ſie nit an anderen Kauf⸗ 
mannſchatz gelegt haſt, denn daß du ſie den thoͤrich⸗ 
ten Frauen angehaͤngt haſt. Haͤtteſt du gemach ge⸗ 


25 


than, fie wäre bei dir gelegen um einen Stotter“; iſt 
zween Ben ch wert. Indem fo waren die Kauf⸗ 
leut von Cypern geruͤſt mit Kaufen und Verkau⸗ 
fen, und richtet ſich der Patron, hinweg zu fahren, 
und daß jedermann laden ſollt, was er zu laden 
haͤtt; denn an einem beſtimmten Tag wollt er hin⸗ 
weg fahren. Alſo gingen die zween jungen Kauf⸗ 
leute in ihre Herberg uͤber ihre Rechnung, und 
fanden wohl, daß fie viel Gelds gelöft hatten; aber 
was ſie wieder um das Geld kaufen ſollten, nach 
ihres Vaters Verſchreibung, das war aber kein 
Geld, es war alles um naſſen Zucker gegeben wor⸗ 
den, und waͤre ſein mehr geweſen, es waͤre alles 
dahingegangen. Sie ſaßen auf die Galeere und 
fuhren wieder heim ohne Kaufmannſchatz: und wie 
ſie von ihren Vaͤtern empfangen wurden, das weiß 
ich nit, doch verſeh ich mich, ſie wurden nit wohl 
empfangen, da ſie nit eine gute Rechnung mit heim⸗ 
brachten. 

Als Fortunatus allein war ohne Geld, gedachte 
er ihm: haͤtt ich zwei oder drei Kronen, ſo wollt 
ich nach Frankreich, etwan fand ich einen Herrn; 
und ging alſo wieder zu ſeinem Buhlen, bat ſie, da 
ſie ihm zwei oder drei Kronen liehe, er wollt in 
Flandern zu einem Vetter, der haͤtt vierhundert 
Kronen, die wollte er holen und erſt einen guten 
Mut mit ihr haben. Sie ſprach: „Weißt du Geld 
zu holen, das magſt du wohl thun, doch mir ohne 


26 


Schaden. Dabei er wohl verſtund, daß er keines 
Geldes da warten war, gedacht ihm: „Haͤtt ich 
mein Geld wieder, ich wollte es nit mehr dahin zu 
behalten geben“; und ſprach: „Liebes Kind, ſend 
uns um einen Wein, laß uns doch eins mit einander 
trinken. Sie ſprach zu ihrer Magd: „Geh, bring 
ihm eine Pinte Bier und laß den Eſel ſaufen.“ Das 
war der Dank, den er um ſie verdient haͤtt. Da For⸗ 
tunatus alſo verlaſſen war, gedacht er ihm: „Ich 
muß dienen fo lang, bis daß ich zwei oder drei Kronen 
uͤberkomm“ und ging des Morgens an den Platz, 
den man nennt die Lombarder Straße, da maͤnnig⸗ 
lich zuſammenkommet, und fragt allda, ob jemand 
eines Knechtes beduͤrfte. Da war gar ein reicher 
Kaufmann von Florentz, der gar koͤſtlichen Hof hielt, 
da er das alles brauchte in ſeinem Gewerbe und 
Handel; der dinget Fortunatum und verhieß ihm 
zwo Kronen einen Monat zu geben fuͤhrt ihn mit 
ihm heim. Da fing er gleich an, zu Tiſch zu dienen; 
dabei der Herr im Haus (hieß Jeronimus Ro⸗ 
berti) wohl ſah, daß er mehr bei ehrſamen Leuten 

eweſen war. Fing an und ſandt ihn, daß er Gut 

ihrer, in die Schiffe zu laden, und wenn Schiffe 
kamen, die zu entladen, dann die großen Schiff konn⸗ 
ten bei zwanzig Meilen nicht zu der Stadt kommen: 
doch fo fahrt man von der Stadt auf einem ſchiff⸗ 
reichen Waſſer bis in das Meer, dasſelb Waſſer 
heißet Tynis. Und was er ihm alſo befahl, voll⸗ 


27 


endet er gar wohl, Nun in den Dingen war ein 
Florentiner, eines reichen Mannes Sohn, dem fein 
Vater groß Gut geben und ihn damit gen Prugk 
in Flandern geſandt haͤtt, das er auch gar in kurzer 
Zeit unnuͤtzlich verthaͤt. Ihm genuͤget nit an dem⸗ 
ſelben, er nahm auch Wechſel auf ſeinen Vater, 
dem er ſchrieb, er wollte ihm viel Gut ſenden, daran 
er groß gewinnen moͤcht, das der gute Vater glaubte, 
und zahlt alſo fuͤr den Sohn ſo lang und viel, bis 
daß er nichts mehr hatte, und wartet faſt auf die 
Kaufmannſchaͤtz, ſo ihm ſein Sohn ſenden ſollt. 
Er mochte wohl lang warten, der Bube hatte ſich 
ſelbſt und ſeinen Vater ganz verderbet, als noch 
mancher Sohnthut denen Vaͤtern, die ihnen zu wohl 
vertrauen, und zu viel glauben auf ihre Soͤhne. 
Da nun der Bub (hieß Andrean) gar nichts mehr 
hatte und auch den Glauben verloren hatt unter 
den Kaufleuten, auch unter Huren und Buben, 
daß ihm niemand weder leihen noch geben noch 
borgen wollt, gedacht er ihm, er wollt gen Flo⸗ 
rentz, da faͤnde er etwan eine alte Witwen, mit der 
er ſich heraus reißen wollt. Und als er nun heim⸗ 
waͤrts ging, kam er in eine Stadt in Frankreich, 
heißt Tours in Touraine; da lag ein reicher Edel⸗ 
mann gefangen, der war von Lunden aus Engel⸗ 
land. Das hoͤrte er von ſeinem Wirt und ſprach: 
„Lieber Wirt, moͤchte ich nit zu dem gefangenen 
Mann kommen?“ Der Wirt ſprach: „Ich will 


28 


Euch wohl zu ihm führen. Er liegt aber gar hart 
angeſchmiedet, daß er Euch wohl erbarmen wird.“ 


¶ Wie ein Florentiner / Andrean genannt / 
ein faſt boͤſer Bub / zu einem gefangenen 
reichen engliſchen Mann in die Gefaͤngnuß 
gelaſſen ward / mit ihm zu reden. 


un konnte Andrean wohl Engliſch. Der Ge⸗ 

fangene fraget ihn, von wannen er waͤre. Das 
ſaget er ihm und ſprach: „Ich bin ein Florentin 
und will gen Florentz. “ Der Gefangene ſprach zu 
Andrean: „Kennſt du nit Jeronimum Roberti zu 
Lunden? Er ſprach: „Ja, ich kenn ihn faſt wohl 
und er iſt mein gar guter Freund. Er ſprach: „Lie⸗ 
ber Andrean, laß deine Reis gen Florentz unter⸗ 
wegen, geh gen Lunden zu dem Jeronimus Roberti 
und ſag ihm, daß er 3 und rat, daß ich hie ledig 
werde. Er kennet mich, und weiß wohl, was ich ver⸗ 
mag. Ich bin geritten in des Koͤnigs Dienſt, und 
meinen meine Freund, der Koͤnig ſoͤll mich von 
hinnen loͤſen; das aber der Koͤnig nicht thun will 
aus der Urſach, er habe mir einen großen Sold ge⸗ 
ben, alle Tage vier Kronen auf zwei Pferd; ſagt: 
warum iſt er nicht deſto weiter umgeritten, daß er 
den Feinden nicht zuteil worden waͤre? Zum andern, 
es ziemt ſich nicht, daß ein Koͤnig einen Gefangenen 
loͤſe, denn ſo man einen Gefangenen um tauſend 


29 


Kronen ledig ließ, fo muͤßte der König zehntauſend 
Kronen fuͤr ihn geben. Durch ſolches ſo laſſen ſie 
mich nicht ledig; und ſoll es noch eine kleine Zeit 
waͤhren, ſo komm ich um meinen geſunden Leib; 
dann die Schenkel fangen mir an zu faulen, als du 
das wohl ſiehſt. Darum ſo ſag dem Jeronimus 
Roberti, daß er helf und rat, damit daß ich ledig 
werd. Sie haben mich geſchaͤtzt bei zweitauſend 
Kronen. So man mich aber alſo verlaͤßt und ver⸗ 
acht, glaub ich, man naͤhme minder, und beſon⸗ 
der, fo man ſaͤhe, daß mich fremde Leut loͤſen woll⸗ 
ten. Ich hoffe auch auf das hoͤchſt, man braͤchte 
mich mit tauſend Kronen von hinnen. Dasſelbe 
ſage dem Jeronimus und ſage ihm darbei, was er 
fuͤr mich ausgaͤbe, das muͤß ihm dreifaltig wieder 
werden. Darum, lieber Andrean, ſei befliſſen und 
brauche Fleiß in dieſen Dingen, ſo verheiß und ge⸗ 
lobe ich dir, daß ich dir will fuͤnfhundert Kronen 
geben und dich darzu an ein gut Amt ſchaffen. Sag 
auch meinen Freunden, wie du hie bei mir ſeieſt ge⸗ 
weſen und daß ſie meine Buͤrgen werden gegen dem 
Jeronimus.“ Andrean ſprach zudem Gefangenen, 
er wollt ſich gar treulich in der Sach fleißen. Und 
zog alſo gen Lunden, und bracht die Ding, ſo ihm 
befohlen waren, an den Jeronimum Roberti. Dem 
gefiel die Sache wohl, wenn es nun gewiß waͤr ge⸗ 
weſen, daß ihm fuͤr eine Kron ſollten drei werden. 
Nun kannte er wohl den Andrean, daß er ein buͤbi⸗ 


30 


fcher Bub war, nit defto minder ſprach er zu ihm: 
„Geh zu ſeinen Freunden und an des Koͤnigs Hof, 
du den Weg finden, daß man mir Buͤrgſchaft 

thue, ſo will ich das Geld darleihen.“ 
Andrean fraget nach des Gefangenen Freunden, 
und ſagt ihnen, wie es um ihn ſtuͤnd, wie er fo — 
angeſchmiedet waͤr. Es lag ihnen aber nit ſo hart 
an, und wieſen ihn, er ſollt Aan Koͤnig oder ſei⸗ 
nen Raͤten und ihnen ſolches fuͤrhalten. Als er auch 
un wollt; da er aber gen Hof kam und nit gleich 
fuͤrkommen konnt mit ſeiner Sach, da hoͤrt er ſa⸗ 
gen, wie der Koͤnig von Engelland ſeine Schweſter 
geben * dem Herzogen von Burgoni zu einem 
Gemahl, dem er noch ſchuldig waͤr, Kleinode zu 
ſenden, die er auch kaum zuwegen gebracht haͤtt, 
dann es gar koͤſtliche Kleinod waren, und hätt die 
geben einem frommen Edelmann, der auch zu Lun⸗ 
den in der Stadt geſeſſen war, Weib und Kind da 
hatte. Da aber Andrean zu Der hoͤret ſagen, wie 
man dem Edelmann ſo koͤſtliche Kleinode befohlen 
hätt, fing er an und geſellet ſich zu 15 und ſprach, 
wie er vernommen haͤtt, daß der Koͤnig dem Her⸗ 
zogen von Burgoni durch ihn koͤſtliche Kleinode ſen⸗ 
den wollt, alſo wollt er ihn gar freundlich bitten, 
waͤre es zu thun, daß er ihn die Kleinode ließ ſehn, 
dann er auch wär ein Zorclier, (das iſt einer, der 
mit Kleinoden umgeht) und er haͤtt zu Florentz ge⸗ 
hoͤrt, wie daß der Koͤnig koͤſtlichen Kleinoden nach⸗ 


31 


fraget, und wär deſto ferner her kommen auf Hoff: 
nung, der Koͤnig ſollte ihm auch etliche Stuͤck ab⸗ 
kauft haben, als er noch in Hoffnung waͤre. Der 
fromm Edelmann ſprach: „So wartet auf mich, 
ſo ich hie bereit bin, ſo kommet mit mir, ſo will ich 
ſie Euch laſſen 55 Und als er bereit ward, 
fuͤhrt er ihn mit ihm heim, es war auch uͤber den 
Mittag, und ſprach: „Wir woͤllen zuvor eſſen, ſo 
wird mein Frau nicht unwillig.“ Aßen alſo mit ein⸗ 
ander, und er erbot es ihm ehrlich, und tiſcheten gar 
lang, als dann der Engliſchen Gewohnheit iſt, daß 
fie bei zwei Stunden tiſchen, beſonder wenn ſie Gaͤſt 
haben. Als ſie nun gegeſſen hatten und froͤhlich ge⸗ 
weſen waren, fuͤhrt er ihn in ſein Schlafkammer 
und ſchloß auf gar einen ſchoͤnen Behalter, und 
bracht die Kleinode in einem hoͤlzenen Laͤdlein, und 
ließ ihn die genugſamlich ſehen. Es waren fuͤnf 
Kleinode, die koſteten ob ſechzigtauſend Kronen. Je 
länger man fie anſah, je baß fie einem gefielen. An⸗ 
drean der lobet ſie faſt, und ſprach: „Ich hab wohl 
etliche Stuͤck, wären fie alſo eingefaſſet, ſie ſollten 
etliche ſchaͤnden “, und das hört der Edelmann faſt 
gern und gedacht: „Hat er koͤſtliche Kleinode, ſo 
muß unſer Herr Koͤnig noch mehr kaufen“; und 
gingen alſo wieder gen Hof. Da ſprach Andrean: 
„Morgen zu Mittag, ſo ſollt Ihr mit mir eſſen in 
Peer Roberti Haus, ſo will ich Euch meine 

leinod auch laſſen ſehen.“ Das gefiel dem Edel⸗ 


32 


mann wohl. Alſo ging Andrean zu Jeronimus Ro⸗ 
berti und ſprach: „Ich hab einen Mann funden an 
des Koͤnigs Hof, der wird mir helfen, als ich hoff, 
daß wir den Gefangenen ledig machen, und daß 
Euch gute und gewiſſe Buͤrgſchaft dafuͤr geſchehen 
muß auf des Koͤnigs Zoll.“ Jeronimus Roberti 
gefiel das wohl und alſo ſprach Andrean: „Bereitet 
morgen die Mahlzeit deſto ehrlicher, ſo bring ich ihn, 
daß er mit uns iſſet. Das geſchah. Und des Mor⸗ 
gens um die Mahlzeit bracht Andrean den Mann; 
und eh ſie zu Tiſch ſaßen, ſagte Andrean zu Jero⸗ 
nimo, man ſollte nit viel von dem gefangenen Mann 
reden, dann es muͤßt heimlich zugehn. Und alſoaßen 
ſie und waren froͤhlich und tiſchten lang. Und als 
die Mahlzeit geſchehen war, ging Jeronimus in ſeine 
Schreibſtuben. Da ſprach Andrean zu dem Edel⸗ 
mann: „Kommet mit mir hinauf in meine Kam⸗ 
mern, ſo will ich Euch meine Kleinod auch laſſen 
ſehen.! Und gingen alſo mit einander in eine Kam⸗ 
mer, war oben ob dem Saal, darinnen ſie gegeſſen 
hatten. Und als ſie in die Kammer kamen, thaͤt 
Andrean, als ob er eine große Truhen wollte auf⸗ 
ſchließen, und zucket ein Meſſer und ſtach ihn, daß 
er fiel und ſchnitt ihm die Gurgel ab, nahm ihm 
einen guͤldenen Ring, den er an ſeinem Daumen 
hatt, darinnen auch fein Inſiegel gar koͤſtlich er⸗ 
graben war, und nahm die Schluͤſſel ab feinem 
Gürtel, ging eilends in des Edelmanns Haus zu 


38 33 


feiner Frauen und ſprach zu ihr: „Frau, Euer Ge- 
mahl ſendet mich zu Euch, daß Ihr ihm die Klein⸗ 
ode ſchickt, ſo er mich geſtern ſehen ließ. Und ſendet 
Euch hiebei zum Wahrzeichen ſeinen Ring und 
Siegel und die Schluͤſſel zu dem Behalter, da die 
Kleinode in liegen.” Die Frau glaubt feinen Wor⸗ 
ten und ſchloß auf den Behalter; ſie funden aber 
der Kleinode nicht. Der Schluͤſſel waren drei, ſie 
ſuchten an allen Orten und fanden ſie nicht. Die 
Frau gab ihm die Schluͤſſel und Ring wieder und 
ſprach zu ihm: „Geht und ſagt ihm, wir koͤnnten 
ſie nit finden, daß er ſelber komm und lug, wo ſie 
feien.’’ Andrean erſchrak ſehr, daß er fo eine boͤſe 
Sach gethan haͤtt und ihm aber die Kleinode nit 
worden waren; dann er wollte gleich darmit da⸗ 
von ſein. Dieweil er aber in des Edelmanns Haus 
gangen war, war das Blut durch die Dielen in den 
Eßſaal geronnen. Das ſah der Herr und ruft bald 
den Knechten und ſprach: „Von wannen kommt 
das Blut?“ Sie liefen und lugten, da funden ſie den 
frommen Edelmann da liegen alſo tot. Sie erſchra⸗ 
ken von Herzen und vor großem Schrecken wußten 
ſie nit, was ſie thun ſollten. 


34 


u. 


Wie der Böfewicht Andrean einen Edel- 
mann ermordet und ihn in ein Privet warf / 
und darvon kam. 


11? da fie alſo ſtunden, fo kommt der Schalk ge- 
laufen und ſahgreulich. „O du Schalk“ ſchrieen 
ſie uͤber ihn „was haſt du gethan, daß du den Mann 
ermordet haft?” Er ſprach: „Der Boͤſewicht wollt 
mich ermordet haben, dann er vermeinet, koͤſtliche 
Kleinode bei mir zu finden; ſo iſt mir lieber, ich 
habe ihn ermordet, dann er mich. Darum ſchwei⸗ 
get ſtill und machet kein Geſchrei, ſo will ich den 
Mann in die Privet werfen, und will eilends hin⸗ 
weg. Und wenn ihm jemand nachfragt, ſo ſaget: 
als ſie gegeſſen haͤtten, ſeind ſie mit einander aus 
dem Haus gangen, ſeither habet ihr unſer keinen 
mehr geſehen.“ Das that der Schalk Andrean, 
warf den toten Leichnam in die Privet, und eilt 
Nacht und Tag, daß er aus dem Lande kaͤm, und 
durft nit bleiben an keinem Ort, er fuͤrchtet, ihm 
wuͤrden Boten nachgeſchickt, und daß er geſtraft 
wuͤrdumdas groß lLlebel; und eilet gen Venedig, und 
dingete ſich fuͤr einen Ruderer auf eine Galeere, und 
fuhr gen Alexandria. Und ſobald er dahin kam, ver⸗ 
leugnet er des chriſtlichen Glaubens. Da ward der 
Schalk wohl gehalten und war auch ſicher von der 
Miſſethat, fo er gethan hart. Und hatte er hundert 
Chriſten ermordet, er ware dort ſicher geweſen. 


3" 35 


Als ſich nun die Sache verlaufen hatte, da war 
Fortunatus nit zu Lunden. Sondern er war 
in ſeines Herren Dienſt in eine Stadt gefahren, 
genannt Sanduwick, da er ſeinem Herren Gut in 
ein Schiff geladen haͤtt. Und als er nun wieder gen 
Lunden kam, ſein Geſchaͤfte, ſo ihm befohlen war, 
gar wohl vollendet haͤtt, kam er in ſeines Herren 
Haus. Da ward er nit ſo ſchoͤn gegruͤßt und emp⸗ 
fangen als andre Male, ſo er aus geweſen war; 
auch ſo daͤuchte ihn, wie ſein Herr, Geſellen, Knecht 
und Maͤgd nit fo fröhlich waren, als er fie gelaſſen 
hatt; das ihn auch hart bekuͤmmerte. Und fraget 
die Kellerin im Haus, was ſich verlaufen haͤtt in 
ſeinem Abweſen, daß ſie alle im Haus ſo traurig 
waͤren. Die gut alt Kellerin und Haushalter in (die 
auch dem Herren faſt lieb war) ſprach zu ihm: 
„Fortunatus, laß dich es nit bekuͤmmern, dann un⸗ 
ſerm Herren iſt ein Brief kommen von Florentz, wie 
ihm ſo gar ein guter Freund geſtorben ſei, darum 
er ſehr betruͤbt iſt. Er iſt ihm aber nit ſo nah ge⸗ 
freundet, daß er Schwarz tragen duͤrfte. Ihm 
waͤre aber lieber ein Bruder geſtorben dann der gut 
Freund.“ Dabei ließ es auch Fortunatus bleiben 
ra fraget nit fuͤrbaß und half ihnen auch traurig 
ein. 

Und als nun der Frauen Edelmann zu Nacht nit 
heim kam, noch feiner Frauen nichts entboten hätt, 
nahm ſie Wunder, doch ſchwieg ſie ſtill, und da er 


36 


des Morgens aber nit kam, ſandt die Frau aus ihre 
guten und angebornen Freund an des Koͤnigs Hof, 
ihrem Gemahl nachzufragen, ob ihn der König in 
ſeinem Dienſt haͤtt ausgeſandt, oder wo er waͤr. 
Und ſobald man hoͤret, daß man ihm nachfraget, 
da nahm es die Raͤte ſelbſt Wunder daß der Mann 
nit gen Hof kommen war. Die Maͤre kamen alſo 
vor den Koͤnig, der ſprach: „Geht bald in ſein Haus 
und luget, ob er die Kleinode hinweg habe.“ Denn 
dem Koͤnig fiel in ſeinen Sinn, er moͤcht mit den 
Kleinoden hinweg ſein. Wiewohl er ihn fuͤr einen 
Biedermann hielt, dannoch gedachte er, das große 
Gut haͤtt ihn zu einem Boͤſewicht gemacht. Und 
alſo kam es aus, daß je einer den andern fraget, ob 
er nicht wuͤßt, wo der Edelmann hin kommen waͤr. 
Niemand wußte von ihm nicht zu ſagen. Der Koͤ⸗ 
nig ſandte in ſeiner Frauen Haus gar eilends, daß 
man fragte undlugte, wo die Kleinode waͤren. Wie⸗ 
wohl ihm der Edelmann lieb war, doch ließ er den 
Kleinoden feſter nachfragen denn dem frommen 
Mann, dabei man wohl merkt, wenn es an das Gut 
geht, daß alle Liebe aus iſt. Und da man die Frauen 
fraget, wo ihr Mann waͤr und die Kleinod, ſie 
ſprach: „Es iſt heut der dritte Tag, daß ich ihn nit 
geſehen habe.! „Was ſagt er aber, da er am juͤng⸗ 
ſten von Euch ging?“ Sie ſprach: „Er wollte mit 
den Florentinern eſſen und ſandt einen mit ſeinem 
Siegel und die Schluͤſſel, ich ſollte ihm die Kleinod 


37 


ſenden, er wäre in Jeronimus Roberti Haus, da 
hatt man viel koͤſtlicher Kleinod, die wollt man ge⸗ 
gen einander ſchaͤtzen. Und alſo fuͤhrt ich ihn in 
meine Kammer und ſchloß ihm den Behalter auf, 
dazu er die Schluͤſſel haͤtt; wir funden aber der 
Kleinode nit. Und ging der Mann 15 die Klein⸗ 
ode hinweg, das er ungern thaͤt, und hieß mich faſt 
ſuchen, wir konnten aber ihrer nit finden.“ Sie 
fragten, ob er nicht beſondre Geſchloß haͤtt. Sie 
ſaget, er haͤtt kein anders, denn was er Guts haͤtt, 
ſeine Brief und Siegel legt er alles in den Behalter; 
„da ſtunden auch die Kleinod innen, fie ſeind aber 
nit mehr da, dann waͤren ſie darin geweſen, ſo haͤtt 
ich ſie ihm geſandt. Da die Boten das hoͤr ten, lie⸗ 
ßen ſie alle Kiſten und Kalter und Truhen aufbre⸗ 
chen, ſie funden aber der Kleinod nit; darvon die 
Frau gar ſehr erſchrak, daß man ihr alſo Gewalt 
thaͤt in ihrem Haus. Auch erſchraken des Koͤnigs 
Boten, daß man den Mann noch die Kleinode nit 
konnte finden. Das ſagt man dem Koͤnig. Der Koͤ⸗ 
nig war mehr traurig um die Kleinode, dann um 
das Geld, ſo ſie hatten koſtet, denn man findt ſolch 
Ding nit zu kaufen, ſo man wohl Geld hat. Und 
wußte der Koͤnig noch ſeine Raͤte nit, was zu der 
Sach zu thun waͤre, denn daß man zu Rat ward, 
man ſollt Jeronimus Roberti und alles ſein Ge⸗ 
ſind fahen, auf daß ſie Rechnung um den Mann 
gaͤben. Das geſchah am fuͤnften Tag nachdem der 


38 


Mann ermordet war. Da warteten des Richters 
Knechte, daß man eben die Mahlzeit aß, fielen in 
das Haus und funden ſie alle bei einander, zween 
Herren, zween Schreiber, einen Koch, einen Stall⸗ 
knecht, zwo Maͤgd und Fortunatus, alſo daß ihrer 
waren neun Perſonen. Die fuͤhrt man alle in Ge⸗ 
faͤngniß, jedes beſonder, und fragten auch jeglichs 
in Sonderheit, wo die zween Mann hin kommen 
wären. Sagten alle gleich zu, als fie gegeſſen haͤt⸗ 
ten, da waͤren ſie hinweg gangen und haͤtten ſie dar⸗ 
nach nichts mehr geſehn noch von ihnen gehoͤrt. 
Daran ſie aber kein Begnuͤgen haͤtten: ſie nahmen 
dem Herren und den andern allen ihre Schlüffel 
und gingen in das Haus und ſuchten in Staͤllen, in 
Kellern und in ihren Gewoͤlben, da ſie ihre Kauf⸗ 
mannſchaͤtze innen hatten, und ſuchten an allen Or⸗ 
ten, ob ſie den Mann etwan vergraben haͤtten. Sie 
funden aber nichts. 


Wie Jeronimus Roberti und all fein 
Hausgeſind gefangen / und unſchuldiglich 
gehenkt wurden / allein Fortunatus erledigt 
ward. 


nd als ſie nun hinweg gehn wollten, da war 
einer, der hatte eine große brennende Kerzen 
oder Windlicht in der Hand, damit er alle finſtern 
Winkel durchſucht hatte, und doch nichts gefunden 


39 


noch deßgleichen. Alſo zeucht er aus einer Bett⸗ 
ſtatt ein große Hand voll duͤrr Stroh, und zuͤndet 
das an, und warf das in das Privet und luget alſo 
hinnach; ſo ſieht er dem Mann die Schenkel empor 
ragen. Da fing er an und ſchrie mit lauter Stimm: 
„Mord und immer Mord: der Mann liegt hie in 
der Privet.“ Alſo brach man die Privet auf, und 
zogen den Mann heraus alſo unſauber mit der ab⸗ 
geſtochenen Kehlen. Legten ihn fuͤr des Jeronimi 
Roberti Haus an die offne Straß ſtinkend und un⸗ 
ſauber als er war. Da die Engliſchen den großen 
Mord ſahen, da ward ein ſolch groß Geſchrei uͤber 
die Florentzer und alle Lamparder, daß fie fich muß⸗ 
ten verbergen und einſperren, dann wo man ſie an 
der Gaſſe haͤtte funden, ſo waͤren ſie zu Tod ge⸗ 
ſchlagen worden von dem gemeinen Mann. Sie 
ließen den toten uͤbelſtinkenden Mann bis an den 
dritten Tag alſo an offner Straß ſtehn, den Lam⸗ 
pardern zu Leid und zu Schand. Behend kam die 
Maͤr vor den Koͤnig und vor den Richter, da ward 
befohlen, daß man den Herren und Knecht ſollte 
waͤgen, peinigen und martern, damit daß man des 
rechten Grunds innen wuͤrd, wie es mit dem Mann 
ergangen waͤr, und ſollt jeden beſonder waͤgen und 
das Bekenntniß gar eben aufſchreiben, beſonder 
ſo ſollte man den Kleinoden nachfragen. Alſo kam 
der Henker und nahm des erſten den Herren und 
ſchlug ihn an die Wag und peiniget ihn gar hart; 


40 


er ſollte fagen, wer den Mann ermordet hätt, und 
warum ſie ihn gemordt haͤtten, und wo des Koͤnigs 
Kleinode waͤren. Der gut Jeronimus konnt wohl 
merken an dem großen Ungeſtuͤm und der großen 
Marter, ſo man an ihn legte, daß man innen war 
worden des Mordes, ſo dann in ſeinem Haus ihm 
unwiſſend war geſchehn und ihm faſt leid war. 
Doch da er ſah, daß es nit anders mochte ſein, fing 
er an und ſagt, wie alle Ding ergangen waren, und 
wie Andrean ihn gebeten haͤtt, ein gut Mahl zu be⸗ 
reiten, er wollt einen Edelmann zu Gaſte han, der 
ſollt ihm helfen, einen Edelmann ledig machen, fo 
gefangen laͤge in Frankreich zu Tours in Touraine, 
das ich alfo gethan habe in allem Guten und mei⸗ 
nem gnaͤdigen Herrn, dem Koͤnig und dem ganzen 
Land zu lieb, auch nit anders gewußt hab. Da aber 
die Mahlzeit vollbracht war und ich ihrer kein Acht 
mehr haͤtt, in meiner Schreibſtuben ſaß und ſchrieb, 
nach dem Schreiben heraus ging, da ſah ich durch 
die Gaſtkammer in den Eßſaal, daß ein Schweiß 
erab rann, darab ich ſehr erſchrak und ſandt meine 
echt, daß ſie beſaͤhen, was ſolches waͤr. Sagten 

ſie mir, wie es ein Geſtalt haͤtt, doch wußt ich nit, 
wie es zugangen war. Indem da kam der Schalk 
Andrean gelaufen, den ſatzt ich zu Wort um den 
Mord. Der ſagte, wie daß er ihn wollte haben er⸗ 
mordt, da hatt ihm Gott das Gluͤck geben, daß er 
ihm zuvor gefahren waͤr; und nahm den Mann 


41 


und warf ihn in die Privet und ging von Stund an 
hin; wo er hinkommen ſei, das iſt mir unwiſſend.“ 
Und wie er ſagt, alſo ſagten die andern all, ſo man 
fie peiniget und martert. Ohn Fortunatus, der be⸗ 
kannt nicht, wie faſt man ihn peiniget, dann er war 
auch nit in dem Haus geweſen, da ſich die Sach 
verlaufen hatte, war ihm auch unwiſſend. Als man 
je nichts anders konnt erfahren, noch wo die Klein⸗ 
ode hinkommen waͤren, ward der Koͤnig zornig, und 
ſchuf, daß man ſie alle henken ſollte und ſie mit eiſe⸗ 
nen Ketten anſchmieden, daß ſie niemand herab 
nahm, noch daß fie nit bald herab fallen möchten; 
und ließ ihnen einen neuen Galgen machen zwi⸗ 
ſchen der Stadt und Weſtminſter, iſt gar ein ſchoͤ⸗ 
ner Palaſt, iſt darinnen des Koͤnigs Rathaus und 
eine große ſchoͤne Kirchen, alſo daß man zwiſchen 
der Stadt und dem Palaſt mehr Wandels denn 
ſonſt in der ganzen Stadt hat. Daſelbſt hin ward 
Jeronimus Roberti mit allem ſeinen Geſind ge⸗ 
fuhrt. Alſo fing man an den zwei Maͤgden an und 
vergrub die alſo lebendig unter dem Galgen, und 
fing da an dem Herren an und je den beſten nach 
ihm. So Fortunatus ſah, wie es ging, und auch 
nit anders wußt dann man würd ihn auch henken, 
da gedacht er: „O Gott, wäre ich bei meinem from⸗ 
men Herren und Grafen blieben, und haͤtt mich 
Fi kapponen, fo waͤr ich in die Angſt und Not nit 
ommen.“ 


42 


Ur als man den Koch henken ſollt, der war der 
letzt ohn Fortunato, war ein Engliſcher, der 
ſchrie mit lauter Stimme, daß es maͤnniglich hoͤret, 
daß Fortunatus nit um die Ding wiſſe. Wiewohl 
der Richter wußte, daß er unſchuldig war, noch ſo 
wollte er ihn haben laſſen henken, und war ſeine 
Meinung, ließe er ihn ledig, ſo wuͤrde er ſonſt zu 
Tod geſchlagen. Doch ſo ward ſo viel mit dem Rich⸗ 
ter geredet, daß er ihn nit ſollte henken laſſen, ſo er 
auch nit ein Florentiner und unſchuldig waͤr. Und 
alſo ſprach der Richter zu Fortunato: „Nun mach 
dich bald aus dem Land, denn die Frauen der Gaſſen 
werden dich zu Tod ſchlagen.“ Und gab ihm zu 
zween Knecht, die fuͤhrten ihn an das Waſſer. Und 
fuhr alſo auf Waſſer und zu Land bis daß er aus 
dem Land kam. 
Als nun Jeronimus mit ſeinem Geſind gehenkt 
war, ließ der Koͤnig das gemeine Volk in Je⸗ 
ronimus Hauſe Sackmann machen; doch hatten 
des Koͤnigs Raͤte das Beſte zuvor hinweg genom⸗ 
men. Er kam um groß Gut, wem ward, der haͤtt, 
da bedurfte niemand Rechnung drum geben. Da 
die andern Florentiner und Lamparder hoͤrten, wie 
man alſo Sackmann gemacht haͤtt, da fuͤrchteten 
fie ſich übel, ihres Leibs und ihres Guts, und ſan⸗ 
den dem Koͤnig eine große Summ Gelds, daß er 
ihnen ein frei ſicher Geleit gab, da ſie doch keine 
Schuld hätten. Alſo ward der Koͤnig auch in Guͤ⸗ 


43 


tigkeit bewegt und gab ihnen ein frei ſicher Geleit, 
daß ſie mochten wandeln, kaufen und verkaufen wie 
ſie zuvor gethan haͤtten. Nun moͤchte einen 
Wunder nehmen, warum man den ehrſamen Je⸗ 
ronimus Roberti und all ſein Hausgeſinde ſo elend 
gehenkt hatte, ſo doch er und all ſein Hausgeſind 
unſchuldig und ihnen allen gar ſehr leid war. Soll 
niemand wundern, es kommt aus der Urſach und 
iſt kaiſerlich Recht, daß niemand kein Mord ver⸗ 
ſchweigen ſoll. Wer es aber verſchweiget oder hilft 
vertrucken und es nit offenbar macht, ſo er kann 
oder mag, der ſoll und iſt in den Banden, als der es 
ſelber mit der Hand gethan hat. Und aus ſolcher 
Urſach kam der fromm Jeronimus mit ſeinem Ge⸗ 
ſind um ihr Leben und zeitlich Gut. 


U Wie dem Koͤnig ſeine koͤſtlichen Kleinode ge⸗ 
funden / und wieder uͤberantwortet wurden. 


Da nun das alſo geſchehen war, haͤtt der Koͤnig 
Ves gar gern gewußt, wo die Kleinode geweſen 
waͤren; und haͤtten ſie ihm nit wieder werden moͤ⸗ 
gen, noch dann hätte er gern groß Gut gegeben, daß 
er haͤtte moͤgen inne werden, wie es darum geſtalt 
waͤr. Und ließ ausrufen, wer wahre Kundſchaft 
koͤnnte ſagen, wo die Kleinode hinkommen waͤren, 
dem ſollte man tauſend Nobel geben. Da ward an 

vieler Koͤnige Hoͤf geſchrieben, Fuͤrſten und Her⸗ 


44 


ren, auch in die reichen, mächtigen Städt, ob je⸗ 
mand kaͤm, der ſolch Kleinod feil trüg. Noch fo 
konnt man nichts darvon vernehmen; jedoch fo war 
groß Wundern darnach, denn jedermann haͤtte 
gern das Geld gewonnen. Das ſtund alſo an bis 
des Edelmanns Frau ihrem Mann den dreißigſten 
Tag mit Seelenmeſſe beging. Darnach unlang hub 
fie an das Leid von Tag zu Tag je feſter hinzulegen; 
und ward ihre Geſpielen und Nachbarn zu Gaſt 
laden. Unter denen war eine, die auch kuͤrzlich zu 
einer Witwe geworden war. Die ſprach: „Woͤllet 
hr mir folgen, ich will Euch lehren, daß Euch 
res Manns Tod gar bald vergehn wird. Macht 
Euer Bett in eine andere Kammer; ſo Ihr das nit 
thun wollt, ſo ſetzet doch die Bettſtatt an einen an⸗ 
dern Ort, und wenn Ihr Euch zu Nacht nieder⸗ 
leget, ſo gedenkt an einen jungen huͤbſchen Geſellen, 
den Ihr gern zu einem Manne haben wolltet und 
ſprechet aus Unmut: die Toten zu den Toten, und 
die Lebendigen zu den Lebendigen. Alſo thaͤt ich, 
da mein Mann geſtorben war.“ Die Frau ſprach: 
„O liebe Geſpiel, mein Mann iſt mir ſo recht lieb 
eweſen, daß ich ſein nit bald kann vergeſſen. Doch 
aͤtt fie die Wort gar eben gemerkt, und ſobald die 
Frauen aus dem Haus kamen, fing ſie gleich an 
ihre Schlafkammer aufzuraumen und ihrs Manns 
Kiſten und Truhen aus der Kammer zu tragen 
und ihre an die Statt zu ſetzen; und fing an, des 


45 


Mannes Bettſtatt ab ihrer Statt an eine andre zu 
ſtellen. Und als man aber die Bettſtatt verruckt, 
da ſtund das Laͤdlein mit den Kleinoden unter dem 
Bett bei einem Stollen. Das erſah die Frau, dann 
ſie kannte das Laͤdlein, und behielt das und hieß die 
Kammer zuruͤſten wie ſie das angefangen hatte, 
und ſandte darnach nach einem ihrem angebornen 
Freund, und ſagt ihm, wie ſie die Kleinod gefunden 
haͤtt ohne alle Gefaͤhrd, und wo ſie das Bett nit 
hatt wollen verändern, fo möchten fie noch lang ge⸗ 
legen fein, denn da hätte fie niemand geſucht. Und 
begehret alfo ihres Freundes Rat, wie fie fich mit 
den Kleinoden halten ſollte. Da ihr Freund hoͤrte, 
daß die Kleinode funden waren, da war er froh und 
ſaget zu der Frauen: „So Ihr meines Rats be⸗ 
gehret, ſo will ich raten, das mich das Beſte be⸗ 
duͤnkt: und iſt mein Rat, daß Ihr die Kleinode neh⸗ 
met von Stund an, ſo will ich mit Euch gehn und 
wollen beſehen, daß man uns ſelbſt fuͤr den Koͤnig 
bring, und ihm die Kleinode ſelbſt in ſeine Hand 
antworten und ihm die ganze Wahrheit ſagen, wie 
Ihr die Kleinode funden habet, und zu ſeinen Gna⸗ 
den ſetzen, was er Euch zu Findellohn geb. Dann 
ſollt man die Kleinod dem Koͤnig verhalten um groß 
Ben von ihm zu haben, oder daß man die 

leinode ſollte in fremde Land ſenden zu verkaufen, 
ſo iſt es ſo weit auskommen in alle Land, daß ſolche 
Kleinode der Koͤnig verloren hat; und wo man 


46 


ihrer innen wird, fo kaͤmen alle, die darmit um⸗ 
gingen, um Leib und Gut, und die Kleinode waren 
vor allen Dingen dem Koͤnig wieder gegeben.“ Der 
Rat gefiel der Frauen faſt wohl und machet ſich 
gar ſchoͤn an, doch wie ein Witwe ihren Mann kla⸗ 
gen ſoll, und kam alſo mit ihrem Freund in des Koͤ⸗ 
nigs Palaſt und begehrte alſo ſelbſt vor den Koͤnig 
zu kommen. Das ward dem Koͤnig kund gethan, 
der ihr auch vergoͤnnet, daß ſie wuͤrd eingelaſſen in 
ſeinen koͤniglichen Saal. Und als ſie fuͤr den Koͤnig 
kam, da knieet ſie nieder, beweiſet dem Koͤnig groß 
Ehr, als billig iſt und ihr wohl ziemet, und ſie auch 
wohl konnte, fing an und ſprach: „Gnaͤdigſter Herr 
Koͤnig, ich, Euer arme Dienerin, komm vor Eure 
koͤnigliche Majeſtaͤt, und fuͤge der zu wiſſen, daß die 
Kleinode, ſo Ihr in meinem Haus gehabt, meinem 
Ehmann ſelig, der Herzogin von Burgoni, meiner 
gnaͤdigen deren zu uͤberantworten befohlen ha⸗ 
bet, daß ich die dieſes Tags gefunden hab in meiner 
Schlafkammer hinter einem Bettſchrankſtollen. 
Ich wollt das Bett veraͤndern: da fand ich das Laͤd⸗ 
lein; und ſobald ich das funden han, hab ich geeilet, 
Euch dieſelben in Euer Hand zu antworten“ und 
on ihm damit die Kleinode in feine Hand. Der 

önig that das Lädlein auf, und fand die Kleinode 
als fie dann fein ſollten, deß er froh war und ver- 
ordnet, daß ſie kaͤmen an das End, darzu ſie geord⸗ 
net waren. Der Koͤnig haͤtt ein groß Wohlgefallen, 


47 


daß die Frau fo gefliffen war und die Kleinode nie⸗ 
mand vertrauet, denn daß ſie ihm die ſelbſt uͤber⸗ 
antwortet haͤtt, und gedachte, es waͤre billig, daß er 
ſie begabte und ſie ergoͤtzte ihres Leides, dann doch 
ihr frommer Mann durch der Kleinod willen um 
ſein Leben kommen war; und rief einen jungen 
Edelmann an ſeinem Hof, der ſehr huͤbſch und 
wohlgeſtalt war, und ſprach: „Ich will Bitt an 
dich legen, die ſollſtdumir nit verſagen. Der Juͤng⸗ 
ling ſprach: „Gnaͤdiger Koͤnig, Ihr ſollt kein Bitt 
an mich legen, ſondern Ihr ſollt gebieten; ſo ſoll 
ich dann Euern Geboten gehorſam ſein. Und alſo 
ließ er einen Prieſter kommen und gleich in ſeiner 
Gegenwaͤrtigkeit gab er der Witwe den Juͤngling 
zu einem Gemahl, und begabet die gar reichlich. 
Und ſie lebten in Freuden mit einander, und ging 
die Frau zu ihrer Geſpielen und danket ihr gar ſehr 
um den Rat ſo ſie ihr geben, daß ſie ihren Bett⸗ 
ſchranken veraͤndert hatt, und ſprach: „Wo ich 
Eurem Rat nit waͤr gefolget, ſo haͤtte unſer Herr 
der Koͤnig ſeine Kleinode nicht, noch ich einen huͤb⸗ 
ſchen jungen Mann. Darum ſo iſt es gut, wer wei⸗ 
fer Leute Rat folget.“ 


¶ Wie Fortunatus in einem Wald verirret 
und benachtet / in groß Elend und Sorg 
ſeines Lebens kam. 


Nun habet Ihr vor gehoͤret, wie Fortunatus von 
Lunden kam und in was Not und Angſt er ge⸗ 
weſen war. Nun hoͤret, wie es ihm weiter ging. 
Als er kein Geld mehr haͤtt, da eilet er ſehr, daß er 
von den Engliſchen kaͤme, und kam in Pichardia, 
da haͤtte er gern gedient, da konnte er keinen Herrn 
ankommen. Ging aber fuͤrbaß und kam in das Land 
Britania, das iſt ein ſtarkes Land und hat viel hoher 
Gebuͤrge und große Waͤlder. Und als Fortuna⸗ 
tus durch das Land wollt, kam er in einen großen 


48 49 


wilden Wald, als es der Böhmer oder Türinger 
Wald waͤre. Und als er weiter in den Wald kam, 
da ward er irre gehn, und ging den ganzen Tag und 
konnt nit daraus kommen. Und als es Nacht ward, 
da kam er zu einer alten Glas huͤtten, in der man 
vor viel Jahren Glas gemacht haͤtt. Da ward er 
froh und meint, er ſollt Leut darinnen gefunden 
haben, aber da war niemand innen; doch ſo blieb er 
die Nacht in der armen Huͤtten, mit großem Hun⸗ 
ger und Sorgen, fo er hatt von den wilden Tieren, 
ſo in dem Wald ihre Wohnung haben; und haͤtt 
groß Verlangen nach dem Tag, in Hoffnung, ihm 
huͤlf Gott aus dem Wald, daß er nit alſo Hungers 
ſtuͤrbe. Und als es begann zu tagen, hub er ſich auf 
und ging aber eilends, und als er ſollt zwerchs 
durch das Holz gehn, ging er nach der Laͤngen, und 
je mehr er ging, je minder konnt er aus dem Walde 
kommen, und verging alſo der andre Tag mit gro⸗ 
ßem hartem Leid. Und als es aber begann Nacht 
zu werden, ward er gar muͤd und kraftlos, dann er 
in zweien Tagen nicht gegeſſen hatte. Und von un⸗ 
gefaͤhr kam er zu einem Brunnen, da trank er mit 
großer Luſt, das ihm eine Kraft gab, und als er bei 
dem Brunnen ſaß, fing der Mond an gar hell zu 
ſcheinen; da hoͤrt er ein wildes Praſſlen in dem 
Wald, und hoͤrt die Baͤren brummen. Da gedacht 
er, wie ihm da nit lang zu ſitzen, auch nit nuͤtz waͤre 
zu fliehen, da die wilden Tiere ihn bald uͤbereilten, 


50 


und dacht, ihm wäre beſſer auf einen Baum zu ſtei⸗ 
gen. Da klomm er zunaͤchſt bei dem Brunnen auf 
einen hohen Baum, der auch viel Aeſte hatte, und 
ſah alſo zu, wie die wilden Tiere mancherlei Ge⸗ 
ſchlechts kamen zu trinken, ſchlugen und biſſen, haͤt⸗ 
ten ein wildes Gebaren mit einander; doch unter den 
allen war ein halbgewachſner Baͤr, der ſchmeckte 
Fortunatum auf dem Baum und fing an auf den 

aum zu ſteigen. Fortunatus fuͤrchtete ſich ſehr 
und flieg je länger je höher auf den Baum und der 
Baͤr ihm hart nach. Da aber Fortunatus weiter 
hinauf nicht mochte kommen, legte er ſich auf einen 
Aſt und zog aus ſeinen Degen und ſtach den Baͤren 
in den Kopf und gab ihm gar mannige Wunden. 
Der Baͤr ward zornig und ließ die vordren Tappen 
von dem Baum und ſchlug nach Fortunato. Da 
er aber oben keinen Halt haͤtt, fiel er hinter ſich 
durch den Baum nieder, und machte ſo ein groß 
Praſſeln, fiel ſo hart auf den Boden, daß es weit 
in dem Wald erſchall. Da aber die andern wilden 
Tier den ſchweren Fall gehoͤrt hatten, huben ſie alle 
an zu fliehen ſo gut ſie mochten. Als ſie nun alle 
hinweg waren bis auf den gefallenen Baͤr, der lag 
unter dem Baum und war ſo hart gefallen, daß er 
nit von der Stelle kommen mochte, und war doch 
nit gar tot; da ſaß Fortunatus auf dem Baum und 
wagte ſich nit herab, doch fing ihn an ſo hart zu 
ſchlaͤfern, daß er fuͤrchtete, er entſchliefe und fiele 


4* 51 


fich ab dem Baum lahm oder gar zu tot, und mit 
erſchrockenem Herzen ſtieg er herab, und nahm ſei⸗ 
nen Degen und ſtach ihn in den Baͤren, legte ſei⸗ 
nen Mund auf die Wunden und ſauget das warme 
Blut in ſich, das ihm ein wenig Kraft gab, und ge⸗ 
dacht ihm: hätt ich jetzund ein Feur, ich woͤllt mich 
des Hungers wohl erwehren. Doch ſo ward era 
Schlafens ſo not, und ne fich neben den toten Baͤ⸗ 
ren und entſchlief und thaͤt einen guten Schlaf. Und 
ſo er alſo erwacht und ſeine Augen aufthaͤt, da ſah 
er, daß es begann zu tagen und ſah vor ihm ſtehn 
ein gar ſchoͤnes Weibsbild. 


Wie eine Jungfrau / gewaltig des Gluͤcks / 
Fortunatum mit einem Seckel begabt / dem 
nimmer Gelds gebrach. 


Er hub an Gott inniglich zu loben und ſprach: „O 
allmaͤchtiger Gott, ich ſag dir Lob und Dank, 
daß ich doch einen Menſchen hab moͤgen ſehen vor 
meinem Tod“ und ſprach: „O liebe Frau oder 
Jungfrau, ich weiß nit was Ihr ſeid: ich bitt Euch 
durch die Ehre Gottes, Ihr woͤllet mir helfen und 
raten, daß ich aus dieſem Wald komm, dann es iſt 
heut der dritte Tag, daß ich in dieſem Walde um⸗ 
geh ohn alle Speis. Und ſagt ihr, wie es mit dem 
Baͤren gangen war. Sie hub an und ſprach: „Von 
wannen biſt du?! Er ſprach: „Ich bin aus Cy⸗ 


52 


pern. Sie fagt: „Was gehſt du hie um?” Er ant⸗ 
wortet ihr und ſprach: „Mich zwingt Armut, daß 
ich hie umgeh und ſuch, ob mich Gott beraten woͤll 
und mir ſoviel Gluͤcks verleihen, daß ich zeitliche 
Nahrung möcht haben.“ Sie ſprach: „Fortunate, 
erſchrick nit, ich bin die Jungfrau des Gluͤcks, und 
durch Einfluß des Himmels, der Sternen und der 


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7. 
7, 


Planeten fo find mir verliehen ſechs Tugenden, die 
ich fuͤrder verleihen mag, eine, zwo oder gar mehr, 
nach den Stunden und Regierung der Planeten. 
Das iſt Weisheit, Reichtum, Staͤrke, Geſundheit, 
Schoͤne und langes Leben. Da erwaͤhle dir eins 
unter den ſechſen und bedenk dich nit lang, dann die 
Stunde des Gluͤcks zu geben iſt gar bald verſchie⸗ 


53 


nen.” Alſo bedachte er fich nit lang und ſprach: „So 
begehr ich Reichtum, daß ich allweg Gelds genug 
hab.“ Zuſtund zog ſie herfuͤr einen Seckel und gab 
den Fortunato und ſprach: „Nimm hin den Seckel, 
und ſo oft du darein greifeſt (kin welchem Land du 
immer biſt oder kommeſt, was dann von Gulden in 
dem Land laͤufig ſeind) ſo oft findeſt du zehen Stuͤck 
Goldes desſelben Lands Waͤhrung. Und dieſer 
Seckel ſoll die Tugend haben dein Lebtag und dei⸗ 
ner naͤchſten Erben, und auch nit länger; und ob 
der Seckel in der Zeit in andre Haͤnde kaͤme denn 
dein oder deiner Erben, noch dann hat er allweg die 
Tugend und die Kraft. Darum ſo laß dir ihn lieb 
ſein und hab Sorg.“ Fortunatus, wie ſehr ihn 
hungert, ſo gab ihm der Seckel und die Hoffnung, 
ſo er darzu haͤtt, eine Kraft, und ſprach: „O aller⸗ 
tugendreichſte Jungfrau, ſo Ihr mich nun alſo lob⸗ 
lich begabt habt, ſo iſt doch billig, daß ich um Euret⸗ 
willen Euch etwas pflichtig ſei zu thun und der 
Gutheit nit vergeß, fo Ihr mir gethan habet. Die 
Jungfrau hub an und ſprach gar guͤtlich zu For⸗ 
tunato: „Sintemal du fo willig biſt, mir etwas zu 
widergelten um die Gutheit, ſo dir von mir geſche⸗ 
hen iſt, ſo will ich dir drei Dinge befehlen, die du 
dein Lebtag allweg auf den Tag, als heut iſt, durch 
meinen Willen thun ſollſt. Das erſt: du ſollſt auf 
den Tag feiern, auf den Tag kein ehelich Werk voll⸗ 
bringen, und auf den Tag alle Jahr, in welchem 


54 


Land du feieft, Frag haben, wo ein armer Mann 
eine Tochter habe, die mannbar ſei, ihr gern einen 
Mann gäbe und es vor Armut nit vermag: die ſollſt 
du ehrlich kleiden, ihren Vater und Mutter und ſie 
begaben und erfreuen mit vierhundert Stuͤck Gol⸗ 
des desſelben Landes Waͤhrſchaft, in der Gedaͤcht⸗ 
niß: als du heut erfreuet biſt worden von mir, ſo er⸗ 
freu du alle Jahr eine arme Jungfrau.“ Fortu⸗ 
natus antwortete ihr und ſprach: „O aller tugend⸗ 
reichſte Jungfrau, Ihr ſollt ohne Zweifel ſein, ich 
will dieſe Ding ehrlich und unvergeſſenlich halten, 
dann ich es jetzo in mein Herz gedrückt und gefaſſet 
hab zu einem unvergeſſenenlichen Gedaͤchtniß.“ 
Doch wie dem allem ſei, ſo lag Fortunato an, wie 
er aus dem Walde kaͤme, und ſprach: „O wohl⸗ 
geſtalte Jungfrau, nun ratet und helfet, daß ich 
aus dieſem Wald komme.“ Sie ſprach: „Daß du 
irrig in dieſem Wald gegangen biſt, das du fuͤr ein 
Ungefaͤll gehabt haſt, das iſt dir zu einem Gluͤck ge⸗ 
raten‘ und ſprach zu ihm: „Folg mir nach.“ Und 
fuͤhret ihn alſo zwerchs durch den Wald an einen be⸗ 
gangenen Weg, und ſprach zu ihm: „Dieſen Weg 
geh gerad fuͤr dich und kehr dich nit um, und lug 
nit, wo ich hinkomme, und thuſt du das, ſo kommeſt 
du aus dem Wald gar bald.“ Alſo thaͤt Fortuna⸗ 
tus nach der Jungfrauen Rat und ging den Weg 
fuͤr ſich eilends ſo er beſt mocht, und kam aus dem 
Walde. Da ſah er vor ſich ein groß Haus, das 


55 


war eine Herberg, da gemeiniglich die Leut aßen, 
welche durch den Wald wollten gehn oder reiten. 
Und als Fortunatus nah zu der Herberg kam, da 
ſaß er nieder und zog den Gabſeckel aus dem Buſen 
und wollt beſehen, ob es wahr waͤre, was ihm ge⸗ 
ſagt war, und auch, daß er wuͤßte darvon zu zeh⸗ 
ren, dann er ſonſt kein Geld mehr haͤtt; und griff 
alſo in den Seckel, und zog heraus zehen Kronen. 
Und da er die ſah, moͤget Ihr wohl glauben, daß 
er eine große Freud empfing, und ging in großen 
Freuden in das Wirtshaus und ſprach zu dem 
Wirt, daß er ihm zu eſſen gaͤb, denn ihn hungert 
ſehr, und daß ers ihm wohl erboͤt, er woͤllt es ihm 
wohl bezahlen. Das gefiel dem Wirt wohl undtrug 
ihm ehrlich auf das Beſt ſo er haͤtt. Fortunatus er⸗ 
goͤtzet und ſaͤttiget ſich ſeines Hungers und blieb bei 
ihm die erſte Nacht und morgens den andern Tag, 
und lebet faſt wohl auf den Hunger ſo er gelitten 
haͤtt; bezahlte den Wirt nach ſeinem Willen und 
hub an fuͤrbaß zu wandlen. 
Nan war ein kleines Staͤdtlein und ein Schloß 
zwei Meil von dem Wald, da wohnet ein Graf, 
den man auch nannt den Waldgrafen. Der hatte 
Gerechtigkeit an der Art den Wald zu beſchirmen 
von Geheiß des Herzogen von Britania. Dahin 
kam Fortunatus zu dem beſten Wirt, und hieß ihm 
es wohl erbieten und fraget den Wirt, ob er nit 
fuͤnd huͤbſche Roß zu kaufen. Er ſprach: „Ja, es iſt 


56 


ein fremder Kaufmann geſtern herkommen wohl 
mit fuͤnfzehn huͤbſchen Pferden und will auf die 
Hochzeit, ſo der Herzog von Britania haben will 
mit des Königs Tochter von Arragonia. Der hat 
drei Roß unter den fuͤnfzehn, da wollt ihm unſer 
Graf dreihundert Kronen um geben; ſo will er 
nur dreihundert und zwanzig Kronen haben, und 
iſt der Streit um zwanzig Kronen.“ Fortunatus 
ging heimlich in eine Kammer und nahm aus ſei⸗ 
nem Seckel ſechshundert Kronen und thaͤt die in 
einen Seckel und ging zu dem Wirt und ſprach: 
Wo iſt der Mann mit den Roſſen, hat er fo huͤbſche 
Roß, ich wollt ſie gern ſehen. Der Wirt ſprach: 
„Ich fuͤrcht, er laß ſie Euch nit ſehen: unſer Herr 
der Graf hat kaum vermocht, daß er ſie ihn hat 
laſſen fehen.” Fortunatus ſprach: „Gefallen mir 
die Roß, ich mag fie eh kaufen dann der Graf.“ Es 
gedaͤuchte den Wirt ſpottlich, daß er ſo reichlich re⸗ 
det und nit Kleider darnach anhaͤtt und auch zu 
Fuß ging. Doch ſo fuͤhrt er ihn zu dem Roßtaͤu⸗ 
ſcher und redet ſo viel mit ihm, daß er ihn die Roſſe 
ließ ſehen. Er muſtert ihm die, und ſie gefielen ihm 
alle wohl, doch ſo wollte er nur die drei, ſo dann 
der Graf wollte gekauft haben. Er hatte wohl ver⸗ 
ſtanden, daß der Streit um zwanzig Kronen ge⸗ 
weſen war, zog gleich aus und gab ihm dreihun⸗ 
dert und zwanzig Kronen und hieß die Roß in ſein 
Wirtshaus fuͤhren, und ſandt nach dem Sattler, 


57 


hieß ihn Sättel und Gereit gar köſtlich machen und 
befahl dem Wirt, daß er ihm huͤlf um zween reiß ig 
Knecht, denen wollt er guten Sold geben. Dieweil 
er aber die Sache alſo handlet, ward der Graf in⸗ 
nen, daß Fortunatus die Roß kauft haͤtt, darob er 
einen großen Unwillen empfing, und griesgramet 
in ihm ſelbſt, dann die Roß gefielen ihm wohl, und 
haͤtt ſie nit dahinten gelaſſen um der zwanzig Kro⸗ 
nen willen, da er auch auf die Hochzeit wollt und 
da auch geſehen werden. In dem Zorn ſandt er 
ſeiner Diener einen zu dem Wirt und ließ ihn fra⸗ 
gen, was Manns der ware, der ihm die Roß aus 
ſeinen Haͤnden gekauft haͤtt. Der Wirt ſprach, er 
kennte ihn nit, denn er waͤr in ſeine Herberg kom⸗ 
men zu Fuß und in armen Kleidern, und haͤtt zu 
ihm geſprochen, er ſollt ihms wohl erbieten, er 
woͤllte ihn wohl bezahlen, und ſprach: „Er gefiel 
mir ſo wohl: wann er ein Mal gegeſſen haͤtt, ich 
haͤtte ihm kein anders geben, ich waͤre denn vor be⸗ 
zahlt geweſen um das erſte.“ Der Knecht ward 
zornig an den Wirt, warum er mit ihm gangen 
waͤre die Roſſe zu kaufen. Er ſprach: „Ich habe 
gethan als ein jeder frommer Wirt ſeinem Gaſt 
ſoll thun, das er auch mit Ehren wohl thun mag. 
Er bat mich, mit ihm zu gehn, ich haͤtte nit gedacht, 
daß er einen Eſel hätte mögen vergelten. | 


58 


¶ Wie Fortunatus einem Baldgrafenetliche 

huͤbſche Pferd aus den Haͤnden kauft / 

darum er gefangen ward / und in große 
Not und Angſt kam. 


Der Knecht kam zum Grafen und ſagt ihm, was 
er vernommen haͤtt. Da der Graf das hoͤrte, 
daß er nit ein geborner Edelmann war, ſprach er 
zu ſeinen Dienern aus großem Zorn: „Gehet hin 
und fahet den Mann. Dann er hat das Geld ge⸗ 
ſtohlen, geraubt oder aber Einen ermordet.” Und 
alſo fingen ſie ihn und fuͤhrten ihn in eine boͤſe Ge⸗ 
faͤngniß; fragten ihn, von wannen er wär. Er 
ſprach, er waͤr von Cypern, aus einer Stadt ge⸗ 
nannt Famaguſta. Sie fragten, wer ſein Vater 
waͤr. Er ſprach: „Ein armer Edelmann.“ Das 
hoͤrt der Graf gern, daß er ſo von fernen Landen war, 
fraget ihn mehr, von wannen ihm das baar Geld 
fam, daß er ſo reich wär. Er ſagt, es waͤre fein, er 
verhoffte, daß er nit ſchuldig waͤre zu ſagen, von 
wannen ihm ſein Geld kaͤme. Waͤre aber jemand, 
der ihn zeihe, dem er Gewalt oder Unrecht gethan 
haͤtt, dem wollte er eines Rechtens vor ſeinen Gna⸗ 
den ſein. Der Graf ſprach: „Dich hilft dein Klaͤf⸗ 
fen nit. Du wirſt ſagen, von wannen dir das Geld 
komm.“ Und ließ ihn führen an die Statt, da man 
ſchaͤdlich Leut martert, und ließ ihn aufziehen. Da 
Fortunatus ſah, wie man mit ihm um wollt gehn, 


59 


erſchrack er gar ſehr, doch fo fast er in fein Gemüt, 
er woͤllt eh ſterben, denn daß er wollt ſagen die Tu⸗ 
gend von dem Seckel; und als er alſo hing mit ſchwe⸗ 
rem Gewicht beladen, ſagte er, daß man ihn ab⸗ 
ließe, ſo woͤllt er ſagen, was man ihn fragte. Und 
als er herab kam, ſagt der Graf: „Nun ſag kurz, 
von wannen kommen dir ſoviel guter Kronen.“ Er 
fing an und ſagt, wie er in dem Wald verirret waͤre 
bis an den dritten Tag ungegeſſen. „Und da mir 
Gott die Gnade thaͤt, daß ich dem Wald an ein End 
kam, fand ich einen Seckel, darinnen waren ſechs⸗ 
hundert und zehen Kronen. Der Graf ſprach: Wo 
iſt der Seckel, darinnen die Kronen waren?“ „Da 
ich das Geld gezaͤhlt haͤtt, thaͤt ich es in meinen 
Seckel und warf den leeren Seckel in das Waffer, 
fo vor dem Wald fließet.“ Der Graf ſprach: „O 
du Schalk, wollteſt du mir das Meine entfremden? 
Du ſollſt wiſſen, daß mir dein Leib und Gut ver⸗ 
fallen iſt, denn was in dem Wald iſt, das gehoͤrt 
mir zu und iſt mein eigen Gut.“ Fortunatus ſprach: 
„Gnaͤdiger Herr, ich hab um ſolche Eure Gerech⸗ 
tigkeit gar nicht gewußt; alſo daß ich Gott lobet und 
haͤtt es fuͤr eine Gottes Gab.“ Der Graf ſprach: 
„Mir liegt nicht daran, daß du es nit gewußt haft. 
Haſt du nit gehoͤrt: wer nit weiß, der ſoll fragen? 
und kurz, richt dich darnach: heut nehm ich dir alles 
dein Gut und morgen das Leben.“ Fortunatus ge⸗ 
dacht in ihm ſelbſt: „O ich Armer, da ich die Wahl 


60 


hätt unter den ſechs Gaben, warum erwaͤhlt ich 
nit Weisheit fuͤr Reichtum? ſo waͤr ich jetzund in 
der großen Angſt und Not nicht. Und fing an und 
bat Gnade und ſprach: „O gnaͤdiger Herr, teilet mir 
Armem Barmherzigkeit mit. Wozu waͤre Euch 
nuͤtz mein Leben? Nehmt das gefunden Euer Gut 
und laſſet mir das Leben, ſo will ich Gott treulich 
fuͤr Euch bitten all die Tag meines Lebens.“ Das 
war dem Grafen ſchwer, daß er ihn ſollt laſſen leben, 
denn er fuͤrchtet, wo er hin kaͤme und ſolches von 
ihm klagte, das wuͤrde ihm ſchaͤmlich unter den 
frommen Fuͤrſten und Herren. Doch ward er be⸗ 
wegt in Barmherzigkeit, daß er ihm das Leben laſ⸗ 
ſen wollt. Und des Morgens fruͤh vor Tag ließ er 
ihn vor die Stadt fuͤhren und da ſchwoͤren, ſein Leb⸗ 
tag nit mehr in des Grafen Land zu kommen, das 
er auch thaͤt. Er war heimlich froh, daß er alſo dar⸗ 
von kam, denn haͤtte der Graf die rechte Maͤr ge⸗ 
wußt, er waͤre alſo davon nit kommen. Die Die⸗ 
ner ſagten zu dem Grafen, daß er ihm eine Krone 
zu Zehrung gaͤb, das wollt er aber nit thun und 
ſyrach: „Eh er das Geld fand, da konnt er betteln, 
das thu er jetzund aber.“ Und nahm alſo die Roß 
und das Geld dem Fortunato unredlich ab; als 
man ihrer noch viel findet, die den Leuten das Ihre 
nehmen wider alle Recht. Dieſer Waldgraf war 
3 Graf Arttelhyn, der Waldgraf von Nun⸗ 
ragon. 


61 


Da nun Fortunatus alſo ledig war, durfte er nit 
uͤber ſeinen Seckel gehn, daß er Geld naͤhme 
und zehrte, und ging zwei Tagereis betteln, daß er 
fuͤrchtete, fuͤnd man, daß er Geld hatt, man möcht 
ihn aber fahen. Doch ſo kam er gen Nantis, das iſt 
die Hauptſtadt in Britania, die liegt an dem Meere 
und iſt ein Port des Meeres. 


¶ Wie Fortunatus gen Nantis kam / in Bri⸗ 
tania Hofzucht zu ſehn. 


Da lag großes Volk von Fuͤrſten und Herren, 
die alle warteten auf die Koͤnigin. Da thaͤt 
man nicht anders dann ſtechen, tanzen und alle 
Freud und Wolluſt treiben. Das ſahe er gern und 
gedacht: „Nun hab und vermag ich wohl ſoviel an 
baarem Geld als ihrer alle die hier ſind, und darf 
es nit brauchen nach meinem Willen. Ich weiß 
wohl, ſie haben Land und Leut, was ſie gebieten, 
das muͤſſen ihre Unterthanen vollbringen. Huͤb 
ich etwas an, es moͤcht nit jedermann gefallen; ſo 
haͤtte ich niemand, der mir Beiſtand thaͤte.( Darum 
ſprach er zu ihm ſelbſt: „Mir ziemet nit hie den 
Junkherrn zu machen, noch große Koͤſtlichkeit zu 
treiben. Ihm lag an, wie ihm der Waldgraf ge⸗ 
than und ihn um Unſchuld gepeiniget haͤtt. Doch ſo 
kauft er zwei huͤbſche Roß und dinget einen Knecht, 
und bekleidet ſich und ſeinen Knecht gar ſchoͤn, und 


62 


ließ auch die Pferd gar fchön zurichten, ritt in die 
beſte Herberg, ſo dann zu Nantis war, und wollte 
alſo die Feſt und Hochzeit ſehen und der Feſt ein End 
warten; dann er konnt wohl merken, daß es ein 
koͤſtlich Weſen werden wollt, und daß groß Volk 
zuritt von Fuͤrſten und von Herren. Daß ich woͤllt 
ſchreiben, was Koͤſtlichkeit da verbracht ward, iſt 
nit not, man ſieht wohl, ſo nun ſchlecht Buͤrger 
Hochzeit haben, ſo wiſſen ſie nit, wie ſie genug Koͤſt⸗ 
lichkeit treiben follen, und wird manniger los, das 
ihm hernach leid wird. Aber der Herzog haͤtt ein 
ſtliche Hochzeit, die waͤhret ſechs Wochen unddrei 
Tag, und fing die Hochzeit an als die Koͤnigin kam. 
Moͤget ihr wohl glauben, daß ſie ehrlich empfan⸗ 
gen ward, ſie kam gefahren uͤber Meer mit viel gro⸗ 
ßen Schiffen, Nauen und Galeeren. Und man 
ſandt viel Schiff ihr entgegen, die ſie auf dem Meer 
gar ehrlich empfingen. Aber noch ehrlicher und 
koͤſtlicher ward ſie empfangen, da ſie an das Land 
kam, von ihrem Herren und Gemahl und von an⸗ 
dern Fuͤrſten und Herren. 
Das ſah alles Fortunatus und gefiel ihm faſt wohl, 
und thaͤt nit anders, dann daß er gen Hof ging und 
ritt. Und als er aber gen Hof ritt, ſo ließ er nichts 
in der Herberg, das gefiel dem Wirt nit, dann er 
ihn nit kennet, und fuͤrchtet, er ritt unbezahlt hin⸗ 
weg, als ihm vormals oft geſchehen war und noch 
auf ſolchen Hochzeiten geſchieht. Darum ſo ſprach 


63 


er zu Fortunato: „Lieber Freund, ich kenne Euer 
nit. Thut ſo wohl und bezahlt mich alle Tag. For⸗ 
tunatus lachet und ſprach: „Lieber Wirt, ich wollt 
nit unbezahlt hinweg reiten“, und zog aus ſeinem 
Seckel hundert guter Kronen und gab ſie dem Wirt 
und ſprach: „Das Geld habet, und wenn Euch ge⸗ 
duͤnkt, daß ich oder wer mit mir kommet, mehr ver⸗ 
zehret haben dann ſolch Geld, ſo will ich Euch mehr 
geben. Ihr beduͤrft mir kein Rechnung darum ge⸗ 
ben.“ Der Wirt war froh und nahm das Geld 
mit Freuden, und fing an, Fortunatum in Ehren 
zu haben; und wo er fuͤr ihn ging, da griff er an 
ſeine Kappen, ſatzt ihn zu den Beſten an die Tafel, 
leget ihn auch in ein ehrlichere Kammer dann er 
vor gelegen war. Und als nun Fortunatus bei an⸗ 
dern Herren und Edelleuten alſo zu Tiſch ſaß, da 
kamen mancherlei Sprecher und Spielleut fuͤr der 
Herren Tafel, den Leuten Kurzweil zu machen, 
auch daß ſie Geld verdienten. Nun kam aufein Mal 
ein alter Edelmann und klagt den Herren ſeine Ar⸗ 
mut und ſagt, er waͤr ein Edelmann, geborn aus 
Hybernia, und waͤr ſieben Jahr umgezogen und 
haͤtt 7 zwei Kaiſerthum und zwanzig 
chriſtlicher Koͤnigreich, mehr waͤr ihrer auch nit in 
der Chriſtenheit, und haͤtt ſich ſo verzehret; und be⸗ 
gehret alſo, daß ſie ihn wollten ſteuren, daß er wie⸗ 
der moͤcht in ſein Land kommen. Da war ein Graf 
an der Tafel, der ſprach zu ihm: „Wie heiſſen doch 


64 


die Reich alle?” Der gute Edelmann fing an und 
zaͤhlte ſie alle nach einander gar ordentlich und 
ſprach: „Es iſt kein Koͤnigreich, es habe doch drei 
oder vier Herzoͤge unter ihm, ohn Fuͤrſten und Her⸗ 
ren, weltlich oder geiſtlich, die Land und Leut ha⸗ 
ben, die ich alle beſucht hab. Und hab von einem 
jeden Land, das eine beſondre Sprach hat, ſoviel er⸗ 
griffen, daß ich ein Notdurft mit den Leuten kann 
reden. Hab auch in Geſchrift, wie ein jeder Koͤnig 
hieß, da ich an ſeinem Hof war, und wie fern es von 
einem Königreich zu dem andern iſt.“ Der Graf 
ſprach: „Ich wollte gern, daß ich an allen Orten 
mit Euch waͤre geweſen, doch daß ich wieder hie 
waͤre, und ich mag wohl ſchaͤtzen, daß es viel Leibs 
und Guts brauchet wer die Land alle beſehen will.“ 
Der gut Edelmann ſprach: „Ja, Herr, einer wird 
gut und boͤs innen, und muß manche elende Her⸗ 
berg haben und große Verſchmaͤhung leiden.“ Der 
Graf ſchenkt ihm vier Kronen und ſprach zu ihm, 
waͤr es ſein Fug, ſo moͤchte er da bleiben ſo lang das 
Feſt waͤhret, fo wollte er für ihn zahlen. Er danket 
ihm ſehr und ſprach, ihn verlangte heim zu ſeinen 
Freunden, und er waͤr lang aus geweſen; und dan⸗ 
ket ihm ſehr der Schenkung, ſo er ihm gethan haͤtt. 
Nun hatte Fortunatus gar eben aufgemerkt auf 
die Red, ſo der alte Edelmann geſagt haͤtt, und ge⸗ 
dachte ihm: moͤchte mir der Mann werden, daß er 
mich durch die Laͤnder fuͤhrte, ſo woͤllt ich ihn doch 


55 65 


reichlich begaben. Und ſobald die Mahlzeit aus war, 
ſandte er nach ihm in ſeine Schlafkammer und 
fragt ihn, wie er mit dem Namen hieß. Er ſagt: 
„Lupoldus.“ Er ſprach: „Ich hab verſtanden, wie 
du ſo weit gewandelt und an als viel koͤniglichen 
Hoͤfen geweſen biſt. Nun bin ich jung und wollt 
gern in meinen jungen Tagen wandlen dieweil ich 
es vermoͤcht, und waͤr es dein Gefallen, und woͤll⸗ 
teſt mich alſo fuͤhren, ſo wollt ich dir ein huͤbſch 
Pferd unter geben und einen eigenen Knecht dingen 
und dich halten als meinen Bruder und dir darzu 
einen guten Sold geben nach deinem Begehren.“ 
Lupoldus ſprach: „Ich moͤcht wohl leiden, daß man 
mich ehrlich hielt, und darzu gnug gaͤb. Ich bin 
aber alt und hab Weib und Kind, die haben kein 
Wiſſen von mir, und natuͤrliche Liebe zwingt mich, 
wieder zu ihnen zu kommen und mein Leben bei 
ihnen aufzugeben.“ Er ſprach: „Lupolde, begieb 
dich, meinen Willen zu vollbringen, ſo will ich mit 
dir in Hybernia, und will dir Weib und Kind (ob 
fie im Leben feind) ehrlich begaben, und ſo die Reis 
vollbracht wird, und wir mit der Hilf Gottes gen 
Famaguſta (in Cypern gelegen) kommen, dich ver⸗ 
ſehen mit eignem Haus, Maͤgd und Knecht, ob es 
dein Gefallen iſt, dein Leben alſo bei mir zu ver⸗ 
ſchleißen.“ 


66 


¶ Wie Fortunatus einen alten Knecht zu ei⸗ 
nem Diener aufnahm / genannt Lupoldus / 
der weit erfahren / und ihm viel Land be⸗ 
kannt waren. 


Qupelus gedachte: „Der jung Mann verheißt 
mir viel. Ware ich der Sach gewiß, wie gut 
waͤr es, daß mir ſolches Gluͤck in meinen alten Ta⸗ 
gen zuſtuͤnd. / Und wiewohl ihm zweiflet, er ver⸗ 
moͤchte die Koſten nit, dann er wohl wußte, was 
auf ſolches Umwandeln gehn muͤßte, ſagt er: „Ich 
will Euch zu Willen werden, doch ſo fern, daß Ihr 
Euerm Verheißen genug thut, und daß Ihr es 
auch wiſſet aus zu bringen; und fanget es nit an, 
Ihr habet und wiſſet denn faſt viel baar Geld: dann 
ohn Geld mag man es nit wohl vollbringen.“ For⸗ 
tunatus ſprach zu Lupoldo: „Sorg nit, ich weiß in 
jedem Land Gelds genug aufzubringen. Darum 
verheiß dich, bei mir zu bleiben und die Reis zu voll⸗ 
enden.“ Er ſprach: „So verheißt mir auch zu lei⸗ 
ſten, das Ihr mir verſprochen und verheißen habt.“ 
Alſo gelobten ſie beid je einer dem andern bei guten 
Treuen, einander nit zu verlaſſen in keinen Noͤten. 
Als der Beſchluß geſchehen war, zog Fortunatus 
gleich heraus zweihundert Kronen und gab ſie Lu⸗ 
poldo, ſagt: „Geh, kauf zwei huͤbſche Pferde, ſpar 
kein Geld, ding dir einen eignen Knecht, und wenn 
er dir nit gefall, ſo ding einen andern, und wenn du 


5˙ 67 


nit mehr Geld haft, fo will ich dir mehr geben und 
dich ohn Geld nit laſſen.“ Das gefiel Lupoldo faſt 
wohl und gedacht, es waͤr ein guter Anfang; und 
ruͤſtete ſich nach aller Luſt. Deßgleichen thaͤt For⸗ 
tunatus auch, nahm nit mehr dann zween Knecht 
und einen Knaben, alfo daß ihrer ſechs waren, und 
wurden eins, wie ſie die Laͤnder und Koͤnigreich 
durchfuͤhren, und wollten das roͤmiſch Reich zu 
dem erſten beſehen. Und ritten alſo zu dem naͤch⸗ 
ſten auf Nuͤrnberg, gen Woͤrd, Augſpurg, Noͤrd⸗ 
lingen, Ulm, Coſtenntz, Baſel, Straßburg, Meutz, 
Coͤlln; davon viel waͤr zu ſchreiben, dann ihrer ob 
hundert iſt in teutſchen Landen, die unterwürfig 
einem Kaiſer ſeind. Da moͤget Ihr wohl merken, 
daß es lange Weil brauchte, der alle Staͤdt durch⸗ 
ſuchen woͤllt; doch die namhaftigſten, und wo Bis⸗ 
tum waren, da kehrten ſie zu, und beſahen alle 
Ding. Das ſchrieb Fortunatus alles gar eben an. 
Nun iſt nit mehr dann ſechzig Meilen den naͤchſten 
Weg von Nuͤrenberg gen Coͤllen, möcht einer in 
acht Tagen reiten. Daran ritten ſie ein Vierteil 
von einem Jahr, das macht das Umreiten von einer 
Stadt zu der andern; und alſo thaͤten ſie in andern 
Koͤnigreichen auch, in einem mehr, dem andern 
minder, darnach ſie groß waren. Nach dem zogen 
ſie von Coͤlln nach Prugk in Flandern, iſt fuͤnfzig 
Meil, und von Prugk gen Lunden, iſt die Haupt⸗ 
ſtadt des Koͤnigs von Engelland, bei vier Tagreiſen; 


68 


ift eine Inſel, daß man über Meer fahren muß. 
Und von Lunden gen Odwuͤck, iſt die Hauptſtadt 
in Schottenland, und iſt neun Tagreiſen. Und als 
ſie dahin kommen waren, hatten ſie noch ſechs Tag⸗ 
reis in Hybernia, in die Stadt, dannen Lupoldus 
war. Der begehrt an ſeinen Herren Fortunatum, 
mit ihm dahin zu reiten, das er ihm verwilliget, 
und ritten nach Hybernia und kamen alſo in die 
Stadt genannt Waldrick, da dann Lupoldus da⸗ 
heim war. Der fand Weib und Kind, wie er ſie ge⸗ 
laſſen hatte, doch einer feiner Söhne hätt ein Weib 
genommen, und eine Tochter, die haͤtt einen Mann 

enommen, die waren alle ſeiner Zukunft froh. 

ch Gott, ſie waren alle nit reich, das konnte For⸗ 
tunatus wohl merken; und gab dem Lupoldo hun⸗ 
dert Nobel, daß er all Sach ratlich und wohl zu⸗ 
richte, ſo woͤllt er zu ihnen kommen und froͤhlich 
mit ihnen fein. Alſo ließ Lupoldus gar koͤſtlich zu⸗ 
richten und lud darzu ſeine Kinder, ihre Mann und 
Weib und all ander gut Freund. Und hielt alſo koͤſt⸗ 
lich Hof, deß doch jedermann genoß in der Stadt. 
Fortunatus war froͤhlich mit ihnen und als er ge⸗ 
geſſen hatt, ruft er Lupoldo und ſagt zu ihm: „Du 
ſollſt Urlaub nehmen von Weib und Kinden, und 
nimm hin die drei Seckel, ift in jedem soo Nobel 
(if einer beſſer dann dritthalber Gulden rheiniſch); 
ſollſt du einen deinem Weib, den andern deinem 
Sohn, und den dritten deiner Tochter zu Letze laſ⸗ 


69 


fen, daß fie eine Zehrung haben.“ Deß war er froh 
und danket ihm der großen Tugend. Da moͤget 
ihr wohl glauben, daß Weib und Kind faſt erfreuet 
wurden, und ließen ihn deſto lieber weg reiten. Nun 
hatte Fortunatus gehoͤrt, daß noch zwo Tagreiſen 
waͤren bis in die Stadt, da Patricius Fegfeur iſt 
liegt auch in Hybernia); und ſagte: „So es nit fer⸗ 
ner iſt dann zwo Tagreis, woͤllen wir dahin!; und 
ſatzt erſt ein Vertrauen in ſeinen Seckel, da er ſo 
za daraus genommen hätt, und doch kein 

angel da war. Und ritten mit Freuden in die 
Stadt Werniks, darinnen iſt ein groß Kloſter, ein 
Abtei, und in der ſelben Kirchen hinter dem Fron⸗ 
altar iſt die Thuͤre, da man eingeht in die finſtre 
Höhle, die dann genannt iſt Sant Patricius Feg⸗ 
feur. Nun laͤßt man niemand darein ohn des Abts 
Erlaubniß. Lupoldus ging zu dem Abt und ge⸗ 
wann Urlaub, der ihnen verliehen ward; doch 
fragte er, von wannen der Herr waͤre. Er ſagt ihm, 
er waͤre von Cypern; verſtund der Abt wohl, daß 
er von fernen Landen war, lud ihn und die Seinen 
zu Gaſt, das Fortunatus zu einer großen Ehr auf⸗ 
nahm. Und als er zu der Mahlzeit gehn wollt, kauft 
er ein Faß mit dem beſten Wein, ſo er fand, und 
ſchenkt das dem Abt (dann der Wein faſt teuer da 
iſt). Der Abt nahm es in großem Dank auf, da 
ſonſt wenig Wein in dem Kloſter gebraucht ward 
dann zu dem Gottesdienſt. Als ſie die Mahlzeit 


70 


vollbracht hatten, fing Fortunatus an und ſprach: 
„Gnaͤdiger Herre, iſt es nit wider Euer Wuͤrde, ſo 
begehrt ich zu wiſſen, von was Urſach es kommt, 
daß geſagt wird, daß hie Sant Patricius Fegfeur 
ſei. Der Abt ſprach: „Das will ich Euch ſagen. 
Es iſt vor viel hundert Jahren, da jetzund dieſe 
Stadt und Gotteshaus liegt, eine wilde Wuͤſten ge⸗ 
weſen, und nit fern von hinnen iſt ein Abt geweſen, 
der hat Patricius geheißen; war gar ein andaͤch⸗ 
tiger Mann, der oft herging in dieſe Wuͤſten, um 
Buß wirkung zu thun. Und auf ein Mal, da fand 
er dieſe Hoͤhle, die zumal lang und tief iſt, darein 
ging er ſo weit, daß er nit wußt heraus zu kommen; 
da fiel er nieder auf ſeine Knie, und bat Gott, waͤr 
es nit wider ſeinen goͤttlichen Willen, daß er ihm 
aus der Hoͤhle huͤlf. Dieweil er Gott bat mit gro⸗ 
ßer Andacht, hört er noch fern hinter ihm ein jam- 
merlich Geſchrei, als ob es eine große Menge Leut 
waͤre; darob er ſehr erſchrak. Doch verlieh ihm 
Gott, daß er wieder aus der Hoͤhle kam, deß er 
Gott treulich danket, und kam in ſein Kloſter und 
war andaͤchtiger dann zuvor. Wenn er Poͤnitenz 
wirken wollt, ſo ging er in dieſe Hoͤhle; und fing 
an und bauet ein Capell bei dem Loch der Hoͤhle, 
und gewannen die andaͤchtigen Leute eine Zukehr, 
daß dieſes Kloſter, darzu die Stadt, hie gebaut iſt 
worden.“ Fortunatus ſprach: „Die Pilger, die 
alſo herkommen und Ihr in die Hoͤhle laſſet, was 


71 


fagen die, fo fie heraus kommen? Der Abt ſprach: 
„Ich frag ihrer keinen noch laß fie nitfragen. Doch 
ſo ſagen etlich, ſie haben gehoͤrt elendiglich rufen, ſo 
haben etlich nichts gehoͤrt noch geſehen dann daß 
ihnen ſehr gegrauſet hat.! Fortunatus ſprach: „Ich 
bin fern her kommen, und ſollt ich nit in die Hoͤhle 
gehn, wo man das von mir ſagete, waͤr mir eine 
Schand, und will alſo nit von hinnen, ich will in 
das Fegfeur.“ Der Abt ſprach: „So Ihr dann je 
darein woͤllet, fo geht nit zu weit, dann dar innen 
ſeind viel Abweg, daß man leichtlich verirren mag, 
als etlichen bei meinem Gedaͤchtniß geſchehen iſt, 
die man erſt am vierten Tag funden hat.“ Fortu⸗ 
natus fragt Lupoldum, ob er mit ihm darein woͤllt; 
er ſagt: „Ja, ich geh mit Euch und will bei Euch 
bleiben fo lang mir Gott das Leben verleiht.“ Das 
gefiel Fortunato wohl. 


Wie Fortunatus und ſein Diener Lupoldus 
in Patricius Loch gingen. 


Urd alſo morgens fruͤh gingen ſie beid und beich⸗ 

teten und empfingen das heilig Sacrament. 
Dann die Hoͤhle iſt geweiht von Sant Patricius: 
wer eine Nacht darinnen iſt, der hat Ablaß aller 
ſeiner Suͤnden; darum heißt man die Leute beich⸗ 
ten, die darein wollen. Alſo ſchloß man ihnen die 
Thuͤre der Hoͤhle auf, die iſt hinter dem Fronaltar 


72 


in dem Kloſter. Da geht man darein wie in einen 
Keller, und ſobald einer hinein kommt, ſo geben 
die Prieſter einem den Segen und beſchließen die 
Thuͤre, und thun nit wieder auf bis morgens um 
die Zeit ſo man darein gangen iſt. Als ſie nun in die 

oͤhle kamen und tief hinab gangen waren, kamen 

auf eine Ebene, da nahmen ſie einander bei den 
Haͤnden, damit ſie nit von einander kaͤmen, und gin⸗ 
gen alſo in der Finſternis und meinten, der Hoͤhle 
an ein End zu gehen und dann wider zu kehren. 
Und da ſie lang gingen, befanden ſie, daß ſie faſt ab⸗ 
waͤrts gehen mußten, wurden zu Rat, wieder zu 
der Hoͤhle Thor zu gehn. Sie konnten aber nit 
darzu kommen, und gingen fo lang bis ſie muͤd wur⸗ 
den, ſetzten ſich nieder zur Ruh und warteten, wenn 
man ihnen bei der Thuͤr rufete, ſo wuͤrden ſie es 
hoͤren und dem Ton nachgehn und darmit hinaus 
kommen. Sie war ein Grauſen ankommen, daß 
ſie nicht wußten, ob ſie kurz oder lang darinnen 
waͤren geweſen. Als nun die Zeit kam, daß man 
des Morgens die Thuͤre aufſchloß, ſo rufet man 
ihnen; ſie waren aber ſo weit, daß ſie es nit hoͤren 
mochten. Man ſchloß die Thuͤre wieder zu, die Zween 
gingen hin und her und wußten nit mehr ihnen 
ſelbſt zu helfen, ſie ward ſehr hungern und fingen 
an ganz zu verzagen und ſich ihres Lebens zu ver⸗ 
wegen. Fing Fortunatus an und ſprach: „O all⸗ 
maͤchtiger Gott, nun komm uns zu Hilf, dann hie 


73 


hilft weder Gold noch Silber.“ Und faßen alſo nie⸗ 
der als verzweifelte Leut und hoͤrten noch ſahen 
nichts. Und an dem dritten Morgen da kamen die 
Potkeu und ſchloſſen aber auf die Pforten der 

oͤhle und riefen. Da war Niemand; ſie ſchloſſen 
wieder zu und gingen zu dem Abt und ſagten ihm 
das Leid und beſonder um Fortunato, der ihnen ſo 
guten Wein geſchenkt haͤtt. Auch liefen ihre Knecht 
und gehuben ſich gar uͤbel um die Herren. Alſo 
wußte der Abt einen alten Mann, der vor vielen 
Jahren die Hoͤhle hatte mit Schnuͤren abgemeſſen, 
und ſandte nach ihm, ſprach, daß er lugte, ob er die 
Maͤnner koͤnnt herausbringen. Die Knechte ver⸗ 
hießen ihm hundert Nobel. Er ſprach: „Seind ſie 
noch am Leben, ich bringe fie heraus.” Und ruͤſt ſich 
mit ſeinem Zeug und ging hinein. Moͤcht einer ſpre⸗ 

chen: „Warum geht man nit mit Lichtern oder La⸗ 
ternen darein? Iſt zu wiſſen, daß die Höhle kein 
Licht leidet in keinen Weg. Und alſo ſchlug der alt 
Mann ſeine Inſtrumente an und ſucht eine Hoͤhle 
nach der andern bis er ſie fand. Deß waren ſie froh, 
waren ganz ohnmaͤchtig und ſchwach worden; alſo 
hieß er ſie, daß ſie ſich an ihn hielten, wie ein Blin⸗ 
der an einen Sehenden, und ging er ſeinem Inſtru⸗ 
ment nach. Mit der Hilf Gottes und des alten 
Manns kamen ſie wieder zu den Leuten. Deß war 
der Abt froh und haͤtte gar ungern gewollt, daß die 
Pilger verloren waͤren geweſen, denn er fuͤrchtete, 


74 


es wären nit mehr Pilger dahin kommen, dardurch 
ihm und ſeinem Gotteshaus Nutzung abgangen 
waͤr. Die Knecht ſagten Fortunato, wie ſie dem 
alten Mann hundert Nobel haͤtten verheißen, daß 
er ſie geſucht haͤtt, die gab er ihm baar und mehr, 
danket ihm gar ſehr und ließ in der Herberg koͤſt⸗ 
lich zurichten, lud den Abt und alle ſeine Bruͤder, 
und lobet Gott, daß er aber aus einer großen Angſt 
kommen war. Und ließ dem Abt und Convent hun⸗ 
dert Nobel zu Letze, daß ſie Gott ſollten fuͤr ihn bit⸗ 
ten. Alſo nahmen ſie Urlaub von dem Abt; und 
fingen an, ihre Reis zu vollbringen. Ritten wieder 
— ſich den naͤchſten Weg nach Calis, denn jen⸗ 

alb Hybernia iſt es ſo wild, daß man nit ferner 
kommen mag. Und ritten gen Sant Jobſt in Pi⸗ 
chardia und darnach gen Paris, das iſt die Haupt⸗ 
ſtadt in Frankreich, fuͤnfzig Meilen von Calis. 
Von Paris gen Biana, an das Meer, iſt 75 Mei⸗ 
len, von Biana gen Panplion, iſt die Hauptſtadt 
des Königs von Naverren, iſt 75 Meilen; von Pan⸗ 
plion auf der linken Seiten gen Sarragoſſa, iſt die 
Hauptſtadt des Königreichs von Arragon, iſt zo 
Meilen von dannen; gen Burges und gen dem hei⸗ 
ligen Sant Jacob, heißt die Stadt Compoſtel, iſt 
52 Meilen von Sant Jacob; gen Fumis Terrae, 
genannt zum finſtern Sternen, iſt 14 Meilen von 
Sant Jacob; gen Liſabona, iſt die Hauptſtadt des 
Koͤnigreichs Portugal, iſt neunzig Meilen; von 


75 


Liſabona gen Sibilla, eine große Stadt, iſt 52 Mei⸗ 
len, und fuͤrder an das Meer, zehen Meilen von Si⸗ 
billa gen Granaten, iſt ein heidniſch Koͤnigreich; iſt 
35 Meilen. Von Granata gen Cordova, iſt eine 

roße Stadt. Von Cordova wieder gen Burges, 
f 120 Meilen, von Burges gen Sarragoſſa, iſt 50 
Meilen; von Sarragoſſa gen Barſalon, iſt 48 Mei⸗ 
len und iſt die Hauptſtadt in Cathelonia. Von Bar⸗ 
ſalon 7 Meilen liegt ein Kloſter auf einem hohen 
Berg, heißt Monßerat, da raſtet unſre liebe Frau 
gar gnaͤdiglich, da große Wunderzeichen geſchehen 
und geſchehen ſind, darvon viel zu ſchreiben waͤr. 
Von Barſalon gen Doloſa, in Longadock, darinnen 
liegen vier Zwoͤlfboten und da iſt große Gnad. Von 
Doloſa gen Parpian, achtzehen Meilen, iſt die 
Hauptſtadt in Roſoligon. Von Parpian gen Mon⸗ 
pelior, 25 Meilen. Von Monpelior gen Avignon, 20 
Meilen, iſt eine faſt große Stadt, gehoͤret dem Papſt 
zu, und iſt da der allerſchoͤneſt Palaſt und Burg, 
ſo in der Welt iſt. Eine Stadt hinter Avignon heißt 
Marſilia, iſt ein Port des Meeres und wohnet da 
ein Koͤnig. Vier Meilen davon raſtet Sant Maria 
Magdalena. Und iſt eine Stadt nit fern davon, 
heißet Aix, die Hauptſtadt in Proventz, bei zwan⸗ 
zig Meilen. Von Avignon gen Jennf iſt fünfzig 
Meilen. Von Jennf gen Genua D 
Meilen. Von Genua gen Rom ſechzig Meilen. Von 
Rom gen Neapols, iſt die Hauptſtadt des Koͤnigs 


76 


von Neapols, zwanzig Meilen. Von Neapols über 
Meer gen Palermo, iſt die Hauptſtadt des Koͤnig⸗ 
reichs Cecilien, iſt 7o Meilen. Von Cecilia wieder 
gen Rom hundert Meilen. Von Rom gen Vene⸗ 
dig 7o Meilen, von Venedig gen Jeruſalem, iſt zum 
erſten gen Ragus 100 Meilen; von Ragus gen 
Corffan 60 Meilen, von Corffan gen Modena ſech⸗ 
zig Meilen; von Moden gen Candia 60 Meilen, 
von Candia gen Rodis 70 Meilen, von Rodis gen 
Nicoſia, iſt die Hauptſtadt des Koͤnigreichs Cy⸗ 
pern, an das heilig Land gen Jaffa 60 Meilen, von 
Taft gen Jeruſalem 8 Meilen, von Jeruſalem gen 

Katherina Berg 14 Tagreiſen; von Sant 
Katharina durch die Wuͤſten gen Alkeyr 6 Tag⸗ 
reis, iſt des Soldans Hauptſtadt. Von Alkeyro gen 
— iſt vier Tagreiſen auf dem Fluß Nilo zu 

ahren. 


¶ Wie Fortunatus wieder gen Venedig kam / 
von dannen gen Conſtantinopel fuhr / den 
jungen Kaiſer kroͤnen zu ſehen. 


Als ſie nun zu Venedig waren, das waͤr der recht 
Weg die Koͤnigreiche alle zu durchfahren ge⸗ 
weſen. Als ſie aber zu Venedig ſtill lagen, hoͤrten 
ſie, wie der Kaiſer von Conſtantinopel einen Sohn 
hätt, den wollt er laſſen zum Kaiſer kroͤnen, dann er 
faſt alt war, und wollte, daß er das Regiment bei 


77 


feinem Leben beſaͤße. Deß hatten die Venediger ge- 
wiſſe Kundſchaft, und hatten zugerichtet eine Ga⸗ 
leeren, und darzu eine ehrwuͤrdige Botſchaft mit 
viel koͤſtlichen Kleinoden, die man dem neuen Kai⸗ 
ſer ſollte ſchenken. Da ging Fortunatus und dingt 
ſich und ſein Volk auch auf die Galeere und fuhr 
mit den Venedigern gen Conſtantinopel, das eine 
große Stadt iſt. Doch ſo war ſo viel fremdes Volk 
darkommen, daß man nit mocht Herberg haben, 
man gab den Venedigern ein eigen Haus, die woll⸗ 
ten niemand Fremden bei ihnen laſſen. Alſo ſucht 
Fortunatus mit ſeinem Volk lang eine Herberg, 
doch zuletzt da fand er einen Wirt, der war ein Dieb, 
bei dem waren ſie zu Herberg, und gingen alle 
Tage und lugten dem Feſt und der großen Koͤſtlich⸗ 
keit zu, ſo dann da vollbracht ward, darvon lang 
zu ſchreiben waͤr. Doch ſo will ich fuͤrbaß ſchrei⸗ 
ben, wie es Fortunato gangen iſt. Als Fortunatus 
alle Tag aus ging zu dem Feſt, haͤtt er eine eigne 
Kammer, die beſchloſſen ſie; meinten, ihr Sach 
waͤr wohl verſorgt. Aber der Wirt haͤtt einen heim⸗ 
lichen Eingang in Fortunatus Kammer, da die 
groͤßer Bettſtatt ſtund an einer hoͤlzernen Wand, 
daraus er ein Brett nehmen und wieder zuthun 
mocht, daß es niemand merket; dardurch er aus 
und ein ging. Dieweil ſie bei dem Feſt waren, haͤtt 
er ihre Kiſſen und Kleiderſaͤck durchſucht, dar⸗ 
innen er doch kein baar Geld fand; das nahm ihn 


78 


fremd, und gedacht: fie tragen ihr Geld bei ihnen 
et in ihre Waͤmms. Als fie nun etliche 

Tag bei ihm gezehrt hätten, rechneten fie mit dem 
Wirt; der nahm gar eben wahr, wer das Geld aus⸗ 
ge, und ſah, daß Fortunatus das Geld unter dem 
iſch fuͤrbracht und es Lupoldo gab, der bezahlet 
den Wirt. Nun hatte Fortunatus Lupoldo befoh⸗ 
len, daß er keinem Wirt nichts ſollte abbrechen, ſon⸗ 
dern was einer heiſchet, das ſollt er ihm geben. Das 
thaͤt er mit dem Wirt auch; dem gefiel das wohl, 
ihm genuͤget aber nit, er haͤtte es gern alles und den 
Seckel zu dem Geld gehabt. Nun war der Tag 
nahe, daß Fortunatus hatte verheißen einer armen 
Tochter einen Mann zu geben und die zu begaben 
mit vierhundert Stuͤck Goldes des Lands Waͤh⸗ 
rung. Fing er an und ſprach zu dem Wirt, ob er 
nit wuͤßt einen armen Mann, der fromm ſei und 
eine Tochter hätt, die mannbar wäre, und ihr aber 
von Armut wegen nit einen Mann koͤnnte geben, 
daß er dann den Vater zu ihm weiſet, ſo wollt er 
ihm eine Tochter ausſteuren nach Ehren. Der Wirt 
ſprach: „Ja, ich weiß ihrer mehr dann einen, und 
morgen will ich zu Euch bringen einen frommen 
Mann, der muß ſeine Tochter mit ihm hie her zu 
Euch bringen.“ Das gefiel Fortunato faſt wohl. 
Was gedacht ihm aber der Wirt? „Ich will ihnen 
aber noch heut Nacht das Geld ſtehlen, dieweil ſie 
es noch haben. Denn wart ich laͤnger, ſo geben ſie 


79 


es aus.” Und in der Nacht flieg er durch das Loch 
und als ſie alle hart ſchliefen, durchſucht er ihnen 
die Kleider all, vermeinet, er ſollte groß Fleck mit 
Gulden in ihren Waͤmmſern funden haben. Da er 
aber nichts fand, da ſchnitt er Lupoldo ſeinen Seckel 
ab, darinnen waren wohl fuͤnfzig Dukaten, und 
ſchnitt Fortunato ſeinen Seckel auch ab. Da er aber 
den Seckel herfuͤr bracht, und griff außen daran, 
und nichts darinnen war, da ſchmiß er den Seckel 
unter die Bettſtatt und ging alſo zu den drei Knech⸗ 
ten und ſchnitt ihnen allen die Seckel ab, darinnen 
er wenig Gelds fand. Und thaͤt Thuͤren und Fen⸗ 
ſter auf als ob Diebe ab der Gaſſen hinein geſtiegen 
waͤren. Da Lupoldus erwachet und die Fenſter und 
Thuͤr offen ſah, fing er an die Knechte zu ſchelten, 
warum ſie heimlich ausgingen und ihren Herrnalſo 
Unruh anlegten. Die Knecht ſchliefen und wiſchten 
auf aus dem Schlaf; ein jeder ſprach, er haͤtt es nit 
gethan. Da erſchrak Lupoldus und lugt bald zu 
ſeinem Seckel, der war ihm abgeſchnitten und hin⸗ 
gen die Stuͤmpf an dem Guͤrtel. Er ruft Fortu⸗ 
nato und ſprach: „Herr, unſer Kammer ſteht offen 
an allen Orten, und mir iſt Euer Geld, ſo ich noch 
haͤtt, geſtohlen. Das hoͤrten die Knecht, denen war 
es auch alſo ergangen. Fortunatus wiſchet bald an 
ſein Wamms, daran er den Gluͤckſeckel trug, be⸗ 
fand, daß er ihm auch abgeſchnitten war. Da moͤ⸗ 
get ihr wohl glauben, daß er ſehr erſchrak, ja er er⸗ 


80 


ſchrak fo ſehr, daß er niederſank, und ihm der Sinn 
wand, und lag gleichſam er tot waͤre. Lupoldus 
und die Knechte erſchraken, und war ihnen leid um 
ihren Herrn, ſie wußten aber nit den großen Ver⸗ 
luſt, ſo ihr Herr gethan hatt, ſondern fie labeten und 
rieben ihn, bis daß ſie ihn wieder zu der Vernunft 
brachten. Als ſie alſo in der Angſt und Not waren, 
da kam der Wirt und ſtellt ſich gar wunderlich und 
ſprach, was Lebens ſie haͤtten? Sie ſagten dem 
Wirt, ihnen waͤr alles ihr Geld geſtohlen. Der 
Wirt ſprach: „Was ſeind ihr für Leut! habt ihr 
nit eine wohlgeſperrte Kammer, was habt ihr 
euch nit verſehen? Sie ſagten: „Wir haben Fen⸗ 
ſter und Thuͤr verſperrt, und haben es alles offen 
funden. Der Wirt ſprach: „Ihr ſollt lugen, daß 
45 es nit unter euch ſelbſt einander geſtohlen habet. 
iſt viel fremdes Volk hie, ich weiß nit, was jeder 
kann. Doch da fie ſich fo übel gehuben, ging er 
auch zu Fortunato und ſah, wie er ſeine Geſtalt ſo 
ganz verwandelt haͤtt, und ſprach: „Iſt des Gelds 
fo viel, fo ihr verloren habt?“ Sie ſagten, es wäre 
nit viel. „Wie koͤnnt Ihr Euch dann ſo uͤbel ge⸗ 
haben um wenig Geld? Ihr wolltet naͤchſt einer 
armen Tochter einen Mann geben, erſpart dasſelbe 
Geld und verzehrt es.” Fortunatus antwortet dem 
Wirt gar ohnmaͤchtiglich: „Mir iſt mehr um den 
Seckel dann um das Geld, ſo ich verloren hab. Da 
iſt ein kleines Wech ſelbrieflein in, das doch niemand 


68 . 81 


keines Pfennigs Wert nügen mag.“ Da der Wirt 
ſah, daß Fortunatus ſo ſehr betruͤbt war, wiewohl 
er ein Schalk war, jedoch ward er bewegt zur 
Barmherzigkeit und ſprach: „Laſſet uns ſuchen, 
ob man den Seckel koͤnnte finden, dann keiner hat 
Freud ab einem leeren Seckel“; und hieß die Knechte 
ſuchen. Da ſchloff einer unter das Bett und fand 
den Seckel und ſprach: „Hie liegt ein leerer Seckel“ 
und bracht ihn dem Herren fuͤr, und fragte ihn, ob 
das der recht Seckel waͤr. Er ſprach: „Laß mich 
den beſehen, ob er der ſei, der mir abgeſchnitten iſt.“ 
Da war er der rechte. Nun fuͤrchtete Fortunatus, 
ſo der Seckel abgeſchnitten waͤr, daß er die Tugend 
verloren haͤtt, und durfte doch nit darein greifen vor 
den Leuten; dann ihm leid waͤr geweſen, daß ein 
Menſch die Tugend des Seckels gewußt hätt, fuͤrch⸗ 
tete, er wuͤrde um das Leben mit dem Seckel kom⸗ 
men. Fortunatus legt ſich wieder nieder, denn man 
ſah wohl, daß er bloͤd war; und unter der Decken 
that er ſeinen Seckel auf und griff darein und be⸗ 
fand, daß der Seckel in allen Kraͤften, wie er zuvor 
geweſen war; deß er ſich wohl erfreuete. Doch ſo 
war der Schreck ſo groß geweſen, daß er ſo bald 
nit wieder zu ſeiner Farbe noch Staͤrke kommen 
mocht, und blieb alſo den Tag ſtill liegen. Lupol⸗ 
dus wollt ihn troͤſten und ſprach: „O Herr, gehabt 
Euch nit ſo uͤbel, wir haben noch ſchoͤne Roß, ſil⸗ 
berne Ketten, guͤldene Ringe und andere Kleinod, 


82 


und fo wir nit Geld haben, wollen wir Euch mit 
der Hilfe Gottes auch wohl heim helfen: ich bin 
durch mannig Koͤnigreich gezogen ohn Geld.“ Lu⸗ 
poldus meinet, er waͤr faſt reich in ſeiner Heimat, 
wenn er heim kaͤme, daß ihm kein Verluſt ſchaden 
moͤchte. Fortunatus redet gar ohnmaͤchtiglich und 
ſprach: „Wer das Gut verliert, der verliert die 
Vernunft. Weisheit war zu erwaͤhlen fir Reich⸗ 
tum, Staͤrke, Geſundheit, Schoͤne, langes Leben; 
das mag man keinem ſtehlen. Und damit ſchwieg 
er. Lupoldus verſtund die Wort nit, wußte nit, wie 
er die Wahl gehabt haͤtt unter dieſen Stuͤcken allen, 
und fraget nit ferner. Meinet, er wuͤßte nit was er 
ſagte alſo in der Ohnmacht. Doch thaͤten ſie Fleiß 
und brachten ihn darzu, daß er aß und wieder zu 
ihm ſelbſt kam und feine rechte Farbe gewann; fing 
wieder an froͤhlich zu werden. Doch da es Nacht 
war, befahl er den Knechten, daß ſie Lichter kauften 
und die ganze Nacht Lichter brannten und jeder ſein 
bloßes Schwert zu ſich naͤhme, damit ſie nit mehr 
alſo beraubt wuͤrden. Das auch geſchah. Fortuna⸗ 
tus haͤtt die Schnuͤre, ſo ab dem Seckel kommen wa⸗ 
ren, gar ſtark wieder angemacht, und ließ den Seckel 
ſo lang er lebte nit mehr an dem Wamms han⸗ 
gen, ſondern er bewahret ihn allweg ſo wohl, daß 
ihm den niemand mehr Bye konnt. Des Mor: 
gens fund er fruͤh auf mit feinem Volk und ging 
in Sant Sophia Kirchen, darinnen gar eine ſchoͤne 


6* 83 


Kapell ift, geweiht inder Ehreunfrerlieben Frauen. 
Da gab er dem Prieſter zween Gulden, daß ſie ein 
loblich Amt ſangen unſer lieben Frauen zu Lob und 
Ehr, und den Lobgeſang Te deum laudamus. Da 
das Amt und Lobgeſang vollbracht war, ging er 
mit ſeinem Volk an den Platz, da die Wechſler und 
Kaͤufer waren, und als er da ſtand, hieß er die 
Knechte heim gehn, die Mahlzeit zu ruͤſten und die 
Roſſe verſehn. Und gab Lupoldo Geld und ſprach: 
„Geh und kauf fuͤnf neu gut Seckel, ſo will ich gehn 
zu meinem Wechſler und will Geld bringen. Ich 
hab keine Freud, ſo wir alſo alle ohn Geld ſeien.“ 
Lupoldus thaͤt, was ihm befohlen war, und brachte 
fuͤnf leere Seckel. Und thaͤt bald in einen Seckel 
hundert Ducaten, und gab die Lupoldo, daß er 
ausgaͤb und ſich verſaͤh, und niemand keinen Man⸗ 
gel ließe; wenn er nit mehr haͤtt, ſo wollt er ihm 
mehr geben. Er gab jedem Knecht einen neuen 
Seckel und zehn Ducaten darein und ſagte ihnen, 
ſie ſollten froͤhlich ſein; doch daß ſie Sorg haͤtten, 
daß ihm kein Schad mehr widerfuͤhr als ihm zu⸗ 
vor geſchehen waͤr. Sie dankten ihm faſt, und ſag⸗ 
ten, ſie wollten wohl Sorge haben. Fortunatus 
thaͤt vierhundert Gulden in den fuͤnften Seckel und 
ſandte nach dem Wirt und ſprach: „Als ich zuvor 
mit Euch geredet habe: wo ein frommer Mann eine 
mannbare Tochter haͤtte, dem wollte ich ſie aus⸗ 
ſteuren.“ Er ſprach: „Ich weiß mehr dann einen, 


84 


doch fo will ich einen daher bringen und die Tochter 
mit ihm, daß Ihrs ſehet und merket.“ Das gefiel 
ihm wohl. Der Wirt ging zu dem frommen Mann 
und ſagt, wie ein reicher Gaſt bei ihm waͤr, daß er 
ſeine Tochter naͤhm und mit ihm ging; er hofft, ſein 
Ding ſollt gut werden. 


¶ Wie Fortunatus einem armen Mann eine 
Tochter ausſteuret / und ihr vierhundert 
Ducaten zu Heimſteuer gab. 


Der Tochter Vater war ein Schreiner, ein 
fromm grob Mann, der ſprach: „Ich will 
meine Tochter nirgend hin fuͤhren; er wollt ſie viel⸗ 
leicht zu Unehren brauchen, und ihr dann einen Rock 
kaufen; darmit ſo waͤre weder ihr noch mir gehol⸗ 
fen. Sag ihm, wolle er ihr etwas Guts thun, daß 
er zu uns komm.“ Das verdroß den Wirt ſehr, und 
ſagt es Fortunato und meinet, er ſollt auch ein Ver⸗ 
drießen daran gehabt haben. Da gefiel es ihm wohl 
und ſprach: „Fuͤhrt mich zu dem Mann.“ Und 
nahm Lupoldum auch mit ihm, gingen alſo in des 
Mannes Haus, und ſprach: „Ich hab vernom⸗ 
men, wie du eine Tochter habeſt, die gewachſen ſei, 
laß ſie doch herkommen und die Mutter mit ihr.“ 
Er ſprach: „Was woͤllt Ihr ihrer?“ Er ſprach: 
„Heiß ſie kommen, es iſt ihr Gluͤck.“ Er ruft der 
Mutter und der Tochter. Sie kamen beide und 


85 


ſchamten fich ſehr, dann fie hatten zumal böfe Klei⸗ 
der an. Die Tochter ſtund hinter der Mutter, daß 
man deſtominder ihre böfen Kleider fah. Fortuna⸗ 
tus ſprach: „Jungfrau, ſtehtherfuͤr.“ Sie warſchoͤn 
und gerad. Er fraget den Vater, wie alt die Toch⸗ 
ter waͤre. Sie ſagten: zwanzig Jahr. Er ſprach: 
„Wie habet Ihr ſie ſo alt laſſen werden, daß Ihr 
ihr nit einen Mann geben habt?“ Die Mutter 
mochte nit warten bis der Vater Antwort gaͤb 
und ſprach: „Sie waͤre vor ſechs Jahren groß ge⸗ 
nug geweſen; ſo haben wir nit gehabt, damit wir 
fie haben mögen ausſteuren. / Fortunatus ſprach: 
„So ich ihr eine gute Heimſteuer gaͤb, wuͤßtet Ihr 
einen Mann?“ Die Mutter ſprach: „Ich weiß 

ihrer genug. Unſer Nachbar hat einen Sohn, der 
iſt ihr hold. Haͤtte ſie etwas, er naͤhme ſie gern.“ 
Er fragt die Jungfrau und ſprach: „Wie gefiel 
Euch Euers Nachbarn Sohn?“ Sie ſprach: „Ich 
will nit woͤllen dann welchen mir mein Vater und 
Mutter geben, den will ich haben; und ſollt ich ohn 
Mann ſterben, ſo will ich keinen ſelber nehmen.“ 
Die Mutter mocht nit mehr ſchweigen und ſprach: 
„Herr, ſie luͤgt; und ich weiß, daß ſie ihm ganz hold 
iſt und daß fie ihn von ganzem ihrem Herzen gern 
hat.“ Fortunatus ſchickt den Wirt nach dem Juͤng⸗ 
ling; und als er kommen war, da gefiel er ihm wohl. 
Er nahm den Seckel, da er die vierhundert Duca⸗ 
ten ein gelegt haͤtt, und ſchuͤttet die auf den Tiſch 


86 


und fagt zum Juͤngling (auch bei 20 Jahren alt): 
„Willſt du die Jungfrau zu der Eh, und Jung⸗ 
frau, wollet Ihr den Juͤngling zu der Eh, ſo will 
ich Euch das Geld zu einer Heimſteur geben.“ Der 
Juͤngling ſprach: „Iſt Euch der Sach ernſt, fo ift 
die Sach meinethalb recht.“ Die Mutter antwor⸗ 
tet aber ſchnell: „So iſt es meiner Tochter halber 
auch recht.“ Und alſo ſandt er nach einem Prie⸗ 
ſter, und ließ ſie zuſammengeben vor ihren beiden 
Vater und Mutter, daß er wuͤßte, daß es eine Eh 
waͤre, und gab ihnen das baar Geld wie er es ge⸗ 
bracht haͤtt, und der Braut Vater zehen Ducaten, 
daß er ſich und ſein Weib kleidet, und gab ihnen 
noch zehen Ducaten, daß ſie Hochzeit haͤtten. Deß 
waren ſie alle von Herzen froh und danketen For⸗ 
tunato und lobten Gott gar treulich und ſagten: 
„Gott hat den Mann vom Himmel geſandt.“ Als 
nun die Ehe gemacht war, gingen ſie wieder in die 
Herberg. Lupoldus nahm wunder, daß ſein Herre 
ſo mild war und ſo reichlich viel Gelds ausgab und 
fich doch fo übel gehub um wenig Geldes, das ihm 
verſtohlen worden war. Das muͤhete den Wirt 
ſehr, daß er nicht den Seckel mit den vierhundert 
Ducaten gefunden haͤtt und doch all ihre Beutel 
durchſucht haͤtt. Und griesgramet in ihm ſelbſt, ge⸗ 
dacht: „Hat er ſo viel auszugeben, ſo muß ich mich 
noch mehr unterftehn, ihnen die Taſchen zu leeren.“ 
Nun wußte der Wirt, daß ſie zu Nacht groß Ker⸗ 


87 


zenlicht ließen brinnen, die fie infonderheit hatten 
laffen machen. Und als fie aber zu des Kaiſers Feſt 
gangen waren, macht ſich der Wirt aber in 1 
Kammer und bohrt Loͤcher in die Kerzen und thaͤt 
Waſſer darein und uͤberkleibet das und richt die 
Kerzen alſo zu: wenn ſie zwo Stunden brannten, 
ſo erloſchen ſie von ihnen ſelber. Nun war es um 
die Zeit, daß des Kaiſers Feſt ſchier ein End haͤtt. 
Gedachte der Wirt, Fortunatus wuͤrd auch nit 
länger bleiben, und er müßte ſich nit ſuͤumen. Und 
unterſtund ſich die Nacht aber, ſeinen Gaͤſten einen 
Schaden zuzufuͤgen, wartet eben, wann das Licht 
erloͤſchen wuͤrd; haͤtt ihnen auf die Nacht den beſten 
Wein, ſo er ankommen mocht, zu trinken geben, 
war ſelber auch froͤhlich mit ihnen geweſen, auf 
das er meinet ſie ſollten ſtark ſchlafen, als auch ge⸗ 
meiniglich geſchieht, daß die Menſchen auf wohl 
Trinken ſtark und bald entſchlafen. Als ſie zu Bett 
gingen und ihr Nachtlicht zugeordnet hatten, haͤtt 
ein jeder ſein bloß Schwert bei ihm, und meinten, 
ohn alle Sorge zu ſchlafen, als ſie auch thaͤten. 


€ Wie Fortunatus Wirt zu Conſtantinopel 
nachts in die Kammer kam zu ſtehlen / und 
Lupoldus den zu Tod ſchlug. 


Der Wirt ſchlief aber nit, ſondern er gedachte 
ſein Fuͤrnehmen zu vollbringen. Und da er 


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ſah, daß das Licht erlofchen war, ſchloff er aber 
durch das Loch und kam zu Lupoldo, und finge an 
ihm unter dem Kopf zu knuͤſtern. Nun ſchlief Lu⸗ 
poldus nit, und haͤtt gar ein wohlſchneidend Meſſer 
alſo bloß bei ſich auf der Decken liegen: und eilends 
erwiſcht er das Meſſer und hieb gegen ihn; der Dieb 
ducket ſich, aber nit genug; und verwundet ihn ſo 
hart in ſeinen Hals, daß er weder Ach noch Weh 
ſprach und alſo tot lag. Lupoldus rufet den Knech⸗ 
ten gar zorniglich, ſprach: „Warum habt ihr das 
Licht erlöfcht?” Sie ſagten alle und jeder inſonder⸗ 
heit, ſie haͤtten es nit geloͤſcht. Lupoldus ſprach: 
„Geh einer bald und zuͤnd ein Licht an und ſtehet 
ihr andern mit euren bloßen Schwertern unter die 
Thuͤr, und laſſet niemand hinaus: es iſt ein Dieb 
in der Kammer.“ Der ein Knecht lief bald und 
brachte ein Licht; ſprach: „Thut die Thuͤr wohl zu, 
daß uns der Dieb nit entrinn. Und fingen an zu 
ſuchen und kamen gleich an den Ort, da Lupoldus 
gelegen war; da funden ſie den Wirt mit dem ver⸗ 
wundeten Hals alſo tot liegen. Da das Fortuna⸗ 
tus hoͤrt, moͤgt ihr wohl glauben, daß er boͤſer er⸗ 
ſchrak dann all ſein Tag je, und ſprach aber: „O 
Gott, daß ich je gen Conſtantinopel kommen bin! 
Nun war es ein kleine Sach, daß wir alle um un⸗ 
ſer Gut kommen waͤren; jetzund ſein wir alle um 
unſer Leib und Gut kommen. Oallmaͤchtiger Gott, 
komm uns Armen zu Hilf, dann uns ſonſt niemand 


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helfen kann noch mag. Wir fein fremd, und daß 
wir unſern Glimpf ſchon ſagen, ſo wird uns nit ge⸗ 
glaubt. Bieten wir dann viel Gelds zu geben, ſo 
gedenken ſie: ſie haben das Leben zuvor verwirkt, 
wenn wir das nehmen, ſo haben wir viel Gelds, es 
wird uns doch ſonſt von ihnen.“ Herr und Knecht 
ſtunden und ſahen den toten Koͤrper an und von 
Not und Angſt zitterten fie, daß keiner reden konnt, 
und Fortunatus allermeiſt. Denn derſelbe wußte, 
wie es ihm vor gangen war zu Lunden, da der Edel⸗ 
mann in einem Haus ermordet war, dabei er nit 
geweſen war, keine Schuld daran hatte und ihm 
ganz unwiſſend war. Fortunatus ſprach zu Lu⸗ 
poldo: „O weh, wie haſt du uns fo uͤbel gethan, daß 
du den Wirt zu Tod haſt geſchlagen, haͤtteſt du ihn 
verwundet bis auf den Tod und doch nit gar zu Tod 
geſchlagen, ſo wollten wir mit der Hilfe Gotts und 
mit baarem Geld unfer Leben friſten.“ Lupoldus 
ſprach: „Es iſt Nacht geweſen, ich wußte nit, was 
ich traf. Ich ſchlug nach einem Dieb, der mir un⸗ 
ter dem Kopf knuͤſtert, der uns zuvor das Unſer ge⸗ 
ſtohlen hat; den hab ich troffen. Und wollte Gott, 
daß man wuͤßt, in was Geſtalt er zu Tod erſchla⸗ 
gen iſt, ſo beduͤrften wir uns nichts beſorgen, weder 
fuͤr Leib noch Gut.“ Fortunatus ſprach: „O wir 
moͤgen darzu nit kommen, daß wir den Wirt zu 
einem Dieb machen, ſeine Freunde laſſen es nit ge⸗ 
ſchehen. Uns hilft weder Rede noch Geld.“ For⸗ 


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tunatus gedachte in feiner Angſt: „Hätte ich einen 
guten Freund, dem ich meinen Seckel dürfte ver⸗ 
trauen und ihm des Seckels Kraft kund thun: wenn 
wir dann gefangen wuͤrden und ſagten, wie es ein 
Geſtalt gehabt haͤtt, und man ſo wenig Geld bei 
uns fünde, kaoͤme dann der gut Freund und böte 
dem Richter eine große Summ fuͤr uns zu geben: 
zweifelt mir nit, der Richter naͤhm vier oder fuͤnf⸗ 
tauſend Ducaten und ließ uns mit dem Leben da⸗ 
von kommen.“ Und als er ihm das gedacht hätt, 
gedacht er wieder: „Wem ich den Seckel gieb, dem 
wird er ſo lieb, daß er ihn mir nit wieder giebt, und 
wird dem Richter große Schenkung thun, daß er 
eile und uns radbreche, um daß der große Mord nit 
ungerochen bleib; und wird ſagen, Schand und La⸗ 
ſter waͤre es, wenn man ſagte, daß die Gaͤſte den 
Wirt ermordet haͤtten und die nit ſollten gerad⸗ 
brecht werden“; und fand alſo in ihm ſelbſt, daß es 
nit zu thun waͤre, den Seckel von ihm zu geben. 
Fing aber an, Gott gar inniglich anzurufen aus bit⸗ 
term und von ganzem Grund ſeines Herzens. Da 
Lupoldus ſah, daß ſein Herr und Knecht ſo gar er⸗ 
ſchrocken und betruͤbt waren, ſprach er: „Wie ſeid 
hr ſo verzagt, hie hilfet kein Trauren, die Sach 

ist geſchehen, wir koͤnnen den Dieb nimmer lebendig 
machen. Laßt uns Vernunft brauchen, wie wir 
durch die Sach kommen.“ Fortunatus ſprach, er 
wuͤßte nit zu raten, dann daß er aber gedacht, warum 


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er nit Weisheit fuͤr Reichtum erwaͤhlet hätt, fo er 
es wohl hätt mögen thun; und ſprach zu Lupoldo, 
wuͤßte er etwas Gutes zu raten, daß er das thaͤte, 
dann er jetzt wohl ſaͤh, daß es not wäre, Lupoldus 
ſprach: „So folget mir und thut, was ich Euch 
ſchaff; ſo will ich uns mit der Hilfe Gottes mit Leib 
und Gut und ohne alle Hinderniß von hinnen brin⸗ 
gen.“ Der troͤſtlichen Wort wurden ſie froh. 


I Wie Lupoldus den toten Wirt nachts in ei⸗ 
nen Brunnen warf / und ſie darvon kamen. 


Luwoldus ſprach: „Nun ſeid ſtill und rede nie⸗ 
mand, und verberget das Licht.“ Und er nahm 
den toten Wirt auf ſeinen Ruͤcken, und trug ihn 
hinten in der Herberg bei dem Stall, da war gar 
ein tiefer Brunnen, darein warf er den Wirt mit 
dem Kopf vorab; und war das Waſſer ſo tief, daß 
ihn niemand ſehen mocht. Solches geſchah um die 
Mittennacht, daß es niemand gehoͤrt noch geſehen 
haͤtt. Kam wieder zu Fortunato und ſprach: „Ich 
hab uns des Diebs abgeholfen in Maß, daß man in 
guter Weil nit weiß, wo er hinkommen iſt. Zwei⸗ 
felt mir nit, daß er niemand geſagt hab, daß er da⸗ 
her kommen woͤllte, uns zu beſtehlen, alſo daß nie⸗ 
mand weiß, daß ihm von uns Leid geſchehen ſei. 
Darum feid fröhlich.” Sprach er zu den Knech⸗ 
ten: „Geht zu den Roſſen und ruͤſtet die zu, und 


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fanget an und finget, ſaget von ſchoͤnen Frauen, und 
luget, daß keiner keine traurige Gebaͤrde hab; alſo 
wollen wir auch thun. Und ſobald es Tag werden 
will, ſo wollen wir hinweg reiten, und will uns in 
ſechs Stunden fuͤhren: und haͤtten wir den alten 
und jungen Kaiſer von Conſtantinopel erſchlagen, 
wir wollten darvon kommen.“ Dieſe Wort hoͤret 


— 
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Fortunatus gern und fing an, fich fröhlich zu ha⸗ 
ben, mehr dann er im Sinn hatte, und da die Knecht 
froͤhlich waren und die Roß zugeruͤſtet haͤtten, ruf⸗ 
ten ſie den Knechten des Wirts und den Maͤgden, 
und ſandten nach Malveſier, den man da gut fand, 
mußt jedermann voll ſein, und ließ den Knechten 
einen Ducaten zu Letze und den Maͤgden auch einen, 


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und waren guter Ding. Lupoldus ſprach: „Ich 
hoff, wir kommen in einem Monat wieder, ſo wol⸗ 
len wir erſt einen guten Mut haben.“ Fortunatus 
ſprach zu den Knechten und Maͤgden: „Gnadet uns 
dem Wirt und der Wirtin, ſagt ihnen, ich wollt 
ihnen den Malveſier an das Bett bracht haben; ge⸗ 
dacht ich, Ruhe thaͤt ihnen baß. ! Und alſo mit ſol⸗ 
chen ſcherzlichen Worten ſaßen ſie auf und ritten 
hinweg gen der Tuͤrkei waͤrts eilend; hatten Sorg, 
ob man ihnen nachritt, und doch ſo ritt ihnen nie⸗ 
mand nach; wie es dem Wirt ging, da fragten ſie 
nit nach. Und kamen alſo in des tuͤrkiſchen Kaiſers 
Land, in ein Stadt, heißt Karofa. In der Stadt 
hätt der tuͤrkiſch Kaiſer einen Amtmann, dem be⸗ 
fohlen war, den chriſtlichen Kaufleuten oder Pil⸗ 
gern Geleit zu geben, zu ihm oder ſonſt durch ſein 
Land zu reiten. Das wußte Lupoldus wohl, und 
ſobald er dahin kam, ging er zum Amtmann und 
ſagte, ihrer waͤren fuͤnf Wallbruͤder, die begehrten 
Geleit und einen Trutzelmann, der mit ihnen ritte. 
Sagte er: „Ich geb Euch Geleit genug, doch fo will 
ich vier Ducaten von einem haben und dem Knecht 
alle Tag einen Ducaten und Zehrung.“ Lupoldus 
wehrt ſich ein wenig, doch machte er nit viel Wort 
und gab ihm das Geld. Er gab ihm ein verſchrie⸗ 
ben Geleit und ſandte ihn zu einem wohlwiſſenden 
Mann, darmit er meinte fie verſorgt wären; und 
ritten alfo durch die Tuͤrkei. Da nun Fortunatus 


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ſah, daß er kein Sorg mehr haben durft, und ihm 
der Schreck, ſo er zu Conſtantinopel empfangen 
hätt, auch vergangen war, fing er erſt wieder an 
froͤhlich zu werden und Scherzred mit den Seinen 
treiben, und ritten alſo an des tuͤrkiſchen Kai⸗ 
ers Hof; ſahen den großen Reichtum und große 
Menge des Volks, ſo er vermocht, als er zu Feld 
368, darob er wunder nahm, daß ein Mann ſoviel 
olkes zuſammen mochte bringen, daß auch ſoviel 
der verleugneten Chriſten unter dem Volk war; 
das ihm ſehr uͤbel gefiel. Er blieb nit lang an dem 
Hof, und zog durch die Wallachei, durch die kleine 
und durch die große; darinnen herrſchet Tracole 
Wahydaz: und kam in das Königreich Boſſen, iſt bei 
160 Meilen; von Boſſen zog er in das Koͤnigreich 
Croacien, iſt bei 60 Meilen. Von Croacien ins 
Königreich Dalmacien, iſt zo Meilen. Von Dal⸗ 
macien gen Ofen, iſt die Hauptſtadt des Koͤnig⸗ 
reichs von Hungarn, iſt 60 Meilen. Von Ofen gen 
Cracka, iſt die Hauptſtadt des Koͤnigs von Polen, 
iſt roo Meilen. Von Cracken gen Koppenhagen, die 
Hauptſtadt des Königreichs Daͤnmark, iſt bei 200 
Meilen. Von Koppenhagen gen Stackshalin, iſt 
die Hauptſtadt des Koͤnigreichs von Schweden, iſt 
bei 8o Meilen. Von Stackshalin gen Pergon in 
das Königreich Norwegen, iſt /o Meilen, von Nor⸗ 
wegen durch Schweden und durch Daͤnmark, iſt bei 
200 Meilen, bis gen Prag, das iſt die Hauptſtadt 


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des Koͤnigsreichs Böhmerland. Und da er alſo die 
Laͤnder und die Koͤnigreich alle durchzogen, ihre 
Sitten und Gewohnheiten und ihren Glauben gar 
eben geſehen und gemerkt hätt, auch ſelbſt ein Buͤch⸗ 
lein haͤtt gemacht, darinnen er aller Koͤnige und 
Herzogen, Grafen, Freien Macht und ihr Ver⸗ 
moͤgen beſchrieben, und auch, was die geiſtlichen 
Fa Biſchoͤff, Aebt, Praͤlaten, von Land und 

euten waren, dazwiſchen er gezogen war, und was 
ein jeder vermochte, thaͤt er großen Fleiß mit Lu⸗ 
poldus Hilfe und Rat, der die Lande zuvor alle 
durchfahren war. Er hatte auch von jedem Koͤnig 
erlangt die Kleinode, ſo ſie ausgeben. Die haͤtt er 
nit lieb von deßwegen, was ſie wert waren; ſondern 
daß er ſie ſelbſt alle mit ſeiner eignen Perſon ver⸗ 
dienet und geholet haͤtt; die er auch alle mit ihm 
heimbrachte und ſie fuͤr einen Ehrſchatz behielt. Als 
er nun zu Prag ausritt, zog er zunaͤchſt durch der 
Herzogen von Sachſen und durch Franken Land. 
Da mag ein jeder gedenken, der die Land gewan⸗ 
delt ift: hätte man bei Fortunato einen fo reichen 
Seckel gewußt, ihm waͤre gutes Geleits not ge⸗ 
weſen, und beſonders in etlichen Landen, da viel 
notiger Reiter und Stauden⸗Schnapper innen 
ſind. Gott gab ihm aber Gluͤck, daß er allenthal⸗ 
ben durch kam. Darnach zog er zu dem naͤchſten 
auf Augſpurg, von dannen er mit etlichen Kauf⸗ 
leuten, denen er große Freundſchaft thaͤt und aller 


96 


Pr frei hielt, in wenigen Tagen gen Venedig 
m. 


¶ Wie Fortunatus wieder in Cypern kam / 
ſich aller Ding faſt ratlich hielt / und einen 
koͤſtlichen Palaſt bauet. 


U als er nun gen Venedig kam, freuet er ſich 
und gedacht: „Hie ſeind viel reicher Leut, hier 
darfſt du dich auch merken laſſen, daß du Geld ha⸗ 
beſt. / Und fragt nach den koͤſtlichen Kleinoden, die 
ihm auch alle fuͤrbracht wurden, unter denen viel 
waren, welche ihm gefielen. Wie man ihm die bot, 
ſo ging er nit ungekauft darvon, dardurch die Ve⸗ 
nediger eine große merkliche Summa baar Geld 
loͤſten, und ward gar groß und hoch gehalten. Nun 
wußte er wohl, daß er nit viel Hausrat, Gewand 
und andres gehabt hatte, als er von Famaguſta ge⸗ 
fahren war, und wie er ſeinen Vater Theodorum 
und ſeine Mutter Gracianam in großer Armut ge⸗ 
laſſen hatte. Alſo fing er an und ließ ſich ſchoͤn koͤſt⸗ 
lich Gewand machen, und viel Hausrat kaufet er; 
was man in ein Haus bedarf, kaufet er alles zwie⸗ 
fach, und dinget ſich und ſein Gut auf eine Galeere, 
fuhr alſo gen Cypern und kam gen Famaguſta; 
und war nun wohl fuͤnfzehen Jahr aus geweſen. 
Und als er in die Stadt kam, ward ihm gleich ge⸗ 
ſagt, wie ſein Vater und Mutter geſtorben waͤren, 


78 97 


das ihm nun faſt leid war. Alſo beſtellt er ein groß 
Haus um einen Zins, darein er ihm ließ ſeinen 
Plunder fuͤhren, und dinget mehr Knecht und 
Maͤgd, und fing an zu hauſen gar herrlich und ward 
gar loblich von jedermann empfangen und gehal⸗ 
ten. Maͤnniglich nahm Wunder, von wannen ihm 
kaͤm ſo großer Reichtum, da doch der mehrer Teil 
Leut wohl wußten, daß er in großer Armut von 
dannen kommen war. Und als er aber in Fama⸗ 
guſta war, ging er und kauft ſeines Vaters Haus, 
und noch mehr Haͤuſer darzu, und ließ die alten ab⸗ 
brechen, fing an und bauet da einen koͤſtlichen Pa⸗ 
laſt. Den ließ er machen auf das allerzierlichſt, da 
er gar viel koͤſtliches Gebaͤu geſehen hatte. Und bei 
dem Palaſt ließ er gar eine ſchoͤne Kirchen bauen 
und um die Kirchen ließ er dreizehn Haͤuſer bauen 
und machen, und ſtiftet da eine Probſtei und zwoͤlf 
Caplaͤn, die da ſollten alle Zeit ſingen und leſen, und 
kaufet darzu Zins, Gild und Rent, daß ein Thum⸗ 
probſt ſollt haben dreihundert Ducaten und ein 
Caplan hundert Ducaten ein Jahr, und wenn einer 
unter ihnen ſtuͤrb, ſo ſollten ſie unter einander waͤh⸗ 
len, und wann der Probſt ſtuͤrbe, ſo ſollt ihnen der 
Papſt einen andern geben. Er verſah die Kirchen 
mit allen Zierden, und kaufet Zins und Rent, daß 
man die Kirchen ewiglich mehren ſollt, und ließ in 
die Kirche machen zwei koͤſtliche Graͤber; ließ ſei⸗ 
nen Vater und Mutter ausgraben, da ſie lagen, 


98 


und in das ein Grab legen, und das ander ſollt ihm 
und feinen Erben warten. Und als nun der Palaſt 
und die Kirch ganz aus gemacht ward nach ſeinem 
Willen und er ein groß Wohlgefallen daran hätt, 
gedachte er ihm: „Einem ſolchen Palaſt, dem zie⸗ 
met wohl ein ehrſames Weſen“; und ſatzt ihm für, 
ein Gemahl zu nehmen. Da man innen ward, daß 
er des Willens war ein Weib zu nehmen, da war 
jedermann froh, und kam alſo aus, daß er eine Ehe⸗ 
frauen nehmen wollt. Da waren viel, reichundarm, 
edel und unedel: welcher eine huͤbſche Tochter hätt, 
der ließ fie zurüften mit Kleidern und Kleinod, ein je⸗ 
der ſo beſt er mocht, und gedacht ihm einjeder: „Wer 
weiß, Gott giebt meiner Tochter das Gluͤck ſo bald 
als einer andern. Dann maͤnniglich ſah, daß da 
Tos Gut vorhanden war und haͤtt ein jeder ſeine 

chter gern dahin gebracht. Alſo wurden viel 
Töchter ſchoͤn gekleidet, die ſonſt noch lang mußten 
ohn ſo gute Kleider geweſen ſein. Und da ſich ſoviel 
Leute aufruͤſteten, da war ein Graf nit weit von 
Famaguſta, der hatte drei Toͤchter, die vor den an⸗ 
dern Töchtern ſchoͤn waren; dem riet der König, 
er ſollte ihm feine Töchter laſſen antragen, und wo 
es ihm gefaͤllig wollt ſein, ſo wollt er darzu reden. 
Der Graf war nit faſt maͤchtig, doch ſprach er: 
„Herr Koͤnig, ſo er meiner Toͤchter eine begehrte, 
wolltet Ihr mir es raten? Er hat weder Land noch 
Leut, hat er dann viel baar Geld gehabt oder noch, 


7* 99 


fo ſeht Ihr wohl, er hat viel Gelds verbauet, das 
keinen Nutz traͤgt; ſo mag er das andere auch ledig 
werden und zu Armut kommen wie ſein Vater zu 
Armut kommen iſt. Dann es iſt bald geſchehen, 
daß große Baarſchaft verthan wird.! Der König 
ſprach zu dem Grafen: „Ich hab vernommen von 
Leuten, die es geſehen haben, daß er ſoviel koͤſtlicher 
Kleinode hat, man kaufet eine Grafſchaft darum, 
und iſt ihm doch keines feil; ſo hoͤr ich ſoviel von ihm 
ſagen, wie er ſoviel Land und Koͤnigreich durch⸗ 
fahren hat. Halt ihn dafuͤr: wuͤßte er nit, ſeine 
Sachen zu einem guten End zu bringen, er hätte 
nit ſo einen koͤſtlichen Palaſt gebaut, noch eine ſo 
koͤſtliche Kirchen laſſen machen, die er ſo ehrlich be⸗ 
gabet hat mit guten Zinſen in ewig Zeit. Und waͤr 
noch mein Rat, will es ihm gefallen, du gaͤbeſt ihm 
deiner Toͤchter eine. Und iſt es dir gefaͤllig, ſo will 
ich darin meinen Fleiß brauchen, in Hoffnung, ſol⸗ 
ches geſchehe; dann Fortunatus gefaͤllt mir wohl, 
und ſaͤhe lieber, er haͤtte ein edel Gemahl denn eine 
Baͤuerin, und wuͤrde mich verdrießen, ſollte ein un⸗ 
ebornes Weibsbild den Palaſt beſitzen und darin 
ohnung haben.“ Da nun der Graf hoͤrt, daß 
dem König Fortunatus Weſen fo wohl gefiel, fing 
er an und ſprach: „Gnaͤdiger Herr Koͤnig, ich ver⸗ 
nehm an Eurer Rede wohl, daß Ihr ein Gefallen 
darob hättet, daß ich Fortunato meiner Töchter 
eine gaͤb. Deß alles nehmt Euch volle Gewalt, an 


100 


Leib und an Gut.” Da der König das verſtund, 
ſprach er zum Grafen (hieß Graf Nimian): „Send 
mir deine Töchter meiner Frauen, der Königin, fo 
will ich fie laſſen zurüften, in Hoffnung, ihm werde 
eine gefallen. Doch ſo wuͤrd ich ihm die Wahl ge⸗ 
ben, daß er naͤhme, welche er woͤll; ſo will ich dir 
zu lieb die Heirat alſo machen, daß du kein Heirat⸗ 
geld bedarfſt geben. Muͤßt man aber etwas geben, 
ſo will ich es ſelbſt geben, ſo du mir ſo freie Gewalt 
über Leib und Gut geben und befohlen haft.” Graf 
Nimian danket ſeiner koͤniglichen Gnaden und 
ſprach, was ſeine koͤnigliche Gnade ſchaffte, wollte 
er thun. Und nahm Urlaub von dem Koͤnig, ritt 
heim zu ſeinem Gemahl und ſagt ihr alle Sachen, 
was ſch zwiſchen ihm und dem Koͤnig verlaufen 
hätt. Das gefiel der Gräfin alles wohl, denn allein, 
daß ihr Fortunatus nicht genug edel daͤuchte, und 
daß er auch die Wahl ſollt haben unter den drei 

chtern, dann ihr eine unter den dreien faſt ſehr 
lieb war. Der Graf fragt ſie, welche es waͤre, das 
wollte ſie ihm mit nichten ſagen. Doch folget ſie ſei⸗ 
nem Willen und ruͤſtet die Toͤchter zu, gab ihnen 
eine Zuchtmeiſterin, Knecht und Maͤgd, als es dann 
ſolchem Adel gan: famen alfo an des Königs 
von Cypern Hof. Da wurden fie alle drei und alle 
die, ſo mit ihnen kommen waren, ehrlich und wohl 
empfangen von dem Koͤnig und der Koͤnigin. Und 
wurden da unter weiſet Hofzucht und was zu ade⸗ 


101 


ligen Sachen gehört, deß fie zuvor auch zu guter 
Maß unterrichtet waren. Sie waren —1 faſt 
ſchoͤn, noch nahmen ſie von Tag zu Tag zu und wur⸗ 
den noch ſchoͤner. Und da es den Koͤnig gedaͤuchte, 
da ſandte er eine ehrſame Botſchaft nach Fortu⸗ 
nato, daß er zu ihm kaͤm; ihm ward auch nicht ge⸗ 
ſagt, warum er nach ihm geſandt haͤtte. Er wußte 
aber, daß er einen gnaͤdigen Herrn am Koͤnig hatte 
und ruͤſtete ſich eilends zu, ritt Fröhlich zu feinem 
Herren Koͤnig und ward von ihm gar ſchoͤn emp⸗ 
fangen. Und ward der Koͤnig zu ihm ſprechen: 
„Fortunate, du biſt mein Hinter ſaß, und ich ver⸗ 
mein: was ich dir rate, du ſoͤlleſt mir folgen, dann 
ich dir Gutes goͤnne. Ich habe wohl verſtanden, 
wie du fo ein koͤſtliches Haus und Kirchen laͤſſeſt 
bauen und nun Mut haſt, dir ein Gemahl zu neh⸗ 
men; da hab ich Sorg, du moͤchteſt eine nehmen, 
die mir nit gefaͤllig waͤre, und habe betracht, dir ein 
Gemahl von allen Ehren zu geben, dadurch du und 
deine Erben geehret werden follen.” Fortunatus 
ſprach: „Gnaͤdiger Koͤnig, es iſt wahr, ich bin des 
Willens, mir einen Gemahl zu nehmen. So aber 
ich verſteh, daß Euer koͤnigliche Gnad fo demuͤtig 
iſt und ſo gnaͤdig und guͤnſtig ſein will, mich zu ver⸗ 
ſehen, will ich weiter keine Frag noch keine Sorg 
nach einer haben, und mein Glauben und Ver⸗ 
trauen ganz in Eure koͤnigliche Gnad feſtiglich ſe⸗ 
gen.” Da nun der Koͤnig die Antwort hätt von For⸗ 


102 


tunato und auch von Graf Nimian und die Töchter 
in feiner Gewalt hätt, gedachte er ſich: „Die habe 
ich gut eine Eh zu machen.” Und ſprach zu Fortu⸗ 
nato: „Ich habe drei ſchoͤne Töchter und all drei 
von Vater und Mutter Graͤfinn; iſt die aͤlteſt acht⸗ 
gehn 58 alt, die heißt Gemyana, die ander iſt ſie⸗ 
zehn Jahr alt und heißt Marſepia, und die dritt 

iſt dreizehen Jahr alt und heißt Caſſandra. Unter 
den dreien will ich dir die Wahl laſſen und will dir 
noch mehr Wahl laſſen, daß du eine nach der an⸗ 
dern magſt ſehn oder alle drei auf einmal.” Fortu⸗ 
natus der bedacht ſich nit lang und ſprach: „O gnaͤ⸗ 
diger Herr Koͤnig, ſo Ihr mir eine ſolche Wahl 
aufgeben habt, ſo dach ich, daß ich ſie all drei moͤg 
neben einander ſtehn ſehn und jede höre reden. Der 
König ſprach zu Fortunato: „Das du begehreſt, ſoll 
dir geſchehen !; und entbot der Königin, fie ſollte 
das Frauenzimmer und ihre Jungfrauen wohl zu⸗ 
ruͤſten, dann er wollte ſelber darein kommen und 
einen Gaſt mit ihm bringen. Das thaͤt die Koͤnigin 
und thaͤt das mit Fleiß, weil ſie ſich wohl verſah, 
warum es geſchaͤhe. Und da es den Koͤnig Zeit ge⸗ 
daͤuchte, nahm er Fortunatum allein und wollt mit 
m gehn. Fortunatus ſprach: „Gnaͤdiger Herr 
oͤnig, iſt es nit wider Euch, ſo laſſet dieſen alten 
meinen Diener mit mir gehn.“ Der Koͤnig ließ es 
geſchehen, und nahmen Lupoldum den alten Mann 
mit ihnen und kamen alſo in das Frauenzimmer. 


103 


Da ſtund die Königin auf und alle ihre Sum frauen 
und empfingen den König gar ehrlich und die Gaͤſte 
auch. Alſo ſatzt ſich der Koͤnig nieder und ſtund For⸗ 
tunatus neben dem Koͤnig. 


¶ Wie der Koͤnig Fortunato drei edle Jung⸗ 
frauen fuͤrſtellet / die faſt ſchoͤn und Schwe⸗ 
ſtern waren / aus denen er die juͤngſte ge⸗ 
nannt Caſſandra zu Weib nahm. 


Alſo ſagte der Koͤnig: „Laſſet mir kommen die 
drei Jungfrauen Gemyanam, Marſepiam und 
Caſſandram.“ Sie ſtunden bald auf und gingen 
durch den Saal und eh daß ſie zu dem Koͤnig kamen, 
thaͤten ſie dem Koͤnig dreimal Reverenz und knieten 
fuͤr dem Koͤnig nieder, als ſie das wohl konnten und 
Ei auch wohl anſtand. Der König hieß fie auf⸗ 

ehen, das fie auch thaͤten; fing an und ſprach zu 
der älteften Jungfrauen Gemyana: „Sag mir, biſt 
du lieber bei der Koͤnigin, oder waͤreſt du lieber bei 
Graf Nimian, deinem Vater und der Graͤfin, dei⸗ 
ner Mutter.“ Sie antwortete dem Koͤnig und 
ſprach: „Gnaͤdiger Herr Koͤnig, mir ziemt zu der 
Frage keine Antwort zu geben, und ob ich ſchon eins 
kieſen wollt fuͤr das ander, ſo ſoll ich meinen Willen 
nit brauchen, ſondern was Euer koͤnigliche Gnad 
und mein Herr Vater gebieten, denſelben Geboten 
ſoll ich gehorſam fein.” Alſo ſprach er zu der ande⸗ 


104 


ren: „Marfepia, fag mir eine Wahrheit. Wer iſt 
dir am meiſten lieb, der Graf, dein Herr und Va⸗ 
ter, oder die Gräfin, deine Frau Mutter.! Sie ant⸗ 
wortete und ſprach: „O gnaͤdiger Herr Koͤnig, zu 
dieſer Frag ziemet mir keine Antwort zu geben: ich 
hab ſie beide von ganzem Herzen lieb. So ich eins 
aber lieber haͤtt denn das ander, ſo waͤre mir doch 
leid, daß es mein eigen Herz wiſſen ſollt, ſondern 
ſollte das mein Mund verfünden, deß wollte ich 
mich gar ſehr ſchaͤmen; da ich alle Treue an beiden 
finden und merken kann. Der Koͤnig ſprach zu der 
dritten und der juͤngſten: „Caſſandra, ſag mir, 
wenn jetzt ein ſchoͤner Tanz waͤre auf unſrer Pfalz 
von en und Herren und von viel edelen Frauen 
und Jungfrauen und es waͤre hie der Graf und die 
Grafin, Euer Vater und Mutter; das Eine 
0 Tochter, geh zu dem Tanz; und das Andre 
praͤch: geh nit; welchem Gebot wollteſt du folgen? 
„Allergnaͤdigſter Herr König, Ihr ſehet und wiſſet, 
daß ich gar jung bin, ſo kommt Vernunft vor den 
Jahren nit, ſo mag Euer koͤnigliche hohe Vernunft 
wohl erkennen und ermeſſen die Begierd der Jun⸗ 
en, und hierum ſo ziemet mir zu dieſer Wahl keine 
ntwort zu geben; dann ſo ich eines fuͤr das ander 
let, wuͤrde ich in all Weg das eine erzuͤrnen, 

das ich gar ungernthun wollte.! Der Koͤnig ſprach: 
„Wenn aber eins ſein muͤßt?“ Caſſandra ſprach: 
„So begehre ich Jahr und Tag, mich darauf zu 


105 


bedenken und weiſer Leut Rat zu haben eh daß ich 
Antwort zu der Frag gebe.“ Dabei ließ der Koͤnig 
Caſſandra bleiben und fraget ſie nit fuͤrbaß. Als 
nun der Koͤnig Urlaub von der Koͤnigin und von 
den andern in dem Frauenzimmer nahm, ging er 
in ſeinen Palaſt, und folget ihm nach Fortunatus 
und Lupoldus, und als ſie nun in des Koͤnigs Kam⸗ 
mer kamen, ſprach der Koͤnig zu Fortunato: „Du 
haſt begehret die drei Toͤchter zu ſehen und hoͤren 
reden. So hab ich dir mehr gethan denn du begeh⸗ 
ret haſt. Du haſt ſie geſehen ſtehn, gehn, lang und ge⸗ 
nugſam reden. Nun lug, welche gefaͤllt dir zu einem 
ehlichen Gemahl? Fortunatus ſprach: „Gnaͤdi⸗ 
ger Herr Koͤnig, ſie gefallen mir all drei wohl, daß 
ich nit weiß, welche ich kieſen ſoll, und begehr von 
Euer koͤniglichen Gnad mir eine kleine Weil zu ver⸗ 
gönnen mich zu bedenken mit meinem alten Diener 
Lupoldo.“ Der Koͤnig ſprach: „Deß hab frei Ur⸗ 
laub.“ Alſo gingen ſie mit einander an einen heim⸗ 
lichen Ort. Fortunatus ſprach zu Lupoldo: „Du 
haft gehört und geſehen die drei Töchter fo wohl als 
ich. Nun weißt du wohl, daß niemand ſo weiſe iſt 
in ſeinen Sachen, er ſoll allweg Rats fragen. Alſo 
frage ich dich und begehre deines Rats in der Sach, 
daß du mir hierin treulich raten wolleſt, als ob es 
dein eigne Seel antraͤf.“ Lupoldus erſchrak gar 
1 2 da er ſo hoch ermahnet ward und ſprach: 
„Herr, in der Sache iſt mir nit wohl zu raten, dann 


106 


einem gefällt oft ein Ding faft wohlund feinem 1.4 
nen Bruder gar nicht. So iſſet einer gern Fleiſch, 
der ander Fiſch; hierum ſo kann Euch in der Sach 
niemand raten dann Ihr Euch ſelbſt; dann Ihr 
feid auch, der die Buͤrde tragen muß. Fortunatus 
ſprach: „Das alles weiß ich wohl, und daß ich mir 
ein Gemahl nehm und ſonſt niemand. Ich wollt 
aber, daß du mir die Heimlichkeit deines Herzens 

chlöffeft, da du doch fo viel Menſchen erkannt 

und nach ihrer Viſion oder Geſtalt haft du wohl 
gemerkt, was Treu oder Untreu ihnen ihre Geſtalt 
gegeben hat.“ Lupoldus riet ungern zu den Sa⸗ 
chen; fuͤrchtete, wenn er nit an die riet, die ihm ge⸗ 
fiel, daß er dardurch moͤchte ſeine Huld verlieren, 
und fing an und ſprach: „Herr, ſie gefallen mir all 
drei faſt wohl, ich hab ſie auch mit allem Fleiß eine 
nach der andern wohl durchſehen, und nach ihrer 
Viſion ſo beduͤnkt mich, ſie ſeien Schweſtern oder 
Geſchwiſterkinder; kann auch an ihren Geſtalten 
kein Untreu merken.“ Fortunatus ſprach: „An 
welche rateſt du mir aber.! Lupoldus ſprach: „Ich 
will nit zu dem erſten raten; ſo ſollt Ihr auch nit 
zuerſt raten, denn was Euch wohl gefiel, wäre auch 
unleidlich, daß mir das mißfiele ! und ſprach: „So 
nehmet hin die Kreiden und ſchreibet auf den Tiſch 
in Euern Winkel, ſo will ich auf dieſen in den an⸗ 
dern Winkel ſchreiben. ! Das geſiel Fortunato wohl, 
und ſchrieb alſo jeder ſein Meinung. Und da ſie ge⸗ 


107 


ſchrieben hatten und jeder des andern Geſchrift las, 
da hatten ſie beide Caſſandra geſchrieben. Deß war 
ortunatus froh, daß Lupoldo gefiel, das ihm ge⸗ 
allen haͤtt, und noch froͤhlicher war Lupoldus, daß 
ihm Gott in ſeinen Sinn gegeben haͤtt, daß er auch 
an die geraten, die feinem Herrn am allerbeſten ge⸗ 
fallen haͤtt. Und da ſie nun der Sache alſo eins wur⸗ 
den, ins Fortunatus wieder zu dem König und 
ſprach: „Gnaͤdiger Herr König, als mir Euer koͤ⸗ 
nigliche Gnad ein Wahl aufgethan hat, die ich billig 
zu großem Dank und unvergeſſener Dienſtbarkeit 
gen Euern Gnaden verdienen ſoll; dann ich mich 
ſolcher Wahl unwuͤrdig beduͤnk und habe es um 
Eure koͤnigliche Majeſtaͤt nie verdient; doch ſo ſteht 
es mir, daß ich es noch verdien; und iſt mein Be⸗ 
gehr, daß Ihr mir gebet Caſſandra.“ „Dir geſcheh 
nach deinem Begehren“ ſprach der Koͤnig. Und 
ſandte zu der Königin, daß fie zu ihm kaͤme und 
Caſſandra mit ihr braͤchte; das auch alſo geſchah. 
Alſo kam die Koͤnigin, brachte Caſſandra mit ihr, und 
er ſendete nach ſeinem Caplan und ließ ſiezuſammen 
geben. Deß Caſſandra unmutig war, daß ſie alſo 
ſollte vermaͤhlet werden ihrem Vater und Mutter 
unwiſſend und ſie nit ſollten darbei ſein. Doch der 
Koͤnig wollte das alſo haben, wurden alſo zuſam⸗ 
men vermaͤhlet, und als ſie nun zuſammen geben 
waren, kamen die andern Frauen und Jungfrauen 
und der Braut Schweſtern und wuͤnſcheten der 


108 


Braut Gluͤck; die zwei Schweſtern weineten gar 
ſehr. Fortunatus fraget, warum fie alfo weineten, 
da ward ihm geſagt, daß ſie der Braut rechte Schwe⸗ 
ſtern waͤren von Vater und von Mutter. Und alſo 
ging er zu ihnen, troͤſtet ſie und ſprach zu ihnen: 
„Trauret nit, Ihr ſollt alles Euers Unmuts er⸗ 
göͤtzt werden. Und ſendet bald gen Famaguſta nach 
den Kleinoden, ſo er mit ihm von Venedig gebracht 
haͤtt, und ſchenkt dem Koͤnig und der Koͤnigin die 
wei beſten, darnach der Braut und ihren Schwe⸗ 
ern, und begabet alle Frauen und gfrauen, 
ſo in der Koͤnigin Frauenzimmer waren, gar koͤſt⸗ 
lich; das ſie auch zu großem Dank aufnahmen. Und 
alſo ſandte der Koͤnig nach Graf Nimian und nach 
der Gräfin. Da das hört Fortunatus, da ruͤſtet er 
zu Lupoldum und gab ihm baar tauſend Ducaten, 
daß er die ſollte der Gräfin in ihren Schoß ſchuͤtten 
und ihr ſagen: ihr Tochtermann, der ſchenket ihr 
die, daß fie Fröhlich auf die Hochzeit kaͤm. Nun war 
die Gräfin unmutig, daß Fortunatus die juͤngſte 
Tochter genommen haͤtt, da ſie ihr die liebſte war. 
Da ihr aber Lupoldus die tauſend Ducaten in ihren 
Schoß ſchuͤttet, da ließ ſie den Unmut fahren und 
ruͤſtet ſich mit ſammt dem Grafen von Stund an 
ehrlich zu mit wohlgekleidetem Hofgeſind, mit Wa⸗ 
gen und was zu den Ehren gehoͤrt, und kamen zu 
dem Koͤnig. Da wurden ſie ehrlich empfangen, und 
war ihnen in der Herberg gar koͤſtlich zugericht mit 


109 


Zierden, auch mit aller Koſt und Trank, was man 
bedurfte, daß Graf Nimian zu der Gräfin ſprach: 
„Frau, wir ſein mehr hie geweſen, uns iſt ſolche 
Ehr nie erboten worden. Haben wir ſo einen gnaͤ⸗ 
digen Koͤnig uͤberkommen oder ſo einen maͤchtigen 
Tochtermann durch unſre Tochter Caſſandra, ſo 
ſollen wir Gott loben, Ehr und Dank ſagen, daß 
er uns ſolch Gnad verliehen hat.! Und als ſie kom⸗ 
men waren, ſprach der Koͤnig zu Fortunato: „Ich 
will laſſen zuruͤſten die Hochzeit und will, daß die 
Hochzeit hie vollbracht werd.” Fortunatus ſprach: 
„Gnaͤdiger Koͤnig, laſſet mich die Hochzeit in Fa⸗ 
maguſta haben in meinem neuen Haus, das noch 
nie eingeweiht, noch keine Freud darinnen vollbracht 
iſt.“ Der König ſprach: „Ich wollte es darum 
thun, daß Graf Nimian und dir deſtominder Ko⸗ 
ſten darüber gangen wär.” Fortunatus ſprach: 
Mich ſoll kein Koſten dauern noch reuen, und bitt 
Euer koͤnigliche Majeſtaͤt, daß Ihr ſelber perſoͤnlich 
mit ſammt der Koͤnigin und allem Euerm Volk gen 
Famaguſta kommen woͤllet; kann ich dann Euern 
Gnaden und denen, ſo mit Euch kommen, nicht Ehr 
erbieten als Ihr wuͤrdig waͤret, ſo ſollt Ihr doch 
keiner Dinge Mangel haben ſo wenig als Euer Gna⸗ 
den hie hat.“ 


110 


¶ Wie ihm der König mit ſammt der Königin 
dieſelbe ſchoͤne Jungfrauen mit Namen 
Caſſandra heimfuͤhrt mit großen Ehren / 
und koͤſtliche Hochzeit haͤtt. 


Da der Koͤnig hoͤrt, daß Fortunatus ſo reichlich 
redet, gedacht er: „Ich will doch gern ſehen 
das Weſen! und ſagt ihm zu: „Dein Wille gi cheh, 
reit hin und ruͤſt dich zu; fo will ich mit der Königin 
kommen und dir bringen dein Gemahl, Schwaͤher 
und Schwieger, und Volks genug.“ Deß war For⸗ 
tunatus froh, und danket dem Koͤnig und ſprach: 
Ihr ſollt nit lang aus ſein, in drei Tagen wird alles 
Ding zugericht. ! Und ritt alſo eilends gen Fama⸗ 
guſta und luget, was ihm mangelte oder gebrach, 
das ließ er alles kaufen. Nun hatte der Koͤnig oft 
Hof zu Famaguſta, daß ihm nit ſeltſam war, dahin 

kommen; und alſo kam der Koͤnig mit großem 

lk und ward gar ſchoͤn empfangen von den Sei⸗ 
nen, als da billig iſt. Und ward da große Freud voll⸗ 
bracht mit Tanzen, Singen, und koͤſtlich Saiten⸗ 
ſpiel gehoͤrt. Sobald eins aufhoͤrt, fing ein anders 
an. Das trieb man die ganze Nacht, und ward alſo 
die ſchoͤne Jungfrau Caſſandra 6 zuge⸗ 
leget in dem ſchoͤnen neuen Palaſt, der nach aller 
Luſt gebauet war. Wer darein kam, den nahm 
Wunder von der ſchoͤnen Gezierde, ſo darinnen 
war. Nun wiewohl der Braut Mutter ſah, daß 


111 


alle Ding koͤſtlich zugingen, noch gefiel es ihr nicht, 
ſo er nit eigen Land noch Leut haͤtt; und ſie ſagt das 
ihrem Herren, Graf Nimian. Der ſprach: „Bes 
kuͤmmer dich nit; ich hoff, er verſeh unſre Tochter 
nach Ehren.! Und des Morgens früh kam der Koͤ⸗ 
nig und ſein Schwaͤher und Schwieger, und for⸗ 
derten der Braut die Morgengab. Fortunatus 
ſprach: „Ich hab weder Land noch Leut, ich will 
ihr geben fuͤnf tauſend baar Ducaten, darum kau⸗ 
fet ihr ein Schloß oder eine Stadt, darauf ſie ver⸗ 
forget ſei.“ Der König ſprach: „Dieſen Sachen 
weiß ich zu thun. Hie iſt der Graf von Ligorno, der 
hat Not und muß baar Geld haben und hat ein 
Schloß und Stadt drei Meilen von hinnen, heißt 
Larconube, iſt als viel geſprochen als zum Regen⸗ 
bogen, die wollen wir ihm abkaufen, Land und Leut 
und alle Eigenſchaft. Sandten alſo nach dem Gra⸗ 
fen und kauften ihm die Stadt und Schloß ab um 
ſiebentauſend Ducaten. Da gab er Lupoldo den 
Schluͤſſel zu einem Kaſten, ſo in ſeiner Schlafkam⸗ 
mer war, der zahlte ſie baar, und ward der Kauf 
alſo beſchloſſen und die Brief angegeben und gab 
der Graf von Ligorno ſeine Gerechtigkeit auf vor 
dem Koͤnig in Caſſandra Hand, frei ledig, nimmer⸗ 
mehr keinen Anſpruch zum gemeldten Schloß noch 
Stadt zu haben. Da ward viel zum Kauf ger det. 
Einer ſprach, es waͤr zehntauſend Ducaten wert, 
der ander ſprach: „Haͤtt ich ſoviel baar Geld, ich 


112 


wollte es nit darum geben.“ Doch da es geſchehen 
war, fing erſt an der Braut Mutter fröhlich zu wer⸗ 
den und ſich zur Kirchen zu ruͤſten. Und war die 
Kirch, ſo er hatte laſſen bauen, gar koͤſtlich zuge⸗ 
richt, die nit fern von dem Palaſt war. Und als 
nun das Amt vollbracht war, ging der Koͤnig, der 
Braͤutigam und die Braut und jeder nach ſeinem 
Stand in den Palaſt zur 8 die ſo koͤſtlich 
bereitet war; dann ein jeder wohl kann merken: wo 
man Gelds genug hat, daß man nit darf ſorgen, daß 
Gelds gebricht, da mag man wohl reichlich und 
koͤſtlich leben ohn Sorg, als auch auf der Hoch⸗ 
I aus und aus geſchah, denn da ward nichts ge⸗ 
part. | 


¶ Wie Fortunatus dem König und der Kö- 
nigin zu Gefallen drei Kleinode ausgab / 
darum die Herren / Ritter und Edelleut drei 
Tag ſollten ſtechen. 


Als man nun froͤhlich war, gedachte Fortunatus, 
wie er etwas zuruͤſte, damit dem Koͤnig und der 
Koͤnigin die Weil nit lang wuͤrd, und gab aus drei 
Kleinode. Das erſte war ſechshundert Ducaten 
wert, darob ſollten die Herren, Ritter und alle Edlen 
drei Tag ſtechen: wer da das Beſte thaͤt und dem 
der Preis geben wuͤrd, der ſollte das Kleinod haben. 
Mehr gab er aus ein Kleinod, vierhundert Ducaten 


8 8 113 


wert: darum follten ftechen die Bürger und ihre 
Genoſſen auch drei Tag, und wer das Beſte thaͤt, 
der ſollt das ſelb Kleinod gewonnen haben. Mehr 
gab er aus ein Kleinod um zweihundert Ducaten: 
darum ſollten ſtechen alle reiſigen Knechte, ſie waͤ⸗ 
ren der Herren oder der Staͤdte, auch drei Tag, und 
wer das Beſte thaͤt, dem ſollt auch das Kleinod wer⸗ 


Mer 


ö 9 da groß 
Fleiß gebrauchet ward, daß ein Jeder in ſeinem 
Sinn gern das Beſte gethan haͤtt, von Ruhmes we⸗ 
gen der ſchoͤnen Frauen und Jungfrauen, ſo dann 

ugegen waren, auch um den Gewinn und Kleinod. 

ſſo ſtach man zwo oder drei Stund, und dann ſo 
tanzet man, dann ſo aß man. Das Weſen und 


114 


Freudenſpiel trieb man vierzehen Tag; da wollte 
der Koͤnig nit mehr bleiben, und als er hinweg zog, 
ritt maͤnniglich mit ihm. Fortunatus haͤtt gern ge⸗ 
ſehen, daß man laͤnger da waͤr geblieben, und be⸗ 
ſonders haͤtt er gern geſehn ſeinen Schwaͤher und 
wieger. Das wollten ſie nit thun, dann ſie ſa⸗ 
hen die großen Koſten, fo über ihn gingen, und fuͤrch⸗ 
teten, er moͤchte dadurch in Armut kommen, und 
wollten nit bleiben. Als nun der Koͤnig hinweg ritt, 
da machte ſich Fortunatus auch auf und gab dem 
Koͤnig das Geleit fern hinaus, fuͤget ſich zu dem Koͤ⸗ 
nig und danket ihm, daß er ihn nit verſchmaͤht haͤtt 
und auf ſeine Hochzeit kommen war; und nahm 
alſo 0 demuͤtiglich Urlaub von dem König und 
der Koͤnigin, von Graf Nimian und der Graͤfin 
ſeinem Schwaͤher und Schwieger, und von allem 
Volk; danket maͤnniglich, daß ſie alſo auf ſeinem 
Feſt geweſen waren und ritt wieder zu ſeiner ſchoͤ⸗ 
nen Caſſandra. Da nun das fremde Volk alles hin⸗ 
weg war, fing er an ein neue Hochzeit, und lud da 
erſt alle Buͤrger und Buͤrgerinn, und hatte ein groß 
Feſt mit ihnen. Das trieb er acht Tag, dardurch er 
ihm eine große Gunſt und Wohlwollen von der 
ganzen Stadt zu Famaguſta machet. 
a alſo dasſelbe Feſt und Wohlleben ein Ende 
haͤtt, wollte er nun ein ruhig Leben an ſich 
nehmen, und ſprach zu Lupoldo: „Guter Freund, 
gieb mir zu verſtehn, was dein Wille ſei. Ich will 


5 115 


dir drei Wahlen geben, da erfiefe welche du willſt, 
die ſoll dir geſchehen: Willſt du heim, ſo will ich 
dir vier Knecht zugeben, die dich ehrlich heim ge⸗ 
leiten und dir darzu geben, daß du dein Lebtag ein 

Auskommen haſt; oder willſt du hie zu Fama⸗ 
guſta ſein, ſo will ich dir ein eigen Haus kaufen 
und darzu geben, daß du drei Knechte und zwo 
Maͤgd habeſt, die dein pflegen und dir keinen Man⸗ 
gel laſſen; oder willſt du bei mir in meinem Pa⸗ 
laſt ſein und aller Ding deine e en, 
ſo gut als ich ſelbſt? welches du erwaͤhleſt, ſoll dir 
zugeſagt und redlich gehalten werden.“ Alſo fing 
Lupoldus an und danket ihm der großen Erbietung 
und Wahl, ſo er ihm aufgethan haͤtt, und er haͤtte 
es nie verdient um Gott noch um ihn, daß ihm erſt 
in ſeinen alten Tagen ſoviel Ehr und Gutheit wi⸗ 
derfahren ſollt, und ſprach: „Mir ziemt nit heim 
zu reiten, ich bin alt und ſchwach und moͤchte unter⸗ 
wegs ſterben. Waͤre aber Sach, daß ich ſchon heim 
kuͤme, fo iſt Hybernia ein grob hart Land, da weder 
Wein noch ander edel Fruͤcht innen wachſen, deß 
ich jetzund hie gewohnet bin, und wuͤrdſterben. Daß 
ich dann meine Wohnung moͤcht bei Euch haben, 
iſt mir auch nit aufzunehmen: ich bin alt und un⸗ 
geſtalt; fo habt Ihr ein ſchoͤn Gemahl, viel huͤbſcher 
. und huͤbſche Knechte, die Euch alle 
viel Kurzweil koͤnnen machen, deren ich allen un⸗ 
wert wuͤrde, denn alten Leuten gefaͤllt nit allweg 


116 


das Weſen der Jungen; wiewohl mir an Eurer 

endreichen Guͤte nit zweifelt. So kies und er⸗ 

ich (iſt es nit wider Euch), 1 woͤllet mir ein 
eigen Weſen beſtellen, darinnen ich mein Leben moͤg 
vollenden. Doch bitt und begehr ich, daß ich damit 
nit aus Eurer Liebe noch Rat geſetzt werd, dieweil 
uns Gott das Leben gönnt.” Das ſagt ihm Fortu⸗ 
natus zu, und haͤtt auch ſeinen Rat ſo lange er lebt; 
und kauft ihm ein eigen Haus, gab ihm Knecht und 
Maͤgd, dazu alle Monat 100 Ducaten. Deß freuet 
ſich Lupoldus, daß er nit mehr auf den Dienſt war⸗ 
ten mußt, ſondern er ging nieder und ſtund auf, er 
aß und trank, fruͤh oder ſpat, wie ihm das fuͤget, 
und war ſein Sach richtig; nit deſtominder ging er 
alle Morgen in die Kirchen, da Fortunatus hinging, 
und ergoͤtzet ſich gar fleißiglich; darbei Fortunatus 
ſeine Treu ſpuͤrte. Als nun Lupoldus alſo lebt in 
großen Ehren ein halb Jahr, da ward er krank und 
mit toͤtlicher Krankheit umfangen. Da ward nach 
viel Aerzten geſandt; ihm mocht aber niemand hel⸗ 
fen, und ſtarb alſo der gut Lupoldus. Da war For⸗ 
tunato gar leid und ließ ihn gar ehrlich begraben in 
ſeiner Kirchen. 


117 


¶ Wie Fortunato ein Sohn geboren und 
Ampedo genannt ward / darnach aber ein 
Sohn / Andoloſia geheißen. 


Als nun Fortunatus und ſein Gemahl Caſſandra 
bei und mit einander in großen Freuden lebten 
und alles deß genug hatten, daß man leben ſoll, und 
keinen Mangel, baten ſie Gott gar treulich, daß er 
ihnen Erben woͤllt verleihen; dann er wohl wußte, 
daß die Tugend des Seckels feine. Kraft verlieren 
wuͤrd, wo er nit ehelich Leiberben uͤberkaͤme. Doch 
ſagt er es Caſſandra nit, ſondern gab ihr zu ver⸗ 
ſtehn, wie er ſo gern Erben von ihr uͤberkommen 
wollte. Als nun Gott alle ernſtlichen Gebete er⸗ 
hoͤrt, erhoͤret er ſie auch, und ward die Frau ſchwan⸗ 
ger und gebar einen Sohn, deß Fortunatus und 
maͤnniglich mit ihm erfreuet ward; der ward ge⸗ 
tauft und geheißen Ampedo. Darnach bald ward 
Caſſandra aber ſchwanger und brachte noch einen 
Sohn, ward auch mit Freuden getauft und gehei⸗ 
ßen Andoloſia, alſo daß Fortunatus zween wohl⸗ 
geſchaffen huͤbſch Knaben haͤtt, die er und ſeine liebe 
Caſſandra mit großem Fleiß und Liebe erzogen. 
Jedoch Andolofia war allzeit etwas frecher denn 
Ampedo, als ſich hernach wohl erzeiget. Und wie⸗ 
wohl Fortunatus gern mehr Erben bei Caſſandra 
gehabt haͤtte, ſo gebar ſie doch nit mehr, das ihr gar 
ſchr leid war, denn ſie haͤtte gern auch eine Tochter 


118 


oder zwei gehabt. Da nun Fortunatus zwölf Jahr 
bei Caſſandra war geweſen, und verfah ſich, daß er 
keinen Erben mehr uͤberkommen koͤnnte, fing ihn 
an zu verdrießen, alſo in Famaguſta zu ſein, wie⸗ 
wohl er alle weil hatte mit Spazierenreiten, 
mit huͤbſchen Roſſen, mit Federſpiel, Jagen, Degen, 
So nahm er ihm fuͤr: er waͤre durchzogen 

alle Koͤnigreich, ſo in der Chriſtenheit waͤren, und 
ward ihn verlangen, daß er auch vor ſeinem Tod 
der Heiden Land und die Heidenſchaft, Prieſter 
hanns Land, Indiam die groß, die mittel und 
die kleineſt alle durchzoͤge. Und fing an und ſprach 
au Caſſandra feinem Gemahl: „Ich habe ein Ge⸗ 
et an dich zu legen und hab im Willen, etwan hin⸗ 
zureiſen: will ich dich bitten, du woͤlleſt deinen Wil⸗ 
len darzu geben. Sie ſprach, wohin ihm doch fein 
Gemüt ſtuͤnde? Er hub an und ſaget ihr, fein Fuͤr⸗ 
ne waͤr, wie er die Reis in drei Jahren nit 
vollbringen moͤcht. Caſſandra erſchrak, doch meint 
ſie, ihm waͤre der Rede nit ernſt, und ſprach: „Wo 
woͤllet Ihr hin, da Ihr mehr Freud, Wolluſt, ſchoͤ⸗ 
ner Behauſung moͤchtet haben dann hie bei Weib 
und Kind? Ihr möchtet wohl kommen, da Euch 
nit fo wohl war.” Fortunatus ſprach: „Ich zeuch 
nit aus um Wolluſt, Wohlleben, noch um Gut zu 
gewinnen. Ich hab das halb Teil der Welt geſehn, 
ſo will ich das ander Teil auch beſehn, und ſollte 
ich mein Leben darum verlieren. Und kann das nit 


119 


aus meinem Gemüt bringen; darum fo gieb deinen 
Willen darein, dann das mag niemand wenden 
denn Gott und der Tod.! Da Caſſandra höret, daß 
ihm des Fuͤrnehmens ernſt war, erſt erſchrak fie 
ſehr, und fing an, ihn zu bitten, daß er von feinem 
Fuͤrnehmen ließe, es wuͤrd ihn gereuen; daß er zu⸗ 
vor umgezogen waͤr, das waͤre alles in der Chriſten 
Land, wär er jung und ſtark geweſen und haͤtt moͤ⸗ 
gen viel erleiden, das nun nit mehr waͤr, dann Alter 
vermag nit, was der Jugend gar leicht iſt. „Auch 
ſeid Ihr gewohnet, ein ruhig Leben zu haben, was 
wollet Ihr Euch erſt zeihen, daß Ihr unter die fal⸗ 
ſchen Heiden ziehen wollet? Nun hoͤret Ihr doch 
alle Tag, daß die Heiden keinem Chriſten weder 
treu noch hold moͤgen ſein, ſondern ſie ſeind darauf 
von Natur geneigt: wo ſie die Chriſten moͤchten 
bringen um Leib und Gut, daß ſie das thun.“ Und 
fiel ihm um den Hals gar freundlich und ſprach: 
„O allerliebſter Fortunate, o allerliebſter und ge⸗ 
treueſter Gemahl, o du meines Herzen Wohlgefal⸗ 
len, o in den mein Seel und mein Leib alle ihre Treu 
geſetzt hat, ich bitt Euch um der Ehre Gottes und 
um der Jungfrau Maria willen, ehret mich ar⸗ 
mes Weib und Eure lieben Kind, und ſchlaget die 
fuͤrgenommen Reis aus Euerem Gemuͤt und Her⸗ 
zen, und bleibet hie bei uns; und habe ich Euch in 
einigerlei Dingen erzuͤrnet, oder gethan, darinnen 
Ihr ein Mißfallen habet, das ſollt Ihr zu verſtehn 


120 


geben: es ſoll hinfuͤro vermieden bleiben und nit 
mehr geſchehn. / Und weinete gar inniglich und war 
ſehr betruͤbt. Fortunatus ſprach: „O allerliebſtes 
Gemahl, gehab dich nit ſo uͤbel. Es iſt um ein kleine 
Zeit zu thun, ſo komm ich mit Freuden wieder und 
verheiß dir jetzund, daß ich dann nimmermehr von 
dir ſcheiden will, ſo lang uns Gott das Leben ver⸗ 
leiht. Caſſandra ſprach aber: „Wenn ich Eures 

erwiederkommens gewiß waͤr, fo wollt ich Eurer 

ukunft mit Freuden warten, und wo Ihr hin 
wolltet ziehen ohn an die untreuen Ort, unter die 
unglaͤubigen Leut, die da der Chriſten Blut allzeit 
begehren, fo ware es mir doch nit ſo ſchwer.“ For⸗ 
tunatus ſprach: „Dieſe Reiſe mag niemand wen⸗ 
den dann Gott und der Tod. Und wenn ich von hin⸗ 
nen ſcheid, ſo will ich dir ſoviel Baarſchaft laſſen: ſo 
ich nit her wieder Fam, daß du und die Kind Euer 
Leben lang wohl moͤget in Freuden leben.“ Da 
Caſſandra ſah und merkte, daß da kein Bitten hel⸗ 
fen mocht, da fing ſie an und ſprach: „O allerlieb⸗ 
ſter Gemahl, ſo es nit anders mag geſein dann daß 
Ihr ſo fern von uns woͤllt: mag es dann geſein, ſo 
kommet doch deſto eh herwieder, und die Treu und 
Lieb, ſo Ihr uns bisher bewieſen habet, laſſet aus 
Eurem Herzen nit kommen; ſo wollen wir Gott 
Tag und Nacht fuͤr Euch bitten, daß er Euch ver⸗ 
leihe Geſundheit, Fried und gut Wetter, und Wohl⸗ 
wollen von allen denen, durch der Hand und Ge⸗ 


121 


walt Ihr kommen werdet.“ Fortunatus ſprach: 
„Nun wolle Gott, daß dies Gebet an mir vollbracht 
werd, ſo getraue ich Gott, ich komm her wieder eh 
dann ich mir fuͤrgenommen hab. Ich hoffe, ich voll⸗ 
ende mit der Hilf Gottes meine Reiſe gar bald und 
glücklich.” 


¶ Wie Fortunatus wieder von Cypern weg⸗ 
fuhr / mehr Land und Koͤnigreich zu be⸗ 
ſehen / und gen Alexandriam kam. 


eee. ließ ihm gar eilends eine gute Galeere 
machen von allem Vorteil. Dieweil man die 
Galeere machet, beſtallt er auch Kaufleut, und 
ſandte die nach Kaufmannſchatz mit allerlei Waare 
zu kaufen, ſo, als er dann wohl wußt, in die Heiden⸗ 
ſchaft dienen. Fortunatus gedacht und betrachtet, 
was er dem Soldan zu einer Schenkung bringen 
wollt; dann er wußt wohl, daß alle die Nation, ſo 
gen Alexandriam kommen, alle und jeder in Son⸗ 
derheit gar große Schenkung bringen. Beſonder 
die Venediger und Florentiner bringen ihm faſt guͤl⸗ 
dene Stuͤck, Sammet und von allerhand Sort Sei⸗ 
dengewand, ſoviel, daß es ihm ungenehm iſt. Und 
eilend ſandte er nach viel guten Meiſtern von Gold⸗ 
ſchmiedwerk und ließ ihm machen von Silber und 
Gold gar einen koͤſtlichen Credenz von allem dem, 
das man brauchen kann oder mag, als von Bechern, 


122 


Köpfen, Flaſchen, Schuͤſſeln, Tellern, Platten, 
Bratſpieß, Roſt, Schalen, und alles das man brau⸗ 
chen kann oder mag einem Koͤnig zu ſeinem Ge⸗ 
brauch; und ver guldet eines innen, das ander außen, 
wie ſich das am beſten gab und fuͤgt. Und als die 
Galeere ausbereitet war, ließ er die laden und ruͤſtet 
ſich zu, und nahm Urlaub von ſeinem Gemahl und 
ſeinen Kinden, und ſaß in dem Namen Gottes in 
die Galeeren und fuhr gen Alexandriam. Und als 
er gen Alexandriam kam, iſt von Altem her Sitt: 
wenn ein Schiff gen Alexandriam zu kommt und 
fern noch in dem Meer iſt, ſo ſendet man ein kleins 
Schifflein ihm entgegen und fragen, von wannen 
das Schiff komm und was fie führen und was ihr 
Gewerb ſei; das ſagen ſie denen, dieſelbe Maͤr 
bringt man dem Koͤnig. Nun wenn ein Schiff in 
das Port kommet, ſo darf niemand an das Land 
fahrn, bis daß man ihnen ein verſchrieben Geleit 
ſendt; als ihm auch ein gut verſchrieben Geleit ge⸗ 
ſandt und gegeben ward. Und kam er und ſeine 
Kaufleute mit ihm an das Land; da wollten die Hei⸗ 
den wiſſen, wer der Herr von der Galeere waͤre. 
Da ſagte er ihnen, er hieß Fortunatus von Fama⸗ 
guſta aus Cypern und waͤr allein Herr von der Ga⸗ 
leere. Und alſo begehrt Fortunatus, daß man ihm 
vor den Koͤnig huͤlf, er braͤcht ihm eine Schenkung. 
Darzu waren König Soldans Diener gar gefliſſen, 
ihm fuͤr zu helfen, da er bringen wollte, als noch 


123 


an aller Herren Höfen geſchieht: wer bringt, wird 
bald eingelaſſen, wer aber haben will, der muß lang 
vor der Thuͤr ſtehn. Und als Fortunatus in des 
Koͤnigs Palaſt kam, ließ er aufrichten einen großen, 
ſchoͤnen C 3 ch und ließ die Kleinode darauf 
ſtellen, die gar koͤſtlich und ſchoͤn anzuſehen waren, 

und ſandt alſo nach dem Soldan. Da der Soldan 
die Kleinode ſah, da haͤtt er Wunder ab der Menge 
und ab der Schöne der Kleinode, und meint, er hätte 
ſie darum dahin gebracht, daß er ihm ſie ſollt ab⸗ 
kaufen; und ließ ihn fragen, wie er die Credenz gar 
ſchaͤtzet. Fortunatus ließ den Soldan fragen, ob 
ihm doch die Kleinode wohl gefielen? Er ſagt, faſt 
wohl. Da Fortunatus hoͤret, daß fie ihm gefielen, 
war er froh, und ließ den Soldan bitten, daß er es 
nit verſchmaͤhet und das zu einer Schenkung von 
ihm aufnaͤhm. Da der Koͤnig das hoͤrt, nahm es 
ihn gar fremd, daß ein einiger Kaufmann ihm ſollt 
ſo eine große Schenkung thun, und ſchatzt es wohl 
auf fuͤnftauſend Ducaten, und vermeinet, es waͤre 
einer großen Commun (als Venedig, Florentz oder 
Genua) viel zuviel; doch fo nahm er es auf fuͤr eine 
Schenkung; gedachte ihm doch: „Es waͤr zuviel, 
ſollt ichs ihm nit widergelten ! und hieß ihm geben 
hundert Maaß Pfeffer, die waren wohl ſo viel wert 
als die Kleinode, ſo er ihm geſchenkt haͤtt. Da die 
Venediger, Florentzer und Genueſer Lagerherren, 
ſo dann dazumal zu Alexandria lagen, hoͤrten, daß 


124 


der König Fortunato eine fo koͤſtliche Schenkung 
gethan hatte, der zuvor nie da war geweſen, und fie 
ihm alle Jahr einmal oder etwan in einem Jahr 
7 e Schenkung thun, und ſtets in ſeinem 

ande liegen, ihm und dem ganzen Lande großen 
Nutz ſchaffen und thun, und daß er keiner Stadt 
noch ihren Leuten nie geſchenkt hatte, weder viel 
noch wenig, hatten ſie ein Verdrießen an Fortuna⸗ 
tus Weſen. Dann er war ihnen allen zu koͤſtlich, 
und gab er und die Seinen alle Waar, ſo ſie bracht 
haͤtten, billiger denn ſie, und kauften alle Dinge teu⸗ 
rer denn ſie, das iſt nit minder; er thaͤt ihnen großen 
Schaden, und fuͤrchteten erſt noch groͤßern Scha⸗ 
den, der ihnen daraus entſpringen moͤchte, durch 
die Kaufmannsſchaͤtz und Spezerey, fo er zu Aler⸗ 
andria lud und wieder in der Chriſten Land fuͤhret. 
Und hatten Tag und Nacht Rat, ob ſie ihm etwas 
Urſach oder Unglimpf gegen den Koͤnig Soldan 
moͤchten finden und gegen ſeine Oberſten, damit daß 
er nit ſo fuͤrnehm und ſo wohl gehalten wuͤrd; und 
ſchenkten dem Admiraldo, das iſt der oberſt im Land 
ohn den König, große Schenkung, daß er nit ſo wohl 
an ihm waͤr noch an den Seinen, ſondern er ſollte 
ihm und den Seinen viel Bosheit laſſen geſchehen 
mit Schlagen, Stehlen, Ueberrechnen und alle 
Unehre beweiſen, als ſie das wohl thun koͤnnen und 
darauf genaturt ſind, wenn ſie nit Straf fuͤrchten 
von dem Admiraldo. Deß ward aber Fortunatus 


125 


innen, daß fie ihn alfo haßten und vermeinten, ihm 

durch ſolches das Land zu verleiden, daß er nit mehr 
ſollt Luſt haben, dahin zu fahren. Was that aber 
Fortunatus? Wenn die vier Nation, das iſt Ve⸗ 
nediger, Genueſer, Florentiner und Cathelonier, 
zuſammengelegt hatten und dem Admiraldo zehn 
Ducaten ſchenkten, ſo ſchenkt Fortunatus allen 
dreimal ſoviel. Das war dem Admiraldo ein eben 
Spiel, er nahm von beiden Parteien das Geld und 
that, was ihnen eben war, und Fortunato nur deſto 
mehr, was ihm lieb und dienſt war; dann er haͤtte 
gewollt, daß ſeiner viel und oft gen Alexandria ge⸗ 
kommen waͤren. Als nun Fortunatus etliche Tage 
zu Alexandria war geweſen und ſich gar ehrlich hielt, 
lud ihn der Koͤnig zu Gaſt und etliche Kaufleute aus 
der Galeeren mit ihm; und erbot es ihnen koͤſtlich, 
als es Gewohnheit iſt, daß der Soldan einen jeden 
Patron von einer Galeere einmal zu Gaſt ladet, 
wenn er ſchier hinweg will. Alſo lud ihn der Admi⸗ 
raldo auch und mehr dann Gewohnheit iſt, und 
thaͤten ihm viel mehr und groͤßer Ehr denn ſie an⸗ 
dern Patronen je gethan hatten. Das ward erſt 
die vier Nationen murren und verdrießen machen, 
ſahen, daß ihre Schenkung uͤbel angelegt war. Und 
als nun die Zeit kommen war, daß die Galeere von 
Alexandria hinweg fahren mußte, dann es Ge⸗ 
wohnheit iſt, daß ein jedes Schiff, das gen Alexan⸗ 
dria kommet mit Kaufmannſchatz, nit länger darf 


126 


da fein dann ſechs Wochen, fie haben gekauft, ver⸗ 
kauft oder nit; das wußte nun Fortunatus wohl, ſie 
ſich auch ganz darnach gericht; da machet 
rtunatus einen andern Patron an ſeine Statt, 
ahl dem, daß er mit der Galeere mitſammt den 
andern Kaufleuten und allem Gut in dem Namen 
Gottes hinfuͤhre gen Cathelonia, Portugall, Hi⸗ 
ſpania, Engelland, Flandern, und da kauften und 
verkauften und von einem Land fuͤhren zu dem an⸗ 
dern und ihren Gewinn mehrten, das ſie wohl thun 
moͤchten, als er in 28 waͤr, da ſie ein groß 
merklich Gut mit ſich führten. Er befahl auch dem 
Patron mit ganzem Fleiß, daß er gedaͤchte und uͤber 
zwei Jahre wieder mit der Galeere gen Alexandria 
kaͤme, und ſollte das mit nichten unter wegen laſſen, 
denn er wollte zwei Jahr in den fremden Landen 
wandlen, und ſein Weſen darnach richten, daß er 
dann auch zumal woͤllt zu Alexandria wieder ſein. 
Wenn ſie in aber auf die Zeit nit finden, fo ſollten 
fie kein Rechnung auf ihn machen, daß er mehr im 
Leben waͤr: dann ſo ſollte der Patron die Galecre 
und Gut ſeinem Gemahl Caſſandra und ſeinen 
Soͤhnen gen Famaguſta uͤberantworten. Das ver⸗ 
hieß er ihm auch, und fuhren alſo ihre Straß, und 
wie es ihnen erging, da waͤr lang von zu ſchreiben. 


| 127 


¶ Wie Fortunatus in Indiam kam und viel 
fremder Land durch wandert / zum letzten 
wieder gen Alkeyr kam. 


Do Sortunatus allein war, geſellt er ſich zu dem 
Admiraldo, bat ihn, daß er ihm erwuͤrb bei dem 
Soldan ein Geleit in ſeinem Land, einen Trutzel⸗ 
mann und Foͤrdernißbrief an die Fuͤrſten und Her⸗ 
ren der Lande. Er begehrt zu ſehen des Kaiſers 
Lande von Perſia, des großen Chans von Cathay 
und Prieſter Johanns und andre Land, ſo an die 
und um die Laͤnder ſtoßen. Das erwarb ihm der 
Ad miraldo bei dem König Soldan daß er ihm Foͤr⸗ 
dernißbriefe koͤſtlich und gut machen ließ, ihm auch 
Kundleute zugab, die Steg und Weg und die Spra⸗ 
chen wohl konnten, doch alles auf ſeine Koſten. Deß 
Fortunatus faſt froh war und nit anders dann auf 
ſeine Koſten begehret, dann ihn kein Geld dauert; 
und ruͤſt ſich mit denen, ſo ihm zugeben waren, gar 
koͤſtlich, wie fie ihm ſageten, daß man haben müßt 
oder zu der Reiſe dienete, das hieß er kaufen und 
ahlet es alles baar, und mit wem er zu ſchaffen 
aͤtt, der gewann ihn lieb; das ſchuf, er hielt jeder⸗ 
mann ehrlich: welchen er mit einem Gulden haͤtte 
moͤgen ausrichten, dem gab er zween. Zogen alſo 
dahin. Zu dem erſten kam er in des Kaiſers von 
Perſia Land und durch wandelte das. Darnach zo 
er in des großen Chans von Cathay Land, wind 


128 


durch die Wuͤſte gen Indiam in Prieſter Johanns 
Lande; der feind drei Land, die alle drei India hei⸗ 
ßen: eines die mehrer India, in der iſt uͤbrige Hitze, 
die ander die mittel India, die kuͤhler und nit ſo große 
hat, die dritt heißt die minder India, darinnen 

es ſo kalt, daß Winter und Sommer die — nd 
ieren allweg zu Nacht; und ſind die drei In⸗ 

dia ſo groß, weit und breit, daß Prieſter Johann 
unter ihm hat Inſeln und trocken Land, daß er zwei 
und fiebenzig Könige unter ihm hat, und jeder groß 
Land und Leut, maͤchtig Staͤdt und Schloͤſſer un⸗ 
ter ihm hat. Von der Groͤße und unſaͤglichen Weite 
der dreier India iſt unglaublich zu ſchreiben. Dann 
als man davon geſchrieben findt, begreifen ſie mehr 
Weite um ſich denn des Kaiſers von Perſia, des gro⸗ 
ßen Chans von Cathay, des Soldans und tuͤrki⸗ 
ſchen Kaiſers Land, das doch vier maͤchtig Herren 
feind, mehr vermögen denn alle Chriſtenfuͤrſten, 
der Papſt und all geiſtlich Praͤlaten und darzu alle 
Koͤnig und weltlich Fuͤrſten. Was Wunder, Aben⸗ 
teur und Sitten in den Landen iſt, waͤre ein ſonder 
und groß Buch von zu ſchreiben. Welcher aber das 
gern wiſſen wolle, der les das Buch Johannem de 
Montevilla und andre mehr Buͤcher deren, die ſolche 
Land alle durchzogen ſind und von jedem Land ge⸗ 
ſchrieben, was Sitten und Glauben ſie haben und 
was Standes ein Jeder fuͤhret. Moͤchte etwan eins 
Wunder nehmen, ſo man ſo große Land findt, 


9 F 129 


warum nit mehr Leut aus teutſchen Landen auch 
dahin gieben um die Koͤſtlichkeit der Herren, auch 
der edlen Fruͤcht willen, auch des großen Reich⸗ 
tums, ſo in den Landen iſt? Das bleibt unterwegen, 
darum, daß die Lande ſo gar fern von uns ſeind; das 
ander, daß ſo boͤſer Weg ift, von Bergen und Wild⸗ 
nuß, von Dieben und Moͤr dern; das dritt, daß kei⸗ 
ner ſeinen Leib alſo wagen will und ihm ſo große 
Untreu anthun; das vierte, daran es auch faſt er⸗ 
windet, daß nit ein Jeder Gelds genug hat, als 
dann Fortunatus haͤtt. Will auch gar wohl glau⸗ 
ben, man faͤnde noch mannigen ſtolzen Mann, haͤtte 
er Fortunatus Seckel, er bliebe nit und zoͤge von 
einem Land zu dem andern, ſo lang, bis er von einem 
Ort der Welt zu dem andern kaͤm. Moͤcht einen 
Wunder nehmen, warum die aus India und aus 
andern Landen nicht heraus kommen in unſere 
Land? Iſt die Urſach, ſie hoͤren ſagen, wie unſre 
Lande unaͤrtig ſeien von Kaͤlte und auch nit gute 
Fruͤcht haben, haben Sorge, daß fie gleich ſtuͤrben, 
machen auch die Rechnung, ſie wuͤrden fuͤr Thoren 
geſchaͤtzt, daß ſie aus guten Landen in boͤſe zoͤgen 
und Gut um Boͤs gaͤben. Auch liegt ihnen das an, 
daß ſie wiſſen, daß große Sorg unterwegs iſt. 

Da nun Fortunatus die Lande wohl durchfahren 
war, begnuͤgte ihm noch nicht, er wollt auch kom⸗ 
men, da der Pfeffer waͤchſt; und ſchenkt Prieſter 
Johann gar ſchoͤne Kleinode, die in dem Land gar 


130 


ſeltſam waren, ſchenkt auch den Kaͤmmerlingen 
und bat die, ihm Foͤrderniß zu geben mit Leuten 
und mit Briefen, daß er kaͤm gen Lumbet, das iſt 
das Land, da der Pfeffer waͤchſt. Alſo ward er ge⸗ 
waͤhrt, und ward gefuͤhrt an das Meer, da man 
über muß, eh daß man gen Lumbet kommt. Ward 
da auch uͤbergefuͤhrt, und kam dahin, da der Pfef⸗ 
fer waͤchſt, der wachſet in einem wilden Geſtrauch, 
heißt Thobar, und waͤchſt auch in der ganzen Welt 
kein Pfeffer dann daſelbſt. Da nun Fortunatus 
das alles geſehen haͤtt und auch nit ferner kommen 
mocht, gedacht er an ſein liebes Gemahl Caſſandra 
und feine zween Soͤhn; ward ihn herzlich wieder 
kehren verlangen, wandte ſich um, wieder 
eimwaͤrts zu ziehen, ritt alſo durch viel fremde 
and, dardurch er zuvor nit am Hineinziehen ge⸗ 
gen war, und zu dem naͤchſten kam er durch die 
uͤſte zu Sant Katherina Berg, auf den Berg 
Synay, von dannen durch die Wuͤſten gen Jeru⸗ 
ſalem, die heiligen Stätten heimzuſuchen; und wie⸗ 
wohl er es thaͤt, haͤtt er doch noch zween Mo⸗ 
nat lang zu dem geſetzten Ziel ſeiner Galeere, ge⸗ 
dachte ſich, dieweil wieder gen Alkeyro zu reiten, 
dem Koͤnig Soldan Dank zu ſagen ſeines Geleits 
und Foͤrdernißbriefs, die ihm gar wohl von Nutzen 
waren geweſen. Kam alſo wieder gen Alkeyro, da 
er ausgezogen war. Der Sultan war aber einen 
andern Weg und ihm fuͤrgeritten gen Alexandria. 


9* 131 


Dahin fuͤget ſich auch Fortunatus eilends und kam 
wieder zu ſeinem guten Freund, dem Admiraldo. 
Der war froh und that ihm große Ehre, da er hört, 
daß er ſich fo ritterlich gewagt und fo weite Lande 
durchzogen haͤtt. Als aber Fortunatus zu Alexan⸗ 
dria wohl acht Tag gelegen war, viel ſeltſamer Tier 
und anders bei ihm haͤtt, ward ihn heim verlangen; 
und indem ſo kommt ſeine gute Galeere gen Alexan⸗ 
dria gefahren, der gab man Geleit wie zuvor. Und 
wiewohl Fortunatus nit bei ihnen war geweſen, 
noch hatten ſie ſo wohl gewonnen und brachten die 
Galeere ſo wohl geladen mit ſo gutem und koͤſtlichem 
Kaufmannsſchatz, daß ſie dreimal beſſer war, denn 
da ſie Fortunatus von ſich hatte geſandt. Deß war 
er gar froh, und beſonder, daß er alles fein Volk 
friſch und geſund ſah; die ihm auch Briefe von ſei⸗ 
nem allerliebſten Gemahl Caſſandra brachten, wie 
ſie in Wohlmoͤgen war, deßgleichen die Soͤhn. Alſo 
ſagte Fortunatus zu ſeiner Kaufleute einem, daß 
ſie ſich deſto baß ließen eilen mit Kaufen und Ver⸗ 
kaufen, dann ihn verlanget ſehr wieder heim. Das 
ſie auch thaͤten, gaben alle Ding deſto billiger, und 
wer wohlfeil giebt, dem hilft Sant Nicolaus ver⸗ 
kaufen, und wer kaufet, wie man ihm ein Ding beut, 
der iſt auch bald gericht. Und ſo andre Galeeren 
oder Schiff ſechs Wochen zu Alexandria liegen, ehe 
daß ſie abladen, kaufen und verkaufen, da ſchufen 
ſie alles ihr Ding in drei Wochen, dann ſie ihres 


132 


Herrn Willen gehört hatten. Da fie nun alſo ge 
eilet hätten und das der König Soldan vernahm, 
wollte er je nit, daß Fortunatus hinwegfuͤhre, er 
muͤßte zuvor mit m eſſen und lud ihn am Abend, 
da er des Morgens hinwegfahren wollt. Das konnte 
ihm Fortunatus nicht abſchlagen. Da ſagte er, daß 
jedermann ſich in die Galeere machet und die Ga⸗ 
leere aus dem Port in das Meer zoͤgen. Sobald die 
Mahlzeit gethan waͤr, wollte er zu ihnen kommen; 
und daß alle Dinge bereit waͤren, gar nichts ge⸗ 
braͤche, den Segel an zu laſſen, als fie auch thaͤten. 
Und alſo kam der Admiraldo und nahm den For⸗ 
tunatum und gingen mit einander in des Koͤnigs 
Palaſt und Schloß, das an einer Hoͤhen liegt und 
uͤber die ganze Stadt ſehen mag in das groß, weit 
Meer. Als ſie nun gen Hof kamen, ward Fortu⸗ 
natus von dem Koͤnig ſchoͤn empfangen, der Ad⸗ 
miraldo war dem Koͤnig nit fremd; und fragt der 
Koͤnig, wie es ihm in den fremden Landen gangen 
waͤr. Das ſagte er ihm alles und dankt ihm der 
Foͤrdernißbrief, ſo er ihm geben haͤtt gar fleißiglich. 
Sagt ihm, wie daß er durch ſeiner Briefe willen 
gar ehrlich und ſchoͤn von allen Herren empfangen 
waͤr worden und wie ihm alle andern Herren fuͤr 
und fuͤr ſo große Foͤrdernuß Sue gethan aus 
Kraft ſeiner Briefe; und wo er ſeine Briefe nit haͤtt 
gehabt, ſo haͤtte er die Reiſe nit moͤgen vollenden 
noch vollbringen. Das gefiel dem Soldan gar wohl. 


733 


Doch fo muß ich eines dazu ſagen: Fortunatus 
Seckel war faſt gut bei den Briefen. Indem als ſie 
mit einander redeten, ward die Mahlzeit zugericht 
gar koͤſtlich, als ihr wohl moͤgt glauben, daß ſolch 
groß mächtig Herren allzeit koͤſtlich leben und be⸗ 
ſonder der Soldan, dann der hat allweg fuͤnfzehn⸗ 
hundert Mameluken, das ſeind Söldner, die ihm zu 
Tiſch dienen muͤſſen. 


¶ Wie Fortunatus vom Koͤnig Soldan zu 

Gaſt geladen und ihm groß Ehr erboten 

ar) und wie er des Soldans Mameluken 
egabte. 


Abs ſie nun gegeſſen hatten und die Mameluken, 
die verleugneten Chriſten, noch ob zwoͤlfhundert 
da ſtunden in dem Saal, auf den Dienſt warteten, 
ſprach Fortunatus zum Koͤnig Soldan: wo es ihm 
nit ein Mißfallen ware, wollte er jedem Mameluken 
zehn Dules geben, das ſind guͤldene Pfennig, iſt 
einer fo gut als drei Orth von einem rheiniſchen Gul⸗ 
den. Der Soldan ſprach, er woͤllt es laſſen geſche⸗ 
hen. Alſo ſagt Fortunatus, daß einer nach dem an⸗ 
dern kaͤm, ſo wollter ihnen allen geben, daß Koch und 
Keller meiſter auch kaͤmen; und that feinen Seckel 
auf, daß er bald darein und daraus waͤr, und hielt 
den Seckel unter den Tiſch, daß ihn niemand ſehen 
möchte, denn hätt er den Seckel ſehen laſſen, fo hatt 


134 


man wohl mögen merken, daß es ein Gluͤckſeckel ges 
weſen waͤr, denn in der Seckel hundert waͤr nit halb 
ſoviel Gelds gegangen, als denn er ſo bald in kurzer 
eit ausgab. 

da er nun jedermann gegeben hatte, daß nie⸗ 
mand mehr da war, nahm es den Soldan groß 
fremde, wie er ſo ſchwer Gold hätt mögen ertragen 
und hatte es fuͤr eine große Ehr, die er ihm gethan, 
daß er ſeine Mameluken ſo ehrlich begabt haͤtt. Und 
ſprach: „Ihr ſeid ein ehrſam Mann, und ziemt ſich 
wohl, daß man Euch auch Ehr anthu. Kommt mit 
mir, ich will Euch etwas laſſen ſehen was ich hab. 
Und fuͤhrt ihn in einen ſteinen Thurm, der ganz ſtei⸗ 
nen und alles gewoͤlbt war, in ein Gewoͤlb, da war 
ſoviel Kleinod von Silber, und lagen groß Haufen 
da von ſilberner Muͤnze, wie man Korn aufſchuͤttet 
oder Haber. Darnach fuͤhret er ihn in ein ander 
Gewoͤlb, das war voll guͤldener Kleinod, darin ſtun⸗ 
den viel großer Truhen, die alle voll gemuͤnzter 
Gulden waren. Darnach fuͤhret er ihn aber in ein 
Gewoͤlb, das gar wohl verſorgt war, darin ſtunden 
groß Kaͤſten, die all voll koͤſtlicher Kleinod waren 
und großer Zierd, ſo zu ſeinem Leib gehoͤret, wenn 
er ſich wollt laſſen ſehen in ſeiner koͤniglichen Maje⸗ 
ftät: von edlem Geſtein, von Rubinen, Diamanten, 
Saphiren, Smaragden und von ſchoͤnen Perlen, 
deß alles ohn Zahl war. Und beſonders ſo hatte er 
zween guͤldene Leuchter, auf denen ſtunden zween 


135 


große Carfunkel, die fo ſchoͤn waren und fo licht, 
daß fie bei der Nacht ſchienen, als ob es brennende 
Kerzen waren, Darob Fortunatus Wunder nahm 
und hätt nit vermeint, daß ein König fo viel und fo 
große koͤſtliche Kleinode haͤtte moͤgen haben; und 
lobt dem Koͤnig gar ſehr die Kleinod. Und da er 
hörte, daß fie ihm alſo wohl gefielen, ſprach der Koͤ⸗ 
nig: „Ich habe noch ein Kleinod in meiner Schlaf⸗ 
kammer, das iſt mir lieber, denn das alles, das Ihr 
geſehen habt.! Fortunatus ſprach: „Was moͤchte 
das fein, das fo koͤſtlich war?” „Das will ich dich 
laſſen ſehen“; und führt ihn in feine Schlafkam⸗ 
mer, die groß, ſchoͤn und luftig war, und die Fenſter 
an der Kammer ſahen alle in das weite Meer. Alſo 
ging der Soldan uͤber einen Kaſten und bracht her⸗ 
fuͤr einen gar unachtbaren Filzhut ohn Haar, als 
die Muͤnich gemeiniglich tragen ſo ſie uͤber Land 
wandlen, und ſprach zu Fortunato: „Der Hut iſt 
mir lieber denn alle die Kleinode, ſo Ihr geſehn 
habt“, aus der Urſach: haͤtte er nit Kleinode, ſo 
wuͤßte er ſie doch zu uͤberkommen, aber einen ſol⸗ 
chen Hut, den wüßte er nit zuwege zu bringen. For⸗ 
tunatus ſprach: „O allergnaͤdigſter Herr König, 
ware es nit wider Eure koͤnigliche Majeſtaͤt, fo wollt 
ich gern wiſſen, was doch das Huͤtlein koͤnnte oder 
was Tugend es hätt, daß Ihr es fo koͤſtlich ſchaͤtzet.“ 
Der Koͤnig ſprach: „Das will ich dir ſagen. Es ko⸗ 
ſtet mich auch groß Gut und mehr denn deine wohl⸗ 


136 


geladne Galeere jetzt wert iſt. Es hat die Tugend, 
wenn ich das aufſetz oder ein Anderer, wo er dann 
begehret zu ſein, da iſt er, und damit hab ich viel 
Kurzweil, mehr dann mit meinem Schatz. Wenn 
ich meine Diener auf das Gejaͤg ſende und mich ver⸗ 
langt, daß ich gern bei ihnen wollt ſein, ſo ſetz ich 
mein Huͤtlein auf und wuͤnſch mich zu ihnen, ſo bin 
ich bei ihnen, und wo ein Tier in dem Wald iſt, will 
ich, fo bin ich bei ihm und mag es den Jaͤgern in ihre 
and treiben. Wenn ich dann Feindſchaft hab und 
meine Soͤldner in dem Feld ſeind, wenn ich dann 
will, ſo bin ich bei ihnen. Und wenn ich will, ſo bin 
ich wieder hie in meinem Palaſt, da mich alle meine 
Kleinode nit alſo moͤchten bringen.“ Fortunatus 
ſprach: „Lebet der Meiſter noch, der es gemacht 
hat?! Der König ſprach: „Das weiß ich nit, es 
war einer von Sparga, aus der Stadt Alamanelia, 
da dann noch die Hochſchul von der hohen Kunſt 
der Nigromancia iſt und gelehrt wird. Da war ein 
hoher wohlgelehrter Doctor in der Kunſt der Ni⸗ 
gromancia, dem ich auch groß geben und ihn reich⸗ 
lich begabt und mit großen Ehren wieder heim ge⸗ 
ſendet hab. Ob er noch lebt, iſt mir nit wiſſend.“ 
Fortunatus gedachte: „O moͤchte mir das Huͤtlein 
werden, es fuget faſt wohl zu meinem Seckel.“ 


227 


¶ Wie der groß Soldan Fortunato feine 
Kleinode zeigt / darbei auch das Wunſch⸗ 
huͤtlein / das ihm Fortunatus hinweg fuͤhret. 


DDD 


Un ſprach damit zu dem Koͤnig: „Ich hab dar⸗ 
fuͤr, ſo das Huͤtlein ſo große Kraft hat, daß es 
auch faſt ſchwer ſei und einen uͤbel druͤcken ſollt, der 
es auf hat. Der König ſprach: „Es iſt nit ſchwe⸗ 
rer dann ein anderer Hut.! Und hieß ihn fein Ba⸗ 
rett abthun und ſatzt ihm das Huͤtlein ſelbſt auf und 
ſprach: „Es iſt aber wahr, daß es nit ſchwerer iſt 
dann ein ander Hut.“ Er ſprach: „Sicher, ich hätt 
nit gemeinet, daß es fo leicht ware, noch Ihr fo thoͤ⸗ 
richt, daß Ihr mir den Hut hättet aufgeſetzt.( Und 
in dem wuͤnſchet er ſich in ſeine Galeere zu ſeinem 


138 


Volk, da er auch gleich inne war. Und alsbald er in 
die Galeere kam, da hieß er den Segel aufziehen, 
dann ſie — einen großen Nachwind, daß ſie gar 
ſchnell N weg fuhren. Als nun der König Soldan 
ſah, daß Fortunatus ihm ſein allerliebſtes Kleinod 

weg haͤtt, ſtund er an dem Fenſter, „. die Ga⸗ 
eere hinweg fahren, wußte nit, wie er thun ſollt, 
und gebot allem ſeinem Volk, daß ſie Fortunato 
nacheilten und ihm den gefangen braͤchten, denn er 
muͤßte ſein Leben verlieren, daß er ihn alſo beraubt 
und betrogen hatte. Alſo fuhren fie hinnach; eh daß 
ſie aber geruͤſtet waren, war die Galeere ſo fern, 
daß ſie niemand ſehen mocht. So kann man einem 
auf dem Meer nit nachſpuͤren: kein Wald iſt fo wild 
auf dem ganzen Erdreich, einer waͤr baß zu finden 
dann auf dem weiten Meer. Und als ſie nun etlich 
Tag der Galeere nachgefahren waren und ſie nit 
erfahren mochten, da kam ihnen eine Furcht ein, die 
catheloniſchen Meerraͤuber moͤchten an ſie kom⸗ 
men. So waͤren ſie nit zugeruͤſt zu ſtreiten; ſie woll⸗ 
ten den Fuchs nit beißen und kehrten wieder um und 
ſagten dem Soldan, fie hatten die Galeere nit moͤ⸗ 
gen ereilen. Da ward der Soldan faſt traurig. Da 
aber die Venediger, Florentiner und Genueſer er⸗ 

ren, daß Fortunatus mit ſeinem liebſten Kleinod 
alſo darvon gefahren war, waren ſie faſt froh, und 
ſagten unter einander: „Wie wohl iſt es um den 
Koͤnig und um den Admiraldo: ſie wußten nit, wie 


139 


große Ehr fie ihm thun follten, er hat ihnen den 
rechten Lohn gegeben. Jetzund ſein wir doch ſicher 
vor ihm, daß er nit mehr herkommt und uns ſo gro⸗ 
ßen Schaden zufuͤgen mag mit Kaufen und Ver⸗ 
kaufen, als er uns dann gethan hat.“ Da nun der 
Soldan um das Kleinod kommen war, haͤtt er es 
gern wieder gehabt, und wußte nit, wie er es ſollte 
angreifen, und gedacht: „Daß ich ſchon den Admi⸗ 
raldo oder einen meiner Fuͤrſten zu ihm ſende, ſo 
ſind ſie den Chriſten nicht angenehm, auch ſo moͤch⸗ 
ten ſie unterwegen gefangen werden.“ Und bedachte 
ſich, er woͤllt eine ehrliche Botſchaft zu Fortunato 
in Cypern ſenden und bat den Chriſten⸗Haupt⸗ 
mann / den fie zu Alexandria haben, denn eine jeg⸗ 
liche Nation hat einen Conſulo, dieſelben erwaͤhlen 
dann einen Obren, der iſt ob ihnen gewaltig. Und 
zu dem ſandte der Soldan und bat ihn, daß er ihm 
zu Willen wuͤrd und einer Reiſe dienete. Saget 
ihm die Urſach, warum es waͤre. Das ſaget er ihm 
zu, er waͤre bereit, zu ſeinem Dienſt zu fahren wo⸗ 
hin er woͤllt. Alſo ließ er ihm bald ein Schiff zu⸗ 
richten, und Chriſten⸗Schiffleut darein, und befahl 
ihm, daß er ſollte fahren gen Famaguſta zu Fortu⸗ 
nato und ihm ſagen, daß er ihm ſein Huͤtlein wieder 
ſende, dann er ihn es in Treuen haͤtt laſſen ſehen, 
das wollt er zu Dank wieder von ihm aufnehmen; 
und befahl ihm mehr, wo er das alſo thun wollt, 
daß er ihm dann groß Gut verhieß und deß Buͤrge 


140 


würde: wo er ihm das Kleinod wieder gab, fo wöllt 
er ihm feine Galeere voll edels Gewürze fenden. 
Wo er es aber nit thun woͤllt, daß er es dann dem 
Koͤnig von Cypern klagte, der ſein Obrer waͤre, und 

n bitten, daß er mit Fortunatus ſchuͤf, daß er ihm 
ein Kleinod, ſo er ihm doch unredlich entfuͤhret, 
wieder ſendet. Der Hauptmann war ein Venedi⸗ 
ger und hieß Marcholando, ſagt dem Soldan zu, 
die Botſchaft getreulich zu werben und guten Fleiß 
darinnen zu brauchen. Deß gab ihm der Soldan 
groß Gut, ruͤſt ihn koͤſtlich aus, verhieß ihm groß 
zu ſchenken, wo er ihm ſein Kleinod wieder braͤcht. 
Dem Soldan war ſo leid um den Hut, daß er keine 
.. haben mocht, darum all feine Mameluken 
auch traurig mußten ſein. Sie hatten ihn zuvor 
alle gelobt, da ſie das Geld von ihm empfangen hat⸗ 
ten, da er aber ihren Herrn und Koͤnig betruͤbt hätt, 
ſagten fie, er wär der größte Boͤſewicht, der auf 
Erdreich lebet; ein jeder ſagte, hatte er ihn, er wollte 
ſein Herz alſo roh eſſen, und waren all fraidig. Alſo 
fuhr Marcholando gen Cypern und kam zu Fama⸗ 
guſta in das Port; war aber Fortunatus —5 
zehen Tage zuvor dahin kommen. Moͤget Ihr wohl 
gedenken, wie hoch und ſchoͤn Fortunatus empfan⸗ 
gen ward von ſeinem lieben Gemahl — en 
und wie große Freude er auch empfing, daß er mit 
Freuden alſo wieder heim kommen war. Die ganze 
Stadt freuet ſich mit ihm, denn da war viel Volkes 


141 


von der Stadt, die alle viel Freund hätten, die mit 
Fortunato zu Land kommen waren und hatten alle 
wohl gewonnen; und wo man genug hat, da mag 
man deſto baß froͤhlich ſein und wohl leben, als ſie 
auch alle in der Stadt thaͤten. Da nun Marcho⸗ 
lando mit ſeiner Galeere zu Land kam, haͤtt er ein 
groß Verwundern, daß man ſo froͤhlich inder Stadt 
war. Als Fortunatus innen ward, wie des Königs 
Soldan von Alexandria Botſchaft gen Famaguſta 
kommen war, verſahe er ſich wohl, warum er zu 
ihm kommen waͤre, und ließ ihm eine ſchoͤne Her⸗ 
berge beſtellen und ihm darein fuͤhren und tragen, 
was man bedurft; und was man verbraucht, das 
zahlet alles Fortunatus. Nun Marcholando wohl 
drei Tage zu Famaguſta geweſen war, da ſandte er 
zu Fortunato, er haͤtt etwas Botſchaft an ihn zu 
werben, das ihm Fortunatus wohl vergoͤnnet und 
kam alſo zu ihm in ſeinen ſchoͤnen Palaſtund ſprach: 


¶ Wie der Soldan eine Botſchaft zu Fortu⸗ 
un geſche ihr uunlbi: Haag ickt / aber 
ungeſchafft wieder wegfahren mußt. 


Der Koͤnig Soldan von Baboloni, Herr zu Al⸗ 
keyro und Alexandria, entbeut dir, Fortuna⸗ 
tus, ſeinen Gruß durch mich, Marcholando, du 
woͤlleſt ſo gutwillig und mich einen guten Boten 
laſſen ſein und ihm ſein Kleinod bei mir ſenden.“ 


142 


a antwortet und ſprach: „Mich nimmt 

daß Koͤnig Soldan nit weiſer war, da er 
geſagt hätt, was Tugend das Huͤtlein hätt, und er 
das mir ſelbſt auf mein Haupt ſatzt, darunter ich 
doch in groß Angſt und Not kam, der ich mein Leb⸗ 
tag nimmer vergeſſen kann noch mag; dann meine 
Galeere ſtand in dem weiten Meer, da wuͤnſcht ich 
mich dar ein, und wo ich der Galeere gefehlt haͤtt, fo 
waͤre ich um mein Leben kommen, das ich doch koͤſt⸗ 
licher ſchaͤtze denn Koͤnig Soldans Koͤnigreich; und 
aus der Urſach bin ich des Willens, das Kleinod nit 
von mir zu laſſen, ſo lang ich leb.“ Da Marcho⸗ 
lando von Fortunato die Rede hoͤret, gedachte er 
ihm, er woͤllte ihn mit Gut, ſo er ihm verheißen 
woͤllt, ſein Fuͤrnehmen wenden und ſein Gemuͤt 
verkehren, fing an und ſprach: „Fortunate, laßt 
Euch raten, was ſoll Euch das Kleinod? Ich will 
Euch dafuͤr ſchaffen, das Euch und Euren Kinden 
viel beſſer und nuͤtzer iſt dann das beſchaben Huͤt⸗ 
lein, und hätt ich der Huͤtlein einen Sack voll und 
jeder Hut haͤtt die Tugend, ſo der Hut hat, den Ihr 
habt, ſo wollte ich ſie all geben um das Dritteil, das 
ich Euch darum ſchaffen will. Darum ſo laſſet mich 
guter Bote ſein, ſo will ich Euch verſprechen und 
verheißen, daß Euch Koͤnig Soldan muß laden Eure 
Galeere mit ganz gutem Gewuͤrz als Pfeffer, Ing⸗ 
wer, Naͤgelein, Muscatnuß und Zimmetrinden 
und anders mehr, das ſich auf hunderttauſend Du⸗ 


143 


caten machen würd; und darzu fo ſollt Ihr das 
Huͤtlein nit von Handen geben, bis Ihr gewaͤhrt 
und bezahlt ſeid und Euch die Galeere mitſammt 
dem Gut zu Euren ſicheren Handen geantwortet 
wird. Iſt Euch das zu Sinn, ſo will ich ſelbſt auf 
Eurer Galeere gen Alexandria fahren und Euch ſie 
geladen herwieder bringen, und Euch vertrauen: 
wenn ich herwieder komm und bring, was ich Euch 
verheißen hab, Ihr gebet mir dann meines gnaͤdi⸗ 
gen Herrn Koͤnig Soldans Kleinod wieder. Auch 
ſo weiß ich wohl, daß dies Kleinod in der ganzen 
weiten Welt nirgends das Dritteil ſoviel gilt, als 
der Koͤnig Soldan darum giebt, und waͤre es nit zu⸗ 
vor fein geweſen, ihm war aber nit ſo not darnach.“ 
Da Marcholando ausgeredet haͤtt, ſprach Fortu⸗ 
natus zu Marcholando: „Um daß wir nit viel Wort 
vergebens treiben, will ich Koͤnig Soldans und 
Euer Freundſchaft gern haben, doch ſo gedenk mir 
niemand das Huͤtlein aus meiner Gewalt zu brin⸗ 
gen. Ich hab ſonſt noch ein Kleinod, das mir ſehr 
lieb iſt, die muͤſſen bei mir bleiben dieweil ich lebe.“ 
Marcholando ſagt, ob aber nit mehr darzu zu reden 
waͤr. Antwortet Fortunatus, da waͤre gar nichts 
mehr von zu reden noch zu gedenken; und haͤtt er 
etwas zu ſchaffen, das moͤchte er thun. Marcholando 
wollt nit von dannen, er wollt zuvor vollenden, was 
ihm der Koͤnig Soldan befohlen haͤtt, und ritt zu 
dem Koͤnig von Cypern, der dann Fortunatus Obe⸗ 


144 


rer war, und klaget ihm von Fortunato, und bat 
ihn, daß er mit ihm ſchuͤfe, das Kleinod ihm wieder 
geben oder ſenden, das er ihm doch unehrlich ent⸗ 

| hätt; dann wo das nit geſchaͤhe, fo hätte er 
Sorge, es wuͤrde ein großer Krieg daraus entſprin⸗ 
en, ſo ſie doch lange Zeit in gutem Fried und gute 
achbarn wären geweſen; jo war gut, daß fie in 
Freundſchaft blieben, dann durch Krieg ſo kaͤm man 
zu großen Koſten und merklichem Schaden, darvor 
er ſein ſollt, wo er koͤnnt oder moͤcht. Dann es ziemt 
einem jeglichen Koͤnig wohl, daß er ſein Koͤnigreich 
und Unterthanen in Frieden ſetz, ſo fern ihm das 
moͤglich iſt. Der Koͤnig antwortet dem Marcho⸗ 
lando und ſprach: „Ich habe Fuͤrſten und Herren 
unter mir und in meinem Koͤnigreich, ſo ich ihnen 
gebeut, ſo thun ſie was ſie woͤllen. Aber hat Koͤnig 
Soldan etwas zu Fortunato zu klagen, nehm er ihn 
fuͤr, ſo will ich ihm Recht folgen laſſen als viel billig 
und recht iſt./ Marcholando, da er hört, daß man 
ſeinem Herrn und Koͤnig das Recht fuͤrſchlug, 
konnte er wohl e en und merken, daß ein Heid 
nit viel einem Chriſten in der Chriſtenheit moͤcht 
abbeheben, und gedacht ihm, wie daß ihm nit laͤnger 
mte, dazubleiben, fuhr wieder gen Famaguſta zu 
einer Galeere und ließ ſie zuruͤſten und wollte da⸗ 
von. Da war Fortunatus ſo guͤtig, lud ihn zu Gaſt 
und erbot ihm es gar koͤſtlich, und begabte ihn auch 
mit viel koͤſtlichen Kleinoden und ließ ihm ſeine Ga⸗ 


10 F 145 


leere gar wohl ſpeiſen mit guter Speis und Trank, 
und ſprach: „Ich bin dir nicht feind, daß du dem 
Soldan ſeine Botſchaft haſt geworben; doch hoffe 
ich, du ſeieſt mir auch nicht feind, darum daß ich ihm 
das Huͤtlein nicht wieder ſchicke. Angeſehen, daß 
kein Heide keinen Chriſten liebhaben mag, noch auch 
kein Gutes gönnen, und wo Konig Soldan das Huͤt⸗ 
lein haͤtte und mein waͤre, er ſaͤndte es mir wahr⸗ 
licher Sachen auch nit wieder, es wuͤrd ihm auch 
von den Seinen nit geraten, daß er mir es ſchickte, 
alſo deßgleichen mir auch nit geraten wird, daß ich 
ihm es ſchicken ſoll. ( Marcholando danket Fortu⸗ 
nato der Ehren und Schenkung, ſo er ihm gethan 
haͤtt, und ſagte, er ſahe wohl, daß er nichts ſchaffen 
moͤcht, weder durch Liebe noch durch Gabe, ſolches 
wollt er dem Sultan fürbringen, daß er fuͤrbaß in 
der Sach thaͤte, was ihn das Beſte gedaͤuchte. Und 
fuhr alſo hinweg ungeſchafft darum er dann aus⸗ 
geſandt war. Alſo ließ ihn Fortunatus fahren und 
fraget nit darnach, ob er den König Soldan erzuͤr⸗ 
net haͤtt, fo er doch nit mehr in fein Land wollte. 

Als nun Fortunatus zu guter Maß die ganze Welt 
durchfahren und ein gut Genuͤgen zuwegen ge⸗ 
bracht hatte, da fing er an und hielt einen koͤſtlichen 
Staat und ließ ſeine zween Soͤhne auch herfuͤr zie⸗ 
hen, hielt ſie auch gar ehrlich und koͤſtlich, und dinget 
ihnen Knecht, die fie lehrten Ritterſpiel, das iſt mit 
Stechen, Turnieren und mit Scharfrennen und 


146 


andres, das denn dazu ap wohl geuͤbet. Darzu 
der juͤnger Sohn gar ſehr geneiget war, ſich gar 
mannlich in die Sach ſchickt, dadurch Fortunatus 
viel Kleinod ausgab, darum zu Famaguſta geſtochen 
ward, daß allweg der juͤngſte Sohn das Beſte thaͤt 
und den Preis gewann; daß jedermann ſprach, An⸗ 
doloſia thaͤt dem ganzen Land Ehre; dardurch For⸗ 
tunatus große Freud haͤtt. Und lebten alſo in gro⸗ 
ßen Freuden, denn Fortunatus hatte viel Kurzweil 
mit ſeinem Huͤtlein, mit dem Federſpiel und auch 
mit dem Sohn Andoloſia und mit ſeinem allerlieb⸗ 
ſten Gemahl Caſſandra. Als ſie nun mannig Jahr 
in allen Freuden lebten, und von keinem Unmut 
wußten zu ſagen, da ward die ſchoͤne Caſſandra 
krank einer ſchweren und toͤtlichen Krankheit, daß 
9 r kein Arzt weder konnte noch mochte helfen. 
d kein Gut noch Geld geſparet; ſondern ſie 
mußte ſterben, ohne langes Verziehn gab ſie auf 
ihren Geiſt. Da ließ fie Fortunatus gar ehrlich be⸗ 
atten, als ob ſie eine Koͤnigin waͤr geweſen. Sie 
war ihm lieb im Leben, deß erzeiget er ſich auch nach 
ihrem Tod, und ließ ihr viel Gutes nachthun. Und 
lag ihm aller ſein guter Mut und hatte gar keine 
u mehr, wiewohl ſeine guten Freunde und Ge⸗ 
ellen ihm gern einen Mut gemacht haͤtten und zu 
ihm kamen, und wollten, daß er mit ihnen waͤr ſpa⸗ 
zieren geritten, jagen, baitzen, wie er dann vormals 
gethan haͤtt. Der wollt er keines thun, ſondern er 


10* 147 


ſaß allein und trauret um fein liebſtes Gemahl. Als 
er alſo allein war, fing er an und ſprach wider ſich 
ſelbſt: „O Fortunate, was iſt dir nun nuͤtz, daß du 
Golds genug haſt und dem Soldan ſein allerbeſtes 
Kleinod vorhalteſt, alle Reiche durchzogen biſt; und 
jetzo nit weißt, zu welcher Stund der Tod kommt 
und dich auch hinnimmt, als er mein allerliebſtes 
Gemahl genommen hat, deſſen fie fich noch nit ver⸗ 
ſehen haͤtt. O du grimmer Tod, wie kannſt du ſo 
hart und ſo ſtreng fein, daß du dir nit laͤßt aber bitten 
und weder Gab noch Mut an dir hilfet. Die Jun⸗ 
gen noch die Alten, die Reichen noch die Armen, die 
Wohlgeſtalten noch Ungeſtalten nit ſicher mögen 
vor dir ſein, weder auf den hohen Schloͤſſern oder 
Bergen, noch in den tiefen Thaͤlern.“ Und lag alſo, 
zu betrachten die Gewißheit des Todes und die Un⸗ 
gewißheit ſeines Kommens. Und als er ſich ſo ſehr 
bekuͤmmeret, ihn niemand von der Fantaſey neh⸗ 
men konnt noch mocht, da fiel er auch in eine boͤſe 
Krankheit (die Schwindſucht), die man Ethica 
heißt, und nahm von Tag zu Tag aban ſeinem Leibe. 
Da er empfand ſolches Siechtum an ihm von Tag 
zu Tag zunehmen, ſandte er fern und nah nach den 
allerbeſten Aerzten, ſo man ankommen mochte. 
Denen gab und ge er groß Gut, daß fie ihm 
huͤlfen, fie wollten aber ihm keinen Troſt geben ihn 
geſund zu machen, doch ſo wollten ſie das Beſte 
thun, ihm ſein Leben zu friſten ſo lang ſie moͤchten, 


148 


und brauchten darzu ihren Fleiß, nahmen darum 

Gelds genug. Fortunatus aber empfand keiner 

Beſſerung, ſonderlich, da er wohl konnt merken, 

— er den Tod an ihm haͤtt und ihm nit entrinnen 
nnt. 


¶ Wie Fortunatus ſtarb / an feinem Todbett 
ſeine zween Soͤhn berufet / ihnen ſaget die 
Kraft und Tugend des Seckels und des 
Huͤtleins. 
Und als er nun nahe gen dem Tod und an ſeinem 
Bett lag, ſandte er nach ſeinen zween Soͤhnen, 
dem Ampedo und Andoloſia, fing an und ſprach: 
Sehet ihr lieben Söhne, eure Mutter, die euch fo 
mit gar großem Fleiß erzogen hat, nun mit Tod ab⸗ 
gegangen iſt; ſo iſt nun die Zeit kommen, daß ich 
auch aus dieſer Zeit ſcheiden muß, ohne ſonder laͤn⸗ 
ger Verziehen. Und alſo will ich euch ſagen, wie 
ihr euch halten ſollet nach meinem Tod, damit ihr 
bei Ehren und Gut bleibet, als ich bis an mein End 
blieben bin. Und ſagt ihnen, wie er zwei Kleinode 
hätt, den Seckel, und was Tugend er haͤtt, nit länger 
dann ſo lang ſie lebten, und auch was Tugend das 
Huͤtlein haͤtt, wie groß Gut ihm der Sultan wollt 
darum gegeben haben; und befahl ihnen, ſie ſollten 
die Kleinode nit von einander teilen und ſollten auch 
niemand ſagen von dem Seckel und ihnen niemand 


149 


fo lieb laſſen werden noch niemand ſo hold gewinnen, 
ob ſie auch Weiber uͤberkuͤmen, die fie faſt lieb haben 
wuͤrden, noch ſo ſollten ſie nichts von dem Seckel 
ſagen; dann ſobald das ein Menſch innen wuͤrd, ſo 
wuͤrden es darnach mehr innen. „Wenn es dann 
alſo gar aus kaͤme, ſo ſatzte man euch Nacht und 
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braͤchte. Und wiſſet, daß ich den Seckel ſechzig Jahr 
gehabt hab, und hab es keinem Menſchen nie ge⸗ 
ſagt; und ihr ſeid jetzund die erſten, die es aus mei⸗ 
nem Mund hören. Hierum fo ſeid fürfichtig, denn 
wo ihr darum kommt, ſo wuͤrd er euch nit wieder; 
alfo thaͤt es gar weh, von großem Reichtum in Ar⸗ 
mut zu kommen. Noch eins will ich euch befehlen, 


150 


lieben Soͤhn, daß ihr in der Ehre einer Jungfrauen, 
von der ich begabt bin worden mit dieſem gluͤckhaf⸗ 
tigen Seckel, ihr nun hinfuͤr alle Jahr auf den er⸗ 
ſten Tag im Brachmonat feiern woͤllet, und auf 
denſelben Tag kein ehelich Werk vollbringen in der 
Eh noch außer der Eh, und eine arme Tochter, der 
Vater und Mutter nit zu helfen haben zu ehelichem 
Stand zu bringen, daß ihr die woͤllet verſehn mit 
vierhundert Stuͤck Goldes, was dann Landes Waͤh⸗ 
rung iſt, wo einer mit dem Seckel iſt; und das hab 
ich gethan, ſo lang ich den Seckel gehabt, hab ich dem 
Geluͤbd nachgelebt.“ Und nit viel redt er mehr 
nach dieſer Red, war verſehen mit allen Sacra⸗ 
menten, und gab alſo auf ſeinen Geiſt. Da ließen 
ihn ſeine Soͤhne gar ehrlich beſtatten in der ſchoͤnen 
chen, die Fortunatus ſelbſt hatte laſſen bauen, 
ward da viel Gottes dienſt vollbracht mit Meſſehal⸗ 
ten und mit Almoſengeben; und wäre der König 
ſelbſt geſtorben, ſo haͤtte man ihm nit mehr moͤgen 
nachthunn. 
Nun hoͤret, wie es Ampedo und Andoloſia, den 
zween Söhnen Fortunati, fuͤrbaß gangen iſt 
mit den zweien Kleinoden. Als nun ihr Herr und 
Vater geſtorben war, da trugen ſie Leid und hielten 
ihm koͤſtliche Jahrzeit, als wohl billig war. Die⸗ 
weil nun Andoloſia alſo das Jahr ſtill gelegen war 
und nit durft ſtechen noch andre Hofweiſe treiben, 
war er ob ſeines Vaters Buͤchern gelegen, haͤtt die 


151 


geleſen und fand, wie er fo viel chriſtlicher Koͤnig⸗ 
reich durchzogen war, wieviel Laͤnder er durch der 
Heiden Land gefahren war, das ihm auch ſo wohl 
gefiel und ihm einen ſolchen Luſt bracht, daß er ihm 
ernſtlich fuͤrnahm, wie er auch wandlen muͤßt. Fing 
an und ſprach zu ſeinem Bruder Ampedo: „Lieber 
Bruder, was woͤllen wir anfahen? Laß uns wand⸗ 
len und nach Ehren ſtellen, als dann unſer Herr 
Vater gethan hat. Haſt du nit geleſen, wie er ſo 
weite Land durchfahren iſt, fo lies es noch.“ Am⸗ 
pedo antwortet ſeinem Bruder gar guͤtiglich und 
ſprach: „Wer wandlen woͤll, der wandle. Es ge⸗ 
luͤſt mich gar nicht, ich möchte leicht kommen, da 
mir nit ſo wohl waͤre, als mir hie iſt. Ich will hie 
zu Famaguſta bleiben und mein Leben in dem ſchoͤ⸗ 
nen Palaſt verſchleiſſen.“ Andoloſia ſprach: „So 
du des Sinnes und Gemuͤtes biſt, ſo laß uns die 
Kleinode teilen.“ Ampedo antwortete und ſprach: 
„Willſt du jetzo das Gebot deines Vaters uͤbergehn? 
Weißt du nit, das ſein endlicher Wille ernſtlich ge⸗ 
weſen iſt, daß wir die Kleinode nit voneinander ſol⸗ 
len teilen? Andoloſia ſprach: „Ich kehr mich nit 
an die Red. Er iſt tot; ſo leb ich noch, und ich will 
teilen.“ Ampedo ſprach: „So nimm das Huͤtlein 
und zeuch wohin du woͤlleſt.! Andoloſia ſprach: 
„Nimm du es ſelbſt und bleib hie.“ Und konnten 
der Sache nit einig werden, dann jeder wollt den 
Seckel haben. Andoloſia ſprach: „Lieber Bruder, 


152 


ich weiß, wie wir der Sache thaͤten. Wir ſollen nach 
unſers Vaters Rat niemand zu unſerer Teilung 
nehmen. So laß uns aus dem Seckel zwo Truhen 
mit Gulden fuͤllen, die beheb du hie und leb wohl: 
ſo magſt du ſie dein Lebtag nit verzehren; und 
behalt auch das Huͤtlein hie bei dir, damit du viel 
Kurzweil haben magſt, und laß mir den Seckel. So 
will ich wandeln und nach Ehren ſtellen, will ſechs 
7 fein, und wenn ich dann her wieder komme, 
o will ich dir den Seckel auch ſechs Jahr laſſen und 
alſo wollen wir ihn insgemein haben und nuͤtzen. 
en der war ein guͤtig Menfch, ließ es alſo ge⸗ 
ſchehen, wie es ſein Bruder gemacht haͤtt. 


Wie Andoloſia mit feinem Seckel von 
Famaguſta weg ſchied / und wohl geruͤſt an 
des Koͤnigs von Frankreich Hof kam. 


Da nun Andoloſia verſtund, daß ſein Bruder 
ihm den Seckel laſſen wollt, und ihn mit ihm 
hinweg wollt laſſen fuͤhren, war er von ganzem 
Herzen froh und wohlgemut. Fing an ſich zu ruͤſten 
mit guten Knechten und huͤbſchen Pferden, ließ 
ihm zuruͤſten einen Wagen, darauf man ihm all⸗ 
— mußte nachfahren ſein Stechzeug, und was 
zu hoͤſiſchem Weſen gehört. Und nahm alſo Ur⸗ 
laub von ſeinem Bruder, fuhr von Famaguſta mit 
vierzig wohlgezierten Mannen und wohl geruͤſt mit 


153 


guten Roſſen, und alle wohl bekleidet mit einer Farb 
zu dem erſten an des Koͤnigs Hof von Frankreich 
und geſellet ſich den Edlen zu, Grafen und Frei⸗ 
herren, denn er war koͤſtlich und ließ ſich gar wohl 
nutzen, darum er von maͤnniglich wohl gehalten 
ward; dienet auch dem Koͤnig als ob er ſein ge⸗ 
dingter Diener waͤre. Als er da war, begab es ſich, 
daß man ſtechen ward, ſcharf rennen, ringen und 
ſpringen. Das thaͤt er den andern allen vor, daß er 
ganz in ein Geſchrei kam, daß er allzeit das Beſte 
thaͤt. Und nach dem Stechen hielt man gewöhnlich 
große Taͤnz den edlen Frauen, darzu er auch beruft 
ward und ihm auch Vortaͤnz geben wurden. Die 
Frauen wurden fragen, wie er hieße und von wan⸗ 
nen er waͤre; ſo ward ihnen geſagt, er hieße Ando⸗ 
loſia von Famaguſta aus Cypern und waͤr von 
edlem Geſchlecht. Alſo wurden ihn die edlen Frauen 
auch herfuͤrziehen, Scherzred mit ihm treiben, das 
er auch gern hatt und ihm wohl gefiel; der König 
ward ihn zu Gaſt laden. Da er fo wohl ankam und 
den Edlen ſein Gefaͤhrt und ſeine Geſellſchaft ange⸗ 
nehm war, lud er die Edlen und alle ihre Weiber 
zu Gaſt und gab ihnen gar ein koͤſtliches Mahl, da⸗ 
durch er den edlen Frauen wohl gefallen ward und 
gaben ihm erſt Glauben, er waͤr von edlem Stamme 
geborn. Und als ſie nun in Freuden lebten, da war 
ein Edelmann an des Koͤnigs Hof, der haͤtt ein 
Weib, die ein Ausbund war von Schoͤne, und mit 


154 


Schönheit die anderen Frauen weit übertraf. Der⸗ 
ſelben Frauen Ehmann war Andoloſia Stechgeſell 
und waren baß eins dann die Andern. Derſelben 

ward Andoloſia unmaßen faſt hold und gar 
ernſtlich um ſie buhlen und verhieß ihr zu geben tau⸗ 
ſend Kronen, daß ſie eine Nacht bei om lag. Die 
Frau gedacht, tauſend Kronen wären bald ver⸗ 
dienet; doch ſo war ſie ſo ehrbar, daß ſie es nit thun 
wollt, und ſagt ſolches ihrem Mann. Der Mann 
ſprach: „O Frau, die tauſend Kronen waͤren gut, 
wir wollten ſie wohl brauchen, es iſt aber nit wohl 
zu thun, dann Ehre iſt ob allem Reichtum“ und 
ſprach 125 ihr: „Wie wollt es dir gefallen: wir haben 
eine ſchoͤne wohlgeſtalte Nachbarin, die eine gute 
Geſellin iſt und die um Geldes willen ihren Leib 
niemand verſagt: du haͤtteſt es mit ihr geredt, wie 
ſolche Sach an dich waͤre geworben, nun haͤtteſt du 
einen Ehmann, der viel auf Ehre hielt, und du duͤrf⸗ 
teſt dich ſolches nit unterſtehn, denn du muͤßteſt dei⸗ 
nes Lebens dabei beſorgen. ! Die Frau thaͤt nach 
Anweiſung ihres Mannes und ſprach zu der Nach⸗ 
barin: „Solches iſt vorhanden; wollteſt du dich der 
Sach unterſtehn, ſo wollt ich es zurichten, daß du 
in meinem Haus und an meiner Statt als ob ich 
es wär laͤgeſt bei dem Edelmann, ſo denn jetzund hie 
ein guter Stecher iſt. Der wollte mir tauſend Kro⸗ 
nen geben, daß ich eine Nacht bei ihm läg. Wo du 
das thaͤteſt, ſo wollt ich dir hundert Kronen geben.“ 


155 


Die gute Tochter ſprach: „Mir liegt nit viel daran, 
ich wuͤrd bei einem ſolchen Mann umſonſt liegen. 
Wenn ich aber ſolches thaͤt, ſo beſorg ich, Ihr gebet 
mir die hundert Kronen nit und wollet mich viel⸗ 
leicht mit einer Kron oder zweien abrichten, ſo ich 
ein ſolches Toͤchterlein bin. Die Frau ſprach: „Ich 
will dir die hundert Kronen zuvor geben, eh dann 
du fie verdieneſt.“ Das gefiel ihr wohl und fagte, 
daß ſie die Sach zuruͤſtete, ſo wollte ſie ihr zu Wil⸗ 
len werden und guten Fleiß in der Sache brauchen. 
Und alſo ſagt es die Frau ihrem Mann, wie ſie ihre 
Nachbarin uͤberkommen haͤtt, ſie wollt vollbringen 
ihren Willen; das gefiel dem Mann wohl. Alſo kam 
Andoloſia aber zu der Frauen und brauchet ſeinen 
Fleiß, als dann die Liebhaber thun, und ward aber 
von den tauſend Kronen ſagen. Die Frau ſprach 
zu ihm: „Iſt Euch der Sach ernſt, ſo kommet mor⸗ 
gen zu Nacht und bringet das Geld mit Euch; denn 
mein Mann wird morgen hinweg reiten in des Koͤ⸗ 
nigs Dienſt.“ Deß war Andoloſia gar froh, dann 
er des Gelds, ſo er bringen ſollt, gar wenig achtet. 
Des andern Tags zu Nacht kam er allein geſchli⸗ 
chen und hatte ſich heimlich von ſeinen Knechten ge⸗ 
ſtohlen und brachte die tauſend Kronen mit ihm. 


156 


¶ Wie Andoloſia um eine edle Frauen buhlet 
und ihr tauſend Kronen ſchenkt / ſie ihn 
betrog und ihm ein andre zuleget. 


Die Frau wartet ſein und empfing ihn und auch 
die tauſend Kronen, die waren in einem Seckel, 
zaͤhlet die nit, denn fie gedachte wohl nach der 
Schwere, es waͤre recht; und fuͤhrt ihn in ihre Kam⸗ 
mer, ſagt, daß er ſich niederleget und faſt ſtill waͤr, 
fo wollte fie gleich kommen. Und fandte eilends zu 
ihrer Nachbarin, der fie hundert baar Kronen ge⸗ 
ben haͤtt. Die gute Tochter hatte ſich gar huͤbſch zu⸗ 
gericht mit ſauberen und wohlſchmeckenden Haͤn⸗ 
den und mit andern Dingen, dann ſie wohl wußte, 
was zu ſolchen Sachen gehoͤrt. Und als ſie nun alſo 
bei einander lagen, in Freuden lebten, wußt Ando⸗ 
loſia nit anders denn daß er bei ſeines Stechgeſellen 
Frauen laͤg. Da aber die gute Tochter vernahm, 
daß fie Andoloſia fo wohl gefiel und fie fo wohl für 
gut hätt, gedachte fie ihr wohl, es ging ungleich zu, 
daß die Frau neunhundert Kronen follt haben und 
ſie nit mehr als einhundert Kronen. Fing an und 
ſagt Andoloſia, wie ihn feines Geſellen Frau be⸗ 
trogen hatt und fie beſtellt hatt, bei ihm zu liegen an 
ihrer Statt, darob ſie ihr hundert Kronen geben 
haͤtt. Da Andoloſia das vernahm, daß er alſo be⸗ 
trogen war, da war ihm nit um das Geld, ſo er aus⸗ 
geben haͤtt, ſondern viel mehr um daß er ſich ver⸗ 


157 


ſah, es wuͤrde auskommen in der ganzen Stadt und 
wuͤrde ein Geſpoͤtt daraus, daß er alſo betrogen 
waͤr worden von zweien Weiben; ſtund auf und 
gab der Tochter noch hundert Kronen und ging in 
ſein Herberg, wecket alles ſein Volk auf, daß ſie ſich 
ſollten ruͤſten, er wollte auf ſein und hinweg reiten. 
Und gedachte, er woͤllte ſich fuͤrbaß huͤten vor den 
Liſten der untreuen Weiber; und ritt alſo hinweg, 
ungeſegnet ohne allen Urlaub in einem Unmut. 
Und als er einen Tag von Paris geritten war, lag 
ihm die Sach noch an, und ſandt einen ſeiner Die⸗ 
ner zu der, da er bei gelegen war, und ſchicket in 
noch zweihundert Kronen und entbot ihr, fie ſollte 
des Edelmanns Weib mit Recht fuͤrnehmen fuͤr 
den Koͤnig oder ſein Kammergericht, heißt man das 
Parlament, und ihr zuſprechen, ſie haͤtt Geld ein⸗ 
genommen mit Namen neunhundert Kronen, die 
ihr doch nit zuſtuͤnden, und ſie waͤre die, der das 
Geld zugehoͤrte, das waͤre ihr Dienſtlohn. Das die 
gute Tochter dem Knecht zuſagt, ſie wollt in der 
Sach thun, daß er ſollt innen werden, daß ſie Fleiß 
braucht haͤtt; und ruͤſtet alſo die zwei Weiber an⸗ 
einander, daß ſie hinter das Recht kamen und ver⸗ 
rechteten wohl ſoviel und mehr dann ſie eingenom⸗ 
men hatten. Die Sach war ein eben Spiel fuͤr die 
Advocaten und ander Schreiber und Procurato⸗ 
res, denn ihnen ward der meiſte Teil darum. Als 
nun Andoloſia von dem Hof und Koͤnig von Frank⸗ 


158 


8 kam, gedachte er: „Es iſt noch gut, daß 
mich die falſchen Weib nit um den Seckel betrogen 
haben“ und ſchlug die Sach von Herzen, und ge⸗ 
dachte, wie er erſt anheben wollt froͤhlich zu ſein und 
einen guten Mut zu haben; und ritt eines Reitens 
an des Koͤnigs Hof von Arragon. Waͤr lang zu 
ſchreiben, was er an jedes Koͤnigs Hof vollbracht 
mit Stechen, mit aller Hoͤflichkeit und inſonderheit 
mit großer Koͤſtlichkeit, ſo er verbrachte mit Hof⸗ 
halten. Und zog alſo zu dem Koͤnig von Naverren, 
zu dem Koͤnig von Caſtilia, zu dem Koͤnig von Por⸗ 
tugal, und darnach zu dem Koͤnig von Hiſpania, 
der 15 ein maͤchtiger Koͤnig war und einen großen 
85 hielt; er fuͤhrt auch allzeit Krieg wider den 

oͤnig von Granaten, an den auch ſein Land ſtoßet, 
und wider einen Koͤnig, lieget jenhalb dem Meere, 
nennt man den Koͤnig von Damaſy in Barbaria, 
ſeind beid zween heidniſch Koͤnige. Und als nun 
Andoloſia dahin kam, gefiel ihm das Volk und ihre 
Sitten er wohl; dann die Spaniol gar ſtolz, 
wiewohl ſchwarz oder braun Leut ſein. Und fing 
an und kleidet ſich und alles ſein Volk nach ihren 
Landſitten und die Roß ließ er zuruͤſten wie fie, und 
fing an, ſich u den Edlen zu geſellen, und kam, daß 
er auch des Koͤnigs Diener ward, ſtach und rannt 
und trieb alle Ritter ſpiel. Er gab auch Kleinode 
aus und lud die edlen Frauen, und gab ihnen koͤſt⸗ 
liche Maͤhler; und wenn der Koͤnig auszog wider 


159 


feine Feinde, beftellt er noch hundert Söldner zu 
ſeinem Volke, alles auf ſeine eignen Koſten. Und 
dienet dem Koͤnig ſo wohl, daß er ihn gar lieb ge⸗ 
wann, da er in allen Streiten vornen an der —— 
ſein wollt, und thaͤt gar viel mannlicher That, da 

ihn der Koͤnig zum Ritter ſchlug. Und war ein 
alter Graf, der hatt eine einige Tochter an des Koͤ⸗ 
nigs Hof: wollte der König, daß Andoloſia des Gra⸗ 
fen Tochter zur Ehe hätte genommen; fo wollte er 
ihn zu einem Grafen gemacht haben an des Gra⸗ 
fen Statt. Das wollt aber Andoloſia nit thun, denn 
des Grafen Tochter gefiel ihm nit, ſie war nit huͤbſch, 
auch ſo achtete Andoloſia keinen Reichtum noch 
Grafſchaft, dann er war reich und haͤtt genug an 
ſeinem Seckel. Und als er nun etliche Jahr bei dem 
Koͤnig war geweſen und die Luſt daſelbſt verloren 
hatte, und ſonderlich, ſo er keine an des Koͤnigs Hof 
geſehen hatte, die ihm wohlgefiel zu nehmen noch 
auch ſonſt lieb zu haben, da nahm er alſo Urlaub 
von dem Koͤnig, den ihm der Koͤnig guͤtiglich gab 
und ſchenkte ihm ſeine Livrey, und ſagte ihm, daß 
er kaͤm, wann er woͤllt, ſo ſollt er einen gnaͤdigen 
König an ihm haben. Und alſo beſtellt Andoloſia 
ein gut Schiff, und dinget mit dem Schiffmann, 
daß er ihn und ſein Volk und alles das, was ihm 
zugehoͤret, ſollt fuͤhren gen Engelland, darum er 
ihn wohl bezahlet. Und nahm alſo Urlaub von 
maͤnniglich, mit denen er dann ſein Weſen gehabt 


160 


hatte. Etliche an des Königs Hof waren fehr froh, 
daß er hinwegfuhr, um daß ſie das koͤſtlich Leben, 
ſo er trieb, nit mehr ſehen muͤßten; alſo waren auch 
viel traurig, die fein genoſſen hatten. Fuhr alſo dar⸗ 
von und kam mit gutem Gluͤck gen Engelland in 
die große Stadt Lunden, da dann zumal der Koͤni 
Hof hielt. Und beſtellt da ein groß ſchoͤn Haus, li 
darein kaufen was man bedurft uͤberfluͤſſiglich, 
und fing an Hof zu halten als ob er ein Herzog war, 
und lud die Edlen an des Koͤnigs Hof zu Gaſt, 
ſchenkte ihnen, und wurden wohl an ihm; ſtachen 
mit ihm, rannten ſcharf und turnierten; und was 
man ritterlicher Thaten ſollte thun, das that er all⸗ 
weg vor Andern, alſo daß ihm allweg der Preis 
gegeben ward von Frauen und Mannen, von den 
Edlen und Unedlen. Das auch der Koͤnig und die 
Koͤnigin ſelber geſehen hatten oft und viel, daß er 
ſo mannlich war, und gefiel ihm ſein Weſen wohl 
und ließ ihn fragen, ob er begehrt, an ſeinem Hof 
zu ſein. Zu dem Andoloſia ſagt: ja, er wollte ihm 
gern dienen mit Leib und mit Gut. Und als er nun 
an dem Hof war, begab es ſich, daß der Koͤnig von 
Engelland zog wider den Koͤnig von Schotten. Da 
zog Andoloſia mit ihm auf ſeine Koſten mit einem 
großen Volk wider den Koͤnig von Schotten, und 
that ſo manche ritterliche That, daß er fuͤr allen 
andern gelobt ward, wiewohl das wahr iſt, daß kein 
Volk auf Erden iſt ſtolzer und hoffaͤhrtiger und nie⸗ 


11 F 161 


mand feiner Ehr gönnen noch zulegen mag denn 
ihnen ſelbſt; noch dann 1 75 ſie große Ehre von 
Andoloſia, von der großen Kuͤhnheit, ſo er in Strei⸗ 
ten begangen haͤtt. Doch ſo ſagten ſie, es waͤre 
immer ſchad, daß er nit ein engliſch Mann waͤre; 
dann ſie vermeinen, daß kein beſſer Volk auf Erd⸗ 
reich ſei denn ſie. 


¶ Wie Andoloſia aus Frankreich ritt / zu dem 
Koͤnig von Engelland kam und wohl emp⸗ 
fangen ward. 


Als nun der Krieg geendet war und jedermann 
heimzog, da kam Andoloſia auch wieder gen 
Lunden, ward ſchoͤn empfangen von dem Koͤnig, 
und als etliche Tage vergingen und der reiſigen 
Schar auch ein Teil hinweg ritt, lud der Koͤnig 
Andoloſia zu Gaſt und ſetzt ihn an ſeinen Tiſch, da 
niemand war denn der Koͤnig und Koͤnigin und 
eine einige Tochter fo er hätt, die der allerſchoͤnſten 
Frauenbilder eine war, ſo man in der Welt finden 
mochte, ſo weiß und ſo zart, daß ſie der ſchoͤnen 
Amaley, die auch etwan eine Koͤnigin in Engelland 
geweſen, vergleicht ward. Dieſelb ſchoͤn Jungfrau 
hieß Agrippina, die ward gegen Andoloſia zu Tiſch 
geſetzt, und als ſie Andoloſia anſahe, gedachte er: 
wenn ſie ein Engel und von Gott daher auf Erden 
geſandt waͤr, ſo waͤr ſie nit huͤbſcher zu formieren; 


162 


* 
und ward entzuͤndet mit einer inbruͤnſtigen Liebe, 
ihm ward ſein Herz mit einer ſolchen Wolluſtigkeit 
umfangen, daß er weder eſſen noch trinken mocht. 
Deß die alt Koͤnigin wohl wahrnahm, dann er 
ward je rot, dann bleich, als oft den rechten lieb⸗ 

enden Herzen geſchieht; und merket, daß er den 
ngel der Liebe empfangen hatt. Und wenn der 
Koͤnig etwas mit ihm redet, ſo konnt er ihm kein 
Antwort geben. So gab ihm Agrippina je einen 
Blick, das ihn dann noch feſter zu der Liebe bewegt, 
und vermeint, ihr Gemuͤt ſollt gen ihm ſtehn wie 
das ſein gegen ihr, da noch fern hin war. Als nun 
die Mahlzeit vollbracht ward, und dieweil man aß, 
mancherlei Saitenſpiel, huͤbſche Spruͤch, als man 
ohnlich vor der Herren Tiſch pflegt zu thun, da 
loſia wenig aufgemerkt haͤtt; dann er haͤtt alle 

ſeine Vernunft auf Agrippina gelegt; kam er alſo 
zu Haus mit Liebe beladen, feſter dann ein Kamel⸗ 
tier, das Pfeffer aus India gen Alkeyro tragen 
muß, denen man zumal ſchwere Laſt auflegt. Und 
als er heimkam und allein war, gedachte er: „O 
wollte Gott, daß ich von koͤniglichem Stamm ge⸗ 
boren waͤre, ſo wollt ich dem Koͤnig ſo treulich die⸗ 
nen und in dem Vertrauen ſein, er muͤßte mir die 
ſchoͤne Agrippina vermaͤhlen. Was wollt ich mehr, 
denn ein ſolch ſchoͤnes Gemahl? So ich aber nit ſo 
hoch geboren bin, ſo kann ich dannoch nit laſſen, ich 
muß ihr hold ſein und um ihre Liebe werben, mir 


11* 163 


geſcheh recht wie Gott woͤll. ! Und fing erſt an faſt 
zu ſtechen und andere Ritter ſpiel zu üben, dann er 
wohl wußt, wenn man ſolches thaͤt, daß die Koͤni⸗ 
m und ihre Tochter zulugten; darum er gar gro⸗ 

en Fleiß thaͤt, Ehr zu erjagen. Und lud auf ein 
Mal die Koͤnigin und ihre Tochter und all edel 
Frauen, ſo an des Koͤnigs Hof waren, und gab 
ihnen fo ein koͤſtlich Mahl, daß man Wunder da⸗ 
von zu ſagen haͤtt. Das ward dem Koͤnig geſagt, 
wie er fo eine koͤſtliche Mahlzeit gegeben hätt, darzu 
der Koͤnigin ein koͤſtlich Kleinod geſchenkt, deßglei⸗ 
chen der ſungen Koͤnigin Agrippina. Und der Koͤ⸗ 
nigin Maͤgden und ihrer Kammermeiſterin, denen 
ſchenkte er allen gar koͤſtlich, um daß er deſto baß 
empfangen wuͤrde wenn er gen Hof kaͤme, als auch 
geſchah. Wenn er kam, ſo ward er eingelaſſen zu 
der Koͤnigin und der ſchoͤnen Agrippina, das ihn 
auch gar wohl freute, und als er auf ein Mal gen 
Dr kam, ſprach der König zu ihm: „Mir fagt die 

oͤnigin und andre, wie du ihnen als ein koͤſtliches 
Mahl habeſt gegeben. Warum ladeſt du mich nit 
auch darzu? ! Andoloſia ſprach: „O allergnaͤdig⸗ 
ſter Herr König, wenn Eure koͤnigliche Maßſeſtat 
mich Euern Diener nit ver ſchmaͤhen wollt, wie eine 
große Freud mir das ſein muͤßt, daß Ihr das thaͤ⸗ 
tet. Der König ſprach: „So lad mich, ich will auf 
morgen kommen und ihrer zehn mit mir bringen.“ 
Deß war Andoloſia faſt froh, ging eilends heim 


164 


und gab feinen Dienern Gelds genug, daß fie gin⸗ 
gen kaufen, was ſie Guts funden, und befahl auch 
dem Koch, daß er Fleiß brauchet und die koͤſtlichſte 
Mahlzeit bereitet, fo er je gethan hatt, daß er auch 
kein Sparen daran haͤtt und durch Gelds willen 
nichts unterwegen ließ. Alſo ward die Mahlzeit 
gar koͤſtlich und wohl bereit, und als alle Ding zu⸗ 
gerichtet waren, kam der Koͤnig mit Grafen und 
Herren, und ward die Mahlzeit reichlich vollbracht 
mit koͤſtlichem Getraͤnk und mancherlei Trachten 
von Eſſen, daß der Koͤnig wunder darab haͤtt und 
die andern, ſo mit dem Koͤnig kommen waren. Der 
Koͤnig gedacht: „Dieſen Andoloſia reuet kein Geld, 
und hat weder Land noch Leut. Ich muß ihm etwas 
beweiſen, dabei er merken muß, daß er nicht ſo 
mächtig iſt als er meint.“ Und gleich bald darnach 
an einem Morgen entbot der Koͤnig Andoloſia, er 
wollte mit ihm zu Mittag eſſen, deß Andoloſia aber 
froh war, und ſandte ſeine Diener aus, zu kaufen, 
was man Guts fand, das auch alles geſchah. Der 
Koͤnig hatte aber verboten auf Leib und Gut, daß 
niemand ihm ſollte Holz zu kaufen geben noch kei⸗ 
nerlei Holzwerk, weder Schiff noch anders. Da 
nun ſeine Diener alle Dinge kauft haͤtten und man 
ſieden und braten ſollt, da hatten ſie kein Holz. An⸗ 
doloſia ſandt aus, man ſollte Haͤuſer, Schiffe oder 
Zaͤun, was man ankommen koͤnnt, kaufen, darbei 
man die Speis koͤnnte bereiten; aber wo die Boten 


165 


hinkamen, da wollt man ihnen nicht zu kaufen ges 
ben. Da Andoloſia das hoͤrte, merkte er wohl, daß 
es des Koͤnigs Gebot war, und ſandt eilends zu den 
Venedigern, die zu Lunden ihre Lager haben, und 
ließ ihnen abkaufen Naͤgelein, Muskat, Sandel 
und Zimmetrinden, das ſchuͤttet man an die Erd 
und zuͤndet es an. Darbei kochet man und bereitet 
die Speis als ob es ſonſt Holz waͤre. Da es nun um 
die Mahlzeit ward, gedachte der Koͤnig, die Mahl⸗ 
zeit haͤtte nit mögen bereitet werden. Nit deſto min⸗ 
der ſaß er auf und nahm die Herren, ſo zuvor mit 
ihm waren geweſen, und ritten gen Andoloſia Her⸗ 
berg. Und als ſie nun ſchier dem Haus naheten, 
da ging ihnen ein ſolch edler, wohlriechender Ge⸗ 
ſchmack entgegen, daß ſie wunder darab haͤtten, und 
je naͤher ſie dem naheten, je groͤßer der gute Ge⸗ 
ſchmack ward. Der Koͤnig ließ fragen, ob das Eſſen 
und die Koſt bereit waͤr. Man ſaget ihm ja, und 
wie man fütte und briete bei eitel guter Spezerey, 
das aber den Koͤnig fremd nahm; und haͤtt er es 
dem Koͤnig zuvor wohl erboten, ſo erbot er es ihm 
und den Seinen noch baß. Und als nun die Mahl⸗ 
zeit vollbracht war, kamen des Koͤnigs Diener und 
der andern Herren Knecht wohl mit fuͤnfhundert 
Pferden um den Koͤnig zu holen. Als ſie kommen 
waren, ſagt Andoloſia zu dem Koͤnig: „Gnaͤdiger 
Koͤnig, iſt es nit wider Euch, ſo wollte ich Euerm 
Volk einem jeglichen zehn Kronen geben.“ Der 


166 


König ſprach: „Ich laß es wohl geſchehen, willſt du 
das Geld ausgeben.!“ Und alſo wurden fie alle be⸗ 
ruft in einen Saal, da ſtund er unter die Thuͤr und 
gab einem nach dem andern zehen Kronen. Deß 
waren die Diener gar froh und fingen allerlei an 
zu ſagen von Andoloſia, und da das alles vollbracht 
ward, da ritt der Koͤnig wiederum heim. Als nun 
der Koͤnig wieder in ſeinen Palaſt kam, fing er ſich 
an zu verwundern, von wannen Andoloſia ſo viel 
und groß Gut kaͤm, und ver meint, es wär einem 
König, der Land und Leute hätt, zu viel, ſo koͤſtlich 
zu leben. Und als er alſo wundert, kam die Koͤni⸗ 
> zu ihm. Sing der König an und fagte ihr, wie 

ndoloſia ihm fo eine koͤſtliche Mahlzeit geben hatt, 
die da mit eitel Gewuͤrz an Holzes Statt gekocht 
waͤr, und daß er ſeinen Dienern und andern jedem 
zehn Kronen gegeben haͤtt; das naͤhm ihn Wunder, 
von wannen ihm ſo viel Geldes kaͤm, denn da waͤr 
kein Sparen dann je länger, je koͤſtlicher. Die Koͤ⸗ 
nigin ſprach: „Ich wuͤßte niemand, der das eh und 
baß erfahren koͤnnt, denn Agrippina, der iſt er ſo 
hold; und ver ſeh mich, was fie ihn fragt, er ſagt ihr 
es.“ Der König ſprach: „Koͤnnte ich es erfahren, 
ſicher ich wollte es gern wiſſen, ich meine, er ſchoͤpfe 
es aus einem Brunnen. Wuͤßte ich einen Brun⸗ 
nen, da Geld aus zu ſchoͤpfen waͤr, ich wollt ſelber 
auch ſchoͤpfen.“ Die Koͤnigin ſprach: „Ich will 
Fleiß brauchen, ob ich es erfahren kann oder mag.“ 


167 


¶ Wie die junge Königin Agrippina Andolo- 
lruch mit falſcher Lieb um ſeinen Seckel 
racht. 


Und als nun die Koͤnigin wieder in ihr Frauen⸗ 
zimmer kam, beruft ſie Agrippina allein, und 
ward ihr ſagen von dem koͤſtlichen Leben, ſo Ando⸗ 
loſia führt: „Und das verwundert den König und 
auch mich, ſo er weder Land noch Leut hat, von 
wannen ihm das große Gut komme. Nun iſt er dir 
faſt hold, das kann ich an allem ſeinem Weſen wohl 
ſpuͤren, und wenn er am naͤchſten kommt, ſo will 
ich dir deſto mehr Weil laſſen mit ihm zu reden, ob 
du von ihm erfahren moͤchteſt, von wannen ihm ſo 
groß Gut komme.“ Agrippina ſprach: „Ich will 
es verſuchen. Und als Andoloſia gen Hof kam, da 
ward er gar ſchoͤn empfangen und in das Frauen⸗ 
zimmer gelaſſen. Darob er groß Freud empfing; 
und ward alſo zugericht, daß er allein kam zu reden 
mit der ſchoͤnen Agrippina. Und als ſie allein waren, 
fing Agrippina an und ſprach: „Andoloſia, man 
ſagt groß Ehr von Euch, wie Ihr dem Koͤnig ſo 
koͤſtliche Mahlzeit gegeben und ihm darzu alle ſeine 
Diener ſo koͤſtlich geehrt habt. Nun ſagt mir, habt 
Ihr nit Sorg, daß Euch Gelds gebreſten moͤg?“ 
Er ſprach: „Gnaͤdige Frau, mir kann Geld nit zer⸗ 
rinnen, dieweil ich leb.“ Agrippina ſprach: „So 
betet Ihr billig fuͤr Euren Vater, der Euch ſo ge⸗ 


168 


nug ließ. Andoloſia ſprach: „Ich bin fo reich als 
mein Vater, und er war nie reicher denn ich jetzund 
bin. Doch fo war er einer Complexion, daß ihn 
freuet nur fremde Lande zu ſehen; ſo freuet mich 
nichts dann ſchoͤne ren und Jungfrauen, wo 
ich der Liebund Gunſt uͤberkommen moͤcht. Agrip⸗ 
pina ſprach: „Nun habe ich wohl verſtanden, daß 
— an des Koͤnigs Hof geweſen ſeid, da ſchoͤn 
rauen und Jungfrauen ſind. Habet Ihr nichts 
geſehen, das Euch gefallen habe? Andoloſia ſprach: 
„Ich habe wohl an ſechs koͤniglichen Höfen gedie⸗ 
net, und hab mannig ſchoͤne Frauen und Jung⸗ 
frauen geſehen, aber Ihr ſeid fie alle weit uͤbertref⸗ 
fend in der Schoͤne, mit huͤbſchem Wandel und 
en Gebaͤrden, damit Ihr mir mein Herz alſo in 
iebe entzündet habt, daß ich nit mag laſſen, ich 
muß Euch oͤffnen die große und unfägliche Liebe, 
ſo ich gen Euch trag. Nun kann ich gar wohl er⸗ 
meſſen, daß ich unbillig Euer Liebe begehr, ange⸗ 
ſehen, daß ich von Adel nit ſo hoch geboren bin. 
Aber die Liebe, die alle Dinge uͤbertrifft, die zwinget 
mich ſo hart, daß ich nit laſſen kann, ich muß Euch 
um Eure Liebe bitten, die woͤllet mir nit verſagen; 
und was Ihr mich dann bittet und warum, das 
ſollt Ihr von mir auch gewaͤhrt werden.“ Agrip⸗ 
pina die bedacht ſich nit lang, daß ſie ihm auf die 
Liebe eine Antwort gab, ſondern fie ſprach: „Ando⸗ 
loſia, ſage mir die rechte Wahrheit, daß ich wahr⸗ 


169 


lich erkennen und merken mög, von wannen dir fo 
viel baar Geld und Reichtum komme. Und wenn 
du das thuſt ohne alle Liſt und Trugheit, ſo will ich 
auch in deinem Willen leben.“ Da nun Andolofia 
die Wort von ihr vernahm, da ward er froh; und 
aus unbedachtem Mut und freudenreichem Her⸗ 
zen ſprach er zu ihr: „Allerliebſte Agrippina, das, 
ſo Ihr an mich begehret, will ich Euch in ganzen 
Treuen und Wahrheit ſagen; doch ſo gelobet mir 
bei guten Treuen.“ Sie ſprach: „O du allerliebſter 
Andoloſia, dir ſoll nicht zweifeln an meiner Liebe 
noch an meinem Verheißen: was ich dir mit dem 
Mund verheiß, das ſoll dir alles mit den Werken 
vollbracht werden.“ Auf die guten Worte ſprach 
Andolofia zu der ſchoͤnen Jungfrauen: Nun hebet 
auf Euern Schoß.“ Und zog heraus ſeinen gluͤck⸗ 
haftigen Seckel, ließ den Agrippina ſehen und ſprach: 
„Dieweil ich dieſen Seckel hab, fo gebricht mir kei⸗ 
nes Gelds.“ Und zaͤhlt ihr alſo tauſend Kronen in 
ihren Schoß und ſprach: „Die ſeien Euch geſchenkt 
und wollet Ihr mehr haben, ich zaͤhl Euch mehr. 
Glaubet Ihr mir, daß ich Euch die rechte Wahr⸗ 
heit geſagt hab?“ Sie ſprach: „Ich ſehe und be⸗ 
kenne die Wahrheit, und nimmt mich nit mehr 
wunder Euer Koͤſtlichkeit. Er ſprach:⸗Nun ges 
waͤhret mir, als ich Euch gewaͤhrt hab.“ Sie ſprach: 
„Das will ich thun, mein lieber Andoloſia. Die 
Koͤnigin wird dieſe Nacht bei dem Koͤnig liegen; ſo 


170 


will ich es mit meiner Kaͤmmerin zurichten, daß 
r bei mir lieget, ohn die kann ich es nit zuwegen 
en, der muͤßt Ihr eine gute Schenkung thun, 
damit daß es verſchwiegen bleib.“ Das ſagt er ihr 
zu, und er ſollte alſo zu Nacht kommen, als er auch 
kam. Sobald aber Andoloſia hinweg ging, da lief 
Agrippina zu der Koͤnigin mit den tauſend Kronen 
in dem Schoß und ſaget ihr mit großen Freuden, 
wie ſie erfahren haͤtt, von wannen Andoloſia das 
Geld kaͤm, und auch, was fie ihm verheißen, und 
wie ſie ihn auf die Nacht beſtellt haͤtt, bei ihr zu lie⸗ 
gen. Das geſiel der Koͤnigin wohl, dann ſie war 
ein liſtig Weib; und ſprach zu Agrippina: „Weißt 
du wohl, wie der Seckel ein Geſtalt hat, auch was 
Farb er hat und was Groͤße? Sie ſprach: „Ja.“ 
Und ſie ſandt bald nach einem Seckler und ließen 
ihnen einen Seckel machen nach Andoloſia Seckels 
Form und Geſtalt, machten den lind, als ob er alt 
waͤr, und ſandt die alte Koͤnigin bald nach ihrem 
Doktor in der Arznei, hieß ihr ein ſtark Getraͤnk 
machen, heißt Mandollis, iſt ein Getraͤnk: ſo bald 
man es trinkt, entſchlaft ein Menſch, als ob er tot 
ſei ſieben oder acht Stund. Und als der Trank ge⸗ 
macht ward, trugen ſie ihn in Agrippina Schlaf⸗ 
kammer und unterwieſen die oberſte Kammermei⸗ 
ſterin: wenn zu Nacht Andoloſia kaͤm, daß ſie ihn 
ſchoͤn empfing und in Agrippina Kammer fuͤhrte, 
ſo woͤllt ſie Agrippinam zu ihm ſenden. Wenn ſie 


171 


alſo zufammen kämen, follt fie ihnen dann fuͤrtra⸗ 
gen viel Confect von Zucker und uͤberguldt, das ihr 
dann bereit war, und ihm dann zu trinken geben, 
und daß ſie eben aufmerket und Andoloſia das Ge⸗ 
traͤnk in ſeinen Becher ſchuͤttet. Und wie die Dinge 
geordnet waren, das alles geſchah. Andoloſia kam 
gar heimlich und ward in Agrippina Kammer ge⸗ 
führt. Sie kam und ſatzt ſich zu ihm, redeten gar 
freundlich mit einander. Da ward ihnen fuͤrgetra⸗ 
gen Confect genug und ward ihnen zu trinken ge⸗ 
geben. Agrippina hub auf und ſprach zu Andoloſia: 
„Ich bring Euch einen freundlichen Trunk“ (als 
in denſelben Landen Sitte iſt ). Er hub auf und 
trank, um daß er ihr zu Willen würd. Alſo bracht 
ſie ihm der freundlichen Truͤnk einen nach dem an⸗ 
dern, bis daß er den Trank gar aus brachte. So⸗ 
bald er es getrunken haͤtt, ſaß er nieder, ſank hin 
und entſchlief ſo hart, daß er kein Empfinden mehr 
haͤtt, wie man mit ihm umging. Da das Agrippina 
ſah, war fie bald über ihm, riß ihm fein Wamms 
auf, trennt ihm herab ſeinen gluͤckhaftigen Seckel, 
und naͤhte ihm einen andern an deß Statt. O An⸗ 
doloſia, wie war das fo ein ungleicher Wechfel! 
3 bracht des Morgens fruͤh den Seckel der 
Königin, und fie verſucht ihn, ob er gerecht waͤr, fo 
ſie ihn haͤtt, und zaͤhlten viel Gulden daraus, da 
war kein Mangel. Die Königin bracht ihren Schoß 
voller Gulden dem Koͤnig und ſagt ihm, wie ſie mit 


172 


wären umgegangen. Der König bat die 

Königin, fie ſollt mit Agrippina ſchaffen, daß fie 
den Seckel gaͤb, ſie moͤchte darum kommen. 
that die Koͤnigin; Agrippina wollt es aber nit 
thun. Da bat fie, daß fie ihr ihn gäbe; das wollte 
ſie auch nit thun, ſagte, ſie haͤtte ihr Leben daran 
gewagt: wenn er erwacht waͤr, dieweil ſie alſo mit 
ihm umgangen war „fo hätte er mich zu Tod ge⸗ 
ſchlagen und billig.“ Da Andoloſia ausgefchlafen 
haͤtt und erwachet, ſah er um ſich und ſah niemand 
dann die alte Kammermeiſterin, die fraget er, wo 
Agrippina hinkommen war. Sie fprach: „Sie iſt 
erſt aufgeſtanden, meine gnaͤdige Frau Koͤnigin 
hat nach ihr geſandt. Mein Herr, wie habt Ihr ſo 
hart geſchlafen, ich habe lang an Euch geweckt, ich 
konnte Euch aber nicht erwecken, daß Ihr Freud 
und Kurzweil haͤttet mit Agrippina gehabt. Si⸗ 
cher, Ihr habt fo hart geſchlafen: haͤtt ich nit emp⸗ 
funden, daß Euch der Atem ging, ich hätte gemeint, 
Ihr waͤret tot geweſen. ! Da Andoloſia hört, daß 
er die Lieb der ſchoͤnen Agrippina verfchlafen hätt, 
fing er an zu ſchwoͤren und ſich ſelbſt zu fluchen die 
aller boͤſeſten Fluͤche, fo er konnte erdenken. Die alt 
Kammermeiſterin, die wollte ihn ſtillen und ſprach 
zu ihm: „Herr, gehabt Euch nit ſo uͤbel: was jetzt 
nit geſchehen iſt, das geſchehe aber hernach.“ An⸗ 
doloſia ſprach: „Daß dich Gott ſchaͤnde, du alte 
Kupplerin, warum haſt du mich nit recht geweckt? 


173 


Ich habe all mein Lebtag nie fo hart geſchlafen: der 
mich nur ein wenig angeruͤhrt hätt, ich wäre er⸗ 
wachet.“ Sie ſagt und ſchwur faſt, ſie haͤtt ihn ge⸗ 
wecket, und gab ihm gute Wort, dann er haͤtt ihr 
am Abend zweihundert Kronen geſchenkt. Und mit 
den guten Worten fuͤhrt ſie ihn aus der Agrippina 
Schlafkammer und aus des Koͤnigs Palaſt. An⸗ 
doloſia kam heim zu ſeinem Volk und war nit froͤh⸗ 
lich, als er andre Male geweſen war, und lag ihm 
an, daß er die Metten verſchlafen, und wußt nit, 
daß er Gluͤck und Heil verſchlafen haͤtt. 


¶ Als Andoloſia ſeines Seckels mangelt / aus 
der Maßen ſehr erfchraf/ allen feinen 
Dienern Urlaub gab und zu Fuß heimlich 


hinweg ſchied. 


jr? ais nun der Koͤnig wußt, daß Agrippina den 
Seckel hätt, gedacht er: „Andoloſia hat viel⸗ 
leicht der Seckel mehr, die ſolche Tugend haben, 
dann wo er ihrer nit mehr hat, ſo iſt er wohl ein thoͤ⸗ 
richt Mann, daß er ihn nit baß verſorgt hat, denn 
daß ihn ein Weibsbild darum ſoll gebracht haben.“ 
Der Koͤnig ſchaͤtzte den Seckel gar groß und ge⸗ 
dacht: „Mir kann nun nit mehr Gelds gerinnen; 
ſo brauch ich meiner Tochter keine Heimſteur ge⸗ 
ben, ſie wird ſich ſelbſt wohl verſehen nach großen 
Ehren“ und gedacht „Wie will ich erfahren, ob An⸗ 


174 


doloſia mehr Seckel hab oder nicht?” und ſandte zu 
ihm, er wollt morgen reiten, und begehrt an ihn, 
daß er mit ihm ritt; doch ſo woͤllt er zuvor mit ihm 
eſſen. Da Andoloſta das hört, entbot er dem König, 
er ſollt nicht von ihm begehren, ſondern allzeit ihm 
gebieten als feinem Diener, dann er ihn allzeit ſollt 
willig finden. Das ward alſo dem Koͤnig geſagt, 
der gedacht, er haͤtte der Seckel ohne Zweifel mehr. 
Als nun Andoloſia vernahm, daß der Koͤnig aber 
wollt mit ihm eſſen, ruft er einem ſeiner Diener, 
dem er allweg drei oder vier hundert Kronen gab, 
daß er das Haus verſaͤh, was not waͤr, und ſaget 
ihm, daß er eine koͤſtliche Mahlzeit zubereitet, der 
Koͤnig woͤllt aber mit ihm eſſen. Sein Diener 
ſprach: „Herr, ich verſehe mich, ich hab nit Gelds 
enug, dann es koſt viel. Andoloſia, der nit gutes 
uts war, riß ſein Wamms auf und zog ſeinen 
Seckel heraus und wollt aber ſeinem Diener vier⸗ 
hundert Kronen geben. Da er in den Seckel griff 
nach ſeiner alten Gewohnheit, da fand er nichts; er 
ſah auf gen Himmel, von einer Wand zu der an⸗ 
deren, er kehrt dem Seckel das Inner nach außen: 
da war kein Geld mehr. Da merkte er wohl, daß 
er von Agrippina betrogen war. Moͤgt ihr wohl 
or was er unmutig geweſen; er ward erſt in 
ngſt und Not gar geſetzt, und gedacht an die Lehr, 
ſo ihm ſein Vater Fortunatus ſo getreulich in ſei⸗ 
nem Todbett ihm und feinem Bruder unterweifet 


175 


und geben hätt, daß fie fo lang fie lebten niemand 
von dem Seckel ſagen ſollten; denn ſobald es ein 
Menſch innen wuͤrd, fo kaͤmen fie darum, das auch 
leider geſchehen iſt. Er merkt auch, daß der Koͤnig 
ihm zu einem Spott entboten haͤtt, er woͤllt aber 
mit em eſſen: gedacht ſich auch, daß der Seckel nit 
mehr zu fordern waͤr, und von dem Koͤnig zu er⸗ 
langen denn mit Schand und Laſter und großem 
Spott. Gedacht in ſeinem Herzeleid, er koͤnnt nit 
beſſers anfangen denn zu ſeinem Bruder reiten. 
„Und dem werd ich ein unwuͤrdiger Gaſt, ſo ich 
ohn den Seckel komme. Und als er ſich das fuͤr⸗ 
genommen haͤtt, beruft er alle feine Diener, fing an 
und ſprach: „Es iſt nun bald zehn Jahr, daß ich 
euer Herr bin, hab euch auch ehrlich gehalten und 
keinen Mangel gelaſſen, ich bin auch keinem nichts 
ſchuldig, ihr ſeid all voraus bezahlt. Nun iſt die 
Zeit kommen, daß ich nit mehr kann Hof halten als 
ich bisher gethan hab, und kann nit mehr ein Herr 
ſein, weder euer noch anderer. Nun hat ein Jeder 
unter ihm ein gut Roß und guten Harniſch; ſo iſt 
noch ein Kleines vorhanden, das will ich mit euch 
teilen” und ſagt zu feinem Ausgeber:⸗Nun zaͤhl 
— wieviel haft du noch baar Geld?“! Da zaͤhlte er 

undert und ſechszig Kronen. Nun waren ihrer 
wohl vier zig, gab er einem jeden zwo Kronen, ſprach 
zu ihnen: „Die zwo Kronen, Roß und Harniſch 
ſchenke ich einem jeglichen zu eigen und ſage euch 


176 


der Geluͤbde, fo ihr mir gethan habt, 125 quitt, 
und los, und verſeh ſich nun fuͤrbaß ein Jeder 

nach dem als ihn das beſt beduͤnkt; dann laͤnger 
kann ich nit hier bleiben, und hab auch nit mehr 
Gelds dann das ich mit euch geteilt hab. Da er 
die Rede alſo gethan haͤtt, erſchraken die Diener zu⸗ 
mal ſehr, und ſah einer den andern an und nahm 
ſie groß Wunder, daß ein ſo koͤſtliches Hofhalten 
und ſo ein groß Weſen in einer Nacht ſich ſo leicht⸗ 
lich ſollt verkehren. Da hub einer unter den Die⸗ 
nern an und ſprach: „Getreuer, lieber Herr: hat 
Euch jemand ein Widerdrieß gethan, das gebet uns 
zu verſtehn, der muß von uns ſterben, und waͤr es 
der Koͤnig ſelbſt, und ſollten wir all unſer Leben 
darob verlieren. Andoloſia ſprach: „Von meinet⸗ 
3 7 ſoll niemand fechten. Sie ſprachen: „Wir 
woͤllen alſo nit von Euch ſcheiden, wir woͤllen Roß, 
Harniſch und was wir haben verkaufen und Euch 
nit verlaſſen. Andoloſia ſprach: „Ich danke euch 
allen lieben und frommen Dienern der Erbietung. 
So ſich das Gluͤck wieder zu mir kehrt, will ich es 
alles widergelten. Aber wie ich geſagt hab, alſo 
thuet, und ſattlet mir mein Pferd von Stund an, 
ich will nit, daß keiner mit mir reit oder geh. Die 
Knecht waren all traurig, war ihnen ſehr leid um 
ren frommen Herrn, bei dem ſie ſo viel guten 
eingenommen hatten, und klaget je einer dem 
andern mit weinenden Augen; brachten ihm ſein 


12 F 177 


Pferd. Da nahm er Urlaub von einem nach dem 
andern, und ſaß auf und ritt den naͤchſten Weg ſo 
er konnte gen Famaguſta zu ſeinem Bruder Am⸗ 
pedo. Und als er kam fuͤr den ſchoͤnen Palaſt und 
klopfet an, da ward er zur Stund eingelaſſen. Und 
als Ampedo vernahm, daß ſein Bruder Andoloſia 
kommen war, ward er gar froh und vermeint, er 
woͤllt auch Freud mit dem Seckel haben und fuͤro 
nit mehr ſparen, wie er zehen Jahr gethan haͤtt; 
und ginge dem Bruder entgegen und empfing ihn 
mit großen Freuden; fragt ihn, wie er ſo allein kaͤm 
und wo er ſein Volk gelaſſen haͤtt. Er ſagt: „Ich 
hab ſie alle verlaſſen und lob Gott, daß ich her heim 
kommen bin.“ Ampedo ſprach: „Lieber Bruder, 
wie iſt es dir doch ergangen? Das ſag mir, denn es 
gefaͤllt mir uͤbel, daß du alſo einig kommen biſt.“ 
Er ſprach: „Laß uns zuvor eſſen.“ Und als fie die 
Mahlzeit vollbracht hatten, gingen ſie mit einander 
in eine Kammer, fing Andoloſia an mit einer trau⸗ 
rigen Gebaͤrd und mit demuͤtiger Stimm und 
ſprach: „O allerliebſter Bruder, ich muß dir leider 
boͤſe Maͤr verkuͤnden, daß ich uns ſo uͤbel gethan 
hab. Ich bin um unſern gluͤckhaftigen Seckel kom⸗ 
men. Ach Gott, nun iſt es mir ein herzlichs Leid, 
ich kann ihm aber nicht thun.“ Ampedo erſchrak 
von Grund ſeines Herzen, alſo daß er ſchier in Un⸗ 
macht gefallen waͤr; und mit großem Jammer 
ſprach er: „Iſt er dir mit Gewalt genommen wor⸗ 


178 


den oder haft du ihn verloren. Er antwortete ihm 
und ſprach: „Ich hab das Gebot, das uns unſer 
getreuer Vater gab, als er aus dieſer Welt ſchied, 
übergangen, und hab einem liebhabenden Men⸗ 
ſchen dar von geſagt; und ſobald ich ihms offenbaret, 
hat er mich darum bracht, deß ich mich doch nit zu 
ihm verfehen hätt.” Ampedo ſprach: „Hätten wir 
das Gebot unſers Vaters gehalten, ſo haͤtten wir 
die Kleinode nit von einander laſſen kommen. Du 
wollteſt nur fremde Land erfahren: lug, wie wohl 
du es geſchafft und wie wohl ſie dir gediehen ſeien.“ 
Andoloſia ſprach: „O lieber Bruder, es iſt mir ſo 
ein groß Herzeleid, daß ich beſorg, ich verlier mein 
Leben noch in einer kurzen Zeit, deß ich gar klein 
achten wird.” 


¶ Wie Andolofia wieder heim in Cypern 
kam / das Wuͤnſchhuͤtlein ſeinem Bruder 
ab entlehnet / ſich darmit in Engelland 
wuͤnſchet. 


Da Ampedo die Wort hört, fing er an und wollt 
ihn troͤſten und ſagt: „Lieber Bruder, laß dir 
es nit ſo hart zu Herzen gehn, wir haben noch zwo 
Truhen voller Ducaten; fo haben wir das Huͤt⸗ 
lein: ſo wollen wir dem Koͤnig Soldan ſchreiben, 
der giebt uns groß Gut darum. Ob aber wir den 
Seckel nit mehr han, ſo haben wir dannoch genug 


1 179 


dieweil wir leben, auch einen ehrlichen Stand zu 
fuͤhren unſer Leben lang. Denn Sachen, die nit 
wiederzubringen ſeind, ſoll man mit nichten nit 
mehr nach gedenken.“ Andoloſia ſprach: „Gewon⸗ 
nen Gut iſt boͤs zu verlaſſen, und mein Begehren 
waͤr, du gaͤbeſt mir das Huͤtlein, ſo bin ich in der 
Hoffnung, ich woͤllte uns den Seckel darmit wie⸗ 
der uͤberkommen.“ Ampedo ſprach: „Man ſagt, 
wer ſein Gut verleurt, der verleurt auch die Sinne; 
das ſpuͤre ich an dir wohl. So du uns um das Gut 
bracht haſt, ſo wollteſt du uns auch um das Huͤt⸗ 
lein bringen, zwar mit meinem Gunſt und Willen: 
ſo laß ich dich es nit hinweg fuͤhren; ich will dir 
wohl verguͤnnen, Kurzweil damit zu haben.“ Und 
als nun Andoloſia verſtund, daß ihm ſein Bruder 
nit vergoͤnnen wollt, das Huͤtlein mit ſich hinweg 
zu führen, gedacht er „ſo will ich ohn feinen Gunſt 
darvon.“ Und ſagt zu Ampedo ſeinem Bruder: 
„Nun mein getreuer lieber Bruder, ſo ich uͤbel ge⸗ 
than hab, will ich fuͤrbaß leben in deinem Willen“ 
und ſchicket alſo die Knechte in den Forſt, daß ſie 
ſollten ein Gejäg anrichten, fo wollt er zu ihnen 
kommen. Und da ſie nun hinweg waren, ſprach 
Andoloſia: „Lieber Bruder, leih mir unſer Huͤt⸗ 
lein, ich will in den Forſt. !( Der Bruder war wil- 
lig und brachte ihm das Huͤtlein. Sobald er das 
hatte, ließ er den Forſt und die Jaͤger ihr Ding 
ſchaffen und kam mit dem Huͤtlein gen Genua und 


180 


+ 


fraget nach den beſten und koͤſtlichſten Kleinoden, 
die man da haͤtt, und ließ ſich die bringen in ſeine 
Herberg. Da man ihm nun viel bracht, marktet er 
faſt darum, und legt ſie in ein Facelet zuſammen, 
als wollte er beſehen, wie ſchwer ſie waͤren und fuhr 
alſo darmit hinweg unbezahlt. Und wie er zu Ge⸗ 
nua gethan hätt, alſo thaͤt er zu Florentz und zu 
Venedig auch, bracht alſo die beſten, koͤſtlichſten 
Kleinod, ſo in den dreien Staͤdten waren, zuſam⸗ 
men ohn Geld. Als er die Kleinod haͤtt, da zog er 
gen Lunden in Engelland. Nun wußt er wohl, wo 
die junge Koͤnigin Agrippina zu Kirchen ging; alſo 
beſtallt er einen Laden in derſelben Kirchſtraßen, 
legt da aus ſeine Kleinode. Und als nun Agrippina 
zu Kirchen ging, viel Knecht und Maͤgd nach und 
vor, auch die alte Kammermeiſterin, die ihm den 
tollen Trank zu trinken geben haͤtt, kannt Andoloſia 
alle wohl, aber ſie kannten ihn nit, das machte, er 
hatte eine andre Naſen ob der ſeinen, die ſo aben⸗ 
teuerlich gemacht war, daß ihn niemand erkennen 
konnte. Als aber Agrippina fuͤrbei war, nahm er 
bald zween ſchoͤne Ringe und ſchenkt die den zweien 
alten Kammer meiſter innen, die, als er wohl wußt, 
ſtets bei Agrippina wohnten, und deren Rat ſie 
pflag; und bat die, daß fie fo wohl thun wollten und 
mit der Koͤnigin ſchaffen, daß ſie nach ihm ſandte 
in ihren Palaſt, fo wollte er mit fich bringen fo koͤſt⸗ 
liche Kleinode, daß er wohl wüßte, daß fie der glei⸗ 


181 


chen nie mehr gefehen hätte. Sie ſagten es ihm zu, 
ſie woͤllten es ſchaffen; und als nun Agrippina von 
der Kirchen heim kam, zeigten ſie der Koͤnigin die 
zween huͤbſchen Ring, und ſagten ihr, der Aben⸗ 
teurer, ſo vor der Kirchen geſtanden waͤre, haͤtte 
ſie ihnen geſchenkt, darum, daß ſie ſchuͤfen, daß nach 
ihm geſandt wuͤrd, dann er haͤtt gar koͤſtliche Klein⸗ 
ode. Die Koͤnigin ſprach: „Ich will es wohl glau⸗ 
ben, daß er koͤſtliche Kleinode hab, ſo er Euch ſo 
guter Ringe zween geſchenkt hat. Heißt ihn kom⸗ 
men und ſendet nach ihm, dann mich verlanget, die 
Kleinode zu ſehen.“ Und als man nach dem Aben⸗ 
teurer ſandte, machet er es nit lang, und ward ge⸗ 
fuͤhrt in den Palaſt in einen Saal vor Agrippina 
Kammer, da legt er feine Kleinode aus, die gefielen 
Agrippina faſt wohl. Sie fing an zu feilſchen, welche 
ihr am allerbeſten gefielen. Nun waren Kleinode 
darunter, die tauſend Kronen wert waren und noch 
viel mehr, da bot ſie ihm nit halbes Geld darum. 
Der Abenteurer ſprach: „Gnaͤdige Koͤnigin, ich 
hab gehoͤret, daß Ihr die reichſte Koͤnigin ſeid, fo auf 
dem ganzen Erdreich iſt. Darum ſo hab ich aus⸗ 
geſucht die allerſchoͤnſten Kleinode, ſo man finden 
mag, Euern koͤniglichen Gnaden zu bringen. Aber 
Ihr bietet mir doch zu wenig, ſie koſten mich ſicher 
mehr. Begehret meiner uͤblen Zeit nit umſonſt, ich 
hab Euch lang nachgereiſet mit großen Sorgen, 
daß ich nicht ermordt bin worden mit den Klein⸗ 


182 


oden” und ſprach „Gnaͤdige Koͤnigin, leget zuſam⸗ 
men, was Euch gefaͤllt, was ich denn erleiden kann 
oder mag, das will ich thun. Und alſo las fie aus, 
was ihr am beſten gefiel, klein und groß, wohl zehen 
Stuͤck; da rechnet der Abenteurer eins nach dem 
andern, daß es bei fuͤnftauſend Kronen traf. Da 
wollt ſie ihm nit ſo viel darum geben. Der Aben⸗ 
teurer gedacht ihm: „Ich will mich nit mit ihr zer⸗ 
ſchlagen, braͤchte ſie nun den Seckel.“ Doch ſie 
wurden des Kaufs eins um viertauſend Kronen. 
Alſonahm die Koͤnigin ihre Kleinode in ihren Schoß, 
ging in ihre Kammer über ihren Kaſten, da der 
Gluͤckſeckel war, den ſtrickt fie gar wohl an ihren 
Guͤrtel und kam alſo heraus und wollte den Aben⸗ 
teurer bezahlen. 


¶ Wie Andoloſia die Koͤnigin Agrippina mit⸗ 
ſammt dem Seckel hinwegfuͤhrt in einen 
wilden Wald in Hybernia. 


De ſchickte ſich der Abenteurer, daß ſie neben ihn 
kam, und als fie anhub zu zählen, da umfing 
er ſie und faſſet ſie hart ſtark, wuͤnſchet ſich mit ihr 
in eine wilde Wuͤſten, da keine Wohnung waͤr. So⸗ 
bald er das gewuͤnſchet, da waren ſie in einer kur⸗ 
zen Weil durch die Luͤft kommen in eine elende In⸗ 
ſel, ſtoßet an Hybernia, und kamen alſo mit ein⸗ 
ander unter einen Baum, darauf ſtunden gar viel 


183 


ſchoͤner Aepfel. Und als nun die Königin unter 
dem Baum ſaß und haͤtt die Kleinode, fo fie kauft 
haͤtt, in ihrem Schoß und den Gluͤckſeckel an ihrem 
Guͤrtel, ſo ſieht ſie uͤber ſich und ſieht die ſchoͤnen 
Aepfel ob ihr ſtehn; da ſprach ſie zu dem Abenteu⸗ 
rer: „Ach Gott, ſag mir, wo ſind wir und wie ſind 
wir daher kommen? Ich bin ſo ſchwach, gaͤbeſt du 


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mir dieſer Aepfel einen, daß ich mich doch moͤchte ge⸗ 
laben“; und wußt nit, daß es Andoloſia war. An⸗ 
doloſia, da er das hoͤrt, daß ſie ſo gern einen Apfel 
haͤtt gehabt, nahm er bald die Kleinod, ſo er noch 
haͤtt, legt ſie ihr in ihren Schoß und das Wuͤnſch⸗ 
huͤtlein, fo er auf hatt, fast er ihr auf das Haupt, 
um daß es ihn nit irret an dem Aufſteigen. Und als 


184 


er auf den Baum kam, wollt lugen, wo die beſten 
Aepfel ſtuͤnden, Agrippina aber unter dem Baum 
faß und nit wußte, wo fie war, noch wie ihr wäre 
geſchehen, fing fie an und ſprach: „Ach nun wollte 
Gott, daß ich wieder in meiner Schlafkammer 
wär.” Sobald fie die Worte ſprach, fuhr fie durch 
die Luͤfte und kam ohne allen Schaden wieder in 
ihre Schlafkammer. Der Koͤnig und die Koͤnigin, 
auch alles Hofgeſind waren von Herzen froh, und 
fragten, wo fie doch geweſen wäre? Sagte, fie‘ 
wuͤßte es nit. Oder wo der Abenteurer waͤre, der 
fie hingefuͤhrt hätt? Sie ſprach: „Ich habe ihn auf 
einem Baum gelaſſen, fragt mich nit mehr, ich muß 
ruhen, denn ich bin ganz blöd und muͤd worden.“ 
Nun moͤget ihr hoͤren, wie es Andoloſia gangen iſt. 
Als er nun auf dem Baum ſaß und ſahe, daß 
Agrippina hinweg war, mit dem Seckel, mit dem 
Huͤtlein, darzu mit allen den Kleinoden, ſo er in 
dreien großen und maͤchtigen Staͤdten aufgebracht 
— moͤget ihr wohl glauben, daß er aus der Ma⸗ 
en hart erſchrocken fei, klomm bald ab dem Baum 
und ſah den Baum an und ſprach: „Verflucht ſei 
der Baum und die Frucht, ſo darauf iſt, und der 
dich daher gepflanzet hat, und die Stunde, dar⸗ 
innen ich kommen bin.! Er ſah hin und her, wußte 
nit, wo er war oder wohin er gehn ſollt, daß er zu 
den Leuten kaͤme, und fing an zu ſchwoͤren und zu 
fluchen und ſprach: „Verflucht ſei die Stund, dar⸗ 


185 


innen ich geboren ward und die Tag und Stunde, 
die ich je gelebt hab. O grimmer Tod, warum haft 
du mich nit erwuͤrget eh daß ich in dieſe Angſt und 
Not kommen bin. Verflucht ſei der Tag und die 
Stunde, darin ich Agrippina zu dem erſten Mal 
anſah. O allmaͤchtiger Gott, wie ſeind deine Wun⸗ 
derwerk ſo groß, wie vermag das die Natur, daß 
ſo unter einem ſchoͤnen, weiblichen Bild ſo ein 
falſches, ungetreues Herz getragen werden mag. 
Haͤtt ich dir koͤnnen in das falſche Herz ſehen, als 
ich dir unter dein ſchoͤnes wohlgeſtaltes Angeſicht 
ſah, fo wär ich in dieſe Angſt und Not nit kommen.“ 
Und ging alſo jetzt hin, dann her, und griesgramete 
und fing an und ſprach: „Nun wollte Gott, daß 
mein Bruder in dieſer Wildniß bei mir waͤre: ſo 
wollte ich ihn erwuͤrgen und mich ſelber mit mei⸗ 
nem Guͤrtel an einen Baum henken; ſo wir dann 
tot waͤren, haͤtte doch der Seckel keine Kraft mehr, 
und moͤchte doch die alt Koͤnigin, die alt Unhold 
und das falſche Herz Agrippina keine Freud mehr 
haben mit dem koͤſtlichen Kleinod.! Und als er alſo 
hin und her ging, da ward es Nacht und finſter, daß 
er nit mehr ſah, und legte ſich nieder unter einen 
Baum, ruhte eine kleine Weile. Er konnt aber nit 
ſchlafen vor Angſt, die er haͤtt, verſah ſich nit an⸗ 
ders, denn er wuͤrde in der Wildniß ſterben und 
ohne alles Gottes Recht hinfahren. Dann er ſahe 
wohl, daß kein Weg da war, dabei man ſpuͤren 


186 5 


mochte, daß niemand da gewandelt wäre in langer 
Zeit und lag da als einer, der verzweifelt und lieber 
tot geweſen waͤre, denn daß er laͤnger gelebt haͤtte. 
Als es nun Tag ward, ſtund er auf und ging in 
großer Not. Er konnt aber noch mocht niemand 
weder ſehen noch hoͤren; und kam alſo zu einem 
Baum, darauf ſtunden zumal ſchoͤn rote Aepfel. 
Nun hungerte ihn gar ſehr und uͤbel, und von Hun⸗ 
ers Not warf er in den Baum, daß zween groß 
epfel herab fielen, die aß er alſo gehend. Und als 
er die Aepfel gegeſſen haͤtt, da wurden ihm an ſeinen 
Kopf zwei lange Hoͤrner, wie ein Gaiß hat. Da er 
die griff und auch den Schatten ſah, daß er zwei 
ſolche Hörner hätt, fing er an laufen mit den Hoͤr⸗ 
nern, ſtieß an die Baum und meint, fie herab zu 
ſtoßen; das half aber alles nit. Lief alſo unter den 
Hoͤrnern und ſprach: „O ich armer, elender Menſch, 
wie kommt das, daß ſoviel Menſchen auf Erdreich 
ſeind und niemand hie iſt, der mir doch huͤlf, daß 
ich 7 den Leuten kommen möcht.” Und fing an laut 
u ſchreien: „O allmaͤchtiger Gott, o du Koͤnigin 
ume Maria, nun kommet mir zu Hilf in die⸗ 
en meinen großen Noͤten.“ 


187 


¶ Als Andoloſia um feinen Seckel und Huͤt⸗ 
lein kommen war / ihm auch zwei großeun⸗ 


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Ur als er alſo jaͤmmerlich ſchrie, das erhoͤret ein 


der, mir iſt leid, daß ich je herkommen bin, denn es 
188 


iſt mir übel gangen“; fing an und wollte ihm viel 
fagen. Da wollt er ihn nit hören und ſprach: „Ich 
3 dreißig Jahren nie keinen Menſchen ge⸗ 

noch gehoͤrt; ich wollt gern, du waͤreſt auchnit 
daher kommen. Andoloſia ſprach: „Lieber Bru⸗ 
der, mich hungeret fo ſehr, habt Ihr nicht zu eſſen?“ 
Der Einfiedel führt ihn in feine Klauſen, darinnen 
war weder Brot noch Wein, und hatte nichts denn 
Obſt und Waſſer. Deß lebete der Bruder, und ſah 
wohl, daß es nit Speis war fuͤr Andoloſia, und 
ſprach zu ihm: „Ich will dich weiſen zu kommen, 
da du Speis und Trank genug findeſt.“ Er ſprach: 
„Lieber Bruder, wie ſoll ich thun mit den Hoͤr⸗ 
nern, ſo ich hab? Man wird mich fuͤr ein Meer⸗ 
wunder anſehen.“ Der Bruder führt ihn einen 
kleinen Weg von feiner Klauſen und ſprach: „Lie⸗ 
ber Sohn“ (und brach ab einem andern Baum 
zween Aepfel) „nimm hin und iß die.“ Sobald An⸗ 
doloſia die Aepfel aß, da waren ihm die Hörner 
ganz verſchwunden. Da er das ſah, fragt er ihn, 
wie es zuginge, daß er ſo bald die Hoͤrner uͤber⸗ 
kommen haͤtt und ſo bald wieder davon gekommen 
waͤr. Der Bruder ſprach: „Der Schoͤpfer, der 
Himmel und Erd geſchaffen hat und alles, ſo dar⸗ 
innen iſt, hat auch dieſe Baͤume erſchaffen und ge⸗ 
ſchoͤpft, und ihnen die Natur alſo gegeben, daß ſie 
ſolche Fruͤcht bringen, und iſt auch ihres gleichen 
auf Erdreich nit dann allein in dieſer Wild⸗ 


189 


nuß.” Andoloſia ſprach: „O lieber Bruder, erlau⸗ 
bet mir, daß ich von dieſen Aepfeln mög etwan man⸗ 
nigen nehmen und mit mir hinweg tragen.“ Der 
Waldbruder ſprach: „Lieber Sohn, nimm, was 
dir eben ift, frag mich nit, fie ſind nit mein. Ich hab 
gar nichts eigens denn ein arme Seel, wo ich die 
dem Schoͤpfer, der mir ſie geben hat, wieder kann 
antworten, ſo hab ich wohl geſtritten in dieſer Welt. 
80 kann an dir wohl merken, daß dein Sinn und 

emuͤt ſchwerlich beladen und umfangen iſt mit 
zeitlichen und zer gaͤnglichen Sachen. Schlag fie 
aus und kehre dich zu Gott: es iſt ein großer Ver⸗ 
luſt um einen kleinen Wolluſt, ſo er hat in dieſem 
zer gaͤnglichen und kurzen Leben.“ Dieſe Wort gin⸗ 
gen Andoloſia gar nicht zu Herzen, gedacht als an 
ſeinen großen Schaden und gewann etwan man⸗ 
nigen Apfel, davon dann die Hoͤrner wuchſen und 
nahm auch etliche der Aepfel, die die Hoͤrner wie⸗ 
der vertrieben, und ſprach zu dem Bruder, daß er 
ihn durch die Ehr Gottes weiſet auf den Weg, daß 
er kaͤm, da er zu eſſen fuͤnde, dann er in zweien Ta⸗ 
gen nichts gegeſſen hätt „und ob ich mehr Birnen 
oder Aepfel genug fuͤnd in dieſer Wildnuß, fo dürft 
ich der andren Fruͤcht nit eſſen.“ Der Bruder 
fuͤhrt ihn auf einen Weg und ſprach: „Nun geh 
den Weg gerad fuͤr dich, ſo kommeſt du an ein brei⸗ 
tes Waſſer, das iſt ein Arm von dem ſpanioliſchen 
Meer; und wenn du daran kommſt, iſt dann Waf⸗ 


190 


1 


fer da, ſo wart: geh nit darvon, denn es iſt ein Flut 
und wird trocken, und ſobald es trocken wird, ſo heb 
dich auf und geh eilends gen einem hohen Thurn, 
den du wohl ſehen wirſt, und ſaͤum dich nit lang, 
daß dich die Flut nit ergreife, oder du muͤßteſt dar⸗ 
innen bleiben. Und wenn du zu dem Meer kom⸗ 
meſt, nit fern davon, ſo findeſt du ein gut Dorf, dar⸗ 
innen iſt Brot, Fleiſch und andere leibliche Speis.“ 
Er danket dem Bruder faſt und fleißiglich, und 
nahm von ihm Urlaub, und thaͤt, wie er ihm gehei⸗ 
ßen haͤtt, und kam froͤhlich uͤber die Flut zu dem 
Thurn und Fi dem Dorf. Da aß er und trank, und 
brachte den Leib wieder zu Kraͤften, der doch ſchwach 
und bloͤd war. Und als er nun zu ihm ſelbſt kam, 
da fraget er, wo er den naͤchſten gen Lunden in 
Engelland kaͤme. Ward ihm geſagt, wie es noch ein 
ferner Weg waͤre, und waͤr noch in Hybernia; ſo 
muͤßt er durch das Koͤnigreich Schotten, dann ſo 
hub erſt Engelland an; fo laͤg Lunden weit im Land. 
Da Andoloſia hört, daß er fo fern von Lunden war, 
ward er unmutig und haͤtt nit gemeint, daß er zehen 
Meil von Lunden waͤre geweſen. Auch ſo war ihm 
leid um die Aepfel ſo er trug, dann er beſorgt, ſollt 
er lang unterwegen ſein, die Aepfel wuͤrden Scha⸗ 
den nehmen oder moͤchten faulen. Und als die Leut 
merkten, daß er gern gen Lunden waͤre geweſen, da 
weiſten ſie ihn in eine große Stadt nit fern von dan⸗ 
nen, die lag an dem Meer und war ein Port des 


191 


Meeres, da Schiffe von Engelland, Slandernund 
von Schotten hin kommen, und daſelbſt fand er 
Schiff, die ihn gen Lunden fuͤhrten. Er hub ſich 
bald auf und kam in die Stadt, da er hingewieſen 
ward, und fand da zu ſeinem Gluͤck ein Schiff, das 
war von Lunden, da er auf ſaß und fuhr und kam 
gluͤckſamiglich und mit allem Lieb dahin. Und als 
er nun gen Lunden kam, ließ er ihm das ein Aug 
verleimen, und ſatzt auf ein gemachtes Haar, da⸗ 
durch er gar unbekannt war, und nahm ein Tiſch⸗ 
lein, ſatzt ſich für die Kirchen, da er wohl wußt, daß 
Agrippina die jung Koͤnigin hinein gehen wuͤrd; 
und legt die Aepfel auf ein ſchoͤn weiß Tuch und 
ruft: „Aepfel von Damasco“ und wenn man ihn 
fragte, wie er einen gaͤb, fo fagte er: „Um drei Kro⸗ 
nen“; ſo ging jedermann darvon. Ihm ware auch 
leid geweſen, daß ſie jedermann kauft haͤtt. Und alſo 
indem kommt die Koͤnigin mit ihren Jungfrauen 
und Dienern und ihre Kammermeiſterin mit ihr. 
Da ruft er aber: „Aepfel von Damasco.“ Die Koͤ⸗ 
nigin ſprach: „Wie giebſt du einen?“ Er ſprach: 
„Um drei Kronen.“ Sie ſprach: „Was koͤnnen ſie 
doch, daß du fie fo teuer giebſt? “ Er ſprach: „Sie 
eben einem Menſchen Schöne und darzu ſcharfe 
ernunft. ! Da das die jung Königin Agrippina 
hört, da befahl fie ihrer Kammer meiſterin, daß fie 
zween kaufet, als ſie auch thaͤt. Andoloſia legt ſei⸗ 
nen Kram wieder ein, dann ihm wollt niemand 


192 


mehr abkaufen. Als aber die Königin heim kam, 
wartete ſie nit lang und aß die zween Aepfel. Und 
ſobald ſie die gegeſſen haͤtt, von Stund an wuchſen 
ihr zwei große Hoͤrner mit einem großen Haupt⸗ 
weh, daß ſie ſich legte auf ihr Bett. Da aber die 
Hörner auf ihrer Statt geſchoſſen waren und ſich 
das Hauptweh gelegt hatt, fund fie auf und ging 
fuͤr einen Spiegel, ſo ſie haͤtt in ihrer Kammer, und 
da ſie ſah, daß ſie alſo ungeſtalter und hoher Hoͤr⸗ 
ner zwei hatt, fiel fie bald mit ihren beiden Haͤnden 
daran und meint, ſie von dannen zu reißen; das 
aber nit ſein mocht. Da rief ſie zweien edlen Jung⸗ 
frauen. Da ſie die Koͤnigin alſo ſahen, erſchraken 
ſie ſehr und ſegneten ſich, machten viel Kreuze vor 
ihr, als ob fie der bös Geiſt war. Die Königin war 
ſo ſehr erſchrocken, daß ſie nit reden konnt. Sie 
ſprachen: „O gnaͤdigſte Koͤnigin, wie iſt das zugan⸗ 
gen, daß Euer adelige Perſon ein ſolich Ungeſtalt 

fangen hat?! Sie antwortet ihnen, fie wuͤßt es 
nit. „Ich halt, es ſei eine Plag von Gott, oder aber 
es kommt mir von den Aepfeln von Damasco, ſo 
mir der ungetreu Kraͤmer zu kaufen gegeben hat. 
Nun helfet und ratet, ob ihr mir der Hörner moͤch⸗ 
tet abhelfen. Die Maͤgd zogen faſt daran, die Hoͤr⸗ 
ner regten ſich aber nit. Da brachten ſie ein Seil 
und bunden das an die Hoͤrner und zogen ſie uͤber 
eine Stangen auf, und hängten ſich unten an ihre 
Fuͤße, in der Hoffnung, ſie wollten ihr die Hoͤrner 


13 8 193 


aus dem Kopf zerren. Das litt fie gar geduldig; als 
fie aber ſah, daß ſie ſo feſt ſtunden und kein Bewegen 
nit helfen wollt, ward ſie je laͤnger je mehr bekuͤm⸗ 
mert und ſprach: „O ich elende Creatur, was iſt 
mir nun nuͤtze, daß ich eins Koͤnigs Tochter bin und 
die reichſte Jungfrau, ſo auf Erden lebt, und den 
Preis der Schoͤne uͤber andere Weiber hab, und 
nun aber jetzund einem unvernuͤnftigen Tier gleich 
ſeh. O daß ich je geboren ward! Kann man mir nit 
der Ungeſtalt abhelfen, ſo will ich mich ſelbſt in der 
Tynis (das iſt ein groß ſchiffreich Waſſer, ſo an 
dem Palaſt hinfleußt) ertraͤnken, dann ich mag nit 
geſehen werden.! Ihre oberſte Jungfrau eine fing 
an ſie zu troͤſten und ſprach: „Gnaͤdige Koͤnigin, 
Ihr ſollt nicht alſo verzagen. Habt Ihr die Hoͤr⸗ 
ner alſo koͤnnen uͤberkommen, ſo ſteht auch darauf, 
daß ſie wieder koͤnnen hinweg gehn. Auch ſo ſollt 
Ihr Euch verheißen gen unſer lieben Frauen Weſt⸗ 
minſter, die große Wunderzeichen thut, und gen 
Sant Thomas von Candelberg, und dahin Euer 
Opfer ſenden; die moͤgen Euch um Gott erwerben, 
daß Ihr wieder werdet wie vor. Darzu ſo ſeind zu 
Lunden ſo viel wohl und hoch gelehrt Aerzt, kann 
hart ſein, ſie wiſſen und finden geſchrieben, aus was 
Urſprung ſolch Gewaͤchs entſpringt und womit 
ſolches vertrieben mag werden.“ Die Red gefiel ihr 
wohl und ſprach: „So ſaget niemand darvon; und 
ob jemand mir nachfrag, ſo ſprecht, ich ſei nit ſtark 


194 


und wöll niemand zu mir laſſen.! Und ließ zurich- 
ten guͤldene koͤſtliche Opfer, und ſandt die, da ſie es 
dann verheißen hatte. Und die alt ihre Kammer⸗ 
magd haͤtt auch Frag bei den Aerzten und legt ihnen 
fuͤr, wie daß eine Perſon, ihr angeborner Freund, 
dem waͤren zwei Hoͤrner gewachſen, ob die zu ver⸗ 
treiben waͤren oder nit. Da die Aerzte das Kae, 
nahm fie Wunder, daß einem Menſchen follten 
zwei Hoͤrner wachſen, und ein Jeder begehrt mit 
großer Begierd das Menſch zu ſehen. Die Magd 
ſprach: „Ihr moͤget die Perſon nit ſehen, Ihr wif- 
ſet ihr denn zu helfen, und wer das koͤnnte, dem 
wuͤrde wohl gelohnet. Ihrer keiner war ſo be⸗ 
herzt, daß er ſich getraute zu unterſtehn, die Hoͤr⸗ 
ner zu vertreiben. Sie hatten es nie gehoͤrt, geleſen 
noch geſehen. Und da die Aerzte der Magd die Sach 
alſo ganz abſchlugen, ward ſie unmutig, haͤtte gern 
gute Maͤr heim bracht. 


¶ Wie ſich Andoloſia zu einem Arzt verſtellet / 
der Koͤnigin ein Teil die Hoͤrner hinweg 
trieb / und dardurch fein Huͤtlein und Seckel 
wieder erobert. 


1» als fie eines Arztes gar verzweifelt, wieder 
zu Hof kehrt und heim gehn wollt, da haͤtt ſich 
Andoloſia auch angemachet als ein Arzt mit einem 
hohen roten Barett, und haͤtt einen roten Rock von 


13* I 95 


Scharlach angethan und eine große Naſen, und et- 
lich Farb angeſtrichen, daß ihn niemand kennen 
konnt, der ihn zuvor wohl gekannt haͤtt. Fing an 
und ſprach zu ihr: „Liebe Schaffnerin, ich hab Euch 
geſpuͤrt, daß Ihr in dreier Haͤuſer Doctor der Arz⸗ 
nei gegangen ſeid. Habet Ihr Rat bei ihnen ge⸗ 
funden nach Eurem Begehren? Zuͤrnet nicht, daß 


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ich Euch frag, denn ich bin auch ein Doctor in der 
Arznei, und liegt Euch etwas an, das moͤget Ihr 
mir zu erkennen geben: es muͤßt gar ein fremder 
oder großer Gebreſt ſein, den ich mit der Hilfe Got⸗ 
tes nit wiſſe zu vertreiben und den Menſchen dar⸗ 
von geſund zu machen.“ Die Hofmeiſterin gedacht, 
Gott haͤtte ihr den Doktor zugewieſen. Und fing 


196 


an und faget ihm, wie eine namhafte Perfon wär, 
der waͤre ein ſeltſamer Schade zugeſtanden und 

lange Hoͤrner aus dem Kopf geſchoſſen, die 

Gaißhoͤrnern gleich, und das bekuͤmmerte die 
Perſon ſo hart, daß darvon nit zu ſagen waͤr. „Und 
wiſſet Ihr der Perſon zu helfen, ſo wuͤrde Euch 
wohl gelohnet, denn ſie hat kein Gebreſten an Geld 

Gut.“ Andoloſia, der nun ein Arzt und ein 
Doctor worden war, fing an gar guͤtlich zu lachen 
und ſprach: „Die Sach weiß ich und die Kunſt kann 
ich, die Hoͤrner zu vertreiben ohne alles Weh; doch 
ſo muß es Geld koſten, denn man muß gar koͤſtliche 
Dinge darzu brauchen. Ich weiß auch die Urſach, 
von wannen ſolche Hoͤrner entſpringen.“ Sie 
ſprach: „Lieber Herr Doktor, wovon kommt das 
wunder barlich Ungewaͤchſe? ! Der Doktor mit der 
großen Naſen ſprach zu der alten Kaͤmmerin: „Es 
kommet von dem, ſo ein Menſch einem andern 
Menſchen eine große Untreue thut und ſich groͤß⸗ 
lich der Bosheit erfreuet, dieſelbe Freud nit oͤffent⸗ 
lich darf vollbringen: ſo muß es durch etliche Weg 
ausbrechen, und es geraͤt einem Menſchen wohl, 
dem es oben aus ſtoßet. Dann wo es ſonſt aus 
braͤche, fo ſtuͤrbe der Menſch, und manniger Menſch 
ſtirbt, dem nichts gebrochen hat, und niemand weiß, 
wovon er geſtorben iſt. Und wer einen ſolchen Men⸗ 
ſchen aufſchnitte, fo fände man Hörner in ihm lie⸗ 
gen, die ſich nit harten koͤnnen ſchicken zu dem rech⸗ 


7 


ten Ausgang und ſtoßen alfo das Herz oder ander 
Glieder durch, darmit der Menſch ſtirbt. Und iſt 
noch nit zwei Jahr, da ich an des Koͤnigs Hof von 
Hiſpania war, da hatt ein mächtiger Graf eine 
ſchoͤne Tochter ganz von zarter Complexion, der 
waren zwei große Hoͤrner geſchoſſen, die ich ihr 
ganz vertrieben hab, als all ander Aerztander Hoͤr⸗ 
nern verzaget haͤtten.“ Da die Hofmeiſterin die 
Red von dem Doktor vernommen haͤtt, fragte ſie, 
wo er zu Haus waͤre; ſo wollt ſie bald zu ihm kom⸗ 
men. Er ſprach: „Ich habe noch kein Haus beſtan⸗ 
den, ich bin erſt bei drei Tagen her kommen und bin 
zu Herberg zu dem Schwan, da moͤget Ihr mir 
nachfragen. Man nennt mich den Doctor mit der 
großen Naſen, wiewohl ich einen andern Namen 
hab; jedoch fo kennt man mich alſo allerbaßt. “ Die 
Hofmeiſterin ging bald heim mit großen unſaͤg⸗ 
lichen Freuden zu der betruͤbten Koͤnigin und ſprach: 
„Gnaͤdige Koͤnigin, ſeid froͤhlich und gehabt Euch 
wohl, Euer Sach wird bald gut“; und ſagt ihr, 
wie fie die drei Doctor ungetroͤſtet hätten gehen laſ⸗ 
ſen, und darnach haͤtte ſie einen funden, der haͤtte 
ſie wohl getroͤſt, und ſagt ihr alle Ding, wie dann 
der Doctor mit ihr geredt haͤtt, und wie er ihr wuͤßte 
zu helfen, wie er auch einer Graͤfin geholfen haͤtte. 
„Er hat mir auch geſagt, aus was Urſach ſolche 
Hoͤrner entſpringen, das ich ihm doch faſt wohl 
glauben mag.“ Die traurig Koͤnigin auf dem Bett 


198 


lag und ſchaͤmet ſich fo hart, daß fie fich felber nit 
mocht anſehen, noch wollt, daß ſie ihre Maͤgd an⸗ 
ſahen; und ſprach zu der Hofmeiſterin: „Warum 
haſt du den Doctor nit mit dir bracht, ſo du weißt, 
daß ich der Hörner fo gern abfame? Geh wunder 
bald und bring ihn. Sag ihm, daß er mit ihm bring, 
was gut zu der Sach ſei und nichts ſpare, bring 
ihm auch hiemit hundert Kronen, bedarf er mehr, 
fo gieb ihm als viel er begehret.“ Die Hofmeifterin 
verſtellet ſich in unbekannte Kleider, ging, da ſie den 
Doctor fand, und gab ihm hundert Kronen und 
ſprach: „Nun brauchet Fleiß, dann zu der Perſon, 
da ich Euch fuͤhren will, muͤſſet Ihr nur zu Nacht 
kommen und es niemand ſagen, dann ihr eigne 
Mutter und Vater wiſſen es nit.“ Der Doctor 
ſprach: „Der Sachen halb ſeid ſicher, es ſoll von 
mir nit auskommen, und will mit Euch gehn. Doch 
ſo muß ich zuvor in die Apothek und kaufen, das 
mir not wird ſein zu brauchen. Alſo moͤget Ihr da 
harren oder uͤber zwo Stund wieder kommen.“ 
Sie ſagt, ſie woͤllt auf ihn warten, dann ſie duͤrft 
nit ohn ihn kommen. Alſo ging der Doctor mit der 
großen ungeſtalten Naſen in eine Apothek und kau⸗ 
fet ein wenig Reubarbarum und ließ da einen hal⸗ 
ben Apfel mit Zucker und Reubarbaro uͤberziehn, 
thaͤt darzu faſt wohlſchmeckende Ding, die lieblich 
8 ſchmecken und zu eſſen waren, kaufet auch in eine 

uchfen ein wenig wohlſchmeckender Salbe, und 


399 


nahm zu ihm guten Byſam, und kam wieder zu 
der Hofmeiſterin, die fuͤhrt ihn bei der Nacht zu 
der Koͤnigin. Die lag auf Hugh Bett hinter den 
Umhaͤngen. Sie empfing ihn gar unmaͤchtiglich, 
als ob ſie gar ſchwach waͤre. Der Doctor ſprach: 
„Gnaͤdige Frau, gehabt Euch wohl. Mit der Hilf 
Gottes und meiner Kunſt ſoll Eure Sach bald gut 
werden. Nun richtet Euch auf und laſſet mich 1710 
fen und ſehen Euer Gebrechen, ſo kann ich Euch 
deſter baß helfen.“ Agrippina ſchaͤmt ſich ſehr, daß 
ſie die Hoͤrner ſollt laſſen ſehn, doch ſo ſatzt ſie ſich 
auf das Bett. Der Doctor * die Hoͤrner tapfer 
an und ſprach: „Man muß haben an jedes Horn 
einen Seckel von Pelz aus einer Affenhaut, alſo 
warm, dann ich will ſie ſalben; ſo muß man ſie faſt 
warm halten. Die Hofmeiſterin beſtellte bald, daß 
ein alter Aff am Hof abgetötet, ausgezogen und die 
Haut gebracht wuͤrd, zwei Saͤcklein gemacht wuͤr⸗ 
den nach des Arztes Rat. Als die gemacht waren, 
fing der Arzt an und ſalbet ihr die Hoͤrner gar wohl 
mit dem Affenſchmalz, das auch ein Aus bund iſt zu 
ſolchen Schäden. Und als er fie geſalbet hätt, zog er 
ihr die pelzenen Saͤcklein daruͤber und ſprach: „Gnaͤ⸗ 
dige Frau, das ich jetzund den Hoͤrnern gethan hab, 
das wird ſie lind machen, und muͤſſen durch Stuhl⸗ 
gang vertrieben werden. Darum ſo hab ich ein 
Confect mit mir bracht, das werdet Ihr eſſen und 
darauf ein Schlaͤflein thun; ſo werdet Ihr ge⸗ 


200 


we daß fich die Sach zur Beſſerung ſchicken 
wird.“ 


¶ Wie Andoloſia von ohngefaͤhr ſich buͤcket / 
ſein Barett aufzuheben und ſein Wunſch⸗ 
huͤtlein findt. 


A geippinn thaͤt als eine Kranke, die gern genefen 

Und das ihr der Doctor gab, war ein hal⸗ 
ber Apfel der Aepfel, die die Hoͤrner vertreiben. Als 
ſie den gegeſſen haͤtt und nun ſchlief, da ward die 
Kraft des Reubarbaro in ihrem Leib wirken und 
ſie zu dem Stuhl treiben. Und da ſie nun wiederum 
an ihr Bett kam, ſprach der Doktor: „Laſſet uns 
beſehen, ob die Arznei nicht zu Gutem gearbeitet 
hab.“ Und griff oben an die pelzenen Saͤcklein, da 
waren die Hoͤrner um das Vierteil geſchwunden. 
Agrippina war aber den Hoͤrnern fo feind, daß fie 
die nit getrauet angreifen. Doch da man ihr ſagt, 
wie ſie geſchwunden waͤren, griff ſie daran und be⸗ 
fand faſt wohl, daß ſie kleiner und kuͤrzer waren 
worden, deß fie ſich ſehr erfreuet, und bat den Doc⸗ 
tor, daß er Fleiß brauchet. Er ſagt noch: „Heut 
Nacht komm ich wieder und bring aber was not 
iſt.“ Ging aber in die Apothek und ließ ſich noch 
einen halben Apfel uͤberziehen und ihm einen an⸗ 
dern Geſchmack machen; ward aber bei Nacht zu 
der Koͤnigin gefuͤhrt und thaͤt dem gleich als ob er 


201 


nit wuͤßt, wo er wär, und thaͤt, wie er die andere 
Nacht gethan haͤtt, ſalbet ihr die Hoͤrner und ließ 
die Saͤcklein kleiner machen, daß ſie den Hoͤrnern 
wohl anlaͤgen, gab ihr das Confect, und da ſie ge⸗ 
ſchlafen und aber ihren Stuhlgang gehabt haͤtt, be⸗ 
ſahen ſie zu den Hoͤrnern: da waren ſie aber faſt ge⸗ 
ſchwunden und halb hinweg gangen. Hatte ſie ſich 
zuvor faſt gefreut, ſie freuet ſich jetzt noch mehr, und 
bat den Doktor, daß er nit abließ und ſich in der 
Sache arbeitet, ſie wollte ihm ſeiner Arbeit wohl 
lohnen. Sagt er, wie daß er woͤllt das Beſt thun, 
und wie er die zwo Naͤcht gethan haͤtt, alſo thaͤt er 
auch die dritte. Als er nun bei ihr ſaß, gedachte er 
ihm: „Was mag ſie mir zu Lohn woͤllen geben? Ob 
ſie mir ſchon zwei oder drei tauſend Kronen giebt, 
das doch einem jeden Doctor in der Arznei ein gro⸗ 
ßer Lohn waͤre, noch dannoch ſo iſt es gar unzahl⸗ 
barlich zu ſchaͤtzen gegen das, ſo ſie von mir hat; und 
ehe daß ich die Hoͤrner gar vertreib, ſo will ich mit 
ihr reden und ihr ſagen mein Meinung. Will ſie es 
nit thun, ſo ſie dann meinet, ich werd ihr die Hoͤr⸗ 
ner gar vertreiben, will ich ihr ein Confect machen, 
daß ſie ihr wieder ſo lang werden wie zuvor, und 
dann nach Flandern fahren und ihr entbieten, woͤlle 
ſie der Hoͤrner abkommen, daß ſie zu mir komm 
und mit ihr bring, was ich ihr anmut. Alsbald ſie 
erwachet, will ich ſprechen: Gnaͤdige Frau, Ihr 
ſehet wohl, wie ſich Euer Sach faſt beſſert. Nun 


202 


iſt es erſt am boͤſeſten und kuͤnſtlichſten, die Hörner 
aus der Hirnſchalen zu treiben, da ſonder große 
und koͤſtliche Stuͤck zu gebraucht werden muͤſſen, 
die auch viel Gelds koſten. Und ob Ihr darab einen 
Unwillen wolltet empfahen, ſo muͤßt ich die Sach 
laſſen ſtehen als ſie ſteht; und da ich ein Doctor in 
der Arznei bin und Ihr vielleicht vermeint, mich 
mit einem kleinen Geld auszurichten, deß will ich 
ein Wiſſen haben. Wiſſet, daß ich auch bin Doctor 
in der Nigromancia, das iſt in der ſchwarzen Kunſt, 
und hab den boͤſen Geiſt beſchworen, daß er mir 
rat, was ich fuͤr meinen Lohn fordern ſoll: der ſagt, 
gr habet zwei Kleinode, das iſt ein Seckel und ein 

uͤtlein, der eines ſoll ich begehren; und verſieht 
er ſich, Ihr gebet mir das Huͤtlein, und ſollt mir 
darzu geben alle Jahr, daß ich einem Herren gleich 
leben moͤg.! Und dieweil er ihm das gedacht alſo 
fuͤrzunehmen, kamdie Hofmeiſterin mit einem Licht 
und wollt beſehen, was die Koͤnigin thaͤte; da ſchlief 
ſie noch. Der Doctor haͤtt ſein Barett abgezogen, 
das entfiel ihm, und als er ſich buͤcket und das Ba⸗ 
wett aufheben wollt, fo ſieht er vornen unter der 
Bettſtatt das Wuͤnſchhuͤtlein an der Erden liegen, 
darauf niemand kein Acht haͤtt, da niemand die Tu⸗ 
gend von dem Huͤtlein wußte. Die rg wußt 
auch nit, daß ſie aus der Wildnuß durch Kraft des 
Huͤtleins wieder heim kommen war. Moͤget ihr 
wohl glauben, haͤtte ſie die Kraft des Huͤtleins ge⸗ 


203 


wußt, fie hätt es an einen andern Nagel gehenkt. 
Alſo ſandt der Doctor die Hofmeiſterin nach einer 
Buͤchſen, da Arznei innen war. Dieweil ſie die 
Buͤchſen holet, hub er bald das Huͤtlein auf mit 
großer Eil und großen Freuden, behielt das unter 
ſeinem Rock und gedacht: „Koͤnnt mir der Seckel 
auch werden. Indem erwachet die Königin und 
legt ſich ſchoͤn an. Der Doktor zog ihr die Saͤcklein 
ab den Hoͤrnern, da waren fie faſt klein, deß fich 
die Koͤnigin ſehr freuet. Die Hofmeiſterin ſprach: 
„Es iſt noch um eine Nacht zu thun, ſo ſeid Ihr 
gar geneſen; ſo kommen wir auch des ungeſchaff⸗ 
nen Doctors ab mit der wuͤſten Naſen: er moͤchte 
einem alle Mann verleiden.“ Als nun ihm der 
Doctor fuͤrgenommen haͤtt, mit Agrippina zu re⸗ 
den, wie er zwiefach Doctor wär, das ließ er fal⸗ 
len, da er das Huͤtlein hätt, und ſprach: „Gnaͤdige 
Frau, Ihr ſehet wohl, wie ſich Euer Sach ſo faſt 
gebeſſert hat. Nun liegt es allermeiſt erſt an dem, 
die Hoͤrner aus der Hirnſchalen zu treiben. Da 
gehören koͤſtliche Sachen zu, und wo ich fie hie nit 
finde, ſo muß ich ſelbſt darnach reiſen oder aber einen 
Doctor darnach ſenden, der ſich der Sache verſteht, 
wie ich ihn dann beſcheiden wuͤrd; daruͤber viel 
Gelds geht. Auch ſo wollt ich gern wiſſen, was 
Ihr mir zu Lohn geben woͤllt, wenn Ihr der Hoͤr⸗ 
ner gar abkommet und Euer Kopf ſo glatt wird als 
er je geweſen iſt. “ Die Königin ſprach: „Ich be⸗ 


204 


finde wohl, daß Eure Kunſt gerecht und gut iſt. 
bitte Euch, helfet mir und ſparet kein Geld.“ 
Doctor ſprach: „Ihr ſaget wohl, ich ſoll kein 
* ich muß wohl ſparen, ſo ich keines 


U Wie Andoloſia die Königin Agrippina mit 
ſammt dem Seckel zum andern Mal hin⸗ 
wegfuͤhrt. | 

Abrippina war karg, wiewohl ſie den Seckel haͤtt, 

den man nicht erſchoͤpfen mocht. Und ging ge⸗ 
machſam uͤber die Truhen, ſo denn bei ihrer Bett⸗ 
ſtatt fund, darinnen ihre allerliebſten Kleinode und 
auch der Seckel war, an einen ſtarken Guͤrtel ge⸗ 
bunden. Den guͤrtet ſie um und ging hinfuͤr zu dem 
Tiſch, der bei einem ſchoͤnen Fenſter ſtund, fing an 
zu zaͤhlen, und als ſie bei dreihundert Kronen ge⸗ 
zähle hätt, ſuchet der Doctor unter feinem Rock, 
als ob er einen Seckel ſuchte, darein er das Geld 
thun wollt, als ob er das Geld wollt faſſen, und er⸗ 
wiſchte ſein Huͤtlein, warf das Barett hin, ſatzt das 
Huͤtlein auf, und faſſet die Koͤnigin, wuͤnſcht ſich 
in einen wilden Wald, da keine Leut waͤren. Und 
wie er das wuͤnſchet, alſo geſchah es von Stund an 
durch die Kraft des Huͤtleins. Als nun Agrippina 
hinweg gefuͤhrt war, da lief die alt Hofmeiſter in zu 
der alten Koͤnigin ihrer Mutter, und ſaget ihr, wie 


205 


daß Agrippina aber hinweg wär geführt worden, 
und wie es ihr ergangen war mit den Hoͤrnern und 
mit dem Arzt, auch wie ſie und der Arzt mit ein⸗ 
ander hinweg gefahren waͤren. Deß erſchrack die 
Koͤnigin ihre Mutter, doch gedacht ſie: „Wie ſie das 
naͤchſte Mal bald iſt wieder kommen, alſo wird viel⸗ 
leicht jetzt auch geſchehen. Dazu ſo hat ſie den Seckel 


IT 
AN 21 > 


mit fich hin, daß ſie Gelds genug hat, maͤnniglich 
wohl belohnen mag, daß man ihr wieder her hilft.“ 
Da ſie alſo den Tag und die Nacht warteten, und 
ſie nit herwieder kam, ward es die Koͤnigin (als eine 
Mutter) beherzigen, daß ſie um ihre ſchoͤne Toch⸗ 
ter alſo ſollt kommen ſein, ging mit traurigem Her⸗ 
zen zu ihrem Herren Koͤnig und ſagt ihm alle Ding, 


206 


wie es ihr ergangen war, und wie fie der Doctor 
und Arzt hinweg gefuͤhrt haͤtt. Der Koͤnig ſprach: 
„O das iſt ein weiſer Doctor, der kann mehr, denn 
andre Doctor, es iſt niemand denn Andoloſia, den 
Ihr ſo faͤlſchlich betrogen habet. Ich kann wohl 
betrachten, daß der, der ihm ſolch Gluͤck verliehen 
hat, er verlieh ihm auch Weisheit, wenn er um den 
Seckel kaͤme, daß er ihm muͤßt wieder werden. Das 
Gluͤck will, daß er den Seckel habe und ſonſt nie⸗ 
mand, und wenn das Gluͤck woͤllt, ſo haͤtt ich oder 
ein andrer auch einen ſolchen Seckel. Viel Mann 
ſeind in Engelland und iſt nur ein Koͤnig darunter, 
das bin ich, als mir von Gott und dem Gluͤck ſol⸗ 
ches verliehen iſt. Und alſo iſt auch Andoloſia ver⸗ 
liehen, daß er allein den Seckel haben ſoll und ſonſt 
niemand. Haͤtten wir nur unſer Tochter wieder.“ 
Die Koͤnigin ſprach: „Gnaͤdiger Herr, thut fo wohl 
und ſendet Boten aus, ob man irgend koͤnnt erfor⸗ 
ſchen, wo ſie waͤre, daß ſie nit in Elend und Armut 
kaͤme. ! Der König ſprach: „Ich ſende keinen Bo⸗ 
ten aus, denn es waͤr uns ein Schand, daß wir ſie 
nit baß verſorget haͤtten.“ i 
Als nun Andoloſia in dem wilden Wald und Wuͤ⸗ 
ſten, da keine Leut waren, und Agrippina allein 
war, warf er den Doctorrock gar untugendlich von 
ihm nieder, thaͤt auch die große wuͤſte Naſen von 
ihm und trat freventlich gegen die ſchoͤne Agrip⸗ 
pina. Behend erkannt ſie, daß er Andoloſia war, 


207 


und erfchraf von ganzem Herzen, daß ſie nit reden 
konnt. Dann er hatte die Augen im Kopf verkehrt, 
und griesgramet, und hätt ſich verwegen, er würd 
fie gleich ertöten. Bald nahm er ein Meſſer und 
ſchnitt ihr den Guͤrtel von dem Leib, ihm war ſo 
jach, daß er den Guͤrtel nit aufguͤrten wollt; und 
nahm den Seckel ab dem Guͤrtel und warf den 
Guͤrtel gar untugendlich fern hindann; riß ſein 
Wamms auf und ſtricket den Seckel an den Ort, da 
er ihn allweg gehabt haͤtt. Das alles ſah die arm 
Agrippina, die da ſaß, und von Not und Angſt, dar⸗ 
innen ſie war, erzittert ihr ſchoͤner Leib als ein 
Eſpenlaub, das mit Wind umgeben iſt. Andoloſia 
fing an gar aus großem Zorn zu reden und ſprach: 
„O falſches, ungetreues Weib, jetzt biſt du mir zu 
teil worden, jetzund will ich ſolche Treu mit dir tei⸗ 
len, als du mit mir geteilt haſt, da du mir den Seckel 
abtrennteſt und einen untugendlichen Seckel an 
ſeine Statt ſtrickteſt. Jetzund ſiehſt du, daß er wie⸗ 
der an ſeine alte Statt kommen iſt, jetzund nimm zu 
Hilf und Rat deine Mutter, deine alte Hofmeiſte⸗ 
rin und heiß dir guten Trank geben, damit du mich 
betruͤgeſt. Und wahrlich, waͤren die Unholden beide 
bei dir, fo huͤlfe ihnen all ihre Kunſt nit, daß ſie den 
Seckel mehr von mir braͤchten. O Agrippina, wie 
mochteſt du es am Herzen gehaben, mir ſolche Un⸗ 
treu zu erzeigen, da ich dir ſo treu war. Ich haͤtt 
mein Herz, mein Seel, Leib und Gut mit dir ge⸗ 


208 


teilt. Wie mochteſt du es an deinem Herzen haben, 
einen ſo mannlichen Ritter, der da alle Tag um 
deinetwillen ſtach, ſcharf rannt und alle maͤnnliche 
Ritter ſpiel getrieben hat, in fo große Armut rich⸗ 
ten? Und keinerlei Erbarmen haſt mit mir gehabt, 
ſondern der Koͤnig und die Koͤnigin haben mit mir 
ihren Spott getrieben und Faſtnachtſchimpf, das 
mir noch unvergeſſen iſt in meinem Herzen. Dann 
durch das Uebel, ſo du an mir vollbracht haſt, war 
ich in eine Verzweiflung kommen, und wollte mich 
ſelbſt erhangen haben, dann daß mir Maria die 
Mutter Gottes mit ihren Gnaden in der boͤſen An⸗ 
fechtung zu Hilf kam, der ich auch treulich dienen 
will bis an mein End; und wo ich ſolches gethan 
haͤtt, ſo waͤreſt du doch ein Urſach geweſen, daß ich 
um Seel und Leib, Ehr und Gut kommen waͤr. 
Und da du den tugendreichen Seckel in deiner Ge⸗ 
walt hatteſt, und dir wohl geſagt ward, daß ich gar 
nichts haͤtt, meine Knechte all von mir laſſen und 
allein mußte hinweg reiten, du haͤtteſt mir ungern 
ein Zehrgeld geſandt, daß ich ein wenig ehrlich haͤtte 
moͤgen heimkommen zu meinen Freunden. Nun 
ſprich ſelber Urteil: iſt nit billig, ich habe mit dir Er⸗ 
barmen, wie du es mit mir gehabt haft?” 

Agrippina, die alles Er ſchreckens voll war und nit 
wußt, was ſie ſagen ſollt, ſah auf gen Himmel und 
mit erſchrockenem Herzen fing ſie an zu reden und 
ſprach: „O tugendreicher ſtrenger Ritter Andoloſia, 


14 F 209 


ich bekenn, daß ich unehrbarlich groß und ſchwer 
wider Euch gethan hab. Bitt Euch, Ihr woͤllet 
anſehen die Bloͤdigkeit, Unwiſſenheit und Leicht⸗ 
muͤtigkeit, ſo denn von Natur mehr in dem Geſchoͤpf 
der Weiber iſt, in den jungen und in den alten, denn 
im maͤnnlichen Geſchlecht, und woͤllet mir die Sach 
nit in das Aergeſt kehren und Euern Zorn gegen 
mich arme Tochter hin legen. Thuet Gut wider 
Uebel, als denn einem ſtrengen, ehrſamen Ritter 
wohl ziemet. / Er antwortete ihr und ſprach: „Der 
Schad, Schand und Laſter, ſo mir von Euch zu⸗ 
geſtanden iſt, iſt noch ſo groß in meinem Herzen, 
daß ich Euch ungeletzt nit kann laſſen.“ Sie ant- 
wortet und ſprach: „O Andoloſia, bedenkt Euch 
baß, was Unehre wuͤrde man von Euch ſagen, ſo 
Ihr ein armes Weibsbild allein in einer Wilde und 
als eine Gefangene würdet letzen, fuͤrwahr, woman 
es von Euch wuͤrde ſagen, das waͤre Eurer ſtren⸗ 
gen Ritter ſchaft eine Schand.“ Andoloſia ſprach: 
„Wohlhin, ich will meinem Zorn widerſtehn und 
verheiße dir bei meiner ritterlichen Treu, daß ich 
dich nit will verletzen weder an deinen Ehren noch 
an deinem Leib. Du haſt aber noch ein Zeichen von 
mir, das mußt du bis in dein Grab von meinet⸗ 
wegen haben, damit du mein eingedenk ſeiſt. Agrip⸗ 
pina war ſo in großer Angſt und Sorg ihres Le⸗ 
bens, daß ſie der Hoͤrner, ſo ihr noch auf dem Haupt 
ſtunden, ganz vergeſſen hätt. Da aber Andolofia fie 


210 


gefichert ihres Leibes und Ehr, kam fie noch baß 
zu ihr ſelbſt, fing an und ſprach: „O wollte Gott, 
daß ich meiner Hoͤrner ledig waͤre und waͤre in mei⸗ 
nes Vaters Palaſt.“ Da Andoloſia hört, daß fie 
anfing zu wuͤnſchen, und das Huͤtlein nit weit von 
ihr lag, da lief er bald und zucket es; dann haͤtt ſie 
es aufgehabt, ſo waͤr ſie aber heim kommen; und 
— Huͤtlein und ſtricket es hart an ſeinen 

l. Darbei Agrippina wohl merken konnt, daß 
ihm das Huͤtlein aus der Maßen lieb war, und 
durch Kraft des Huͤtleins ſie alſo zweimal weg ge⸗ 
fuͤhret war worden; griesgramte in ihr ſelbſt und 
gedacht ihr: „Nun haſt du die beiden Kleinod in dei⸗ 
ner Gewalt gehabt und haſt ſie nit koͤnnen behal⸗ 
ten“; und durfte ihren Zorn Andoloſia nit laſſen 
merken. Alſo fing ſie an und bat ihn gar freund⸗ 
lich, daß er ſie der Hoͤrner gar ledig machte und ſie 
ihrem Vater wieder heimfuͤhrte. Er ſprach:„Kurz⸗ 
ab, du mußt die Hoͤrner haben weil du lebſt. Aber 
ich will dich gern führen zu deines Vaters Palaſt, 
ſo nah, daß du den ſehen magſt. Aber darein komm 
ich nit mehr. Sie bat ihn zu dem andern und zu 
dem dritten Mal. Es half alles nit. 


14* 211 


¶ Wie Andoloſia die junge Königin in Hy⸗ 
bernia in ein Frauenkloſter thaͤt und ſie da⸗ 
ſelbſt der Aebtiſſin befahl. 


D. Agrippina ſah und merkt, daß kein Bitten an 
ihm mehr half, ſprach ſie: „Muß ich dann die 
Hoͤrner alſo haben und ſo ungeſtalt ſein, ſo begehr 
ich nit wieder zu kommen in Engelland, auch daß 
mich kein Menſch nimmer ſehe, daß mich kenne we⸗ 
der Vater, Mutter noch andre. Darum ſo fuͤhrt 
mich an ein fremdes End, da mich niemand ken⸗ 
net.“ Andoloſia ſprach: „Dir waͤre nirgend baß, 
denn bei Vater und Mutter, dem Koͤnig und der 
Königin.” Das wollte fie nit und ſprach: „Führt 
mich in ein Kloſter, daß ich von der Welt geſchieden 
ſei.“ Er ſprach: „Begehreſt du das und iſt dir der 
Red ernſt?! Sie ſprach: „Ja.“ Alſo ruͤſt er ſich 
und fuͤhrte ſie in Hybernia, iſt gar nah am Ende 
der Welt und nit weit von Sant Patricius Feg⸗ 
feur. Auf dem Feld fern von den Leuten iſt ein gro⸗ 
ßes und ſchoͤnes Frauenkloſter, da nichts denn edel 
Frauen innen ſind. Da ließ er ſie auf dem Feld allein 
ſitzen, ging in das Kloſter zu der Aebtiſſin und ſagt 
ihr, wie er eine ehrſame und edle Tochter mit ſich 
gebracht hätt, die ſchoͤn und geſund fei, nur daß ihr 
etwas an ihrem Kopf gewachſen waͤre, deß ſie ſich 
ſchaͤmte und nit bei ihren Freunden bleiben woͤllt, 
begehret an einem Ort zu ſein, da ſie nit bekannt 


212 


wäre, „Und wolltet Ihr die alfo aufnehmen, fo 
wollte ich ihr die Pfruͤnde dreifach bezahlen.“ Die 
Aebtiſſin ſprach: „Wer dieſe Pfruͤnde haben will, 
der muß zweihundert Kronen darum geben, denn 
ich halt einer jeglichen eine Magd und geb ihnen, 
was ſie beduͤrfen. Und alſo, wollet Ihr die Pfruͤnde 
dreifach bezahlen, ſo bringet ſie her.“ Andoloſia 
ging und brachte Agrippina zu der Aebtiſſin, die 
empfing ſie; ſie dankt ihr gar zuͤchtiglich und neigte 
ſich ſo ſchoͤn, daß die Aebtiſſin wohl ſah, daß ſie von 
edlem Stamm geboren war. Lind gefiel ihr auch 
von Geſtalt ſehr wohl, erbarmet ſie, daß die wohl⸗ 
geſtalt Tochter die verfluchten Hoͤrner ſollt auf dem 
Haupt haben; und ſprach: „Agrippina, begehreſt 
du hie in dieſem Kloſter deine Wohnung zu haben?“ 
Sie ſprach gar demuͤtiglich: „Ja, gnaͤdige Frau 
Aebtiſſin.“ Sie ſprach: „So wirft du mir gehor⸗ 
ſam ſein und zur Metten und zu allen Zeiten in den 
Chor gehn, und was du nit kannſt, daß du das ler⸗ 
nen wolleſt. Darzu ſo iſt dieſer Orden nit haͤrter: 
welche in einen andern Orden gehn oder einen Eh⸗ 
mann nehmen will, das mag ſie thun. Doch das 
Geld, ſo man um die Pfruͤnde giebt, was das iſt, 
giebt man niemand wieder.“ Agrippina ſprach: 
„Gnaͤdige Frau, was Euers ehrſamen Kloſters 
Sitt und Gewohnheit und alt Herkommen iſt, das 
ſoll von meinetwegen nit verändert noch zerftört 
werden.“ Alſo zahlt Andoloſia der Aebtiſſin ſechs⸗ 


213 


hundert Kronen und bat fie, daß fie ſich Agrippina 
ließ befohlen ſein, das ſie ihm eigentlich zu thun zu⸗ 
ſaget, dann ſie ganz froh war, daß ſie ſo viel baar 
Gelds empfangen haͤtt. Und nahm Andoloſia Ur⸗ 
laub von der Aebtiſſin, die von Geburt eine Gräfin 
war; die ſprach zu Agrippina: „Geh, gieb deinem 
Freund das Geleit.“ Und alſo ging er hinweg, und 
da fie zu der Pforte kamen, ſprach er zuihr: „Agrip⸗ 
pina, nun geſegen dich Gott, und Gott wolle, daß 
du lang geſund bleibeſt und in dieſem Kloſter ewige 
Freud erwerbeſt.“ Sie ſprach: „Amen, das werd 
wahr.“ Fing an jaͤmmerlich zu weinen und ſprach: 
„O tugendreicher ſtrenger Ritter, Ihr habt Euern 
Willen und Haͤrtigkeit an mir armen Tochter wohl 
vollbracht. Nun iſt das Jahr lang und der — 
viel und die Stunden ungleich. Ich hab ein gro 

Vertrauen zu Gott, es komm noch eine gluͤckhaftige 
Stund, darinnen Euer edels Herz bewegt werde 
zu Guͤtigkeit, und Euer Sinn und Gemuͤt um⸗ 
geben mit Barmherzigkeit. Dann gedenket an mich, 
Eure Gefangne in dieſer Einöde und teilet mir mit 
Barmherzigkeit und erlediget mich, dann ich weder 
Gott noch der Welt dienen mag, ſo unwillig bin ich 
der Hörner.” Andoloſia gingen die Worte zu Her⸗ 
zen und gab ihr keine Antwort denn daß er ſprach: 
„Was Gott will, das geſcheh“ und ging damit ſeine 
Straßen. Die betruͤbt Agrippina ſchloß die Pfor⸗ 
ten zu und ging zu der Aebtiſſin, die gab ihr eine 


214 


Kammer und eine Magd zu, die ihr dienet, dar⸗ 
innen ſie faſt allein war und diente Gott ſo gut ſie 
mochte, wie wohl ihr Gemuͤt nit bei dem Gebet 
war. Als nun Andoloſia von Agrippina ſchied, war 
er ein froͤhlich Mann, ſatzt ſein Huͤtlein auf und 
wuͤnſchet ſich von einem Land zu dem andern bis er 
kam gen Prugk in Flandern, da dann alle Kurz 
weil iſt von ſchoͤnen Frauen und andern Sachen, 
und ergoͤtzet ſich ſeines Unmuts, ſo er dann gehabt 
hätt, und ruͤſtet ſich wieder gar ehrlich zu und kauft 
vierzig ſchoͤner Pferd und dinget darzu viel guter 
Knecht, kleidet die all in eine Farb, fing an wieder 
zu ſtechen und ritterlich Sachen zu treiben, und ritt 
durch Deutſchland und beſah die ſchoͤnen Staͤdt, ſo 
in dem roͤmiſchen Reich liegen, und ritt da gen Ve⸗ 
nedig, Florentz und Genua; und ſendet nach den 
Abenteurern, denen er die Kleinode abkauft hätt, 
und bezahlet die alle baar. Saß darnach mit Pfer⸗ 
den und Knechten in ein Schiff und fuhr mit Freu⸗ 
den wieder zu Haus gen Famaguſta zu ſeinem 
Bruder, der empfing ihn gar ſchoͤn, und gefiel ihm 
wohl, daß er ſo herrlich geritten kam. Und als ſie 
gegeſſen hatten, nahm Ampedo ſeinen Bruder An⸗ 
doloſia und führt ihn in ein Kammerund fraget ihn, 
wie es gangen waͤre. Da ſaget er ihm alle Ding, 
wie er um das Huͤtlein auch kommen war zu dem 
Seckel. Ampedo, der erſchrak ſo ſehr, daß er nieder 
ſank und ihm geſchwand, da er hörte, daß das Huͤt⸗ 


215 


lein zu dem Seckel verloren war, und hatte ihn nit 
gar laſſen ausſagen. Andoloſia labet ſeinen Bruder, 
und als er wieder zu ihm ſelbſt kam, fing er an zu 
ſagen, er waͤre einmal darum kommen, und haͤtte 
ſie aber beide mit Liſten uͤberkommen. „Darum ſo 
ſei nit ſo traurig“ und band den Seckel ab dem 
Wamms und zog das Huͤtlein aus einem Kleider⸗ 
ſack und legte ihm die beide fuͤr und ſagt zu ihm: 
„Lieber Bruder, nun nimm die Kleinode beide und 
laß dir wohl damit ſein. Hab Freud nach deines 
Herzens Luſt, das will ich dir von Herzen wohl 
vergoͤnnen und will dir nichts darein reden.” Am⸗ 
pedo ſprach: „Ich will des Seckels gar nicht, denn 
wer ihn hat, der muß zu aller Zeit Angſt und Not 
haben. Das hab ich wohl geleſen, was Angſt und 
Notunſer Vater loͤblicher Gedaͤchtniß gelitten hat. 
Da Andoloſia die Wort hoͤrt, war er gar froh, und 
gedacht ihm: „Haͤtt er den Seckel zu ſeinen Han⸗ 
den genommen, ſo waͤre doch nit lang angeſtanden, 
ich muͤßte ihn wieder darum gebeten haben. Alſo 
hab ich ihn ſonſt. Andoloſia durft feinem Bruder 
nit ſagen, wie er ſo koͤſtliche Kleinod kauft haͤtt und 
die noch nit bezahlt, und daß er um Seckel, Huͤtlein 
und Kleinod alles einsmals kommen war und nicht 
mehr haͤtt, und darzu in einer Wildnuß, da weder 
zu eſſen noch zu trinken war, und wie er ihn zu ihm 
wuͤnſchet zu erwuͤrgen und auch ſich ſelber hab 
wollen erhaͤngen. Gedacht ihm: „Das will ich ihm 


216 


nicht ſagen, er möcht zu Tod erſchrecken, oder aber 
in eine große Krankheit fallen. Und fing an, einen 
guten Mut zu haben mit Stechen, Rennen, und 
machet, daß man tanzet und jedermann froͤhlich 
war, und gab um Gott und um Ehren willen, daß 
man ihm groß Lob ſaget. Und ehret ihn jedermann 
und bat ihn das gemeine Volk, daß er allweg bei 
ihnen waͤr. Und als er nun ein Weil zu Fama⸗ 
guſta geweſen war, ritt er mit ſeinem Zeug zu dem 
König (iſt wohl 60 Meilen von Famaguſta) an des 
Koͤnigs Hof, Kurzweil zu haben. Und als er da⸗ 
hin kam, ward er gar wohl von dem Koͤnig und den 
Seinen empfangen, und der König ward ihn fra⸗ 
gen, wo er ſo lange geweſen waͤr. Er erzaͤhlt ihm 
viel Koͤnigreich, die er alle durchfahren haͤtt. Der 
Koͤnig fraget ihn auch mehr denn er einem andern 
gethan haͤtt, denn er war ſein Unterthan, und war 
auch ſein Vater Fortunatus gar wohl an ihm ge⸗ 
weſen; und ſprach, ob er nit kuͤrzlich in Engelland 
waͤr geweſen. Er ſprach: „Gnaͤdiger Koͤnig, ja.“ 
Sprach er: „Der Koͤnig von Engelland hat eine 
ſchoͤne Tochter, ein einiges Kind, die heißt Agrip⸗ 
pina. Die wollt ich meinem Sohn zu einem Ge⸗ 
mahl haben genommen, ſo iſt mir Maͤr kommen, 
wie die Tochter verloren ſei. Sage mir, haſt du 
nichts von ihr gehoͤrt, ob ſie noch verloren ſei oder 
wieder finden?“ „Gnaͤdiger Herre, davon weiß 
ich Euren Gnaden wohl zu ſagen. Es iſt wahr, er 


217 


hat eine ſchoͤne Tochter und die auch faſt ſchoͤn iſt, 
und durch etlich Kunſt in der Nigromancia iſt fie 
kommen nach Hybernia daſelbſt in ein Frauenklo⸗ 
ſter, da niemand denn gut edel Frauen innen ſeind. 
Da hab ich mit ihr geredet gar in kurzer Zeit. Der 
Koͤnig ſprach: „Moͤcht es nit ſein, daß ſie ihrem Va⸗ 
ter wieder gebracht wuͤrde? Ich bin alt und wollt 
meinen Sohn und mein Koͤnigreich gern verſehen 
vor meinem Tod.“ 


¶ Wie des Königs Botſchaft von Cypern 
(durch Anſchickung Andoloſia) in Engel⸗ 
land kam / die ſchoͤne Jungfrau zu beſehen. 


Gnäadiger Herr Koͤnig, Euch zu Lieb und Eue⸗ 
rem Sohn, der aller Ehren wohl wert iſt, ſo 
will ich mich arbeiten in der Sach, und mit der Hilfe 
Gottes ſo will ich ſie ſchaffen in kurzer Zeit wieder 
in ihres Vaters Palaſt. / Der König bat ihn, daß 
er das thaͤte und kein Geld daran ſparete, er woͤllt 
das gegen ihm und die Seinen in allem Guten er⸗ 
kennen. Andoloſia ſprach: „Gnaͤdiger Herr König, 
ſo ruͤſtet eine ehrſame Botſchaft zu und ſendet die 
vier zehen — nach mir aus, ſo finden ſie — — 
frauen und Koͤnigin zu Lunden in ihres Vaters 
Palaſt. Hat er ſie Euch dann verheißen, ſo ſendt er 
fie Euch ehrlich.“ Der König ſprach: „Andoloſia, 
guter Freund, ſo vollend die Sach, daß kein Fehlen 


218 


daran fei, dann ich gar eine Föftliche und ehrſame 
Botſchaft dahin ſenden will, daß ſie nit vergebens 
dahin kommen.“ Er ſprach: „Seid ohn Sorg, aber 
laſſet Euren Sohn abconterfeien und ſendet den 
mit der Botſchaft hin, ſo werdet Ihr innen, daß 
der Koͤnig und die Koͤnigin eine Freud darab neh⸗ 
men werden, deſtomehr Begier haben, ihre ſchoͤne 
Tochter einem ſolchen ſchoͤnen Juͤngling zu geben.” 
Und da der jung Koͤnig vernahm, wie Andoloſia 
ausgeſandt ſollte werden um ein Gemahl, fuͤget er 
fich zu ihm und bat ihn mit hohem Fleiß, ernftlich 
in der Sach zu arbeiten, damit die Sache vollendt 
wuͤrd, daß kein Abſchlag darin geſchaͤh, denn er 
hatte gar viel gehoͤrt von der Schoͤne und Voll⸗ 
kommenheit, ſo an Agrippina war. Andoloſia ſaget 
ihm zu, er wollt allen Fleiß ankehren und nahm 
von ihm Urlaub und ritt mit ſeinem Volk wieder 
gen Famaguſta, bat ſeinen Bruder, daß er ihm das 
Huͤtlein aber leihen woͤllt, denn er würde bald wies 
derfommen; Ampedo war willig und ließ ihn das 
Huͤtlein wieder nehmen. Und befahl ſeinem Seckel⸗ 
meiſter, daß er es ſeinem Volk wohl erboͤte, und 
fröhlich wären, denn er wollt wieder zu ihnen köm⸗ 
men; nahm alſo das Huͤtlein, fuhr von einem Land 
um anderen, wuͤnſchet ſich in die Wildnuß, da die 
el ſtunden, davon die Hoͤrner aufwuchſen und 
wieder verſchwanden. Zuhand kam er dahin, und 
da er zu den Baͤumen kam, ſtunden ſie voll ſchoͤner 


219 


Aepfel. Nun wußt er nit, welche die oder die an⸗ 
dern waren und kam gar ungern dahinter, daß er 
einen aͤße; ſo wollt er auch darvon nit, denn er haͤtt 
Agrippina nie koͤnnen entbinden von den Hoͤrnern, 
haͤtt er nit einen Apfel mit ihm gebracht. Doch nach 
Geduͤnken nahm er einen Apfel und aß den. Da 
wuchs ihm ein Horn. Darnach aß er einen andern, 
da verſchwand es wieder. Alſo nahm er derſelben 
Aepfel etlich und fuhr damit dahin und kam gen 
Hybernia zum Kloſter und klopfet an. Er ward 
bald eingelaſſen und kam zu der Aebtiſſin, fraget 
nach Agrippina; er haͤtte etwas mit ihr zu reden. 
Die Aebtiſſin ſandte nach Agrippina und that das 
gar gern, denn fie erkannte Andolofia ſehr wohl. 
Und als ſie kam, empfing ſie ihn ſchlechtiglich, denn 
ſie wußt nit, warum er zu ihr kommen war und er⸗ 
fchraf ob feiner Zukunft. Andoloſia ſprach: „Gnaͤ⸗ 
dige Frau, erlaubet Agrippina, ein wenig mit mir 
allein zu reden.“ Sie erlaubet ihr es gern, und 
alſo ging er mit ihr auf einen Ort und ſaget zu ihr: 
„Agrippina, biſt du der Hoͤrner noch ſo unwillig, 
als du wareſt, da ich von dir ſchied?“ Sie ſagt: 
„Ja, und je länger je feſter.“ Er ſprach: „Wenn du 
quitt und ledig waͤreſt, wohin ſtuͤnd dir dein Sinn?“ 
Sie ſagt: „Wo ſollt ich anders hin begehren denn 
gen Lunden, zu meinem allerliebſten Herrn dem 
Koͤnig und Koͤnigin meinem Vater und Mutter.“ 
Andoloſia ſprach: „Agrippina, Gott hat erhoͤrt dein 


220 


Gebet und was du begehreſt, deß wirft du ges 
währt.“ Und bald gab er ihr einen halben Apfel zu 
eſſen und hieß ſie ein wenig darauf ruhen und hieß 
ſie wieder aufſtehn; da war ſie der Hoͤrner ganz 
quitt ledig. Die Magd, die ihr zugeben war, die 
flocht und zieret ihr das Haupt, als ſie dann wohl 
konnt; kam alſo fuͤr die Aebtiſſin. Und da ſie Agrip⸗ 
pina ſo ſchoͤn und ſo huͤbſch geziert ſah, ruft ſie den 
auen allen aus dem Kloſter, ſo dann in dem Klo⸗ 

er waren, um daß ſie Agrippina zu Wunder ſehen 
ſollten wie ſie alſo ſchoͤn waͤr worden in ſo kurzer 
eit, dar ab alle die Frauen Wunder nahmen und 
eſonder, daß ſie der Hoͤrner in ſo kurzen Zeiten 
war ledig geworden. Andoloſia ſprach: „Laſſet 
Euch das nit ſo groß Wunder nehmen, Gott ver⸗ 
mag alle Ding, ihm iſt nichts unmöglich. Darum 
ſo ſehet, wem Gott wohl will, wider den mag nie⸗ 
mand ſein. Agrippina iſt eine Koͤnigin, von koͤnig⸗ 
lichem Stamme geborn, und ich will ſie ihrem Va⸗ 
ter und Mutter wieder antworten. Und eh daß ein 
Monat vergeht, ſo wird ſie vermaͤhlet einem jungen 
Koͤnig und als einem ſchoͤnen Juͤngling, ſo jetzund 
auf Erden leben mag.“ Auf die Rede merket Agrip⸗ 
pina gar eben. Alſo bezahlet Andoloſia der Aeb⸗ 
tiſſin hundert Kronen, die ließ er ihr und den an⸗ 
dern Frauen zu Letz, und danket ihnen, daß ſie Agrip⸗ 
pina ſo ehrlich haͤtten gehalten, deßgleichen danket 
ihnen Agrippina auch gar zuͤchtiglich. Nahmen 


221 


alfo Urlaub und gingen aus dem Kloſter. Da er 
in das Feld kam, ruͤſtete er ſich zu mit ſeinem Huͤt⸗ 
lein und führt die Königin gen Lunden zu des Koͤ⸗ 
nigs Palaſt. Und fuhr wieder die Straß, denn er 
ſcheuet den Palaſt, da ihm ſo große Untreu innen 
geſchehen war, und fuhr wieder gen Famaguſta zu 
ſeinem Bruder und Dienern. 


¶ Wie die ſchoͤne Agrippina durch Rat An⸗ 
doloſia dem jungen Koͤnig in Cypern ver⸗ 
maͤhlet ward. 


ls nun ein wieder gekommen war und 

es der Koͤnig und Koͤnigin innen wurden, da 
waren ſie froh und alle die bei ihnen waren, und 
es erhub ſich ein groß Feſt, daß die verloren Toch⸗ 
ter funden war. Sie zierten die Tochter mit aller 
Schoͤnheit und Koͤſtlichkeit. Als ſie nun in allen 
Freuden lebten, da kam dem Koͤnig Botſchaft, wie 
des Koͤnigs von Cypern ausgeſandte Boten kaͤmen 
mit einem großen Volk, und wie ſie darum aus⸗ 
geſandt waͤren, ihn zu bitten, daß er Agrippinam, 
die junge Königin, woͤllt ver maͤhlen ihrem jungen 
Koͤnig, deß auch der Koͤnig unterrichtet war. Und 
als ſie gen Lunden kamen, wurden ſie gar ſchoͤn 
empfangen und ihnen koͤſtliche Herberg zugericht, 
darein gegeben was ſie bedurften. Und als ſie nun 
vier Tag da waren geweſen, ſandte der Koͤnig nach 


222 


ihnen. Die kamen und waren gar koͤſtlich angethan 
mit gutem Gewand, jeder nach ſeinem Stand. Da 
war ein Herzog, zween Grafen und viel Ritter und 
Knecht, die — an von der Heirat zu reden. Da 
die Koͤnigin vernahm, daß man von Agrippina we⸗ 
15 handelte, das war ihr gar ſchwer, ihre liebe 
choͤne Tochter zu vermaͤhlen, ſo fern von Land zu 
geben und einem, da man nit wußt, ob er krumm 
oder lahm, ſehend oder blind wäre. Und als fie fich 
ſolches erklagte, vernahmen es die von Cypern, die 
kamen vor den Koͤnig und begehreten, daß er nach 
der Koͤnigin ſenden ſollt. Und als ſie kam, zogen ſie 
herfuͤr ihren jungen Koͤnig, wie er dann abconter⸗ 
feiet war und ließen ihn ſehen. Da ſie ſeine Geſtalt 
ſahen, daß er ſo ſchoͤn war, ſprach der Koͤnig, ob es 
auch alſo waͤre? Da ſchwuren ſie dem Koͤnig und 
der Koͤnigin Eid, daß er noch viel baß geſtalt und 
faſt gerad und lang waͤr, auch nit mehr dann 24 
Jahr alt. Das gefiel ihnen faſt wohl. Die Koͤnigin 
nahm den jungen conterfeiten Koͤnig und bracht 
den Agrippina und ſagte ihr, wie man fie einem jun⸗ 
gen Koͤnig geben woͤllt, der noch viel huͤbſcher und 
ſchoͤner wäre dann fie, da fie feine Geſtalt fähe, wie 
ſie denn auch zuvor von Andolofia gehört haͤtt; und 
gab dem Gemaͤld Glauben und ihren Willen darzu, 
was der Koͤnig und die Koͤnigin darin machten, 
dem wollt ſie gehorſam ſein. Da der Koͤnig und die 
Koͤnigin Agrippina Willen vernommen hatten, re⸗ 


223 


deten fie weiter mit denen von Cypern und ward 
alſo die Heirat ganz beſchloſſen. Und ließ der Koͤ⸗ 
nig viel Schiffe zurichten mit guten Leuten, Speis, 
und was darzu gehoͤrt, und ließ die junge Koͤnigin 
ausbereiten mit koͤſtlichem Gewand und Kleinoden 
nach allen Ehren, als denn einem maͤchtigen Koͤnig 
geziemt nach ſeinen Ehren zu thun. Er ordnet 
auch dazu viel guter edler Leut, und beſonder ſo 
ſandt er mit der Koͤnigin eine Graͤfin, der Mann 
war lang ein Meerraͤuber geweſen, und viel guter 
edler Frauen; und haͤtt der Koͤnig ein groß Feſt mit 
ſeiner Tochter und mit dem Volk, ſo denn geordnet 
war, mit ihr hinweg zu fahren. Und als die Schiffe 
ganz bereit waren und alle Ding geladen, nahm 
die edel Koͤnigin Urlaub von ihrem Herren Vater 
und Koͤnig und von ar Frau Mutter der Koͤni⸗ 
gin und ſprach: „Gnaͤdiger Herr Koͤnig und gnaͤ⸗ 
dige Frau Koͤnigin, der allmaͤchtig Gott vom Him⸗ 
melreich und ſeine wuͤrdige Mutter Maria wollen 
euch zu aller Zeit in Hut haben und euch verleihen 
Geſundheit und lang Leben.“ Und kniete nieder vor 
ihren Vater und in großem Seufzen mit weinen⸗ 
den Augen ſprach ſie: „Ich begehr Euern Segen, 
dann ich mich jetzund von Euch ſcheiden muß, und 
weiß, daß ich Euch und meine Frau Mutter nim⸗ 
mermehr ſehen mag.“ Der König ſprach: „Agrip⸗ 
pina, meine allerliebſte Tochter, der Segen Gott 
des Vaters, des Sohns und des heiligen Geiſtes, 


224 


der ewigen Dreifaltigkeit wölle dich beſchirmen vor 
allem Herzleid, und dir verleihen und allen denen 
ſo dir Guts goͤnnen Friede, Geſundheit, langes Le⸗ 
ben und Genugſamkeit aller Fruͤchte und Wohl⸗ 
wollen von aller maͤnniglich. ! Die Königin, ihre 
Mutter, konnte nit mehr wuͤnſchen denn daß ſie 
ſprach: „Amen, das werde wahr.“ Alſo ſtund 
Agrippina auf und ging an das Meer zu ihrem 
Schiff und auch das Volk, ſo mit ihr fahren ſollt, 
und folget ihr ſonſt nach eine große Menge Volks, 
die ſie geleitet bis in das Schiff, und war maͤnnig⸗ 
lich um fie leid, daß die ſchoͤne Königin alſo von ihnen 
ſcheiden und ſie die nit mehr ſehen ſollten. Als nun 
Agrippina und wer zu ihr gehoͤrt in das Schiff ka⸗ 
men, zogen die Schiffleute die Segel auf, fuhren 
alſo dahin in dem Namen Gottes, und der verlieh 
ihnen gut Wetter, daß es ihnen gar gluͤcklich ging. 
Denn welcher von Engelland gen Cypern fahren 
will, muß uͤber das ſpanioliſch Meer fahren, das 
doch gar grauſam iſt unter allen Meeren zu fahren. 
Doch ſo kamen ſie mit der Hilfe Gottes und mit 
allem Lieb gen Cypern an das Land, da man auch 
ihrer Zukunft warten war. Und als nun Agrip⸗ 
pina die ſchoͤn jung Königin und all ihr Volk friſch 
und geſund gen Cypern kamen, da haͤtt der Koͤnig 
von Cypern beſtellet und laſſen verſammlen eine 
Herzogin, vier Graͤfinn und viel edler Weib, und 
deßgleichen auch von Mannen, die empfingen die 


15 F 225 


Königin gar ehrlich. Da war auch bereit Föftliche 
Speis und Getraͤnk; gab man jedermann genug, 
den Fremden und den Heimiſchen, und Jung und 
Alt war froh, daß ihrem jungen Koͤnig ſo ein ſchoͤ⸗ 
nes Gemahl kommen war. Da waren bereit viel 
Roſſe, Wagen und Karren, und ward jedermann 
gefertiget nach ſeinen Ehren, und kamen alſo gen 
Meduſa, da der Koͤnig Hof hielt, der die Zukunft 
wußte; hatte beſtellt die Beſten und Edelſten von 
ſeinem ganzen Koͤnigreich, von Frauen und Man⸗ 
nen, und wie koͤſtlich fie zu Famaguſta empfangen 
wurden, ſo wurden ſie noch zehnmal ehrlicher und 
loͤblicher empfangen zu Meduſa. Und wie ihr die 
alt Koͤnigin entgegen ritt mit einem koͤſtlichen Volk, 
gar ehrlich gekleidet, waͤr Wunder von zu ſchrei⸗ 
ben; und empfingen Agrippina, die Koͤnigin. Dar⸗ 
nach kam der junge König, auch mit einem ſchoͤ⸗ 
nen Volk, alle in ganzem Harniſch angethan, und 
gleiſſeten als die Spiegel in der Sonnen; die emp⸗ 
fingen auch die Koͤnigin. Und als ſie der junge Koͤnig 
empfing, ſobald ihn Agrippina anſah, bedeuchte ſie 
dem Bild nach, ſo man ihr fuͤrgehalten hatte, wie 
daß es der junge Koͤnig waͤre, der ihr Gemahl ſein 
ſollt, und mit einer ſchoͤnen Gebaͤrde und einem 
froͤhlichen Angeſicht und mit zuͤchtigen Worten 
danket ſie dem Koͤnig. Und ritt alſo mit großen 
pero bis in den koͤniglichen Palaſt, der mit aller 

ierde zugeruͤſt war auf das aller koͤſtlichſte. Und 


1 
226 


ward angefangen ein koͤſtliches Leben und kamen 
alle Fuͤrſten und Herren, ſo unter den Koͤnig von 
Cypern gehörten, gar zierlich geritten und brachten 
alle koͤſtliche Gaben und Schenkung, die ſie ihrem 
Herrn und Konig ſchenken wollten, ein Jeder nach 
ſeinem Vermoͤgen; und ward die Hochzeit angefan⸗ 
gen, die waͤhret ſechs Wochen und drei Tag, da gab 
man jedermann genug. Wie höflich der Kirchgang 
war und viel andere Ding, die da begangen wur⸗ 
den, und was jeglicher der Königin ſchenkte, darvon 
waͤr viel zu ſchreiben. Doch unter andern Schen⸗ 
kungen ſo haͤtt Andoloſia gen Candia geſandt um 
ein Schiff mit Malvaſier und Muscatell, das 
ſchenkt er auf die Hochzeit. Der ward getrunken 
als ob es Halden⸗Wein von Kehlheym geweſen 
waͤr, denn ſeiner war genug, und da war gar kein 
Mangel ſo lang und laͤnger dann die Hochzeit. 


Wie Andoloſia mit Stechen und Rennen 
allzeit das Beſte thaͤt / dadurch großen 
Dank von Frauen aber großen Neid von 
etlichen Herren erlanget. 


Un alldieweil die Hochzeit waͤhret, thaͤten die 
Fuͤrſten und Herren nit anders denn Rennen 
und Stechen, Turnieren und Kurzweil treiben. 
Und auf einen Tag ſtach der Koͤnig und die Her⸗ 
zoͤge, des andern Tags die Grafen, Freien und Rit⸗ 


15* 227 


ter, den dritten Tag die Edlen und der Fuͤrſten und 
Herren Knecht und Diener. Und alle Nacht ſo 
gab man den Preis aus dem, der des Tags das Beſte 
gethan haͤtt; das geſchah zu Nacht bei dem Tanz, 
dem ſatzt die Koͤnigin ein ſchoͤnes Kraͤnzlein auf, deß 
ſich dann ein jeglicher, dem es ward, gar froh ge⸗ 
daͤuchte und brauchet ein jeder ſeinen Fleiß, daß er 
Ehre bejaget und begabet wuͤrd von der ſchoͤnen 
Koͤnigin Agrippina. Nun unter dem Geſtech ſo 
ſtach Andoloſia auch, und wenn die Grafen, Freien 
und Ritter ſtachen, kam er allweg koͤſtlicher und 
baß geruͤſt auf den Plan dann der anderen keiner 
ohn allein den Koͤnig, dem macht er ſich nit gleich; 
und thaͤt allweg das Beſte in allen ritterlichen 
Spielen, die man da trieb, und gewann oft den 
Preis von den Frauen und den Mannen. Nun be⸗ 
gab es ſich, daß aber die Grafen, Freien und Ritter 
ſtachen und Andoloſia mit ihnen, und haͤtt er vor⸗ 
her viel ritterlicher Thaten gethan, fo thaͤt er aber 
das Beſte. Allda zum Letzten, da es Nacht ward 
und man aber den Preis ausgab und der von Bil⸗ 
ligkeit Andoloſia ſollte ſein geworden, ward er aber 
von Ehren wegen gegeben Graf Theodoro von En⸗ 
gelland, der dann mit der Koͤnigin aus Engelland 
kommen war; deß auch Andoloſia wenig achtet und 
ihm der Ehren faſt wohl vergoͤnnet. Doch ſo ſprach 
gemeiniglich alles Volk: „Man hat Graf Theo⸗ 
doro den Preis gegeben, der doch billiger Andoloſia 


228 


wär geweſen. Das kam alfo Graf Theodoro für 
und er gewann heimlich einen großen Haß zu An⸗ 
doloſia in ſeinem Herzen, und wußt nit, wie er ihm 
Schand, Laſter und Schaden zufuͤgen ſollt, dann 
ſein Herz, Sinn und Gemuͤt dazu geneigt war. 
Und als er nun fremd war in dem Land Cypern 
und nit Land, Schloß noch Leut haͤtt, da war ein 
andrer Graf auf der koͤniglichen Hochzeit, war auch 
ein Meerraͤuber, mit Namen der Graf von Lymoſi, 
haͤtt ſein Schloß in einer kleinen Inſel, nit fern von 

amaguſta, zu demſelben ſuchet er Geſellſchaft. 

ls man gemeiniglich ſpricht: gleich und gleich ge⸗ 
ſellet ſich gern, alſo geſchah da auch. Es fand ein 
Schalk den andern, und als ſie nun Geſellen wa⸗ 
ren, fing Graf Theodorus an und ſprach zu feinem 
Geſellen, dem Grafen von Lymoſi: wie da einer, ge⸗ 
nannt Andoloſia, waͤr fo koͤſtlich und trieb fo großen 
Uebermut und doch kein geborner Mann wäre; 
darab er einen Verdruß haͤtt; er naͤhm groß Ehr 
ein und wuͤrde geehrt fuͤr Grafen und ander wohl⸗ 
geboren Leut, und haͤtt doch weder Land noch Leut; 
und ob er auch nit Verdrießen darab haͤtt? Der 
Graf von Lymoſi ſagt: „Ja, ich und ander Edel⸗ 
leut haben auch ein Verdrießen darab. Er iſt aber 
ſo wohl gewollt von dem Koͤnig, dem leiht und 
ſchenkt er, was er begehret, und der Koͤnig erlangt 
großen Undank von ſeinen Edelleuten, daß er ihn 
alſo zuvorderſt hat.“ Graf Theodorus ſprach: 


229 


„Mich nimmt fremd, daß Ihr und ander Eures⸗ 
gleichen ſolches moͤget erdulden, daß Ihr ihn nit 
laſſet umbringen. Wuͤßte ich ihn hinweg zu brin⸗ 
gen, er ſollt keinen Grafen noch Edelmann an des 
Koͤnigs Hof mehr irren.“ Alſo verſtund einer des 
andern Willen wohl und machten einen Anſchlag 
mit einander: wenn die Hochzeit ein End naͤhme, fo 
wuͤrde er wieder gen Famaguſta reiten, allda woͤll⸗ 
ten ſie ihn aufhalten und ihn fahen, ſeine Diener er⸗ 
ſtechen und ihn fuͤhren aus des Koͤnigs Land gen 
Lymoſi, da der Graf ein faſt gut Schloß haͤtt, und 
ihn da peinigen und martern; er muͤßt ihnen Gelds 
genug geben, daß ſie moͤchten ſo koͤſtlich Statt hal⸗ 
ten als er. Und folgeten alſo dem Anſchlag nach, 
den ſie mit einander gemacht hatten. 


¶ Wie Andoloſia nach der Hochzeit heim rei⸗ 
ten wollt gen Famaguſta / und von zweien 
Grafen gefangen und ſeine Diener er⸗ 
ſtochen wurden. 


Andoloſia, dem die Dinge ganz unwiſſend waren, 
als er gen Famaguſta reiten wollt nachdem die 

ochzeit vergangen war, da haͤtten die zween Gra⸗ 
en ein Volk beſtellt, und fingen Andoloſia, und er⸗ 
ſtachen ihm ſeine Diener alle und fuͤhrten ihn in 
die Inſel Lymoſi in ein Schloß, da ward er wohl 
verhuͤtet, daß er nimmer darvon kommen mocht. 


230 


Da erbot er denen, fo fein huͤteten, groß Gut zu 
geben, daß fie ihm dar von huͤlfen, deß wagten fie 
ihm nit zu vertrauen, und vermeinten, wenn er dar⸗ 
von kaͤm, ſo gaͤb er ihnen nichts. So durft Ando⸗ 
loſia ihnen den Seckel nit zeigen, er fuͤrchtete, ſie 

men den und huͤlfen ihm nit, und war in gro⸗ 
ßen Noͤten. Und alſo kam die Maͤr dem Koͤnig, wie 
Andoloſig Diener all erſtochen waͤren und wußte 
niemand, ob Andoloſia gefangen weggefuͤhrt, tot 
oder lebendig wär. So wüßte man auch nit, wer es 
gethan hätt, denn man zieh es, des Türken Streif⸗ 
reuter haͤtten es gethan; dann des Tuͤrken Land 
ſtoßt an des Königs von Cypern Land. Die zween 
Grafen, die es gethan haͤtten, ritten wieder an des 
Königs Hof und hielten ſich ſtill, als ob fie nicht 
darum wuͤßten. 


¶ Wie Andoloſia fein Seckel genommen / und 
er in der Gefaͤngniß ermordet ward / und 
ſein Bruder Ampedo das edle Wunſchhuͤt⸗ 
lein zerhieb und vor Leid ſtarb. 


ndem da Andoloſia verloren war, ward es ſei⸗ 
nem Bruder Ampedo kund gethan, der ſandte 
bald Boten zu dem Koͤnig und ließ ihn bitten, daß 
er ihm huͤlf, daß ihm ſein Bruder wieder wuͤrde. 
Der Koͤnig entbot ihm, es waͤre ihm leid um ſeinen 
Bruder Andoloſia, dann er wuͤßte nit, wo er waͤr, 


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ob er tot oder lebendig wär; er wollte Fleiß brau⸗ 
chen, moͤcht er inne werden, wo er waͤre, ihn ſollte 
kein Geld dauern, er woͤllt ihn ledig machen, und 
ſollt es halb ſein Reich koſten. Solche Botſchaft 
brachten ſie Ampedo von dem Koͤnig. Da er die ver⸗ 
nahm, gedacht er ihm, er waͤre um ſeinen Bruder 


gekommen von wegen des Seckels, ſo er bei ihm 
haͤtt, und wuͤrden ihn peinigen und martern, daß 
er von dem Huͤtlein, fo er hätt, auch ſagen mußt; 
fo würden fie darnach Anſchlaͤg thun, daß ihnen 
das Huͤtlein auch wuͤrde. „Fuͤrwahr das ſoll nim⸗ 
mermehr geſchehen.! Und in einem Zorn und Lin- 
mut nahm er das koͤſtlich und tugendreich Huͤtlein 


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und zerhacket es zu kleinen Stücken, und warf das 
in ein Feur und ſtund darbei, bis daß es gar zu Pul⸗ 
ver verbrann, und daß niemand kein Freud mehr 
damit ſollte noch moͤchte haben. Nun haͤtt er ſtaͤte 
Botſchaft auf dem Weg zu dem Koͤnig; und wie⸗ 
viel Boten kamen, ſo brachte doch keiner gute Maͤr 
von ſeinem Bruder, daß man koͤnnt wiſſen, wo er 
hinkommen waͤr. Darob nahm er ſo großen Un⸗ 
mut und Herzeleid, daß er fiel in eine toͤtliche Krank⸗ 
heit, alſo daß ihm kein Arzt helfen konnte, und ſtarb 
alſo; half ihm weder der ſchoͤne Palaſt noch das 
baar Geld. 

(8 nun etlich Tage verſchienen, und die zween 

Grafen hörten, daß dem König fo leid war um 
feinen frommen Ritter Andoloſia, ſtellten fie ſich, 
als ob es ihnen auch faſt leid war. Der König ließ 
ausrufen: wer der ware, der gewiſſe Botſchaft 
braͤchte, wo Andoloſia hinkommen wär, dem wollte 
er tauſend Dukaten baar geben, er waͤre lebendig 
oder tot. Da ward fleißiglich nach ihm gefragt, es 
konnte ihn aber niemand erfahren. Die es aber 
wußten und dazu geholfen hatten, durften es nit ſa⸗ 
gen, dann ſie beſorgten dadurch ihr Leben zu ver⸗ 
lieren. Indem nahm der Graf von Lymoſi Urlaub 
von dem Koͤnig, und fuhr in ſein Land, und kam 
in das Schloß, da Andoloſia in gefangen lag. Den 
fand er dort ſitzen in einem tiefen Thurn, dazu hart 
angeſchmiedet in einem Stock mit Haͤnden und mit 


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Süßen. Und als er den Grafen ſah, erfreuet er fich 
und meinet, er woͤllt ihn erbitten, daß er ihn wuͤrd 
ledig laſſen. Und fing an und bat ihn, daß er Barm⸗ 
herzigkeit mit ihm teilete und ihm huͤlf, daß er ledig 
wuͤrd der Gefaͤngnuß, er wuͤßte nit, weß Gefan⸗ 
gener er waͤr oder warum man ihn ſo hart hielte. 
Haͤtte er jemand wider Recht gethan, das wollte 
er widergelten und darzu um ihn mit Leib und Gut 
dienen. Der Graf ſprach: „Andoloſia, du biſt nicht 
darum hergefuͤhret, daß man dich wieder hinweg 
laſſe: du biſt mein Gefangener, und du wirſt mir 
ſagen, von wannen dir ſo viel Geldes komme, das 
du das ganze Jahr ausgiebeſt. Und mach das 

oder ich will dich alſo marteren, daß du froh wirſt, 
daß du mir es ſageſt. ! Da Andoloſia das hoͤret, da 
erſchrak er gar ſehr, und entging ihm all fein Troſt, 
und wußte nit, was er ſagen ſollte, dann daß er 
ſprach: zu Famaguſta in ſeinem Haus da waͤre eine 
heimliche Gruben, die haͤtte ihm ſein Vater gezei⸗ 
get, da er ſterben wollte; und wieviel er Geldes dar⸗ 
aus nähe, fo wär allwegen mehr da; und daß er 
ihn alſo gefangen gen Famaguſta fuͤhret, ſo wollte 
er ihm die Gruben weiſen. Daran wollt aber der 
Graf kein Genuͤgen haben und nahm ihn aus dem 
Stock und fing ihn an zu peinigen, thaͤt ihm große 
Marter an. Das litt er lang und blieb allweg auf 
der Materi, die er zu dem erſten geſagt haͤtt. Doch 
ſo ward die Pein und Marter, ſo ihm der Graf ließ 


234 


anthun, alfo groß, daß er es von Schmerzen wegen 
nit mehr verhalten mocht; und ward ihm ſagen, wie 
daß er einen ſolchen Seckel haͤtte. Und da der Graf 
das hoͤret, nahm er bald den Seckel von ihm und 
verſuchet den, und fand ihn gerecht; und ließ den ar⸗ 
men Andoloſia wieder in den Stock ſetzen und be⸗ 
fahl den Einem, dem er wohl vertrauete. Und wem 
der Graf ſchuldig war, dem ſandte er das Geld, und 
machet ſein Sach miteinander ſchlicht und ſpeiſet 
ſein Schloß; und mit Freuden kam er wieder an des 
Koͤnigs Hof zu ſeinem Geſellen, Graf Theodoro, 
der ihn auch mit Freuden empfing und viel Ge⸗ 
ſpraͤch mit einander hielten, wie ſie zuvor auch ge⸗ 
than hatten. Alſo ſagte er Graf Theodoro, wie er 
mit Andoloſia war umgangen, wie er den Seckel 
ſo mit großer Pein und Marter von ihm gebracht 
haͤtt, und wie hart er ihn gefangen hielt. Da ſprach 
Graf Theodorus: „Es gefaͤllt mir nit alſo, er waͤre 
beſſer tot dann lebendig. Ich hab an des Koͤnigs 
Hof vernommen, er ſei ein Doctor der Nigroman⸗ 
cia und koͤnnt in den Luͤften fahren; iſt zu beſorgen: 
wo er ledig wuͤrd und man von ihm vernaͤhme, wie 
wir mit ihm gefahren ſind, ſo gewoͤnnen wir einen 
ungnaͤdigen Koͤnig, oder er naͤhme uns das Leben.“ 
Der Graf von Lymoſi ſprach: „Er liegt ſo hart ge⸗ 
fangen, daß er uns keinen Schaden zufuͤgen kann.“ 
Alſo fuͤgten ſie ſich zuſammen und nahmen Geld 
aus dem Seckel ſo viel ſie wollten, und ein jeder hätte 


35 


gern den Seckel in feiner Gewalt gehabt; doch fo 
wurden ſie der Sache alſo eins: einer ſollt ihn ein 
halb Jahr haben und dann der ander auch ein halb 
Jahr, und welcher den Seckel haͤtte, der ſollte dem 
andern keinen Mangel laſſen an Geld. Nun war 
der Graf von Lymoſi der ältere, der ſollte den Seckel 
das erſt halb Jahr inhaͤndig haben. Als nun die 
zween Grafen Gelds genug hatten, da durften ſie 
es nit brauchen noch gar zu koͤſtlich ſein, um daß 
man keinen Argwohn auf ſie gewoͤnne. Und als ſie 
nun in Freuden lebten, ſo lag doch der Graf Theo⸗ 
dorus allwegen an, Andoloſia waͤr beſſer tot dann 
lebendig, denn feine Furcht war, fie kaͤmen um den 
Seckel. Er hatte auch in ſeinem Sinn: wenn er den 
Seckel in ſeine Gewalt braͤcht, ſo wollt er darmit 
davon ſein ſo fern, daß er von dem Koͤnig und von 
dem Grafen von Lymoſi wohl ſicher wollt bleiben. 
Dasſelbe beweget ihn, daß er ſprach zu dem Gra⸗ 
fen, daß er ihm ſeiner Knecht einen gaͤb, der mit 
ihm fuͤhr, und er darbei ſchrieb, daß man ihn zu 
Andoloſia in die Gefaͤngnuß ließe. Und was er alſo 
begehrt, das thaͤt der Graf, und gab ihm Gelds ge⸗ 
nug, Leut und Brief. Alſo nahm der Graf Theo⸗ 
dorus Urlaub von dem König und der Königin, und 
ſagt, er wollt auch dieſe Laͤnder beſehen, das ihm 
auch verliehen ward. Zog alſo dahin und kam in 
die Inſel Lymoſi und ward gefuͤhrt in das Schloß 
und in die Gefaͤngnuß, da Andoloſia gefangen lag. 


236 


Als er zu ihm kam, empfing der elend troſtlos An⸗ 
doloſia, dem jetzund die Bein und Arm halb ab ge⸗ 
faulet waren in dem Stock, einen Troſt und ver⸗ 
meint, der Graf von Lymoſi haͤtte den Grafen Theo⸗ 
dorum darum zu ihm geſandt, daß er ihn ledig ließe, 
und gedachte ihm: „So ſie den Seckel haben, ſo fra⸗ 
gen ſie nit viel mehr nach mir.“ 
So faht aber der Graf an und ſpricht: „Sag an, 
Andoloſia, haſt du keinen Seckel mehr als du 
haſt meinem Geſellen einen geben? nun gieb mir 
auch einen. Er ſprach: „Gnaͤdiger Herr Graf, ich 
hab keinen mehr; haͤtte ich aber einen, ſo waͤre er 
Euch unverfagt.” Er ſprach: „Man ſagt, du ſeieſt 
ein Doctor in der Nigromancia und koͤnnteſt in den 
Luͤften fahren und den Teufel beſchwoͤren. Warum 
beſchwoͤrſt du ihn nit jetzt, daß er dir von dannen 
helf?! Er ſprach: „O gnaͤdiger Graf, ich kann es 
nit und hab es nie gekonnt, nur allein mit dem 
Seckel, den 51 jetzt habt, Kurzweil gehabt. Den 
will ich Euch und Euern Geſellen ganz ergeben, 
vor Gott und der Welt, und keinen Anſpruch nim⸗ 
mer daran haben. Und ich bitt Euch um die Ehre 
Gottes und ſeiner wuͤrdigen Mutter Maria, daß 
r mir armen elenden Mann aus dieſer ſchweren 
ungniß helfet, daß ich doch nicht alſo elendiglich 
ohn Beichte und ohn das wuͤrdig Sacrament hie 
erſterbe. ! Der Graf ſprach: „ Willſt du nun jetzund 
deiner Seel Heil betrachten, warum haſt du es nit 


237 


gethan, da du dein Gepraͤng, großen Hochmut und 
Hochfahrt triebeſt vor dem König und der Königin, 
und uns allen Unehre bewieſeſt? Wo ſind nun die 
ſchoͤnen Frauen, denen du ſo — gedienet haſt, die 
dir alle den Preis gaben; die heiß dir jetzund helfen. 
Ich merk aber wohl, daß du gern aus der Gefaͤng⸗ 
niß waͤreſt. Laß dich nit belangen, ich will dir bald 
davon helfen.“ Und fuͤhrt den Knecht, der ſeiner 
huͤtete, an einen Ort und wollt ihm fuͤnfzig baare 
Ducaten gegeben haben, daß er Andoloſia erwuͤr⸗ 
get. Das wollte der Huͤter nit thun und ſprach: 
„Er iſt ein frommer Mann und iſt faſt ſchwach, er 
ſtirbt bald ſelber, ich will die Suͤnd auf mich nit la⸗ 
den. Der Graf ſprach: „So gieb mir einen Strick, 
ich will ihn ſelbſt erwuͤrgen und will nit von hinnen, 
er ſei denn zuvor tot.! Der Knecht wollt das auch 
nit thun und ihm keinen Strick bringen; alſo nahm 
er ſeinen Guͤrtel, den er um haͤtt, und leget den dem 
elenden Andoloſia um den Hals, der mit Haͤnden 
und mit Fuͤßen in dem Stock ſaß und ſich nit regen 
konnt. Und mit ſeinem Degenheft wirbelt er den 
Guͤrtel zu, und ſitzend erwuͤrget er den frommen 
Andoloſia, und gab dem Knecht Geld, daß ſie ihn 
hinweg thaͤten. Und machet nit langen Markt mehr 
in dem Schloß, und fuhr und ritt, bis daß er wie⸗ 
der kam in Cypern an des Koͤnigs Hof. Da ward 
er ſchoͤn empfangen und kam alſo zu ſeinem Ge⸗ 
ſellen dem Grafen von Lymoſi. Der empfing ihn 


238 


auch und fragt, wie es ihm ergangen wär, und wie 
27 Er und das Land gefiel. Er faget, es ge⸗ 
ihm faſt wohl. Und fragt ihn heimlich, wie es 
fund um Andoloſia. Mit Freuden ſprach er: „Es 
ſteht um ihn, daß wir keinen Schaden mehr von 
ihm empfahen. Ich hab ihn mit meinen Haͤnden 
umbracht. Ich konnt kein Ruh haben, ich wußte 
dann zuvor für wahr, daß er tot war, wie ich es dann 
jetzund wohl weiß.” Und meinet, er hätt es gar wohl 
. Ach Gott, er wußt aber nit, daß er es als 
gethan hart. Das ſtund alſo an drei Tage, daß 
— nit uber den Seckel gingen, Geld daraus zu 
men. 


Wie die zween Grafen von des Seckels 
wegen mit einander uneins und der Mord 
dadurch offenbar / ſie beide darob gerad⸗ 
brecht wurden. 


11% als die drei Tag verfchienen waren, da war 
aber das halbe Jahr aus, daß nun Graf Theo⸗ 
dorus den Seckel auch ein halb Jahr haben ſollt. 
Und ging mit Freuden zu ſeinem Geſellen dem 
Grafen von Lymoſi und ſprach, daß er ihm den 
Seckel braͤcht und daraus naͤhm Geld, daß er ein 
Weil zu zehren haͤtt, und ihm nunmehr den Seckel 
gäbe, es war nun an ihm, daß er ihn haben ſollt. 

Deß ſich der Graf nit widert, und ſprach, er woͤllt 


239 


das gern thun, und fagt: „Wenn ich den Seckel in 
die Hand nimm, ſo erbarmet mich Andoloſia. Ich 
wollt, du haͤtteſt ihn nit getoͤtet, er waͤr ohn das 
ſelbſt bald geſtorben.“ Graf Theodorus ſprach: 
„Toter Mann macht keinen Krieg.“ Und gingen alſo 
mit einander in eine Kammer, da er den Seckel haͤtt 
in einer Truhen, brachte den herfuͤr und leget ihn 
auf einen Tiſch, ſo in der Kammer war. Graf 
Theodorus nahm den Seckel in die Hand und wollt 
anfahen zu zaͤhlen wie er zuvor gethan haͤtt: da war 
nichts mehr in dem Seckel; wußten beide nit, daß 
der Seckel die Tugend und Kraft verloren haͤtt, ſo 
fie beid, Ampedo und Andoloſia, geſtorben waren, 
daß auch die Tugend des Seckels aus war. Hät- 
ten ſie es gewußt, ſo haͤtten ſie Andoloſia in großen 
Ehren gehalten und ihm guͤtlich gethan, damit er 
lang gelebt haͤtt, oder zu dem wenigſten eine Tru⸗ 
hen oder zwo mit Gold gefüllt, daran fie ihr Leben 
lang eine reiche Zehrung gehabt haͤtten. Da ſie aber 
kein Geld aus dem Seckel mochten bringen, ſah 
einer den andern an. Graf Theodorus ſprach aus 
einem grimmen Zorn: „O du falſcher Graf, woll⸗ 
teſt du mich alſo betruͤgen und mir einen andern ar⸗ 
men Seckel geben fuͤr den ſo tugendreichen Seckel? 
Das leid ich nit von dir, in keinen Weg. Darum 
mach es nit lang und bring den reichen Seckel. ! Er 
antwortete ihm und ſprach, das waͤre der Seckel, ſo 
er Andoloſia genommen haͤtt, und er haͤtte keinen 


240 


anderen; wie es zuginge, daß er nit mehr thaͤt als 
das wuͤßt er nit. Daran wollt aber der Graf 
rus kein Genuͤgen haben, und ward je laͤn⸗ 
ger je zorniger, und ſprach: er wollt ein Boͤſewicht 
an ihm werden, das ſollt ihm nimmermehr wohl 
bekommen. Und zucket von Leder. Da das der Graf 
von Lymoſi ſah, zog er auch und hieben gegen ein⸗ 
ander ſo freventlich, daß ein jeder den andern gern 
zu Tod geſchlagen haͤtt, und machten alſo ein Ge⸗ 
polter, daß die Knecht die Kammer aufſtießen. Die 
ſahen alſo ihre Herren mit einander fechten, liefen 
darzwiſchen und ſchieden ſie von einander. Doch eh 
ſie von einander gebracht wurden, haͤtt Graf Theo⸗ 
dorus den Grafen von Lymoſi verwundet bis auf 
den Tod. Das ſahen ſeine Diener und fingen den 
Grafen Theodorum. Alſo kam die Maͤr fuͤr den 
Koͤnig gen Hof, wie die zween Grafen, ſo allweg 
alſo —.— geweſen waͤren, ſich mit einander zer⸗ 
tragen haͤtten. Der Koͤnig befahl, man ſollt ſie ihm 
beide behend gefangen bringen, damit daß er koͤnnte 
vernehmen den Urſprung ihrer Uneinigkeit. Und 
als man des Koͤnigs Gebot wollte gehorſam ſein 
und ihm die Grafen bringen, da konnt man den 
Verwundeten von Lymoſi nimmer bringen, brach⸗ 
ten ihm allein den Grafen Theodorum. 
Da vernahm der Koͤnig bald, daß ſich dieſer Un⸗ 
wille allein erhoben haͤtt von Andoloſia Seckels we⸗ 
gen, und befahl eilend, daß man den Nachrichter 


16 F 241 


bringen und den Grafen Theodorum weiter fragen 
ſollt, Leut darbei haben, und alle Ding gar eben an 
ihm erkunden, wie er alle Sachen gehandelt haͤtt. 
Alſo ward er gemartert und gar hart gepeiniget, 
daß er von Not wegen ſagen mußt, wie er Andolo⸗ 
ſiam mit ſeinen Handen ſelbſt in der Gefaͤngniß er⸗ 
wuͤrget haͤtt, und alle Handlung von Anfang bis 
zu dem End. Da der Koͤnig hoͤrt, wie ſie mit dem 
frommen Andoloſia umgegangen waren, ward er 
von Herzen betruͤbt und erzuͤrnet über die Mörder 
und Uebelthaͤter, und ohn ſonder laͤnger Bedenken 
gab er Urteil und Recht, man ſollte ſie beide auf 
Rader ſetzen; und ob der Graf von Lymoſi ſo krant 
waͤr, ſo ſollt man ihn an die Richtſtatt tragen, waͤr 
er tot, ſo ſollt man ihn alſo tot auf ein Rad ſetzen. 
Und wie das Urteil ergangen war, das ward alfo 
an den zweien Grafen den Moͤrdern vollbracht, 
wurden beide geradbrecht, das war ihr rechter Lohn, 
ſie hatten es wohl verdienet an dem frommen Ando⸗ 
loſia. Als nun die Moͤrder von des Seckels wegen, 
mit dem ſie doch eine kurze Zeit ihre Wolluſt gehabt 
hatten, auf die Raͤder gelegt und getoͤtet wurden, 
ſchickte der Koͤnig von Stund an ſein Volk in die 
Inſel Lymoſi, und ließ die einnehmen, Schloß, 
Staͤdt und Doͤrfer und die ganze Inſel und beſon⸗ 
der das Schloß, darinnen der gut Andoloſia gefan⸗ 
gen gelegen war, ließ darin fahen Weib und Mann, 
alle die um den Mord wußten, Schuld daran ge⸗ 


242 


habt und den Mord verſchwiegen hatten, die ließ er 
ohn alle Barmherzigkeit zum Schloß heraus hen⸗ 
ken. Er erfuhr auch, daß ſie den Leichnam Ando⸗ 
loſia in ein Waſſergruben nit fern vom Schloß ge⸗ 
worfen hatten, den ſchuf er heraus zu ziehen und 
gen Famaguſta zu fuͤhren mit großer Ehrwuͤrdig⸗ 
keit und brennenden Lichtern, daſelbſt einbegraben 
in die huͤbſche Domkirchen, die ſein Vater geſtift 
und gebauet haͤtte; ließ ihm auch halten großen Got⸗ 
tesdienft, Beſingnuß, und Seelenmeſſe am ſieben⸗ 
ten und am dreißigſten Tag, der Maßen als einem 
des maͤchtigſten und hoͤchſten Geſchlechts ſeines Koͤ⸗ 
nigreichs. Und waren bei ſeiner Beſingnuß der alt 
und jung Koͤnig, auch die alt Koͤnigin und die jung 
Koͤnigin Agrippina, die zumal leidig war um den 
getreuen Andoloſia. Und demnach ſie beide, Am⸗ 
pedo und Andoloſia, keinen Erben hinter ihnen ge⸗ 
laſſen hatten, nahm der Koͤnig den koͤſtlichen Palaſt 
ſelbſt ein und fand darin groß Gut und Koͤſtlichkeit 
von Hauszier, Kleinoden und Baarſchaft, und in 
denſelben Palaſt zog der junge Koͤnig, hielt alſo Hof 
zu Famaguſta bis zu Abſterben ſeines Vaters. 


Beidieſer Hiftoriaift uvermerken:haͤtte der junge 
Fortunatus im de betraͤchtliche Weisheit 
für den Seckel des Reichtums von der Jungfrau 
des Gluͤcks erwaͤhlt und begehrt, ſie waͤre ihm auch 


16* 243 


mit Haufen gegeben worden: denſelben Schatz ihm 
niemand haͤtte moͤgen entfuͤhren. Durch welche 
Weisheit und Vernunft er auch zeitlich Gut, ehr⸗ 
liche Nahrung und große Habe haͤtte moͤgen erlan⸗ 

en. So aber er ihm dazumal in ſeiner Jugend, um 

reud und Wolluſt willen, der Welt Reichtum und 
Gut am meiſten liebet und gefiele (als ungezweifelt 
noch von manchem ein ſolcher Seckel fuͤr aller Ver⸗ 
nunft begehret wird) ſchuf er ihm ſelbſt und ſeinen 
Soͤhnen Muͤhe und Bitterkeit der Gallen; und wie⸗ 
wohl ihnen etliche wenige Zeit ſuͤß und lieblich war, 
nahm es doch ein ſolch End, wie ihr hierinnen ver⸗ 
nommen habt. Demnach ein jeglicher, dem ſolche 
Wahl gegeben wuͤrde, bedenke ſich nit lang, folge 
der Vernunft, und nit ſeinem frechen, thoͤrichten 
Gemuͤt, und erkies Weisheit fuͤr Reichtum. Als 
auch gethan hat Salomon, dadurch er der reichſt 
Koͤnig der Erden worden iſt. Aber wohl iſt ner 
forgen, die Jungfrau des Gluͤcks, die ſolche Wahl 
ausgiebt und Fortunato den Seckel gegeben hat, ſei 
aus unſern Landen verjaget und in dieſer Welt nicht 
mehr zu finden. 


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ie Hiſtorie von Fortunati Gluͤckſeckel und 
Wunſchhuͤtlein wurde herausgegeben nach 
dem aͤlteſten erhaltenen Druck, Augsburg og, dem 
auch die Holzſchnitte entnommen ſind. ¶ Druck 
von der Offizin W. Drugulin in d de Druck⸗ 
anordnung und Einband von Richard? 3 
hundert Exemplare wurden auf echtem Buͤt⸗ 
ten abgezogen, coloriert, numeriert 
und in Leder gebunden. 


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