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Volksbuͤcher
herausgegeben von
Richard Benz
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Fortunatus!
Ampedo / Andoloſia. Wie ein Juͤngling / ge⸗
boren aus demͤoͤnigreich Cypern / mit Namen
ne in fremden / Landen in Armutund
end kam / und ihm in einem wilden Wald
die Jungfrau des Glücks in feiner Betruͤbniß
begegnet / ihm einen Seckel gab, dem nimmer
Gelds gebrach noch mangelte. Mit dem
Seckel er darnach mannig Land und Koͤnig⸗
reich durch wanderet / auch zu König Soldan
kam gen Alkeyr / der ihn zu Gaſt lud / und ihn
alle ſeine Schatzkoͤſtlichkeit und Kleinod ſehen
ließ / darnach ein alt haarlos Huͤtlein zeiget /
genannt das Wunſchhuͤtlein / das ihm Fortu⸗
natus entfuͤhret / darmit heim zu Land in Cy⸗
pern fuhr / ſich allda verheiratete / und nach
ſeinem Abſterben zween Soͤhne hinterließ /
mit Namen Ampedo und Andoloſia / die den
Seckel und das Huͤtlein von ihrem Vater erb⸗
ten. Was Fortunatus und nach ihm diegedach⸗
ten ſeine zween Soͤhne mit den zweien Klein⸗
oden Wunders geſtift und erfahren / Wolluſt
und Freud / auch Not und Arbeit bis in ihren
Tod erlitten haben / gar kurzweilig zu leſen.
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in Land genannt Cypern iſt eine Inſel und Koͤ⸗
nigreich gegen der Sonnen Aufgang im Meer
gelegen, faſt wonneſam, luſtig und fruchtbar aller⸗
hand edler natuͤrlicher Früchte; mannigem wiſſend,
der zu dem heiligen Land Jeruſalem gefahren und
im Fiben Königreich Cypern zu gelandet und da ge⸗
weſen iſt. Darinnen eine treffliche Stadt, genannt
amaguſta, in welcher Stadt ein edler Buͤrger altes
erkommens war geſeſſen, dem ſeine Eltern groß
ab und Gut gelaſſen hatten, alſo daß er faſt reich,
maͤchtig und darbei jung war, eines freien Mutes,
wenig betrachtet, wie ſeine Eltern zu Zeiten das
Ihre erſpart und gemehrt hatten. Und fein Ge⸗
muͤt war gaͤnzlich gericht auf zeitlich Ehr, Freud
und Wolluſt des Leibs, und nahm an ſich einen
koͤſtlichen Stand mit Stechen, Turnieren, dem Koͤ⸗
nig gen Hof zu reiten, und ander Sachen, damit
er großes Guts ledig ward. Seine Freunde wohl
konnten merken, daß er mehr ledig ward dann ſein
Nutzung ertragen mochte. Und gedachten ihm ein
Weib zu geben, ob ſie ihn von ſolchem ziehen moͤch⸗
ten, und legten ihm das fuͤr. Es gefiel ihm wohl, und
verhieß ihnen darin zu folgen. Und als er ſich ſol⸗
chem begeben, fingen die Freunde an zu forſchen
ihm um ein Gemahl. Alſo war ein edler Buͤrger in
der Stadt genannt Nicoſia, iſt die Hauptſtadt von
Cypern, da dann die Koͤnige von Cypern gemei⸗
niglich Hof halten, der hatte eine ſchoͤne Tochter,
1 F 1
genannt Graciana, die ward ihm vermaͤhlet, und
ward nicht weiter gefragt, wie er ein Mann waͤre,
ſondern von des Ruhmes wegen, fo er hätt, wie
er ſo reich und maͤchtig waͤr, ward ihm die Jung⸗
frau gar koͤſtlich heimgefuͤhret; und hielt da eine
koͤſtliche Hochzeit, als gemeiniglich 5 iſt,
daß reiche Leute ihren Reichtum und Herrlichkeit
inſonderheit auf ſolche Zeit beweiſen und erſcheinen
laſſen. Als nun die Hochzeit vollbracht und voll⸗
endet ward, maͤnniglich an ſeine Ruhe kam, nahm
der Buͤrger, der da genannt war Theodorus, die
Jungfrau, und lebet mit ihr gar freundlich und tu⸗
gendlich. Darab ſeine Freund und auch der Braut
Freund groß Wohlgefallen empfingen, vermeinten,
ſie haͤtten ein gut Werk vollbracht, daß ſie Theodo⸗
rum, der ſo wild war, mit einem Weib alſo zahm
haͤtten gemacht. Doch war ihnen unkund, was die
Natur an ſich hat, daß das nicht wohl zu wenden
iſt. Und indem ward Graciana ſchwanger eines
Sohns und gebar den, eh das Jahr nach der Hoch⸗
zeit auskam, darab aber zu beiden Teilen die Freunde
erfreut wurden. Der ward getauft und geheißen
Fortunatus, darum Theodorus ſich auch erzeigt ein
groß Wohlgefallen zu haben. Doch fing er an wie⸗
derum ſein alt Weſen zu haben mit Stechen, Tur⸗
nieren, viel Knechte, koͤſtliche Roſſe; ritt dem Koͤnig
zu Hof, ließ Weib und Kind, und fragt nit wie es
ging. Heut verkauft er einen Zins, den andern
2
95
Tag verſatzt er ein gelegen Gut. Das trieb er ſo
lang und viel, bis daß er nicht mehr zu verkaufen
und zu verſetzen hatte, und kam alſo zu Armut, hatte
ſeine jungen Tage unnuͤtzlich verzehrt, und ward ſo
arm, daß er weder Knecht noch Magd vermochte,
und mußte die gute Frau Graciana ſelber kochen
und waſchen als ein armes verkauftes Weib. Und
als ſie nun einmal zu Tiſch ſaßen und eſſen wollten,
en ſie gern wohl gelebt, wenn ſie es gehabt
Der Sohn ſaß vor dem Vater und der Va⸗
ter ſah den Sohn gar ernſtlich an und ward innig⸗
lich und von Grund ſeines Herzens ſeufzen. Das⸗
ſelbe erſah der Sohn, der war nun bei achtzehn
Jahren alt, und konnte nichts denn blos ſeinen Na⸗
men ſchreiben und leſen; doch konnt er wohl mit
dem Federſpiel und mit anderm Waidwerk, das
dann auch ſein Kurzweil war; der fing an und ſprach
zu ſeinem Vater: „O mein lieber Vater, was liegt
dir an oder was beweget dich zur Traurigkeit? =
b an dir gemerkt, wenn du mich anſiehſt, daß du
etruͤbt wirſt. So bitt ich dich lieber Vater, ſag
mir, hab ich dich erzuͤrnt in einerlei Weg, oder voll⸗
uhr ich mein Leben nicht nach deinem Willen, das
laß mich wiſſen, da ich doch des Willens bin, ganz
in deinem Willen zu leben. Der Vater hub an
und ſprach: „O lieber Sohn, darum ich traure,
daran haſt du kein Schuld, ich kann auch niemand
ſchuldigen; denn die Angſt und Not, darinnen ich
1* 3
bin, hab ich mir ſelbſt gemacht, und wenn ich gedenk
an ſo groß Ehr und Gut, ſo ich gehabt hab, und
daß ich ſo unnuͤtzlich deß ledig worden bin, das mir
meine Vordern ſo treulich geſpart haben, als ich
billig und von Rechts wegen auch gethan ſollt ha⸗
ben, und unſer alt Herkommen und Stamm in
Würde haben geſetzt, das ich leider nicht gethan hab;
und darum: wenn ich dich anſeh und gedenk, daß
ich dir weder helfen noch raten kann, das beſchwert
und bekuͤmmert mich ſo ſchwerlich, daß ich weder
Tag noch Nacht keine Ruh mag haben. Auch daß
mich alle die verlaſſen haben, mit denen ich mein
Gut ſo mildiglich geteilt hab, denſelben bin ich jetzt
ein unwerter Gaſt.! Und klaget alſo feine Not, da
er innen war, mit betruͤbtem Herzen.
¶ Wie Fortunatus mit dem Grafen von
Flandern / ohn Wiſſen von Vater und Mut⸗
ter von dem Land Cypern hinwegfuhr.
Der Sohn war betruͤbt um die Kuͤmmerniß ſei⸗
nes Vaters, hub an und ſprach: „O allerlieb⸗
ſter Vater, laß von deinem Trauern, und ſorge gar
nichts fuͤr mich. Ich bin jung, ſtark und geſund, ich
will gehn in fremde Lande und dienen. Es iſt noch
viel Gluͤcks in dieſer Welt, ich hoffe zu Gott, mir
werd ſein auch ein Teil. So haſt du einen gnaͤdigen
Herrn an unſerm Herrn Koͤnig, dem mach dich
4
unterwuͤrſig zu dienen, der verläßt dich noch mein
Mutter nit bis an euer End, und ſchaͤm dich deß nit,
ſo es die Notdurft heiſchet. Und ſorg gar nichts fuͤr
mich, du und mein Mutter habt mir genug ge⸗
than, daß ihr mich erzogen habet; darum ich euch
großen Dank ſag, und ſchuldig bin, mein Lebtag
Gott für euch zu bitten. Und ſtund alſo auf und
ging mit einem Federſpiel, ſo er haͤtt, aus dem
Haus, ging an des Meeres Geſtad, und gedachte
was er anfangen wollte, damit er nicht mehr kaͤme
für feinen Vater, daß er keine Beſchwerniß ab ihm
naͤhme. Und als er an dem Meer hin und her ging,
da hielt eine Galeere in dem Port, die war der Ve⸗
nediger Galeere, darauf die Pilgrim gen Jeruſa⸗
lem gefahren waren. Auf der Galeere da war der
Graf von Flandern, dem waren zween Knecht ge⸗
ſtorben, und als der Graf nit mehr Geſchaͤft haͤtt
bei dem Koͤnig, auch ſonſt der Patron fertig war
und man aufbließ, daß man G Schiffe ging und
weg fahren wollt, kam der Graf und viel ander
edler Leut mit ihm, um daß ſie in die Galeere kaͤmen
und die Schiffung nit verfaumten. Das ſah nun
der betruͤbt Fortunatus und gedachte: „O moͤcht
ich ein Knecht werden des Herren, mit — fahren
ſo fern, daß ich nit mehr gen Cypern moͤchte kom⸗
men! und gedacht: „Frag ihn, ob er nit eines Knechts
beduͤrfe !; ging gegen ihm und zog ab fein Barett
und neiget ſich gar ſchoͤn, darbei der Graf wohl
5 5
merket, daß er nit eines Bauren Sohn war; hub
an und ſprach: „Gnaͤdiger Herr, ich hab verſtan⸗
den, daß Euern Gnaden ſind Knecht abgangen, be⸗
darf Euer Gnad nit eins anderen?“ Der Graf
ſprach: „Was kannſt du? Er ſprach: „Ich kann
jagen, beitzen, und was zu Waidwerk gehoͤrt, und
darzu verſehen einen reiſigen Knecht, wann es zu
ſchulden kommt.! Der Graf ſprach: „Du waͤreſt
wohl mein Fug; aber ich bin von fernen Landen und
fuͤrcht, du zieheſt nit fo fern von dieſem Land.“ For⸗
tunatus ſprach: „O gnaͤdiger Herr, Ihr koͤnnt nit
ſo fern ziehen, ich wollt es waͤr viermal ſo fern. Der
Graf ſprach: „Was muͤßt ich dir zu Lohn geben?
Fortunatus ſprach: „Gnaͤdiger Herr, ich begehr kei⸗
nen Lohn, dann darnach ich dien, darnach lohnet
mir.“ Dem Grafen gefielen die Worte des Jungen
wohl und ſprach: „Nun will die Galeere gleich gehn,
biſt du fertig?” Er ſprach: „Ja Herr“ und warf
das Federſpiel ſo er auf der Hand haͤtt in die Luft,
ließ es fliegen, und ging ungeſegnet und ohn Urlaub
Vaters und der Mutter mit dem Grafen als ſein
Knecht in die Galeere, und fuhr alſo von Land und
haͤtt wenig baar Geld bei ihm. Und kamen in kur⸗
zer Zeit mit allem Gluͤck gen Venedig. Und als ſie
gen Venedig kamen, hatte der Graf von aller Herr⸗
lichkeit zu Venedig geſehn, daß ihn nit mehr viel hü-
ſtet, länger da zu bleiben, fein Begierde ſtund wie⸗
der zu ſeinem Land und zu ſeinen guten Freunden;
6 .
dann er auch des Willens war, fo ihm Gott wie⸗
der von dem heiligen Land Jeruſalem heim huͤlf,
wollte er ſich ein Gemahl nehmen, eines Herzogen
Tochter von Cleve, die jung und faſt ſchoͤn war, und
auch alle Ding abgeredt waren bis auf ſein Wie⸗
derkommen; darum er deſto mehr Begierde hatte
bald wieder zu Land zu kommen. Und ließ ihm
ferd kaufen, ruͤſt ſich zu; er kauft auch zu Venedig
choͤne Kleinode von Sammet und von Gold, und
ſonſt was zu einer koͤſtlichen Hochzeit gehoͤrt. Aber
ob er gleich viel Knechte hatte, konnte keiner Welſch
dann Fortunatus, und der war auch gar geſchickt
u dem Kaufen zu reden. Darab der Graf ein groß
ohlgefallen hatte und ihn lieb gewann. Das
merkt Fortunatus und fliß ſich je laͤnger je baß
ſeinem Herren zu dienen. Er war allweg der letzte
von ihm und am Morgen der erſte bei ihm, das
merkte der Herr an ihm. Und als man nun dem
Grafen viel Roſſe kauft haͤtt, darunter etlich Schel⸗
men waren (als dann gewoͤhnlich iſt, wo viel Roß
bei einander ſtehn, daß Schelmen darunter ſind)
die mußte man dem Grafen alle muſtern und er
teilte ſie unter ſeine Diener, und gab Fortunato
eins bei den beſten. Das ward die andern Knechte
verdrießen, und fingen gleich an, ihn zu haſſen, und
ſagte einer zu dem andern: „Sehet an, hat uns der
Teufel mit dem Walchen beſchiſſen.( Vermeinten
alle, um daß er Welſch koͤnnt, er waͤre ein Walch,
7
wie doch er aus Cypern und rechter Geburt ein
wohlgeborner Grieche war. Doch nit deſto minder
mußten ſie ihn mit ihrem Herren reiten laſſen und
durfte ihn keiner gegen den Grafen verſagen oder
verunglimpfen. Alſo kam der Graf mit Freuden
heim und ward gar ehrlich empfangen von allem
ſeinen Volk, denn ſie hatten ihn gar lieb, er war ein
frommer Graf, der ſeine Unterthanen auch lieb
hatte. Und als er nun zu Land kommen war, da
kamen die Umſaſſen und ſeine guten Freund und
empfingen ihn gar ſchoͤn, und lobten Gott, daß er
eine ſo ſelige Reiſe vollbracht haͤtte, und fingen an
mit ihm zu reden von der Gemahlſchaft wegen, wie
dann zuvor davon geredet war. Das gefiel ihm
wohl, und bat und begehrt, daß man die Sache
vollende, das auch in kurzen Tagen geſchah, und
ward ihm des Herzogen Tochter von Cleve ver⸗
maͤhlet. Da ward zugericht eine große und koͤſtliche
Hochzeit, davon viel zu ſchreiben waͤr, dann da ka⸗
men viel Fuͤrſten und Herren auf die Hochzeit. Alſo
ward geſtochen, geturnieret und ſcharf gerennt,
und ander Ritter ſpiel getrieben vor den ſchoͤnen
und edelen Frauen, ſo dann die Fuͤrſten und Her⸗
ren mit ihnen da hin hatten gebracht, und die zuvor
da waren. Nun, wieviel da Fuͤrſten und Herrn
edler Knecht oder ſonſt Diener mit ihnen auf die
Hochzeit Den hatten, ſo war doch keiner unter
ihnen, deß Dienſt und Weſen gemeiniglich Frauen
8
und Mannen baß gefiel, dann Fortunatus, und
fragten den Grafen, von wannen ihm der hoͤflich
Diener kaͤm. Er ſagt ihnen, wie er zu ihm ſei kom⸗
men auf der Wider fahrt von Jeruſalem, und ſagt
ihnen, wie er ſo ein guter Jaͤger waͤre, die Voͤgel
in der Luft und die Tier in den Waͤlden waͤr kei⸗
nes ſicher vor ihm, zu dem daß er ſonſt wohl dienen
koͤnnte, und jedermann halten nach dem er waͤre.
ige ſolch Lob, das ihm ſein Herr gab, ward ihm
iel geſchenkt von Fuͤrſten und von Herren und von
edlen Frauen.
4
* -
—
¶ Wie Fortunatus im Stechen und Turnier
bei ſeines Herren Hochzeit in Flandern das
Beſte thaͤt / und beide Kleinode gewann.
ls nun die Fuͤrſten und Herren geſtochen hatten,
ward zu Rat der Herzog von Cleve und der
Graf, ſein Tochtermann, ſie wollten der Herren
Dienern, ſo auf der Hochzeit waͤren, zwei Kleinode
ausgeben, darum ſollten ſie ſtechen und ſollten ſich
in vier zerteilen, ſollten die zween Teil auf den einen
Tag ſtechen, und die andern zween Teil des andern
Tags, und wer je das Beſte that, der ſollte der Klein⸗
ode eines haben genommen, der eines bei hundert
Kronen wert war. Der Herren Diener waren all
froh, hatte jeder eine gute Hoffnung, er woͤllt das
Beſte thun, und waren der Diener ſo viel, die ſtechen
9
wollten, daß ihrer wohl achtzig waren, daß je zwan⸗
zig wider einander ſtachen. Unter denen war For⸗
tunatus auch einer mit ſeines Herrn Wiſſen und
Willen; und als ſie den erſten Tag ſtachen, da ge⸗
wann den Preis des Herzogen von Brabant Diener
einer. Und als ſie des andern Tags ſtachen, aber
zwanzig wider zwanzig, da gewann Fortunatus
2 u, i
den Preis. Da die das hörten, alle die geſtochen
hatten, auch die andren fo nit geſtochen hatten,
der viel mehr war, dann die geſtochen hatten, da
hatten ſie alle gemeiniglich ein großes Mißfallen
darab, daß Fortunatus das eine Kleinod gewonnen
atte, und baten alle Timotheum, des Herzogen von
Brabant Diener, der dann das eine Kleinod ges
1
W
10
wonnen hatte, daß er ſich dem Walchen, dem For⸗
tunato, ausböt, mit ihm zu ſtechen, und fein Kleinod
an das ſeine ſetzte; das wollten ſie alle und jeder
inſonderheit um ihn verdienen. Timotheus konnte
die Bitte, ſo an ihn gelegt ward, von ſo viel guter
Geſellen wegen nit wohl abſchlagen, und entbot
Fortunato, wie er ſein Kleinod an das ſeine ſetzen
wollte, und wollt mit ihm darum ſtechen vor den
Frauen und Jungfrauen, und welcher das Beſte
thaͤt, der ſollte die Kleinode beide haben. Da For⸗
tunatus das vernahm, bedacht er ſich nit lang, wie⸗
wohl er zuvor nit mehr geſtochen hatte, und ſaget
ihm das zu. Dieſe Maͤr kam fuͤr die Herren, wie daß
Timotheus und Fortunatus mit einander ſtechen
wollten um ihre Kleinode. Das hoͤrten ſie gern.
Und alſo ruͤſteten fie ſich gleich und kamen auf den
Plan, und ritten mannlich auf einander, und hatt
jeder gern das Beſte gethan. Doch am vierten Ritt
rannte Fortunatus den Timotheus hinter ſeinen
Gaul einer Lanze lang, und gewann da die zwei
Kleinode, die zweihundert Kronen wohl wert wa⸗
ren. Da hub ſich erſt groß Neid und Haß, und aller⸗
meiſt unter des Grafen von Flandern Dienern. Aber
der Graf ſah es faſt gern, daß ſeiner Diener einer
die Kleinode gewonnen hatte, und haͤtt gemeint, alles
ſein Hofgeſind ſollt es gern geſehn haben, und ihnen
lieber geweſen ſein, denn daß ein Fremder die Klein⸗
ode weggefuͤhret haͤtt. Der Graf wußte aber nicht
11
um den Unwillen, fo feine Diener gegen Fortuna⸗
195 hatten; ſo durfte es auch keiner dem Grafen
agen.
Nun war ein alter Liſtiger unter ihnen, hieß Ru⸗
pert, der ſprach: Haͤtte er zehn Paar Kronen, ſo
wollt er ſich unterſtehn und den Walchen darzu
bringen, daß er ſelbſt eilends wuͤrd hinweg reiten,
ohne Urlaub ſeines Herrn und maͤnniglichs, und
wollte das alſo zuwegen bringen, daß unter ihnen
keiner dardurch ſollte verargwohnet werden. Sie
ſprachen alle zu ihm: „O lieber Rupert, kannſt du
das, was feierſt du dann?“ Er ſprach: „Ich kann
es nit zuwegen bringen ohne Geld.“ Und ſprach:
„Nun gebe jeder eine halbe Krone, und bring ich
ihn nit ab dem Hof, ſo will ich jedem eine ganze Kron
dafuͤr wieder geben.“ Sie waren alle willig, und
welcher ſie nit baar hatte, dem liehen die anderen,
alſo daß ſie fuͤnfzehn Kronen zuwegen brachten und
gaben die dem Rupert. Der ſprach: „Nun rede mir
niemand in kein Sach und thu jedermann wie zu⸗
vor in allen Sachen.“ Dasſelbe verhießen ſie 10
alle zu thun. Alſo fing Rupert an und geſellet ſich
zu Fortunato und ward gar freundlich mit ihm re⸗
den und ihm von alten Geſchichten ſagen, ſo dann
in den Landen waren geſchehn, und wie ein Herr
dem andern ſein Land abgewonnen haͤtt; war auf
die Meinung, er haͤtt einen gnaͤdigen Herrn, bei
dem er ſein Lebtag moͤchte bleiben, ſo waͤre ihm auch
12
not, von alten Sachen zu wiſſen. Er faget ihm auch
viel von ſeiner . und fing an und fuͤhrt
chn zu ſchoͤnen Frauen, die er auch gar gern ſah,
und wo ſie alſo hin kamen, ſo ſandte Rupert all⸗
wegen aus nach Wein und nach anderm guten Ge⸗
ſchleck, als dann Rupert wohl wußte was zu ſol⸗
chen Hofſtuben gehoͤrt; und war ihn ſehr loben, wie
er faſt reich und edel waͤre, das nun Fortunatus wohl
leiden mochte. Nun wenn ſie von den Hofſtuben
heim kamen, ſo ging Fortunatus uͤber ſeinen Seckel
und wollte ſeinen Teil des ausgebenen Gelds be⸗
zahlen. So wollte Rupert kein Geld von ihm neh⸗
men und ſprach, er waͤre ihm lieber denn keiner ſei⸗
ner Bruͤder, und was er haͤtte, das goͤnnet er ihm,
und ſolcher guter Worte gab er ihm viel. Rupert
wußte auch wohl, daß die Walchen nicht gern Geld
ausgeben und meint, er koͤnnte nit wohl einen
ern Schick anfahen, dabei man groͤßer Treu
ſpuͤrte, dann fuͤr den andern Geld ausgeben. Nun
trieben ſie das gar viel und oft bis Rupert ſchier kein
Geld mehr hatte. Nun die andern, des Grafen Die⸗
ner, wurden inne, daß Rupert und Fortunatus zu
den Hofſtuben gingen und alſo wohl lebten, da ſagt
einer zu dem andern: „Meinet Rupert Fortuna⸗
tum mit dem Leben von hinnen zu bringen? Ja,
waͤre er jenhalb dem Meer zu Cypern und wuͤßte
ſolch Leben hie, er gedaͤchte ihm bald, wie er her kaͤme.
Fuͤrwahr, thut Rupert nicht, was er uns verheißen
13
hat, er muß uns dreißig Kronen geben, und follte
er nit mehr auf Erden haben.’ Die Wort wur:
den Rupert geſagt, der ſpottete ſeiner Geſellen und
ſprach: „Ich weiß ſonſt nit einen guten Mut zu ha⸗
ben, dann mit eurem Geld.“ Doch als ſie das Geld
gar verbraucht hatten, an einem Abend faſt ſpat, da
ſich der Graf mit ſeinem Gemahl an die Ruh ge⸗
macht hatte und nun niemand auf den Dienſt war⸗
ten mußte, kam Rupert zu Fortunato in ſeine Kam⸗
mer und hub an und ſagt zu Fortunato: „Mir iſt
etwas in dieſer Stunde ins geheim geſagt worden
von meines Herren Kanzler, der da inſonderheit
mein guͤnſtiger und guter Freund iſt, und wiewohl
er mir das gar teur und hoch verboten hat als lieb
mir feine Freundſchaftſei, jedoch ſo kann und magich
es dir als meinen guten Goͤnner und Liebhaber nit
verhalten, wann es ein Sach iſt, die dich auch antref⸗
fen moͤcht, und iſt das die Sach: als du wohl weißt,
wie unſer Herr der Graf ihm ein edles und ſchoͤn
Gemahl genommen und dazu viel ſchoͤner Frauen
und Jungfrauen in ſeinem Frauenzimmer hat, iſt
ihm eine Fantaſey eingefallen und ſorget ſeines Ge⸗
mahls, auch der andren, ſo dann in dem Frauen⸗
zimmer bei ihr ſeind, vor denjungen Kaͤmmerlingen
ſo ihnen dann dienen, wiewohl er in der Hoffnungiſt,
ſie ſeien ſo ehrſam, daß ſie um kein Sach begehren
Unehrliches zu thun. So liegt ihm doch im Sinn,
wie es ſo ein blind Ding iſt um die Liebe, und wenn
14
die angezuͤndt wird und entbrinnet, wie hart die zu
erloͤſchen iſt. Dann zwei liebhabende Menſchen, die
in ganzen Treuen einander lieb haben, kann nie⸗
mand ſcheiden dann allein der Tod. Und um ſol⸗
chem fuͤrzukommen, ſo iſt ihm geraten, iſt das
ganz auch ſein Meinung, und hat ſich das fuͤrge⸗
nommen zu thun, daß er morgen will reiten gen
Lauffen, iſt eine große Stadt, und iſt auch da ein
Bistum und Univerſitet, das iſt ein hohe Schul, da
hat er zu rechten mit einem Grafen um eine große
Sach, um Land und Leut, und wird koͤſtlich zu dem
Rechten kommen, und alle ſeine Diener mit ihm
nehmen, dann er weiß wohl, daß der Graf von Sant
Poll, ſo wider ihn iſt, auch koͤſtlich kommen wird.
Und die weil er alſo da fein wird, fo will er die vier
Frauendiener laſſen verſchneiden, es ſei ihnen lieb
oder leid. Dann es iſt gar ein guter Meiſter zu Lauf⸗
fen. Und will das alſo zuwegen bringen, daß deren
keiner es von dem andern inne werden muß, und iſt
ſein Fuͤrnehmen: ſo bald er gen Hof kommt, ſo will
er den Meiſter beſtellen, daß er drei oder vier gut
ſtark Knechte beſtell, und auch dazu vier Bauren⸗
haͤuſer an der Einoͤde, ſo wolle er ihm ſeiner Die⸗
ner vier ſenden, alle Tag einen, und dem ein Pferd
geben, das er ſeinem Gemahl bringen ſoll, alsdann
ſo ſoll er auf einen jeglichen am Morgen warten,
und ſie fahen und mit Gewalt fuͤhren, ihrer jeglichem
beide Glieder, oder, daß man es deſter baß verſteht,
15
beide Hoden ausſchneiden, . gar guͤtlich thun,
und gar keinen Mangel laſſen, guten Fleiß brau⸗
chen, daß ſie gar wohl geheilet werden. Und ſoll
auch das niemand ſagen, noch daß es einer von dem
andern innen werde, und ſo ſolches geſchehen iſt, ſo
wird er ſie wieder heim fuͤhren und in das Frauen⸗
zimmer thun und den Frauen laſſen dienen wie zu⸗
vor. Auch fo will er feinem Gemahl ſolches fagen,
und ihr verbieten, daß ſie es heimlich haͤlt; ſo weiß
er wohl, daß ſie es ihrer oberſten Kaͤmmerin ſagen
wird, und alſo darnach je eine der andern, bis ſie es
alle innen werden. Und damit ſo vermeint er fuͤr⸗
zukommen, daß kein Eingang fuͤrohin entſpringe
der Liebe in ſeinem Frauenzimmer. Dann er wiſſe
wohl, daß keine Frau keinen verſchnittenen oder ho⸗
denloſen Mann moͤge lieb gewinnen, dann es ganz
wider die Natur iſt.“ Da Fortunatus die Wort
vernahm, erfchraf er zumal ſehr, und ſprach, ob er
keinen Ausgang aus der Stadt wuͤßte, ſo wollt er
ihn bitten, daß er ihm den weiſet, er wollt von Stund
an hinweg und ſeines Herrn Fuͤrnehmen nit er⸗
warten: „Und gaͤb er mir all ſein Gut und koͤnnte
mich zum Koͤnig in Engelland machen, ſo will ich
ihm keinen Tag mehr dienen; darum lieber Rupert,
hilf und rat, daß ich hinweg komme.“ ert
ſprach: „Wiſſe, lieber Fortunatus, die Stadt iſt an
allen Orten beſchloſſen und kann niemand weder ein
noch aus kommen bis morgen fruͤh, ſo man Metten
16
lautet, fo ſchließt man das Thor auf, genannt Porta
de Vacha, das iſt die Kuͤhpfort, die ſchleußt man am
fruͤheſten auf. Aber lieber Fortunatus, wenn es
um mich ein ſolch Geſtalt hatt als um dich, fo
wollte mich ſolches nit faſt wideren, dann du waͤreſt
ein gemachter Junkherr dein Lebtag, und ich wollte,
daß man mich zu ſolchem aufnaͤhme, wollt mich
gar nicht bedenken und mich darein geben.“ For⸗
tunatus ſprach: „Wer ſolches begehr, ſo woͤlle
Gott, daß es ihm widerfahr, ich will nichts davon
N ſagen, und der mir die Wahl gaͤbe, ob ich mich
ef ausſchneiden, daß ich Koͤnig zu Frankreich waͤre,
oder unverſchnitten muͤßt betteln gehn mein Leb⸗
tag, ſo beduͤrft ich keines Rats noch darauf mich
a" bedenken. Ich wollte eh betteln gehn, und eine
acht nicht liegen, da ich die anderen gelegen wär.”
(Wie Fortunato ein Grauſen gemacht
ward / daß man ihn kapponen wuͤrd / deß⸗
halben er heimlich hinwegfloh.
Riwert ſprach: „Mir iſt leid, daß ich dir dieſe
Dinge offenbaret hab, fo ich verſteh, daß du alſo
von hinnen willſt; dann ich hab all mein Hoffen auf
dich gehabt, daß wir als Bruͤder wollten mit ein⸗
ander gelebt haben und unſre Zeit mit einander ver⸗
trieben. So du aber des Willens biſt, daß du je von
binnen willſt, fo laß mich doch durch Geſchrift wiſ⸗
2 F 17
fen, wo du dein Weſen haben willſt. So dann unfer
Herr ſein Frauenzimmer verſehen hat mit ver⸗
ſchnittenen Kaͤmmerlingen, wollt ich dir ſchrei⸗
ben, fo moͤchteſt du dann wiederkommen. Denn mir
zweifelt nit, du habeſt allweg einen gnaͤdigen Her⸗
ren.! Fortunatus antwortet gar ſchnell und ſprach:
„Du ſollſt mir weder ſchreiben noch entbieten, und
dieweil ich leb, ſo komm ich an den Hof nit mehr,
und ich bitte dich, du wolleſt es nit offenbaren, daß
ich alſo von Land geritten ſei, ich ſei denn zuvor drei
Tage hinweg geweſen.“ Rupert ſprach zu Fortu⸗
nato: „Ich gelob dir das ſicherlich !; und nahm alſo
Urlaub von ihm und ſtellt ſich gar klaͤglich, als ob
er trauren wollt, ſprechend: „Die Gnade Gottes
18
und das reine Herz Mariä der reinen Magd, und
der Segen aller Gottes Heiligen, die woͤllen dich ge⸗
leiten und in allen deinen Geſchaͤften mit dir ſein
und dich vor allem Herzleid behuͤten“; und ſchied
alſo von ihm. O was guter Wort gingen da aus
einem falſchen Herzen! O Judas, wie haſt du ſo viel
Erben hinter dir gelaſſen! Alſo ſchied Rupert von
Fortunato. Es war nunum Mitternacht, daß da ge⸗
meiniglich jedermann ſchlaͤfet. Fortunato war kein
Schlafen in ſeinem Sinn, ihn daͤucht eine Stund
eines Tags lang, dann er beſorget, wuͤrde der Graf
innen, daß er hinweg wollte, er wuͤrde ihn laſſen fa⸗
hen, und wartet mit Angſt und mit Not, bis daß
der Tag her brach; da war er auf geſtiefelt und ge⸗
ſpornt, und nahm ſein Federſpiel und Hund, als ob
er auf das Gejaͤg reiten wollte, und ritt alſo eilends
hinweg, eilet ſo ſehr: und waͤr ihm ein Aug ent⸗
fallen, er haͤtte es nit mehr aufgehoben. Und als er
bei zehn Meilen geritten war, da kaufet er ein ander
ferd, und ſaß auf, und ritt eilends fuͤrbaß. Doch
o ſandte er dem Grafen ſein Roß, Hund und Feder⸗
ſpiel alles wieder heim, daß er nit Urſach haͤtt, ihm
nachzuſenden. Da nun der Graf innen ward, daß
Fortunatus hinweg war 1 — Urlaub, und er ihm
keinen Unwillen bewieſen hatte, auch hatte er ihm
keinen Sold gegeben, da nahm es ihn fremd, und
fragt die Diener all und jeglichen in Sonderheit,
ob keiner wiſſet, was doch die Urſach waͤre ſeines
2* 19
Hinſcheidens. Sie fagten alle, fie wuͤßten es nicht,
und ſchwuren alle, fie hätten ihm kein Leid gethan.
Der Graf ging ſelber zu ſeinem Gemahl in das
Frauenzimmer und fraget ſie und die andern all,
ob ihm jemand etwas Verdruß gethan haͤtt, oder
jemand wuͤßte, was die Urſach waͤr ſeines Weg⸗
ſcheidens ohn Urlaub. Sein Gemahl und die an⸗
dern alle ſagten, ſie wuͤßten nit, daß ihm kein Leid
geſchehen waͤre, weder mit Worten noch mit Wer⸗
ken; dann am Abend, als er von ihnen gangen
waͤr, da waͤr er froͤhlich geweſen und haͤtt ihnen
von ſeinem Land geſagt, wie die Frauen da gekleidet
gingen, und von andern Sitten und Gewohnheiten
„und ſagte das mit ſo boͤſem Teutſch, daß wir das
Lachen nit konnten verheben. Und da er uns lachen
ſah, fing er auch an zu lachen, und mit lachendem
Mund iſt er von uns gefchieden.”’ Der Graf ſprach:
„Kann ich es jetzt nit innen werden, warum Fortu⸗
natus alſo hinweg iſt, ſo werd ich es hienach innen.
Und fuͤrwahr, werde ich innen, daß etwa der Mei⸗
nen einer Urſach iſt ſeines Hinwegſcheidens, er ſoll
es mir entgelten. Denn ohne Urſache iſt er nit alſo
von hinnen geſchieden, ich weiß, daß ihm bei fuͤnf⸗
hundert Kronen vorgeſtanden ſind, dieweil er hie
geweſen iſt, und ich hatt gemeint, er haͤtte ſein Leb⸗
tag nit von hinnen begehrt. Ich verſtehe aber wohl,
daß er nit Mut hat, herwieder zu kommen, ſo er ſeine
Kleinode und was er Gutes hat, mit ihm hinweg
20
genommen hat. Da nun Rupert verſtund, wie ſei⸗
nem Herren ſo leid um ihn war, da fiel ihm eine
Furcht ein, und hatte Sorg, ſeiner Geſellen einer
moͤcht etwan ſagen, wie Rupert ihn weggeſchafft
und ging zu allen und jedem inſonderheit, bat
daß ſie nimmer meldeten, daß er ein Urſacher
waͤr ſeines Hinwegſcheidens; das gelobten ſie ihm
gar treulich, doch haͤtten ſie gern gewußt, mit was
Liſtigkeit er ihn darzu gebracht haͤtt, daß er ſo eilends
und ohn Urlaub, als ob er etwas Merkliches ge⸗
haͤtte, weg geflohen waͤr. Da war einer unter
ihnen, der da für die andern wohl an Rupert war,
lag ihm an mit Fragen, haͤtte gern gewußt, wie er
ihn hinweg gebracht haͤtt. Da er nit ablaſſen wollte
von Fragen, ſagt er ihm, wie Fortunatus ge⸗
ſagt haͤtt das Weſen ſeines Vaters, wie er zu Ar⸗
mut kommen waͤr, und an des Koͤnigs Hof von
Cypern dienete; „habe ich ihm geſagt, wie ein rei⸗
tender Bote eilends ritte zum Konig von Engelland,
ihm zu fagen, wie der König von Cypern tot fei,
dann ſie waͤren geborene Freund, und der hab mir
geſagt, wie der Koͤnig bei Leben und geſundem Leib
Theodorum, ſeinen Vater, habe gegraͤfet und ihm
eine Grafſchaft gegeben eines Grafen, hieß Graf
Anſelmus von Teratzino, der iſt geſtorben 55 Lei⸗
beserben; und alſo waͤr Theodorus der erſte, der
den König um das Lehen baͤte, da es dem König
heimgefallen war, und alſo haͤtt ihm der Koͤnig die
21
Grafſchaft gleich gegeben, ihm und feinen Erben,
und ihn mit Brief und Siegel darum verſorgt nach
aller Notdurft. Da ich das ſaget, gab er meiner
Red nit viel Glaubens, denn daß er ſprach: Ich
wollte gern, daß es meinem Vater wohl ginge.“
Doch auf ſolches iſt er weg geritten. Da die andern
Diener die Rede vernahmen, ſprach einer zu dem
andern: „Wie iſt Fortunatus ſo unweis geweſen,
waͤr ihm ein ſolches Gluͤck zugeſtanden und er haͤtte
das unſerm Herren geſagt, er haͤtte ihn an ehr⸗
lich zugeruͤſtet und unſer drei oder vier mit ihm ge⸗
ſandt, und waͤre wohl mit großen Ehren von hin⸗
nen kommen und haͤtt einen gnaͤdigen Herren fein
Lebtag gehabt, was ihm zugeſtanden war.”
¶ Wie Fortunatus gen Lunden kam.
Nun laſſen wir den Grafen mit ſeinen Dienern,
der da ganz unwiſſend war, wie Rupert mit
Luͤgen umgangen war, und vernehmen, wie es
Fortunato fuͤrbaß gegangen iſt. Als er ein ander
Roß kauft und ſeinem Herrn das ſeine wieder
ſandt, u er noch allzeit Sorg, man eilte ihm
nach. Hatt er zuvor faſt geeilt, fo eilet er noch
feſter, bis er kam gen Calis, da ſaß er in ein Schiff
und fuhr in Engelland, dann er forcht das Kap⸗
ponen ſo ſehr, daß er nit getrauet ſicher zu ſein
dieshalb dem Meere. Und als er nun in Engel⸗
22
land kam und vermeint nun ficher zu fein, fing er
an wieder gutes Muts zu werden, und kam alſo in
die Hauptſtadt von Engelland genannt Lunden, da
nun von allen Orten der Welt Kaufleut liegen und
da ihr Gewerb treiben. Da war auch eine Galeere
von Cypern dahin kommen mit koͤſtlicher Kauf⸗
mannſchaft und viel Kaufleute damit, darunter wa⸗
ren zween junge, die reiche Vaͤter in Cypern hatten,
die ſie auf der Galeere auch gen Lunden ſandten und
ihnen viel koͤſtlichen Kaufmannſchatz befohlen; ſie
waren auch zuvor nimmer aus geweſen, und wuß⸗
ten nit viel, wie man ſich regieren und halten ſoll in
fremden Landen dann ſoviel ſie von ihren Vaͤtern
gehoͤrt, die 2. gute Unterweiſung gegeben hat⸗
ten; wären fie ihnen gefolget! Da nun die Galeere
mit dem Kaufmannſchatz abgeladen ward und dem
Koͤnig der Zoll gegeben war, daß ein jeder mochte
kaufen und verkaufen, fingen diezween Jungen auch
an ihre Kaufmannſchaͤtze zu verkaufen und loͤſten
baar Geld und deß ein großes Teil. Darab ſie Freude
empfingen, dann ſie nit gewohnt waren mit baa⸗
rem Geld umzugehn. Zu denen kam Fortunatus
und empfingen einander gar ſchoͤn in fremden Lan⸗
den, und wurden gut Geſellen, und fanden gleich
eine unnuͤtze Rotte von Buben, zu denen ſie ſich ge⸗
ſellten, die wußten die Leut zuzurichten mit fchö-
nen Frauen, mit Spielen, mit Wohlleben, darbei ſie
auch wohl waren, und Schenkung von ihnen nah⸗
93
men, dieweil fie auszugeben hatten. Sie lebten alſo
in Freuden, und wenn einer einen ſchoͤnen Buhlen
uͤberkam, ſo wollte der ander noch eine huͤbſchere
haben, es koſtete was es wollte. Das trieben ſie bei
einem halben Jahr. Da begann es nahen, daß ſie
nit viel baar Geld mehr hatten. Doch war einer
mehr los worden dann der ander.
¶ Wie Fortunatus zu boͤſer Geſellſchaft
kam / mit denen und mit leichten Frauen all
ſein Geld verthaͤt / und darnach viel Armut
leiden mußt.
ortunatus, der haͤtt am mindeſten, der ward
Oauch am erſten gerecht: er war feine Kleinod
und alles los worden. Deßgleichen die andern, was
ſie zu Lunden geloͤſt hatten, war alles verthan mit
ſchoͤnen Frauen, und die ſchoͤnen Frauen teilten
es mit den Buben, teilten es ſo lang und viel, bis
doch Fortunato und ſeinen Geſellen kein Geld im
Seckel blieb. Da meinten ſie, ihre Buhlen ſollten
ſie noch einlaſſen und froͤhlich mit ihnen ſein wie zu⸗
vor, und auch ausgeben, wie ſie gethan hatten; da
ward aber nichts daraus: ſie beſchloſſen die Thuͤre
vor ihnen zu, und ſpotteten ihrer zu den Fenſtern
aus, und ſprachen: „Wenn ihr mehr Geld habet, fo
moͤget ihr wohl wieder kommen, habet ihr aber nit
Geld, ſo geht auf die Galeere und fahret wieder, von
24
dannen ihr her kommen ſeid. !“ Ihre Gefellen, die
ihnen nachgangen waren und ſie Junkherren ge⸗
heißen hatten, die ſpotteten ihrer, und einer ſprach
Be der ob zweitauſend Kronen mit feinem
Buhlen ohn worden war: „Was Junkherr biſt
du, da du nit mehr Geld hatteſt denn ſoviel, was
wollteſt du anfangen?” Der andre ſprach zu die⸗
ſem: „Was Junkherr biſt du? Meineſt du, man
moͤg dich allweg hie haben um zweitauſend Kronen
willen?“ Der Dritt ſprach zu Fortunato: „Wie
biſt du ein Narr, da du nit mehr dann fuͤnfhundert
Kronen hatteſt, daß du ſie nit an anderen Kauf⸗
mannſchatz gelegt haſt, denn daß du ſie den thoͤrich⸗
ten Frauen angehaͤngt haſt. Haͤtteſt du gemach ge⸗
25
than, fie wäre bei dir gelegen um einen Stotter“; iſt
zween Ben ch wert. Indem fo waren die Kauf⸗
leut von Cypern geruͤſt mit Kaufen und Verkau⸗
fen, und richtet ſich der Patron, hinweg zu fahren,
und daß jedermann laden ſollt, was er zu laden
haͤtt; denn an einem beſtimmten Tag wollt er hin⸗
weg fahren. Alſo gingen die zween jungen Kauf⸗
leute in ihre Herberg uͤber ihre Rechnung, und
fanden wohl, daß fie viel Gelds gelöft hatten; aber
was ſie wieder um das Geld kaufen ſollten, nach
ihres Vaters Verſchreibung, das war aber kein
Geld, es war alles um naſſen Zucker gegeben wor⸗
den, und waͤre ſein mehr geweſen, es waͤre alles
dahingegangen. Sie ſaßen auf die Galeere und
fuhren wieder heim ohne Kaufmannſchatz: und wie
ſie von ihren Vaͤtern empfangen wurden, das weiß
ich nit, doch verſeh ich mich, ſie wurden nit wohl
empfangen, da ſie nit eine gute Rechnung mit heim⸗
brachten.
Als Fortunatus allein war ohne Geld, gedachte
er ihm: haͤtt ich zwei oder drei Kronen, ſo wollt
ich nach Frankreich, etwan fand ich einen Herrn;
und ging alſo wieder zu ſeinem Buhlen, bat ſie, da
ſie ihm zwei oder drei Kronen liehe, er wollt in
Flandern zu einem Vetter, der haͤtt vierhundert
Kronen, die wollte er holen und erſt einen guten
Mut mit ihr haben. Sie ſprach: „Weißt du Geld
zu holen, das magſt du wohl thun, doch mir ohne
26
Schaden. Dabei er wohl verſtund, daß er keines
Geldes da warten war, gedacht ihm: „Haͤtt ich
mein Geld wieder, ich wollte es nit mehr dahin zu
behalten geben“; und ſprach: „Liebes Kind, ſend
uns um einen Wein, laß uns doch eins mit einander
trinken. Sie ſprach zu ihrer Magd: „Geh, bring
ihm eine Pinte Bier und laß den Eſel ſaufen.“ Das
war der Dank, den er um ſie verdient haͤtt. Da For⸗
tunatus alſo verlaſſen war, gedacht er ihm: „Ich
muß dienen fo lang, bis daß ich zwei oder drei Kronen
uͤberkomm“ und ging des Morgens an den Platz,
den man nennt die Lombarder Straße, da maͤnnig⸗
lich zuſammenkommet, und fragt allda, ob jemand
eines Knechtes beduͤrfte. Da war gar ein reicher
Kaufmann von Florentz, der gar koͤſtlichen Hof hielt,
da er das alles brauchte in ſeinem Gewerbe und
Handel; der dinget Fortunatum und verhieß ihm
zwo Kronen einen Monat zu geben fuͤhrt ihn mit
ihm heim. Da fing er gleich an, zu Tiſch zu dienen;
dabei der Herr im Haus (hieß Jeronimus Ro⸗
berti) wohl ſah, daß er mehr bei ehrſamen Leuten
eweſen war. Fing an und ſandt ihn, daß er Gut
ihrer, in die Schiffe zu laden, und wenn Schiffe
kamen, die zu entladen, dann die großen Schiff konn⸗
ten bei zwanzig Meilen nicht zu der Stadt kommen:
doch fo fahrt man von der Stadt auf einem ſchiff⸗
reichen Waſſer bis in das Meer, dasſelb Waſſer
heißet Tynis. Und was er ihm alſo befahl, voll⸗
27
endet er gar wohl, Nun in den Dingen war ein
Florentiner, eines reichen Mannes Sohn, dem fein
Vater groß Gut geben und ihn damit gen Prugk
in Flandern geſandt haͤtt, das er auch gar in kurzer
Zeit unnuͤtzlich verthaͤt. Ihm genuͤget nit an dem⸗
ſelben, er nahm auch Wechſel auf ſeinen Vater,
dem er ſchrieb, er wollte ihm viel Gut ſenden, daran
er groß gewinnen moͤcht, das der gute Vater glaubte,
und zahlt alſo fuͤr den Sohn ſo lang und viel, bis
daß er nichts mehr hatte, und wartet faſt auf die
Kaufmannſchaͤtz, ſo ihm ſein Sohn ſenden ſollt.
Er mochte wohl lang warten, der Bube hatte ſich
ſelbſt und ſeinen Vater ganz verderbet, als noch
mancher Sohnthut denen Vaͤtern, die ihnen zu wohl
vertrauen, und zu viel glauben auf ihre Soͤhne.
Da nun der Bub (hieß Andrean) gar nichts mehr
hatte und auch den Glauben verloren hatt unter
den Kaufleuten, auch unter Huren und Buben,
daß ihm niemand weder leihen noch geben noch
borgen wollt, gedacht er ihm, er wollt gen Flo⸗
rentz, da faͤnde er etwan eine alte Witwen, mit der
er ſich heraus reißen wollt. Und als er nun heim⸗
waͤrts ging, kam er in eine Stadt in Frankreich,
heißt Tours in Touraine; da lag ein reicher Edel⸗
mann gefangen, der war von Lunden aus Engel⸗
land. Das hoͤrte er von ſeinem Wirt und ſprach:
„Lieber Wirt, moͤchte ich nit zu dem gefangenen
Mann kommen?“ Der Wirt ſprach: „Ich will
28
Euch wohl zu ihm führen. Er liegt aber gar hart
angeſchmiedet, daß er Euch wohl erbarmen wird.“
¶ Wie ein Florentiner / Andrean genannt /
ein faſt boͤſer Bub / zu einem gefangenen
reichen engliſchen Mann in die Gefaͤngnuß
gelaſſen ward / mit ihm zu reden.
un konnte Andrean wohl Engliſch. Der Ge⸗
fangene fraget ihn, von wannen er waͤre. Das
ſaget er ihm und ſprach: „Ich bin ein Florentin
und will gen Florentz. “ Der Gefangene ſprach zu
Andrean: „Kennſt du nit Jeronimum Roberti zu
Lunden? Er ſprach: „Ja, ich kenn ihn faſt wohl
und er iſt mein gar guter Freund. Er ſprach: „Lie⸗
ber Andrean, laß deine Reis gen Florentz unter⸗
wegen, geh gen Lunden zu dem Jeronimus Roberti
und ſag ihm, daß er 3 und rat, daß ich hie ledig
werde. Er kennet mich, und weiß wohl, was ich ver⸗
mag. Ich bin geritten in des Koͤnigs Dienſt, und
meinen meine Freund, der Koͤnig ſoͤll mich von
hinnen loͤſen; das aber der Koͤnig nicht thun will
aus der Urſach, er habe mir einen großen Sold ge⸗
ben, alle Tage vier Kronen auf zwei Pferd; ſagt:
warum iſt er nicht deſto weiter umgeritten, daß er
den Feinden nicht zuteil worden waͤre? Zum andern,
es ziemt ſich nicht, daß ein Koͤnig einen Gefangenen
loͤſe, denn ſo man einen Gefangenen um tauſend
29
Kronen ledig ließ, fo muͤßte der König zehntauſend
Kronen fuͤr ihn geben. Durch ſolches ſo laſſen ſie
mich nicht ledig; und ſoll es noch eine kleine Zeit
waͤhren, ſo komm ich um meinen geſunden Leib;
dann die Schenkel fangen mir an zu faulen, als du
das wohl ſiehſt. Darum ſo ſag dem Jeronimus
Roberti, daß er helf und rat, damit daß ich ledig
werd. Sie haben mich geſchaͤtzt bei zweitauſend
Kronen. So man mich aber alſo verlaͤßt und ver⸗
acht, glaub ich, man naͤhme minder, und beſon⸗
der, fo man ſaͤhe, daß mich fremde Leut loͤſen woll⸗
ten. Ich hoffe auch auf das hoͤchſt, man braͤchte
mich mit tauſend Kronen von hinnen. Dasſelbe
ſage dem Jeronimus und ſage ihm darbei, was er
fuͤr mich ausgaͤbe, das muͤß ihm dreifaltig wieder
werden. Darum, lieber Andrean, ſei befliſſen und
brauche Fleiß in dieſen Dingen, ſo verheiß und ge⸗
lobe ich dir, daß ich dir will fuͤnfhundert Kronen
geben und dich darzu an ein gut Amt ſchaffen. Sag
auch meinen Freunden, wie du hie bei mir ſeieſt ge⸗
weſen und daß ſie meine Buͤrgen werden gegen dem
Jeronimus.“ Andrean ſprach zudem Gefangenen,
er wollt ſich gar treulich in der Sach fleißen. Und
zog alſo gen Lunden, und bracht die Ding, ſo ihm
befohlen waren, an den Jeronimum Roberti. Dem
gefiel die Sache wohl, wenn es nun gewiß waͤr ge⸗
weſen, daß ihm fuͤr eine Kron ſollten drei werden.
Nun kannte er wohl den Andrean, daß er ein buͤbi⸗
30
fcher Bub war, nit defto minder ſprach er zu ihm:
„Geh zu ſeinen Freunden und an des Koͤnigs Hof,
du den Weg finden, daß man mir Buͤrgſchaft
thue, ſo will ich das Geld darleihen.“
Andrean fraget nach des Gefangenen Freunden,
und ſagt ihnen, wie es um ihn ſtuͤnd, wie er fo —
angeſchmiedet waͤr. Es lag ihnen aber nit ſo hart
an, und wieſen ihn, er ſollt Aan Koͤnig oder ſei⸗
nen Raͤten und ihnen ſolches fuͤrhalten. Als er auch
un wollt; da er aber gen Hof kam und nit gleich
fuͤrkommen konnt mit ſeiner Sach, da hoͤrt er ſa⸗
gen, wie der Koͤnig von Engelland ſeine Schweſter
geben * dem Herzogen von Burgoni zu einem
Gemahl, dem er noch ſchuldig waͤr, Kleinode zu
ſenden, die er auch kaum zuwegen gebracht haͤtt,
dann es gar koͤſtliche Kleinod waren, und hätt die
geben einem frommen Edelmann, der auch zu Lun⸗
den in der Stadt geſeſſen war, Weib und Kind da
hatte. Da aber Andrean zu Der hoͤret ſagen, wie
man dem Edelmann ſo koͤſtliche Kleinode befohlen
hätt, fing er an und geſellet ſich zu 15 und ſprach,
wie er vernommen haͤtt, daß der Koͤnig dem Her⸗
zogen von Burgoni durch ihn koͤſtliche Kleinode ſen⸗
den wollt, alſo wollt er ihn gar freundlich bitten,
waͤre es zu thun, daß er ihn die Kleinode ließ ſehn,
dann er auch wär ein Zorclier, (das iſt einer, der
mit Kleinoden umgeht) und er haͤtt zu Florentz ge⸗
hoͤrt, wie daß der Koͤnig koͤſtlichen Kleinoden nach⸗
31
fraget, und wär deſto ferner her kommen auf Hoff:
nung, der Koͤnig ſollte ihm auch etliche Stuͤck ab⸗
kauft haben, als er noch in Hoffnung waͤre. Der
fromm Edelmann ſprach: „So wartet auf mich,
ſo ich hie bereit bin, ſo kommet mit mir, ſo will ich
ſie Euch laſſen 55 Und als er bereit ward,
fuͤhrt er ihn mit ihm heim, es war auch uͤber den
Mittag, und ſprach: „Wir woͤllen zuvor eſſen, ſo
wird mein Frau nicht unwillig.“ Aßen alſo mit ein⸗
ander, und er erbot es ihm ehrlich, und tiſcheten gar
lang, als dann der Engliſchen Gewohnheit iſt, daß
fie bei zwei Stunden tiſchen, beſonder wenn ſie Gaͤſt
haben. Als ſie nun gegeſſen hatten und froͤhlich ge⸗
weſen waren, fuͤhrt er ihn in ſein Schlafkammer
und ſchloß auf gar einen ſchoͤnen Behalter, und
bracht die Kleinode in einem hoͤlzenen Laͤdlein, und
ließ ihn die genugſamlich ſehen. Es waren fuͤnf
Kleinode, die koſteten ob ſechzigtauſend Kronen. Je
länger man fie anſah, je baß fie einem gefielen. An⸗
drean der lobet ſie faſt, und ſprach: „Ich hab wohl
etliche Stuͤck, wären fie alſo eingefaſſet, ſie ſollten
etliche ſchaͤnden “, und das hört der Edelmann faſt
gern und gedacht: „Hat er koͤſtliche Kleinode, ſo
muß unſer Herr Koͤnig noch mehr kaufen“; und
gingen alſo wieder gen Hof. Da ſprach Andrean:
„Morgen zu Mittag, ſo ſollt Ihr mit mir eſſen in
Peer Roberti Haus, ſo will ich Euch meine
leinod auch laſſen ſehen.“ Das gefiel dem Edel⸗
32
mann wohl. Alſo ging Andrean zu Jeronimus Ro⸗
berti und ſprach: „Ich hab einen Mann funden an
des Koͤnigs Hof, der wird mir helfen, als ich hoff,
daß wir den Gefangenen ledig machen, und daß
Euch gute und gewiſſe Buͤrgſchaft dafuͤr geſchehen
muß auf des Koͤnigs Zoll.“ Jeronimus Roberti
gefiel das wohl und alſo ſprach Andrean: „Bereitet
morgen die Mahlzeit deſto ehrlicher, ſo bring ich ihn,
daß er mit uns iſſet. Das geſchah. Und des Mor⸗
gens um die Mahlzeit bracht Andrean den Mann;
und eh ſie zu Tiſch ſaßen, ſagte Andrean zu Jero⸗
nimo, man ſollte nit viel von dem gefangenen Mann
reden, dann es muͤßt heimlich zugehn. Und alſoaßen
ſie und waren froͤhlich und tiſchten lang. Und als
die Mahlzeit geſchehen war, ging Jeronimus in ſeine
Schreibſtuben. Da ſprach Andrean zu dem Edel⸗
mann: „Kommet mit mir hinauf in meine Kam⸗
mern, ſo will ich Euch meine Kleinod auch laſſen
ſehen.! Und gingen alſo mit einander in eine Kam⸗
mer, war oben ob dem Saal, darinnen ſie gegeſſen
hatten. Und als ſie in die Kammer kamen, thaͤt
Andrean, als ob er eine große Truhen wollte auf⸗
ſchließen, und zucket ein Meſſer und ſtach ihn, daß
er fiel und ſchnitt ihm die Gurgel ab, nahm ihm
einen guͤldenen Ring, den er an ſeinem Daumen
hatt, darinnen auch fein Inſiegel gar koͤſtlich er⸗
graben war, und nahm die Schluͤſſel ab feinem
Gürtel, ging eilends in des Edelmanns Haus zu
38 33
feiner Frauen und ſprach zu ihr: „Frau, Euer Ge-
mahl ſendet mich zu Euch, daß Ihr ihm die Klein⸗
ode ſchickt, ſo er mich geſtern ſehen ließ. Und ſendet
Euch hiebei zum Wahrzeichen ſeinen Ring und
Siegel und die Schluͤſſel zu dem Behalter, da die
Kleinode in liegen.” Die Frau glaubt feinen Wor⸗
ten und ſchloß auf den Behalter; ſie funden aber
der Kleinode nicht. Der Schluͤſſel waren drei, ſie
ſuchten an allen Orten und fanden ſie nicht. Die
Frau gab ihm die Schluͤſſel und Ring wieder und
ſprach zu ihm: „Geht und ſagt ihm, wir koͤnnten
ſie nit finden, daß er ſelber komm und lug, wo ſie
feien.’’ Andrean erſchrak ſehr, daß er fo eine boͤſe
Sach gethan haͤtt und ihm aber die Kleinode nit
worden waren; dann er wollte gleich darmit da⸗
von ſein. Dieweil er aber in des Edelmanns Haus
gangen war, war das Blut durch die Dielen in den
Eßſaal geronnen. Das ſah der Herr und ruft bald
den Knechten und ſprach: „Von wannen kommt
das Blut?“ Sie liefen und lugten, da funden ſie den
frommen Edelmann da liegen alſo tot. Sie erſchra⸗
ken von Herzen und vor großem Schrecken wußten
ſie nit, was ſie thun ſollten.
34
u.
Wie der Böfewicht Andrean einen Edel-
mann ermordet und ihn in ein Privet warf /
und darvon kam.
11? da fie alſo ſtunden, fo kommt der Schalk ge-
laufen und ſahgreulich. „O du Schalk“ ſchrieen
ſie uͤber ihn „was haſt du gethan, daß du den Mann
ermordet haft?” Er ſprach: „Der Boͤſewicht wollt
mich ermordet haben, dann er vermeinet, koͤſtliche
Kleinode bei mir zu finden; ſo iſt mir lieber, ich
habe ihn ermordet, dann er mich. Darum ſchwei⸗
get ſtill und machet kein Geſchrei, ſo will ich den
Mann in die Privet werfen, und will eilends hin⸗
weg. Und wenn ihm jemand nachfragt, ſo ſaget:
als ſie gegeſſen haͤtten, ſeind ſie mit einander aus
dem Haus gangen, ſeither habet ihr unſer keinen
mehr geſehen.“ Das that der Schalk Andrean,
warf den toten Leichnam in die Privet, und eilt
Nacht und Tag, daß er aus dem Lande kaͤm, und
durft nit bleiben an keinem Ort, er fuͤrchtet, ihm
wuͤrden Boten nachgeſchickt, und daß er geſtraft
wuͤrdumdas groß lLlebel; und eilet gen Venedig, und
dingete ſich fuͤr einen Ruderer auf eine Galeere, und
fuhr gen Alexandria. Und ſobald er dahin kam, ver⸗
leugnet er des chriſtlichen Glaubens. Da ward der
Schalk wohl gehalten und war auch ſicher von der
Miſſethat, fo er gethan hart. Und hatte er hundert
Chriſten ermordet, er ware dort ſicher geweſen.
3" 35
Als ſich nun die Sache verlaufen hatte, da war
Fortunatus nit zu Lunden. Sondern er war
in ſeines Herren Dienſt in eine Stadt gefahren,
genannt Sanduwick, da er ſeinem Herren Gut in
ein Schiff geladen haͤtt. Und als er nun wieder gen
Lunden kam, ſein Geſchaͤfte, ſo ihm befohlen war,
gar wohl vollendet haͤtt, kam er in ſeines Herren
Haus. Da ward er nit ſo ſchoͤn gegruͤßt und emp⸗
fangen als andre Male, ſo er aus geweſen war;
auch ſo daͤuchte ihn, wie ſein Herr, Geſellen, Knecht
und Maͤgd nit fo fröhlich waren, als er fie gelaſſen
hatt; das ihn auch hart bekuͤmmerte. Und fraget
die Kellerin im Haus, was ſich verlaufen haͤtt in
ſeinem Abweſen, daß ſie alle im Haus ſo traurig
waͤren. Die gut alt Kellerin und Haushalter in (die
auch dem Herren faſt lieb war) ſprach zu ihm:
„Fortunatus, laß dich es nit bekuͤmmern, dann un⸗
ſerm Herren iſt ein Brief kommen von Florentz, wie
ihm ſo gar ein guter Freund geſtorben ſei, darum
er ſehr betruͤbt iſt. Er iſt ihm aber nit ſo nah ge⸗
freundet, daß er Schwarz tragen duͤrfte. Ihm
waͤre aber lieber ein Bruder geſtorben dann der gut
Freund.“ Dabei ließ es auch Fortunatus bleiben
ra fraget nit fuͤrbaß und half ihnen auch traurig
ein.
Und als nun der Frauen Edelmann zu Nacht nit
heim kam, noch feiner Frauen nichts entboten hätt,
nahm ſie Wunder, doch ſchwieg ſie ſtill, und da er
36
des Morgens aber nit kam, ſandt die Frau aus ihre
guten und angebornen Freund an des Koͤnigs Hof,
ihrem Gemahl nachzufragen, ob ihn der König in
ſeinem Dienſt haͤtt ausgeſandt, oder wo er waͤr.
Und ſobald man hoͤret, daß man ihm nachfraget,
da nahm es die Raͤte ſelbſt Wunder daß der Mann
nit gen Hof kommen war. Die Maͤre kamen alſo
vor den Koͤnig, der ſprach: „Geht bald in ſein Haus
und luget, ob er die Kleinode hinweg habe.“ Denn
dem Koͤnig fiel in ſeinen Sinn, er moͤcht mit den
Kleinoden hinweg ſein. Wiewohl er ihn fuͤr einen
Biedermann hielt, dannoch gedachte er, das große
Gut haͤtt ihn zu einem Boͤſewicht gemacht. Und
alſo kam es aus, daß je einer den andern fraget, ob
er nicht wuͤßt, wo der Edelmann hin kommen waͤr.
Niemand wußte von ihm nicht zu ſagen. Der Koͤ⸗
nig ſandte in ſeiner Frauen Haus gar eilends, daß
man fragte undlugte, wo die Kleinode waͤren. Wie⸗
wohl ihm der Edelmann lieb war, doch ließ er den
Kleinoden feſter nachfragen denn dem frommen
Mann, dabei man wohl merkt, wenn es an das Gut
geht, daß alle Liebe aus iſt. Und da man die Frauen
fraget, wo ihr Mann waͤr und die Kleinod, ſie
ſprach: „Es iſt heut der dritte Tag, daß ich ihn nit
geſehen habe.! „Was ſagt er aber, da er am juͤng⸗
ſten von Euch ging?“ Sie ſprach: „Er wollte mit
den Florentinern eſſen und ſandt einen mit ſeinem
Siegel und die Schluͤſſel, ich ſollte ihm die Kleinod
37
ſenden, er wäre in Jeronimus Roberti Haus, da
hatt man viel koͤſtlicher Kleinod, die wollt man ge⸗
gen einander ſchaͤtzen. Und alſo fuͤhrt ich ihn in
meine Kammer und ſchloß ihm den Behalter auf,
dazu er die Schluͤſſel haͤtt; wir funden aber der
Kleinode nit. Und ging der Mann 15 die Klein⸗
ode hinweg, das er ungern thaͤt, und hieß mich faſt
ſuchen, wir konnten aber ihrer nit finden.“ Sie
fragten, ob er nicht beſondre Geſchloß haͤtt. Sie
ſaget, er haͤtt kein anders, denn was er Guts haͤtt,
ſeine Brief und Siegel legt er alles in den Behalter;
„da ſtunden auch die Kleinod innen, fie ſeind aber
nit mehr da, dann waͤren ſie darin geweſen, ſo haͤtt
ich ſie ihm geſandt. Da die Boten das hoͤr ten, lie⸗
ßen ſie alle Kiſten und Kalter und Truhen aufbre⸗
chen, ſie funden aber der Kleinod nit; darvon die
Frau gar ſehr erſchrak, daß man ihr alſo Gewalt
thaͤt in ihrem Haus. Auch erſchraken des Koͤnigs
Boten, daß man den Mann noch die Kleinode nit
konnte finden. Das ſagt man dem Koͤnig. Der Koͤ⸗
nig war mehr traurig um die Kleinode, dann um
das Geld, ſo ſie hatten koſtet, denn man findt ſolch
Ding nit zu kaufen, ſo man wohl Geld hat. Und
wußte der Koͤnig noch ſeine Raͤte nit, was zu der
Sach zu thun waͤre, denn daß man zu Rat ward,
man ſollt Jeronimus Roberti und alles ſein Ge⸗
ſind fahen, auf daß ſie Rechnung um den Mann
gaͤben. Das geſchah am fuͤnften Tag nachdem der
38
Mann ermordet war. Da warteten des Richters
Knechte, daß man eben die Mahlzeit aß, fielen in
das Haus und funden ſie alle bei einander, zween
Herren, zween Schreiber, einen Koch, einen Stall⸗
knecht, zwo Maͤgd und Fortunatus, alſo daß ihrer
waren neun Perſonen. Die fuͤhrt man alle in Ge⸗
faͤngniß, jedes beſonder, und fragten auch jeglichs
in Sonderheit, wo die zween Mann hin kommen
wären. Sagten alle gleich zu, als fie gegeſſen haͤt⸗
ten, da waͤren ſie hinweg gangen und haͤtten ſie dar⸗
nach nichts mehr geſehn noch von ihnen gehoͤrt.
Daran ſie aber kein Begnuͤgen haͤtten: ſie nahmen
dem Herren und den andern allen ihre Schlüffel
und gingen in das Haus und ſuchten in Staͤllen, in
Kellern und in ihren Gewoͤlben, da ſie ihre Kauf⸗
mannſchaͤtze innen hatten, und ſuchten an allen Or⸗
ten, ob ſie den Mann etwan vergraben haͤtten. Sie
funden aber nichts.
Wie Jeronimus Roberti und all fein
Hausgeſind gefangen / und unſchuldiglich
gehenkt wurden / allein Fortunatus erledigt
ward.
nd als ſie nun hinweg gehn wollten, da war
einer, der hatte eine große brennende Kerzen
oder Windlicht in der Hand, damit er alle finſtern
Winkel durchſucht hatte, und doch nichts gefunden
39
noch deßgleichen. Alſo zeucht er aus einer Bett⸗
ſtatt ein große Hand voll duͤrr Stroh, und zuͤndet
das an, und warf das in das Privet und luget alſo
hinnach; ſo ſieht er dem Mann die Schenkel empor
ragen. Da fing er an und ſchrie mit lauter Stimm:
„Mord und immer Mord: der Mann liegt hie in
der Privet.“ Alſo brach man die Privet auf, und
zogen den Mann heraus alſo unſauber mit der ab⸗
geſtochenen Kehlen. Legten ihn fuͤr des Jeronimi
Roberti Haus an die offne Straß ſtinkend und un⸗
ſauber als er war. Da die Engliſchen den großen
Mord ſahen, da ward ein ſolch groß Geſchrei uͤber
die Florentzer und alle Lamparder, daß fie fich muß⸗
ten verbergen und einſperren, dann wo man ſie an
der Gaſſe haͤtte funden, ſo waͤren ſie zu Tod ge⸗
ſchlagen worden von dem gemeinen Mann. Sie
ließen den toten uͤbelſtinkenden Mann bis an den
dritten Tag alſo an offner Straß ſtehn, den Lam⸗
pardern zu Leid und zu Schand. Behend kam die
Maͤr vor den Koͤnig und vor den Richter, da ward
befohlen, daß man den Herren und Knecht ſollte
waͤgen, peinigen und martern, damit daß man des
rechten Grunds innen wuͤrd, wie es mit dem Mann
ergangen waͤr, und ſollt jeden beſonder waͤgen und
das Bekenntniß gar eben aufſchreiben, beſonder
ſo ſollte man den Kleinoden nachfragen. Alſo kam
der Henker und nahm des erſten den Herren und
ſchlug ihn an die Wag und peiniget ihn gar hart;
40
er ſollte fagen, wer den Mann ermordet hätt, und
warum ſie ihn gemordt haͤtten, und wo des Koͤnigs
Kleinode waͤren. Der gut Jeronimus konnt wohl
merken an dem großen Ungeſtuͤm und der großen
Marter, ſo man an ihn legte, daß man innen war
worden des Mordes, ſo dann in ſeinem Haus ihm
unwiſſend war geſchehn und ihm faſt leid war.
Doch da er ſah, daß es nit anders mochte ſein, fing
er an und ſagt, wie alle Ding ergangen waren, und
wie Andrean ihn gebeten haͤtt, ein gut Mahl zu be⸗
reiten, er wollt einen Edelmann zu Gaſte han, der
ſollt ihm helfen, einen Edelmann ledig machen, fo
gefangen laͤge in Frankreich zu Tours in Touraine,
das ich alfo gethan habe in allem Guten und mei⸗
nem gnaͤdigen Herrn, dem Koͤnig und dem ganzen
Land zu lieb, auch nit anders gewußt hab. Da aber
die Mahlzeit vollbracht war und ich ihrer kein Acht
mehr haͤtt, in meiner Schreibſtuben ſaß und ſchrieb,
nach dem Schreiben heraus ging, da ſah ich durch
die Gaſtkammer in den Eßſaal, daß ein Schweiß
erab rann, darab ich ſehr erſchrak und ſandt meine
echt, daß ſie beſaͤhen, was ſolches waͤr. Sagten
ſie mir, wie es ein Geſtalt haͤtt, doch wußt ich nit,
wie es zugangen war. Indem da kam der Schalk
Andrean gelaufen, den ſatzt ich zu Wort um den
Mord. Der ſagte, wie daß er ihn wollte haben er⸗
mordt, da hatt ihm Gott das Gluͤck geben, daß er
ihm zuvor gefahren waͤr; und nahm den Mann
41
und warf ihn in die Privet und ging von Stund an
hin; wo er hinkommen ſei, das iſt mir unwiſſend.“
Und wie er ſagt, alſo ſagten die andern all, ſo man
fie peiniget und martert. Ohn Fortunatus, der be⸗
kannt nicht, wie faſt man ihn peiniget, dann er war
auch nit in dem Haus geweſen, da ſich die Sach
verlaufen hatte, war ihm auch unwiſſend. Als man
je nichts anders konnt erfahren, noch wo die Klein⸗
ode hinkommen waͤren, ward der Koͤnig zornig, und
ſchuf, daß man ſie alle henken ſollte und ſie mit eiſe⸗
nen Ketten anſchmieden, daß ſie niemand herab
nahm, noch daß fie nit bald herab fallen möchten;
und ließ ihnen einen neuen Galgen machen zwi⸗
ſchen der Stadt und Weſtminſter, iſt gar ein ſchoͤ⸗
ner Palaſt, iſt darinnen des Koͤnigs Rathaus und
eine große ſchoͤne Kirchen, alſo daß man zwiſchen
der Stadt und dem Palaſt mehr Wandels denn
ſonſt in der ganzen Stadt hat. Daſelbſt hin ward
Jeronimus Roberti mit allem ſeinen Geſind ge⸗
fuhrt. Alſo fing man an den zwei Maͤgden an und
vergrub die alſo lebendig unter dem Galgen, und
fing da an dem Herren an und je den beſten nach
ihm. So Fortunatus ſah, wie es ging, und auch
nit anders wußt dann man würd ihn auch henken,
da gedacht er: „O Gott, wäre ich bei meinem from⸗
men Herren und Grafen blieben, und haͤtt mich
Fi kapponen, fo waͤr ich in die Angſt und Not nit
ommen.“
42
Ur als man den Koch henken ſollt, der war der
letzt ohn Fortunato, war ein Engliſcher, der
ſchrie mit lauter Stimme, daß es maͤnniglich hoͤret,
daß Fortunatus nit um die Ding wiſſe. Wiewohl
der Richter wußte, daß er unſchuldig war, noch ſo
wollte er ihn haben laſſen henken, und war ſeine
Meinung, ließe er ihn ledig, ſo wuͤrde er ſonſt zu
Tod geſchlagen. Doch ſo ward ſo viel mit dem Rich⸗
ter geredet, daß er ihn nit ſollte henken laſſen, ſo er
auch nit ein Florentiner und unſchuldig waͤr. Und
alſo ſprach der Richter zu Fortunato: „Nun mach
dich bald aus dem Land, denn die Frauen der Gaſſen
werden dich zu Tod ſchlagen.“ Und gab ihm zu
zween Knecht, die fuͤhrten ihn an das Waſſer. Und
fuhr alſo auf Waſſer und zu Land bis daß er aus
dem Land kam.
Als nun Jeronimus mit ſeinem Geſind gehenkt
war, ließ der Koͤnig das gemeine Volk in Je⸗
ronimus Hauſe Sackmann machen; doch hatten
des Koͤnigs Raͤte das Beſte zuvor hinweg genom⸗
men. Er kam um groß Gut, wem ward, der haͤtt,
da bedurfte niemand Rechnung drum geben. Da
die andern Florentiner und Lamparder hoͤrten, wie
man alſo Sackmann gemacht haͤtt, da fuͤrchteten
fie ſich übel, ihres Leibs und ihres Guts, und ſan⸗
den dem Koͤnig eine große Summ Gelds, daß er
ihnen ein frei ſicher Geleit gab, da ſie doch keine
Schuld hätten. Alſo ward der Koͤnig auch in Guͤ⸗
43
tigkeit bewegt und gab ihnen ein frei ſicher Geleit,
daß ſie mochten wandeln, kaufen und verkaufen wie
ſie zuvor gethan haͤtten. Nun moͤchte einen
Wunder nehmen, warum man den ehrſamen Je⸗
ronimus Roberti und all ſein Hausgeſinde ſo elend
gehenkt hatte, ſo doch er und all ſein Hausgeſind
unſchuldig und ihnen allen gar ſehr leid war. Soll
niemand wundern, es kommt aus der Urſach und
iſt kaiſerlich Recht, daß niemand kein Mord ver⸗
ſchweigen ſoll. Wer es aber verſchweiget oder hilft
vertrucken und es nit offenbar macht, ſo er kann
oder mag, der ſoll und iſt in den Banden, als der es
ſelber mit der Hand gethan hat. Und aus ſolcher
Urſach kam der fromm Jeronimus mit ſeinem Ge⸗
ſind um ihr Leben und zeitlich Gut.
U Wie dem Koͤnig ſeine koͤſtlichen Kleinode ge⸗
funden / und wieder uͤberantwortet wurden.
Da nun das alſo geſchehen war, haͤtt der Koͤnig
Ves gar gern gewußt, wo die Kleinode geweſen
waͤren; und haͤtten ſie ihm nit wieder werden moͤ⸗
gen, noch dann hätte er gern groß Gut gegeben, daß
er haͤtte moͤgen inne werden, wie es darum geſtalt
waͤr. Und ließ ausrufen, wer wahre Kundſchaft
koͤnnte ſagen, wo die Kleinode hinkommen waͤren,
dem ſollte man tauſend Nobel geben. Da ward an
vieler Koͤnige Hoͤf geſchrieben, Fuͤrſten und Her⸗
44
ren, auch in die reichen, mächtigen Städt, ob je⸗
mand kaͤm, der ſolch Kleinod feil trüg. Noch fo
konnt man nichts darvon vernehmen; jedoch fo war
groß Wundern darnach, denn jedermann haͤtte
gern das Geld gewonnen. Das ſtund alſo an bis
des Edelmanns Frau ihrem Mann den dreißigſten
Tag mit Seelenmeſſe beging. Darnach unlang hub
fie an das Leid von Tag zu Tag je feſter hinzulegen;
und ward ihre Geſpielen und Nachbarn zu Gaſt
laden. Unter denen war eine, die auch kuͤrzlich zu
einer Witwe geworden war. Die ſprach: „Woͤllet
hr mir folgen, ich will Euch lehren, daß Euch
res Manns Tod gar bald vergehn wird. Macht
Euer Bett in eine andere Kammer; ſo Ihr das nit
thun wollt, ſo ſetzet doch die Bettſtatt an einen an⸗
dern Ort, und wenn Ihr Euch zu Nacht nieder⸗
leget, ſo gedenkt an einen jungen huͤbſchen Geſellen,
den Ihr gern zu einem Manne haben wolltet und
ſprechet aus Unmut: die Toten zu den Toten, und
die Lebendigen zu den Lebendigen. Alſo thaͤt ich,
da mein Mann geſtorben war.“ Die Frau ſprach:
„O liebe Geſpiel, mein Mann iſt mir ſo recht lieb
eweſen, daß ich ſein nit bald kann vergeſſen. Doch
aͤtt fie die Wort gar eben gemerkt, und ſobald die
Frauen aus dem Haus kamen, fing ſie gleich an
ihre Schlafkammer aufzuraumen und ihrs Manns
Kiſten und Truhen aus der Kammer zu tragen
und ihre an die Statt zu ſetzen; und fing an, des
45
Mannes Bettſtatt ab ihrer Statt an eine andre zu
ſtellen. Und als man aber die Bettſtatt verruckt,
da ſtund das Laͤdlein mit den Kleinoden unter dem
Bett bei einem Stollen. Das erſah die Frau, dann
ſie kannte das Laͤdlein, und behielt das und hieß die
Kammer zuruͤſten wie ſie das angefangen hatte,
und ſandte darnach nach einem ihrem angebornen
Freund, und ſagt ihm, wie ſie die Kleinod gefunden
haͤtt ohne alle Gefaͤhrd, und wo ſie das Bett nit
hatt wollen verändern, fo möchten fie noch lang ge⸗
legen fein, denn da hätte fie niemand geſucht. Und
begehret alfo ihres Freundes Rat, wie fie fich mit
den Kleinoden halten ſollte. Da ihr Freund hoͤrte,
daß die Kleinode funden waren, da war er froh und
ſaget zu der Frauen: „So Ihr meines Rats be⸗
gehret, ſo will ich raten, das mich das Beſte be⸗
duͤnkt: und iſt mein Rat, daß Ihr die Kleinode neh⸗
met von Stund an, ſo will ich mit Euch gehn und
wollen beſehen, daß man uns ſelbſt fuͤr den Koͤnig
bring, und ihm die Kleinode ſelbſt in ſeine Hand
antworten und ihm die ganze Wahrheit ſagen, wie
Ihr die Kleinode funden habet, und zu ſeinen Gna⸗
den ſetzen, was er Euch zu Findellohn geb. Dann
ſollt man die Kleinod dem Koͤnig verhalten um groß
Ben von ihm zu haben, oder daß man die
leinode ſollte in fremde Land ſenden zu verkaufen,
ſo iſt es ſo weit auskommen in alle Land, daß ſolche
Kleinode der Koͤnig verloren hat; und wo man
46
ihrer innen wird, fo kaͤmen alle, die darmit um⸗
gingen, um Leib und Gut, und die Kleinode waren
vor allen Dingen dem Koͤnig wieder gegeben.“ Der
Rat gefiel der Frauen faſt wohl und machet ſich
gar ſchoͤn an, doch wie ein Witwe ihren Mann kla⸗
gen ſoll, und kam alſo mit ihrem Freund in des Koͤ⸗
nigs Palaſt und begehrte alſo ſelbſt vor den Koͤnig
zu kommen. Das ward dem Koͤnig kund gethan,
der ihr auch vergoͤnnet, daß ſie wuͤrd eingelaſſen in
ſeinen koͤniglichen Saal. Und als ſie fuͤr den Koͤnig
kam, da knieet ſie nieder, beweiſet dem Koͤnig groß
Ehr, als billig iſt und ihr wohl ziemet, und ſie auch
wohl konnte, fing an und ſprach: „Gnaͤdigſter Herr
Koͤnig, ich, Euer arme Dienerin, komm vor Eure
koͤnigliche Majeſtaͤt, und fuͤge der zu wiſſen, daß die
Kleinode, ſo Ihr in meinem Haus gehabt, meinem
Ehmann ſelig, der Herzogin von Burgoni, meiner
gnaͤdigen deren zu uͤberantworten befohlen ha⸗
bet, daß ich die dieſes Tags gefunden hab in meiner
Schlafkammer hinter einem Bettſchrankſtollen.
Ich wollt das Bett veraͤndern: da fand ich das Laͤd⸗
lein; und ſobald ich das funden han, hab ich geeilet,
Euch dieſelben in Euer Hand zu antworten“ und
on ihm damit die Kleinode in feine Hand. Der
önig that das Lädlein auf, und fand die Kleinode
als fie dann fein ſollten, deß er froh war und ver-
ordnet, daß ſie kaͤmen an das End, darzu ſie geord⸗
net waren. Der Koͤnig haͤtt ein groß Wohlgefallen,
47
daß die Frau fo gefliffen war und die Kleinode nie⸗
mand vertrauet, denn daß ſie ihm die ſelbſt uͤber⸗
antwortet haͤtt, und gedachte, es waͤre billig, daß er
ſie begabte und ſie ergoͤtzte ihres Leides, dann doch
ihr frommer Mann durch der Kleinod willen um
ſein Leben kommen war; und rief einen jungen
Edelmann an ſeinem Hof, der ſehr huͤbſch und
wohlgeſtalt war, und ſprach: „Ich will Bitt an
dich legen, die ſollſtdumir nit verſagen. Der Juͤng⸗
ling ſprach: „Gnaͤdiger Koͤnig, Ihr ſollt kein Bitt
an mich legen, ſondern Ihr ſollt gebieten; ſo ſoll
ich dann Euern Geboten gehorſam ſein. Und alſo
ließ er einen Prieſter kommen und gleich in ſeiner
Gegenwaͤrtigkeit gab er der Witwe den Juͤngling
zu einem Gemahl, und begabet die gar reichlich.
Und ſie lebten in Freuden mit einander, und ging
die Frau zu ihrer Geſpielen und danket ihr gar ſehr
um den Rat ſo ſie ihr geben, daß ſie ihren Bett⸗
ſchranken veraͤndert hatt, und ſprach: „Wo ich
Eurem Rat nit waͤr gefolget, ſo haͤtte unſer Herr
der Koͤnig ſeine Kleinode nicht, noch ich einen huͤb⸗
ſchen jungen Mann. Darum ſo iſt es gut, wer wei⸗
fer Leute Rat folget.“
¶ Wie Fortunatus in einem Wald verirret
und benachtet / in groß Elend und Sorg
ſeines Lebens kam.
Nun habet Ihr vor gehoͤret, wie Fortunatus von
Lunden kam und in was Not und Angſt er ge⸗
weſen war. Nun hoͤret, wie es ihm weiter ging.
Als er kein Geld mehr haͤtt, da eilet er ſehr, daß er
von den Engliſchen kaͤme, und kam in Pichardia,
da haͤtte er gern gedient, da konnte er keinen Herrn
ankommen. Ging aber fuͤrbaß und kam in das Land
Britania, das iſt ein ſtarkes Land und hat viel hoher
Gebuͤrge und große Waͤlder. Und als Fortuna⸗
tus durch das Land wollt, kam er in einen großen
48 49
wilden Wald, als es der Böhmer oder Türinger
Wald waͤre. Und als er weiter in den Wald kam,
da ward er irre gehn, und ging den ganzen Tag und
konnt nit daraus kommen. Und als es Nacht ward,
da kam er zu einer alten Glas huͤtten, in der man
vor viel Jahren Glas gemacht haͤtt. Da ward er
froh und meint, er ſollt Leut darinnen gefunden
haben, aber da war niemand innen; doch ſo blieb er
die Nacht in der armen Huͤtten, mit großem Hun⸗
ger und Sorgen, fo er hatt von den wilden Tieren,
ſo in dem Wald ihre Wohnung haben; und haͤtt
groß Verlangen nach dem Tag, in Hoffnung, ihm
huͤlf Gott aus dem Wald, daß er nit alſo Hungers
ſtuͤrbe. Und als es begann zu tagen, hub er ſich auf
und ging aber eilends, und als er ſollt zwerchs
durch das Holz gehn, ging er nach der Laͤngen, und
je mehr er ging, je minder konnt er aus dem Walde
kommen, und verging alſo der andre Tag mit gro⸗
ßem hartem Leid. Und als es aber begann Nacht
zu werden, ward er gar muͤd und kraftlos, dann er
in zweien Tagen nicht gegeſſen hatte. Und von un⸗
gefaͤhr kam er zu einem Brunnen, da trank er mit
großer Luſt, das ihm eine Kraft gab, und als er bei
dem Brunnen ſaß, fing der Mond an gar hell zu
ſcheinen; da hoͤrt er ein wildes Praſſlen in dem
Wald, und hoͤrt die Baͤren brummen. Da gedacht
er, wie ihm da nit lang zu ſitzen, auch nit nuͤtz waͤre
zu fliehen, da die wilden Tiere ihn bald uͤbereilten,
50
und dacht, ihm wäre beſſer auf einen Baum zu ſtei⸗
gen. Da klomm er zunaͤchſt bei dem Brunnen auf
einen hohen Baum, der auch viel Aeſte hatte, und
ſah alſo zu, wie die wilden Tiere mancherlei Ge⸗
ſchlechts kamen zu trinken, ſchlugen und biſſen, haͤt⸗
ten ein wildes Gebaren mit einander; doch unter den
allen war ein halbgewachſner Baͤr, der ſchmeckte
Fortunatum auf dem Baum und fing an auf den
aum zu ſteigen. Fortunatus fuͤrchtete ſich ſehr
und flieg je länger je höher auf den Baum und der
Baͤr ihm hart nach. Da aber Fortunatus weiter
hinauf nicht mochte kommen, legte er ſich auf einen
Aſt und zog aus ſeinen Degen und ſtach den Baͤren
in den Kopf und gab ihm gar mannige Wunden.
Der Baͤr ward zornig und ließ die vordren Tappen
von dem Baum und ſchlug nach Fortunato. Da
er aber oben keinen Halt haͤtt, fiel er hinter ſich
durch den Baum nieder, und machte ſo ein groß
Praſſeln, fiel ſo hart auf den Boden, daß es weit
in dem Wald erſchall. Da aber die andern wilden
Tier den ſchweren Fall gehoͤrt hatten, huben ſie alle
an zu fliehen ſo gut ſie mochten. Als ſie nun alle
hinweg waren bis auf den gefallenen Baͤr, der lag
unter dem Baum und war ſo hart gefallen, daß er
nit von der Stelle kommen mochte, und war doch
nit gar tot; da ſaß Fortunatus auf dem Baum und
wagte ſich nit herab, doch fing ihn an ſo hart zu
ſchlaͤfern, daß er fuͤrchtete, er entſchliefe und fiele
4* 51
fich ab dem Baum lahm oder gar zu tot, und mit
erſchrockenem Herzen ſtieg er herab, und nahm ſei⸗
nen Degen und ſtach ihn in den Baͤren, legte ſei⸗
nen Mund auf die Wunden und ſauget das warme
Blut in ſich, das ihm ein wenig Kraft gab, und ge⸗
dacht ihm: hätt ich jetzund ein Feur, ich woͤllt mich
des Hungers wohl erwehren. Doch ſo ward era
Schlafens ſo not, und ne fich neben den toten Baͤ⸗
ren und entſchlief und thaͤt einen guten Schlaf. Und
ſo er alſo erwacht und ſeine Augen aufthaͤt, da ſah
er, daß es begann zu tagen und ſah vor ihm ſtehn
ein gar ſchoͤnes Weibsbild.
Wie eine Jungfrau / gewaltig des Gluͤcks /
Fortunatum mit einem Seckel begabt / dem
nimmer Gelds gebrach.
Er hub an Gott inniglich zu loben und ſprach: „O
allmaͤchtiger Gott, ich ſag dir Lob und Dank,
daß ich doch einen Menſchen hab moͤgen ſehen vor
meinem Tod“ und ſprach: „O liebe Frau oder
Jungfrau, ich weiß nit was Ihr ſeid: ich bitt Euch
durch die Ehre Gottes, Ihr woͤllet mir helfen und
raten, daß ich aus dieſem Wald komm, dann es iſt
heut der dritte Tag, daß ich in dieſem Walde um⸗
geh ohn alle Speis. Und ſagt ihr, wie es mit dem
Baͤren gangen war. Sie hub an und ſprach: „Von
wannen biſt du?! Er ſprach: „Ich bin aus Cy⸗
52
pern. Sie fagt: „Was gehſt du hie um?” Er ant⸗
wortet ihr und ſprach: „Mich zwingt Armut, daß
ich hie umgeh und ſuch, ob mich Gott beraten woͤll
und mir ſoviel Gluͤcks verleihen, daß ich zeitliche
Nahrung möcht haben.“ Sie ſprach: „Fortunate,
erſchrick nit, ich bin die Jungfrau des Gluͤcks, und
durch Einfluß des Himmels, der Sternen und der
al
IM
eee
Bor *
* , i
INN
N
2
=
=
7.
7,
Planeten fo find mir verliehen ſechs Tugenden, die
ich fuͤrder verleihen mag, eine, zwo oder gar mehr,
nach den Stunden und Regierung der Planeten.
Das iſt Weisheit, Reichtum, Staͤrke, Geſundheit,
Schoͤne und langes Leben. Da erwaͤhle dir eins
unter den ſechſen und bedenk dich nit lang, dann die
Stunde des Gluͤcks zu geben iſt gar bald verſchie⸗
53
nen.” Alſo bedachte er fich nit lang und ſprach: „So
begehr ich Reichtum, daß ich allweg Gelds genug
hab.“ Zuſtund zog ſie herfuͤr einen Seckel und gab
den Fortunato und ſprach: „Nimm hin den Seckel,
und ſo oft du darein greifeſt (kin welchem Land du
immer biſt oder kommeſt, was dann von Gulden in
dem Land laͤufig ſeind) ſo oft findeſt du zehen Stuͤck
Goldes desſelben Lands Waͤhrung. Und dieſer
Seckel ſoll die Tugend haben dein Lebtag und dei⸗
ner naͤchſten Erben, und auch nit länger; und ob
der Seckel in der Zeit in andre Haͤnde kaͤme denn
dein oder deiner Erben, noch dann hat er allweg die
Tugend und die Kraft. Darum ſo laß dir ihn lieb
ſein und hab Sorg.“ Fortunatus, wie ſehr ihn
hungert, ſo gab ihm der Seckel und die Hoffnung,
ſo er darzu haͤtt, eine Kraft, und ſprach: „O aller⸗
tugendreichſte Jungfrau, ſo Ihr mich nun alſo lob⸗
lich begabt habt, ſo iſt doch billig, daß ich um Euret⸗
willen Euch etwas pflichtig ſei zu thun und der
Gutheit nit vergeß, fo Ihr mir gethan habet. Die
Jungfrau hub an und ſprach gar guͤtlich zu For⸗
tunato: „Sintemal du fo willig biſt, mir etwas zu
widergelten um die Gutheit, ſo dir von mir geſche⸗
hen iſt, ſo will ich dir drei Dinge befehlen, die du
dein Lebtag allweg auf den Tag, als heut iſt, durch
meinen Willen thun ſollſt. Das erſt: du ſollſt auf
den Tag feiern, auf den Tag kein ehelich Werk voll⸗
bringen, und auf den Tag alle Jahr, in welchem
54
Land du feieft, Frag haben, wo ein armer Mann
eine Tochter habe, die mannbar ſei, ihr gern einen
Mann gäbe und es vor Armut nit vermag: die ſollſt
du ehrlich kleiden, ihren Vater und Mutter und ſie
begaben und erfreuen mit vierhundert Stuͤck Gol⸗
des desſelben Landes Waͤhrſchaft, in der Gedaͤcht⸗
niß: als du heut erfreuet biſt worden von mir, ſo er⸗
freu du alle Jahr eine arme Jungfrau.“ Fortu⸗
natus antwortete ihr und ſprach: „O aller tugend⸗
reichſte Jungfrau, Ihr ſollt ohne Zweifel ſein, ich
will dieſe Ding ehrlich und unvergeſſenlich halten,
dann ich es jetzo in mein Herz gedrückt und gefaſſet
hab zu einem unvergeſſenenlichen Gedaͤchtniß.“
Doch wie dem allem ſei, ſo lag Fortunato an, wie
er aus dem Walde kaͤme, und ſprach: „O wohl⸗
geſtalte Jungfrau, nun ratet und helfet, daß ich
aus dieſem Wald komme.“ Sie ſprach: „Daß du
irrig in dieſem Wald gegangen biſt, das du fuͤr ein
Ungefaͤll gehabt haſt, das iſt dir zu einem Gluͤck ge⸗
raten‘ und ſprach zu ihm: „Folg mir nach.“ Und
fuͤhret ihn alſo zwerchs durch den Wald an einen be⸗
gangenen Weg, und ſprach zu ihm: „Dieſen Weg
geh gerad fuͤr dich und kehr dich nit um, und lug
nit, wo ich hinkomme, und thuſt du das, ſo kommeſt
du aus dem Wald gar bald.“ Alſo thaͤt Fortuna⸗
tus nach der Jungfrauen Rat und ging den Weg
fuͤr ſich eilends ſo er beſt mocht, und kam aus dem
Walde. Da ſah er vor ſich ein groß Haus, das
55
war eine Herberg, da gemeiniglich die Leut aßen,
welche durch den Wald wollten gehn oder reiten.
Und als Fortunatus nah zu der Herberg kam, da
ſaß er nieder und zog den Gabſeckel aus dem Buſen
und wollt beſehen, ob es wahr waͤre, was ihm ge⸗
ſagt war, und auch, daß er wuͤßte darvon zu zeh⸗
ren, dann er ſonſt kein Geld mehr haͤtt; und griff
alſo in den Seckel, und zog heraus zehen Kronen.
Und da er die ſah, moͤget Ihr wohl glauben, daß
er eine große Freud empfing, und ging in großen
Freuden in das Wirtshaus und ſprach zu dem
Wirt, daß er ihm zu eſſen gaͤb, denn ihn hungert
ſehr, und daß ers ihm wohl erboͤt, er woͤllt es ihm
wohl bezahlen. Das gefiel dem Wirt wohl undtrug
ihm ehrlich auf das Beſt ſo er haͤtt. Fortunatus er⸗
goͤtzet und ſaͤttiget ſich ſeines Hungers und blieb bei
ihm die erſte Nacht und morgens den andern Tag,
und lebet faſt wohl auf den Hunger ſo er gelitten
haͤtt; bezahlte den Wirt nach ſeinem Willen und
hub an fuͤrbaß zu wandlen.
Nan war ein kleines Staͤdtlein und ein Schloß
zwei Meil von dem Wald, da wohnet ein Graf,
den man auch nannt den Waldgrafen. Der hatte
Gerechtigkeit an der Art den Wald zu beſchirmen
von Geheiß des Herzogen von Britania. Dahin
kam Fortunatus zu dem beſten Wirt, und hieß ihm
es wohl erbieten und fraget den Wirt, ob er nit
fuͤnd huͤbſche Roß zu kaufen. Er ſprach: „Ja, es iſt
56
ein fremder Kaufmann geſtern herkommen wohl
mit fuͤnfzehn huͤbſchen Pferden und will auf die
Hochzeit, ſo der Herzog von Britania haben will
mit des Königs Tochter von Arragonia. Der hat
drei Roß unter den fuͤnfzehn, da wollt ihm unſer
Graf dreihundert Kronen um geben; ſo will er
nur dreihundert und zwanzig Kronen haben, und
iſt der Streit um zwanzig Kronen.“ Fortunatus
ging heimlich in eine Kammer und nahm aus ſei⸗
nem Seckel ſechshundert Kronen und thaͤt die in
einen Seckel und ging zu dem Wirt und ſprach:
Wo iſt der Mann mit den Roſſen, hat er fo huͤbſche
Roß, ich wollt ſie gern ſehen. Der Wirt ſprach:
„Ich fuͤrcht, er laß ſie Euch nit ſehen: unſer Herr
der Graf hat kaum vermocht, daß er ſie ihn hat
laſſen fehen.” Fortunatus ſprach: „Gefallen mir
die Roß, ich mag fie eh kaufen dann der Graf.“ Es
gedaͤuchte den Wirt ſpottlich, daß er ſo reichlich re⸗
det und nit Kleider darnach anhaͤtt und auch zu
Fuß ging. Doch ſo fuͤhrt er ihn zu dem Roßtaͤu⸗
ſcher und redet ſo viel mit ihm, daß er ihn die Roſſe
ließ ſehen. Er muſtert ihm die, und ſie gefielen ihm
alle wohl, doch ſo wollte er nur die drei, ſo dann
der Graf wollte gekauft haben. Er hatte wohl ver⸗
ſtanden, daß der Streit um zwanzig Kronen ge⸗
weſen war, zog gleich aus und gab ihm dreihun⸗
dert und zwanzig Kronen und hieß die Roß in ſein
Wirtshaus fuͤhren, und ſandt nach dem Sattler,
57
hieß ihn Sättel und Gereit gar köſtlich machen und
befahl dem Wirt, daß er ihm huͤlf um zween reiß ig
Knecht, denen wollt er guten Sold geben. Dieweil
er aber die Sache alſo handlet, ward der Graf in⸗
nen, daß Fortunatus die Roß kauft haͤtt, darob er
einen großen Unwillen empfing, und griesgramet
in ihm ſelbſt, dann die Roß gefielen ihm wohl, und
haͤtt ſie nit dahinten gelaſſen um der zwanzig Kro⸗
nen willen, da er auch auf die Hochzeit wollt und
da auch geſehen werden. In dem Zorn ſandt er
ſeiner Diener einen zu dem Wirt und ließ ihn fra⸗
gen, was Manns der ware, der ihm die Roß aus
ſeinen Haͤnden gekauft haͤtt. Der Wirt ſprach, er
kennte ihn nit, denn er waͤr in ſeine Herberg kom⸗
men zu Fuß und in armen Kleidern, und haͤtt zu
ihm geſprochen, er ſollt ihms wohl erbieten, er
woͤllte ihn wohl bezahlen, und ſprach: „Er gefiel
mir ſo wohl: wann er ein Mal gegeſſen haͤtt, ich
haͤtte ihm kein anders geben, ich waͤre denn vor be⸗
zahlt geweſen um das erſte.“ Der Knecht ward
zornig an den Wirt, warum er mit ihm gangen
waͤre die Roſſe zu kaufen. Er ſprach: „Ich habe
gethan als ein jeder frommer Wirt ſeinem Gaſt
ſoll thun, das er auch mit Ehren wohl thun mag.
Er bat mich, mit ihm zu gehn, ich haͤtte nit gedacht,
daß er einen Eſel hätte mögen vergelten. |
58
¶ Wie Fortunatus einem Baldgrafenetliche
huͤbſche Pferd aus den Haͤnden kauft /
darum er gefangen ward / und in große
Not und Angſt kam.
Der Knecht kam zum Grafen und ſagt ihm, was
er vernommen haͤtt. Da der Graf das hoͤrte,
daß er nit ein geborner Edelmann war, ſprach er
zu ſeinen Dienern aus großem Zorn: „Gehet hin
und fahet den Mann. Dann er hat das Geld ge⸗
ſtohlen, geraubt oder aber Einen ermordet.” Und
alſo fingen ſie ihn und fuͤhrten ihn in eine boͤſe Ge⸗
faͤngniß; fragten ihn, von wannen er wär. Er
ſprach, er waͤr von Cypern, aus einer Stadt ge⸗
nannt Famaguſta. Sie fragten, wer ſein Vater
waͤr. Er ſprach: „Ein armer Edelmann.“ Das
hoͤrt der Graf gern, daß er ſo von fernen Landen war,
fraget ihn mehr, von wannen ihm das baar Geld
fam, daß er ſo reich wär. Er ſagt, es waͤre fein, er
verhoffte, daß er nit ſchuldig waͤre zu ſagen, von
wannen ihm ſein Geld kaͤme. Waͤre aber jemand,
der ihn zeihe, dem er Gewalt oder Unrecht gethan
haͤtt, dem wollte er eines Rechtens vor ſeinen Gna⸗
den ſein. Der Graf ſprach: „Dich hilft dein Klaͤf⸗
fen nit. Du wirſt ſagen, von wannen dir das Geld
komm.“ Und ließ ihn führen an die Statt, da man
ſchaͤdlich Leut martert, und ließ ihn aufziehen. Da
Fortunatus ſah, wie man mit ihm um wollt gehn,
59
erſchrack er gar ſehr, doch fo fast er in fein Gemüt,
er woͤllt eh ſterben, denn daß er wollt ſagen die Tu⸗
gend von dem Seckel; und als er alſo hing mit ſchwe⸗
rem Gewicht beladen, ſagte er, daß man ihn ab⸗
ließe, ſo woͤllt er ſagen, was man ihn fragte. Und
als er herab kam, ſagt der Graf: „Nun ſag kurz,
von wannen kommen dir ſoviel guter Kronen.“ Er
fing an und ſagt, wie er in dem Wald verirret waͤre
bis an den dritten Tag ungegeſſen. „Und da mir
Gott die Gnade thaͤt, daß ich dem Wald an ein End
kam, fand ich einen Seckel, darinnen waren ſechs⸗
hundert und zehen Kronen. Der Graf ſprach: Wo
iſt der Seckel, darinnen die Kronen waren?“ „Da
ich das Geld gezaͤhlt haͤtt, thaͤt ich es in meinen
Seckel und warf den leeren Seckel in das Waffer,
fo vor dem Wald fließet.“ Der Graf ſprach: „O
du Schalk, wollteſt du mir das Meine entfremden?
Du ſollſt wiſſen, daß mir dein Leib und Gut ver⸗
fallen iſt, denn was in dem Wald iſt, das gehoͤrt
mir zu und iſt mein eigen Gut.“ Fortunatus ſprach:
„Gnaͤdiger Herr, ich hab um ſolche Eure Gerech⸗
tigkeit gar nicht gewußt; alſo daß ich Gott lobet und
haͤtt es fuͤr eine Gottes Gab.“ Der Graf ſprach:
„Mir liegt nicht daran, daß du es nit gewußt haft.
Haſt du nit gehoͤrt: wer nit weiß, der ſoll fragen?
und kurz, richt dich darnach: heut nehm ich dir alles
dein Gut und morgen das Leben.“ Fortunatus ge⸗
dacht in ihm ſelbſt: „O ich Armer, da ich die Wahl
60
hätt unter den ſechs Gaben, warum erwaͤhlt ich
nit Weisheit fuͤr Reichtum? ſo waͤr ich jetzund in
der großen Angſt und Not nicht. Und fing an und
bat Gnade und ſprach: „O gnaͤdiger Herr, teilet mir
Armem Barmherzigkeit mit. Wozu waͤre Euch
nuͤtz mein Leben? Nehmt das gefunden Euer Gut
und laſſet mir das Leben, ſo will ich Gott treulich
fuͤr Euch bitten all die Tag meines Lebens.“ Das
war dem Grafen ſchwer, daß er ihn ſollt laſſen leben,
denn er fuͤrchtet, wo er hin kaͤme und ſolches von
ihm klagte, das wuͤrde ihm ſchaͤmlich unter den
frommen Fuͤrſten und Herren. Doch ward er be⸗
wegt in Barmherzigkeit, daß er ihm das Leben laſ⸗
ſen wollt. Und des Morgens fruͤh vor Tag ließ er
ihn vor die Stadt fuͤhren und da ſchwoͤren, ſein Leb⸗
tag nit mehr in des Grafen Land zu kommen, das
er auch thaͤt. Er war heimlich froh, daß er alſo dar⸗
von kam, denn haͤtte der Graf die rechte Maͤr ge⸗
wußt, er waͤre alſo davon nit kommen. Die Die⸗
ner ſagten zu dem Grafen, daß er ihm eine Krone
zu Zehrung gaͤb, das wollt er aber nit thun und
ſyrach: „Eh er das Geld fand, da konnt er betteln,
das thu er jetzund aber.“ Und nahm alſo die Roß
und das Geld dem Fortunato unredlich ab; als
man ihrer noch viel findet, die den Leuten das Ihre
nehmen wider alle Recht. Dieſer Waldgraf war
3 Graf Arttelhyn, der Waldgraf von Nun⸗
ragon.
61
Da nun Fortunatus alſo ledig war, durfte er nit
uͤber ſeinen Seckel gehn, daß er Geld naͤhme
und zehrte, und ging zwei Tagereis betteln, daß er
fuͤrchtete, fuͤnd man, daß er Geld hatt, man möcht
ihn aber fahen. Doch ſo kam er gen Nantis, das iſt
die Hauptſtadt in Britania, die liegt an dem Meere
und iſt ein Port des Meeres.
¶ Wie Fortunatus gen Nantis kam / in Bri⸗
tania Hofzucht zu ſehn.
Da lag großes Volk von Fuͤrſten und Herren,
die alle warteten auf die Koͤnigin. Da thaͤt
man nicht anders dann ſtechen, tanzen und alle
Freud und Wolluſt treiben. Das ſahe er gern und
gedacht: „Nun hab und vermag ich wohl ſoviel an
baarem Geld als ihrer alle die hier ſind, und darf
es nit brauchen nach meinem Willen. Ich weiß
wohl, ſie haben Land und Leut, was ſie gebieten,
das muͤſſen ihre Unterthanen vollbringen. Huͤb
ich etwas an, es moͤcht nit jedermann gefallen; ſo
haͤtte ich niemand, der mir Beiſtand thaͤte.( Darum
ſprach er zu ihm ſelbſt: „Mir ziemet nit hie den
Junkherrn zu machen, noch große Koͤſtlichkeit zu
treiben. Ihm lag an, wie ihm der Waldgraf ge⸗
than und ihn um Unſchuld gepeiniget haͤtt. Doch ſo
kauft er zwei huͤbſche Roß und dinget einen Knecht,
und bekleidet ſich und ſeinen Knecht gar ſchoͤn, und
62
ließ auch die Pferd gar fchön zurichten, ritt in die
beſte Herberg, ſo dann zu Nantis war, und wollte
alſo die Feſt und Hochzeit ſehen und der Feſt ein End
warten; dann er konnt wohl merken, daß es ein
koͤſtlich Weſen werden wollt, und daß groß Volk
zuritt von Fuͤrſten und von Herren. Daß ich woͤllt
ſchreiben, was Koͤſtlichkeit da verbracht ward, iſt
nit not, man ſieht wohl, ſo nun ſchlecht Buͤrger
Hochzeit haben, ſo wiſſen ſie nit, wie ſie genug Koͤſt⸗
lichkeit treiben follen, und wird manniger los, das
ihm hernach leid wird. Aber der Herzog haͤtt ein
ſtliche Hochzeit, die waͤhret ſechs Wochen unddrei
Tag, und fing die Hochzeit an als die Koͤnigin kam.
Moͤget ihr wohl glauben, daß ſie ehrlich empfan⸗
gen ward, ſie kam gefahren uͤber Meer mit viel gro⸗
ßen Schiffen, Nauen und Galeeren. Und man
ſandt viel Schiff ihr entgegen, die ſie auf dem Meer
gar ehrlich empfingen. Aber noch ehrlicher und
koͤſtlicher ward ſie empfangen, da ſie an das Land
kam, von ihrem Herren und Gemahl und von an⸗
dern Fuͤrſten und Herren.
Das ſah alles Fortunatus und gefiel ihm faſt wohl,
und thaͤt nit anders, dann daß er gen Hof ging und
ritt. Und als er aber gen Hof ritt, ſo ließ er nichts
in der Herberg, das gefiel dem Wirt nit, dann er
ihn nit kennet, und fuͤrchtet, er ritt unbezahlt hin⸗
weg, als ihm vormals oft geſchehen war und noch
auf ſolchen Hochzeiten geſchieht. Darum ſo ſprach
63
er zu Fortunato: „Lieber Freund, ich kenne Euer
nit. Thut ſo wohl und bezahlt mich alle Tag. For⸗
tunatus lachet und ſprach: „Lieber Wirt, ich wollt
nit unbezahlt hinweg reiten“, und zog aus ſeinem
Seckel hundert guter Kronen und gab ſie dem Wirt
und ſprach: „Das Geld habet, und wenn Euch ge⸗
duͤnkt, daß ich oder wer mit mir kommet, mehr ver⸗
zehret haben dann ſolch Geld, ſo will ich Euch mehr
geben. Ihr beduͤrft mir kein Rechnung darum ge⸗
ben.“ Der Wirt war froh und nahm das Geld
mit Freuden, und fing an, Fortunatum in Ehren
zu haben; und wo er fuͤr ihn ging, da griff er an
ſeine Kappen, ſatzt ihn zu den Beſten an die Tafel,
leget ihn auch in ein ehrlichere Kammer dann er
vor gelegen war. Und als nun Fortunatus bei an⸗
dern Herren und Edelleuten alſo zu Tiſch ſaß, da
kamen mancherlei Sprecher und Spielleut fuͤr der
Herren Tafel, den Leuten Kurzweil zu machen,
auch daß ſie Geld verdienten. Nun kam aufein Mal
ein alter Edelmann und klagt den Herren ſeine Ar⸗
mut und ſagt, er waͤr ein Edelmann, geborn aus
Hybernia, und waͤr ſieben Jahr umgezogen und
haͤtt 7 zwei Kaiſerthum und zwanzig
chriſtlicher Koͤnigreich, mehr waͤr ihrer auch nit in
der Chriſtenheit, und haͤtt ſich ſo verzehret; und be⸗
gehret alſo, daß ſie ihn wollten ſteuren, daß er wie⸗
der moͤcht in ſein Land kommen. Da war ein Graf
an der Tafel, der ſprach zu ihm: „Wie heiſſen doch
64
die Reich alle?” Der gute Edelmann fing an und
zaͤhlte ſie alle nach einander gar ordentlich und
ſprach: „Es iſt kein Koͤnigreich, es habe doch drei
oder vier Herzoͤge unter ihm, ohn Fuͤrſten und Her⸗
ren, weltlich oder geiſtlich, die Land und Leut ha⸗
ben, die ich alle beſucht hab. Und hab von einem
jeden Land, das eine beſondre Sprach hat, ſoviel er⸗
griffen, daß ich ein Notdurft mit den Leuten kann
reden. Hab auch in Geſchrift, wie ein jeder Koͤnig
hieß, da ich an ſeinem Hof war, und wie fern es von
einem Königreich zu dem andern iſt.“ Der Graf
ſprach: „Ich wollte gern, daß ich an allen Orten
mit Euch waͤre geweſen, doch daß ich wieder hie
waͤre, und ich mag wohl ſchaͤtzen, daß es viel Leibs
und Guts brauchet wer die Land alle beſehen will.“
Der gut Edelmann ſprach: „Ja, Herr, einer wird
gut und boͤs innen, und muß manche elende Her⸗
berg haben und große Verſchmaͤhung leiden.“ Der
Graf ſchenkt ihm vier Kronen und ſprach zu ihm,
waͤr es ſein Fug, ſo moͤchte er da bleiben ſo lang das
Feſt waͤhret, fo wollte er für ihn zahlen. Er danket
ihm ſehr und ſprach, ihn verlangte heim zu ſeinen
Freunden, und er waͤr lang aus geweſen; und dan⸗
ket ihm ſehr der Schenkung, ſo er ihm gethan haͤtt.
Nun hatte Fortunatus gar eben aufgemerkt auf
die Red, ſo der alte Edelmann geſagt haͤtt, und ge⸗
dachte ihm: moͤchte mir der Mann werden, daß er
mich durch die Laͤnder fuͤhrte, ſo woͤllt ich ihn doch
55 65
reichlich begaben. Und ſobald die Mahlzeit aus war,
ſandte er nach ihm in ſeine Schlafkammer und
fragt ihn, wie er mit dem Namen hieß. Er ſagt:
„Lupoldus.“ Er ſprach: „Ich hab verſtanden, wie
du ſo weit gewandelt und an als viel koͤniglichen
Hoͤfen geweſen biſt. Nun bin ich jung und wollt
gern in meinen jungen Tagen wandlen dieweil ich
es vermoͤcht, und waͤr es dein Gefallen, und woͤll⸗
teſt mich alſo fuͤhren, ſo wollt ich dir ein huͤbſch
Pferd unter geben und einen eigenen Knecht dingen
und dich halten als meinen Bruder und dir darzu
einen guten Sold geben nach deinem Begehren.“
Lupoldus ſprach: „Ich moͤcht wohl leiden, daß man
mich ehrlich hielt, und darzu gnug gaͤb. Ich bin
aber alt und hab Weib und Kind, die haben kein
Wiſſen von mir, und natuͤrliche Liebe zwingt mich,
wieder zu ihnen zu kommen und mein Leben bei
ihnen aufzugeben.“ Er ſprach: „Lupolde, begieb
dich, meinen Willen zu vollbringen, ſo will ich mit
dir in Hybernia, und will dir Weib und Kind (ob
fie im Leben feind) ehrlich begaben, und ſo die Reis
vollbracht wird, und wir mit der Hilf Gottes gen
Famaguſta (in Cypern gelegen) kommen, dich ver⸗
ſehen mit eignem Haus, Maͤgd und Knecht, ob es
dein Gefallen iſt, dein Leben alſo bei mir zu ver⸗
ſchleißen.“
66
¶ Wie Fortunatus einen alten Knecht zu ei⸗
nem Diener aufnahm / genannt Lupoldus /
der weit erfahren / und ihm viel Land be⸗
kannt waren.
Qupelus gedachte: „Der jung Mann verheißt
mir viel. Ware ich der Sach gewiß, wie gut
waͤr es, daß mir ſolches Gluͤck in meinen alten Ta⸗
gen zuſtuͤnd. / Und wiewohl ihm zweiflet, er ver⸗
moͤchte die Koſten nit, dann er wohl wußte, was
auf ſolches Umwandeln gehn muͤßte, ſagt er: „Ich
will Euch zu Willen werden, doch ſo fern, daß Ihr
Euerm Verheißen genug thut, und daß Ihr es
auch wiſſet aus zu bringen; und fanget es nit an,
Ihr habet und wiſſet denn faſt viel baar Geld: dann
ohn Geld mag man es nit wohl vollbringen.“ For⸗
tunatus ſprach zu Lupoldo: „Sorg nit, ich weiß in
jedem Land Gelds genug aufzubringen. Darum
verheiß dich, bei mir zu bleiben und die Reis zu voll⸗
enden.“ Er ſprach: „So verheißt mir auch zu lei⸗
ſten, das Ihr mir verſprochen und verheißen habt.“
Alſo gelobten ſie beid je einer dem andern bei guten
Treuen, einander nit zu verlaſſen in keinen Noͤten.
Als der Beſchluß geſchehen war, zog Fortunatus
gleich heraus zweihundert Kronen und gab ſie Lu⸗
poldo, ſagt: „Geh, kauf zwei huͤbſche Pferde, ſpar
kein Geld, ding dir einen eignen Knecht, und wenn
er dir nit gefall, ſo ding einen andern, und wenn du
5˙ 67
nit mehr Geld haft, fo will ich dir mehr geben und
dich ohn Geld nit laſſen.“ Das gefiel Lupoldo faſt
wohl und gedacht, es waͤr ein guter Anfang; und
ruͤſtete ſich nach aller Luſt. Deßgleichen thaͤt For⸗
tunatus auch, nahm nit mehr dann zween Knecht
und einen Knaben, alfo daß ihrer ſechs waren, und
wurden eins, wie ſie die Laͤnder und Koͤnigreich
durchfuͤhren, und wollten das roͤmiſch Reich zu
dem erſten beſehen. Und ritten alſo zu dem naͤch⸗
ſten auf Nuͤrnberg, gen Woͤrd, Augſpurg, Noͤrd⸗
lingen, Ulm, Coſtenntz, Baſel, Straßburg, Meutz,
Coͤlln; davon viel waͤr zu ſchreiben, dann ihrer ob
hundert iſt in teutſchen Landen, die unterwürfig
einem Kaiſer ſeind. Da moͤget Ihr wohl merken,
daß es lange Weil brauchte, der alle Staͤdt durch⸗
ſuchen woͤllt; doch die namhaftigſten, und wo Bis⸗
tum waren, da kehrten ſie zu, und beſahen alle
Ding. Das ſchrieb Fortunatus alles gar eben an.
Nun iſt nit mehr dann ſechzig Meilen den naͤchſten
Weg von Nuͤrenberg gen Coͤllen, möcht einer in
acht Tagen reiten. Daran ritten ſie ein Vierteil
von einem Jahr, das macht das Umreiten von einer
Stadt zu der andern; und alſo thaͤten ſie in andern
Koͤnigreichen auch, in einem mehr, dem andern
minder, darnach ſie groß waren. Nach dem zogen
ſie von Coͤlln nach Prugk in Flandern, iſt fuͤnfzig
Meil, und von Prugk gen Lunden, iſt die Haupt⸗
ſtadt des Koͤnigs von Engelland, bei vier Tagreiſen;
68
ift eine Inſel, daß man über Meer fahren muß.
Und von Lunden gen Odwuͤck, iſt die Hauptſtadt
in Schottenland, und iſt neun Tagreiſen. Und als
ſie dahin kommen waren, hatten ſie noch ſechs Tag⸗
reis in Hybernia, in die Stadt, dannen Lupoldus
war. Der begehrt an ſeinen Herren Fortunatum,
mit ihm dahin zu reiten, das er ihm verwilliget,
und ritten nach Hybernia und kamen alſo in die
Stadt genannt Waldrick, da dann Lupoldus da⸗
heim war. Der fand Weib und Kind, wie er ſie ge⸗
laſſen hatte, doch einer feiner Söhne hätt ein Weib
genommen, und eine Tochter, die haͤtt einen Mann
enommen, die waren alle ſeiner Zukunft froh.
ch Gott, ſie waren alle nit reich, das konnte For⸗
tunatus wohl merken; und gab dem Lupoldo hun⸗
dert Nobel, daß er all Sach ratlich und wohl zu⸗
richte, ſo woͤllt er zu ihnen kommen und froͤhlich
mit ihnen fein. Alſo ließ Lupoldus gar koͤſtlich zu⸗
richten und lud darzu ſeine Kinder, ihre Mann und
Weib und all ander gut Freund. Und hielt alſo koͤſt⸗
lich Hof, deß doch jedermann genoß in der Stadt.
Fortunatus war froͤhlich mit ihnen und als er ge⸗
geſſen hatt, ruft er Lupoldo und ſagt zu ihm: „Du
ſollſt Urlaub nehmen von Weib und Kinden, und
nimm hin die drei Seckel, ift in jedem soo Nobel
(if einer beſſer dann dritthalber Gulden rheiniſch);
ſollſt du einen deinem Weib, den andern deinem
Sohn, und den dritten deiner Tochter zu Letze laſ⸗
69
fen, daß fie eine Zehrung haben.“ Deß war er froh
und danket ihm der großen Tugend. Da moͤget
ihr wohl glauben, daß Weib und Kind faſt erfreuet
wurden, und ließen ihn deſto lieber weg reiten. Nun
hatte Fortunatus gehoͤrt, daß noch zwo Tagreiſen
waͤren bis in die Stadt, da Patricius Fegfeur iſt
liegt auch in Hybernia); und ſagte: „So es nit fer⸗
ner iſt dann zwo Tagreis, woͤllen wir dahin!; und
ſatzt erſt ein Vertrauen in ſeinen Seckel, da er ſo
za daraus genommen hätt, und doch kein
angel da war. Und ritten mit Freuden in die
Stadt Werniks, darinnen iſt ein groß Kloſter, ein
Abtei, und in der ſelben Kirchen hinter dem Fron⸗
altar iſt die Thuͤre, da man eingeht in die finſtre
Höhle, die dann genannt iſt Sant Patricius Feg⸗
feur. Nun laͤßt man niemand darein ohn des Abts
Erlaubniß. Lupoldus ging zu dem Abt und ge⸗
wann Urlaub, der ihnen verliehen ward; doch
fragte er, von wannen der Herr waͤre. Er ſagt ihm,
er waͤre von Cypern; verſtund der Abt wohl, daß
er von fernen Landen war, lud ihn und die Seinen
zu Gaſt, das Fortunatus zu einer großen Ehr auf⸗
nahm. Und als er zu der Mahlzeit gehn wollt, kauft
er ein Faß mit dem beſten Wein, ſo er fand, und
ſchenkt das dem Abt (dann der Wein faſt teuer da
iſt). Der Abt nahm es in großem Dank auf, da
ſonſt wenig Wein in dem Kloſter gebraucht ward
dann zu dem Gottesdienſt. Als ſie die Mahlzeit
70
vollbracht hatten, fing Fortunatus an und ſprach:
„Gnaͤdiger Herre, iſt es nit wider Euer Wuͤrde, ſo
begehrt ich zu wiſſen, von was Urſach es kommt,
daß geſagt wird, daß hie Sant Patricius Fegfeur
ſei. Der Abt ſprach: „Das will ich Euch ſagen.
Es iſt vor viel hundert Jahren, da jetzund dieſe
Stadt und Gotteshaus liegt, eine wilde Wuͤſten ge⸗
weſen, und nit fern von hinnen iſt ein Abt geweſen,
der hat Patricius geheißen; war gar ein andaͤch⸗
tiger Mann, der oft herging in dieſe Wuͤſten, um
Buß wirkung zu thun. Und auf ein Mal, da fand
er dieſe Hoͤhle, die zumal lang und tief iſt, darein
ging er ſo weit, daß er nit wußt heraus zu kommen;
da fiel er nieder auf ſeine Knie, und bat Gott, waͤr
es nit wider ſeinen goͤttlichen Willen, daß er ihm
aus der Hoͤhle huͤlf. Dieweil er Gott bat mit gro⸗
ßer Andacht, hört er noch fern hinter ihm ein jam-
merlich Geſchrei, als ob es eine große Menge Leut
waͤre; darob er ſehr erſchrak. Doch verlieh ihm
Gott, daß er wieder aus der Hoͤhle kam, deß er
Gott treulich danket, und kam in ſein Kloſter und
war andaͤchtiger dann zuvor. Wenn er Poͤnitenz
wirken wollt, ſo ging er in dieſe Hoͤhle; und fing
an und bauet ein Capell bei dem Loch der Hoͤhle,
und gewannen die andaͤchtigen Leute eine Zukehr,
daß dieſes Kloſter, darzu die Stadt, hie gebaut iſt
worden.“ Fortunatus ſprach: „Die Pilger, die
alſo herkommen und Ihr in die Hoͤhle laſſet, was
71
fagen die, fo fie heraus kommen? Der Abt ſprach:
„Ich frag ihrer keinen noch laß fie nitfragen. Doch
ſo ſagen etlich, ſie haben gehoͤrt elendiglich rufen, ſo
haben etlich nichts gehoͤrt noch geſehen dann daß
ihnen ſehr gegrauſet hat.! Fortunatus ſprach: „Ich
bin fern her kommen, und ſollt ich nit in die Hoͤhle
gehn, wo man das von mir ſagete, waͤr mir eine
Schand, und will alſo nit von hinnen, ich will in
das Fegfeur.“ Der Abt ſprach: „So Ihr dann je
darein woͤllet, fo geht nit zu weit, dann dar innen
ſeind viel Abweg, daß man leichtlich verirren mag,
als etlichen bei meinem Gedaͤchtniß geſchehen iſt,
die man erſt am vierten Tag funden hat.“ Fortu⸗
natus fragt Lupoldum, ob er mit ihm darein woͤllt;
er ſagt: „Ja, ich geh mit Euch und will bei Euch
bleiben fo lang mir Gott das Leben verleiht.“ Das
gefiel Fortunato wohl.
Wie Fortunatus und ſein Diener Lupoldus
in Patricius Loch gingen.
Urd alſo morgens fruͤh gingen ſie beid und beich⸗
teten und empfingen das heilig Sacrament.
Dann die Hoͤhle iſt geweiht von Sant Patricius:
wer eine Nacht darinnen iſt, der hat Ablaß aller
ſeiner Suͤnden; darum heißt man die Leute beich⸗
ten, die darein wollen. Alſo ſchloß man ihnen die
Thuͤre der Hoͤhle auf, die iſt hinter dem Fronaltar
72
in dem Kloſter. Da geht man darein wie in einen
Keller, und ſobald einer hinein kommt, ſo geben
die Prieſter einem den Segen und beſchließen die
Thuͤre, und thun nit wieder auf bis morgens um
die Zeit ſo man darein gangen iſt. Als ſie nun in die
oͤhle kamen und tief hinab gangen waren, kamen
auf eine Ebene, da nahmen ſie einander bei den
Haͤnden, damit ſie nit von einander kaͤmen, und gin⸗
gen alſo in der Finſternis und meinten, der Hoͤhle
an ein End zu gehen und dann wider zu kehren.
Und da ſie lang gingen, befanden ſie, daß ſie faſt ab⸗
waͤrts gehen mußten, wurden zu Rat, wieder zu
der Hoͤhle Thor zu gehn. Sie konnten aber nit
darzu kommen, und gingen fo lang bis ſie muͤd wur⸗
den, ſetzten ſich nieder zur Ruh und warteten, wenn
man ihnen bei der Thuͤr rufete, ſo wuͤrden ſie es
hoͤren und dem Ton nachgehn und darmit hinaus
kommen. Sie war ein Grauſen ankommen, daß
ſie nicht wußten, ob ſie kurz oder lang darinnen
waͤren geweſen. Als nun die Zeit kam, daß man
des Morgens die Thuͤre aufſchloß, ſo rufet man
ihnen; ſie waren aber ſo weit, daß ſie es nit hoͤren
mochten. Man ſchloß die Thuͤre wieder zu, die Zween
gingen hin und her und wußten nit mehr ihnen
ſelbſt zu helfen, ſie ward ſehr hungern und fingen
an ganz zu verzagen und ſich ihres Lebens zu ver⸗
wegen. Fing Fortunatus an und ſprach: „O all⸗
maͤchtiger Gott, nun komm uns zu Hilf, dann hie
73
hilft weder Gold noch Silber.“ Und faßen alſo nie⸗
der als verzweifelte Leut und hoͤrten noch ſahen
nichts. Und an dem dritten Morgen da kamen die
Potkeu und ſchloſſen aber auf die Pforten der
oͤhle und riefen. Da war Niemand; ſie ſchloſſen
wieder zu und gingen zu dem Abt und ſagten ihm
das Leid und beſonder um Fortunato, der ihnen ſo
guten Wein geſchenkt haͤtt. Auch liefen ihre Knecht
und gehuben ſich gar uͤbel um die Herren. Alſo
wußte der Abt einen alten Mann, der vor vielen
Jahren die Hoͤhle hatte mit Schnuͤren abgemeſſen,
und ſandte nach ihm, ſprach, daß er lugte, ob er die
Maͤnner koͤnnt herausbringen. Die Knechte ver⸗
hießen ihm hundert Nobel. Er ſprach: „Seind ſie
noch am Leben, ich bringe fie heraus.” Und ruͤſt ſich
mit ſeinem Zeug und ging hinein. Moͤcht einer ſpre⸗
chen: „Warum geht man nit mit Lichtern oder La⸗
ternen darein? Iſt zu wiſſen, daß die Höhle kein
Licht leidet in keinen Weg. Und alſo ſchlug der alt
Mann ſeine Inſtrumente an und ſucht eine Hoͤhle
nach der andern bis er ſie fand. Deß waren ſie froh,
waren ganz ohnmaͤchtig und ſchwach worden; alſo
hieß er ſie, daß ſie ſich an ihn hielten, wie ein Blin⸗
der an einen Sehenden, und ging er ſeinem Inſtru⸗
ment nach. Mit der Hilf Gottes und des alten
Manns kamen ſie wieder zu den Leuten. Deß war
der Abt froh und haͤtte gar ungern gewollt, daß die
Pilger verloren waͤren geweſen, denn er fuͤrchtete,
74
es wären nit mehr Pilger dahin kommen, dardurch
ihm und ſeinem Gotteshaus Nutzung abgangen
waͤr. Die Knecht ſagten Fortunato, wie ſie dem
alten Mann hundert Nobel haͤtten verheißen, daß
er ſie geſucht haͤtt, die gab er ihm baar und mehr,
danket ihm gar ſehr und ließ in der Herberg koͤſt⸗
lich zurichten, lud den Abt und alle ſeine Bruͤder,
und lobet Gott, daß er aber aus einer großen Angſt
kommen war. Und ließ dem Abt und Convent hun⸗
dert Nobel zu Letze, daß ſie Gott ſollten fuͤr ihn bit⸗
ten. Alſo nahmen ſie Urlaub von dem Abt; und
fingen an, ihre Reis zu vollbringen. Ritten wieder
— ſich den naͤchſten Weg nach Calis, denn jen⸗
alb Hybernia iſt es ſo wild, daß man nit ferner
kommen mag. Und ritten gen Sant Jobſt in Pi⸗
chardia und darnach gen Paris, das iſt die Haupt⸗
ſtadt in Frankreich, fuͤnfzig Meilen von Calis.
Von Paris gen Biana, an das Meer, iſt 75 Mei⸗
len, von Biana gen Panplion, iſt die Hauptſtadt
des Königs von Naverren, iſt 75 Meilen; von Pan⸗
plion auf der linken Seiten gen Sarragoſſa, iſt die
Hauptſtadt des Königreichs von Arragon, iſt zo
Meilen von dannen; gen Burges und gen dem hei⸗
ligen Sant Jacob, heißt die Stadt Compoſtel, iſt
52 Meilen von Sant Jacob; gen Fumis Terrae,
genannt zum finſtern Sternen, iſt 14 Meilen von
Sant Jacob; gen Liſabona, iſt die Hauptſtadt des
Koͤnigreichs Portugal, iſt neunzig Meilen; von
75
Liſabona gen Sibilla, eine große Stadt, iſt 52 Mei⸗
len, und fuͤrder an das Meer, zehen Meilen von Si⸗
billa gen Granaten, iſt ein heidniſch Koͤnigreich; iſt
35 Meilen. Von Granata gen Cordova, iſt eine
roße Stadt. Von Cordova wieder gen Burges,
f 120 Meilen, von Burges gen Sarragoſſa, iſt 50
Meilen; von Sarragoſſa gen Barſalon, iſt 48 Mei⸗
len und iſt die Hauptſtadt in Cathelonia. Von Bar⸗
ſalon 7 Meilen liegt ein Kloſter auf einem hohen
Berg, heißt Monßerat, da raſtet unſre liebe Frau
gar gnaͤdiglich, da große Wunderzeichen geſchehen
und geſchehen ſind, darvon viel zu ſchreiben waͤr.
Von Barſalon gen Doloſa, in Longadock, darinnen
liegen vier Zwoͤlfboten und da iſt große Gnad. Von
Doloſa gen Parpian, achtzehen Meilen, iſt die
Hauptſtadt in Roſoligon. Von Parpian gen Mon⸗
pelior, 25 Meilen. Von Monpelior gen Avignon, 20
Meilen, iſt eine faſt große Stadt, gehoͤret dem Papſt
zu, und iſt da der allerſchoͤneſt Palaſt und Burg,
ſo in der Welt iſt. Eine Stadt hinter Avignon heißt
Marſilia, iſt ein Port des Meeres und wohnet da
ein Koͤnig. Vier Meilen davon raſtet Sant Maria
Magdalena. Und iſt eine Stadt nit fern davon,
heißet Aix, die Hauptſtadt in Proventz, bei zwan⸗
zig Meilen. Von Avignon gen Jennf iſt fünfzig
Meilen. Von Jennf gen Genua D
Meilen. Von Genua gen Rom ſechzig Meilen. Von
Rom gen Neapols, iſt die Hauptſtadt des Koͤnigs
76
von Neapols, zwanzig Meilen. Von Neapols über
Meer gen Palermo, iſt die Hauptſtadt des Koͤnig⸗
reichs Cecilien, iſt 7o Meilen. Von Cecilia wieder
gen Rom hundert Meilen. Von Rom gen Vene⸗
dig 7o Meilen, von Venedig gen Jeruſalem, iſt zum
erſten gen Ragus 100 Meilen; von Ragus gen
Corffan 60 Meilen, von Corffan gen Modena ſech⸗
zig Meilen; von Moden gen Candia 60 Meilen,
von Candia gen Rodis 70 Meilen, von Rodis gen
Nicoſia, iſt die Hauptſtadt des Koͤnigreichs Cy⸗
pern, an das heilig Land gen Jaffa 60 Meilen, von
Taft gen Jeruſalem 8 Meilen, von Jeruſalem gen
Katherina Berg 14 Tagreiſen; von Sant
Katharina durch die Wuͤſten gen Alkeyr 6 Tag⸗
reis, iſt des Soldans Hauptſtadt. Von Alkeyro gen
— iſt vier Tagreiſen auf dem Fluß Nilo zu
ahren.
¶ Wie Fortunatus wieder gen Venedig kam /
von dannen gen Conſtantinopel fuhr / den
jungen Kaiſer kroͤnen zu ſehen.
Als ſie nun zu Venedig waren, das waͤr der recht
Weg die Koͤnigreiche alle zu durchfahren ge⸗
weſen. Als ſie aber zu Venedig ſtill lagen, hoͤrten
ſie, wie der Kaiſer von Conſtantinopel einen Sohn
hätt, den wollt er laſſen zum Kaiſer kroͤnen, dann er
faſt alt war, und wollte, daß er das Regiment bei
77
feinem Leben beſaͤße. Deß hatten die Venediger ge-
wiſſe Kundſchaft, und hatten zugerichtet eine Ga⸗
leeren, und darzu eine ehrwuͤrdige Botſchaft mit
viel koͤſtlichen Kleinoden, die man dem neuen Kai⸗
ſer ſollte ſchenken. Da ging Fortunatus und dingt
ſich und ſein Volk auch auf die Galeere und fuhr
mit den Venedigern gen Conſtantinopel, das eine
große Stadt iſt. Doch ſo war ſo viel fremdes Volk
darkommen, daß man nit mocht Herberg haben,
man gab den Venedigern ein eigen Haus, die woll⸗
ten niemand Fremden bei ihnen laſſen. Alſo ſucht
Fortunatus mit ſeinem Volk lang eine Herberg,
doch zuletzt da fand er einen Wirt, der war ein Dieb,
bei dem waren ſie zu Herberg, und gingen alle
Tage und lugten dem Feſt und der großen Koͤſtlich⸗
keit zu, ſo dann da vollbracht ward, darvon lang
zu ſchreiben waͤr. Doch ſo will ich fuͤrbaß ſchrei⸗
ben, wie es Fortunato gangen iſt. Als Fortunatus
alle Tag aus ging zu dem Feſt, haͤtt er eine eigne
Kammer, die beſchloſſen ſie; meinten, ihr Sach
waͤr wohl verſorgt. Aber der Wirt haͤtt einen heim⸗
lichen Eingang in Fortunatus Kammer, da die
groͤßer Bettſtatt ſtund an einer hoͤlzernen Wand,
daraus er ein Brett nehmen und wieder zuthun
mocht, daß es niemand merket; dardurch er aus
und ein ging. Dieweil ſie bei dem Feſt waren, haͤtt
er ihre Kiſſen und Kleiderſaͤck durchſucht, dar⸗
innen er doch kein baar Geld fand; das nahm ihn
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fremd, und gedacht: fie tragen ihr Geld bei ihnen
et in ihre Waͤmms. Als fie nun etliche
Tag bei ihm gezehrt hätten, rechneten fie mit dem
Wirt; der nahm gar eben wahr, wer das Geld aus⸗
ge, und ſah, daß Fortunatus das Geld unter dem
iſch fuͤrbracht und es Lupoldo gab, der bezahlet
den Wirt. Nun hatte Fortunatus Lupoldo befoh⸗
len, daß er keinem Wirt nichts ſollte abbrechen, ſon⸗
dern was einer heiſchet, das ſollt er ihm geben. Das
thaͤt er mit dem Wirt auch; dem gefiel das wohl,
ihm genuͤget aber nit, er haͤtte es gern alles und den
Seckel zu dem Geld gehabt. Nun war der Tag
nahe, daß Fortunatus hatte verheißen einer armen
Tochter einen Mann zu geben und die zu begaben
mit vierhundert Stuͤck Goldes des Lands Waͤh⸗
rung. Fing er an und ſprach zu dem Wirt, ob er
nit wuͤßt einen armen Mann, der fromm ſei und
eine Tochter hätt, die mannbar wäre, und ihr aber
von Armut wegen nit einen Mann koͤnnte geben,
daß er dann den Vater zu ihm weiſet, ſo wollt er
ihm eine Tochter ausſteuren nach Ehren. Der Wirt
ſprach: „Ja, ich weiß ihrer mehr dann einen, und
morgen will ich zu Euch bringen einen frommen
Mann, der muß ſeine Tochter mit ihm hie her zu
Euch bringen.“ Das gefiel Fortunato faſt wohl.
Was gedacht ihm aber der Wirt? „Ich will ihnen
aber noch heut Nacht das Geld ſtehlen, dieweil ſie
es noch haben. Denn wart ich laͤnger, ſo geben ſie
79
es aus.” Und in der Nacht flieg er durch das Loch
und als ſie alle hart ſchliefen, durchſucht er ihnen
die Kleider all, vermeinet, er ſollte groß Fleck mit
Gulden in ihren Waͤmmſern funden haben. Da er
aber nichts fand, da ſchnitt er Lupoldo ſeinen Seckel
ab, darinnen waren wohl fuͤnfzig Dukaten, und
ſchnitt Fortunato ſeinen Seckel auch ab. Da er aber
den Seckel herfuͤr bracht, und griff außen daran,
und nichts darinnen war, da ſchmiß er den Seckel
unter die Bettſtatt und ging alſo zu den drei Knech⸗
ten und ſchnitt ihnen allen die Seckel ab, darinnen
er wenig Gelds fand. Und thaͤt Thuͤren und Fen⸗
ſter auf als ob Diebe ab der Gaſſen hinein geſtiegen
waͤren. Da Lupoldus erwachet und die Fenſter und
Thuͤr offen ſah, fing er an die Knechte zu ſchelten,
warum ſie heimlich ausgingen und ihren Herrnalſo
Unruh anlegten. Die Knecht ſchliefen und wiſchten
auf aus dem Schlaf; ein jeder ſprach, er haͤtt es nit
gethan. Da erſchrak Lupoldus und lugt bald zu
ſeinem Seckel, der war ihm abgeſchnitten und hin⸗
gen die Stuͤmpf an dem Guͤrtel. Er ruft Fortu⸗
nato und ſprach: „Herr, unſer Kammer ſteht offen
an allen Orten, und mir iſt Euer Geld, ſo ich noch
haͤtt, geſtohlen. Das hoͤrten die Knecht, denen war
es auch alſo ergangen. Fortunatus wiſchet bald an
ſein Wamms, daran er den Gluͤckſeckel trug, be⸗
fand, daß er ihm auch abgeſchnitten war. Da moͤ⸗
get ihr wohl glauben, daß er ſehr erſchrak, ja er er⸗
80
ſchrak fo ſehr, daß er niederſank, und ihm der Sinn
wand, und lag gleichſam er tot waͤre. Lupoldus
und die Knechte erſchraken, und war ihnen leid um
ihren Herrn, ſie wußten aber nit den großen Ver⸗
luſt, ſo ihr Herr gethan hatt, ſondern fie labeten und
rieben ihn, bis daß ſie ihn wieder zu der Vernunft
brachten. Als ſie alſo in der Angſt und Not waren,
da kam der Wirt und ſtellt ſich gar wunderlich und
ſprach, was Lebens ſie haͤtten? Sie ſagten dem
Wirt, ihnen waͤr alles ihr Geld geſtohlen. Der
Wirt ſprach: „Was ſeind ihr für Leut! habt ihr
nit eine wohlgeſperrte Kammer, was habt ihr
euch nit verſehen? Sie ſagten: „Wir haben Fen⸗
ſter und Thuͤr verſperrt, und haben es alles offen
funden. Der Wirt ſprach: „Ihr ſollt lugen, daß
45 es nit unter euch ſelbſt einander geſtohlen habet.
iſt viel fremdes Volk hie, ich weiß nit, was jeder
kann. Doch da fie ſich fo übel gehuben, ging er
auch zu Fortunato und ſah, wie er ſeine Geſtalt ſo
ganz verwandelt haͤtt, und ſprach: „Iſt des Gelds
fo viel, fo ihr verloren habt?“ Sie ſagten, es wäre
nit viel. „Wie koͤnnt Ihr Euch dann ſo uͤbel ge⸗
haben um wenig Geld? Ihr wolltet naͤchſt einer
armen Tochter einen Mann geben, erſpart dasſelbe
Geld und verzehrt es.” Fortunatus antwortet dem
Wirt gar ohnmaͤchtiglich: „Mir iſt mehr um den
Seckel dann um das Geld, ſo ich verloren hab. Da
iſt ein kleines Wech ſelbrieflein in, das doch niemand
68 . 81
keines Pfennigs Wert nügen mag.“ Da der Wirt
ſah, daß Fortunatus ſo ſehr betruͤbt war, wiewohl
er ein Schalk war, jedoch ward er bewegt zur
Barmherzigkeit und ſprach: „Laſſet uns ſuchen,
ob man den Seckel koͤnnte finden, dann keiner hat
Freud ab einem leeren Seckel“; und hieß die Knechte
ſuchen. Da ſchloff einer unter das Bett und fand
den Seckel und ſprach: „Hie liegt ein leerer Seckel“
und bracht ihn dem Herren fuͤr, und fragte ihn, ob
das der recht Seckel waͤr. Er ſprach: „Laß mich
den beſehen, ob er der ſei, der mir abgeſchnitten iſt.“
Da war er der rechte. Nun fuͤrchtete Fortunatus,
ſo der Seckel abgeſchnitten waͤr, daß er die Tugend
verloren haͤtt, und durfte doch nit darein greifen vor
den Leuten; dann ihm leid waͤr geweſen, daß ein
Menſch die Tugend des Seckels gewußt hätt, fuͤrch⸗
tete, er wuͤrde um das Leben mit dem Seckel kom⸗
men. Fortunatus legt ſich wieder nieder, denn man
ſah wohl, daß er bloͤd war; und unter der Decken
that er ſeinen Seckel auf und griff darein und be⸗
fand, daß der Seckel in allen Kraͤften, wie er zuvor
geweſen war; deß er ſich wohl erfreuete. Doch ſo
war der Schreck ſo groß geweſen, daß er ſo bald
nit wieder zu ſeiner Farbe noch Staͤrke kommen
mocht, und blieb alſo den Tag ſtill liegen. Lupol⸗
dus wollt ihn troͤſten und ſprach: „O Herr, gehabt
Euch nit ſo uͤbel, wir haben noch ſchoͤne Roß, ſil⸗
berne Ketten, guͤldene Ringe und andere Kleinod,
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und fo wir nit Geld haben, wollen wir Euch mit
der Hilfe Gottes auch wohl heim helfen: ich bin
durch mannig Koͤnigreich gezogen ohn Geld.“ Lu⸗
poldus meinet, er waͤr faſt reich in ſeiner Heimat,
wenn er heim kaͤme, daß ihm kein Verluſt ſchaden
moͤchte. Fortunatus redet gar ohnmaͤchtiglich und
ſprach: „Wer das Gut verliert, der verliert die
Vernunft. Weisheit war zu erwaͤhlen fir Reich⸗
tum, Staͤrke, Geſundheit, Schoͤne, langes Leben;
das mag man keinem ſtehlen. Und damit ſchwieg
er. Lupoldus verſtund die Wort nit, wußte nit, wie
er die Wahl gehabt haͤtt unter dieſen Stuͤcken allen,
und fraget nit ferner. Meinet, er wuͤßte nit was er
ſagte alſo in der Ohnmacht. Doch thaͤten ſie Fleiß
und brachten ihn darzu, daß er aß und wieder zu
ihm ſelbſt kam und feine rechte Farbe gewann; fing
wieder an froͤhlich zu werden. Doch da es Nacht
war, befahl er den Knechten, daß ſie Lichter kauften
und die ganze Nacht Lichter brannten und jeder ſein
bloßes Schwert zu ſich naͤhme, damit ſie nit mehr
alſo beraubt wuͤrden. Das auch geſchah. Fortuna⸗
tus haͤtt die Schnuͤre, ſo ab dem Seckel kommen wa⸗
ren, gar ſtark wieder angemacht, und ließ den Seckel
ſo lang er lebte nit mehr an dem Wamms han⸗
gen, ſondern er bewahret ihn allweg ſo wohl, daß
ihm den niemand mehr Bye konnt. Des Mor:
gens fund er fruͤh auf mit feinem Volk und ging
in Sant Sophia Kirchen, darinnen gar eine ſchoͤne
6* 83
Kapell ift, geweiht inder Ehreunfrerlieben Frauen.
Da gab er dem Prieſter zween Gulden, daß ſie ein
loblich Amt ſangen unſer lieben Frauen zu Lob und
Ehr, und den Lobgeſang Te deum laudamus. Da
das Amt und Lobgeſang vollbracht war, ging er
mit ſeinem Volk an den Platz, da die Wechſler und
Kaͤufer waren, und als er da ſtand, hieß er die
Knechte heim gehn, die Mahlzeit zu ruͤſten und die
Roſſe verſehn. Und gab Lupoldo Geld und ſprach:
„Geh und kauf fuͤnf neu gut Seckel, ſo will ich gehn
zu meinem Wechſler und will Geld bringen. Ich
hab keine Freud, ſo wir alſo alle ohn Geld ſeien.“
Lupoldus thaͤt, was ihm befohlen war, und brachte
fuͤnf leere Seckel. Und thaͤt bald in einen Seckel
hundert Ducaten, und gab die Lupoldo, daß er
ausgaͤb und ſich verſaͤh, und niemand keinen Man⸗
gel ließe; wenn er nit mehr haͤtt, ſo wollt er ihm
mehr geben. Er gab jedem Knecht einen neuen
Seckel und zehn Ducaten darein und ſagte ihnen,
ſie ſollten froͤhlich ſein; doch daß ſie Sorg haͤtten,
daß ihm kein Schad mehr widerfuͤhr als ihm zu⸗
vor geſchehen waͤr. Sie dankten ihm faſt, und ſag⸗
ten, ſie wollten wohl Sorge haben. Fortunatus
thaͤt vierhundert Gulden in den fuͤnften Seckel und
ſandte nach dem Wirt und ſprach: „Als ich zuvor
mit Euch geredet habe: wo ein frommer Mann eine
mannbare Tochter haͤtte, dem wollte ich ſie aus⸗
ſteuren.“ Er ſprach: „Ich weiß mehr dann einen,
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doch fo will ich einen daher bringen und die Tochter
mit ihm, daß Ihrs ſehet und merket.“ Das gefiel
ihm wohl. Der Wirt ging zu dem frommen Mann
und ſagt, wie ein reicher Gaſt bei ihm waͤr, daß er
ſeine Tochter naͤhm und mit ihm ging; er hofft, ſein
Ding ſollt gut werden.
¶ Wie Fortunatus einem armen Mann eine
Tochter ausſteuret / und ihr vierhundert
Ducaten zu Heimſteuer gab.
Der Tochter Vater war ein Schreiner, ein
fromm grob Mann, der ſprach: „Ich will
meine Tochter nirgend hin fuͤhren; er wollt ſie viel⸗
leicht zu Unehren brauchen, und ihr dann einen Rock
kaufen; darmit ſo waͤre weder ihr noch mir gehol⸗
fen. Sag ihm, wolle er ihr etwas Guts thun, daß
er zu uns komm.“ Das verdroß den Wirt ſehr, und
ſagt es Fortunato und meinet, er ſollt auch ein Ver⸗
drießen daran gehabt haben. Da gefiel es ihm wohl
und ſprach: „Fuͤhrt mich zu dem Mann.“ Und
nahm Lupoldum auch mit ihm, gingen alſo in des
Mannes Haus, und ſprach: „Ich hab vernom⸗
men, wie du eine Tochter habeſt, die gewachſen ſei,
laß ſie doch herkommen und die Mutter mit ihr.“
Er ſprach: „Was woͤllt Ihr ihrer?“ Er ſprach:
„Heiß ſie kommen, es iſt ihr Gluͤck.“ Er ruft der
Mutter und der Tochter. Sie kamen beide und
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ſchamten fich ſehr, dann fie hatten zumal böfe Klei⸗
der an. Die Tochter ſtund hinter der Mutter, daß
man deſtominder ihre böfen Kleider fah. Fortuna⸗
tus ſprach: „Jungfrau, ſtehtherfuͤr.“ Sie warſchoͤn
und gerad. Er fraget den Vater, wie alt die Toch⸗
ter waͤre. Sie ſagten: zwanzig Jahr. Er ſprach:
„Wie habet Ihr ſie ſo alt laſſen werden, daß Ihr
ihr nit einen Mann geben habt?“ Die Mutter
mochte nit warten bis der Vater Antwort gaͤb
und ſprach: „Sie waͤre vor ſechs Jahren groß ge⸗
nug geweſen; ſo haben wir nit gehabt, damit wir
fie haben mögen ausſteuren. / Fortunatus ſprach:
„So ich ihr eine gute Heimſteuer gaͤb, wuͤßtet Ihr
einen Mann?“ Die Mutter ſprach: „Ich weiß
ihrer genug. Unſer Nachbar hat einen Sohn, der
iſt ihr hold. Haͤtte ſie etwas, er naͤhme ſie gern.“
Er fragt die Jungfrau und ſprach: „Wie gefiel
Euch Euers Nachbarn Sohn?“ Sie ſprach: „Ich
will nit woͤllen dann welchen mir mein Vater und
Mutter geben, den will ich haben; und ſollt ich ohn
Mann ſterben, ſo will ich keinen ſelber nehmen.“
Die Mutter mocht nit mehr ſchweigen und ſprach:
„Herr, ſie luͤgt; und ich weiß, daß ſie ihm ganz hold
iſt und daß fie ihn von ganzem ihrem Herzen gern
hat.“ Fortunatus ſchickt den Wirt nach dem Juͤng⸗
ling; und als er kommen war, da gefiel er ihm wohl.
Er nahm den Seckel, da er die vierhundert Duca⸗
ten ein gelegt haͤtt, und ſchuͤttet die auf den Tiſch
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und fagt zum Juͤngling (auch bei 20 Jahren alt):
„Willſt du die Jungfrau zu der Eh, und Jung⸗
frau, wollet Ihr den Juͤngling zu der Eh, ſo will
ich Euch das Geld zu einer Heimſteur geben.“ Der
Juͤngling ſprach: „Iſt Euch der Sach ernſt, fo ift
die Sach meinethalb recht.“ Die Mutter antwor⸗
tet aber ſchnell: „So iſt es meiner Tochter halber
auch recht.“ Und alſo ſandt er nach einem Prie⸗
ſter, und ließ ſie zuſammengeben vor ihren beiden
Vater und Mutter, daß er wuͤßte, daß es eine Eh
waͤre, und gab ihnen das baar Geld wie er es ge⸗
bracht haͤtt, und der Braut Vater zehen Ducaten,
daß er ſich und ſein Weib kleidet, und gab ihnen
noch zehen Ducaten, daß ſie Hochzeit haͤtten. Deß
waren ſie alle von Herzen froh und danketen For⸗
tunato und lobten Gott gar treulich und ſagten:
„Gott hat den Mann vom Himmel geſandt.“ Als
nun die Ehe gemacht war, gingen ſie wieder in die
Herberg. Lupoldus nahm wunder, daß ſein Herre
ſo mild war und ſo reichlich viel Gelds ausgab und
fich doch fo übel gehub um wenig Geldes, das ihm
verſtohlen worden war. Das muͤhete den Wirt
ſehr, daß er nicht den Seckel mit den vierhundert
Ducaten gefunden haͤtt und doch all ihre Beutel
durchſucht haͤtt. Und griesgramet in ihm ſelbſt, ge⸗
dacht: „Hat er ſo viel auszugeben, ſo muß ich mich
noch mehr unterftehn, ihnen die Taſchen zu leeren.“
Nun wußte der Wirt, daß ſie zu Nacht groß Ker⸗
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zenlicht ließen brinnen, die fie infonderheit hatten
laffen machen. Und als fie aber zu des Kaiſers Feſt
gangen waren, macht ſich der Wirt aber in 1
Kammer und bohrt Loͤcher in die Kerzen und thaͤt
Waſſer darein und uͤberkleibet das und richt die
Kerzen alſo zu: wenn ſie zwo Stunden brannten,
ſo erloſchen ſie von ihnen ſelber. Nun war es um
die Zeit, daß des Kaiſers Feſt ſchier ein End haͤtt.
Gedachte der Wirt, Fortunatus wuͤrd auch nit
länger bleiben, und er müßte ſich nit ſuͤumen. Und
unterſtund ſich die Nacht aber, ſeinen Gaͤſten einen
Schaden zuzufuͤgen, wartet eben, wann das Licht
erloͤſchen wuͤrd; haͤtt ihnen auf die Nacht den beſten
Wein, ſo er ankommen mocht, zu trinken geben,
war ſelber auch froͤhlich mit ihnen geweſen, auf
das er meinet ſie ſollten ſtark ſchlafen, als auch ge⸗
meiniglich geſchieht, daß die Menſchen auf wohl
Trinken ſtark und bald entſchlafen. Als ſie zu Bett
gingen und ihr Nachtlicht zugeordnet hatten, haͤtt
ein jeder ſein bloß Schwert bei ihm, und meinten,
ohn alle Sorge zu ſchlafen, als ſie auch thaͤten.
€ Wie Fortunatus Wirt zu Conſtantinopel
nachts in die Kammer kam zu ſtehlen / und
Lupoldus den zu Tod ſchlug.
Der Wirt ſchlief aber nit, ſondern er gedachte
ſein Fuͤrnehmen zu vollbringen. Und da er
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ſah, daß das Licht erlofchen war, ſchloff er aber
durch das Loch und kam zu Lupoldo, und finge an
ihm unter dem Kopf zu knuͤſtern. Nun ſchlief Lu⸗
poldus nit, und haͤtt gar ein wohlſchneidend Meſſer
alſo bloß bei ſich auf der Decken liegen: und eilends
erwiſcht er das Meſſer und hieb gegen ihn; der Dieb
ducket ſich, aber nit genug; und verwundet ihn ſo
hart in ſeinen Hals, daß er weder Ach noch Weh
ſprach und alſo tot lag. Lupoldus rufet den Knech⸗
ten gar zorniglich, ſprach: „Warum habt ihr das
Licht erlöfcht?” Sie ſagten alle und jeder inſonder⸗
heit, ſie haͤtten es nit geloͤſcht. Lupoldus ſprach:
„Geh einer bald und zuͤnd ein Licht an und ſtehet
ihr andern mit euren bloßen Schwertern unter die
Thuͤr, und laſſet niemand hinaus: es iſt ein Dieb
in der Kammer.“ Der ein Knecht lief bald und
brachte ein Licht; ſprach: „Thut die Thuͤr wohl zu,
daß uns der Dieb nit entrinn. Und fingen an zu
ſuchen und kamen gleich an den Ort, da Lupoldus
gelegen war; da funden ſie den Wirt mit dem ver⸗
wundeten Hals alſo tot liegen. Da das Fortuna⸗
tus hoͤrt, moͤgt ihr wohl glauben, daß er boͤſer er⸗
ſchrak dann all ſein Tag je, und ſprach aber: „O
Gott, daß ich je gen Conſtantinopel kommen bin!
Nun war es ein kleine Sach, daß wir alle um un⸗
ſer Gut kommen waͤren; jetzund ſein wir alle um
unſer Leib und Gut kommen. Oallmaͤchtiger Gott,
komm uns Armen zu Hilf, dann uns ſonſt niemand
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helfen kann noch mag. Wir fein fremd, und daß
wir unſern Glimpf ſchon ſagen, ſo wird uns nit ge⸗
glaubt. Bieten wir dann viel Gelds zu geben, ſo
gedenken ſie: ſie haben das Leben zuvor verwirkt,
wenn wir das nehmen, ſo haben wir viel Gelds, es
wird uns doch ſonſt von ihnen.“ Herr und Knecht
ſtunden und ſahen den toten Koͤrper an und von
Not und Angſt zitterten fie, daß keiner reden konnt,
und Fortunatus allermeiſt. Denn derſelbe wußte,
wie es ihm vor gangen war zu Lunden, da der Edel⸗
mann in einem Haus ermordet war, dabei er nit
geweſen war, keine Schuld daran hatte und ihm
ganz unwiſſend war. Fortunatus ſprach zu Lu⸗
poldo: „O weh, wie haſt du uns fo uͤbel gethan, daß
du den Wirt zu Tod haſt geſchlagen, haͤtteſt du ihn
verwundet bis auf den Tod und doch nit gar zu Tod
geſchlagen, ſo wollten wir mit der Hilfe Gotts und
mit baarem Geld unfer Leben friſten.“ Lupoldus
ſprach: „Es iſt Nacht geweſen, ich wußte nit, was
ich traf. Ich ſchlug nach einem Dieb, der mir un⸗
ter dem Kopf knuͤſtert, der uns zuvor das Unſer ge⸗
ſtohlen hat; den hab ich troffen. Und wollte Gott,
daß man wuͤßt, in was Geſtalt er zu Tod erſchla⸗
gen iſt, ſo beduͤrften wir uns nichts beſorgen, weder
fuͤr Leib noch Gut.“ Fortunatus ſprach: „O wir
moͤgen darzu nit kommen, daß wir den Wirt zu
einem Dieb machen, ſeine Freunde laſſen es nit ge⸗
ſchehen. Uns hilft weder Rede noch Geld.“ For⸗
90
tunatus gedachte in feiner Angſt: „Hätte ich einen
guten Freund, dem ich meinen Seckel dürfte ver⸗
trauen und ihm des Seckels Kraft kund thun: wenn
wir dann gefangen wuͤrden und ſagten, wie es ein
Geſtalt gehabt haͤtt, und man ſo wenig Geld bei
uns fünde, kaoͤme dann der gut Freund und böte
dem Richter eine große Summ fuͤr uns zu geben:
zweifelt mir nit, der Richter naͤhm vier oder fuͤnf⸗
tauſend Ducaten und ließ uns mit dem Leben da⸗
von kommen.“ Und als er ihm das gedacht hätt,
gedacht er wieder: „Wem ich den Seckel gieb, dem
wird er ſo lieb, daß er ihn mir nit wieder giebt, und
wird dem Richter große Schenkung thun, daß er
eile und uns radbreche, um daß der große Mord nit
ungerochen bleib; und wird ſagen, Schand und La⸗
ſter waͤre es, wenn man ſagte, daß die Gaͤſte den
Wirt ermordet haͤtten und die nit ſollten gerad⸗
brecht werden“; und fand alſo in ihm ſelbſt, daß es
nit zu thun waͤre, den Seckel von ihm zu geben.
Fing aber an, Gott gar inniglich anzurufen aus bit⸗
term und von ganzem Grund ſeines Herzens. Da
Lupoldus ſah, daß ſein Herr und Knecht ſo gar er⸗
ſchrocken und betruͤbt waren, ſprach er: „Wie ſeid
hr ſo verzagt, hie hilfet kein Trauren, die Sach
ist geſchehen, wir koͤnnen den Dieb nimmer lebendig
machen. Laßt uns Vernunft brauchen, wie wir
durch die Sach kommen.“ Fortunatus ſprach, er
wuͤßte nit zu raten, dann daß er aber gedacht, warum
91
er nit Weisheit fuͤr Reichtum erwaͤhlet hätt, fo er
es wohl hätt mögen thun; und ſprach zu Lupoldo,
wuͤßte er etwas Gutes zu raten, daß er das thaͤte,
dann er jetzt wohl ſaͤh, daß es not wäre, Lupoldus
ſprach: „So folget mir und thut, was ich Euch
ſchaff; ſo will ich uns mit der Hilfe Gottes mit Leib
und Gut und ohne alle Hinderniß von hinnen brin⸗
gen.“ Der troͤſtlichen Wort wurden ſie froh.
I Wie Lupoldus den toten Wirt nachts in ei⸗
nen Brunnen warf / und ſie darvon kamen.
Luwoldus ſprach: „Nun ſeid ſtill und rede nie⸗
mand, und verberget das Licht.“ Und er nahm
den toten Wirt auf ſeinen Ruͤcken, und trug ihn
hinten in der Herberg bei dem Stall, da war gar
ein tiefer Brunnen, darein warf er den Wirt mit
dem Kopf vorab; und war das Waſſer ſo tief, daß
ihn niemand ſehen mocht. Solches geſchah um die
Mittennacht, daß es niemand gehoͤrt noch geſehen
haͤtt. Kam wieder zu Fortunato und ſprach: „Ich
hab uns des Diebs abgeholfen in Maß, daß man in
guter Weil nit weiß, wo er hinkommen iſt. Zwei⸗
felt mir nit, daß er niemand geſagt hab, daß er da⸗
her kommen woͤllte, uns zu beſtehlen, alſo daß nie⸗
mand weiß, daß ihm von uns Leid geſchehen ſei.
Darum feid fröhlich.” Sprach er zu den Knech⸗
ten: „Geht zu den Roſſen und ruͤſtet die zu, und
92
fanget an und finget, ſaget von ſchoͤnen Frauen, und
luget, daß keiner keine traurige Gebaͤrde hab; alſo
wollen wir auch thun. Und ſobald es Tag werden
will, ſo wollen wir hinweg reiten, und will uns in
ſechs Stunden fuͤhren: und haͤtten wir den alten
und jungen Kaiſer von Conſtantinopel erſchlagen,
wir wollten darvon kommen.“ Dieſe Wort hoͤret
—
if 155 *
RN INS
a SINN? h. 2
N ) De
7 — =
Ga
Fortunatus gern und fing an, fich fröhlich zu ha⸗
ben, mehr dann er im Sinn hatte, und da die Knecht
froͤhlich waren und die Roß zugeruͤſtet haͤtten, ruf⸗
ten ſie den Knechten des Wirts und den Maͤgden,
und ſandten nach Malveſier, den man da gut fand,
mußt jedermann voll ſein, und ließ den Knechten
einen Ducaten zu Letze und den Maͤgden auch einen,
93
und waren guter Ding. Lupoldus ſprach: „Ich
hoff, wir kommen in einem Monat wieder, ſo wol⸗
len wir erſt einen guten Mut haben.“ Fortunatus
ſprach zu den Knechten und Maͤgden: „Gnadet uns
dem Wirt und der Wirtin, ſagt ihnen, ich wollt
ihnen den Malveſier an das Bett bracht haben; ge⸗
dacht ich, Ruhe thaͤt ihnen baß. ! Und alſo mit ſol⸗
chen ſcherzlichen Worten ſaßen ſie auf und ritten
hinweg gen der Tuͤrkei waͤrts eilend; hatten Sorg,
ob man ihnen nachritt, und doch ſo ritt ihnen nie⸗
mand nach; wie es dem Wirt ging, da fragten ſie
nit nach. Und kamen alſo in des tuͤrkiſchen Kaiſers
Land, in ein Stadt, heißt Karofa. In der Stadt
hätt der tuͤrkiſch Kaiſer einen Amtmann, dem be⸗
fohlen war, den chriſtlichen Kaufleuten oder Pil⸗
gern Geleit zu geben, zu ihm oder ſonſt durch ſein
Land zu reiten. Das wußte Lupoldus wohl, und
ſobald er dahin kam, ging er zum Amtmann und
ſagte, ihrer waͤren fuͤnf Wallbruͤder, die begehrten
Geleit und einen Trutzelmann, der mit ihnen ritte.
Sagte er: „Ich geb Euch Geleit genug, doch fo will
ich vier Ducaten von einem haben und dem Knecht
alle Tag einen Ducaten und Zehrung.“ Lupoldus
wehrt ſich ein wenig, doch machte er nit viel Wort
und gab ihm das Geld. Er gab ihm ein verſchrie⸗
ben Geleit und ſandte ihn zu einem wohlwiſſenden
Mann, darmit er meinte fie verſorgt wären; und
ritten alfo durch die Tuͤrkei. Da nun Fortunatus
94
ſah, daß er kein Sorg mehr haben durft, und ihm
der Schreck, ſo er zu Conſtantinopel empfangen
hätt, auch vergangen war, fing er erſt wieder an
froͤhlich zu werden und Scherzred mit den Seinen
treiben, und ritten alſo an des tuͤrkiſchen Kai⸗
ers Hof; ſahen den großen Reichtum und große
Menge des Volks, ſo er vermocht, als er zu Feld
368, darob er wunder nahm, daß ein Mann ſoviel
olkes zuſammen mochte bringen, daß auch ſoviel
der verleugneten Chriſten unter dem Volk war;
das ihm ſehr uͤbel gefiel. Er blieb nit lang an dem
Hof, und zog durch die Wallachei, durch die kleine
und durch die große; darinnen herrſchet Tracole
Wahydaz: und kam in das Königreich Boſſen, iſt bei
160 Meilen; von Boſſen zog er in das Koͤnigreich
Croacien, iſt bei 60 Meilen. Von Croacien ins
Königreich Dalmacien, iſt zo Meilen. Von Dal⸗
macien gen Ofen, iſt die Hauptſtadt des Koͤnig⸗
reichs von Hungarn, iſt 60 Meilen. Von Ofen gen
Cracka, iſt die Hauptſtadt des Koͤnigs von Polen,
iſt roo Meilen. Von Cracken gen Koppenhagen, die
Hauptſtadt des Königreichs Daͤnmark, iſt bei 200
Meilen. Von Koppenhagen gen Stackshalin, iſt
die Hauptſtadt des Koͤnigreichs von Schweden, iſt
bei 8o Meilen. Von Stackshalin gen Pergon in
das Königreich Norwegen, iſt /o Meilen, von Nor⸗
wegen durch Schweden und durch Daͤnmark, iſt bei
200 Meilen, bis gen Prag, das iſt die Hauptſtadt
95
des Koͤnigsreichs Böhmerland. Und da er alſo die
Laͤnder und die Koͤnigreich alle durchzogen, ihre
Sitten und Gewohnheiten und ihren Glauben gar
eben geſehen und gemerkt hätt, auch ſelbſt ein Buͤch⸗
lein haͤtt gemacht, darinnen er aller Koͤnige und
Herzogen, Grafen, Freien Macht und ihr Ver⸗
moͤgen beſchrieben, und auch, was die geiſtlichen
Fa Biſchoͤff, Aebt, Praͤlaten, von Land und
euten waren, dazwiſchen er gezogen war, und was
ein jeder vermochte, thaͤt er großen Fleiß mit Lu⸗
poldus Hilfe und Rat, der die Lande zuvor alle
durchfahren war. Er hatte auch von jedem Koͤnig
erlangt die Kleinode, ſo ſie ausgeben. Die haͤtt er
nit lieb von deßwegen, was ſie wert waren; ſondern
daß er ſie ſelbſt alle mit ſeiner eignen Perſon ver⸗
dienet und geholet haͤtt; die er auch alle mit ihm
heimbrachte und ſie fuͤr einen Ehrſchatz behielt. Als
er nun zu Prag ausritt, zog er zunaͤchſt durch der
Herzogen von Sachſen und durch Franken Land.
Da mag ein jeder gedenken, der die Land gewan⸗
delt ift: hätte man bei Fortunato einen fo reichen
Seckel gewußt, ihm waͤre gutes Geleits not ge⸗
weſen, und beſonders in etlichen Landen, da viel
notiger Reiter und Stauden⸗Schnapper innen
ſind. Gott gab ihm aber Gluͤck, daß er allenthal⸗
ben durch kam. Darnach zog er zu dem naͤchſten
auf Augſpurg, von dannen er mit etlichen Kauf⸗
leuten, denen er große Freundſchaft thaͤt und aller
96
Pr frei hielt, in wenigen Tagen gen Venedig
m.
¶ Wie Fortunatus wieder in Cypern kam /
ſich aller Ding faſt ratlich hielt / und einen
koͤſtlichen Palaſt bauet.
U als er nun gen Venedig kam, freuet er ſich
und gedacht: „Hie ſeind viel reicher Leut, hier
darfſt du dich auch merken laſſen, daß du Geld ha⸗
beſt. / Und fragt nach den koͤſtlichen Kleinoden, die
ihm auch alle fuͤrbracht wurden, unter denen viel
waren, welche ihm gefielen. Wie man ihm die bot,
ſo ging er nit ungekauft darvon, dardurch die Ve⸗
nediger eine große merkliche Summa baar Geld
loͤſten, und ward gar groß und hoch gehalten. Nun
wußte er wohl, daß er nit viel Hausrat, Gewand
und andres gehabt hatte, als er von Famaguſta ge⸗
fahren war, und wie er ſeinen Vater Theodorum
und ſeine Mutter Gracianam in großer Armut ge⸗
laſſen hatte. Alſo fing er an und ließ ſich ſchoͤn koͤſt⸗
lich Gewand machen, und viel Hausrat kaufet er;
was man in ein Haus bedarf, kaufet er alles zwie⸗
fach, und dinget ſich und ſein Gut auf eine Galeere,
fuhr alſo gen Cypern und kam gen Famaguſta;
und war nun wohl fuͤnfzehen Jahr aus geweſen.
Und als er in die Stadt kam, ward ihm gleich ge⸗
ſagt, wie ſein Vater und Mutter geſtorben waͤren,
78 97
das ihm nun faſt leid war. Alſo beſtellt er ein groß
Haus um einen Zins, darein er ihm ließ ſeinen
Plunder fuͤhren, und dinget mehr Knecht und
Maͤgd, und fing an zu hauſen gar herrlich und ward
gar loblich von jedermann empfangen und gehal⸗
ten. Maͤnniglich nahm Wunder, von wannen ihm
kaͤm ſo großer Reichtum, da doch der mehrer Teil
Leut wohl wußten, daß er in großer Armut von
dannen kommen war. Und als er aber in Fama⸗
guſta war, ging er und kauft ſeines Vaters Haus,
und noch mehr Haͤuſer darzu, und ließ die alten ab⸗
brechen, fing an und bauet da einen koͤſtlichen Pa⸗
laſt. Den ließ er machen auf das allerzierlichſt, da
er gar viel koͤſtliches Gebaͤu geſehen hatte. Und bei
dem Palaſt ließ er gar eine ſchoͤne Kirchen bauen
und um die Kirchen ließ er dreizehn Haͤuſer bauen
und machen, und ſtiftet da eine Probſtei und zwoͤlf
Caplaͤn, die da ſollten alle Zeit ſingen und leſen, und
kaufet darzu Zins, Gild und Rent, daß ein Thum⸗
probſt ſollt haben dreihundert Ducaten und ein
Caplan hundert Ducaten ein Jahr, und wenn einer
unter ihnen ſtuͤrb, ſo ſollten ſie unter einander waͤh⸗
len, und wann der Probſt ſtuͤrbe, ſo ſollt ihnen der
Papſt einen andern geben. Er verſah die Kirchen
mit allen Zierden, und kaufet Zins und Rent, daß
man die Kirchen ewiglich mehren ſollt, und ließ in
die Kirche machen zwei koͤſtliche Graͤber; ließ ſei⸗
nen Vater und Mutter ausgraben, da ſie lagen,
98
und in das ein Grab legen, und das ander ſollt ihm
und feinen Erben warten. Und als nun der Palaſt
und die Kirch ganz aus gemacht ward nach ſeinem
Willen und er ein groß Wohlgefallen daran hätt,
gedachte er ihm: „Einem ſolchen Palaſt, dem zie⸗
met wohl ein ehrſames Weſen“; und ſatzt ihm für,
ein Gemahl zu nehmen. Da man innen ward, daß
er des Willens war ein Weib zu nehmen, da war
jedermann froh, und kam alſo aus, daß er eine Ehe⸗
frauen nehmen wollt. Da waren viel, reichundarm,
edel und unedel: welcher eine huͤbſche Tochter hätt,
der ließ fie zurüften mit Kleidern und Kleinod, ein je⸗
der ſo beſt er mocht, und gedacht ihm einjeder: „Wer
weiß, Gott giebt meiner Tochter das Gluͤck ſo bald
als einer andern. Dann maͤnniglich ſah, daß da
Tos Gut vorhanden war und haͤtt ein jeder ſeine
chter gern dahin gebracht. Alſo wurden viel
Töchter ſchoͤn gekleidet, die ſonſt noch lang mußten
ohn ſo gute Kleider geweſen ſein. Und da ſich ſoviel
Leute aufruͤſteten, da war ein Graf nit weit von
Famaguſta, der hatte drei Toͤchter, die vor den an⸗
dern Töchtern ſchoͤn waren; dem riet der König,
er ſollte ihm feine Töchter laſſen antragen, und wo
es ihm gefaͤllig wollt ſein, ſo wollt er darzu reden.
Der Graf war nit faſt maͤchtig, doch ſprach er:
„Herr Koͤnig, ſo er meiner Toͤchter eine begehrte,
wolltet Ihr mir es raten? Er hat weder Land noch
Leut, hat er dann viel baar Geld gehabt oder noch,
7* 99
fo ſeht Ihr wohl, er hat viel Gelds verbauet, das
keinen Nutz traͤgt; ſo mag er das andere auch ledig
werden und zu Armut kommen wie ſein Vater zu
Armut kommen iſt. Dann es iſt bald geſchehen,
daß große Baarſchaft verthan wird.! Der König
ſprach zu dem Grafen: „Ich hab vernommen von
Leuten, die es geſehen haben, daß er ſoviel koͤſtlicher
Kleinode hat, man kaufet eine Grafſchaft darum,
und iſt ihm doch keines feil; ſo hoͤr ich ſoviel von ihm
ſagen, wie er ſoviel Land und Koͤnigreich durch⸗
fahren hat. Halt ihn dafuͤr: wuͤßte er nit, ſeine
Sachen zu einem guten End zu bringen, er hätte
nit ſo einen koͤſtlichen Palaſt gebaut, noch eine ſo
koͤſtliche Kirchen laſſen machen, die er ſo ehrlich be⸗
gabet hat mit guten Zinſen in ewig Zeit. Und waͤr
noch mein Rat, will es ihm gefallen, du gaͤbeſt ihm
deiner Toͤchter eine. Und iſt es dir gefaͤllig, ſo will
ich darin meinen Fleiß brauchen, in Hoffnung, ſol⸗
ches geſchehe; dann Fortunatus gefaͤllt mir wohl,
und ſaͤhe lieber, er haͤtte ein edel Gemahl denn eine
Baͤuerin, und wuͤrde mich verdrießen, ſollte ein un⸗
ebornes Weibsbild den Palaſt beſitzen und darin
ohnung haben.“ Da nun der Graf hoͤrt, daß
dem König Fortunatus Weſen fo wohl gefiel, fing
er an und ſprach: „Gnaͤdiger Herr Koͤnig, ich ver⸗
nehm an Eurer Rede wohl, daß Ihr ein Gefallen
darob hättet, daß ich Fortunato meiner Töchter
eine gaͤb. Deß alles nehmt Euch volle Gewalt, an
100
Leib und an Gut.” Da der König das verſtund,
ſprach er zum Grafen (hieß Graf Nimian): „Send
mir deine Töchter meiner Frauen, der Königin, fo
will ich fie laſſen zurüften, in Hoffnung, ihm werde
eine gefallen. Doch ſo wuͤrd ich ihm die Wahl ge⸗
ben, daß er naͤhme, welche er woͤll; ſo will ich dir
zu lieb die Heirat alſo machen, daß du kein Heirat⸗
geld bedarfſt geben. Muͤßt man aber etwas geben,
ſo will ich es ſelbſt geben, ſo du mir ſo freie Gewalt
über Leib und Gut geben und befohlen haft.” Graf
Nimian danket ſeiner koͤniglichen Gnaden und
ſprach, was ſeine koͤnigliche Gnade ſchaffte, wollte
er thun. Und nahm Urlaub von dem Koͤnig, ritt
heim zu ſeinem Gemahl und ſagt ihr alle Sachen,
was ſch zwiſchen ihm und dem Koͤnig verlaufen
hätt. Das gefiel der Gräfin alles wohl, denn allein,
daß ihr Fortunatus nicht genug edel daͤuchte, und
daß er auch die Wahl ſollt haben unter den drei
chtern, dann ihr eine unter den dreien faſt ſehr
lieb war. Der Graf fragt ſie, welche es waͤre, das
wollte ſie ihm mit nichten ſagen. Doch folget ſie ſei⸗
nem Willen und ruͤſtet die Toͤchter zu, gab ihnen
eine Zuchtmeiſterin, Knecht und Maͤgd, als es dann
ſolchem Adel gan: famen alfo an des Königs
von Cypern Hof. Da wurden fie alle drei und alle
die, ſo mit ihnen kommen waren, ehrlich und wohl
empfangen von dem Koͤnig und der Koͤnigin. Und
wurden da unter weiſet Hofzucht und was zu ade⸗
101
ligen Sachen gehört, deß fie zuvor auch zu guter
Maß unterrichtet waren. Sie waren —1 faſt
ſchoͤn, noch nahmen ſie von Tag zu Tag zu und wur⸗
den noch ſchoͤner. Und da es den Koͤnig gedaͤuchte,
da ſandte er eine ehrſame Botſchaft nach Fortu⸗
nato, daß er zu ihm kaͤm; ihm ward auch nicht ge⸗
ſagt, warum er nach ihm geſandt haͤtte. Er wußte
aber, daß er einen gnaͤdigen Herrn am Koͤnig hatte
und ruͤſtete ſich eilends zu, ritt Fröhlich zu feinem
Herren Koͤnig und ward von ihm gar ſchoͤn emp⸗
fangen. Und ward der Koͤnig zu ihm ſprechen:
„Fortunate, du biſt mein Hinter ſaß, und ich ver⸗
mein: was ich dir rate, du ſoͤlleſt mir folgen, dann
ich dir Gutes goͤnne. Ich habe wohl verſtanden,
wie du fo ein koͤſtliches Haus und Kirchen laͤſſeſt
bauen und nun Mut haſt, dir ein Gemahl zu neh⸗
men; da hab ich Sorg, du moͤchteſt eine nehmen,
die mir nit gefaͤllig waͤre, und habe betracht, dir ein
Gemahl von allen Ehren zu geben, dadurch du und
deine Erben geehret werden follen.” Fortunatus
ſprach: „Gnaͤdiger Koͤnig, es iſt wahr, ich bin des
Willens, mir einen Gemahl zu nehmen. So aber
ich verſteh, daß Euer koͤnigliche Gnad fo demuͤtig
iſt und ſo gnaͤdig und guͤnſtig ſein will, mich zu ver⸗
ſehen, will ich weiter keine Frag noch keine Sorg
nach einer haben, und mein Glauben und Ver⸗
trauen ganz in Eure koͤnigliche Gnad feſtiglich ſe⸗
gen.” Da nun der Koͤnig die Antwort hätt von For⸗
102
tunato und auch von Graf Nimian und die Töchter
in feiner Gewalt hätt, gedachte er ſich: „Die habe
ich gut eine Eh zu machen.” Und ſprach zu Fortu⸗
nato: „Ich habe drei ſchoͤne Töchter und all drei
von Vater und Mutter Graͤfinn; iſt die aͤlteſt acht⸗
gehn 58 alt, die heißt Gemyana, die ander iſt ſie⸗
zehn Jahr alt und heißt Marſepia, und die dritt
iſt dreizehen Jahr alt und heißt Caſſandra. Unter
den dreien will ich dir die Wahl laſſen und will dir
noch mehr Wahl laſſen, daß du eine nach der an⸗
dern magſt ſehn oder alle drei auf einmal.” Fortu⸗
natus der bedacht ſich nit lang und ſprach: „O gnaͤ⸗
diger Herr Koͤnig, ſo Ihr mir eine ſolche Wahl
aufgeben habt, ſo dach ich, daß ich ſie all drei moͤg
neben einander ſtehn ſehn und jede höre reden. Der
König ſprach zu Fortunato: „Das du begehreſt, ſoll
dir geſchehen !; und entbot der Königin, fie ſollte
das Frauenzimmer und ihre Jungfrauen wohl zu⸗
ruͤſten, dann er wollte ſelber darein kommen und
einen Gaſt mit ihm bringen. Das thaͤt die Koͤnigin
und thaͤt das mit Fleiß, weil ſie ſich wohl verſah,
warum es geſchaͤhe. Und da es den Koͤnig Zeit ge⸗
daͤuchte, nahm er Fortunatum allein und wollt mit
m gehn. Fortunatus ſprach: „Gnaͤdiger Herr
oͤnig, iſt es nit wider Euch, ſo laſſet dieſen alten
meinen Diener mit mir gehn.“ Der Koͤnig ließ es
geſchehen, und nahmen Lupoldum den alten Mann
mit ihnen und kamen alſo in das Frauenzimmer.
103
Da ſtund die Königin auf und alle ihre Sum frauen
und empfingen den König gar ehrlich und die Gaͤſte
auch. Alſo ſatzt ſich der Koͤnig nieder und ſtund For⸗
tunatus neben dem Koͤnig.
¶ Wie der Koͤnig Fortunato drei edle Jung⸗
frauen fuͤrſtellet / die faſt ſchoͤn und Schwe⸗
ſtern waren / aus denen er die juͤngſte ge⸗
nannt Caſſandra zu Weib nahm.
Alſo ſagte der Koͤnig: „Laſſet mir kommen die
drei Jungfrauen Gemyanam, Marſepiam und
Caſſandram.“ Sie ſtunden bald auf und gingen
durch den Saal und eh daß ſie zu dem Koͤnig kamen,
thaͤten ſie dem Koͤnig dreimal Reverenz und knieten
fuͤr dem Koͤnig nieder, als ſie das wohl konnten und
Ei auch wohl anſtand. Der König hieß fie auf⸗
ehen, das fie auch thaͤten; fing an und ſprach zu
der älteften Jungfrauen Gemyana: „Sag mir, biſt
du lieber bei der Koͤnigin, oder waͤreſt du lieber bei
Graf Nimian, deinem Vater und der Graͤfin, dei⸗
ner Mutter.“ Sie antwortete dem Koͤnig und
ſprach: „Gnaͤdiger Herr Koͤnig, mir ziemt zu der
Frage keine Antwort zu geben, und ob ich ſchon eins
kieſen wollt fuͤr das ander, ſo ſoll ich meinen Willen
nit brauchen, ſondern was Euer koͤnigliche Gnad
und mein Herr Vater gebieten, denſelben Geboten
ſoll ich gehorſam fein.” Alſo ſprach er zu der ande⸗
104
ren: „Marfepia, fag mir eine Wahrheit. Wer iſt
dir am meiſten lieb, der Graf, dein Herr und Va⸗
ter, oder die Gräfin, deine Frau Mutter.! Sie ant⸗
wortete und ſprach: „O gnaͤdiger Herr Koͤnig, zu
dieſer Frag ziemet mir keine Antwort zu geben: ich
hab ſie beide von ganzem Herzen lieb. So ich eins
aber lieber haͤtt denn das ander, ſo waͤre mir doch
leid, daß es mein eigen Herz wiſſen ſollt, ſondern
ſollte das mein Mund verfünden, deß wollte ich
mich gar ſehr ſchaͤmen; da ich alle Treue an beiden
finden und merken kann. Der Koͤnig ſprach zu der
dritten und der juͤngſten: „Caſſandra, ſag mir,
wenn jetzt ein ſchoͤner Tanz waͤre auf unſrer Pfalz
von en und Herren und von viel edelen Frauen
und Jungfrauen und es waͤre hie der Graf und die
Grafin, Euer Vater und Mutter; das Eine
0 Tochter, geh zu dem Tanz; und das Andre
praͤch: geh nit; welchem Gebot wollteſt du folgen?
„Allergnaͤdigſter Herr König, Ihr ſehet und wiſſet,
daß ich gar jung bin, ſo kommt Vernunft vor den
Jahren nit, ſo mag Euer koͤnigliche hohe Vernunft
wohl erkennen und ermeſſen die Begierd der Jun⸗
en, und hierum ſo ziemet mir zu dieſer Wahl keine
ntwort zu geben; dann ſo ich eines fuͤr das ander
let, wuͤrde ich in all Weg das eine erzuͤrnen,
das ich gar ungernthun wollte.! Der Koͤnig ſprach:
„Wenn aber eins ſein muͤßt?“ Caſſandra ſprach:
„So begehre ich Jahr und Tag, mich darauf zu
105
bedenken und weiſer Leut Rat zu haben eh daß ich
Antwort zu der Frag gebe.“ Dabei ließ der Koͤnig
Caſſandra bleiben und fraget ſie nit fuͤrbaß. Als
nun der Koͤnig Urlaub von der Koͤnigin und von
den andern in dem Frauenzimmer nahm, ging er
in ſeinen Palaſt, und folget ihm nach Fortunatus
und Lupoldus, und als ſie nun in des Koͤnigs Kam⸗
mer kamen, ſprach der Koͤnig zu Fortunato: „Du
haſt begehret die drei Toͤchter zu ſehen und hoͤren
reden. So hab ich dir mehr gethan denn du begeh⸗
ret haſt. Du haſt ſie geſehen ſtehn, gehn, lang und ge⸗
nugſam reden. Nun lug, welche gefaͤllt dir zu einem
ehlichen Gemahl? Fortunatus ſprach: „Gnaͤdi⸗
ger Herr Koͤnig, ſie gefallen mir all drei wohl, daß
ich nit weiß, welche ich kieſen ſoll, und begehr von
Euer koͤniglichen Gnad mir eine kleine Weil zu ver⸗
gönnen mich zu bedenken mit meinem alten Diener
Lupoldo.“ Der Koͤnig ſprach: „Deß hab frei Ur⸗
laub.“ Alſo gingen ſie mit einander an einen heim⸗
lichen Ort. Fortunatus ſprach zu Lupoldo: „Du
haft gehört und geſehen die drei Töchter fo wohl als
ich. Nun weißt du wohl, daß niemand ſo weiſe iſt
in ſeinen Sachen, er ſoll allweg Rats fragen. Alſo
frage ich dich und begehre deines Rats in der Sach,
daß du mir hierin treulich raten wolleſt, als ob es
dein eigne Seel antraͤf.“ Lupoldus erſchrak gar
1 2 da er ſo hoch ermahnet ward und ſprach:
„Herr, in der Sache iſt mir nit wohl zu raten, dann
106
einem gefällt oft ein Ding faft wohlund feinem 1.4
nen Bruder gar nicht. So iſſet einer gern Fleiſch,
der ander Fiſch; hierum ſo kann Euch in der Sach
niemand raten dann Ihr Euch ſelbſt; dann Ihr
feid auch, der die Buͤrde tragen muß. Fortunatus
ſprach: „Das alles weiß ich wohl, und daß ich mir
ein Gemahl nehm und ſonſt niemand. Ich wollt
aber, daß du mir die Heimlichkeit deines Herzens
chlöffeft, da du doch fo viel Menſchen erkannt
und nach ihrer Viſion oder Geſtalt haft du wohl
gemerkt, was Treu oder Untreu ihnen ihre Geſtalt
gegeben hat.“ Lupoldus riet ungern zu den Sa⸗
chen; fuͤrchtete, wenn er nit an die riet, die ihm ge⸗
fiel, daß er dardurch moͤchte ſeine Huld verlieren,
und fing an und ſprach: „Herr, ſie gefallen mir all
drei faſt wohl, ich hab ſie auch mit allem Fleiß eine
nach der andern wohl durchſehen, und nach ihrer
Viſion ſo beduͤnkt mich, ſie ſeien Schweſtern oder
Geſchwiſterkinder; kann auch an ihren Geſtalten
kein Untreu merken.“ Fortunatus ſprach: „An
welche rateſt du mir aber.! Lupoldus ſprach: „Ich
will nit zu dem erſten raten; ſo ſollt Ihr auch nit
zuerſt raten, denn was Euch wohl gefiel, wäre auch
unleidlich, daß mir das mißfiele ! und ſprach: „So
nehmet hin die Kreiden und ſchreibet auf den Tiſch
in Euern Winkel, ſo will ich auf dieſen in den an⸗
dern Winkel ſchreiben. ! Das geſiel Fortunato wohl,
und ſchrieb alſo jeder ſein Meinung. Und da ſie ge⸗
107
ſchrieben hatten und jeder des andern Geſchrift las,
da hatten ſie beide Caſſandra geſchrieben. Deß war
ortunatus froh, daß Lupoldo gefiel, das ihm ge⸗
allen haͤtt, und noch froͤhlicher war Lupoldus, daß
ihm Gott in ſeinen Sinn gegeben haͤtt, daß er auch
an die geraten, die feinem Herrn am allerbeſten ge⸗
fallen haͤtt. Und da ſie nun der Sache alſo eins wur⸗
den, ins Fortunatus wieder zu dem König und
ſprach: „Gnaͤdiger Herr König, als mir Euer koͤ⸗
nigliche Gnad ein Wahl aufgethan hat, die ich billig
zu großem Dank und unvergeſſener Dienſtbarkeit
gen Euern Gnaden verdienen ſoll; dann ich mich
ſolcher Wahl unwuͤrdig beduͤnk und habe es um
Eure koͤnigliche Majeſtaͤt nie verdient; doch ſo ſteht
es mir, daß ich es noch verdien; und iſt mein Be⸗
gehr, daß Ihr mir gebet Caſſandra.“ „Dir geſcheh
nach deinem Begehren“ ſprach der Koͤnig. Und
ſandte zu der Königin, daß fie zu ihm kaͤme und
Caſſandra mit ihr braͤchte; das auch alſo geſchah.
Alſo kam die Koͤnigin, brachte Caſſandra mit ihr, und
er ſendete nach ſeinem Caplan und ließ ſiezuſammen
geben. Deß Caſſandra unmutig war, daß ſie alſo
ſollte vermaͤhlet werden ihrem Vater und Mutter
unwiſſend und ſie nit ſollten darbei ſein. Doch der
Koͤnig wollte das alſo haben, wurden alſo zuſam⸗
men vermaͤhlet, und als ſie nun zuſammen geben
waren, kamen die andern Frauen und Jungfrauen
und der Braut Schweſtern und wuͤnſcheten der
108
Braut Gluͤck; die zwei Schweſtern weineten gar
ſehr. Fortunatus fraget, warum fie alfo weineten,
da ward ihm geſagt, daß ſie der Braut rechte Schwe⸗
ſtern waͤren von Vater und von Mutter. Und alſo
ging er zu ihnen, troͤſtet ſie und ſprach zu ihnen:
„Trauret nit, Ihr ſollt alles Euers Unmuts er⸗
göͤtzt werden. Und ſendet bald gen Famaguſta nach
den Kleinoden, ſo er mit ihm von Venedig gebracht
haͤtt, und ſchenkt dem Koͤnig und der Koͤnigin die
wei beſten, darnach der Braut und ihren Schwe⸗
ern, und begabet alle Frauen und gfrauen,
ſo in der Koͤnigin Frauenzimmer waren, gar koͤſt⸗
lich; das ſie auch zu großem Dank aufnahmen. Und
alſo ſandte der Koͤnig nach Graf Nimian und nach
der Gräfin. Da das hört Fortunatus, da ruͤſtet er
zu Lupoldum und gab ihm baar tauſend Ducaten,
daß er die ſollte der Gräfin in ihren Schoß ſchuͤtten
und ihr ſagen: ihr Tochtermann, der ſchenket ihr
die, daß fie Fröhlich auf die Hochzeit kaͤm. Nun war
die Gräfin unmutig, daß Fortunatus die juͤngſte
Tochter genommen haͤtt, da ſie ihr die liebſte war.
Da ihr aber Lupoldus die tauſend Ducaten in ihren
Schoß ſchuͤttet, da ließ ſie den Unmut fahren und
ruͤſtet ſich mit ſammt dem Grafen von Stund an
ehrlich zu mit wohlgekleidetem Hofgeſind, mit Wa⸗
gen und was zu den Ehren gehoͤrt, und kamen zu
dem Koͤnig. Da wurden ſie ehrlich empfangen, und
war ihnen in der Herberg gar koͤſtlich zugericht mit
109
Zierden, auch mit aller Koſt und Trank, was man
bedurfte, daß Graf Nimian zu der Gräfin ſprach:
„Frau, wir ſein mehr hie geweſen, uns iſt ſolche
Ehr nie erboten worden. Haben wir ſo einen gnaͤ⸗
digen Koͤnig uͤberkommen oder ſo einen maͤchtigen
Tochtermann durch unſre Tochter Caſſandra, ſo
ſollen wir Gott loben, Ehr und Dank ſagen, daß
er uns ſolch Gnad verliehen hat.! Und als ſie kom⸗
men waren, ſprach der Koͤnig zu Fortunato: „Ich
will laſſen zuruͤſten die Hochzeit und will, daß die
Hochzeit hie vollbracht werd.” Fortunatus ſprach:
„Gnaͤdiger Koͤnig, laſſet mich die Hochzeit in Fa⸗
maguſta haben in meinem neuen Haus, das noch
nie eingeweiht, noch keine Freud darinnen vollbracht
iſt.“ Der König ſprach: „Ich wollte es darum
thun, daß Graf Nimian und dir deſtominder Ko⸗
ſten darüber gangen wär.” Fortunatus ſprach:
Mich ſoll kein Koſten dauern noch reuen, und bitt
Euer koͤnigliche Majeſtaͤt, daß Ihr ſelber perſoͤnlich
mit ſammt der Koͤnigin und allem Euerm Volk gen
Famaguſta kommen woͤllet; kann ich dann Euern
Gnaden und denen, ſo mit Euch kommen, nicht Ehr
erbieten als Ihr wuͤrdig waͤret, ſo ſollt Ihr doch
keiner Dinge Mangel haben ſo wenig als Euer Gna⸗
den hie hat.“
110
¶ Wie ihm der König mit ſammt der Königin
dieſelbe ſchoͤne Jungfrauen mit Namen
Caſſandra heimfuͤhrt mit großen Ehren /
und koͤſtliche Hochzeit haͤtt.
Da der Koͤnig hoͤrt, daß Fortunatus ſo reichlich
redet, gedacht er: „Ich will doch gern ſehen
das Weſen! und ſagt ihm zu: „Dein Wille gi cheh,
reit hin und ruͤſt dich zu; fo will ich mit der Königin
kommen und dir bringen dein Gemahl, Schwaͤher
und Schwieger, und Volks genug.“ Deß war For⸗
tunatus froh, und danket dem Koͤnig und ſprach:
Ihr ſollt nit lang aus ſein, in drei Tagen wird alles
Ding zugericht. ! Und ritt alſo eilends gen Fama⸗
guſta und luget, was ihm mangelte oder gebrach,
das ließ er alles kaufen. Nun hatte der Koͤnig oft
Hof zu Famaguſta, daß ihm nit ſeltſam war, dahin
kommen; und alſo kam der Koͤnig mit großem
lk und ward gar ſchoͤn empfangen von den Sei⸗
nen, als da billig iſt. Und ward da große Freud voll⸗
bracht mit Tanzen, Singen, und koͤſtlich Saiten⸗
ſpiel gehoͤrt. Sobald eins aufhoͤrt, fing ein anders
an. Das trieb man die ganze Nacht, und ward alſo
die ſchoͤne Jungfrau Caſſandra 6 zuge⸗
leget in dem ſchoͤnen neuen Palaſt, der nach aller
Luſt gebauet war. Wer darein kam, den nahm
Wunder von der ſchoͤnen Gezierde, ſo darinnen
war. Nun wiewohl der Braut Mutter ſah, daß
111
alle Ding koͤſtlich zugingen, noch gefiel es ihr nicht,
ſo er nit eigen Land noch Leut haͤtt; und ſie ſagt das
ihrem Herren, Graf Nimian. Der ſprach: „Bes
kuͤmmer dich nit; ich hoff, er verſeh unſre Tochter
nach Ehren.! Und des Morgens früh kam der Koͤ⸗
nig und ſein Schwaͤher und Schwieger, und for⸗
derten der Braut die Morgengab. Fortunatus
ſprach: „Ich hab weder Land noch Leut, ich will
ihr geben fuͤnf tauſend baar Ducaten, darum kau⸗
fet ihr ein Schloß oder eine Stadt, darauf ſie ver⸗
forget ſei.“ Der König ſprach: „Dieſen Sachen
weiß ich zu thun. Hie iſt der Graf von Ligorno, der
hat Not und muß baar Geld haben und hat ein
Schloß und Stadt drei Meilen von hinnen, heißt
Larconube, iſt als viel geſprochen als zum Regen⸗
bogen, die wollen wir ihm abkaufen, Land und Leut
und alle Eigenſchaft. Sandten alſo nach dem Gra⸗
fen und kauften ihm die Stadt und Schloß ab um
ſiebentauſend Ducaten. Da gab er Lupoldo den
Schluͤſſel zu einem Kaſten, ſo in ſeiner Schlafkam⸗
mer war, der zahlte ſie baar, und ward der Kauf
alſo beſchloſſen und die Brief angegeben und gab
der Graf von Ligorno ſeine Gerechtigkeit auf vor
dem Koͤnig in Caſſandra Hand, frei ledig, nimmer⸗
mehr keinen Anſpruch zum gemeldten Schloß noch
Stadt zu haben. Da ward viel zum Kauf ger det.
Einer ſprach, es waͤr zehntauſend Ducaten wert,
der ander ſprach: „Haͤtt ich ſoviel baar Geld, ich
112
wollte es nit darum geben.“ Doch da es geſchehen
war, fing erſt an der Braut Mutter fröhlich zu wer⸗
den und ſich zur Kirchen zu ruͤſten. Und war die
Kirch, ſo er hatte laſſen bauen, gar koͤſtlich zuge⸗
richt, die nit fern von dem Palaſt war. Und als
nun das Amt vollbracht war, ging der Koͤnig, der
Braͤutigam und die Braut und jeder nach ſeinem
Stand in den Palaſt zur 8 die ſo koͤſtlich
bereitet war; dann ein jeder wohl kann merken: wo
man Gelds genug hat, daß man nit darf ſorgen, daß
Gelds gebricht, da mag man wohl reichlich und
koͤſtlich leben ohn Sorg, als auch auf der Hoch⸗
I aus und aus geſchah, denn da ward nichts ge⸗
part. |
¶ Wie Fortunatus dem König und der Kö-
nigin zu Gefallen drei Kleinode ausgab /
darum die Herren / Ritter und Edelleut drei
Tag ſollten ſtechen.
Als man nun froͤhlich war, gedachte Fortunatus,
wie er etwas zuruͤſte, damit dem Koͤnig und der
Koͤnigin die Weil nit lang wuͤrd, und gab aus drei
Kleinode. Das erſte war ſechshundert Ducaten
wert, darob ſollten die Herren, Ritter und alle Edlen
drei Tag ſtechen: wer da das Beſte thaͤt und dem
der Preis geben wuͤrd, der ſollte das Kleinod haben.
Mehr gab er aus ein Kleinod, vierhundert Ducaten
8 8 113
wert: darum follten ftechen die Bürger und ihre
Genoſſen auch drei Tag, und wer das Beſte thaͤt,
der ſollt das ſelb Kleinod gewonnen haben. Mehr
gab er aus ein Kleinod um zweihundert Ducaten:
darum ſollten ſtechen alle reiſigen Knechte, ſie waͤ⸗
ren der Herren oder der Staͤdte, auch drei Tag, und
wer das Beſte thaͤt, dem ſollt auch das Kleinod wer⸗
Mer
ö 9 da groß
Fleiß gebrauchet ward, daß ein Jeder in ſeinem
Sinn gern das Beſte gethan haͤtt, von Ruhmes we⸗
gen der ſchoͤnen Frauen und Jungfrauen, ſo dann
ugegen waren, auch um den Gewinn und Kleinod.
ſſo ſtach man zwo oder drei Stund, und dann ſo
tanzet man, dann ſo aß man. Das Weſen und
114
Freudenſpiel trieb man vierzehen Tag; da wollte
der Koͤnig nit mehr bleiben, und als er hinweg zog,
ritt maͤnniglich mit ihm. Fortunatus haͤtt gern ge⸗
ſehen, daß man laͤnger da waͤr geblieben, und be⸗
ſonders haͤtt er gern geſehn ſeinen Schwaͤher und
wieger. Das wollten ſie nit thun, dann ſie ſa⸗
hen die großen Koſten, fo über ihn gingen, und fuͤrch⸗
teten, er moͤchte dadurch in Armut kommen, und
wollten nit bleiben. Als nun der Koͤnig hinweg ritt,
da machte ſich Fortunatus auch auf und gab dem
Koͤnig das Geleit fern hinaus, fuͤget ſich zu dem Koͤ⸗
nig und danket ihm, daß er ihn nit verſchmaͤht haͤtt
und auf ſeine Hochzeit kommen war; und nahm
alſo 0 demuͤtiglich Urlaub von dem König und
der Koͤnigin, von Graf Nimian und der Graͤfin
ſeinem Schwaͤher und Schwieger, und von allem
Volk; danket maͤnniglich, daß ſie alſo auf ſeinem
Feſt geweſen waren und ritt wieder zu ſeiner ſchoͤ⸗
nen Caſſandra. Da nun das fremde Volk alles hin⸗
weg war, fing er an ein neue Hochzeit, und lud da
erſt alle Buͤrger und Buͤrgerinn, und hatte ein groß
Feſt mit ihnen. Das trieb er acht Tag, dardurch er
ihm eine große Gunſt und Wohlwollen von der
ganzen Stadt zu Famaguſta machet.
a alſo dasſelbe Feſt und Wohlleben ein Ende
haͤtt, wollte er nun ein ruhig Leben an ſich
nehmen, und ſprach zu Lupoldo: „Guter Freund,
gieb mir zu verſtehn, was dein Wille ſei. Ich will
5 115
dir drei Wahlen geben, da erfiefe welche du willſt,
die ſoll dir geſchehen: Willſt du heim, ſo will ich
dir vier Knecht zugeben, die dich ehrlich heim ge⸗
leiten und dir darzu geben, daß du dein Lebtag ein
Auskommen haſt; oder willſt du hie zu Fama⸗
guſta ſein, ſo will ich dir ein eigen Haus kaufen
und darzu geben, daß du drei Knechte und zwo
Maͤgd habeſt, die dein pflegen und dir keinen Man⸗
gel laſſen; oder willſt du bei mir in meinem Pa⸗
laſt ſein und aller Ding deine e en,
ſo gut als ich ſelbſt? welches du erwaͤhleſt, ſoll dir
zugeſagt und redlich gehalten werden.“ Alſo fing
Lupoldus an und danket ihm der großen Erbietung
und Wahl, ſo er ihm aufgethan haͤtt, und er haͤtte
es nie verdient um Gott noch um ihn, daß ihm erſt
in ſeinen alten Tagen ſoviel Ehr und Gutheit wi⸗
derfahren ſollt, und ſprach: „Mir ziemt nit heim
zu reiten, ich bin alt und ſchwach und moͤchte unter⸗
wegs ſterben. Waͤre aber Sach, daß ich ſchon heim
kuͤme, fo iſt Hybernia ein grob hart Land, da weder
Wein noch ander edel Fruͤcht innen wachſen, deß
ich jetzund hie gewohnet bin, und wuͤrdſterben. Daß
ich dann meine Wohnung moͤcht bei Euch haben,
iſt mir auch nit aufzunehmen: ich bin alt und un⸗
geſtalt; fo habt Ihr ein ſchoͤn Gemahl, viel huͤbſcher
. und huͤbſche Knechte, die Euch alle
viel Kurzweil koͤnnen machen, deren ich allen un⸗
wert wuͤrde, denn alten Leuten gefaͤllt nit allweg
116
das Weſen der Jungen; wiewohl mir an Eurer
endreichen Guͤte nit zweifelt. So kies und er⸗
ich (iſt es nit wider Euch), 1 woͤllet mir ein
eigen Weſen beſtellen, darinnen ich mein Leben moͤg
vollenden. Doch bitt und begehr ich, daß ich damit
nit aus Eurer Liebe noch Rat geſetzt werd, dieweil
uns Gott das Leben gönnt.” Das ſagt ihm Fortu⸗
natus zu, und haͤtt auch ſeinen Rat ſo lange er lebt;
und kauft ihm ein eigen Haus, gab ihm Knecht und
Maͤgd, dazu alle Monat 100 Ducaten. Deß freuet
ſich Lupoldus, daß er nit mehr auf den Dienſt war⸗
ten mußt, ſondern er ging nieder und ſtund auf, er
aß und trank, fruͤh oder ſpat, wie ihm das fuͤget,
und war ſein Sach richtig; nit deſtominder ging er
alle Morgen in die Kirchen, da Fortunatus hinging,
und ergoͤtzet ſich gar fleißiglich; darbei Fortunatus
ſeine Treu ſpuͤrte. Als nun Lupoldus alſo lebt in
großen Ehren ein halb Jahr, da ward er krank und
mit toͤtlicher Krankheit umfangen. Da ward nach
viel Aerzten geſandt; ihm mocht aber niemand hel⸗
fen, und ſtarb alſo der gut Lupoldus. Da war For⸗
tunato gar leid und ließ ihn gar ehrlich begraben in
ſeiner Kirchen.
117
¶ Wie Fortunato ein Sohn geboren und
Ampedo genannt ward / darnach aber ein
Sohn / Andoloſia geheißen.
Als nun Fortunatus und ſein Gemahl Caſſandra
bei und mit einander in großen Freuden lebten
und alles deß genug hatten, daß man leben ſoll, und
keinen Mangel, baten ſie Gott gar treulich, daß er
ihnen Erben woͤllt verleihen; dann er wohl wußte,
daß die Tugend des Seckels feine. Kraft verlieren
wuͤrd, wo er nit ehelich Leiberben uͤberkaͤme. Doch
ſagt er es Caſſandra nit, ſondern gab ihr zu ver⸗
ſtehn, wie er ſo gern Erben von ihr uͤberkommen
wollte. Als nun Gott alle ernſtlichen Gebete er⸗
hoͤrt, erhoͤret er ſie auch, und ward die Frau ſchwan⸗
ger und gebar einen Sohn, deß Fortunatus und
maͤnniglich mit ihm erfreuet ward; der ward ge⸗
tauft und geheißen Ampedo. Darnach bald ward
Caſſandra aber ſchwanger und brachte noch einen
Sohn, ward auch mit Freuden getauft und gehei⸗
ßen Andoloſia, alſo daß Fortunatus zween wohl⸗
geſchaffen huͤbſch Knaben haͤtt, die er und ſeine liebe
Caſſandra mit großem Fleiß und Liebe erzogen.
Jedoch Andolofia war allzeit etwas frecher denn
Ampedo, als ſich hernach wohl erzeiget. Und wie⸗
wohl Fortunatus gern mehr Erben bei Caſſandra
gehabt haͤtte, ſo gebar ſie doch nit mehr, das ihr gar
ſchr leid war, denn ſie haͤtte gern auch eine Tochter
118
oder zwei gehabt. Da nun Fortunatus zwölf Jahr
bei Caſſandra war geweſen, und verfah ſich, daß er
keinen Erben mehr uͤberkommen koͤnnte, fing ihn
an zu verdrießen, alſo in Famaguſta zu ſein, wie⸗
wohl er alle weil hatte mit Spazierenreiten,
mit huͤbſchen Roſſen, mit Federſpiel, Jagen, Degen,
So nahm er ihm fuͤr: er waͤre durchzogen
alle Koͤnigreich, ſo in der Chriſtenheit waͤren, und
ward ihn verlangen, daß er auch vor ſeinem Tod
der Heiden Land und die Heidenſchaft, Prieſter
hanns Land, Indiam die groß, die mittel und
die kleineſt alle durchzoͤge. Und fing an und ſprach
au Caſſandra feinem Gemahl: „Ich habe ein Ge⸗
et an dich zu legen und hab im Willen, etwan hin⸗
zureiſen: will ich dich bitten, du woͤlleſt deinen Wil⸗
len darzu geben. Sie ſprach, wohin ihm doch fein
Gemüt ſtuͤnde? Er hub an und ſaget ihr, fein Fuͤr⸗
ne waͤr, wie er die Reis in drei Jahren nit
vollbringen moͤcht. Caſſandra erſchrak, doch meint
ſie, ihm waͤre der Rede nit ernſt, und ſprach: „Wo
woͤllet Ihr hin, da Ihr mehr Freud, Wolluſt, ſchoͤ⸗
ner Behauſung moͤchtet haben dann hie bei Weib
und Kind? Ihr möchtet wohl kommen, da Euch
nit fo wohl war.” Fortunatus ſprach: „Ich zeuch
nit aus um Wolluſt, Wohlleben, noch um Gut zu
gewinnen. Ich hab das halb Teil der Welt geſehn,
ſo will ich das ander Teil auch beſehn, und ſollte
ich mein Leben darum verlieren. Und kann das nit
119
aus meinem Gemüt bringen; darum fo gieb deinen
Willen darein, dann das mag niemand wenden
denn Gott und der Tod.! Da Caſſandra höret, daß
ihm des Fuͤrnehmens ernſt war, erſt erſchrak fie
ſehr, und fing an, ihn zu bitten, daß er von feinem
Fuͤrnehmen ließe, es wuͤrd ihn gereuen; daß er zu⸗
vor umgezogen waͤr, das waͤre alles in der Chriſten
Land, wär er jung und ſtark geweſen und haͤtt moͤ⸗
gen viel erleiden, das nun nit mehr waͤr, dann Alter
vermag nit, was der Jugend gar leicht iſt. „Auch
ſeid Ihr gewohnet, ein ruhig Leben zu haben, was
wollet Ihr Euch erſt zeihen, daß Ihr unter die fal⸗
ſchen Heiden ziehen wollet? Nun hoͤret Ihr doch
alle Tag, daß die Heiden keinem Chriſten weder
treu noch hold moͤgen ſein, ſondern ſie ſeind darauf
von Natur geneigt: wo ſie die Chriſten moͤchten
bringen um Leib und Gut, daß ſie das thun.“ Und
fiel ihm um den Hals gar freundlich und ſprach:
„O allerliebſter Fortunate, o allerliebſter und ge⸗
treueſter Gemahl, o du meines Herzen Wohlgefal⸗
len, o in den mein Seel und mein Leib alle ihre Treu
geſetzt hat, ich bitt Euch um der Ehre Gottes und
um der Jungfrau Maria willen, ehret mich ar⸗
mes Weib und Eure lieben Kind, und ſchlaget die
fuͤrgenommen Reis aus Euerem Gemuͤt und Her⸗
zen, und bleibet hie bei uns; und habe ich Euch in
einigerlei Dingen erzuͤrnet, oder gethan, darinnen
Ihr ein Mißfallen habet, das ſollt Ihr zu verſtehn
120
geben: es ſoll hinfuͤro vermieden bleiben und nit
mehr geſchehn. / Und weinete gar inniglich und war
ſehr betruͤbt. Fortunatus ſprach: „O allerliebſtes
Gemahl, gehab dich nit ſo uͤbel. Es iſt um ein kleine
Zeit zu thun, ſo komm ich mit Freuden wieder und
verheiß dir jetzund, daß ich dann nimmermehr von
dir ſcheiden will, ſo lang uns Gott das Leben ver⸗
leiht. Caſſandra ſprach aber: „Wenn ich Eures
erwiederkommens gewiß waͤr, fo wollt ich Eurer
ukunft mit Freuden warten, und wo Ihr hin
wolltet ziehen ohn an die untreuen Ort, unter die
unglaͤubigen Leut, die da der Chriſten Blut allzeit
begehren, fo ware es mir doch nit ſo ſchwer.“ For⸗
tunatus ſprach: „Dieſe Reiſe mag niemand wen⸗
den dann Gott und der Tod. Und wenn ich von hin⸗
nen ſcheid, ſo will ich dir ſoviel Baarſchaft laſſen: ſo
ich nit her wieder Fam, daß du und die Kind Euer
Leben lang wohl moͤget in Freuden leben.“ Da
Caſſandra ſah und merkte, daß da kein Bitten hel⸗
fen mocht, da fing ſie an und ſprach: „O allerlieb⸗
ſter Gemahl, ſo es nit anders mag geſein dann daß
Ihr ſo fern von uns woͤllt: mag es dann geſein, ſo
kommet doch deſto eh herwieder, und die Treu und
Lieb, ſo Ihr uns bisher bewieſen habet, laſſet aus
Eurem Herzen nit kommen; ſo wollen wir Gott
Tag und Nacht fuͤr Euch bitten, daß er Euch ver⸗
leihe Geſundheit, Fried und gut Wetter, und Wohl⸗
wollen von allen denen, durch der Hand und Ge⸗
121
walt Ihr kommen werdet.“ Fortunatus ſprach:
„Nun wolle Gott, daß dies Gebet an mir vollbracht
werd, ſo getraue ich Gott, ich komm her wieder eh
dann ich mir fuͤrgenommen hab. Ich hoffe, ich voll⸗
ende mit der Hilf Gottes meine Reiſe gar bald und
glücklich.”
¶ Wie Fortunatus wieder von Cypern weg⸗
fuhr / mehr Land und Koͤnigreich zu be⸗
ſehen / und gen Alexandriam kam.
eee. ließ ihm gar eilends eine gute Galeere
machen von allem Vorteil. Dieweil man die
Galeere machet, beſtallt er auch Kaufleut, und
ſandte die nach Kaufmannſchatz mit allerlei Waare
zu kaufen, ſo, als er dann wohl wußt, in die Heiden⸗
ſchaft dienen. Fortunatus gedacht und betrachtet,
was er dem Soldan zu einer Schenkung bringen
wollt; dann er wußt wohl, daß alle die Nation, ſo
gen Alexandriam kommen, alle und jeder in Son⸗
derheit gar große Schenkung bringen. Beſonder
die Venediger und Florentiner bringen ihm faſt guͤl⸗
dene Stuͤck, Sammet und von allerhand Sort Sei⸗
dengewand, ſoviel, daß es ihm ungenehm iſt. Und
eilend ſandte er nach viel guten Meiſtern von Gold⸗
ſchmiedwerk und ließ ihm machen von Silber und
Gold gar einen koͤſtlichen Credenz von allem dem,
das man brauchen kann oder mag, als von Bechern,
122
Köpfen, Flaſchen, Schuͤſſeln, Tellern, Platten,
Bratſpieß, Roſt, Schalen, und alles das man brau⸗
chen kann oder mag einem Koͤnig zu ſeinem Ge⸗
brauch; und ver guldet eines innen, das ander außen,
wie ſich das am beſten gab und fuͤgt. Und als die
Galeere ausbereitet war, ließ er die laden und ruͤſtet
ſich zu, und nahm Urlaub von ſeinem Gemahl und
ſeinen Kinden, und ſaß in dem Namen Gottes in
die Galeeren und fuhr gen Alexandriam. Und als
er gen Alexandriam kam, iſt von Altem her Sitt:
wenn ein Schiff gen Alexandriam zu kommt und
fern noch in dem Meer iſt, ſo ſendet man ein kleins
Schifflein ihm entgegen und fragen, von wannen
das Schiff komm und was fie führen und was ihr
Gewerb ſei; das ſagen ſie denen, dieſelbe Maͤr
bringt man dem Koͤnig. Nun wenn ein Schiff in
das Port kommet, ſo darf niemand an das Land
fahrn, bis daß man ihnen ein verſchrieben Geleit
ſendt; als ihm auch ein gut verſchrieben Geleit ge⸗
ſandt und gegeben ward. Und kam er und ſeine
Kaufleute mit ihm an das Land; da wollten die Hei⸗
den wiſſen, wer der Herr von der Galeere waͤre.
Da ſagte er ihnen, er hieß Fortunatus von Fama⸗
guſta aus Cypern und waͤr allein Herr von der Ga⸗
leere. Und alſo begehrt Fortunatus, daß man ihm
vor den Koͤnig huͤlf, er braͤcht ihm eine Schenkung.
Darzu waren König Soldans Diener gar gefliſſen,
ihm fuͤr zu helfen, da er bringen wollte, als noch
123
an aller Herren Höfen geſchieht: wer bringt, wird
bald eingelaſſen, wer aber haben will, der muß lang
vor der Thuͤr ſtehn. Und als Fortunatus in des
Koͤnigs Palaſt kam, ließ er aufrichten einen großen,
ſchoͤnen C 3 ch und ließ die Kleinode darauf
ſtellen, die gar koͤſtlich und ſchoͤn anzuſehen waren,
und ſandt alſo nach dem Soldan. Da der Soldan
die Kleinode ſah, da haͤtt er Wunder ab der Menge
und ab der Schöne der Kleinode, und meint, er hätte
ſie darum dahin gebracht, daß er ihm ſie ſollt ab⸗
kaufen; und ließ ihn fragen, wie er die Credenz gar
ſchaͤtzet. Fortunatus ließ den Soldan fragen, ob
ihm doch die Kleinode wohl gefielen? Er ſagt, faſt
wohl. Da Fortunatus hoͤret, daß fie ihm gefielen,
war er froh, und ließ den Soldan bitten, daß er es
nit verſchmaͤhet und das zu einer Schenkung von
ihm aufnaͤhm. Da der Koͤnig das hoͤrt, nahm es
ihn gar fremd, daß ein einiger Kaufmann ihm ſollt
ſo eine große Schenkung thun, und ſchatzt es wohl
auf fuͤnftauſend Ducaten, und vermeinet, es waͤre
einer großen Commun (als Venedig, Florentz oder
Genua) viel zuviel; doch fo nahm er es auf fuͤr eine
Schenkung; gedachte ihm doch: „Es waͤr zuviel,
ſollt ichs ihm nit widergelten ! und hieß ihm geben
hundert Maaß Pfeffer, die waren wohl ſo viel wert
als die Kleinode, ſo er ihm geſchenkt haͤtt. Da die
Venediger, Florentzer und Genueſer Lagerherren,
ſo dann dazumal zu Alexandria lagen, hoͤrten, daß
124
der König Fortunato eine fo koͤſtliche Schenkung
gethan hatte, der zuvor nie da war geweſen, und fie
ihm alle Jahr einmal oder etwan in einem Jahr
7 e Schenkung thun, und ſtets in ſeinem
ande liegen, ihm und dem ganzen Lande großen
Nutz ſchaffen und thun, und daß er keiner Stadt
noch ihren Leuten nie geſchenkt hatte, weder viel
noch wenig, hatten ſie ein Verdrießen an Fortuna⸗
tus Weſen. Dann er war ihnen allen zu koͤſtlich,
und gab er und die Seinen alle Waar, ſo ſie bracht
haͤtten, billiger denn ſie, und kauften alle Dinge teu⸗
rer denn ſie, das iſt nit minder; er thaͤt ihnen großen
Schaden, und fuͤrchteten erſt noch groͤßern Scha⸗
den, der ihnen daraus entſpringen moͤchte, durch
die Kaufmannsſchaͤtz und Spezerey, fo er zu Aler⸗
andria lud und wieder in der Chriſten Land fuͤhret.
Und hatten Tag und Nacht Rat, ob ſie ihm etwas
Urſach oder Unglimpf gegen den Koͤnig Soldan
moͤchten finden und gegen ſeine Oberſten, damit daß
er nit ſo fuͤrnehm und ſo wohl gehalten wuͤrd; und
ſchenkten dem Admiraldo, das iſt der oberſt im Land
ohn den König, große Schenkung, daß er nit ſo wohl
an ihm waͤr noch an den Seinen, ſondern er ſollte
ihm und den Seinen viel Bosheit laſſen geſchehen
mit Schlagen, Stehlen, Ueberrechnen und alle
Unehre beweiſen, als ſie das wohl thun koͤnnen und
darauf genaturt ſind, wenn ſie nit Straf fuͤrchten
von dem Admiraldo. Deß ward aber Fortunatus
125
innen, daß fie ihn alfo haßten und vermeinten, ihm
durch ſolches das Land zu verleiden, daß er nit mehr
ſollt Luſt haben, dahin zu fahren. Was that aber
Fortunatus? Wenn die vier Nation, das iſt Ve⸗
nediger, Genueſer, Florentiner und Cathelonier,
zuſammengelegt hatten und dem Admiraldo zehn
Ducaten ſchenkten, ſo ſchenkt Fortunatus allen
dreimal ſoviel. Das war dem Admiraldo ein eben
Spiel, er nahm von beiden Parteien das Geld und
that, was ihnen eben war, und Fortunato nur deſto
mehr, was ihm lieb und dienſt war; dann er haͤtte
gewollt, daß ſeiner viel und oft gen Alexandria ge⸗
kommen waͤren. Als nun Fortunatus etliche Tage
zu Alexandria war geweſen und ſich gar ehrlich hielt,
lud ihn der Koͤnig zu Gaſt und etliche Kaufleute aus
der Galeeren mit ihm; und erbot es ihnen koͤſtlich,
als es Gewohnheit iſt, daß der Soldan einen jeden
Patron von einer Galeere einmal zu Gaſt ladet,
wenn er ſchier hinweg will. Alſo lud ihn der Admi⸗
raldo auch und mehr dann Gewohnheit iſt, und
thaͤten ihm viel mehr und groͤßer Ehr denn ſie an⸗
dern Patronen je gethan hatten. Das ward erſt
die vier Nationen murren und verdrießen machen,
ſahen, daß ihre Schenkung uͤbel angelegt war. Und
als nun die Zeit kommen war, daß die Galeere von
Alexandria hinweg fahren mußte, dann es Ge⸗
wohnheit iſt, daß ein jedes Schiff, das gen Alexan⸗
dria kommet mit Kaufmannſchatz, nit länger darf
126
da fein dann ſechs Wochen, fie haben gekauft, ver⸗
kauft oder nit; das wußte nun Fortunatus wohl, ſie
ſich auch ganz darnach gericht; da machet
rtunatus einen andern Patron an ſeine Statt,
ahl dem, daß er mit der Galeere mitſammt den
andern Kaufleuten und allem Gut in dem Namen
Gottes hinfuͤhre gen Cathelonia, Portugall, Hi⸗
ſpania, Engelland, Flandern, und da kauften und
verkauften und von einem Land fuͤhren zu dem an⸗
dern und ihren Gewinn mehrten, das ſie wohl thun
moͤchten, als er in 28 waͤr, da ſie ein groß
merklich Gut mit ſich führten. Er befahl auch dem
Patron mit ganzem Fleiß, daß er gedaͤchte und uͤber
zwei Jahre wieder mit der Galeere gen Alexandria
kaͤme, und ſollte das mit nichten unter wegen laſſen,
denn er wollte zwei Jahr in den fremden Landen
wandlen, und ſein Weſen darnach richten, daß er
dann auch zumal woͤllt zu Alexandria wieder ſein.
Wenn ſie in aber auf die Zeit nit finden, fo ſollten
fie kein Rechnung auf ihn machen, daß er mehr im
Leben waͤr: dann ſo ſollte der Patron die Galecre
und Gut ſeinem Gemahl Caſſandra und ſeinen
Soͤhnen gen Famaguſta uͤberantworten. Das ver⸗
hieß er ihm auch, und fuhren alſo ihre Straß, und
wie es ihnen erging, da waͤr lang von zu ſchreiben.
| 127
¶ Wie Fortunatus in Indiam kam und viel
fremder Land durch wandert / zum letzten
wieder gen Alkeyr kam.
Do Sortunatus allein war, geſellt er ſich zu dem
Admiraldo, bat ihn, daß er ihm erwuͤrb bei dem
Soldan ein Geleit in ſeinem Land, einen Trutzel⸗
mann und Foͤrdernißbrief an die Fuͤrſten und Her⸗
ren der Lande. Er begehrt zu ſehen des Kaiſers
Lande von Perſia, des großen Chans von Cathay
und Prieſter Johanns und andre Land, ſo an die
und um die Laͤnder ſtoßen. Das erwarb ihm der
Ad miraldo bei dem König Soldan daß er ihm Foͤr⸗
dernißbriefe koͤſtlich und gut machen ließ, ihm auch
Kundleute zugab, die Steg und Weg und die Spra⸗
chen wohl konnten, doch alles auf ſeine Koſten. Deß
Fortunatus faſt froh war und nit anders dann auf
ſeine Koſten begehret, dann ihn kein Geld dauert;
und ruͤſt ſich mit denen, ſo ihm zugeben waren, gar
koͤſtlich, wie fie ihm ſageten, daß man haben müßt
oder zu der Reiſe dienete, das hieß er kaufen und
ahlet es alles baar, und mit wem er zu ſchaffen
aͤtt, der gewann ihn lieb; das ſchuf, er hielt jeder⸗
mann ehrlich: welchen er mit einem Gulden haͤtte
moͤgen ausrichten, dem gab er zween. Zogen alſo
dahin. Zu dem erſten kam er in des Kaiſers von
Perſia Land und durch wandelte das. Darnach zo
er in des großen Chans von Cathay Land, wind
128
durch die Wuͤſte gen Indiam in Prieſter Johanns
Lande; der feind drei Land, die alle drei India hei⸗
ßen: eines die mehrer India, in der iſt uͤbrige Hitze,
die ander die mittel India, die kuͤhler und nit ſo große
hat, die dritt heißt die minder India, darinnen
es ſo kalt, daß Winter und Sommer die — nd
ieren allweg zu Nacht; und ſind die drei In⸗
dia ſo groß, weit und breit, daß Prieſter Johann
unter ihm hat Inſeln und trocken Land, daß er zwei
und fiebenzig Könige unter ihm hat, und jeder groß
Land und Leut, maͤchtig Staͤdt und Schloͤſſer un⸗
ter ihm hat. Von der Groͤße und unſaͤglichen Weite
der dreier India iſt unglaublich zu ſchreiben. Dann
als man davon geſchrieben findt, begreifen ſie mehr
Weite um ſich denn des Kaiſers von Perſia, des gro⸗
ßen Chans von Cathay, des Soldans und tuͤrki⸗
ſchen Kaiſers Land, das doch vier maͤchtig Herren
feind, mehr vermögen denn alle Chriſtenfuͤrſten,
der Papſt und all geiſtlich Praͤlaten und darzu alle
Koͤnig und weltlich Fuͤrſten. Was Wunder, Aben⸗
teur und Sitten in den Landen iſt, waͤre ein ſonder
und groß Buch von zu ſchreiben. Welcher aber das
gern wiſſen wolle, der les das Buch Johannem de
Montevilla und andre mehr Buͤcher deren, die ſolche
Land alle durchzogen ſind und von jedem Land ge⸗
ſchrieben, was Sitten und Glauben ſie haben und
was Standes ein Jeder fuͤhret. Moͤchte etwan eins
Wunder nehmen, ſo man ſo große Land findt,
9 F 129
warum nit mehr Leut aus teutſchen Landen auch
dahin gieben um die Koͤſtlichkeit der Herren, auch
der edlen Fruͤcht willen, auch des großen Reich⸗
tums, ſo in den Landen iſt? Das bleibt unterwegen,
darum, daß die Lande ſo gar fern von uns ſeind; das
ander, daß ſo boͤſer Weg ift, von Bergen und Wild⸗
nuß, von Dieben und Moͤr dern; das dritt, daß kei⸗
ner ſeinen Leib alſo wagen will und ihm ſo große
Untreu anthun; das vierte, daran es auch faſt er⸗
windet, daß nit ein Jeder Gelds genug hat, als
dann Fortunatus haͤtt. Will auch gar wohl glau⸗
ben, man faͤnde noch mannigen ſtolzen Mann, haͤtte
er Fortunatus Seckel, er bliebe nit und zoͤge von
einem Land zu dem andern, ſo lang, bis er von einem
Ort der Welt zu dem andern kaͤm. Moͤcht einen
Wunder nehmen, warum die aus India und aus
andern Landen nicht heraus kommen in unſere
Land? Iſt die Urſach, ſie hoͤren ſagen, wie unſre
Lande unaͤrtig ſeien von Kaͤlte und auch nit gute
Fruͤcht haben, haben Sorge, daß fie gleich ſtuͤrben,
machen auch die Rechnung, ſie wuͤrden fuͤr Thoren
geſchaͤtzt, daß ſie aus guten Landen in boͤſe zoͤgen
und Gut um Boͤs gaͤben. Auch liegt ihnen das an,
daß ſie wiſſen, daß große Sorg unterwegs iſt.
Da nun Fortunatus die Lande wohl durchfahren
war, begnuͤgte ihm noch nicht, er wollt auch kom⸗
men, da der Pfeffer waͤchſt; und ſchenkt Prieſter
Johann gar ſchoͤne Kleinode, die in dem Land gar
130
ſeltſam waren, ſchenkt auch den Kaͤmmerlingen
und bat die, ihm Foͤrderniß zu geben mit Leuten
und mit Briefen, daß er kaͤm gen Lumbet, das iſt
das Land, da der Pfeffer waͤchſt. Alſo ward er ge⸗
waͤhrt, und ward gefuͤhrt an das Meer, da man
über muß, eh daß man gen Lumbet kommt. Ward
da auch uͤbergefuͤhrt, und kam dahin, da der Pfef⸗
fer waͤchſt, der wachſet in einem wilden Geſtrauch,
heißt Thobar, und waͤchſt auch in der ganzen Welt
kein Pfeffer dann daſelbſt. Da nun Fortunatus
das alles geſehen haͤtt und auch nit ferner kommen
mocht, gedacht er an ſein liebes Gemahl Caſſandra
und feine zween Soͤhn; ward ihn herzlich wieder
kehren verlangen, wandte ſich um, wieder
eimwaͤrts zu ziehen, ritt alſo durch viel fremde
and, dardurch er zuvor nit am Hineinziehen ge⸗
gen war, und zu dem naͤchſten kam er durch die
uͤſte zu Sant Katherina Berg, auf den Berg
Synay, von dannen durch die Wuͤſten gen Jeru⸗
ſalem, die heiligen Stätten heimzuſuchen; und wie⸗
wohl er es thaͤt, haͤtt er doch noch zween Mo⸗
nat lang zu dem geſetzten Ziel ſeiner Galeere, ge⸗
dachte ſich, dieweil wieder gen Alkeyro zu reiten,
dem Koͤnig Soldan Dank zu ſagen ſeines Geleits
und Foͤrdernißbriefs, die ihm gar wohl von Nutzen
waren geweſen. Kam alſo wieder gen Alkeyro, da
er ausgezogen war. Der Sultan war aber einen
andern Weg und ihm fuͤrgeritten gen Alexandria.
9* 131
Dahin fuͤget ſich auch Fortunatus eilends und kam
wieder zu ſeinem guten Freund, dem Admiraldo.
Der war froh und that ihm große Ehre, da er hört,
daß er ſich fo ritterlich gewagt und fo weite Lande
durchzogen haͤtt. Als aber Fortunatus zu Alexan⸗
dria wohl acht Tag gelegen war, viel ſeltſamer Tier
und anders bei ihm haͤtt, ward ihn heim verlangen;
und indem ſo kommt ſeine gute Galeere gen Alexan⸗
dria gefahren, der gab man Geleit wie zuvor. Und
wiewohl Fortunatus nit bei ihnen war geweſen,
noch hatten ſie ſo wohl gewonnen und brachten die
Galeere ſo wohl geladen mit ſo gutem und koͤſtlichem
Kaufmannsſchatz, daß ſie dreimal beſſer war, denn
da ſie Fortunatus von ſich hatte geſandt. Deß war
er gar froh, und beſonder, daß er alles fein Volk
friſch und geſund ſah; die ihm auch Briefe von ſei⸗
nem allerliebſten Gemahl Caſſandra brachten, wie
ſie in Wohlmoͤgen war, deßgleichen die Soͤhn. Alſo
ſagte Fortunatus zu ſeiner Kaufleute einem, daß
ſie ſich deſto baß ließen eilen mit Kaufen und Ver⸗
kaufen, dann ihn verlanget ſehr wieder heim. Das
ſie auch thaͤten, gaben alle Ding deſto billiger, und
wer wohlfeil giebt, dem hilft Sant Nicolaus ver⸗
kaufen, und wer kaufet, wie man ihm ein Ding beut,
der iſt auch bald gericht. Und ſo andre Galeeren
oder Schiff ſechs Wochen zu Alexandria liegen, ehe
daß ſie abladen, kaufen und verkaufen, da ſchufen
ſie alles ihr Ding in drei Wochen, dann ſie ihres
132
Herrn Willen gehört hatten. Da fie nun alſo ge
eilet hätten und das der König Soldan vernahm,
wollte er je nit, daß Fortunatus hinwegfuͤhre, er
muͤßte zuvor mit m eſſen und lud ihn am Abend,
da er des Morgens hinwegfahren wollt. Das konnte
ihm Fortunatus nicht abſchlagen. Da ſagte er, daß
jedermann ſich in die Galeere machet und die Ga⸗
leere aus dem Port in das Meer zoͤgen. Sobald die
Mahlzeit gethan waͤr, wollte er zu ihnen kommen;
und daß alle Dinge bereit waͤren, gar nichts ge⸗
braͤche, den Segel an zu laſſen, als fie auch thaͤten.
Und alſo kam der Admiraldo und nahm den For⸗
tunatum und gingen mit einander in des Koͤnigs
Palaſt und Schloß, das an einer Hoͤhen liegt und
uͤber die ganze Stadt ſehen mag in das groß, weit
Meer. Als ſie nun gen Hof kamen, ward Fortu⸗
natus von dem Koͤnig ſchoͤn empfangen, der Ad⸗
miraldo war dem Koͤnig nit fremd; und fragt der
Koͤnig, wie es ihm in den fremden Landen gangen
waͤr. Das ſagte er ihm alles und dankt ihm der
Foͤrdernißbrief, ſo er ihm geben haͤtt gar fleißiglich.
Sagt ihm, wie daß er durch ſeiner Briefe willen
gar ehrlich und ſchoͤn von allen Herren empfangen
waͤr worden und wie ihm alle andern Herren fuͤr
und fuͤr ſo große Foͤrdernuß Sue gethan aus
Kraft ſeiner Briefe; und wo er ſeine Briefe nit haͤtt
gehabt, ſo haͤtte er die Reiſe nit moͤgen vollenden
noch vollbringen. Das gefiel dem Soldan gar wohl.
733
Doch fo muß ich eines dazu ſagen: Fortunatus
Seckel war faſt gut bei den Briefen. Indem als ſie
mit einander redeten, ward die Mahlzeit zugericht
gar koͤſtlich, als ihr wohl moͤgt glauben, daß ſolch
groß mächtig Herren allzeit koͤſtlich leben und be⸗
ſonder der Soldan, dann der hat allweg fuͤnfzehn⸗
hundert Mameluken, das ſeind Söldner, die ihm zu
Tiſch dienen muͤſſen.
¶ Wie Fortunatus vom Koͤnig Soldan zu
Gaſt geladen und ihm groß Ehr erboten
ar) und wie er des Soldans Mameluken
egabte.
Abs ſie nun gegeſſen hatten und die Mameluken,
die verleugneten Chriſten, noch ob zwoͤlfhundert
da ſtunden in dem Saal, auf den Dienſt warteten,
ſprach Fortunatus zum Koͤnig Soldan: wo es ihm
nit ein Mißfallen ware, wollte er jedem Mameluken
zehn Dules geben, das ſind guͤldene Pfennig, iſt
einer fo gut als drei Orth von einem rheiniſchen Gul⸗
den. Der Soldan ſprach, er woͤllt es laſſen geſche⸗
hen. Alſo ſagt Fortunatus, daß einer nach dem an⸗
dern kaͤm, ſo wollter ihnen allen geben, daß Koch und
Keller meiſter auch kaͤmen; und that feinen Seckel
auf, daß er bald darein und daraus waͤr, und hielt
den Seckel unter den Tiſch, daß ihn niemand ſehen
möchte, denn hätt er den Seckel ſehen laſſen, fo hatt
134
man wohl mögen merken, daß es ein Gluͤckſeckel ges
weſen waͤr, denn in der Seckel hundert waͤr nit halb
ſoviel Gelds gegangen, als denn er ſo bald in kurzer
eit ausgab.
da er nun jedermann gegeben hatte, daß nie⸗
mand mehr da war, nahm es den Soldan groß
fremde, wie er ſo ſchwer Gold hätt mögen ertragen
und hatte es fuͤr eine große Ehr, die er ihm gethan,
daß er ſeine Mameluken ſo ehrlich begabt haͤtt. Und
ſprach: „Ihr ſeid ein ehrſam Mann, und ziemt ſich
wohl, daß man Euch auch Ehr anthu. Kommt mit
mir, ich will Euch etwas laſſen ſehen was ich hab.
Und fuͤhrt ihn in einen ſteinen Thurm, der ganz ſtei⸗
nen und alles gewoͤlbt war, in ein Gewoͤlb, da war
ſoviel Kleinod von Silber, und lagen groß Haufen
da von ſilberner Muͤnze, wie man Korn aufſchuͤttet
oder Haber. Darnach fuͤhret er ihn in ein ander
Gewoͤlb, das war voll guͤldener Kleinod, darin ſtun⸗
den viel großer Truhen, die alle voll gemuͤnzter
Gulden waren. Darnach fuͤhret er ihn aber in ein
Gewoͤlb, das gar wohl verſorgt war, darin ſtunden
groß Kaͤſten, die all voll koͤſtlicher Kleinod waren
und großer Zierd, ſo zu ſeinem Leib gehoͤret, wenn
er ſich wollt laſſen ſehen in ſeiner koͤniglichen Maje⸗
ftät: von edlem Geſtein, von Rubinen, Diamanten,
Saphiren, Smaragden und von ſchoͤnen Perlen,
deß alles ohn Zahl war. Und beſonders ſo hatte er
zween guͤldene Leuchter, auf denen ſtunden zween
135
große Carfunkel, die fo ſchoͤn waren und fo licht,
daß fie bei der Nacht ſchienen, als ob es brennende
Kerzen waren, Darob Fortunatus Wunder nahm
und hätt nit vermeint, daß ein König fo viel und fo
große koͤſtliche Kleinode haͤtte moͤgen haben; und
lobt dem Koͤnig gar ſehr die Kleinod. Und da er
hörte, daß fie ihm alſo wohl gefielen, ſprach der Koͤ⸗
nig: „Ich habe noch ein Kleinod in meiner Schlaf⸗
kammer, das iſt mir lieber, denn das alles, das Ihr
geſehen habt.! Fortunatus ſprach: „Was moͤchte
das fein, das fo koͤſtlich war?” „Das will ich dich
laſſen ſehen“; und führt ihn in feine Schlafkam⸗
mer, die groß, ſchoͤn und luftig war, und die Fenſter
an der Kammer ſahen alle in das weite Meer. Alſo
ging der Soldan uͤber einen Kaſten und bracht her⸗
fuͤr einen gar unachtbaren Filzhut ohn Haar, als
die Muͤnich gemeiniglich tragen ſo ſie uͤber Land
wandlen, und ſprach zu Fortunato: „Der Hut iſt
mir lieber denn alle die Kleinode, ſo Ihr geſehn
habt“, aus der Urſach: haͤtte er nit Kleinode, ſo
wuͤßte er ſie doch zu uͤberkommen, aber einen ſol⸗
chen Hut, den wüßte er nit zuwege zu bringen. For⸗
tunatus ſprach: „O allergnaͤdigſter Herr König,
ware es nit wider Eure koͤnigliche Majeſtaͤt, fo wollt
ich gern wiſſen, was doch das Huͤtlein koͤnnte oder
was Tugend es hätt, daß Ihr es fo koͤſtlich ſchaͤtzet.“
Der Koͤnig ſprach: „Das will ich dir ſagen. Es ko⸗
ſtet mich auch groß Gut und mehr denn deine wohl⸗
136
geladne Galeere jetzt wert iſt. Es hat die Tugend,
wenn ich das aufſetz oder ein Anderer, wo er dann
begehret zu ſein, da iſt er, und damit hab ich viel
Kurzweil, mehr dann mit meinem Schatz. Wenn
ich meine Diener auf das Gejaͤg ſende und mich ver⸗
langt, daß ich gern bei ihnen wollt ſein, ſo ſetz ich
mein Huͤtlein auf und wuͤnſch mich zu ihnen, ſo bin
ich bei ihnen, und wo ein Tier in dem Wald iſt, will
ich, fo bin ich bei ihm und mag es den Jaͤgern in ihre
and treiben. Wenn ich dann Feindſchaft hab und
meine Soͤldner in dem Feld ſeind, wenn ich dann
will, ſo bin ich bei ihnen. Und wenn ich will, ſo bin
ich wieder hie in meinem Palaſt, da mich alle meine
Kleinode nit alſo moͤchten bringen.“ Fortunatus
ſprach: „Lebet der Meiſter noch, der es gemacht
hat?! Der König ſprach: „Das weiß ich nit, es
war einer von Sparga, aus der Stadt Alamanelia,
da dann noch die Hochſchul von der hohen Kunſt
der Nigromancia iſt und gelehrt wird. Da war ein
hoher wohlgelehrter Doctor in der Kunſt der Ni⸗
gromancia, dem ich auch groß geben und ihn reich⸗
lich begabt und mit großen Ehren wieder heim ge⸗
ſendet hab. Ob er noch lebt, iſt mir nit wiſſend.“
Fortunatus gedachte: „O moͤchte mir das Huͤtlein
werden, es fuget faſt wohl zu meinem Seckel.“
227
¶ Wie der groß Soldan Fortunato feine
Kleinode zeigt / darbei auch das Wunſch⸗
huͤtlein / das ihm Fortunatus hinweg fuͤhret.
DDD
Un ſprach damit zu dem Koͤnig: „Ich hab dar⸗
fuͤr, ſo das Huͤtlein ſo große Kraft hat, daß es
auch faſt ſchwer ſei und einen uͤbel druͤcken ſollt, der
es auf hat. Der König ſprach: „Es iſt nit ſchwe⸗
rer dann ein anderer Hut.! Und hieß ihn fein Ba⸗
rett abthun und ſatzt ihm das Huͤtlein ſelbſt auf und
ſprach: „Es iſt aber wahr, daß es nit ſchwerer iſt
dann ein ander Hut.“ Er ſprach: „Sicher, ich hätt
nit gemeinet, daß es fo leicht ware, noch Ihr fo thoͤ⸗
richt, daß Ihr mir den Hut hättet aufgeſetzt.( Und
in dem wuͤnſchet er ſich in ſeine Galeere zu ſeinem
138
Volk, da er auch gleich inne war. Und alsbald er in
die Galeere kam, da hieß er den Segel aufziehen,
dann ſie — einen großen Nachwind, daß ſie gar
ſchnell N weg fuhren. Als nun der König Soldan
ſah, daß Fortunatus ihm ſein allerliebſtes Kleinod
weg haͤtt, ſtund er an dem Fenſter, „. die Ga⸗
eere hinweg fahren, wußte nit, wie er thun ſollt,
und gebot allem ſeinem Volk, daß ſie Fortunato
nacheilten und ihm den gefangen braͤchten, denn er
muͤßte ſein Leben verlieren, daß er ihn alſo beraubt
und betrogen hatte. Alſo fuhren fie hinnach; eh daß
ſie aber geruͤſtet waren, war die Galeere ſo fern,
daß ſie niemand ſehen mocht. So kann man einem
auf dem Meer nit nachſpuͤren: kein Wald iſt fo wild
auf dem ganzen Erdreich, einer waͤr baß zu finden
dann auf dem weiten Meer. Und als ſie nun etlich
Tag der Galeere nachgefahren waren und ſie nit
erfahren mochten, da kam ihnen eine Furcht ein, die
catheloniſchen Meerraͤuber moͤchten an ſie kom⸗
men. So waͤren ſie nit zugeruͤſt zu ſtreiten; ſie woll⸗
ten den Fuchs nit beißen und kehrten wieder um und
ſagten dem Soldan, fie hatten die Galeere nit moͤ⸗
gen ereilen. Da ward der Soldan faſt traurig. Da
aber die Venediger, Florentiner und Genueſer er⸗
ren, daß Fortunatus mit ſeinem liebſten Kleinod
alſo darvon gefahren war, waren ſie faſt froh, und
ſagten unter einander: „Wie wohl iſt es um den
Koͤnig und um den Admiraldo: ſie wußten nit, wie
139
große Ehr fie ihm thun follten, er hat ihnen den
rechten Lohn gegeben. Jetzund ſein wir doch ſicher
vor ihm, daß er nit mehr herkommt und uns ſo gro⸗
ßen Schaden zufuͤgen mag mit Kaufen und Ver⸗
kaufen, als er uns dann gethan hat.“ Da nun der
Soldan um das Kleinod kommen war, haͤtt er es
gern wieder gehabt, und wußte nit, wie er es ſollte
angreifen, und gedacht: „Daß ich ſchon den Admi⸗
raldo oder einen meiner Fuͤrſten zu ihm ſende, ſo
ſind ſie den Chriſten nicht angenehm, auch ſo moͤch⸗
ten ſie unterwegen gefangen werden.“ Und bedachte
ſich, er woͤllt eine ehrliche Botſchaft zu Fortunato
in Cypern ſenden und bat den Chriſten⸗Haupt⸗
mann / den fie zu Alexandria haben, denn eine jeg⸗
liche Nation hat einen Conſulo, dieſelben erwaͤhlen
dann einen Obren, der iſt ob ihnen gewaltig. Und
zu dem ſandte der Soldan und bat ihn, daß er ihm
zu Willen wuͤrd und einer Reiſe dienete. Saget
ihm die Urſach, warum es waͤre. Das ſaget er ihm
zu, er waͤre bereit, zu ſeinem Dienſt zu fahren wo⸗
hin er woͤllt. Alſo ließ er ihm bald ein Schiff zu⸗
richten, und Chriſten⸗Schiffleut darein, und befahl
ihm, daß er ſollte fahren gen Famaguſta zu Fortu⸗
nato und ihm ſagen, daß er ihm ſein Huͤtlein wieder
ſende, dann er ihn es in Treuen haͤtt laſſen ſehen,
das wollt er zu Dank wieder von ihm aufnehmen;
und befahl ihm mehr, wo er das alſo thun wollt,
daß er ihm dann groß Gut verhieß und deß Buͤrge
140
würde: wo er ihm das Kleinod wieder gab, fo wöllt
er ihm feine Galeere voll edels Gewürze fenden.
Wo er es aber nit thun woͤllt, daß er es dann dem
Koͤnig von Cypern klagte, der ſein Obrer waͤre, und
n bitten, daß er mit Fortunatus ſchuͤf, daß er ihm
ein Kleinod, ſo er ihm doch unredlich entfuͤhret,
wieder ſendet. Der Hauptmann war ein Venedi⸗
ger und hieß Marcholando, ſagt dem Soldan zu,
die Botſchaft getreulich zu werben und guten Fleiß
darinnen zu brauchen. Deß gab ihm der Soldan
groß Gut, ruͤſt ihn koͤſtlich aus, verhieß ihm groß
zu ſchenken, wo er ihm ſein Kleinod wieder braͤcht.
Dem Soldan war ſo leid um den Hut, daß er keine
.. haben mocht, darum all feine Mameluken
auch traurig mußten ſein. Sie hatten ihn zuvor
alle gelobt, da ſie das Geld von ihm empfangen hat⸗
ten, da er aber ihren Herrn und Koͤnig betruͤbt hätt,
ſagten fie, er wär der größte Boͤſewicht, der auf
Erdreich lebet; ein jeder ſagte, hatte er ihn, er wollte
ſein Herz alſo roh eſſen, und waren all fraidig. Alſo
fuhr Marcholando gen Cypern und kam zu Fama⸗
guſta in das Port; war aber Fortunatus —5
zehen Tage zuvor dahin kommen. Moͤget Ihr wohl
gedenken, wie hoch und ſchoͤn Fortunatus empfan⸗
gen ward von ſeinem lieben Gemahl — en
und wie große Freude er auch empfing, daß er mit
Freuden alſo wieder heim kommen war. Die ganze
Stadt freuet ſich mit ihm, denn da war viel Volkes
141
von der Stadt, die alle viel Freund hätten, die mit
Fortunato zu Land kommen waren und hatten alle
wohl gewonnen; und wo man genug hat, da mag
man deſto baß froͤhlich ſein und wohl leben, als ſie
auch alle in der Stadt thaͤten. Da nun Marcho⸗
lando mit ſeiner Galeere zu Land kam, haͤtt er ein
groß Verwundern, daß man ſo froͤhlich inder Stadt
war. Als Fortunatus innen ward, wie des Königs
Soldan von Alexandria Botſchaft gen Famaguſta
kommen war, verſahe er ſich wohl, warum er zu
ihm kommen waͤre, und ließ ihm eine ſchoͤne Her⸗
berge beſtellen und ihm darein fuͤhren und tragen,
was man bedurft; und was man verbraucht, das
zahlet alles Fortunatus. Nun Marcholando wohl
drei Tage zu Famaguſta geweſen war, da ſandte er
zu Fortunato, er haͤtt etwas Botſchaft an ihn zu
werben, das ihm Fortunatus wohl vergoͤnnet und
kam alſo zu ihm in ſeinen ſchoͤnen Palaſtund ſprach:
¶ Wie der Soldan eine Botſchaft zu Fortu⸗
un geſche ihr uunlbi: Haag ickt / aber
ungeſchafft wieder wegfahren mußt.
Der Koͤnig Soldan von Baboloni, Herr zu Al⸗
keyro und Alexandria, entbeut dir, Fortuna⸗
tus, ſeinen Gruß durch mich, Marcholando, du
woͤlleſt ſo gutwillig und mich einen guten Boten
laſſen ſein und ihm ſein Kleinod bei mir ſenden.“
142
a antwortet und ſprach: „Mich nimmt
daß Koͤnig Soldan nit weiſer war, da er
geſagt hätt, was Tugend das Huͤtlein hätt, und er
das mir ſelbſt auf mein Haupt ſatzt, darunter ich
doch in groß Angſt und Not kam, der ich mein Leb⸗
tag nimmer vergeſſen kann noch mag; dann meine
Galeere ſtand in dem weiten Meer, da wuͤnſcht ich
mich dar ein, und wo ich der Galeere gefehlt haͤtt, fo
waͤre ich um mein Leben kommen, das ich doch koͤſt⸗
licher ſchaͤtze denn Koͤnig Soldans Koͤnigreich; und
aus der Urſach bin ich des Willens, das Kleinod nit
von mir zu laſſen, ſo lang ich leb.“ Da Marcho⸗
lando von Fortunato die Rede hoͤret, gedachte er
ihm, er woͤllte ihn mit Gut, ſo er ihm verheißen
woͤllt, ſein Fuͤrnehmen wenden und ſein Gemuͤt
verkehren, fing an und ſprach: „Fortunate, laßt
Euch raten, was ſoll Euch das Kleinod? Ich will
Euch dafuͤr ſchaffen, das Euch und Euren Kinden
viel beſſer und nuͤtzer iſt dann das beſchaben Huͤt⸗
lein, und hätt ich der Huͤtlein einen Sack voll und
jeder Hut haͤtt die Tugend, ſo der Hut hat, den Ihr
habt, ſo wollte ich ſie all geben um das Dritteil, das
ich Euch darum ſchaffen will. Darum ſo laſſet mich
guter Bote ſein, ſo will ich Euch verſprechen und
verheißen, daß Euch Koͤnig Soldan muß laden Eure
Galeere mit ganz gutem Gewuͤrz als Pfeffer, Ing⸗
wer, Naͤgelein, Muscatnuß und Zimmetrinden
und anders mehr, das ſich auf hunderttauſend Du⸗
143
caten machen würd; und darzu fo ſollt Ihr das
Huͤtlein nit von Handen geben, bis Ihr gewaͤhrt
und bezahlt ſeid und Euch die Galeere mitſammt
dem Gut zu Euren ſicheren Handen geantwortet
wird. Iſt Euch das zu Sinn, ſo will ich ſelbſt auf
Eurer Galeere gen Alexandria fahren und Euch ſie
geladen herwieder bringen, und Euch vertrauen:
wenn ich herwieder komm und bring, was ich Euch
verheißen hab, Ihr gebet mir dann meines gnaͤdi⸗
gen Herrn Koͤnig Soldans Kleinod wieder. Auch
ſo weiß ich wohl, daß dies Kleinod in der ganzen
weiten Welt nirgends das Dritteil ſoviel gilt, als
der Koͤnig Soldan darum giebt, und waͤre es nit zu⸗
vor fein geweſen, ihm war aber nit ſo not darnach.“
Da Marcholando ausgeredet haͤtt, ſprach Fortu⸗
natus zu Marcholando: „Um daß wir nit viel Wort
vergebens treiben, will ich Koͤnig Soldans und
Euer Freundſchaft gern haben, doch ſo gedenk mir
niemand das Huͤtlein aus meiner Gewalt zu brin⸗
gen. Ich hab ſonſt noch ein Kleinod, das mir ſehr
lieb iſt, die muͤſſen bei mir bleiben dieweil ich lebe.“
Marcholando ſagt, ob aber nit mehr darzu zu reden
waͤr. Antwortet Fortunatus, da waͤre gar nichts
mehr von zu reden noch zu gedenken; und haͤtt er
etwas zu ſchaffen, das moͤchte er thun. Marcholando
wollt nit von dannen, er wollt zuvor vollenden, was
ihm der Koͤnig Soldan befohlen haͤtt, und ritt zu
dem Koͤnig von Cypern, der dann Fortunatus Obe⸗
144
rer war, und klaget ihm von Fortunato, und bat
ihn, daß er mit ihm ſchuͤfe, das Kleinod ihm wieder
geben oder ſenden, das er ihm doch unehrlich ent⸗
| hätt; dann wo das nit geſchaͤhe, fo hätte er
Sorge, es wuͤrde ein großer Krieg daraus entſprin⸗
en, ſo ſie doch lange Zeit in gutem Fried und gute
achbarn wären geweſen; jo war gut, daß fie in
Freundſchaft blieben, dann durch Krieg ſo kaͤm man
zu großen Koſten und merklichem Schaden, darvor
er ſein ſollt, wo er koͤnnt oder moͤcht. Dann es ziemt
einem jeglichen Koͤnig wohl, daß er ſein Koͤnigreich
und Unterthanen in Frieden ſetz, ſo fern ihm das
moͤglich iſt. Der Koͤnig antwortet dem Marcho⸗
lando und ſprach: „Ich habe Fuͤrſten und Herren
unter mir und in meinem Koͤnigreich, ſo ich ihnen
gebeut, ſo thun ſie was ſie woͤllen. Aber hat Koͤnig
Soldan etwas zu Fortunato zu klagen, nehm er ihn
fuͤr, ſo will ich ihm Recht folgen laſſen als viel billig
und recht iſt./ Marcholando, da er hört, daß man
ſeinem Herrn und Koͤnig das Recht fuͤrſchlug,
konnte er wohl e en und merken, daß ein Heid
nit viel einem Chriſten in der Chriſtenheit moͤcht
abbeheben, und gedacht ihm, wie daß ihm nit laͤnger
mte, dazubleiben, fuhr wieder gen Famaguſta zu
einer Galeere und ließ ſie zuruͤſten und wollte da⸗
von. Da war Fortunatus ſo guͤtig, lud ihn zu Gaſt
und erbot ihm es gar koͤſtlich, und begabte ihn auch
mit viel koͤſtlichen Kleinoden und ließ ihm ſeine Ga⸗
10 F 145
leere gar wohl ſpeiſen mit guter Speis und Trank,
und ſprach: „Ich bin dir nicht feind, daß du dem
Soldan ſeine Botſchaft haſt geworben; doch hoffe
ich, du ſeieſt mir auch nicht feind, darum daß ich ihm
das Huͤtlein nicht wieder ſchicke. Angeſehen, daß
kein Heide keinen Chriſten liebhaben mag, noch auch
kein Gutes gönnen, und wo Konig Soldan das Huͤt⸗
lein haͤtte und mein waͤre, er ſaͤndte es mir wahr⸗
licher Sachen auch nit wieder, es wuͤrd ihm auch
von den Seinen nit geraten, daß er mir es ſchickte,
alſo deßgleichen mir auch nit geraten wird, daß ich
ihm es ſchicken ſoll. ( Marcholando danket Fortu⸗
nato der Ehren und Schenkung, ſo er ihm gethan
haͤtt, und ſagte, er ſahe wohl, daß er nichts ſchaffen
moͤcht, weder durch Liebe noch durch Gabe, ſolches
wollt er dem Sultan fürbringen, daß er fuͤrbaß in
der Sach thaͤte, was ihn das Beſte gedaͤuchte. Und
fuhr alſo hinweg ungeſchafft darum er dann aus⸗
geſandt war. Alſo ließ ihn Fortunatus fahren und
fraget nit darnach, ob er den König Soldan erzuͤr⸗
net haͤtt, fo er doch nit mehr in fein Land wollte.
Als nun Fortunatus zu guter Maß die ganze Welt
durchfahren und ein gut Genuͤgen zuwegen ge⸗
bracht hatte, da fing er an und hielt einen koͤſtlichen
Staat und ließ ſeine zween Soͤhne auch herfuͤr zie⸗
hen, hielt ſie auch gar ehrlich und koͤſtlich, und dinget
ihnen Knecht, die fie lehrten Ritterſpiel, das iſt mit
Stechen, Turnieren und mit Scharfrennen und
146
andres, das denn dazu ap wohl geuͤbet. Darzu
der juͤnger Sohn gar ſehr geneiget war, ſich gar
mannlich in die Sach ſchickt, dadurch Fortunatus
viel Kleinod ausgab, darum zu Famaguſta geſtochen
ward, daß allweg der juͤngſte Sohn das Beſte thaͤt
und den Preis gewann; daß jedermann ſprach, An⸗
doloſia thaͤt dem ganzen Land Ehre; dardurch For⸗
tunatus große Freud haͤtt. Und lebten alſo in gro⸗
ßen Freuden, denn Fortunatus hatte viel Kurzweil
mit ſeinem Huͤtlein, mit dem Federſpiel und auch
mit dem Sohn Andoloſia und mit ſeinem allerlieb⸗
ſten Gemahl Caſſandra. Als ſie nun mannig Jahr
in allen Freuden lebten, und von keinem Unmut
wußten zu ſagen, da ward die ſchoͤne Caſſandra
krank einer ſchweren und toͤtlichen Krankheit, daß
9 r kein Arzt weder konnte noch mochte helfen.
d kein Gut noch Geld geſparet; ſondern ſie
mußte ſterben, ohne langes Verziehn gab ſie auf
ihren Geiſt. Da ließ fie Fortunatus gar ehrlich be⸗
atten, als ob ſie eine Koͤnigin waͤr geweſen. Sie
war ihm lieb im Leben, deß erzeiget er ſich auch nach
ihrem Tod, und ließ ihr viel Gutes nachthun. Und
lag ihm aller ſein guter Mut und hatte gar keine
u mehr, wiewohl ſeine guten Freunde und Ge⸗
ellen ihm gern einen Mut gemacht haͤtten und zu
ihm kamen, und wollten, daß er mit ihnen waͤr ſpa⸗
zieren geritten, jagen, baitzen, wie er dann vormals
gethan haͤtt. Der wollt er keines thun, ſondern er
10* 147
ſaß allein und trauret um fein liebſtes Gemahl. Als
er alſo allein war, fing er an und ſprach wider ſich
ſelbſt: „O Fortunate, was iſt dir nun nuͤtz, daß du
Golds genug haſt und dem Soldan ſein allerbeſtes
Kleinod vorhalteſt, alle Reiche durchzogen biſt; und
jetzo nit weißt, zu welcher Stund der Tod kommt
und dich auch hinnimmt, als er mein allerliebſtes
Gemahl genommen hat, deſſen fie fich noch nit ver⸗
ſehen haͤtt. O du grimmer Tod, wie kannſt du ſo
hart und ſo ſtreng fein, daß du dir nit laͤßt aber bitten
und weder Gab noch Mut an dir hilfet. Die Jun⸗
gen noch die Alten, die Reichen noch die Armen, die
Wohlgeſtalten noch Ungeſtalten nit ſicher mögen
vor dir ſein, weder auf den hohen Schloͤſſern oder
Bergen, noch in den tiefen Thaͤlern.“ Und lag alſo,
zu betrachten die Gewißheit des Todes und die Un⸗
gewißheit ſeines Kommens. Und als er ſich ſo ſehr
bekuͤmmeret, ihn niemand von der Fantaſey neh⸗
men konnt noch mocht, da fiel er auch in eine boͤſe
Krankheit (die Schwindſucht), die man Ethica
heißt, und nahm von Tag zu Tag aban ſeinem Leibe.
Da er empfand ſolches Siechtum an ihm von Tag
zu Tag zunehmen, ſandte er fern und nah nach den
allerbeſten Aerzten, ſo man ankommen mochte.
Denen gab und ge er groß Gut, daß fie ihm
huͤlfen, fie wollten aber ihm keinen Troſt geben ihn
geſund zu machen, doch ſo wollten ſie das Beſte
thun, ihm ſein Leben zu friſten ſo lang ſie moͤchten,
148
und brauchten darzu ihren Fleiß, nahmen darum
Gelds genug. Fortunatus aber empfand keiner
Beſſerung, ſonderlich, da er wohl konnt merken,
— er den Tod an ihm haͤtt und ihm nit entrinnen
nnt.
¶ Wie Fortunatus ſtarb / an feinem Todbett
ſeine zween Soͤhn berufet / ihnen ſaget die
Kraft und Tugend des Seckels und des
Huͤtleins.
Und als er nun nahe gen dem Tod und an ſeinem
Bett lag, ſandte er nach ſeinen zween Soͤhnen,
dem Ampedo und Andoloſia, fing an und ſprach:
Sehet ihr lieben Söhne, eure Mutter, die euch fo
mit gar großem Fleiß erzogen hat, nun mit Tod ab⸗
gegangen iſt; ſo iſt nun die Zeit kommen, daß ich
auch aus dieſer Zeit ſcheiden muß, ohne ſonder laͤn⸗
ger Verziehen. Und alſo will ich euch ſagen, wie
ihr euch halten ſollet nach meinem Tod, damit ihr
bei Ehren und Gut bleibet, als ich bis an mein End
blieben bin. Und ſagt ihnen, wie er zwei Kleinode
hätt, den Seckel, und was Tugend er haͤtt, nit länger
dann ſo lang ſie lebten, und auch was Tugend das
Huͤtlein haͤtt, wie groß Gut ihm der Sultan wollt
darum gegeben haben; und befahl ihnen, ſie ſollten
die Kleinode nit von einander teilen und ſollten auch
niemand ſagen von dem Seckel und ihnen niemand
149
fo lieb laſſen werden noch niemand ſo hold gewinnen,
ob ſie auch Weiber uͤberkuͤmen, die fie faſt lieb haben
wuͤrden, noch ſo ſollten ſie nichts von dem Seckel
ſagen; dann ſobald das ein Menſch innen wuͤrd, ſo
wuͤrden es darnach mehr innen. „Wenn es dann
alſo gar aus kaͤme, ſo ſatzte man euch Nacht und
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braͤchte. Und wiſſet, daß ich den Seckel ſechzig Jahr
gehabt hab, und hab es keinem Menſchen nie ge⸗
ſagt; und ihr ſeid jetzund die erſten, die es aus mei⸗
nem Mund hören. Hierum fo ſeid fürfichtig, denn
wo ihr darum kommt, ſo wuͤrd er euch nit wieder;
alfo thaͤt es gar weh, von großem Reichtum in Ar⸗
mut zu kommen. Noch eins will ich euch befehlen,
150
lieben Soͤhn, daß ihr in der Ehre einer Jungfrauen,
von der ich begabt bin worden mit dieſem gluͤckhaf⸗
tigen Seckel, ihr nun hinfuͤr alle Jahr auf den er⸗
ſten Tag im Brachmonat feiern woͤllet, und auf
denſelben Tag kein ehelich Werk vollbringen in der
Eh noch außer der Eh, und eine arme Tochter, der
Vater und Mutter nit zu helfen haben zu ehelichem
Stand zu bringen, daß ihr die woͤllet verſehn mit
vierhundert Stuͤck Goldes, was dann Landes Waͤh⸗
rung iſt, wo einer mit dem Seckel iſt; und das hab
ich gethan, ſo lang ich den Seckel gehabt, hab ich dem
Geluͤbd nachgelebt.“ Und nit viel redt er mehr
nach dieſer Red, war verſehen mit allen Sacra⸗
menten, und gab alſo auf ſeinen Geiſt. Da ließen
ihn ſeine Soͤhne gar ehrlich beſtatten in der ſchoͤnen
chen, die Fortunatus ſelbſt hatte laſſen bauen,
ward da viel Gottes dienſt vollbracht mit Meſſehal⸗
ten und mit Almoſengeben; und wäre der König
ſelbſt geſtorben, ſo haͤtte man ihm nit mehr moͤgen
nachthunn.
Nun hoͤret, wie es Ampedo und Andoloſia, den
zween Söhnen Fortunati, fuͤrbaß gangen iſt
mit den zweien Kleinoden. Als nun ihr Herr und
Vater geſtorben war, da trugen ſie Leid und hielten
ihm koͤſtliche Jahrzeit, als wohl billig war. Die⸗
weil nun Andoloſia alſo das Jahr ſtill gelegen war
und nit durft ſtechen noch andre Hofweiſe treiben,
war er ob ſeines Vaters Buͤchern gelegen, haͤtt die
151
geleſen und fand, wie er fo viel chriſtlicher Koͤnig⸗
reich durchzogen war, wieviel Laͤnder er durch der
Heiden Land gefahren war, das ihm auch ſo wohl
gefiel und ihm einen ſolchen Luſt bracht, daß er ihm
ernſtlich fuͤrnahm, wie er auch wandlen muͤßt. Fing
an und ſprach zu ſeinem Bruder Ampedo: „Lieber
Bruder, was woͤllen wir anfahen? Laß uns wand⸗
len und nach Ehren ſtellen, als dann unſer Herr
Vater gethan hat. Haſt du nit geleſen, wie er ſo
weite Land durchfahren iſt, fo lies es noch.“ Am⸗
pedo antwortet ſeinem Bruder gar guͤtiglich und
ſprach: „Wer wandlen woͤll, der wandle. Es ge⸗
luͤſt mich gar nicht, ich möchte leicht kommen, da
mir nit ſo wohl waͤre, als mir hie iſt. Ich will hie
zu Famaguſta bleiben und mein Leben in dem ſchoͤ⸗
nen Palaſt verſchleiſſen.“ Andoloſia ſprach: „So
du des Sinnes und Gemuͤtes biſt, ſo laß uns die
Kleinode teilen.“ Ampedo antwortete und ſprach:
„Willſt du jetzo das Gebot deines Vaters uͤbergehn?
Weißt du nit, das ſein endlicher Wille ernſtlich ge⸗
weſen iſt, daß wir die Kleinode nit voneinander ſol⸗
len teilen? Andoloſia ſprach: „Ich kehr mich nit
an die Red. Er iſt tot; ſo leb ich noch, und ich will
teilen.“ Ampedo ſprach: „So nimm das Huͤtlein
und zeuch wohin du woͤlleſt.! Andoloſia ſprach:
„Nimm du es ſelbſt und bleib hie.“ Und konnten
der Sache nit einig werden, dann jeder wollt den
Seckel haben. Andoloſia ſprach: „Lieber Bruder,
152
ich weiß, wie wir der Sache thaͤten. Wir ſollen nach
unſers Vaters Rat niemand zu unſerer Teilung
nehmen. So laß uns aus dem Seckel zwo Truhen
mit Gulden fuͤllen, die beheb du hie und leb wohl:
ſo magſt du ſie dein Lebtag nit verzehren; und
behalt auch das Huͤtlein hie bei dir, damit du viel
Kurzweil haben magſt, und laß mir den Seckel. So
will ich wandeln und nach Ehren ſtellen, will ſechs
7 fein, und wenn ich dann her wieder komme,
o will ich dir den Seckel auch ſechs Jahr laſſen und
alſo wollen wir ihn insgemein haben und nuͤtzen.
en der war ein guͤtig Menfch, ließ es alſo ge⸗
ſchehen, wie es ſein Bruder gemacht haͤtt.
Wie Andoloſia mit feinem Seckel von
Famaguſta weg ſchied / und wohl geruͤſt an
des Koͤnigs von Frankreich Hof kam.
Da nun Andoloſia verſtund, daß ſein Bruder
ihm den Seckel laſſen wollt, und ihn mit ihm
hinweg wollt laſſen fuͤhren, war er von ganzem
Herzen froh und wohlgemut. Fing an ſich zu ruͤſten
mit guten Knechten und huͤbſchen Pferden, ließ
ihm zuruͤſten einen Wagen, darauf man ihm all⸗
— mußte nachfahren ſein Stechzeug, und was
zu hoͤſiſchem Weſen gehört. Und nahm alſo Ur⸗
laub von ſeinem Bruder, fuhr von Famaguſta mit
vierzig wohlgezierten Mannen und wohl geruͤſt mit
153
guten Roſſen, und alle wohl bekleidet mit einer Farb
zu dem erſten an des Koͤnigs Hof von Frankreich
und geſellet ſich den Edlen zu, Grafen und Frei⸗
herren, denn er war koͤſtlich und ließ ſich gar wohl
nutzen, darum er von maͤnniglich wohl gehalten
ward; dienet auch dem Koͤnig als ob er ſein ge⸗
dingter Diener waͤre. Als er da war, begab es ſich,
daß man ſtechen ward, ſcharf rennen, ringen und
ſpringen. Das thaͤt er den andern allen vor, daß er
ganz in ein Geſchrei kam, daß er allzeit das Beſte
thaͤt. Und nach dem Stechen hielt man gewöhnlich
große Taͤnz den edlen Frauen, darzu er auch beruft
ward und ihm auch Vortaͤnz geben wurden. Die
Frauen wurden fragen, wie er hieße und von wan⸗
nen er waͤre; ſo ward ihnen geſagt, er hieße Ando⸗
loſia von Famaguſta aus Cypern und waͤr von
edlem Geſchlecht. Alſo wurden ihn die edlen Frauen
auch herfuͤrziehen, Scherzred mit ihm treiben, das
er auch gern hatt und ihm wohl gefiel; der König
ward ihn zu Gaſt laden. Da er fo wohl ankam und
den Edlen ſein Gefaͤhrt und ſeine Geſellſchaft ange⸗
nehm war, lud er die Edlen und alle ihre Weiber
zu Gaſt und gab ihnen gar ein koͤſtliches Mahl, da⸗
durch er den edlen Frauen wohl gefallen ward und
gaben ihm erſt Glauben, er waͤr von edlem Stamme
geborn. Und als ſie nun in Freuden lebten, da war
ein Edelmann an des Koͤnigs Hof, der haͤtt ein
Weib, die ein Ausbund war von Schoͤne, und mit
154
Schönheit die anderen Frauen weit übertraf. Der⸗
ſelben Frauen Ehmann war Andoloſia Stechgeſell
und waren baß eins dann die Andern. Derſelben
ward Andoloſia unmaßen faſt hold und gar
ernſtlich um ſie buhlen und verhieß ihr zu geben tau⸗
ſend Kronen, daß ſie eine Nacht bei om lag. Die
Frau gedacht, tauſend Kronen wären bald ver⸗
dienet; doch ſo war ſie ſo ehrbar, daß ſie es nit thun
wollt, und ſagt ſolches ihrem Mann. Der Mann
ſprach: „O Frau, die tauſend Kronen waͤren gut,
wir wollten ſie wohl brauchen, es iſt aber nit wohl
zu thun, dann Ehre iſt ob allem Reichtum“ und
ſprach 125 ihr: „Wie wollt es dir gefallen: wir haben
eine ſchoͤne wohlgeſtalte Nachbarin, die eine gute
Geſellin iſt und die um Geldes willen ihren Leib
niemand verſagt: du haͤtteſt es mit ihr geredt, wie
ſolche Sach an dich waͤre geworben, nun haͤtteſt du
einen Ehmann, der viel auf Ehre hielt, und du duͤrf⸗
teſt dich ſolches nit unterſtehn, denn du muͤßteſt dei⸗
nes Lebens dabei beſorgen. ! Die Frau thaͤt nach
Anweiſung ihres Mannes und ſprach zu der Nach⸗
barin: „Solches iſt vorhanden; wollteſt du dich der
Sach unterſtehn, ſo wollt ich es zurichten, daß du
in meinem Haus und an meiner Statt als ob ich
es wär laͤgeſt bei dem Edelmann, ſo denn jetzund hie
ein guter Stecher iſt. Der wollte mir tauſend Kro⸗
nen geben, daß ich eine Nacht bei ihm läg. Wo du
das thaͤteſt, ſo wollt ich dir hundert Kronen geben.“
155
Die gute Tochter ſprach: „Mir liegt nit viel daran,
ich wuͤrd bei einem ſolchen Mann umſonſt liegen.
Wenn ich aber ſolches thaͤt, ſo beſorg ich, Ihr gebet
mir die hundert Kronen nit und wollet mich viel⸗
leicht mit einer Kron oder zweien abrichten, ſo ich
ein ſolches Toͤchterlein bin. Die Frau ſprach: „Ich
will dir die hundert Kronen zuvor geben, eh dann
du fie verdieneſt.“ Das gefiel ihr wohl und fagte,
daß ſie die Sach zuruͤſtete, ſo wollte ſie ihr zu Wil⸗
len werden und guten Fleiß in der Sache brauchen.
Und alſo ſagt es die Frau ihrem Mann, wie ſie ihre
Nachbarin uͤberkommen haͤtt, ſie wollt vollbringen
ihren Willen; das gefiel dem Mann wohl. Alſo kam
Andoloſia aber zu der Frauen und brauchet ſeinen
Fleiß, als dann die Liebhaber thun, und ward aber
von den tauſend Kronen ſagen. Die Frau ſprach
zu ihm: „Iſt Euch der Sach ernſt, ſo kommet mor⸗
gen zu Nacht und bringet das Geld mit Euch; denn
mein Mann wird morgen hinweg reiten in des Koͤ⸗
nigs Dienſt.“ Deß war Andoloſia gar froh, dann
er des Gelds, ſo er bringen ſollt, gar wenig achtet.
Des andern Tags zu Nacht kam er allein geſchli⸗
chen und hatte ſich heimlich von ſeinen Knechten ge⸗
ſtohlen und brachte die tauſend Kronen mit ihm.
156
¶ Wie Andoloſia um eine edle Frauen buhlet
und ihr tauſend Kronen ſchenkt / ſie ihn
betrog und ihm ein andre zuleget.
Die Frau wartet ſein und empfing ihn und auch
die tauſend Kronen, die waren in einem Seckel,
zaͤhlet die nit, denn fie gedachte wohl nach der
Schwere, es waͤre recht; und fuͤhrt ihn in ihre Kam⸗
mer, ſagt, daß er ſich niederleget und faſt ſtill waͤr,
fo wollte fie gleich kommen. Und fandte eilends zu
ihrer Nachbarin, der fie hundert baar Kronen ge⸗
ben haͤtt. Die gute Tochter hatte ſich gar huͤbſch zu⸗
gericht mit ſauberen und wohlſchmeckenden Haͤn⸗
den und mit andern Dingen, dann ſie wohl wußte,
was zu ſolchen Sachen gehoͤrt. Und als ſie nun alſo
bei einander lagen, in Freuden lebten, wußt Ando⸗
loſia nit anders denn daß er bei ſeines Stechgeſellen
Frauen laͤg. Da aber die gute Tochter vernahm,
daß fie Andoloſia fo wohl gefiel und fie fo wohl für
gut hätt, gedachte fie ihr wohl, es ging ungleich zu,
daß die Frau neunhundert Kronen follt haben und
ſie nit mehr als einhundert Kronen. Fing an und
ſagt Andoloſia, wie ihn feines Geſellen Frau be⸗
trogen hatt und fie beſtellt hatt, bei ihm zu liegen an
ihrer Statt, darob ſie ihr hundert Kronen geben
haͤtt. Da Andoloſia das vernahm, daß er alſo be⸗
trogen war, da war ihm nit um das Geld, ſo er aus⸗
geben haͤtt, ſondern viel mehr um daß er ſich ver⸗
157
ſah, es wuͤrde auskommen in der ganzen Stadt und
wuͤrde ein Geſpoͤtt daraus, daß er alſo betrogen
waͤr worden von zweien Weiben; ſtund auf und
gab der Tochter noch hundert Kronen und ging in
ſein Herberg, wecket alles ſein Volk auf, daß ſie ſich
ſollten ruͤſten, er wollte auf ſein und hinweg reiten.
Und gedachte, er woͤllte ſich fuͤrbaß huͤten vor den
Liſten der untreuen Weiber; und ritt alſo hinweg,
ungeſegnet ohne allen Urlaub in einem Unmut.
Und als er einen Tag von Paris geritten war, lag
ihm die Sach noch an, und ſandt einen ſeiner Die⸗
ner zu der, da er bei gelegen war, und ſchicket in
noch zweihundert Kronen und entbot ihr, fie ſollte
des Edelmanns Weib mit Recht fuͤrnehmen fuͤr
den Koͤnig oder ſein Kammergericht, heißt man das
Parlament, und ihr zuſprechen, ſie haͤtt Geld ein⸗
genommen mit Namen neunhundert Kronen, die
ihr doch nit zuſtuͤnden, und ſie waͤre die, der das
Geld zugehoͤrte, das waͤre ihr Dienſtlohn. Das die
gute Tochter dem Knecht zuſagt, ſie wollt in der
Sach thun, daß er ſollt innen werden, daß ſie Fleiß
braucht haͤtt; und ruͤſtet alſo die zwei Weiber an⸗
einander, daß ſie hinter das Recht kamen und ver⸗
rechteten wohl ſoviel und mehr dann ſie eingenom⸗
men hatten. Die Sach war ein eben Spiel fuͤr die
Advocaten und ander Schreiber und Procurato⸗
res, denn ihnen ward der meiſte Teil darum. Als
nun Andoloſia von dem Hof und Koͤnig von Frank⸗
158
8 kam, gedachte er: „Es iſt noch gut, daß
mich die falſchen Weib nit um den Seckel betrogen
haben“ und ſchlug die Sach von Herzen, und ge⸗
dachte, wie er erſt anheben wollt froͤhlich zu ſein und
einen guten Mut zu haben; und ritt eines Reitens
an des Koͤnigs Hof von Arragon. Waͤr lang zu
ſchreiben, was er an jedes Koͤnigs Hof vollbracht
mit Stechen, mit aller Hoͤflichkeit und inſonderheit
mit großer Koͤſtlichkeit, ſo er verbrachte mit Hof⸗
halten. Und zog alſo zu dem Koͤnig von Naverren,
zu dem Koͤnig von Caſtilia, zu dem Koͤnig von Por⸗
tugal, und darnach zu dem Koͤnig von Hiſpania,
der 15 ein maͤchtiger Koͤnig war und einen großen
85 hielt; er fuͤhrt auch allzeit Krieg wider den
oͤnig von Granaten, an den auch ſein Land ſtoßet,
und wider einen Koͤnig, lieget jenhalb dem Meere,
nennt man den Koͤnig von Damaſy in Barbaria,
ſeind beid zween heidniſch Koͤnige. Und als nun
Andoloſia dahin kam, gefiel ihm das Volk und ihre
Sitten er wohl; dann die Spaniol gar ſtolz,
wiewohl ſchwarz oder braun Leut ſein. Und fing
an und kleidet ſich und alles ſein Volk nach ihren
Landſitten und die Roß ließ er zuruͤſten wie fie, und
fing an, ſich u den Edlen zu geſellen, und kam, daß
er auch des Koͤnigs Diener ward, ſtach und rannt
und trieb alle Ritter ſpiel. Er gab auch Kleinode
aus und lud die edlen Frauen, und gab ihnen koͤſt⸗
liche Maͤhler; und wenn der Koͤnig auszog wider
159
feine Feinde, beftellt er noch hundert Söldner zu
ſeinem Volke, alles auf ſeine eignen Koſten. Und
dienet dem Koͤnig ſo wohl, daß er ihn gar lieb ge⸗
wann, da er in allen Streiten vornen an der ——
ſein wollt, und thaͤt gar viel mannlicher That, da
ihn der Koͤnig zum Ritter ſchlug. Und war ein
alter Graf, der hatt eine einige Tochter an des Koͤ⸗
nigs Hof: wollte der König, daß Andoloſia des Gra⸗
fen Tochter zur Ehe hätte genommen; fo wollte er
ihn zu einem Grafen gemacht haben an des Gra⸗
fen Statt. Das wollt aber Andoloſia nit thun, denn
des Grafen Tochter gefiel ihm nit, ſie war nit huͤbſch,
auch ſo achtete Andoloſia keinen Reichtum noch
Grafſchaft, dann er war reich und haͤtt genug an
ſeinem Seckel. Und als er nun etliche Jahr bei dem
Koͤnig war geweſen und die Luſt daſelbſt verloren
hatte, und ſonderlich, ſo er keine an des Koͤnigs Hof
geſehen hatte, die ihm wohlgefiel zu nehmen noch
auch ſonſt lieb zu haben, da nahm er alſo Urlaub
von dem Koͤnig, den ihm der Koͤnig guͤtiglich gab
und ſchenkte ihm ſeine Livrey, und ſagte ihm, daß
er kaͤm, wann er woͤllt, ſo ſollt er einen gnaͤdigen
König an ihm haben. Und alſo beſtellt Andoloſia
ein gut Schiff, und dinget mit dem Schiffmann,
daß er ihn und ſein Volk und alles das, was ihm
zugehoͤret, ſollt fuͤhren gen Engelland, darum er
ihn wohl bezahlet. Und nahm alſo Urlaub von
maͤnniglich, mit denen er dann ſein Weſen gehabt
160
hatte. Etliche an des Königs Hof waren fehr froh,
daß er hinwegfuhr, um daß ſie das koͤſtlich Leben,
ſo er trieb, nit mehr ſehen muͤßten; alſo waren auch
viel traurig, die fein genoſſen hatten. Fuhr alſo dar⸗
von und kam mit gutem Gluͤck gen Engelland in
die große Stadt Lunden, da dann zumal der Koͤni
Hof hielt. Und beſtellt da ein groß ſchoͤn Haus, li
darein kaufen was man bedurft uͤberfluͤſſiglich,
und fing an Hof zu halten als ob er ein Herzog war,
und lud die Edlen an des Koͤnigs Hof zu Gaſt,
ſchenkte ihnen, und wurden wohl an ihm; ſtachen
mit ihm, rannten ſcharf und turnierten; und was
man ritterlicher Thaten ſollte thun, das that er all⸗
weg vor Andern, alſo daß ihm allweg der Preis
gegeben ward von Frauen und Mannen, von den
Edlen und Unedlen. Das auch der Koͤnig und die
Koͤnigin ſelber geſehen hatten oft und viel, daß er
ſo mannlich war, und gefiel ihm ſein Weſen wohl
und ließ ihn fragen, ob er begehrt, an ſeinem Hof
zu ſein. Zu dem Andoloſia ſagt: ja, er wollte ihm
gern dienen mit Leib und mit Gut. Und als er nun
an dem Hof war, begab es ſich, daß der Koͤnig von
Engelland zog wider den Koͤnig von Schotten. Da
zog Andoloſia mit ihm auf ſeine Koſten mit einem
großen Volk wider den Koͤnig von Schotten, und
that ſo manche ritterliche That, daß er fuͤr allen
andern gelobt ward, wiewohl das wahr iſt, daß kein
Volk auf Erden iſt ſtolzer und hoffaͤhrtiger und nie⸗
11 F 161
mand feiner Ehr gönnen noch zulegen mag denn
ihnen ſelbſt; noch dann 1 75 ſie große Ehre von
Andoloſia, von der großen Kuͤhnheit, ſo er in Strei⸗
ten begangen haͤtt. Doch ſo ſagten ſie, es waͤre
immer ſchad, daß er nit ein engliſch Mann waͤre;
dann ſie vermeinen, daß kein beſſer Volk auf Erd⸗
reich ſei denn ſie.
¶ Wie Andoloſia aus Frankreich ritt / zu dem
Koͤnig von Engelland kam und wohl emp⸗
fangen ward.
Als nun der Krieg geendet war und jedermann
heimzog, da kam Andoloſia auch wieder gen
Lunden, ward ſchoͤn empfangen von dem Koͤnig,
und als etliche Tage vergingen und der reiſigen
Schar auch ein Teil hinweg ritt, lud der Koͤnig
Andoloſia zu Gaſt und ſetzt ihn an ſeinen Tiſch, da
niemand war denn der Koͤnig und Koͤnigin und
eine einige Tochter fo er hätt, die der allerſchoͤnſten
Frauenbilder eine war, ſo man in der Welt finden
mochte, ſo weiß und ſo zart, daß ſie der ſchoͤnen
Amaley, die auch etwan eine Koͤnigin in Engelland
geweſen, vergleicht ward. Dieſelb ſchoͤn Jungfrau
hieß Agrippina, die ward gegen Andoloſia zu Tiſch
geſetzt, und als ſie Andoloſia anſahe, gedachte er:
wenn ſie ein Engel und von Gott daher auf Erden
geſandt waͤr, ſo waͤr ſie nit huͤbſcher zu formieren;
162
*
und ward entzuͤndet mit einer inbruͤnſtigen Liebe,
ihm ward ſein Herz mit einer ſolchen Wolluſtigkeit
umfangen, daß er weder eſſen noch trinken mocht.
Deß die alt Koͤnigin wohl wahrnahm, dann er
ward je rot, dann bleich, als oft den rechten lieb⸗
enden Herzen geſchieht; und merket, daß er den
ngel der Liebe empfangen hatt. Und wenn der
Koͤnig etwas mit ihm redet, ſo konnt er ihm kein
Antwort geben. So gab ihm Agrippina je einen
Blick, das ihn dann noch feſter zu der Liebe bewegt,
und vermeint, ihr Gemuͤt ſollt gen ihm ſtehn wie
das ſein gegen ihr, da noch fern hin war. Als nun
die Mahlzeit vollbracht ward, und dieweil man aß,
mancherlei Saitenſpiel, huͤbſche Spruͤch, als man
ohnlich vor der Herren Tiſch pflegt zu thun, da
loſia wenig aufgemerkt haͤtt; dann er haͤtt alle
ſeine Vernunft auf Agrippina gelegt; kam er alſo
zu Haus mit Liebe beladen, feſter dann ein Kamel⸗
tier, das Pfeffer aus India gen Alkeyro tragen
muß, denen man zumal ſchwere Laſt auflegt. Und
als er heimkam und allein war, gedachte er: „O
wollte Gott, daß ich von koͤniglichem Stamm ge⸗
boren waͤre, ſo wollt ich dem Koͤnig ſo treulich die⸗
nen und in dem Vertrauen ſein, er muͤßte mir die
ſchoͤne Agrippina vermaͤhlen. Was wollt ich mehr,
denn ein ſolch ſchoͤnes Gemahl? So ich aber nit ſo
hoch geboren bin, ſo kann ich dannoch nit laſſen, ich
muß ihr hold ſein und um ihre Liebe werben, mir
11* 163
geſcheh recht wie Gott woͤll. ! Und fing erſt an faſt
zu ſtechen und andere Ritter ſpiel zu üben, dann er
wohl wußt, wenn man ſolches thaͤt, daß die Koͤni⸗
m und ihre Tochter zulugten; darum er gar gro⸗
en Fleiß thaͤt, Ehr zu erjagen. Und lud auf ein
Mal die Koͤnigin und ihre Tochter und all edel
Frauen, ſo an des Koͤnigs Hof waren, und gab
ihnen fo ein koͤſtlich Mahl, daß man Wunder da⸗
von zu ſagen haͤtt. Das ward dem Koͤnig geſagt,
wie er fo eine koͤſtliche Mahlzeit gegeben hätt, darzu
der Koͤnigin ein koͤſtlich Kleinod geſchenkt, deßglei⸗
chen der ſungen Koͤnigin Agrippina. Und der Koͤ⸗
nigin Maͤgden und ihrer Kammermeiſterin, denen
ſchenkte er allen gar koͤſtlich, um daß er deſto baß
empfangen wuͤrde wenn er gen Hof kaͤme, als auch
geſchah. Wenn er kam, ſo ward er eingelaſſen zu
der Koͤnigin und der ſchoͤnen Agrippina, das ihn
auch gar wohl freute, und als er auf ein Mal gen
Dr kam, ſprach der König zu ihm: „Mir fagt die
oͤnigin und andre, wie du ihnen als ein koͤſtliches
Mahl habeſt gegeben. Warum ladeſt du mich nit
auch darzu? ! Andoloſia ſprach: „O allergnaͤdig⸗
ſter Herr König, wenn Eure koͤnigliche Maßſeſtat
mich Euern Diener nit ver ſchmaͤhen wollt, wie eine
große Freud mir das ſein muͤßt, daß Ihr das thaͤ⸗
tet. Der König ſprach: „So lad mich, ich will auf
morgen kommen und ihrer zehn mit mir bringen.“
Deß war Andoloſia faſt froh, ging eilends heim
164
und gab feinen Dienern Gelds genug, daß fie gin⸗
gen kaufen, was ſie Guts funden, und befahl auch
dem Koch, daß er Fleiß brauchet und die koͤſtlichſte
Mahlzeit bereitet, fo er je gethan hatt, daß er auch
kein Sparen daran haͤtt und durch Gelds willen
nichts unterwegen ließ. Alſo ward die Mahlzeit
gar koͤſtlich und wohl bereit, und als alle Ding zu⸗
gerichtet waren, kam der Koͤnig mit Grafen und
Herren, und ward die Mahlzeit reichlich vollbracht
mit koͤſtlichem Getraͤnk und mancherlei Trachten
von Eſſen, daß der Koͤnig wunder darab haͤtt und
die andern, ſo mit dem Koͤnig kommen waren. Der
Koͤnig gedacht: „Dieſen Andoloſia reuet kein Geld,
und hat weder Land noch Leut. Ich muß ihm etwas
beweiſen, dabei er merken muß, daß er nicht ſo
mächtig iſt als er meint.“ Und gleich bald darnach
an einem Morgen entbot der Koͤnig Andoloſia, er
wollte mit ihm zu Mittag eſſen, deß Andoloſia aber
froh war, und ſandte ſeine Diener aus, zu kaufen,
was man Guts fand, das auch alles geſchah. Der
Koͤnig hatte aber verboten auf Leib und Gut, daß
niemand ihm ſollte Holz zu kaufen geben noch kei⸗
nerlei Holzwerk, weder Schiff noch anders. Da
nun ſeine Diener alle Dinge kauft haͤtten und man
ſieden und braten ſollt, da hatten ſie kein Holz. An⸗
doloſia ſandt aus, man ſollte Haͤuſer, Schiffe oder
Zaͤun, was man ankommen koͤnnt, kaufen, darbei
man die Speis koͤnnte bereiten; aber wo die Boten
165
hinkamen, da wollt man ihnen nicht zu kaufen ges
ben. Da Andoloſia das hoͤrte, merkte er wohl, daß
es des Koͤnigs Gebot war, und ſandt eilends zu den
Venedigern, die zu Lunden ihre Lager haben, und
ließ ihnen abkaufen Naͤgelein, Muskat, Sandel
und Zimmetrinden, das ſchuͤttet man an die Erd
und zuͤndet es an. Darbei kochet man und bereitet
die Speis als ob es ſonſt Holz waͤre. Da es nun um
die Mahlzeit ward, gedachte der Koͤnig, die Mahl⸗
zeit haͤtte nit mögen bereitet werden. Nit deſto min⸗
der ſaß er auf und nahm die Herren, ſo zuvor mit
ihm waren geweſen, und ritten gen Andoloſia Her⸗
berg. Und als ſie nun ſchier dem Haus naheten,
da ging ihnen ein ſolch edler, wohlriechender Ge⸗
ſchmack entgegen, daß ſie wunder darab haͤtten, und
je naͤher ſie dem naheten, je groͤßer der gute Ge⸗
ſchmack ward. Der Koͤnig ließ fragen, ob das Eſſen
und die Koſt bereit waͤr. Man ſaget ihm ja, und
wie man fütte und briete bei eitel guter Spezerey,
das aber den Koͤnig fremd nahm; und haͤtt er es
dem Koͤnig zuvor wohl erboten, ſo erbot er es ihm
und den Seinen noch baß. Und als nun die Mahl⸗
zeit vollbracht war, kamen des Koͤnigs Diener und
der andern Herren Knecht wohl mit fuͤnfhundert
Pferden um den Koͤnig zu holen. Als ſie kommen
waren, ſagt Andoloſia zu dem Koͤnig: „Gnaͤdiger
Koͤnig, iſt es nit wider Euch, ſo wollte ich Euerm
Volk einem jeglichen zehn Kronen geben.“ Der
166
König ſprach: „Ich laß es wohl geſchehen, willſt du
das Geld ausgeben.!“ Und alſo wurden fie alle be⸗
ruft in einen Saal, da ſtund er unter die Thuͤr und
gab einem nach dem andern zehen Kronen. Deß
waren die Diener gar froh und fingen allerlei an
zu ſagen von Andoloſia, und da das alles vollbracht
ward, da ritt der Koͤnig wiederum heim. Als nun
der Koͤnig wieder in ſeinen Palaſt kam, fing er ſich
an zu verwundern, von wannen Andoloſia ſo viel
und groß Gut kaͤm, und ver meint, es wär einem
König, der Land und Leute hätt, zu viel, ſo koͤſtlich
zu leben. Und als er alſo wundert, kam die Koͤni⸗
> zu ihm. Sing der König an und fagte ihr, wie
ndoloſia ihm fo eine koͤſtliche Mahlzeit geben hatt,
die da mit eitel Gewuͤrz an Holzes Statt gekocht
waͤr, und daß er ſeinen Dienern und andern jedem
zehn Kronen gegeben haͤtt; das naͤhm ihn Wunder,
von wannen ihm ſo viel Geldes kaͤm, denn da waͤr
kein Sparen dann je länger, je koͤſtlicher. Die Koͤ⸗
nigin ſprach: „Ich wuͤßte niemand, der das eh und
baß erfahren koͤnnt, denn Agrippina, der iſt er ſo
hold; und ver ſeh mich, was fie ihn fragt, er ſagt ihr
es.“ Der König ſprach: „Koͤnnte ich es erfahren,
ſicher ich wollte es gern wiſſen, ich meine, er ſchoͤpfe
es aus einem Brunnen. Wuͤßte ich einen Brun⸗
nen, da Geld aus zu ſchoͤpfen waͤr, ich wollt ſelber
auch ſchoͤpfen.“ Die Koͤnigin ſprach: „Ich will
Fleiß brauchen, ob ich es erfahren kann oder mag.“
167
¶ Wie die junge Königin Agrippina Andolo-
lruch mit falſcher Lieb um ſeinen Seckel
racht.
Und als nun die Koͤnigin wieder in ihr Frauen⸗
zimmer kam, beruft ſie Agrippina allein, und
ward ihr ſagen von dem koͤſtlichen Leben, ſo Ando⸗
loſia führt: „Und das verwundert den König und
auch mich, ſo er weder Land noch Leut hat, von
wannen ihm das große Gut komme. Nun iſt er dir
faſt hold, das kann ich an allem ſeinem Weſen wohl
ſpuͤren, und wenn er am naͤchſten kommt, ſo will
ich dir deſto mehr Weil laſſen mit ihm zu reden, ob
du von ihm erfahren moͤchteſt, von wannen ihm ſo
groß Gut komme.“ Agrippina ſprach: „Ich will
es verſuchen. Und als Andoloſia gen Hof kam, da
ward er gar ſchoͤn empfangen und in das Frauen⸗
zimmer gelaſſen. Darob er groß Freud empfing;
und ward alſo zugericht, daß er allein kam zu reden
mit der ſchoͤnen Agrippina. Und als ſie allein waren,
fing Agrippina an und ſprach: „Andoloſia, man
ſagt groß Ehr von Euch, wie Ihr dem Koͤnig ſo
koͤſtliche Mahlzeit gegeben und ihm darzu alle ſeine
Diener ſo koͤſtlich geehrt habt. Nun ſagt mir, habt
Ihr nit Sorg, daß Euch Gelds gebreſten moͤg?“
Er ſprach: „Gnaͤdige Frau, mir kann Geld nit zer⸗
rinnen, dieweil ich leb.“ Agrippina ſprach: „So
betet Ihr billig fuͤr Euren Vater, der Euch ſo ge⸗
168
nug ließ. Andoloſia ſprach: „Ich bin fo reich als
mein Vater, und er war nie reicher denn ich jetzund
bin. Doch fo war er einer Complexion, daß ihn
freuet nur fremde Lande zu ſehen; ſo freuet mich
nichts dann ſchoͤne ren und Jungfrauen, wo
ich der Liebund Gunſt uͤberkommen moͤcht. Agrip⸗
pina ſprach: „Nun habe ich wohl verſtanden, daß
— an des Koͤnigs Hof geweſen ſeid, da ſchoͤn
rauen und Jungfrauen ſind. Habet Ihr nichts
geſehen, das Euch gefallen habe? Andoloſia ſprach:
„Ich habe wohl an ſechs koͤniglichen Höfen gedie⸗
net, und hab mannig ſchoͤne Frauen und Jung⸗
frauen geſehen, aber Ihr ſeid fie alle weit uͤbertref⸗
fend in der Schoͤne, mit huͤbſchem Wandel und
en Gebaͤrden, damit Ihr mir mein Herz alſo in
iebe entzündet habt, daß ich nit mag laſſen, ich
muß Euch oͤffnen die große und unfägliche Liebe,
ſo ich gen Euch trag. Nun kann ich gar wohl er⸗
meſſen, daß ich unbillig Euer Liebe begehr, ange⸗
ſehen, daß ich von Adel nit ſo hoch geboren bin.
Aber die Liebe, die alle Dinge uͤbertrifft, die zwinget
mich ſo hart, daß ich nit laſſen kann, ich muß Euch
um Eure Liebe bitten, die woͤllet mir nit verſagen;
und was Ihr mich dann bittet und warum, das
ſollt Ihr von mir auch gewaͤhrt werden.“ Agrip⸗
pina die bedacht ſich nit lang, daß ſie ihm auf die
Liebe eine Antwort gab, ſondern fie ſprach: „Ando⸗
loſia, ſage mir die rechte Wahrheit, daß ich wahr⸗
169
lich erkennen und merken mög, von wannen dir fo
viel baar Geld und Reichtum komme. Und wenn
du das thuſt ohne alle Liſt und Trugheit, ſo will ich
auch in deinem Willen leben.“ Da nun Andolofia
die Wort von ihr vernahm, da ward er froh; und
aus unbedachtem Mut und freudenreichem Her⸗
zen ſprach er zu ihr: „Allerliebſte Agrippina, das,
ſo Ihr an mich begehret, will ich Euch in ganzen
Treuen und Wahrheit ſagen; doch ſo gelobet mir
bei guten Treuen.“ Sie ſprach: „O du allerliebſter
Andoloſia, dir ſoll nicht zweifeln an meiner Liebe
noch an meinem Verheißen: was ich dir mit dem
Mund verheiß, das ſoll dir alles mit den Werken
vollbracht werden.“ Auf die guten Worte ſprach
Andolofia zu der ſchoͤnen Jungfrauen: Nun hebet
auf Euern Schoß.“ Und zog heraus ſeinen gluͤck⸗
haftigen Seckel, ließ den Agrippina ſehen und ſprach:
„Dieweil ich dieſen Seckel hab, fo gebricht mir kei⸗
nes Gelds.“ Und zaͤhlt ihr alſo tauſend Kronen in
ihren Schoß und ſprach: „Die ſeien Euch geſchenkt
und wollet Ihr mehr haben, ich zaͤhl Euch mehr.
Glaubet Ihr mir, daß ich Euch die rechte Wahr⸗
heit geſagt hab?“ Sie ſprach: „Ich ſehe und be⸗
kenne die Wahrheit, und nimmt mich nit mehr
wunder Euer Koͤſtlichkeit. Er ſprach:⸗Nun ges
waͤhret mir, als ich Euch gewaͤhrt hab.“ Sie ſprach:
„Das will ich thun, mein lieber Andoloſia. Die
Koͤnigin wird dieſe Nacht bei dem Koͤnig liegen; ſo
170
will ich es mit meiner Kaͤmmerin zurichten, daß
r bei mir lieget, ohn die kann ich es nit zuwegen
en, der muͤßt Ihr eine gute Schenkung thun,
damit daß es verſchwiegen bleib.“ Das ſagt er ihr
zu, und er ſollte alſo zu Nacht kommen, als er auch
kam. Sobald aber Andoloſia hinweg ging, da lief
Agrippina zu der Koͤnigin mit den tauſend Kronen
in dem Schoß und ſaget ihr mit großen Freuden,
wie ſie erfahren haͤtt, von wannen Andoloſia das
Geld kaͤm, und auch, was fie ihm verheißen, und
wie ſie ihn auf die Nacht beſtellt haͤtt, bei ihr zu lie⸗
gen. Das geſiel der Koͤnigin wohl, dann ſie war
ein liſtig Weib; und ſprach zu Agrippina: „Weißt
du wohl, wie der Seckel ein Geſtalt hat, auch was
Farb er hat und was Groͤße? Sie ſprach: „Ja.“
Und ſie ſandt bald nach einem Seckler und ließen
ihnen einen Seckel machen nach Andoloſia Seckels
Form und Geſtalt, machten den lind, als ob er alt
waͤr, und ſandt die alte Koͤnigin bald nach ihrem
Doktor in der Arznei, hieß ihr ein ſtark Getraͤnk
machen, heißt Mandollis, iſt ein Getraͤnk: ſo bald
man es trinkt, entſchlaft ein Menſch, als ob er tot
ſei ſieben oder acht Stund. Und als der Trank ge⸗
macht ward, trugen ſie ihn in Agrippina Schlaf⸗
kammer und unterwieſen die oberſte Kammermei⸗
ſterin: wenn zu Nacht Andoloſia kaͤm, daß ſie ihn
ſchoͤn empfing und in Agrippina Kammer fuͤhrte,
ſo woͤllt ſie Agrippinam zu ihm ſenden. Wenn ſie
171
alſo zufammen kämen, follt fie ihnen dann fuͤrtra⸗
gen viel Confect von Zucker und uͤberguldt, das ihr
dann bereit war, und ihm dann zu trinken geben,
und daß ſie eben aufmerket und Andoloſia das Ge⸗
traͤnk in ſeinen Becher ſchuͤttet. Und wie die Dinge
geordnet waren, das alles geſchah. Andoloſia kam
gar heimlich und ward in Agrippina Kammer ge⸗
führt. Sie kam und ſatzt ſich zu ihm, redeten gar
freundlich mit einander. Da ward ihnen fuͤrgetra⸗
gen Confect genug und ward ihnen zu trinken ge⸗
geben. Agrippina hub auf und ſprach zu Andoloſia:
„Ich bring Euch einen freundlichen Trunk“ (als
in denſelben Landen Sitte iſt ). Er hub auf und
trank, um daß er ihr zu Willen würd. Alſo bracht
ſie ihm der freundlichen Truͤnk einen nach dem an⸗
dern, bis daß er den Trank gar aus brachte. So⸗
bald er es getrunken haͤtt, ſaß er nieder, ſank hin
und entſchlief ſo hart, daß er kein Empfinden mehr
haͤtt, wie man mit ihm umging. Da das Agrippina
ſah, war fie bald über ihm, riß ihm fein Wamms
auf, trennt ihm herab ſeinen gluͤckhaftigen Seckel,
und naͤhte ihm einen andern an deß Statt. O An⸗
doloſia, wie war das fo ein ungleicher Wechfel!
3 bracht des Morgens fruͤh den Seckel der
Königin, und fie verſucht ihn, ob er gerecht waͤr, fo
ſie ihn haͤtt, und zaͤhlten viel Gulden daraus, da
war kein Mangel. Die Königin bracht ihren Schoß
voller Gulden dem Koͤnig und ſagt ihm, wie ſie mit
172
wären umgegangen. Der König bat die
Königin, fie ſollt mit Agrippina ſchaffen, daß fie
den Seckel gaͤb, ſie moͤchte darum kommen.
that die Koͤnigin; Agrippina wollt es aber nit
thun. Da bat fie, daß fie ihr ihn gäbe; das wollte
ſie auch nit thun, ſagte, ſie haͤtte ihr Leben daran
gewagt: wenn er erwacht waͤr, dieweil ſie alſo mit
ihm umgangen war „fo hätte er mich zu Tod ge⸗
ſchlagen und billig.“ Da Andoloſia ausgefchlafen
haͤtt und erwachet, ſah er um ſich und ſah niemand
dann die alte Kammermeiſterin, die fraget er, wo
Agrippina hinkommen war. Sie fprach: „Sie iſt
erſt aufgeſtanden, meine gnaͤdige Frau Koͤnigin
hat nach ihr geſandt. Mein Herr, wie habt Ihr ſo
hart geſchlafen, ich habe lang an Euch geweckt, ich
konnte Euch aber nicht erwecken, daß Ihr Freud
und Kurzweil haͤttet mit Agrippina gehabt. Si⸗
cher, Ihr habt fo hart geſchlafen: haͤtt ich nit emp⸗
funden, daß Euch der Atem ging, ich hätte gemeint,
Ihr waͤret tot geweſen. ! Da Andoloſia hört, daß
er die Lieb der ſchoͤnen Agrippina verfchlafen hätt,
fing er an zu ſchwoͤren und ſich ſelbſt zu fluchen die
aller boͤſeſten Fluͤche, fo er konnte erdenken. Die alt
Kammermeiſterin, die wollte ihn ſtillen und ſprach
zu ihm: „Herr, gehabt Euch nit ſo uͤbel: was jetzt
nit geſchehen iſt, das geſchehe aber hernach.“ An⸗
doloſia ſprach: „Daß dich Gott ſchaͤnde, du alte
Kupplerin, warum haſt du mich nit recht geweckt?
173
Ich habe all mein Lebtag nie fo hart geſchlafen: der
mich nur ein wenig angeruͤhrt hätt, ich wäre er⸗
wachet.“ Sie ſagt und ſchwur faſt, ſie haͤtt ihn ge⸗
wecket, und gab ihm gute Wort, dann er haͤtt ihr
am Abend zweihundert Kronen geſchenkt. Und mit
den guten Worten fuͤhrt ſie ihn aus der Agrippina
Schlafkammer und aus des Koͤnigs Palaſt. An⸗
doloſia kam heim zu ſeinem Volk und war nit froͤh⸗
lich, als er andre Male geweſen war, und lag ihm
an, daß er die Metten verſchlafen, und wußt nit,
daß er Gluͤck und Heil verſchlafen haͤtt.
¶ Als Andoloſia ſeines Seckels mangelt / aus
der Maßen ſehr erfchraf/ allen feinen
Dienern Urlaub gab und zu Fuß heimlich
hinweg ſchied.
jr? ais nun der Koͤnig wußt, daß Agrippina den
Seckel hätt, gedacht er: „Andoloſia hat viel⸗
leicht der Seckel mehr, die ſolche Tugend haben,
dann wo er ihrer nit mehr hat, ſo iſt er wohl ein thoͤ⸗
richt Mann, daß er ihn nit baß verſorgt hat, denn
daß ihn ein Weibsbild darum ſoll gebracht haben.“
Der Koͤnig ſchaͤtzte den Seckel gar groß und ge⸗
dacht: „Mir kann nun nit mehr Gelds gerinnen;
ſo brauch ich meiner Tochter keine Heimſteur ge⸗
ben, ſie wird ſich ſelbſt wohl verſehen nach großen
Ehren“ und gedacht „Wie will ich erfahren, ob An⸗
174
doloſia mehr Seckel hab oder nicht?” und ſandte zu
ihm, er wollt morgen reiten, und begehrt an ihn,
daß er mit ihm ritt; doch ſo woͤllt er zuvor mit ihm
eſſen. Da Andoloſta das hört, entbot er dem König,
er ſollt nicht von ihm begehren, ſondern allzeit ihm
gebieten als feinem Diener, dann er ihn allzeit ſollt
willig finden. Das ward alſo dem Koͤnig geſagt,
der gedacht, er haͤtte der Seckel ohne Zweifel mehr.
Als nun Andoloſia vernahm, daß der Koͤnig aber
wollt mit ihm eſſen, ruft er einem ſeiner Diener,
dem er allweg drei oder vier hundert Kronen gab,
daß er das Haus verſaͤh, was not waͤr, und ſaget
ihm, daß er eine koͤſtliche Mahlzeit zubereitet, der
Koͤnig woͤllt aber mit ihm eſſen. Sein Diener
ſprach: „Herr, ich verſehe mich, ich hab nit Gelds
enug, dann es koſt viel. Andoloſia, der nit gutes
uts war, riß ſein Wamms auf und zog ſeinen
Seckel heraus und wollt aber ſeinem Diener vier⸗
hundert Kronen geben. Da er in den Seckel griff
nach ſeiner alten Gewohnheit, da fand er nichts; er
ſah auf gen Himmel, von einer Wand zu der an⸗
deren, er kehrt dem Seckel das Inner nach außen:
da war kein Geld mehr. Da merkte er wohl, daß
er von Agrippina betrogen war. Moͤgt ihr wohl
or was er unmutig geweſen; er ward erſt in
ngſt und Not gar geſetzt, und gedacht an die Lehr,
ſo ihm ſein Vater Fortunatus ſo getreulich in ſei⸗
nem Todbett ihm und feinem Bruder unterweifet
175
und geben hätt, daß fie fo lang fie lebten niemand
von dem Seckel ſagen ſollten; denn ſobald es ein
Menſch innen wuͤrd, fo kaͤmen fie darum, das auch
leider geſchehen iſt. Er merkt auch, daß der Koͤnig
ihm zu einem Spott entboten haͤtt, er woͤllt aber
mit em eſſen: gedacht ſich auch, daß der Seckel nit
mehr zu fordern waͤr, und von dem Koͤnig zu er⸗
langen denn mit Schand und Laſter und großem
Spott. Gedacht in ſeinem Herzeleid, er koͤnnt nit
beſſers anfangen denn zu ſeinem Bruder reiten.
„Und dem werd ich ein unwuͤrdiger Gaſt, ſo ich
ohn den Seckel komme. Und als er ſich das fuͤr⸗
genommen haͤtt, beruft er alle feine Diener, fing an
und ſprach: „Es iſt nun bald zehn Jahr, daß ich
euer Herr bin, hab euch auch ehrlich gehalten und
keinen Mangel gelaſſen, ich bin auch keinem nichts
ſchuldig, ihr ſeid all voraus bezahlt. Nun iſt die
Zeit kommen, daß ich nit mehr kann Hof halten als
ich bisher gethan hab, und kann nit mehr ein Herr
ſein, weder euer noch anderer. Nun hat ein Jeder
unter ihm ein gut Roß und guten Harniſch; ſo iſt
noch ein Kleines vorhanden, das will ich mit euch
teilen” und ſagt zu feinem Ausgeber:⸗Nun zaͤhl
— wieviel haft du noch baar Geld?“! Da zaͤhlte er
undert und ſechszig Kronen. Nun waren ihrer
wohl vier zig, gab er einem jeden zwo Kronen, ſprach
zu ihnen: „Die zwo Kronen, Roß und Harniſch
ſchenke ich einem jeglichen zu eigen und ſage euch
176
der Geluͤbde, fo ihr mir gethan habt, 125 quitt,
und los, und verſeh ſich nun fuͤrbaß ein Jeder
nach dem als ihn das beſt beduͤnkt; dann laͤnger
kann ich nit hier bleiben, und hab auch nit mehr
Gelds dann das ich mit euch geteilt hab. Da er
die Rede alſo gethan haͤtt, erſchraken die Diener zu⸗
mal ſehr, und ſah einer den andern an und nahm
ſie groß Wunder, daß ein ſo koͤſtliches Hofhalten
und ſo ein groß Weſen in einer Nacht ſich ſo leicht⸗
lich ſollt verkehren. Da hub einer unter den Die⸗
nern an und ſprach: „Getreuer, lieber Herr: hat
Euch jemand ein Widerdrieß gethan, das gebet uns
zu verſtehn, der muß von uns ſterben, und waͤr es
der Koͤnig ſelbſt, und ſollten wir all unſer Leben
darob verlieren. Andoloſia ſprach: „Von meinet⸗
3 7 ſoll niemand fechten. Sie ſprachen: „Wir
woͤllen alſo nit von Euch ſcheiden, wir woͤllen Roß,
Harniſch und was wir haben verkaufen und Euch
nit verlaſſen. Andoloſia ſprach: „Ich danke euch
allen lieben und frommen Dienern der Erbietung.
So ſich das Gluͤck wieder zu mir kehrt, will ich es
alles widergelten. Aber wie ich geſagt hab, alſo
thuet, und ſattlet mir mein Pferd von Stund an,
ich will nit, daß keiner mit mir reit oder geh. Die
Knecht waren all traurig, war ihnen ſehr leid um
ren frommen Herrn, bei dem ſie ſo viel guten
eingenommen hatten, und klaget je einer dem
andern mit weinenden Augen; brachten ihm ſein
12 F 177
Pferd. Da nahm er Urlaub von einem nach dem
andern, und ſaß auf und ritt den naͤchſten Weg ſo
er konnte gen Famaguſta zu ſeinem Bruder Am⸗
pedo. Und als er kam fuͤr den ſchoͤnen Palaſt und
klopfet an, da ward er zur Stund eingelaſſen. Und
als Ampedo vernahm, daß ſein Bruder Andoloſia
kommen war, ward er gar froh und vermeint, er
woͤllt auch Freud mit dem Seckel haben und fuͤro
nit mehr ſparen, wie er zehen Jahr gethan haͤtt;
und ginge dem Bruder entgegen und empfing ihn
mit großen Freuden; fragt ihn, wie er ſo allein kaͤm
und wo er ſein Volk gelaſſen haͤtt. Er ſagt: „Ich
hab ſie alle verlaſſen und lob Gott, daß ich her heim
kommen bin.“ Ampedo ſprach: „Lieber Bruder,
wie iſt es dir doch ergangen? Das ſag mir, denn es
gefaͤllt mir uͤbel, daß du alſo einig kommen biſt.“
Er ſprach: „Laß uns zuvor eſſen.“ Und als fie die
Mahlzeit vollbracht hatten, gingen ſie mit einander
in eine Kammer, fing Andoloſia an mit einer trau⸗
rigen Gebaͤrd und mit demuͤtiger Stimm und
ſprach: „O allerliebſter Bruder, ich muß dir leider
boͤſe Maͤr verkuͤnden, daß ich uns ſo uͤbel gethan
hab. Ich bin um unſern gluͤckhaftigen Seckel kom⸗
men. Ach Gott, nun iſt es mir ein herzlichs Leid,
ich kann ihm aber nicht thun.“ Ampedo erſchrak
von Grund ſeines Herzen, alſo daß er ſchier in Un⸗
macht gefallen waͤr; und mit großem Jammer
ſprach er: „Iſt er dir mit Gewalt genommen wor⸗
178
den oder haft du ihn verloren. Er antwortete ihm
und ſprach: „Ich hab das Gebot, das uns unſer
getreuer Vater gab, als er aus dieſer Welt ſchied,
übergangen, und hab einem liebhabenden Men⸗
ſchen dar von geſagt; und ſobald ich ihms offenbaret,
hat er mich darum bracht, deß ich mich doch nit zu
ihm verfehen hätt.” Ampedo ſprach: „Hätten wir
das Gebot unſers Vaters gehalten, ſo haͤtten wir
die Kleinode nit von einander laſſen kommen. Du
wollteſt nur fremde Land erfahren: lug, wie wohl
du es geſchafft und wie wohl ſie dir gediehen ſeien.“
Andoloſia ſprach: „O lieber Bruder, es iſt mir ſo
ein groß Herzeleid, daß ich beſorg, ich verlier mein
Leben noch in einer kurzen Zeit, deß ich gar klein
achten wird.”
¶ Wie Andolofia wieder heim in Cypern
kam / das Wuͤnſchhuͤtlein ſeinem Bruder
ab entlehnet / ſich darmit in Engelland
wuͤnſchet.
Da Ampedo die Wort hört, fing er an und wollt
ihn troͤſten und ſagt: „Lieber Bruder, laß dir
es nit ſo hart zu Herzen gehn, wir haben noch zwo
Truhen voller Ducaten; fo haben wir das Huͤt⸗
lein: ſo wollen wir dem Koͤnig Soldan ſchreiben,
der giebt uns groß Gut darum. Ob aber wir den
Seckel nit mehr han, ſo haben wir dannoch genug
1 179
dieweil wir leben, auch einen ehrlichen Stand zu
fuͤhren unſer Leben lang. Denn Sachen, die nit
wiederzubringen ſeind, ſoll man mit nichten nit
mehr nach gedenken.“ Andoloſia ſprach: „Gewon⸗
nen Gut iſt boͤs zu verlaſſen, und mein Begehren
waͤr, du gaͤbeſt mir das Huͤtlein, ſo bin ich in der
Hoffnung, ich woͤllte uns den Seckel darmit wie⸗
der uͤberkommen.“ Ampedo ſprach: „Man ſagt,
wer ſein Gut verleurt, der verleurt auch die Sinne;
das ſpuͤre ich an dir wohl. So du uns um das Gut
bracht haſt, ſo wollteſt du uns auch um das Huͤt⸗
lein bringen, zwar mit meinem Gunſt und Willen:
ſo laß ich dich es nit hinweg fuͤhren; ich will dir
wohl verguͤnnen, Kurzweil damit zu haben.“ Und
als nun Andoloſia verſtund, daß ihm ſein Bruder
nit vergoͤnnen wollt, das Huͤtlein mit ſich hinweg
zu führen, gedacht er „ſo will ich ohn feinen Gunſt
darvon.“ Und ſagt zu Ampedo ſeinem Bruder:
„Nun mein getreuer lieber Bruder, ſo ich uͤbel ge⸗
than hab, will ich fuͤrbaß leben in deinem Willen“
und ſchicket alſo die Knechte in den Forſt, daß ſie
ſollten ein Gejäg anrichten, fo wollt er zu ihnen
kommen. Und da ſie nun hinweg waren, ſprach
Andoloſia: „Lieber Bruder, leih mir unſer Huͤt⸗
lein, ich will in den Forſt. !( Der Bruder war wil-
lig und brachte ihm das Huͤtlein. Sobald er das
hatte, ließ er den Forſt und die Jaͤger ihr Ding
ſchaffen und kam mit dem Huͤtlein gen Genua und
180
+
fraget nach den beſten und koͤſtlichſten Kleinoden,
die man da haͤtt, und ließ ſich die bringen in ſeine
Herberg. Da man ihm nun viel bracht, marktet er
faſt darum, und legt ſie in ein Facelet zuſammen,
als wollte er beſehen, wie ſchwer ſie waͤren und fuhr
alſo darmit hinweg unbezahlt. Und wie er zu Ge⸗
nua gethan hätt, alſo thaͤt er zu Florentz und zu
Venedig auch, bracht alſo die beſten, koͤſtlichſten
Kleinod, ſo in den dreien Staͤdten waren, zuſam⸗
men ohn Geld. Als er die Kleinod haͤtt, da zog er
gen Lunden in Engelland. Nun wußt er wohl, wo
die junge Koͤnigin Agrippina zu Kirchen ging; alſo
beſtallt er einen Laden in derſelben Kirchſtraßen,
legt da aus ſeine Kleinode. Und als nun Agrippina
zu Kirchen ging, viel Knecht und Maͤgd nach und
vor, auch die alte Kammermeiſterin, die ihm den
tollen Trank zu trinken geben haͤtt, kannt Andoloſia
alle wohl, aber ſie kannten ihn nit, das machte, er
hatte eine andre Naſen ob der ſeinen, die ſo aben⸗
teuerlich gemacht war, daß ihn niemand erkennen
konnte. Als aber Agrippina fuͤrbei war, nahm er
bald zween ſchoͤne Ringe und ſchenkt die den zweien
alten Kammer meiſter innen, die, als er wohl wußt,
ſtets bei Agrippina wohnten, und deren Rat ſie
pflag; und bat die, daß fie fo wohl thun wollten und
mit der Koͤnigin ſchaffen, daß ſie nach ihm ſandte
in ihren Palaſt, fo wollte er mit fich bringen fo koͤſt⸗
liche Kleinode, daß er wohl wüßte, daß fie der glei⸗
181
chen nie mehr gefehen hätte. Sie ſagten es ihm zu,
ſie woͤllten es ſchaffen; und als nun Agrippina von
der Kirchen heim kam, zeigten ſie der Koͤnigin die
zween huͤbſchen Ring, und ſagten ihr, der Aben⸗
teurer, ſo vor der Kirchen geſtanden waͤre, haͤtte
ſie ihnen geſchenkt, darum, daß ſie ſchuͤfen, daß nach
ihm geſandt wuͤrd, dann er haͤtt gar koͤſtliche Klein⸗
ode. Die Koͤnigin ſprach: „Ich will es wohl glau⸗
ben, daß er koͤſtliche Kleinode hab, ſo er Euch ſo
guter Ringe zween geſchenkt hat. Heißt ihn kom⸗
men und ſendet nach ihm, dann mich verlanget, die
Kleinode zu ſehen.“ Und als man nach dem Aben⸗
teurer ſandte, machet er es nit lang, und ward ge⸗
fuͤhrt in den Palaſt in einen Saal vor Agrippina
Kammer, da legt er feine Kleinode aus, die gefielen
Agrippina faſt wohl. Sie fing an zu feilſchen, welche
ihr am allerbeſten gefielen. Nun waren Kleinode
darunter, die tauſend Kronen wert waren und noch
viel mehr, da bot ſie ihm nit halbes Geld darum.
Der Abenteurer ſprach: „Gnaͤdige Koͤnigin, ich
hab gehoͤret, daß Ihr die reichſte Koͤnigin ſeid, fo auf
dem ganzen Erdreich iſt. Darum ſo hab ich aus⸗
geſucht die allerſchoͤnſten Kleinode, ſo man finden
mag, Euern koͤniglichen Gnaden zu bringen. Aber
Ihr bietet mir doch zu wenig, ſie koſten mich ſicher
mehr. Begehret meiner uͤblen Zeit nit umſonſt, ich
hab Euch lang nachgereiſet mit großen Sorgen,
daß ich nicht ermordt bin worden mit den Klein⸗
182
oden” und ſprach „Gnaͤdige Koͤnigin, leget zuſam⸗
men, was Euch gefaͤllt, was ich denn erleiden kann
oder mag, das will ich thun. Und alſo las fie aus,
was ihr am beſten gefiel, klein und groß, wohl zehen
Stuͤck; da rechnet der Abenteurer eins nach dem
andern, daß es bei fuͤnftauſend Kronen traf. Da
wollt ſie ihm nit ſo viel darum geben. Der Aben⸗
teurer gedacht ihm: „Ich will mich nit mit ihr zer⸗
ſchlagen, braͤchte ſie nun den Seckel.“ Doch ſie
wurden des Kaufs eins um viertauſend Kronen.
Alſonahm die Koͤnigin ihre Kleinode in ihren Schoß,
ging in ihre Kammer über ihren Kaſten, da der
Gluͤckſeckel war, den ſtrickt fie gar wohl an ihren
Guͤrtel und kam alſo heraus und wollte den Aben⸗
teurer bezahlen.
¶ Wie Andoloſia die Koͤnigin Agrippina mit⸗
ſammt dem Seckel hinwegfuͤhrt in einen
wilden Wald in Hybernia.
De ſchickte ſich der Abenteurer, daß ſie neben ihn
kam, und als fie anhub zu zählen, da umfing
er ſie und faſſet ſie hart ſtark, wuͤnſchet ſich mit ihr
in eine wilde Wuͤſten, da keine Wohnung waͤr. So⸗
bald er das gewuͤnſchet, da waren ſie in einer kur⸗
zen Weil durch die Luͤft kommen in eine elende In⸗
ſel, ſtoßet an Hybernia, und kamen alſo mit ein⸗
ander unter einen Baum, darauf ſtunden gar viel
183
ſchoͤner Aepfel. Und als nun die Königin unter
dem Baum ſaß und haͤtt die Kleinode, fo fie kauft
haͤtt, in ihrem Schoß und den Gluͤckſeckel an ihrem
Guͤrtel, ſo ſieht ſie uͤber ſich und ſieht die ſchoͤnen
Aepfel ob ihr ſtehn; da ſprach ſie zu dem Abenteu⸗
rer: „Ach Gott, ſag mir, wo ſind wir und wie ſind
wir daher kommen? Ich bin ſo ſchwach, gaͤbeſt du
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mir dieſer Aepfel einen, daß ich mich doch moͤchte ge⸗
laben“; und wußt nit, daß es Andoloſia war. An⸗
doloſia, da er das hoͤrt, daß ſie ſo gern einen Apfel
haͤtt gehabt, nahm er bald die Kleinod, ſo er noch
haͤtt, legt ſie ihr in ihren Schoß und das Wuͤnſch⸗
huͤtlein, fo er auf hatt, fast er ihr auf das Haupt,
um daß es ihn nit irret an dem Aufſteigen. Und als
184
er auf den Baum kam, wollt lugen, wo die beſten
Aepfel ſtuͤnden, Agrippina aber unter dem Baum
faß und nit wußte, wo fie war, noch wie ihr wäre
geſchehen, fing fie an und ſprach: „Ach nun wollte
Gott, daß ich wieder in meiner Schlafkammer
wär.” Sobald fie die Worte ſprach, fuhr fie durch
die Luͤfte und kam ohne allen Schaden wieder in
ihre Schlafkammer. Der Koͤnig und die Koͤnigin,
auch alles Hofgeſind waren von Herzen froh, und
fragten, wo fie doch geweſen wäre? Sagte, fie‘
wuͤßte es nit. Oder wo der Abenteurer waͤre, der
fie hingefuͤhrt hätt? Sie ſprach: „Ich habe ihn auf
einem Baum gelaſſen, fragt mich nit mehr, ich muß
ruhen, denn ich bin ganz blöd und muͤd worden.“
Nun moͤget ihr hoͤren, wie es Andoloſia gangen iſt.
Als er nun auf dem Baum ſaß und ſahe, daß
Agrippina hinweg war, mit dem Seckel, mit dem
Huͤtlein, darzu mit allen den Kleinoden, ſo er in
dreien großen und maͤchtigen Staͤdten aufgebracht
— moͤget ihr wohl glauben, daß er aus der Ma⸗
en hart erſchrocken fei, klomm bald ab dem Baum
und ſah den Baum an und ſprach: „Verflucht ſei
der Baum und die Frucht, ſo darauf iſt, und der
dich daher gepflanzet hat, und die Stunde, dar⸗
innen ich kommen bin.! Er ſah hin und her, wußte
nit, wo er war oder wohin er gehn ſollt, daß er zu
den Leuten kaͤme, und fing an zu ſchwoͤren und zu
fluchen und ſprach: „Verflucht ſei die Stund, dar⸗
185
innen ich geboren ward und die Tag und Stunde,
die ich je gelebt hab. O grimmer Tod, warum haft
du mich nit erwuͤrget eh daß ich in dieſe Angſt und
Not kommen bin. Verflucht ſei der Tag und die
Stunde, darin ich Agrippina zu dem erſten Mal
anſah. O allmaͤchtiger Gott, wie ſeind deine Wun⸗
derwerk ſo groß, wie vermag das die Natur, daß
ſo unter einem ſchoͤnen, weiblichen Bild ſo ein
falſches, ungetreues Herz getragen werden mag.
Haͤtt ich dir koͤnnen in das falſche Herz ſehen, als
ich dir unter dein ſchoͤnes wohlgeſtaltes Angeſicht
ſah, fo wär ich in dieſe Angſt und Not nit kommen.“
Und ging alſo jetzt hin, dann her, und griesgramete
und fing an und ſprach: „Nun wollte Gott, daß
mein Bruder in dieſer Wildniß bei mir waͤre: ſo
wollte ich ihn erwuͤrgen und mich ſelber mit mei⸗
nem Guͤrtel an einen Baum henken; ſo wir dann
tot waͤren, haͤtte doch der Seckel keine Kraft mehr,
und moͤchte doch die alt Koͤnigin, die alt Unhold
und das falſche Herz Agrippina keine Freud mehr
haben mit dem koͤſtlichen Kleinod.! Und als er alſo
hin und her ging, da ward es Nacht und finſter, daß
er nit mehr ſah, und legte ſich nieder unter einen
Baum, ruhte eine kleine Weile. Er konnt aber nit
ſchlafen vor Angſt, die er haͤtt, verſah ſich nit an⸗
ders, denn er wuͤrde in der Wildniß ſterben und
ohne alles Gottes Recht hinfahren. Dann er ſahe
wohl, daß kein Weg da war, dabei man ſpuͤren
186 5
mochte, daß niemand da gewandelt wäre in langer
Zeit und lag da als einer, der verzweifelt und lieber
tot geweſen waͤre, denn daß er laͤnger gelebt haͤtte.
Als es nun Tag ward, ſtund er auf und ging in
großer Not. Er konnt aber noch mocht niemand
weder ſehen noch hoͤren; und kam alſo zu einem
Baum, darauf ſtunden zumal ſchoͤn rote Aepfel.
Nun hungerte ihn gar ſehr und uͤbel, und von Hun⸗
ers Not warf er in den Baum, daß zween groß
epfel herab fielen, die aß er alſo gehend. Und als
er die Aepfel gegeſſen haͤtt, da wurden ihm an ſeinen
Kopf zwei lange Hoͤrner, wie ein Gaiß hat. Da er
die griff und auch den Schatten ſah, daß er zwei
ſolche Hörner hätt, fing er an laufen mit den Hoͤr⸗
nern, ſtieß an die Baum und meint, fie herab zu
ſtoßen; das half aber alles nit. Lief alſo unter den
Hoͤrnern und ſprach: „O ich armer, elender Menſch,
wie kommt das, daß ſoviel Menſchen auf Erdreich
ſeind und niemand hie iſt, der mir doch huͤlf, daß
ich 7 den Leuten kommen möcht.” Und fing an laut
u ſchreien: „O allmaͤchtiger Gott, o du Koͤnigin
ume Maria, nun kommet mir zu Hilf in die⸗
en meinen großen Noͤten.“
187
¶ Als Andoloſia um feinen Seckel und Huͤt⸗
lein kommen war / ihm auch zwei großeun⸗
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Ur als er alſo jaͤmmerlich ſchrie, das erhoͤret ein
der, mir iſt leid, daß ich je herkommen bin, denn es
188
iſt mir übel gangen“; fing an und wollte ihm viel
fagen. Da wollt er ihn nit hören und ſprach: „Ich
3 dreißig Jahren nie keinen Menſchen ge⸗
noch gehoͤrt; ich wollt gern, du waͤreſt auchnit
daher kommen. Andoloſia ſprach: „Lieber Bru⸗
der, mich hungeret fo ſehr, habt Ihr nicht zu eſſen?“
Der Einfiedel führt ihn in feine Klauſen, darinnen
war weder Brot noch Wein, und hatte nichts denn
Obſt und Waſſer. Deß lebete der Bruder, und ſah
wohl, daß es nit Speis war fuͤr Andoloſia, und
ſprach zu ihm: „Ich will dich weiſen zu kommen,
da du Speis und Trank genug findeſt.“ Er ſprach:
„Lieber Bruder, wie ſoll ich thun mit den Hoͤr⸗
nern, ſo ich hab? Man wird mich fuͤr ein Meer⸗
wunder anſehen.“ Der Bruder führt ihn einen
kleinen Weg von feiner Klauſen und ſprach: „Lie⸗
ber Sohn“ (und brach ab einem andern Baum
zween Aepfel) „nimm hin und iß die.“ Sobald An⸗
doloſia die Aepfel aß, da waren ihm die Hörner
ganz verſchwunden. Da er das ſah, fragt er ihn,
wie es zuginge, daß er ſo bald die Hoͤrner uͤber⸗
kommen haͤtt und ſo bald wieder davon gekommen
waͤr. Der Bruder ſprach: „Der Schoͤpfer, der
Himmel und Erd geſchaffen hat und alles, ſo dar⸗
innen iſt, hat auch dieſe Baͤume erſchaffen und ge⸗
ſchoͤpft, und ihnen die Natur alſo gegeben, daß ſie
ſolche Fruͤcht bringen, und iſt auch ihres gleichen
auf Erdreich nit dann allein in dieſer Wild⸗
189
nuß.” Andoloſia ſprach: „O lieber Bruder, erlau⸗
bet mir, daß ich von dieſen Aepfeln mög etwan man⸗
nigen nehmen und mit mir hinweg tragen.“ Der
Waldbruder ſprach: „Lieber Sohn, nimm, was
dir eben ift, frag mich nit, fie ſind nit mein. Ich hab
gar nichts eigens denn ein arme Seel, wo ich die
dem Schoͤpfer, der mir ſie geben hat, wieder kann
antworten, ſo hab ich wohl geſtritten in dieſer Welt.
80 kann an dir wohl merken, daß dein Sinn und
emuͤt ſchwerlich beladen und umfangen iſt mit
zeitlichen und zer gaͤnglichen Sachen. Schlag fie
aus und kehre dich zu Gott: es iſt ein großer Ver⸗
luſt um einen kleinen Wolluſt, ſo er hat in dieſem
zer gaͤnglichen und kurzen Leben.“ Dieſe Wort gin⸗
gen Andoloſia gar nicht zu Herzen, gedacht als an
ſeinen großen Schaden und gewann etwan man⸗
nigen Apfel, davon dann die Hoͤrner wuchſen und
nahm auch etliche der Aepfel, die die Hoͤrner wie⸗
der vertrieben, und ſprach zu dem Bruder, daß er
ihn durch die Ehr Gottes weiſet auf den Weg, daß
er kaͤm, da er zu eſſen fuͤnde, dann er in zweien Ta⸗
gen nichts gegeſſen hätt „und ob ich mehr Birnen
oder Aepfel genug fuͤnd in dieſer Wildnuß, fo dürft
ich der andren Fruͤcht nit eſſen.“ Der Bruder
fuͤhrt ihn auf einen Weg und ſprach: „Nun geh
den Weg gerad fuͤr dich, ſo kommeſt du an ein brei⸗
tes Waſſer, das iſt ein Arm von dem ſpanioliſchen
Meer; und wenn du daran kommſt, iſt dann Waf⸗
190
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fer da, ſo wart: geh nit darvon, denn es iſt ein Flut
und wird trocken, und ſobald es trocken wird, ſo heb
dich auf und geh eilends gen einem hohen Thurn,
den du wohl ſehen wirſt, und ſaͤum dich nit lang,
daß dich die Flut nit ergreife, oder du muͤßteſt dar⸗
innen bleiben. Und wenn du zu dem Meer kom⸗
meſt, nit fern davon, ſo findeſt du ein gut Dorf, dar⸗
innen iſt Brot, Fleiſch und andere leibliche Speis.“
Er danket dem Bruder faſt und fleißiglich, und
nahm von ihm Urlaub, und thaͤt, wie er ihm gehei⸗
ßen haͤtt, und kam froͤhlich uͤber die Flut zu dem
Thurn und Fi dem Dorf. Da aß er und trank, und
brachte den Leib wieder zu Kraͤften, der doch ſchwach
und bloͤd war. Und als er nun zu ihm ſelbſt kam,
da fraget er, wo er den naͤchſten gen Lunden in
Engelland kaͤme. Ward ihm geſagt, wie es noch ein
ferner Weg waͤre, und waͤr noch in Hybernia; ſo
muͤßt er durch das Koͤnigreich Schotten, dann ſo
hub erſt Engelland an; fo laͤg Lunden weit im Land.
Da Andoloſia hört, daß er fo fern von Lunden war,
ward er unmutig und haͤtt nit gemeint, daß er zehen
Meil von Lunden waͤre geweſen. Auch ſo war ihm
leid um die Aepfel ſo er trug, dann er beſorgt, ſollt
er lang unterwegen ſein, die Aepfel wuͤrden Scha⸗
den nehmen oder moͤchten faulen. Und als die Leut
merkten, daß er gern gen Lunden waͤre geweſen, da
weiſten ſie ihn in eine große Stadt nit fern von dan⸗
nen, die lag an dem Meer und war ein Port des
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Meeres, da Schiffe von Engelland, Slandernund
von Schotten hin kommen, und daſelbſt fand er
Schiff, die ihn gen Lunden fuͤhrten. Er hub ſich
bald auf und kam in die Stadt, da er hingewieſen
ward, und fand da zu ſeinem Gluͤck ein Schiff, das
war von Lunden, da er auf ſaß und fuhr und kam
gluͤckſamiglich und mit allem Lieb dahin. Und als
er nun gen Lunden kam, ließ er ihm das ein Aug
verleimen, und ſatzt auf ein gemachtes Haar, da⸗
durch er gar unbekannt war, und nahm ein Tiſch⸗
lein, ſatzt ſich für die Kirchen, da er wohl wußt, daß
Agrippina die jung Koͤnigin hinein gehen wuͤrd;
und legt die Aepfel auf ein ſchoͤn weiß Tuch und
ruft: „Aepfel von Damasco“ und wenn man ihn
fragte, wie er einen gaͤb, fo fagte er: „Um drei Kro⸗
nen“; ſo ging jedermann darvon. Ihm ware auch
leid geweſen, daß ſie jedermann kauft haͤtt. Und alſo
indem kommt die Koͤnigin mit ihren Jungfrauen
und Dienern und ihre Kammermeiſterin mit ihr.
Da ruft er aber: „Aepfel von Damasco.“ Die Koͤ⸗
nigin ſprach: „Wie giebſt du einen?“ Er ſprach:
„Um drei Kronen.“ Sie ſprach: „Was koͤnnen ſie
doch, daß du fie fo teuer giebſt? “ Er ſprach: „Sie
eben einem Menſchen Schöne und darzu ſcharfe
ernunft. ! Da das die jung Königin Agrippina
hört, da befahl fie ihrer Kammer meiſterin, daß fie
zween kaufet, als ſie auch thaͤt. Andoloſia legt ſei⸗
nen Kram wieder ein, dann ihm wollt niemand
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mehr abkaufen. Als aber die Königin heim kam,
wartete ſie nit lang und aß die zween Aepfel. Und
ſobald ſie die gegeſſen haͤtt, von Stund an wuchſen
ihr zwei große Hoͤrner mit einem großen Haupt⸗
weh, daß ſie ſich legte auf ihr Bett. Da aber die
Hörner auf ihrer Statt geſchoſſen waren und ſich
das Hauptweh gelegt hatt, fund fie auf und ging
fuͤr einen Spiegel, ſo ſie haͤtt in ihrer Kammer, und
da ſie ſah, daß ſie alſo ungeſtalter und hoher Hoͤr⸗
ner zwei hatt, fiel fie bald mit ihren beiden Haͤnden
daran und meint, ſie von dannen zu reißen; das
aber nit ſein mocht. Da rief ſie zweien edlen Jung⸗
frauen. Da ſie die Koͤnigin alſo ſahen, erſchraken
ſie ſehr und ſegneten ſich, machten viel Kreuze vor
ihr, als ob fie der bös Geiſt war. Die Königin war
ſo ſehr erſchrocken, daß ſie nit reden konnt. Sie
ſprachen: „O gnaͤdigſte Koͤnigin, wie iſt das zugan⸗
gen, daß Euer adelige Perſon ein ſolich Ungeſtalt
fangen hat?! Sie antwortet ihnen, fie wuͤßt es
nit. „Ich halt, es ſei eine Plag von Gott, oder aber
es kommt mir von den Aepfeln von Damasco, ſo
mir der ungetreu Kraͤmer zu kaufen gegeben hat.
Nun helfet und ratet, ob ihr mir der Hörner moͤch⸗
tet abhelfen. Die Maͤgd zogen faſt daran, die Hoͤr⸗
ner regten ſich aber nit. Da brachten ſie ein Seil
und bunden das an die Hoͤrner und zogen ſie uͤber
eine Stangen auf, und hängten ſich unten an ihre
Fuͤße, in der Hoffnung, ſie wollten ihr die Hoͤrner
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aus dem Kopf zerren. Das litt fie gar geduldig; als
fie aber ſah, daß ſie ſo feſt ſtunden und kein Bewegen
nit helfen wollt, ward ſie je laͤnger je mehr bekuͤm⸗
mert und ſprach: „O ich elende Creatur, was iſt
mir nun nuͤtze, daß ich eins Koͤnigs Tochter bin und
die reichſte Jungfrau, ſo auf Erden lebt, und den
Preis der Schoͤne uͤber andere Weiber hab, und
nun aber jetzund einem unvernuͤnftigen Tier gleich
ſeh. O daß ich je geboren ward! Kann man mir nit
der Ungeſtalt abhelfen, ſo will ich mich ſelbſt in der
Tynis (das iſt ein groß ſchiffreich Waſſer, ſo an
dem Palaſt hinfleußt) ertraͤnken, dann ich mag nit
geſehen werden.! Ihre oberſte Jungfrau eine fing
an ſie zu troͤſten und ſprach: „Gnaͤdige Koͤnigin,
Ihr ſollt nicht alſo verzagen. Habt Ihr die Hoͤr⸗
ner alſo koͤnnen uͤberkommen, ſo ſteht auch darauf,
daß ſie wieder koͤnnen hinweg gehn. Auch ſo ſollt
Ihr Euch verheißen gen unſer lieben Frauen Weſt⸗
minſter, die große Wunderzeichen thut, und gen
Sant Thomas von Candelberg, und dahin Euer
Opfer ſenden; die moͤgen Euch um Gott erwerben,
daß Ihr wieder werdet wie vor. Darzu ſo ſeind zu
Lunden ſo viel wohl und hoch gelehrt Aerzt, kann
hart ſein, ſie wiſſen und finden geſchrieben, aus was
Urſprung ſolch Gewaͤchs entſpringt und womit
ſolches vertrieben mag werden.“ Die Red gefiel ihr
wohl und ſprach: „So ſaget niemand darvon; und
ob jemand mir nachfrag, ſo ſprecht, ich ſei nit ſtark
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und wöll niemand zu mir laſſen.! Und ließ zurich-
ten guͤldene koͤſtliche Opfer, und ſandt die, da ſie es
dann verheißen hatte. Und die alt ihre Kammer⸗
magd haͤtt auch Frag bei den Aerzten und legt ihnen
fuͤr, wie daß eine Perſon, ihr angeborner Freund,
dem waͤren zwei Hoͤrner gewachſen, ob die zu ver⸗
treiben waͤren oder nit. Da die Aerzte das Kae,
nahm fie Wunder, daß einem Menſchen follten
zwei Hoͤrner wachſen, und ein Jeder begehrt mit
großer Begierd das Menſch zu ſehen. Die Magd
ſprach: „Ihr moͤget die Perſon nit ſehen, Ihr wif-
ſet ihr denn zu helfen, und wer das koͤnnte, dem
wuͤrde wohl gelohnet. Ihrer keiner war ſo be⸗
herzt, daß er ſich getraute zu unterſtehn, die Hoͤr⸗
ner zu vertreiben. Sie hatten es nie gehoͤrt, geleſen
noch geſehen. Und da die Aerzte der Magd die Sach
alſo ganz abſchlugen, ward ſie unmutig, haͤtte gern
gute Maͤr heim bracht.
¶ Wie ſich Andoloſia zu einem Arzt verſtellet /
der Koͤnigin ein Teil die Hoͤrner hinweg
trieb / und dardurch fein Huͤtlein und Seckel
wieder erobert.
1» als fie eines Arztes gar verzweifelt, wieder
zu Hof kehrt und heim gehn wollt, da haͤtt ſich
Andoloſia auch angemachet als ein Arzt mit einem
hohen roten Barett, und haͤtt einen roten Rock von
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Scharlach angethan und eine große Naſen, und et-
lich Farb angeſtrichen, daß ihn niemand kennen
konnt, der ihn zuvor wohl gekannt haͤtt. Fing an
und ſprach zu ihr: „Liebe Schaffnerin, ich hab Euch
geſpuͤrt, daß Ihr in dreier Haͤuſer Doctor der Arz⸗
nei gegangen ſeid. Habet Ihr Rat bei ihnen ge⸗
funden nach Eurem Begehren? Zuͤrnet nicht, daß
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ich Euch frag, denn ich bin auch ein Doctor in der
Arznei, und liegt Euch etwas an, das moͤget Ihr
mir zu erkennen geben: es muͤßt gar ein fremder
oder großer Gebreſt ſein, den ich mit der Hilfe Got⸗
tes nit wiſſe zu vertreiben und den Menſchen dar⸗
von geſund zu machen.“ Die Hofmeiſterin gedacht,
Gott haͤtte ihr den Doktor zugewieſen. Und fing
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an und faget ihm, wie eine namhafte Perfon wär,
der waͤre ein ſeltſamer Schade zugeſtanden und
lange Hoͤrner aus dem Kopf geſchoſſen, die
Gaißhoͤrnern gleich, und das bekuͤmmerte die
Perſon ſo hart, daß darvon nit zu ſagen waͤr. „Und
wiſſet Ihr der Perſon zu helfen, ſo wuͤrde Euch
wohl gelohnet, denn ſie hat kein Gebreſten an Geld
Gut.“ Andoloſia, der nun ein Arzt und ein
Doctor worden war, fing an gar guͤtlich zu lachen
und ſprach: „Die Sach weiß ich und die Kunſt kann
ich, die Hoͤrner zu vertreiben ohne alles Weh; doch
ſo muß es Geld koſten, denn man muß gar koͤſtliche
Dinge darzu brauchen. Ich weiß auch die Urſach,
von wannen ſolche Hoͤrner entſpringen.“ Sie
ſprach: „Lieber Herr Doktor, wovon kommt das
wunder barlich Ungewaͤchſe? ! Der Doktor mit der
großen Naſen ſprach zu der alten Kaͤmmerin: „Es
kommet von dem, ſo ein Menſch einem andern
Menſchen eine große Untreue thut und ſich groͤß⸗
lich der Bosheit erfreuet, dieſelbe Freud nit oͤffent⸗
lich darf vollbringen: ſo muß es durch etliche Weg
ausbrechen, und es geraͤt einem Menſchen wohl,
dem es oben aus ſtoßet. Dann wo es ſonſt aus
braͤche, fo ſtuͤrbe der Menſch, und manniger Menſch
ſtirbt, dem nichts gebrochen hat, und niemand weiß,
wovon er geſtorben iſt. Und wer einen ſolchen Men⸗
ſchen aufſchnitte, fo fände man Hörner in ihm lie⸗
gen, die ſich nit harten koͤnnen ſchicken zu dem rech⸗
7
ten Ausgang und ſtoßen alfo das Herz oder ander
Glieder durch, darmit der Menſch ſtirbt. Und iſt
noch nit zwei Jahr, da ich an des Koͤnigs Hof von
Hiſpania war, da hatt ein mächtiger Graf eine
ſchoͤne Tochter ganz von zarter Complexion, der
waren zwei große Hoͤrner geſchoſſen, die ich ihr
ganz vertrieben hab, als all ander Aerztander Hoͤr⸗
nern verzaget haͤtten.“ Da die Hofmeiſterin die
Red von dem Doktor vernommen haͤtt, fragte ſie,
wo er zu Haus waͤre; ſo wollt ſie bald zu ihm kom⸗
men. Er ſprach: „Ich habe noch kein Haus beſtan⸗
den, ich bin erſt bei drei Tagen her kommen und bin
zu Herberg zu dem Schwan, da moͤget Ihr mir
nachfragen. Man nennt mich den Doctor mit der
großen Naſen, wiewohl ich einen andern Namen
hab; jedoch fo kennt man mich alſo allerbaßt. “ Die
Hofmeiſterin ging bald heim mit großen unſaͤg⸗
lichen Freuden zu der betruͤbten Koͤnigin und ſprach:
„Gnaͤdige Koͤnigin, ſeid froͤhlich und gehabt Euch
wohl, Euer Sach wird bald gut“; und ſagt ihr,
wie fie die drei Doctor ungetroͤſtet hätten gehen laſ⸗
ſen, und darnach haͤtte ſie einen funden, der haͤtte
ſie wohl getroͤſt, und ſagt ihr alle Ding, wie dann
der Doctor mit ihr geredt haͤtt, und wie er ihr wuͤßte
zu helfen, wie er auch einer Graͤfin geholfen haͤtte.
„Er hat mir auch geſagt, aus was Urſach ſolche
Hoͤrner entſpringen, das ich ihm doch faſt wohl
glauben mag.“ Die traurig Koͤnigin auf dem Bett
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lag und ſchaͤmet ſich fo hart, daß fie fich felber nit
mocht anſehen, noch wollt, daß ſie ihre Maͤgd an⸗
ſahen; und ſprach zu der Hofmeiſterin: „Warum
haſt du den Doctor nit mit dir bracht, ſo du weißt,
daß ich der Hörner fo gern abfame? Geh wunder
bald und bring ihn. Sag ihm, daß er mit ihm bring,
was gut zu der Sach ſei und nichts ſpare, bring
ihm auch hiemit hundert Kronen, bedarf er mehr,
fo gieb ihm als viel er begehret.“ Die Hofmeifterin
verſtellet ſich in unbekannte Kleider, ging, da ſie den
Doctor fand, und gab ihm hundert Kronen und
ſprach: „Nun brauchet Fleiß, dann zu der Perſon,
da ich Euch fuͤhren will, muͤſſet Ihr nur zu Nacht
kommen und es niemand ſagen, dann ihr eigne
Mutter und Vater wiſſen es nit.“ Der Doctor
ſprach: „Der Sachen halb ſeid ſicher, es ſoll von
mir nit auskommen, und will mit Euch gehn. Doch
ſo muß ich zuvor in die Apothek und kaufen, das
mir not wird ſein zu brauchen. Alſo moͤget Ihr da
harren oder uͤber zwo Stund wieder kommen.“
Sie ſagt, ſie woͤllt auf ihn warten, dann ſie duͤrft
nit ohn ihn kommen. Alſo ging der Doctor mit der
großen ungeſtalten Naſen in eine Apothek und kau⸗
fet ein wenig Reubarbarum und ließ da einen hal⸗
ben Apfel mit Zucker und Reubarbaro uͤberziehn,
thaͤt darzu faſt wohlſchmeckende Ding, die lieblich
8 ſchmecken und zu eſſen waren, kaufet auch in eine
uchfen ein wenig wohlſchmeckender Salbe, und
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nahm zu ihm guten Byſam, und kam wieder zu
der Hofmeiſterin, die fuͤhrt ihn bei der Nacht zu
der Koͤnigin. Die lag auf Hugh Bett hinter den
Umhaͤngen. Sie empfing ihn gar unmaͤchtiglich,
als ob ſie gar ſchwach waͤre. Der Doctor ſprach:
„Gnaͤdige Frau, gehabt Euch wohl. Mit der Hilf
Gottes und meiner Kunſt ſoll Eure Sach bald gut
werden. Nun richtet Euch auf und laſſet mich 1710
fen und ſehen Euer Gebrechen, ſo kann ich Euch
deſter baß helfen.“ Agrippina ſchaͤmt ſich ſehr, daß
ſie die Hoͤrner ſollt laſſen ſehn, doch ſo ſatzt ſie ſich
auf das Bett. Der Doctor * die Hoͤrner tapfer
an und ſprach: „Man muß haben an jedes Horn
einen Seckel von Pelz aus einer Affenhaut, alſo
warm, dann ich will ſie ſalben; ſo muß man ſie faſt
warm halten. Die Hofmeiſterin beſtellte bald, daß
ein alter Aff am Hof abgetötet, ausgezogen und die
Haut gebracht wuͤrd, zwei Saͤcklein gemacht wuͤr⸗
den nach des Arztes Rat. Als die gemacht waren,
fing der Arzt an und ſalbet ihr die Hoͤrner gar wohl
mit dem Affenſchmalz, das auch ein Aus bund iſt zu
ſolchen Schäden. Und als er fie geſalbet hätt, zog er
ihr die pelzenen Saͤcklein daruͤber und ſprach: „Gnaͤ⸗
dige Frau, das ich jetzund den Hoͤrnern gethan hab,
das wird ſie lind machen, und muͤſſen durch Stuhl⸗
gang vertrieben werden. Darum ſo hab ich ein
Confect mit mir bracht, das werdet Ihr eſſen und
darauf ein Schlaͤflein thun; ſo werdet Ihr ge⸗
200
we daß fich die Sach zur Beſſerung ſchicken
wird.“
¶ Wie Andoloſia von ohngefaͤhr ſich buͤcket /
ſein Barett aufzuheben und ſein Wunſch⸗
huͤtlein findt.
A geippinn thaͤt als eine Kranke, die gern genefen
Und das ihr der Doctor gab, war ein hal⸗
ber Apfel der Aepfel, die die Hoͤrner vertreiben. Als
ſie den gegeſſen haͤtt und nun ſchlief, da ward die
Kraft des Reubarbaro in ihrem Leib wirken und
ſie zu dem Stuhl treiben. Und da ſie nun wiederum
an ihr Bett kam, ſprach der Doktor: „Laſſet uns
beſehen, ob die Arznei nicht zu Gutem gearbeitet
hab.“ Und griff oben an die pelzenen Saͤcklein, da
waren die Hoͤrner um das Vierteil geſchwunden.
Agrippina war aber den Hoͤrnern fo feind, daß fie
die nit getrauet angreifen. Doch da man ihr ſagt,
wie ſie geſchwunden waͤren, griff ſie daran und be⸗
fand faſt wohl, daß ſie kleiner und kuͤrzer waren
worden, deß fie ſich ſehr erfreuet, und bat den Doc⸗
tor, daß er Fleiß brauchet. Er ſagt noch: „Heut
Nacht komm ich wieder und bring aber was not
iſt.“ Ging aber in die Apothek und ließ ſich noch
einen halben Apfel uͤberziehen und ihm einen an⸗
dern Geſchmack machen; ward aber bei Nacht zu
der Koͤnigin gefuͤhrt und thaͤt dem gleich als ob er
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nit wuͤßt, wo er wär, und thaͤt, wie er die andere
Nacht gethan haͤtt, ſalbet ihr die Hoͤrner und ließ
die Saͤcklein kleiner machen, daß ſie den Hoͤrnern
wohl anlaͤgen, gab ihr das Confect, und da ſie ge⸗
ſchlafen und aber ihren Stuhlgang gehabt haͤtt, be⸗
ſahen ſie zu den Hoͤrnern: da waren ſie aber faſt ge⸗
ſchwunden und halb hinweg gangen. Hatte ſie ſich
zuvor faſt gefreut, ſie freuet ſich jetzt noch mehr, und
bat den Doktor, daß er nit abließ und ſich in der
Sache arbeitet, ſie wollte ihm ſeiner Arbeit wohl
lohnen. Sagt er, wie daß er woͤllt das Beſt thun,
und wie er die zwo Naͤcht gethan haͤtt, alſo thaͤt er
auch die dritte. Als er nun bei ihr ſaß, gedachte er
ihm: „Was mag ſie mir zu Lohn woͤllen geben? Ob
ſie mir ſchon zwei oder drei tauſend Kronen giebt,
das doch einem jeden Doctor in der Arznei ein gro⸗
ßer Lohn waͤre, noch dannoch ſo iſt es gar unzahl⸗
barlich zu ſchaͤtzen gegen das, ſo ſie von mir hat; und
ehe daß ich die Hoͤrner gar vertreib, ſo will ich mit
ihr reden und ihr ſagen mein Meinung. Will ſie es
nit thun, ſo ſie dann meinet, ich werd ihr die Hoͤr⸗
ner gar vertreiben, will ich ihr ein Confect machen,
daß ſie ihr wieder ſo lang werden wie zuvor, und
dann nach Flandern fahren und ihr entbieten, woͤlle
ſie der Hoͤrner abkommen, daß ſie zu mir komm
und mit ihr bring, was ich ihr anmut. Alsbald ſie
erwachet, will ich ſprechen: Gnaͤdige Frau, Ihr
ſehet wohl, wie ſich Euer Sach faſt beſſert. Nun
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iſt es erſt am boͤſeſten und kuͤnſtlichſten, die Hörner
aus der Hirnſchalen zu treiben, da ſonder große
und koͤſtliche Stuͤck zu gebraucht werden muͤſſen,
die auch viel Gelds koſten. Und ob Ihr darab einen
Unwillen wolltet empfahen, ſo muͤßt ich die Sach
laſſen ſtehen als ſie ſteht; und da ich ein Doctor in
der Arznei bin und Ihr vielleicht vermeint, mich
mit einem kleinen Geld auszurichten, deß will ich
ein Wiſſen haben. Wiſſet, daß ich auch bin Doctor
in der Nigromancia, das iſt in der ſchwarzen Kunſt,
und hab den boͤſen Geiſt beſchworen, daß er mir
rat, was ich fuͤr meinen Lohn fordern ſoll: der ſagt,
gr habet zwei Kleinode, das iſt ein Seckel und ein
uͤtlein, der eines ſoll ich begehren; und verſieht
er ſich, Ihr gebet mir das Huͤtlein, und ſollt mir
darzu geben alle Jahr, daß ich einem Herren gleich
leben moͤg.! Und dieweil er ihm das gedacht alſo
fuͤrzunehmen, kamdie Hofmeiſterin mit einem Licht
und wollt beſehen, was die Koͤnigin thaͤte; da ſchlief
ſie noch. Der Doctor haͤtt ſein Barett abgezogen,
das entfiel ihm, und als er ſich buͤcket und das Ba⸗
wett aufheben wollt, fo ſieht er vornen unter der
Bettſtatt das Wuͤnſchhuͤtlein an der Erden liegen,
darauf niemand kein Acht haͤtt, da niemand die Tu⸗
gend von dem Huͤtlein wußte. Die rg wußt
auch nit, daß ſie aus der Wildnuß durch Kraft des
Huͤtleins wieder heim kommen war. Moͤget ihr
wohl glauben, haͤtte ſie die Kraft des Huͤtleins ge⸗
203
wußt, fie hätt es an einen andern Nagel gehenkt.
Alſo ſandt der Doctor die Hofmeiſterin nach einer
Buͤchſen, da Arznei innen war. Dieweil ſie die
Buͤchſen holet, hub er bald das Huͤtlein auf mit
großer Eil und großen Freuden, behielt das unter
ſeinem Rock und gedacht: „Koͤnnt mir der Seckel
auch werden. Indem erwachet die Königin und
legt ſich ſchoͤn an. Der Doktor zog ihr die Saͤcklein
ab den Hoͤrnern, da waren fie faſt klein, deß fich
die Koͤnigin ſehr freuet. Die Hofmeiſterin ſprach:
„Es iſt noch um eine Nacht zu thun, ſo ſeid Ihr
gar geneſen; ſo kommen wir auch des ungeſchaff⸗
nen Doctors ab mit der wuͤſten Naſen: er moͤchte
einem alle Mann verleiden.“ Als nun ihm der
Doctor fuͤrgenommen haͤtt, mit Agrippina zu re⸗
den, wie er zwiefach Doctor wär, das ließ er fal⸗
len, da er das Huͤtlein hätt, und ſprach: „Gnaͤdige
Frau, Ihr ſehet wohl, wie ſich Euer Sach ſo faſt
gebeſſert hat. Nun liegt es allermeiſt erſt an dem,
die Hoͤrner aus der Hirnſchalen zu treiben. Da
gehören koͤſtliche Sachen zu, und wo ich fie hie nit
finde, ſo muß ich ſelbſt darnach reiſen oder aber einen
Doctor darnach ſenden, der ſich der Sache verſteht,
wie ich ihn dann beſcheiden wuͤrd; daruͤber viel
Gelds geht. Auch ſo wollt ich gern wiſſen, was
Ihr mir zu Lohn geben woͤllt, wenn Ihr der Hoͤr⸗
ner gar abkommet und Euer Kopf ſo glatt wird als
er je geweſen iſt. “ Die Königin ſprach: „Ich be⸗
204
finde wohl, daß Eure Kunſt gerecht und gut iſt.
bitte Euch, helfet mir und ſparet kein Geld.“
Doctor ſprach: „Ihr ſaget wohl, ich ſoll kein
* ich muß wohl ſparen, ſo ich keines
U Wie Andoloſia die Königin Agrippina mit
ſammt dem Seckel zum andern Mal hin⸗
wegfuͤhrt. |
Abrippina war karg, wiewohl ſie den Seckel haͤtt,
den man nicht erſchoͤpfen mocht. Und ging ge⸗
machſam uͤber die Truhen, ſo denn bei ihrer Bett⸗
ſtatt fund, darinnen ihre allerliebſten Kleinode und
auch der Seckel war, an einen ſtarken Guͤrtel ge⸗
bunden. Den guͤrtet ſie um und ging hinfuͤr zu dem
Tiſch, der bei einem ſchoͤnen Fenſter ſtund, fing an
zu zaͤhlen, und als ſie bei dreihundert Kronen ge⸗
zähle hätt, ſuchet der Doctor unter feinem Rock,
als ob er einen Seckel ſuchte, darein er das Geld
thun wollt, als ob er das Geld wollt faſſen, und er⸗
wiſchte ſein Huͤtlein, warf das Barett hin, ſatzt das
Huͤtlein auf, und faſſet die Koͤnigin, wuͤnſcht ſich
in einen wilden Wald, da keine Leut waͤren. Und
wie er das wuͤnſchet, alſo geſchah es von Stund an
durch die Kraft des Huͤtleins. Als nun Agrippina
hinweg gefuͤhrt war, da lief die alt Hofmeiſter in zu
der alten Koͤnigin ihrer Mutter, und ſaget ihr, wie
205
daß Agrippina aber hinweg wär geführt worden,
und wie es ihr ergangen war mit den Hoͤrnern und
mit dem Arzt, auch wie ſie und der Arzt mit ein⸗
ander hinweg gefahren waͤren. Deß erſchrack die
Koͤnigin ihre Mutter, doch gedacht ſie: „Wie ſie das
naͤchſte Mal bald iſt wieder kommen, alſo wird viel⸗
leicht jetzt auch geſchehen. Dazu ſo hat ſie den Seckel
IT
AN 21 >
mit fich hin, daß ſie Gelds genug hat, maͤnniglich
wohl belohnen mag, daß man ihr wieder her hilft.“
Da ſie alſo den Tag und die Nacht warteten, und
ſie nit herwieder kam, ward es die Koͤnigin (als eine
Mutter) beherzigen, daß ſie um ihre ſchoͤne Toch⸗
ter alſo ſollt kommen ſein, ging mit traurigem Her⸗
zen zu ihrem Herren Koͤnig und ſagt ihm alle Ding,
206
wie es ihr ergangen war, und wie fie der Doctor
und Arzt hinweg gefuͤhrt haͤtt. Der Koͤnig ſprach:
„O das iſt ein weiſer Doctor, der kann mehr, denn
andre Doctor, es iſt niemand denn Andoloſia, den
Ihr ſo faͤlſchlich betrogen habet. Ich kann wohl
betrachten, daß der, der ihm ſolch Gluͤck verliehen
hat, er verlieh ihm auch Weisheit, wenn er um den
Seckel kaͤme, daß er ihm muͤßt wieder werden. Das
Gluͤck will, daß er den Seckel habe und ſonſt nie⸗
mand, und wenn das Gluͤck woͤllt, ſo haͤtt ich oder
ein andrer auch einen ſolchen Seckel. Viel Mann
ſeind in Engelland und iſt nur ein Koͤnig darunter,
das bin ich, als mir von Gott und dem Gluͤck ſol⸗
ches verliehen iſt. Und alſo iſt auch Andoloſia ver⸗
liehen, daß er allein den Seckel haben ſoll und ſonſt
niemand. Haͤtten wir nur unſer Tochter wieder.“
Die Koͤnigin ſprach: „Gnaͤdiger Herr, thut fo wohl
und ſendet Boten aus, ob man irgend koͤnnt erfor⸗
ſchen, wo ſie waͤre, daß ſie nit in Elend und Armut
kaͤme. ! Der König ſprach: „Ich ſende keinen Bo⸗
ten aus, denn es waͤr uns ein Schand, daß wir ſie
nit baß verſorget haͤtten.“ i
Als nun Andoloſia in dem wilden Wald und Wuͤ⸗
ſten, da keine Leut waren, und Agrippina allein
war, warf er den Doctorrock gar untugendlich von
ihm nieder, thaͤt auch die große wuͤſte Naſen von
ihm und trat freventlich gegen die ſchoͤne Agrip⸗
pina. Behend erkannt ſie, daß er Andoloſia war,
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und erfchraf von ganzem Herzen, daß ſie nit reden
konnt. Dann er hatte die Augen im Kopf verkehrt,
und griesgramet, und hätt ſich verwegen, er würd
fie gleich ertöten. Bald nahm er ein Meſſer und
ſchnitt ihr den Guͤrtel von dem Leib, ihm war ſo
jach, daß er den Guͤrtel nit aufguͤrten wollt; und
nahm den Seckel ab dem Guͤrtel und warf den
Guͤrtel gar untugendlich fern hindann; riß ſein
Wamms auf und ſtricket den Seckel an den Ort, da
er ihn allweg gehabt haͤtt. Das alles ſah die arm
Agrippina, die da ſaß, und von Not und Angſt, dar⸗
innen ſie war, erzittert ihr ſchoͤner Leib als ein
Eſpenlaub, das mit Wind umgeben iſt. Andoloſia
fing an gar aus großem Zorn zu reden und ſprach:
„O falſches, ungetreues Weib, jetzt biſt du mir zu
teil worden, jetzund will ich ſolche Treu mit dir tei⸗
len, als du mit mir geteilt haſt, da du mir den Seckel
abtrennteſt und einen untugendlichen Seckel an
ſeine Statt ſtrickteſt. Jetzund ſiehſt du, daß er wie⸗
der an ſeine alte Statt kommen iſt, jetzund nimm zu
Hilf und Rat deine Mutter, deine alte Hofmeiſte⸗
rin und heiß dir guten Trank geben, damit du mich
betruͤgeſt. Und wahrlich, waͤren die Unholden beide
bei dir, fo huͤlfe ihnen all ihre Kunſt nit, daß ſie den
Seckel mehr von mir braͤchten. O Agrippina, wie
mochteſt du es am Herzen gehaben, mir ſolche Un⸗
treu zu erzeigen, da ich dir ſo treu war. Ich haͤtt
mein Herz, mein Seel, Leib und Gut mit dir ge⸗
208
teilt. Wie mochteſt du es an deinem Herzen haben,
einen ſo mannlichen Ritter, der da alle Tag um
deinetwillen ſtach, ſcharf rannt und alle maͤnnliche
Ritter ſpiel getrieben hat, in fo große Armut rich⸗
ten? Und keinerlei Erbarmen haſt mit mir gehabt,
ſondern der Koͤnig und die Koͤnigin haben mit mir
ihren Spott getrieben und Faſtnachtſchimpf, das
mir noch unvergeſſen iſt in meinem Herzen. Dann
durch das Uebel, ſo du an mir vollbracht haſt, war
ich in eine Verzweiflung kommen, und wollte mich
ſelbſt erhangen haben, dann daß mir Maria die
Mutter Gottes mit ihren Gnaden in der boͤſen An⸗
fechtung zu Hilf kam, der ich auch treulich dienen
will bis an mein End; und wo ich ſolches gethan
haͤtt, ſo waͤreſt du doch ein Urſach geweſen, daß ich
um Seel und Leib, Ehr und Gut kommen waͤr.
Und da du den tugendreichen Seckel in deiner Ge⸗
walt hatteſt, und dir wohl geſagt ward, daß ich gar
nichts haͤtt, meine Knechte all von mir laſſen und
allein mußte hinweg reiten, du haͤtteſt mir ungern
ein Zehrgeld geſandt, daß ich ein wenig ehrlich haͤtte
moͤgen heimkommen zu meinen Freunden. Nun
ſprich ſelber Urteil: iſt nit billig, ich habe mit dir Er⸗
barmen, wie du es mit mir gehabt haft?”
Agrippina, die alles Er ſchreckens voll war und nit
wußt, was ſie ſagen ſollt, ſah auf gen Himmel und
mit erſchrockenem Herzen fing ſie an zu reden und
ſprach: „O tugendreicher ſtrenger Ritter Andoloſia,
14 F 209
ich bekenn, daß ich unehrbarlich groß und ſchwer
wider Euch gethan hab. Bitt Euch, Ihr woͤllet
anſehen die Bloͤdigkeit, Unwiſſenheit und Leicht⸗
muͤtigkeit, ſo denn von Natur mehr in dem Geſchoͤpf
der Weiber iſt, in den jungen und in den alten, denn
im maͤnnlichen Geſchlecht, und woͤllet mir die Sach
nit in das Aergeſt kehren und Euern Zorn gegen
mich arme Tochter hin legen. Thuet Gut wider
Uebel, als denn einem ſtrengen, ehrſamen Ritter
wohl ziemet. / Er antwortete ihr und ſprach: „Der
Schad, Schand und Laſter, ſo mir von Euch zu⸗
geſtanden iſt, iſt noch ſo groß in meinem Herzen,
daß ich Euch ungeletzt nit kann laſſen.“ Sie ant-
wortet und ſprach: „O Andoloſia, bedenkt Euch
baß, was Unehre wuͤrde man von Euch ſagen, ſo
Ihr ein armes Weibsbild allein in einer Wilde und
als eine Gefangene würdet letzen, fuͤrwahr, woman
es von Euch wuͤrde ſagen, das waͤre Eurer ſtren⸗
gen Ritter ſchaft eine Schand.“ Andoloſia ſprach:
„Wohlhin, ich will meinem Zorn widerſtehn und
verheiße dir bei meiner ritterlichen Treu, daß ich
dich nit will verletzen weder an deinen Ehren noch
an deinem Leib. Du haſt aber noch ein Zeichen von
mir, das mußt du bis in dein Grab von meinet⸗
wegen haben, damit du mein eingedenk ſeiſt. Agrip⸗
pina war ſo in großer Angſt und Sorg ihres Le⸗
bens, daß ſie der Hoͤrner, ſo ihr noch auf dem Haupt
ſtunden, ganz vergeſſen hätt. Da aber Andolofia fie
210
gefichert ihres Leibes und Ehr, kam fie noch baß
zu ihr ſelbſt, fing an und ſprach: „O wollte Gott,
daß ich meiner Hoͤrner ledig waͤre und waͤre in mei⸗
nes Vaters Palaſt.“ Da Andoloſia hört, daß fie
anfing zu wuͤnſchen, und das Huͤtlein nit weit von
ihr lag, da lief er bald und zucket es; dann haͤtt ſie
es aufgehabt, ſo waͤr ſie aber heim kommen; und
— Huͤtlein und ſtricket es hart an ſeinen
l. Darbei Agrippina wohl merken konnt, daß
ihm das Huͤtlein aus der Maßen lieb war, und
durch Kraft des Huͤtleins ſie alſo zweimal weg ge⸗
fuͤhret war worden; griesgramte in ihr ſelbſt und
gedacht ihr: „Nun haſt du die beiden Kleinod in dei⸗
ner Gewalt gehabt und haſt ſie nit koͤnnen behal⸗
ten“; und durfte ihren Zorn Andoloſia nit laſſen
merken. Alſo fing ſie an und bat ihn gar freund⸗
lich, daß er ſie der Hoͤrner gar ledig machte und ſie
ihrem Vater wieder heimfuͤhrte. Er ſprach:„Kurz⸗
ab, du mußt die Hoͤrner haben weil du lebſt. Aber
ich will dich gern führen zu deines Vaters Palaſt,
ſo nah, daß du den ſehen magſt. Aber darein komm
ich nit mehr. Sie bat ihn zu dem andern und zu
dem dritten Mal. Es half alles nit.
14* 211
¶ Wie Andoloſia die junge Königin in Hy⸗
bernia in ein Frauenkloſter thaͤt und ſie da⸗
ſelbſt der Aebtiſſin befahl.
D. Agrippina ſah und merkt, daß kein Bitten an
ihm mehr half, ſprach ſie: „Muß ich dann die
Hoͤrner alſo haben und ſo ungeſtalt ſein, ſo begehr
ich nit wieder zu kommen in Engelland, auch daß
mich kein Menſch nimmer ſehe, daß mich kenne we⸗
der Vater, Mutter noch andre. Darum ſo fuͤhrt
mich an ein fremdes End, da mich niemand ken⸗
net.“ Andoloſia ſprach: „Dir waͤre nirgend baß,
denn bei Vater und Mutter, dem Koͤnig und der
Königin.” Das wollte fie nit und ſprach: „Führt
mich in ein Kloſter, daß ich von der Welt geſchieden
ſei.“ Er ſprach: „Begehreſt du das und iſt dir der
Red ernſt?! Sie ſprach: „Ja.“ Alſo ruͤſt er ſich
und fuͤhrte ſie in Hybernia, iſt gar nah am Ende
der Welt und nit weit von Sant Patricius Feg⸗
feur. Auf dem Feld fern von den Leuten iſt ein gro⸗
ßes und ſchoͤnes Frauenkloſter, da nichts denn edel
Frauen innen ſind. Da ließ er ſie auf dem Feld allein
ſitzen, ging in das Kloſter zu der Aebtiſſin und ſagt
ihr, wie er eine ehrſame und edle Tochter mit ſich
gebracht hätt, die ſchoͤn und geſund fei, nur daß ihr
etwas an ihrem Kopf gewachſen waͤre, deß ſie ſich
ſchaͤmte und nit bei ihren Freunden bleiben woͤllt,
begehret an einem Ort zu ſein, da ſie nit bekannt
212
wäre, „Und wolltet Ihr die alfo aufnehmen, fo
wollte ich ihr die Pfruͤnde dreifach bezahlen.“ Die
Aebtiſſin ſprach: „Wer dieſe Pfruͤnde haben will,
der muß zweihundert Kronen darum geben, denn
ich halt einer jeglichen eine Magd und geb ihnen,
was ſie beduͤrfen. Und alſo, wollet Ihr die Pfruͤnde
dreifach bezahlen, ſo bringet ſie her.“ Andoloſia
ging und brachte Agrippina zu der Aebtiſſin, die
empfing ſie; ſie dankt ihr gar zuͤchtiglich und neigte
ſich ſo ſchoͤn, daß die Aebtiſſin wohl ſah, daß ſie von
edlem Stamm geboren war. Lind gefiel ihr auch
von Geſtalt ſehr wohl, erbarmet ſie, daß die wohl⸗
geſtalt Tochter die verfluchten Hoͤrner ſollt auf dem
Haupt haben; und ſprach: „Agrippina, begehreſt
du hie in dieſem Kloſter deine Wohnung zu haben?“
Sie ſprach gar demuͤtiglich: „Ja, gnaͤdige Frau
Aebtiſſin.“ Sie ſprach: „So wirft du mir gehor⸗
ſam ſein und zur Metten und zu allen Zeiten in den
Chor gehn, und was du nit kannſt, daß du das ler⸗
nen wolleſt. Darzu ſo iſt dieſer Orden nit haͤrter:
welche in einen andern Orden gehn oder einen Eh⸗
mann nehmen will, das mag ſie thun. Doch das
Geld, ſo man um die Pfruͤnde giebt, was das iſt,
giebt man niemand wieder.“ Agrippina ſprach:
„Gnaͤdige Frau, was Euers ehrſamen Kloſters
Sitt und Gewohnheit und alt Herkommen iſt, das
ſoll von meinetwegen nit verändert noch zerftört
werden.“ Alſo zahlt Andoloſia der Aebtiſſin ſechs⸗
213
hundert Kronen und bat fie, daß fie ſich Agrippina
ließ befohlen ſein, das ſie ihm eigentlich zu thun zu⸗
ſaget, dann ſie ganz froh war, daß ſie ſo viel baar
Gelds empfangen haͤtt. Und nahm Andoloſia Ur⸗
laub von der Aebtiſſin, die von Geburt eine Gräfin
war; die ſprach zu Agrippina: „Geh, gieb deinem
Freund das Geleit.“ Und alſo ging er hinweg, und
da fie zu der Pforte kamen, ſprach er zuihr: „Agrip⸗
pina, nun geſegen dich Gott, und Gott wolle, daß
du lang geſund bleibeſt und in dieſem Kloſter ewige
Freud erwerbeſt.“ Sie ſprach: „Amen, das werd
wahr.“ Fing an jaͤmmerlich zu weinen und ſprach:
„O tugendreicher ſtrenger Ritter, Ihr habt Euern
Willen und Haͤrtigkeit an mir armen Tochter wohl
vollbracht. Nun iſt das Jahr lang und der —
viel und die Stunden ungleich. Ich hab ein gro
Vertrauen zu Gott, es komm noch eine gluͤckhaftige
Stund, darinnen Euer edels Herz bewegt werde
zu Guͤtigkeit, und Euer Sinn und Gemuͤt um⸗
geben mit Barmherzigkeit. Dann gedenket an mich,
Eure Gefangne in dieſer Einöde und teilet mir mit
Barmherzigkeit und erlediget mich, dann ich weder
Gott noch der Welt dienen mag, ſo unwillig bin ich
der Hörner.” Andoloſia gingen die Worte zu Her⸗
zen und gab ihr keine Antwort denn daß er ſprach:
„Was Gott will, das geſcheh“ und ging damit ſeine
Straßen. Die betruͤbt Agrippina ſchloß die Pfor⸗
ten zu und ging zu der Aebtiſſin, die gab ihr eine
214
Kammer und eine Magd zu, die ihr dienet, dar⸗
innen ſie faſt allein war und diente Gott ſo gut ſie
mochte, wie wohl ihr Gemuͤt nit bei dem Gebet
war. Als nun Andoloſia von Agrippina ſchied, war
er ein froͤhlich Mann, ſatzt ſein Huͤtlein auf und
wuͤnſchet ſich von einem Land zu dem andern bis er
kam gen Prugk in Flandern, da dann alle Kurz
weil iſt von ſchoͤnen Frauen und andern Sachen,
und ergoͤtzet ſich ſeines Unmuts, ſo er dann gehabt
hätt, und ruͤſtet ſich wieder gar ehrlich zu und kauft
vierzig ſchoͤner Pferd und dinget darzu viel guter
Knecht, kleidet die all in eine Farb, fing an wieder
zu ſtechen und ritterlich Sachen zu treiben, und ritt
durch Deutſchland und beſah die ſchoͤnen Staͤdt, ſo
in dem roͤmiſchen Reich liegen, und ritt da gen Ve⸗
nedig, Florentz und Genua; und ſendet nach den
Abenteurern, denen er die Kleinode abkauft hätt,
und bezahlet die alle baar. Saß darnach mit Pfer⸗
den und Knechten in ein Schiff und fuhr mit Freu⸗
den wieder zu Haus gen Famaguſta zu ſeinem
Bruder, der empfing ihn gar ſchoͤn, und gefiel ihm
wohl, daß er ſo herrlich geritten kam. Und als ſie
gegeſſen hatten, nahm Ampedo ſeinen Bruder An⸗
doloſia und führt ihn in ein Kammerund fraget ihn,
wie es gangen waͤre. Da ſaget er ihm alle Ding,
wie er um das Huͤtlein auch kommen war zu dem
Seckel. Ampedo, der erſchrak ſo ſehr, daß er nieder
ſank und ihm geſchwand, da er hörte, daß das Huͤt⸗
215
lein zu dem Seckel verloren war, und hatte ihn nit
gar laſſen ausſagen. Andoloſia labet ſeinen Bruder,
und als er wieder zu ihm ſelbſt kam, fing er an zu
ſagen, er waͤre einmal darum kommen, und haͤtte
ſie aber beide mit Liſten uͤberkommen. „Darum ſo
ſei nit ſo traurig“ und band den Seckel ab dem
Wamms und zog das Huͤtlein aus einem Kleider⸗
ſack und legte ihm die beide fuͤr und ſagt zu ihm:
„Lieber Bruder, nun nimm die Kleinode beide und
laß dir wohl damit ſein. Hab Freud nach deines
Herzens Luſt, das will ich dir von Herzen wohl
vergoͤnnen und will dir nichts darein reden.” Am⸗
pedo ſprach: „Ich will des Seckels gar nicht, denn
wer ihn hat, der muß zu aller Zeit Angſt und Not
haben. Das hab ich wohl geleſen, was Angſt und
Notunſer Vater loͤblicher Gedaͤchtniß gelitten hat.
Da Andoloſia die Wort hoͤrt, war er gar froh, und
gedacht ihm: „Haͤtt er den Seckel zu ſeinen Han⸗
den genommen, ſo waͤre doch nit lang angeſtanden,
ich muͤßte ihn wieder darum gebeten haben. Alſo
hab ich ihn ſonſt. Andoloſia durft feinem Bruder
nit ſagen, wie er ſo koͤſtliche Kleinod kauft haͤtt und
die noch nit bezahlt, und daß er um Seckel, Huͤtlein
und Kleinod alles einsmals kommen war und nicht
mehr haͤtt, und darzu in einer Wildnuß, da weder
zu eſſen noch zu trinken war, und wie er ihn zu ihm
wuͤnſchet zu erwuͤrgen und auch ſich ſelber hab
wollen erhaͤngen. Gedacht ihm: „Das will ich ihm
216
nicht ſagen, er möcht zu Tod erſchrecken, oder aber
in eine große Krankheit fallen. Und fing an, einen
guten Mut zu haben mit Stechen, Rennen, und
machet, daß man tanzet und jedermann froͤhlich
war, und gab um Gott und um Ehren willen, daß
man ihm groß Lob ſaget. Und ehret ihn jedermann
und bat ihn das gemeine Volk, daß er allweg bei
ihnen waͤr. Und als er nun ein Weil zu Fama⸗
guſta geweſen war, ritt er mit ſeinem Zeug zu dem
König (iſt wohl 60 Meilen von Famaguſta) an des
Koͤnigs Hof, Kurzweil zu haben. Und als er da⸗
hin kam, ward er gar wohl von dem Koͤnig und den
Seinen empfangen, und der König ward ihn fra⸗
gen, wo er ſo lange geweſen waͤr. Er erzaͤhlt ihm
viel Koͤnigreich, die er alle durchfahren haͤtt. Der
Koͤnig fraget ihn auch mehr denn er einem andern
gethan haͤtt, denn er war ſein Unterthan, und war
auch ſein Vater Fortunatus gar wohl an ihm ge⸗
weſen; und ſprach, ob er nit kuͤrzlich in Engelland
waͤr geweſen. Er ſprach: „Gnaͤdiger Koͤnig, ja.“
Sprach er: „Der Koͤnig von Engelland hat eine
ſchoͤne Tochter, ein einiges Kind, die heißt Agrip⸗
pina. Die wollt ich meinem Sohn zu einem Ge⸗
mahl haben genommen, ſo iſt mir Maͤr kommen,
wie die Tochter verloren ſei. Sage mir, haſt du
nichts von ihr gehoͤrt, ob ſie noch verloren ſei oder
wieder finden?“ „Gnaͤdiger Herre, davon weiß
ich Euren Gnaden wohl zu ſagen. Es iſt wahr, er
217
hat eine ſchoͤne Tochter und die auch faſt ſchoͤn iſt,
und durch etlich Kunſt in der Nigromancia iſt fie
kommen nach Hybernia daſelbſt in ein Frauenklo⸗
ſter, da niemand denn gut edel Frauen innen ſeind.
Da hab ich mit ihr geredet gar in kurzer Zeit. Der
Koͤnig ſprach: „Moͤcht es nit ſein, daß ſie ihrem Va⸗
ter wieder gebracht wuͤrde? Ich bin alt und wollt
meinen Sohn und mein Koͤnigreich gern verſehen
vor meinem Tod.“
¶ Wie des Königs Botſchaft von Cypern
(durch Anſchickung Andoloſia) in Engel⸗
land kam / die ſchoͤne Jungfrau zu beſehen.
Gnäadiger Herr Koͤnig, Euch zu Lieb und Eue⸗
rem Sohn, der aller Ehren wohl wert iſt, ſo
will ich mich arbeiten in der Sach, und mit der Hilfe
Gottes ſo will ich ſie ſchaffen in kurzer Zeit wieder
in ihres Vaters Palaſt. / Der König bat ihn, daß
er das thaͤte und kein Geld daran ſparete, er woͤllt
das gegen ihm und die Seinen in allem Guten er⸗
kennen. Andoloſia ſprach: „Gnaͤdiger Herr König,
ſo ruͤſtet eine ehrſame Botſchaft zu und ſendet die
vier zehen — nach mir aus, ſo finden ſie — —
frauen und Koͤnigin zu Lunden in ihres Vaters
Palaſt. Hat er ſie Euch dann verheißen, ſo ſendt er
fie Euch ehrlich.“ Der König ſprach: „Andoloſia,
guter Freund, ſo vollend die Sach, daß kein Fehlen
218
daran fei, dann ich gar eine Föftliche und ehrſame
Botſchaft dahin ſenden will, daß ſie nit vergebens
dahin kommen.“ Er ſprach: „Seid ohn Sorg, aber
laſſet Euren Sohn abconterfeien und ſendet den
mit der Botſchaft hin, ſo werdet Ihr innen, daß
der Koͤnig und die Koͤnigin eine Freud darab neh⸗
men werden, deſtomehr Begier haben, ihre ſchoͤne
Tochter einem ſolchen ſchoͤnen Juͤngling zu geben.”
Und da der jung Koͤnig vernahm, wie Andoloſia
ausgeſandt ſollte werden um ein Gemahl, fuͤget er
fich zu ihm und bat ihn mit hohem Fleiß, ernftlich
in der Sach zu arbeiten, damit die Sache vollendt
wuͤrd, daß kein Abſchlag darin geſchaͤh, denn er
hatte gar viel gehoͤrt von der Schoͤne und Voll⸗
kommenheit, ſo an Agrippina war. Andoloſia ſaget
ihm zu, er wollt allen Fleiß ankehren und nahm
von ihm Urlaub und ritt mit ſeinem Volk wieder
gen Famaguſta, bat ſeinen Bruder, daß er ihm das
Huͤtlein aber leihen woͤllt, denn er würde bald wies
derfommen; Ampedo war willig und ließ ihn das
Huͤtlein wieder nehmen. Und befahl ſeinem Seckel⸗
meiſter, daß er es ſeinem Volk wohl erboͤte, und
fröhlich wären, denn er wollt wieder zu ihnen köm⸗
men; nahm alſo das Huͤtlein, fuhr von einem Land
um anderen, wuͤnſchet ſich in die Wildnuß, da die
el ſtunden, davon die Hoͤrner aufwuchſen und
wieder verſchwanden. Zuhand kam er dahin, und
da er zu den Baͤumen kam, ſtunden ſie voll ſchoͤner
219
Aepfel. Nun wußt er nit, welche die oder die an⸗
dern waren und kam gar ungern dahinter, daß er
einen aͤße; ſo wollt er auch darvon nit, denn er haͤtt
Agrippina nie koͤnnen entbinden von den Hoͤrnern,
haͤtt er nit einen Apfel mit ihm gebracht. Doch nach
Geduͤnken nahm er einen Apfel und aß den. Da
wuchs ihm ein Horn. Darnach aß er einen andern,
da verſchwand es wieder. Alſo nahm er derſelben
Aepfel etlich und fuhr damit dahin und kam gen
Hybernia zum Kloſter und klopfet an. Er ward
bald eingelaſſen und kam zu der Aebtiſſin, fraget
nach Agrippina; er haͤtte etwas mit ihr zu reden.
Die Aebtiſſin ſandte nach Agrippina und that das
gar gern, denn fie erkannte Andolofia ſehr wohl.
Und als ſie kam, empfing ſie ihn ſchlechtiglich, denn
ſie wußt nit, warum er zu ihr kommen war und er⸗
fchraf ob feiner Zukunft. Andoloſia ſprach: „Gnaͤ⸗
dige Frau, erlaubet Agrippina, ein wenig mit mir
allein zu reden.“ Sie erlaubet ihr es gern, und
alſo ging er mit ihr auf einen Ort und ſaget zu ihr:
„Agrippina, biſt du der Hoͤrner noch ſo unwillig,
als du wareſt, da ich von dir ſchied?“ Sie ſagt:
„Ja, und je länger je feſter.“ Er ſprach: „Wenn du
quitt und ledig waͤreſt, wohin ſtuͤnd dir dein Sinn?“
Sie ſagt: „Wo ſollt ich anders hin begehren denn
gen Lunden, zu meinem allerliebſten Herrn dem
Koͤnig und Koͤnigin meinem Vater und Mutter.“
Andoloſia ſprach: „Agrippina, Gott hat erhoͤrt dein
220
Gebet und was du begehreſt, deß wirft du ges
währt.“ Und bald gab er ihr einen halben Apfel zu
eſſen und hieß ſie ein wenig darauf ruhen und hieß
ſie wieder aufſtehn; da war ſie der Hoͤrner ganz
quitt ledig. Die Magd, die ihr zugeben war, die
flocht und zieret ihr das Haupt, als ſie dann wohl
konnt; kam alſo fuͤr die Aebtiſſin. Und da ſie Agrip⸗
pina ſo ſchoͤn und ſo huͤbſch geziert ſah, ruft ſie den
auen allen aus dem Kloſter, ſo dann in dem Klo⸗
er waren, um daß ſie Agrippina zu Wunder ſehen
ſollten wie ſie alſo ſchoͤn waͤr worden in ſo kurzer
eit, dar ab alle die Frauen Wunder nahmen und
eſonder, daß ſie der Hoͤrner in ſo kurzen Zeiten
war ledig geworden. Andoloſia ſprach: „Laſſet
Euch das nit ſo groß Wunder nehmen, Gott ver⸗
mag alle Ding, ihm iſt nichts unmöglich. Darum
ſo ſehet, wem Gott wohl will, wider den mag nie⸗
mand ſein. Agrippina iſt eine Koͤnigin, von koͤnig⸗
lichem Stamme geborn, und ich will ſie ihrem Va⸗
ter und Mutter wieder antworten. Und eh daß ein
Monat vergeht, ſo wird ſie vermaͤhlet einem jungen
Koͤnig und als einem ſchoͤnen Juͤngling, ſo jetzund
auf Erden leben mag.“ Auf die Rede merket Agrip⸗
pina gar eben. Alſo bezahlet Andoloſia der Aeb⸗
tiſſin hundert Kronen, die ließ er ihr und den an⸗
dern Frauen zu Letz, und danket ihnen, daß ſie Agrip⸗
pina ſo ehrlich haͤtten gehalten, deßgleichen danket
ihnen Agrippina auch gar zuͤchtiglich. Nahmen
221
alfo Urlaub und gingen aus dem Kloſter. Da er
in das Feld kam, ruͤſtete er ſich zu mit ſeinem Huͤt⸗
lein und führt die Königin gen Lunden zu des Koͤ⸗
nigs Palaſt. Und fuhr wieder die Straß, denn er
ſcheuet den Palaſt, da ihm ſo große Untreu innen
geſchehen war, und fuhr wieder gen Famaguſta zu
ſeinem Bruder und Dienern.
¶ Wie die ſchoͤne Agrippina durch Rat An⸗
doloſia dem jungen Koͤnig in Cypern ver⸗
maͤhlet ward.
ls nun ein wieder gekommen war und
es der Koͤnig und Koͤnigin innen wurden, da
waren ſie froh und alle die bei ihnen waren, und
es erhub ſich ein groß Feſt, daß die verloren Toch⸗
ter funden war. Sie zierten die Tochter mit aller
Schoͤnheit und Koͤſtlichkeit. Als ſie nun in allen
Freuden lebten, da kam dem Koͤnig Botſchaft, wie
des Koͤnigs von Cypern ausgeſandte Boten kaͤmen
mit einem großen Volk, und wie ſie darum aus⸗
geſandt waͤren, ihn zu bitten, daß er Agrippinam,
die junge Königin, woͤllt ver maͤhlen ihrem jungen
Koͤnig, deß auch der Koͤnig unterrichtet war. Und
als ſie gen Lunden kamen, wurden ſie gar ſchoͤn
empfangen und ihnen koͤſtliche Herberg zugericht,
darein gegeben was ſie bedurften. Und als ſie nun
vier Tag da waren geweſen, ſandte der Koͤnig nach
222
ihnen. Die kamen und waren gar koͤſtlich angethan
mit gutem Gewand, jeder nach ſeinem Stand. Da
war ein Herzog, zween Grafen und viel Ritter und
Knecht, die — an von der Heirat zu reden. Da
die Koͤnigin vernahm, daß man von Agrippina we⸗
15 handelte, das war ihr gar ſchwer, ihre liebe
choͤne Tochter zu vermaͤhlen, ſo fern von Land zu
geben und einem, da man nit wußt, ob er krumm
oder lahm, ſehend oder blind wäre. Und als fie fich
ſolches erklagte, vernahmen es die von Cypern, die
kamen vor den Koͤnig und begehreten, daß er nach
der Koͤnigin ſenden ſollt. Und als ſie kam, zogen ſie
herfuͤr ihren jungen Koͤnig, wie er dann abconter⸗
feiet war und ließen ihn ſehen. Da ſie ſeine Geſtalt
ſahen, daß er ſo ſchoͤn war, ſprach der Koͤnig, ob es
auch alſo waͤre? Da ſchwuren ſie dem Koͤnig und
der Koͤnigin Eid, daß er noch viel baß geſtalt und
faſt gerad und lang waͤr, auch nit mehr dann 24
Jahr alt. Das gefiel ihnen faſt wohl. Die Koͤnigin
nahm den jungen conterfeiten Koͤnig und bracht
den Agrippina und ſagte ihr, wie man fie einem jun⸗
gen Koͤnig geben woͤllt, der noch viel huͤbſcher und
ſchoͤner wäre dann fie, da fie feine Geſtalt fähe, wie
ſie denn auch zuvor von Andolofia gehört haͤtt; und
gab dem Gemaͤld Glauben und ihren Willen darzu,
was der Koͤnig und die Koͤnigin darin machten,
dem wollt ſie gehorſam ſein. Da der Koͤnig und die
Koͤnigin Agrippina Willen vernommen hatten, re⸗
223
deten fie weiter mit denen von Cypern und ward
alſo die Heirat ganz beſchloſſen. Und ließ der Koͤ⸗
nig viel Schiffe zurichten mit guten Leuten, Speis,
und was darzu gehoͤrt, und ließ die junge Koͤnigin
ausbereiten mit koͤſtlichem Gewand und Kleinoden
nach allen Ehren, als denn einem maͤchtigen Koͤnig
geziemt nach ſeinen Ehren zu thun. Er ordnet
auch dazu viel guter edler Leut, und beſonder ſo
ſandt er mit der Koͤnigin eine Graͤfin, der Mann
war lang ein Meerraͤuber geweſen, und viel guter
edler Frauen; und haͤtt der Koͤnig ein groß Feſt mit
ſeiner Tochter und mit dem Volk, ſo denn geordnet
war, mit ihr hinweg zu fahren. Und als die Schiffe
ganz bereit waren und alle Ding geladen, nahm
die edel Koͤnigin Urlaub von ihrem Herren Vater
und Koͤnig und von ar Frau Mutter der Koͤni⸗
gin und ſprach: „Gnaͤdiger Herr Koͤnig und gnaͤ⸗
dige Frau Koͤnigin, der allmaͤchtig Gott vom Him⸗
melreich und ſeine wuͤrdige Mutter Maria wollen
euch zu aller Zeit in Hut haben und euch verleihen
Geſundheit und lang Leben.“ Und kniete nieder vor
ihren Vater und in großem Seufzen mit weinen⸗
den Augen ſprach ſie: „Ich begehr Euern Segen,
dann ich mich jetzund von Euch ſcheiden muß, und
weiß, daß ich Euch und meine Frau Mutter nim⸗
mermehr ſehen mag.“ Der König ſprach: „Agrip⸗
pina, meine allerliebſte Tochter, der Segen Gott
des Vaters, des Sohns und des heiligen Geiſtes,
224
der ewigen Dreifaltigkeit wölle dich beſchirmen vor
allem Herzleid, und dir verleihen und allen denen
ſo dir Guts goͤnnen Friede, Geſundheit, langes Le⸗
ben und Genugſamkeit aller Fruͤchte und Wohl⸗
wollen von aller maͤnniglich. ! Die Königin, ihre
Mutter, konnte nit mehr wuͤnſchen denn daß ſie
ſprach: „Amen, das werde wahr.“ Alſo ſtund
Agrippina auf und ging an das Meer zu ihrem
Schiff und auch das Volk, ſo mit ihr fahren ſollt,
und folget ihr ſonſt nach eine große Menge Volks,
die ſie geleitet bis in das Schiff, und war maͤnnig⸗
lich um fie leid, daß die ſchoͤne Königin alſo von ihnen
ſcheiden und ſie die nit mehr ſehen ſollten. Als nun
Agrippina und wer zu ihr gehoͤrt in das Schiff ka⸗
men, zogen die Schiffleute die Segel auf, fuhren
alſo dahin in dem Namen Gottes, und der verlieh
ihnen gut Wetter, daß es ihnen gar gluͤcklich ging.
Denn welcher von Engelland gen Cypern fahren
will, muß uͤber das ſpanioliſch Meer fahren, das
doch gar grauſam iſt unter allen Meeren zu fahren.
Doch ſo kamen ſie mit der Hilfe Gottes und mit
allem Lieb gen Cypern an das Land, da man auch
ihrer Zukunft warten war. Und als nun Agrip⸗
pina die ſchoͤn jung Königin und all ihr Volk friſch
und geſund gen Cypern kamen, da haͤtt der Koͤnig
von Cypern beſtellet und laſſen verſammlen eine
Herzogin, vier Graͤfinn und viel edler Weib, und
deßgleichen auch von Mannen, die empfingen die
15 F 225
Königin gar ehrlich. Da war auch bereit Föftliche
Speis und Getraͤnk; gab man jedermann genug,
den Fremden und den Heimiſchen, und Jung und
Alt war froh, daß ihrem jungen Koͤnig ſo ein ſchoͤ⸗
nes Gemahl kommen war. Da waren bereit viel
Roſſe, Wagen und Karren, und ward jedermann
gefertiget nach ſeinen Ehren, und kamen alſo gen
Meduſa, da der Koͤnig Hof hielt, der die Zukunft
wußte; hatte beſtellt die Beſten und Edelſten von
ſeinem ganzen Koͤnigreich, von Frauen und Man⸗
nen, und wie koͤſtlich fie zu Famaguſta empfangen
wurden, ſo wurden ſie noch zehnmal ehrlicher und
loͤblicher empfangen zu Meduſa. Und wie ihr die
alt Koͤnigin entgegen ritt mit einem koͤſtlichen Volk,
gar ehrlich gekleidet, waͤr Wunder von zu ſchrei⸗
ben; und empfingen Agrippina, die Koͤnigin. Dar⸗
nach kam der junge König, auch mit einem ſchoͤ⸗
nen Volk, alle in ganzem Harniſch angethan, und
gleiſſeten als die Spiegel in der Sonnen; die emp⸗
fingen auch die Koͤnigin. Und als ſie der junge Koͤnig
empfing, ſobald ihn Agrippina anſah, bedeuchte ſie
dem Bild nach, ſo man ihr fuͤrgehalten hatte, wie
daß es der junge Koͤnig waͤre, der ihr Gemahl ſein
ſollt, und mit einer ſchoͤnen Gebaͤrde und einem
froͤhlichen Angeſicht und mit zuͤchtigen Worten
danket ſie dem Koͤnig. Und ritt alſo mit großen
pero bis in den koͤniglichen Palaſt, der mit aller
ierde zugeruͤſt war auf das aller koͤſtlichſte. Und
1
226
ward angefangen ein koͤſtliches Leben und kamen
alle Fuͤrſten und Herren, ſo unter den Koͤnig von
Cypern gehörten, gar zierlich geritten und brachten
alle koͤſtliche Gaben und Schenkung, die ſie ihrem
Herrn und Konig ſchenken wollten, ein Jeder nach
ſeinem Vermoͤgen; und ward die Hochzeit angefan⸗
gen, die waͤhret ſechs Wochen und drei Tag, da gab
man jedermann genug. Wie höflich der Kirchgang
war und viel andere Ding, die da begangen wur⸗
den, und was jeglicher der Königin ſchenkte, darvon
waͤr viel zu ſchreiben. Doch unter andern Schen⸗
kungen ſo haͤtt Andoloſia gen Candia geſandt um
ein Schiff mit Malvaſier und Muscatell, das
ſchenkt er auf die Hochzeit. Der ward getrunken
als ob es Halden⸗Wein von Kehlheym geweſen
waͤr, denn ſeiner war genug, und da war gar kein
Mangel ſo lang und laͤnger dann die Hochzeit.
Wie Andoloſia mit Stechen und Rennen
allzeit das Beſte thaͤt / dadurch großen
Dank von Frauen aber großen Neid von
etlichen Herren erlanget.
Un alldieweil die Hochzeit waͤhret, thaͤten die
Fuͤrſten und Herren nit anders denn Rennen
und Stechen, Turnieren und Kurzweil treiben.
Und auf einen Tag ſtach der Koͤnig und die Her⸗
zoͤge, des andern Tags die Grafen, Freien und Rit⸗
15* 227
ter, den dritten Tag die Edlen und der Fuͤrſten und
Herren Knecht und Diener. Und alle Nacht ſo
gab man den Preis aus dem, der des Tags das Beſte
gethan haͤtt; das geſchah zu Nacht bei dem Tanz,
dem ſatzt die Koͤnigin ein ſchoͤnes Kraͤnzlein auf, deß
ſich dann ein jeglicher, dem es ward, gar froh ge⸗
daͤuchte und brauchet ein jeder ſeinen Fleiß, daß er
Ehre bejaget und begabet wuͤrd von der ſchoͤnen
Koͤnigin Agrippina. Nun unter dem Geſtech ſo
ſtach Andoloſia auch, und wenn die Grafen, Freien
und Ritter ſtachen, kam er allweg koͤſtlicher und
baß geruͤſt auf den Plan dann der anderen keiner
ohn allein den Koͤnig, dem macht er ſich nit gleich;
und thaͤt allweg das Beſte in allen ritterlichen
Spielen, die man da trieb, und gewann oft den
Preis von den Frauen und den Mannen. Nun be⸗
gab es ſich, daß aber die Grafen, Freien und Ritter
ſtachen und Andoloſia mit ihnen, und haͤtt er vor⸗
her viel ritterlicher Thaten gethan, fo thaͤt er aber
das Beſte. Allda zum Letzten, da es Nacht ward
und man aber den Preis ausgab und der von Bil⸗
ligkeit Andoloſia ſollte ſein geworden, ward er aber
von Ehren wegen gegeben Graf Theodoro von En⸗
gelland, der dann mit der Koͤnigin aus Engelland
kommen war; deß auch Andoloſia wenig achtet und
ihm der Ehren faſt wohl vergoͤnnet. Doch ſo ſprach
gemeiniglich alles Volk: „Man hat Graf Theo⸗
doro den Preis gegeben, der doch billiger Andoloſia
228
wär geweſen. Das kam alfo Graf Theodoro für
und er gewann heimlich einen großen Haß zu An⸗
doloſia in ſeinem Herzen, und wußt nit, wie er ihm
Schand, Laſter und Schaden zufuͤgen ſollt, dann
ſein Herz, Sinn und Gemuͤt dazu geneigt war.
Und als er nun fremd war in dem Land Cypern
und nit Land, Schloß noch Leut haͤtt, da war ein
andrer Graf auf der koͤniglichen Hochzeit, war auch
ein Meerraͤuber, mit Namen der Graf von Lymoſi,
haͤtt ſein Schloß in einer kleinen Inſel, nit fern von
amaguſta, zu demſelben ſuchet er Geſellſchaft.
ls man gemeiniglich ſpricht: gleich und gleich ge⸗
ſellet ſich gern, alſo geſchah da auch. Es fand ein
Schalk den andern, und als ſie nun Geſellen wa⸗
ren, fing Graf Theodorus an und ſprach zu feinem
Geſellen, dem Grafen von Lymoſi: wie da einer, ge⸗
nannt Andoloſia, waͤr fo koͤſtlich und trieb fo großen
Uebermut und doch kein geborner Mann wäre;
darab er einen Verdruß haͤtt; er naͤhm groß Ehr
ein und wuͤrde geehrt fuͤr Grafen und ander wohl⸗
geboren Leut, und haͤtt doch weder Land noch Leut;
und ob er auch nit Verdrießen darab haͤtt? Der
Graf von Lymoſi ſagt: „Ja, ich und ander Edel⸗
leut haben auch ein Verdrießen darab. Er iſt aber
ſo wohl gewollt von dem Koͤnig, dem leiht und
ſchenkt er, was er begehret, und der Koͤnig erlangt
großen Undank von ſeinen Edelleuten, daß er ihn
alſo zuvorderſt hat.“ Graf Theodorus ſprach:
229
„Mich nimmt fremd, daß Ihr und ander Eures⸗
gleichen ſolches moͤget erdulden, daß Ihr ihn nit
laſſet umbringen. Wuͤßte ich ihn hinweg zu brin⸗
gen, er ſollt keinen Grafen noch Edelmann an des
Koͤnigs Hof mehr irren.“ Alſo verſtund einer des
andern Willen wohl und machten einen Anſchlag
mit einander: wenn die Hochzeit ein End naͤhme, fo
wuͤrde er wieder gen Famaguſta reiten, allda woͤll⸗
ten ſie ihn aufhalten und ihn fahen, ſeine Diener er⸗
ſtechen und ihn fuͤhren aus des Koͤnigs Land gen
Lymoſi, da der Graf ein faſt gut Schloß haͤtt, und
ihn da peinigen und martern; er muͤßt ihnen Gelds
genug geben, daß ſie moͤchten ſo koͤſtlich Statt hal⸗
ten als er. Und folgeten alſo dem Anſchlag nach,
den ſie mit einander gemacht hatten.
¶ Wie Andoloſia nach der Hochzeit heim rei⸗
ten wollt gen Famaguſta / und von zweien
Grafen gefangen und ſeine Diener er⸗
ſtochen wurden.
Andoloſia, dem die Dinge ganz unwiſſend waren,
als er gen Famaguſta reiten wollt nachdem die
ochzeit vergangen war, da haͤtten die zween Gra⸗
en ein Volk beſtellt, und fingen Andoloſia, und er⸗
ſtachen ihm ſeine Diener alle und fuͤhrten ihn in
die Inſel Lymoſi in ein Schloß, da ward er wohl
verhuͤtet, daß er nimmer darvon kommen mocht.
230
Da erbot er denen, fo fein huͤteten, groß Gut zu
geben, daß fie ihm dar von huͤlfen, deß wagten fie
ihm nit zu vertrauen, und vermeinten, wenn er dar⸗
von kaͤm, ſo gaͤb er ihnen nichts. So durft Ando⸗
loſia ihnen den Seckel nit zeigen, er fuͤrchtete, ſie
men den und huͤlfen ihm nit, und war in gro⸗
ßen Noͤten. Und alſo kam die Maͤr dem Koͤnig, wie
Andoloſig Diener all erſtochen waͤren und wußte
niemand, ob Andoloſia gefangen weggefuͤhrt, tot
oder lebendig wär. So wüßte man auch nit, wer es
gethan hätt, denn man zieh es, des Türken Streif⸗
reuter haͤtten es gethan; dann des Tuͤrken Land
ſtoßt an des Königs von Cypern Land. Die zween
Grafen, die es gethan haͤtten, ritten wieder an des
Königs Hof und hielten ſich ſtill, als ob fie nicht
darum wuͤßten.
¶ Wie Andoloſia fein Seckel genommen / und
er in der Gefaͤngniß ermordet ward / und
ſein Bruder Ampedo das edle Wunſchhuͤt⸗
lein zerhieb und vor Leid ſtarb.
ndem da Andoloſia verloren war, ward es ſei⸗
nem Bruder Ampedo kund gethan, der ſandte
bald Boten zu dem Koͤnig und ließ ihn bitten, daß
er ihm huͤlf, daß ihm ſein Bruder wieder wuͤrde.
Der Koͤnig entbot ihm, es waͤre ihm leid um ſeinen
Bruder Andoloſia, dann er wuͤßte nit, wo er waͤr,
231
ob er tot oder lebendig wär; er wollte Fleiß brau⸗
chen, moͤcht er inne werden, wo er waͤre, ihn ſollte
kein Geld dauern, er woͤllt ihn ledig machen, und
ſollt es halb ſein Reich koſten. Solche Botſchaft
brachten ſie Ampedo von dem Koͤnig. Da er die ver⸗
nahm, gedacht er ihm, er waͤre um ſeinen Bruder
gekommen von wegen des Seckels, ſo er bei ihm
haͤtt, und wuͤrden ihn peinigen und martern, daß
er von dem Huͤtlein, fo er hätt, auch ſagen mußt;
fo würden fie darnach Anſchlaͤg thun, daß ihnen
das Huͤtlein auch wuͤrde. „Fuͤrwahr das ſoll nim⸗
mermehr geſchehen.! Und in einem Zorn und Lin-
mut nahm er das koͤſtlich und tugendreich Huͤtlein
232
und zerhacket es zu kleinen Stücken, und warf das
in ein Feur und ſtund darbei, bis daß es gar zu Pul⸗
ver verbrann, und daß niemand kein Freud mehr
damit ſollte noch moͤchte haben. Nun haͤtt er ſtaͤte
Botſchaft auf dem Weg zu dem Koͤnig; und wie⸗
viel Boten kamen, ſo brachte doch keiner gute Maͤr
von ſeinem Bruder, daß man koͤnnt wiſſen, wo er
hinkommen waͤr. Darob nahm er ſo großen Un⸗
mut und Herzeleid, daß er fiel in eine toͤtliche Krank⸗
heit, alſo daß ihm kein Arzt helfen konnte, und ſtarb
alſo; half ihm weder der ſchoͤne Palaſt noch das
baar Geld.
(8 nun etlich Tage verſchienen, und die zween
Grafen hörten, daß dem König fo leid war um
feinen frommen Ritter Andoloſia, ſtellten fie ſich,
als ob es ihnen auch faſt leid war. Der König ließ
ausrufen: wer der ware, der gewiſſe Botſchaft
braͤchte, wo Andoloſia hinkommen wär, dem wollte
er tauſend Dukaten baar geben, er waͤre lebendig
oder tot. Da ward fleißiglich nach ihm gefragt, es
konnte ihn aber niemand erfahren. Die es aber
wußten und dazu geholfen hatten, durften es nit ſa⸗
gen, dann ſie beſorgten dadurch ihr Leben zu ver⸗
lieren. Indem nahm der Graf von Lymoſi Urlaub
von dem Koͤnig, und fuhr in ſein Land, und kam
in das Schloß, da Andoloſia in gefangen lag. Den
fand er dort ſitzen in einem tiefen Thurn, dazu hart
angeſchmiedet in einem Stock mit Haͤnden und mit
233
Süßen. Und als er den Grafen ſah, erfreuet er fich
und meinet, er woͤllt ihn erbitten, daß er ihn wuͤrd
ledig laſſen. Und fing an und bat ihn, daß er Barm⸗
herzigkeit mit ihm teilete und ihm huͤlf, daß er ledig
wuͤrd der Gefaͤngnuß, er wuͤßte nit, weß Gefan⸗
gener er waͤr oder warum man ihn ſo hart hielte.
Haͤtte er jemand wider Recht gethan, das wollte
er widergelten und darzu um ihn mit Leib und Gut
dienen. Der Graf ſprach: „Andoloſia, du biſt nicht
darum hergefuͤhret, daß man dich wieder hinweg
laſſe: du biſt mein Gefangener, und du wirſt mir
ſagen, von wannen dir ſo viel Geldes komme, das
du das ganze Jahr ausgiebeſt. Und mach das
oder ich will dich alſo marteren, daß du froh wirſt,
daß du mir es ſageſt. ! Da Andoloſia das hoͤret, da
erſchrak er gar ſehr, und entging ihm all fein Troſt,
und wußte nit, was er ſagen ſollte, dann daß er
ſprach: zu Famaguſta in ſeinem Haus da waͤre eine
heimliche Gruben, die haͤtte ihm ſein Vater gezei⸗
get, da er ſterben wollte; und wieviel er Geldes dar⸗
aus nähe, fo wär allwegen mehr da; und daß er
ihn alſo gefangen gen Famaguſta fuͤhret, ſo wollte
er ihm die Gruben weiſen. Daran wollt aber der
Graf kein Genuͤgen haben und nahm ihn aus dem
Stock und fing ihn an zu peinigen, thaͤt ihm große
Marter an. Das litt er lang und blieb allweg auf
der Materi, die er zu dem erſten geſagt haͤtt. Doch
ſo ward die Pein und Marter, ſo ihm der Graf ließ
234
anthun, alfo groß, daß er es von Schmerzen wegen
nit mehr verhalten mocht; und ward ihm ſagen, wie
daß er einen ſolchen Seckel haͤtte. Und da der Graf
das hoͤret, nahm er bald den Seckel von ihm und
verſuchet den, und fand ihn gerecht; und ließ den ar⸗
men Andoloſia wieder in den Stock ſetzen und be⸗
fahl den Einem, dem er wohl vertrauete. Und wem
der Graf ſchuldig war, dem ſandte er das Geld, und
machet ſein Sach miteinander ſchlicht und ſpeiſet
ſein Schloß; und mit Freuden kam er wieder an des
Koͤnigs Hof zu ſeinem Geſellen, Graf Theodoro,
der ihn auch mit Freuden empfing und viel Ge⸗
ſpraͤch mit einander hielten, wie ſie zuvor auch ge⸗
than hatten. Alſo ſagte er Graf Theodoro, wie er
mit Andoloſia war umgangen, wie er den Seckel
ſo mit großer Pein und Marter von ihm gebracht
haͤtt, und wie hart er ihn gefangen hielt. Da ſprach
Graf Theodorus: „Es gefaͤllt mir nit alſo, er waͤre
beſſer tot dann lebendig. Ich hab an des Koͤnigs
Hof vernommen, er ſei ein Doctor der Nigroman⸗
cia und koͤnnt in den Luͤften fahren; iſt zu beſorgen:
wo er ledig wuͤrd und man von ihm vernaͤhme, wie
wir mit ihm gefahren ſind, ſo gewoͤnnen wir einen
ungnaͤdigen Koͤnig, oder er naͤhme uns das Leben.“
Der Graf von Lymoſi ſprach: „Er liegt ſo hart ge⸗
fangen, daß er uns keinen Schaden zufuͤgen kann.“
Alſo fuͤgten ſie ſich zuſammen und nahmen Geld
aus dem Seckel ſo viel ſie wollten, und ein jeder hätte
35
gern den Seckel in feiner Gewalt gehabt; doch fo
wurden ſie der Sache alſo eins: einer ſollt ihn ein
halb Jahr haben und dann der ander auch ein halb
Jahr, und welcher den Seckel haͤtte, der ſollte dem
andern keinen Mangel laſſen an Geld. Nun war
der Graf von Lymoſi der ältere, der ſollte den Seckel
das erſt halb Jahr inhaͤndig haben. Als nun die
zween Grafen Gelds genug hatten, da durften ſie
es nit brauchen noch gar zu koͤſtlich ſein, um daß
man keinen Argwohn auf ſie gewoͤnne. Und als ſie
nun in Freuden lebten, ſo lag doch der Graf Theo⸗
dorus allwegen an, Andoloſia waͤr beſſer tot dann
lebendig, denn feine Furcht war, fie kaͤmen um den
Seckel. Er hatte auch in ſeinem Sinn: wenn er den
Seckel in ſeine Gewalt braͤcht, ſo wollt er darmit
davon ſein ſo fern, daß er von dem Koͤnig und von
dem Grafen von Lymoſi wohl ſicher wollt bleiben.
Dasſelbe beweget ihn, daß er ſprach zu dem Gra⸗
fen, daß er ihm ſeiner Knecht einen gaͤb, der mit
ihm fuͤhr, und er darbei ſchrieb, daß man ihn zu
Andoloſia in die Gefaͤngnuß ließe. Und was er alſo
begehrt, das thaͤt der Graf, und gab ihm Gelds ge⸗
nug, Leut und Brief. Alſo nahm der Graf Theo⸗
dorus Urlaub von dem König und der Königin, und
ſagt, er wollt auch dieſe Laͤnder beſehen, das ihm
auch verliehen ward. Zog alſo dahin und kam in
die Inſel Lymoſi und ward gefuͤhrt in das Schloß
und in die Gefaͤngnuß, da Andoloſia gefangen lag.
236
Als er zu ihm kam, empfing der elend troſtlos An⸗
doloſia, dem jetzund die Bein und Arm halb ab ge⸗
faulet waren in dem Stock, einen Troſt und ver⸗
meint, der Graf von Lymoſi haͤtte den Grafen Theo⸗
dorum darum zu ihm geſandt, daß er ihn ledig ließe,
und gedachte ihm: „So ſie den Seckel haben, ſo fra⸗
gen ſie nit viel mehr nach mir.“
So faht aber der Graf an und ſpricht: „Sag an,
Andoloſia, haſt du keinen Seckel mehr als du
haſt meinem Geſellen einen geben? nun gieb mir
auch einen. Er ſprach: „Gnaͤdiger Herr Graf, ich
hab keinen mehr; haͤtte ich aber einen, ſo waͤre er
Euch unverfagt.” Er ſprach: „Man ſagt, du ſeieſt
ein Doctor in der Nigromancia und koͤnnteſt in den
Luͤften fahren und den Teufel beſchwoͤren. Warum
beſchwoͤrſt du ihn nit jetzt, daß er dir von dannen
helf?! Er ſprach: „O gnaͤdiger Graf, ich kann es
nit und hab es nie gekonnt, nur allein mit dem
Seckel, den 51 jetzt habt, Kurzweil gehabt. Den
will ich Euch und Euern Geſellen ganz ergeben,
vor Gott und der Welt, und keinen Anſpruch nim⸗
mer daran haben. Und ich bitt Euch um die Ehre
Gottes und ſeiner wuͤrdigen Mutter Maria, daß
r mir armen elenden Mann aus dieſer ſchweren
ungniß helfet, daß ich doch nicht alſo elendiglich
ohn Beichte und ohn das wuͤrdig Sacrament hie
erſterbe. ! Der Graf ſprach: „ Willſt du nun jetzund
deiner Seel Heil betrachten, warum haſt du es nit
237
gethan, da du dein Gepraͤng, großen Hochmut und
Hochfahrt triebeſt vor dem König und der Königin,
und uns allen Unehre bewieſeſt? Wo ſind nun die
ſchoͤnen Frauen, denen du ſo — gedienet haſt, die
dir alle den Preis gaben; die heiß dir jetzund helfen.
Ich merk aber wohl, daß du gern aus der Gefaͤng⸗
niß waͤreſt. Laß dich nit belangen, ich will dir bald
davon helfen.“ Und fuͤhrt den Knecht, der ſeiner
huͤtete, an einen Ort und wollt ihm fuͤnfzig baare
Ducaten gegeben haben, daß er Andoloſia erwuͤr⸗
get. Das wollte der Huͤter nit thun und ſprach:
„Er iſt ein frommer Mann und iſt faſt ſchwach, er
ſtirbt bald ſelber, ich will die Suͤnd auf mich nit la⸗
den. Der Graf ſprach: „So gieb mir einen Strick,
ich will ihn ſelbſt erwuͤrgen und will nit von hinnen,
er ſei denn zuvor tot.! Der Knecht wollt das auch
nit thun und ihm keinen Strick bringen; alſo nahm
er ſeinen Guͤrtel, den er um haͤtt, und leget den dem
elenden Andoloſia um den Hals, der mit Haͤnden
und mit Fuͤßen in dem Stock ſaß und ſich nit regen
konnt. Und mit ſeinem Degenheft wirbelt er den
Guͤrtel zu, und ſitzend erwuͤrget er den frommen
Andoloſia, und gab dem Knecht Geld, daß ſie ihn
hinweg thaͤten. Und machet nit langen Markt mehr
in dem Schloß, und fuhr und ritt, bis daß er wie⸗
der kam in Cypern an des Koͤnigs Hof. Da ward
er ſchoͤn empfangen und kam alſo zu ſeinem Ge⸗
ſellen dem Grafen von Lymoſi. Der empfing ihn
238
auch und fragt, wie es ihm ergangen wär, und wie
27 Er und das Land gefiel. Er faget, es ge⸗
ihm faſt wohl. Und fragt ihn heimlich, wie es
fund um Andoloſia. Mit Freuden ſprach er: „Es
ſteht um ihn, daß wir keinen Schaden mehr von
ihm empfahen. Ich hab ihn mit meinen Haͤnden
umbracht. Ich konnt kein Ruh haben, ich wußte
dann zuvor für wahr, daß er tot war, wie ich es dann
jetzund wohl weiß.” Und meinet, er hätt es gar wohl
. Ach Gott, er wußt aber nit, daß er es als
gethan hart. Das ſtund alſo an drei Tage, daß
— nit uber den Seckel gingen, Geld daraus zu
men.
Wie die zween Grafen von des Seckels
wegen mit einander uneins und der Mord
dadurch offenbar / ſie beide darob gerad⸗
brecht wurden.
11% als die drei Tag verfchienen waren, da war
aber das halbe Jahr aus, daß nun Graf Theo⸗
dorus den Seckel auch ein halb Jahr haben ſollt.
Und ging mit Freuden zu ſeinem Geſellen dem
Grafen von Lymoſi und ſprach, daß er ihm den
Seckel braͤcht und daraus naͤhm Geld, daß er ein
Weil zu zehren haͤtt, und ihm nunmehr den Seckel
gäbe, es war nun an ihm, daß er ihn haben ſollt.
Deß ſich der Graf nit widert, und ſprach, er woͤllt
239
das gern thun, und fagt: „Wenn ich den Seckel in
die Hand nimm, ſo erbarmet mich Andoloſia. Ich
wollt, du haͤtteſt ihn nit getoͤtet, er waͤr ohn das
ſelbſt bald geſtorben.“ Graf Theodorus ſprach:
„Toter Mann macht keinen Krieg.“ Und gingen alſo
mit einander in eine Kammer, da er den Seckel haͤtt
in einer Truhen, brachte den herfuͤr und leget ihn
auf einen Tiſch, ſo in der Kammer war. Graf
Theodorus nahm den Seckel in die Hand und wollt
anfahen zu zaͤhlen wie er zuvor gethan haͤtt: da war
nichts mehr in dem Seckel; wußten beide nit, daß
der Seckel die Tugend und Kraft verloren haͤtt, ſo
fie beid, Ampedo und Andoloſia, geſtorben waren,
daß auch die Tugend des Seckels aus war. Hät-
ten ſie es gewußt, ſo haͤtten ſie Andoloſia in großen
Ehren gehalten und ihm guͤtlich gethan, damit er
lang gelebt haͤtt, oder zu dem wenigſten eine Tru⸗
hen oder zwo mit Gold gefüllt, daran fie ihr Leben
lang eine reiche Zehrung gehabt haͤtten. Da ſie aber
kein Geld aus dem Seckel mochten bringen, ſah
einer den andern an. Graf Theodorus ſprach aus
einem grimmen Zorn: „O du falſcher Graf, woll⸗
teſt du mich alſo betruͤgen und mir einen andern ar⸗
men Seckel geben fuͤr den ſo tugendreichen Seckel?
Das leid ich nit von dir, in keinen Weg. Darum
mach es nit lang und bring den reichen Seckel. ! Er
antwortete ihm und ſprach, das waͤre der Seckel, ſo
er Andoloſia genommen haͤtt, und er haͤtte keinen
240
anderen; wie es zuginge, daß er nit mehr thaͤt als
das wuͤßt er nit. Daran wollt aber der Graf
rus kein Genuͤgen haben, und ward je laͤn⸗
ger je zorniger, und ſprach: er wollt ein Boͤſewicht
an ihm werden, das ſollt ihm nimmermehr wohl
bekommen. Und zucket von Leder. Da das der Graf
von Lymoſi ſah, zog er auch und hieben gegen ein⸗
ander ſo freventlich, daß ein jeder den andern gern
zu Tod geſchlagen haͤtt, und machten alſo ein Ge⸗
polter, daß die Knecht die Kammer aufſtießen. Die
ſahen alſo ihre Herren mit einander fechten, liefen
darzwiſchen und ſchieden ſie von einander. Doch eh
ſie von einander gebracht wurden, haͤtt Graf Theo⸗
dorus den Grafen von Lymoſi verwundet bis auf
den Tod. Das ſahen ſeine Diener und fingen den
Grafen Theodorum. Alſo kam die Maͤr fuͤr den
Koͤnig gen Hof, wie die zween Grafen, ſo allweg
alſo —.— geweſen waͤren, ſich mit einander zer⸗
tragen haͤtten. Der Koͤnig befahl, man ſollt ſie ihm
beide behend gefangen bringen, damit daß er koͤnnte
vernehmen den Urſprung ihrer Uneinigkeit. Und
als man des Koͤnigs Gebot wollte gehorſam ſein
und ihm die Grafen bringen, da konnt man den
Verwundeten von Lymoſi nimmer bringen, brach⸗
ten ihm allein den Grafen Theodorum.
Da vernahm der Koͤnig bald, daß ſich dieſer Un⸗
wille allein erhoben haͤtt von Andoloſia Seckels we⸗
gen, und befahl eilend, daß man den Nachrichter
16 F 241
bringen und den Grafen Theodorum weiter fragen
ſollt, Leut darbei haben, und alle Ding gar eben an
ihm erkunden, wie er alle Sachen gehandelt haͤtt.
Alſo ward er gemartert und gar hart gepeiniget,
daß er von Not wegen ſagen mußt, wie er Andolo⸗
ſiam mit ſeinen Handen ſelbſt in der Gefaͤngniß er⸗
wuͤrget haͤtt, und alle Handlung von Anfang bis
zu dem End. Da der Koͤnig hoͤrt, wie ſie mit dem
frommen Andoloſia umgegangen waren, ward er
von Herzen betruͤbt und erzuͤrnet über die Mörder
und Uebelthaͤter, und ohn ſonder laͤnger Bedenken
gab er Urteil und Recht, man ſollte ſie beide auf
Rader ſetzen; und ob der Graf von Lymoſi ſo krant
waͤr, ſo ſollt man ihn an die Richtſtatt tragen, waͤr
er tot, ſo ſollt man ihn alſo tot auf ein Rad ſetzen.
Und wie das Urteil ergangen war, das ward alfo
an den zweien Grafen den Moͤrdern vollbracht,
wurden beide geradbrecht, das war ihr rechter Lohn,
ſie hatten es wohl verdienet an dem frommen Ando⸗
loſia. Als nun die Moͤrder von des Seckels wegen,
mit dem ſie doch eine kurze Zeit ihre Wolluſt gehabt
hatten, auf die Raͤder gelegt und getoͤtet wurden,
ſchickte der Koͤnig von Stund an ſein Volk in die
Inſel Lymoſi, und ließ die einnehmen, Schloß,
Staͤdt und Doͤrfer und die ganze Inſel und beſon⸗
der das Schloß, darinnen der gut Andoloſia gefan⸗
gen gelegen war, ließ darin fahen Weib und Mann,
alle die um den Mord wußten, Schuld daran ge⸗
242
habt und den Mord verſchwiegen hatten, die ließ er
ohn alle Barmherzigkeit zum Schloß heraus hen⸗
ken. Er erfuhr auch, daß ſie den Leichnam Ando⸗
loſia in ein Waſſergruben nit fern vom Schloß ge⸗
worfen hatten, den ſchuf er heraus zu ziehen und
gen Famaguſta zu fuͤhren mit großer Ehrwuͤrdig⸗
keit und brennenden Lichtern, daſelbſt einbegraben
in die huͤbſche Domkirchen, die ſein Vater geſtift
und gebauet haͤtte; ließ ihm auch halten großen Got⸗
tesdienft, Beſingnuß, und Seelenmeſſe am ſieben⸗
ten und am dreißigſten Tag, der Maßen als einem
des maͤchtigſten und hoͤchſten Geſchlechts ſeines Koͤ⸗
nigreichs. Und waren bei ſeiner Beſingnuß der alt
und jung Koͤnig, auch die alt Koͤnigin und die jung
Koͤnigin Agrippina, die zumal leidig war um den
getreuen Andoloſia. Und demnach ſie beide, Am⸗
pedo und Andoloſia, keinen Erben hinter ihnen ge⸗
laſſen hatten, nahm der Koͤnig den koͤſtlichen Palaſt
ſelbſt ein und fand darin groß Gut und Koͤſtlichkeit
von Hauszier, Kleinoden und Baarſchaft, und in
denſelben Palaſt zog der junge Koͤnig, hielt alſo Hof
zu Famaguſta bis zu Abſterben ſeines Vaters.
Beidieſer Hiftoriaift uvermerken:haͤtte der junge
Fortunatus im de betraͤchtliche Weisheit
für den Seckel des Reichtums von der Jungfrau
des Gluͤcks erwaͤhlt und begehrt, ſie waͤre ihm auch
16* 243
mit Haufen gegeben worden: denſelben Schatz ihm
niemand haͤtte moͤgen entfuͤhren. Durch welche
Weisheit und Vernunft er auch zeitlich Gut, ehr⸗
liche Nahrung und große Habe haͤtte moͤgen erlan⸗
en. So aber er ihm dazumal in ſeiner Jugend, um
reud und Wolluſt willen, der Welt Reichtum und
Gut am meiſten liebet und gefiele (als ungezweifelt
noch von manchem ein ſolcher Seckel fuͤr aller Ver⸗
nunft begehret wird) ſchuf er ihm ſelbſt und ſeinen
Soͤhnen Muͤhe und Bitterkeit der Gallen; und wie⸗
wohl ihnen etliche wenige Zeit ſuͤß und lieblich war,
nahm es doch ein ſolch End, wie ihr hierinnen ver⸗
nommen habt. Demnach ein jeglicher, dem ſolche
Wahl gegeben wuͤrde, bedenke ſich nit lang, folge
der Vernunft, und nit ſeinem frechen, thoͤrichten
Gemuͤt, und erkies Weisheit fuͤr Reichtum. Als
auch gethan hat Salomon, dadurch er der reichſt
Koͤnig der Erden worden iſt. Aber wohl iſt ner
forgen, die Jungfrau des Gluͤcks, die ſolche Wahl
ausgiebt und Fortunato den Seckel gegeben hat, ſei
aus unſern Landen verjaget und in dieſer Welt nicht
mehr zu finden.
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ie Hiſtorie von Fortunati Gluͤckſeckel und
Wunſchhuͤtlein wurde herausgegeben nach
dem aͤlteſten erhaltenen Druck, Augsburg og, dem
auch die Holzſchnitte entnommen ſind. ¶ Druck
von der Offizin W. Drugulin in d de Druck⸗
anordnung und Einband von Richard? 3
hundert Exemplare wurden auf echtem Buͤt⸗
ten abgezogen, coloriert, numeriert
und in Leder gebunden.
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