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Full text of "Freiherr Anton von Baldacci über die inneren Zustände Österreichs : Eine Denkschrift aus dem Jahre 1816"

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LIBRARY 
UNIVERSITY  OF  CALIFORNIA 

RIVERSIDE  .— 


FREIHERR  ANTON  VON  BALDACCI 


ÜBER  DIE 


INNEREN  ZUSTÄNDE  ÖSTERREICHS. 


EINE    ÜENKSCimiFT  ATTS    ÜEM  JAHRE    ISIG. 


HEß  AUSGEGEBEN  UND  EINGELEITET 


D«-  F^ 


KRONE  S, 


CORRESPOXDIRENDEM  MITGLIEDE  DER  KAJS.  AKADEMIE   DER  « ISSENSCHAFTEN. 


WIEN,  1889 

IN    COMMISSION    BEI    F.    TEMPSKi 

BUCHHÄNDLER   DER    KAIS.  AKADEMIE    DEK  WISSENSCHAFTEJf. 


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Aus  dem  Archiv  für  österreichische  Geschichte    (LXXIV.  Bd.,  I.  Hälfte,  S.  1)   separat 

abgedruckt. 


Druck  von  Adolf  Holzhausen  in  Wien, 
k.  k.  Hof-  und  Üniversitäts-Buchdrucker. 


Vorbemerkungen. 


Der  Herausgeber  beifolgender  Denkschrift  hat  vor  ein 
paar  Jahren  ein  Buch  erscheinen  lassen,  das  unter  dem  an- 
spruchslosen Titel:  ,Zur  Geschichte  Oesterreichs  im  Zeitalter 
der  französischen  Kriege  und  der  Restauration  1792  — 1816' ^ 
Beiträge  zur  Förderung  der  Kenntniss  von  einer  Epoche  im 
Auge  hatte,  deren  Thatsachenfülle  und  Bedeutung  —  trotz 
der  Masse  des  bereits  veröffentlichten  Materials  und  der  langen 
Reihe  willkommener  Arbeiten  grossen  und  kleinen  Schlages  — 
noch  immer  einer  Vermehrung  des  massgebenden  Stoffes  und 
einer  Verwerthung   desselben   zugänglich   und  bedürftig  bleibt. 

Diese  Beiträge,  welche  zufolge  der  Wesenheit  des  be- 
nützten Quellenstoffes  und  der  Anlage  des  Buches  auf  innere 
Einheit  keinen  Anspruch  erhoben  und  erheben  konnten,  ent- 
hielten auch  eine  nicht  ohne  JMühe  zusammengeschweisste  Skizze 
von  dem  gleichzeitigen  Berufsleben  des  Freiherrn  Anton  von 
Baldacci,  einer  Persönlichkeit,  die,  mag  man  ihr  den  Namen 
eines  Staatsmannes  gönnen  oder  blos  den  Titel  eines  Staats- 
beamten ersten  Ranges  einräumen  wollen,  bisher  wenig  beachtet, 
ebenso  durch  Detailkenntnisse  in  den  staatlichen  Zuständen  und 
Angelegenheiten,  als  durch  Thatkraft  und  persönlichen  Ein- 
fluss  im  Rathe  der  Krone  hervorragt. 

Als  jenes  Buch  unter  die  Feder  genommen  wurde,  war 
sein  Verfasser  bereits  im  Besitze  der  Abschrift  des  ihm  vom 
Herrn  Grafen  Braida  zur  Benützung  freundlichst  überlassenen 
Originals  einer  Denkschrift  Baldacci's  über  die  inneren 
Verhältnisse  Oesterreichs,  die,  zu  Ende  des  Jahres  1816  und 
zu  Anfang  des  nächsten  geschrieben  und  abgeschlossen,  ebenso 
umfangreich   als   durch  ihr  Detail  wichtig,    einer  vollständigen 


1  Gotha,  F.  A.  Perthes'  Verlag,  1886,  8",  XX  und  396  SS. 


4  [4] 

Publication  würdig  schien.  Andere  Arbeiten  des  Verfassers 
verzögerten  die  Ausführung  dieses,  wie  er  annehmen  darf, 
berechtigten  Vorhabens. 

Es  scheint  geboten,  der  allgemeinen  Würdigung  ihres 
Inhalts  eine  kurze  Lebensskizze  Baldacci's  vorauszu- 
schicken, um  die  Befähigung  des  Genannten  zu  einer  solchen 
Aufgabe  darzulegen,  und  des  Näheren  auseinanderzusetzen, 
welche  Beweggründe  ihre  Abfassung  und  ihr  Gepräge  be- 
stimmten. 

Die  Baldacci's '  sind  von  Hause  aus  ein  korsisches  Ge- 
schlecht, welches  nach  berechtigter  Vermuthung  mit  Dominik 
von  Baldacci,  dem  Zeitgenossen  des  Aufstandes  der  Korsen 
gegen  die  genuesische  Herrschaft  1732 — 1733  und  der  Be- 
kämpfung desselben  mit  Hilfe  Oesterreichs,  auswanderte,  in 
Siebenbürgen  und  Ungarn  heimisch  wurde  und  dort  das 
Prädicat  ,Vegvezekeny'^  erwarb.  Dominik  und  dessen  Sohn 
Josef  (I.)  machten  in  namhafteren  militärischen  Stellungen 
die  Kriegsjahre  Oesterreichs  mit",  jener  von  1737 — 1739  und 
1740—1746,  dieser  von  1756—1763  und  1792—1795.  Josefs  (I.) 
älterer  Sohn  gleichen  Namens,  Gatte  der  siebenbürgischen 
Edelfrau  Barbara  Toroezkay ,  starb,  mit  dem  Range  eines 
k.  k.  Oberstwachtmeisters,  bereits  1808;  der  jüngere  Anton  (L), 
der  Mann  unserer  Lebensskizze,  1762  in  Wien  geboren,  war 
der  Civillaufbahn  und  einer  bedeutenden  Zukunft  vorbehalten. 
Durch  ihn  kam  1814  der  Freiherrenstand  auch  an  die  beiden 
Neffen,  Söhne  seines  Bruders  Josef  (IL),  an  Anton  (IL),  Gatten 
der  Freiin  Anna  von  Hunyad,  und  an  Emanuel,  der  vor  dem 
Jahre  1848  als  Gouvernements-Adjutant  in  Dalmatien  diente 
und  als  Genosse  der  ungarischen  Insurrection  1848  — 1849,  ihr 
Geschick  theilend,   1852  starb. 

Anton  von  Baldacci,  1778 — 1781  Zögling  der  Theresiani- 
schen Ritterakademie,  trat  1781,  mit  19  Jahren,  in  den 
Staatsdienst,  und  zwar  als  Praktikant  bei  der  k.  ungarischen 
Hofkammer;  1787  finden  wir  ihn  in  der  k.  k.  Bankal-  und 
Dreissigstgefäll-Direction  und  ein  Jahr  später  als  dritten  Secretär 
der  k.  k.  Bankozettel-Hauptcasse ,  von  welcher  er  1789  in 
gleicher  Eigenschaft  zu    dem   früheren  Amte  zurückkam.     Mit 


'  Die  nä?ieren  Ausfühningeri  und  Belege   finden   sich   in    dem  oben  ange- 
führten Werke:  ,Zur  Geschichte  Oesterreichs'  u.  s.  w. 


[5]  ^ 

29  Jahren,  also  bald  darauf  (1791),  wurde  Baldacci  Hofsecretär 
der  k.  k.'  illyrischen  Hofkanzlei  und  diente  1794—1797  als 
solcher  in  dem  neugebildeten  ,Directorium'  der  inneren  Ange- 
legenheiten der  Erbländer.  So  hatte  er  die  Regierungszeiten 
Josephs  II.,  Leopolds  IL  und  die  schwierigen  Anfänge  der  Herr- 
schaft Kaiser  Franz  IL  durchlebt,  als  ihn  das  Jahr  179S  in  die 
Reihe   der  Hofräthe  der  galizischen  Hofkanzlei  einführte. 

Eine  wichtige  Mission,  die  Bereisung  des  1795  neu- 
gewonnenen WestgaHziens ,  verschaflfte  ihm  die  Gelegenheit, 
diese  äusserst  reformbedüftige  Provinz  genau  kennen  zu  lernen 
(1799)  und  die  Ergebnisse  dieses  Auftrages  Ende  1801  in 
einem  zum  stattlichen  Foliobande  angewachsenen  Berichte  vor- 
zulegen.i  1803  wurde  Baldacci  der  rangjüngste  unter  den 
sieben  Hofräthen  im  inländischen  Departement  des  Staats-  imd 
Conferenzministeriums,  und  von  da  an  beginnt  der  41jährige 
Mann  immer  einflussreicher  zu  werden. 

Schon  im  Jahre  1803  beschied  ihm  das  Vertrauen  des 
Monarchen  eine  Bereisung  Dalmatiens,  Istriens  und  Venetiens, 
behufs  Abfassung  einer  Relation  über  die  dortigen  Zustände. 
Von  1805  an  überkam  Baldacci  das  Cabinetsreferat  beim 
Kaiser  in  allen  Verwaltungs-,  Systemal-  und  Personalfragen, 
so  auch  als  Mitglied  des  1807  und  1808  wiederhergestellten 
Staatsrathes. 

1807  Commandeur  des  Stephansordens.  1809  Geheimrath, 
spielte  Baldacci  in  der  nächsten  Umgebung  des  Kaisers  eine 
tonangebende  Rolle  als  hartnäckigster  Anwalt  des  Krieges  vor 
der  Schlacht  bei  Wagram  so  gut  wie  nach  derselben,  in  den 
]\[onaten  des  heftigen  Meinungskampfes  im  Rathe  der  Krone, 
welcher  dem  Wien-Schönbrunner  Frieden  voranging.  Dafür 
spricht  am  überzeugendsten  das  Tagebuch  Erzherzogs  Johann 
und  der  bekannte  Brief  Napoleons  I.  vom  21.  September  1809, 
worin  Baldacci  und  Stadion  als  die  dem  Frieden  feindlichen 
Rathgeber  des  Kaisers  bezeichnet  erscheinen;  das  belegen  auch 
die  Verunghmpfungen  der  französischen  Presse  und  selbst  die 
geringschätzigen    Worte    in    den    Aufzeichnungen    eines    Gentz 

>  Derselbe  befindet  sich  im  Archive  des  k.  k.  Ministeriums  des  Innern. 
Die  weiter  unten  angedeuteten  Materialien  über  die  von  ihm  1803  be- 
reisten Küstenländer  gingen,  wie  A.  v.  Ficker  in  seinem  Aufsatze 
(s.  weiter  unten  S.  7)  bemerkt,  grösstentheils  verloren.  Tgl.  mein  oben 
anereführtes  Werk  S.  36. 


6  [6] 

über  Baldacci.  1810  begegnen  wir  Letzterem  als  Vicekanzler 
der  vereinigten  Hofkanzlei, 

Es  war  dies  zur  Zeit,  als  der  neue  Mann  einer  neuen 
Sachlage,  der  Routinier  in  der  Staatskunst,  Metternicli,  am 
Ruder  sass  und  sich  beeilte,  die  ihm  unbequemen  und  ein- 
mischungslüsternen Elemente  bei  Seite  zu  schieben.  Zu  diesen 
zählte  auch  Baldacci,  dessen  Vertrauensstellung  bei  dem  Mon- 
archen wohl  mit  der  Ueberlieferung  zusammenhängt,  in  ihm 
habe  die  geheime  Staatspohzei,  die  Cabinetspolizei,  ihr  Haupt 
besessen. 

So  erklären  wir  uns  denn  auch,  dass  Baldacci  der  gründ- 
liche Kenner  der  Verwaltungszustände  und  Staatskräfte,  der 
Mann  der  Acten  und  der  Ziffern,  vom  9.  Mai  1811  an  die 
Stelle  des  Freiherrn  v.  Schittlersberg  als  Präsident  des 
General-Rechnungs-Directoriums,  des  nachmaligen  Staats- 
rechnungshofes, trat  und  zufolge  des  k.  Erlasses  vom  22.  Api'il 

1812  mit  der  Ausarbeitung  eines  neuen  Organisationsentwurfes 
für  diese  Centralbehörde  betraut  wurde. 

Der  Krieg  der  Jahre  1813 — 1815,  den  er,  in  seinem 
Hasse  gegen  Napoleon  und  in  seiner  Hoffnung  auf  den  Sturz 
französischer  Gewaltherrschaft  unentwegt,  laut  genug  herbei- 
gewünscht, führte  Baldacci  aber  wieder  vom  Acten  tische  in 
das  geräuschvollere  Leben  des  Hoflagers  und  dann  auf  den 
Boden  jenes  Staates,  dem  er  am  meisten  gram  war.  Als  ,Hof- 
commissär  der  Armee^  oder  ,Armeeminister^   begleitete  er  von 

1813  auf  1814  den  Kaiser  nach  Frankreich;  es  kam  die  Zeit 
der  ersten  Occupation.  Noch  früher,  auf  dem  Wege  dahin, 
erhielt  Baldacci  den  Auftrag,  seinen  Anschauungen  über  die 
Einrichtung  der  rückeroberten  illyrischen  Provinzen  Aus- 
druck zu  geben,  wie  dies  aus  seinem  Vortrage  an  den  Kaiser 
von  20.  November  1813  hervorgeht.  Im  April  1814  ward 
Franz  Graf  von  Saurau  vom  Kaiser  nach  Frankreich  ent- 
boten, um  hier  in  Gemeinschaft  mit  Baldacci  die  Gesichtspunkte 
und  Massregeln  der  neuen  Administration  jener  Pi'ovinzen 
festzustellen. 

Bot  schon  die  erste  Occupation  Frankreichs  Arbeit  genug, 
so  verdoppelte  sich  dieselbe  im  Gefolge  der  zweiten  aus- 
gedehnteren Besetzung  seiner  Osthälfte  und  nahm  den  ganzen 
Mann  in  Anspruch.  Als  Civilhaupt  der  österreichischen 
Occupation   und  Mitglied   des   ,conseil  administrativ  der  ver- 


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bündeten  Mächte  schloss  Baldacci,  bis  zum  letzten  Augenblicke 
für  das  volle  Maass  der  Ansprüche  und  Forderungen  unseres 
Staates  eintretend,  seine  ebenso  mühselige  als  verantwortliche 
.  und  undankbare  Arbeit  nach  dem  zweiten  Pariser  Frieden 
(22.  October  1815)  ab  und  begab  sich  in  die  Heimat,  in  den 
früheren  Wirkungskreis  zurück.  Er  trug  das  nur  Wenigen  ver- 
liehene Civil-Ehrenkreuz  und  hatte  1808 — 1814  die  Aufnahme 
in  die  Landstandschaft  der  Herzogthümer  Ki-ain  und  Kärnten, 
des  Triester  Gebietes  und  der  Steiermark  erworben. 

Das  Jahr  1816  eröffnete  die  dritte  und  letzte  Phase  im 
Berufsleben  Baldacci's,  seine  weiterhin  durch  keine  auswärtige 
Thätigkeit  unterbrochene,  geräuschlose,  aber  nicht  unfruchtbare 
Amtsführung  als  Präsident  des  General-Rech  nungs- 
Directoriums.  In  dieser  Stellung  überdauerte  Baldacci  die 
lange  Regierungszeit  Kaiser  Franz  I.  und  hielt  sein  Amt  bis 
zum  siebenundsiebzigsten  Lebensjahre  (1839)  inne.' 

Im  Frühjahre  1829  wurde  ein  k.  Handschreiben  an  Baldacci 
erlassen ,  worin  der  Schwerpunkt  der  Aufgaben  des  General- 
Rechnungs-Directoriums  in  die  anzustrebende  Sonderung  der 
Wirksamkeit  der  verwaltenden  und  controlirenden  Behörden 
gelegt  erscheint.  Wir  finden  diesen  Auftrag  bald  darauf 
(29.  April)  erneuert.  Das  General-Rechnungs-Directorium  er- 
stattete am  31.  Juli  1832  einen  Vortrag,  in  welchem  Baldacci 
in  seiner  bedächtigen  Art  das  Für  und  Wider  dieses  Princips 
erwägt  und  zunächst  einen  längeren  Aufschub  verlangt,  über- 
haupt einer  allmäligen  und  theilweisen  Trennung  jener  Be- 
hörden das  Wort  redet. 

Und  so  blieb  es  bei  dieser  Uebergangsphase  bis  zu  dem 
Zeitpunkte,    da    der    greise    Baldacci    sein    Amt    in    die    Hände 


'  Vgl.  über  Baldacci  als  Präses  des  G.  R.  D.  die  Monographie  von  K.  Liclit- 
negl,  Geschichte  des  österreichischen  Controls-  und  Rechnungswesens 
(Wien  1872),  S.  205  fF.,  und  über  den  nachmaligen  ,Staatsrechnungs- 
hof  die  Schrift  von  G.  Seidler  (Wien  1884,  bei  Holder).  In  Hinsicht 
der  Verdienste  Baldacci's  um  die  Statistik  und  deren  Entwicklung  in 
Oesterreich:  A.  v.  Ficker,  in  den  , Mittheilungen  aus  dem  Gebiete  der 
Statistik  der  österreichischen  Monarchie',  Wien,  4.  Jahrg.,  1.  Heft,  1855, 
S.  1 — 38;  sodann  von  demselben  die  stoffverwandte  Studie  in  der 
Wiener  statistischen  Monatschrift,  herausgegeben  vom  Bureau  der  k.  k. 
statistischen  Central -Commission,  H.  Jahrg.,  1876,  49 — 74  unter  dem 
Titel:  ,Der  Unterricht  in  der  Statistik  an  den  österreichischen  Univer- 
sitäten und  Gymnasien'. 


8  [8] 

der  jüngeren,  genialeren  Kraft,  des  Freiherrn  Karl  Friedrich 
von  Kübeck,  legte  und  mit  dem  Titel  eines  , Staatsministers' 
die  letzten  zwei  Jahre  seines  Lebens,  ehelos  und  vereinsamt, 
den  9.  Juli  1842  schloss. 

Wenden  wir  uns  nun  den  Anfängen  der  österreichischen 
Statistik  und  dem  berufsmässigen  Verhalten  Baldacci's  zu 
denselben  zu. 

Seit  der  Mitte  des  18.  Jahrhunderts  brach  sich  in  Deutsch- 
land die  sogenannte  , Tabellenstatistik'  immer  mehr  Bahn. 
Flächeninhalt,  Bevölkerung,  Religion,  Finanzen,  Armee,  poli- 
tische Verfassung,  Geld,  Maass  und  Gewicht  bildeten  ihre  ur- 
sprünglichen Riibriken.'  Das  Zahlenmässige  der  Daten  musste 
naturgemäss  die  Hauptaufgabe  des  Tabellenstatistikers  aus- 
machen, den  naturgemässen  Uebergang  zur  vergleichenden 
Methode  Büsching's  bilden  und  sich  mit  dieser  in  die  nachmals  als 
^mathematisch'  bezeichnete  Richtung  umsetzen,  welche  gewisser- 
massen  die  Brücke  zwischen  der  Conring- Achenwall'schen 
oder  ,ethnographiscli-staatsAvissenschaftlichen'  und  der  englischen 
Statistikerschule  mit  ihrer  , politischen  Arithmetik'  schlug. ^ 

Ihre  verschiedenen  Gegner  wurden  die  Vertreter  der  so- 
genannten , höheren'  Statistik,  die  Feinde  der  , Tabellenknechte'' 
und  ,Tabellenfabrikanten' ,  vorzugsweise  Schlözer  und  seine 
Schule,  die  allerdings,  gleichwie  die  gesammten  akademischen 
und  sonstigen  Vertreter  der  Statistik,  ihre  scharfe  Abkanz- 
lung durch  den  damaligen  Jenaer  Professor  der  Philosophie, 
A.  F.  Lueder,  in  seiner  ,kritischen  Geschichte  der  Statistik' 
vom  Jahre   1817  erlebten.'' 


'  Vgl.  darüber  die  in  der  Anni.  S.  7  citirten  Aufsätze  von  A.  v.  Ficker 
und  die  Werke  über  Statistik:  von  Knies,  Die  Statistik  als  selbständige 
Wissenschaft  (1850);  E.  Jonäk,  Theorie  der  Statistik  (Wien  18öG); 
Kümelin,  Zur  Theorie  der  Statistik  (1863)  und  V.  John,  Geschichte  der 
Statistik  (1884).  I.  Theil.  Belehrend  in  Betreff  der  Entwicklung  der  amt- 
lichen Statistik  ist  das  Werk  Ricli.  Boeckh's:  ,Die  geschichtliche  Ent- 
wicklung der  allgemeinen  Statistik  des  preussischen  Staates'.  (Berlin  1863.) 

2  Vgl.  darüber  insbessondere  V.  John,  Geschichte  der  Statistik.  I.  Theil. 
Stuttgart  1884,  S.  57—98. 

3  Es  ist  das  zugleich  eine  Apologie  seiner  , Kritik  der  Statistik  und  Po- 
litik' vom  Jahre  1812,  von  welcher  er  sagt:  ,Mein  Ziel  war  Vernichtung 
der  Statistik  und  der  mit  der  Statistik  innigst  verbundenen  Politik'  .  .  . 
Ilini  gilt  die  Statistik  als  gemeinschädlidi! 


[9]  9 

In  Oesterreich  vertraten  das  Lehrfach  der  Statistik,  zu- 
nächst an  der  Wiener  Hochschule:  Leporini,  J.  Ch.  Schmidt, 
dann  Watterroth  und  seit  1794  der  ungemein  fleissig  schrift- 
stellernde  Ignaz  de  Luca,  der  Schützling  Josefs  v.  Sonnen- 
fels, bis  zu  seinem  Ableben,  vorzugsweise  in  der  Richtung 
Büsching's.'  Um  dieselbe  Zeit  taucht  ein  zweiter  Wiener, 
Josef  Max  Freiherr  von  Liechtenstern,  auf,  ein  kenntniss- 
reicher, ungemein  rühriger  Geo-  und  Kartograph  von  bleibenden 
Verdiensten.  Es  heisst.  dass  Liechtenstern  im  Jahre  1809  die 
Direction  eines  statistischen  Bureaus  in  Paris  antreten  sollte, 
die  Berufung  jedoch  ausschlug,  weil  er  mit  aller  Zuversicht 
auf  die  Begründung  eines  solchen  Bureaus  in  Oesterreich  zählte. 
In  seiner  dem  damahgen  Staatsrathe  Freiherr  von  Schwitzen 
gewidmeten  Schrift:  ,Ueber  statistische  Bureaus,  ihre  Geschichte, 
Einrichtungen  und  nüthigen  Formen'  —  sie  erschien  noch  1820 
zu  Dresden  in  -vierter  Auflage  —  wahrt  sich  Liechtenstern  das 
Verdienst,  zur  Errichtung  jenes  Bureaus  den  Anstoss  gegeben 
und  bei  dessen  Organisation  mitgewirkt  zu  haben.  Doch  kam 
es  nicht  zur  Verwirklichung  der  Hoffnungen  Liechtenstern's, 
und  ebensowenig  gelang  es  ihm,  eine  feste  akademische  Stellung 
in  Wien  zu  erringen,  obschon  er  es  1815  mit  statistischen 
Vorträgen  an  der  Universität  versuchte.  Dies  und  zerrüttete 
materielle  Verhältnisse  bewogen  ihn,  1819  auszuwandern.  ^ 
Seine  Zeitgenossen  und  Fachverwandten  in  gesicherten  Berufs- 
stellungen der  Residenz  waren  Dr.  Zizius,-*  der  Nachfolger  de 


'  Vgl.  Ficker's  in  der  Anm.  S.  7  an  zweiter  Stelle  angeführten  Aufsatz, 
S.  53 — 54,  und  Hu  gelmann 's  Skizze  über  de  Luca  in  der  Allgemeinen 
deutschen  Biographie,  XIX.  Bd.,  1884,  S.  .335—336.  Ein  Urtheil  über 
de  Luca  in  den  , Vaterländischen  Blättern'  (Wien,  Jahrg.  1816,  S.  567) 
sei  nebenher  angeführt. 

-  Ueber  Liechtenstern  vgl.  die  ,Vaterläudi,schen  Blätter',  Jahrg.  1816, 
S.  567  als  eine  sehr  anerkennende  Stimme,  und  was  seine  Verdienste 
im  Allgemeinen  betrifft,  die  Lebens.skizze  Ratzel's  in  der  , Allgemeinen 
deutschen  Biographie',  XVIII.  Bd.,  1883,  S.  625—626,  detaillirtere  An- 
gaben bei  Wurzbach,  XV.  Bd.,  S.  171  —  176.  Freiherr  Sigmund  von 
Schwitzen  (auch  ,Schwizen'  und  ,Schwitzer'  geschrieben,  geb.  zu 
Graz,  24.  Jänner  1747,  gest.  29.  Juni  1834;  vgl.  Wurzbach  a.  a.  O., 
XXX.  Bd.,  S.  191  —  194)  war  1809  Staatsrath,  1815  Conferenz-  und 
Staatsrath. 

3  Verfasser  einer  ,Theorie  der  Statistik'  (Wien  und  Triest  1810),  1805 
Suppleut,  dann  Profe.ssor  des  Faches  bis  zum  Jahre  1824.  Vgl.  über 
ihn  die  , Vaterländischen  Blätter',  Jahrg.    1816,  S.  567. 


10  [10] 

Luca's  an  der  Universität,  und  B  i  e  s  i  n  g  e  r  an  der  Theresia- 
nischen Akademie.'  Dies  genüge,  um  die  damalige  fach- 
männische Pflege  der  Statistik,  ausserhalb  der  Amtssphäre,  auf 
österreichischem  Boden,  und  zwar  in  der  Residenz  zu  kenn- 
zeichnen. Noch  näher  liegt  es  uns,  ihre  officielle  Pflege 
für  den  Amtszweck  und  die  bahnbrechende  Thätigkeit 
Baldacci's  in  dieser  Richtung  auseinanderzusetzen. 

Bereits  1803,  wie  seiner  Denkschrift  zu  entnehmen,  wurde 
die  Herstellung  statistischer  Tabellen  in  Angriff  genommen, 
aber  erst  1810  die  Errichtung  eines  topographisch-stati- 
stischen Bureaus  im  Staatsrathe  zur  Sprache  gebracht. 

Das  k.  Handschreiben  vom  8.  Juli  1810  an  den  Vice- 
präsidenten  und  interimistischen  Leiter  der  Hofkammer,  Grafen 
Fr.  Jos.  Kohäry,2  betonte  die  Nothwendigkeit  einer  Darstellung 
der  gesammten  Staatskräfte  in  allen  ihren  Beziehungen  und  für 
alle  einzelnen  österreichischen  Provinzen.  Der  schwankende 
Zustand  Oesterreichs  und  der  bald  neuerdings  entfesselte  Krieg 
hielten  das  ganze  Vorhaben  in  der  Schwebe.  Baldacci's  Denk- 
schrift von  181G— 17  enthält  noch  die  frommen  Wünsche  in 
angedeuteter  Richtung.  1819,  den  3.  Februar,  wurde  endlich 
mit  k.  Cabineterlasse  die  Errichtung  einer  mit  dem  Staatsrathe 
zu  vereinigenden  statistisch-topographischen  Anstalt  vorläufig  im 
Princip  genehmigt,  den  10.  April  die  Angelegenheit  im  Staats- 
rathe wieder  aufgenommen,  Staatsrath  Freiherr  von  Schwitzen  ^ 
zum  Vorstande  ernannt  und  zu  den  zweckmässigsten  und 
billigsten  Einrichtungsvorschlägen  aufgefordert. 

Am  25.  Mai  berichtete  jedoch  Freiherr  von  Schwitzen, 
er  verzweifle  an  der  Möglichkeit;  die  angeführten  Hindernisse 
beseitigen  zu  können,  und  bat,  man  möge  die  Angelegenheit 
zur  Erledigung  einem  anderen  Vertrauensmanne  überweisen. 
Am  26.   Juni  kam   es   zu  einer  Erneuerung  des  k.  Auftrages, 


^  J.  Constantin  Biesinger  war  der  Nachfolger  de  Luca's  am  Tlieresianum 
(1799 — 1825).  1807—1816  erschienen  die  drei  Bände  seiner  allgemeinen 
Statistik. 

2  Franz  Joseph  s.  1815  Fürst  von  —  wurde  1801  Vicepräses  bei  der  Hof- 
kammer, F'inanz-  und  Commerzhofstelle  und  führte  nach  Odonnell's  Tode 
(1810)  die  Leitung  der  Finanzen  und  gesammten  Cameralangelegen- 
heiten  bis  zum  Eintritte  des  Grafen  Joseph  von  Wallis  ins  Hof- 
kam nierpräsidium. 

3  Vgl.  S.  9,  Änm.  2. 


[11]  11 

lind  Schwitzen  erstattete  nun  den  18.  August  die  bezüglichen 
Vorschläge:  sie  erhielten  jedoch  die  kaiserliche  Genehmigung 
nicht,  und  so  ruhte  Alles  wieder  volle  zehn  Jahre. 

Da  war  es  denn  Baldacci,  der  seine  mühsam  zusammen- 
gebrachten Materialien  Anfangs  1829  dem  Vicepräses  des 
General -Rechnimgs-Directoriums,  Freiherrn  von  Metzburg/ 
übergab;  dieser  legte  nun  schon  am  16.  Februar  seinen  Plan 
zur  Begründung  einer  officiellen  Statistik  der  österreichischen 
Monarchie  in  77  Tafeln  vor,  und  dieser  Plan  erlangte  die 
kaiserliche  Genehmigung.  Das  grundlegende  Werk  enthielt 
100  Uebersichtstafeln  des  statistischen  Materials  von  15  öster- 
reichischen Provinzen.  Ende  1829  wurden  bereits  104  Tafeln 
über  das  Jahr  1829  vorgelegt. 

Als  , streng  geheim'  zu  halten,  wurden  nachstehende  Tafeln 
—  und  zwar  in  sechs  Exemplaren  —  hinterlegt:  (XX.)  Staats- 
voranschlag und  Rechnungsabschluss ,  (XL.)  besondere  Ein- 
nahmen der  Provinzen,  (XLI.)  Staatsschuld  und  Staatscredit. 
(XLII.)  Staatsvermögen,  (XLIII.)  Staats-Einnahmen  und  Aus- 
gaben nach  den  einzelnen  Provinzen,  (XLIV.)  Staats-Einnahmen 
und  Ausgaben  nach  dem  Erfolge  mehrerer  Jahre,  (XLV.) 
Militär-Etat ,  (XLVI.)  Armeestandsveränderungen ,  (XL  VII.) 
Truppendislocation,  (XL VIII.)  Militäraufwand  für  das  vorher- 
gehende Jahr,  (XLIX.)  ^Militäraufwand  für  mehrere  Jahre,  und 
(LXXVL-  XCIII.)  Provinz-Uebersichten.2 


Wenden  wir  uns  nun  der  Denkschrift  Baldacci's  zu. 
Sie  ist,  wie  dies  der  Gegenstand  und  die  breitspurige  Art 
ihres  Verfassers  begreiflich  erscheinen  lässt,  ein  umfangreiches 
Schriftstück,  169'  2  Folio-Blätter,  von  seiner  Hand,  mit  den 
markigen,  scharfen  Zügen,  welche  zu  seinem  Wesen  stimmen. 
Zum  Schlüsse  findet  sich  die  Stelle:  , Geschrieben  in  den  letzten 


1  Joh.  Nep.  Freiherr  v.  M. ,  geb.  zu  Dresden  7.  November  1780,  gest. 
4.  Juni  1839,  Sohn  des  österr.  Diplomaten  Freiherrn  Franz  (gest.  1789) 
und  Neffe  des  Jesuiten  und  tüchtigen  Mathematikers  Georg  Ignaz  (gest. 
1798).  Vgl.  über  ihn  Wurzbach,  XVIII.  Bd.,  S.  67  —  68. 

2  Ueber  alles  dieses  A.  v.  Ficker  in  seiner  , Skizze  einer  Geschichte  des 
k.  k.  statistischen  Bureaus'. 


12  [12] 

sechs  Wochen  des  Jahres  1816  und  in  den  ersten  drei  Wochen 
des  Jahres  1817^,  die  uns  den  Zeitpunkt  der  Abfassung  genau 
bezeichnet. 

Das  Ganze  spiegelt  so  recht  die  Eigenart  Baldacci's  ab, 
der  an  der  Schwelle  des  Alters,  mit  55  Jahren,  nach  35jähriger 
vielseitiger  Berufsthätigkeit  unter  den  schwierigsten  Verhält- 
nissen sich  gedrungen  fühlt,  zunächst  für  sich  selbst  die  Summe 
des  Erlebten  und  Erfahrenen  im  Bereiche  des  inneren  Staats- 
wesens Oesterreichs  zu  ziehen  und  unumwunden  all  das  zu 
erörtern,  was  einer  Verbesserung  gründlich  bedürfe.  —  Er 
habe  ,nichts  übertrieben,  selbst  nicht  einmal  greller  gezeichnet', 
sei  , vielmehr  von  dem  Gesichtspunkte  ausgegangen,  da,  wo 
er  nur  Gutes  erzwecken  wolle,  ja  nicht  den  bösen  Geist  der 
Rechthaberei  und  beleidigten  Eitelkeit  aufzureizen  und  schon 
dadurch  der  Sache  zu  schaden'.  , Wollte  man  aber  Vieles  oder 
wohl  auch  das  Meiste  von  dem,  was  er  nicht  blos  berührt, 
sondern  umständlich  erörtert  und  begründet  habe,  nicht  gelten 
lassen  und  werkthätige  Einschreitungen  überflüssig  finden,  so 
dürfe  er  sich  doch  wenigstens  nicht  den  Vorwurf  machen, 
unberufen  geschrieben  zu  haben,  da  sein  Herz  rein  von  allen 
Nebenabsichten  sei,  da  er  den  Gegenständen,  die  er  behandle, 
ein  angestrengtes  Nachdenken  gewidmet  habe,  und  da  nur 
äusserst  wenige  Beamte  in  der  österreichischen  Monarchie  in 
der  Gelegenheit  gewesen  seien,  wie  sie  ihm  zu  Theil  geworden, 
so  vielseitige  und  ausgebreitete  Erfahrungen  an  verschiedenen 
Standpunkten  zu  sammeln'  —  ein  Ausspruch  nicht  unberech- 
tigten Selbstbewusstseins,  den  der  lange  bisher  zurückgelegte 
Weg  Baldacci's  in  Staatsdiensten,  die  Vielseitigkeit  seiner  Ver- 
wendung bestätigen,  und  dem  das  bezügliche  Urtheil  eines  mass- 
gebenden Kenners,  seines  jüngeren  Zeitgenossen  und  Berufs- 
verwandten, des  Freiherrn  Franz  von  Pillersdorf,  sehr  günstig 
an  die  Seite  tritt.' 


'  S.  die  bezügliche  Stelle  in  Freiherrn  v.  Pillersdorf's  , Handschriftlichem 
Nachlasse'.  Wien  1863,  S.  5ft'. :  , Selten  wurde  einem  Staatsdiener 
so  vielfältig  Gelegenheit  geboten,  sich  in  den  verschiedenen  Zweigen 
des  ßegierungsgeschäftes  durch  Kenntnisse  und  Erfahrungen  zu  be- 
reichern,  und  selten  wird  Arbeitsamkeit,  Ausdauer  laud  glückliche 
Auffassungsgabe  diese  Gelegenheit  so  gut  benutzt  haben,  uJn  über  die 
Interessen  der  Monarchie,  sowie  über  ihre  Stellung  nach  Innen  und 
Aussen  ein  richtiges  Bild  zu  erhalten,  als  dies  bei  Baldacci  der 
Fall  war'  .  .  . 


[13]  13 

Wir  dürfen  voraussetzen ,  dass  Baldacci,  obsehon  Form 
und  Ton  der  Denkschrift  zunächst  einer  Privataufzeichnung 
gleichkommen,  dieses  Ergebniss  all  seiner  mühsam  erworbenen 
Erfahrungen  an  massgebender  Stelle  fruchtbringend  zu  machen 
gedachte,  da  er  deren  , ungesäumte  Beherzigung'  wünscht,  doch 
sind  wir  nicht  in  der  Lage  darüber  Bescheid  zu  wissen,  ob 
und  mit  welchem  Erfolge  diese  Denkschrift,  deren  ursprüngliche 
Abfassung  Baldacci  seinem  jüngeren  Freunde,  Grafen  Braida, 
dem  Vater  ihres  gegenwärtigen  Besitzers,  in  die  Hände  legte, 
den  Weg  einer  officiellen  Vorlage  einschlug. 

Es  ist  kein  geistsprühendes,  schwungvolles,  etwa  gar  in 
picanten  Ausfällen'  sich  ergehendes  Memoire,  wie  es  Avohl  der 
Feder  eines  Gentz  entquollen  wäre,  kein  glattes,  elegantes 
Stück  Arbeit,  wie  sie  ein  Metternich  hätte  vom  Stapel  laufen 
lassen;  geduldig,  ausdauernd  muss  der  Leser  den  anmuth- 
losen,  holperigen  Weg  durch  die  langgesponnenen,  stihstisch 
ungelenken  Sätze  nehmen,  die  stets  weit  ausholen  und  für 
keinerlei  Schmuck  sorgen.  Aber  es  ist  auch  wieder  kein 
vielverschlungenes  Labyrinth  schillernder  Gedanken,  in  das 
er  verlockt  wird ,  und  worin  er  selbst  sich  zurechtfinden 
muss.  Die  Pfade  sind  klar  ausgemessen,  mit  sicherer  Hand 
abgesteckt.  Thatsachen  und  Ziffern  bilden  die  Grund-  und 
Marksteine,  nirgends  drängt  sich  überschwängHches  Raisonniren 
und  Combiniren  in  die  Quere,  kein  Schön-  und  kein  Schwarz- 
färben. 

Der  Verfasser  der  Denkschrift  ist  ein  entschiedener  Ab- 
solutist, ein  eingefleischter  Bureaukrat,  aber  ein  gewissenhafter 
Mann  mit  scharfen,  beweglichen  Augen,  der  die  Dinge  von  allen 
Seiten  ins  Auge  fasst  und  auch  das  Gewicht  der  öffentlichen 
Meinung  nie  verkennt.  Wir  sagten  bereits  einmal,  ein  Gentz, 
ein  Metternich  hätten  die  Druckschrift  ganz  anders  geschrieben, 
aber  es  ist  sehr  zu  bezweifeln,  dass  die  baare  Thatsächlichkeit, 
die  ungeschminkte  Wirklichkeit  an  ihnen  die  rechten  Anwälte 
gefunden  haben  würde;  jeder  von  Beiden  liebte  es  ja,  die 
Dinge  in  dem  Avechselnden  Lichte  der  Avechselnden  Stimmung 
und  des  wechselnden  Bedürfnisses  erscheinen  zu  lassen,  Gentz 
als  Publicist,  Metternich  als  Diplomat. 

Versuchen  wir  es  nun,  den  massenhaften  Gehalt  der 
Denkschrift  hier  in  Umrissen,  dort  in  Schlag worten  zu  ver- 
anschaulichen. 


14  [14] 

Die  Einleitung  hebt  mit  einer  ziemlich  düsteren  Be- 
trachtung über  den  allgemeinen  Nothstand  Oesterreichs  an; 
vor  Allem  aber  kennzeichnet  sie  die  tiefgreifenden  Nachtheile, 
welche  der  feindliche  Gegensatz  zwischen  der  öffentlichen 
Meinung  und  dem  Regime  im  Gefolge  habe,  und  berührt  im 
Allgemeinen  die  Ursachen  dieses  Sachverhaltes,  anderseits  den 
Zweck  der  Denkschrift,  Heilmittel  zur  Behebung  des  Uebels 
in  Vorschlag  zu  bringen. 

An  die  Spitze  der  Ausführungen  tritt  selbstverständlich 
die  finanzielle  Frage,  die  Zerrüttung  des  Geldwesens  und 
die  Entwerthung  des  massenhaften  Papiergeldes. 

Es  ist  die  Zeit  der  rechtschaffenen  Bestrebungen  des 
neuen  Hofkammerpräsidenten,  Grafen  Philipp  Stadion,  den 
der  Erbe  seines  früheren  Portefeuilles,  Staatskanzler  Metter- 
nich,  zum  Nachfolger  des  Grafen  Walhs  —  unerfreulichen 
Andenkens  —  vorgeschlagen  hatte,  wie  er  uns  dies  in  seinen 
Denkwürdigkeiten  erzählt.'  ,Ich  verwendete,^  sagt  hier  Metter- 
nich,  ,die  Jahre  1816  und  1817  zur  Regelung  meiner  Ansichten 
und  ordnete  sie  in  zwei  Richtungen,  zuerst  in  der  moralischen, 
dann  in  der  speciellen,  in  ihrer  Beziehung  auf  den  Staats- 
haushalt materiellen.  Die  Bearbeitung  des  ersten  Theiles  be- 
hielt ich  mir  selbst  vor,  bezüglich  des  letzteren  suchte  ich 
Hilfe  bei  dem  Grafen  Stadion,  dem  der  Kaiser  über  meinen 
Antrag  die  Leitung  der  Finanzen  anvertraut  hatte,  bei  dem 
Fürsten  Schwarzenberg,  der  an  der  Spitze  des  Kriegswesens 
stand,  und  bei  dem  Staats-  und  Conferenzminister  Grafen 
Karl  Zichy,  dessen  Geist  zur  Aufnahme  alles  Rechten  geeignet 
und  dessen  Kenntnisse  in  allen  Fächern  der  deutschen  und  der 
ungarischen  Länder  des  Reiches  erschöpfend  waren. ^  —  Diesen 
Ausführungen  tritt  auch  IMetternich's  , Memorandum  über  die 
Regelung  des  Geldwesens^  von  12.  October  1816,2  also  ziemlich 
gleichzeitig  mit  der  Denkschrift  Baldacci's,  an  die  Seite. 

Metternich  war  damals  Präses  jenes  Conferenzrathes,  der 
die  jDrangsale  des  Finanzsystems  zu  beseitigen  und  den  öffent- 
lichen Credit  dauernd  zu  begründen  hattet   Der  Kaiser,  derzeit 


1  ,Aus  Metteruichs  nachgelassenen  Papieren'.  , Denkwürdigkeiten'  II.  Theil, 
1816—1848  ,Friedensaera',  1.  Bd.  Wien   1881,  Einl.  S.   VII. 

2  ,Aus  Metternichs  nachgelassenen  Papieren'  II,  1.  S.  14—18.  ,Ein  Me- 
morandum des  Fürsten  Metternich'  (als  Präses  des  Conferenzrathes).  Vgl. 
A.  Beer,  Die  Finanzen  Oesterreichs  im  TJ.  Jahrhundert  (1877),  S.  86ff, 


[15]  15 

in  Frankreich,  anlässlich  der  ersten  Oecupation,  weilend, 
drängte  von  Troyes  aus  (19.  Februar  1814)  auf  die  baldige 
Inangriffnahme  der  Finanzmisere,  doch  hatte  dies  gute  Wege, 
und  die  weiteren  Ereignisse  waren  einer  ruhigen  Arbeit  am 
Rathstische  nicht  günstig.  Der  Vortrag  Stadion's  an  den  Kaiser 
vom  31.  Jänner  1816  über  die  Regelung  der  Geldverhältnisse 
hatte  im  Allgemeinen  die  Zustimmung  des  Monarchen  erlangt, 
und  zwar  zunächst,  was  das  neue  Institut  der  Zettel-Escompte- 
und  Hypothekenbank  als  Nationalbank  betraf.  Dies  entnimmt 
man  dem  k.  Handschreiben  an  Stadion  aus  Mailand  vom 
1.  März  1816.  Der  Schluss  dieser  Kundgebung  des  kaiser- 
lichen Willens  weist  die  Chefs  aller  Hofstellen  unter  Einem 
an,  bei  der  Ausführung  der  in  Frage  stehenden  Verfügungen 
und  Massregeln  mitzuwirken,  und  steht  somit  in  unmittelbarer 
Beziehung  zur  Einsetzung  jenes  Conferenzrathes. 

Stadion  hatte  als  Mitarbeiter  an  seinem  schwierigen  Werke : 
Pillersdorff,  Josef  von  Hauer  und  Kübeck,  sämmtlich 
Persönlichkeiten,  die  unter  den  Augen  Baldacci's  empor- 
gekommen waren  und  seinem  Berufskreise  angehört  hatten, 
herangezogen.  Ihre  Gutachten  bilden  ein  wichtiges  Material 
zur  Geschichte  der  damaligen  Finanzpläne,  und  zu  ihnen 
gesellt  sich,  abgesehen  von  dem  oben  erwähnten  Memoriale 
Metternich's,  die  geistvolle  Gelegenheitsarbeit  Friedrichs  von 
Gentz  in  seiner  bezüglichen  Correspondenz ^  und  insbesondere 
später  in  der  ausführlichen  Denkschrift  über  das  österreichische 
Geld-  und  Creditwesen  vom  Jahre  1818.^ 

Dieser  Fülle  an  Aufschlüssen  über  die  damaligen  finan-. 
ziellen  Experimente  oder  Heilungsvorschläge  für  ein  verrottetes 
Uebel  stellt  sich  Baldacci's  Darlegung  des  Sachverhaltes 
willkommen  an  die  Seite.  Denn  auch  er  zählte  berufs-  und  er- 
fahrungsmässig  zu  den  Mitarbeitern  an  dem  schwierigen  Werke. 


1  Vgl.  die  jBriefe  von  Freiherrn  v.  Gentz  an  Pilat'.  Ein  Beitrag  zur  Ge- 
schichte Deutschlands  im  19.  Jahrh.,  herausgegeben  von  Dr.K.  M  endels- 
sohn-Bartholdy  I,  Leipzig  1868,  S.  22-4— 225 :  Aus  Gastein  11.  Aug. 
1816  in  Bezug  der  Einlösungs-Operation.  Schluss:  ,Ich  habe  in  den 
letzten  Tagen  viel  in  dieser  Sache  gearbeitet  und  werde  vermuthlich- 
mit  nächster  Post  die  Frucht  meiner  Meditationen  an  den  Grafen  Sta- 
dion einsenden'. 

2  Vgl.  A.  Beer,  Die  Finanzen  Oesterreichs  im  19.  Jahrhundert  (1877), 
S.  86flf. 


16 


[16] 


Er  bietet  die  eingehende  Darlegung  der  Finanzzustände  und 
Operationen  vor  und  nach  dem  verhängnissvollen  Patente  vom 
Jahre  1811,  dcstjen  Nachtheile  Baldacci  nicht  in  der  ,Deval- 
virung^  oder  Werthherabsetzung  des  Papiergeldes  und  der 
Scheidemünze,  sondern  darin  erblickt,  ,dass  dem  zu  Grabe 
gegangenen  Papiergelde  ein  anderes,  das  sich  von  dem 
früheren  blos  durch  seine  ungleich  geringere  Menge  unter- 
schied, substituirt  worden  ist  (die  , Einlösungsscheine'),  dass 
man  seinen  Werth  einzig  durch  die  Seltenheit  erzwingen  wollte, 
dass  sonst  gar  nichts,  um  dem  neuen  Papiergelde  Credit  zu 
verschaffen,  geschah,  dass  vielmehr  fortwährend  Handlungen 
begangen  wurden,  die  das  ungeschwächte  Vertrauen  nur  noch 

tiefer  sinken   machen   mussten' In  den  Augen  Bal- 

dacci's  erschien  somit  der  finanzielle  Nachkrach  mit  den 
Anticipationsscheinen  noch  schlimmer  als  die  Katastrophe  vom 
Jahre  1811. 

Indem  nun  Baldacci  zur  Erörterung  der  Reformen  in  der 
Stadion'schen  Epoche  übergeht,  gedenkt  er  seines  schriftlichen 
Vorschlages  zu  Gunsten  der  Convertirung  des  gesammten 
Papiergeldes  in  eine  unverzinsliche  Schuld  (vom  19.  No- 
vember 1815  u.  ff.).  Der  gleichen  Anschauung  gab,  wie  wir 
wissen,  das  Gutachten  PiUersdorf's  Ausdruck,  Avelcher 
ausserdem  die  Schöpfung  eines  Bankinstituts  mit  dem  aus- 
schliesslichen Zwecke,  ,den  Geldbedürftigen  gegen  billige  Be- 
dingungen und  vollständige  Deckung  Darlehen  zu  geben',  als 
die  zweite  Nothwendigkeit  betonte  und  in  dieser  Beziehung 
.an  Hauer  einen  gleichgesinnten  Collegen  fand.  Kübeck 
sprach  sich  aber  gegen  den  zwangweisen  und  plötzlichen 
Uebergang  zur  Metallmünze  aus  und  begegnete  sich  darin  mit 
der  Meinung  Stadion's  und  mit  den  Ansichten  Metternich's, 
der  in  jener  Denkschrift  vom  12.  October  1816  unter  den 
drei  Systemen  der  Creditreform:  1.  Devalvation,  2.  gesetzliche 
oder  gezwungene  Einziehung  (Convertirung)  und  3.  successive 
Tilgung,  —  der  Letzteren  das  Wort  redete.' 

Dass  hiebei  auch  Gentz  als  berufener  Kritiker  der 
Finanz  Wirtschaft  von  Metternich  und  Stadion  ausgiebig  zu  Rathe 
gezogen  wurde,  entnimmt  man  am  besten  seinem  Schreiben 
an   Pilat   von    11.  und  15.  August   1816,    worin    er   sich    über 


^  Vgl.  S.  14,  Anm.   1  und  das  citirte  Buch  von  A.  Beer. 


[17]  17 

• 

Höh  1er' s  Finanzschriftstellerei  sehr  abfällig  äussert,'  und  noch 
mehr  beweist  dies  seine  namhafte  Denkschrift  über  ,das  öster- 
reichische Geld-  und  Creditwesen^  vom  Jahre  1818  zu  Gunsten 
der  Finanzoperationen  Stadion's  aus  den  Jahren  1817  und  1818. ^ 

Auch  der  in  beiden  Hemisphären  abenteuernde,  geist- 
volle B  oll  mann  hatte  im  Jahre  1816  im  Webstuhle  der 
Finanzreformen  manchen  Einschlagfaden  legen  geholfen.^' 

Baldacci  war  für  die  gesetzliche  oder  zwangsweise  Con- 
vertirung  als  das  ^mindere  Uebel'  entschieden  eingetreten, 
während  sich  Stadion  einerseits  für  eine  Nationalbank  in  oben 
angedeutetem  Sinne,  andererseits  für  die  Combination  der  Banco- 
zettel  und  neuer  StaatsobHgationen  ("^7  +  Vt)?  ^Iso  für  das 
System  der  freiwilligen  Con  Version  oder  Tilgung  des  Papier- 
geldes entschied.  Baldacci  war  aber  durchaus  nicht  der  Mei- 
nung, über  das  Gelingen  der  Finanzprojecte  Stadion's  von 
vorneherein  den  Stab  zu  brechen. 

Sehr  anschauHch  erörtert  Baldacci  die  Genesis  des  Finanz- 
patentes vom  1.  Juni  1816  und  dessen  Misserfolge.  Er  zählte 
wohl  nicht  zu  den  , Fanatikern  der  Devalvirung' ,  welche  den 
Kaiser  mit  Vorschlägen  umschwärmten,  und  denen  Metternich, 
von  Gentz  angeeifert,  zu  Gunsten  Stadion's  mit  Erfolg  gegen- 
übertrat, aber  er  blieb,  in  das  Finanzcomite  berufen,  ein  zäher 
Verfechter  der  zwangsweisen  Convertii-ung.^  Seine  Meinung 
fand  jedoch  lebhaften  Widerspruch,  den  man  durch  Hinweis 
auf  die  vielseitigen  volkswirthschaftlichen  Nachtheile  einer 
Ueberstürzung  dieses  Systems  begründete. 


1  A.  Beer,  a.  a.  O.  S.  88.  Von  den  Werken  des  ziemlich  .schreibseligen 
Hohler's  gehört  hieher:  ,Welche  Hilfsmittel  hat  die  österreichische 
Monarchie  ziir  Herstellung  eines  regelmässigen  Geldumlaufes?'  Wien  1816. 

•^  Vgl.  S.   15,  Aum.   1  und  2. 

3  S.  über  ihn:  Varnhagen  v.  Ense's  Vermischte  Schriften  2.  Aufl.,  I. 
(1843),  S.  280  ff.  Er  hatte  .sich  1814  in  W^ien  eingefunden.  Bei  den 
Finanzmassregeln  und  bei  der  Gründung  der  Nationalbank  wurden  vor- 
zugsweise seine  Einschläge  gewürdigt.  Freiherr  v.  Gentz  schreibt  über 
ihn  in  den  Tagebüchern,  herausgegeben  von  Varnhagen  v.  Ense,  und 
zwar  18.  December  1814  (S.  343);  ,Visite  du  docteur  Bollmann,  qui 
est  un  homme  tre.s-superieur  en  fait  de  finances,  et  dont  j'espere ,  que 
nous  tirerons  beaucoup  de  profit  .  .  .' 

*  Für  Gentz,  dessen  Urtheil  über  Persönlichkeiten  keineswegs  immer 
einer  Gold  wage  gleicht,  blieb  Baldacci  selbstverständlich  immer  ein 
,miserable  routinier',  wie  er  ihn  auch  im  Tagebuch  zum  Februar  1810 
(S.  225)  bezeichnet. 

2 


18  [18] 

Baklacci's  Denkschrift  beschäftigt  sich  sodann  mit  dem 
Vorschhige  Pillersdorf 's,  der  das  System  der  Arrosirung 
oder  successiven  Tilgung  der  Staatsschuld  empfahl.  Er  fand 
dies  Project  gerecht  und  consequent,  aber  er  gab  auch  seinen 
Bedenken  nicht  unwirksamen  Ausdruck,  und  seine  Denkschrift 
erörtert  ausführlich  das  Schicksal  des  Arrosirungsprojectes,  die 
Schwebe  der  Convertirung  seit  dem  Anlehenspatente  vom 
29.  October  1816,  endlich  die  Berechtigung  des  vorzüglichsten 
Einwurfs  gegen  die  Convertirung,  welcher  die  schwere  Last 
der  Zinsenzahlung  als  Keim  eines  neuen  Deficits  im  Auge  habe. 

Auf  diesem  Wege  der  Betrachtung  kommt  Baldacci  auf 
ein  Haupterforderniss  der  finanziellen  Entlastung,  auf  die  Re- 
duction  der  Armee  zu  sprechen. 

Gerade  so  wie  in  der  Finanzfrage  bleibt  der  Verfasser 
unserer  Denkschrift  dem  Concreten ,  Nächstliegenden  zuge- 
wendet. Baldacci  war  kein  Mann  der  schwungvollen,  schöpfe- 
rischen Ideen,  kein  Freund  weitgreifender  Theorien,  kein 
Pessimist  und  doch  nichts  weniger  als  ein  Sanguiniker.  So 
tritt  er  uns  auch  in  diesem  Capitel  vor  Augen. 

Keine  europäische  Macht  könne  diese  unverhältnissmässige 
Belastung  für  die  Länge  aushalten.  Er  verweist  auf  Frank- 
reich, Preussen,  England,  die  Niederlande,  Spanien,  Neapel, 
Sardinien,  auf  die  deutschen  Mittelstaaten,  unter  denen  Sachsen 
seine  Armee  aufs  Aeusserste  reducirt  habe,  auf  Dänemark,  Schwe- 
den, woselbst  überall  die  Erkenntnis«  von  der  Nothwendigkeit 
der  Heeresverminderung  wirksamer  werde.  Russland  reducire 
thatsächlich  nicht,  aber  gewiss  nicht  zu  seinem  Vortheile. 

Der  , heilige  Bund',  d.  i.  die  Allianz  der  drei  Haupt- 
mächte, sei  keine  hinlängliche  Bürgschaft  für  eine  ewige  oder 
auch  nur  lange  Dauer  des  Friedens,  aber  die  Regierungen 
müssten  endlich  die  Ueberzeugung  von  der  Nothwendigkeit 
einer  Erleichterung  der  Volkslasten  zur  Hebung  des  allgemeinen 
Wohlstandes  dennoch  gewinnen  und  sich  vor  der  übelver- 
standenen Anwendung  des  landläufigen  Spruches:  ,Si  vis  pacem, 
para  bellum'  hüten. 

Vor  Allem  aber  habe  Oesterreich  diese  Entlastung  nöthig, 
nun,  nach  so  vielen  harten  und  langen  Kriegen,  da  der 
, Menschenwürger  (Napoleon)  bezähmet'  und  der  äussere  Friede 
fester  denn  je  gegründet  scheine ;  jetzt  heisse  es,  den  arbeitenden 
Händen  so  viel  als  nur  möglich  zurückgeben. 


[19]  19 

Sehr  belehrend  sind  die  genauen  Zusammenstellungen 
Baldacci's  über  den  jäh  anschwellenden  Aufwand  für  das 
Heer  Oesterreichs  von  1787  an.  Binnen  16  Jahren  sei  er 
über  1212  Millionen  Gulden  angewachsen.  Auf  jedes  Jahr  ent- 
fielen mithin  mehr  als  75  Millionen,  also  dreimal  so  viel,  als 
die  Jahreseinkünfte  des  Staates  dem  Armeebedarfe  zuwenden 
konnten.  So  hätten  sich  die  , ausserordentlichen  Zuschüsse^, 
das  sogenannte  Extraordinarium,  auf  839  Millionen  gesteigert. 
Dazu  wäre  1792 — 1801  das  Ausströmen  des  Geldes  auf  fremd- ' 
ländische  Kriegsschauplätze,  andererseits  1805  —  1809  der 
Jammer  feindlicher  Occupation  und  Contribution,  das  Ueber- 
mass  der  Leistungen  von  1813  —  1815  getreten.  Dem  , heillosen 
Zustande'  müsse  ein  Ende  gemacht  werden. 

Bei  all  dem  habe  sich  die  Armee  Oesterreichs  im  Ver- 
gleiche zu  anderen  in  der  schlimmsten  materiellen  Lage  und 
armseligsten  Equipirung  befunden.'  ,Mit  einer  kleineren  aber 
gut  gehaltenen  und  zufriedenen  Armee,'  sagt  Baldacci,  ,ist 
dem  Staate  ungleich  mehr  gedient  als  mit  einer  stärkeren, 
darbenden  und  darum  missvergnügten  Armee'  —  und  begründet 
dies  des  Näheren. 

Er  bespricht  sodann  die  Massregel  einer  genauen  Berech- 
nung des  Militäretats,  die  verderblichen  Folgen  der  jüngsten 
Missernte  für  die  Creditoperationen  des  Staates  und  die  Be- 
rathungen  über  die  Theuerungs Verhältnisse. 

Baldacci  findet  in  der  damaligen  Theuerung  ein  auf- 
fallendes Ereigniss,  indem  er  die  Getreidepreise  des  vorigen 
Jahrhunderts  von  1730  an  mit  den  neueren  vergleicht  und  mit 
Rücksicht  auf  die  1810  und  1816  gemachten  Erfahrungen  in 
den  herrschenden  , exorbitanten'  Preisen  die  Wirkungen  der 
,Opinion'  und  der  ,Speculation'  erblickt.  Das  Papiergeld  und 
die  Unverhältnissmässigkeit  der  Grundsteuer  setzten  die  Gross- 
grundbesitzer in  den  Stand,  die  Erzeugnisse  des  Feldes  zurück- 
zuhalten und  so  die  Preise  in  die  Höhe  zu  treiben. - 


'  Vgl.  den  von  mir  im  k.  k.  Kriegsarchive  eingesehenen  und  in  meinem 
Buche  , Zur  Geschichte  Oesterreichs  1792—1816',  S.  272  f.  inhaltlich 
skizzirten  Vortrag  Baldacci's  an  den  Kaiser  vom  25.  Februar  1814 
(Bar-sur-Aube)  über  die  österreichische  Armee,  worin  die  Schäden  des 
Heeresvvens  in  nachdrücklichster  Weise  beleuchtet  erscheinen. 

2  Die  Zusammenstellungen  Baldacci's  wären  dem  Verfasser  des  Aufsatzes 
,Die  Getreidepreise  im  19.  Jahrhundert,  mit  besonderer  Berücksichtigung 

2* 


20  [20] 

Baldacci  kommt  dann  auf  die  Arbeit  der  Steuerreo^u- 
lirungscommission  zu  sprechen  nnd  übergeht  hierauf  zu  den 
Verkehrsverhältnissen  oder  ,Communicationen'  des  Staates, 
indem  er  die  Dringlichkeit  der  ärarischen  Strassenanlagen  für 
die  Lindernng  provinzieller  Nothlage  ins  Auge  fasst.  Er  be- 
spricht den  Pauperismus  der  Militärgrenze,  im  ehemals  kroa- 
tischen Grenzlittorale,  in  Krain,  Kärnten  und  Steiermark, 
woselbst  der  durch  Emporschraubung  der  Eisenpreise  1810 
gemachte  ,Scheinreichthum'  schon  1811  der  äussersten  Ver- 
schlimmerung der  gewerblichen  Verhältnisse  wich.  Der  Staat 
solle  dieser  Erscheinung  nicht  unthätig  zusehen ,  da  er  ja 
Mitinteressent  sei.  Allerdings  war  Baldacci  persönlich  davon 
betroffen,  als  Besitzer  des  Gewerkes  zu  St.  Stephan  in  Eibiswald. 

Die  Bedeutung  des  steirisch-kärntnischen  Strassengewerbes 
hänge  von  dem  Wohl-  oder  Missstande  des  Küstengebietes 
und  von  dem  Verkehre  mit  Italien  ab.  Ohne  staatliche  Aus- 
hilfe, ohne  Vorschüsse  lasse  sich  wenig  erwarten.  Günstiger 
sei  die  Sachlage  in  Krain ,  da  ihm  beim  Wechsel  der  Herr- 
schaft die  Metallmünze  erhalten  blieb. 

Die  Verkehrsbedeutung  des  K ü stenlandes  und  ins- 
besondere Triests,  ja  auch  Fiumes  erheische  alles  Augen- 
merk und  die  Vermeidung  bisheriger  Missgriffe.  Die  Haupt- 
hindernisse lägen  in  der  äusserst  beschwerlichen  Communication, 
in  der  Verschiedenheit  der  Geld  Währung,  in  den  geldver- 
wüstenden Bürsenspeculationen  und  in  der  ungünstigen  Zoll- 
verfassung des  Inlandes.  Bei  einer  allgemeinen  Tarifsrevision 
verspreche  sich  Baldacci  von  der  Einsicht  des  Tarifsreferenten 
Hofrath  von  Leon  nicht  viel  Gedeihliches. 

Die  Denkschrift  wendet  sich  nun  den  besonderen  Zu- 
ständen des  Verkehrswesens  zu.  Eine  Verlängerung  des 
Wiener-Neustädter  Canales  bis  zum  Meere  hält  Baldacci  für 
undurchführbar,  um  so  mehr  Fürsorge  verlangt  er  für  die  Ver- 
besserung der  Strassen  in  das  Küstenland  und  nach  Italien. 
Dabei  kommt  er  insbesondere  auf  die  Vermeidung  des  kost- 
spieligen und  beschwerlichen  Passweges  über  den  Semmering 
und    auf   die    Vermeidung    des    Triester    Berges    zu    sprechen. 


der  Preisseliw.iukuiigPii',  Dr.  B.  Wei.ss,  im  III.  Jalng:.  (1877)  der  Rta- 
t.i.st,ischen  Moiiat.sclirift,  Wien,  I.  Abth.,  S.  34.0—370  siclierlich  willkomiiien 
gewesen.    Vgl.  H.  Meynert,  K.aispr  Franz  I.   Wien   1872,  S.  .341  ft'. 


[21]  21 

Eine  Erweiterung  des  Handels  von  Tri  est  werde  auf  die  an- 
grenzenden Länder,  vor  Allem  auf  Istrien  und  Fiume,  ,das  in 
mehr  als  einer  Hinsicht  immer  nur  eine  Filiale  von  Triest 
bleiben  wird^,  desgleichen  auch  auf  Friaul  günstig  einwirken. 
Baldacci  bespricht  dann  die  verschiedenen  Nothstands- 
und  Theuerungs Verhältnisse  im  lombardisch-venetianischen 
Königreiche,'  in  Tirol  undf  Vorarlberg,  Ober-  und  Nieder- 
Oesterreich,  Böhmen ,2  Mähren,  Schlesien  und  Galizien,  um 
sich  dann  Ungarn  und  dessen  Kronländern''  zuzuwenden.  Man 
dürfe  aber  in  Bezug  auf  staatliche  Aushilfe  die  wesentliche  Ver- 
schiedenheit in  der  Steuerleistung  zwischen  Ungarn 
und  den  anderen  Erbländern  nicht  ausser  Acht  lassen. 
Diese  zahlten  für  das  laufende  Militärjahr  12,  Ungarn,  ,wo  die 
Steuerfreiheit  zu  den  Cardinalprärogativen  des  Adels  und  der 
Geistlichkeit  gehört',  nur  6  MilHonen.  Man  dürfe  doch  nicht  die 
gewaltig  überbürdeten  deutschen  und  italienischen  Provinzen 
noch  mehr  belasten ,  um  den  Ungarn  unter  die  Arme  greifen 
zu  können.  Adel  und  Geistlichkeit  seien  hier,  vermöge  ihrer 
Prärogativen,  besser  in  der  Lage,  ihre  Unterthanen  zu  unter- 
stützen. Der  Staat  müsse  sich  diesbezüglich  in  Ungarn  auf  die 
Domänialunterthanen  beschränken.  Vorschüsse  aufzuwenden, 
sei  nicht  unbedenklich,  weil  solche  disponibler  Cassenvorräthe  ^ 
bedürfen  und  solche  in  Ungarn  am  schwersten  einbringlich 
bleiben.  Weit  schlimmer  als  Ungarn  befänden  sich  Sieben- 
bürgen und  das  Grenzervolk;  hier  seien  Vorschüsse  un- 
vermeidlich. 


'  Von  dieser  handeln  das  k.  Handbillet  vom  19.  August  und  das  vom 
3.  October  1816  aus  (H.  Meynert,  a.  a.  O.  S.  394)',  desgleichen  die 
vom  20.  und  24.  Jänner  1817  (ebend.).  Der  Hunger  in  seiner  ganzen 
Härte  suchte  damals  den  Görzer  Kreis,  die  Gebiete  von  Brescia,  Ber- 
gamo und  Como  heim;  Salat,  Krautsuppe,  ja  selbst  gekochtes  Gras  war 
die  einzige  Nahrung  Vieler. 

2  In  Böhmen  herrschte  besonders  seit  1813  die  äusserste  Brottheuerung 
(Meynert,  a.  a.  O.  S.  399). 

3  Besonders  hatten  1816  die  kroatischen  Gegenden  an  der  Save  durch 
deren  Ueberfluthungen  gelitten  (ebend.  S.  397). 

*  Von  der  Unzulänglichkeit  der  vorhandenen  Fonde  handelt  das  k.  Hand- 
schreiben an  den  Oberstkanzler  vom  1.  März  1817  (Mej'nert,  a.  a.  O. 
S.  380).  Wie  langsam  es  mit  den  ämtlichen  Eingaben  über  den  Noth- 
stand  herging,  so  dass  bis  1822  tabellarische  Darlegungen  erst  von 
Böhmen,  Mähren  und  Schlesien  vorhanden  waren,  beweist  der  Ausdruck 
des  kaiserlichen  Missfallens  über  diese  Verzögerungen    (ebend.    S.  382). 


22  [22] 

Dalmatiens  Lage  findet  Baldacci  bei  aller  Theuerung 
günstiger  als  den  Zustand  der  Militärgrenze,  denn  dort  gebe 
es  keine  Militärpflicht  des  gemeinen  Mannes,  mithin  grössere 
Erwerbsfähigkeit,  ausserdem  Oel-  und  Weinbau  als  Ersatz  für 
die  Schäden  des  Ackerbaues. 

Den  nothwendigen  Aufwand  staatlicher  Geldaushilfe 
für  die  Monarchie  beziffert  Baldacci  auf  eine  Millionen  Gulden 
W.  W.  und  einige  hunderttausend  in  Conventionsmünze  nach 
Massgabe  provinzieller  Nothlage ,  insoweit  indirecte  Mittel, 
so  öffentliche  Arbeiten  für  die  ärmeren  Classen ,  nicht  zu- 
reichten.- 

Als  wirksamste  Mittel  zur  Hebung  des  Landbaues  werden 
gutes  Beispiel,  Unterricht,  ökonomische  Lehrkanzeln,  Muster- 
wirthschaften  und  Anderes  empfohlen ,  da  in  Hinsicht  des 
materiellen  Culturgrades  Oesterreich  so  manchem  fremden 
Staate  nachstünde.  Die  Landesstellen  müssten  da  mit  genauen 
Ausweisen  der  provinziellen  Zustände  vorangehen. ^ 

Baldacci's  Denkschrift  übergeht  nun  von  der  Darlegung 
der  schlechten  Beschaffenheit  des  österreichischen  Strassen- 
Avesens  auf  den  Nachweis  seines  Bestandes  in  den  ein- 
zelnen Provinzen,  mit  Ausschluss  Ungarns,  Siebenbürgens 
und  der  Mihtärgrenze.  Das  Verhältniss  des  Flächeninhalts  zur 
Länge  der  Strassen,  die  Art  und  Weise  der  Strassenbewirth- 
schaftung  und  der  bezügliche  Staatsaufwand  finden  sich  un- 
gemein eingehend  erörtert. 

Der  Verfasser  wendet  sich  dann  der  nothwendigen  Her- 
stellung neuer  Verkehrswege ,  der  zweckmässigen  Ergänzung 
des  Haupt-Strassennetzes  durch  Vicinal-  und  Secundärwcge 
zu  und  beschäftigt  sich  hierauf  mit  den  Wasserstrassen. 

Der  Bäcser  und  Franzens-  oder  Wiener-Neustädter  Canal 
erscheinen  ihm  als  leidige  Beispiele  einer  , Verschwendung 
staatswirthschaftlicher  Kräfte^  Man  hätte  —  mit  einem  Blick 
auf  die  Karte  —  Besseres  thun  können  und  sollte  es  noch  thun. 

Baldacci  —  von  Ungarns  Wasserstrassen,  , einem  Ge- 
schenk der  Natur^   ausgehend  —  legt  ein  besonderes  Gewicht 

'  Die  Getreidevorräthe  waren  1813 — 1815  durch  die  Armeebedürfnisse 
stark  mitgenommen  worden.  1815  gab  es  eine  Ernte  unter  der  Mittel- 
mässigkeit,  1816  ein  völliges  Missjahr  (Meynert,  a.  a.  O.  S.  360).  Vgl. 
auch  die  ,Vaterländi.schen  Blätter',  Jahrg.   1817,  Nr.   31,  S.    120  ff. 

'  lieber  die  Verschleppung  dessen  vgl.  S.  21,  Anm.  4. 


[23]  "^^ 

auf  die  Stromregulining,  indem  er  die  bezüglichen  Versuche 
seit  der  Theresianischen  Epoche  Avürdigt.  Die  Betrachtung  der 
Donau  und  deren  zerstörender  Thätigkeit  führt  ihn  zur  Dar- 
legung der  Nothwendigkeit,  für  gute  Stromkarten  zu  sorgen. 
Er  kommt  auf  bezügliche  Anläufe  in  Niederösterreich  und  in 
der  Steiermark'  zu  sprechen.  Was  Krain  insbesondere  be- 
treffe, so  sei  ihm  ganz  zuverlässig  bekannt,  dass  1806—1800 
die  Krainer  Stände  mit  eigenen  Mitteln  und  staatlichen  Vor- 
schüssen die  Regulirun g  der  Save  und  die  Entwässerung 
des  Laibacher  Moores  vorbereiteten.  Die  französische 
Occupation  habe  das  Unternehmen  wieder  gelähmt. ^ 

Die  Denkschrift  beschäftigt  sich  hierauf  mit  den  Zu- 
flüssen der  Donau  in  Ungarn »  und  verweist  auf  die  Er- 
höhung der  Salzpreise,  als  ein  Mittel  zur  Bestreituug  der 
Regulirungskosten.  Wir  erfahren  Einiges  über  das  Project 
Dorfleuthner's,  die  March  schiffbar  zu  machen,^  über  die  be- 
züglichen Anträge  des  Grosshändlers  Schweiger  in  Hinsicht 
der  March  und  ihrer  Verbindung  mit  der  Oder. 

Baldacci  betont  in  dieser  Richtung  namentlich  die  Vor- 
schläge Wiebeking's^  aus  der  Zeit,  als  er  noch  einen  Hof- 
rathsposten  in  Wien  bekleidete,    und  die  Abänderungen  jener 


1  Mit  der  Murschifffahrt  beschäftigte  sich  eingehend  Liechtenstern  in 
seinem  , Archiv  für  Geographie  und  Statistik'.  Wien,  Jahrg.  1802,  I, 
S.  65  ff,  und  II,  S.lff. 

2  Die  Hauptarbeit  der  Entsumpfung  begann  (Mai  1821)  unter  der  Bei- 
ziehung des  Hofbaudirectors  Josef  Sehern erl  Ritter  von  Leithen- 
bach,  eines  gebornen  Kraiuers. 

3  Ueber  die  Wasserfahrt  auf  der  Waag  handelt  Gregor  v.  Bredeczky 
in  den  ,Vaterländischen  Blättern',  Jahrg.   1813,  Nr.   1. 

<  Johann  Rochus  Dorfleuthner  und  Comp,  hatten  bereits  1785,  10.  October 
ein  zwanzigjähriges  Privilegium  zur  BeschiÖ'ung  der  March  erhalten. 
S.  Joh.  Alex.  Hanke  v.  Haukenstein  (Vorstand  der  Olmützer  Univer- 
sitäts-Bibliothek): Versuch  über  die  Schiffbarmachung  des  Flusses  March 
und  Handlung  der  Mährer.  Brün   1784. 

5  Hofrath  v.  Wiebeking  bereiste  im  kaiserlichen  Auftrage  1804  die  March 
von  Olmütz  bis  an  die  Donau,  und  sie  wurde  bei  dieser  Gelegenheit 
in  ihrem  ganzen  Laufe  von  dort  bis  zur  Mündung  nivellirt.  Er  bean- 
tragte alsbald  eine  Entwässerungsschleusse  bei  Göding.  Das  bezügliche 
Project  wurde  1809  ausgearbeitet.  Vgl.  d'Elvert,  Geschichte  der  Ver- 
kehrsanstalten in  Mähren  und  Oesterreichisch-Schlesien.  Brunn  1855, 
S.  269—270, 


24  [24] 

durch  den  Hüfcommissionsrath  von  Öchemerl.'  Jedenfalls  ver- 
dienten die  Vorkehrungen  gegen  die  Inundation  der  March  eine 
wirksame  Förderung.'^  Auch  für  Galizien,  Oberösterreich,  Tirol 
und    das   Lombardisch- Venetianische    sei   noch   genug  zu  thun. 

Mit  einer  Darlegung  des  staatlichen  Aufwandes  und  der 
ungenügenden  Thätigkeit  des  Hofbaurathes  in  Folge  des 
allzu  geringen  Personales  verbindet  Baldacci  Winke  in  Hinsicht 
einer  zeit-  und  zweckgemässen  Neugestaltung  dieser  Behörde 
was  wieder  mit  einer  Hebung  der  bezüglichen  Bildungs- 
anstalten zusammenhänge.  Er  vergleicht  diesfalls  die  Zustände 
Preussens  mit  denen  Oesterreichs.  Dort  würden  an  der  Berliner 
Bauakademie  innerhalb  vier  Jahren  von  15  verschiedenen 
Professoren ,  welche  meistentheils  dem  Baudepartement  zu- 
gehörten, 23  verschiedene  Fächer  vorgetragen.  Das  Wiener 
polytechnische  Institut  leiste  das  nicht;  besser  sei  diesfalls  das 
Prager  eingerichtet.^ 

Nachdem  die  Denkschrift  der  nothwendigen  Ausweise 
und  Verzeichnisse  behufs  der  Feststellung  des  Aufwandes  für 
den  nothwendigen  Betrieb  des  ärarischen  Strassen-,  Wasser- 
und  Hochbaues  gedacht,  übergeht  sie  auf  das  Postwesen 
und  dessen  leidigen  Zustand  im  Gegensatze  zu  den  bezüglichen 
Fortschritten  in  England,  Frankreich  und  Italien.  Es  sei 
nothwendig,  für  ein  neues  ,Regulament^,  die  Bestellung  einer 
General-Postdirection  und  wenigstens  einiger  Postvisitations- 
commissäre  zu  sorgen.^ 

Es  kommen  dann  die  öffentlichen  und  Privat- 
anstalten unter  dem  Einflüsse  der  Geldzerrüttung  an  die 
Reihe,    und    zunächst    die    Stiftungen,    beziehungsweise    deren 

'  Schemei-r.s  Hauptplan  zur  Entwässerung  und  Schiffbarmachung  der 
March,  mit  dem  Plane,  diesbezüglich  eine  Actiengesellschaft  zu  gründen, 
war  1811  Gegenstand  der  Berathungen;  s.  d'Elvert,   a.  a.  O.    S.  270  ff. 

2  Die  Regulirung  der  March  blieb  seit  1811  auf  der  Tagesordnung, 
während  eine  Verbindung  dieses  Stromes  mit  der  Oder  und  Weichsel, 
seit   1807  lebhafter  ventilirt,  über  das  Project  nicht  hinauskam. 

3  Vgl.  H.  J.  Bidermann  ,Die  technische  Bildung  im  Kaiserthum  Oester- 
reich.  Ein  Beitrag  zur  Geschichte  der  Industrie  und  des  Handels.  Wien 
1854',  über  die  Genesis  dieser  Anstalten. 

*  Vgl.  das  S.  23,  Anm.  5  citirte  Buch  von  d'Elvert,  S.  169  —  190. 
Baldacci  beschäftigte  sich  auch  mit  diesem  ^Gegenstände  als  Hof- 
commissär  der  Occupation  in  Frankreich.  S.  mein  Werk  ,Zur  Geschichte 
Oesterreichs  1792  —  1816',  S.  320-321. 


[25]  .  25 

Fonde.  Baldacci  weist  die  durch  die  wachsende  Theuerung 
geschaffenen  Missverhältnisse  zwischen  ihrer  ursprünglichen 
Dotirung  und  dem  Bedarfe  der  Gegenwart  nach  und  vertritt  die 
Nothwendigkeit  einer  künftigen  Regelung  und  Commassirung 
der  Fonde.  Besonders  eindringlich  spricht  die  Denkschrift  für 
die  Bildung  eines  grossen,  über  alle  Länder  zu  verbreitenden 
Vereines  zur  Unterstützung  der  Nothleidenden,  dessen  Mittel- 
punkt Wien  abzugeben  hätte.  ^ 

Einer  Regelung  bedürftig  seien  besonders  die  öffent- 
lichen Fonde. 

Der  Religionsfond  reiche  für  den  weltlichen  Clerus  nicht 
hin,  und  ebenso  befänden  sich  manche  Universitätsprofessuren, 
Gymnasial-Normalschulposten  und  vor  Allen  die  Volksschul- 
lehrer auf  dem  Lande  in  einer  wahren  Nothlage. 

Beim  Clerus  möge  man  das  überflüssig  grosse  Einkommen 
reichlichst  dotirter  Bisthümer  zu  Gunsten  des  Staatszweckes 
verringern. 

Der  Verfasser  könne  sich  mit  dem  gesammten  Detail  der 
Schul-  und  Erziehungsanstalten,  des  Kranken-  und  Armen- 
wesens'^^  nicht  abgeben,  sondern  nur  auf  einige  wesentliche 
^Momente  eingehen. 

Die  öffenthche  Meinung  aus  dem  Munde  oder  aus  der 
Feder  von  Urtheillosen  sei  für  den  Staat  nicht  massgebend, 
wohl  aber  das  Urtheil  wahrhaft  gelehrter  und  verständiger 
Männer.  Eine  vernünftig  geregelte  Pressfreiheit  empfehle 
sich  durch  ihren  Nutzen.  Man  solle  die  berechtigten  Urtheile 
des  Auslandes  sammeln  und  sammt  den  sie  belegenden  Original- 
schriften in  getreuen  Auszügen  dem  ^Monarchen  zur  Kenntniss 
bringen.  Für  das  Ansehen  und  die  Wirksamkeit  der  obersten 
Studienbehörde  sei  ihre  Zusammensetzung  aus  tüchtigen 
Kennern  der  Hauptfächer  massgebend. 


1  Vgl.  über  solche  örtliche  Vereine  die  , Vaterländischen  Blätter',  Jahrg. 
1813,  Nr.  31,  79,  88,  und  1817,  Nr.  31. 

2  Vgl.  über  diesen  Gegenstand:  J.  W.  Krben,  Oesterr.  Magazin  für 
Armenhilfe,  Indiistrieanstalten  und  Dienstbotenwesen.  Wien  1804;  W.  F. 
Högwein:  Unthänigst  gehorsamster  Vorschlag  zur  Errichtung  allge- 
meiner Armenanstalten  für  ganze  Provinzen  und  den  Staat,  mit  beson- 
derer Rücksicht  auf  Tirol.  Innsbruck  1805;  und  d'Elvert,  Geschichte 
der  Heil-  und  Humanitätsanstalten  in  Mähren  und  Oesterreichisch- 
Schlesien.  Brunn   1858. 


26  [26] 

Der  gebildete  Theil  des  Publicums  halte  den  gegen- 
wärtigen Studicnplan  keineswegs  für  den  besten.  Die  Wiener 
Universität  befinde  sich ,  mit  Ausnahme  der  medicinischen 
Studien,  im  Rückgange;  der  Geist  der  Frivolität  beherrsche 
die  Gesellschaft. 

Sachsen  besitze  drei  Literaturzeitungen,  während  in 
Oesterreich  die  einzige  dieser  Art,  die  , Wiener  Literaturzeitung' 
aus  Mangel  an  Unterstützung  eingegangen  sei.' 

Dass  an  eine  Akademie  der  Wissenschaften, ^  deren 
mindestens    eine,    manchmal   mehrere    in   anderen   Staaten    be- 


1  Die  , Wiener  allgemeine  Literaturzeitung'  im  Verlage  von  Camesina 
wurde  von  Dr.  F.  Sartori  begründet,  dann  von  Hart  mann,  zuletzt 
von  Matth.  E.  v.  Collin  redigirt,  begann  im  Jahre  1813  und  .schloss 
1816.  Früher  erschienen  die  ,Annalen  der  österreichischen  Lite- 
ratur', herausgegeben  von  einer  Gesellschaft  inländischer  Gelehrten  im 
Commissions- Verlage  von  Doli  und  Seidel  zu  Wien  und  München  seit 
Juli  1802;  alle  Monate  acht  Stücke  zu  einem  halben  Quartbogen,  dazu 
ein  Intelligenzblatt.  Als  ihr  Vorbild  erscheint  die  Jenaer  und  die  Leip- 
ziger Allgemeine  Literaturzeitung.  Der  Prospect  bezeichnete  als  Zweck 
dieser  Annalen:  ,die  Kenntniss  vaterländischer  literarischer  Producte 
im  Inlande  zu  erleichtern  und  das  Ausland  früher,  als  es  J^isher  ge- 
schehen konnte,  auf  dieselben  aufmerksam  zu  machen,  zu  schüchternen 
Gelehrten,  welche  Aufmunterung  verdienten,  Zutrauen  zu  sich  selbst 
einzuflössen,  dagegen  Schriftsteller,  die  ihrem  Vaterlande  wenig  Ehre 
machen,  zurechtzuweisen,  mit  einem  Worte:  der  vaterländischen  Literatur 
aufzuhelfen'.  Das  Unternehmen  gerieth  bald  ins  Stocken  und  lebte 
wieder  als  ,Neue  Annalen  der  Literatur  des  österreichischen  Kaiser- 
staates' 1807 — 1809,  I. — III.  Jahrgang,  auf,  um  dann  auch  sein  Ende 
zu  finden.  Inzwischen  erstand,  von  der  Regierung  gefördert  ein  neues, 
allgemeineren  Interessen  dienendes  Journal  in  Wien:  ,Vaterländische 
Blätter  für  den  österreichischen  Kaiser staat,'  herausgegeben 
von  mehreren  Geschäftsmännern  und  Gelehrten,  verlegt  bei  Degen  in 
Wien,  mit  dem  Motto:  ,Wahr,  freimüthig,  bescheiden'.  Die  erste  Nummer 
erschien  1808,  10.  Mai;  wöchentlich  kamen  zwei  Nummern  zu  einem  oder 
einem  halben  Druckbogen  4"  heraus.  Die  erste  Mai-Nummer  des  III.  Jahr- 
ganges 1810  brachte  das  allerdings  stattliche  Verzeichniss  der  Mitarbeiter. 
Seit  1815  führten  sie  den  Titel:  , Erneuerte  Vaterländische  Blätter'  und 
erhielten  eine  neue  Redaction,  auch  neue  oder  abgeänderte  Rubriken. 
Sie  brachten  unter  Anderem  historisch-kritische  Andeutungen  über  die 
Literatur  des  österreichischen  Kaiserstaates,  Verzeichnisse  der  aus-  und 
inländischen  Journale,  geschichtliche  Beiträge  u.  s.  w.  Aber  auch  dies 
Unternehmen  kam  nicht  über  das  Jahr  lS-20  hinaus. 

^  Zur  Zeit  als  Baldacci  dies  schrieb,  waren  über  hundert  Jahre  verflossen, 
seit  Kaiser  Karl  VI.  veranlasst  wurde,  den  Entwurf  des  Stiftung.sbriefes 
und    Diploms   einer   kaiserlichen    Akademie   zu   Wien,    bekanntlich    die 


[271  27 

stünden,  gar  nicht  gedacht  werde,  müsse  wohl  von  der  Ueber- 
zeugung  herrühren,  dass  sie  unter  den  gegenwärtigen  Verhält- 
nissen schwerhch  etwas  Bedeutendes  leisten  könne;  Niemand 
dürfe  ja  den  Wahn  hegen,  Oesterreich  befände  sich  auf  einer 
solchen  Stufe  der  Cultur,  dass  ein  weiteres  Fortschreiten  zu 
einem  gefährlichen  Uebermasse  führen  würde.  Nothwendig  sei 
eine  strenge  Beaufsichtigung  sämmtlicher  öffentlichen  Lehr- 
und  Erziehungsanstalten. 

Es  erscheint  begreiflich,  dass  Baldacci ,  der  Mann  von 
35  Dienstjahren  im  Verwaltungswesen,  diesem  seine  be- 
sondere Aufmerksamkeit  zuwendet. 

Besonders  beschäftigt  ihn  die  Frage,  ob,  wie  man  viel- 
seitig meine,  das  französische  Verwaltungswesen  oder 
administrative  System  für  Oesterreich  angemessen  sei.  Er  ver- 
neint dies  angesichts  der  Sachlage  und  unabsehbarer  Schwierig- 
keiten und  bezweifelt,  dass  sich  einerseits  der  österreichische 
Beamte,  anderseits  das  österreichische  Publicum  in  das  kurz 
angebundene,  autoritative  Wesen  der  französischen  Verwaltung 
finden  würde.  Die  österreichische  Administration  habe  den 
Vorzug,  dass  sie  ,mehr  als  jede  andere  gegen  Eigenmacht, 
Willkür,  Bedrückungen  und  Beeinträchtigungen,  sei  es  nun 
des  Staates  oder  der  Einzelnen  Sicherheit  gewähre'.  Alles 
laufe  auf  Beaufsichtigung  und  Controle  hinaus.  Mehr  noch  in 
dieser  Richtung  zu  verlangen,  wäre  wohl  vom  Uebel,  denn  die 
Verwaltungsmaschine  leide  gerade  durch  ein  Uebermass  der 
Controle,  und  die  öffentliche  Meinung  mache  in  Oesterreich 
der  Verwaltung  nie  den  Vorwurf  der  ,Uebereilung',  sondern  eher 
,jahrelanger  Verzögerung^  Geschäftsüberladung  der  Beamten 
halte  sich  mit  den  wachsenden  Rückständen  die  Waage. 

Der  Geschäftsgang  fordere  daher  Vereinfachung,  eine  Er- 
sparung massenhafter  Schreibereien.  Die  Recursfreiheit  möge 
etwas  eingeengt,  der  Wirkungskreis  der  Unterbehörden  nicht 
geschmälert  werden;  die  ,gedankenlosen  Fragen'  und  ,un- 
nöthigen  Einvernehmungen',  das  überflüssige  Behelligen  der 
Buchhaltvmgen  sollen  aufhören.  Wozu  seien  denn  die  Erlässe 
von    1806   und    1807   an   die   Hof-   und   Länderstellen   erlassen 


Idee  eines  Leibnitz,  zu  genehmigen  (1714).  Vgl.  Bergmann  in  den 
Sitzungsberichten  der  phil.-hist.  Classe  der  kais.  Akademie  der  Wissen- 
schaften in  Wien,  Bd.  XIII,  S.  40—61;  XVI,  3— 22;  XXV,   U4— 152. 


28  [28] 

worden?  Ihre  genaue  Befolgung,  nicht  die  Routine,  der  Usus 
oder  gar  die  Präsidial vvillkür,  führten  zum  Ziele. ^ 

Und  nun  übergeht  der  Verfasser  der  Denkschrift  zu  der 
Aufgabe  des  Monarchen,  des  ,allbelebenden  Hauches',  der 
, Alles  zusammenhaltenden  Kraft'  in  dem  verschieden  gearteten, 
vielgegliederten  und  vielgeprüften  Oesterreich.  Der  Älonarch 
soll  sich  nicht  mit  dem  Detail  der  Staatsgeschäfte  befassen, 
dafür  gebe  es  mehr  als  genug  an  Aufsicht  und  Controle. 

Alles  sei  an  einem  festen,  schnellen  und  ordentlichen 
Geschäftsgange  gelegen,  deshalb  bedürfe  es  einer  gedeih- 
lichen Thätigkeit  der  Centralleitung,  da  sonst  ,die  ungeheure 
Verwaltungsmaschine,  statt  ein  harmonisches  Ganzes  zu  bilden 
und  concentrisch  zu  den  grossen  Staatszwecken  zusammen- 
zuwirken, in  ein  ungestaltetes  Chaos  ausarten  würde'.  Baldacci 
bedauert  die  Desorganisation  des  Staatsrathcs  im  Vergleiche 
zu  seiner  ursprünglichen  Verfassung  in  der  Theresianischen 
Epoche.  Die  gegenwärtige  Einrichtung  nach  einer  ,von  dem 
himmelweit  verschiedenen  französischen  Staatsrathe  entlehnten 
Idee^  sei  ganz  und  gar  unzweckmässig.  Der  Staatsrath  möge 
auf  den  Fuss  zurückversetzt  werden,  auf  welchem  er  sich  zu 
Anfang  des  Jahres  1807  befand. - 


'  Die  oben  berührten  Erlässe  waren  unter  dem  Einflüsse  Baldacci's  ent- 
standen. Der  Gedankengang^  des  kais.  Handbillets  an  den  Oberst- 
kanzler Grafen  Ugarte,  vom  30.  December  1806:  Vereinfachung  der 
Manipulation,  Beseitigung  unnöthiger  Geschäfte,  Erleichterungen  des 
Geschäftsganges,  Zusammenwirken  der  Behörden,  Rücksichtnahme  auf 
materielle  und  geistige  Culturzustände ,  auf  die  missliche  Lage  der 
Staatsbeamten  u.  s.  w.  (s.  den  Wortlaut  bei  Meynert,  a.  a.  O.  S.  58 
bis  61)  zeigt  dies  am  besten.  Vgl.  mein  Werk:  ,Zur  Geschichte  Oester- 
reich 1792 — 1816'j  S.  8G — 88.  Das  zweite  kais.  Handschreiben  wurde 
am  4.  Jänner  1807  erlassen. 

2  Bekanntlich  hatte  der  Kaiser  den  Staats-  und  Conferenzrath  Baldacci, 
den  Verfasser  dieser  Denkschrift,  1806  mit  dem  Plane  einer  Reorgani- 
sirung  des  an  Stelle  des  eigentlichen  Staatsrathes  seit  1801  geschaffenen 
(dreispaltigen)  Staats-  und  Conferenzministeriums  als  oberster 
Revisionsstelle  für  sämmtliche  Staatsgeschäfte  betraut.  Baldacci  war 
für  die  Auflösung  dieser  Centralbehörde,  die  blos  dem  Namen  nach 
fortbestehen  und  auf  das  Departement  des  Innern  beschränkt  bleiben 
sollte.  1808 — 1809  wurde  der  im  J.  1807  thatsächlich  reconstruirte 
,Staatsrath'  als  solcher  auch  dem  Titel  nach  wieder  hergestellt,  aber  in 
weit  beschränkterem  Umfange.  S.  Hock-Bidermann,  Der  öster- 
reichische Staatsrath   1760  —  1848  (Wien   1S79),  S.  651—664. 


[29]  29 

Es  ist  dies  einer  jener  Gegensätze,  in  denen  sich  Baldacci 
zu  ]\[etternich,  dem  Gegner  des  Staatsrathes  von  ehedem,  be- 
fand. Staatsrath  und  Conferenzministerium  mögen  die  Meinungs- 
freiheit als  ^unantastbares'  Heiligthum  ansehen.'  Anderseits 
würden  Länderbereisungen  den  Nachtheilen  der  sogenannten 
,Bureaukratie'  am  kräftigsten  begegnen. 

Wir  wissen,  dass  Berufssteilung  und  Vorliebe  Baldacci's 
Eifer  für  die  Begründung  einer  officiellen  Statistik  warm 
hielten.  Ueber  diesen  Gegenstand  verbreitet  sich  denn  auch 
die  Denkschrift.  Sie  verweist  auf  die  Nothwendigkeit,  das  in 
Zeitungen,  Journalen  und  Fach  werken  vorkommende  ^Material 
statistischer  Natur  zu  sammeln. 

Eine  Personalverminderung  in  den  Aemtern  sei 
angesichts  der  jetzt  in  stetiger  Ausdehnung  begriffenen  Organi- 
sationsarbeiten undurchführbar  und  erst  in  Aussicht  zu  nehmen, 
sobald  die  Geschäftslast  sich  verringere. 

Sehr  dringlich  erscheinen  vollständige  Normaliensamm- 
lungen. Leider  habe  man  den  Weg  verlassen,  den  Graf  von 
Rothenhann  und  Graf  Chotek  einschlugen.  Es  sei  jedoch  zu 
hoffen,  dass  man  damit  unter  der  Leitung  des  Grafen  Wurmser 
vorwärts  komme,  was  sehr  noththäte."^ 


1  Metternich's  Vortrag  .111  <lr>n  Kaiser  von  1811  über  die  .Organisation 
eines  Reichsrathes  in  Oesterreich'  (s.  seine  , Denkwürdigkeiten'  I, 
120 — 121,  und  ,Actenstücke'  U,  444 — 453)  kritisirte  sehr  scharf  den 
Theresianischen  Staatsrath,  der  ,eigentlich  nur  ein  rerlarvtes,  aus  meh- 
reren Häuptern  bestehendes  Premierministerium'  gewesen  sei.  Sehr 
abfällig  beurth eilte  er  auch  die  Organisation  des  Staatsrathes,  oder 
eigentlich  des  umgestalteten  Staats-  und  Conferenzministeriums  vom 
Jahre  1807,  Baldacci's  Werk,  für  welches  dieser  selbstverständlich  ein- 
tritt. Wie  sich  Manches  sonst  in  diesem  Vortrage  des  Staatskanzlers  gegen 
Baldacci  zuspitzt,  besonders  dort,  wo  Metternich  von  der  Organisation 
des  Jahres  1807  sagt,  sie  wäre  ,das  Werk  einiger  Intriganten,  Subal- 
ternen bei  den  verschiedenen  Ministerien,  welche  unter  dem  Vorwande 
dieser  neuen  Organisation  die  ausübende  Gewalt  in  ihre  Hände  zu 
spielen  wünschten',  —  findet  sich  in  meinem  Werke:  ,Zur  Geschichte 
Oesterreichs  179-2—1816',  S.  191  —  193  erörtert. 

2  Graf  Eothenhann,  geb.  zu  Bamberg  1737,  gest.  1809,  ward  1796  be- 
reits in  den  Arbeiten  der  Gesetzgebung  als  Kanzler  der  vereinigten 
Hofstelle  verwendet  und  seit  1801  Präses  der  Hofcommission  in  Gesetz- 
sachen; Graf  Job.  Rudolf  Chotek  war  1805 — 1809  Staats-  und  Con- 
ferenzminister.  Graf  Wurmser  erscheint  in  den  Jahren  1809  — 1814 
als  Mitglied  und  Präses  von  verschiedenen  Hofcommissionen,  so  in 
Militär-  und  Steuersachen  genannt. 


30  [30] 

Das  Schlusscapitel  der  Denkschrift  behandelt  die  be- 
drängte materielle  Lage  der  Staatsgläubiger,  der  Armee- 
angehörigen und  der  Beamtenwelt. 

Es  sei  ein  Gebot  strenger  Gerechtigkeit  gewesen,  dass 
durch  das  Staatsanlehen  der  Gläubiger  des  Aerars  die 
]\Iüglichkeit  fand,  die  Zinsen  künftig  in  Metallmünze  zu  er- 
halten und  dass  zugleich  der  Werth  der  Obligationen  in  Wiener 
Währung  gehoben  wurde. 

Was  die  Armee  betrifft,  so  findet  Baldacci  die  Lage  des 
gemeinen  Mannes,  trotz  seiner  in  Folge  des  Papiergeldregimes 
viermal  so  hohen  Löhnung  gegenüber  der  im  Jahre  1790,  als  es 
noch  Metallmünze  gab,  mit  Rücksicht  auf  die  vierfache,  mit- 
unter acht-  bis  zehnfache  Preiserhöhung  der  Lebensbedürfnisse, 
durchaus  nicht  günstig,  immerhin  aber  noch  besser  als  die 
des  Officiers.  Am  traurigsten  sei  die  Nothlage  des  Militär- 
pensionisten. 

Aber  ungleich  drückender  sei  die  Sorge  um  das  Leben 
beim  Civilbeamten  der  gleichen  Dienst -Rangclasse.  Bal- 
dacci erörtert  den  schlimmen  Wechsel  der  Zeiten  seit  der 
Theresianischen  Epoche  und  findet  in  den  Zuschüssen  mittelst 
Papiergeldes  nur  ein  Palliativ,  keine  wahrhaft  wirksame  Abhilfe. 

Er  recapitulirt  endlich  das  Ganze  seiner  Ausführungen, 
indem  er  das,  was  sich  bis  zum  Zeitpunkte  des  Abschlusses 
seiner  Denkschrift  geändert  oder  mehr  entwickelt,  soweit  es 
zu  seiner  Kenntniss  gelangte ,  beifügen  zu  wollen  erklärt. 
Dieser  Anhang  wurde,  weil  er  wesentlich  nur  übersichtliche 
Wiederholung  ist,  im  Abdruck  weggelassen,'  ausgenommen 
das    Schlusswort. 

Der  Unterzeichnete  hat  nur  noch  einige  Bemerkungen 
über  den  Abdruck  der  naclistelienden  Denkschrift  anzubringen. 
Zur  grösseren  Uebersichtlichkeit  wurde  der  Inhalt  der  ein- 
zelnen Abschnitte  in  Randglossen  angedeutet.  In  Bezug  der 
Orthographie  Baldacci's,  welche  mancherlei  störende  Eigen- 
thümlichkeiten  bietet,  schien  es  angemessen,  sie  der  heutigen 
thunlichst  anzupassen.  Ein  Inhaltsverzeichniss  soll  die  Be- 
nützung erleichtern. 


'  Sie  zählt  im  Manuscript  2.3  Folioblätter.  Der  wenigen,  wirklich  ergän- 
zenden Uemerkungen  Haldacci'.s  wird  an  Ort  und  Stelle  des  Abdruckes 
gedacht  werden. 


[31]  31 


Die  Denkschrift  Baldacci's. 


E  i  II I  oi  t  u  u  g. 


Wenn  ich  sage,   es  ist  sehr  weit  mit  uns  gekommen,   wir  haben  Allgemeine 

eine  höchst  traurige  Periode  erreicht,   so  habe  ich  wenigstens  von  der  ^^'"'^^^^"■'5 

entschiedenen  Mehi'zahl  keinen  Widerspruch  zu  besorgen.  liehen  und 

Nie.  selbst  zur  Zeit  der  unglücklichsten  Kriegsereignisse,  feind-  f "*''^';^''5' ' 

°  o  o  .  liehen  Noth 

licher  Einfälle,  mit  beträchtlichen  Länderverlusten  und  schweren  Con-  Standes. 
tributionszahlungen  verbundener  Friedensschlüsse,  waren  die  Klagen  so 
laut  und  allgemein  als  seit  einigen  Monaten.  Ein  goldenes  Zeitalter  hat 
man  nach  mehr  als  zwanzigjährigen  Kraftüberspannungen  vernünftiger- 
weise wohl  nicht  erwarten  können,  drei  bis  vier  aufeinander  gefolgte, 
theils  kaum  mittelmässige,  theils  wirklich  schlechte  Ernten  haben  noth- 
wendig  leidige  Folgen  nach  sich  ziehen  müssen.  Aber  wer  auch  nicht  ein 
goldenes  Zeitalter  hoffte,  war  darum  doch  auf  kein  eisernes  gefasst,  und 
wenn  blühender  Wohlstand  bei  dem  wenigen  Gedeihen  der  Feldfrüchte 
nicht  vorherrschend  sein  konnte,  so  bleibt  doch  das  schnelle  Umsich- 
greifen des  Jammers  und  Elends,  die  Verarmung  unzähliger,  einst  ver- 
möglich gewesener  Familien,  der  auf  einen  so  hohen  Grad  gestiegene  Un- 
muth  ganzer  Classen  und  der  Stände  ein  schwer  aufzulösendes  Problem. 

Gibt  es  noch  eine  Fiettung  und  Hilfe?  hört  man  Tausende  fragen. 
Ungleich  grösser  ist  die  Zahl  derjenigen,  die  an  diese  Frage  auch  gleich 
eine  verneinende  Antwort  reihen,  als  die  sich  und  Andere  mit  einem 
auch  nur  schwachen  Schimmer  von  Hoffnung  zu  beruhigen  versuchen. 

Wer  fühlt  das  Schlimme,  das  Schreckliche  solch  eines  Zustandes 
nicht?  Wer  wird  thöricht  genug  sein,  solch  eine  Stimmung  für  unschäd- 
lich zu  halten,  weil  noch  keine  Sturmglocken  ertöuen,  keine  wüthenden 
Volkshaufen  die  Strassen  durchziehen,  der  obersten  Gewalt  noch  in 
keinem  Theile  des  Staates  der  Gehorsam  verweigert  wird?  Hat  man 
irgend  eine  Gewähr,  dass  es  immer,  dass  es  lange  so  bleiben  wird?  Und 
wenn  man  diese  Gewähr  hätte,  wenn  man  versichert  wäre,  fortwährend 
Alles  durch  die  bewaffnete  Macht  —  ungeachtet  sie  jetzt  selbst  ein  sehr 
leidender  Theil  ist  —  erzwingen  zu  können,  ist  es  gleichgiltig,  wenn  die 
Kegierung  Liebe,  Achtung  und  Vertrauen  vollends  verliert,  wenn  sie 
täglich  die  Zielscheibe  entweder  des  bittersten  Spottes  oder  des  heftigsten 
Tadels  wird? 


32 


[321 


Ursachen 

des   Noth- 

standes. 


Zweck  dieses 
Aufsatzes. 


Und  wem  kiiiin  es  entgehen,  wie  splir  insl)eson(lere  in  einer 
Monarchie,  .wo  in  den  meisten  Provinzen  nur  Geldzeichen,  deren  Werth 
sich  auf  Credit  gründet,  im  Umlaufe  sind,  die  Regierung  von  der  öffent- 
lichen Meinung  abhängig  istV  Wir  haben  ja  schon  selbst  der  Er- 
fahrungen hierüber  zu  viele  gemacht,  um  nur  einen  Augenblick  daran  zu 
zweifeln,  dass  eine  blosse  widrige  Einwirkung  der  öffentlichen  Opinion 
auf  die  circulirende  Masse  ungemeine  Uebel  herbeiführen  kann,  die 
keine  physische  Gewalt  abzuwenden  oder  zu  bezwingen  vermag. 

Es  wäre  nicht  schwer,  die  Ursachen  anzugeben,  warum  es  so  weit 
mit  uns  gekommen,  warum  unsere  Lage  höchst  traurig  geworden  ist. 
Einige  sind  allgemein  bekannt.  Aber  dem  aufmerksameren  Beobachter 
ist  selbst  das  progressive  Fortschreiten  der  Verschlimmerung,  die  gänz- 
liche Entwicklung  der  gegenwäi'tigen  —  man  darf  leider  fast  sagen  — 
Antipathie  gegen  die  Kegierung  in  ihrer  Grundlage,  sowie  in  ihren 
Folgen  und  Wirkungen  nicht  entgangen. 

Eine  Zusammenstellung  dieser  Ursachen  ist  zur  Ausführung  meines 
Vorhabens  nicht  unumgänglich  uothwendig.  Manches  Geschehene  lässt 
sich  nun  einmal  nicht  mehr  ändern.  Ein  oder  der  andere  Punkt  würde 
vielleicM  auch  bei  Solchen,  welche  im  Ganzen  das  Schlimme  unserer 
Lage  vollkommen  erkennen,  Widersprüche  hervorbringen.  Mit  Contro- 
versen  ist  aber  wenig  gedient.  Ln  besten  Falle  geht  die  Zeit  darüber 
verloren,  und  diese  ist  jetzt  von  unendlichem  Werthe.  Ohnehin  kann 
ich,  was  ich  für  noch  voi'handenc  und  bleibende  Ursachen  der  Uebel, 
die  uns  drücken,  halte,  nicht  unberührt  lassen,  wenn  ich,  was  eigentlich 
meine  Absicht  bei  diesem  Aufsatze  ist.  angeben  will,  wie,  nach  meiner 
Meinung,  die  Uebel  theiis  gehoben,  theils  gemildert  werden  können, 
wie  sich  Achtung  und  Vertrauen  allraälig  wieder  herstellen  oder  doch 
wenigstens  dem  so  hoch  gestiegenen  Missvergnügen  und  Unmuthe  ab- 
helfen lasse. 


Zerrüttung  Dic  ältcstc  Und  nach  meiner   innigsten  Ueberzeugung  schwerste 

des  Geld-     Ki-ankheit  des  österreichischen   Staatskörpers  ist   unstreitig    die   lang- 

ivesens.  .      .  ' 

Masse  des  wierige  gänzliche  Zerrüttung  des  Geldwesens,  die  sich  von  blossen  Defi- 
papiergeides.  (.[li^^  einem  starkcu  Passivstande  und  anderen  Uebeln,  woran  mehrere 
Staaten  laboriren,  sehr  wesentlich  unterscheidet.  Es  gibt  zwar  —  Däne- 
mark, dessen  Finanzen,  wie  bekannt,  am  Kande  des  Abgrunds  sind, 
weggerechnet  —  ausser  Oesterreich  noch  drei  Staaten,  wo  Papiergeld 
die  circulirende  Masse  ausmacht,  nämlich  England,  Schweden  und 
Eussland.    Aber  wem  ist  es  unbekannt,  wie  sehr  sich  das  englische 


33] 


Vorscbläge 
zur   Kegene- 
ration  der 
österreiclii- 
scUen  Fi- 
nanzen. 


Papieigeld  vi>u  .lein  usteircicliisilicn  untensclieitlet.  Und  wenn  der  Weith 
des  sclnveilisclieii  und  nissiisdieu  Papiergeldes  um  nichts  höher,  ja  selbst 
niedriger  als  jener  des  unserigen  ist,  so  hat  es  duch  die  ausserordent- 
lichen Schwankungen  und  Sprünge,  woraus  so  äusserst  böse  Folgen 
resultireu,  nicht  erfahren ;  es  hat  noch  keine  Devalvation  ausgestanden ; 
es  ist  in  isolirten,  wenig  cultivirten,  an  dem  äussersten  Ende  Europas 
liegenden  Ländern  ungleich  weniger  schädlich  als  in  einer  Monarchie, 
die  in  so  ausgebreiteten  Handelsverbindungen  stehet,  wenigstens  jetzt 
bei  dem  Handel  mit  dem  Auslande  unstreitig  die  Bilanz  wider  sich  hat, 
und  wo  schon  seit  Jahren  die  Speculationen.  der  stärksten  Geldbesitzer 
ihre  vorzüglichste  Eichtuug  auf  die  Schwankungen  und  Sprünge  der 
Cui'se  —  im  Grunde  also  auf  die  öffentliche  Calamität  —  genommen  haben. 

Was  hieraus  entstehen  und  wohin  dies  führen  müsse,  hat  mau 
schon  lauge  gefühlt.  Zahlreiche  eindringende  Vorstelluugen  über  die 
unübersehbaren  Xachtheile  einer  längeren  Fortdauer  dieses  Zustandes, 
häufige  Vorschläge,  wie  hiei-  Kath  zu  schaffen  sei,  liegen  in  den  Kegi- 
straturen.  Schon  in  dem  Jahre  1803  wurden  ganze  Abhandlungen  über 
diesen,  für  den  Staat  sowie  für  jeden  Einzelnen  höchst  wichtigen  Gegen- 
stand geschrieben.  Im  Jahre  1804  wurden  die  ersten  schwachen  Ver- 
suche zur  Regeneration  unserer  Finanzen  gemacht.  Damals  betrug  die 
verzinsliche  Schuld,  welche  sich  noch  im  Jahre  1792  nur  auf  416,860.000 
Gulden  belief,  schon  über  718  Millionen,  An  Bankozettelu,  deren  es  im  Bankozettei 
Jahre  1792  keine  vollen  27  Millionen  gab,  waren  im  Jahre  1804  über 
ri37  Millionen  im  Umlaufe.  Ein  Zuwachs  au  theils  verzinslicher,  theils 
unverzinslicher  Schuld  von  mehr  als  600  Millionen  in  einem  Zeiträume 
von  12  Jalireu  war  wohl  ein  wichtiger  Bestimmungsgrund  für  die  Staats- 
verwaltung, sich  mit  diesem  Gegenstände  ernstlich  zu  beschäftigen. 
Allein  wiederholte  feierliche  Versicherungen  im  Namen  des  Monarchen, 
die  Bankozettei  aiifrecht  halten  zu  wollen,  standen  jeder  Idee,  einen 
Schlag  auf  das  Papiergeld  zu  führen,  im  Wege.  Die  ergriffenen  gelin- 
deren Massregelu  konnten  ihrer  Natur  nach  nur  langsam  wirken.  Durch 
die  bald  darauf  unternommenen  Kriegsrüstungen  und  durch  den  in  der 
zweiten  Hälfte  des  Jahres  1805  ausgebrochenen  Krieg  wurden  sie  nicht 
nur  alleiu  vollends  erfolglos,  sondern  die  Lage  hatte  sich  wesentlich  ver- 
schlimmert ,  weil  aussei'  dem  bedeuteuden  Länderverluste  durch  den 
Pressburger  Frieden  die  Masse  des  circulirenden  Papiergeldes  im  Jahre 
1806  schou  nahe  au  450  Millionen  gekommen  war. 

Die  ganze  Periode  vom  Pressburger  Frieden  bis  zum  Wiederaus- 
bruche des  Krieges  im  Jahre  1809  glich  mehr  einem  Waffenstillstände 
als  einer  wirklichen  Ruhe.    So  lange  Napoleon  mit  Preussen  und  Russ- 

3 


34  [341 

laml  kämpfte,  mustste  eine  beträchtliche  Neutralitätsarmce  mit  gTosscm 
Aufwände  unterhalten  werden.  Nach  dem  unerwarteten  Abschlüsse  des 
Friedens  zu  Tilsit  veranlassten  rege  Besorgnisse  für  die  Existenz  und 
Unabhängigkeit  des  Staates  fortwährende,  zwar  nur  stille,  aber  darum 
um  nichts  weniger  kostspielige  Anstrengungen,  bis  es  im  daliro  ISU;» 
zum  wirklichen  Ausbruche  kam.  Wer  erinnert  sich  nicht  an  die  traurige 
Katastrophe  dieses  Krieges,  von  dem  man  so  viel  Heil  und  Kuhm  er- 
wartet hatte! 

In  diesem  verhängnissvollen  Jahre  war  die  Zahl  der  Bankozettel 
schon  auf  730  Millionen  angewachsen,  und  dieCurse  standen,  nach  einem 
ganzjährigen  Durchschnitte  berechnet,  auf  296.  Das  Papiergeld  hatte 
also  schon  damals  beiläufig  zwei  Drittheile  von  seinem  Werthe  verloien. 

Nach  solch  einer  gewaltigen  Verschlimmerung  unseres  linanziellen 
Zustandes,  nach  so  beträchtlichen  Verlusten  an  Tjändern,  nach  der 
so  sehr  herabgesuiikenen  politischen  Existiuuition  der  österreichischen 
Moimrchie,  die  man  nun  nicht  mehr  unter  die  Mächte  der  ersten  G]-össe 
zählen  wollte,  war  natürlicherweise  die  Aufgabe,  Ordnung  in  dem  zer- 
rütteten Geldwesen  herzustellen,  noch  ungleich  schwieriger  geworden. 
Durfte  man  sich  noch  im  Jahre  1804  der  ,HofFnung  überlassen,  den 
Nominalwerth  des  Papiergeldes  durch  successive  Verminderung  desselben 
aufrecht  zu  erhalten ,  da  es  nach  der  ganzjährigen  Durchschnittsbe- 
rechuung  nicht  niedriger  als  zu  1 33^/4  Gulden  stand,  so  war  es  bei  den 
im  Anfange  des  Jahres  1810  so  sehr  veränderten  Umständen  wohl  er- 
laubt, an  der  ferneren  Möglichkeit  dieser  Aufrechthaltung  zu  verzweifeln. 
Finanz-  IndessBn  glaubte  man  im  Jahre  1810  doch  noch  das  Aeusserste  versuchen 
Operation  müsscu.  Durch  Beuützuug  des  unbeweglichen  Vermögens  der  Geist- 

desJ.  1810.  ^      ,  ^  ^ 

lichkeit,  durch  namhafte  Erhöhungen  der  Steuern  sollten  beträchtliche 
Quantitäten  Papiergeld  aus  dem  Umlaufe  gezogen,  und  dasselbe  dadurch 
seinem  anfänglichen  Werthe  allgemach  mehr  angenähert  werden.  Was 
Viele  gleich  im  Anfange  an  einem  glücklichen  Erfolge  des  angenommenen 
Systems  zweifeln  machte,  war  die  lange  Dauer  von  20  Jahren,  die  zur 
gänzlichen  Ausführung  desselben  erforderlich  waren,  und  die  äusserst 
geringe  Wahrscheinlichkeit,  es  werde  sicli  unter  den  damaligen  Um- 
ständen die  Ruhe  in  Europa  auch  nur  einige  Jahre  ei'halten.  Aber  schon 
selbst  darin,  dass  die  Benützung  des  geistlichen  Vermögens  und  eine 
namhafte  Ei-höhuug  der  Steuern  die  Hauptpfeiler  waren,  lag  der  Keim 
der  Zerstörung  dieses  Planes.  Er  kam  gar  nicht  zur  Keife.  Statt  der 
beabsichtigten  Verminderung  der  Bankozettel  vermehrten  sich  dieselben 
bis  Ende  des  Jahres  1810  auf  1060  Millionen  Gulden,  der  ganzjährige 
Durchschnitt  der  Curse  fiel  auf  429  aus. 


fSf)]  35 

Nun  hatte  das  Papiergeld  jene  Periode  erreicht,  wo  des  Sinkens 
seines  Werthes  kein  Ende  mehr  war,  und  wo  keine  menschliche  Kraft  es 
mehr  aufreclit  erhalten  konnte.     Eine  Devalvieruug  war  unvermeidlich. 
Sie  würde  sich  im  Verlaufe  des  Jahres  IHll  von  selbst  gemacht  haben       Finanz- 
oder, richtiger  gesprochen,  das  Papieigeld  wäre  in  einen  gänzlichen  Un-       £^^105! 
werth  gesunken,  hätte  es  die  Staatsverwaltung  länger  anstehen  lassen,       scheine, 
mit  einer  entscheidenden  Massregel  einzuschreiten.     Zu  einer  Zeit ,  wo 
die  Bankozettel  schon  zwischen  1300  und  1500  schwankten  ,  hat  sich 
die  Devalvierung  auf  ein  Fünftheil  nicht  für  hart  und  ungerecht  erklären 
lassen.    Nicht  in  der  Devalvierung,  sondern  darin,  dass  dem  zu  Grabe 
gegangenen  Papiergelde  ein  anderes,  das  sich  von  dem  früheren  blos 
durch  seine  ungleich  geringere  Menge  unterschied,  substituii-t  worden 
ist,  dass  man  seinen  Werth  einzig  durch  die  Seltenheit  erzwingen  wollte, 
liass  sonst  gar  nichts,  um  dem  neuen  Papiergelde  Kredit  zu  verschaffen, 
geschah,  dass  vielmehr  fortwährend  Handlungen  begangen  wurden,    die 
das  geschwächte  Vertrauen  nur  noch  tiefer  sinken  macheu  mussten,  lag 
der  Grund  der  traurigen  Eesultate,  welche  das  Finanzsystem  vom  Jahre 
1811  und  noch  mehr  die  Art ,  wie  es  ausgeführt  worden  ist,  über  die 
österreichischen  Staaten  verbreitete.  Eine  beträchtliche  Verschlimmerung 
der  Curse  war  bei   einer  so  geringen  Masse  Papiergeldes   nicht  wohl 
möglich.    Aber  sie  war  mehr  als  genug,  um  jeden  Gulden  Metallmünze 
aus  dem  Umlaufe  zu  verdrängen.    Eine  bedeutende  Menge  Einlösscheine 
war  eben,  weil  sich  die  Metallmünze  neben  derselben  nur  als  Waare  be- 
haupten konnte,  immer  in  dem  verderblichen  Spiele  auf  der  Börse  be- 
schäftiget.   Dadurch  sowie  durch  die  Beschränkung,    welche  sie  als  vor- 
stellende Geldzeichen  gegen  den  Nominalwerth  erlitten,  und  durch  die 
meistentheils  namhaften  Kassabestände  blieb  ein  offenbar   zu  geringer 
Betrag  für  die  innere  Circulation  übrig,  die  auch  schon  des  vorherr- 
schenden Misstrauens   wegen   nicht   lebhaft  sein   konnte.     Aus   dieser 
Unzulänglichkeit   des  Geldes,    die   keineswegs   durch  Lebhaftigkeit   des 
Umlaufes   ersetzt   wurde,    mussten   sich   uothwendig   sehr   nachtheilige     Xachtheiie 
Einwii-kungeu  auf  den  Nationalwohlstand,  vorzüglich  auf  die  Industrie     JJ."t\o„*:^1. 
ergeben,    die   während   dieser   Periode    in   Monaten  ebenso    stark    ab-     «oiiistand. 
genommen  als  sie  zuvor  in  Jahren  zugenommen  hat.    Offenbar  waren 
bei  einer  längeren  Fortdauer  dieses  Zustandes  mehrere  selbst  der  wich- 
tigeren Fabrikationszweige  mit  dem  Untergange  bedroht. 

Aller  Beharrlichkeit  ungeachtet,  mit  welcher  der  Werth  der  Ein- 
lösungsscheine einzig  durch  ihre  geringe  Zahl  gehoben  werden  wollte, 
war  doch  der  Durchschnittscurs  im  Jahre  1812  nahe  an  160,  mithin 
beinahe  gleich  ilem  Jahre  1806,  wo  sich  die  Masse  der  Bankozetteln  auf 

3* 


36  [36] 

uiiget'iihr  450  Milliiuicii  Ijclief.  Sclion  danuils  zweifelte  fast  Niemand 
daran,  dass  auf  diesem  Wege,  auch  l)ei  der  standhaftesten  Ausdauer,  bei 
seinen  täglich  fühlbarer  gewordenen  Beschwerlichkeiten  nicht  zum  Ziele 
zu  gelangen  sei.  Allein  schon  in  der  ersten  Hälfte  des  Jahres  1813 
kam  die  Staatsverwaltung  wegen  der  nothwendig  gewordenen  Kriegs- 
rüstungen in  die  uiuingenehme  Xothwendigkeit,  ihr  feierlich  gegebenes 
Anticipa-  Wort ,  dass  vou  der  Papierscheere  kein  Gebrauch  mehr  gemaclit  werden 
wird,  zu  l)rechen.  indem  zwar  die  Einlösungsscheine  nicht  vermehrt, 
aber  unter  einem  anderen  Nauien  neue  Scheine  ausgestossen  worden 
sind,  von  denen  nur  die  ersten  45  Millionen  durch  eiu  eigenes  Patent  dem 
Publikum  angekündigt,  die  weitereu  Exmissionen  aber  im  Stillen  foi't- 
gesetzt  wurden,  dergestalt,  dass  sich  mit  dem  Ende  des  Jahres  1814 
schon  fast  ebenso  viele  Anticipationsscheine  als  Einlösungsscheine  — 
zusammen  nämlich  über  412  Millionen  Scheine  —  im  Umlaufe  befaiiden. 

Von  dem  Zeitpunkte  der  Ausg'abe  des  neuen  Papiergeldes  an- 
gefangen, hatte  das  Fiuanzsystem  vom  Jahr  1811  natürlicherweise  seine 
vollständige  Katastrophe  erreicht.  Man  war  nun  ganz  wieder  in  dem 
vorigen  (leleise.  So,  wie  früher  mit  Bankozetteln.  wurde  jetzt  mit  Ein- 
lösungs-  und  Anticipationsscheineu  der  ausserordentliche  Kriegs-  und 
der  übrige  Aufwand  bestritten.  Dafür  hatte  man  aber  auch  die  ver- 
lorenen Länder  zurückerobert,  den  Feind  des  Friedens  von  seinem  Throne 
verjagt  und  die  Möglichkeit  erreicht,  eine  bessere  Ordnung  der  Dinge 
dauerhaft  zu  gründen.  Billige  und  verständige  Menschen  sahen  zwar 
den  neuen  Zuwachs  an  Papiergeld  mit  Leidwesen  an,  aber  sie  fanden 
darin  gegen  das,  was  erkämpft  worden  ist,  doch  nur  das  gei'ingere 
Uebel.  Nun  sei,  meinten  sie,  erst  der  Zeitpunkt  gekommen,  wo  man  mit 
Ki'aft  und  Sicherheit  handeln  könne,  und  der  sowohl  bei  einem  Auf- 
merksamen Rückl)lick  auf  das  Vergangene,  als  bei  einer  eindringenden 
Erwägung  der  Uebel,  die  man  vim  dem  vermehrten  Papiergeld  unaus- 
bleiblich zu  befahren  habe,  ja  nicht  versäumt  werden  dürfte. 

Unstreitig  war  dies  schon  in  der  zweiten  Hälfte  des  Jahres  1814 
die  entschiedene  Meinung  der  Mehrzahl  derjenigen,  welche  über  Gegen- 
stände dieser  Art  eiu  Urtheil  zu  fällen  geeignet  sind.  Doch  höite  man 
damals  dieser  vorhei'rschenden  Meinung  nicht  selten  die  Beti-achtung 
entgegensetzen,  dass  man  durch  die  Feldzüge  in  den  Jahi-en  1813  und 
1814  zwar  Länder,  Achtung  und  ifuhe,  aber  bei  weitem  keine  hinläng- 
lichen Vorräthe  an  Metallmünze  erwoi-ben  habe,  um  der  Zei'i'üttung  des 
Geldwesens  ohne  überaus  grossen  Erschütterungen  abhelfen  zu  können, 
dass  ferner  die  Ausgleichung  so  vielei',  zum  Theil  unter  sich  con- 
trastirenden   Interessen    eine   sehr    weit   aussehende    Sache   sei,    deren 


[37]  37 

schnelleren  oder  langsameren  Ausgang  keine  menschliche  Weisheit  vor- 
hersehen könne,  dass  man  sich  also  mit  Grund  zu  zweifeln  erlauben 
dürfe,  ob  der  wahre  Zeitpunkt  zu  definitiven  Massregeln,  um  das  Geld- 
wesen in  Ordnung  zn  bringen,  schon  wirklich  eingetreten  sei. 

Wenn   diese  Einwendungen  nicht  von  allem  Gewichte  ontblösst      dci'  Um- 
waren, und  insbesondere  letztere  durch  das,   was  sich  von  den  Ver-     ^\r-^.^' 

'  politischen 

handlungen  des  Congresses  im  Publikum  verbreitete,  ein  nicht  un-  zustände 
bedeutendes  Gewicht  erhielten,  so  fand  sich  durch  Napoleons  Wieder- 
erscheinung in  Frankreich,  durch  das  eben  so  schnelle,  als  glückliche 
Ende  des  daraus  neuerdings  entstandenen  Krieges,  durch  die  gänzliche 
Ausmittlung  der  wesentlicheren,  politischen  Verhältnisse  zwischen  den 
Mächten,  durch  den  solchergestalt  noch  mehr  consolidirten  Frieden,  ins- 
besondere aber  durch  die  namhaften  Summen  in  Metallmünze,  welche  der 
österreichischen  Monarchie  zu  Theil  wurden,  der  schwierige  Zustand 
noch  vor  Ausgang  des  Jahres  1815  auf  solch  eine  Art  aufgelöst,  dass 
nun  wider  die  Möglichkeit,  dem  Geldunwesen  ein  Ende  zu  machen,  und 
wider  die  Schicklichkeit  des  Zeitpunktes  vernünftigerweise  sich  gar 
nichts  mehi'  einwenden  liess. 

Es  hatte  aber  auch  in  diesem  Jahre  das  Papiergeld  schon  wieder   Das  Papier- 
eine Höhe  von  562  Millionen  Gulden  erreicht.  Die  Curse  hatten  im  Ver-     ^^^^  "°  ^• 

1815. 

laufe  desselben  ausserordentliche  Schwankungen  erlitten,  und  der  Werth 
desselben  war  dergestalt  gesunken,  dass  der  Curs  nach  dem  Durchschnitt 
des  ganzen  Jahres  auf  etwas  über  350  Gulden  entfällt.  Es  war  vorher- 
zusehen, dass  nun  die  Sehnsucht  nach  durchgreifenden  Massregeln  laut 
und  allgemein  werden,  dass  man  nur  solche  Massregeln  und  keine 
Palliative  von  der  Staatsverwaltung  im  In-  und  Auslande  erwarten 
werde.  Langjährige  Erfahrungen  und  Leiden  rechtfertigten  diese  Sehn- 
sucht. Hinreichende  Mittel,  um  die  Schwierigkeiten  der  Ausführung  theils 
zu  mildern,  theils  ganz  zu  überwinden,  waren  erworben.  Eigentlich  war 
nun  erst  jetzt,  durch  die  fester  gegründete  äussere  Ruhe  und  durch  den 
Besitz  reichlicherer  Vorräthe  an  Metallmünze  die  Epoche  eingetreten,  wo 
man  mit  Kraft  und  Zuversicht  Hand  an  das  Werk  legen  konnte,  was  in 
keiner  der  früheren  Perioden  der  Fall  war.  Nun  liess  sich  also  der 
laute ,  allgemeine  Wunsch  nicht  mehr  für  eine  ignorante  Ungeduld  er- 
klären, und  die  Staatsverwaltung  stellte  sich  bei  einer  längeren  Zögernng 
der  Gefahr  bloss,  ganz  wider  die  öffentliche  Meinung  zu  Verstössen. 

Diese  Betrachtungen  veranlassten  mich   schon  im  November  des     Baidaccis. 
Jahres  1815  meine  Ideen  über  die  Nothwendigkeit  solcher  Massregeln,     Vorschlag 

.  zur    Conver- 

von  welchen  man  sich  eine  entscheidende  Wirkung  mit  Zuversicht  ver-     ,j,.„ng  ^g,. 
sprechen  könne,  so  wie  über  die  Wahl  derselben  zu  Papier  zu  bringen.   Staatsschuld. 


38  '  [38] 

Eine  Conveitiiung  des  gesaiiiniten  Papiergeldes  in  eine  verzinsliche 
Schuld,  schien  mir  das,  unseren  Verhältnissen  einzig  angemessene 
System,  und  so  wie  ich  in  Allem,  was  ein  rascherer  Uebergang  zur 
Metallmünze  für  Einzelne  Beschwerliches  und  Xachtheiliges  haben  mag, 
doch  nur  das  mindere  Uebel  gegen  jenes,  was  mit  der  längeren  Fort- 
dauer der  Zerrüttung  des  Geldwesens  unzertrennlich  verbunden  ist,  ge- 
funden habe,  und  die  Vernunft  es  gebietet,  im  Collisionsfalle  sich  mindere 
Uebel  gefallen  zu  lassen,  wenn  nur  durch  sie  grössere  gehoben  werden 
können,  hielt  ich  es  auch  für  ganz  wohl  möglich,  durch  zweckmässige 
Modalitäten  die  Convertii'ung  in  einem  Zeiträume  von  9  Monaten  auf 
solch  eine  Art  durchzuführen,  dass  die  Bewohner  jener  Länder,  in 
welchen  Papiergeld  circulirt,  ausser  jenen  Beschwerlichkeiten,  die  in  der 
Xatur  der  Sache  liegen,  und  daher  absolut  unvermeidlich  sind,  sonst 
keine  anderen  gefühlt  haben  würden. 

Das  Fiuanzministeiium  ging  in  seinen  Vorschlägen  zwar  eben- 
falls von  dem  Grundsatze  aus,  das  Papiergeld  allmählig  aus  dem  Um- 
laufe zu  bringen;  aber  dies  sollte  blos  durch  Einleitungen,  bei  welchen 
Uns  Finanz-  Alles  dem  freien  Willen  überlassen  blieb,  und  in  einer  ungleich  längeren 
ministennm  ^eitfrist  geschehen.  Zwei  Wege  zur  Einziehung  des  Papiergeldes  wurden 
zwei  Wege  gleichzeitig  gewählt,  der  eine,  dass  man  gegen  Erlag  von  2000  Gulden 
zurEinzic-     g(.}^eimj  umj  200   Gulden  Conventionsmünze  Actien  erhielt,    wofür  die 

hung  des  I'a- 

pieigeides.  2'2'Vo  Ziusen  in  Conventlonsmünze  bezahlt  werden  sollen;  der  andere, 
dass  für  700  Gulden  Papiergeld  -  .;  in  Conventionsmünze,  un<l  •'' -  in 
einer  einperccntigen,  gleichfalls  mit  Conventionsmünze  zu  verzinsenden 
Obligation  gegeben  wurden.  Mit  diesen  Verfügungen  wurde  zugleich, 
rücksichtlich  der  Actien,  eine  Bankanstalt  verbunden. 

Zur  Zeit,  wo  diese  Vorschläge  bearbeitet  wurden,  waren  Seine 
Majestät  von  Wien  abwesend.  Der  Finanzminister  sollte  nach  Italien 
reisen,  um  dort  die  Allerhöchste  p]ntschliessung  darüber  zu  ciwirken. 
Sie  wurden  mir,  aber  nur  auf  eine  sehr  kurze  Zeit,  mitgetlieilt  und  meine 
schriftliche  Aeusserung  vci'langt.  Auch  ich  hatte  schon  fi'üher  meinen 
Aufsatz  dem  Finanzminister  übergeben.  Er  ei'klärte,  zwar  mit  den 
Hauptgrundsätzen  desselben,  nicht  aber  mit  der  Ali  der  Ausfühi'ung, 
einverstanden  zu  sein  und  insbesondere  von  der  so  schnellen  Ausfühi-ung 
einer  gänzlichen  Conversion  überaus  nachtheilige  Folgen  zu  besorgen. 
Nach  dieser  flrklärung  war  an  die  Allerhöchste  Genehmigung  meines 
Finanzverbesserungsplanes  nicht  mehr  zu  gedenken,  da  die  weite  Vaü- 
fernung  mich  ausser  Stand  setzte,  die  Einwendungen,  welche  man 
dagegen  machen  würde,  auch  nur  zu  crfaluen.  Selbst  der  lebhafteste 
Widei'spiuch   hätte   höchstons   die  Wirkung  gehabt,    dass  noch   längere 


[39]  39 

Zeit  hindurch  gar  nichts  geschehen  wäi'e.  und  man  sehnte  sich  schon 
seit  Mimaten.  sehnte  sich  mit  dem  grössten  Kechte  nach  massgebenden 
Verfügungen.  Nach  den  Regeln  der  Probabilität  war  es  freilich  mehr- 
als  wahrscheinlich,  dass  ein  so  hoher  Grad  von  Misstrauen  bestehe,  bei 
welchem  Massregeln,  die  vom  freien  Willen  abhängen,  schlechterdings 
nicht  gedeihen  können.  Aber  a  priori  Hess  sich  dies  nicht  unwider- 
sprechlich  beweisen,  und  das  Finanzministerium  glaubte  so  fest  an  die 
Wirksamkeit  und  an  die  Zweckmässigkeit  seiner  Anträge,  dass  es  nur 
durch  wirklich  gemachte  Erfahrungen  zu  einer  anderen  Ueberzeugung 
gebracht  werden  konnte.  —  Aber  auch  ich  selbst  traute  mii*  mit  voll- 
kommenster Zuversicht  nicht  zu  behaupten,  dass  ein  Gelingen  der  von 
dem  Finanzministerium  vorgeschlagenen  Massregeln  absolut  unmöglich 
sei.  Es  gab  der  Gründe  noch  mehrere,  sich  einem  Versuche  nicht  ent- 
gegenzusetzen,  der  bei  einer  entsprechenden  Ausführung  mit  keinem 
bedeutenden  Verluste  an  Metallmünze  verbunden  gewesen  sein  würde, 
und  von  dem  man  mit  vollem  Grunde  erwarten  konnte,  dass  er  alle 
Zweifel  lösen,  und  die  grosse  Streitfrage,  ob  der  langsamere,  gelindere, 
der  Willkür  jedes  Einzelnen  überlassene ,  oder  der  schnellere ,  von  der 
Staatsverwaltung  vorgezeichnete ,  mit  Zwang  verbundene  Weg  auszu- 
wählen komme,  definitiv  entscheiden  wird. 

Von  diesen  Betrachtungen  geleitet  und  unter  den,  theils  soeben 
geschilderten,  theils  sonst  zur  Zeit,  wo  ich  meine  Aeusserung  abgab,  ob- 
waltenden Umständen,  hielt  ich  es  für  weit  schädlicher,  mich  geradezu 
wider  die  Vorschläge  des  Finanzministeriums  zu  erklären,  als  in  der 
Art  meine  Zustimmung  zu  geben,  wie  ich  es  unterm  11.  Jänner  h.  J. 
gethan  habe,  indem  ich  ausdrücklich  auf  die  Nothwendigkeit  einer 
niehrei'eu  Begünstigung  deijenigen.  welche  an  dem  Bankinstitute  theil- 
uehmen .  gegen  Jene ,  die  ihr  Papiergeld  gegen  Conventiousmünze  und 
Obligationen  umsetzen,  sowie  auf  die  Verwendung  eines  Theiles  der 
Staatsgüter  zur  mehreren  Beschleunigung  und  Versicherung  der  Ope- 
ration hindeutete  und  beifügte,  dass  im  Detail  der  Ausführung  eine 
sorgfältige  Beobachtung  der  Folgen  und  Wirkungen  und  der  öffentlichen 
Meinung,  deren  Tendenz  sich  nicht  immer  zuverlässig  vorhersehen  lasse, 
die  Xothwendigkeit  oder  Entbehrlichkeit  weiterer  Massregeln  am  richtig- 
sten entwickeln  wird. 

Der  Zeitpunkt,  in  welchem  die  Patente  erschienen  sind,  nämlich   Die  Patente 
der  1.  Juni   1816  ist  zu   wenig  entfernt,   als  dass  es  nicht  noch  im   """^  ^-  "'"°* 

*  '  1816  und  ihr 

frischen  Andenken  stehen  sollte,  dass  einige  Wochen  hinreichten,  um     jiisseifoig. 
beinahe  Jedermann   zu   überzeugen,   die  Ordnung  in  den   Geldverhält- 
jiissen  könne  und  werde  auf  dem  eingeschlagenen  Wege  nicht  hergestellt 


40  [40] 

werden.  Die  Actienabnahmo  war  gleich  anfangs  und  ist  bis  zur  Stunde 
unendlich  weit  hinter  dem  Betrag  zurückgeblieben,  der  erforderlich  ge- 
wesen wäre,  um  sich  nur  einigen  Erf<dg  ^versprechen  zu  können.  Da- 
gegen warf  man  sich  mit  einer  kaum  glaublichen  Hastigkeit  und  Gierde 
auf  die  Verwechslung  des  Papiergeldes  gegen  Conventionsmünze,  und 
einpercentige  Obligationen.  Dass  hiebei  so  beträchtliche  Quantitäten 
von  Metallmünzen  aus  den  Staatskassen,  theils  in  das  Ausland,  theils  in 
die  Kassen  der  Geldmäkler  strömten,  ohne  dass  die  Circulation  etwas  ge- 
wann, war  nicht  unmittelbare  und  unvermeidliche  Folge  des  Systems, 
sondern  der  Art  der  Ausführung,  die  keineswegs  mit  jener  Vorsicht, 
welche  man  bei  dem  Anbeginne  solch  einer  Operation  nie  ausser  Acht 
lassen  darf,  sondern  mit  einer  Ausdehnung,  als  wäre  num  seiner  Sache 
vollkommen  sicher  gewesen,  geschah.  Mit  einer,  höchstens  mit  zwei 
Millionen  hätte  man  die  nämliche  Erfahrung  machen  und  sich  Gewiss- 
heit verschaffen  können ,  dass  die  Actien  viel  zu  wenig  gesucht  werden, 
um  von  der  Bank  eine  Wirksamkeit  zu  erwarten,  dass  man  dagegen  den 
ganzen  Vorrath  an  Metallmünze  m  einigen  Monaten  fruchtlos  vergeuden 
würde,  wenn  man  die  Verwechslung  des  Papiergeldes  gegen  Conventions- 
münze und  einpercentige  Obligationen  fortgesetzt  hätte.  Schon  die  un- 
angenehmen Auftritte,  welche  aus  dem  gewaltsamen  Hinzudrängen  zu 
den  Kassen  entstanden,  setzten  dieser  Verwechslungsart  Schranken.  So- 
bald die  Verwechslung  ganz  eingestellt  werden  musste,  und  die  Actien 
nur  in  geringer  Zahl  abgenommen  wurden ,  lag  es  am  Tage ,  dass  das 
neue  Finanzsystem  sich  nicht  weiter  behaupten  könne.  Es  wurde  daher 
sehr  dringend,  über  die  weiters  zu  ergreifenden  Mittel  zu  berathschlagen  ; 
zumal  das  Finanzministerium  aus  nicht  unbegründeter  Besorgniss,  die 
Curse  würden  sich  in  der  Zwischenzeit  gar  zu  sehr  verschlimmern,  Con- 
ventiiinsmünze  auf  der  Börse  verkaufen  Hess,  und  die  wichtigsten,  Jeder- 
mann vim  selbst  einleuchtenden  Gründe  dafür  stritten,  diesem  traurigen 
Mittel  die  mitglichst  kurze  Dauer  zu  geben. 
Das  Finanz.-  Von  dem  Zeitpunkte  an,  wo  ein  eigenes  Finanzcomite  uud  ich  zu 

comite  und    gincm  GUcde  dieses  Comite  ernannt  wurde,   war  es  füi-  mich  eine  heilige 

Baldacci"s 

Eintreten  für   Pflicht,  gctreuUch  auzugebcn  und  gründlich  darzuthun,  was  nun  zu  ge- 
(iiL-conver-    schehcu  habe,   um  das  verfehlte  Ziel  wieder  zu  erreichen.    Gleich  in  den 

tirung. 

ersteren  Conferenzen  habe  ich  mein  Glaubensbekenntniss ,  dass  nur  in 
der  Convertirung  die  Möglichkeit  liege,  der  Zerrüttung  des  Geldwesens 
sicher  und  dauerhaft  abzuhelfen,  freimüthig  abgelegt.  Meine  Meinung 
fand  lebhaften  Widerspruch.  Unübersehbare  Naclitheile  wurden  als  un- 
vermeidliche Folgen  einer  vorzeitigen  Ausführung  dieses  Systems  an- 
gegeben. ]\lan  f;ind  den  Wohlstand  dei- Privaten,  den  Haiidtl  im  Grossen, 


[41]  41 

den  täglichen  Verkehr,  ja  selbst  den  öffentlichen  Dienst  äusserst  ge- 
fährdet.   Auch  glaubte  man,  eindringendere  Massregeln  vor  der  Hand 
noch  ganz  wohl   vermeiden  zu  können,   da  sich  von  dem   freiwilligen 
Arrosement,  welches  der  Hofrath  Freiherr  von  Pillersdorf  vorgeschlagen    Piiicrsdoifs 
hatte,  eine  gedeihliche  Wirkung  erwarten  lasse,  wo  sich  sodann,  wenn       *"^der*^ 
man  die  Resultate  desselben  aufmerksam   beobachtet  haben  wird,   am    Anosirung. 
richtigsten  zeigen  werde,  was  weiter  zu  thun  erübrige. 

Dem  vorgeschlagenen  Arrosement  beizustimmen,  habe  ich  nun 
zwar  kein  Bedenken  getragen,  denn  mir  schien  die  Massregel  gerecht 
und  consequent;  gerecht,  weil  die  Staatsgläubiger  durch  mehr  als  eine 
der  früheren  Verfügungen  sehr  hart  mitgenommen  worden  sind,  bis  zur 
Stunde  ihre  herabgesetzten  Zinsen  in  einem  tiefgesunkenen  Papiergelde 
erhalten,  hiedurch  ungemeinen  Schaden  gelitten  haben  und  noch  leiden, 
dieselben  also,  so  viel  es  die  Kräfte  des  Staates  nur  immer  zulassen, 
berücksichtigt  zu  werden,  wohl  unwidersprechlich  verdienen ;  consequent, 
weil  auf  diese  Weise  Scheine  aus  dem  Umlaufe  gezogen  werden,  ohne 
dass  der  Staat  dabei  seine  Vorräthe  an  Münze  erschöpft  oder  sonst  eine 
unerschwingliche  Last  übernimmt.  Allein  eine  wesentliche  Abhilfe  gegen 
das  Hauptübel,  einen  entscheidenden  Schritt  zur  Wiederherstellung  des 
zerrütteten  Geldwesens  habe  ich  in  dieser  Massregel  nicht  gefunden, 
sondern  sie  nur  für  ein  secundäres ,  mitwirkendes  Mittel  gehalten, 
welches  eingreifendere  Verfügungen  auf  keine  Weise  und  um  so  weniger 
entbehrlich  machen  könne,  als  sich,  bei  dem  so  allgemeinen  Misstrauen, 
ganz  sicher  auch  Zweifel ,  wo  nicht  über  den  Willen,  doch  über  das  Ver- 
mögen der  Staatsverwaltung,  die  Zinsen,  dem  Versprechen  gemäss,  fort- 
während in  Conventionsmünze  zu  bezahlen,  erheben  und  in  dem  Masse 
grösseren  Eingang  finden  werden,  als  sich  die  Meinung  mehr  fixirt,  dass 
man  keine  kräftigeren  und  schneller  wirkende  Vorkehi-ungen  zur  Weg- 
schaffung des  Papiergeldes  treffen  wolle. 

Diese  letztere  Meinung  schien  weder  der  Finanzminister  noch  der     Baidaccis 
Staats-  und  Conferenzminister  Graf  Zichy  mit  mir  zu  theilen ,  sondern  verhaUen  zu 

dem  AiTOsi- 

sich  von  der  Ankündigung  des  Arrosement  eine  ungleich  stärkere  Wirkung  rungspiane. 
zu  versprechen,  über  das,  was  weiter  geschehen  solle,  noch  keinen 
bestimmten  Plan  zu  haben,  vielmehr  erst  die  Folgen  und  Wirkungen 
der  wirklichen  Ausführung  dieser  Massregel  längere  Zeit  hindurch  ab- 
warten, und  in  der  Zwischenzeit  sich  in  keine  förmlichen  Discussionen 
rücksichtlich  der  Convertirung  einlassen  zu  wollen.  Je  mehr  sich  dies 
aus  dem  Gange  der  Verhandlungen  entwickelte,  um  so  nothwendiger 
fand  ich  es,  nicht  nur  auf  meinen  früheren  Erklärungen  zu  beharren, 
sondern  mich  noch  überdies  auf  das  bestimmteste  zu  äussern,  dass  ich 


42  [42] 

iler  KiiiKliinicliiiny  «Ics  cntwoifeneu  Piitents  wegen  des  Airosement,  was 
aber  Seine  Majestät  mir  unter  dem  Namen  eines  Anleiliens  angekündigt 
und  vor  der  Allerhöchsten  Genehmigung  noch  verscliiedene  xVnstände  ge- 
löst wissen  wollten,  einzig  nur  auf  den  Fall  und  unter  der  Bediugniss 
beitreten  könne,  wenn  ohne  längeren  Zeitverlust  zu  den  Berathungen 
über  die  weiters  zu  ergreifenden  Massregelu  geschritten  würde. 

Im  Einklänge  mit  dieser  Erklärung  und  aus  abermaliger  Wahr- 
nehmung, dass,  wenn  es  über  die  Convertirung  zur  Sprache  käme ,  nie 
in  eine  nähere  Würdigung  des  Gegenstandes  eingegangen,  sondern  sich 
blos  auf  die  Aufzählung  der  höchstschädlichen  Folgen  dieses  Systems, 
ohne  die  Angaben  zu  begründen,  beschränkt  wurde,  mithin  aus  inniger 
Ueberzeugung,  dass,  wenn  nicht  ein  Typus  für  die  Deliberationen  auf- 
gestellt wird,  ungemein  viel  Zeit  verloren  gehen  werde,  ohne  auch  nur 
sicher  zu  wissen ,  in  welchen  Punkten  num  einig  und  in  welchen  da- 
gegen einer  verschiedenen  Meinung  sei,  habe  ich  Fi'agen  entworfen,  die 
mir  den  Gegenstand  ganz  zu  umfassen  schienen  und  aus  deren  indi- 
vidueller Beantwortung  sich  nothwendig  zeigen  musste,  was  man  für  all- 
seitig zugegeben  annehmen  könne,  und  worüber  dagegen  weitere  schrift- 
liche und  mündliche  Debatten  nothwendig  sind,  um  diese  Punkte  vollends 
zu  erschöpfen,  und  wo  nicht  am  Ende  ein  übereinstimmendes  Gutachten, 
doch  wenigstens  die  vollständig  beleuchteten  verschiedenen  Meinungen 
der  Allerhöchsten  Schlussfassung  unterziehen  zu  können. 

Alle  diese  Bemühungen  hatten  nun  zwar  den  Erfolg,  dass  in  der 
Conferenz  vom   15.  October  der  einhellige  Beschluss,  dass  nur  von  der 
zu  Gunsten    Couvertirung,  das  ist  von  der  gänzlichen  Umstaltung  des  Papiergeldes  in 
der  conver'-^   ^^^^  Verzinsliche  Schuld  die  Wiederherstellung  der  Ordnung  in  den  Geld- 
tiiung.       Verhältnissen  mit  Grund  zu  erwarten,  dass  sohin  die  'bestmöglichste  Art 
der  Ausführung  dieses  Systems  unaufgehalten  in  Erwägung  zu  ziehen, 
dass  sich  bei  den  diesfälligcn  Beratlnmgen  der  Antworten  auf  die  von 
mir  entworfenen  Fragen  als  eigentliclie  Anhaltspunkte  zu  bedienen  und 
dass  bei  Seiner  Majestät  auf  die  Genehmigung  des  Patententwurfes  wegen 
des  zu  eröffnenden  Anleihens,  als  einer  mit  dei'  Convertirung  im  Ein- 
klänge stellenden  Massregel,   und  vorzüglich  auch  zu    ilein  Ende,  uin 
den  Verkauf  der  Conventionsmünze  auf  der  Börse   sogleich   einstellen 
zu  können ,  zu  dringen  sei.    Allein,  obwohl  ich  meine  ausführliche  Be- 
antwortung der  Fragepunkte  dem  Finanzminister  theils  noch  vor  dieser 
Conferenz,    theils  einige  Tage  nach   derselben,   übergeben  habe,    und 
Was  Anic-     obwohl  das  Patent  in  Betreff  des  Anleihens  am  29.  October  erschienen 
V  2rortobcr   '^^'  ^^^  wurde  doch  bis  zui-  Hälfte  iles  Monates  November  mit  den  Be- 
i«if>-        rathungen  rücksichtlich  der  Convertirung  oder  der  sonst  zu  ei-groifenden 


[43]  43 

Massiegeln  noch  gar  kein  Anfang  gemacht,  und  überhaupt  seit  mehr  als 
vier  Wochen  nicht  eine  einzige  Conferenz  in  Finanzangclegenheiten  ge- 
halten, dagegen,  wie  man  allgemein  behauptet,  mit  dem  Verkaufe  der  Con- 
ventionsmünze auch  noch  nach  Erscheinung  des  Patentes,  ja  selbst  auch 
noch  nach  dem  Zeitpunkte,  wo  mit  der  Annahme  der  alten  Obligationen 
und  Scheine  schon  wirklich  der  Anfang  gemacht  worden  ist,  fortgefahren. 

Soll  etwa  die  Ursache  dieses  mit  dem  Conferenzbeschlusse  ganz     Die  Fort- 
unvereinbarlichen ,  und  wohl  schwerlich  durch  irgend  eine  Allerhöchste   ,,  f"",-  ^' 

"  Lcbelstande. 

Eutschliessung  autorisirten  Benehmens  darin  liegen,  dass,  da  die  wirk- 
liche Einwechslung  erst  seit  einigen  Tagen  stattfindet,  man  die  Folgen 
und  AVirkungen  dieser  Creditoperatiou  noch  nicht  hinlänglich  abnehmen 
könne,  und  es  daher  auch  an  einer  sicheren  Basis  zu  dem  weitereu  Ver- 
fahren noch  mangle,  so  geht  das  Finanzministerium  von  einer  offenbar 
unrichtigen  Voraussetzung  aus,  und  kommt  mit  dem  in  Widerspruch, 
was  es  schon  früher  erkannt  und  selbst  geäussert  hat,  dass  nämlich  das 
Anleihen  nur  eine  Adminicularmassregel  und  blos  durch  sie  der  Zer- 
rüttung des  Geldwesens  abzuhelfen,  nicht  geeignet  sei.  Wäre  aber 
auch  diese  Erkenntniss  und  diese  Aeusserung  nicht  vorausgegangen, 
so  würden  die  bisherigen  Erscheinungen  seit  der  Kundmachung  des 
Patentes  hinreichen,  um  jede  Illusion  darüber  zu  zerstreuen,  dass, 
sowie  der  Verfügung,  wodurch  das  Anleihen  eröifnet  wurde,  solch  eine 
heilsame  Einwii-kung  auf  die  Gekhveseuszerrüttuug,  um  eingreifendere 
Massregeln  entbehrlich  zu  machen ,  gar  nie  zugemuthet  werden  konnte, 
ebenso  auch  insbesondere  die  grosse  Klippe  aller,  vom  freien  AVillen 
abhängender  Verbesserungsmittel,  nämlich  das  Misstrauen  seit  der 
Publication  des  Patentes  und  der  wirklich  angefangenen  Verwechslung 
keineswegs  gesprengt  und  zerstört  worden  ist;  maassen  sich  die  Curse, 
ungeachtet  der  leidigen  Operationen  auf  der  Börse  äusserst  wenig  ge- 
bessert haben,  vielmehr  immer  zur  Verschlimmerung  hinneigen,  die  früher 
schon  höher  gestandenen  älteren  Obligationen  wieder  zurückgehen  und  die 
neueren,  in  Conventionsmünze  verzinslichen  Obligationen  einen  ungleich 
höheren  AA'erth,  als  den  sie  wirklich  behaupten,  haben  müssten,  wenn  es 
bisher  nur  einigermassen  gelunge]i  wäre,  das  A^ertrauen  zu  erwecken. 
Ob  unter  diesen  Umständen  das  Anleihen  bis  auf  50,  (30  oder  gar 
100  Millionen  gebracht  werden  wird,  ist  —  in  Beziehung  auf  das 
Hauptübel,  nämlich  auf  die  zerrütteten  Geldverhältnisse  —  im  Grunde 
eine  gleichgültige  Sache,  da  diese,  auch  wenn  100  Millionen  Scheine  aus 
dem  Umlaufe  gezogen  würden,  noch  beiweitem  nicht  in  Ordnung  ge- 
bracht sein  werden,  und  weil  es  nicht  blos  wahrscheinlich,  sondern 
beinahe  gewiss  ist,  dass  selbst  nach  solch  einer  A^crmiudorung  —  wenn 


44  [44] 

;-iui.>st  nichts  goscliiolit  —  die  Cursc  eben  so  schlecht  und  noch  schlechter 
als  jetzt  sein,  sohin  aticli  alle  übrigen  Verlegenheiten  und  Uebei  in  einem 
gleichen  oder  selbst  noch  höhereu  Masse  fortdauern  würden;  während 
die  Vorräthe  an  Metallmünze,  von  deren  grösseren  oder  geringeren 
Menge  die  mehi-erc  Leichtigkeit  oder  Beschwerliclikeit  des  üebergauges 
zur  Ordnung  in  den  Geldvorliältuisseu  so  wesentlich  abhängt,  mit  jeder 
AVoche  zusammenschmelzen. 

Höchst  bedauerlich  ist  es  also,   dass  die  Berathungen  über  den 
weiters  anzunehmenden  Plan  so  lange  verzögert  worden  sind.    Noch  be- 
dauerlicher  ist   es,   dass   der   Verkauf  der   Conventionsmünze   auf  der 
Börse  selbst  zur  Stunde,  wo  ich  dies  sclireibe,  noch  fortgesetzt  wird.   Ich 
enthalte  mich  aller  Gründe  für  die  Unerlässlichkeit  der  Umstaltung  des 
Baidacci-s     Papiergeldes  in   eine   verzinsliche   Schuld  und  für   die  Modalitäten  der 
überVicCon-   ■'^"'^ftihrung ,  sowie  ich  sie  in  meinem  Aufsatze  vom  29.  November  1815 
veitiningdes   vorgeschhigeu  habe;  weil  dieser  Aufsatz  nicht  blos  meine  Ideen  und  An- 
inTinTvei-   ^'"^S® »  sondem  auch  die  Motive,  auf  welchen  sie  beruhen,  umständlich 
zinsiicbe      darstellt;   weil  ich  auch  in  einer  späteren  Ausarbeitung  die  Lage  des 
Geldwesens  in  dei-  österreichischen  Monarchie,  die  unermesslichen  Uebel, 
welche  daraus  entspringen,  und  die  sichersten  Mittel  zu  einer  dauer- 
haften Abhilfe  nicht  blos  angegeben,  sondern  durchgehends  begründet 
habe;   weil  endlich  auch  meine  Beantwortung  der  mehrraal  erwähnten 
Fragen  die  Beleuchtung  jedes   einzelnen  Punktes,   insoweit  dabei  Er- 
läuterungen und  Begründungen  nothwendig  waren,  enthält.     Aber  ich 
kann  nicht  genug  ausdrücken,  wie  dringend  es  ist,  jeden  weiteren  Ver- 
kauf der  Conventionsmünze,  die  sich  in  den  Staatskassen  befindet,  auf 
der  Stelle  zu  verbieten,  und  auf  das  nachdrücklichste  anzuordnen,  dass 
zu  den  Berathungen  über  die  weiters   zu  ergreifenden  Massregcln  ohne 
mindesten  Zeitverlust  geschritten,  und  —  weil  die  Wichtigkeit  des  Gegen- 
standes eine  sorgfältige  Prüfung  erheischt  —  die  Conferenzen  mit  den 
möglichst  kürzesten  Zwischenräumen  so  lange  fortgesetzt  werden,   bis 
entweder  ein  vollständiges,  übereinstimmendes  Gutachten  oder,  wo  sich  die 
Meinungen  theilen ,  eine  lichtvolle  Darstellung  sowohl  der  einen,  als  der 
anderen  dieser  Meinungen  als  auch  der  Gründe,  auf  welchen  sie  beruhen, 
der  Allerhöchsten  Einsicht  unterzogen  werden  kann.  Hier  haftet  offenbar 
Gefahl'  auf  den  Verzug,  und  der  Zeitpunkt  ist  gewiss  nicht  entfernt,  wo  man 
es  bereuen  wird,  nicht  früher  mit  den  Berathungen  angefangen  zu  haben. 
Einwurf  Einer  der  vorzüglichsten  Einwürfe  gegen  die  Convertirung  ist  die 

Gr€£r6n   clic 

Convertirung  «chwere  Last  der  Zinsenzahlung ,  welche  der  Staat  auf  sich  nimmt,  und 
und  Wider-    die,  wie  Manche  behaupten,  schon  wieder  den  Keim  neuer  Deficite,  mit- 

IccnnsT  des-         • 

selben.       ^'"  abermaliger  Zerrüttungen  der  Finanzen  in  sich  schliesst.     Hierauf 


[45]  45 

antworte  ich,  dass,  wenn  sich  die  Kegierunji'  wirklich  zu  solchen  Zinsen 
verbände ,  die  sie  nebst  den  übrigen  Staatsbedürfnissen  schlechterdings 
nicht  aufbringen  kann,  sie  auch  nach  meinem  Dafürhalten  sehr  zweck- 
widrig handeln  würde;  nicht  nur,  weil  sie  auf  diese  Weise  sich  nur  aus 
einer  Zerrüttung  herauswindet,  um  sich  gleich  wieder  m  eine  neue  zu 
stürzen,  sondern  auch,  w'eil  das  Uebermass  der  Bürde,  die  sie  sich  auf- 
ladet, dem  verständigeren  Theile  des  Publikums  nicht  entgeht,  dadurch 
ein  gegründetes  Misstrauen  gegen  die  Möglichkeit  der  Ausfüluimg  erregt, 
und  selbst  die  wohlthätige  Absicht,  durch  Zahlung  höherer  Interessen 
den  neu  auszustellenden  Obligationen  mehr  Werth  zu  verschaffen  und 
solchergestalt  den  Verlust  des  Publikums  bei  der  Einziehung  des  Papier- 
geldes zu  vermindern,  wegen  der  nachtheiligeu  Einwirkung  der  Ueber- 
zeugung,  dass  diese  höhere  Interessenzahlung  nicht  lange  stattfinden 
könne,  auf  den  Werth  der  Schuldverschreibungen,  vereitelt  werden  würde. 
Wenn  aber  die  Regierung  im  Gegensätze  den  Geldbesitzern  gar  keine 
oder  nur  eine  äusserst  geringe  Entschädigung  anbieten  wollte,  um  es  sich 
ja  recht  leicht  und  bequem  zu  machen,  so  würde  sie,  wie  ich  wenigstens 
glaube,  eine  schreiende  Ungerechtigkeit  begehen  und  zu  den  gegründetsten 
Klagen  Anlass  geben.  Man  hat  kein  Mittel  unversucht  gelassen,  dermal, 
als  die  Einlösungsscheine  an  die  Stelle  der  Bankozettel  traten,  diesem 
neuen  Papiergelde  das  vollste  Vertrauen  zu  verschaffen.  Man  hat  es 
nicht  nur  allein  als  Conventionsmünze  bezeichnet,  sondern  dergestalt 
mit  aller  Gewalt  als  Surrogat  der  Conventionsmüuze  geltend  zu  machen 
gesucht,  dass  sehr  viele  Gläubiger  sich  gefallen  lassen  mussten,  für  ihre 
Darleihen  in  Conventiousmünze  sich  mit  Einlösungsscheinen  zu  be- 
gnügen. Man  hat  die  Anticipationsscheine .  insoweit  die  Exmission 
derselben  öffentlich  und  durch  eigene  Patente  geschah,  fundirt.  Was 
füi-  einen  Eindruck  muss  es  nicht  hervorbringen,  wenn  nach  solchen  Ver- 
anlassungen, wenn  nach  einer  noch  so  frischen  Erinnerung  an  dasjenige, 
was  im  Jahre  1811  geschah,  auch  jetzt  wieder  solch  eine  Operation  mit 
dem  Papiergelde  vorgenommen  würde,  bei  welcher  man  einzig  nur  die 
Erleichterung  der  Finanzen  und  gar  im  geringsten  nicht  die  so  billigen 
Ansprüche  dei-  Geldbesitzer  auf  jede  mögliche  Schonung  voi-  Augen  hätte, 
und  dies  zu  einer  Zeit,  wo  man  nicht,  wie  im  Jahre  1811,  den  so 
äusserst  verschlimmerten  Zustand  der  Mouaichie  durch  unglückliche 
Kriege  .  Länderverluste ,  beträchtliche  Contributionszahlungen  etc.  als . 
rechtfertigende  Ursachen  anführen  kann;  wo  ferner  die  Staatsverwaltung 
noch  bis  auf  diesen  Augenblick  fortfährt,  einen  guten  Theil  ihrer,  zu 
einem  besseren  Gebrauche  so  unentbehrlichen  Vorräthe  an  Metallmünze 
zu  opfern,  um  beträchtlichere  Cui'sverschlimmerungen  zu  verhüten. 


46  [46] 

Darum  iiiiil  woil  es  wohl  Jedem  in  die  Aug-eu  springen  muss,  wie 
höchst  imbillig  es  wäre,  bei  der  Wegschaffung  des  Papiergeldes,  welches 
während  der  kriegerischen  Zeiten  vorzüglich  darum  so  vermehrt  worden 
ist,  um  nicht,  wie  es  in  anderen  Staaten  geschah,  die  Grundbesitzer  und 
andere  contribuirende  Classen  mit  Steuern  und  Abgaben  überbürden  zu 
müssen,  nunmehr  den  ganzen  Schaden  auf  diejenigen  zu  wälzen,  welche 
in  der  letzten  Zeit  vor  dem  Uebergange  zur  Metallmünze  beträchtlichere 
Summen  Papiergeldes  in  Händen  haben,  scheint  mir  die  Verbindlichkeit 
der  Staatsverwaltung,  bei  der  Ausführung  des  Conversionss3'stems  alles, 
was  in  ihren  Kräften  steht,  zur  Erleichterung  der  Geldbesitzer  zu  thun, 
gar  keinem  Zweifel  zu  unterliegen. 

Es  ist  auch  nur  ein  einziger  Fall  denkbar,  wo  aus  der  Umw^andlung 
des  Papiergeldes  in  eine  verzinsliche  Schuld  wirklich  eine  unerschwing- 
liche Last  für  den  Staat  entstehen  könnte,  nämlich,  wenn  derselbe 
zugleich  fortfährt,  einen  übermässigen  Militär-Etat  zu  unterhalten.  Allein 
gerade  dieser  Gegenstand  verdient  nach  meinem  Dafürhalten  die  aller- 
vorzüglichste  Aufmerksamkeit.  Nun  ist  schon  mehr  als  ein  Jahr  ver- 
AUgcmpines  flosscu ,  Seitdem  die  grossen  Weltangelegenheiteji  ausgeglichen  worden 
Unbehiitjeii     ^j,|,]    ^^j^,]   friede   in   ganz   Europa  herrscht.     Dcmungeachtet   ist  man 

w?.gcu  Ucliei- 

lundunt,'      beinahe  nirgendwo  vergnügt,  nii-gendwo  glücklich.    In  mehreren  Ländern 
duicii        herrscht  Mangel  und  Noth,  aber  auch  selbst  in  solchen,  wo  die  Ernte 

SteucMii. 

gesegneter  ausfiel,  lindet  man  keine  Spur  von  Zufriedenheit.  Wenn  auch 
wirkliche  Unruhen  sich  nur  auf  England  beschränken,  und  aucli  dort 
von  der  Art  sind,  dass  sie  noch  immer  mit  leichter  Mühe  gedämpft 
werden,  so  äussert  sich  doch  fast  allenthalben  ein  unbehaglicher,  ge- 
spannter Zustand,  der  wenigstens  in  der  Folge  Explosionen  besorgen 
lässt  und,  wenn  auch  keine  erfolgen  sollten,  doch  jeder  Regierung, 
welcher  das  Wohl  ihres  Volkes  am  Herzen  liegt,  höchst  unajigenelun 
sein  muss.  Die  Eichtigkeit  dieser  auffallenden  Erscheinung  lässt  sich 
nach  dem,  was  glaubwürdige  Reisende  darüber  einstimmig  angeben,  wohl 
gar  nicht  bezweifeln.  Aber  wenn  man  die  Ursache  einzig  in  den  voraus- 
gegangenen,  langwierigen  Kriegen  und  in  dem  Missrathen  der  heurigen 
Ernte  zu  finden  glaubt,  scheint  mir  dies  ein  sehr  oberüächiges  Urtheil 
zu  sein.  Ausserdem,  dass  der  widrige  Ausschlag  der  Ernte  in  Europa 
nicht  allgemein  war,  und  auch  in  Ländern,  die  nicht  nur  allein  für 
■  ihren  Verbrauch  bedeckt  sind,  sondern  selbst  Ueberschüsse  an  der  Er- 
zeugung gegen  das  Erforderniss  haben,  die  sie  mit  grossem  Vortheile 
anderen  Ländern  überlassen  können,  keine  Zufriedenheit  wahrzunehmen 
ist,  weiss  man  vorzüglicli  in  Staaten,  die  an  einer  höheren  Stufe  von 
Cultur  stehen,  Unfälle,  welclie  die  Vorsehung  über  Länder  geschickt  hat, 


[4  7]  47 

vonjeueu,  welche  Folgen  adniinistiativei'  Verfügungen  sind,  sehr  wohl 
zu  unterscheiden.  Man  fühlt  es  weiter  sehr  gut,  dass  tiefgeschlagene 
Wunden  nicht  schnell  vernarben  können,  und  dass  ein,  durch  lang- 
wierige Kriege  und  die  damit  verbundenen  Missgeschicke  vei'schwundener 
Wohlstand  sich  erst  nach  Jahren  wieder  einfinden  kann.  Allein  eben 
das  Andenken  an  die  ausgestandenen  Leiden  gibt  der  nun  eingetretenen 
Ruhe  schon  selbst  solch  einen  Werth,  und  leitet  die  Betriebsamkeit  so 
mächtig  auf  das  allmählige  Wiedererwerben  des  verlorenen  Wohlstandes 
liin.  dass  man  sich  der  üeberzeugung  nicht  erwekren  kann,  es  mttsste 
wolil  etwas  Anderes  als  die  blossen  Xachwehen  der  langen  Ki-iege  sein, 
was  die  Spannung  in  den  Gemüthern  und  ein,  fast  in  allen  Staaten 
sichtbares,  Missvergnügen  unterhält.  Ohne  in  Abrede  zu  stellen,  dass 
die  häufigen  Veränderungen  in  dem  Territorialbesitze  und  andere  diesem 
oder  jenem  Lande  besonders  anklebende  Verhältnisse,  hier  und  dort  nicht 
unbedeutende  Quellen  des  Unmuthes  sind,  so  lässt  sich  doch  bei  einer 
sorgfältigen  Würdigung  aller  obwaltenden  Umstände  mit  Zuversicht  an- 
nehmen .  im  Allgemeinen ,  oder  wenigstens  dem  grösseren  Theile  nach, 
luibe  der  Unmuth  seinen  vorzüglichen  Grund  darin,  dass  die  Lasten, 
welche  die  Völker  noch  gegenwärtig  tragen,  theils  noch  immer  so  gross 
wie  zur  Zeit  der  ausserordentlichen  Anstrengungen  sind,  theils  wenig- 
stens mit  den,  durch  die  früheren  Anstrengungen  merklich  geschwächten  uebermaass 
Kräften  in  keinem  richtigen  Verhältnisse  stehen.    Je  mehr  man  es  nun    ^^^  Annee- 

bedarfes. 

fühlt,  dass  nur  die  grosse  Truppenanzahl,  welche  die  meisten  Regierungen  Notuwendig- 
unterhalteu,  sie  zwingt,  den  Völkern  solch  starke  Lasten  aufzulegen, 
um  so  grösser  ist  das  Missbehagen  der  Völker  an  diesem,  für  sie  so 
überaus  lästigen  Aufwände;  und  ganz  gewiss  liegt  hierin  der  vorzüglichste 
Grund  einestheils  der  Unzufriedenheit  der  Völker,  auderentheils  der  fort- 
währenden Verlegenheiten  fast  aller  Regierungen  in  unserem  Welttheile. 

Will  man  nun  aus  dem  Benehmen  anderer  Mächte  die  Nothwendig-   Die  Sachlage 
keit,  gleichfalls  eine  grössere  Anzahl  Truppen  auf  den  Beinen  zu  halten,     '°  anderen 

°  °  europäischen 

ableiten,  so  scheint  mir  die  Folgerung  nicht  staudhältig  zu  sein.  Grosse,  stauten, 
stehende  Armeen  geben  bereite  Mittel  zum  Angriffe,  aber  sie  vermehren 
keineswegs  die  inneren  Kräfte  des  Staates;  vielmehr  schwächen  sie  diese 
Kräfte  und  zehren  sie  auf.  Nach  den  früheren  Ereignissen,  und  bei  den 
jetzt  allenthalben  so  sehr  gestiegenen  Preisen  kann  keine  Macht  diese 
Anstrengung  längere  Zeit  hindurch  aushalten.  Frankreich,  was  zuerst  nankreich. 
stärkere  Armeen  unterhielt,  ist  auch  zuerst  in  jene  ausserordentlichen 
Finanzverlegenheiten  gerathen,  die  nach  und  nach  namenlose  Uebel 
herbeiführten.  Seit  dem  Jahre  1815.  wo  die  alte,  dem  vormaligen 
Machthaber  ergebene  Armee   entlassen   wurde,   hat   Frankreich   seinen 


keit  seiner 
Keduction. 


48  [481 

Militär-Etat  gegen  frühere  Zeiten  ungemein  beschränkt,  und  selbst  diese 
beschränktere  Zahl  ist  bei  weitem  nicht  vollzählig  vorhanden.  Vielmehr 
weiss  man  aus  öflentlichen  Berichten,  dass  blos  für  die  köuigliohen 
Garden  und  für  die  zum  Dienste  in  den  Colonien  bestimmten  Tru^tpcn 
die  Werbungen  mit  Nachdruck  betrieben  werden,  dagegen  jene  für  die 
Liuieuinfanterie  und  Cavallerie  eingestellt  sind.  Nur  dadurch  wurde 
es  Frankreich  möglich,  seinen  Verbindlichkeiten  gegen  andeie  Mächte 

i'reussen.  Genüge  zu  leisten.  Preussen  hat  sich  unter  Friedrich  den  Zweiten  zu 
einem  ganz  militärischen  Staat  gebildet.  Wenige  Jalire  nach  seinem 
Tode  reichten  zwei  vorlorene  Schlachten  zum  gänzlichen  Umstürze  dieses 
mit  so  vieler  Kunst  und  Anstrengung  aufgeführten  Gebäudes  hin.  Nun, 
wo  es  wieder  zum  Besitz  seiner  vorigen  Länder  oder  selbstgewählter 
Aequivalente  gelangt  ist,  wird  es  die  bereits  angefangeneu  Keductionen 
noch  bedeutend  ausdehnen  müssen,  wenn  es  nicht  in  einem  Zustande 

England,  von  Erschöpfung  fortvegetiren  will.  In  England  wird  das  sehnsuchts- 
volle Geschrei  nach  Eiiischränkungen  mit  jedem  Tage  lebhafter,  und  aus 
dem,  was  öffentliche  Blätter  von  fortwährenden  Keductionen  melden, 
sieht  man  wohl  auch  in  der  Entfernung  deutlich  genug,  dass  die  Ministei' 
es  für  unvermeidlich  halten,  diesem  Verlangen  imchzugeben.  In  dem 
Niederlande.  Königreiche  der  Niederlande,  dessen  Ausgaben  für  das  nächste  Jahr  be- 
deutend geringer,  als  für  das  ablaufende  sind,  aber  doch  noch  mehr  als 
73  Millionen  Gulden  betragen,  wird  über  das  Drückende  der  Abgaben 
ausserordentlich  geklagt,  ohne  dass  sich  bei  dem  dermaligen  Bestände 
der  Land-  und  Seemacht  eine  Möglichkeit,  diesen  Klagen  abzuhelfen, 

Spanien.  deiikpii  lässt.  Von  Spanien  erfährt  man  wegen  seiner  weiten  Entfei'nung 
und  wegen  der  doi't  sehr  beschränkten  Pul>licität  nur  wenig.  Aber  auch 
dieses  wenige  ist  zur  Ueberzeugung  hinreichend,  dass  die  Regierung, 
ungeachtet  sie  kein  Mittel,  sich  Geldzuflüsse  zu  versc]iaff(Mi .  uuvcrsuclit 
Neapel.  lässt ,  sich  fortwährend  in  einer  argen  Finiiiizkleinme  beiludet.  Neapel 
hat  seinen  Truppenstand  gegen  jenen  in  Murat's  Zeiten  sehr  restringirt 
und  überhaupt  solche  Einleitungen  getroffen,  dass  man  deutlich  abnimmt, 
diese  Macht  gehe  von  dem  ganz  richtigen  Grundsatze  aus,  dass  nur 
durch  Verminderung  der  Auslagen  in  der  für  jeden  Staat  kostspieligsten 
Rubrik  das  durch  die  früheren  Ereignisse  erarmtc  Volk  steuerfähig  er- 
halten,   lind  nach  und  nach  wieder  wohlhabend  gemacht  werden  könne. 

Sardinien.  Sardinien  verdankt  es  wohl  nur  der  Acquisition  des  reichen  Genua  und 
dem  grossen  Drucke,  unter  welchem  die  Bewnlmer  dieses  Landes  wähiH'iid 
der  vorigen  Regierung  standen,  dass  es  mit  den  Kosten  für  seine  Armee 
noch  aufkommt.  Aber  diese  fühlen  auch  ihre  Lage  nichts  weniger  als 
glücklich  geändert,  und  der  nicht  unwichtige  Seehandel  des  Landes,  ja 


[49] 


49 


Deutsche 
Staaten. 


Dänemark. 


selbst  die  Sichei-heit  der  Küsten  von  Sardinien  ist  von  allem  eigenen 
Schutze  entblösst.  In  Deutschland  weiss  man  es  aus  öffentlichen  Nach- 
richten bisher  nur  von  Sachsen,  dass  es  seine  stehende  Armee  auf  eine 
äusserst  geringe  Zahl  reducirt  habe.  Dafür  entledigt  sich  dieses  Land 
aber  auch  fortwährend  der  lästigen  Geldzeichen,  die  es  in  den  Zeiten  der 
Noth  auszustossen  bemüssigt  war,  ungeachtet  es  nicht  wie  die  übrigen 
Staaten  gewonnen,  sondern  einen  äusserst  empfindlichen  Verlust  erlitten 
hat.  Baiern,  Würtemberg,  Baden,  Hessen-Kassel  und  andere 
deutsche  Staaten,  deren  bewaffnete  Macht  verhältnissmässig  zu  ihrer 
übrigen  Lage  noch  immer  zu  stark  ist,  fühlen  nach  allen  glaubwürdigen 
Schilderungen  den  Druck  der  Zeiten  sehr  hart,  und  es  ist  wohl  nur  die 
Theilnahme  dieser  Mächte  an  den  französischen  Contributionen ,  welche 
die  Verlegenheiten  weniger  fühlbar  macht.  Von  Dänemark  sind  zwar 
Truppenbeschränkungen  in  öffentlichen  Blättern  gemeldet  worden.  Aber, 
sie  mögen  nun  entweder  nicht  him-eichend,  oder  der  Verfall  der  Finanzen 
mag  schon  zu  weit  gediehen  sein,  so  fehlt  es  demimgeachtet  an  der 
Fortdauer  jener  Lethargie  des  Geldwesens  nicht,  mit  welcher  Däne- 
mark schon  seit  einer  längeren  Reihe  von  Jahren  erfolglos  kämpft.  In 
Schweden  verschaffen  ganz  besondere  Einrichtungen  der  Regierung  das  Schweden 
Mittel,  eine  für  die  wenige  Volksmenge  dieses  Staates  sehr  ansehnliche 
Armee  mit  einem  äusserst  geringen  Aufwände  zu  erhalten.  Indessen 
scheint  doch,  ungeachtet  der  hieraus  für  die  Finanzen  entspringenden 
Schonung,  und  obwohl  die  sogenannten  eingetheilten  Truppen  sich  im 
Verlaufe  des  Jahres  nur  einige  Zeit  hindurch  in  den  Waffen  üben  und 
während  der  übrigen  Zeit  ihren  bürgerlichen  Beschäftigungen  nach- 
gehen, eine  Armee  von  mehr  als  50.000  Mann  für  dieses  arme  und 
menschenleere  Reich  in  Friedenszeiten  noch  immer  zu  gross  zu  sein, 
zumal  Schweden  auch  seine  Seemacht  nicht  vernachlässigen  kann.  In 
Ansehung  Russlands  ist  nur  erst  vor  Kurzem  aus  Zeitungen  ersichtlich 
geworden,  dass  es  endlich  sein  sechstes  Armeecorps  aufgelöst  habe,  von 
welchem  aber  die  übrigen  ergänzt,  ujid  überdies  die  polnischen  Truppen 
auf  50.000  Mann  gebracht  werden  sollen.  Bei  der  geogi'aphischen  Lage 
dieses  Reiches,  bei  der  bekannten  Beschwerlichkeit  offensiver  Operationen 
gegen  das  Innere  seiner  Staaten,  bei  der  ausserordentlichen  Zerrüttung 
seiner  Finanzen  und  bei  der  ungemeinen  Erschöpfung  des  ehemaligen 
Herzogthums  Warschau  hätte  man  freilich  keine  Vermehrung  der  polni- 
schen Truppen  und  zahlreiche  Reductionen  der  russischen  Armee  er- 
warten sollen.  Indessen  dürfte  das  Dilemma  doch  wohl  nicht  unrichtig 
sein,  dass,  wenn  dies  aus  blosser  Liebhaberei  und  Eitelkeit  geschieht, 
die  Folgen  solch  eines  Aufwandes  und  der  Beschwerlichkeit,  ihn  aufzu- 

4 


Russlariil. 


50 


[50] 


Nothweiiilig- 
keit  einer  Er- 
leichterung 
der  Volks- 
bürden und 
Förderung 
des  Wohl- 
standes. 


Oesterreichs 
besondere 

Verhältnisse 
und  Kück- 

sichten  ,    die 
sie  aufer- 
legen. 


bringen,  sich  bald  zu  fi'ihll)ar  äussorn  worden,  iils  dass  dieser  militärische 
Apparat  von  einer  langen  Dauer  sein  könnte;  wenn  aber  geheime  Pläne 
und  Absichten  dabei  zu  Grunde  lägen,  an  einem  gemeinschaftlichen 
Zusammenwirken  der  bedeutenderen  Mächte  gegen  die  Realisirung  dieser 
Pläne  w(dil  nicht  zu  zweifeln  sein  würde. 

Wenn  auch,  so  schön  und  erwünscht  die  Grundsätze  des  heiligen 
Bundes  sind,  in  der  Aufstellung  und  gegenseitigen  Anerkennung  dieser 
Grundsätze  noch  keine  hinlängliche  Bürgschaft  für  eine  ewige  oder  auch 
nur  lange  Dauer  des  Friedens  liegt,  so  wird  doch  das  nähere  Eindringen 
der  Kegierungen  in  die  Lage  ihrer  Völker,  an  dem  man,  da  der  Gründe 
zu  einer  gespannteren  Aufmerksamkeit  jetzt  sehr  wesentliche  vorhanden 
sind,  nicht  wohl  zweifeln  kann,  sie  gewiss  allgemach  zur  Ueberzeugung 
bringen,  dass  es  nicht  blos  ein  längerer  Friede,  sondern  dass  es  auch 
noch  die  Enthebung  von  übermässigen  Bürden  und  eine  väterliche  Für- 
sorge für  Alles ,  was  auf  das  Loos  ihrer  Völker  wohlthätig  einwirkt ,  ist, 
was  die  höchst  traurige  Periode,  welche  wir  zurückgelegt  haben,  und  die 
Folgen  und  Wirkungen  so  langer  Leiden  und  Anstrengungen  gebieterisch 
fordern.  So  wie  sich  aus  der  Handlungsweise  einiger  Regierungen  ab- 
nehmen lässt,  dass  sie  schon  wirklich  von  diesem  Gesichtspunkte  aus- 
gehen und  sich  nicht  aus  einer  übelverstandenen  Anwendung  des  be- 
kannten: Si  vis  pacem,  para  bellum  verleiten  lassen,  zur  Zeit  der 
Ruhe  Anstrengungen  zu  machen,  welche  wenigstens  das  gegenwärtige 
Mass  der  Kräfte  ihrer  Unterthanen  übersteigen  und  einen  Grad  von 
Erschöpfung  herbeiführen,  die  zur  Zeit  der  wirklichen  Gefahr  kaum 
mehr  einen  energischen  Widerstand  hoffen  lässt;  ebenso  werden  gewiss 
auch  andere  Regierungen  diesem  Beispiele  folgen ,  vielleicht  auch  wohl 
einige  durch  das  üeberhandnehmen  von  Verlegenheiten  und  durch  das 
steigende  Missvergnügen  zur  Nachahmung  gezwungen  werden,  während 
da,  wo  man  sich  schlechterdings  zu  keinen  Einschränkungen  bequemen 
will,  die  Schwierigkeiten  in  Aufbringung  der  nöthigen  Kosten  sich  von 
Jahr  zu  Jahr  sicher  vermehren,  die  Lasten  für  die  Zahlungspflichtigen 
immer  unerträglicher  werden,  und  der  nachtheiligen  Einwirkungen  dieser 
Kraftüberspannung  auf  den  inneren  Wohlstand  sich  so  Viele  äussern 
werden,  dass  man  es  am  Ende  nur  bereuen  wird,  dem  Beispiele  anderer 
Staaten  nicht  frühe]'  gefolgt  zu  haben. 

In  Ansehung  der  österreichischen  Monarchie  treten  aber  nach 
meinem  Dafürhalten  noch  ganz  besondere  Umstände  und  Rücksichten 
ein,  die  wohl  gewürdigt  zu  werden  verdienen. 

Wenn  Russland,  wenn  Preussen,  wenn  einige  andere  Staaten  un- 
leugbar grosse  Anstrengungen  gemacht  und  viele  streitbare  Mannschaft 


[51]  51 

im  Felde  verloren  haben,  so  geschah  dies  bei  Weitem  nicht  so  oft  und  so 
lauge  wie  von  Seite  Oesterreichs.  Keine  einzige  Macht  hat  so  viele 
Feldzüge  gegen  Frankreich  gefiihi-t  wie  Oesterreich.  In  einem  einzigen 
Jahre  wurden  nur  nach  Italien  drei  Armeen  gesendet.  Ein  Ausweis  des 
Verlustes  an  Mannschaft  vom  Anbeginne  der  französischen  Revolution 
bis  einschliesslich  zum  Jahre  1815  würde  ungeheure  Zahlen  darstellen- 
Man  weiss,  wie  lange  man  schon  auch  die  zeitlich  Befreiten  hernehmen 
musste,  wie  lange  man  schon  auf  Familienväter  zu  greifen  bemüssigt 
war.  Ausserdem  haben  die  fortwährenden  Eecrutirungen  sehr  häufige 
Entweichungen  der  couscriptionspflichtigen  Jünglinge  nach  sich  gezogen. 
Noch  jetzt  wimmeln  die  öffentlichen  Blätter  von  Einberufungen  solcher 
Flüchtlinge,  deren  oft  einzelne  Dominien  zu  20  und  30  zählen,  und  von 
denen  wohl  nur  der  kleinere  Theil  zurückkehren  wird.  Dass  es  dem 
Ackerbaue,  dass  es  der  Industrie  an  arbeitenden  Händen  gebricht,  ist 
schon  vor  Jahren  bemerkbar  geworden.  Der  späterhin  neuerdings  ein- 
getretene Bedarf  an  streitbarer  Mannschaft  Hess  doch  nichts  Anderes 
übrig,  als  die  Lücken  in  der  Population  noch  grösser  zu  machen.  So 
lange  das  Vaterland  in  Gefahr  war  —  und  dies  war  es,  so  lauge  Bona- 
parte Franki-eich  beherrschte  —  musste  man  sich  nothwendig  über  alle 
hieraus  entstehenden  Nachtheile  wegsetzen,  weil  sonst  dem  Staate  noch 
grössere  Uebel  unvermeidlich  bevorstanden.  Aber  nun,  wo  der  Menschen- 
würger bezähmt,  wo  die  Euhe  von  aussen  fester  als  seit  langen  Jahren 
gegründet  ist,  fordert  es  die  Ausheilung  der  geschlagenen  Wunden,  dem 
Ackerbaue  und  dei-  Industrie  die  arbeitenden  Hände,  so  viel  man  nur 
immer  kann,  wieder  zurückzugeben.  Nebst  anderen  unverkennbaren 
Vortheilen  liegt  hierin  auch  das  Mittel,  den  zum  grossen  Nachtheil  der 
Production  so  unmässig  gestiegenen  Arbeitslohn  allmälig  wieder  auf 
ein  richtigeres  Verhältniss  herabzubringen. 

Hat  Oesterreich  durch  die  Kriege  einen  ungeheuren  Verlust  an     irei.oisiciit 

Menschen  erlitten,  so  übersteigt  der  Aufwand  an  Gelde,  den  ihm  diese   '^''*  Aufwan- 
des für  das 
Kriege  verursachten,   gar  allen  Begriff.     Schon  in   den  Jahren   1787,        Hrei. 

1788  und  1789,  wo  die  Militärdotation  auf  24  Millionen,  28  Millionen 
und  27  Millionen  systemisirt  war,  mussten  wegen  des  damaligen 
Türkenkrieges  im  ersten  Jahre  nahe  an  12  Millionen,  im  zweiten  über 
39  Millionen,  im  dritten  Jahre  nahe  an  43  Millionen  zugeschossen  werden. 
Im  Jahre  1790  stieg  der  ausserordentliche  Zuschuss  über  46  Millionen. 
In  den  zwei  Friedensjahi-en  1791  und  1792  war  doch  aberuials  ein 
ausserordentlicher  Zuschuss,  im  ersteren  von  20,500.000  Gulden  noth- 
wendig. Allein  seit  dem  Jahre  1793  bis  einschlüssig  1801  sanken  die 
ausserordentlichen  Zuschüsse  in  keinem  Jahre  mehi-  unter  48  Millionen 

i* 


52  [52] 

Gulden  herab,  betrugen  aber  in  manchen  Jahren  74.  86  bis  90  Millionen 
Gulden.  In  dem  ganzen  Zeiträume  vom  Jahre  1787  bis  inclusive  1802, 
zusammen  also  in  1(5  Jahren,  haben  sich  die  ausserordentlichen  Zu- 
schüsse auf  839  Millionen  belaufen.  Schlägt  man  die  ordentliche  Dotation 
pro  373  Millionen  hinzu,  so  steigt  der  gesammte  Militäraufwand  binnen 
diesen  IG  Jahren  über  1212  Millionen:  wornach  auf  jedes  einzelne  Jahr 
mehr  als  75  Millionen,  mithin  mehr  als  dreimal  so  viel,  als  der  Staat 
nach  seinen  danuiligen  Einkünften  auf  die  Kriegsmacht  verwenden 
konnte,  entfallen. 

Gegen  das  obenerwähnte  Extraordinarium  von  839  Millionen  stehen 
die  besonderen  Empfänge  an  englischen  Subsidien,  freiwilligen  Beiträgen, 
Ej'iegssteuern  u.  s.  w.,  die  nur  manchnuil  eingingen  und  selten  von 
langer  Dauer  waren,  in  einem  so  auffallend  geringen  Verhältnisse,  dass 
es  sehr  begreiflich  wird,  in  welch'  missliche  Lage  schon  damals  die 
Finanzen  gekommen  sind  und  kommen  mussten.  Einzelne,  nicht  sehr 
lange  Zeiträume  ausgenommen,  war  der  Kriegsschauplatz  vom  Ausbruch 
des  Kevolutionskrieges  bis  zum  Luneviller  Frieden  meistentheils  in  den 
Niederlanden,  in  Italien  und  im  deutschen  Reiche.  In  diese  Länder 
verlor  sich  die  österreichische  Geldmasse.  Was  wieder  zurückströmte, 
ist  kaum  einer  Erwähnung  werth.  Wie  gross  waren  also  nicht  schon 
damals  die  Geldopfer!  Und  doch  sind  die  zwei  traurigen,  mit  feindlichen 
Einfällen  und  Occupationen,  mit  Contributionszahlungen,  Plünderungen 
und  Verlusten  aller  Art  verbumlenen  Perioden  der  Jahre  1805  und  1809 
erst  später  gefolgt.  Es  mussten  endlich  in  den  Jahren  1813,  1814  und 
1815  neue,  riesenmässige  Anstrengungen  gemacht  werden,  um  endlich 
einmal  Indepeudenz,  Selbstständigkeit  und  einen  dauerhaften  Frieden  zu 
erkämpfen.  Nur  gegen  ein  so  namenloses  Uebel,  wie  die  Unterjochung 
oder  die  Auflösung  des  Staates  gewesen  sein  würde,  konnte  die  gänzliche 
Zerrüttung  des  Geldwesens  als  das  geringere  Uebel  angesehen  werden. 
Aber  immer  ist  und  bleibt  sie  ein  heilloser  Zustand,  der  hundert  andere 
Nachtheile  in  sich  schliesst  und  der  reellen  Wiederherstellung  des  kranken 
Staatkörpers  mächtig  entgegenwirkt.  Was  immei-  für  einen  Nutzen  nuui 
aus  ilem  Unterhalte  einer  stärkeren  Armee  ableiten  mag,  so  erreicht  er 
bei  Weitem  die  überaus  wichtigen  Voi'theile  nicht,  welche  von  der  baldigen 
Wiederkehr  zur  Ordnung  in  den  Geld  Verhältnissen  zu  erwarten  sind. 
DieRcduc-  Wollte  mau  aber  auch  die  Kichtigkeit  dieses,  nach  meinem  Er- 

tioii  der  Ar-   achten,  unumstösslichen  Satzes  nicht  anerkennen  und  es  für  entschieden 

mee  ist  nicht 

länger  /.u     annehmen,  dass,  wenn  der  Uebergang  zur  Metalhuünze  nicht  anders  als 

versciiiev.cn.   j^j^  einer  mehreren  Beschränkung  des  Militär-Etats  ausgeführt  werden 

kann,  es  besser  sei,  den  Uebergang  ganz  aufzugeben  odei-  ihn  künftigen, 


[53]  53 

glücklicheren  Zeiten  zu  überlassen,  als  zu  solchen  Beschränkungen  zu 
schreiten,  so  würde  man  mit  vollem  Kechte  den  Vorwurf  verdienen,  etwas 
erzwingen  zu  wollen,  was  sich  nicht  erzwingen  lässt,  und  die  bisherige, 
sowie  die  gegenwärtige  Lage  sehr  oberflächlich  beobachtet  zu  haben. 
So  lange  die  Einnahmen  des  Staates  blos  in  Conventionsmünze 
bestanden,  folglich  die  Ausgaben  ebenfalls  in  dieser  Münze  bestritten 
wurden,  und  also  auch  die  Armee  ihi-e  Gagen  und  Löhnungen  in  schwerem 
Gelde  ci'hielt,  war  sie  zwar  nicht  reichlich,  aber  doch  auskömmlich  be- 
soldet. Es  mangelte  dem  Officierscorps,  es  mangelte  selbst  der  gemeinen  Deivemabr- 
Mannschaft  an  dem  Nothwendigen  nicht.    In  dem  Masse,  als  sich  das   '^^'«^"^'""^ 

der  Armee. 

Papiergeld  vermehrte  und  dadurch  in  seinem  Werthe  herabsank,  ver- 
schlimmerte sich  die  Subsistenz  des  Militärs  dergestalt,  dass  es  öfter  zu 
lauten  Klagen  kam,  denen  durch  Zuschüsse,  Fleischbeiträge  und  andere 
Mittel  nur  zeitweise  und  nie  vollständig  abgeholfen  werden  konnte. 
Während  des  Finanzsystems  vom  Jahre  1811,  wo  Alles  auf  die  Selten- 
heit der  Geldzeichen  berechnet  war  und  darum  auch  strenge  haus- 
gehalten werden  musste,  darbte  die  Armee  im  eigentlichsten  Verstände; 
die  gemeine  Mannschaft  konnte  kaum  ihre  Blosse  bedecken :  die  un- 
bemittelten Officiere  waren  nicht  viel  besser  daran.  Die  Zeughäuser  und 
Oekonomiecommissionen  waren  ganz  von  Vorräthen  entblösst.  Darum 
konnte  man  im  Jahre  1812  selbst  die  Ausrüstung  des  wenig  zahlreichen 
Auxiliarcorps  nur  mit  äusserster  Mühe  nothdürftig  aufbringen,  und  im 
Jahre  1813  war  der  Maugel  und  die  Entblössung  noch  allenthaben  so 
gross,  dass.  ungeachtet  bei  der  Ausgabe  der  Anticipationsscheine  an 
Fonds  zur  Bedcnkuug  der  Ausrüstungskosten  es  nun  schon  nicht  melir 
gebrach,  doch  ein  grosser  Theil  sowohl  der  in  Böhmen  concentrirten 
Armee,  als  des  in  Oesterreich  ob  der  Enus  aufgestellten  Corps  theils 
nicht  mit  Mänteln,  theils  selbst  nicht  einmal  mit  Schuhen  versehen  war. 
Bei  der  glücklichen  Wendung,  welche  der  Krieg  im  Jalu-e  1813  und  1814 
nahm,  wurde  man  zwar  in  Absicht  auf  die  Verpflegung  der  Armee  bald 
aller  Sorgen  enthoben,  da  sie  von  den  Ländern,  wo  die  Armee  stand, 
aufgebracht  werden  musste,  mithin  die  Truppen  keineswegs  auf  jenes, 
was  ihnen  die  Colonnenmagazine  verabreichen  konnten,  beschränkt 
waren.  Aber  bei  dem  Zusammenfluss  so  vieler  verschiedenen  Truppen  in 
Frankreich  zeigte  es  sich  deutlich,  wie  sehr  die  österreichischen  in  der 
Equipirung  allen  übrigen  nachstanden,  und  leider  kehrten  dieselben 
damals  —  in  Folge  einer  zu  Paris  im  Ministerialwege  abgeschlossenen 
Convention  —  noch  abgerissener  nach  Hause,  als  sie  ins  Feld  gerückt 
waren;  so  wie  auch  durch  diesen  Krieg  bei  Weitem  nicht  Geldmittel  genug 
erworben  worden  sind,  um  ilie  Anschaffungen  aus  eigenen  Kosten  zu 


54  [54] 

bestreiten.  —  Ungleich  günstiger  für  die  Armee  war  zwar  das  Jahr  1815, 
wo  sie  nicht  nur  allein  während  ihres  Aufenthalts  in  Frankreich  sowohl, 
als  im  Hin-  und  Kückmarsche  durch  Deutschland  grösstentheils  trefflich 
genährt  wurde,  sondern  auch  für  ihre  Bekleidung  ungleich  mehr  als  in 
den  Jahren  1813  und  1814  geschah,    auch  nebstboi  derselben  eine  an- 

Die  heir-  sehnliche  Gratification  in  Metallmünze  zu  Theil  wurde.  Allein  mit  Aus- 
NothiTc  des   ß'^'l^n^ß  derjenigen,  die  in  fremden  Staaten  stehen  —  vielleicht  des  achten 

Militärs.  oder  des  neunten  Theils  —  ist  das  Schicksal  der  Uebrigen  schon  wieder 
sehr  traurig  und  wird  von  den  Meisten  ungleich  mehr  als  in  früheren 
Zeiten,  schon  selbst  wegen  der  Parallele,  die  sie  zwischen  ihrer  vor- 
jährigen und  heutigen  Lage ,  zwischen  ihrer  Subsistenz  und  jener  des 
Truppencorps  in  Frankreich  ziehen,  gefühlt.  An  der  Nothwendigkeit 
einer  Abhilfe  lässt  sich  nun  wohl  nicht  zweifeln,  da  eine  längere  Fort- 
dauer der  Dürftigkeit  Unmuth  und  Missvergnügen  zur  unvermeidlichen 
Folge  hat,  Missvergnügen  ganzer  Classen,  voi'züglich  aber  Missvergnügen 
der  bewaffneten  Macht  der  Staatsverwaltung  schlechterdings  nicht  gleich- 
giltig  sein  kann,  überdies  der  Geist  der  Armee  und  ihre  Moralität  bei 
einem  gar  zu  dürftigen  Unterhalte  offenbar  leidet,  und  bei  der  grossen 
Zahl  derjenigen,  die  sich  an  den  Quartiersträgern  oder  sonst  durch 
ordnungswidrige  Mittel  zu  entschädigen  suchen,  die  Unzulänglichkeit 
der  Subsistenz  des  Militärs  auch  wieder  anderen  Classen  und  Ständen 
zum  Nachtheil  gereicht.  So  sehr  man  aber  immer  die  Nothwendigkeit 
einer  Abhilfe  fühlen  mag,  so  kann  es  doch  keinem  Unbefangenen  ent- 
gehen, wie  sehr  die  Möglichkeit  einer  wahrhaft  wirksamen  Abhilfe  bei 
dem  Bestände  des  Papiergeldes  durch  die  fortwährenden  Schwankungen 
und  Sprünge  der  Curse,  durch  die  oft  sehr  schnellen  und  gar  nicht 
vorherzusehenden  Veränderungen  der  Preise,  vorzüglich  aber  durch  den 
Umstand,  dass  der  Staat  seine  Einnahmen  blos  im  Papiergelde,  das  so 
tief  unter  seinem  Nominalwerthe  steht,  überkommt,  erschwert  wird.  In 
dieser  Lage  ist  der  Hofkriegsrath  nicht  einmal  zu  berechnen  im  Stande, 
was  für  eine  Dotation  erfordert  wird,  um  die  Militärerfordernisse  zu 
decken,  und  ebensowenig  kann  das  Finanzministerium  den  Entwurf  als 
richtig  annehmen  oder  als  unstatthaft  modificiren,  weil  es  dazu  an  auch 
nur  beiläufigen  Anhaltspunkten  gebricht.  Es  ergibt  sich  demnach  so- 
wohl aus  diesen  Betrachtungen,  als  aus  einer  mehrjährigen  Erfahrung, 
dass,  so  lange  die  Geldverhältnisse  nicht  geordnet  sind,  der  eigentliche 
Bedarf  für  die  Kriegsmacht  gar  nicht  einmal  ausgemittelt  und  noch  weit 
weniger  von  der  Finanzadministration  zuverlässig  aufgebracht  werden 
kann.  Wenn  also  der  CoUisionsfall  wirklich  eintreten,  das  heisst  der 
Uebergang  zur  Metallmünzo  nicht  anders  als  bei  einer  noch  grösseren 


[55]  55 

Beschränkung  des  Militär-Etats  sollte  bewirkt  werden  können,   so  wäre  Beschrän- 

diese  Beschränkung  unwidersprechlich  das   geringere   LTebel   sowohl   in  ''i^tär.g^ar' 

Beziehung  auf  die  Armee  selbst,   deren  Schicksal  nur  bei  geordneten  aas  nachst- 

Geldverhältnissen  reell  und  dauerhaft  verbessert  werden  kann,   als  in  J'*^««"''*^;^"*- 

kunftsmittel. 

Beziehung  auf  den  Staat,  dem  mit  einer  kleineren,  aber  gutgehaltenen 
und  zufriedenen  Armee  gewiss  ungleich  mehr  als  mit  einer  stärkeren, 
darbenden  und  darum  missvergnügten  gedient  ist ;  zumal  in  einem 
Zeitpunkte,  wo  man  doch  wenigstens  plötzliche  Angriffe  wohl  von 
keiner  Seite  her  zu  besorgen  hat,  und  wo  in  der  Population  des  öster- 
reichischen Staates  eine  sehr  beträchtliche  Anzahl  nicht  blos  waffen- 
fähiger, sondern  in  Waffen  geübter  Männer  steckt,  die  man  im  Er- 
forderungsfalle  bald  wieder  unter  den  Fahnen  versammeln  und  in  dem 
Masse  weniger  Abneigung  gegen  diese  Bestimmung  von  ihnen  erwarten 
kann,  als  die  Armee,  der  sie  einverleibt  werden,  besser  als  bisher  genährt 
und  gekleidet  ist. 

Hiebei  kommt  noch  in  Betrachtung  zu  ziehen,  dass,  wenngleich  das 
Papiergeld  an  der  Stufe,  die  es  jetzt  erreicht  hat,  das  mächtigste  Hinder- 
niss  gegen  die  Zufriedenstellung  der  Armee  in  Ansehung  ihrer  Subsistenz 
ausmacht,  doch  auch  selbst,  wenn  sich  die  Monarchie  fortwährend  bei 
dem  Umlaufe  der  Metallmünze  erhalten  hätte,  die  Preise  der  Lebensmittel 
und  andere  Bedürfnisse  immer  gestiegen ,  es  also  auch  selbst  in  diesem 
Falle  unthunlich  sein  würde,  mit  dem  Aufwände,  welcher  vor  zwanzig 
und  mehr  Jahren  für  eine  Armee  von  beiläufig  300.000  Mann  hin- 
gereicht hätte,  gegenwärtig  die  nämliche  Anzahl  zu  unterhalten.  Die 
jetzt,  auch  in  Ländern,  wo  nur  Metallmünze  circulirt,  überaus  hoch 
gestiegenen  Preise  lassen  vorhersehen,  dass  bei  einem  Uebergange  zu 
dieser  Münze  die  Armee,  wenn  man  sie  nicht  darben  lassen  will,  ungleich 
mehr  kosten  wird,  als  es  früher  der  Fall  war,  und  macht  es  um  so  un- 
entbehrlicher, jedes  Ueberraass  von  Auslagen,  was  die  Finanzen  nicht  zu 
erschwingen  vermögen,  durch  Reductionen  zu  beseitigen,  als  es  von 
selbst  in  die  Augen  fällt,  dass,  sobald  einmal  das  Papiergeld  wirklich 
entfernt  ist,  und  sohin  dieses,  nur  in  seinen  entfernteren  Wirkungen 
schädliche,  dem  Anscheine  aber  nach  sehr  leichte  Mittel,  jede  Lücke 
auszufüllen,  nicht  mehr-  zu  Gebote  steht,  es  von  überaus  nachtheiligen 
Folgen  sein  würde,  wenn  der  in  dem  Budget  ausgemittelte  und  von 
Seiner  Majestät  sanctionirte  Militärdotationsbetrag  auf  irgend  eine  Weise 
überschritten  und  dadurch  entweder  ein  Deficit  veranlasst,  oder  das 
Finanzministerium  bemüssigt  würde,  die  Ergänzung  des  Abganges  auf 
Kosten  anderer,  ebenso  wichtiger  Zweige  des  öffentlichen  Dienstes  zu 
bewirken. 


56 


[56] 


Grenze  der 
vorgeschla- 
genen Re- 
duction. 


Cojnmission 
wegen  Ver- 
minderung 
der  Aus- 
gaben vorge- 
schlagen. 


Misswachs, 


Dass  es  hiebei  auf  keine  gänzliche  Entwaffnung,  selbst  nicht  einmal 
auf  solche  Beschränkungen,  die  ein  offenbares  Hinderniss  gegen  eine  in 
der  Folge  etwa  nothwendig  werdende  abermalige  Kraftanstrengung  aus- 
machen würden,  abgesehen  sei,  brauche  ich  nicht  zu  erinnern.  Der  Staat 
wird  auch  beim  Uebergange  zur  Metallmünze  selbst  in  der  ersteren  Zeit 
immer  eine  nicht  unbeträchtliche  Summe  für  seine  Armee  widmen  können. 
Aber  diese  Summe  darf  nicht  grösser  sein,  als  sie  die  Finanzen  —  mit 
Eücksicht  auf  die  in  der  ersteren  Zeit  des  Ueberganges  ungleich  laug- 
samere und  beschwerlichere  Eintreibung  der  Steuern  und  Gefälle  und 
auf  die  gehörige  Bedeckung  aller  übrigen  Zweige  der  Staatsausgaben  — 
sicher  aufzubringen  vermögen.  Dies  muss  nach  meinem  Dafürhalten  als 
unverbrüchlicher  Grundsatz  angenommen,  sohin,  was  der  gegenwärtige 
Etat  bei  der  Bezahlung  in  Conventionsmünze  nach  dem  höchsten  An- 
schlage kosten  würde,  sorgfältig  berechnet,  und  wenn  der  Betrag  höher 
als  jenes  Geldquantum  ausfällt,  was  nach  dem  allgemeinen  Erforderniss 
und  Bedeckungsaufsatz  dem  Hof  kriegsrathe  von  Seite  der  Finanzen  zuge- 
wiesen werden  kann,  mit  den  Reductionen  in  dem  Masse  fortgeschritten 
werden,  als  es  nothwendig  ist,  um  des  Auslangens  mit  dem  oben  erwähnten 
Geldquantum  vollkommen  versichert  zu  sein. 

Weil  aber,  wenn  man  auch  alle  möglichen  Beschränkungen  eintreten 
lässt,  die  Beköstigung  des  Militärs  doch  noch  immer  die  beträchtlichste 
unter  allen  Rubriken  des  Staatsaufwandes  sein  und  bleiben  wird,  folglich 
zweckmässige  Ersparungen,  die  bei  dieser  Branche  bewirkt  werden  können, 
für  das  Allgemeine  besonders  wohlthätig  sind,  so  dürfte  es  wohl  der  Mühe 
lohnen,  eine  eigene  Commission  aus  Gliedern  des  Hofkriegsrathes,  der  poli- 
tischen Hofstelle,  der  Hofkammer  und  des  General-Rechnungsdirectoriums 
aufzustellen,  welche  nach  einem  eigens  zu  entwerfenden  Plane,  mit  Be- 
nützung selbst  der  Rechnungsresultate  alle  wichtigeren  Ausgabsrubriken 
genau  zu  prüfen,  und  wo  sich  wahrhaft  nützliche  Ersparungen,  das  ist 
solche,  die  nicht  auf  Kosten  der  Armee  geschehen  oder  sonst  blos  schein- 
bar sind  oder  anderen  gegründeten  Bedenklichkeiten  unterliegen,  anbringen 
lassen,  diese  gehörig  zu  würdigen  und  nach  gepflogener  Rücksprache  mit 
dem  Hof  ki'iegsrathe  in  Vorschlag  zu  bringen  hätte. 

Unter  die  grösseren  Missgeschicke,  welche  Staaten  von  Zeit  zu  Zeit 
treffen,  war  es  zu  rechnen,  dass  beinahe  zur  nämlichen  Zeit,  wo  die  ersten 
günstigen  Eindrücke  und  Hoffnungen,  welche  die  Finanzpatente  vom 
1.  Juni  1816  bei  einem  nicht  geringen  Theile  des  Publicums  gleich  bei 
ihrer  Erscheinung  hervorgebracht  hatten  ,  allmälig  zu  sinken  anfingen 
und  endlich  ganz  erlöschten,  auch  die  guten  und  zum  Theil  glänzenden 
Aussichten,  die  man  sich  von  der  Ernte  gemacht  hatte,  zu  verschwinden 


[57] 


57 


und  in  Besorgnisse  eines  Fehljahres  überzugehen  anfingen.  So  wie  zur  Zeit, 
wo  man  ernstliche  Anstalten  von  Seite  der  Staatsverwaltung,  sich  mit  der 
Verbesserung  der  Finanzen  zu  beschäftigen,  wahrzunehmen  glaubte,  der 
Werth  des  Papiergeldes  stieg,  ganz  bald  nach  Erscheinung  der  Patente 
aber  wieder  herabsank,  ebenso  wurden  auch  die  Körner  und  mit  diesen 
so  viele  andere  Artikel  selbst  während  der  Ernte  mit  jeder  Woche  theurer. 
Sehr  wohlhabende  Familien,  diejenigen  ausgenommen,  welche  entweder 
aus  der  öffentlichen  Calamität  selbst  reichlichen  Gewinn  ziehen,  oder  deren 
Erwerb  auch  unter  den  gegenwärtigen  Verhältnissen  lohnend  genug  ist, 
fanden  sich  alle  Uebrigen  —  und  man  kann  hiebet  wohl  die  Proportion 
von  100  zu  1  annehmen  —  von  den  zwei  empfindlichsten  Seiten  zugleich 
angegriffen:  von  der  einen,  dass  ihre  Hoffnungen,  bald  Ordnung  in  den 
Geldverhältnissen  hergestellt  zu  sehen,  scheiterten;  von  der  andern,  dass 
die  zunehmende  Theuerung  bei  ihren  gleichen  oder  wenigstens  nicht  ver- 
hältnissmässig  höheren  Einkünften  sie  in  eine  bange  Zukunft  blicken  liess, 
wo  sie  nur  einen  schweren  Kampf  mit  Nahrungssorgen  zu  erwarten  hatten. 
Hieraus  lässt  sich  wohl  leicht  erklären,  wie  der  Unmuth  so  weit  um  sich 
greifen  und  so  tiefe  Wurzeln  schlagen  konnte.  Immer  hat  es  Menschen 
in  nicht  geringer  Anzahl  gegeben,  die  von  Wirkungen  lebhaft  ergriffen 
werden,  ohne  darum  im  Geringsten  in  die  Ursachen  einzugehen,  oder  welche 
die  Ursachen  aufsuchen,  wo  sie  offenbar  nicht  sind.  So  geschah  es  auch 
diesmal,  dass  das  zufällige  Zusammentreffen  des  Misslingens  der  zuerst  vor- 
genommenen Finanzoperationen  mit  dem  unerwartet  misslichen  Ausschlag 
der  Ernte  sehr  Viele  veranlasste,  selbst  auch  das  bedeutende  Steigen  der 
Körner-  und  anderer  Preise  auf  die  Rechnung  der  Finanzmassregeln  zu 
setzen,  und  diesen  dadurch  ohne  alle  Sachkenntniss  und  ohne  nur  etwas 
hellere  Begriffe  noch  leidenschaftlicher  abhold  zu  werden. 

Aber  auch  für  den  vernünftigeren  Theil  war  es  eine  peinliche  Em- 
pfindung, die  Preise  so  plötzlich  und  mit  so  schnellen  Schritten,  gerade  bei 
den  allerersten  Bedürfnissen,  nämlich  bei  Weizen  und  Korn,  Gerste  und 
Hafer  sich  zu  einer  Höhe  erheben  zu  sehen,  auf  welche  wohl  Niemand  ge- 
fasst  war.  Für  die  Classe  der  Beamten  insbesondere  war  es  äusserst  nieder- 
schlagend, die  Erleichterungen,  welche  ihnen  die  Zuschüsse  verschaffen 
sollten,  durch  diese  Theuerung  nicht  nur  allein  ganz  vereitelt,  sondern 
ihre  Lage  gegen  jede  frühere,  mitunter  sehr  trübselige  Zeit  noch  beträchtlich 
verschlimmert  zu  sehen.  In  dem  Masse,  als  die  verschiedenen  Gattungen 
von  Feldfrüchten  gesammelt  wurden,  und  als  die  Nachrichten  von  den. 
Fechsungen  auch  aus  entfernteren  Gegenden  einlangten,  nahm  die  Hoff- 
nung, das  Uebel  sei  blos  vorübergehend  und  Zufuhren  aus  entlegenen 
glücklicheren  Landesstrecken  würden  das  ersetzen,  was  die  Natur  heuer 


Vertheue- 
rung  der 
Nahrungs- 
mittel. 


58 


[58] 


rcnz  in    der 
Theuerungs 


den  näher  gelegenen  versagt  habe,  immer  mehr  ab,  indem,  diesen  Nach- 
richten zufolge,  in  den  Ländern,  aus  welchen  man  sonst  ergiebige  Hilfen 
hätte  erwarten  können,  der  Misswachs  noch  stärker  als  selbst  in  Oesterreich 
war.  Die  Sache  schien  nun  sehr  bedenklich  zu  werden  ,  nicht  blos  und 
nicht  einmal  vorzüglich  in  Ansehung  der  Residenz,  die  doch  immer  der 
Hauptsitz  des  Wohlstandes  und  wo  die  Möglichkeit  mehr  als  sonst 
irgendwo  vorhanden  ist,  bei  eintretenden  Nothfällen  augenblicklich  grosse 
Massregeln  zu  ergreifen  und  auszuführen,  sondern  in  Absicht  auf  einige 
Provinzen,  wie  z.  B.  Steiermark,  Kärnten,  Krain,  Croatien,  die  Militär- 
grenze u.  s.  w.,  von  denen  man  wusste,  dass  ihre  Nahrungs-  und  Erwerbs- 
quellen schon  seit  einigen  Jahren  beinahe  ganz  versiegt  sind,  und  von 
denen  man  also  mit  vollem  Grunde  besorgen  konnte,  dass  sich  zu  dem 
Mangel  und  zu  der  Theuerung  der  Victualien  auch  noch  ein  ausserordent- 
licher Geldmangel,  der  bei  einer  Theuerung  von  unübersehbar  nachtheiligen 
Folgen  ist,  gesellen  wird. 
Die  Confc-  Allgemein   wurde  es  damals  bekannt,   dass  Seine  Majestät    einen 

Allerhöchsten  Cabinetsbefehl  erlassen  und  von  der  Conferenz  Vorschläge, 
frage.  wic  der  Theuerung  abzuhelfen  sei,  gefordert  haben.  Zur  Zeit,  wo  die  Ent- 
schliessung  herablangte  und  die  erste  Conferenz  abgehalten  wurde,  war  ich 
zwar  abwesend,  aber  meine  Zurückkunft  erfolgte  noch  mehrere  Tage  vor 
den  schliesslichen  Berathungen  der  Conferenz  über  den  Inhalt  des  Aller- 
höchsten Cabinetsbefehls.  In  der  Voraussetzung,  dass  ich  als  Präsident 
einer  Hofstelle  diesen  Berathungen  beigezogen  werden  würde,  habe  ich 
vorbereitungsweise  und  um  meine  Ideen  gehörig  zu  ordneu,  in  den  ersten 
Tagen  des  Monats  September  in  dem  nämlichen  Aufsatze,  welcher  die  Zer- 
rüttung des  Geldwesens  und  die  deshalb  zu  ergreifenden  Massregeln  betraf, 
auch  das  zweite  Hauptanliegen  des  Publicums ,  die  plötzlich  so  hoch  ge- 
stiegene Theuerung,  umständiger  berührt,  und  mit  dieser  Darstellung  zu- 
gleich auch  meine  Ideen  über  das  obwaltende,  höchst  auffallende  Missver- 
hältniss  zwischen  den  Preisen  und  ül^er  das  Stocken  des  Absatzes  bei 
mehreren  und  darunter  selbst  solchen  Artikeln,  die  gar  nicht  von  der 
Laune  der  Mode  abhängen  und  auch  nicht  unter  die  Luxuswaaren  gehören, 
in  Verbindung  gebracht.  Allein  dii  ich  blos  zu  den  Finauzcouferenzen, 
aber  nicht  zu  jenen,  welche  die  Theuerung  zum  Gegenstande  hatten,  be- 
rufen worden  bin,  so  kam  ich  gar  nicht  in  die  Gelegenheit,  von  diesem 
Theile  meines  Aufsatzes  Gebrauch  zu  machen  oder  sonst  mit  meinen  Be- 
merkungen und  Anträgen  aufzutreten.  Nun,  wo  eine  Zwischenzeit  von 
10  bis  11  Wochen  Manches  mehr  enthüllt  hat,  was  damals  noch  im  Dunkeln 
lag,  und  wo  sich,  wenn  man  nicht  allen  historischen  Glauben  verleugnen 
will.  MJclii  mehr  bezweifeln  lässt,  dass  wenigstens  in  dem  grösseren  Theile 


[59]  59 

der  Monarchie  die  Ernte  nicht  blos  unter  der  Mittelmässigkeit ,  sondern 
absolut  schlecht  ausgefallen  ist,  wird  man  die  in  meinem  Aufsatze  ent- 
haltenen Anträge  eher  zu  gemässigt  als  übertriebeu  finden;  was  aber 
aus  der  Ursache  nicht  geschadet  haben  würde,  weil,  wenn  die  vorsichtigen 
und  geräuschlosen  Erhebungen,  so,  wie  ich  glaubte,  unverzüglich  vorge- 
nommen worden  wären,  man  sehr  bald  von  der  wahi'en  Lage  der  Umstände 
unterrichtet  geworden  sein  und  noch  hinlängliche  Zeit  gehabt  haben 
würde,  den  Abhilfsmitteln  nach  dem  sich  zeigenden  mehreren  Bedarfe 
auch  eine  grössere  Ausdehnung  zu  geben.  Ob  nun  über  die  Meinungen 
und  Vorschläge  der  Conferenz  in  einem  gleichen  Geiste  gehandelt,  ob  selbst 
noch  weiter  gegangen  worden,  oder  ob  vielleicht  nichts  oder  zu  wenig 
geschehen  sei,  ist  mir  bis  zur  Stunde  unbekannt,  da  ich  ausser  abgerissenen 
und  unverlässlichen  Gerüchten  von  den  Folgen  der  diesfälligeu  Berathungen, 
sowie  überhaupt  von  den  Vorkehi'ungen,  die  in  Beziehung  auf  die  zu  be- 
sorgende Xoth  getroffen  worden  sein  mögen,  nichts  erfahren  habe.  Wäre 
etwa  jede  Hilfe  entbehrlich  gefunden  oder  wäre  diese  etwa  nur  auf  Ungarn 
und  auf  die  Militärgrenze  beschi'änkt  worden,  so  würde  ich  es  in  Betreff 
einiger  Länder  als  ein  höchst  glückliches  Ereigniss  ansehen,  wenn  dort 
ohne  alle  Hilfe  während  der  noch  so  langen  Periode  bis  zur  künftigen 
Ernte  die  gesammten  Einwohner  sich  dergestalt  auf  eine  ihi'er  Gesund- 
heit unschädliche  Art  durchzubringen  vermögen,  dass  weder  eine  mehr 
als  gewöhnliche  Sterblichkeit,  noch  sonst  irgend  ein  bedeutenderes  Uebel 
erfolgt  und  die  Felder  für  die  künftige  Fechsung  gehörig  bestellt  werden. 
Allein  so  sehr  ich  das  Gegentheil  besorge,  so  muss  ich  doch  selbst  gestehen, 
dass  es  zu  Vorsichtsmassregeln  jetzt  schon  nicht  mehr  an  der  Zeit  ist,  und 
bei  der  schon  so  weit  vorgerückten  Jahreszeit,  wo  die  Communicationen 
ungemein  erschwert  und  Transporte,  besonders  wenn  sie  die  Staatsver- 
waltung selbst  unternimmt,  überaus  hoch  zu  stehen  kommen  —  selbst 
wenn  die  Unentbebrlichkeit  einer  Hilfe  sich  noch  so  fühlbar  äussern 
sollte  —  diese  kaum  mehr  anders  als  durch  Geldverschüsse  wird  geleistet 
werden  können.  Es  versteht  sich  hiebei  von  selbst,  dass  Geldvorschüsse  nur 
da  am  rechten  Platze  sind,  wo  sich  zu  dem  wirklichen  Abgänge  oder  zu 
der  übermässigen  Theuerung  auch  Geldmangel  gesellt,  was  in  einigen 
Ländern  ganz  zuverlässig  der  Fall  ist  und  bisher  bei  Weitem  nicht  mit 
der  gehörigen  Aufmerksamkeit  beobachtet  wurde. 

Ueberhaupt  würde  man  sehr  irren,  wenn  mau  die  gegenwäi'tige 
Theuerung  als  ein  gewöhnliches  oder  auch  nur  als  eiu  nicht  besonders 
auffallendes  Ereigniss  betrachtete.  Uass  sie  letzteres  wirklich  ist.  lässt  sich 
wohl  sehr  anschaulich  darthun.  Nach  dem  Ausweise  von  Tabellen,  die  ich 
besitze  und  die  aus  zuverlässigen  Quellen  herrühren,  standen  in  der  Periode 


60 


[60] 


Getreide-  vom  Jahre  1730  bis  1740  die  Mittelpreise  des  Weizens  zu  Wien  am 
vo'r'igenjlhr-  J^ip^^'^^g^^^P"  z»  ^^  kr.,  am  höchsten  zu  1  fl.  25  kr.,  in  der  Periode  vom  Jahre 
hundert.  1740  bis  1750  am  niedrigfsten  zu  1  11.  30  kr.,  am  höchsten  zu  1  ti.  .'ifikr., 
in  der  Periode  vom  Jahre  1750  bis  17(iO  am  niedrigsten  zu  1  fl.  6  kr., 
am  höchsten  zu  3  fl.  8  kr.,  in  der  Periode  von  1760  bis  17 70  am  niedrigsten 
zu  1  fl.  28  kl'.,  am  höchsten  zu  2  fl.  36  kr.,  in  iler  Periode  von  1770  bis 
1780  am  niedrig^iten  zu  1  fl.  32  kr.,  am  höchsten  zu  3  fl.  32  kr.,  endlich 
in  der  Periode  von  1780  bis  1790  am  niedrigsten  zu  1  fl.  45  kr.,  am 
höchsten  zu  4  fl.  3  kr.  Während  dieses  langen  Zeitraumes  von  sechzig 
.Jahren,  welcher  den  ganzen  siebenj<ährigen  nebst  einigen  anderen  Kriegen 
und  mehi-eren  Fehljahren  in  sich  begreift,  gab  es  also  kein  einziges  Jahr- 
zehnt .  in  dessen  Verlaufe  ein  Unterschied  von  300  Percent  bei  den 
Weizenpreisen  obgewaltet  hätte.  Eben  dies  gilt  auch  von  dem  Korn,  dessen 
Mittelpreise  während  der  angedeuteten  sechzig  Jahre  nie  über  2  fl. 
45  kr.  bis  2  fl.  50  kr.  hinausstiegen;  wie  dann  auch  selbst  zur  Zeit  des 
unter  der  Eegierung  Seiner  Majestät  Kaiser  Josephs  II.  zu  Wien  vorge- 
fallenen Tumults  kein  höherer  als  der  soeben  erwähnte  Preis  bestand. 
Neuere  Ge-    Vergleicht  man  dagegen  mit  diesen  älteren  Decennien  eine  zehnjährige 

tioidepreise.  . 

Periode  der  letzeren  Zeit,  wo  die  Metallmünze  schon  durchaus  verschwunden 
und  nichts  als  Papiergeld  im  Umlaufe  war,  nämlich  jene  vom  Jahre  1802 
bis  einschliesslich  1811,  so  .stand  in  dieser  Periode  der  Weizen  am  niedrigsten 
auf  5  fl.  12  kr.,  am  höchsten  auf  38  fl.  3  kr.  Hier  trat  also  in  der  Reihe 
von  zehn  Jahren  ein  Unterschied  von  beinahe  700  Percent  in  den  Weizen- 
preisen ein,  was  natürlicherweise  nicht  blos  Folge  einer  oder  mehrerer 
schlechteren  Ernten  sein  konnte,  sondern  worauf  auch  besonders  der  ge- 
sunkene Werth  des  Papiergeldes  einwirkte.  Allein  eben  weil  in  den  ersten 
Monaten  des  Jahres  1811,  wo  der  Weizen  38  fl.,  das  Korn  28  fl.,  die 
Gerste  21  fl.  galt,  die  Curse  der  damals  noch  in  der  Circulation  gewesenen 
Bancozettel  zu  1300  bis  1500  standen,  ist  es  gewiss  ein  höchst  auffallendes 
Ereigniss,  jetzt  bei  Cursen,  die  zwischen  320  und  330  schwanken,  gleich 
hohe  und  manchmal  selbst  höhere  Getreidepreise  als  in  den  ersten  Monaten 
des  Jahres  1811  wahrzunehmen.  Gerne  will  ich  zwar  zugeben,  dass  die 
heurige  Ernte  schleclitei'  als  jene  im  Jahre  1810  war.  Aber  da  auch 
letztere  off'enbar  nicht  zu  den  guten  gehörte,  und  die  Preise,  wenn  man 
sie  nach  den  Cursen  des  einen  und  des  anderen  Jahres  auf  Conventions- 
münze evaluirt,  um  mehr  als  300  Percent  differiren,  so  liegt  es  nach 
meinem  Erachten  wohl  am  Tage,  dass  nebst  dem  schlechten  Ausschlage 
der  Ernte  bei  den  jetzigen  exorbitanten  Preisen  auch  die  Opinion  und 
Speculation  mit  im  Spiele  ist.  Wohlfeile  Preise  würden  in  einem  Jahre 
wie  das  heurige  auch  bei  einer  geregelten  Valuta  nicht  bestanden  haben, 


[61]  61 

so  weuig  als  sie  in  Ländern,  wo  wirklich  nur  MetallmOnze  circnlirt, 
bestehen.  Aber  dass  sie  in  solch'  ein  Ueberniass  ausarten  konnten,  darf  doch 
mit  vollem  Grunde  dem  Papiergelde  und  der  Unverhältnissmässigkeit  der 
Grundsteuer  zugeschrieben  werden,  deren  relativ  geringer  Betrag  die 
grösseren  Grundbesitzer  in  den  Stand  setzt,  mit  dem  Verkaufe  eines  nam- 
haften Theils  ihrer  Erzeugnisse  nach  Belieben  zurückzuhalten  und  dadurch 
die  Preise,  so  hoch  sie  es  wünschen,  zu  spannen.  In  diesem  Anbetrachte 
wird  nicht  nur  der  üebergang  zu  einer  besseren  Ordnung  in  den  Geld- 
verhältnissen, es  wird  selbst  die  bereits  augeordnete  Erhöhung  der  Grund- 
steuer vielmehr  -/um  Fallen  als  zum  Steigen  der  Preise  beitragen.  Aber 
wenn  auch  darum  diese  Steuererhöhung,  selbst  in  einem  ungünstigen 
Zeitpunkte,  wie  der  gegenwärtige  ist,  der  höchst  wahrscheinlich  einen 
guten  Theil  derselben  uneinbringlich  machen  wird,  doch  im  Ganzen  nicht 
zweckwidrig,  wenn  sie  in  anderen  Eücksichten  uoth wendig  und  gerecht 
war,  so  wird  sie  doch  schon  wegen  ihrer  ungleichen  Vertheilung  für 
Tausende  äusserst  empfindlich  sein.  Darum,  und  weil  es  in  der  That  höchst 
traurig  ist,  dass,  während  in  anderen  Staaten  die  Grundsteuer  ungleich 
beträchtlicher  als  in  den  älteren  österreichischen  Ländern  ist,  hier  doch 
weit  mehrere  und  zum  Theil  selbst  gerechte  Klagen  gehört  werden,  weil 
ferner  eine  gleichförmige  Vertheilung  der  Lasten  zu  den  ersten  Pflichten 
jeder  Staatsverwaltung  gehört,  weil  endlich  es  nicht  blos  problematisch, 
sondern  erwiesen  ist,  dass  in  den  älteren  Ländern  auffallende  Ungleich- 
heiten und  Missverhältnisse  bestehen,  liegt  es  wesentlich  daran,  die  Steuer- 
regulirungs-Hofcommission  in  die  grösste  Thätigkeit  zu  setzen,  ihr  alle 
Mittel,  deren  sie  zur  Zustandebringung  ihrer  höchst  wichtigen  und  müh- 
samen Aufgaben  bedarf,  zu  gewähren,  und  alle  Hemmungen,  Verzöge- 
rungen und  Einstreuungen ,  die  von  anderen  Seiten  her  gemacht  werden 
wollten,  auf  das  Kräftigste  zu  bezähmen.  Wer  an  die  leidigen  Erfahrungen 
zurückdenkt,  die  in  dieser  Angelegenheit  seit  mehr  als  zwölf  Jahren  ge- 
macht worden  sind,  und  wie  fast  jeder  Fortschritt  beinahe  nur  mit  Hammer- 
streicheu  erzwungen  werden  konnte,  der  wird  diese  Winke  gewiss  nicht 
überflüssig  und  unstatthaft  finden. 

Woran  zur  Zeit  einer  grösseren  Theuerung  und  Xoth  vorzüglich  Coramunica- 
gelegen  ist,  sind  die  Communicationen,  sei  es  nun  zu  Wasser  oder  zu  Lande,  *'°"^"""''  • 
zwischen  den  Gegenden,  wo  sich  noch  einige  entbehi-liche  Vorräthe  befinden, 
und  jenen,  wo  es  an  Nahrungsmitteln  mangelt.  Je  mehr  der  schon  an  sich 
äusserst  hohe  Ankaufspreis  durch  die  Fracht  vertheuert  wird,  um  so  schlimmer 
ist  das  Loos  derjenigen,  welche  ihre  Lebensbedürfnisse  aus  fernen  Gegenden 
her  beziehen  müssen ;  und  nur  gar  zu  leicht  können  die  Preise  für  sie  ganz 
unerschwinglich  werden.  Um  so  bedauerlicher  ist  es,  dass  gerade  in  dem 


ß2 


[62] 


gegenwärtigen  Zeitpunkte,  wo  die  Tlieaening  der  Lebensmittel  nicht  blos 
in  der  Kesidenz.  sondern  aucli  in  einigen  Provinzen  einen  hislier  nie 
erhörten  Grad  erreicht  hat,  die  Strassen  sich  wenigstens  zum  Theil,  und 
gerade  dort,  wo  mau  ihrer  nun  am  meisten  bedarf,  in  einem  äusserst 
schlechten  Zustande  befinden.  So  kann  z.  B.  Steiermark  und  Kärnten  jetzt 
nicht  aus  Ungarn,  wo  das  Geschrei  über  Noth  grösser  als  in  den  deutschen 
Ländern  ist,  und  eben  so  wenig  aus  Oesterreich,  wo  es  keinen  Uefcerfluss 
gibt,  auf  jeden  Fall  aber  die  Preise  viel  zu  hoch  sind,  um  dort  an  einen 
lohnenden  Einkauf  zu  denken,  es  kann  nur  von  der  Seeküste  her,  wo  sich 
beträchtliche  Vorräthe  an  Weizen  und  Korn,  die  aus  Odessa  und  sonst  auf 
dem  Meere  dahin  gebracht  worden  sind,  befinden,  seine  Erfordernisse  an 
diesen  Artikeln  herholen.  Allein  hiebei  tritt  ausser  der  Beschwerlichkeit, 
welche  die  Verschiedenheit  der  Valuta  nach  sich  zieht ,  da  nebst  dem 
Ankauf  auch  die  Fracht  durch  das  Küstenland  und  dui'ch  Krain  in  Metall- 
münze bezahlt  werden  muss,  noch  das  weitere  Missgeschick  ein,  dass  die  Zu- 
fuhr auf  schlechterhaltenen,  bei  bösem  Wetter  grundlosen  Wegen  geschieht, 
wodurch  nothwendig  an  der  Zeit  viel  verloren  und  der  für  Bewohner  so 
hart  mitgenommener  Länder,  wie  Steiermark  und  Kärnten  gegenwärtig 
sind,  ohnedies  kaum  zu  erschwingende  Aufwand  beträchtlich  vermehrt  wird. 
Beschäfti-  Wenn  das  französische  Gouvernement  durch  eigene  Circularien 

gung  duicii    ^j^  ^jjg  Präfecten,  die  aus  öffentlichen  Blättern  bekannt  sind,  denselben 

btrassen- 

aibeit.  gauz  besouders  anempfohlen  hat,  die  Strassen-  und  andere  öffentliche 
Arbeiten  diesen  Winter  hindurch  auf  das  Eifrigste  fortsetzen  zu  lassen, 
um  bei  dieser  härteren  Zeit  auch  jenen,  die  keine  Künste  und  Handwerke 
können,  aber  doch  den  Willen  und  das  Vermögen,  zu  arbeiten,  haben^ 
Verdienst  zu  verschaffen;  wenn  in  England  Privatgesellschaften  von 
vermöglichen  Bürgern  in  gleicher  Absicht  zusammentreten  und  auch 
diese  die  Strassenarbeiten  als  eines  der  geeignetsten  Mittel,  um  die  Dürftig- 
keit zu  unterstützen,  zugleich  aber  dem  Allgemeinen  einen  wesentlichen 
Nutzen  zu  verschaffen,  betrachten,  so  sollte  dieses  Mittel  wohl  auch  bei 
uns,  wenigstens  in  jenen  Provinzen,  nicht  vernachlässigt  werden,  wo 
man  die  Strassen  gar  so  sehr  in  Verfall  kommen  liess,  dass,  wenn  man  erst 
die  bessere  Jahreszeit  mit  ihrer  Wiederherstellung  abwarten  wollte,  in  der 
noch  lange  genug  dauernden  schlechteren  Jahreszeit  am  Ende  aller  Handel 
und  Wandel  gehenmit  werden  dürfte,  oder  wo  die  sonst  gewohnten  vor- 
züglicheren Beschäftigungen  der  Landeseinwohner,  wie  z.  B.  die  Eisen- 
erzeugung und  Verarbeitung  in  Steiermark  und  Kärnten  aus  verschiedenen 
Ursachen  bedeutende  Einschränkungen  erlitten  haben,  mithin  Viele,  die 
sonst  bei  diesen  Productionszweigen  Beschäftigung  gefunden  haben,  jetzt 
ohne  Nahrung  und  Verdienst  sind,  oder  wo  der  blosse  Feldbau  offenbar 


Frankreich, 

Kngland, 

Oesterreich 

(Steiermark, 

Kärnten). 


[63] 


63 


nicht  hinreicht,  den  Einwohnern  Unterhalt  zu  verschaffen,  und  andere 
Nahrungswege  theils  nie  ergiebig  genug  waren,  theils  im  Verhalte  der 
Zeit  ganz  oder  grösstentheils  erloschen  sind. 

Letzteres  scheint  vorzüglich  in  der  Carlstädtcr  Grenze  der  Fall  zu  Caristä.iter 
sein,  die  man  nur  etwas  genauer  kennen  darf,  um  zu  wissen,  dass  der  ^^^  ßjnat- 
meist  steinige  Boden  allein  die  in  grosser  Anzahl  darauf  wohnenden  Men-  grenze, 
sehen  schlechterdings  nicht  ernähren  kann;  in  welcher  die  Industrial- 
iinteruehniungen ,  die  in  vorigen  Zeiten  dort  gegründet  wurden,  wahi-- 
scheinlich,  weil  sie  den  Localverhältnissen  sich  nicht  anpassten,  erloschen 
sind,  und  wo  der  Grenzer  die  doppelte  reichliche  Hilfe,  welche  ihm  der 
Salzhandel  und  welche  ihm  der  Weizentransport  von  Carlstadt  bis  an 
die  Seeküste  vormal  gewährte,  jetzt,  wo  der  hohe  Ankaufspreis  des  Salzes 
dem  Handel  im  Wege  steht,  und  wo  Ungarn  keinen  entbehrlichen  Weizen 
zur  Ausfuhr  oder  zur  Aufbewahrung  in  den  Littoralmagazinen  besitzt, 
gänzlich  vermisst.  So  wie  unter  diesen  Umständen,  und  bei  dem  noch  dazu 
gekommenen  Missrathen  der  Ernte  in  den  sonst  fruchtbaren  Thälern  der 
vier  Carlstädter  Grenzregimenter,  dann  bei  den  ausserordentlichen  Ueber- 
schwemmungen  in  der  ungleich  gesegneteren  Banalgrenze  nicht  einzu- 
sehen ist,  wie  die  dortige  Population,  welche  nie  wohlhabend  war  und 
unter  dem  drückenden  französischen  Joche  völlig  verarmt  ist,  ohne  eine 
besondere  Unterstützung  von  Seite  des  Staates,  sich  sollte  ernähren  und 
den  Feldbau  bestellen  können,  ebenso  scheint  es  ungleich  sachdienlicher 
zu  sein,  einen  Theil  dieser  Grenzer  statt  der  Vorschüsse,  die  nur  äusserst 
schwer  wieder  eingebracht  werden  können  und  je  öfter  sie  wiederholt 
werden ,  um  so  tiefer  den  Leuten  die  Idee ,  dass  man  sie  alljährlich 
von  Staatswegen  füttern  müsse,  einprägen,  zur  Strassenarbeit  gegen  hin- 
längliche Bezahlung  zu  verwenden ,  was  ohne  allen  Abbruch  der  häus- 
lichen Wirthschaft  geschehen  kann.  Ist  nun  aber  auf  diese  Art  für  die 
Gegenwart  gesorgt,  eine  Abhilfe  der  traurigen  Lage  dieser  Leute  erzielt 
und  den  Auswanderungen  vorgebeugt,  so  machen  es  doch  die  vielfältigen 
Erneuerungen  ähnlicher  Ereignisse  in  der  Carlstädter,  sowie  in  der  Banal- 
grenze und  die  im  Ganzen  äusserst  beträchtlichen  Geldsummen,  welche  die 
Staatsverwaltung  seit  einer  Eeihe  von  Jahren  aufgeopfert  hat,  nicht  um 
den  Zustand  dieser  Bezirke  dauerhaft  zu  verbessern,  sondern  nur  den  fast 
immer  plötzlich  eingetretenen  Verlegenheiten  von  Zeit  zu  Zeit  nothdürftig 
abzuhelfen,  unvermeidlich,  endlich  einmal  tiefer  in  die  Sache  einzudi'ingen, 
womöglich  das  Uebel  an  der  Wurzel  zu  fassen,  sohin  sich  ernstlich  mit 
den  Erhebungen  zu  beschäftigen,  ob  und  wie  in  der  Banalgrenze  den 
Ueberschwemmungen,  wodurch  so  viele,  sonst  fruchtbare  Strecken  ver- 
wüstet werden,  abgeholfen,  und  wie  in  der  Carlstädter  Grenze  der  unzu- 


64  [64] 

Icänglicho  Ertrag  dos  Bodens  durcli  andere,  dem  Genius  dieses  Soldaten- 
volkes und  den  Localverliältnissen  entsprechende  Nahrungs-  und  Erwerbs- 
quellen am  fügliclisten  ersetzt  werden  könnte,  und  ob  es  nicht,  wenn 
keine  angemesseneren  Mittel  aufgefunden  werden  sollten,  nothwendig  wäre, 
wieder  zu  jenen  Begünstigungen  zurückzukehren,  welche  die  Grenzer  bei 
dem  Ankauf  des  Salzes,  und  bei  den  Dreissigstgebühren  rücksichtlich 
einiger  für  sie  unentbehrlicher  Artikel  vor  dem  Jahre  1809,  das  sie  auf 
einige  Zeit  der  österreichischen  Monarchie  entriss,  genossen  haben. 

Zunächst  der  Carlstädter  und  Banalgrenze,  mit  welch'  ersterer  das 

Das         nun  dem  küstenländischen  Gubernium  zugewiesene  ehemalige  croatische 

ohem;iiige     Provinziallittorale,  nämlich  die  Bezirke  Draga,  Kostrena  und  Vinodol  in 

croatische  °    ' 

i'rovin/.iai-  Absicht  auf  steinigen  Boden,  dem  nur  an  manchen  Strecken  durch  eisernen 
'"'■"'■  Fleiss  einiger  Ertrag  abgewonnen  werden  kann,  viel  Aehnliches  hat, 
darum  in  der  Periode  vom  Jahre  1784  bis  1809  ebenfalls  einige  Begünsti- 
gungen beider  Einfuhr  und  I)ei  dem  Salzhandel  genoss  und  wohl  auch  jetzt 
schwerlich  ohne  Hilfe,  so  wie  in  der  Folge  ohne  eine  ähnliche  Fürsorge 
wie  jene,  die  ich  rücksichtlich  der  Carlstädter  Grenze  angetragen  habe,  wird 
belassen  werden  können,  dürften  die  übrigen  Bestandtheile  des  küsten- 
ländischen Guberniums,  ferner  Krain,  noch  mehr  aber  Kärnten  und 
Steiermark  in  dem  gegenwärtigen  Augenblicke  eine  vorzügliche  Aufmerk- 
samkeit verdienen. 
Inner-  Vou  Steiermark  und  Kärnten  ist  es  bekannt,  dass  sie  selbst  in 

mittelmässigen    und    mehr  als   mittelmässigen  Jahren  ihren  Bedarf  an 
Getreide  nicht  vollständig  erzeugen,  sondern  immer  einige  Hilfe,  meisten- 
theils  aus  Ungarn,  herbeigeschafft  werden  muss.  Die  Hornviehzucht  über- 
steigt zwar  in  gewöhnlichen  Zeiten  den  eigenen  Bedarf,  aber  eine  bedeutende 
Quelle  des  Activhandels  macht  sie  nicht  aus.    Der  Weinbau  ist  blos  auf 
Untersteiermark  beschränkt.  Im  Lande  herrscht  der  Glaube,  dass  Steier- 
mark in  guten  oder  auch  nur  mehr  als  mittelmässigen  Jahren  von  den 
Weinfechsungen  seine  Contribution  bezahle.  Ohne  mit  Grund  entscheiden 
zu  können,    inwieweit  dies  seine  Richtigkeit   habe  oder  nicht,   ist  mir 
doch  so  viel  bekannt,  dass  der  grössere  Theil  der  Erzeugung  im  Lande 
selbst  verzehrt  wird,  dabei  aber  doch  auch  die  Exportation  theils  nach 
Kärnten,  theils  nach  Krain  nicht  unbedeutend  ist.  Gute  Weinjahre  können 
also  wohl  Steiermark  einen  Zufluss  von  fremdem  Gelde  verschaffen,  aber 
sehr  reichlich  kann  dieser  Zufluss  schon  aus  der  Ursache,  weil  nur  einige 
Gebirge  bessere  Gattungen  hervorbringen,  nicht  sein,  Kärnten  hingegen 
ist  in  dieser  Rubrik  völlig  passiv.  Erwägt  man  nun  die  grosse  Menge  von 
Bedürfnissen,  welche  Steiermark  und  Kärnten  theils  aus  anderen  Ländern 
der  Monarchie,  theils  aus  dem  Auslande  beziehen,  und  dass  in  früheren 


Österreich. 


[65]  65 

Zeiten  diese  Provinzen  immer  zu  den  wohlhabenderen  gerechnet  worden 
sind,  so  lässt  sich  leicht  folgern,  wie  ungemein  wichtig  das  Strassen- 
ge werbe,  noch  weit  mehr  aber  die  Metall-  oder  eigentlich  die  Eisen-  und 
Bleierzeugung  der  beiden  Länder  gewesen  sein  müsse. 

Die  Abtretung  der  illjrischen  Provinzen  an  Frankreich  im  Jahi'e  Veikehrs- 
1809  hatte  den  totalen  Ruin  des  Strassengewerbes  zur  unvermeidlichen  ^yoigrdes 
Folge.  Im  eigentlichsten  Verstände  war  damals  die  Monarchie  an  ihi'er  Verlustes 
südwestlichen  Grenze  ein  Haus  ohne  Thor.  Die  gänzliche  Stockung  des 
Handels,  durch  die  feindseligen  Massregeln  des  neuen  Nachbars  veran- 
lasst, musste  nothwendig  auf  die  zunächst  angrenzenden  österreichischen 
Provinzen,  Steiermark  und  Unterkärnten,  noch  nachtheiliger  als  auf  die 
entfernteren  einwirken.  Zwar  dauerte  dieser  leidige  Zustand  nicht  über 
vier  Jahre,  aber  die  meisten  Handelsverhältnisse  waren  nun  einmal  ab- 
gerissen, zum  Theil  gewaltsam  zerstört.  Man  mied  die  einst  so  stark 
besuchte  Küste  während  des  französischen  Besitzes  wie  die  Höhle  eines 
ßaubthieres.  Das  solcher  Weise  unbeschäftigte  Fuhrwerk  verminderte 
sich  mit  jedem  Monate;  Wirthe  und  Professionisten,  die  vorzüglich  vom 
Strasseuge werbe  lebten,  sanken  in  Dürftigkeit  oder  fanden  sich  bemüssigt, 
ihre  Nahrung  anderwärts  zu  suchen.  Hätte  sich  nach  der  im  Jahre  1813 
erfolgten  Wiedereroberung  der  illyrischen  Provinzen  der  Littoralhandel 
schneller  emporgehoben,  so  würde  es  bei  den  Durchzügen  der  Waaren 
durch  Steiermark  und  Kärnten  an  Mitteln  zu  seiner  Beförderung  ganz 
gewiss  nicht  wenig  gemangelt  haben.  Allein  nur  erst  seit  Kurzem  ge- 
winnt der  Handel  zu  Triest  etwas  mehr  Leben,  und  das  Strassengewerbe 
ist  noch  weit  von  dem  Punkte  entfernt,  wo  es  eine  Quelle  des  Wohlstandes 
für  Kärnten  und  Steiermark  sein  könnte. 

Sowie  durch  die  Abtretung  der  illyrischen  Provinzen  das  Strassen-       VerfaU 
gewerbe  in  Innerösterreich  verfiel,  ebenso  geschah  durch  diese  Abtretung      ^"^    '*^°" 

~  "  ~     gewerbe  von 

und  insbesondere  durch  die  Trennung  Ober-  von  Unterkärnten  der  erste  isio-isie. 
heftige  Schlag  auf  den  wichtigsten  Productionszweig  der  innerösterreichi- 
schen Provinzen,  auf  Eisen  und  Blei,  wovon  jedoch  letzterer  Artikel  dem 
ersteren  an  Erheblichkeit  bei  Weitem  nicht  gleichkommt.  Was  von  den 
Eisen-  und  Bleigewerken  in  französische  Hände  gerieth,  wurde  durch 
unerschwingliche  Abgaben  und  Mangel  an  Absatz  ei-drückt.  Das  bei 
Oesterreich  verbliebene  unterkärnten,  was  sonst  sein  Eoheisen  an  die 
Hammerwerke  im  Yillacher  Kreise,  sein  geschlagenes  Eisen  nach  Italien 
verkaufte,  wurde  durch  die  französischen  Zölle  in  seinem  vorigen  Zuge 
gänzlich  gehemmt.  Es  warf  sich  nun  mit  seinen  Erzeugnissen  theils  nach 
Steiermark,  theils  in  noch  entferntere  Gegenden,  wo  sonst  immer  nur  steiri- 
sches  Eisen  erschienen  war.  Im  Jahre  1810  und  in  den  ersten  Monaten  des 


66  [66] 

Jahrps  1811,  wo  das  f<n-twäliieiulo  Sinken  der  Banrozettel  und  die  Besovg- 
niss  ihres  gänzlichen  Verfalles  für  Viele  ein  Bestimmungsgrund  war,  ihr 
Vermögen  durch  den  Einkauf  von  Waaren  mehr  zu  sicliern  und  Eisen  wegen 
seiner  Dauer  und  vielfältigen  Brauchbarkeit  ganz  vorzüglich  dazu  gewählt 
wurde,  fühlte  man  in  Steiermark  noch  keine  nachtheiligen  Folgen  dieser 
neu  entstandenen  Concurrenz.  Vielmehr  stieg  das  Roheisen  in  den  letzten 
Zeiten  der  Bancozettel  bis  auf  60  fl.  der  Centner.  Verhältnissmässig  noch 
höher  waren  ilie  Preise  des  geschlagenen  Eisens  und  jene  der  Sensen  und 
Sicheln.  Aber  bald  zeigte  es  sich,  dass  diese  ephemere  Hölio  der  Eisenpreise 
nichts  als  ein  rascher  Üel)Prgang  zum  andern  Extrem  war.  und  l)ald  nach 
Erscheinung  des  Finanzsystems  vom  Jahre  1811  trat  eine  Peiiodc  für  die 
Eisengewerke  ein,  die  nicht  blos  den  Scheinreichthum  vom  Jahre  1810, 
sondern  auch  das  solidere,  früher  erworbene  Vermögen  der  Ead-  und  Ham- 
mergewei-ken  fast  durchgehends  verschlang  und  diese  einst  so  wohlhabende, 
allgemein  beneidete  Classe  dem  grösseren  Theile  nach  ins  Verderben  stürzte. 

Die  Katastrophe  des  wichtigsten  Productionszweiges  zweier  Pro- 
vinzen ist  in  ihren  Folgen  zu  erheblich,  als  dass  es  nicht  interessant  sein 
sollte,  es  anschaulich  zu  machen,  wie  dies  geschehen  sei. 

Bei  dem  üebergange  von  den  Bankozetteln  zu  den  Einlösungs- 
scheinen, wo  die  Revalvirung  auf  ein  Fünftel  geschah,  hatten  die  Eisen- 
gewerken das  Ihrige  gethau,  indem  sie  ganz  bald  nach  der  Kundmachung 
und  Vollstreckung  dieses  Systems  auf  ein  Fünftel  ihrer  in  den  letzteren 
Zeiten  der  Bancozettel  bestandenen  Preise  herabgingen.  Wirklich  wurde 
zu  Vordernberg,  wo  das  beste  Roheisen  in  der  Monarchie  erzeugt  wird, 
der  Preis  für  den  Centner  auf  12  fl.  festgesetzt.  Auch  die  in  Steiermark 
und  Kärnten  sehr  bedeutenden  Aerarialeisenwerke  folgten  im  Anfange 
diesem  Beispiele.  Aber  da  der  Absatz  bei  der  gewaltig  verminderten  Zahl 
der  Geldzeichen  und  bei  den  in  Händen  des  Publicums  befindlichen 
grossen  Quantitäten  von  Eisenwaaren  nothwendig  zu  stocken  begann  und 
diese  Werke  darum  Geldvorschüsse,  zu  welchen  sich  damals  jeder  Privat- 
eigenthümer  bequemen  musstc  und  zur  Vermeidung  weit  schädlicherer  Ver- 
schleuderungen auch  gerne  bequemte,  von  der  Finanzadministration  ver- 
langten, so  wurde  ihnen  diese,  in  Folge  des  angenommenen  Systems,  kein 
Mittel  zur  Erzwingung  wohlfeilerer  Preise  unbenutzt  zu  lassen,  nicht  nui' 
allein  verweigert,  sondern  geradezu  die  Weisung  gegeben,  sich  die  nöthigen 
Gelilerforderjiissc  durch  den  Verschluss  zu  erwerben  und  daher  mit  den 
Preisen  so  weit  herabziigehen,  als  es  nothwendig  sei,  um  sich  einen  reich- 
lichen Absatz  zu  verschaffen. 

In  einer  Periode,  wie  die  damalige  wai-,  konnte  ein  reichlicher  Absatz 
einleuchtend  nui-  durch  die  heilloseste  Verschleudei-unsr  der  vorhandenen 


[67]  67 

Eisenwaaren  erzwungen  werden.  Indessen  mussten  die  Aerarialwerke 
den  selir  bestimmten  Aufträgen  gehorchen.  Sie  konnten  ihren  dringenden 
Geldverlegenheiten  nur  auf  diesen  Wege  abhelfen.  Die  Verschleisspreise 
wurden  daher  unter  alles  Yerhältniss  zu  den  Erzeugungskosten  herabge- 
drückt, ein  Wesen,  was  zum  Verderben  führen  musste,  getrieben;  und  ob 
gleich  der  vernünftigere  Theil  der  Piivatgewerken  das  Zerstörende  dieses  Be- 
nehmens ganz  wohl  erkannte  und  dem  bösen  Beispiele  der  Aerarialwerke 
so  lauge  als  möglich  nicht  folgte,  so  verlor  doch  ein  Gewerk  nach  dem 
andern  das  Vermögen,  noch  länger  auszuhalten,  und  am  Ende  fügte  sich 
Alles  den  Preisen,  die  keine  Berechnung,  keine  vernünftige  Combination, 
sondern  im  Anfange  ein  Machtspruch  und  weiterhin  Xoth  und  Drang 
entstehen  gemacht  hatte.  Xui-  diese  volkommen  wahre  und  sehr  leicht 
actenmässig  zu  erweisende  Darstellung  des  eigentlichen  Herganges  der 
Sache  macht  es  erklärbar,  wie  solch  ein  bedeutender  Productionszweig  in 
zwei  Ländern,  welche  hiebei  von  der  Natur  vorzüglich  begünstigt  worden 
sind,  dergestalt  herabsinken  konnte,  dass  sich  die  Passivität  nicht  —  was 
auch  in  früheren  Zeiten  manchmal  geschah  —  auf  ein  oder  höchstens  zwei 
Jahre  beschränkte,  sondern  dass  seit  den  Jahren  1811  und  1812,  unge- 
achtet der  späterhin  erfolgten  Vermehrung  des  Papiergeldes  und  ungeachtet 
der  bei  ungleich  entbehrlicheren  Artikeln  stattgefundenen  beträchtlichen 
Preiserhöhungen,  das  Missverhältniss  zwischen  den  Eisen-  und  den  Vic- 
tualienpreisen,  sohin  ein  entweder  ganz  stockender  oder  die  Erzeugungs- 
kosten nicht  aufwiegender  Verschleiss,  zwar  bald  in  einem  höheren,  bald 
einem  geringeren  Grade,  aber  doch  ununterbrochen  fortdauert,  und  sohin 
dieser  Productionszweig,  statt  wie  zuvor  dem  Lande  ergiebige  Zuflüsse 
fremder  Baarschaften  zu  verschaffen,  in  einer  fast  an  gänzlichen  Verfall 
grenzenden  Lage  ist,  deren  umständlichere  Schilderung  hier  aus  der  Ur- 
sache überflüssig  wäre,  weil,  dem  sicheren  Vernehmen  nach,  deren  mehrere 
theils  von  einzelnen  Gewerken,  theils  von  Corporationen,  theils  selbst  von 
landesfürstliehen  Behörden  nach  Wien  gelangt  sein  sollen. 

Wenn  seit  den  Jahren  1811  und  1812  die  Eisenerzeugung —  und 
mit  dem  Blei  ist  es  beinahe  der  nämliche  Fall  —  für  Steiermark  und 
Kärnten  eine  Quelle  des  Wohlstandes  zu  sein  aufgehört,  vielmehr  fast 
alle  Gewerken  um  ihr  früher  erworbenes  Vermögen  gebracht  hat;  wenn 
das  in  Vorigen  Zeiten  sehr  lucrativ  gewesene  Strassengewerbe,  während  die 
illyiüschen  Provinzen  unter  Frankreich  gehörten,  ganz  in  Verfall  gerathen 
und  seit  der  Wiedereroberung  dieser  Provinzen  noch  bei  Weitem  nicht 
wieder  zu  seiner  vorigen  Ausdehnung  zurückgekehi-t  ist;  wenn  Steiermark 
seit  dem  Jahre  1813  keine  auch  nur  mittelmässige  Ernte,  keine  erträg- 
liche Weinlese  hatte;  wenn  das  vorige  und  noch  mehr  das  heurige  Jahr 


6!^  [6«] 

unter  dio  vullkuinnit'iiou  Feliljahro  g-ehöreu;  wenn  also  niclit  blos  Mangel 
an  ersten  Lebensbedürfnissen,  sondern  auch  Mangel,  und  zwar  ein  höchst 
drückender  Mangel  au  Geld  auf  Steiermark  und  Kärnten  lastet,  so  ist  es 
nach  meinem  Dafürhalten  doch  immer  gewagt,  diese  zwei  Provinzen  so 
ganz  sich  selbst  und  ihrem  Schicksale  zu  überlassen;  und  es  ist  sehr  be- 
greiflich, wie  vielen  Unmuth  es  dort  erregte,  dass  man  den  Vitrstelluugen 
der  Stände  keinen  Glauben  zu  schenken  befand  und  ilen  Ziisiimmenfluss 
so  vieler  widrigen  Umstände  unberücksichtigt  Hess. 

Wie  ungünstig  schon  diis  Jalir  1815  für  Steiermark  und  Kärnten 
war,  erhellt  aus  der  Vergleichung  der  Weizen-  und  Kornpreise,  so  wie 
sie  dort,  und  wie  sie  dagegen  in  anderen  Ländern  der  Monarchie  im  No- 
vember Müll  December  v.  J.  bestanden.  Während  der  Weizen  in  Böhmen 
und  Mähren  nur  zwischen  IT)  und  16  fl.,  in  Oesterreich  ob  der  Enns  18  fl. 
und  selbst  in  Oesterreich  untei-  der  Enns  nur  etwas  über  19  fl.,  während 
das  Korn  in  Böhmen  und  Mähren  12  fl.  28  kr.  und  respective  13  fl.  55  kr., 
in  Oesterreich  unter  der  Enns  15  fl.  28  ki'.  galt,  war  in  Steiermark  damals 
der  Weizen  22  fl.  3  kr.,  das  Korn  1  7  fl.  49  kr.,  in  Kärnten  aber  gar  der 
Weizen  2(5  II.  41  kr.  und  das  Korn  23  fl.  24  kr.  Ebenso  blieben  auch 
in  den  eisten  sechs  Monaten  des  Jahres  181G  die  Weizen-,  Koi-n-,  Gerste- 
und  ILiferpi-eise  in  Steiermark  und  Kärnten  durchgehends  höher  als  in 
jedem  iinderen  jener  Ländei',  wo  Papiergeld  im  Umianfe  ist. 
Massresein  Auf  woiclic  Art  die  Eisenerzeugung  und  Yei-arbeitniig  wieder  in 

,     „!''""^   Aufnahme  zu  bringen  wäre,  ibii'übei-  enthalte  ich  mich  Jius  deiu  Grunde 

des  Eisen-  "  ' 

gewerbes.  aller  Meiuuiigeu  und  Anträge,  damit  es  ja  nicht  den  Anschein  gewinnt, 
als  wäre  icji  nur  im  Geringsten  dazu  aufgelegt,  in  diesem  Aufsatze,  der 
sich  nur  mit  dem,  was  die  Staatsverwaltung  interessii't,  befassen  s(di,  die 
Berücksichtigung  meines  Pi'ivatintcresses  miteinzumengen.  Aber  da  es 
sieh  hier  nicht  um  einen  einzigen,  sondei'u  um  einige  hundert  Gewerkeu 
handelt,  da  diese  Gewei-ken  mehreren  Tausend  Menschen  Unterlialt  gaben, 
da  ausserdem  bei  <!inem  hdinenden  Beti'iebe  der  Einfluss  solchei"  Gewerkeu 
auf  lue  Nahrungsei'werbe  und  den  Wohlstand  der  umliegenden  (liegenden 
von  nicht  geringer  Bedeutung  ist,  da  der  Staat  seilest  mehi'ere  und  be- 
trächtliche Eisenwerke  in  beiden  Ländern  besitzt,  da  endlich  gar  kein 
Surrogat  denkbar  ist,  was  Steiei'mark  und  Kärnten  auch  jiur  einen  Theil 
jener  Geldzuflttsse  verschaffen  könnte,  die  sie  seit  Jahrhunderten  in  ge- 
wöhnlichen Zeiten  durch  den  Bergbau,  vorzüglich  aber  durch  die  Erzeugung 
und  Verarbeitung  des  Eisens  bezogen  haben,  so  lohnt  es  sich  wohl  der 
Mühe,  diesen  Gegenstand,  über  welchen  die  ämtlichen  Eingaben  doch 
wenigstens  einige  brauchbare  Daten  und  Materialien  enthalten  müssen, 
einer  sorgfältigen  Prüfung  zu  unterziehen,  diese  aber  mehr,  als  es  bisher 


handel. 


[69]  60 

geschehen  ist,  zu  beschleunigen,  da  die  Zögerungen  als  ein  Beweis  von 
Gleichgiltigkeit  angesehen  werden  und  darum  zur  Vermehrung  des  Miss- 
muths  nicht  wenig  beitragen. 

Die  mehrere  oder  mindere  Bedeutendheit  des  Strassengewerbes  in         Das 
Steiermark  und  Kärnten  hängt  von  dem  grösseren  oder  geringeren  Flor      '^^^p^beTn 
des  Littoralhandels  und  von  dem  lebhafteren  oder  schwächeren  Verkehr    .steicimaik 
zwischen  den  älteren  Ländern  der  Monarchie  und  den  italienischen  Pro-   ""„„^''3"^.'^" 
vinzen  ab.    "Warum  eine  schnelle,  beträchtliche  Aufnahme  dieses  Handels      Littorai- 
kaum  zu  erwarten  ist,  werde  ich  weiter  unten  augeben.    Allein  selbst 
der  gegenwärtige  Zustand  des  Landes,  wo  man  so  manche  auch  nur  ge- 
meinere Bedürfnisse  nicht  in  hinlänglicher  Menge  oder  nicht  anders  als 
um  die  übertriebensten  Preise  findet,  wo  das  Zugvieh  anfangs  durch  die 
wiederholtenPferdestellungenund  die  unaufhörlichen  Vorspannsleistungen, 
späterhin  aber  durch  die  Theuerung  des  Futters  und  durch  das  sehr  ge- 
schwächte Vermögen  des  Landvolkes  beträchtlich  abgenommen  hat,  wo 
die  schlecht  erhaltenen,  bei  nassem  Wetter  fast  unwandelbaren  Strassen 
ein  schnelles  Fortkommen  oder  auch  nur  sichere  Anschläge  der  Zeit,  die 
manzurZurücklegungdieser  oder  jener  Strasse  bedarf,  unthunlich  machen, 
ist  dem  Strassengewerbe  mehr  abti'äglich  als  günstig  und  vermehrt  meine 
Zweifel  gegen  eine  schnelle  bedeutende  Aufnahme  desselben. 

Zieht  man  nun  in  Erwägung,  dass  solchergestalt  zu  einer  baldigen 
Erlnduug  der  Eisen-  und  Bleigewerken  keine  Aussicht  vorhanden  ist, 
dass  solch  eine  Aufnahme  des  Strassengewerbes,  von  der  sich  Steiermark 
und  Kärnten  bedeutende  Vortheile  versprechen  könnten,  unter  den  gegen- 
wärtigen Umständen  sich  nicht  erw^arten  lässt,  dass  bis  zu  einer  neuen 
Ernte  und  neuen  Weinlese  noch  mehrere  Monate  zurückgelegt  werden 
müssen,  während  welchen  es  sich  um  den  Unterhalt  vieler  Tausender 
handelt,  die  schon  jetzt  weder  Natu  r  allen  vor  räth  e ,  noch  Geld  besitzen 
und  bei  der  allgemeinen  Noth  auch  auf  fremde  Unterstützung  wenig 
j'echnen  können,  so  kann  doch  wohl  kein  verständiger  Mensch  über  die 
Lage  dieser  zwei  Länder  beinihigt  sein;  selbst  sehr  ti-aurige  Ereig- 
nisse können  Niemandem,  der  dieser  Lage  mehr  nachgedacht  hat,  un- 
erwartet kommen;  und  man  wird  sich  doch  wenigstens  für  den  Fall, 
den  ich  für  sehr  wahrscheinlich  halte,  wenn  nämlich  grössere  Uebel  nicht 
ohne  ansehnlichere  Geldunterstützungen  im  Verlaufe  des  nächsten  Jahres 
abgewendet  werden  könnten,  auf  die  Möglichkeit,  diese  sogleich,  ohne 
die  Bedeckung  des  Staatsaufwandes  deshalb  zu  beirren,  vorschiessen  zu 
können,  gefasst  machen  müssen.  Nebstbei  dürfte  aber  schon  jetzt  die 
Uebei-zeugung  verschafft  werden,  ob  in  Steiermark  und  Kärnten  die  Winter- 
saat allenthalben  gehörig  bestellt  worden,  oder  ob  nicht  vielleicht  doch  ein 


70  [70] 

Thcil  der  Aecker  unbebaut  geblieben  ist,  um  in  letzterem  Falle  bei  ein- 
tretendem Frühjahre  die  sachdienlichen  Massregeln  ergreifen  zu  können. 
Krain  dnrch  Krain  oder  das  nunmehrige  lUyrien  hat  zwar  viel  Analogie  mit 

Mctaiimünze   Steiermark   und   Kärnten,  doch  ist  es   in  früheren  Zeiten  diesen  zwei 

iu  günsti- 

Reieni  Ver-  Ländern  immer  im  Wohlstande  nachgestanden  und  besonders  enthält  der 
häUnissc.  Adelsberger  Kreis  viel  dürftiges  Volk.  Es  hat  einige  Jahre  unter  fran- 
zösischer Oberherrschaft  geschmachtet,  grosse  Zerrüttungen  in  seiner 
Verfassung  erlitten,  schwere  Lasten  zu  tragen  gehabt.  Es  blieb  seit  der 
Wiedei-eroberung,  folglich  seit  drei  Jahren,  in  einem  provisorischen  Zu- 
stande, der  nur  erst  vor  Kurzem  sein  Ende  erreichte,  und  der  in  so  vielen 
Beziehungen  dem  Gange  der  Administration  niemals  gedeihlich  sein  kann. 
Von  gesegneten  Ernten  war  dort  so  wenig  als  in  Steiermark  und  Kärnten 
zu  hören.  Die  missliche  Lage  des  Eisenhandels  und  das  noch  zu  keiner 
grossen  Ausdehnung  gediehene  Strassengewerbe  haben  für  Krain  ebenso 
wohl  wie  für  Steiermark  und  Kärnten  nachtheilige  Folgen.  Wenn  also 
demungeachtet  das  Elend  und  die  Verlegenheiten  iu  Krain  keinen  so 
hohen  Grad  wie  in  Steiermark  und  Kärnten  erreicht  haben,  so  lässt  sich 
kaum  eine  andere  Ursache  zur  Erklärung  dieses  Phänomens  auffinden, 
als  dass  Krain  glücklicherweise  im  Besitze  der  Metallmünze,  welche  die 
Franzosen  während  ihrer  Oberherrschaft  dort  einführten,  erhalten  wurde. 
Näher  in  die  Sache  einzugehen  bin  ich  aus  der  Ursache  nicht  im  Stande, 
weil  es  mir  an  zuverlässigen  Notizen  von  dem  gegenwärtigen  Zustande 
des  Landes,  das  ich  in  frühei-en  Zeiten  öfter  als  einmal  durchreist  und 
daher  ziemlich  genau  kennen  gelernt  habe,  gänzlich  gebricht.  Nur  so 
viel  kann  ich  init  Zuversicht  angeben,  und  es  dient  auch  zum  Belege 
dessen,  was  ich  von  der  dermaligen  relativ  besseren  Lage  Krains  gegan 
Steiermark  und  Kärnten  soeben  erwähnte,  dass  in  der  niemals  wohlfeilen 
Hauptstadt  Laibach  noch  im  August  h.  J.  der  Weizen  7  fl.  40  kr.,  das 
Korn  6  fl.  40  kr.,  dei-  Hafer  2  fl.  '20  kr.  kostete,  und  dass  zwar  diese 
Preise  im  September  auf  8  fl.  6  kr.  der  Weizen,  6  fl.  .50  kr.  das  Korn 
und  2  fl.  24  kr.  der  Hafer  gestiegen  sind;  welche  Preise  aber,  wenn 
man  sie  auf  Einlösungsscheine  evaluirt,  ungleich  massiger  als  jene  sind, 
die  man  zur  nämlichen  Zeit  für  die  erwähnten  Artikel  in  Steiermark  und 
Kärnten  bezahlen  musste. 
Triestnnd  Unter  den  Bestandtheilen  des  küstenländischeu  Guberniums.  deren 

der  See-      einen,  nämlich  das  ehemalige  croatische  Provinziallittorale .  ich  wegen 

handel  °  ° 

oesterreichs.  Seiner  grosscn  Aehnlichkeit  mit  der  Carlstädter  Militärgreuze  schon  fi'ühev 
berührt  habe,  zeichnet  sich,  wie  bekannt,  dei*  freie  Seehafen  Triest  bei 
Weitem  an  Wichtigkeit  aus,  und  ungeachtet  der  grossen  Erweiterung, 
welche  das  Küstenland  zuerst  im  Jahi-e  170  7  und  nunmehr  definitiv  im 


[71]  71 

Jahre  1815  erhalten  hat.  winl  Triest  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  immer 
•Icr  vorzüglichste  Punkt  des  LittoralhanHels  bleiben.  Wie  l)lühen<l  dieser 
Handel  vorzüglich  zur  Zeit  des  englisch-amerikanischen  ersten  und  des 
englisch-französischen  langen  Seekrieges,  bis  zur  Zeit,  wo  Bonaparte  sein 
Continentalsystem  und  unter  diesem  Vorwande  die  Zerstörung  jedes 
fremden  Handels  mit  aller  Gewalt  durchzusetzen  versuchte,  war.  wie 
ausserordentlich  Triest  sich  in  einem  Zeiträume  von  weniger  als  einem 
Jahrhunderte  emporgehoben  hat.  wie  sehr  selbst  Fiume  in.  Zeit  von  30 
bis  40  Jahren  an  Umfang  und  Wohlstand  gewann,  wie  gewinnreich  end- 
lich dies  nicht  blos  für  die  Metropole  war.  sondern  der  Littoralliandel  sich 
selbst  auch  auf  entferntere  Strecken  der  Monarchie  mit  Vnithcil  verbrei- 
tete, ist  wiihl  noch  nicht  aus  dem  Gedächtnisse  derjenigen,  die  Zeugen 
dieses  blülienden.  weit  ausgebreiteten  Handels  wai-en,  entwichen.  Uass 
es  wieder  dahin  kommen  möge,  ist  also  ungezweifelt  ein  patriotischer 
Wunsch,  in  welchen  Alles  einstimmen  wird,  wohingegen  über  die  Aus- 
wahl der  Mittel,  um  zu  diesem  Zwecke  zu  gelangen,  eine  sehr  wesentliche 
Verschiedenheit  der  Meinungen  herrschen  mag. 

Kaum  waren  theils  die  Wiedereroberungen,  theils  die  neuen  Er- 
werltungen  in  der  ungeheuren  Ausdehnung  vom  Po  bis  zu  den  Buchten 
von  Cattaro  durch  die  Friedensverträge  und  dui'ch  die  allseitigen  Aus- 
gleichungen vollkommen  gesichert,  als  es  schon  bei  Mehreren  zur  Lielt- 
lingsLdee  wurde,  den  Colonialwaaren  zur  Einfuhr  die  Landesgrenzen  zu  i^ercoioniai- 
sperren  und  die  Einfuhr  dieser  Waaren  blos  duich  die  adriatischen  Seehäfen 
zu  gestatten.  Nicht  nur  allein  wurden  hierüber  umständlich  bearbeitete 
Vorschläge  in  Druck  gelegt,  sondern  es  wurde  selbst  auf  Allerhöchsten 
Befehl  das  Wiener  Grosshandhuigsgremium  übei'  den  Gegenstand  der 
Frage  vernommen.  Obschon  nun  auch  der  gi'össere  Theil  des  Gross- 
handlungsgreniium  dafür,  dass  einigen  Colonialproducten  der  Eintritt  in 
das  österreichische  Kaiserthura  nur  durch  die  adriatischen  Seehäfen  er- 
laubtwerden solle,  gestimmt  hat,  obwohl  man  ferner  in  weiteren  gedruck-ten 
Abhandlungen  solch  eine  Veranlassung  nicht  blos  als  nützlich,  sondern 
selbst  als  nothweudig  darzustellen  bemüht  war.  so  glaube  ich  doch,  die 
Staatsverwaltung  werde  sich  in  einer  Angelegenheit,  wo  sich  die  Inter- 
essen so  ausseroi'dentlich  kreuzen,  nicht  blos  von  den  Ideen  und  Wünschen 
des  einen,  wenngleich  sehr  zahlreichen  Theilcs  beschwichtigen  lassen, 
sondern  die  Sache  in  ihrem  ganzen  Umfange,  in  allen  ihren  Folgen  und 
Wirkungen  genau  erwägen  un<l  insbesondere  den  höchst  wichtigen  Ge- 
sichtspunkt nicht  verfehlen,  dass  es  innuer  eine  sehr  missliche  und  gefähr- 
liche Sache  sei.  den  Handel  gleichsam  in  Fesseln  zu  schlagen  und  ihm 
den  Weg,  den  er  nehmen  soll  um!  allein  nehmen  darf,  durch  gewaltsame 


waaren- 
liaiideU 


72  [72] 

Versperrung  jedes  anderen  Weges  vorzeichnen  zu  wullcu;  ilass.  wenn  ja 
doch  überwiegende  Beweggründe  für  die  Regierung  voi-handen  sein  sollen, 
die  Einfuhr  der  Culonialwaaren  nur  auf  dieser  und  nicht  auf  jener  Grenze 
zn  wünschen,  gelindere  Zollgesetze  an  der  eint'n,  beschränkendere  an  der 
andern  ein  ungleich  zweckmässigeres  Mittel  als  absolute  Verbote  seien, 
um  dem  Handel  seinem  grösseren  Theile  nach  jenen  Zug  und  jene  Rich- 
tung zu  geben,  welche  die  Regierung  wünscht;  dass  endlich,  wenn  man 
sich  ja  doch  aus  unbekannten  Gründen  zu  solch  einem  Zwangssystem 
unwiderstehlich  hingerissen  finden  sollte,  wenigstens  die  Ausführung  ja 
nicht  zu  übereilen,  sondern  mit  aller  Vorsicht  zu  verfahren,  die  Entwick- 
lung der  Handelsverhältnisse  nucli  einige  Zeit  hinduich  zu  beobachten 
und  erst  bei  hinlänglicher  üeberzeugung.  dass  nui-  von  der  erwähnten 
Zwangsmassregel  grosse  Vortheile  zu  hoffen  und  keine  gleich  grosse  oder 
selbst  noch  grössere  Nachtheile  zu  besorgen  sind,  dieselbe  ins  Werk  zu 
setzen  wäre. 

Allein  auch  ohne  zu  solchen  Extremen  zu  schreiten,  kann  man  nach 
meinem  Dafürhalten  den  Littoralhandel  zu  einer  bedeutenden  Aufnahme 
bringen  und  dadurch  nicht  blos  dem  Küstenlande,  Krain,  Kärnten  und 
Steiermark,  sondei-n  selbst  auch  der  Residenz  und  anderen  Ländern  der 
Monarchie  einen  erheblichen  Dienst  leisten,  wenn  man  nämlich  die  Hinder- 
nisse, welche  dem  Flor  dieses  Handels  gegenwärtig  iui  Wege  stehen,  so 
bald  und  so  kräftig,  als  es  nur  immer  geschehen  kann,  beseitigt.  Als 
die  vorzüglichsten  dieser  Hindernisse  sehe  ich  nachstehende  an: 

a)  Die  äusserst  beschwerliche  Communication  zwischen  Triest  und 
der  Hauptstadt,  um  so  viel  mehr  also  zwischen  Triest  und  den  noch  ent- 
fernteren Provinzialhauptstädten ; 

h)  die  Verschiedenheit  der  Valuta  in  den  älteren  und  in  den  wieder- 
eroberten oder  neuerworbenen  Ländern  der  Monarchie; 

c)  die  Menge  von  Geld-  und  Papiermäklereien  aller  Art,  zu  welchen 
die  gegenwärtigen  Umstände  so  reichlichen  Stoff  darbieten,  was  zur  Folge 
hat,  dass  ungemein  viel  Geld  sich  fortwährend  mit  den  Speculationen  auf 
der  Börse  beschäftigt  und  sohin  dem  Producten-  und  AVaarenhandel.  sowie 
der  Landwirthschaft  und  der  Production  jetzt  weniger  fremde  Cajtitalien 
als  fi-üher.  bei  einer  geringeren  Zahl  von  Geldzeichen,  zu  Gebote  stehen; 
en<)lich 

d)  die  wegen  der  zu  zahlreichen  Eiiifuhrsverbote  füi-  den  Handel 
überhaupt  ungünstige  inländische  Zollverfassung. 

Da  ohnehin  eine  allgemeine  Tarifsrevision  von  der  Commerzhofcom- 
mission  vorgenommen  werden  soll  und  sich  wohl  kaum  zweifeln  lässt, 
dass  man  hiebei  von  liberaleren  Grundsätzen  ausgehen,  die  Einfuhrs- 


[73] 


73 


verhüte  mehi-  in  stärkere  Zollbelegiingen  unistalten.  dabei  aber  doch  immer 
auch  auf  die  Gattungen  von  Waaren  Rücksicht  nehmen  und  solche,  bei 
welchen  eine  leichtere  Möglichkeit  heimlicher  Einschleppungen  obwaltet, 
nicht  mit  Zöllen,  die  durch  übermässige  Höhe  zum  Schleichhandel  ein- 
laden, belegen  wird,  so  ist  nur  zu  wünschen,  dass  diese  Arbeit,  so  viel  es 
ihre  Wichtigkeit  zulässt,  beschleunigt,  in  keinem  Falle  aber  die  gänzliche 
Beendigung  iles  üperats  abgewai-tet.  sondern  ilas.  was  man  zu  i-eformiren 
nothwendig  finden  wird,  gleich  theilweise  zur  Ausführung  gebracht  werden 
möge.  Hiebei  muss  ich  aber  freimüthig  gestehen,  dass  ich  von  dem  Tarifs- 
referenten, Hofrath  v.  Leon,  nichts  Gedeihliches  erwarte,  mithin,  wenn 
nicht  andere  Commissionsglieder  oder  das  Präsidium  sehr  wirksam  ein- 
schreiten, diese  Arbeit,  nach  meinem  Erachten,  keine  nützlichen  Kesultate 
liefern  wird. 

Die  für  den  Ackerbau,  die  Industrie  und  den  Handel  aus  dem  Ent- 
gange so  vieler  Capitalien,  welche  die  Börsespeculationen  schon  seit  ge- 
raumer Zeit  und  noch  immer  unaufliörlich  beschäftigen,  entspringenden 
Nachtheile  habe  ich  schon  in  meinen  früheren  Aufsätzen  geschildeii.  Wie 
schädlich  die  Verschiedenheit  der  Valuta  schon  im  Allgemeinen  auf  den 
Handel  einwirkt,  fällt  von  selbst  in  die  Augen.  Alle  Berechnungen,  alle 
Voranschläge  werden  dadurch  erschwert  oder  vielmehr  sie  lassen  sich  mit 
Richtigkeit  und  Zuverlässigkeit  gar  nicht  machen.  Obwohl  der  Werth  der 
Metallmünze  (das  manchmal  sich  ändernde  Verhältniss  zwischen  Gold  und 
Silber  ausgenommen)  eigentlich  keiner  Veränderung  unterworfen  ist,  so 
kann  man  doch  mit  der  nämlichen  Menge  Metallmünze  im  Handel  mit 
Ländern,  wo  nichts  als  Papiergeld  circulirt,  bald  mehr,  bald  weniger 
unternehmen,  je  nachdem  das  Papiergeld  in  einem  günstigeren  oder  un- 
günstigeren Verhältnisse  zu  der  Metallmünze  steht.  Der  Triestiner  und 
sonstige  Bewohner  des  Ijittorales  hat  also,  ungeachtet  dort  nichts  als 
Metallmünze  im  Umlaufe  ist,  doch  auch  keinen  festen,  sicheren  Anhalts- 
punkt im  Verkehre  mit  den  Bew^ohnern  der  älteren  Länder,  besonders  bei 
solchen  Handelsunternehmungen,  die  einen  längeren  Zeitraum  zu  ihrer 
gänzlichen  Ausführung  brauchen.  Es  bedarf  übrigens  wohl  keiner  Er- 
innerung, dass  beide  hier  berührte  Gegenstände  ganz  von  den  finanziellen 
Massregeln  abhängig  sind  und  den  geschilderten  Nachtheilen  nur,  wenn 
Ordnung  in  den  Geld  Verhältnissen  hergestellt  wird,  abgeholfen  werden 
kann. 

An  was  sich  sogleich  Hand  anlegen  lässt  und  was  ich  auch  in 
jeder  Beziehung  für  das  Dringendste  und  Unentbehrlichste  halte,  ist  die 
Verbesserung  der  Communication  zwischen  dem  Küsteulande  und  Triest 
insbesondere  mit  der  Residenz  und  den  älteren  Ländern  der  Monarchie. 


Nolh  wendig- 
keit einer 
ZoUtarifs- 
revision. 


Die  Schäd- 
lichkeit der 
verschiede- 
nen Valuten. 


Die  Ver- 
kehrswege. 


74 


[74] 


Coramunica- 

tion  mit 

Triest. 


Die  pflänzenilr.  mIht  wo  niclit  giiiiz  uii;iiisfiilirb;ii-o.  ilocli  gewi.ss  ausser 
alloiii  Voi-hältnisse  zu  uns(M-en  Kräften  stoliendo  Idee,  durch  Verlängerung 
des  Nenstädter  Canals  am  Ende  seihst  eine  fortlaufende  Wasser.strasse 
bis  nn  das  Meer  zu  eireichen.  wii'd  sicher  nie  eine  ernsthafte  Prüfung 
aushalten.  Aber  wollte  man  sich  doch  von  dieser  Idee  blenden  lassen  und 
sich  über  mehrere  h<>chst  widitige  Kücksichten.  die  —  ohne  noch  die 
Unmöglichkeit  oder  wenigstens  äusserste  Beschwerlichkeit  der  gänzlichen 
Ausführung  in  Anschlag  zu  bringen  - —  in  anderen  Beziehungen  gegen  die 
Sache  streiten,  hinwegsetzen,  so  macht  schon  die  lange  Reihe  von  Jahren, 
welche  zur  Herstellung  dieses  gigantesken  Unternehmens  erforderlich 
wäre,  einen  hinreichenden  Grund  aus,  selbst  auch  in  diesem  Falle  die 
Nothwendigkeit  der  Verbesserung  der  Strassen,  welche  das  Küstenland 
und  welche  die  neuerworbenen  italienischen  Provinzen  mit  den  älteren 
Ländern  der  Monarchie  verbinden,  anzuerkennen.  Nicht  leicht  gab  es 
einen  Zeitpunkt,  wo  sicli  der  Ursachen  und  Gründe  zur  bestmöglichsten 
Herstellung  dei'  Strassen  zwischen  Wien  und  Triest,  Wien  und  Venedig, 
Wien  und  Mailand  so  viele  vereinigten  als  gegenwärtig.  Nicht  leicht 
gab  es  öffentliche  Anstalten,  dei-en  Wichtigkeit,  entschiedener  Nutzen 
und  man  kann  wohl  sagen  lJuonil>ehrlichheit  so  sehr  in  die  Augen  fällt 
als  die  Verbesserung  der  oben  bezeichneten  Strassen.  Mit  den  Vor- 
bereitungen dazu  sollte  in  der  That  kein  Tag  mehr  verloren  werden,  so- 
wolil  weil  die  mit  Kccht  zu  erwartenden  Voi'theile  von  ültei'aus  gi-ossei' 
Wichtigkeit  sind,  als  auch  weil  die  Vernachlässigung  schon  gar  zu  lange 
gedauert  hat  und  es  selbst  für  die  Ehre  der  Staatsverwaltung  abträglicli 
ist.  wenn  m;vu  sogai-  die  allcrwiclitigsten  Verbindungen  der  Monarchie  in 
einem  so  verwahi'losten  Zustande  findet,  während  andere  Länder,  die  eben- 
falls grosse  Ansti-engungen  machen  mussten  und  an  Hilfsquellen  Oester- 
reich  nicht  gleichkommen,  ihre  Strassen  und  Brücken  in  einem  guten,  ja 
manche  sogar  in  einem  vortrefflichen  Zustande  erhalten,  und  während 
man  eben  kein  Greisenalter  erlebt  zu  haben  braucht,  um  aus  eigener  Ei*- 
fahrung  mit  Wehmuth  einen  Vergleich  zwischen  der  früheren  und  der 
jetzigen  Beschaifenheit  nnserer  Strassen  zu  ziehen. 

Eben  weil  in  Oesterreich  einst  füi-  die  Strassen  sehr  gesorgt  worden 
ist  und  selbst  noch  in  neuereu  Zeiten  auf  die  Abbauung  steilerer  Berge 
und  andere  Verbesserungen  bedeutende  Summen  verwendet  W(n-den  sind, 
wird  es  auf  ganz  neue  Anlagen  wahrscheinlich  nur  in  einigen  Strecken 
(wobei  vorzüglich  die  bequemere  und  nähere  Communication  zwischen 
Oesteri'eich  und  Steiermai-k,  mit  Vei-meidung  des  kostspieligen  und  be- 
schwerlichen Semmering,  sowie  die  Umgehung  des  Triester  Berges  in 
Betracht  gezogen  zu  werden  verdient^  iinkommen.    Ungemein  wn'inschens- 


[75]  75 

weith  ist  t's  ;ibpr.  wenn  die  Ldcaluntcrsuchuafren,  welclie  Theilo  der  bis- 
herigen Cdimiiercialstrassen  nach  Triest  unvcränilert  beizubehalten,  und 
wo  dagegen  Abweichungen  von  der  dermaligen  Knute  vorzunehmen  wären, 
auf  das  Schleunigste  veranstaltet  würden,  um  bei  eintretender  günstigerer 
Jahi'eszeit  mit  den  Arbeiten  selbst  anfangen,  dadurch  den  Zeitpunkt  der 
Vollendung  dieses  nicht  blos  für  einzelne  Länder,  sondern  für  den  ganzen 
Staat  höchst  wichtigen  Unternehmens  näher  hei'beirücken  und  durch  solch 
eine  werkthätige  Aeusscrung  des  ernstlichen  Willens,  der  Verbindung  der 
älteren  Länder  mit  dem  Küstenlandc  und  mit  Italien  die  möglichste  Er- 
leichterung zu  verschaffen,  dem  nicht  unbilligen  Vorwurfe,  dass  selbst  mit 
den  nächsten  und  wirksamsten  Mitteln,  dem  gesunkenen  Wohlstande 
wieder  aufzuhelfen,  nicht  vorwärts  geschritten  werde,  ein  Ende  machen  zu 
können. 

Sowie  die  Ei  Weiterung  des  Tiüester  Handels  auf  das  angrenzende 
Istrien  und  selbst  auch  auf  Fiume,  was  in  mehr  als  einer  Beziehung  immer 
nui-  eine  Filiale  von  Triest  bleiben  wird,  wohlthätig  einwirken  muss,  eben 
so  hat  dagegen  Friaul  von  dem  erleichtei-ten  Vei-kehrc  Oesterreichs  und 
Innerösteneichs  mit  Italien  als  der  unmittelbare  Berührungspunkt  der 
einen  und  der  anderen  Länder  erhebliche  Vortheile  zu  erwarten,  uml 
diese  Vortheile  werden  sich  dann  noch  weiter  ausdehnen,  wenn  die  zweite 
Scheidewand  des  Verkehrs,  nämlich  die  Verschiedenheit  der  Valuta,  durch 
den  Uebergang  zur  Metallmünzc  in  den  Ländern,  wo  jetzt  Papiergeld 
circulirt,  erlischt.  Erst  dann  werden  hundert  Schwierigkeiten,  die  jetzt 
den  Handel  hemmen,  von  selbst  verschwinden,  und  erst  dann  werden  die 
Bewohner  sowohl  der  älteren  als  der  neuen  Länder  es  wirklich  fühlen, 
dass  sie  Bestandthcile  eines  grossen  Körpers  siml,  der  in  dem  Masse, 
als  mehr  Vereinigung  und  Zusammenhang  in  allen  seinen  Abtheilungen 
herrscht,  an  Kraft  und  Wohlstand  zunehmen  wird. 

Was  übrigens  die  ersten  Lebensbedürfnisse  der  Einwohner  betrifft,    Getipidc- 

vor rath 

kann  bei  dem  Umstände,  wo  sich  ansehnliche  Getreidevorräthe,  die  aus     und  köi- 
fremden  Staaten  dahin  gelangt  sind,  in  Triest  befinden,  in  Ansehung  der   "crpieise. 

Küstenland. 

vorbenannten  kleinen  Provinzen  bei  ihrer  geringen  Entfernung  von  dieser 
Stadt  wohl  keine  andere  Besorgniss  eines  Mangels  eintreten,  ausser  wenn 
das  Getreide  alldort  auf  solch  einen  übermässigen  Preis  steigen  sollte, 
dass  es  die  dürftigeren  Classen  zu  kaufen  nicht  mehr  vermögend  wären. 
Allein  da  nach  der  Angabe  öffentlicher  Blätter  noch  immer  mit  Getreide 
beladene  Schiffe  eintreffen,  folglich,  wenn  gleich  die  Anzahl  der  Käufer 
nicht  gering  ist.  es  doch  auch  an  einer  Concurrenz  von  Verkäufern  nicht 
fehlt,  so  scheint  der  Unterhalt  dieser  Gegenden,  denen  die  Nachbarschaft  der 
See  auch  noch  andere  ergiebige  Nahrungsmittel  durch  die  Fischerei  ver- 


76  [7»^] 

schiitft,  bi.s  zur  künftigen  Ernte  so  /ienilicli  gcsicliert  zu  sein;  wie  denn 
überhaupt  eben  dieses  letzteren  Unistandes  wegen  die  Bewohner  der  See- 
küsten gegen  jene  der  Binnenländer  zur  Zeit  schlechter  Fechsnngen  um 
Vieles  besser  daran  sind.  Uebrigens  lässt  sich  das,  was  ich  von  der  relativ 
günstigeren  Lage  Krains  gegen  Steiermark  und  Kärnten  rücksichtiich  der 
Körnerpreise  zuvor  bemerkt  habe,  auch  auf  Triest  um  so  gewisser  an- 
wenden, als  diese  Preise  in  den  zwei  Monaten  August  und  September  — 
den  Hafer  ausgenommen  —  zu  Triest  selbst  noch  etwas  geringer  als  zu 
Laibach  waren  und  selbst  auch  im  October  nicht  bedeutend  gestiegen  sind. 
Venetia-  Aus  dem  Venctianischon  sollen   zwar  im  Verlaufe  des   heui-igen 

nisch-ioiii-    j.,]^,.ßg  manche  ungünstige  Berichte,  insbesondere  über  den  durch  starke 

bardisches  ^  °  ' 

Königreich.  Ueberschwcmmungen  verursachten  Schaden  und  über  die  nicht  erfolgte 
Zeitigung  der  Körner  in  den  Gebirgsgegenden  eingelangt  sein.  Allein 
ein  allgemeiner  Misswachs  hat  dort  ebenso  wenig  als  in  der  Lomltardei 
stattgefunden.  Die  Weizenerntc  war  in  Italien  mehr  gut  als  mittelmässig. 
Dass  der  türkische  Weizen  und  dass  der  Reis  bei  Weitem  nicht  so  gut 
gerathcn  sind,  dass  vorzüglich  in  den  Gebirgsgegenden  ein  grosser  Theil 
der  Saaten  nicht  zur  Reife  gelangt  ist,  konnte  wohl  Theuerung  hervor- 
bringen, wie  dann  auch  wirklich  im  August  der  Weizen  zu  Vicenza,  wo 
er  am  wohlfeilsten  w^nr,  7  fl.  13  kr.,  zu  Conegliano,  wo  er  am  höchsten 
stand,  11  fl.  16  kr.  und  in  der  Stadt  Venedig  selbst  9  fl.  54  kr.,  im 
Monate  September  zu  Vicenza  7  fl.  44  kr.,  zu  Conegliami,  11  fl.  9  kr. 
un<l  zu  Venedig  0  fl.  22  kr.  galt.  Aber  im  Ganzen  genommen  bleibt  das 
Los  dieser  Länder  doch  ungleich  besser  als  jenes  von  Steienuiirk  und 
Käi'nten,  wo  nicht  eine  einzige  Fruchtgattung  gericth,  wo  nun  schon  fast 
seit  einem  Lustrum  Fehljahr  auf  Fehljahr  folgt,  und  wo  sich  zu  den 
schlechten  Ernten  auch  noch  das  Ungemach  des  Papiergeldes  und  selbst 
auch  an  diesem  ein  höchst  fühlbarer  Geldmangel  gesellt.  Dass  diese  Be- 
hauptungen nicht  unstatthaft  sind,  erhellt  schon  daraus,  dass  unter  allen 
Getreidegattungen  im  heurigen  Jahre  notorisch  keine  so  allgemein  und  so 
gänzlich  als  Korn  missrathen  hat,  was  fast  in  allen  älteren  Ländern  der 
Monarchie  den  Hauptartikel  des  Feldbaues  ausmacht,  wo  hingegen  in 
den  italienischen  Pi'ovinzen  der  Grund  und  Boden  weit  mehr  auf  Weizen, 
Reis  und  Kukuruz  benützt  wird.  Den  neuesten  Nachrichten  zufolge  hat 
zwar  der  schon  einige  Zeit  im  Steigen  begi-iffene  Weizen  zu  Mailand  in 
der  letzten  Hälfte  des  Monats  November  den  Preis  von  fast  80  Mailänder 
Lire  (der  Lire  beträgt  zwischen  17  und  18  kr.)  für  den  Moggio,  das  ist 
2'/2  Metzen,  erreicht.  Allein  da  dieser  Preis,  auf  Papiergeld  evaluirt, 
dem  hiesigen  noch  immer  nicht  gleichkommt,  und  da  schon  während  des 
vorigen  Besitzes  der  Lombardei  die  Körnerpi-eise  dort  immer  höher  als  zu 


[77]  77 

Wien  und  in  den  deutschen  Ländern  gestanden  sind,  so  wird  hiedurch 
ilie  obige  Beliauptung  mehr  bekräftigt  als  widerlegt;  sowie  bei  den  be- 
trächtlichen Zufuhren  fremden  Getreides  nach  Livorno,  Genua  und  Triest 
eher  ein  Fallen  der  Weizenpreise  in  Mailand  und  Venedig  zu  hoffen,  als 
ein  noch  weiteres  Steigen  zu  besorgen  ist.  Im  schlimmsten  Falle  dürften 
also  rücksichtlich  des  mailändisch-venetianischen  Königreichs  höchstens 
massige  Geldunterstätzungen  für  einige  als  sehr  dürftig  bekannte  Gebirgs- 
gegenden und  solch  eine  Fürsorge,  dass  die  allerärmste  Classe  durch  theil- 
weise  Fortsetzung  der  unter  der  vorigen  Regierung  angefangenen  öffent- 
lichen Arbeiten  Verdienst  finde,  erforderlich  sein. 

Misslicher  scheint  mir  die  Lage  Tirols  und  Vorarlbergs  zu  sein,  wo  T'roi  una 
das  ackerbare  Land  selbst  in  guten  Jahren  den  Bedarf  der  Einwohner  nie 
aufzubringen  vermag,  heuer  die  Ernte  auch  dort  schlecht  ausgefallen  ist, 
Wohlstand  auch  schon  früher  nur  in  einigen  wenigen  Städten  und  Thälern 
geherrscht  hat,  durch  die  Kriege.  Invasionen  und  den  drückenden  fremden 
Besitz  der  noch  bestandene  Widilstaml  bedeutend  gesunken,  da,  woArmuth 
herrschte,  diese  auf  einen  noch  höheren  Grad  gestiegen  ist,  und  keines 
der  angrenzenden  Länder,  nämlich  «lie  Schweiz,  Baiern,  Salzburg,  Kärnten 
und  das  venetianische  Gebirge,  entbehrliche  Vorräthe  besitzt,  mit  welchen 
sie  Tirol  uml  Vorarlberg  zu  Hilfe  kommen  könnten.  Wirklich  waren 
alldort  schon  im  August  die  Weizenpreise  zwischen  9  und  11  fl.  C.-M., 
das  Korn  zwischen  (j  und  s  fl.,  zu  Bregenz  selbst  über  10  fl.,  Gerste  zu 
Trieht  zwar  unter  4  fl..  auf  anderen  Märkten  aber  zu  G  bis  7  fl.  Und 
diese  hohen  Preise  sind  mit  Ausnahme  des  Brixener  Marktes  im  Monate 
September  noch  insgesammt  gestiegen.  Zwar  gehört  Betriebsamkeit  und 
Frugalität  zu  den  charakteristischen  Eigenschaften  dieses  Gebirgsvidkes, 
und  man  kann  also  mit  Zuvei'sicht  darauf  rechnen,  dass  es  mit  seinen 
wenigen  Erzeugnissen  eben  so  strenge  haushalten,  als  dass  es  auch  kein 
Mittel,  durch  Industrie  sich  Zuflüsse  zu  eiwerben,  vernachlässigen  wird. 
Aber  es  wäre  doch  wohl  möglich,  und  es  ist  selbst  in  einem  hohen  Grade 
wahrscheinlich,  dass  ilie  äusserste  Sparsamkeit  und  die  thätigste  Emsig- 
keit in  dem  noch  langen  Zeiträume  bis  zur  künftigen  Fechsung,  dem 
Xothstande  abzuwehren,  doch  nicht  überall  hinreichen,  und  dass  es  sohin 
unvermeidlich  werden  dürfte,  einzelnen  Gegenden  mit  Geldvorschüssen 
unter  die  xVrme  zu  greifen. 

Auch  in  Oesterreich  ober  der  Enns  ist  ilie  Ernte  heuer,  was  zu  den    Oesteneicii 
seltenen  Erscheinungen  gehört,   unter  der  Mittelmässigkeit   geblieben. 
Dieser  ungünstige  Ausschlag  in  Verbindung  mit  den  plötzlich  gehemmten 
Zufuhren  aus  Baiei'u  hat  ein   namhaftes  Steigen  der  Preise  veranlasst, 
was  zwar  füi'  Viele,  die  von  trockenen  Einkünften  leben,  empfindlich  ist, 


TB  [78] 

wovon  aber  für  Oesterreich  ob  der  Enus  bei  Weitem  keine  so  üblen  Polgen 
als  für  andere  Länder  zu  befürchten  sind;  weil  zwischen  einem  Fehl- 
jahre und  einer  Eeihe  von  Pehljahren  ein  grosser  Unterschied  obwaltet; 
weil  ein  grosser  Theil  des  dortigen  Landvolkes  wegen  der  Güte  des  Bodens 
und  dessen  sorgfältiger  Cultur  vermöglich  genug  ist,  um  Unfälle  dieser 
Art,  wenn  sie  sich  nicht  gar  zu  oft  wiederholen,  auszuhalten,  weil  das 
Land  viele  ziemlich  gut  erlialtene  Verbindungsstrassen  hat,  welche  das 
Besuchen  der  Märkte  mit  Kürnern  und  anderen  Victualien  erleichtern, 
und  weil  endlich  die  Production  in  diesem  Lande  sich  nicht  blos  auf 
rietreide  erstreckt,  sondern  auch  Rüben,  Gemüse,  Obst  und  andere  zur 
menschlichen  Nahrung  geeignete  Artikel  in  grösster  Menge  erzeugt 
werden.  Wenn  es  vollends  wahr  ist,  dass,  wie  die  neuesten  Zeitungen 
melden,  die  Preise  in  Baiern  seit  Kurzem  merklich  fallen,  so  werden, 
selbst  auch  bei  dem  fortdauernden  Ausfuhrverbote,  doch  durch  den  Weg 
des  nie  ganz  zu  verhütenden  Schleichhandels  aus  Baiern  wieder  Getreide- 
hilfen nach  Oesterreich  ob  der  Enns  gelangen,  was  hauptsächlicli  zur 
Vei'hütung  weiterer  Preissteigerungen  erwünsdilich  wäre. 

Salzburg.  Ungeachtet  Salzburg  die  soeben  geschililerten  Vortlieile  mit  dem 

Lande  ob  der  Enns  nicht  dnrchgehends  theilt  und  durch  die  letzte  Aus- 
gleichung gerade  die  fruchtbarste  Strecke  dieses  kleinen  Landes  bei  Baiern 
geblieben  ist,  ungeachtet  ferner  die  überaus  grosse  daselbst  herrschende 
Theuerung  gar  nicht  in  Zweifel  gezogen  werden  kann,  da  schon  im  August 
der  Weizen  auf  Hfl.  25  kr.  C.-M.,  das  Korn  auf  7  fl.  2.5  kr.  gestiegen 
war,  welche  Preise  sich  im  September  noch  etwas  erhöhten,  so  lässt  sich 
doch  mit  einiger  Zuversicht  erwarten,  dass  dort  die  Nothwendigkeit  be- 
sonderer Massregeln,  um  einem  Brotmangel  abzuhelfen,  im  Allgemeinen 
und  Einzelnen ,  besonders  dürftige  Gegenden  ausgenommen ,  nicht  ein- 
treten wird,  zumal  die  Viehzucht,  der  Bergbau,  die  Salzerzeugung  u.  s.  w. 
den  Bewohnern  des  Landes  so  manche  nicht  unergiebige  Quellen  des 
Nahrungserwerbes  darbieten . 

Oesterreich  l^i^  Ocsterreicli  Unter  der  Enns  eigentlich  nur  in  Ansehung  des 

Korns  und  des  Weines  ein  Missjahi-  gehabt  hat,  dagegen  der  Weizen, 
die  Gerste,  der  Hafer,  die  Ei'däpfeln  u.  s.  w.  theils  mittelmässig,  theils 
selbst  über  die  Mittelmässigkeit  ausgefallen  sind,  so  würden  die  Getreide- 
])reise  ohne  den  Zusammenfluss  anderer  miteiuwirkender  Ursachen  wohl  nie 
auf  den  gegenwärtigen  Grad,  von  welchem  die  Geschichte  —  alle  Kriegs- 
jahre und  alle  früheren  Misswachse  mit  eingeschlossen  —  kein  Beispiel 
liefert,  gestiegen  sein.  Meine  Ansichten,  wie  es  dahin  kommen  konnte, 
habe  ich  schon  in  dem  Aufsatze,  dessen  ich  bei'cits  melirmals  Erwähnung 
machte,  entwickelt.     Segen   gewähren   nder  verweigern,  hängt  von   der 


unter  der 
Enns. 


[79]  79 

Vursehuno;  ab,  und  ihre  Plane  für  die  Znlamft  kann  Niemand  enthüllen, 
Wohlfeilheit  zu  erzwingen,  wenn  die  Früchte  der  Erde  nicht  gedeihen, 
vermag  menschliche  Weisheit  nicht.  Aber  wenn  mau  bedenkt,  dass  in 
der  ganzen  langen  Periode  vom  Jahre  1730  bis  zum  Jahre  1790,  folglicli 
in  60  Jahren,  der  Mittelpreis  des  Weizens  nie  über  4  fl.  3  kr.,  der  Mittel- 
preis des  Korns  nie  über  2  fl.  48  kr.  gestiegen  ist,  dass  selbst  dieser 
Preis  nur  in  den  Jahren  1788  un<l  1789,  was  zugleich  Missjahre  und 
Kriegsjahro  waren,  sich  ergab,  und  dass  heuer  im  vollen  Frieden,  zu 
Conventionsmüjize  gerechnet,  der  Weizen  11  bis  12  fl..  das  Korn  8  bis  9  fl. 
gilt,  so  darf  man  doch  wohl  mit  allem  L'echte  Ijohaupten,  dass,  wenn  statt 
des  nun  einmal  zu  eineui  bösen  Spielwerke  aller  verderldichen  Specula- 
tioneu  gewordene  Papiergeldes  zur  Metallmüuze  zurückgekehrt,  wenn 
ferner  solch  eine  Belegung  des  Grund  und  Bodens,  die  proportiouirt, 
gleichföi-mig ,  keinen  Steuerpflichtigen  zu  Grunde  richtend,  aber  auch 
nicht  bei  einem  hohen  Nominalbetrage  in  der  Wirklichkeit  so  äusserst 
gelinde  ist,  dass  die  grösseren  Grundbesitzer  jahrelang  mit  dem  Verkaufe 
ihrer  Producte  zurückhalten  und  dadurch  nach  Belieben  übermässige  Preise 
erzwingen  können,  mit  Ki'aft  und  Beharrlichkeit  durchgeführt  wird,  zwar 
auch  in  der  Folge,  wie  es  in  den  früheren  Jahren  der  Fall  war,  nach  dem 
jeweiligen  Ausschlage  der  Ernten  niedrige  und  höhere  Preise  abwechseln, 
solch  enoi'me  Preisüberspannungen  aber,  unter  denen  die  Consumenten 
gegenwärtig  erliegen,  sich  nicht  wieder  einfinden  werden.  Für  die  Zukunft 
ist  also  die  Abhilfe  gegen  die  ßückkehr  ähnlicher  trauriger  Erscheinungen 
wohl  nur  in  den  soeben  angedeuteten  Mitteln  zu  suchen.  Ob  es  aber,  bis 
diese  zur  Ausführung  kommen  und  ihre  wohlthätigen  Wirkungen  nach 
und  nach  äussern  können,  bei  der  gegenwärtigen  Theuerung  zu  Wien 
und  in  Oesterreich  unter  der  Enns  verbleiben,  oder  diese  doch  etwas 
nachlassen,  oder  wohl  gar  selbst  noch  zunehmen  wird,  lässt  sich  wohl 
schwerlich  mit  Gewissheit  Ijestimmen.  Im  December  v.  J.  waren  die 
Durchschnittspreise  hierlands  vom  Weizen  20  fl.  37  kr.,  vom  Korn 
IG  fl.  31  kr.,  von  der  Gerste  10  fl.  36  kr.  und  vom  Hafer  5  fl.  ö6  kr. 
In  den  Monaten  Jänner,  Hornung,  März  und  April  1816  haben  diese 
Preise  keine  sehr  merkliche  Veränderung  erlitten.  Etwas  stärker  erhoben 
sie  sich  zwar  in  den  Monaten  Mai,  Juni  und  Juli,  doch  standen  sie  selbst 
noch  in  diesem  letzteren  M<iiiate  nur  zu  22  fl.  20  kr.  der  Weizen,  16  fl. 
6  kr.  das  Korn,  11  fl.  40  kr.  die  Gerste  und  7  fl.  10  kr.  der  Haber.  Nur 
erst  seit  dem  Monate  August  begann  das  unmässige  Steigen  und  seit 
diesem  Zeitpunkte  fehlte  es  auch  nie  au  beträchtlichen  Schwankungen.  Man 
solle  meinen,  sie  hätten  nun  wirklich  den  höchsten  Punkt  erreicht,  zumal 
es  eine  Grenzlinie  gibt,  über  welche  Tausende  uml  Tausende  von  Käufern 


80  [80] 

wegen  des  beschriiiikteu  Masses  ilirer  Einnalimen  nicht  hinaussclireiten 
können,  diese  sich  dann  an  die  Reg-el.  ilie  Noth  kennt  kein  Gesetz, 
halten  und  im  Collisionsfalle  zwisclien  dem  Hnngertode  oder  der  gewalt- 
samen Wognalime  dessen,  was  sie  nicht  kaufen  können,  letzteres  vor- 
ziehen. Allein  ob  und  inwieweit  diese  Betrachtungen  auf  grössere 
Gutsbesitzer  und  Speculanten,  in  deren  Händen  wohl  nur  allein  sich  noch 
stärkere  Voi'räthe  befinden  mögen,  wirken  wird,  ist  nicht  leicht  vorher- 
zusehen. AVäre,  als  das  Branntweinbrennen  aus  Weizen,  Korn,  Gerste 
und  Hafer  verboten  worden  ist,  dieses  Verbot,  wie  es  in  einigen  fi-emden 
Staaten  geschah,  auch  auf  PJrdäpfel  ausgedehnt  worden,  so  wüi'de  viel  ge- 
wonnen wiu'den  und  der  Preis  iler  Erdäpfel  nie  so  hoch,  wie  es  jetzt  wirk- 
lich der  Fall  ist,  gestiegen  sein,  was  um  so  erwünschlicher  gewesen  wäre, 
als  die  Zahl  ilerjenigen,  die  sich  uiolir  dun-Ji  diese  Frucht  als  durch  Brot 
sättigen,  sehr  gross  ist,  und  als  sich  durch  die  Mischung  des  Erdäpfel- 
niit  Kornmehl  vollkommen  gutes  Brod  erzeugen  lässt.  Selbst  jetzt  noch 
sollte  zu  dem  Verbote  des  Brauntweinbrennens  aus  Erdäpfeln  uuaufge- 
lialten  geschritten  werden,  da  dieses  geistige  Getränk  auch  noch  aus 
mehreren  anderen  Producten  bereitet  werden  kann,  und  im  schlimmsten 
Falle  es  doch  ein  ungleich  geringeres  üebel  ist,  wenn  es  einem  Lande  an 
Branntwein,  als  wenn  es  ilim  au  Nahrung  luangelt.  Für  die  Hauptstadt 
wird  übrigens,  es  mögen  sich  nun  die  Umstände  wie  immer  entwickeln, 
doch  leichter  als  füi-  das  flache  Land,  besonders  für  die  minder  widilhaben- 
den  und  s(dclie  Gegenden  Oesterreichs,  wo  Weinhauei-  don  grösseren  Theil 
der  Volksmenge  ausmachen,  Rath  geschafft  werden  können,  weil  dort 
übermässige  Theuerung  mit  der  Dürftigkeit  zusammentrifft,  was  immer 
von  den  allerschädlichsten  Folgen  ist. 

Böjimeu  war  in  Ansehung  der  Körnerpreise  sowohl  im  November 
und  December  v.  -T.,  als  in  den  ersten  fünf  Monaten  des  heurigen  Jahres 
besser  als  Oesterreich  daran.  Im  Decembei'  1815  kostete  dort  der  Weizen 
If)  fl.  32  kr.,  das  Korn  12  fl.  89  kr.,  die  Gerste  8  fl.  22  kr.,  der  Hafer 
3  fl.  b'd  kr.  Sowie  in  Oesterreicli  stiegen  zwar  auch  doii  die  Preise  schon 
in  der  ersten  Hälfte  des  Jahres  ISIG,  aber  sehr  merklich  wurden  diese 
Pi-eiserliöliuugen  erst  im  Monate  Juli,  wo  dei-  Weizen  l!i  fl.  40  kr.,  das 
Korn  16  fl.  G  kr.,  die  Gerste  12  fl.  27  kr.  und  der  Haber  7  fl.  32  kr. 
galt.  Nur  bei  dem  Weizen  ist  also  der  Preis  in  Böhmen  unter  jenem  in 
OesteiTeich  geblieben.  Hie  Kornpreise  hielten  sich  in  beiden  Ländern 
vollkommen  das  Gleichgewicht.  Gerste  und  Hafer  ist  im  Juli  in  Böhmen 
selbst  etwas  theurer  als  in  Oesterreich  geworden.  Nach  glaubwürdigen 
Nachrichten  war  der  Ausschlag  der  Ernte  dort  ungleich,  besonders  schlecht 
aber  im   Erzgebirge   und   im    l'HHingnci    Kreise.     Dieser  ungleiche  Aus- 


[81]  81 

schlag  wird  durch  die  Marktpreistabellen  des  Monats  October  ausser 
Zweifel  gesetzt,  laut  welcher  der  Weizen  am  Ende  dieses  Monats  auf  zwei 
Märkten  bis  zu  30  fl.  stieg,  während  er  auf  den  meisten  nur  zwischen 
22  und  25  fl.,  auf  einigen  gar  nur  zu  19  fl.  stand.  Auch  bei  anderen 
Getreidegattungen  herrschte  eine  ähnliche  Verschiedenheit  der  Preise. 
Was  den  Unterhalt  der  dürftigen  Classe  sehr  erschwert,  ist,  dass  die  Erd- 
äpfel allda  ungleich  schlechter  als  in  Oesterreich  gerathen,  in  mehreren 
Gegenden  selbst  gänzlich  missrathen  sind.  Dagegen  ist  die  fortwährende 
Getreideeinfuhr  aus  Preussisch-Schlesien,  was  eine  gesegnete  Ernte  hatte, 
für  Böhmen  und  insbesondere  für  die  östlichen  Kreise  ungemein  wohlthätig. 
Wenn  also  auch  Böhmen  für  seine  Verzehruug  durch  die  eigene  Production 
und  durch  die  noch  vorhandenen  älteren  Vorräthe  bis  zur  künftigen  Ernte 
nicht  hinlänglich  bedeckt  ist,  was  sich  wohl  kaum  bezweifeln  lässt,  so 
hat  es  doch  durch  die  leichtere  Gelegenheit,  das  Abgängige  aus  dem  be- 
nachbarten Auslande  zu  beziehen,  vor  anderen  Ländern,  die  ihren  Bedarf 
aus  weit  entlegeneren  Gegenden  herholen  müssen,  wesentliche  Vorzüge. 
Auch  an  Geldmitteln  zum  Ankaufe  des  fremden  Getreides  kann  es  im 
Allgemeinen  nicht  fehlen,  da  Böhmen  sich  nicht  blos  mit  Ackerbau  und 
Viehzucht  beschäftigt,  sondern  auch  die  Industrie  in  einem  hohen  Grade, 
insbesondere  auch  rücksichtlich  solcher  Gattungen  betreibt,  die  sich  von 
der  in  den  Jahren  1811  und  1812  erlittenen  heftigen  Erschütterung 
späterhin  wieder  vollkommen  erholt  haben,  und  da  es  mehrere  Erzeug- 
nisse hervorbringt,  die  in  anderen  Provinzen  der  Monarchie  und  selbst  in 
fremden  Staaten  reichlichen  Absatz  finden.  Es  kann  also  wohl  nur  auf 
jene  Strecken,  wo  der  Misswachs  am  stärksten  und  allgemein  war  und 
wo,  wie  z.  B.  im  Erzgebirge,  eine  grössere  Zahl  dürftiger  Menschen  ohne 
Grundobrigkeiten,  denen  ihre  Unterstützung  obliegt,  ihren  Sitz  hat,  an- 
kommen. 

Fast  in  einem  gleichen  Verhältnisse  wie  Böhmen  hat  sich  Mähi"en  Maiiren  und 
und  Schlesien  sowohl  zu  Ende  des  Jahres  1815,  als  während  der  ersten     '^^ä*«"^'- 

'  clxiscn- 

sechs  Monate  des  Jahres  1816  rücksichtlich  der  Körnerpreise  befunden.  Schlesien. 
Der  Unterschied  beschränkte  sich  blos  darauf,  dass  im  Xovember  und 
December  1815,  sowie  im  Jänner,  Hornung,  März,  April  und  Mai  1816 
die  vier  Hauptgetreidegattungen  in  Mähren  durchgehends  etwas  theurer 
als  in  Böhmen  waren,  dagegen  im  Monate  Juli,  wo  in  Böhmen  einige 
Artikel,  nämlich  Gerste  und  Hafer,  selbst  höher  als  in  Oesterreich  stiegen, 
die  Preise  in  Mähren  gegen  die  frühei'en  Monate  nur  wenig  hinaufgingen, 
indem  der  W^eizen  18  fl.  47  kr.,  das  Korn  15  fl.  28  kr.,  die  Gerste  12  fl. 
1  kr.  und  der  Hafer  8  fl.  galt,  folglich  damal  diese  Artikel,  mit  alleiniger 
des  Habers,  in  Mähren  wohlfeiler  als  in  Böhmen  waren.    Als  im  Monate 

6 


82  [82] 

August  die  gewaltigen  Preiserhöhnngeu  iu  Oesterreich  erfolgten,  zeigten 
sich  in  Böhmen  und  Mähren  bald  ähnliche  Erscheinungen.  Die  Ernte 
fiel  in  Mähren  nach  der  Verschiedenheit  der  Gegenden  theils  gut,  theils 
mittelmässig.  theils  schlecht  aus.  Einen  Misswachs  im  eigentlichsten  Ver- 
stände erlitt  Mähren  höchstens  nur  iu  Ansehung  des  Korns,  was  auch  in 
allen  übrigen  Ländern  der  Monarchie  dei-  Fall  war.  Der  Weizen  hatte 
selbst  gegen  Ende  October  noch  auf  keinem  einzigen  Markt  den  Preis  von 
30  fl.  erreicht.  Da  nun  Mähren  sammt  Schlesien,  ebenso  wie  Böhmen 
die  leichte  Gelegenheit  hat,  aus  dem  angrenzenden  preussischen  Gebiete 
Getreide  zu  beziehen,  da  ferner  bei  einigen  grösseren  Dominien  es  selbst 
an  ansehnlichen  älteren  Vorräthen  nicht  mangeln  solle,  da  der  für  Mähren 
so  wichtige  Industrialartikel,  die  Tucherzeugung,  die  im  verflossenen  Früh- 
jahre und  Sommer  wegen  eines  zeitlichen  Stockens  des  Absatzes  sich  im 
Gedränge  befand,  nun  wieder  aufrecht  steht,  während  der  einzige  be- 
deutende Productionszweig  Steiermarks  und  Kärntens,  nämlich  die  Eisen- 
erzeugung und  Verarbeitung,  noch  immer  darniederliegt,  da  es  endlich 
eine  bekannte  Sache  ist,  welch  reichliche  Einkünfte  die  mährischen  Gruud- 
herrschaften  während  der  Zeit  des  Papiergeldes  von  ihren  Gütern  bezogen, 
und  was  für  äusserst  geringe  Steuern  sie  im  Verhältnisse  zu  diesem  Er- 
trage bezahlt  haben,  mithin  an  ihrem  Vermögen  die  härter  mitgenom- 
menen Unterthanen  zu  unterstützen  sgar  nicht  zu  zweifeln  ist,  so  kann 
hier  wohl  schwerlich  die  Xothwendigkeit  besonderer  Vorkehrungen  oder 
wohl  gar  einer  Hilfe  aus  den  Staatscassen  eintreten. 
Gaiizien.  Sowic  iu  Galizieu  die  Körnerpreise  gegen  Ende  des  vorigen  Jahres 

ungleich  niedriger  als  in  jedem  anderen  deutschen  Lande  des  österreichi- 
schen Staates  waren,  ebenso  haben  sie  sich  auch  in  den  ersten  sechs 
Monaten  des  heurigen  Jahres  bei  Weitem  weniger  als  in  den  soeben  ge- 
nannten Provinzen  gehoben.  Nach  den  auf  ämtlichen  Eingaben  beruhenden 
Zusammensätzen  der  Cameralhauptbuchhaltung,  aus  welchen  ich  die  An- 
gaben der  Getreidepreise  genommen  habe,  kostete  im  December  des  vorigen 
Jahres  der  Weizen  10  fl.  40  kr.,  das  Korn  8  fl.  47  kr.,  die  Gerste  5  fl. 
53  kr.,  der  Hafer  3  fl.  1  kr.,  im  März  1816  der  Weizen  10  fl.  7  kr.,  das 
Koi-n  8  fl.  22  kr.,  die  Gerste  6  fl.  3  kr.,  der  Hafer  3  fl.  14  kr.,  endlich 
im  Juli  1816  der  Weizen  10  fi,  42  kr.,  das  Korn  9  fl.  7  kr.,  die  Gerste 
6  fl.  53  kr.,  der  Hafer  4  fl.  So  gross  der  Abstand  dieser  Preise  gegen 
jene  der  deutschen  Länder  ist,  so  hoch  sind  sie  doch  immer  für  ein 
Ackerland,  das  einen  fruchtbaren  Boden  hat,  von  anderen,  gleich  frucht- 
baren oder  zum  Theil  noch  fruchtbareren  Ländern  umgeben  ist,  ausser 
dem  Auxiliarcorps  im  Jahre  1812  und  den  Lieferungen,  die  es  im  Jahre 
1813  füi-  die  in  IJöhmon  cuncenti-irte  Armee  leisten  musste,  sonst  während 


[83]  83 

der  Ki'iegsjahre  äusserst  weiiii?  Truppen  zu  ernähren  hatte,  und  wo  es 
der  Bürger,  Fabrikanten  und  Künstler,  sowie  überhaupt  der  sogenannten 
Consumenten  bei  Weitem  weniger  als  in  den  übrigen  Ländern  gibt.  Wenn 
also  auch  dort  die  Ernte  etwas  unter  der  Mittelmässigkeit  war,  so  ist  doch 
ein  Mangel  um  so  weniger  zu  besorgen,  als  man  auf  die  Existenz  älterer 
Vorräthe  in  Galizien  mit  einer  Art  von  Zuversicht  rechnen  kann,  in  Polen 
und  in  Eussland  die  Fechsungen  gesegnet  ausgefallen  sind,  durch  die 
vielen  guten  Strassen,  welche  Galizien  besitzt,  die  Zufuhren  erleichtert 
und  die  Frachtkosten  vermindert  werden,  endlich  die  Dominien  bei  den 
wenigen  Auslagen,  welche  ihnen  ihr  Feldbau,  den  sie  grösstentheils  mit 
Robot  betreiben,  verursacht,  bei  dem  Wohlstande,  welche  ihnen  die  gegen 
frühere  Zeiten  so  hoch  gestiegenen  Preise  verschalft  haben,  und  bei  den 
im  Entgegenhalte  dieser  Preise  sehr  massigen  Steuern,  ungezweifelt  ver- 
möglich genug  sind,  um  ihre  Unterthanen  da.  wo  es  Xoth  thut.  unter- 
stützen zu  können.  Sollte  auch  hie  und  dort  Getreide  aus  dem  angrenzenden 
Auslande  eingeführt  werden  müssen,  so  würde  dies  doch  nicht  so  viel  als 
ein  Verlust  für  das  Land,  sondern  als  ein  ökonomischer  Handel  anzusehen 
sein,  da  von  Seite  Ungarns  gewiss  bedeutende  Einkäufe  in  Galizien  theils 
schon  gemacht  worden  sind,  theils  im  nächsten  Jahre  noch  werden  ge- 
macht werden ;  welchen  Einkäufen  es  wohl  auch  nur  allein  beizumessen  sein 
würde,  wenn  die  Körnerpreise  in  Galizien  etwa  noch  weiter  steigen  sollten. 
Allein  selbst  noch  in  den  letzten  Tagen  des  Octobers  waren  die  Weizen- 
und  Kornpreise  zwar  höher  als  in  der  ersten  Hälfte  des  heurigen  Jahres, 
aber  doch  ungleich  massiger  als  in  jedem  anderen  österreichischen  Lande. 

Ungarn  hat  im  heurigen  Jahre  dadurch  ausserordentlich  gelitten,  Ungarn, 
dass  beträchtliche,  grossentheils  sehr-  fruchtbare  Strecken  durch  Ueber- 
schwemmungen  oder  Hagelschlag  ganz  verwüstet  worden  sind,  und  dass 
das  Korn,  welches  so  häufig  daselbst  gebaut  wird,  allenthalben  fehl- 
geschlagen hat.  An  Weizen,  Gerste,  Hafer,  türkischem  Weizen  und 
anderen  Fruchtgattungen  soll  nach  glaubwürdigen  Xachrichten  im  Ganzen 
die  Fechsung  nicht  schlecht  gewesen,  die  Weinlese  sehr  verschieden  aus- 
gefallen, besonders  aber  in  mehreren  Gegenden  die  Tabakfechsung  be- 
trächtlich gewesen  sein.  So  allgemein  wie  in  Steiermark  und  Kärnten 
war  also  der  Misswachs  in  Ungarn  bei  Weitem  nicht,  und  sehr  viele  Grund- 
besitzer sind  in  der  Lage,  das,  was  sie  zur  Anschaffung  des  Samenkorns, 
des  Getreides  zu  ihrem  Unterhalt  oder  zur  Unterstützung  der  Unterthanen 
verwenden  müssen,  aus  anderen  Erträgnisszweigen  ihrer  Landwirthschaft 
zu  bestreiten.  Dass  der  Mangel  nicht  so  gross  und  nicht  so  allgemein  ist, 
erhellt  auch  schon  daraus,  dass,  wie  ich  zuverlässig  weiss,  noch  immer 
Getreide  und  darunter  selbst  Korn   von  ungarischen  Bauern  bis  nach 

6* 


84  [84] 

Brück  und  LeobcD  zum  Verkaufe  gebracht  wird.  Was  dagegen  wieder 
die  Lage  der  Bewohner  jeuer  Strecken,  welche  von  Elemeutarereignissen 
oder  von  gänzlichem  Misswachse  besonders  hart  getroffen  worden  sind, 
misslicher  macht,  ist  die  meistentheils  äusserst  schlechte  Beschaffenheit 
der  Strassen  und  Brücken,  welche  die  Communicatiou  ungemein  erschwert 
und  die  Zufuhren  selbst  aus  nicht  gar  zu  weit  entfernten  Gegenden  in 
manchen  Jahreszeiten  beinahe  unthunlich  macht.  Selbst  auch  die  zu 
grosse  Aengstlichkeit  bei  dergleichen  Ereignissen,  an  welche  man  in 
einem  sonst  fruchtbaren  Lande  wenig  gewohnt  ist,  verschlimmert  das 
Los  der  wirklich  Nothleidenden,  weil  sie  nicht  selten  sogar  die  öffentlichen 
Behörden  zu  übertriebenen  oder  sonst  zweckwidrigen  Massregeln  verleitet, 
die  ein  noch  mehreres  Zurückhalten  mit  Vorräthen  von  Seite  derjenigen, 
die  mehr  als  ihr  eigenes  Erforderniss  besitzen,  zur  Folge  haben  und 
solchergestalt,  statt  der  unmässigen  Gewinnsucht  zu  steuern,  ihr  viel- 
mehr Nahrung  geben.  Wie  sehr  man  zu  dergleichen  Massregeln  in  Ungarn 
aufgelegt  ist,  hat  die  Erfahrung  in  früheren  Zeiten  schon  einige  Male  be- 
wiesen, und  eben  darum  muss  hierauf  immer  ein  sorgfältiges  Augenmerk 
gerichtet  werden,  um  zweckwidrige  Veranlassungen  auf  der  Stelle  rück- 
gängig machen  und  dadurch  den  Nachtheilen,  die  sie  verursachen  würden, 
abhelfen  zu  können.  Sollten  aber  Einschreitungen  auf  beträchtliche  Hilfen 
aus  dem  Staatsschatze  geschehen,  so  sollte  doch  wohl  in  Betracht  gezogen 
werden,  dass  es  überhaupt  bisher  nicht  gewöhnlich  war,  in  den  Staats- 
erforderniss-  und  Bedeckungsaufsätzen  eigene  Fonds  zu  dergleichen  Unter- 
stützungen zu  pi'äliminiren,  dass  also,  sobald  es  sich  um  grössere  Summen 
in  dieser  Beziehung  handelt,  die  Staatscassen  hierauf  nicht  dotirt  sind, 
dass  aber  insbesondere  in  solch  einer  drangvollen  Periode,  wo  von  allen 
Seiten  um  Hilfe,  oder  was  gleich  viel  ist,  um  Nachlässe  an  den  zur  Be- 
streitung des  Staatsaufwandes  bestimmten  Abgaben  gebeten  wird,  die 
Unmöglichkeit,  allenthalben  zu  helfen,  von  selbst  in  die  Augen  springt, 
und  dass  sohin  die  Gewährung  solcher  Unterstützungen  nur  als  Aus- 
nahme von  der  Kegel,  nur  bei  der  einleuchtendsten  Nothwendigkeit  und 
nur  zu  Gunsten  solcher  Provinzen,  für  welche  die  allerwichtigsten  Beweg- 
gründe sprechen,  stattfinden  kann.  Gibt  man  nun  diese,  wie  es  scheint 
unumstössliche  Voraussetzung  zu,  so  erkennt  man  zugleich,  dass  nicht 
blos  der  Grad  des  Misswachses,  sondern  dass  auch  die  übrigen  Umstände 
beachtet  werden  müssen.  Bei  ungewöhnlichen  Hilfen  aus  dem  Staats- 
schatze muss  doch  nothwendig  darauf  gesehen  werden,  welche  Zuflüsse 
dieser  Schatz  aus  dem  einen  und  welche  er  aus  dem  andern  Lande  er- 
hält. Bedenkt  man  nun,  dass  die  Grundsteuer  in  Oesterreich  für  das 
laufende  Militärjahr  mit  12  Millionen  ausgeschrieben  ist,  und  dass  die 


[85  J  85 

ganze  Contribution  von  dein  unendlich  grösseren  Königreiche  Ungarn  — 
wo  die  Steuerfreiheit  zu  den  Cardinalprärogativen  des  Adels  und  der 
Geistlichkeit  gehört  —  nur  6  Millionen  beträgt,  so  springt  es  in  die 
Augen,  dass  der  Staatsschatz  bei  einem  gleichen,  ja  selbst  auch  höheren 
Grade  von  Noth  in  Ungarn  doch  uuuiöglich  für  dieses  Land  so  viel  als 
für  Oesterreich  thun  kann,  weil  sonst  den  im  Verhältnisse  gegen  Ungarn 
ohnehin  gewaltig  überbürdeten  deutschen  und  italienischen  Ländern  noch 
mehr  aufgelastet  werden  müsste,  um  Ungarn  eine  wirksame  Hilfe  leisten 
zu  können.  Auch  sind  der  Adel  und  die  Geistlichkeit  dortlands,  eben 
weil  sie  keine  Abgaben  bezahlen,  bei  Weitem  mehr  als  die  Gutsbesitzer 
anderer  Länder  in  der  Lage,  ihre  Unterthanen  kräftig  unterstützen  zu 
können.  Hat  sie  auch  der  Misswachs  dergestalt  mitbetroffen,  dass  sie  die 
erforderlichen  Getreidegattungen  nicht  selbst  besitzen,  so  kann  es  doch 
auch  denen,  die  heuer  nur  wenige  oder  gar  keine  Einkünfte  von  ihren 
Besitzungen  hatten,  bei  den  reichlichen  Revenuen,  die  sie  durch  die  so 
hoch  gestiegenen  Preise  in  früheren  Jahren  steuerfrei  genossen  haben, 
nicht  am  Gelde  oder  Credit  gebrechen,  um  einer  Verarmung  der  Unter- 
thanen, die  auch  ihnen  zum  grössten  Nachtheile  gereichen  würde,  ab- 
zuhelfen. Ich  sehe  daher  nicht  ein,  wie  die  Staatsverwaltung,  ohne  in- 
consequent  und  unbillig  gegen  andere  Länder  zu  handeln,  etwas  Mehreres 
als  in  ihrer  Eigenschaft  als  Obrigkeit  zu  Gunsten  der  Unterthanen  der 
Cameraldominien,  wo  die  Kammer  allerdings  da,  wo  es  nothwendig  ist, 
selbst  den  Privatdominien  zum  Muster  dienen  muss,  thun  könnte.  Und 
wollte  man  auch  einwenden,  dass  es  nicht  auf  wirkliche  Opfer,  sondern 
nur  auf  Vorschüsse  ankomme,  so  würde  doch  noch  immer  die  Betrachtung 
nicht  übergangen  werden  können,  dass  Vorschüsse  die  Existenz  entbehr- 
licher Cassamitteln  voraussetzen,  an  die  sich  in  einem  Zeitpunkte  kaum 
denken  lässt,  wo  die  fortwährende  Verschlimmerung  der  Curse  und  die 
noch  immer  im  Steigen  begriffene  Theuerung  selbst  für  die  künftige 
Möglichkeit,  die  unentbehrlichsten  Staatsauslagen  zu  bestreiten,  gegrün- 
dete Besorgnisse  erregt,  und  dass  nach  den  schon  in  vergangenen  Jahren 
gemachten  Erfahrungen  die  Einbringung  solcher  Vorschüsse  in  Ungarn 
mit  grösseren  Schwierigkeiten  als  in  jedem  anderen  Lande  verbunden  ist. 

Siebenbürgen  scheint  eine  um  nichts  bessere  Ernte  als  Ungarn  siebenbür- 
gehabt  zu  haben.  Aber  der  Zustand  dieses  Landes  ist  darum  viel  trauriger,  ^*°" 
weil  es  schon  mehrere  Jahie  hindurch  mit  Misswachs  zu  kämpfen  hat, 
von  Industrialunternehmungen  beinahe  ganz  entblösst  ist,  überhaupt  an 
CultUr  den  meisten  übrigen  Ländern  nachsteht,  einen  grossen  Theil  seiner 
Bedürfnisse  anderswoher  beziehen  muss,  der  Bergbau  weit  weniger  als 
in  fiiiheion  Zeiten  abwirft,  und  die  geographische  Lage  sowohl  als  die 


86 


[86] 


Siebenbür- 
gen. 


äusserst  schlechte  Beschaffenheit  der  meisten  Strassen  ilie  Zufuhren  un- 
gemein erschwert  und  vertheuert,  auch  überhaupt  dem  Handel  und  Wandel 
im  Innern  sehr  hinderlich  ist.  Noch  gegen  Ende  October  stand  zwar 
dort  der  Weizen  zwischen  21  und  23  fl.,  das  Korn  zwischen  14  und  16  fl., 
die  Gerste  zwischen  11  und  14  fl.  und  der  Hafer  zwischen  4  fl.  30  ki*. 
und  6  fl.  Mithin  waren  diese  Körnergattungen  damals  wohlfeiler  als  in 
den  meisten  übrigen  Ländern.  Allein  ausserdem,  dass  sich  die  angezeigten 
Preise  in  der  Zwischenzeit  wohl  nicht  unbedeutend  gehoben  haben  mögen, 
und  dass  es  hauptsächlich  der  türkische  Weizen  ist,  -welcher  die  vorzüg- 
liche Nahi-ung  des  gemeinen  Volkes  ausmacht,  der  Preis  dieses  Artikels 
aber  in  den  einlangenden  Tabellen  nicht  ausgewiesen  wird,  muss  auf  die 
Dürftigkeit  des  dortigen  Landvolkes  und  selbst  vieler  kleineren  Dominien 
Rücksicht  genommen  werden,  für  welche  auch  die  obenbemerkten  Preise 
unerschwinglich  sind,  und  die  sich  bei  dem  wenigstens  streckenweisen 
starken  und  sich  nicht  auf  ein  einzelnes  Jahr  beschränkenden  Misswachs 
nun  häufig  in  dem  Falle  befinden,  ihre  unentbehrlichen  Erfordernisse  zum 
Unterhalte  und  zur  Aussaat  nur  durch  Ankauf  verschaffen  zu  können.  Dass 
also  in  Siebenbürgen  gegenwärtig  viel  Elend  herrscht  und  dieses  bis  zu 
dem  entfernten  Zeitpunkt  der  neuen  Ernte  noch  zunehmen  wird,  ist  nicht 
zu  bezweifeln,  und  obwohl,  so  viel  die  etwa  schon  angesprochenen  oder 
künftig  angesprochen  werdenden  Unterstützungen  aus  dem  Staatsschatze 
betrifi"t,  dasjenige,  was  ich  zuvor  in  Betrag  des  Königreichs  Ungarn  er- 
wähnte, auch  auf  Siebenbürgen  wegen  der  Analogie  der  Verfassungen 
dieser  zwei  Länder  passt,  so  ist  es  doch  nicht  blos  möglich,  sondern  selbst 
wahrscheinlich,  dass  in  dieser  schon  seit  einigen  Jahren  sehr  herab- 
gekommenen Grenzprovinz  solche  bedeutende  Uebel,  als  z.  B.  gefährliche 
Zusammenrottungen,  gewaltsame  Auswanderungen,  Epidemie  u.  s.  w. 
entstehen  werden,  welche  es  der  Regierung  zur  absoluten  Nothwendigkeit 
machen  dürften,  da,  wo  sonst  keine  andere  Hilfe  denkbar  ist,  mit  Geld- 
vorschüssen werkthätig  einzuschi-eiten ,  was  schon  insbesondere,  wenn 
sich  eines  oder  das  andere  der  doi-tigen  Grenzi-egimenter  in  einer  gänz- 
lichen Nahrungslosigkeit  befinden  sollte,  nicht  vermieden  werden  könnte. 
In  Dalmatien  galt  im  August  der  Weizen  8  fl.  43  kr.,  das  Korn 
5  fl.  58  kr.,  die  Gerste  4  fl.  26  kr.,  der  Hafer  3  fl.,  im  September  der 
Weizen  11  fl.,  das  Korn  8  fl.,  die  Gerste  6  fl.,  der  Hafer  4  fl.  10  ki-., 
gegen  Ende  October  der  Weizen  9  fl.  35  kr.,  das  Korn  6  fl.  47  kr.,  die 
Gerste  5  fl.  5  kr.  und  der  Hafer  2  fl.  20  kr.  C.-M.  Wenigstens  also  vom 
September  zum  October,  mithin  nach  schon  beendigter  Ernte,  waren  die 
Preise  nicht  im  Steigen,  sondern  im  Abnehmen.  Ragusa  hatte  etwas  ge- 
ringere, Cattaro  mit  Dalmatien  beinahe  gleiche  Preise.    Daraus,  dass  sich 


[87]  87 

die  Preise  etwas  vennimieit  haben,  kann  man  wohl  nichts  Anderes 
schliessen,  als  dass  entweder  der  Ausschlag  der  Ernte  nicht  gar  so  schlecht 
war,  oder  dass  die  Preise  diiich  ergiebige  fremde  Zufuhren  herabgedrückt 
worden  sind.  Indessen  stehen  die  angedeuteten  Getreidepreise  doch  immer 
höher  als  zu  Triest  und  Laibach.  Die  Consumenten  können  sich  also  in 
keinem  behaglichen  Zustande  befinden  und  es  ist  selbst  möglich,  dass  wieder 
Gesuche  um  Unterstützungen  einlangen,  zu  denen  man  in  Dalmatien  sehr 
aufgelegt  zu  sein  und  sich  diesfalls  an  der  Carlstädter  Grenze  zu  exem- 
plificiren  scheint.  Allein  es  bedarf  wohl  keiner  Erinnerung,  um  wie  Vieles 
rücksichtswürdiger  die  Carlstädter  Militärgrenze  gegen  Dalmatien  ist,  • 
wo  das  Volk  keine  Kriegsdienste  leistet,  sich  daher  zu  allen  Zeiten  ganz 
mit  seinem  Xahrungserwerbe  beschäftigen  kann,  wo  das  Land  ausser 
dem  Ackerbaue  auch  noch  eine  beträchtliche  Oel-  und  Weinerzeugung 
hat,  und  wo  die  ausgedehnten  Küsten  zum  Seehandel  und  zur  Fischerei 
reichliche  Gelegenheit  darbieten,  was  auch  von  Eagusa  und  den  Buchten 
von  Cattaro  in  einem  gleichen  und  selbst  noch  höheren  Masse  gilt. 

Ich  habe  mich  die  Mühe  nicht  reuen  lassen,  alle  Länder  der  Mon- 
archie einzeln  zu  durchgehen,  was  mir  von  den  Körnerpreisen,  sowie  von 
dem  Ausschlage  der  Einte  in  Bücksicht  auf  jedes  einzelne  aus  glaub- 
würdigeren Quellen  bekannt  war,  mit  möglichster  Genauigkeit  anzugeben 
und  die  sonst  zur  Sache  gehörigen  Bemerkungen  aufzufassen,  weil  mir 
dieser  Gegenstand  von  grösster  Wichtigkeit  zu  sein  scheint,  und  sehr  bald 
die  Zeit  kommen  kann,  wo  man  ihn  der  allerernstlichsten  Beherzigung 
wird  unterziehen  müssen. 

Die  Resultate  dieser  individuellen  Darstellungen  sind,  dass  in  dem    Ergebnisse 
grossen  Kaiserstaate  es  jetzt  nicht  ein  einziges  Land  gibt,  wo  nicht  die    gjai^öa^^ 
Theuerung  einen  überaus  grossen  Grad  ei'reicht  hätte;  dass,  wenngleich      rungen. 
an  Wohlfeilheit  nirgendwo  zu  gedenken  ist,  doch  darin  ein  Unterschied   verhäu""^^' 
obwaltet,  dass  man  in  einigen  Ländern,  ungeachtet  der  enormen  Preise, 
wenigstens  über  den  Ausbruch  eines  wirklichen  Mangels  so  ziemlich  be- 
ruhigt sein  kann,  bei  andern  hingegen  solche  Ausbrüche  sich  als  wahr- 
scheinlich, bei  einem  und  dem  anderen  selbst  als  fast  gewiss  annehmen 
lassen.     Darum    und  weil  man  im  Vorhinein  nicht  wissen  kann,  mit 
welchen  mehr  oder  weniger  bedenklichen  Symptomen  solche  Ausbrüche 
begleitet  sein  werden,  weil  sodann  auf  die  bisherige  Euhe  ein  plötzlicher 
Drang  eintreten  und  vielleicht  die  Xothwendigkeit  zu  handeln  nur  gar 
zu  lebhaft  gefühlt  werden  dürfte,  weil  ferner  die  Handlungsweise  der 
Ländei-chefs  und  Länderstellen  sehr  verschieden  ist,  manche  in  ihren 
Schilderungen  und  Anträgen  alles  Mass  und  Ziel  überschreiten,  manche 
dagegen  wieder  hauptsächlich  nur  unangenehme  Eiuili'ücke  zu  vermeiden 


88 


[88] 


staatliche 
Aushilfe. 


Vorkehrun- 
gen für  die 
Zukunft. 


suchen  und  darum  die  Lage  nicht  ganz  so  darstellen,  wie  sie  wirklich  ist, 
auf  diese  Art  aber  es  nur  gar  zu  leicht  geschehen  könnte,  dass  unrichtige 
Voraussetzungen,  die  gerade  bei  dergleichen  Angelegenheiten  am  allor- 
sorgfältigsten  vermieden  wenlon  sollten,  auf  die  Beschlüsse  einwirken, 
hat  es  mir  sachdienlich  goschieiicu,  auch  die  sonstigen  Verhältnisse  der 
Provinzen,  insoweit  sie  mir  bekannt  sind  und  es  in  Kürze  geschehen 
konnte,  zu  würdigen,  indem  nur  auf  alle  diese  Data  zusammen  genommen 
ein  sicheres  Urtheil  über  die  mehrere  oder  mindere  Nothwendigkeit  einer 
Unterstützung  gebaut  werden  kann,  und  der  Staatsverwaltung  bei  der  ein- 
leuchtenden Unmöglichkeit,  allenthalben  zu  helfen,  wesentlich  daran  ge- 
legen sein  muss,  die  möglichen  Hilfen  jenen  Ländern  zufliessen  zu  lassen, 
denen  sie  in  jedem  Anbetrachte  am  unentbehrlichsten  sind  und  welche 
sohin  die  gerechtesten  Ansprüche  daraufhaben.  Wie  weit  die  Möglichkeit 
des  Gewähreus  reicht,  wenn  etwa  die  Gesuche  und  Anträge  —  was  fast  zu 
besorgen  ist  —  ungemein  beträchtlich  ausfallen  sollten,  kann  zwar  nur 
das  Finanzministerium,  welchem  allein  die  disponiblen  Cassamitteln  be- 
kannt sind,  mit  Zuverlässigkeit  angeben.  Allein  im  schlimmsten  Falle 
wäre  nach  meiner  geringen  Einsicht  die  Verwendung  von  einigen  Millionen 
Gulden  W.  W.  und  einigen  Hunderttausenden  in  Conventionsmünze  noch 
immer  rathsamer,  als  Unterstützungen  selbst  auch  dann  zu  verweigern, 
wenn  es  sich  zeigen  sollte,  dass  die  pflichtmässige  Hilfeleistung  der 
Obrigkeiten  nicht  hinreicht,  oder  wenn  es  Classen  von  Nothleidenden  be- 
trifft, wo  der  Verband  zwischen  Obrigkeiten  und  Unterthanen  nicht  ein- 
tritt. Ohnedies  wäirde  es  nur  auf  Vorschüsse  ankommen,  und  diese  würden 
nur  den  Allerbedürftigsten  nachzusehen,  mithin  würde  der  Verlust  für 
den  Staatsschatz  nicht  beträchtlich  sein.  Es  versteht  sich  dabei  von  selbst, 
dass,  so  lange  mit  indirecten  Mitteln,  vorzüglich  dadurch,  dass  man  durch 
öffentliche  Arbeiten  der  ärmeren,  besonders  in  der  rauheren  Jahreszeit 
meistentheils  verdienstlosen  Classe  Nahrung  gibt,  Eath  geschafft  werden 
kann,  diese  für  das  Allgemeine,  sowie  für  die  Percipienten  nützlichere 
Hilfe  der  Verabi-eichung  von  Vorschüssen  weit  vorzuziehen  ist. 

Ob  und  wie  es  möglich  sei,  ähnlichen  Ereignissen  für  die  Zukunft 
vorzubeugen,  ist  eine  sehr  weit  aussehende  und  äusserst  schwer  zu  be- 
antwortende Frage.  Eine  schlechte  Ernte  ist  auf  ein  paar  mittelmässige 
oder  kaum  mittelmässige  gefolgt.  Das  Korn,  gerade  der  Artikel,  welcher 
in  den  österreichischen  Staaten  am  meisten  gebaut  wii'd,  hat  beinahe 
gänzlich  fehlgeschlagen.  Ungewöhnliche  Elementarereignisse  haben  sich 
zu  dem  überhaupt  den  Saaten  ungünstigen  Wetter  gesellt.  Aeltcre  Vor- 
räthe  waren  in  nicht  bedeutender  Menge  und  fast  durchgehends  in  Händen 
von  Besitzern,  bei  denen  unmässiger  Hang  nach  reichem  Erwei-b  jede 


[89]  89 

andere  Empfindung  verdrängt.  Der  Zusamraenfluss  solcher  Umstände 
konnte  wohl  nur  äusserst  widrige  Wirkungen  hervorbringen,  und  es  stand 
ebenso  wenig  in  der  Macht  der  Staatsverwaltung,  diese  vorzüglichsten 
Ursachen  des  Uebels  abzuwenden,  als  sie  die  etwaige  Wiederkehr  der- 
selben in  künftigen  Jahren  verhüten  kann.  Auch  war  Oesterreich  bei 
Weitem  nicht  der  einzige  Staat,  den  dieser  Unfall  betroffen.  Indessen 
glaube  ich  doch  und  habe  diese  Meinung  in  dem  Vorhergehenden  auch 
schon  etwas  näher  entwickelt,  dass  der  wenige  Segen  ohne  das  gleich- 
zeitige Dasein  eines  in  seinem  Werthe  immer  tiefer  sinkenden  Papier- 
geldes nicht  gar  so  fühlbar  sein  würde.  Insoweit  also  von  dem  Uebel  in 
seiner  ganzen  Ausdehnung  die  Eede  ist,  kann  die  Herstellung  der  Ord- 
nung in  den  Geldverhältnissen  mit  gutem  Grunde  als  ein  linderndes 
Mittel  für  künftige  ähnliche  Ereignisse  gelten.  Vorausgesetzt,  dass,  wie 
Viele  behaupten  und  Einige  es  mit  specifischen  Daten  erwähren  wollen, 
manche  grössere  Gutsbesitzer  durch  das  fortwährende  Zurückhalten  mit 
ihren  beträchtlichen  Vorräthen  die  Preise  noch  immer  höher  treiben, 
während  der  Staat  solch  unverhältnissmässig  geringe  Abgaben  bezieht, 
die  es  ihm  unmöglich  machen,  seinen  Civilbeamten  und  seinem  Militär 
Gehalte,  die  nur  einigermassen  dem  Grade  der  Theuerung  angemessen 
sind,  zu  geben,  werden  die  Vorschläge  der  Steuerregulirungshofcommission, 
sobald  sie  zur  Ausführung  kommen,  sehr  nützliche  Dienste  leisten.  Gegen 
die  bei  unergiebigen  Ernten  doppelt  fühlbaren  Verluste  des  Verderbens 
der  Körner  und  des  Mehls  in  den  Militärmagazinen,  was  ganz  und  gar 
nicht  zu  den  seltenen  Ereignissen  gehörte,  schützt  die  in  jedem  Anbe- 
trachte vortreffliche  Subarrendirung ,  von  der  es  sehr  bedauerlich  wäre,     Sutanen- 

diruDg. 

wenn  ihr  Werth,  weil  jetzt  der  Zeitpunkt  so  äusserst  ungünstig  ist,  ver- 
kannt und  wenn  sie  wieder  beseitigt  würde. 

Wenn  man  forner  bedenkt,  dass  die  Körnerpreise  schon  seit  ge- 
raumer Zeit  und  auch  selbst  damals,  als  die  Saaten  eine  ergiebige  Fechsung 
versprachen,  über  alles  Verhältniss  zu  den  Cursen  und  zu  den  Preisen 
der  meisten  übrigen  Gattungen  von  Feilschaften  hinausgerückt  sind,  und 
dass  es  sohin  nicht  bald  einen  reichlicheren  Ertrag  als  jenen  des  Acker- 
baues gibt,  so  sollte  man  meinen,  dass  diese  schon  mehrere  Jahre  sich  er- 
haltenden hohen  Preise  dem  Ackerbaue  nothwendig  zur  grössten  Auf- 
munterung gereichen  und  der  Betriebsamkeit  derjenigen,  welche  sich  mit 
diesem  Productionszweige  beschäftigen,  den  grössten  Schwung  geben 
müssen.  Man  sollte  ferner  gar  nicht  zweifeln,  dass,  so  schwer  es  vielen  Be- 
sitzern von  Grundstücken  fallen  mag.  nach  dem  vorausgegangenen  Miss- 
jahre die  Winter-  und  Sommersaat  gehörig  zu  bestellen,  doch  selbst  die 
gegenwärtigen  überaus  hohen  Preise  diese  Besitzer  bestimmen  werden, 


90  [901 

nichts  zu  unterlassen,  um  ihre  Felder  zu  benutzen.  Man  kann  endlich,  ohne 
Hchungder  der  Wahrheit  zu  nahe  zu  treten,  nicht  in  Abrede  stellen,  dass  die  Agri- 
■  sf'<="  "■■•  eultur  seit  einiger  Zeit  durch  Beispiel  und  Untei'richt  bedeutende  Fort- 
schritte besonders  in  einigen  Ländern  gemacht,  und  dass  die  Staatsverwal- 
tung dazu  dui-ch  Errichtung  von  (»konomischen  Lehrkanzeln,  Aufstellung 
eigener  Musterwirthschaften  und  durch  Bildung  odei-  Bestätigung  einiger 
die  Beförderung  der  Landwirthschaft  zum  Zwecke  habender  Gesellschaften 
werkthätig  mitgewirkt  hat.  So  gewiss  man  nun  aber  hievon  bei  ein- 
tretendem Segen  reichliche  Früchte  erwarten  darf,  so  kann  es  doch  dem 
denkenden  Manne  dagegen  auch  nicht  entgehen,  dass  in  Ansehung  des 
Ackerbaues  und  der  landwirthschaftlichen  Kenntnisse  eine  sehr  wesentliche 
Verschiedenheit  zwischen  den  einzelnen  Provinzen  der  österreichischen 
Monarchie  obwaltet,  dass  ein  so  hoher  Grad  von  Cultui*,  wie  in  manchen 
fremden  Staaten,  in  der  österreichischen  Monarchie  noch,  nirgendwo  er- 
reicht, mehr  als  eine  Provinz  aber  schon  selbst  auch  gegen  andere  un- 
gemein zurückgeblieben  ist.  Es  muss  ferner  doch  wohl  auffallen,  dass, 
wo  sonst  Ungarn  und  Siebenbürgen  meistentheils  Ueberfluss  an  Körnern 
hatten,  häufig  über  TJnwerth  geklagt  wurde  und  betrcächtliche  Quantitäten 
nicht  blos  in  den  verbrüderten  Ländern,  sondern  selbst  im  Auslande  ab- 
gesetzt wurden,  manchmal  selbst  in  den  Gruben  verdarben,  nicht  blos  heuer, 
wn  die  Ursachen  des  Misswachses  notorisch  sind ,  sondern  auch  schon  in 
einigen,  ja  in  Beziehung  auf  Siebenbürgen  in  mehreren  Jahren,  theils 
Unzulänglichkeit  der  Bedeckung  des  eigenen  Bedarfes,  theils  wenigstens 
Mangel  an  den  früher  sonst  immer  bestandenen  Ueberschüssen  eingetreten 
ist.  Diese  Erscheinungen,  sowie  jene,  dass  z.  B.  der  Heiden,  welcher  in 
Steiermark  sehr  häufig  als  zweite  Frucht  gebaut  wird,  nun  schon  seit  einer 
Reihe  von  Jahren  fehlschlägt  und  doch  wiedei"  im  nächsten  Jahre  mit 
dem  Baue  fortgefahren  wii'd,  dürften  doch  immer  einiger  Aufmei-ksamkeit 
würdig  sein  und  über  die  Ursache  Aufschlüsse  von  denjenigen,  welche  sie 
am  richtigsten  zu  ertheilen  vei-mögen,  abgefordert  werden;  sowie  man 
auch  in  der  Ungleichheit  des  Grades  von  Cultur  und  in  dem  so  ziemlich 
an  Verwahrlosung  grenzenden  Zustande  einiger  Länder  hinreichende  Be- 
weggründe finden  wird,  in  Absicht  auf  den  so  vorzüglichen  Grundpfeiler 
der  öffentlichen  Wohlfahrt,  nämlich  die  Landwirthschaft,  das  Wirken 
durch  Beispiel  und  Unterricht  —  was  hiebei  allein  anpassend  und  wahr- 
haft nützlich  ist  —  nicht  nur  allein  nicht  erkalten  zu  lassen,  sondern 
diesem  Wirken  ciiion  nielii'eren  Ti'ieb  zu  geben  und  es  vorzüglich  auch 
dahin  auszudelinen,  wo  bishei'  entweder  zu  wenig  oder  gar  nichts  ge- 
Aratiiche  schehen  ist.  Wenn  man  von  jeder  Landesstelle  und  Domäuenaduiinistra- 
Ausweise.     |j^,j^  pj^p  detailllrte.  ;nif  zuverlässige  Daten  gegründete  Kebersiclit  über 


[91] 


91 


die  frühere  und  jetzige  Lage  des  Ackerbaues,  über  (las  Fortschreiten  oder 
Abnehmen,  über  die  vorzüglichsten  Erzeugnisse  desselben,  über  die  Zu- 
längliohkeit  oder  Unzulänglichkeit  dieser  Erzeugnisse  für  den  eigenen 
Bedarf,  über  die  Culturskosten ,  über  die  etwaigen  Hindernisse  eines 
besseren  Gedeihens  n.  s.  w.,  mit  den  dabei  zu  machenden  Bemerkungen 
und  Vorschlägen  unter  Festsetzung  solcher  Termine,  die  eine  gründliche 
Bearbeitung  ohne  Abbruch  der  Gurrenden  Geschäfte  zulassen,  abforderte, 
so  würde  man  wenigstens  von  einigen  besser  bestellten  Behönlen  sehr 
schätzbare  Elaborate  erhalten,  die  bei  manchen  künftigen  Veranlassungen 
zu  einem  sicheren  Anhaltspunkte  dienen  und  in  Betreif  jener  Länder,  wo  es 
sich  um  die  Verbesserung  des  Steuerwesens  handelt,  auch  der  Grundsteuer- 
regulirungshofcommission  zu  einem  nicht  geringen  Vorschub  bei  ihrem 
mühsamen  Werke  gereichen  würden.  Von  anderen  Daten  und  Materialien, 
durch  welche  den  administrirenden  Hofstellen  die  Leitung  und  Aufsicht 
um  Vieles  erleichtert  und  der  Erfolg  der  Administration  von  Jahr  zu 
Jahr  oder  sonst  periodisch  weit  anschaulicher  als  bisher  dargestellt  werden 
könnte,  werde  ich  im  weiteren  Verlaufe  dieses  Aufsatzes  zu  reden  Ge- 
legenheit haben. 

Unter  den  Gegenständen,  Avelche  auf  die  Stimmung  widrig  ein- 
wirken, ist  die  schlechte  Beschaffenheit  der  Strassen  keine  der  unbe- 
deutendsten. Die  Erinnerung  an  die  einst  so  guten  Strassen,  zwar  nicht 
in  allen,  aber  doch  in  mehreren  Ländern  der  österreichischen  Monarchie, 
ist  noch  nicht  erloschen  und  steht  in  einem  traurigen  Contraste  mit  ihrem 
dermaligen  Zustande.  Statt  dass  zuvor  Fremde,  die  aus  entfernten  Gegen- 
den kamen,  den  Vorzug  der  österreichischen  Strassen  gegen  jene  des 
Auslandes  rühmten,  tritt  nunmehr  der  entgegengesetzte  Fall  ein.  Hiezu 
kommt  noch  das  seinem  Nominal werthe  nach  hohe  Weggeld,  was  freilich 
bei  Weitem  noch  in  keinem  richtigen  Verhältnisse  mit  dem  theuren 
Arbeitslohne  und  dem  übermässigen  Preise  der  Fulu-en  steht,  aber  doch, 
weil  es  weit  mehr  beträgt  als  jenes,  was  man  zur  Zeit,  wo  die  Strassen 
noch  gut  waren,  bezahlen  musste,  zur  Vermehrung  der  Klagen  Anlass 
gibt.  Die  schlechte  Beschaffenheit  der  Strassen  ist  endlich  ebenso  viel 
und  selbst  noch  mehr  als  die  Theuerung  des  Futters  daran  Ursache,  dass 
die  Frachtpreise  zu  einer  bisher  nie  erhörten  Höhe  gestiegen  sind.  Wie 
sehr  der  Handel  darunter  leidet  und  die  Theuerung  dadurch  zunimmt, 
fällt  von  selbst  in  die  Augen.  Wenn  ich  wegen  dei-  ausserordentlichen 
Wichtigkeit  der  Verbindung  des  Küstenlandes  mit  den  übrigen  Ländern 
<ler  Monarchie  und  zuvörderst  mit  Wien  die  Sti-asse  von  hier  nach  Triest 
als  diejenige  bezeichnet  habe,  an  welche  vor  allen  übrigen  und  ohne  min- 
desten Zeitverlust  Hand  angelegt  werden  sollte,  so  war  es  meine  Meinung 


Schlechte 
Beschaffen- 
heit  der 
Strassen. 


92 


[92] 


keineswegs,  dass  (iie  Sache  damit  abgetlian  sei.  Vielmehr  sehe  ich  die 
grösstmüglicliste  Aufmerksamkeit  auf  die  Vei'mehrung  und  Verbesserung 
der  Strassen  als  eines  der  wesentlichsten  Postulate  zur  Wiederempor- 
hebung  des  öffentlichen  uml  Privatw(dilstandes  an.  Je  mehr  nun  auf  der 
einen  Seite  das  Bedürfniss,  die  Verbindungen  zwischen  den  Ländern  der 
so  ausgedehnten  Monarchie  zu  erleichtern,  dringend  ist,  auf  der  andern 
Seite  aber  neue  Anlagen  oiler  auch  nur  entsprechende  Verbesserungen 
der  grossentheils  verfallenen  Strassen  einen  Aufwand  fordern,  der  bei 
der  gegenwärtigen  Zerriittung  des  Geldwesens  ungleich  lästiger  als  in 
besseren  Zeiten  ist,  um  so  wesentlicher  ist  an  einer  weisen,  folgerechten 
und  planmässigen  Leitung  dieses  wichtigen  Administrationszweiges  ge- 
legen, um  so  nothwendiger  ist  es,  ein  gründliches  System  bei  Behandlung 
desselben  anzunehmen  und  beharrlich  zu  verfolgen, 
üebersicht  Man  darf  uur  die  Hauptmomente  der  bisherigen  Gestion  im  Strassen- 

(3gs  SträssGü" 

Wesens  nach   '^vcseu  Zusammenstellen  und  die  fast  Jedermann  bekannten  Resultate  auf- 
den  einzei-    fasseu,  um  Überzeugt  zu  werden,  dass  es  ebenso  an  einer  consequenten 
Ln,  lieh '  T^eitung  gebricht,  als  ein  eigentliches  System  entweder  gar  nicht  besteht 
dem voihait-   Oller  dasselbe  höchst  mangelhaft  ist.     Oesterreich  unter  der  Enns 
Fiächenin-     ^^^^  ^^^^  eiucm  Flächeninhalte  von  364  Quadratmeilen  eine  Länge  von 
haites  zur     102  Meilen  gebauter  Strassen,  Oesterreich  ober  der  Enns  bei  einem 
liingTmss-   Flächeninhalte  von  336  Quadratuieilen  51  Meilen,  Böhmen  bei  einem 
Verhältnisse    Flächeninhalte    von    951    Quadratmeilen    194    Meilen,    Mähren    und 
"haupcrso-""   Schlcsieu  bei  einem  Flächeninhalte  von  552  Quadratmeilen  103  Meilen, 
naie  und      Galizieu  bei  einem  Flächeninhalte  von  1523  Quadratmeilen  263  Meilen, 
Steiermark  bei  einem  Flächeninhalte  von  399  Quadratmeilen  92  Meilen, 
Tirol  bei  einem    Flächeninhalte  von  547   Quadratmeilen  168  Meilen, 
Krain  und  Kärnten  bei  einem  Flächeninhalte  von  397  Quadratraeilen 
122  Meilen,  endlich  Görz,  Triest,  Fiume,  Istrien  und  Carlstadt 
bei  einem  Flächeninhalte  von  217  Quadratmeilen  84  Meilen  (gebauter 
Strassen).    Wenn  auch  in  dem  Zusammenflusse  so  vieler  Hauptstrassen 
bei  der  Residenz  die  Ursache  der   zahlreicheren   gebauten  Strassen  in 
Oesterreich  unter  der  Enns  gegen  andere  Länder  leicht  aufzufinden  ist, 
so  stehen  doch  andere  Länder  unter  sich  in  einem  nicht  so  leicht  zu  er- 
klärenden Missverhältnisse.    Xoch  weit  bemerkbarer  ist  aber  dieses  Miss- 
verhältniss   in   anderen  Beziehungen.     Auf  den    102  Meilen   gebauter 
Strassen  in  Oesterreich  unter  der  Enns  sind  nebst  12  Wegcommissären 
42  Wegmeister  und  270  Einräumer  angestellt.  In  Oesterreich  ob  der  Enns, 
was  51  Meilen,  folglich  gerade  die  Hälfte  von  gebauten  Strassen  hat, 
bestehen  auch  nur  5  Connnissäre,  aber  30  Wegmeister,  dagegen  aber  auch 
wieder  nur  die  äusserst  geringe  Zahl  von  40  Einräumern.    Böhmen  hat 


[93] 


93 


bei  einer  .las  Doppelte  von  ücsterreich  nicht  erreichemlen  Strasseulänge  2B 
Commissäre,  70  Wegmeister  und  7  76  Einiäumer.  Verschiedenheit  der  Local- 
verhältnisse  kann  zwar  hier  eine  etwas  grössere  und  dort  eine  etwas  gerin- 
gere Zahl  von  Commissären  und  Wegmeistern  begründen,  aber  der  grosse 
Unterschied  in  der  Menge  der  Einräumer  lässt  sich  hier  aus  einer  Differenz 
der  Localverhältnisse  um  so  weniger  erklären,  als  wenn  man  nicht  ohne 
Wahrscheinlichkeit  annimmt,  dass  die  Strassen  in  der  Nähe  der  Residenz 
stärker  befahren  werden,  Oesterreich  unter  der  Enns  verhältnissmässig 
mehr  Einräumer  als  Böhmen  haben  müsste,  wohingegen  der  umgekehrte 
Fall  eintritt.  Es  scheint  also  schon  selbst  die  Organisation  des  Strassen- 
baupersonals  nicht  so  viel  auf  Grundsätzen,  als  auf  den  Vorschlägen  der 
einzelnen  Strassenbaudirectionen  und  Länderstellen  zu  beruhen,  was  auch 
dadurch,  dass  bei  der  Kanzlei  keines  Materien,  sondern  Länderreferate  be- 
stehen, ganz  begreiflich  wird.  Wenn  man  erwägt,  dass  bei  einer  grösseren 
Zahl  von  Einräumern  es  leichter  möglich  wird,  die  Beschädigungen  der 
Strassen  gleich  bei  ihrer  Entstehung  herzustellen,  so  sollte  man  kaum 
zweifeln,  dass  der  böhmische  Personalstand  ungleich  zweckmässiger  als 
der  österreichische  ist.  Dies  scheint  sich  auch  durch  den  Erfolg  vollkommen 
zu  bewähren;  denn  während  im  Verlaufe  des  heurigen  Jahres  in  Oesterreich 
auf  die  gewöhnliche  Erhaltung  und  Wiederherstellung  von  102  Meilen 
gebauten  Strassen  2,431.107  fi.  oder  nach  Abschlag  von  83.932  fl.  als 
solcher  Ausgaben,  die  den  Strassen  nicht  zu  Gute  kommen,  2,347.175  fl. 
vei-wendet  wurden,  hat  die  Erhaltung,  Wiederherstellung  und  der  ganz  neue 
Bau  von  zusammen  194  Meilen  in  Böhmen  nicht  mehr  als  1,295.601  fl., 
mithin  nicht  um  gar  Vieles  als  die  Hälfte  weniger,  gekostet. 

Die  Ursache  dieses  Unterschiedes,  der  dadurch  noch  merkwürdiger 
wii'd,  dass  dem  Vernehmen  nach  die  Strassen  in  Böhmen  grösstentheils 
ungleich  besser  als  in  Oesterreich  sind,  liegt  wohl  einzig  nur  in  der  Me- 
thode, welche  in  Oesterreich  angenommen  wurde,  die  Strassen,  so  breit 
sie  sind,  mit  ungeheuren  Schotterlagen  zu  bedecken,  die,  bis  sie  endlich 
zermalmt  werden,  ein  wahrer  Euin  für  Pferde  und  Wagen  und  eine  wahre 
Plage  für  die  Reisenden  sind.  Es  grenzt  an  das  Unglaubliche,  aber  es 
wird  durch  zuverlässige  Daten,  welche  ich  darüber  in  Händen  habe,  be- 
kräftigt, dass  auf  die  102  Meilen  gebauter  Strassen  in  Oesterreich  unter 
der  Enns  im  heurigen  Jahre  11,015.508  Cubikschuh  Schotter  aufgeführt 
worden  sind,  wogegen  bei  den  194  Meilen  in  Böhmen  nur  4,712.160 
Cubikschuh  verbraucht  worden  sind.  Es  kamen  daher  im  Durchschnitte 
auf  jede  Currentklafter  in  Oesterreich  27  Cubikschuh,  in  Böhmen  6^2 
Cubikschuh,  und  die  Currentklafter  in  Böhmen  kostete  daher,  selbst 
den  neuen  Bau  miteingeschlossen,  nur  39  kr.,  dagegen  jene  in  Oester- 


Uebelstände 

bei  der 

Strassenan- 

lage. 


94  [94] 

reich  3  fl.  öö  kr.  Ich  weiss  sehr  wohl,  ihiss  die  bessere  oder  schlechtere 
Beschaffenheit  des  Materials,  die  uähere  oder  eutferntere  Lage  desselben, 
das  theurere  oder  das  wohlfeilere  Fuhrwerk,  selbst  die  stärkere  oder 
schwächere  Befahrung  der  Strassen  einen  bedeutenden  Unterschied  in 
den  Kosten  ausmachen,  und  dass  darum,  wenn  gleich  lange  Strecken  in 
dem  einen  Lande  höher,  in  dem  andern  geringer  zu  stehen  kommen, 
noch  nicht  auf  unwirthschaftliches  oder  sonst  zweckwidriges  Verfahren 
geschlossen  werden  könne.  Allein  solche  Daten,  wie  ich  sie  hier  aufge- 
stellt habe,  verdienen  doch  in  jedem  Anbetrachte  eine  eindringende  Prü- 
fung und  scheinen  es  gebieterisch  zu  fordern,  dass  dem  Hofbaurathe 
unverzüglich  eine  sorgfältige  Erhebung  und  die  Erstattung  eines  stand- 
hältigen Gutachtens  über  die  Verfahrungsart  der  niederösterreichischen 
Strassenbaudirection  aufgetragen  werde, 
strassenbau-  Hiczu  dürfte  uiau  sich  um  so  mehr  aufgefordert  finden,  als  die  ge- 

sammten  Einkünfte  des  niederösterreichischen  Strassenbaufonds,  nämlich 
die  Wegmauthen,  die  Landesdienste  und  die  sonstigen  Beiträge  sich  nur 
auf  565. 2G1  fl.  beliefen,  folglich  die  Finanzen  ungemein  beträchtliche 
Zuschüsse  geleistet  haben,  ohne  dass  dem  Lande  die  Wohlthat  guter 
Strassen  zu  Theil  geworden  wäre.  Verhältnissmässig  nicht  viel  geringere 
Zuschüsse  haben  die  Finanzen  auch  für  Oesterreich  ob  der  Faiws  be- 
stritten, da  der  Strassenbaufond  in  diesem  Lande  nur  120.785  11.  beträgt 
und  nahe  an  500.000  fl.  auf  die  Strassen  verausgabt  woidcn  sind.  Da- 
gegen überstieg  in  Böhmen  der  Aufwand  für  die  fh'haltung  der  Strassen 
und  den  neuen  Zubau  zusammen  mit  1,295.601  fl.  den  Strassenbaufond 
zu  615.835  fl.  nicht  einmal  ganz  um  das  Zweifache.  In  Mähren  und 
Schlesien,  wo  die  Länge  der  gebauten  Strassen  jene  in  Oesterreich  unter 
der  Enns  um  eine  Meile  übersteigt,  beschränkten  sich  die  Kosten  auf 
905.922  fl.,  wovon  nahe  an  87.000  fl.  einen  neuen  Bau  betrafen.  Von 
dieser  Beköstigungssumme  fallen  noch  mehr  als  6  7.000  fl.  für  Ausgaben, 
lue  nicht  den  Strassen  zu  Gute  kommen,  hinweg.  Der  Aufwand  war  also 
zwar  verhältnissmässig  hölier  als  in  Böhmen,  aber  beträchtlich  geringer 
als  in  Oesterreich  unter  der  Enns.  Zwischen  dem  Strassenbaufond  Oester- 
reichs  und  jenem  von  Mähren  war  kein  bedeutender  Unterschied.  Galizien 
hat  mit  einer  Auslage  von  1,328.983  fl.  eine  Länge  von  263  Meilen 
Strassen  grösstentheils  erhalten,  zum  Theil  aber  auch  neu  gebaut.  Auf  diese 
gegen  Oesterreich  unter  der  Enns  dritthalbmal  längere  Strecke  wurden  nur 
7,440.835  Cubikschuh  Schotter  verwendet.  Wegen  der  in  Galizien  be- 
stehenden Scharwerken  kann  der  ganze  Strassenbau  und  Conservatiou 
aus  dem  eigenen  Strassenbaufond  bestritten  werden,  da  sich  dieser  auf 
1,485.990  (1.  belief.    Bei  Steiermark  trat  ilie  nämliche  Unzulänglichkeit 


[95] 


95 


wand. 


des  Fonds  wie  bei  den  übrigen  Lilndern,  mit  Ausnahme  Galizieus,  ein. 
Dort  wurden  für  die  Erhaltung  der  92  Meilen  langen  Strassen  «95.558  fl. 
ausgelegt,  während  der  Strassenbaufond  nur  337.415  fl.  betrug.  Es  kam 
die  Currentkiafter,  die  in  Bnhmen  39  kr.,  in  Galizien  28  kr.  kostete,  im 
Durchschnitte  auf  1  fl.  zu  stehen.  Nach  Oesterreich  unter  und  ober  der  Enns 
war  es  Steiermark,  wo  der  Schotter  am  häufigsten  gebraucht  wurde,  näm- 
lich 13^4  Cubikschuh  auf  eine  Currentkiafter,  und  in  diesem  Laude  wurde 
auch  ganz  vorzüglich  über  schlechte  Beschaffenheit  der  Strassen  geklagt. 

Es  kann  gewiss  nicht  anders  als  höchst  niederschlagend  sein,  dass    d«''  ^'n'«''- 

*=  halt  des 

ausser  Galizien  der  Aufwand  für  das  Strassenwesen  die  Kräfte  der  dazu      strassen- 
gewidmeten  Fonds  bei  Weitem  überstieg,  und  doch  in  mehr  als  einem    wesens  und 

®  ®  .  .  der  bezüg- 

Lande  das  Fortkommen  nur  bei  anhaltend  gutem  Wetter  mit  keinen  Be-  üche  Auf- 
schwerlichkeiten  verbunden  war.  Offenbar  äussert  auch  hier  das  Papier- 
geld seinen  nachtheiligen  Einfluss.  Ohne  eine  unangenehme  Sensation 
zu  veranlassen  und  ohne  den  Handel  zu  bedrücken,  lassen  sich  nicht  gar 
zu  häufige  Veränderungen  mit  den  Wegmauthgebühren  vornehmen.  Noch 
weniger  lässt  sich  aber  den  Schwankungen  der  Curse  Einhalt  thun.  Wenn 
also  auch  zur  Zeit  der  ßegulirung  der  Weggelder  ein  richtiges  Verhält- 
niss  zwischen  dem  Strassenbaufond  und  den  daraus  zu  bestreitenden  Aus- 
lagen bestand,  so  wird  doch  dieses  Verhältniss  durch  jede  beträchtlichere 
Cursveränderung  gestört. 

Viele,  die  sich  an  die  in  früheren  Zeiten  bei  besser  unterhaltenen 
Strassen  bestandenen  geringen  Weggelder  zurückerinnern,  finden,  wie 
schon  oben  bemerkt  wurde,  die  jetzigen  hoch  und  eben  darum  den  üblen  Zu- 
stand der  Strassen  nur  noch  um  so  anstössiger.  Wollten  sie  aber  billig  sein 
oder  vielmehr  richtiger  denken  und  rechnen,  so  würden  sie  finden,  dass 
mit  der  damaligen  massigen  Einnahme  mehr  als  mit  der  gegenwärtigen 
grösseren  geleistet  werden  konnte,  und  dass  die  Proportion  zwischen  zu- 
vor und  jetzt  nicht  den  Keisenden  und  Frachtern,  sondern  dem  Strassen- 
baufonde  und  eigentlich  dem  Staate  zum  Nachtheil  gereiche.  Ausserdem 
gehören  die  Wegmauthen  ganz  vorzüglich  zu  jener  Gattung  von  Abgaben, 
die  mit  einer  kostspieligen  Regie  verbunden  sind  und  bei  welcher  die 
TJnterschleife  äusserst  schwer  verhütet  werden  können ;  was  jetzt  um  so 
gefähi-licher  ist,  als  ausser  den  gewöhnlichen  Versuchungen  nun  auch 
noch  jene  der  bittersten  Noth,  welcher  die  manipulirenden  Beamten  aus- 
gesetzt sind,  auf  dieselben  wirken. 

Es  dürfte  also  doch  wohl  einer  ernstlichen  Ueberlegung  würdig  sein, 
ob  nicht  der  Strassenbaufond  auf  eine  andere  Art  mit  geringeren  Unzu- 
kömmlichkeiten dotirt  und  sohin  mit  Ausnahme  der  Grenzen,  wo  die  Ein- 
hebung der  Weggelder  durch  die  Zollämter  sich  Itewerkstelligen  Hesse, 


96 


[96] 


fonil-Doti- 
runj; 


tue  Wegniautlieii  gauz  aufgeliubeu  werden  küimteu,  oder  ob  es,  weuu  man 
sie  beizubehalten  befindet,  nicht  am  zweckmässigsten  wäre,  sie  allent- 
halben, wo  es  mit  Sicherheit  und  Xutzen  geschehen  kann,  zu  verpachten. 
Noch  ungleich  nothwendiger  scheint  es  mir  aber,  den  Strassenbau- 
stiassenban-  fiind  in  allen  deutschen  Ländern,  wäre  es  auch  durch  eine  Erhöhung  der 
Wegmauthen,  insoferne  ihre  Beibehaltung  beschlossen  werden  sollte,  oder 
durch  Einführung  einer  Strassenconcurrenz ,  bei  welcher  durch  ange- 
messene Vorsichten  einer  Bedrückung  der  Unterthaueu  und  den  Unfügeu 
der  Strassenbaubeamten  leicht  abgeholfen  werden  kann,  auf  solch  eine 
Art  zu  dotiren,  dass  dieser  Fond  zur  Bestreitung  der  Conservations- 
kosten  in  jedem  Lande  hinreicht.  So  lange  das  Papiergeld  die  circu- 
lirende  Masse  ausmacht,  lässt  sich  zwar,  wie  ich  soeben  bemerkt  habe, 
der  Aufwand  auch  nur  auf  die  Dauer  eines  Jahres  kaum  beiläufig  be- 
rechnen. Aber  ein  ungleich  mehr  annäherndes  Verhältniss  zwischen  dem 
Aufwände  und  der  Bedeckung,  als  gegenwärtig  stattfindet,  zu  erzielen 
und  dadurch  wenigstens  gar  zu  beträchtliche  Deficite  zu  vermeiden,  ist 
keine  unmögliche  Sache.  Sollte  man  aber  die  Erhöhung  der  Wegmauthen, 
oder  die  Bestimmung  anderer  hinlänglicher  Einnahmsquellen  für  den 
Strassenbaufond  aus  mir  zwar  unbekannten,  aber  vielleicht  doch  erheb- 
lichen Gründen  unzulässig  finden,  so  würde  nichts  erübrigen,  als  jedesmal 
vorläufig  den  zur  gehörigen  Erhaltung  der  Strassen  in  jedem  Lande  un- 
entbehrlichen Betrag,  insoweit  er  aus  dem  eigenen  Fond  nicht  bestritten 
werden  kann,  genau  auszumitteln,  sohin  die  Totalsumme  des  Abgangs 
aller  Länder  dem  jährlichen  Erforderniss-  und  Bedeckungsaufsatze  ein- 
zuschalten, damit  nicht  auf  der  einen  Seite  die  Finanzen  durch  das  un- 
erwartete Begehren  beträchtlicher  Geldunterstützungen  in  Verlegenheit 
gesetzt,  andererseits  aber  auch  nicht  die  Strassenarbeiten  aus  Mangel  an 
Gelde,  vielleicht  gerade  in  der  angemessensten  Zeit,  verabsäumt  werden. 
Nur  auf  diese  Art  lässt  sich  nach  meinem  Dafürhalten  Ordnung 
und  Zuverlässigkeit  in  das  für  den  Staat  so  wichtige  Strassenerhal- 
tungsgeschäft  bringen.  Was  aber  die  Herstellung  neuer  Verbindungen 
betrifft,  wird  es  zwar  vielleicht  in  einigen,  aber  gewiss  nicht  in  allen  Fällen 
möglich  sein,  auch  solche  Unternehmungen,  deren  ausserordentlicher 
Nutzen  klar  erwiesen  werden  kann,  ohne  eine  Mitwirkung  des  Staats- 
schatzes, wäre  es  auch  nur  durch  Vorschüsse,  zu  Stande  zu  bringen,  was 
es  nur  noch  uu)  si>  erwüuschlicher  macht,  die  Finanzen  bei  der  blossen 
Ei'haltuug  der  Strassen  aus  dem  Spiele  zu  lassen.  Denn  wenn  ich  es 
gleich  nicht  für  nothwendig  halte,  hierüber  in  ein  melu-eres  Detail  einzu- 
gehen, und  es  mir  auch  in  meiner  gegenwärtigen  Lage  ganz  an  Mitteln 
gebricht,  actenmässige  Beweise  deshalb  beizubringen,  so  ist  mir  doch  aus 


Neue  Ver- 

kebrswejje 

und  ihre 

Herstellung 


[97]  97 

meinen  früheren  Dienstverhältnissen  sehr  wohl  bekannt,  dass  wegen 
einiger  neu  anzulegender  Strassenzüge,  die  theils  für  den  Handel,  theils 
auch  selbst  für  das  Aerarium  wegen  Abkürzung  der  Salz-,  Tabak-,  Militär- 
oder anderer  Transporte  von  überaus  grossem  Vortheile  wären,  vielfältige 
Verhandlungen  gepflogen  worden  sind.  Dass  diese  Verhandlungen  bisher 
keine  weiteren  Erfolge  hatten,  mag  wohl  nur  den  so  oft  aufeinander  ge- 
folgten Kriegen  beizumessen  sein,  während  welcher  sich  an  die  Aus- 
führung bedeutenderer  Unternehmungen  dieser  Art  nicht  denken  Hess. 
Nun  aber,  wo  die  Euhe  wieder  hergestellt  ist,  liegt  nur  noch  um  so  viel 
mehr  daran,  diese  Verhandlungen  wieder  anzuknüpfen,  bei  der  Fort- 
setzung derselben  alle  unnützen  Verzögerungen  zu  beseitigen  und  nach 
vorausgegangener  reifer  Erwägung  definitive  Beschlüsse  darüber  zufassen, 
welche  von  den  Vorschlägen  ausgeführt  zu  werden  verdienen  und  welche 
dagegen  aufzugeben  sind.  Alles  oder  auch  nur  zu  viel  auf  einmal  unter- 
nehmen zu  wollen,  würde  sehr  unklug  sein.  Um  so  mehr  liegt  also  daran, 
sich  nicht  nur  allein  von  dem  Xutzen  jeder  einzelnen  solchen  Unternehmung, 
ehe  man  zur  Ausführung  schreitet,  vollkommen  zu  überzeugen,  sondern 
auch  die  überwiegenden  Vortheile  der  einen  gegen  die  anderen  genau  zu 
bestimmen,  die  nützlicheren  jedesmal  der  minder  nützlichen  vorzuziehen, 
im  Ganzen  sich  aber  nie  auf  mehr  einzulassen,  als  wozu  die  disponiblen 
Fonds  vorhanden  sind.  Nur  muss  dabei,  so  viel  als  möglich,  auch  ein 
billiges  Verhältniss  zwischen  den  Ländern  beobachtet  und  keinem  zu 
einer  gegründeten  Klage  über  Vernachlässigung  Anlass  gegeben  werden. 
Wenn  auch  die  durch  so  viele  Kriege  geschwächten  Kräfte  des  Staates  und 
die  bei  dem  Uebergauge  zu  einer  besseren  Ordnung  des  Geldwesens  un- 
vermeidlichen Nachwehen  in  den  ersteren  Jahren  keine  grösseren  An- 
strengungen gestatten,  so  wird  sich  doch  manches  Nützliche  ausführen 
lassen.  Manches  zur  späteren  Ausführung  vollkommen  erhoben  und  vor- 
bereitet werden,  und  der  ganze  gebildete  Theil  der  Nation  wird  die  Be- 
mühungen der  Staatsverwaltung  für  das  allgemeine  Wohl  dankbar  er- 
kennen. 

Wie  sehr  bisher  die  Seiten-  und  Nebenwege  besonders  in  vicinai- una 
manchen  Ländern  verwahrlost  worden  sind,  wissen  diejenigen  am  besten,  ^'^"''  ^^' 
die  sich  in  der  Nothwendigkeit  befinden,  sich  solcher  Wege  bedienen  zu 
müssen.  Und  doch  sind  sie  öfters  nicht  blos  für  die  Bewohner  der  um- 
liegenden Gegenden,  sondern  selbst  für  den  inneren  und  äusseren  Ver- 
kehr von  nicht  geringer  Wichtigkeit,  da  Waaren  auf  selben  geführt 
werden,  die  in  fremde,  oft  sehr  entfernte  Länder  bestimmt  sind.  Es  wäre 
wider  die  Bestimmung  des  Staatsschatzes,  dass  er  für  den  Bau  oder  für 
die  Erhaltung  solcher  Strassen  Gelder  vorschiesse,  und  dass  man  diesen 

7 


Strassen. 


98  [98] 

Gegeustand  bisher  nicht  ganz  ans  den  Augen  Hess,  erhellt  schon  daraus, 
dass  denjenigen,  welche  Strassen  dieser  Art  auf  eigene  Kosten  anzulegen 
geneigt  sind,  durch  ein  eigenes  Circular  die  Ertheilung  eines  Wegmauth- 
privilegiums  zugesichert  wurde.  Hie  und  dort,  wo  besondere  Umstände 
eintreten,  kann  diese  Zusicherung  wohl  eine  gute  Strasse  entstehen 
machen.  Viel  häufiger  geschieht  es  aber,  dass  niemand  Einzelner  bei  der 
Anlage  oder  Verbesserung  einer  Seitenstrasse  ganz  besonders  interessirt 
oder  dass  dieser  vorzüglichere  Interessent  nicht  in  solchen  Vermögens- 
umständen ist,  um  allein  den  Bau  einer  Strasse  zu  Stande  bringen  zu 
können.  Meistentheils  sind  es  ganze  Gemeinden,  mehrere  Dominien, 
Eigenthümer  von  Fabriken  oder  anderer  grösserer  Anstalten,  die  alle, 
wenn  auch  nicht  in  einem  gleichen  Masse,  durch  eine  wandelbare  Strasse 
gewinnen,  und  wo  diese  leicht  hergestellt  weiden  kann,  wenn  jeder  Ein- 
zelne und  jede  Corporation  nach  Mass  des  grösseren  oder  geringeren 
Nutzens  zur  Herstellung  beiträgt.  Sehr  <)ft  kommt  es  hiebei  nur  auf  Im- 
pulse, nur  auf  eine  eindringende  Vorstellung  des  eigenen  und  allseitigen 
Nutzens,  nur  auf  eine  Besiegung  des  Eigensinnes  oder  vorgefasster  Mei- 
nungen an,  um  Unternehmungen  zur  Reife  zu  bringen,  die,  wenn  auch 
ihr  nächster  Vortheil  nur  den  Bewohnern  einer  kleineren  Landesstrecke 
zufliesst,  doch  in  ihren  entfernteren  Beziehungen  selbst  auch  für  das 
Ganze  nützlich  sind.  In  Böhmen,  selbst  auch  in  einigen  anderen  Ländern 
wurde  hierinfalls  schon  Vieles  bewii-kt,  und  wenn  die  Kreisämter  dies- 
falls mit  besonderen  Anleitungen  versehen,  wenn  sie  zur  Einsendung 
periodischer  Berichte  über  das  diesfalls  Bewirkte  verhalten,  wenn  beson- 
ders thätige  oder  mit  eigenen  Aufopferungeu  verbundene  Verwendungen 
von  Privaten  angemessen  belohnt  würden  —  was  in  Böhmen  eben  schon 
geschehen  ist  —  werden  sich  solche  Unteinehmungen  immer  weiter  ver- 
breiten, 
wassercom-  Nach  dou  Landstrasscu  veidienen  die  Wasseicommunicationen  die 

municatio-  yoi-zügüchste  Aufmerksamkeit.  Nach  der  Lage  und  physischen  Be- 
schaffenheit der  österreichischen  Monarchie  wird  zwar  der  grösste  Theil 
des  Handels  sich  immer  nur  der  Strassen  bedienen  müssen,  weil  die 
Schwierigkeiten  und  Kosten,  wenn  man  allenthalben  schiffbare  Canäle 
anlegen  wollte,  in  das  Ungeheure  verfallen  würden.  Aber  die  wesent- 
lichen Vorzüge  der  Wasser-  vor  der  Landfracht  sind  zu  allgemein  be- 
kannt, um  sich  nicht  ernstlicher  als  bisher  mit  diesem  Gegenstande  zu 
beschäftigen.  Es  sind  zwar  unter  der  gegenwärtigen  Eegierung  schon 
Bäcser  Ca-  zwei  Schiffbare  Canäle  entstanden  und  auf  beide,  besonders  aber  auf  den 
Bäcser  Canal,  beträchtliche  Summen  verwendet  worden.  Allein  nach 
meinem  Dafürhalten  und  wie  es  auch  der  Erfolg  vollkommen  bestätigt  hat, 


Dal. 


[99]  99 

waren  beiiie  UnteincliiiHiniion  übel  bciedinet.  J)ie  Gesellschaft,  welche 
den  Bäcser  Canal  untenuihni,  würde,  wenn  es  ihr  nicht  gelungen  wäre, 
die  überaus  schönen  und  fruchtbaren  Bäcser  Cameralherrschaften  auf  eine 
lange  Reihe  von  Jahren  gegen  einen  sehr  geringen  Pachtschilling  zu  er- 
langen und  bei  den  so  hoch  gestiegeneu  Preisen  höchst  beträchtliche 
Einkünfte  daraus  zu  beziehen,  den  Canal,  dessen  Ertrag  im  Verhältnisse 
zu  dem  Herstelhmgscapital  und  zu  den  Erhaltungskosten  viel  zu  gering 
ist,  schon  lange  haben  aufgeben  müssen.  Bei  dem  Franzens-  oder  Xeu-  Fianzens- 
städter  Canal  trägt  das  Capital  eigentlich  gar  keine  Zinsen,  wenigstens  »der  Neu- 
uach  den  bisher  zum  Vorschein  gekommenen  Bilanzen,  wo  das  Erträgniss  „^, 
kaum  für  den  Unterhalt  des  Canals  und  für  die  Regiekosten  hinreichte. 
Man  will  zwar  einen  mehreren  Ertrag  von  der  weiteren  Fortsetzung  des 
Canals  abhängig  machen.  Allein  es  lässt  sich  sehr  leicht  beweisen,  dass 
diese  Fortsetzung  nicht  allein  in  ökonomischer,  sondern  selbst  auch  in 
politischer  Rücksicht  sehr  nachtheilig  wäre.  Unternehmungen  dieser  Art 
sind  nach  den  Grundsätzen  der  Staatswii-thschaft  im  eigentlichsten  Ver- 
stände eine  Verschwendung  der  Kräfte,  und  es  wird  daher  auch  kein  ver- 
nünftiger Mensch  rathen,  in  diesen  Fussstapfen  fortzuwandeln.  Dass 
man  aber  etwas  Besseres  hätte  thuu  können  und  noch  thun  sollte,  lässt 
sich  wohl  gar  nicht  bezweifeln,  wenn  man  nur  einen  Blick  auf  die  Land- 
karte wirft. 

Ungarn,  das  Land,  woher  in  besseren  Zeiten  so  viele  Xaturproducte      Ungarns 
geholt  und  wohin  so  viele  Kunstproducte  geführt  wurden,  ist  durch  die      y^sser- 

"       .  x-  o  Strassen. 

Donau  mit  Oesterreich  ober  und  unter  der  Enns.  durch  die  Mur  und  Drau 
mit  Steiermark  und  Kärnten,  durch  die  Save  mit  Krain,  durch  die  Maros 
mit  Siebenbürgen  verbunden.  Diese  vortrefflichen  Wasserverbiudungen 
sind  ein  Geschenk  der  Xatur,  was  ungleich  wichtiger  sein  würde,  wenn 
man  sich  mit  der  Regulirung  dieser  Flüsse  anhaltender  als  bisher  be- 
schäftigt hätte.  Unter  der  Regierung  Ihrer  Majestät  der  Kaiserin  Maria  Maria  There- 
Theresia  wurden  eigene  Navigationscommissionen  gebildet,  bei  deren  Auf-   ^"*'  ^'*'*"^' 

°  °  o  '  tionscom- 

stellung  die  Erreichung  des  grossen  Zweckes  der  allmäligen  Regulirung   missionen  n. 
der  Flüsse  die  Grundlage  ausmachte.    Warum  sie  unter  der  Regierung    "^'^  f.'°^^' 

°  o  o      regulirung. 

Sr.  Majestät  Kaiser  Josefs  IL  wieder  aufgehoben  worden  sind,  ist  mir 
unbekannt.  Während  dieser  Regierung  weiss  ich,  mit  Ausnahme  des 
Kostiller  Schleusenbaues .  sonst  von  keiner  bedeutenden  h)'draulischen 
Arbeit.  Vom  Jahre  1787  angefangen  haben  wahrscheinlich  die  fort- 
währenden Kriege  und  Kriegsrüstungen  die  Staatsverwaltung  abgehalten, 
grössere  Kosten  auf  solche  Arbeiten  zu  wenden;  wie  dann  auch  bekannter- 
massen  der  Neustädter  Canal  ebenso  wie  der  Bäcser  in  seiner  Entste- 
hung ein  Privatunternehmen  war  und  erst  späterhin  ein  Staatseigenthum 


100  [100] 

geworden  ist.  Nun  ist  aljer  iler  Zeitpunkt  eingetreten,  wo,  wenn  auch  dem 
höchstwichtigen  Zwecke  innerer  Verbesserungen  noch  keine  ansehnlichen 
Summen  gewidmet  werden  können,  doch  wenigstens  mit  den  Vorberei- 
tungen nicht  melir  gezaudert  und  dem  verständigeren  Theile  des  Volkes 
die  Beruhigung  gegeben  werden  sollte,  dass  die  Staatsverwaltung  die 
Wichtigkeit  der  Sache  fühlt  und  sich  ernstlich  mit  derselben  zu  beschäf- 
tigen entschlossen  ist. 
Die  Donau  Darüber,  dass  unter  allen  Flüssen  der  Monarchie  die  Donau  der 

t"°  a  .'•*      wichtigste  ist,  kann  wohl  kein  Zweifel  obwalten.  Wenn  schon  die  leichtere 

Inundatio-  o  ' 

nen.  und  sichere  Schiffahrt  auf  einem  so  langen,  die  fruchtbarsten  Gegenden 
durchschneidenden  und  mehrere  ansehnliche  Ströme  aufnehmenden  Flusse 
von  ausserordentlichem  Nutzen  füi-  das  Allgemeine  ist,  so  tritt  noch  eine 
zweite,  nicht  minder  wichtige  Rücksicht,  nämlich  jene  hinzu,  dass  ein 
grosser  Theil  der  Ueberschwemmungen,  die  besonders  seit  einigen  Jahren 
sehr  ausgedehnte  Strecken  des  besten  Erdreichs  verwüsten  und  in  der 
Folge  noch  grössere  Verwüstungen  anzurichten  drohen,  durch  angemessene 
Arbeiten  abgewendet  werden  können.  Nicht  blos  das  an  die  Donau  gren- 
zende Land,  sondern  auch  die  Umgebungen  jener  Flüsse,  die  sich  in  die 
Donau  ergiessen  und  die  nicht  selten,  blos  weil  sie  aus  Mangel  unschäd- 
licher Einmündungen  von  der  stärkeren  Wassermasse  der  Donau  zurück- 
gedrängt werden,  ihre  Ufer  überschreiten,  richten  grosse  Zerstörungen 
an,  und  man  würde  das  Unermessliche  des  Verlustes  schmerzlich  fühlen, 
wenn  man  auch  nur  eine  beiläufige  Berechnung  der  Tausende  und  Tausende 
von  Jochen  des  besten  Acker-  und  Wiesenlandes,  was  auf  diese  Art  seit 
einigen  Jahren  in  eine  Sand-  und  Schotterwüste  verwandelt  worden  ist, 
vor  sich  liegen  hätte,  des  nachtheiligen  Einflusses  auf  die  Gesundheit  der 
Einwohner  der  umliegenden  Gegend  dort,  wo  die  ausgetreteneu  Wässer 
Pfützen  erzeugen,  nicht  zu  gedenken.  Höchst  erhebliche  und  wahrhaft 
dringende  Beweggründe  vereinigen  sich  also,  um  ernstlich  auf  Mittel  zu 
denken,  wie  die  grösseren  Flüsse  der  österreichischen  Staaten  besser  be- 
nützt, die  Schiffahrt  von  den  bestehenden  Hindernissen  und  Gefahren 
befreit,  den  Ueberschwemmungen  Einhalt  gethau  werden  könne.  Die 
gegenwärtige  bedrängte  Lage  kann  gegen  die  sorgfältige  Würdigung 
dieses  Gegenstandes  gar  kein  Kinderniss  ausmachen,  weil  es  sich  jetzt 
noch  nicht  um  beträchtliche  Ausgaben  handelt ,  zunuii  selbst,  wenn  man 
mehrere  disponible  Millionen  erliegen  hätte,  es  doch  der  Klugheit  ent- 
gegenstreiten  würde,  jetzt  zu  grösseren  Arbeiten  an  der  Donau  zu  schreiten, 
wo  die  wesentlichsten  Vorerhebungeu  noch  nicht  beendigt,  zum  Theil  selbst 
noch  nicht  angefangen  sind.  Der  allererste  und  unentbehrlichste  Schritt 
zu  grösseren  Unternehmungen  ist  wohl  ganz  gewiss  die  Verfertigung  einer 


[101] 


101 


genauen  Stronikarte.  In  Bezug  auf  Oesterieich  unter  der  Enns 
ist  die  Verfertigung  solch  einer  Karte  eben  im  Werke.  Aber  diese  Arbeit 
wird  nur  einen  partiellen  und  bei  Weitem  nicht  so  umfassenden  Nutzen 
gewähren,  wenn  nicht  auch  eine  Stromkarte  von  Oesterreich  ober  der 
Enns  und  von  Ungarn  verfertigt  wird.  Vor  Allem  scheint  es  also  noth- 
wendig.  hiewegen  die  nöthigen  Anordnungen  zu  treffen,  damit,  sobald  es 
die  Jahreszeit  zulässt,  zui-  Ausführung  geschritten  werden  könne.  Da 
aber  doch  auch  noch  vor  Zustandebringung  der  Stromkarten  sich  einige 
minder  erhebliche  Verbesserungen  vornehmen  lassen,  und  bei  manchen 
darunter  selbst  Gefahr  auf  den  Verzug  haften  dürfte,  so  wären  hierüber 
die  standhältigen  Auskünfte  und  Vorschläge  sowohl  des  niederösterreichi- 
schen Wasserbauamtes,  als  der  ungarischen  Landesbaudirection  und  des 
Hofbaurathes  einzuholen,  um  in  der  Ausführung  desjenigen,  was  etwa 
dringend,  anerkannt  nützlich  und  minder  kostspielig  ist,  bei  günstiger 
Jahreszeit  nicht  aufgehalten  zu  sein. 

Von  der  Mur  soll  dem  Vernehmen  nach  schon  eine  Stromkarte,  es 
sollen  auch  Vorschläge  zu  ihrer  Correction  vorhanden  sein.  Wahrschein- 
lich sind  sie  während  der  kriegerischen  Zeiten  in  eine  Eegistratur  ge- 
rathen  und  vielleicht  wird  man  selbst  einige  Mühe,  sie  wieder  aufzusuchen, 
haben.  Je  Ungewisser  es  ist,  ob  diese  Vorschläge  bei  einer  aufmerksamen 
Prüfung  durchgehends  annehmbar  oder  ob  nicht  wesentliche  Abänderungen, 
vielleicht  gar  noch  einige  vorläufige  Erhebungen  nothwendig  werden  be- 
funden werden,  um  so  mehr  liegt  daran,  mit  der  Aufsuchung  derselben 
keine  Zeit  zu  verlieren  und  den  Gegenstand  sodann  der  ordnungsmässigen 
Behandlung  zu  unterziehen;  zumal  es  sich  auch  hier  um  die  Abwendung 
öfterer,  schädlicher  Ueberschwemmungen  handelt. 

Ob  in  Ansehung  der  Drau  Vorarbeiten  bestehen,  kann  ich  nicht 
mit  Zuverlässigkeit  angeben,  zweifle  aber  sehr,  dass  eine  Stromkarte  von 
derselben  aufgenommen  worden  ist;  nicht  so  viel  wegen  der  Schiffahrt, 
da  'lieser  Fluss  so  wie  die  Mur  dermal  nur  stromabwärts  befahren  werden 
kann  und  die  Fahrt  gegen  den  Strom  sich  vielleicht  nicht  ohne  namhafte 
Kosten  bewerkstelligen  lassen  wird,  als  wegen  des  beträchtlichen  Schadens, 
den  er  von  Zeit  zu  Zeit  durch  sein  Austreten  anrichtet,  dürfte  an  die  Ver- 
fertigung einer  Stromkarte  ebenfalls  bald  Hand  anzulegen  oder,  wenn 
etwa  doch  letztere  bereits  existirte  und  auch  sonst  Anträge  zur  Eegulirung 
dieses  Flusses  in  früheren  Zeiten  gemacht  worden  wären,  auf  eben  die 
Weise  wie  in  Ansehung  der  Mur  zu  verfahren  sein. 

Ganz  zuverlässig  ist  mir  dagegen  bekannt,  dass  die  ehemaligen 
krainerischen  Stände  schon  früher,  vorzüglich  aber  in  der  Periode  vom 
Jahre  1806  bis  zum  Jahre  1809  auf  die  \'()rtheile,  welche  für  das  Land 


Stromkai-- 
ten.  Noth- 
wcndigkeit 
derselben. 


102 


[102] 


Uie   Rcgu- 

lirungspro- 

jecte  der 

Krainer 

Stände  indcn 

Jahren  1806 
bis  1809  in 
Bezug   der 

Save  und  ihr 
Plan,  das 
Laibachcr 

Moor  zu  ent- 
wässern. 


iluroli  ilie  Keguliniiig  der  Savc  und  durch  die  Austrookiiung  des  grossen 
Morastes  bei  Ober-Laibach  entspringen  würden,  nicht  blos  eine  be- 
sondere Aufmerksamkeit  gerichtet,  sondern  die  diesfälligen  Arbeiten  auf 
eigene  Kosten  zu  bestreiten  sich  angeboten  und  um  die  Erlaubniss,  Hand 
an  das  AVerk  legen  und  die  erforderlichen  Gelder,  insoweit  ihre  Cassa- 
uütteln  nicht  zureichten,  aufnehmen  zu  düi'fen,  mehrmals  angelegenst  ge- 
beten haben.  So  viel  ich  mich  erinnere,  sind  damals  keine  entscheidenden 
Beschlüsse  erfolgt,  und  nach  der  auf  den  Krieg  im  Jahre  1809  statt- 
gefundenen Abtretung  Krains  an  Frankreich  hat  von  der  Unternehmung 
weiter  keine  Eede  mehr  sein  können.  Obwohl  nun  seit  der  ßevindication 
dieses  Landes  darin  eine  wesentliche  Aenderung  eingetreten  ist,  dass  Se. 
Majestät  die  ständische  Verfassung  in  diesem  Lande  nicht  wieder  herzu- 
stellen befunden  haben,  so  macht  dies  doch,  zumal  daselbst  ein  eigener 
Provinzialfond  gebildet  wurde  und  die  ausserordentliche  Gemeinnützigkeit 
des  Unternehmens  gar  nicht  in  Zweifel  gezogen  werden,  auch  es  hiebei 
sich  höchstens  nur  um  Vorschüsse,  keineswegs  aber  um  eine  bleibende 
Auslage  handeln  kann,  kein  wesentliches  Hinderniss  gegen  die  Wieder- 
aufnahme der  diesfälligen,  blos  durch  die  Zeitverhältuisse  unterbrochenen 
Verhandlungen  und  gegen  die  Anordnung  sorgfältiger  Erwägungen,  ob, 
wann  und  auf  welche  Art  die  Vorschläge  der  ehemaligen  Stände  zur  Aus- 
führung zu  bringen,  oder  was  sonst  zu  veranlassen  wäre,  aus.  Auf  jeden 
Fall  aber  ist  die  künftige  Eegulirung  der  Save  und  sohin  die  vorläufige 
Aufnahme  einer  Stromkarte  nicht  blos  rücksichtlich  des  Laufes  dieses 
Flusses  durch  Krain,  sondern  auch  in  Betreff  der  Strecke,  wo  er  Groatien 
durchschneidet  und  wo  er  die  Grenze  zwischen  Slavonien  und  dem  türki- 
schen Gebiete  bildet,  bis  zu  seinem  Ausflusse  in  die  Donau  bei  Semlin, 
insoferne  noch  keine  solchen  Karten  voi'handen  sind,  von  ungemeiner  Er- 
heblichkeit, nicht  nur  weil  in  gesegneten  Jahren  der  zum  Verkauf  nach 
Italien  bestimmte  banatische  Weizen  auf  einem  Theile  dieses  Flusses  strom- 
aufwärts gegen  Carlstadt  geführt  wird  und  diese  Schiffahrt  vielen  Gefahren 
und  Beschwerlichkeiten  unterliegt,  sondern  auch  weil  die  Save  in  Krain, 
im  Provinzial-Croatien ,  in  der  Banalgrenze  und  in  der  slavonischen 
Grenze,  besonders  in  dem  sonst  mit  einem  vortreif  liehen  Boden  begabten 
Gradiscaner  Regimente  sehr  oft  unglaubliche  Verheerungen  anrichtet  und 
die  Staatsverwaltung  sich  sodann  immer  in  der  unangenehmen  Alterna- 
tive befindet,  entweder  beträchtliche  Summen  auf  die  Unterstützung  der 
vorgedachten  drei  Grenzregimenter  verwenden  zu  müssen  oder  einen  Theil 
dieser  braven,  sowohl  zur  Sicherheit  der  Grenze  als  zur  Bewachung  des 
Sanitätscordons  unentbehrlichen  Mannschaft  erhungei-n  oder  auswandern 
zu  sehen. 


[103]  103 

Aber  nicht  die  Donau  allein  und  die  vom  Westen  her  sich  in  dieselbe    Die  Oonau- 
ergiessenden  Flüsse,  sondern  auch  jene,  die  ihr  vom  Osten  und  Norden   J'"'^""*'° 
zuströmen,  können,  wenn  man  sich  nicht  überaus  grossen  Uebeln  aus-       Maios, 
setzen  will,  nicht  noch  länger  vernachlässigt  werden.    Hieher  gehören       e^^s  und 
hauptsä-chlich  die  Maros,  die  Theiss  und  die  Waag.    Ausser  dem  Privat- 
verkehre sind  diese  drei  Flüsse  auch  für  das  Aerarium  wichtig,  weil  auf 
dem  erstereu  das  siebenbürgische  Salz,  auf  dem  zweiten  das  Marmaroser, 
auf  dem  dritten  das  Wieliczkaer  in  ungarische  Magazine  geführt  wird,  wobei 
nicht  selten  grosse  Hemmungen  und  selbst  Verluste  des  Materials  eintreten, 
und  besonders  auf  der  Maros  wegen  des  längere  Zeit  hindurch  gehindert 
gewesenen  Transports  manchmal  auch  selbst  schon  ein  Salzmangel  in  Un- 
garn entstanden  ist,  oder  diesem  nur  durch  Vermehrung  des  ungemein 
lästigen  und  kostspieligen  Achstransportes  abgeholfen  werden  konnte.  Von 
noch  weit  schlimmeren  Folgen  sind  aber  die  sc  häufigen  Ergiessungen 
dieser  Flüsse,  welche  grossentheils  die  gesegnetsten  Strecken  von  Ungarn 
verwüsten,  und  deren  gänzliche  Abwendung  oder  auch  nur  beträchtliche 
Verminderung  der  alljährlichen  Getreideproduction  einen  namhaften  Zu- 
wachs  verschaffen   und   folglich  selbst  auf  das  Allgemeine   wohlthätig 
wirken  würden.    In  Ansehung  dieser  drei  Flüsse  mögen  wohl  schwerlich 
entsprechende  Vorarbeiten  bestehen,  und  sowohl  in  diesem  Anbetrachte, 
als  auch  aus  anderen  Ursachen  kann  es  vor  der  Hand  wohl  nur  auf  die 
Verfassung  von  Stromkarten  und  andere  Erhebungen  ankommen ,  aus 
welchen  sich  erst  zeigen  w-ird,  von  welchem  Umfange  die  Arbeiten  sein 
werden,  die  unternommen  werden  müssten,  um  die  Schiffahrt  zu  erleich- 
tern und  den  verderblichen  Ueberschwemmungen  Schranken  zu  setzen. 
Da  der  erhöhte  Salzpreis  in  Ungarn  unter  andei-en  auch  die  Bestimmung 
hat,  die  mit  dergleichen  Arbeiten  verbundeneu  Kosten  zu  bestreiten,  so 
lassen  sich  dergleichen  Erhebungen  ohne  eine  Belastung  der  Staatsfinanzen 
bestreiten,  und  da  die  lange  erledigt  gewesene  Landesbaudirectorsstelle 
nun  mit  einem  thätigen  und  erfahrenen  Manne  besetzt  worden  ist,  so 
kann  man  sich  nun  auch  zweckmässige  Einleitungen  und  Anträge  ver- 
sprechen, die  früher  nicht  leicht  zu  erwarten  gewesen  sein  würden. 

Xicht  so  wie  mit  den  oben  genannten  Flüssen  verhält  es  sich  mit  Die  Jiarch. 
der  March.  Seit  einer  langen  Reihe  von  Jahren  ist  über  die  Schiffbar- 
machuug  derselben  theils  ämtlich,  theils  ausserämtlich  sehr  Vieles  ge- 
schrieben worden.  Ohne  bis  auf  das  Jahr  1785  zurückzugehen,  wo  Dorf- 
leutner  ein  Privilegium  auf  die  ausschliessliche  Befahrung  der  March 
gegen  die  Verbindlichkeit,  dieselbe  schift'bar  zu  machen,  erhielt,  welche 
Verbindlichkeit  er  aber  unerfüllt  Hess,  und  ohne  die  oft  wiederholten  An- 
träge des  bekannten  Grosshändlers  Schweiger  wegen  Schiffbarmachung 


104  [104] 

der  Maich  und  Veibiniliing  ilieses  Stromes  mit  der  Oder  in  das  Geilächt- 
niss  zurückzurufen,  weil  sie  ebenfalls  keine  weiteren  Folgen  hatten, 
können  doch  jene  Vorschläge,  welche  Wiebeking  während  der  Zeit,  wo 
er  als  Hofrath  in  österreichischen  Diensten  stand,  in  Beti'eff  der  Marcli 
gemacht,  und  jene  Modificationen,  welche  späterhin  der  Hofcommissions- 
lath  V.  Schemerl  in  Antrag  gebracht  hat,  sowie  die  zum  Theil  schon 
wirklich  mit  geringem  Aufwände  getroffenen  Vorbereituugsanstalten 
noch  nicht  in  Vergessenheit  gerathen  sein.  Diese  wahrscheinlicli  blos 
wegen  der  nie  lange  unterbrochenen  Kriege  zu  keiner  Eeife  gediehenen 
Verhandlungen  verdienten  jetzt  wohl  um  so  mehr  wieder  angeknüpft  zu 
werden,  als  der  Zweck  der  vorzunehmenden  Arbeiten  wenigstens  in 
spätei-en  Zeiten  hauptsächlich  dahin  ging,  eine  sehr  ausgedehnte  Strecke, 
die  jetzt  fortwährenden  Inundationen  ausgesetzt  ist,  für  immer  zu  ge- 
winnen, als  den  damaligen  Anschlägen  und  Berechnungen  zufolge  der 
Aufwand  sich  in  der  Folge  reichlich  auszahlen  würde,  und  als  sich  die 
grossentheils  sehr  vermöglichen  Interessenten  damals  herbeigelassen 
haben  sollen,  die  Kosten  der  Unternehmung  selbst  zu  bestreiten. 

Was  an  der  March  nur  durch  grosse  Kosten  den  Inundationen  ent- 
rissen w-erden  kann,  lässt  sich  an  kleineren  Strömen  und  Bächen  oft  mit 
sehr  einfachen  Arbeiten  und  solchen  Auslagen,  welche  die  Kräfte  eines 
Einzelnen  oder  weniger  Dominien  und  Gemeinden  nicht  übersteigen,  er- 
reichen, und  wenngleich  die  gewonnenen  Strecken  keinen  so  ausgebrei- 
teten Umfang  haben,  so  sind  sie  doch  oft  bedeutend  genug,  um  die  Unter- 
nehmer für  ihren  Aufwand  reichlich  zu  entschädigen.  Im  Brünner  und 
Olmützer  Kreis  sind  s(dche  Arbeiten,  welche  den  Ueberschwemmungen 
Einhalt  thun,  schon  wirklich  mit  gutem  Erfolge  unternommen  worden, 
und  das  Privatvermögen,  sowie  der  öffentliche  Wohlstand  gewinnt  in  dem 
Masse,  als  diese  Beispiele  i-eichliche  Nahrung  sowohl  in  Mähren,  als  in 
anderen  Provinzen  finden.  Da  sich  dei'  unmittelbare  Nutzen  auf  die  An- 
rainer und  nächsten  Umgebungen,  die  entweder  schon  Beschädigungen 
erlitten  haben  oder  wn  denselben  bedroht  sind,  beschränkt,  so  kann  es 
auch  nur  ihre  Sache  sein,  die  Kosten  der  Arbeiten  zu  tragen.  Aber  wegen 
des  mittelbaren  Nutzens  für  das  Allgemeine  lohnt  es  sich  doch  der  Mühe, 
solche  Unternehmer  da,  w'o  sie  es  wünschen,  mit  dem  Beistande  der 
Kunstverständigen  zu  unterstützen  uml  den  gelungenen  Unternehmungen, 
zur  Aufmunterung  für  Andere,  die  möglichste  Publicität  zu  geben. 
Die  Ueber-  Aucli  iii  Galizicu,  im  Lande  ob  der  Enns,  wo  besonders  die 

schwem-      frauu  oft  viel  Schaden  vei'ursacht  und  die  Salztraus))orte  von  Gmunden 

mnngsscliä- 

den  in  ande-   manchmal    schr   beschwerlich    sind,   in   Tirol   und   im   Königreiche 
ron Ländern,   jt^lien,  WO  dic  hohcu  Bcttc  der  Etsch  und  des  Po  schon  wirklich  viel 


[105]  105 

Unheil  stiften  und  noch  mehr  Besorgnisse  für  die  Zukunft  erregen, 
ausserdem  aber  die  vielen  reissenden  Gebirgsströme  nicht  selten  die 
juächtigsten  Saaten  zerstören,  lässt  sich  gewiss  des  Guten  und  Niitzlichen 
sehr  Vieles  thun.  Aber  sich  hierüber  in  eine  umständlichere  Erörterung 
einzulassen,  würde  gegen  den  Zweck  dieser  Blätter  sein,  da  meine  Ab- 
sicht keine  andere  war,  als  die  Gegenstände  zu  bezeichnen,  bei  welchen 
es  von  besonderer  Wiclitigkeit  ist,  unverzüglich  zu  den  saclidienlichen 
Verhandlungen  zu  schi-eiten,  oder  wo  schon  früher  Verlumdlungen  ge- 
pflogen worden  sind,  diese  wieder  in  Gang  zu  bringen.  Man  müsste  das, 
was  ich  hierüber  ei'wähnt  habe,  wohl  nur  eines  sehr  flüchtigen  Blickes 
gewürdigt  haben,  um  den  Vorwurf  daraus  abzuleiten,  dass  meine  Ideen 
viel  zu  umfassend  und  eben  darum  gar  nicht  haltbar  sind,  oder  dass  durch 
dieselben  die  Finanzen  in  übermässige  Auslagen  gerade  zu  einer  Zeit  ver- 
wickelt würden,  wo  sie  ohnehin,  selbst  auch  wenn  der  Zerrüttung  des  - 
Geldwesens  abgeholfen  werden  sollte,  noch  mit  vielen  Verlegenheiten  zu 
kämpfen  haben  würden.  Dass  ich  Anträge  dieser  Art  nicht  gemacht  habe, 
und  es  mir  nicht  beifallen  konnte,  sie  zu  machen,  geht  schon  ilaraus  her- 
vor, dass  ich  es  selbst  nur  gar  zu  wohl  fühle,  wie  Avenig  auch  nur  meine 
beschränkteren  Anträge  ohne  einen  längeren  Zeitverlust  zur  Ausführung 
gebracht  werden  können,  wenn  nicht  dem  in  die  Augen  fallenden  Mangel 
an  Wasserbauverständigen  wirksam  abgeholfen  wird.  Da  aber  dieser 
Gegenstand  mit  jenem,  den  ich  soeben  zu  berühren  vorhabe,  in  enger 
Verbindung  steht,  so  behalte  ich  mir  vor,  meine  Ansichten  hierüber  in 
dem  unmittelbar  nachfolgenden  Absätze  etwas  umständlicher  darzustellen. 

Unter  den  verschiedenen  Rubriken  des  Staatsaufwandes  sind  die  .staatsauf- 
Kosten,  welche  auf  Baulichkeiten  aller  Art  alljährlich  verwendet  werden, 
besonders  in  ruhigen  Zeiten,  wo  keine  Bauverbote  bestehen,  eine  der  be- 
deutendsten. Nur  allein  die  weiter  oben  individuell  angegebenen  Strassen- 
bauauslagen  von  Oesterreich  ober  und  unter  der  Enns,  Böhmen,  Mähren 
mit  Schlesien,  Galizien  und  Steiermark,  welche  Länder  noch  nicht  die 
Hälfte  der  Monarchie  ausmachen,  betrugen  in  einem  Jahre  zusammen 
7,556.029  fl.  Rechnet  mau  hiezu  den  Strassenbau  in  den  übrigen  Län- 
dern, der  besonders  in  Italien,  wo  die  Strassen  sich  vor  allem  Uebrigen 
auszeichnen,  nicht  anders  als  sehr  kostspielig  sein  kann,  die  hydraulischen 
Arbeiten,  welche  zwar,  wenn  nicht  vielleicht  Italien  eine  Ausnahme  macht, 
seit  mehreren  Jahren  nicht  ins  Grosse  getrieben  worden  sind,  aber  doch 
deren  mehrere  bald  hier,  bald  dort,  um  grössere  Nachtheile  zu  vei'hüten, 
alljährlich  vorgenommen  M'erden  müssen,  endlich  die  Gebäude,  deren  der 
Staat  und  die  unter  seiner  Leitung  stehenden  Fonds  so  viele  und  ver- 
schiedene, als:  Kirchen,  Schulgebäude,  Z(dlämter,  Salzämter,  Magazine 


wand  für 
Strassenbau. 


106  [106] 

aller  Ait.  (iasthöfe,  Forsthäuser,  Gefängnisse,  Fabriksgebäude,  insbeson- 
dere auch  bei  dem  Montanisticum  und  bei  dem  Tabakgefälle  u.  s.  w.  all- 
jährlich neu  erbauen,  umstalten  oder  auch  mit  grösseren  Kosten  herstellen 
zu  lassen  bemüssigt  ist,  so  ist  es  leicht  begreiflich,  um  was  für  Summen  von 
Millionen  es  sich  hier  handelt  und  wie  wenig  nach  den  Grundsätzen  einer 
wahren  Oekonomie  verfahren  wird,  wenn  man  sich  nicht  die  möglichste 
Sicherheit  verschaift,  dass  dringendere  Herstellungen  nicht  aufgehalten, 
dass  Alles  gut  und  dauerhaft  hei'gestellt,  dass  ungebühi-liche  Aufrechnun- 
gen und  andere  Unterschleife,  zu  denen  sich  hier  ein  so  weites  Feld  ött'uet, 
möglichst  vermieden  odei'  wenn  sie  ja  doch  stattfinden,  schnell  und  zuver- 
lässig entdeckt  werden  mögen. 

Wie  äusserst  unzureichend  die  gegenwärtig  vorhandenen  Mittel  zur  Er- 
reichung dieser  wichtigen  Zwecke  sind,  lässt  sich  leicht  anschaulich  machen. 
Zur  Prüfung  sowohl  der  Pläne  als  der  Vorausmasse  und  Ueberschläge  für 
jede  Bauführung,  die  den  Betrag  von  1 500  fl.  übersteigt,  mithin  für  alle  nur 
uothaiirath  etwas  erheblichon  besteht  ein  Hofbaurath  (und  Buchhaltung),  der  aus 
luiitung.'  1  Vorsteher,  3  Hofbaurätlien,  4  Eechnungsräthen,  1  llegistrator,  8  Rech- 
nungsofficialen  und  einigen  Diurnisten  zusammengesetzt  ist.  Dieses  kleine 
Gremium  muss  nicht  selten  wegen  Mangelhaftigkeit  der  einlangenden 
Arbeiten  ganz  neue  Pläne,  üeberscliläge  und  Vorausmasse  entwerfen. 
Es  muss  die  technischen  mit  den  Comptabilitätsai'beiten  vereinigen.  Es 
muss  öfters  bei  wichtigeren  Ai'beiten  und  wo  mau  es  sonst  nothwendig 
findet,  ein  und  das  andere  seiner  fähigeren  Individuen  auf  Jjocalerhebungen 
absenden  und  sie  solchergestalt  Monate  lang  entbehren.  Es  muss  manch- 
mal selbst,  was  zwar  freilich  wider  den  Begriff  einer  controlirenden  Be- 
hörde ist,  die  unmittelbare  Aufsicht  und  Leitung  von  grösseren  Bau- 
führungen übernehmen;  wie  dann,  um  nur  ein  Beispiel  anzuführen,  der 
Hofcommissionsi'ath  v.  Schemerl  soeben  den  Bau  des  polytechnischen 
Instituts  besoi'gt.  Unter  diesen  Umständen  konnten  auch  schon  bisher 
die  vielen  dem  Hofbaurathe  zukommenden  Einlagen  nicht  zu  rechter  Zeit 
abgefertigt,  sie  konnten  noch  weniger  durchgehends  mit  jener  Umsicht 
und  Genauigkeit  bearbeitet  werden,  welche  bei  dem  meistentheils  beträcht- 
licheren Aufwände,  der  mit  den  Bauführungen  verbunden  ist,  nievei'misst 
werden  sollte.  Schon  mehr  als  einmal  sind  aus  dem  längeren  Erliegen- 
bleiben der  Bauobjecte  wesentliche  Nachtheile  entstanden,  ohne  dass  des- 
halb dem  Hofbaurathe  bei  seiner  zu  beschränkten  Verfassung  etwas  zur 
Last  gelegt  werden  konnte.  Was  ich  aber  für  noch  ungleich  schädlicher 
halte,  ist  die  bei  den  soeben  geschilderten  Verhältnissen  von  selbst  ein- 
leuchtende Unmöglichkeit,  durch  Absendung  der  vorzüglicheren  Glieder 
.les  Hofbaurathes   in   die  Länder,  öftere  Nachsicht  über  die  Ai't,   wie 


[1071  107 

bedeutendere  Strassen-  und  Wasserarbeiten,  wie  ferner  andere  kostspieligere 
Baulichkeiten  ausgeführt  werden,  zu  pflegen  und  dadurch  den  Verschwen- 
dungen von  Hunderttausenden  vorzubeugen,  die  von  den  Werkführern 
aus  Eigennutz.  Fahrlässigkeit  oder  Ungeschicklichkeit  verübt  werden 
können. 

Wenn  nun  auch  die  Rückstände  des  Hofbaurathes  jetzt  nicht  mehr 
bedeutend  sind  und  dies  zu  der  Meinung  verleiten  dürfte,  dass  diese  Be- 
hörde bei  einer  massigen  Personalsvermehi'ung,  die  wegen  des  Länder- 
zuwachses unentbehrlich  ist,  sich  leicht  werde  in  einem  currenten  Ge- 
schäftsgange erhalten  können,  so  würde  sich  blos  dadurch  die  vorbemerkte 
im  Grunde  wirksamste  Controle,  nämlich  jene  Localerhebungen  im  Zuge 
stehender  Strassen-,  Wasser-  und  Gebäudearbeiten,  schon  niemals  er-, 
reichen  lassen.  Es  dringt  sich  aber  nebstbei  die  Betrachtung  von  selbst 
auf,  dass,  wenn  man  sich  mit  der  Prüfung  neuer  Strassenanlagen,  mit 
den  Vorarbeiten  zur  Regulirung  der  Flüsse  und  zu  anderen  grösseren 
hydraulischen  Arbeiten  nun  ernstlicher  beschäftigen  will,  die  Geschäfte 
des  Hofbaurathes  au  Menge  und  Wichtigkeit  bedeutend  zunehmen  und 
öftere  Exmissionen  seiner  Glieder  unumgänglich  nothwendig  werden 
müssen,  dass  also,  woferne  nicht  derselbe  eine  dem  Umfange  seiner  Ver- 
richtungen entsprechende  Organisation  erhält,  statt  eines  thätigen  Be- 
triebes, von  welchem  allein  günstige  Resultate  und  vortheilhafte  Eindrücke 
bei  dem  Publicum  zu  erwarten  sind,  nichts  als  Stockungen  und  Hem- 
mungen eintreten  werden.  Es  müsste  also  unter  Eröffnung  der  Absichten, 
die  erreicht  werden  sollen,  dem  General- Rechnungsdirectorium 
aufgetragen  werden,  im  Einverständnisse  mit  der  vereinigten  Kanzlei, 
mit  der  Centralorganisirungs-Hofcommission  und  mit  der  Hof- 
kammer den  reiferwogenen  Vorschlag,  wie  der  Hofbaurath  zu  diesem 
Ende  zweckmässig  zu  organisiren  wäre,  zu  entwerfen  und  der  Aller- 
höchsten Schlussfassung  zu  unterziehen. 

Mit  diesem  Vorschlage  müsste  aber  zugleich  ein  zweiter,  nämlich 
jener,  wie  sich  dem  Mangel  an  Kunstverständigen  abhelfen  lasse,  in 
Verbindung  gebracht  werden.  Nichts  kann  wohl  weniger  zweifelhaft  als 
dieser  Mangel  sein,  der  sich  in  solch  einem  Grade  äussert,  dass  man  schon 
mit  der  Besetzung  der  jetzt  bestehenden,  erprobtermassen  selbst  schon 
für  die  gegenwärtigen,  um  so  viel  mehr  also  für  die  zukünftigen  Ge- 
schäfte dieser  Behörde  bei  Weitem  unzulänglichen  Dienststellen  öfters  in 
grosse  Verlegenheiten  kommt  und  nicht  selten  sich  mit  halb  brauchbaren 
Bewerbern  behelfen  muss,  weil  keine  ganz  brauchbaren  zu  finden  sind. 
Dass  es  im  Allgemeinen  bei  den  Baudirectioneu  um  nichts  besser  steht, 
und  dass  wohl   nur  der  kleinere  Theil  der  Kreisingenieurs  jene  Kennt- 


108  [108] 

Mängpi  der  nisse  iiiid  sonstigeii  Eigenschaften  wirklich  besitzt,  die  zur  entsprechen- 
tcherKii-'  ''®'^  Besorgung  ihrer  vielseitigen  Geschäfte  erforderlich  sind,  lässt  sich 
(lungsanstai-  uiü  SO  zuvcrsiclitlicher  annehmen,  als  die  Bildungsanstalten  für  das  eben 
''^Haufach"*  SO  ausgedehnte  als  wichtige  Fach  der  Baukunst  in  den  älteren  Ländern 
der  österreichischen  Monarchie  noch  bis  zur  Stunde  sehr  mangelhaft  sind, 
rnusscn.  In  Preussen,  wo  mehr  Geist  der  Sparsamkeit  als  der  Unwirthschaft 

10  ei  inoi  j^pj.j.gpjjj.  jjjjjj  ^r,)  j,|;ij^  sicher  nicht  aufgelegt  ist,  bedeutende  Kosten  auf 
iiiic.  überlliissige  Lehranstalten  zu  wenden,  werden  an  der  Berliner  Bau- 
akademie, welche  eine  ünterabtheilung  der  Akademie  der  Künste  aus- 
macht, den  Schülern  der  Baukunde  in  4  Jahren  von  15  verschiedenen 
Professoren,  die  meistenthcils  Glieder  des  Baudepartement  sind,  fol- 
gende Gegenstände  vorgetragen:  1.  Arithmetik;  2.  Algebra;  3.  Geometrie, 
Trigonometrie,  Stere(»metrie;  4.  Optik;  .5.  Perspective;  6.  Nivelliren; 
7.  Statik;  8.  Hydrostatik;  9.  Mechanik;  10.  Hydraulik;  11.  Maschinen- 
lehre; (alles  dieses  mit  besonderer  Eücksicht  und  praktischer  Anwendung 
auf  das  Baufach) ;  12.  Bauphysik;  13.  Bauconstruction ;  14.  ökonomische 
Landbaukunst;  15.  Stadtbaukunst;  16.  Strombaukunst;  17.  Geschichte 
der  Baukunst;  18.  Schleusen-,  Hafen-,  Brücken-  und  Strassenbau- 
kunst;  19.  Geschäftsstyl ;  20.  feine  Handzeichnung;  21.  architektonische 
Zeichnung;  22.  Situations-  und  Kartenzeichnung;  23.  Maschinen- 
zeichnung, 
veibesse-  Ohne  in  die  ausser  meinem  Gesichtskreise  liegende  Frage  einzu- 

Lehranstoi-    o^^^^)  ob  uicht  bei  dicsom  Systeme  die  einzelnen  Lehrämter  gar  zu  be- 
ten im  inter-   schränkt  uud  darum  der  Lehrer  mehrere  sind,  als  wirklich  nothwendig  ist, 

esse  eines     ^^^^.^  ^^^^^  ^    j^  zugcben  müsson,  dass  diejenigen,  welche  sich  in  der  Bau- 
umfassende-  °  '  J       o     ' 
len  Unter-    kuust,  nach  dem  ausgedehnteren  Sinne  des  Wortes,  vervollkommnen,  oder 

die  sich  auch  nur  in  allen  Zweigen  dieser  Kunst  brauchbar  machen,  um 
so  mehr  also  die  in  der  Folge  an  der  Leitung  und  Aufsicht  über  Bau- 
gegenstände theilnehmen  wollen,  solch  eines  umfassenderen  Unterrichts 
schwer  entbehren  können.     Dass  sie  diesen,  dass  sie  sogar  einen  weit 
Die  Wiener    dürftigeren  und  man  dai'f  sagen  den  unentbehrlichsten  gegenwärtig  in  der 
hüd^nd^       Hauptstadt  nicht  finden,  ist  notorisch,  da  weder  die  Akademie  der  bilden- 
Künste  und    den  Küustc,  noch  das  neugegründete  polytechnische  Listitut  die  Gelegen- 
ortcchni*^    heit,  sich  einen  vollständigen  und  zusammenhängenden   Unterricht  zu 
scheiustitiit.   erwcrbcn,  dermal  darbieten. 

In  der  That  sind  es  meistentheils  Zöglinge  der  Prager  polytech- 
nischen Schule,  welche  sich  als  Bewerber  um  Anstellungen  mit  einer 
besseren  Vorbereitung  bei  dem  Hofbaurathe  einfinden  und  diese  bessere 
Die  Präger     Vorbereitung  duixli  die  J^i'üfnngen,  welche  dort  mit  jedem  Competenten 

polytechni-  ,        ..,  ,,•  c  ,        '     i-    i        •   i  i     i        i 

schcSchuic.    vorgenommen  werden,   bewahi-en.    Lm  umtassendei'ci'   unterncht  dui-cli 


[109] 


109 


Ergänzung  jener  Lehrgegenstäude,  welche  nach  dem  Urtheile  der  Kunst- 
verständigen und  der  darauf  zu  gründenden  sorgfältigen  Prüfung  des  Er- 
fordernisses als  unerlässlich  werden  befunden  werden,  scheint  also,  um 
einem  bisher  so  oft  gefühlten  und  gewiss  auch,  ohne  dass  man  es  wusste, 
theuer  genug  bezahlten  Gobrechen  abzuhelfen,  nicht  blos  höchst  wünschens- 
werth,  sondern  wahrhaft  nothwendig,  und  das  polytechnische  Institut 
wohl  ungleich  mehr  als  die  Akademie  der  bildenden  Künste  dazu  geeignet 
sein,  für  diesen  umfassenderen  Unterricht  gewidmet  zu  werden. 

Wird  aber  auch  hiedurch  die  Möglichkeit  einer  vollkommen  theore- 
tischen Ausbildung  für  angehende  Baubeamte,  deren  der  österreichische 
Staat  so  viele  bedarf,  hergestellt,  so  bleibt  es  doch,  da  bei  keinem  Fach 
mehr  als  bei  diesem  Theorie  und  Praxis  Hand  in  Hand  gehen  muss,  noch 
immei-  nothwendig,  dafür  zu  sorgen,  dass  diejenigen,  welche  bei  dem  Hof- 
baurathe  und  Buchhaltung  angestellt  werden,  nicht  blos  zu  Bureauarbeiten 
verwendet  werden,  sondern  von  Zeit  zu  Zeit  auch  die  Gelegenheit,  sich 
praktisch  zu  üben,  erhalten;  was  auf  den  Fall,  wenn  Glieder  des  Hofbau- 
raths  zur  Bereisung  der  Gegenden,  wo  wichtigere  Bauarbeiten  im  Werke 
sind,  oder  wenn  sie  manchmal  auch  selbst  zur  Ausführung  wichtigerer 
solcher  Anstalten  verwendet  werden,  durch  Beigebung  dieser  jüngeren 
Beamten  am  füglichsten  geschehen  kann. 

Damit  endlich  die  Regierung  die  ihr  gewiss  nicht  gleichgiltige  voll- 
ständige Uebersicht  erlange,  was  der  Staat  alljährlich  auf  Bauführungen 
aller  Art,  sohin  nicht  blos  auf  Strassen-  und  hydraulische  Arbeiten,  son- 
dern auch  auf  architektonische  Objecte  verwendet  hat,  wäre,  da  in  der 
Regel  nur  solche,  deren  Beköstigung  einzeln  über  1500  fl.  betragen,  zum 
Hofbaurathe  gelangen,  die  übrigen  aber  wegen  ihrer  grossen  Zahl  im 
Ganzen  eine  sehr  bedeutende  Summe  betragen,  die  Einleitung  zu  treffen, 
dass  auch  letztere  von  den  Baubuchhaltungsdepartements  in  den  Ländern 
alljährlich  ausgewiesen  und  die  Ausweise  dem  Hofbaurathe  eingesendet 
werden,  um  die  Summarien  verfassen  zu  können.  Sollen  diese  Summarien 
aber  Alles  enthalten,  was  nur  immer  von  Seite  des  Staates  hergestellt 
worden  ist,'  so  müsste  ein  ähnlicher  Ausweis  auch  von  dem  Baudeparte- 
ment der  Hof kriegsbuchhaltung ,  welches  mit  dem  Hofbaurathe  in  gar 
keiner  Verbindung  steht,  eingereicht,  es  müsste  ferner  die  ungarische 
Hofkammer,  die  Statthalterei ,  das  siebenbürgische  Guberuium  und  das 
siebenbürgische  Thesaurariat,  es  müsste  selbst,  so  lange  die  dermalige  \ev- 
fassung  in  den  italienischen  Provinzen  besteht,  das  Mailänder  und  das 
Venediger  Gubernium  zur  Anordnung  und  Einsendung  ähnlicher  Ver- 
zeichnisse angewiesen  wei'den.  Erst  bei  solch  einer  Totalübersicht  wird 
man  die  ungeheure  Summe,  welche  die  ßauführungen    alljährlich  ver- 


Praktiscbe 
Uebiing  der 
Baubeamten. 


Ausweise  der 
ärariscben 
Bauführun- 
gen von  Seite 
derBaubuch- 
haltungs- 
departe- 
ments  in  den 

einzelnen 
Ländern  zur 
Evidenzbal- 
tung  des  Auf- 
wandes. 


110 


fiio] 


Postwesen. 


Das  Auslanil: 

England, 

Frankreii'li, 

Italien. 

Das    Papier- 
geld in 
seinem    Ein- 
flüsse. 


Die  Ritt- 
(relder. 


Uebergrifl't 
der  Post- 
knechte. 


jschlingon.  zuvorlässig  crt'aliroii  iiiul  inicli  das  \'oi-hältniss.  in  welchem 
die  Länder  diesfalls  gegen  einander  stehen,  gehörig  beurtheilen  können. 
Eben  so  laut  und  allgemein  wie  über  die  Strassen,  sind  die  Klagen 
der  Weisenden  über  die  Posten;  und  dass  es  nicht  immer  so  war,  dass 
man  einst,  wenigstens  auf  den  vorzüglicheren  Routen,  sehr  gut  befördert 
worden  ist,  weiss  Jeder,  der  in  früheren  Zeiten  öftere  Keisen  zu  machen 
Gelegenheit  hatte.  Die  Bedienung  der  Reisenden  von  Seite  der  Postämter 
steht  nicht  nur  allein  jener  in  England,  in  Frankreich,  in  Italien 
u.  s.  w.  l)ei  Weitem  nach,  soudei-ii  selbst,  au(;h  in  mehreren  deutschen 
Staaten  ist  man  nunmehr  bei  Reisen  mit  Extrapost  ungleich  besser  als  in 
den  älteren  österreichischen  Ländei'ii  daran.  Unsti'eitig  hat  diese  Ver- 
schlimmerung eines  höchst  wichtigen  Zweiges  des  öifentlichen  Dienstes 
in  dem  Pajtiergelde  ihren  vorzüglichsten  Grund,  und  ohne  jeden  einzelnen 
Postmeister  von  aller  Schuld  lossprechen  zu  wollen,  kann  man  bei  einer 
aufmerksameren  Erwägung  des  Gegenstandes  weniger  begreifen,  wie 
mehrere  von  ihnen  noch  so  Vieles  leisten,  als  dass  man  Ursache  hätte,  sie 
durchgehends  oder  dem  grösseren  Theile  nacli  als  pflichtvergessene  Leute 
anzuklagen.  Seit  dem  Zeitpunkte,  wo  das  Papiergeld  beträchtlicher  in 
seinem  Werthe  zu  sinken  begann,  sind  zwar  die  Rittgelder  einige  Male 
erhöht  worden,  aber  diese  Erhöhungen  wurden  selten  zu  rechter  Zeit 
und  noch  seltener  nach  einem  richtigen  Verhältniss  vorgenommen.  Wie 
man  45  kr.  für  das  Pferd  auf  einer  einfachen  Post  bezahlte,  galt  der 
Hafer  eben  so  viel  oder  höchstens  1  fl.  per  Metzen.  Jetzt  steht  der  Hafer 
in  den  deutschen  Ländern  theils  zu  7  bis  8  fl.,  theils  zu  9  und  10  fl., 
theils  selbst  zu  11  und  12  fl.  Dessungeachtet  wird  durchgehends  nur  3  fl. 
für  das  Pferd  und  die  einfache  Post  bezahlt.  Ein  richtigerer  Massstab 
für  die  Auslagen  der  Postmeister  als  der  Preis  des  Futters  lässt  sich  doch 
wohl  nicht  aufflnden.  Wie  sehr  sich  also  ihre  Lage  gegen  zuvor  ver- 
schlimmert habe,  fällt  in  die  Augen.  Offenbar  gehören  daher  die  Post- 
meister in  die  grosse  Zahl  derjenigen,  welche  unter  den  gegenwärtigen 
Verhältnissen  leiden.  Von  den  Reisenden  stellen  wohl  nur  die  wenigsten 
solche  Betrachtungen  an.  Sie  sind  unzufrieden  mit  der  gegen"  die  Vorzeit 
minder  guten  Bedienung,  ohne  zu  bedenken,  dass,  wenn  der  Postmeister 
damals  den  Werth  von  1  ^  2  bis  2  Metzen  Hafer  für  2  Pferde  und  eine  ein- 
fache Post  erhielt,  ihm  jetzt  nirgendwo  der  Werth  von  1,  hie  und  dort  aber 
selbst  nicht  von  2/3  Metzen  zu  Theil  wird.  Dagegen  haben  sich  die  Post- 
knechte auf  den  meisten  Strassen  eine  mehrere  Annäherung  gegen  das 
frühere  Verhältniss  ertrotzt,  da  sie  sich  schon  kaum  mein-  mit  einem  Trink- 
gelde,  was  der  Hälfte  des  Postgeldes  gleichkommt,  begnügen.  Solche  Forde- 
rungen fallen  nothwendig  einheimischen  und  fremden  Reisenden  auf,  und  es 


11111  lll 

kaua  bei  iliiieii  wohl  keine  günstige  Mciuung  für  die  im  Pustilieaste  be- 
stehende Aufsicht  und  Oidnung  erwecken,  wenn  sie  ilie  unangenehme  Er- 
fahrung machen,  dassman  ungleich  bessere  Trinkgehler,  als  was  taxmässig 
vorgeschrieben  ist,  geben  und  dessungeachtet  sich  Unbilden  aussetzen  kann. 

So  w^ahr  und  unwidersprechlich  diese  Thatsachen  sind,  so  wird  doch 
eine  massgebende  Abhilfe,  so  lange  das  Papiergeld  dauert,  schwerlich  ge-  Die  Nach- 
troffen werden  können.  Eine  Erhöhung  der  Rittgelder  ist  bei  dem  der-  jjerrsche" 
maligeu  Preise  der  Fourage  wohl  sehr  billig;  aber  wenn  man  ganz  wieder  denOeidver- 
zu  dem  früher  bestandenen  Verhältniss  zurückkehren  wollte,  was  nach 
dem  massigsten  Anschlag  eine  Verdopplung  der  Eittgelder  nach  sich  ziehen 
würde,  so  stünde  zu  besorgen,  dass  viele  Keisende  statt  der  Post  sich 
anderer  Fuhrwerke  bedienen,  dass  Lust-  und  andere  nicht  absolut  noth- 
wendige  Reisen  aufgegeben  werden,  dass  dadurch  die  Postmeister  in  eine 
noch  üblere  Lage,  als  ihre  gegenwärtige  ist,  kommen  wüi'den.  Leider  ist 
nun  einmal  das  fiüher  während  einer  langen  Reihe  von  Jahren  zwischen 
den  verschiedenen  Preisen  bestandene  Verhältniss  in  einem  überaus  hohen 
Grade  gestört.  An  eine  vollkommene  Wiederherstellung  desselben  ist 
während  der  Dauer  der  Zerrüttung  dei'  Geld  Verhältnisse  um  so  weniger 
zu  denken,  als  nur  erst,  wenn  diese  Verhältnisse  geordnet  sind,  statt  der 
schwankenden  Valuta  es  wieder  einen  festen  Anhaltspunkt  geben,  sohin 
auch  erst  dann  die  Möglichkeit  eintreten  wird,  <lass  sich  auch  die  ver- 
schiedenen Preise  wieder  allmälig  in  eine  Art  von  Gleichgewicht  setzen. 
Bis  dahin  scheint  kaum  etwas  Anderes  übrig  zu  bleiben,  als  dass  man  ein 
gar  zu  beträchtliches  Missverhältniss,  w-as  jetzt  wirklich  der  Fall  ist,  ver- 
hüte, dass  man  ebenso  auch  die  Trinkgelder  mit  gehöriger  Würdigung 
der  gegenwärtigen  Umstände  erhöhe,  sodann  aber  auch  alle  ungebührlichen 
Anmassungen  der  Postknechte  streng  bestrafe. 

Ist  das  erste  und  w^esentlichste  Postulat,  dass  der  Postmeister,  der 
in  seinen  Hauptbeziehungen  dem  Staate,  zugleich  aber  auch  den  Reisen- 
den, deren  Beförderung  ihm  obliegt,  dient,  gehörig  bestehen  könne,  er- 
füllt, dann  kann  die  Staatsverwaltung  auch  um  so  fester  daiauf  halten, 
dass  der  Postmeister  auch  seine  Pflichten  pünktlich  erfülle.  Xicht  blos 
die  schlechte  Bedienung  der  Eeiseiiden,  auch  der  nicht  selten  sehr*  lang- 
same und  unordentliche  Gang  der  Briefpost  gibt  zu  Beschwerden  An- 
lass.  Verluste,  selbst  wenn  auch  nur  wesentlich  verspätete  Bestellungen  D'«  ßricf- 
von  Briefen  bringen  oft  erhebliche  Nachtheile  hervor,  und  wenn  man  den 
Handel  mehr  emporheben  will,  muss  für  die  möglichste  Genauigkeit  bei 
Beförderung  der  Correspondenz  wirksamst  gesorgt  werden. 

Ein  neues  verschärftes  Regulament   ist   zur  Belebung  des  Post-   EiunenesRe- 
dienstes  in  allen   seinen  Zweigen  wohl  ein  Bedüjfniss.    Dem  A'eruehmen      g"a™ent 

°  nothwendig. 


112 


[112] 


Venval- 
tungs-  und 

Uebei- 

wachungs- 

äintcr. 


Erhöhung  d. 
Postgefälles. 


uacli  .soll  der  Eutwurf  dazu  scliuii  laiiü;e  gemacht  worden  sein,  aber  die.ser 
Gegenstand  noch  immer  in  der  Verhandlung  schweben. 

Wären  aber  auch  die  diesfälligen  Anordnungen  noch  so  bündig  und 
ei'schöpfend,  so  kann  ich  mir  doch  von  iler  blossen  Aufsicht  der  Postver- 
waltungen, selbst  nacli  dem,  was  die  Erfahrung  darüber  gelehrt  hat,  jene 
Kraft  und  Wii-ksamkeit  nicht  versprechen,  die  hinlänglich  wäre,  um  für 
einen  vollkommen  entsprechenden  Erfolg  dieses  wichtigen  Admiuistrations- 
zweiges  Gewähr  zu  leisten.  Schwerlich  wird  eine  andere  Wechselwahl 
übrig  bleiben,  als  entweder  nach  dem  Beispiele  anderer  Staaten  eine 
G  e  n e r  a  1  -  P 0 s  t  d  i r  e  c t  i 0  n  zu  errichten,  oder  doch  wenigstens  einige  P  o  s  t- 
visitationscommissäre  aufzustellen,  welche  die  verschiedenen  Routen 
abwechselnd  zu  bereisen,  die  Postverwaltungen  und  Postämter  zu  ihrer 
Schuldigkeit  anzuhalten,  alle  entdeckten  Gebrechen  sogleich  anzuzeigen 
und  die  Aufträge,  welche  ihnen  die  administrirende  Hofstelle  sonst  zu  er- 
theilen  befinden  wird,  zu  vollziehen  hätten.  Ich  brauche  es  wohl  nicht 
erst  zu  erinnern,  in  was  für  einem  Zustande  sich  das  Postwesen  insbe- 
sondere in  LFngarn  befindet,  wo  es  doch  der  Postverwaltungen  genug  gibt. 
Solch  ein  Dienst,  wie  jener  der  Posten,  kann  nach  meinem  Dafürhalten 
durch  blosse  Dicasterialleitung,  wenn  sie  auch  an  und  für  sich  gut  ist,  und 
durch  die  Aufstellung  solcher  Controlore,  die  wie  die  Postverwalter  in 
gar  zu  naher  Berührung  mit  den  zu  Controlirenden  sind,  nicht  hinläng- 
lich im  Auge  gehalten  werden;  es  muss  noch  eine  lebendigere  Aufsicht 
und  wirksamere  Controle  eintreten ,  es  muss  der  leitenden  Behörde  das 
Mittel  zu  Gebote  stehen,  wenn  sie  es  nothwendig  findet,  nicht  blos  diesen  oder 
jenen  abgerissenen  Bezirk,  sondern  eine  ganze  Route  durch  solche  Indi- 
viduen, die  sonst  in  gar  keinen  Verhältnissen  mit  den  Postmeistern  stehen, 
inspiciren  zu  lassen  und  dadurch  gleichsam  mit  eigenen  Augen  zu  sehen. 

Kommt  es  übrigens,  wie  aus  der  soeben  vorgenommenen  Erhöhung 
des  Salz-  uml  Tabakgefälls  und  aus  den  schon  durch  das  fortwährende 
Sinken  des  Papiergeldes  sich  vermehrenden  Geldbedürfnisse  der  Staats- 
verwaltung zu  schliessen  ist,  auch  auf  eine  Erhöhung  des  Postgefälls 
an,  so  wäre  wohl  sehr  zu  wünschen,  dass  statt  des  durchgehends  gleichen 
Poi'tos  eiiillich  einmal,  wie  es  in  anderen  Ländern  besteht,  der  Billigkeit 
angemessen  und  dem  Gefälle  wegen  Verminderung  dei'  Briefschwärzungen 
nützlich  ist,  die  Entfernungen  beachtet  und,  ohne  sich  deshalb  in  gar  zu 
viele  Abstufungen  einzulassen,  bei  Bestimmung  des  Portos  ein  Unterschied 
zwischen  nahen  und  entfernten  Correspondenzen  gemacht  werde.  Diesei- 
Unterschied  liegt  zu  sehr  in  der  Natur  der  Sache,  als  dass  man  sich  durch 
die  Besorgniss  einer  Missbilliguug,  die  hier  offenbar  nur  gi-undloser  Tadel 
wäre,  davon  abhalten  lassen  sollte. 


[113]  IIP, 

Einen  gleich  schäilliclien  Einlluss  wie  auf  ilas  Postwesen  hat  die 
lange  Dauer  und  der  hohe  Grad  unserer  Geldzerrüttung  auf  alle  öffent- 
lichen und  auf  sehr  viele  Privatanstalten  gehabt.  Von  denjenigen, 
welche  in  älteren  Zeiten  Stiftungen  machten,  haben  die  wenigsten  auch  Ocffentiich? 
nur  auf  den  einfachen  und  gewöhnlichen  Umstand,  der  auch  ohne  die  anstauen. 
Dazwischenkunft  dieser  Zerrüttung  immer  eingetreten  wäre,  nämlich  auf  ^  '*'<' 
das  allmälige  Steigen  der  Preise  und  die  daraus  entspringende  Unmög- 
lichkeit, mit  einer  bestimmten  Geldsumme  in  späteren  Jahren  das  Xäm- 
liche  zu  leisten,  was  in  früheren  Jahren  geleistet  werden  konnte,  Rücksicht 
genommen.  So  haben  z.  B.  die  Meisten,  welche  Klöster  odei-  Stipendien 
stifteten,  weil  damals  ein  gemeinschaftlich  lebender  Geistlicher  mit  200  fl. 
auslaugen,  ein  Student  sich  mit  100  fl.  durchbringen  konnte,  vorausge- 
setzt, dass  diese  Möglichkeit  nie  aufhören  wird,  was  doch  selbst  bei  der 
ununterbrochenen  Fortdauer  der  Metallmünze  der  Fall  nicht  gewesen  sein 
würde.  Wenn  schon  hieraus  nothwendig  manche  Unzukömmlichkeiten 
entspringen  mussten,  so  kommen  sie  doch  denjenigen  bei  Weitem  nicht 
gleich,  die  sich  nunmehi-  äussern,  w'o  zu  dem  gewöhnlichen  progi'essiven 
Steigen  der  Preise  auch  jenes,  was  in  der  Zerrüttung  der  Geldverhältnisse 
seinen  Grund  hat,  hinzugetreten,  und  überdies  bei  einem  grossen  Theile 
dieser  Institute  selbst  das  Stammvermögeu  gewaltig  erschüttert  worden  ist. 
Ausser  den  Anstalten,  welche  die  bürgerliche  Gesellschaft  der  Privat- 
wohlthätigkeit  verdankt,  sind  durch  die  Fürsorge  der  Begenten  öffent- 
liche, zum  Theil  ungemein  beträchtliche  Fonds  für  Kirchen,  Schulen, 
Kranken-  und  Armenanstalteu  errichtet  worden,  welche  durch  Aufliebung 
des  Jesuitenordens  und  anderer  Klosterherrschaften  Güter,  Gebäude  und 
Capitalien  erhielten,  denen  auch  einige  Privatstiftungen  und  andere  Zu- 
flüsse einverleibt  wurden  und  welche  die  Mittel  darboten,  jene  Anstalten 
verschiedener  Gattung,  deren  ein  cultivirter  Staat  unumgänglich  bedarf, 
gehörig  zu  unterhalten,  ohne  dass  es  nothwendig  war,  ilie  Finanzen  mit 
diesem  Untei halte  zu  belasten,  das  heisst,  ohne  wegen  des  Unterhaltes 
dieser  Anstalten  die  Steuern  und  Gefälle  vermehren  zu  müssen.  Da  ein  Die  Lage 
grosser  Theil  des  Vermögens  dieser  Fonds  aus  Capitalien  besteht,  wovon  tursfonde 
die  Zinsen  im  Papiergelde  entrichtet  wurden,  so  befanden  sich  die  Fonds 
rücksichtlich  dieses  Theils  ihres  Vermögens  schon  lange  in  der  nämlichen 
misslichen  Lage  wie  alle  diejenigen,  welche  von  trockenen  Renten 
leben,  und  seit  der  IJeduction  der  Interessen  hat  sich  diese  Lage 
bedeutend  verschlimmert.  Darum  ist  schon  seit  geraumer  Zeit  die 
Xothwendigkeit  eingetreten,  theils  dass  sich  die  Fonds  gegenseitig, 
theils  dass  selbst  die  Finanzen  den  Fonds  mit  Vorschüssen  aushelfen 
mussten. 

8 


114  [114] 

Die  Vor-  In  der  Altonuitivo,  eutwoilor  .solche  Hilfen  zu  leisten,  oder  Zwecke, 

dV'Fo'nds"  '^'^  vvelchen  dem  Staate  wesentlich  gelegen  ist,  unerreiclit  zu  lassen,  mag 
un.i  (leren  zwar  nichts  Anderes  als  die  Verabreichung  von  Vorschüssen  zu  thun  übrig 
'Kee"iir"unr  S'^hliobeu  sciu.  Aber  «la  wenigstens  bei  einigen  Fonds  nicht  abzusehen 
ist,  wie  ihrer  Unzulänglichkeit  ohne  neue  Zuflüsse  oder  ohne  namhafte 
Beschränkung  der  Auslagen  gesteuert,  um  so  weniger  also,  wie  die  Vor- 
schüsse zurückei'stattet  werden  könuton.  überhaupt  aber  iler  ganze  Bestand 
der  rdlVutlichen  Fonds  und  ilir  früheres  Verhältuiss  zu  den  auf  jeden  der- 
selben haftenden  Lasten  durch  die  Zcitverliültnissc  zeri'üttet  worden  ist. 
und  es  bei  ihrer  höchst  wichtigen  Bestimmung  wesentlich  daran  liegt, 
dass,  wenn  das  Geldwesen  in  Ordnung  gebracht  wird,  auch  bei  den  Fonds 
wieder  das  Gleichgewicht  zwischen  ihren  Einnahmen  und  Auslagen  her- 
gestellt, dort  aber,  wo  sie  grösserer  Unterstützung  unumgänglich  bedürfen, 
ihnen  diese,  ohne  deshalb  die  Staatsfinanzen,  zumal  wenn  letztere  hierauf 
nicht  dotirt  sind,  in  Anspruch  zu  nehmen,  verschafft  werden,  so  scheint 
es  W(dil  schon  an  der  Zeit  zu  sein,  hiezu  die  nöthigen  Voreinleituugen  zu 
treffen,  die  nach  meinem  Dafürhalten  vorzüglich  darin  bestehen  dürften, 
dass  in  Ansehung  jedes  einzelnen  Fonds  eine  detaillirte  LJebersicht  sowohl 
seines  früheren  Vermögens,  als  der  Veränderungen,  die  dasselbe  bis  zu 
dem  gegenwärtigen  Zeitpunkt  erlitten  hat,  sohin  seines  dermaligeu  Be- 
standes, des  Gesammtbetrages  der  erhaltenen  Vorschüsse  und  der  Lasten, 
die  entweder  bleibend  oder  nur  vorübergehend  auf  den  Fonds  haften,  ver- 
fasst  werde.  Auf  diese  Grundlage  lässt  sich  die  Regulirung  jedes  einzelnen 
Fonds,  oder  wenn  man  es  angemessener  finden  sollte,  die  Fonds  zu  com- 
massiren,  die  Regulirung  des  allgemeinen  Fonds  mit  Zuverlässigkeit  bauen, 
sobald  die  Geldverhältnisse  geordnet  sind. 

Ausser  der  individuellen  Prüfung  der  Lasten,  die  jedem  Fond  ob- 
liegen, ob  sie  nämlich  ganz  wie  bisher  zu  verbleiben,  oder  welche  Modiü- 
cationen  dabei  einzutreten  hätten,  und  der  Erhebung,  in  welchem  Ver- 
hältnisse diese  Lasten  zu  den  Kräften  des  Fonds  stehen  werden,  wäre 
aber  auch  der  sorgsamste  Bedacht  auf  jene  Vereinfachungen  zu  nehmen, 
die  sich,  ohne  der  schnellen  Uebersicht  und  der  Genauigkeit  zu  schaden, 
anbringen  lassen.  Denn  die  Verwicklungen  sind  allenthalben  so  gross 
geworden  und  tragen  dei'gestalt  zur  Vermehrung  der  Gescliäfte  bei,  dass 
man  den  täglich  wachsenden  Schwall  am  Ende  gar  nicht  mehr  zu  be- 
zwingen im  Stande  sein  wird. 

Viele  unter  den  Anstalten,  welche  ihren  Unterhalt  nicht  aus  den 
öffentlichen  Fonds  erhalten,  sondern  theils  von  Privatstiftungen,  theils 
vom  Sammeln,  theils  von  anderen  ungewissen  Zuflüssen  subsistiren,  darben 
seit  einij^-er  Zeit  in  einem  Gi'ade,  iler  allen  Begriff  üliorsteigt.    Mehrere 


[115]  115 

(lerselben,  die  sich  mit  der  Eizichunj?,   mit  dem   Uutenielite,  mit  der       Privat- 
Kiankeupflege  beschäftigen,  gehören  zu  den  gemeinnützigen  und  ver-    '^ '  ,^"0^""' 
dienen  sonach  eine  besondere  Eücksicht.    Manche  hätten  sich  wohl  schon  Nothiage  als 
ganz  aufgelöst,  wenn  nicht  die  Privatwohlthätigkeit,  wenn  nicht  der  A  erem    „ützige  An- 
der adeligen  Frauen,  wenn  nicht  zufällige  Geschenke  der  höchsten  Xoth      stalten, 
von  Zeit  zu  Zeit  abgeholfen  hätten.    Indessen  bleibt  die  Existenz  eilies 
guten  Theils  dieser  Institute  immer  precär,  und  die  meisten  derselben 
tragen  mehr  das  Gepräge  der  Mühseligkeit,  ja  wohl  gar  des  Verfalles,  als 
des  Auf])lühens  an  sich. 

In  einer  Zeit,  wo  zwar  Einige,  vielleicht  nicht  Wenige  aus  einem 
beträchtlichen,  vom  Misswachse  verschont  gebliebenen  Grundbesitze,  aus 
dorn  Handel  mit  solchen  Waaren,  die  jetzt  häufiger  gesucht  werden,  aus 
Erzeugnissen,  die  entweder  das  wahre  oder  das  eingebildete  Bedürfniss, 
bei  einer  beschränkteren  Concurrenz  der  Verkäufer,  in  einem  lohnenden 
Preise  erhält,  aus  glücklichen  Speculationen,  denen  jetzt  ein  so  weites 
Feld  geöffnet  ist,  reichlichen  Gewinn  ziehen,  die  ungleich  grössere  Zahl 
aber,  und  besonders  jene  schätzbare  Classe,  welche  sich  von  Mäkelei  und 
Wucher,  von  überspannter  Benützung  jeder  fremden  Verlegenheit  und 
jeiles  fremden  Bedürfnisses  noch  rein  hält,  viel  beschränktere,  der  Staats- 
beamte, der  Officier,  der  Staatsgläubiger  und  wer  sonst  von  fixen  Besol- 
ilungen  lebt,  sehr  geringe  Einkünfte  hat,  in  solch  einer  Zeit  lassen  sich 
von  der  Privatwohlthätigkeit,  zumal  wenn  sie  so  vielfältig  in  Anspruch 
genommen  wird,  wohl  keine  ergiebigen  Spenden  erwarten.  Für  den  denken- 
den Mann  ist  es  eine  im  Grunde  mehr  niederschlagende  als  herzerhebende 
Erscheinung,  dass  für  solche  Institute,  dass  für  die  Armen  gesungen,  oder 
getanzt,  oder  Komödie  gespielt  werden  muss,  um  ihnen  manchmal  etwas 
reichlichere  Gaben  zuzuwenden,  und  man  wird  dadurch  nur  zu  sehr  auf  die 
Vermuthung  gebracht,  dass  ein  grosser  Theil  des  Xationalvermögens  sich 
in  Händen  solcher  Menschen  mit  dreifachem  Erze  um  die  Brust  befindet, 
die  nur  dann  geben,  wenn  sie  zugleich  ihr  sinnliches  Vergnügen  dafür 
befriedigen  können.  Aber  leider  haben  wir  in  dieser  Beziehung  eine 
Periode  erreicht,  wo  man  sich  an  das:  Helfe,  was  helfen  kann,  halten 
und  beinahe  froh  sein  muss,  durch  solche  sonst  ungewöhnliche  Reizmittel 
auch  auf  die  Gefühllosen  wirken  zu  können.  Aber  allgemein  ist  das  echte 
und  bessere  Gefühl  in  den  Bewohnern  der  österreichischen  Staaten  doch 
noch  nicht  erstickt,  und  wenngleich  Viele  jetzt  das  nicht  zu  thun  ver-  Bildung 
mögen,  was  sie  unter  besseren  Umständen  gerne  gethan  haben  würden,  y^r'elnes  zur 
so  würde  ich  mir  doch  von  der  Bildung  eines  grossen  Vereines,  der  unter- 
zuerst  in  der  Residenz  sein  Dasein  erhalten,  sich  aber  ganz  bald  auf  alle 
Länder  verbreiten  müsse,  bo.lcutondeEesultate  verspiechen.  Unterstützung        «Jen 

8* 


Stützung  der 
NothleiJeu- 


116 


[116] 


der  Annen  durch  Sul>scrii)t  innen  und  freiwillige  Uei  träge  im  Gelde 
oder  Naturalien  während  der  gegenwärtigen  Theuerung  wäre  seine  Be- 
stimmung, diese  also  nicht  permanent,  und  das  Armeninstitut  so  wie  alle 
übrigen  Zweige  der  Wohlthätigkeitsanstalten  blieben  ganz  in  ihrer  Ver- 
fassung, unvermeugt  mit  dem  Vereine,  der  mit  und  neben  ihnen  zu  wirken 
hätte.  An  Theiluehmern  würde  gewiss  kein  Mangel  sein,  einer  auf  diese, 
der  andere  auf  jene  Art  sein  Sclierf  lein  beitragen,  und  ausser  den  im  Ganzen 
namhaften  Unterstützungen,  welche  die  Armuth  von  diesem  Vereine  zu 
erwarten  hätte,  würde  schon  die  Errichtung  desselben  günstige  Eindrücke 
hervorbringen.  Der  jetzt  der  dürftigen  Classe  nicht  selten  entfahrende 
Vorwurf,  dass  die  Vermöglicheren,  dass  selbst  die  Regierung  bei  ihrem 
Elende  gleichgiltig  sei,  würde  verstummen. 

Immpihin  mag  den  Anstalten,  von  welchen  zuvor  die  Rede  war, 
nämlich  die  von  keinem  öffentlichen  Fond  dotii't  sind,  so  lange  der  der- 
malige Di'ang  dei"  Umstände  und  die  Geldzerrüttung  dauert,  auf  die  bis- 
herige Art  geholfen  werden.    Aber  diese  Hilfe  ist  zu  unzulänglich  und 
ihre  Dauer  zu  wenig  gegrümlet,  sie  ist,  ich  möchte  sagen,  selbst  zu  wenig 
decent,  zu  wenig  den  erhabenen  Empfindungen,  auf  deren  Erhaltung  und 
Entwicklung  man  stets  hinarbeiten  muss,  angemessen,  um  es  hiebei  ein- 
für allemal  bewenden  zu  lassen.    Es  ist  eine  beschwerliche,  aber  bei  dem 
Uebergange  zur  festen  Valuta  und  dadurch  zu  einer  besseren  Ordnung  dei- 
Xothwendig-   Dinge  unvermeidliche  Aufgabe,  diese  Anstalten  einer  allgemeinen  soi-g- 
Revision"der  ^^Itigeu  Picvisioii  ZU  iiiitorziehcn,  besonders  die  gemeinnützigeren  durch 
wohithätig-    Beschränkungen  in  der  Zahl  und  andere  Mittel,  die  nur  aus  dei-  indivi- 
^'  T^n    "    '^uplleii  Prüfung  ihres  vormaligen  und  jetzigen  Bestandes,  mit  Rücksicht 
auf  Nothwendigkeit  oder  Nutzen,  auf  Local-  und  sonstige  Umstände,  resul- 
tiren  können,  so  zu  oi-dnen,  dass  die  Ausgaben  mit  den  Einnahmen  in 
ein  Gleichgewicht  kommen,  oder  in  so  weit  nach  ihrer  Verfassung  die 
Sammlungen  und  Pi-ivatgeschenke  mit  in  Anschlag  zu  bringeii  sind,  von 
denselben  nicht  mehr  erwartet  werde,  als  sich  nach  den  bisher  gemachten 
Erfahrungen  vernünftigerweise  erwarten  lässt.     Nur  auf  diesem  Wege 
wird  man  der  fortwährenden   Veidegenlieiten   und   der  misslichen  Lage 
dieser  Institute,  welche  immer  eine  widrige  Sensation  erregt,  endlich  ein- 
mal enthoben  werden. 
OeflFentiichc  Auf  welche  Art  in  Ansehung  der  öffentlichen  Fonds  zu  vei- 

fahren  wäre,  darüber  habe  ich  meine  Meinung  rücksichtlich  der  Vorarbeiten 
bereits  geäussert.  Doch  sei  mir  erlaubt,  für  den  Fall,  wenn  es  sich  um 
die  neue  Regulirung  dieser  Fonds  handeln  wird,  auf  zwei  grosse  Gesichts- 
punkte iiufmeiksam  zu  machen,  deren  einer  und  der  andere  zu  erheblich 
ist,  als  dass  ei'  von  iler  Staatsverwaltung   übei'gangen   wei'den  dürfte. 


[117]  117 

Schon  jetzt  zeigen  sich  die  meisten  dieser  Fonds  als  unerkiecklich,  und 
doch  halten  die  aus  dem  Keligionsfond  besoldeten  Pfai  rer  und  Cooperatnren  Keiigions- 
cin  offenbar  unzulängliches  Einkommen.  Mit  manchen  Lehrkanzeln  selbst  studienfond 
von  höheren  Wissenschaften  sind  Gehalte  vej-bunden,  die  für  Männer,  welche 
auf  ihre  Ausbildung  eine  lauge  Reihe  von  Jahren  verwendet  haben,  zu 
wenig  anziehend  sind.  Die  Besoldungen  vieler  Gymnasiallehrer  sind 
äusserst  gering.  Von  den  Normalschullehrern  und  besonders  von  den 
Lehrern  auf  dem  Lande  schmachten  die  meisten  in  Dürftigkeit.  Eben  so 
bedarf  wenigstens  ein  Theil  der  Krankenhäuser  noch  mancher  Verbesse- 
rungen, um  mit  Eecht  Zufluchtsorte  der  leidenden  Menschheit  genannt 
zu  werden.  Von  dieser  Seite  betrachtet,  sollte  man  kaum  daran  zweifeln, 
dass  die  Fonds  grosser  Hilfen  bedürfen  werden,  um  ihre  Bestimmung  voll- 
ständig zu  erfüllen  und  den  widrigen  Schein  abzuwälzen,  den  der  Anblick 
darbender  Pfarrer  und  Coperatoren,  unverhältnissmässig  besoldeter  Pro- 
fessoren und  im  Elende  schmachtender  Schullehrer  auf  die  Staatsverwal- 
tung wirft.  Von  der  anderen  Seite  würde  es,  wenn  man  den  Finanzen 
zumuthen  wollte,  diese  Hilfe  zu  leisten,  wohl  Niemandem  entgehen  können, 
was  für  gewichtvolle  Einwendungen  sich  solch  einer  Zumuthung  entgegen- 
setzen lassen.  Durch  die  langwierigen  Kriege,  ihre  Folgen  und  Wirkungen    Eischopfung 

der   Fonds 

und  selbst  durch  die  Mittel,  deren  mau  sich  bediente,  um  die  Kriegskosten   undihieAuf- 
zu  bestreiten,  haben  gerade  die  Finanzen  am  meisten  gelitten.    Sie  sind   ^^^^n  auge- 

sichts  der 

nicht  nur  allein  —  ausser  einem  Theile  desjenigen,  was  im  letzten  Kriege  Geldkrise, 
und  durch  Contributiouen  erworben  wurde,  und  ausser  den  Revenuen  der 
mit  der  Monarchie  seit  den  letzten  Friedensschlüssen  Avieder  einverleibten 
Länder,  die  aber  meines  Wissens  nach  bis  jetzt  noch  wenige  Ueberschüsse 
abgeworfen  haben  —  von  aller  Metallmünze  entblösst,  sondern  noch  über- 
dies mit  namhaften  verzinslichen  Schulden  behaftet;  und  es  erübrigt,  um 
den  Uebergang  zur  Metallmünze  zu  bewirken,  kein  anderes  mit  der  Ge- 
rechtigkeit und  der  (öffentlichen  Wohlfahrt  vereinbarliches  Mittel,  als  die 
vorhandene  gi'osse  Anzahl  von  Papiergeld  in  eine  verzinsliche  Schuld  um- 
zugestalten. Sie  haben  daher  für  eine  schwere  Zinsenlast,  nebstbei  aber 
auch  für  einen  zahli-eichen  Hofstaat,  für  eine  sehr  kostspielige  Civil- 
administration,  bei  welcher  erst  in  der  Folgezeit  Ersparungen  denkbar 
sind,  und  für  Militärauslagen,  die,  wenn  auch  —  was  ich  für  uuerläss- 
lich  halte  —  zu  weiteren  Reductionen  geschritten  wird,  doch  weil  diese 
nur  nach  und  nach  geschehen  können  und  der  supernumerären  Officiere 
noch  so  viele  vorhanden  sind,  äusserst  beti'ächtlich  ausfallen  werden,  sie 
haben  ferner  für  mehrere  innere  Verbesserungen,  mit  welchen  man 
während  der  Kriegszeiten  so  sehr  zurückgeblieben  ist,  zu  soi-gen.  Sie 
müssen  die  Mittel  herbeischaffen,  die  Civilbeamten  und  das  Militär  aus 


118  [118] 

der  gar  zu  boklcimnten  Lage  zu  zielien,  in  welcher  sich  diese  Staatsdiener 
und  Vertheidiger  seit  Jahren  befinden.  Sie  werden  in  der  ersten  Zeit  des 
Uebergauges,  wie  es  nach  einer  so  langwierigen  Zerrüttung  gar  nicht 
anders  sein  kann,  bei  der  Einhebung  der  Steuern  und  Gefälle  mit  grossen 
Schwierigkeiten  zu  kämpfen  haben.  Sie  haben  also  in  jedem  Anl)etrachte 
eine  überaus  beschwerliche  Aufgabe,  die  darum  noch  um  so  viel  schwerer 
zu  lösen  ist,  weil  nicht  nur  allein  gar  kein  Vertrauen,  sondern  ein,  man 
darf  sagen,  tief  eingewurzeltes  Misstrauen  besteht,  und  doch  der  Credit, 
da  ihn  kein  Staat  in  die  Länge  entbehren  kann,  wieder  gegründet  werden 
muss.  Nach  dieser  gewiss  nicht  übertriebenen  Schilderung  den  Finanzen 
auch  noch  eine  reichliche  Unterstützung  der  Fonds  zumuthen  zu  wollen, 
hiesse  in  der  That  unmögliche  Dinge  fordern,  und  es  bleibt  daher,  wenn 
man  beide  oben  aufgestellte  Gesichtspunkte  vereinigen  will,  kein  anderes 
Mittel  übrig,  als  die  Hilfe  für  die  Fonds  aus  anderen  Quellen  zu  suchen, 
wozu  in  den  deutschen  Ländern  es  ebenso  wenig  an  Gelegenheit  fehlt, 
als  es  in  Ungarn  der  Fall  war,  wo  man  durch  die  Verwendung  eines  Theils 
Der         der  Einkünfte  der  reichlicher  dotirtenlJisthümer  für  den  Keligionsfond  diesem 

f*^  'd'""'d  ^'^^^'■^  aufgeholfen  hat.  Wer  dieses  anstössig  finden  wollte,  müsste  in  der 
dessen       That  nicht  bedenken,  dass  der  Staat  und  die  Kirche  nichts  dabei  ge- 

zwec  iiKis-    ^yjjjueQ    wenn  hunderte  von  Pfarrern  darben,  damit  ein  Bischof  iährlich 

sige  •' 

Aufgabe,  um  60.000  oder  80.000  fl.  mehr  ausgeben  kann;  dass  auch  die  Pfarrer 
und  Lehrer  im  Weinberge  des  Herrn  arbeiten,  dass  es  sich  bei  ihnen  um 
den  allernothwendigsten  standesmässigen  Unterhalt,  bei  den  i-eichbepfrün- 
deten  um  Ueberfluss  handelt;  dass  auf  diese  Art  die  überflüssigen  Ein- 
künfte weit  richtiger  zu  den  Zwecken  der  Religion  und  des  Staates  ver- 
wendet werden,  als  wenn  man  es  darauf  ankommen  lässt,  dass  Bischöfe 
einen  guten  Theil  ihrer  gegen  alle  übrigen  Classen  und  Stände  gar  zu 
unverhältnissmässig  beträchtlichen  Einkünfte  zur  Bereicherung  ihrer 
Familien  verwenden.  Andere  Mittel,  deren  es  noch  so  manche  gibt,  über- 
gehe ich  hier,  weil  sich  vielleicht,  wenn  man  sie  so  isolirt  hinstellte, 
Widersprüche  dagegen  erheben  würden;  wenn  aber  der  Gegenstand  seiner- 
zeit im  Ganzen  bearbeitet,  das  Grosse  und  Wichtige,  um  was  es  zu 
thun  ist,  gezeigt  und  die  Unmöglichkeit,  es  ohne  die  Anwendung 
solcher  Mittel  zu  erreichen,  dargethan  werden  wird,  die  Frage  über 
ihre  Zulässigkeit  nothwendig  in  einem  ganz  anderen  Lichte  erscheinen 
und  manche  an  und  für  sich  vielleicht  nicht  unerhebliche  Einwen- 
ilung  in  solch  einem  CoUisionsfalle  aufgegeben  werden  muss,  beson- 
dei's  wenn  man  dabei  stets  die  billige  Schonung  gebraucht,  keinem 
zeitlichen  Besitzer  während  der  Zeit  seines  Besitzes  etwas  zu  ent- 
ziehen. 


[ll!>]  119 

In  eiu  Detail  der  Schul-  iuklEizieliiiag!>;-,  tler  Ktaiikon-  uuil  Arnien- 
anstalten  des  grossen  österreichischen  Staates  hier  einzugehen,  würde 
theils  zu  weit  führen,  theils  stehen  mir  die  Mittel,  um  dies  mit  Gründlich- 
keit zu  thun.  nicht  zu  Gebote.  Mit  dem  Plane  dieses  Aufsatzes  ist  solch 
ein  Detail  nur  insoweit  in  Berührung,  als  es  mir  nothwendig  schien,  theils 
auf  den  Einfluss,  den  die  Zerrüttung  des  Geldwesens  auf  diese  Anstalten 
und  auf  die  zum  Unterhalte  eines  grossen  Theiles  derselben  gewidmeten 
Fonds  geäussert  hat,  aufmerksam  zu  machen,  theils.  insoweit  sie  ebenfalls 
Stoff  zu  einer  widrigen  Stimmung  liefern,  dies  nicht  unberührt  zu  lassen. 
Wenn  die  missliche  Lage,  in  welcher  sich  die  öffentlichen  Fonds  befinden, 
w'enn  Mehreres,  was  man  an  dem  bestehenden  Studiensystem  missbilligt, 
wenn  so  manche  Contraste  zwischen  unseren  Einrichtungen  und  jenen 
anderer  Staaten,  denen  mau  es  nicht  abstreiten  kann ,  dass  sie  in  der 
literarischen  Bildung  vor  uns  weit  vorgerückt  sind,  nur  den  unterrich- 
teteren  Theil  des  Publicums  beschäftigen,  so  geht  doch  das  Resultat  dieser 

Meinungen  durch  Tradition  meistentheils  auch  auf  Andere  über,  und  Viele,    ^ic  öffent- 
liche llei- 
denen  es  selbst  nicht  beifällt,  ihr  Urtheil  hierin  für  competent  zu  halten,     „ung  „„^ 

stimmen  doch,  auf  fremde  Autoiitäten  gestützt,  w^enigstens  in  der  Haupt-    ''»^'^  ^<="=''»- 

flassung. 

Sache  und  ohne  nähere  Erörterung  oder  Begründung  in  den  Tadel  mit  Massgebende 

ein.    Die  Aeusserungen  solcher  Nachbeter  können  der  Staatsverwaltung     Urtheiie. 

allerdings  gleichgiltig,  dagegen  sollte  ihr  das  Urtheil  wahrhaft  gelehrter 

und  verständiger  Männer  um  so  willkommener  sein,  als  jeder  Unbefangene 

es  gerne  zugeben  wird,  dass  Staatsbeamte,  die  den  grössten  Theil  ihrer 

Zeit  den   Geschäften  widmen   müssen   unil  oft  in  Wochen  oder  selbst    ^'^  staats- 

boaniten  und 

Monaten  kaum  einige  Stunden  übng  behalten,  die  sie  <ler  Leetüre  oder  ibiecinseiti- 

dem  gesellschaftlichen  Umgange  mit  Literatoren  widmen  können,  gerade  scu  Ansich- 
ten, 
bei  dem  Studien-  und  Erziehungsfache  am  meisten  Gefahr  laufen,  auch 

bei  dem  besten  Willen,  durch  einseitige  Ansichten  und  durch  das  uoth- 
gedrungene  Zurückbleiben  in  dem  fast  täglichen  Fortschreiten  der  Kennt- 
nisse Uebles  statt  des  Guten  zu  stiften,  wenn  sie  die  Verhältnisse,  die 
ihnen  einen  überwiegenden  Einfluss  geben,  benützen  und  ihre  nicht  selten 
vorgefassten  Meinungen  mit  allem  Nachdrucke  durchzusetzen  trachten. 

Wäre  die  Pressfreiheit  weniger  beschränkt,  was  doch  füglich  ge-  Pressfiei- 
schehen  könnte,  ohne  diese  Freiheit  in  solch  einem  Masse  zu  erweitern, 
dass  wirkliche  Gefahren  eines  schädlichen  Missbrauches  zu  besorgen 
stünden,  so  wäirde  die  Staatsverwaltung  mehrere  Urtheile  über  die  gegen- 
wärtige Verfassung  unserer  Schul-  und  Erziehungsanstalten  und  darunter 
gewiss  auch  verständige,  weil  sich  Menschen  ohne  Bildung  und  Unterricht 
doch  nicht  leicht  an  dergleichen  Gegenstände  wagen,  erfahren.  Sie  würde 
das  Gute  benützen  können.  GruniUoser  Tadel  würde  selbst  ohne  ihr  Zuthun 


120  [120] 

von  saclikmicligon  Miiniiorji  iu  soiaei'  ganzen  Blosse  dargestellt  werden. 
Den  Producten  zügelloser  Frechheit  wäre  ohnedies,  da  die  Pressfreiheit 
nur  weniger  beschränkt,  nicht  unbeschi'änkt  sein  soll,  kein  Imprimatur 
UrtiiPiie  des  zu  ertlicilcn.  Will  man  aber  bei  den  angenommenen  Grundsätzen  unab- 
änderlich stehen  bleiben,  so  sollte  doch  wenigstens  dasjenige,  was  im  Aus- 
lande über  unsere  Schul-  und  Erziehungsanstalten,  besonders  in  Schriften, 
die  einige  Celeln-ität  besitzen  oder  sonst  häufiger  gelesen  werden,  ge- 
urtheilt  wird,  von  einer  Behörde,  die  auf  die  Leitung  des  Studien-  und  Er- 
ziehungswesens sonst  keinen  Einfluss  hat,  gesammelt  und  unter  Beilegung 
der  Originalwerke  durch  getreue  Auszüge  zur  Kenntniss  des  Monarchen 
gebracht  werden.  Wenn  man  nur  die  Hauptfächer  der  Wissenschaften 
betrachtet,  so  findet  man  jedes  so  ausgebreitet,  dass  es  Niemand  auch  bei 
den  seltensten  Aulagen  und  bei  einem  eisernen  Fleisse  in  allen  Uuter- 
abtheilungen  eines  einzelnen  Faches  zur  Vollkommenheit  bringen  kann, 
ijie  Uiiivci-  _\n  Universitäten  treffen  mehrere  solche  Hauptfächer  zusammen.  Wer 
die  leitende  ^^^'^^  ''^'^  ^^''^  ^^^^^  Verlegt,  hat  gewöhnlich  von  den  übrigen  keine  oder  nur 
oberbohürde.  sehr  obcrfiäcliliche  Begriffe.  Darum  muss  die  Oberbehörde,  von  welcher 
die  Leitung  der  Universitäten  ausgeht,  mit  Männern  besetzt  sein,  wovon 
der  eine  dieses,  der  andere  jenes  Fach  genau  kennt,  auf  dass  sich  in  den 
Gliedern  dieses  Körpers  alle  Kenntnisse  und  Einsichten  vereinigen,  die 
zu  einer  entsprechenden  Leitung  des  Ganzen  erforderlich  sind.  Von  diesem 
Gesichtspunkte  ist  man  auch  bei  Organisirung  der  Studienhofcommission 
ausgegangen,  und  dass  sie  einige  sehr  fähige  Individuen  und  darunter 
auch  solche,  die  zugleich  praktische  Geschäftsmänner  sind,  in  ihrem 
Gremium  zählt,  wird  Niemami  in  Abrede  stellen.  Es  kann  daher  wohl 
keine  günstige  Sensation  erregen,  w^enn  wichtigere  einstimmige  Anträge 
dieser  Hofcommission  wesentlich  abgeändert  oder  ganz  verwoifen  werden. 
Dadurch  geht  auch  der  Begriff  von  Verantwortlichkeit  grösstentheils  ver- 
loren, denn  wenn  sich  die  Wirkungen  der  Einrichtungen  oder  anderer 
erheblicherer  Verfügungen  im  Ganzen  nachtheilig  äussern,  so  lässt  sich 
doch  unter  solchen  Verhältnissen  daraus  noch  keineswegs  eine  ungünstige 
Schlussfolge  auf  die  Gestion  der  leitenden  Behörde  ziehen. 
Der  jetzige  Einzelne  Geschäftsmänner  mögen  ihre  eigene  Ueberzeugung  haben, 

"ucr -Nicfdc"  ■'^^'^'"  ^^^  '•'^"^  gebildeteren  Theile  des  Publicums  ist  die  Meinung  so  ziem- 
tjang  der  lich  übcrwicgeud,  dass  unter  den  mehreren  Studienplänen,  die  aufeinander 
^^ersi'iät"''  S^^^^S^  ^^^'^'  '^^^'  gegenwärtig  bestehende  eben  nicht  der  beste  ist,  dass 
die  hiesige  Universität  jetzt  den  Ivuf  nicht  mehr  besitzt,  den  sie  in  den 
letzten  Kegierungsjahren  Ihrer  Majestät  der  Kaiseiin  Maria  Thei-esia 
hatte,  dass  vorzüglich  die  philosophische  Facultät  jener  an  den  meisten 
übrigen  Universitäten  bei  Weitein  naclisteht,  dass  Scliriftsteller,  welche 


[121]  121 

durch  ihre  Werke  ilie  Nation  illustriren,  jetzt  seltener  als  in  früheren 
Zeiten  sind;  dass  mit  Ausnahme  der  angehenden  Aerzte  das  Streben  nach 
Erweiterung  der  Kenutuissc  durch  eigenes  fleissiges  Lesen  gegen  die 
Vorzeit  mehr  ab-  als  zugenommen  hat,  dass  also  die  literarische  Bildung 
jetzt  im  Entgegenhalte  zu  dem,  was  sie  vor  drei  oder  vier  Decennien  war, 
nu^hr  im  Abnehmen  als  im  Vorschreiten  ist.  Auch  andere  Symptome 
tragen  nicht  wenig  dazu  bei,  dieser  Meinung  Gewicht  zu  verschaffen. 

Ein  Geist  von  Frivolität,  den  echte  Cultur  der  Wissenschaften  zu-         !>«'• 
verlässig  verdrängt,  wird  jetzt  täglich  mehr  vorherrschend.    Der  öffent- 
liche Geschmack  scheint  sich  ungleich  mehr  zur  enthusiastischen  Theil- 
uahme  an  den  Künsten,  vorzüglich  Musik,  Declamation  und  Mimik,  als 
zu  den  Wissenschaften  hinzuneigen.    Zeitungslectüre  macht  bei  Vielen 
die  meiste,  bei  Manchen  die  einzige  Leetüre  aus.    Wlihrend  in  dem  kleinen     Literatur- 
Sachsen  sich  drei  Literaturzeitujigen  erhalten,  geh't  die  in  der  grossen     ^*^''""e«"- 
österreichischen  Monarchie  seit  einigen  Jahren  allein  bestandene  Wiener 
Literaturzeitung,  welcher  selbst  auch  im  Auslande  Beifall  gezollt  worden 
ist,  aus  Mangel  an  Unterstützung,  wahrscheinlich  auch  weil  sie  durch  die 
Strenge  der  Ceusur  gar  zu  sehr  eingeengt  worden  ist,  zu  Grabe.    An  die 
Errichtung  einer  Akademie  der  Wissenschaften,  deren  fast  alle  grösseren     Akademie 
Staaten  eine,  manche  auch  mehrere  zählen,  wird  in  Wien  noch  gar  nicht     "haftet"' 
gedacht.     Man  muss  also  die  Ueberzeugung  haben,  dass  sie  unter  den 
gegenwärtigen  Verhältnissen  schwerlich  etwas  Bedeutendes  leisten  könne, 
w'eil  mau  sich  sonst  docli  wohl  mit  der  Idee,  solch  eine  Akademie  nach 
dem  Beispiele  anderer  Staaten  zu  errichten ,  beschäftigt  haben  würde. 
Wer  wird  sich  unter  solchen  Umständen  von  dem  Wahne  hinreissen  lassen, 
dass  wir  schon  an  solch  einer  Stufe  von  Cultur  stehen,  wo  das  weitere 
Fortschreiten  zu  einem  gefährlichen  Uebermass  führen  könnte? 

Sich  wieder  mit  der  Verfassung  eines  neuen  Studienplahes  zu  be-    Reform  des 
schäftigen,  dürfte  selbst,  wenn  der  dermalige  für  nicht  befriedigend  er-      '^t"*^'«»- 

°  °  °  planes. 

kannt  werden  sollte,  schon  aus  der  Ursache,  weil  die  oftmaligen  Verände- 
rungen viel  Aufsehen  und  unangenehmes  Gerede  verursachen,  auf  keine 
Weise  rathsam  sein.  Mit  eindringender  Aufmei'ksamkeit  auf  Folgen  und 
Wirkungen  lassen  sich  Gebrechen  an  einem  Systeme  von  jenen,  welche 
die  Aufsicht  und  Leitung  führen,  leicht  wahi'uehmen  und  allmälig  ver- 
bessern, ohne  dass  es  darum  nöthig  wäre,  das  Ganze  wicdei'  umzustalten. 
Li  einem  Zeitalter,  wo  so  viele  Regierungen  sich  ernstlich  bemühen, 
wissenschaftliche  Bildung  in  dem  möglichsten  Grade  der  Vollkommenheit 
bei  ilem  hiezu  geeigfieten  Theile  ihrer  Völker  zu  verbreiten,  wo  so  viele 
allgemein  geachtete  Gelehrte  über  das,  was  zur  Verbreitung  wahi-er  Cultur 
heilsam  und  sachdienlich  ist,  sich  öffentlich  auszusprechen,  kommen  von 


122 


[122] 


Die  Cura- 

toren  der 

Erzieliungs- 

anstaltcn. 


Aufsicht 

über 

Huinanitits- 

anstalten. 


Die 
Lombardei. 


Zeit  ZU  Zeit  motivirte  Vorschläge  uu.i  wiikliclie  Eiiirichtuiigeu  zum  Vor- 
scheine, die,  wenn  sie  von  unseren  für  dieses  Fach  aufgestellten  Geschäfts- 
männern als  Materialien  benützt,  mit  Unbefangenheit  geprüft  und  mit 
den  Erfahrungen,  die  sich  jeder  bei  der  Geschäftsführung  zu  erwerben 
Gelegenheit  hat,  verglichen  werden,  das  Verbessern  ungemein  erleichtern. 
Lässt  man  dem  grossen  Werthe,  den  eine  weise,  mit  eigenem  reifen  Nach- 
denken verbundene  Benützung  fi'cmder  Autoritäten  unwidersprechlich  hat, 
Gerechtigkeit  widerfahren  und  erwägt  man  die  Lage,  in  welcher  sich  jetzt 
die  Beamten  befinden,  und  die  es  ihnen  zu  lästig  oder  wohl  unmöglich 
macht,  die  Anschaffung  solcher  Materialien  aus  Eigenem  zu  bestreiten,  so 
wird  man  den  Antrag  ganz  folgerecht  finden,  dass  alles  Interessantere, 
was  über  Schulen  und  Studieneinrichtungon  in  fremden  Staaten  erscheint, 
von  der  Studienhofcomuiission  gekauft  und  davon  der  nben  augedeutete 
Gebrauch  gemacht  werden  solle. 

Die  grösseren  Erziehungsanstalten  zu  ^Vien,  nämlich  die  Theresia- 
nische Eitterakademie,  die  Ingenieurakademie,  das  Löwenburgische  Colle- 
gium  und  das  Convict  haben  zwar  nebst  der  Hausdirection  auch  noch 
einige  Curatoren.  Aber  es  lohnt  sich  doch  wohl  der  Mühe,  zu  erheben,  ob 
diese  Curatoren  auch  wirklich  eine  hinlängliche  Aufsicht  pflegen,  und  wenn 
dies  der  Fall  nicht  wäre,  sie  dazu  anzuhalten  oder  mit  sorgfältigeren  zu 
verwechseln. 

Kranken-  und  Armeuversiu'gungsanstalteii,  die  unuiittelbar  von  der 
Eegierung  geleitet  werden,  bedürfen  nach  meinem  Erachten  ausser  der 
Dicasterialleitung  und  ihrei-  gewöhnlichen  Administration  auch  noch  einer 
öfteren  persönlichen  Aufsicht,  durch  welche  sich  so  Manches  entdecken 
lässt,  wovon  die  Acten  keine  Spur  enthalten.  Bei  dem  immer  zunehmen- 
den Wüste  von  Geschäften  fällt  es  dem  Präsidium  und  dem  Referenten 
freilich  schwer,  so  viel  Zeit  zu  erübrigen,  um  dergleichen  Anstalten,  be- 
sonders hier,  wo  es  deren  mehrere  gibt,  öfter  zu  besuchen.  Aber  ein 
paar  Mal  im  Jahre  könnte  doch  wohl  der  Präsident  zu  solchen  heilsamen 
Besuchen  Zeit  finden,  ausserdem  aber  auch  dazu  geeignete  Käthe  zu 
öfteren  unvorgesehenen  Visitationen  beauftragen.  Bevor  die  Lombardei  von 
dem  österreichischen  Staate  getrennt  wurde,  war  es  dort  üblich,  dass 
ausser  der  Aufsicht,  welche  die  Staatsverwaltung  selbst  über  die  Spitäler 
ausübte,  auch  Particuliers,  und  darunter  sogar  einige  aus  den  höhereu 
Ständen,  freiwillig  eine  Art  von  Inspection  übernahmen  und  dabei  nicht 
blos' durch  eifriges  Nachsehen,  sondern  oft  auch  iluroh  ihre  Wohlthätigkeit 
viel  Gutes  wirkten.  Sollte  man  in  der  grossen  Kaiserstadt  nicht  auch 
Männer  finden,  die  solch  ein  liebevolles  Work  auf  sich  zu  nehmen  bereit 
wären?  Und  sollte  es  nicht  leicht  möglich  sein,  ilurch  deutliche  Bezeichnung 


[123]  123 

der  Grcnzlinioi  Contraste  und  Iieibiiiigen  zwischeu  dieseu  Inspicienten, 
den  Haiif«directionen  und  den  leitenden  Behörden  zu  vei'hüten? 

Aucli  in  den  Ländern  ist  eine  anssergewöhnliche  Aufsicht  auf  i^ocaivcrwai- 
Lyceen  und  Gymnasien,  auf  Schulen  und  öffentliche  Erziehungsinstitute,  uirl^t'ioncii. 
auf  Kranken-  und  Armenversorgungshäuscr  gewiss  höchst  nützlich  und 
sollte,  wo  sich  nur  immer  die  Gelegenheit  dazu  darbietet,  nie  vernach- 
lässigt werden.  Sind  die  Local Verwaltungen  und  Directionen  gut  bestellt, 
entsprechen  sie  ganz  ihrer  Bestimmung,  so  kann  es  ihnen  selbst  nur  an- 
genehm und  den  leitenden  Behörilen  muss  es  willkommen  sein,  von  dem 
guten  Zustand  dieser  Anstalten  versichert  zu  werden  und  den  Vorstehern 
die  verdiente  Gerechtigkeit  widerfahren  zu  lassen.  Haben  sich  aber  Ge- 
brechen eingeschlichen,  so  können  sie  vielleicht  ohne  solch  eine  ausser- 
ordentliche Aufsicht  Jahre  lang  verborgen  bleiben.  Es  sind  Beispiele 
bekannt,  wo  solche  Institute  grossen  Schaden  gelitten  haben,  ohne  dass 
er  durch  die  gewöhnliche  Aufsicht  abgewendet  worden  ist. 

Ausser  den  bereits  angegebenen  Ursachen  der  seit  einiger  Zeit  be- 
stehenden widrigen  Stimmung  haben  auch  einige  Dienstbestellungen  dazu 
beigetivagen,  die  dadurch  viel  Aufsehen  erregten,  dass  die  Neuernannten 
von  Fächern,  bei  welchen  sie  eine  Keihe  von  Jahren  hindurch  dienten 
und  sich  folglich  dieselben  ganz  eigen  zu  machen  Gelegenheit  hatten,  ab- 
gezogen und  zu  Aemtern  berufen  worden  sind,  zu  welchen  sie  sich  vor- 
zubereiten nie  in  dem  Falle  waren.  Tausende,  die  sich  dem  Staatsdienste  Eig»"'i&  «r 
widmen,  wissendes  aus  eigener  Erfahrung  und  andere  Tausende  hören  es  ^^[.^^ 
von  ihnen,  dass  natürliche  Fähigkeiten,  wissenschaftliche  Bildung  und 
Combinationsvermögen  zwar  unerlässliche  Erfordernisse^  für  einen  Ge- 
schäftsmann, besonders  an  höheren  Posten  sind,  dass  aber  diese  Eigen- 
schaften allein  für  einen  Eeferenten,  um  so  mehr  für  einen  Vorsteher 
nicht  hinreichen,  sondern  dass  dazu  genaue  Kenntnisse  von  den  Geschäften, 
um  deren  Bearbeitung  es  sich  handelt,  erforderlich  sind.  Insbesondere 
hat  die  Hofkammer  mehrere  sehr  verschiedenartige  und  darunter  selbst 
technische  Gegenstände  zu  verwalten.  Nebst  den  deutschen  werden  dort 
auch  die  ungarischen  Cameralagenden  geschlichtet.  Es  kann  nh»  für 
Jeden,  der  zur  Theilnahme  an  der  Leitung  dieser  Geschäfte  berufen  wird, 
i)line  dass  es  ihm  bevor  mitglich  war,  sich  die  dazu  nöthigen  vielseitigen 
Kenntnisse  zu  erwerben,  solch  eine  Bestimmung  nicht  anders  als  äusserst 
]>eschwerlich  sein,  und  nur  aus  Gehorsam  kann  er  sich  dieser  Bestimmung 
fügen.  Aber  der  Dienst  ist  dabei,  wenigstens  für  längere  Zeit  hindurch, 
offenbar  nicht  gehörig  beratheu,  und  so  Avie  der  Gang  der  Administration 
im  Allgemeinen  ohnedies  mehr  Tadler  als  Lobredner  hat,  gesellt  sich  zu 
iliesem  Tadel  auch  noch  die  Meinung,  es  werde  selbst  auf  die  Besetzung 


124  [124] 

wichtigerer  Posten  bei  Weitem  uiclil  jeue  Aiifiiierkt^anikeit  gerichtet,  von 
welcher  allein  sich  bessere  Resultate  erwarten  lassen  und  die  man  der 
öffentlichen  Wohlfahrt  schuldig  sei. 

Maj^sgehendc  Dor  billig  denkende  Mann  wird  zwar  die  Schwierigkeiten  nicht  ver- 

hieiüber.  kennen,  die  besonders  jetzt,  wo  die  Monarchie  an  Ausdehnung  und 
Mannigfaltigkeit  so  bedeutend  zugenommen  hat,  mit  der  Besetzung  einiger 
wichtigerer  Dieustiilätze  verbunden  sind.  Er  wird  ferner  zugeben,  dass 
einige  dieser  Plätze  auch  mit  solchen  Individuen,  die  eben  nicht  stufen- 
weise dazu  vorltereitet  worden  sind,  entsprechend  besetzt  werden  können. 
Va-  wird  es  der  Regierung  nicht  verargen,  wenn  in  neuerworbenen  oder 
reacquirirteu  Provinzen  tüchtige  Männer,  die  zuvor  dort  niemals  gedient 
liaben,  zu  höheren  Chargen  berufen  oder  hier  bei  der  obersten  Leitung 
dieser  Provinzen  angestellt  werden,  weil  man  hier  schlechterdings  keine 
andere  Wahl  hat.  wenn  man  nicht  Alles  den  Nationalisten  überlassen  oder 
zu  abgelebten  Männern,  die  l)eschwerlichen  Geschäften  schon  nicht  mehr 
gewachsen  sind,  seine  Zuflucht  nehmen  will.  Aber  da,  wo  es  an  sach- 
kundigen und  erfahrenen  Individuen  bei  dem  Verwaltungszweige,  dem 
vorgesehen  werden  soll,  nicht  mangelt,  sind  diese  gewiss  jedem  auch 
sonst  talentvolleren  Manne,  dem  aber  die  Branche  wenig  oder  gar  nicht 
bekannt  ist,  weit  vorzuziehen. 

Den  Verlegenheiten  und  Anständen  bei  Besetzung  wichtigerer 
Aemter  würde  aber  für  die  Zukunft  am  sichersten  abgeholfen,  die  oft 
jahrelangen,  mit  wesentlichem  Nachtheile  verl)undenen  Erledigungen  oder 
blos  provisorischen  Besetzungen  solcher  Aemter  würden  vermieden,  und 
die  jetzt  so  häufigen  Ghjssen  bei  Benennungen,  von  welchen  man  sich 
nichts    Gedeihliches   verspricht ,   würden  künftig  Verstummen   gemacht 

Die  Tüchtig-   werden,  wenn  man  nie  die  grosse,   unumstössliche  Wahrheit  aus  den 

Iccit  des  Vcr* 

waitungs-  Augen  Hesse,  dass  der  Gang  der  Administration  hauptsächlich  davon,  wie 
bcamtcn  und  t\\Q  wichtigeren  Aemter  besetzt  sind,  abhängt,  und  obwohl  das  Verwal- 
tungssystem nichts  weniger  als  gleichgiltig  ist,  doch  bei  einem  schlechten, 
aber  von  tüchtigen  Individuen  ausgefühi'ten  Systeme  ungleich  mehr  als 
bei  einem  guten  Systeme,  abei-  von  schlechten  Exequentcn  geleistet  wird; 
wenn  man  daher  stets  die  grössto  Sorgfalt  auf  die  bestmöglichste  Be- 
setzung solcher  Aemter  i-ichtete,  und  wenn  man  es  zu  diesem  Ende  nicht 
erst  auf  den  Fall  der  Ei'ledigung  ankommen  Hesse,  um  an  eine  Fürsoi'ge. 
die  dann  öfters  nicht  sogleich  entsprechend  getroffen  werden  kann,  zu 
denken,  sondern  bei  solchen  Posten,  wo  ausser  den  Eigenschaften,  die 
jeder  Staatsbeamte  höherer  Kategorie  schon  überhaupt  besitzen  soll,  noch 
besondere  Kenntnisse  und  Erfahi'ungen  nothwendig  sind,  auf  den  mög- 
lichen Fall  ihrer  Erledigung  fürdächte,  uu'l  wenn  Niemand  vnrhanden  ist, 


das    System. 


[125]  125 

ilcrdieseKcnntiiisiseujul Erfahrungen  wirklicli besitzt,  tlenijeuigen,  welclien 
iiiaii  zur  kiiuftigcn  Beklciilung-  dieses  Amtes  sonst  am  meisteu  geeignet 
findet  iHe  Gelegenheit,  sich  die  nöthigcn  Kenntnisse  beizulegen,  verschaffte. 

Zu  keiner  Zeit  war  es  mtthwendiger  als  jetzt,  bei  höheren  Dienst- 
besetzungen die  grösstmüglichste  Vorsicht  zu  gobi-auchen,  da  die  Geschäfte 
immer  verwickelter  werden  und  zu  einem  unermesslichen  Schwall  ange- 
wachsen sind.  Die  vielen  schnell  aufeinander  gefolgten  Kriege,  die  seit 
Jahren  dauernde  gänzliche  Zerrüttung  des  Geldwesens,  die  Trennung  und 
nachherige  Wiedervereinigung  mehrerer  Provinzen  mit  dem  Staatskörper 
haben  zwar  unstreitig  einen  grossen,  theils  directen,  theils  indirecten 
Antheil  an  dieser  ungeheuren  Vermehrung  und  Verwicklung  der  Ge- 
schäfte. Aber  dass  es  der  Ursachen  auch  noch  andere  gibt,  ist  eben  so 
gewiss,  als  bei  allen  erfahrenen  Geschäftsmännern  darüber  nur  eine 
Stimme  herrscht,  dass,  wenn  auf  diese  Art  fortgefahren  werden  sollte, 
sich  Alles  in  endlose  Schreibereien  auflösen,  wegen  der  unerlässlichcn 
Personalsvermehrungen  die  Administration  mit  jedem  Jahre  kostspieliger 
werden  und  über  die  Menge  von  Details  jede  höhere  Uebersicht  und  der 
Zusammenhang  des  Ganzen  vollends  verloren  gehen  wird. 

Darum  und  weil  mehrere  österreichische  Civilbeamte  während  der  Das  verwai- 
zwei  letzten  Kriege  bei  den  in  Frankreich  aufgestellten  Verwaltungs-   t""&ssystem 

^  »  ö  Oesterreiclis 

behörden  den  ungleich  beweglicheren  und  kräftigeren  Geschäftsgang  da-  und  Fiant- 
selbst  kennen  zu  lernen,  weil  andere  in  dem  nach  französischer  Art  ein-  Reichs, 
gerichteten  Königreiche  Italien  die  nämlichen  Erfahrungen  zu  machen 
und  Vergleiche  anzustellen  Gelegenheit  hatten,  ist  seit  einiger  Zeit  die 
Meinung  ziemlich  laut  geworden,  dass  das  österreichische  Administrations- 
system dem  französischen  weit  nachstehe  und  nur  von  einer  Nachahmung 
dieses  letzteren  Systems  mit  gehöriger  Berücksichtigung  der  verschiedenen 
\'erhältnisse  Ordnung  und  Schnelligkeit  in  den  Geschäften  sich  erwarten 
lassen.  Wenn  auch  viele  diese  Meinung  nicht  theilcn  und  fremde  Ein- 
richtungen entweder  nicht  kennen  oder  ihnen  überhaupt  abgeneigt  sind, 
so  äussern  sie  dessungeachtet  keine  günstigen  TJrtheile  über  das  in  der 
Monarchie  bestehende  Verwaltungssystem  und  gründen  ihre  Urtheile  auf 
die  so  äusserst  unbefriedigenden  Eesultate.  Dieser  Gegenstand  verdient 
ilaher  doch  wohl  eine  genaue  und  unbefangene  Würdigung. 

Ohne  einige  erhebliche  Vorzüge  zu  verkennen,  welche  das  franzö-     ^.^^^^^ 

°  °  '  die  Frage 

sische  Verwaltungssystem   vor  dem  österreichischen  hat,   und   ohne   in   seiner  Adop- 
Abrede   zu   stellen,   dass   dem    ööentlichen   Dienste   durch   das   erstere     !l'''V!° /."'" 

die  hierhin- 
besser vorgesehen    ist,   bin   ich   doch   überzeugt,   dass   die   Anwendung   disciien  vn-- 

ilieses   Systems   auf  die  älteren   österreichischen  Staaten   ungemeinen,    ßründe^d'i- 
kaum    zu    bezwingenden   Schwierigkeiten   unterliegen,    und    dass   dies       gegen. 


126  [126] 

selbst  noch  lieftigore  uiu\  allgcineiiicielJe.schwcnlen,  als  die  yegeuwili'tigen 
sind,  nach  sich  ziolioii  wiinie. 

Wer  praktisch  zu  erfahren  Gelegenheit  hatte,  mit  welchen  Hinder- 
nissen man,  wenn  es  auch  nur  auf  partielle  Kefurmen  oder  auf  wesent- 
lichere Veränderungen  bei  einzelnen  Verwaltuugszweigen  ankommt,  zu 
kämpfen  hat,  der  wird  vor  solch  einer  gänzlichen  Umwälzung,  die  selbst 
in  Frankreich  in  ihren  Hauptumrissen  wohl  nur  in  revolutionären  Zeiten 
hat  durchgesetzt  werden  können,  zurückbeben,  zumal  da,  wenn  man  diese 
un-arischc  Einrichtung  auch  auf  Ungarn  und  die  dazu  gehörigen  Provinzen  aus- 
dehnen wollte,  dies  zugleich  eine  gänzliche  Auflösung  der  ungarischen 
Constitution  in  sich  schlicssen  würde,  wenn  man  aber  Ungarn,  wo  die 
Coraitate,  die  Curia  Eegia,  die  Statthalterei  und  selbst  die  Hofkammer 
gesetzlich  constituirte  Behörden  sind,  bei  seiner  dermaligcn  Verfassung 
und  Verwaltung  beliesse,  ein  noch  grellerer  Abstand  in  dem  Administra- 
tionssysteme der  zwei  Hemisphären  des  österreichischen  Globus,  mithin 
eine  noch  grössere  Masse  von  Anständen  und  Unzukömmlichkeiten,  als 
die  es  schon  jetzt  zum  grossen  Nachtheil  des  Concrctum  gibt,  entstünde. 
Selbst  aber  auch  in  den  deutschen  Ländern  könnte  dieses  Verwaltungs- 
system ohne  sehr  wesentliche  Aenderungen  in  der  Verfassung,  zu  welchen 
es  jetzt  wenigstens  nicht  an  der  Zeit  ist,  nicht  ausgeführt  werden.  Mit 
Die  fianzö-  eiucr  Administration,  wie  die  französische,  ist  es  forner  unzertrennlich 
nistration.  Verbunden,  dass  der  Präfect,  der  Untorpräfect,  selbst  der  Maire  schnell 
und  nach  eigenem  Befunde  handle,  sehr  viel  auf  sich  nehme  und  ungleich 
mehr  wirke,  als  schreibe.  Die  Ministerien,  von  welchen  die  Präfecten 
geleitet  werden,  sind  gar  nicht  in  der  Lage,  viele  und  detaillirte  Vor- 
schriften hinauszugeben.  Nur  bei  wichtigeren  Gegenständen  ertheilen  sie 
ausführlichere  Instruction.  Bei  minder  erheblichen  deuten  sie  nur  die 
Zwecke  an,  die  erreicht  werden  sollen,  und  überlassen  die  Art  der  Voll- 
streckung dem  klugen  Ermessen  der  Unterbehörden.  Ein  kurzer  Proces 
verbal  vertritt  die  Stelle  unserer  oft  sehr  weitläufigen  Protokolle.  Wie 
Die  östor-  wenige  selbst  unserer  schätzbareren  Beamten,  die  jetzt  bei  der  ungeheuren 
icichische     ]yjejjp-e  von  Normalien,  an  die  sie  sich  halten  müssen,  so  selten  in  dem 

Verwal-  °  '  ' 

»nnijsiiriixis  Falle  siud,  nach  eigener  Uebei-zeugung  vorgehen  zu  können,  die  grossen- 
""  theils  an  CoUcgialberathungen  gewohnt  sind,  die  das  Bewusstsein  haben, 
dass  in  Parteisachen  fast  keine  ihrer  Verfügungen  unangefochten  bleibt, 
folglich  stets  bereit  sein  müssen,  sich  auch  über  die  gefügigsten  Verhand- 
lungen vollständig  ausweisen  zu  können,  die  bei  dem  unermesslichen 
Detail,  in  welches  sich  die  meisten  Geschäfte  auflösen,  fast  den  Schreib- 
tisch nicht  verlassen  ilürfen,  um  nicht  durch  fortwährende  Anhäufung  von 
Iiiickständon  sich  verantwortlich  zu  machen,   die  olton  darum   auch  bei 


Parteien. 


[127]  127 

einer  guten,  rechtlichen  Gebahrung  meistentlicils  ängstlich  werden,  wie 
wenige  dieser  Beamten  würden  sich  in  solch  ein  ganz  entgegengesetztes 
Verfahren  finden  und  mit  gleicher  Zuversicht  und  Präcision  wie  die  fran- 
zösischen Autoritäten  handeln  können.  Und  wenn  man  täglich  wahrzu- 
nehmen Gelegenheit  hat,  dass  Parteien,  welche  vom  Magistrate,  Kreisamte, 
Gubernium  und  Hofstelle  mit  einem  unstatthaften  Begehren  abgewiesen 
wonlen,  sich  bei  drei  und  vier  gleichstimmigen  Beschlüssen  noch  nicht 
zum  Ziele  legen,  sondern  von  der  Kecursfrciheit  bis  zur  Behelligung  des 
Thrones  Gebrauch  machen,  dass  Verfügungen,  welche  von  einem  ganzen 
Collegium,  nämlich  der  Landesstelle,  vorgeschlagen  und  von  einem  zweiten 
Collcgium,  nämlich  der  Kanzlei,  gutgeheissen  wurden,  sobald  sie  dem 
Interesse  Einzelner  oder  ganzer  Classen  entgegenstreiten,  nicht  blos  im 
gesellschaftlichen  Leben  bekrittelt,  sondern  öfters  auch  als  gegen  willkür- 
liche und  nicht  gehörig  erwogene  Acte  Beschwerden  dagegen  eingereicht 
werden,  was  für  ein  Geschrei  und  welch  hoher  Grad  des  Missvergnügens 
ist  nicht  zu  erwarten,  wenn  künftig  diejenigen,  denen  ganze  Collegien 
schon  nicht  mehr  imponiren,  sich  die  Entscheidungen  einzelner  Beamten 
auch  in  höheren  Instanzen  gefallen  lassen  müssen. 

Es  liegt  aber  auch  schon  darin ,  dass  durch  einen  Zusammenfluss     Die  sffent- 

widriger  Umstände  die  Lage  der  Staatsverwaltung  äusserst  beschwerlich     ^"^^®    J'' 
Od  o  nung.    Ver- 

geworden ist,  und  dass  sie  jetzt  die  öffentliche  Meinung  nicht  für,  sondern    trauen  und 
wider  sich  hat,  ein  vollgiltiger  Grund,  grössere  Umstaltungen  nicht  zu     Achtung. 
unternehmen  und  überhaupt  alle  auffallenderen  Vorgänge,  wo  man  des 
Erfolges  nicht  vollkommen  versichert  ist,  zu  vermeiden,  um  so  ernstlicher 
aber  sich  solche  Verbesserungen,  denen  auch  der  Tadelsüchtige  ihren 
Werth  nicht  absprechen  kann,  angelegen  sein  zu  lassen.     Das  alier- 
dringendste    Erforderniss    ist    W(jhl    kein   anderes,    als  Vertrauen  und 
Achtung  wieder  zu  gründen.    So  wenig  man  mit  der  Administration  im 
Allgemeinen  zufrieden  ist,  so  wird  doch  bei  Weitem  nicht  so  viel  über 
den  Organismus  des  Verwaltungsktirpers,  als  über  die  Art  der  Ausführung    Der  Vorzug 
geklagt.    Hauptreformen  in  dem  Organismus  selbst  würden  vielleicht  mehr     ^^_^^  °^'f" 

'^  ^  ^  <='  rcicliiscnen 

Gegner  als  Verthcidiger  finden.     Ueber  die  Möglichkeit,  den  Gang  der      vcrwai- 
Administration,  auch  wenn  ihr  dcvmaliger  Organismus  in  der  Hauptsache       ^"°^'''  , 

'  o  cj  i  Systems  narli 

beibehalten  wird,  wesentlich   zu  verbessern,  herrscht  aber  gewiss   nur    einer  Bich- 
eine  geringe  Verschiedenheit  der  Meinungen.    Auf  Letzteres  sollte  also,        *""° 
nach  meinem  Erachten,  das  eifrigste  und  unablässige  Bestreben  gerichtet 
werden. 

Unser  politisches  Verwaltungssystem  zeichnet  sich,  bei  manchen 
unverkennbaren  Gebrechen,  doch  darin  vor  anderen  aus,  dass  es  —  vor- 
ausgesetzt, dass  es  gehörig  goh;indhal>t  wird  —  mehr  als  jedes  andere 


128  [128] 

gi'geii  Eigcniiiiiclit,  Willkür,  iJeilrückuiigeu  und  iJcointrüchtigmigcn,  sei 

es  nun  des  Staates  oder  der  Einzelnen,  Sicherheit  gewährt.    Aufsichten 

und  Controleu  sind  eher  zu  sehr  angehäuft,  als  dass  es  daran  mangelte. 

Analyse  des  Die  Bearbeitung  der  Geschäfte  eines  jeden  Landes  ist  zwar  mit  wenigen 

.ose  j.  s-     A.usnahmen    ausschliesslich  den   licferentcn  überlassen ,    aber   alle   Ge- 
ganges bei  ' 

i'nter-  und  schäftc,  dip  uicht  schr  dringlich  sind  und  wo  es  auf  meritorische  Ent- 
den'^nnd  Tis  scheidungcu  ankommt,  müssen  im  versammelten  IJathe  vorgetragen  und 
contioi-  bei  getheilten  Meinungen  nach  der  Stimmenmehrheit  geschlichtet  werden. 
Das  Präsidium  macht,  wenn  es  seine  Bestimmung  gehörig  erfüllt,  noch 
eine  zweite  Controle  gegen  die  Käthe  und  Referenten  aus.  Aber,  da  die 
Stimmenmehrheit  entscheidet,  kann  es  ebenfalls  keine  Dictatur  ausüben. 
Tritt  wo  der  entgegengesetzte  Fall  ein  und  äussert  sich  ii-gend  ein  schäd- 
liches Uebergewicht,  so  ist  dies  nicht  Fehler  des  Systems,  sondern  Ausser- 
achtlassung  der  Vorschriften,  Pflichtübertretung  von  einem  und  dem 
andern  Theile.  Nebst  dieser  bündigen  und  gleichzeitigen  Controle  ge- 
langen alle,  selbst  auch  solche  Verhandlungen,  wo  keine  eigenen  Bericht- 
erstattungen nothweudig  sind,  durch  die  ßathsprotokolle  zur  Ivenntniss 
der  vorgesetzten  Hofstelle,  die  eben  so  wie  die  Landesstelle  organisirt  ist, 
das  heisst  in  ihrem  Inneren  mit  der  Geschäftsbearbeitung  auch  gleich  die 
Controle  vereinbart,  und  welche  gegen  die  Landesstelle  eine  um  so  wirk- 
samere Controle  ex  post  ausüben  kann,  als  von  den  Anzeigen,  Gesuchen, 
Beschwerden,  Berichten  der  Uuterbehörden,  kurz  von  Allem,  worüber  ent- 
schieden winl,  nicht  blosse  Elcnchcn,  sondern  wesentliche  Auszüge  aus 
den  Protok(jllen  erscheinen  müssen  und  es  der  Ilofstclle  freisteht,  wenn 
ihr  die  Protokolle  nicht  genügen,  die  Acten  selbst  abzufordern.  Bei  den 
Gefällen,  für  deren  Verwaltung  eigene  Behörden  bestehen,  ist  zwischen 
dem  Administrator  und  seinen  Beisitzern  ein  ähnliches  Verhältniss  wie 
bei  (]en  Gubernien  zwischen  dem  Präsidium  und  den  iiäthen,  eine  gleiche 
Abhängigkeit  von  der  administrirenden  Hofstelle  und  ein  selbst  noch  etwas 
beschränkterer  Wirkungskreis.  Ausserdem  stehen  der  Landesstelle  Hilfs- 
behörden, nämlich  eine  Buchhaltung,  ein  Fiscalamt,  ein  Hauptzahlamt 
und  ein  Taxamt  zur  Seite,  die  zwar  —  mit  Ausnahme  der  Buchhaltung 
—  derselben  untergeordnet  sind,  aber  deien  Aeusserungcn  in  den  ein- 
schlagenden Materien,  die  gehörig  begründet  sein  müssen,  den  Kefereuten 
bei  der  Hofstelle  die  Ccnsur  der  Gubernialprotokollc  schr  erleichtern.  Bei 
Gasse-  und  anderen  in  der  näheren  Berührung  mit  der  Buchhaltung  stehen- 
den Gegenständen  müssen  die  Expeditionen  selbst  noch  vor  der  Ausferti- 
gung diesem  Departement  zur  Einsicht  zugefertigt  werden,  und  Letzteres 
ist  nicht  allein  berechtigt,  sondern  selbst  verpflichtet,  da,  wo  Bemerkungen 
eintreten,   diese  sogleich  Ijeizubringcn,  worin  ebenfalls   eine  wirksame 


[129] 


129 


Oontrole  uiul  eine  uiclit  unbodcuteiulo  Schutzwelir  gegeu  Vei>töf?se  und 
ümichtigkeiten,  die  etwa  selbst  bei  der  Revision  unbeachtet  bleiben,  liegt. 

Eben  jener  Aufsicht  und  Controle,  welche  die  politischen  und 
Cameralhofstcllen  gegen  die  Gubernien,  Landesregierungen,  Directionen 
und  Administrationen  ausüben,  unterliegen  sie  selbst  von  Seite  des  Staats- 
nnd  Conferenzmiuisteriums.  Ausserdem  stehen  die  Hof  buchhaltungen  zu 
denselben  in  dem  nämlichen  Verhältnisse  wie  die  Provinzialbuchhaltungen 
zu  den  Länderstellen,  und  insoferne  Gegenstände  den  Wirkungskreis 
einer  anderen  Hofstelle  mit  berühren,  nehmen  selbst  zwei  und  mehrere 
Hofstellen  auf  die  Behandlung  Einfluss,  bis  das  Geschäft  entweder  der 
Allerhöchsten  Entscheidung  unterzogen  w'ird,  oder  wenigstens  durch 
die  ßathsprotokolle  zur  Keuutniss  des  Staats-  und  Conferenzministeriums 
gelangt. 

Wer  in  solch  einem  Yerwaltungssysteme  noch  keine  hinlängliche 
Bürgschaft  gegen  Willkür,  Eigenmacht  und  ungebührliche  Bedrückungen 
findet,  der  wii'd  wohl  nie  zu  befriedigen  sein,  und  w^enn  man  der  Erfah- 
rungen so  viele  macht,  wie  schleppend  der  Gang  der  Verw'altungsmaschine 
durch  die  wiederholten  CoUegialberathungen  und  durch  die  zahlreichen 
Aufsichten  und  Controlen  wird,  so  muss  es  doch  wohl  einleuchten,  wie 
ungleich  zweckmässiger  es  ist,  mehr  Trieb  in  diese  Maschine  zu  bringen, 
als  durch  eine  noch  w^eitore  Vei'mehrung  der  Controlen  oder  durch  sonstige 
Verzögerungen  sie  fast  zu  einem  gänzlichen  Stocken  zu  bringen.  Auch 
spricht  sich  die  öffentliche  Meinung  hierüber  sehr  deutlich  aus,  da  man 
den  Vorwurf  einer  Uebereilung  fast  nie,  jenen  aber,  dass  es  meistentheils 
Jahre  lang  brauche,  um  die  Verhandlungen  zu  Ende  zu  bringen,  dass 
selbst  ganz  entschiedene  Gegenstände  nicht  selten  wieder  aufgewärmt 
werden,  dass  zwar  viel  geschrieben  werden  möge,  aber  des  Wirkens  sehr 
wenig  wahrzunehmen  sei,  hundert-  und  tausendmal  wiederholen  hört. 

Was  so  oft  der  Fall  ist,  dass  mit  dem  Guten  auch  wieder  Uebel  ver- 
bunden sind,  die,  wenn  man  ihnen  nicht  ausgiebig  abhilft,  am  Ende  so 
gross  werden,  dass  sie  selbst  das  Gute  überwiegen,  scheint  jetzt  von  ilem 
Gange  der  Administration  wirklich  nicht  ohne  Grund  behauptet  werilen 
zu  können.  Dem  stufeuweisen  Zuge  von  einer  Behörde  zur  andern,  so- 
wie der  zur  Evidenzhaltung  jedes  einzelnen  Stückes  nöthigen  Manipulation 
klebt  es  an,  dass,  auch  wenn  keine  dienstwidrigen  Versäumnisse  eintreten, 
doch  schon  immer  eine  längere  Zeit  zur  Beendigung  eines  Geschäftes  er- 
forderlich wird.  Kommen  nun  auch  noch  solche  Versäumnisse  hinzu, 
werden  die  Behörden  wegen  vielfältiger,  weitläufiger  Auskünfte  über 
beendigte  Angelegenheiten  an  der  unverzüglichen  Bearbeitung  der  stets 
neu   einlangenden   Geschäfte  gehindert,   wii-d   der   Zusammenfluss  von 


Die  Lang- 
samkeit der 
Verwal- 
tungs- 
raaschine  zu- 
folge der 
Controle. 


Uebelstände 
des   admini- 
stiativenGe- 
schäfts- 
ganges  in 
tip->teiTeich. 


130 


[130] 


Verein- 
fachnng   des 

Geschäfts- 
ganges und 

der  Viel- 
sclireiberei. 


Einsrlirän- 
kung  der 
Ifccursfi'ci- 
Ucit  im  Poli- 
tischen und 
•  'amcrallsti- 
schen. 


Einlagen  bei  der  nämlichen  Zahl  von  Arjjeitern  mit  jeilem  Jahre  häufiger, 
bleiben  Dienstesstellen  durch  Viertel-  und  halbe  Jahre  unbesetzt,  oder 
dauert  ein  provisorischer  Zustand  gar  Jahre  hindurch  fort,  nimmt  der 
Drang  dergestalt  überhand,  dass  mau,  um  nur  das  Unverscliieblichsto 
abzufertigen,  wichtige  Geschäfte  in  Rückstand  verfallen  lassen  muss,  oder 
ihnen  wenigstens  bei  Weitem  nicht  jene  Aufmerksamkeit,  welche  ihre 
Wichtigkeit  fordert,  widmen  kann,  bringt  die  Ueberladung  selbst  bei  den 
Hofstellen  öfter  die  Wirkung  hervor,  dass  wichtigere  IJerichte  und  An- 
fragen der  Unterbehörden  entweder  längere  Zeit  hindurch  unerledigt 
bleiben,  oder  solche  dunkle  und  unvollständige  Entscheidungen  darüber 
erfliessen,  welche  diejenigen,  die  sich  darnach  achten  sollen,  in  Verlegen- 
heit setzen,  wird  wohl  gar  der  Gang  der  Maschine  von  oben,  wo  eigentlich 
die  treibende  Kraft  ausgehen  sollte,  gelähmt,  dann  wird  es  freilich  sehr 
begreiflich,  wenn  selbst  jene,  in  deren  Augen  eine  mehrfältige  Aufsicht 
und  Controle  vielen  Werth  hat,  doch  die  Nachtheile  bei  Weitem  über- 
wiegend finden  und,  durch  die  ungünstigen  Resultate  verleitet,  das  Admi- 
nistrationssystem für  zweckwidrig  und  fehlerhaft  halten. 

Will  also  die  Staatsverwaltung  den  vielen  und  erheblichen  Unzu- 
kömmlichkeiten ausweichen,  die  mit  gänzlicher  Umstaltuug  des  Verwal- 
tungssystems in  solch  einem  kritischen  Zeitpunkte,  wie  der  gegenwärtige 
ist,  unzei-trcnnlich  verbunden  sein  würden,  zugleich  aber  die  widrige 
Meinung  vertilgen,  die  sich  über  dieses  System  fast  allgemein  verbreitet 
hat,  so  gibt  es  dazu  wohl  kein  sichereres  Mittel,  als  die  Vereinfachung  der 
Geschäfte  und  die  Vermeidung  der  überflüssigen  Schreibereien  zu  einem 
ganz  vorzüglichen  Studium  zu  machen,  einstweilen  aber,  und  bis  dieser 
schon  so  oft  geäusserte  Wunsch  in  wirkliche  Erfüllung  übergehen  wird, 
bei  jenen  Behtirden,  wo  die  Geschäfte  jetzt  —  ohne  dass  Gemächlichkeits- 
liebe oder  Unfähigkeit  der  Beamten  daran  Schuld  trägt  —  nicht  schnell 
und  gründlich  genug  erledigt  werden  können,  lieber  noch  die  unentbehr- 
lichen Personalsvermehrungen  zu  bewilligen,  als  die  Anhäufung  von  Rück- 
ständen oder  Schleudereien  zuzugeben,  weil  der  hieraus  entspringende 
Schaden  ungleich  beträchtlicher  als  die  Auslage  ist,  auf  die  es  im  Ganzen 
hiebei  ankommen  kann. 

Eine  nicht  unbedeutende  Menge  von  Schreibereien  liesse  sich  aber 
gleich  jetzt  dadurch  ei'sparen,  wenn,  ohne  die  Recursfreiheit  bis  an  den 
Thron  aufzuheben,  was  wahrscheinlich,  weil  es  schon  so  lange  bestandeii 
hat,  eine  widrige  Sensation  erregen  dürfte,  diese  Freiheit  doch  wenigstens 
in  engere  und  solche  Grenzen  gebracht  würde,  die  sich  meines  Erachtens 
mit  der  Gerechtigkeit  vollkommen  vei'tragcn.  Wenn  in  Rechtsstreiten, 
wo  es  sich  iift   um  das  Vermögen  ganzer  Familien  und  Cdunnunitäten 


[131]  131 

handelt,  zwei  gleichlautende  Urtheile  entscheidend  sind,  keine  weitere 
Berufung  dagegen  stattfindet  und  der  oberste  Gerichtshof  nur,  wenn  eine 
offenbare  XuUität  erwiesen  ist,  in  solchen  Fällen  einschreitet,  so  kann  man 
doch  wohl  nicht  das  mindeste  Bedenken  tragen,  anzuordnen,  dass  auch  in 
politischen  und  Cameralangelegenheiten ,  wenn  die  Erkenntnisse  der 
ünterbehörden  gleichstimmig  sind,  oder  doch  wenigstens  wenn  sie  sogar 
aucli  noch  von  der  Hofstelle  bestätigt  werden,  kein  Recurs  an  den  Thron 
mehr  zulässig  sei,  sondern  dieser  nur  bei  differenten  Entscheidungen 
platzgreifen  könne.  Es  lässt  sich  nicht  einsehen,  warum  die  gleichstim- 
migen Beschlüsse  mehrerer  Behörden,  worunter  in  jedem  Falle  zwei  förm- 
liche Collegien  sind,  nicht  wenigstens  ebenso  viele  Beruhigung  als  zwei 
Gerichtsstellen,  von  denen  die  eine  manchmal  nur  aus  einem  geprüften 
Justitiar  besteht,  gewähren  sollten.  Durch  diese  Verfügung  würde  nicht 
nur  allein  die  kostbare  Zeit  des  Monarchen  und  des  Staats-  und  Conferenz- 
ministeriums  mehr  geschont,  sondern  auch  den  administrirenden  Hof- 
stellen viele,  im  Grunde  unnütze  und  dabei  doch  manchmal  nicht  wenig 
zeitraubende  Vorträge,  sowie  den  Guberuien.  Administrationen.  Kreis- 
ämtern und  Magistraten,  welche  solchenfalls  immer  einvei'nommen  werden 
müssen,  zahlreiche  Berichterstattungen  erspart.  Aber  auch  noch  andere 
Vortheile  wären  damit  verbunden,  da  bei  dem  Umstände,  wo  über  die 
Frage,  inwieweit  die  Rccurse  einen  effcctum  suspensivum  haben,  sehr 
verschiedene  und  nicht  selten  unrichtige  Begriffe  herrschen,  oft  die  eine 
Partei  dadurch,  dass  die  andere,  welche  von  den  Behörden  allenthalben 
zurückgewiesen  wurde,  ihre  Berufung  bis  an  den  Thron  verfolgt,  wo  die 
Entscheidungen  manchmal  sehr  spät  herablangen,  ungemein  leidet,  und 
ebenso  auch  die  Ausführung  nützlicher  Vorkehrungen  durch  dergleichen 
Recurse,  bei  welchen  es  meiste ntheils  ohnehin  nur  auf  das  Zeitgewinnen 
abgesehen  ist,  verzögert  werden. 

Ferner  lässt  sich  die  Schreiberei  auch  durch  eine  genaue  Beob-    Genaue  Be- 
obachtung 
achtung  der  Activitätsvorschriften  vermindern.    Es  kann  eben  so  wohl     ^er  Activi- 

geschehen,  dass  die  vorgesetzte  Stelle  dui'ch  ungebührliches  Ansichziehen      tatsvor, 

Schriften 

der  Geschäfte  die  Wirksamkeit  ihrer  Untei'behörden  normalwidrig  einengt,      oiUv  der 
als  dass  diese  Unterbehöiden  aus  Unachtsamkeit,  Vei'gessenheit  oder  unzeiti-   Grenzen  aes 

Wirkungs- 
ger Aengstlichkeit  Entscheidungen  einholen,  wo  sie  selbst  definitiv  vorgehen       vrcises 

sollten.    Weder  das  Eine  noch  das  Andere  darf  zugegeben,  vielmehr  sollte     ^^^  Vater- 

behörden. 

vorzüglich  den  Präsidien  die  strengste  Wachsamkeit  gegen  jede  Ausser- 
achtlassung  der  Activitätsnormativen  zur  Pflicht  gemacht  werden.  Bei 
der  starken  Geschäftsvermehrung,  die  aus  dem  Länderzuwachse  entstanden 
ist.  uml  bei  der  offenbaren  Ueberladung  des  Thrones,  sowie  des  Staats- 
und   Conferenzministeriums    scheint   aber  nebstbei   eine   noch   mehrere 

9* 


182 


[132] 


Schlendrian 

der 
Referenten. 


Unter- 
weisungen 

und 
Instructio- 
nen. 


Erweitonuii^  des  Wirkiiugskrpiso  dtM-  Bohördon  mit  Rücksicht  auf  die 
Verschiedpiiheit  ihrer  Verfassungen  mit  jedem  Tage  unerlässlicher  zu 
werden.  Ohne  es  in  Abrede  zu  stellen,  dass  man  hiebei  vorsichtig  ver- 
fahren müsse,  um  nicht  zu  manchem  Missbrauche  Anlass  zu  geben,  zweifle 
ich  doch  nicht,  dass  es  Objecte  gibt,  wo  solche  Erweiterungen  ohne  Be- 
sorgniss  eines  wesentlichen  Nachtheils  zugestanden  werden  können.  Eine 
aufmerksame  Geschäftsleitung  führt  von  selbst  auf  diese  Objecte,  und  eine 
rege  Aufsicht  der  vorgesetzten  Stelle  auf  jene,  die  ihr  untergeordnet  sind, 
schützt  zuverlässig  mehr  als  jede  Beschränkung  des  Wirkungskreises 
gegen  Missbräuche  und  Unfüge. 

Gedankenlose  Fragen  und  unnöthige  Einvernehmungen,  die  nicht 
selten  blos  darum  geschehen,  weil  die  Eefereuten  sich  die  Arbeiten  er- 
leichtern, manchmal  auch  nur,  weil  sie  den  Gegenstand  schnell  aus  der 
Hand  bringen  wollen,  und  mit  welchen  vorzüglich  die  Buchhaltungen  viel- 
fach heimgesucht  und  von  ihren  Berufsarbeiten  abgezogen  werden,  sind 
eine  zu  ergiebige  Quelle  der  Geschäftsvervielfältigungen  und  Verzögerun- 
gen, als  dass  nicht  mit  allem  Nachdrucke  darauf  zu  halten,  dass  sie  künftig 
mehr,  als  es  bisher  geschah,  unterbleiben.  Auch  hier  liegen  die  Abhilfs- 
mittel  schon  selbst  in  dem  Organismus  des  Verwaltungssystems,  da  es 
nicht  blos  die  Pflicht  der  Präsidien  bei  der  Eevision,  sondern  auch  die 
Pflicht  der  vorgesetzten  Stelle  bei  Durchgehung  der  Gestionsprotokolle  ist, 
darauf  zu  sehen,  dass  die  diesfälligen  so  oft  wiederholten  Anordnungen 
])ünktlich  vollzogen  werden.  Allein  eine  werkthätige  Ausübung  dieser 
Pflicht  wird  hie  und  dort  zu  häufig  vermisst,  als  dass  es  nicht  unum- 
gänglich nothwendig  sein  sollte,  sie  durch  nachdrückliche  Einschreitungen 
zu  erzwingen. 

Ueberhaupt  sind  wegen  einer  schnellen,  ordentlichen  und  gründ- 
lichen Geschäftsbehandlung  gegen  Endo  des  Jahies  1806  und  im  Anfange 
des  Jahres  IHOT  eigene  Unterweisungen  und  Instructionen  t'üi'  die  Hof- 
steilen  ergangen,  die  späterhin  aucli  auf  die  Länderstellen  und  Admini- 
strationen ausgedehnt  worden  sind.  Dass  man  sie  nicht  unnütz,  unaus- 
führbar oder  sonst  zweckwidrig  befunden  hat.  erhellt  schon  daraus,  dass 
von  keiner  Seite  Gegenvorstellungen  einlangten.  Noch  weniger  ist  mir 
bekannt,  dass  jemals  eine  Zurücknahme  odei-  Aufhebung  dieser  Instruc- 
tionen erfolgt  wäre.  Aber  Jedermann  weiss,  dass  in  mehreren  Punkten 
gai'  nicht  mehr  darnach  geachtet  wird,  und  dass  sie  bei  einigen  Stellen 
ganz  in  Vergessenheit  gerathen  sind.  Findet  man  selbst  bei  einzelnen 
Commissionsgeschäften  Instructionen  für  diejenigen,  welchen  solche  Ge- 
schäfte übertragen  werden,  nothwendig,  so  scheint  doch  bei  einer  für  den 
Staat  und  jeden  Einzelnen  so  äusserst  wichtigen  Sache,  wie  die  Geschäftsbe- 


[133]  133 

haudluugim  Allgcmeiuou  ist.  ciuc  bestimmte  Anleitungweit  iinontbolulicher 
zu  sein  und  nur  von  solch  einer  Anleitung,nicht  aber  von  der  Koutine.  dem 
Usus,  vielleicht  gar  der  Präsidialwillkür  lässt  sich  Ordnung,  Genauigkeit 
und  Gleichförmigkeit  erwarten.  Die  in  den  Jahren  1806  und  1807  er- 
gangenen Instructionen  niiigen  nun  immer  unvollständig  und  mangelhaft 
sein,  sie  mögen  Ergänzungen  und  Abänderungen,  sie  mögen  eine  sorg- 
fältige Berücksichtigung  der  gegenwärtigen  Lage  der  Dinge  bedürfen,  aber 
auf  jeden  Fall  dienen  sie  ganz  gewiss  zu  einem  Anhaltspunkte  für  das, 
was  gegenwärtig  festzusetzen  und  anzuordnen  wäre.  Die  Prüfung  und 
Berichtigung  dieser  Instructionen  wäre  daher  unverzüglich  zu  veranlassen, 
sobald  sie  die  Allerhöchste  Sanction  erhalten  haben,  zur  Kundmachung 
zu  schreiten,  dann  aber  auch  mit  aller  Festigkeit  handzuhaben,  weil  das 
Einschlafen  der  Vorschriften  beinahe  zur  Sitte  geworden  ist,  und  alle  Ver- 
besserungsmassregeln erfolglos  bleiben,  wenn  man  auf  die  Befolgung  des 
Angeordneten  nicht  mit  Zuversicht  rechnen  kann. 

Die  soeben  angedeuteten  Verfügungen  würden  zwar  ganz  gewiss 
zur  Vereinfachung,  sowie  zur  schnellen  und  gründlichen  Bearbeitung  der 
Geschäfte  wesentlich  beitragen,  aber  vollkommen  wird  der  Zweck  doch  ^^'e  Aufgabe 
nie  erreicht  werden,  wenn  nicht  der  Alles  belebende  Hauch  von  oben  aus-  Monarchen 
geht  und  den  divergirenden  Wirkungen,  welchen  eine  so  complicirte  "'  «^em  ^""t 
Maschine,  bei  den  bekannten  grossen  Verschiedenheiten  der  Ansichten  ^^stal'^te^" 
und  Interessen,  ohne  eine  zusammenhaltende  Kraft  nur  gar  zu  sehr  aus- 
gesetzt ist,  von  oben  Einhalt  gethan  wird.  In  einer  Monarchie,  die  aus 
mehr  als  26  Millionen  Menschen,  aus  mehr  als  aus  einem  Dutzend  ver- 
schiedener Nationen  mit  beinahe  eben  so  vielen  Sprachen,  aus  mehr  als 
einem  halben  Dutzend  verschiedener  Religionen  besteht,  die  keine  allge- 
meine, sondern  äusserst  differente  Verfassungen,  manchmal  sogar  in  einer 
und  der  nämlichen  Provinz  sehr  wesentliche  Nuancen  hat,  wo  sich  die 
Interessen  der  verschiedenen  Classen  und  Stände,  ja  selbst  ganzer  Länder 
so  vielfältig  kreuzen,  die  in  einer  fast  200  Meilen  langen  Strecke  an  den 
uncultivirtesten  Theil  von  Europa,  wo  man  sich  noch  durch  Sanitäts- 
cordon  gegen  Pest  und  Epidemien  schützen  muss,  im  Ganzen  aber  an 
9  bis  10  fremde  Staaten  grenzt,  die  also  auch  in  gewöhnlichen  Zeiten 
unter  allen  europäischen  Ländern  am  schwersten  zu  beherrschen  ist,  die 
noch  dazu  seit  Kurzem  mehrere  durch  eine  längere  oder  kürzere  Reihe 
von  Jahren  von  ihr  getrennt  gewesene  Länder  zurückerhalten  hat.  die  sich 
durch  mehr  als  zwanzigjährige  Kraftüberspannungen  in  einem  sehr  leiden- 
den Zustande  und  in  einer  gänzlichen  Zerrüttung  ihres  Geldwesens  — 
die  so  viele  andere  Zerrüttungen  unvermeidlich  nach  sich  zieht  —  befindet 
und  die  nun,  wo  böse  Nachwehen  der  gar  zu  lange  gedauerten  Anstren- 


134  [134] 

guugcn  sich  mit  den  widrigsten  Eleiucutarcrcignisscn  vereinbarten 
und  dadui'ch  eine  auch  den  standhaften  Mann  wahrhaft  erschütternde 
Lage  herbeifülirten,  grossen  und  unübersehbaren  Uebelu  nur  durch  die 
schleunige  Ergreifung  und  beharrliclie  Ausführung  der  zweckmässigsten 
Mittel  vorbeugen  kann,  in  solch  einer  Monarchie  müssen  die  Geschäfte 
nothwendig  so  häufig,  so  wichtig  und  so  verwickelt  sein,  dass  dem  Souverän, 
bei  welchem  alles  Erheblichere  zusammenfliesst,  schlechterdings  nichts 
Anderes  übrig  bleibt,  als  sich  auf  die  Hauptmomente  zu  beschränken, 
sich  in  der  steten  Uebersicht  des  Ganzen  und  seiner  Verbindungen  zu 
erhalten,  die  nöthigen  Impulse  zu  geben,  jede  Hemmung  und  Stockung 
in  dem  Gange  der  Administration  zu  verhüten,  seine  vorzügliche  Auf- 
merksamkeit auf  eine  gute  Besetzung  der  wichtigeren  Aemter  zu  richten, 
zu  belohnen,  zu  bestrafen  und,  was  in  einer  Monarchie  wie  die  öster- 
reichische von  ungemeiner  Erheblichkeit  ist,  das  Gleichgewicht  oder 
wenigstens  ein  richtiges  Verhältniss  zwischen  ihren  so  äusserst  hetero- 
genen Bestandtheilen  zu  erhalten.  Von  den  tausenden  von  Geschäften, 
die  alljährlich  —  leider  in  zu  grosser  Zahl  —  bis  an  den  Thron  gelangen, 
kann  der  Monarch  nur  in  die  wichtigsten  eigene,  nähere  Einsicht  nehmen. 
Xoch  weiter  gehen  und  das  ganze  Detail  der  nicht  selten  sehr  unbedeuten- 
den Geschäfte  selbst  würdigen  zu  wollen,  ist  eine  absolute  Unmöglichkeit, 
die,  weit  entfernt  etwas  Gutes  zu  stiften,  nur  Aufenthalte  veranlassen, 
ungleich  wichtigeren  Dingen  die  nöthige  Zeit  entziehen  und  die  fort- 
währende Uebersicht  des  Ganzen  —  das  höchste  und  interessanteste  Re- 
gierungsobject  —  verloren  gehen  machen  würde.  Der  Einwurf,  dass  die 
Wichtigkeit  der  Geschäfte  relativ  ist,  weil  an  sich  geringfügige  Angelegen- 
lieiten  doch  für  diejenigen,  die  es  betrifft,  von  entscheidenden  Folgen  sein 
küunen,  ist  hier  von  gar  keinem  Belange.  Man  kann  es  wohl  von  dem 
dichter,  von  jedem  anderen  Staatsbeamten,  der  sein  bestimmtes  Älass  von 
Geschäften  hat,  mit  vijllem  Rechte  fordern,  dass  er  kleinere  Processe  mit 
eben  der  Grüiidlichkeit  wie  grössere,  minder  wichtige  Parteisachen  mit 
eben  der  Aufmerksamkeit  wie  erheblichere  behandle.  Aber  ganz  anders 
verhält  es  sich  rücksichtlich  der  Person  des  Monarchen,  der  nur  auf'  das 
Ganze  sehen  kann  und  je  mehr  er  sich  mit  dem  Detail  befasst,  das  Grosse 
und  Wesentliche  aus  den  Augen  vei-liert.  Niemandem  ist  es  noch  einge- 
fallen, dem  Monarchen  zur  Last  zu  legen,  dass  er  die  Entscheidung  aller, 
auch  der  wichtigsten  Processe,  sell)st  die  Vcrurtlicilung  zum  Tode  aus- 
schliessend  den  Gerichtshöfen  ültei-lässt  nud  nur  das  I*ogna.(ligungsrecht 
bei  Todesstrafen  sich  vorbeliält.  Ti'ilgt  dei'  Landesfi'irst  kein  Bedenken, 
liier,  wo  es  so  oft  auf  Ehre,  Vei'mögen,  Freilieii  und  Leben  dei'  Bürger 
ankommt,  die  definitive Entsclieidiing  seinen  Gerichtsstellen  zu  übei-lassen. 


[135] 


135 


erkennt  der  Lanilesfürst  luiii  mit  ihm  der  ganze  gebildete  Theil  der  Nation, 
dass  er  dies,  ohne  sein  Gewissen  nur  im  Geringsten  zu  belasten,  thun  könne, 
ja  dass  er  sogar  bei  einem  entgegengesetzten  Verfahren  schon  dadurch, 
dass  er  eine  unerschwingliche  Last  auf  sich  nimmt,  sein  Gewissen  zu  be- 
lasten Gefahr  laufen  würde,  so  geht  wohl  schon  aus  der  Analogie  hervor, 
dass  er  auch  bei  den  ungleich  zahlreicheren  politischen  und  Caraeralange- 
legenheiten  mit  dem  Detail  der  Geschäfte  sich  nicht  befassen  könne  und 
solle,  zumal  der  Aufsichten  und  Controlen  mehr  als  genug  bestehen,  um, 
so  viel  es  menschlicherweise  nur  immer  möglich  ist,  Willkürlichkeiten 
und  andere  Unftige  zu  verhüten. 

Dagegen  ist  Alles  daran  gelegen,  jenen  festen,  schnellen  und  ordent- 
lichen Gang  in  die  Geschäfte  zu  bringen,  von  welchem  allein  grosse  Re- 
sultate zu  erwarten  sind,  den  Jedermann  wünscht  und  der,  sobald  er  be- 
merkbar wird,  der  Staatsverwaltung  nothwendig  Achtung  und  Folgsamkeit 
verschaffen  muss.  Die  im  Zuge  stehenden  Verhandlungen  mögen  nun  die 
Aufrechthaltung  des  Öffentlichen  Dienstes  und  der  Gefälle,  oder  neue  ge- 
meinnützige Anstalten,  oder  die  Abstellung  von  Gebrechen,  oder  andere 
neue  Einrichtungen  und  Verbesserungen,  oder  Parteisachen  betreffen,  so 
ist  der  Schaden  meistentheils  nicht  unbeträchtlich,  manchmal  ungemein 
gross,  der  aus  der  oft  jahrelangen  Verzögerung  solcher  Angelegenheiten 
entspringt.  Es  fehlt  sogar  an  Beispielen  nicht,  dass  ausserordentlich 
mühsame  und  gründliche  Ausarbeitungen  einzelner  Referenten  so  lange 
herumgezogen  wurden,  bis  wegen  der  in  einer  Reihe  von  Jahren  einge- 
tretenen Aenderung  der  Umstände  kein  Gebrauch  mehr  davon  gemacht 
w^erden  konnte,  oder  dass  sie  bei  einer  Circulation  oder  als  Reproducenda 
irgendwo  in  Verstoss  oder  in  Vergessenheit  geriethen,  oder,  ohne  nur 
meritorisch  aufgenommen  zu  werden,  in  einer  Registratur,  vielleicht  auch 
in  einem  Bureau  erliegen  blieben,  dass  ebenso  manche  Parteien  den  Aus- 
gang der  langwierigen  Verhandlungen  über  ihre  Gesuche,  Anträge  oder 
Beschwerden  gar  nicht  erlebten.  So  widrige  Eindrücke  dies  unausbleib- 
lich hervorbringen  musste,  so  angenehm  wird  die  Sensation  sein,  wenn 
Ordnung  uml  Sehneiligkeit  in  dem  Geschäftsgange  wieder  zurückkehrt. 
Das  Beispiel  von  oben  und  solch  ein  stufenweises  Herabwirken,  dass  ein 
Keil  den  andern  treibt,  ist  das  unfehlbarste  Mittel  zur  Auflösung  dieses 
grossen  Problems. 

Die  Möglichkeit,  dieses  auszuführen,  hängt  aber  von  dem,  was  ich 
im  vorhergehenden  Absätze  umständlich  angegeben  habe,  ab. 

Eine  Centralleitung  ist  gewiss  in  keinem  Staate  nothwendiger  als 
in  der  österreichischen  Monarchie,  wo,  ohne  der  auswärtigen  Angelegen- 
heiten zu  erwähnen,  die  nicht  andei's  als  abgesondert  und  durcli  eine 


Die 

Nothwendig- 

keit  eines 

festen, 
schnellen 
und  ordent- 
lichen 
Geschäfts- 
ganges. 


Die 

Nothwendig- 

keit  einer 

Central- 

leitnng. 


136 


[136] 


Hofslellcn. 


Einiichtung 
des  Staats- 

UDd 

Conferenz- 

roiniste- 

riiiins. 


MinistcrialstcUc  behandelt  werden  köuueu,  und  olmo  der  Holstäbe  und 
Hofärater  zu  gedenken,  eine  eigene  Kanzlei  für  die  deutschen  und  galizi- 
schen  Länder,  eine  eigene  Organisirungs-Hofcommissiou  für  die  wieder- 
eroberten Länder,  eine  eigene  Kanzlei  für  Siebenbürgen  und  eine  für 
Ungarn,  ein  Hofkriegsrätliliches  Departement  für  die  }»(»litisc-hen  Agenden 
aller  Grenzregiraentsbezirke,  ein  Finanzministerium  mit  der  demselben 
untergeordneten  HofkamuKM'  für  alle  Finanz-  und  Caineralgegenstände, 
ein  Hofkriegsrath  für  die  gesammtcn  Militänmgelegenheiten,  eine  oberste 
Rechnungsbehörde  für  die  deutschen  und  galizischen  Länder,  füi-  Tirol, 
Illyrien  und  das  Küstenland,  zum  Theil  auch,  aber  jetzt  nur  noch  in  ge- 
ringer Beziehung  für  das  Kcinigreich  Italien,  ein  oberster  Gerichtshof  für 
die  deutschen  und  galizischen  Provinzen,  für  Tirol,  Illyrien  und  das 
Küstenland,  ein  oberster  Gerichtshof  (Septemvirat)  für  Ungarn,  ein 
oberster  Gerichtshof  (die  Kanzlei)  für  Siebenbürgen,  ein  oberster  Gerichts- 
hof für  Italien,  endlich  ein  oberster  (ierichtshof  (die  Hofkriegsräthliche 
Justizabtheilung)  für  die  Armee  und  für  die  Militärgrenzbezirke,  eine 
Hofstelle  für  die  Polizei-  und  Censursangelegenheiten,  ausserdem  aber 
noch  eineGesetzgebungs-Hofcommission,  eine  Studien-Hofcommission,  eine 
Normalien-Compilations-Hofcommission ,  eine  Grundsteuer-Eegulirungs- 
Hofcommission,  eine  Militär  -  Verpflegs  -  Systemisir  ungs  -  Hofconnnission, 
eine  Canalbau-Hofcommission  und  eine  Commerz-Hofcoramission  besteht, 
mithin  ausser  der  in  der  Natur  der  Sache  gegrümleten  Abtheilung  der 
leitenden  Hofstellen  in  die  verschiedenen  Hauptzweige  der  Administration, 
die  fast  aller  Orten  abgesonderte  oberste  Verwaltungsbehörden  haben, 
nämlich:  innere  Verwaltung,  Finanz,  Justiz,  Polizei  und  Kriegswesen, 
theils  wegen  der  verschiedenen  Verfassungen  der  Länder,  theils  weil  man 
einigen  Zweigen  durch  Aufstellung  eigener  Commissionen  besser  vorzu- 
sehen glaubte,  theils  aus  anderen  Ursachen,  solch  eine  Menge  und  Mannig- 
faltigkeit von  unter  sich  unabhängigen  Hofstellen,  mit  allen  aus  einer 
weit  getriebenen  Zerstttckung  unvermeidlich  entspringenden  Geschäfts- 
vermehrungen, Umtrieben  und  anderen  Unzukömmlichkeiten  vorhanden 
ist,  dass,  wenn  nicht  eine  Centralleitung  bestünde,  die  alle  diese  Hof- 
stellen umfast,  die  ungeheure  Verwaltungsmaschine,  statt  ein  harmonisches 
Ganzes  zu  bilden  und  concentrisch  zu  den  grossen  Staatszwecken  zusam- 
men zu  wirken,  in  ein  ungestaltetes  Chaos  ausarten  würde. 

Schon  hieraus  geht  die  hohe  Wichtigkeit  der  Bestimmung  des 
Staats-  und  Conferenzministeriums,  zugleich  aber  auch  die  unvermeid- 
liche Nothwendigkeit  solch  einer  Organisation  dieses  Departements  hervor, 
dass  der  Zusammenhang  des  Ganzen  durch  dasselbe  zuverlässig  erhalten, 
jede  Hofstelle  und  Hofcomraission  in  der  ihr  zugewiesenen  Geschäfts- 


[137]  137 

abtlieihmg  genau  übersehen  und  controlirt.  <ler  Gang  der  Administration 
im  Grossen  fortwährenti  beobachtet,  Ordnung  und  Behendigkeit  in  die 
Geschäfte  da,  wo  es  daran  mangelt,  gebracht,  da,  wo  sie  bestehen,  erhalten, 
bei  den  Collisionen  und  Reibungen,  die  zwischen  so  vielen  Verwaltungs- 
körpern öfter  entstehen,  die  dem  Dienste  zuträglichste  Ausmittlung  ge- 
troffen, das  wahre  Verhältnis«  zwischen  den  sehr  ungleich  constituirten 
Ländern  nie  aus  den  Augen  gelassen  und  alle  vorkommenden  Gegenstände 
durch  reiferwogene  Abstimmungen  zur  Allerhöchsten  Entscheidung  ge- 
hörig vorbereitet  werden.    Die  Theilung  in  Sectionen  und  die  Abhaltung 
staatsräthlicher  Sitzungen  hat  weder  die  weise  Stifterin  des  Staatsrathes, 
Maria  Theresia,  noch  der  grosse  Staatsmann,  der  den  Vorschlag  dazu 
machte,  Fürst  Kaunitz,  noch  irgend  einer  derjenigen,  die  nach  einer 
laugen  praktischen  Erfahrung  über  die  Verfassung   desselben  sich  zu 
äussern  späterhin  in  dem  Falle  waren,  zweckmässig  gefunden,  so  wie 
überhaupt  diese,  wie  es  scheint,  von  dem  himmelweit  verschiedenen  fran- 
zösischen Staatsrathe  entlehnte  Idee  auf  den  österreichischen  ganz 
und  gar  nicht  passt.    Würde  der  Staatsrath  mit  etwaiger  Beibehaltung         Die 
der  Sitzungen  oder  förmlicher  Conferenzen  bei  wesentlich  getheilten  Mei-      ^^"^  ^'""^ 
nungen,  oder  bei  wichtigeren  Gegenständen  wieder  auf  den  Fuss  zurück-    staatsrathes 
gesetzt,  auf  welchem  er  sich  zu  Anfang  des  Jahres  1807  befand,  und  der    ^^^^cs^^gQ-^ 
von  allen  früheren  Verfassungsarten  bis  zum  Jahre  1801  wenig  verschie-      und  die 
den  war.  und  würde  er  dergestalt  besetzt,  dass  alle  Gegenstände  unvcr-   ^"'j^rhen 
züglich  in  die  Bearbeitung  genommen,  mit  der  ihrer  "Wichtigkeit  zusagen-    Wirkungen 
den    Müsse    gewürdigt,    die    Protokolle    sämmtlicher    Hofstellen    srenau     ^*'°"®°" 

--  "  -  sprechenden 

durchgegangen,  auch  im  Uebrigen  ihre  Gestion  streng  im  Auge  gehalten,  Einrichtung. 
und  von  Zeit  zu  Zeit  ein  und  das  andere  Glied  des  Staats-  und  Conferenz- 
ministeriums  in  die  Länder  gesendet  werden  könnte,  sowoljl  um  dort  mit 
eigenen  Augen  dem  Gange  der  Administration  nachzuforschen,  als  den 
Zustand  der  Länder  auch  durch  andere  Wege  als  durch  blosse  Amts- 
berichte kennen  zu  lernen  umi  sich  stets  in  der  neuesten  Local-  und 
Personalkenntniss  zu  erhalten,  so  Hessen  sich  davon  die  nützlichsten 
Folgen  mit  um  so  mehrerem  Grunde  erwarten,  als  der  Staatsrath  sodann 
nicht  nur  allein  selbst  das  Beispiel  von  Schnelligkeit.  Ordnung  und  Ge- 
nauigkeit in  den  Geschäften  geben,  sondern  auch  vollkommen  im  Stande 
sein  würde,  die  Geschäftsführung  der  Hofstellen  bis  in  ihr  Innerstes  zu 
durchblicken,  wo  sich  Gebrechen  zeigen,  die  Ursachen  derselben  zu  ent- 
decken und  die  sachdienlichsten  Vorschläge  zur  Abhilfe  zu  machen,  mit- 
hin als  höchste,  unmittelbar  an  der  Seite  des  Monarchen  stehende  und  im 
eigentlichsten  Verstände  sein  geheimes  Rathsgremium  darstellende  Behörde 
Aufsicht,  Controle  und  Zusammenhaltung  des  Ganzen  im  ausgedehntesten 


138  [138] 

Sinne  zu  bewirken.    Es  versteht  sich  dabei  von  selbst,  dass  Gunst  und 

Ungunst,  Nepotismus,  Vorliebe  für  das  eine  oder  das  andere  Land,  Eigen- 

Das         dunkel  und  Selbstsucht  nirgendwo  mehr  als  bei  dem  Staats-  und  Conferenz- 

.^aas-nn      niinisterium  Verbannt  werden  muss,   und  dass  es  dort   noch  nothwcn- 

Conferenz-  ' 

ministeiium    digcr  als  bci  jeder  anderen  Behörde  ist,  keine  Präpotenz  einreissen  zu 
Freiheit 'der  l^^sen ,   die  Freiheit  der  Meinungen  als  ein  unantastbares  Heiligthum 
Meinungen,    zu  betrachten  und  bei   den  Abstimmungen  einzig  auf  das  Gewicht  der 
Gründe  Kücksicht  zu  nehmen. 

Auf  diese  Weise  würde  das  Staats-  und  Conferenzministerium  über- 
aus vielen  Nutzen  schaffen,  besonders  wenn  durch  die  Beschränkung  der 
Zahl  der  an  den  Thron  gelangenden  Gegenstände  —  worunter  gewiss 
viele  geringfügige  sind,  die  in  den  staatsräthlichen  Elenchen  leicht  auf- 
gefunden und  für  die  Zukunft  der  eigenen  Entscheidung  der  Hofstellen 
um  so  unbedenklicher,  als  sie  ohnehin  noch  immer  durch  den  Weg  der 
Protokitlle  zur  Kenntniss  des  Staatsrathes  gelangen,  übei'lassen  werden 
können  —  mehr  Zeit  für  die  wichtigeren  Geschäfte  gewonnen  würde,  und 
wenn  die  schon  früher  in  Vorschlag  gebrachten,  auch  damals  von  Seiner 
Majestät  genehmigten,  aber  noch  niemals  zur  Ausführung  gekommeneu 
Länder-  Länderbercisungen  stattfänden,  wodurch  jenen  Nachtheilen,  die  man  der 
crcisungen.  j,^^ggjjg^jjjj^gj^  Bureaukratic  zuschreibt,  am  kräftigsten  entgegengewirkt, 
die  Folgen  und  Wirkungen  aller  älteren  und  neueren  Einrichtungen  und 
sonstigen  Verfügungen  an  Ort  und  Stelle  wahrgenommen,  die  Gestion 
der  Beamten  auch  in  den  weitesten  Entfernungen  schärfer,  als  es 
durch  den  blossen  Dicasterialweg  geschehen  kann,  im  Auge  gehalten 
und  die  getreuesten  Gemälde  von  dem  Zustande  der  Länder,  von  den 
Wünschen  und  Bedürfnissen  der  Völker  an  den  Thron  gebracht  werden 
würden. 

Eine  weitere  grosse  Erleichterung  für  die  Centralleitung  Hesse  sich 
dadurch  bewirken,  wenn  derselben  jene  Data  und  Materialien  verschafft 
würden,  die  zu  einer  vollständigen  Uebersicht,  wo  nicht  ganz  unentbehr- 
lich, doch  gewiss  von  dem  entschiedensten  Nutzen  sind,  und  die,  mit  der 
gehörigen  Sorgfalt  und  Genauigkeit  verfasst,  nicht  selten  als  Grundlage 
für  die  wichtigsten  Combinationen  gebraucht  werden  köjincu.  Dass  der 
ungemeine  Vortheil,  den  der  praktische  Geschäftsmann,  ilcn  selbst  der 
statistische  angehende  Beamte  aus  statistischen  Tabellen  und  Ausweisen 
TabcUenund   ^.^y^,-  fg^  j^^nu,  uic  verkannt  wurde,  wiid  (hiraus  offenbar,  dass  schon  in 

Ausweise.  ^ 

früheren  Zeiten  einige  Länderchefs  sich  um  solche  bewarben,  mehrei-e 
Kreisämter  in  Beziehung  auf  die  ihnen  anvertraute  Landesstrecke  solche 
Tabellen  und  Ausweise  verfassten  und  eben  so  auch  einige  Buchhaltungen 
das,  was  sie  aus  den  Rechnungen  und  den   sonst  zu    ihrer  Kenntniss 


[139]  139 

gelangomlcn  Actcnstücken  liefern  konutcu,  für  sich  selbst  uqiI  fiir  'len 
Landesclicf  gesammelt  haben. 

Aber  ernstlichere  Schritte,  um  sich  solche  Materialien  zu  verschaffen,  a  nfange 
wurden,  und  zwar  gerade  zum  Behufe  der  Centralleitung,  im  Jahre  1803  jjaterlaiien- 
gemacht.  Am  meisten  ging  zwar  die  Absicht  dahin,  von  den  im  Jahre  1797  sammiung 
neuerworbenen  Ländern  Venedig,  Istrien,  Dalmatien  und  Cattaro 
nähere  Kenntnisse  zu  erlangen.  Aber  bei  der  nämlichen  Gelegenheit 
wurde  auch  in  ganz  Innerösterreich,  in  dem  Fiumaner  Bezirke,  in 
Tirol  und  in  Oesterreich  jenseits  der  Enns  solche  Einleitung  getroffen, 
dass  nicht  blos  von  den  politischen  Behörden,  sondern  auch  von  den 
Appellationsgerichten  und  von  den  Bancal-  und  Tabakgefällsadministra- 
tionen  sehr  vollständige  Xotizen  und  tabellarische  Uebersichten  eingesendet 
wurden.  Seine  Majestät  fanden  dieselben  so  wichtig  und  so  befriedigend, 
dass  die  Formulare,  nach  welchen  in  den  vorbenannten  Ländern  gearbeitet 
worden  ist,  späterhin  auch  den  Gouverneuren  anderer  Provinzen  zuge- 
fertigt wurden,  um  nach  und  nach  zur  Totalübei'sicht  der  Monarchie  oder 
wenigstens  der  gesammten  deutschen  Länder  zu  gelangen.  Allein  durch 
die  wiederholten  Kriege,  durch  den  Schwall  der  Geschäfte,  vielleicht  auch 
weil  sich  späterhin  Niemand  mehr  der  Sache  angenommen  hat ,  unter- 
blieben in  der  Folge  alle  weiteren  Sammlungen,  und  mir  ist  es  blos  von 
der  Provinzial-Staatsbuchhaltung  in  Böhmen  bekannt,  dass  sie  ihre 
statistischen  Tabellen  von  Jahr  zu  Jahr  fortsetzt. 

Wäre  es  nur  noch  im  Geringsten  zweifelhaft,  ob  der  Besitz  solcher    wieiuigkeit 
Materialien  ein  solches  Interesse  gewähre  oder  nicht,  so  würde  sich  der    ,  ,.  "  , 

°  '  statistischen 

evidente  Beweis,  dass  er  nicht  blos  vortheilhaft,  sondern  von  äusserster  Ausweise. 
Wichtigkeit  sei,  nicht  blos  durch  das  Beispiel  fremder  Staaten  und  durch 
die  Autorität  so  vieler  Gelehrten,  sondern  auch  durch  factische  Ereignisse, 
wo  man  den  Mangel  solcher  Notizen  schwer  gefühlt  und  wesentliche 
Xachtheile  dadurch  erlitten  hat,  herstellen  lassen.  Es  würde  leicht  sein, 
darzuthun,  wie  viel  die  Central-  und  jede  höhere  Geschäftsleitung  dabei 
gewinnt,  wenn  sie  solche  Notizen  vorräthig  hat,  um  sie  bei  jedem  vor- 
kommenden Falle  sogleich  benützen  zu  können,  statt  dass  mau  sich  jetzt 
immer  erst,  wenn  schon  die  Nuthwendigkeit  des  Gebrauches  eintritt, 
darum  bewerben  muss,  woraus  der  zweifache  Schaden  resultirt,  dass  die 
Gegenstände,  zu  deren  Erledigung  dei'gleichen  Ausweise  und  Tabellen 
uothwendig  sind,  immer  bis  zu  deren  Zustandebringung  aufgehalten 
werden,  und  dass  letztere  wegen  der  Eile,  mit  welcher  sie  verfasst  werden 
müssen,  und  bei  dem  Mangel  an  Vorbereitungsanstalten  manchmal 
unvollständig,  manchmal  selbst  fehlei-haft  sind.  Allein  dieser  Zweifel 
scheint  nun   schon    wohl    vollends  aufgelöst    un<l    der  Nutzen   und  die 


140 


[140] 


Die 

Sunmarien 

der  Central- 

JeitnDg   in 

statistischer 

Hinsiebt. 


eis-  und 

Trans- 

leithanien. 


Der 

Nützen  der 
statistischen 
Suinmarien 


Wichtigkeit  solcher  Materialien  für  die  Geschät'tsleitung  allgeinciu  auer- 
kannt  zu  sein. 

Soll  aber  der  Zweck  in  seinem  ganzen  Umfange  erreicht  werden, 
so  müssen  die  zahlreichen  einzelnen  Beiträge  bei  einer  Behörde  ziisammen- 
fliessen,  dort  aus  den  einzelnen  Tabellen  die  Summarien  gemacht  und 
gedachte,  über  alle  Zweige  der  inneren  Administration  nach  ihren  Haupt- 
abtheihingen  verfasste  Summarien  der  Centralleitung  vollständig  unter- 
legt, ausserdem  aber  jeder  administrirenden  Hofstelle  Alles,  was  in  das 
ihr  zugewiesene  Fach  einschlägt,  raitgetheilt  werden.  Sehr  Vieles  könnten 
hiebei  die  Länder-  und  Hofbnchhaltiingen  leisten.  Aber  da  dieselben 
doch  auf  so  manche  Administrationszweige  gar  keinen  Einfluss  haben,  so 
müssen  die  dafür  aufgestellten  Behörden  die  Ausweise  und  Tabellen  für 
diese  Zweige  entweder  selbst  verfassen,  oder  doch  wenigstens  die  dazu 
erforderlichen  Materialien  einsenden.  Es  ist  zu  einleuchtend,  wie  viel  an 
ihrem  Werthe  verloren  geht,  wenn  sie  nicht  in  den  Hauptrubriken  über- 
einstimmen, oder  sonst  mangelhaft  und  unzusammenhängend  sind,  um 
erst  noch  umständlich  zu  beweisen,  dass  die  Einleitungen  zur  Verfassung 
dieser  Ausweise  und  Tabellen  von  einer  und  der  nämlichen  Behörde  ge- 
troffen werden  müssen,  weil  man  nur  auf  diese  Art  der  Gleichförmigkeit 
versichert  sein  kann.  Aus  den  gesammten  deutschen  Ländern,  aus  Galizien. 
aus  dem  Königreiche  Italien,  Illyrien,  Tirol  und  dem  Küstenlande  sich 
alles  Nöthige  zu  verschaffen,  kann,  wenn  einmal  die  Sache  von  Seiner 
Majestät  genehmigt  und  die  Behörde,  welcher  die  Ausführung  obliegen 
soll,  bestimmt  worden  ist,  gar  keinem  Anstände  unterliegen.  Aber  weit 
grössere  Beschwerlichkeiten  treten  in  Ansehung  Ungarns  und  Sieben- 
bürgens sowohl  wegen  der  eigenen  Verfassung  dieser  Länder,  als  selbst 
auch  wegen  des  dort  bestehenden  Verwaltungssystems  ein.  Indessen  lässt 
sich  doch  durch  unmittelbare  Allerhöchste  Aufträge  an  den  Erzherzog- 
Palatinus,  so  wie  an  den  Kanzler  oder  Gouverneur  von  Siebenbürgen, 
durch  die  ungarische  Hofkammer  und  die  ihr  zugetheilte  Buchhaltung, 
endlich  durch  die  ungarisch-siebenbürgische  Hofbuchhaltung  Vieles  be- 
wirken und  vielleicht  auch  auf  indirecten  Wegen  noch  manche  Lücke 
ergänzen. 

Hat  man  nur  erst  alle  Daten  uml  Materialien  von  einem  ver- 
gangenen Jahre  vollständig  gesammelt,  daraus  die  Summarien  verfasst, 
und  diese  sowohl  der  Centralleitung  als  den  Hofstellcu  fiir  ihre  Verwal- 
tungszweige übergeben  und  dem  Minister  der  äusseren  Verhältnisse  das- 
jenige mitgctheilt,  was  für  seinen  Geschäftskreis  von  höherem  Interesse 
ist,  so  wird  sich  das  Nützliche  dieser  Einleitungen  gewiss  in  solch  einem 
Masse  bekunden,  dass  sich  alle  Wünsche  auf  die  Fortsetzung  derselben 


fl41]  141 

vereinigen  werden.  Aber  »lern  denkenden  Manne  entgeht  es  nicht,  wie 
sehr  sich  die  Vortheile  mit  jedem  Jahre  vermeliren  werden,  wo  die 
Arbeiten,  je  mehr  diejenigen,  welchen  sie  obliegen,  mit  ihnen  vertrauter 
werden,  immer  an  Richtigkeit  und  Vollständigkeit  zunehmen,  und  wo 
gerade  die  Entgegenhaltung  der  Ausweise  und  Tabellen  von  mehreren 
.Jahren  die  wichtigsten  Aufschlüsse  gibt  und  der  Administration  Daten 
liefert,  welche  ihr-  bei  einem  zweckmässigen  Gebrauche  zum  grössten  Be- 
hufe  gereichen  können. 

Und  doch  hat  man  hiedurch  noch  nicht  das  äusserste  Ziel  erreicht, 
wenn  man  kein  zur  Vervollkommnung  der  Administration  anwendbares 
Mittel  unbenutzt  lassen  will.    Die  administrirenden  Stellen  werden  zwar, 
wenn  die  soeben  angedeuteten  Ideen  in  Erfüllung  übergehen,  mit  sach- 
dienlichen Behelfen  für  ihre  Gestion  ungleich  besser  als  jetzt  versehen 
sein,  sie  werden  deren  von  Jahr  zu  Jahr  mehrere  erhalten.    Allein  der 
Vortheil  würde  noch  ungleich  grösser  sein,  wenn  dabei  auch  die  statisti- 
schen Notizen  fremder  Staaten,  mit  welchen  oft  die  interessantesten  Ver- 
gleiche angestellt  werden  können,  nicht  vernachlässigt  würden.    Bei  der 
in  vielen  Staaten  sehr  weit  getriebenen  Publicität  kommen  dergleichen    Wichtigkeit 
Daten  häufig  selbst  in  Zeitungsblätteru  und  in  periodischen  Schriften  vor.   statistischen 
Auch  mauche  grössere  Werke,  die  von  Zeit  zu  Zeit  erscheinen,  fliessen     Daten  in 
aus  solchen  Quellen  und  beruhen  auf  solchen  Autoritäten,  dass  man,  nach     jo„naien 
den  Kegeln  eines  vernünftigen  Kriteriums,  die  Echtheit  ihrer  Angaben         »nd 
kaum  bezweifeln  kann.    An  Materialien  würde  es  also  selbst  dann  nicht 
fehlen,  wenn  es  das  Ministerium  der  auswärtigen  Verhältnisse  nicht  thun- 
lich  fände,  zur  Einsendung  solcher  Materialien  Aufträge  an  die  Gesandt- 
schaften zu  erlassen.  Sehr  bedeutend  würde  der  Aufwand  zur  Anschaffung 
der  Zeitungen,  Journale  und  statistischen  Werke  nicht  sein  und 
die  zur  Verfassung  der  Summarieu  und  Vergleichungstabellen  gebraucht 
werdenden  Individuen  hätten  sich  wenigstens  im  Anfange  nur  auf  eine 
geringe  Zahl  zu  beschränken. 

Ueberhaupt  müsste  es  sich  die  Behörde,  welcher  die  Leitung  und  Pian- 
Ausführung  der  Sache  übertragen  werden  wird,  zur  Richtschnur  nehmen, 
ja  nicht  gleich  bei  der  ersten  Entstehung  zu  weit  auszuholen,  was  leicht 
zur  Folge  haben  könnte,  dass  mau  wenig  oder  nichts  leistet,  weil  man  zu 
viel  leisten  wollte,  sondern  mit  einem  beschränkteren  Plane  zu  beginnen, 
sich  zuerst  vorzüglich  mit  der  Sammlung  der  Materialien  und  mit  den 
sachdienlichsten  Mitteln,  dieselben  gleichförmig  zu  überkommen,  zu  be- 
schäftigen, sodann  schrittweise  weiter  vorzurücken  und  erst,  wenn  schon 
Resultate  vor  Augen  liegen,  deren  Nutzen  nicht  bestritten  werden  kann, 
zur  vollständigeren  Ausführung  überzugehen. 


massiges 
Vorgehen. 


142  [142] 

An  die  voraageführteii  Eileicliterungen  der  Centralleitimg  durch 
vermehrte  und  verbesserte  Uebersicht  reiht  sich  noch  eine,  die  ich  für 
nichts  wenig-er  als  unwichtig  halte,  ich  meine  die  Wiedereinführung  der 
schon  in  frühereu  Zeiten,  zwar  nicht  allgemein,  aber  doch  bei  mehreren 
Verwaltungszweigen  bestandenen  Administrationsberichte.  Ich  weiss  sehr 
wohl,  dass  viele  dieser  Berichte  der  Erwartung  nicht  entsprochen  haben, 
dass  einige  äusserst  dürftig,  andere  viel  zu  weitläufig  ausgefallen  sind, 
dass  die  Schreiberei  dadurch  im  Ganzen  nicht  wenig  vermehrt  worden  ist, 
dass  man  eben  darum  den  Nutzen  keineswegs  überwiegend  fand  und  es 
daher  von  diesen  Berichten  wiedei-  abkommen  Hess.  Allein  so  sehr  diese 
Thatsachen  gegen  eine  Wiedereinführung  der  erwähnten  Berichte  zu 
streiten  scheinen,  so  möchte  ich  sie  doch  für  keine  entscheidenden  Gegen- 
gründe gelten  lassen,  weil  nach  meinem  Dafürhalten  der  Fehler  nur  in 
den  Anordnungen  lag,  die  nicht  genug  instructiv  und  erschöpfend  waren, 
und  keine  hinlänglichen  Bestimmungen,  wie  die  Administrationsberichte 
beschaffen  sein  sollen,  enthielten,  was  dann  zur  Folge  hatte,  dass  jeder 
seine  eigenen  Begriffe  damit  verband  und  Viele  den  Zweck  gänzlich  ver- 
fehlten. Ueberdies  wird  durch  monatliche  und  selbst  durch  vierteljährige 
Administrationsberichte  die  Arbeit  zu  sehr  und  im  Grunde  ohne  Noth  ver- 
mehrt, weil  'in  so  kurzen  Fristen  nur  wonig  wesentliche  Aenderungen,  die 
für  die  höhere  Leitung  und  Aufsicht  von  Wichtigkeit  sind,  vorzufallen 
pflegen.  Würde  nun  diesen  Gebrechen  durch  eine  bündige,  leicht  fass- 
liche Anleitung,  die  keinen  Zweifel  darüber  übrig  lässt,  was  man  bei  Ab- 
forderung  der  Administrationsberichte  bezweckt  und  wie  diese  Berichte 
eingerichtet  sein  sollen,  so  wie  durch  die  Festsetzung  längerer  Fristen, 
nämlich  halb-  oder  selbst  ganzjähriger  abgeholfen,  so  Hesse  sich  darauf, 
dass  durch  diese  Verfügung  der  Centralleitung  über  das  Ganze  der  Ver- 
waltung und  jeder  administrirenden  Hofstelle  von  ihren  Unterbehörden 
höchst  interessante  Berichte  zukommen  werden,  um  so  zuversichtlicher 
rechnen,  als  schon  zuvor,  ungeachtet  es  damals  an  bestimmten  Anlei- 
tungen fehlte,  wirklich  einige  sehr  schätzbare  Admiuistrationsberichte 
eingelangt  sind,  und  als  dergleichen  Berichte  zur  Entwicklung  der  Fähig- 
keiten und  Sachkenntnisse  derjenigen,  welche  dieselben  zu  verfassen 
haben,  bei  Weitem  mehr  als  die  gewöhnlichen  Amtsberichte  geeignet  sind. 
Es  gilt  auch  hier  die  bei  dem  vorhergehenden  Absätze  gemachte  Bemer- 
kung, dass  nämlich,  wenn  auch  im  Anfange  einige  dieser  Berichte  nicht 
befriedigend  wären,  sie  ganz  gewiss  selbst  durch  die  mehrere  Uebung 
und  durch  die  darüber  ergehenden  Belehrungen  gehaltreicher  werden 
und  dass  die  davon  für  die  Geschäftsverwaltung  zu  erwartenden  Vor- 
theile  —  wegen  der  grossen  üebersichtcn,  die  sich  aus  der  Combination 


[143] 


143 


Nützlich- 
keit, ja 
Noth- 
wendigleit 
derselben. 


mehrerer   solcher   Berichte   ergeben  —   von   Jahr  zu    Jalir   zunehmen 
würden. 

Warum  mir  aber  die  Wiedereinführung  der  Administrationsberichte 
nicht  blos  nützlich,  sondern,  wenn  man  sich  nicht  mit  der  materiellen 
Abfertigung  der  Geschäfte  beruhigen  will,  selbst  nothwendig  scheint,  hat 
seinen  Grund  in  den  Erfahrungen,  die  jeder  aufmerksame  Geschäftsmann 
gewiss  häufig  zu  machen  Gelegenheit  hatte,  dass  nämlich  der  reinste  Wille 
und  ein  nicht  gemeiner  Takt  nicht  immer  hinreicht,  all  das  Gute  und 
Nützliche  zu  leisten,  was  man  beabsichtigt,  ja  dass  man  manchmal  bei 
dem  eifrigen  Bestreben,  zu  oi-ganisiren,  zerstört  oder  sonst  von  unrichti- 
gen Voraussetzungen  ausgeht,  und  irrige  Begriffe  und  Ansichten  bei  ein- 
zelnen, mitunter  auch  wichtigeren  Gegenständen  immer  tiefere  Wurzeln 
schlagen,  wenn  man  nicht  durch  periodische  Zusammenstellungen  die  Er- 
folge genau  zu  übersehen  in  den  Stand  gesetzt  wird.  Noch  weit  mehr  in 
die  Augen  springend  ist  es  aber,  dass  Käthe  und  Referenten,  die  insge- 
sammt  eine  grosse  Menge  einzelner  Eingaben  alle  Wochen  und  Monate 
des  Jahi'es  hindurch  erledigen  müssen,  sohin  sich  an  die  fragmentarischen 
Arbeiten  gewöhnen,  mit  diesen  alle  Hände  voll  zu  thun  haben  und  dadurch 
selbst  in  den  grösseren  Ausarbeitungen  nicht  wenig  gehindert  werden, 
den  Zusammenhang  des  Ganzen  und  den  Ueberblick  des  Fortschreitens 
oder  Zurückbleibens  in  den  verschiedenen  Abtheilungen  des  ihnen  anver- 
trauten Verwaltuugszweiges,  auch  wenn  sie  nichts  weniger  als  fahrlässig 
in  ihrem  Amte  sind,  nur  gar  zu  leicht  aus  den  Augen  verlieren,  wo  doch 
gerade  dieser  Ueberblick  die  Seele  einer  entsprechenden  Geschäftsleitung 
ist  und  die  Administrationsberichte  schon  darum,  weil  sie  sich  über  das 
Ganze  verbreiten,  die  meiste  Versicherung  gewähren,  dass  sowohl  die 
Verfassung,  als  die  Durchlesung  und  Prüfung  dieser  Berichte  zur  Ueber- 
sicht  des  Ganzen  führt,  mithin  dadurch  sich  doch  haltbare  Anhaltspunkte 
zu  einer  planmässigen  und  consequenten  Geschäftsbehandlung  bilden. 
Worauf  es  aber  nebst  einer  fasslichen  und  vollständigen  Anleitung  nach 
meinem  Dafürhalten  noch  vorzüglich  ankommt,  um  sich  einer  zweck- 
mässigen Verfassung  der  Administrationsberichte  zu  versichern,  ist  die 
Einräumung  einer  hinlänglichen  Frist,  damit  sich  jedes  Amt  und  jede 
Behörde,  die  dergleichen  Berichte  zu  erstatten  haben,  durch  Auszeichnung 
nnd  Vormerkung  der  dahin  einschlagenden  Geschäftsstücke  allmälig  darauf 
vorbereiten  könne  und  nicht  erst  in  der  letzten  Zeit  in  Eile  die  Materialien 
aufzusuchen  bemüssigt  werde. 

Wider  die  etwaige  Einwendung,  dass  durch  die  in  Vorschlag  ge-  Widerlegung 
brachten   statistischen  Ausweise    und  Administrationsberichte   die   Ge-    ^.  "^'^" 

hin  wände. 

Schäfte  zu  einer  Zeit  nicht  wenis:  werden  vermehrt  werden,   wo  es  in 


Anleitung 
hiezu. 


144 


[144] 


Die  jetzige 
Aufgabe  der 
Organisation 
des    Staates. 


Unthunlicli- 
keit    der 

Personals- 
verminde- 

i'ung  in  den 
Aetntern. 


iiiohicreu  üezioliuiiyeii  uiid  st-llifst  aucli  aus  liücksicliteu  fiir  die  Fiuanzeu 
vielmehr  unei'Iässlich  ist,  auf  Verminderungen  und  nur  dadurch  mögliche 
Personalsersparungen  zu  denken,  glaube  ich  mir  die  Bemerkung  erlauben 
zu  dürfen,  das«,  wenn  mit  dieser  Idee  zugleich  auch  die  übrigen,  welche 
der  vorliegende  Aufsatz  enthält,  ausgeführt  werden  wollten,  im  Ganzen 
sicher  kein  Zuwachs  an  Geschäften,  sondern  eine  Abnahme  entstehen 
würde,  dass  ferner  die  Verfassung  der  statistischen  Ausweise  sich  mit 
wenigen  Individuen  und  einem  geringen  Kostenbetrage  ins  Werk  setzen 
lasse,  wegen  der  Erstattung  halb-  oder  gar  ganzjähriger  Administrations- 
berichte aber  nicht  ein  einziger  Beamter  mein-  als  jetzt  nothwendig  werden 
könne,  dass  die  Zeit  und  Mühe,  welche  die  Zustandebringung  dieser  Aus- 
weise und  Berichte  fordert,  bisher,  wo  bei  so  vielen  einzelnen  Anlässen 
bald  dieses,  bald  jenes  erhoben,  ausgewiesen  und  angezeigt  werden  musste, 
vielleicht  um  nichts  geringer  war,  ohne  etwas  Mehreres  als  sehr  unvoll- 
kommene Bruchstücke  zu  liefei'n,  dass  also,  ohne  den  grossen  Nutzen, 
der  sich  von  einer  zweckmässigen  Ausführung  der  Sache  mit  so  vielem 
Grumle  erwarten  lässt,  und  der  auch  eine  ungleich  beträchtlichere  Aus- 
lage rechtfertigen  würde,  in  Anschlag  zu  bringen,  in  der  so  unverkenn- 
baren Nothwendigkeit,  die  Finanzen  zu  schonen,  keine  haltbare  Ursache, 
sich  wider  die  Ausführung  zu  erklären,  liege.  Vielmehr  bin  ich  innigst 
überzeugt,  dass,  da  gerade  unsere  kleinliche  und  fragmentarische  Ge- 
schäftsbehandlungsart eine  Menge  überflüssiger  Anfragen,  Anzeigen, 
Einvernehmungen  u.  s.  w.  erzeugt,  Alles,  was  zu  grösseren  Ueber- 
sichten,  zu  festeren,  folgerechteren  Begriffen  und  eben  darum  auch  zu 
durchgreifenderen  Verfügungen  hinleitet,  zwar  nur  indirect,  aber  darum 
doch  sehi'  wirksam  zur  Vereinfachung  und  Abkürzung  der  Geschäfte  bei- 
tragen wird. 

Zu  einer  Zeit,  wo  die  Organisation  so  vieler  wieder  erworbenen 
Länder  noch  weit  von  ihrer  Vollendung  entfernt  ist,  wo  die  vielfältigen 
Kriege  auch  in  den  älteren  Provinzen  der  Monarchie  so  Vieles  aus  dem 
Geleise  gebracht  haben,  wo  man  das  Mangelhafte  mehrerer  älterer  P]iii- 
richtungen  mit  jedem  Tage  lebhafter  fühlt,  wo  so  viele  seit  20  Jahren 
angefangene  Verbesserungen  durch  den  Drang  der  Zeit  unterbrochen, 
andere,  deren  Nothwendigkeit  Niemand  bezweifelt,  noch  gar  nicht  ange- 
fangen worden  sind,  wo  so  manche  neue  Verhältnisse  auch  neue  Anord- 
nungen unumgänglich  erheischen,  wo  die  meisten  Stellen  und  Aemtei' 
mit  Parteisachen  gegen  die  vorigen  Zeiten  drei-  und  viermal  mehr  be- 
schäftigt sind,  wo  endlich  die  höhere  Geschäftsleitung  weit  weniger,  als 
sie  es  vor  20  und  30  Jahren  war,  concentrirt  ist,  in  solch  einer  Zeit 
lassen  sich  Personalsvorniinderungen,  oinzelne  Fälle  ansgenomnien,  wohl 


[145]  145 

schwerlich  anders  als  mit  offenbarem  Nachtheile  des  Staatsdienstes 
erzwingen,  dass  nämlich  Viele,  welche  auf  die  Geschäfte  einen  wesent- 
licheren Einfluss  haben,  durch  Ueberladunjj:  zu  Schleudereien  gezwungen 
werden,  dass  die  Eückstände  sich  noch  mehr  anhäufen,  dass  die  Einrich- 
tungen und  Verbesserungen  noch  langsamer  fortschreiten,  dass  also  die 
Verlegenheiten  der  Staatsverwaltung  noch  mehr  zunehmen  und  die  An- 
lässe zum  Missmuth  noch  zahlreicher  werden  würden.  Dazu  kann  der 
i\lonarch  und  kann  die  Centralleitung  doch  wohl  die  Hände  nicht  bieten 
wollen.  Es  muss  ihnen  vielmehr  Alles  an  einem  rascheren  Gange  über- 
haupt und  insbesondere  bei  den  im  Zuge  begriffenen  oder  sonst  noch 
uothwendigen  Einrichtungen  und  Verbesserungen  gelegen  .sein.  Sie 
würden  daher  mit  sich  selbst  im  Widerspruche  stehen,  wenn  sie  die  Mittel 
dazu  verweigerten  oder  nicht  in  hinlänglichem  Masse  gewährten.  So  wie 
die  Verzögerungen,  die  bei  dem  Bau  eines  Hauses  aus  Mangel  an  Gelde 
oder  an  Materialien  oder  an  Arbeitern  eintreten,  dem  Eigenthümer  zum 
offenbaren  Schaden  gereichen,  eben  so  ist  dies  der  Fall  bei  Einrichtungen 
und  Verbesserungen  in  dem  grossen  Staatsgebäude,  wozu  noch  kommt, 
dass  die  lange  Dauer  eines  provisorischen  Zustandes  bei  Allen,  um  so 
mehr  also  bei  jenen,  die  davon  getroffen  werden,  einen  äusserst  unange- 
nehmen Eindruck  erregt. 

Deswegen  darf  man  sich  aber  keineswegs   der  Besorgniss  über-    voranssicht- 
lassen,  dass  auf  eine  Abnahme  von  Geschäften,  sohin  auch  auf  Personals-   Abnahme  der 
Verminderungen  und  Ersparungen  an  Administrationskosten  wenig  oder    Geschäfte, 
gar  keine  Aussicht  vorhanden  sei.    Vielmehr  wird  gerade  in  dem  Masse,     venninde- 
als  die  Einrichtungen  und  Verbesserungen  nachdrücklicher  betrieben  und     '■"°s  «nd 
eben  weil  sie  sich  unter  mehrere  theilen,  schneller  durchgeführt  werden,    an'^Adm'inU 
auch  der  Zeitpunkt  früher  herbeikommen,  wo  Personalsverminderungen,     strations- 
und  zwar  ohne  allen  Xachtheil  des  öffentlichen  Dienstes,  in  mehreren    ^^^     ^■^^^^. 
Zweigen  der  Administration  werden  vorgenommen  werden  können.    Man   Ordnung  des 
darf  nur  bedenken,  zu  was  für  einem  unübersehbaren  Kolosse  das  Cassa- 
und  Rechnungswesen  in  der   österreichischen  Monarchie   hauptsächlich 
durch  die  vielen  Kriege  und  durch  die  Ueberhand nähme  der  Zerrüttung 
des  Geldwesens  angewachsen  ist,  um  übei'zeugt  zu  werden,  dass,  so  lange 
dieser  leidige  Zustand  fortdauert,  Cassa-  und  Buchhaltungsbeamte  immer 
noch  von  Zeit  zu  Zeit  werden  vermehi't  werden  müssen,  wohingegen,  so- 
bald Ordnung  in  das  Geldwesen  gebracht  wird  und  die  dazu  erforderlichen 
Operationen  ausgeführt  sein  werden,  die  Cassa-  und  Rechnungsgeschäfte 
an  Menge  und  Beschwerlichkeit  nothwendig  abnehmen  müssen,  folglich 
auch  mit  einem  minder  zahlreichen  Personal  leicht  werden  bestritten 
werden  können. 

10 


146  [146] 

Normalien-  riitei'  (leii  vci'scliicileiien  f^cliiiii  wirklich  im  Zuge  stehenden  Ein- 

m  nng.  [(.j^j^j^^gj^  |;^g4.^  gj^]^  bcsonders  von  jener,  welche  die  Saninilung  der  Nor- 
malien beabsichtigt,  ein  sehr  wohlthätigcr  Einfliiss  auf  die  Ablcürznng, 
Erleichterung  und  Verbesserung  der  Gescliäftsbehandlung  erwarten,  zu- 
uial,  wenn  sich  niclit  auf  eine  materielle  Sammluug  beschränkt,  sondern 
der  Gegenstand  systematisch  behandelt,  die  Lücken  ergänzt,  die  Wider- 
sprüche behoben,  die  ündeutlichkeiten  berichtigt  und  aus  deui  ungeheureu 
Chaos  von  vielleicht  uiehr  als  100.000  Noi'uialien,  deren  viele  aus  ein- 
zelnen Veranlassungen  ohne  hinlängliche  Umsicht  erlassen  wonlen  sind, 
und  die  gegenwärtig  besonders  bei  Behörden,  wo  sich  die  Ivcgistratnren 
nicht  in  guter  Ordnung  befinden,  den  Beferenten  ihr  ohnehin  mühsames 
Tagewerk  ungemein  erschweren,  ein  wohlgeordnetes  Ganzes  gebildet  wird. 

Baidacci.  j^  Jem  Zeiträume,  wo  mir  die  Leitung  dieses  Geschäftes  anvertraut  war, 
waren  die  Mittel  viel  zu  bescliränkt,  als  dass  rasche  Fortschritte  möglich 
gewesen  wären.  Docli  sind  die  Grundsätze  des  Verfahrens  sowohl  bei  der 
Sammlung,  als  bei  der  Eedaction  und  bei  der  systematisclien  Coordinirung 
des  Ganzen  damals  aufgestellt,  mehr  als  20.000  vollständige  Auszüge 
aus  den  Originalacten  zusammengebracht,  aus  den  Oameralregistraturen 
von  einigen  Zweigen  die  Normalien  vollständig  ausgehoben  und  von  den 
Länderstellen  die  Abschriften  jener  von  ihnen  selbst  erlassenen  Vei'ord- 
nungen,  welche  in  die  Classe  der  Normalien  gehören,  abgefordert  und 
auch  grösstentheils  eingesendet  worden.  Wäre,  als  nach  der  Hand  die 
Leitung  dieses  Geschäftes  zuerst  an  den  Staatsminister  Grafen  von 
Rottenhan  und  späterhin  an  den  Staatsminister  Grafen  von  Chotek 
übergegangen  ist,  auf  dem  eingeschlagenen  Wege  fortgefahren  worden, 
so  würde  auch  bei  geringen  Mitteln  die  Sammlung  und  die  Redaction  nun 
sclion  beendigt  sein  können.  Allein  wie  es  scheint,  hat  man  damals 
andere  Pläne  angenommen,  die  dem  Anscheine  nach  schnellere  Fort- 
schritte versprachen,  die  aber  nicht  erfolgten.  Es  lässt  sich  erwarten, 
dass  der  Präsident  Graf  Wnrmser,  dem  die  Leitung  dieses  Geschäftes 
seit  einiger  Zeit  übertragen  worden  ist,  die  hohe  Wichtigkeit  desselben 
nach  seinem  ganzen  Umfang  erkennen  und  sachdienliche  Vorschläge  zur 
bestmöglichsten  Beschleunigung  dieser  freilich  sehr  festen,  aber  —  wenn 
sie  zu  Stande  kommt  • —  auch  ungemein  nützlichen  Arbeit  erstatten  wird. 
Der  Zweck  des  vorliegenden  Aufsatzes  gestattet  mir  nicht  weiter  in  die 
Sache  einzugehen,  als  da,  wo  ich  von  den  verschiedenen  Mitteln,  den  ob- 
waltenden Gebrechen  abzuhelfen  und  die  öft'entliche  Verwaltung  zu  ver- 

Orundiape  l)essern,  hamlelte,  auch  auf  den  ausserordentlichen  Nutzen,  den  solch 
r!"^l        eine  systematische  Sammlung  und  Bericlitiguug  der  Normalien,  welche 

imlitischen  •'  r^  n       i^  t 

Codex.        die  Grundlage  eines  jnditischeu  Codex  ausmachte,  in  vielen  Beziehungen 


[147]  147 

^•ewähion  wi'uik',  aufineiksam  zu  machen,  und  dieses  Unternclimeii  unter 
diejenigen  zu  leilien,  bei  denen  es  sehr  bedauerlicli  wäre,  wenn  man  sie, 
weil  sie  ein  Personal  und  folg-lich  einen  damit  verbundenen  Aufwand  be- 
dürfen, aufgeben  wollte. 

Indem   ich  mich  dem  Schlüsse  eines  Aufsatzes  nähere,  der  zum      Schiuss- 
Zwecke  hat,  die  Gegenstände,  über  welche  sich  die  öfl'entliche  Meinung   ^■g^g^.  pg^^. 
fast  durchgehoiuls  ungünstig  ausspricht,  darzustellen  und  die  Mittel  an-       schiift. 
zugeben,  durch  welche  nach  meinem  Jlrachten  die  so  äusserst  widrig  ge- 
wordene Stimmung  allmälig  Avieder  verbessert  werden  könnte,  muss  ich 
auf  Objecte  zurückkommen,  die  ich  zwar  schon  im  ersten  Abschnitte,  wo 
von  der  Zerrüttung  des  Geldwesens  die  Eede  war,  berührt  habe,  die  aber 
ans  der  Ursache  hier  ausführlicher  behandelt  zu  werden  verdienen,  weil 
sie  nicht  nur  allein  ganz  vorzüglich  auf  die  Stimmung  einwirken,  sondern 
weil  gar  keine  Möglichkeit  denkbar  ist,  wie,  in  so  lange  nicht  den  hiei-auf 
Beziehung  nehmenden  Uebeln,  die  ich  soeben  anschaulich  zu  machen  im 
Begriffe  stehe,  ausgiebig  abgeholfen  wird,  die  Stimmung  besser  werden 
oder  sonst   die   gegeuw'ärtige   missliche  Lage   sich   vortheilhaft   ändei-n 
könnte.    Ohne  der  Ackerbauenden,  der  Fabricirenden,  der  Gewerb-  oder      Beamten- 

weU,    Ainiee 

Handeltreibenden,  oder  sonst  einer  anderen  Classe  irgend  etwas  von  ihrem  „„d  staats- 
Werthe  benehmen  zu  wollen,  ist  es  doch  einleuchtend,  dass  die  Civil-  gläubiger, 
administration  im  ausgedehntesten  Verstände,  dass  der  Wehrstand  und 
die  Staatsgläubiger  diejenigen  sind,  welche  der  Landesfürst  mehr  als  alle 
übrigen  Classen  berücksichtigen  muss.  Der  Staatsgläubiger  hat  einen 
Theil  seines  Vermögens,  Mancher  sein  Ganzes  dem  Staate  anvertraut. 
Die  Armee  hat  in  den  letzten  30  Jahren  oft  ihr  Blut  für  das  Vaterland 
vergiessen  müssen.  Sie  leistet  während  des  Friedens  auch  im  Innern 
nützliche  Dienste,  und  sollte  in  der  Folge  die  Ruhe  wieder  gestört  werilen, 
so  liegt  ihr  abermals  die  Vertheidiguug  des  Vaterlandes  ob.  Die  Civil- 
administration  hat  den  allernächsten  und  wichtigsten  Einfluss  auf  die 
innere  Wohlfahrt  der  Länder,  welche  den  grossen  Staatskörper  bilden. 
Durch  die  unglücklichen  Zeitverhältnisse  ist  auch  ihre  Aufgabe  viel  be- 
schwerlicher geworden.  Denn  wenngleich  im  Ganzen  das  Verwaltungs- 
personal jetzt  viel  zahlreicher  ist,  als  es  in  früheren  Zeiten  war,  so  haben 
doch  die  Geschäfte  in  einem  ungleich  grösseren  Masse  zugenommen.  Im 
Allgemeinen  und  dem  grösseren  Theile  hat  sich  die  Arbeit  der  Beamten 
zuverlässig  vermehrt.  Und  doch  ist  noch  sehr  viel  zu  tlum  übrig.  Ob  es 
früher  oder  später  besser  »idor  schlechter  geschehen  wird,  luingt  grössten- 
theils  von  der  Beschaffenheit  der  Civiladmiuistratidu  und  von  dem  Geiste, 
der  sie  beseelt,  ab.  Wer  wird  es  also  nicht  für  ein  höchst  trauriges  Ver- 
hängniss  ansehen,  dass  diese  drei  Classen  unter  dem  Drucke  der  Zeiten 

10* 


148  [148] 

bisher  am  meisten  gelitten  liaben  und  noch  leiden?  Nicht  als  ob  die 
Wahrheit  dieser  Behauptung  erst  noch  erwiesen  werden  müsste,  sondern 
nur  um  sie  anschaulicher  zu  machen  und  um  einige  schiefe  Urtheile,  die 
man  eben  nicht  gar  selten  zu  hören  Gelegenheit  hat,  zu  berichtigen,  glaube 
ich  etwas  tiefer  in  die  Sache  eindringen  zu  müssen. 
Lage  Man  darf  nur  eine  Parallele  zwischen  Zweien,  die  vor  30  oder 

eiäubicor^"  ^^^  -Taliren,  wo  der  Staatscredit  noch  so  unverletzt  war.  dass  die  Banco- 
obligationen  mit  einem  Agio  gingen,  ein  gleich  grosses  Capital,  und  zwar 
so  der  Eine  bei  dem  Staate,  der  Andere  auf  eine  Privathypothek  angelegt 
hat,  ziehen,  um  das  harte  Schicksal  der  Staatsgläubiger  in  seinem  ganzen 
Umfange  zu  fühlen.  Zwar  sind  auch  sehr  viele  Privatgläubiger  durch  die 
eingetretene  Zerrüttung  des  Geldwesens,  durch  die  allmälige  und  viel  zu 
lange  unbeachtet  gebliebene  Werthsvermiuderung  des  Papiergeldes,  und 
vorzüglich  durch  so  manche  mit  und  nach  dem  Finanzsysteme  vom 
Jahre  1811  erschienene  Anordnungen  äusserst  übel  weggekommen,  der- 
gestalt, dass  dadurch  viele  Privatgläubiger  vom  Wohlstande  zur  Dürftig- 
keit herabgesunken  sind.  Aber  die  Staatsgläubiger  wurden  nicht  nur 
allein  von  eben  denselben  Unfälle-n,  sondern  nebstbei  auch  noch  von  der 
Unaufküudbarkeit  der  Capitalien,  von  dem  gezwungenen  Arrosement, 
mithin  in  einem  noch  ungleich  höheren  Grade  betroffen.  Auch  jetzt,  wo 
nach  dem  Misslingcn  der  im  Juni  1816  unternommenen  Finanzoperatio- 
nen leicht  vorherzusehen  war,  dass  sich  der  Werth  des  Papiergeldes,  wenu 
auch  mit  zeitweisen  Schwankungen,  im  Ganzen  doch  immer  zum  Sinken 
hinneigen,  folglich  der  Verlust  bei  den  Interessen,  ungeachtet  des  sich 
gleich  bleibenden  Nominalwerthes ,  von  Monat  zu  Monat  beträchtlicher 
werden  wird,  steht  der  Staatsgläubiger  gegen  den  Privatgläubiger  darum 
in  einem  misslicheren  Verhältnisse,  weil  letzterer  durch  Aufkündigung 
und  anderweitige  Verwendung  seiner  Barschaft  sich  der  uuverhältniss- 
mässig  geringen  Verzinsung  entziehen  kann,  wohingegen  Erstcrer  durch 
die  Unaufküudbarkeit  der  bei  dem  Staate  anliegenden  Capitalien  selbst 
auch  dieses  Hilfsmittels  beraubt  ist  und  ihm  nichts  als  der  nicht  ohne 
ansehnlichen  Verlust  zu  bewerkstclligcnile  Verkauf  seiner  Obligationen 
übi'ig  blcil)t.  Wer  kann  nach  dieser  ganz  einfachen  Darstellung  noch 
daran  zweifeln,  dass  die  Finanzadministration  nur  das  Postulat  der 
strengsten  Gerechtigkeit  erfüllte,  indem  sie  durch  das  in  Vorschlag  ge- 
brachte und  von  Seiner  Majestät  genehmigte  Anlehen  den  Staatsgläubigern 
die  Möglichkeit  verschaffte,  die  Zinsen  künftig  in  Metallmünze  statt  im 
Papiergelde  zu  erhalten,  und  dadurch  zugleich  den  Werth  der  Obligationen 
in  W^iener  Währung  hob?  Das  Einzige,  was  sich  dawider  einwenden  lässt, 
nämlich  die  häufigen  Besitzveräuderuugcu  und  die  wenige  Rücksicht,  welche 


[149] 


149 


so  viele  Käufer  von  Obligationen,  die  solche  grossentheils  bei  sehr  niedri- 
gen Cursen  an  sich  gebracht  liaben,  verdienen,  verliert  sein  Gewicht 
durch  die  Betrachtung,  dass  dergleichen  Zufälle  bei  einer  so  grossen  und 
lange  dauernden  ZeiTüttung  nie  vermieden  werden  können,  die  gerechten 
Ansprüche  der  ursprünglichen  Staatsgläubiger  auf  eine  die  früheren  Be- 
drückungen doch  etwas  mildernde  Behandlung  sich  gar  nicht  bestreiten 
lassen,  und  diejenigen,  welche  die  Schuldverschreibungen  von  den  früheren 
Eigeuthümern  durch  Kauf  oder  Schenkung  überkommen  haben,  unstreitig 
in  ihre  Gerechtsamen  eingetreten  sind. 

Bei  der  zweiten,  durch  den  Druck  der  Zeiten  vorzüglich  beschädigten 
Classe  tritt  zwischen  der  gemeinen  Mannschaft  mit  Einschluss  der  TJnter- 
iifficiere  und  der  Officiere  aller  Grade  in  den  Ländern,  wo  Papiergeld  im 
Umlaufe  ist,  ein  wesentlicher  Unterschied  ein,  da  der  gemeine  Füselier 
im  Jahre  1790,  wo  es  Metallmünze  gab,  ausser  der  Brotportion  nichts  als 
seine  tägliche  Löhnung  von  5  kr.,  dagegen  im  August  1816  nebst  der 
Löhnung  von  5  kr.  an  Fleischbeitrag  täglich  11  kr.  und  an  Kochmehl- 
äquivalent täglich  4  kl".,  folglich  zusammen  täglich  19  kr.  nebst  der  Brot- 
portion, im  Gelde  also  fast  viermal  so  viel  als  zur  Zeit  der  Zahlung  in 
Conventionsmünze  geniesst,  wohingegen  die  Officiere  nebst  der  sehr  ge- 
ringen Eeluition  der  Brotportionen  nur  die  Percentzuschüsse  nach  dem 
nämlichen  Ausmasse  wie  die  Civilbeamten  beziehen,  von  welchen  Zu- 
schüssen die  höchsten,  nämlich  jene,  wo  die  Gehalte  nicht  1000  fl.  jähr- 
lich übersteigen,  nur  150  Percent  betragen.  Wenn  also  auch  der  gemeine 
Mann  gegen  die  Vorzeit  in  dem  Anbetrachte  schlimmer  daran  ist,  weil 
die  Preise  der  Lebensbedürfnisse  seit  dem  Jahre  1790  nach  dem  jetzigen 
Werthe  des  Papiergeldes  nicht  blos  auf  das  Vierfache,  sondern  bei  mehreren 
Artikeln  auf  das  Acht-  und  Zehnfache  gestiegen  sind,  so  ist  doch  sein 
Verhältniss  unwidersprechlich  günstiger  als  jenes  der  Officiere,  weil  er 
das  Brot  in  natura  und  überdies  ungleich  mehr  baare  Aufzahlung  als  der 
Officier  erhält  und,  da  für  seine  Kleidungsbedürfnisse  vom  Staate  gesorgt 
wird,  für  jene  Rubrik,  welche  den  unbemittelten  Officier  gerade  am  meisten 
in  Verlegenheit  setzt,  nichts  auszugeben  braucht.  Wozu  noch  kommt, 
dass  jenem  Theile  der  gemeinen  Mannschaft,  der  arbeiten  will  und  dazu 
Gelegenheit  hat,  auch  der  jetzt  so  sehr  erhöhte  Arbeitslohn  wieder  zu 
Statten  kommt.  Wie  in  so  vielen  anderen  Dingen  ist  also  auch  das  früher 
zwischen  den  Officieren  und  der  gemeinen  Mannschaft  bestandene  Ver- 
hältniss wesentlich  verrückt,  und  eben  dies  greift  auch  zwischen  den 
Officieren  der  verschiedenen  Grade  platz,  wo  der  höher  Besoldete  wegen 
des  gei-ingeren  Percentzuschusses  weniger  für  die  Theuerung  und  den 
gesunkenen    Werth    des    Papiergeldes    entschädigt    wird ,    sohin    einen 


Das  Militär 
und  seine 
Lage.    Der 

gemeine 

Mann    nnd 

der  Unter- 

officier. 


Die  scUimme 
Lage  der 
Officiere. 


löO 


[150] 


Der 

Nothstund 

der 


Lage  der 

Civil- 
beamten. 


ij'fössereu  Verlust  an  soiiiom  urspiiiugliclicu  Genüsse  erleidet.  Wenngleich 
die  freie  Bequartierung  nnd  die  unentgeltliche  Bedienung  bei  dem  jetzigen 
theureu  Unterhalt  der  Dienerschaft  und  bei  den  enormen  Miethzinsen  den 
in  activer  Dienstleistung  stehenden  Officieren  eine  bedeutende  Aushilfe 
gewährt,  so  ist  doch  nicht  zu  verkennen,  dass,  da  Gage  und  Percentzu- 
schuss  zusammen  bei  einem  Capitän-Lieutenant  nicht  volle  94  fl.,  bei  einem 
Oberlieutenant  G7  fl.,  bei  einem  Uuterlieutenant  56^  j  A-  "'i''  ^^^'i  einem 
Fähnrich  etwas  über  49  fl.  monatlich  betragen,  wovon  er  sich  verköstigen, 
kleiden,  alle  audei'on  Bedürfnisse  anschaffen  und  als  Officier  anständig 
leben  soll,  sein  Leben,  wenn  er  nicht  eigene  Mitteln  oder  andere  Zuflüsse 
l)esitzt,  nicht  anders  als  kummervoll  sein  kann,  und  es  wird  sonach  ganz 
begreiflich,  dass  sehr  viele,  wahrscheinlich  die  meisten,  mit  ihrer  Lage 
unzufrieden  sind.  Noch  weit  grösser  aber  ist  die  Unzufriedenheit  und  der 
Nothstand  der  pensionirten  Officiere,  und  obwohl  sie  dem  grösseren  Theilc 
ponsioniricii    jj.^^.jj  Heber  darben,  als  dass  sie  zu  herabwürdigenden  Handlungen  ihre 

Officiere. 

Zuflucht  nehmen,  so  sind  doch  die  Fälle  auch  nicht  so  gar  selten,  wo  sie 
wenigstens  unter  vier  Augen  milde  Gaben  ansprechen. 

Wenn  ich  nun  zur  dritten  Classe,  nämlich  zu  jener  der  Civil- 
Itoamten  übergehe,  so  darf  ich  es  wohl  nicht  erst  beweisen,  dass  im  Allge- 
meinen und  die  verschiedenen  Chargen  und  Kategorien  gegen  einander 
gehalten,  ihr  Loos  selbst  noch  drückender  als  jenes  der  Militärofficiere  ist. 
J)ie  Zahl  derjenigen,  welche  im  Genüsse  von  Naturalquartieren,  Holz, 
Licht  oder  Deputaten  stehen,  ist  rücksichtlich  des  Ganzen  zu  gering,  als 
dass  sie  hier  in  eine  Betrachtung  kommen  könnten.  Dem  grösseren 
Theile  nach  müssen  sie  für  alle  ihre  Bedürfnisse  und  darunter  auch  für 
solche,  die  der  in  activer  Dienstleistung  stehende  Officier  in  natura  erhält, 
sorgen.  Jetzt,  wo  die  gemeinsten  und  einfachsten  Dienste  theucr  bezahlt 
werden  müssen,  wo  die  Miethzinse,  auch  wenn  man  sich  auf  das  Unent- 
behrlichste beschränkt,  über  die  charakterinässigen  Quartiergelder  sammt 
Zuschuss  —  eine  Wohlthat,  die  sich  ohnehin  auch  nur  auf  die  bei  Hof- 
stcllen  dienenden  Beamten  beschränkt  —  weit  hinausgeschritten  sind, 
lässt  sich  das,  was  die  Officiere  vor  den  Civilbearaten  wirklich  vor- 
aus haben,  wohl  in  keinen  geringen  Anschlag  bringen.  Ist  nun  in  dem 
vorhergehenden  Absätze  deutlich  gezeigt  worden,  dass  sich  die  minderen 
Chargen  fast  in  der  Unmöglichkeit,  auszulangen,  befinden,  so  liegt  es 
offen  zu  Tage,  dass  die  Dürftigkeit  und  das  Elend  bei  den  Civilbeamten 
von  gleicher  Kategorie  noch  grösser  sein  muss,  zumal  die  Verehelichungen 
bei  den  Officieren  ungleich  seltener  als  bei  den  Civilbeamten  sind,  da  man 
erstere,  selbst  mit  Einschluss  der  Stabsofficiere,  durch  die  Verbindlichkeit, 
Caution  zu  leisten,  beschränkt,  bei  letzteren  aber,  mit  Ausnahme  der  aller- 


[151]  151 

gcriügsteu  BcsoMungsclasscu,  gar  keine  Beschränkungen  stattfinilen.  In 
der  That  ist  es  bei  den  Civilbeamtcn  dieser  Kategorie,  insoweit  sie  niclit 
eigenes  Vermögen  besitzen  oder  sonst  Unterstützungen  geniessen,  was 
nicht  bei  sehr  vielen  der  Fall  ist,  auf  einen  Punkt  gekommen,  der  wahr- 
liaft  Schaudern  erregt.  Nur  der  beste  Theil  derselben  harrt  mit  einer 
wahrhaft  stoischen  Selbstverläugnung  aus.  Abei'  nicht  selten  stürzt  der 
stets  nagende  Gram  junge  Männer,  die  zu  den  schönsten  Hoffnungen 
für  die  Folge  berechtigen,  in  das  Grab.  Aemtliche  Anzeigen  befinden  sich 
hierüber  in  den  Registraturen.  Andere,  welche  die  Natur  mit  nicht  so 
vieler  Standhaftigkeit  und  Resignation  ausgestattet  hat,  ergreifen  ver- 
schiedene Mitteln,  um  wenigstens  den  äusseren  Anstand  behaupten  und 
ihren  Kindern  die  nothdürftigste  Einziehung  geben  zu  können.  Man  muss 
noch  froh  sein,  wenn  dies  durch  einen  ehrbaren,  für  den  Dienst  nicht 
abträglichen  Nebenerwerb  geschieht.  Einige,  die  dazu  keine  Anlagen  oder 
sonst  keine  Gelegenheit  haben  und  doshalb  immer  tiefer  in  Schulden  ver- 
sinken, oder  gar  auf  schlechte  Streiche  verfallen,  oder  die  im  Gegensatze 
wegen  Privatgeschäften  den  Dienst  gänzlich  vernachlässigen,  verunglücken 
vollends,  wie  es  der  Beispiele  ebenfalls  nicht  wenige  gibt.  Andere  endlich, 
die,  ohne  Schweiger  oder  Wüstlinge  zu  sein,  doch  nicht  Selbstbeherrschung 
genug  haben,  um  auf  allen  Lebensgenuss  Verzicht  zu  leisten,  darum  in 
Schulden  gerathen,  die  sie  gerne  zahlen  wollen,  aber  von  ihrem  schmalen 
Einkommen  schlechterdings  nicht  zahlen  können,  lassen  sich  selbst  bei 
kloinen  Besoldungen  zu  Ehen  hinreisseu,  welche  ihnen  zwar  augenblick- 
lich die  Mittel  zur  Tilgung  ihrer  Schulden  verschaffen,  aber  eine  um  so 
trübere  Zukunft  bereiten,  weil  das  wenige  Zugebrachte  bald  aufgezehrt 
wird,  und  sodann  ihre  häuslichen  Sorgen  grenzenlos  werden.  Auch  in 
vorigen  Zeiten  lebten  manche  gering  besoldete  Beamte  bei  zahlreichen 
Familien,  oder  bei  besonderen  Unglücksfällen,  oder  wenn  sie  zu  unge- 
nügsam waren,  in  Dürftigkeit.  Aber  wer  wird  diese  Zeiten  mit  den 
gegenwärtigen  vergleichen?  Wer  wird  es  bestreiten,  dass  jetzt  bei  den 
geringeren  Besolduugskategorien  auch  die  grössteu  Einschränkungen, 
dass  fast  gänzliche  Verzichtleistuug  auf  allen  Lebensgenuss  nicht  hin- 
reicht, um  gegen  das  Darben  oder  gegen  nothgedrungene  Schulden  ge- 
sichert zu  sein? 

Und  doch  hat  die  Staatsverwaltung  für  diese  Kategorien  noch  am 
meisten  gesorgt.  Sie  hat  ihnen  die  beträchtlichsten  Zuschüsse,  nämlich 
150  Percent  bewilligt.    Bei  den  höheren  Besoldungsclassen  nehmen  die   ^'«  Roheren 

Besoldungs- 
Zuschüsse  stufenweise  von  10  zu  10  Percent  ab,  und  wer  über  1200  fl.       ciassen. 

besoldet  ist,  bekommt  nur  60  Percent.    So  gewiss  es  ist,  dass  die  Beamten 

der  niedrigsten  Besoldungsclassen  von  ihren  Zuschüssen  ä  150  Percent 


152  [152] 

schuu  aus  iler  ganz  eiufacheu  Ursache  uiclits  oiitbeliieu  können,  weil 
diese  nicht  einmal  hinreichen,  sie  gehörig  leben  zu  machen,  eben  so  ge- 
wiss ist  es,  (iass  das  ursprünglich  und  von  jeher  bestandene  Verhältuiss 
durch  diese  progressive  Abnahme  der  Zuschüsse  sowohl  bei  den  Civil- 
beamten  als  den  Militärofficieren  wesentlich  geändert  worden  ist,  und  die 
höheren  Grade,  die  gewöhnlich  doch  nur  die  Frucht  grösserer  Anstrengung 
und  mehrerer  Auszeichnung  sind,  darunter  wesentlich  leiden.  Wenn  auch 
die  Obersten  und  Generale,  sowie  die  Beamten  der  höheren  Classen  noch 
nicht  mit  Xahrungssorgen  im  engsten  Verstände  zu  kämpfen  haben,  so 
sind  sie  doch  diesen  Sorgen  im  ausgedehnteren  Sinne  des  Wortes,  näm- 
lich insoweit  von  standesmässigem  Unterhalte  die  Rede  ist,  schon  wirk- 
lich ausgesetzt,  und  so  wie  man  jetzt  allgemein  sieht,  dass  Hofräthe  und 
selbst  Staatsräthe  auf  Annehmlichkeiten,  die  sich  vor  30  oder  40  Jahren 
kein  Regierungsrath  versagte,  verzichten  müssen,  dass  sie  bei  einer  auch 
nur  etwas  Ziihlreicheren  Familie  die  Erziehung  ihrer  Kinder  in  nicht  ge- 
ringe Verlegenheit  setzt,  dass  sie  nicht  selten  Erholungsreisen,  Bade- 
oder Brunnencuren,  oder  was  sonst  zur  Erhaltung  ihrer  Gesundheit  bei- 
tragen würde,  unterlassen  müssen  und  doch  den  Trost  nicht  haben,  ihre 
Familie  auch  nur  mit  einem  kleinen  Erbtheile  betrauen  zu  können,  eben 
so  sind  andere  selbst  in  noch  höheren  Würden,  wo  man  sonst  äusseren 
Glanz  nie  zu  vermissen  gewohnt  war,  zu  einer  mit  der  Würde  des  Amtes 
eben  nicht  sehr  verträglichen  Lebensweise  gezwungen,  wenn  sie  nicht 
Güter  oder  sonst  ein  eigenes  Vermögen  besitzen. 

Gegensätze  AUes  diescs  wird  um  so  auffallender,  als  es  in  einem  Zeitpunkte 

lirhaft-   geschieht,  wo  der  Luxus  im  Allgemeinen  mehr  zu-  als  abgenommen  hat, 

liehen  Ver-  WO  es  Unter  dcu  Privaten  der  schnell  Reichgewordenen  so  viele  gibt,  wo 
ein  grosser  Theil  der  Gutsbesitzer  durch  die  hohen  Preise  der  Körner, 
des  Holzes,  der  Wolle,  des  Weines  u.  s.  w.  sich  von  einer  schweren 
Schuldenlast  zu  reinigen,  die  Güter  zu  melioriren  oder  zw  erweitern,  und 
dabei  doch  sehr  gut  zu  leben  Mittel  gefunden  hat,  wo  auch  noch  einige 
andere  Classen  zu  einem  zuvor  nie  gekannten  Wohlstande  gelangt  sind, 
wo  es  endlich  bei  Gutsbesitzern,  Grosshämllern  und  anderen  Eigenthümern 
grösserer  Unternehmungen  seit  Jahren  Sitte  geworden  ist,  ihre  Beamten 
und  Diener  überhaupt,  besonders  aber  jene,  von  welchen  sie  vorzüglichere 
Dienste  erwarten,  reichlich,  manchmal  selbst  verschwenderisch  zu  be- 
solden. Solche  Gegensätze  springen  doch  Joilerinann  in  die  Augen.  Sie 
geben  zu  Parallelen  Anlass,  die  der  Staatsverwaltung  auf  keine  Weise 
willkommen  sein  können.  Es  kann  wohl  keine  anderen  als  widrige  Ein- 
drücke erregen,  wenn  sonst  achtbare  Männer  am  Abend  ihrer  Tage  ein 
Bedauern  darüber  äussern,  ihre  Zeit  und  Mühe  dem  Dienste  des  Staates 


[153]  153 

gewidmet  zuhaben,  wenn  fähige  junge  Männer  lieber  in  einer  Schreibstube 
als  bei  einem  öffentlichen  Amte  unterzukommen  suchen,  wenn  sie  selbst 
manchmal  den  Staatsdienst  verlassen,  weil  der  damit  verbundene  Genuss 
zu  ihrem  Unterhalte  nicht  zureicht.  Man  darf  ganz  sicher  als  Grundsatz  an- 
nehmen, dass,  sowie  es  gewiss  allgemein  missbilligt  werden  würde,  wenn  die 
Staatsverwaltung  bei  der  Bezahlung  des  Militärs  und  der  Civiladministra- 
tion  mit  gar  zu  grosser  Liberalität  verführe,  eben  dagegen  auch  wieder 
die  gar  zu  grosse  Beschränktheit  Unzufriedenheit  und  Tadel  nicht  blos 
bei  denjenigen,  welche  unmittelbar  darunter  leiden,  bei  ihren  Freunden 
und  Angehörigen,  sondern  selbst  bei  dem  unbefangenen  Theile  des  Publi- 
cums  erregt.  Es  ist  zwar  herzerhebend  und  gereicht  den  Beamten  im 
Allgemeinen  gewiss  zum  grössten  Lobe,  dass  bei  Vielen  der  Eifer  und  die 
Anstrengung  nicht  nachgelassen  haben,  und  dass  Anzeigen  und  Anklagen 
wider  Beamte  Avegen  eigennütziger  oder  sonst  pflichtvergessener  Hand- 
lungen um  nichts  häufiger  gegen  frühere  Zeiten  geworden  sind.  Aber 
wenn  der  Kampf  zwischen  dem  Pflichtgefühle  und  den  häuslichen  Sorgen 
gar  zu  lange  dauert,  und  fast  jede  Aussicht  auf  eine  bessere  Zukunft  er- 
lischt, dann  unterliegt  nicht  selten  sogar  der  standhafte  Mann,  und  schon 
selbst  der  Anblick  des  misslichen  Zustandes  so  vieler  Staatsdiener  gibt  leider 
häufig  zu  der  widrigen  Vermuthung  Anlass,  dass  jetzt  weniger  liechtlich- 
keit  und  Unbefangenheit  als  zuvor  bei  Schlichtung  der  Geschäfte  herrsche, 
und  dass  der  Dienst  mit  einer  Art  von  Gleichgiltigkeit  behandelt  werde. 

Wenn  man  auf  eine  lange  Reihe  von  Jahren  zurückgeht,  wird  es     Rückblick 
sich  zeigen,  dass  in  dem  Salarialstande  bei  mehreren  Kategorien  dem    ^"     '^ 
Nennwerthe  nach  keine  oder  nur  unbedeutende  Veränderungen  vor  sich      saiariai- 
gegangen  sind.    Ausser  einigen  sehr  massigen  Erhöhungen,  die  bei  den   L*^",!*  °  ^^ 
Gehalten  derKreiscommissäre  und  solcher  Beamten,  die  an  den  niedrigsten        etat 
Stufen  stehen,  stattgefunden  haben,  beschränken  sich  die  übrigen  Aende-   ^^'^ji^Tia^"" 
rungen  meistentheils  nur  auf  eine  verhältnissmässigere  Eintheilung  in      Theresia, 
die  Classen,  da,  wo  Beamte  des  nämlichen  Grades  nach  dem  Senium  ver- 
schiedene Besoldungen  geniessen,  und  auf  Modificationen,  die  nothwendig 
geworden  sind,  um  Gubernial-  oder  Administrationsbeamte  ohne  Verkür- 
zung in  utili  zu  den  Hofstellen  ziehen  zu  können.    Bei  manchen  Katego- 
rien, wie  z.  B.  bei  Staats-  und  Hofräthen,  ist  der  jetzige  Besoldungsstand 
sogar  geringer,  als  er  zu  Zeiten  Maria  Theresiens  war,  wo  jeder  Staats- 
rath  ohne  Ausnahme  10.000  fl.  bezog,  und  wo  die  Hofräthe  theils  mit 
•4000  fl.,  tlieils  mit  5000  fl.,  theils  aber  auch  mit  6000  fl.  besoldet  waren, 
wogegen  jetzt  nur  zwei  Classen  von  4000  und  5000  fl.   bestehen,  das 
sechste  Tausend  Gulden  aber  nur  in  besonderen  Fällen  aus  Gnade  verliehen 
wird.  Damals  bestand  freilich  noch  keine  Zerrüttung  des  GeMwesens,  und 


154  [154] 

in  dieser  licziohung  war  der  Staat  ungleich  besser  als  jetzt  daran.  Aber 
glänzend  war  die  Lage  der  Finanzen  in  der  österreichischen  Monarchie  zu 
keiner  Zeit,  selbst  damals  nicht,  als  sie  die  reichen  Niederlande  und  die 
Louil.iardie  gleichzeitig  bcsass.  Bei  dem  Tode  Kaiser  Karls  VI.  waren  be- 
kanntlich alle  Gassen  erschöpft,  und  in  dieser  Lage  musste  die  Kaiserin 
Maria  Theresia  den  österreichischen  Successionskricg  führen.  Ausserdem 
traf  sie  noch  ein  zweiter  Krieg  mit  Preussen,  der  dritte  oder  siebenjährige 
Krieg,  der  ungeheure  Kosten  verursachte,  und  gegen  das  Ende  ihrer  Re- 
gierung der  bairische  Erbfolgekricg.  Vorzüglich  während  und  nacli  der 
uie         Periode  des  siebenjährigen  Krieges  befinden  sich  in  den  staatsräthlichen 

Finanzlage        ,     ,  t      i  i..    i-    i     i         ^r        i    n  ■>  t      .  i  i-  -r 

seit  dem  Actcn  die  kläglichsten  Vorstellungen  über  die  äusserst  schlimme  Lage  der 
sichcnjähri-  Finanzen,  und  Fürst  Kaunitz  hat  zu  jener  Zeit  mehr  als  einmal  die  Be- 
sorgniss  geäussert,  dass,  wenn  nicht  das  System  der  strengsten  Wirth- 
schaft  und  der  möglichsten  Ersparungen  mit  unverrückter  Beharrlichkeit 
verfolgt  wird,  unübersehbare  nachtheilige  Folgen  und  vielleicht  selbst  der 
Ruin  des  Staates  nicht  abzuwenden  sein  würden.  Offenliar  ist  man  also 
bei  Systemisirung  und  Fortzahlung  der  Besoldungen  während  dieser  ganzen 
Periode  nie  von  dem  Gesichtspunkte  ausgegangen,  dass  eine  strenge  Haus- 
haltung überflüssig  wäre.  Man  hat  vorausgesetzt,  dass  auch  der  geringste 
Beamte,  sobald  der  Staat  seine  Zeit  und  Mühe  ungetheilt  in  Anspruch 
nimmt,  so  viel  überkommen  müsse,  als  nothwendig  ist,  ihn  und  seine 
Familie  beschränkt,  aber  doch  ohne  dass  er  Mangel  leide,  leben  zu  machen, 
dass  in  dem  Masse,  als  das  Amt  mehr  Fähigkeiten  und  Bildung  erheischt 
oder  beschwerlicher  ist,  auch  der  Gehalt  verhältnissmässig  steigen  solle, 
dass  der  wichtige  Einfluss  der  Räthe  aller  Kategorien,  der  Kreishauptleutc 
und  anderer  Amtsvorsteher  auf  den  Gang  der  ötfentlichen  Verwaltung 
gebieterisch  fordere,  diese  Beamten  in  den  Stand  zu  setzen,  anständig 
und  sorgenfrei  leben  zu  können;  dass  diese  Nothwendigkeit  bei  den  Hof- 
räthen,  bei  den  Staatsräthen,  bei  den  Chefs  der  Länder,  Obergerichts-  und 
Hofstellen  in  einem  noch  höheren  Grade  eintrete,  und  dass  es  diesen  ge- 
gönnt sein  solle,  bei  ihren  mühsamen,  wichtigen  und  verantwortlichen 
Geschäften  jene  Lebensweise  führen  und  von  ihren  Besoldungen  bestreiten 
zu  können,  die  man  sich  in  solchen  Chargen  früher  gar  nicht  versagen 
durfte,  ohne  in  den  Verdacht  des  Geldgeizes  zu  kommen.  Je  mehr  es 
nur  dem  kleineren  Theil  der  sehr  zahlreichen  Staatsbeamten  beschieden 
ist,  sich  zu  den  höhci-en  Aemtern  aufzuschwingen,  um  so  mehr  luusste  es 
dem  Landesfürsten  daran  liogen,  diosen  Aemtern  auch  einen  grösseren 
Reiz  zu  verschaffen. 

Wider  die  Richtigkeit  dieser  Voraussistzungen,  auf  welche  damals 
gebaut  worden  ist,  lässt  sich  gewiss  nichts  Standhältiges  einwenden.    Und 


[155] 


155 


in  der  Tliat  liaboii  zu  Zeit  Maria  Tlieresicns  die  Besoldungen  der  Beamten 
]iac]i  iliren  verschiedenen  Abstufungen,  wenn  sie  nicht  zahlreichere  Fami- 
lien zu  ernähi'en  hatten  oder  sonst  besondere  Umstände  eintraten,  ein 
ihrer  Kategorie  angemessenes  Auslangen  gewährt.  So  blieb  es  in  der 
Hauptsache  auch  noch  während  der  Regierung  Josephs  IL,  Leopolds  IL, 
ja  selbst  in  dem  ersten  Decennium  der  gegenwärtigen  Regierung;  weil, 
obwohl  sich  während  dieses  langen  Zeitraumes,  besonders  in  einigen 
Kriegs-  oder  minder  gesegneten  Jahren  die  Preise  allmälig  erhoben,  diese 
Erhöhungen  doch  nicht  so  bodeutond  und  anhaltend  waren,  um  die  Lage 
der  Beamten  allzusehr  zu  verschlimmci-n.  Nur  erst  seit  dem  Jahre  1802, 
wo  die  Menge  der  Bancozettel  schon  auf  mehr  als337  Millionen  angewachsen 
war,  wurde  das  Steigen  der  Preise  der  ersten  Lebensbedürfnisse  bedeuten- 
der. Aber  doch  waren  selbst  noch  in  diesem  Jahre  die  Durchschnittspreise 
zu  Wien  nicht  höher  als:  der  Weizen  5  fi.  12  kr.,  Korn  zu  5  fl.,  Gerste 
zu  4  fl.  54  kr.,  Hafer  zu  3  fl.  6  ki".,  das  Pfund  Rindfleisch  8  kr.,  das 
Pfund  Kalbfleisch  10  kr.,  die  Mass  des  gemeinsten  Weines  12  kr.,  die 
Klafter  weiches  Holz  10  fl.,  die  Klafter  hartes  Holz  19  fl.,  die  Elle  mittel- 
feines Tuch  4  fl.  30  kr.  bis  5  fl.  Aber  selbst  schon  bei  diesen  Preisen, 
die  zugleich  die  gänzliche  Störung  der  früheren  Preisvei'hältnisse  durch 
das  damals  schon  ausschliesslich  im.  Umlaufe  gewesene  Papiergeld  sehr 
anschaulich  machen,  waren  die  Beamten  beinahe  auf  die  Halbscheid  ihres 
vorigen  Einkommens,  ungeachtet  der  aSTcnnwerth  desselben  sich  gleich  ge- 
blieben ist,  herabgesetzt,  weil  sie  fast  den  doppelten  Geldbetrag  nöthig 
hatten,  um  sich  die  nämlichen  Bedürfnisse  anzuschaffen.  War  nun  schon 
damals  der  Verlust  der  Beamten  von  solcher  Beträchtlichkeit,  so  fällt  es  von 
selbst  in  die  Augen,  wie  ungemein  gross  er  gegenwärtig  ist,  wo  die  oben 
genannten  Gattungen  seither  abermals  auf  das  Vier-,  Fünf-  und  Sechsfache 
gestiegen  sind.  Es  fällt  ferner  in  die  Augen,  in  was  für  einem  Missver- 
hältnisse die  Theuerungszuschüsse  zu  dem  Unterschiede  der  früheren  und 
der  dermaligen  Preise  stehen.  Es  ergibt  sich  endlich  das  unbestreitbare 
Resultat,  dass  die  Grundlagen,  auf  welche  die  Bemessung  der  Gehalte  in 
früheren  Zeiten  basirt  worden  ist,  nun  gänzlich  verrückt  und  man  darf 
sagen  umgestürzt  worden  sind,  und  dies  zu  einer  Zeit,  wo  der  Staat  um 
nichts  weniger,  sondern  ungleich  mehr  als  vor  30  und  40  Jahren  von 
seinen  Beamten  fordert,  indem  nun  jeder  Conceptspraktikant  sämmtliche 
Berufsstudien  besitzen  muss,  während  noch  jetzt  einige  Beamte  in  höheren 
Würden  aus  früheren  Zeiten  vorhanden  sind,  denen  die  philosophischen 
und  juridischen  Studien  gänzlich  mangeln,  beinahe  jeder  Secretär  beim 
Referate  aushelfen  muss,  und  die  Geschäfte  überhaupt  weit  zahlreicher 
und  beschwerlicher  geworden  sind.   Unmöglich  lässt  sich  diese  Erscheinung 


Die 

steigenden 

MissverhäU- 

nisse 

zwischen 

dem 

Papiergelde 

und   den 
Preisen  der 

Lebens- 
bedürfnisse 
seit  1802. 


Verrückiiug 

der 

Grundlagen 

in  der 

tiehiilts- 

bemessung. 


156 


[156] 


anders  erklären,  als  dass  in  dem  Drange  der  Zeit,  wo  der  Staat  immer 
nur  schwankende  und  unsichere  Einnahmen  hatte  und  die  Finanzadmini- 
stration nie  einen  richtigen  Voranschlag  machen  konnte,  wo  die  von  Zeit 
zu  Zeit  stets  wieder  neu  ausgebrochenen  Kriege  und  die  heinahe  nie 
unterbrochenen  Kriegsrüstungen  die  Verlegenheit  noch  höher  spannten, 
und  wo  man  das  Beispiel  anderer  Staaten,  den  grössten  Theil  der  ausser- 
ordentlichen Lasten  auf  die  Contribuenten  zu  wälzen,  nicht  nachahmen 
wollte,  nur  auf  den  Hauptzweck,  die  äussere  Ruhe  zu  gründen  und  die 
Unabhängigkeit  des  Staates  zu  sichern,  hinblickte,  und  jede  andere  Rück- 
sicht diesem  Hauptzwecke  unterordnete. 

Allerdings  muss  in  einer  bedrängten,  ungewöhnliche  Anstrengungen 
erheischenden  Zeit  jeder  Unterthan  des  Monarchen,  mithin  auch  der 
Staatsdiener  zur  Bestreitung  der  ausserordentlichen  Lasten  das  Seinige 
nach  Kräften  beitragen.  Allein,  so  wenig  sich  dieser  Grundsatz  bestreiten 
lässt,  und  so  gewiss  es  ist,  dass  demselben  zufolge,  wenn  die  bei  Systemi- 
sirung  der  Besoldungen  angenommene  Basis  unverletzt  geblieben  wäre, 
wider  eine  Besteuerung  der  Beamten,  das  ist  wider  Besoldungsabzüge, 
bei  den  höheren  Classen  allenfalls  selbst  von  15  bis  20  Percent,  nichts 
einzuwenden  gewesen  sein  würde,  so  sehr  ist  dagegen  durch  das,  was 
wii'klich  geschah,  alles  Verhältniss  überschritten  worden,  und  die  Beamten 
haben  dabei,  was  sich  mathematisch  beweisen  lässt  und  aus  der  Combi- 
nation  zwischen  den  früheren  und  den  jetzigen  Preisen  von  selbst  ergibt, 
eben  so  beträchtlich  verloren,  als  die  Grundbesitzer,  trotz  aller  Extra- 
ordinarien und  Zuschüsse,  gewannen.  Sehr  natürlich  ist  es  also,  wenn 
der  grösste  Theil  der  Staatsdiener,  die  das  Missliche  ihrer  Lage  mit  jedem 
Jahr  härter  fühlten,  zugleich  aber  auch  die  Verlegenheit  der  Staatsver- 
waltung, bei  dem  angenommenen  Systeme  mehr  zu  thun,  nicht  ver- 
kannten, mit  Sehnsucht  dem  Zeitpunkte  entgegenharrten,  wo  ein  dauer- 
hafter Friede  und  der  wiederhergestellte  Umfang  der  Monarchie  es  möglich 
machen  würde,  wieder  auf  die  ursprünglichen  Grundlagen  des  Besoldungs- 
ausmasses  zurückzukommen  und  dem  Missverhältnisse  abzuhelfen,  in 
welchem  sich  die  Beamten  gegen  andere  Classen  befinden.  Die  Ereig- 
nisse der  Jahre  1813  und  1814,  und  noch  mehr  die  Ereignisse  des 
Jahres  1815,  belebten  ihre  Hoffnungen.  Je  lebhafter  diese  Hoffnungen 
waren,  je  näher  sie  am  Ziele  zu  sein  glaubten,  um  so  mehr  sind  sie  jetzt 
erschüttert,  wo  die  Thcuerung,  sohin  auch  die  Unerklecklichkeit  ihrer 
Besoldungen  von  Monat  zu  Monat  zunimmt,  und  wo  es  dem  verständigeren 
Theile  täglich  einleuchtender  wird,  dass  so  lange  die  gegenwärtige  Zer- 
rüttung des  Geldwesens  fortdauert,  die  Staatsverwaltung  keine  andere 
Möglichkeit  hat,  reichlichere  Zuschüsse  zu  geben,  als  dass  sie  entweder 


[157]  157 

neues  Papiergeld  ansstosst,  was  aber  den  Werth  desselben  noch  mehr  Zuschüsse  in 
herabsetzen,  folglich  fruchtlos,  nebstbei  aber,  weil  es  mit  den  übrigen  ^i''^'^*^ 
bisherigen  Operationen  im  nfifenbaren  Widerspruche  stünde,  auch  sonst 
überaus  schädlich  sein  würde,  oder  dass  sie  die  Steuern  und  Gefälle  aber- 
mals beträchtlich  erhöht,  was  aber  in  einigen  Ländern  gar  nicht,  in  anderen 
nur  mit  grossen  Schwierigkeiten  unter  den  gegenwärtigen  ungünstigen 
Umständen  ausgeführt  werden  könnte,  und  im  besten  Falle  doch  immer 
die  Folge  hätte,  dass  auch  die  Preise  der  Dinge  wieder  steigen  und  sohiu 
die  beabsichtigte  Erleichterung  der  Beamten  neuerdings  vereitelt  sein 
würde. 

So  deutlich  mir  nun  also  die  Xothwendigkeit  vor  Augen  zu  liegen 
scheint,  sowohl  den  Civilbeamten,  als  den  Militärofficieren  aller  Katego- 
rien, weil  die  schlimmen  Folgen  einer  längeren  Fortdauer  des  dermaligen 
äusserst  gespannten  Zustandes  nicht  zu  berechnen  sind,  bald  und  wirk- 
sam zu  Hilfe  zu  kommen,  so  wenig  kann  ich  dagegen,  bei  den  gegen- 
wärtigen Verhältnissen,  in  den  Zuschüssen  in  Papiergeld  ein  wahrhaft 
wirksames  Abhilfsmittel  finden. 

Für  blosse  Palliativen  hat  man  sie  schon  lange  gehalten.  Indessen  Abhilfen 
Hesse  sich  dann  doch  noch  sagen,  dass  Palliativen  in  den  Fällen  nicht 
zu  verwerfen  sind,  wo  mau  Radicalcuren  nicht  anwenden  will  oder 
nicht  anwenden  kann.  Aber,  wie  soeben  gezeigt  worden  ist,  tritt  hier 
die  weit  wichtigere  Betrachtung  ein,  dass  die  Finanzadministration  den 
Fond  für  reichlichere  Zuschüsse  nebst  der  Bedeckung  für  den  gesammten 
übrigen  Staatsaufwand  nicht  aufbringen  kann,  ohne  zu  Mitteln  zu  schrei- 
ten, die  entweder  die  Masse  des  Papiergeldes  wieder  vermehi-en,  oder  den 
Producenten,  Handels-  und  Gewerbsleuten  zu  neuen  Preissteigerungen 
Anlass  geben  und  dadurch,  ohne  dem  Nothstand  der  Classen,  für  die  man 
sorgen  will,  reell  abzuhelfen,  den  Missmuth  und  die  Klagen  noch  grösser 
machen  werden.  Unvermeidlich  ist  es  also,  tiefer  zu  greifen,  das  zer- 
rüttete Geldwesen  in  Ordnung  zu  bringen,  dadurch,  nämlich  durch  die 
Wiederherstellung  einer  festen  Valuta,  die  Staatseinnahmen  mit  den 
Ausgaben  in  ein  Gleichgewicht  zu  setzen,  solch  eine  Bezahlung  der 
Beamten,  dass  jeder  seinem  Bange  gemäss  leben  kann,  als  ein  uner- 
lässliches  Erfordernis«  in  das  Präliminarsystem  aufzunehmen,  auf  eben 
die  Weise  auch  mit  anderen  Ausgabsrubriken,  wo  nach  eindringen- 
der Prüfung  keine  Beschränkungen  thunlich  sind,  zu  verfahren,  wenn 
es  sonst  kein  Mittel  gäbe,  entweder  einer  Ueberspannung  der  Abgaben 
oder  einem  Deficit  —  Uebeln ,  die  beide  in  gleichem  Grade  fürchterlich 
sind  und  schlechterdings  vermieden  werden  müssen  —  auszuweichen, 
sich  durch  was  immer  für  Betrachtungen  von  weiteren  Reductionen  im 


Art. 


158  [1581 

Militär-Etat  in  ilom  ]\[asse,  als  es  nothwendig-  ist.  um  den  Staatsanf- 
waiiil  vollstiindii;"  boilcrki'ii  zu  krmnon,  ja  iiiclit  altlialtoii  zu  lassen,  zu- 
gleich ahei'  audi  alle  jene  Mittel  anzuwenden,  von  welchen  man  es  sich 
am  zuverlässigsten  versprechen  kann,  dass  durch  sie  die  AVunden,  welche 
die  vielen  Kriege,  die  nothgedrungenon  Kial'tüliei'spannungeu  und  die 
lange  Dauer  der  Zerrüttung  des  Geldwesens  dem  Staate  geschlagen 
haben,  am  ehesten  geheilt  werden  und  die  Länder  jenen  Wtdilstand  ei- 
reidien,  dessen  sie  nach  ihrer  physischen  Beschaffenheit  hei  einer  ent- 
spreclienden  Fürsorge  der  Staatsverwaltung  fähig  sind, 
oidnnng  dor  An  der  Stufe,  wo  wir  stehen,  bei  einer  so  äusserst  beschwerlichen 

verhiUnLse  ""''  verwickeltcii  Lage,  bei  der  Verkettung  so  vieler  Uebel  und  bei  dem 
gänzlich  gesunkenen  Vertrauen  kann  man  Heil  und  Eettung  von  einzelnen 
und  partiellen  Massregeln  nicht  mehr  erwarten,  so  wie  man  vorüber- 
gehende oder  sonst  mindere  Uebel  nicht  achten  darf,  wenn  sie  unvermeid- 
lich sind,  um  höhere  Zwecke  zu  erreichen  und  einen  Ausweg  aus  dem 
Labyi-inthc  zu  finden,  dessen  Dasein  uns  nach  so  vielen  traurigen  Er- 
fahrungen wohl  gar  nicht  mehr  zweifelhaft  sein  kann.  Es  ist  gewiss  von 
höchster  Wichtigkeit,  die  Geldverhältnisse  zu  ordnen,  zumal  sich,  wie  ich 
selbst  in  dem  vorliegenden  Aufsatze  bei  mehr*  als  einer  Gelegenheit  ge- 
zeigt habe,  die  bösen  Folgen  der  Zerrüttung  des  Geldwesens  fast  allent- 
halben auf  das  Nachtheiligste  äussern.  Desnugeachtet  darf  man  sich 
selbst  jetzt  nicht  blos  auf  die  Lösung  dieser  Aufgabe  beschränken,  weil 
auch  andere  Gegenstände  höchst  wichtig  und  di'iugend  sind,  und  was 
Gedeihliches  in  Betreff  derselben  geschieht,  auch  die  Wiederherstellung 
der  Geldverhältnisse  erleichtert  oder  sonst  dem  Gelingen  der  Operationen 
zum  Behufe  gereicht. 
Schiuss  der  Ohne  dass  es  meine  Absicht  war,  oder  dass  es  mir  auch  nur  mög- 

lich gewesen  wäre,  alle  Punkte,  die  von  einem  höheren  Literesse  und  bei 
welchen  ausgiebigere  Anordnungen  nothwendig  sind,  aufzufassen,  glaube 
ich  iloch  behaupten  zu  dürfen,  dass  die  Objecte,  welche  ich  in  dem  gegen- 
wärtigen Aufsatze  behandelt  und  meine  Ansichten  darüber  freimüthig 
geäussert  habe,  theils  zu  den  wichtigeren,  theils  selbst  zu  den  wichtigsten 
gehören,  dass  sie  also  die  grösste  Aufmerksamkeit  der  Staatsvei'waltung 
verdienen,  und  dass,  da  sie  ohnehin  nicht  einen  und  den  nämlichen,  son- 
dern verschiedene  Administrationszweige  betreffen,  nichts  im  Wege  steht, 
bei  allen  sogleich  werkthätig  einzuschreiten,  zumal  es  bei  einigen  Gegen- 
ständen ohnedies  erst  noch  auf  Vorarbeiten,  die  sich  auch  bei  einem 
emsigen  Bestreben  nicht  so  bald  zu  Stande  bringen  lassen,  ankommt, 
mithin  jedoi'  Zeitverlust  noch  nachtheiliger  wird." 


Betrachtun 
gen. 


Denkschrift. 


[159]  159 

An  diesen  eigentlichen  Schluss  seinei-  Denkschiift  knüpft  BaWacci      Zusätze 
eine  „summarische''  oder  lecapitulirende  Darstellung  des  ganzen  Inhalts         j^^  "^ 
derselben,  welcher  zugleich  die  Hinweisungen  auf  das.  was  sich  bis  zum   eigentlichen 
gegenwärtigen  Augenblick  geändert  oder  mehr  entwickelt  hat  (insoweit 
es  zu  seiner  Kenntniss  gelangt  ist)  beigefügt  sind. 

Das  Wesentliche  dieser  Zusätze  lässt  sich  in  Nachstehendem  zu- 
sammenfassen. 

Die  augehoffte  Besserung  der  Finanzen  sei  nicht  eingetreten.  Trotz 
des  Novcmberanlehens ,  von  welchem  bereits  30  Millionen  eingegangen 
sein  sollen,  wären  die  Curse  in  den  ersten  Tagen  des  Jänners  1817  gegen 
400  gestiegen,  und  sowohl  die  älteren  !**(,,  als  die  neueren  2^/5 "/o  'i^ 
Conventiousmünze  verzinslichen  Obligationen  beträchtlich  gesunken.  Eine 
etwaige  Besserung  der  Wiener  Währung  und  der  Obligjitionen  würde  nur 
ephemer  sein,  denn  die  Curse.  vor  dem  Finanzpatente  durchschnittlich 
283 '/j,  im  Juli  274 '/j-  "»i  August  293'/^,  im  September  322V5,  im 
October  3231/2,  im  November  327V8>  ™  December  3487s»  zeigten  sich 
in  den  ersten  Jännertagen  1817  wieder  gestiegen,  also  verschlimmert. 
Neue  Berathungen  und  das  Verbot  jedes  weiteren  Verkaufes  von  Conven- 
tionsmünzc  an  der  Börse  seien  mithin  dringlich  nothwendig. 

Was  die  Theuernng  betreffe,  so  habe  die  inzwischen  bekannt  ge- 
machte Erhöhung  der  Pii'undsteuer  keineswegs  eine  nachtheilige  Wirkung 
gehabt,  denn  obschon  die  Zufuhr  von  Getreide  aus  Baiern  längst  aufhörte 
und  Preussen  die  Ausfuhr  verbot,  seien  doch  die  Köinorpieise  nicht 
unljeträchtl ich  gesunken. 


Der  Schluss  der  Denkschrift  lautet  folgendermassen : 

„So  wenig  es  meine  Absicht  war,  und  so  wenig  icli  auch  nur  die  Schiusswort. 
Mittel  dazu  hatte,  alle  Wunden  und  Alles,  was  einer  Abhilfe  oder  Ver- 
besserung dringend  bedarf,  anzugeben,  so  enthält  doch  der  gegenwärtige 
Aufsatz  Andeutungen  genug,  die  um  so  ernstlicher  und  ungesäumter  be- 
herzigt zu  werden  verdienen,  als  ich  nichts  übertrieben,  selbst  nicht  ein- 
mal gi'eller  gezeichnet  habe  und  vielmehr  von  dem  Gesichtspunkte  aus- 
gegangen bin,  da,  wo  ich  nur  Gutes  erzwecken  will,  ja  nicht  den  bösen 
Geist  der  Eechthaberei  und  beleidigter  Eitelkeit  aufzureizen,  sohin  da- 
durch der  Sache  zu  schaden.  Wollte  man  aber  Vieles  oder  auch  wohl  das 
Meiste  von  dem.  was  ich  nicht  blos  berührt,  sondern  auch  umständlich 
erörtert  und  begründet  habe,  nicht  gelten  lassen  und  werkthätige  Ein- 
schreitungen übei'flüssig  finden,  so  darf  ich  mir  doch  wenigstens  den  Vor- 
wurf nicht  macheu.  unberufen  geschrieben  zu  haben,  da  mein  Herz  rein 


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\i>n  allen  Nebenabsichten  ist,  da  ich  den  Gegenständen,  die  ich  behan- 
delte, schon  seit  langer  Zeit  ein  angestrengtes  Nachdenken  gewidmet 
habe,  und  da  nur  äusserst  wenige  Beamte  in  der  österreichischen  Monarchie 
in  der  Gelegenheit  waren,  wie  sie  mir  zu  Theil  geworden,  so  vielseitige  und 
ausgebreitete  Erfahrungen  an  verschiedenen  Standpunkten  zu  sammeln. 
Man  mag  sich  endlich  was  immer  für  Begriffe  über  unsere  gegen- 
wärtige Lage  machen,  so  bleibt  es  eine  unumstössliclie  Wahrheit,  dass  es 
selbst  zur  Zeit  der  grössten  Kriegsdrangsale  keine  Periode  gab,  wo  die 
öffentliche  Meinung,  welche  keine  Regierung  unbeachtet  lassen  darf,  eine 
so  auffallend  widrige  Richtung  genommen  hat,  und  wo  diese  widrige  Rich- 
tung, die  nun  schon  nicht  selten  selbst  das  Gute  und  Zweckmässige  an- 
tastet, von  so  langer  Dauer  war." 

„Geschrieben  in  den  letzten  sechs  Wochen  des  Jahres  ISIG  und  in 
den  ersten  drei  Wochen  des  Jahres  1817." 

B.  m.  p. 


Berichtigung:. 

S.  10,  2.  Absatz,   Z.  4   v.  o.   soll    os    hoissen:    „in    eine    verzinsliche 
Schuld",  statt:  „unverzinsliche  Schuld". 


Ausgejreben  am  27.  März  1889. 


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