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LIBRARY
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
RIVERSIDE .—
FREIHERR ANTON VON BALDACCI
ÜBER DIE
INNEREN ZUSTÄNDE ÖSTERREICHS.
EINE ÜENKSCimiFT ATTS ÜEM JAHRE ISIG.
HEß AUSGEGEBEN UND EINGELEITET
D«- F^
KRONE S,
CORRESPOXDIRENDEM MITGLIEDE DER KAJS. AKADEMIE DER « ISSENSCHAFTEN.
WIEN, 1889
IN COMMISSION BEI F. TEMPSKi
BUCHHÄNDLER DER KAIS. AKADEMIE DEK WISSENSCHAFTEJf.
T)-E>Öl
K7^
Aus dem Archiv für österreichische Geschichte (LXXIV. Bd., I. Hälfte, S. 1) separat
abgedruckt.
Druck von Adolf Holzhausen in Wien,
k. k. Hof- und Üniversitäts-Buchdrucker.
Vorbemerkungen.
Der Herausgeber beifolgender Denkschrift hat vor ein
paar Jahren ein Buch erscheinen lassen, das unter dem an-
spruchslosen Titel: ,Zur Geschichte Oesterreichs im Zeitalter
der französischen Kriege und der Restauration 1792 — 1816' ^
Beiträge zur Förderung der Kenntniss von einer Epoche im
Auge hatte, deren Thatsachenfülle und Bedeutung — trotz
der Masse des bereits veröffentlichten Materials und der langen
Reihe willkommener Arbeiten grossen und kleinen Schlages —
noch immer einer Vermehrung des massgebenden Stoffes und
einer Verwerthung desselben zugänglich und bedürftig bleibt.
Diese Beiträge, welche zufolge der Wesenheit des be-
nützten Quellenstoffes und der Anlage des Buches auf innere
Einheit keinen Anspruch erhoben und erheben konnten, ent-
hielten auch eine nicht ohne JMühe zusammengeschweisste Skizze
von dem gleichzeitigen Berufsleben des Freiherrn Anton von
Baldacci, einer Persönlichkeit, die, mag man ihr den Namen
eines Staatsmannes gönnen oder blos den Titel eines Staats-
beamten ersten Ranges einräumen wollen, bisher wenig beachtet,
ebenso durch Detailkenntnisse in den staatlichen Zuständen und
Angelegenheiten, als durch Thatkraft und persönlichen Ein-
fluss im Rathe der Krone hervorragt.
Als jenes Buch unter die Feder genommen wurde, war
sein Verfasser bereits im Besitze der Abschrift des ihm vom
Herrn Grafen Braida zur Benützung freundlichst überlassenen
Originals einer Denkschrift Baldacci's über die inneren
Verhältnisse Oesterreichs, die, zu Ende des Jahres 1816 und
zu Anfang des nächsten geschrieben und abgeschlossen, ebenso
umfangreich als durch ihr Detail wichtig, einer vollständigen
1 Gotha, F. A. Perthes' Verlag, 1886, 8", XX und 396 SS.
4 [4]
Publication würdig schien. Andere Arbeiten des Verfassers
verzögerten die Ausführung dieses, wie er annehmen darf,
berechtigten Vorhabens.
Es scheint geboten, der allgemeinen Würdigung ihres
Inhalts eine kurze Lebensskizze Baldacci's vorauszu-
schicken, um die Befähigung des Genannten zu einer solchen
Aufgabe darzulegen, und des Näheren auseinanderzusetzen,
welche Beweggründe ihre Abfassung und ihr Gepräge be-
stimmten.
Die Baldacci's ' sind von Hause aus ein korsisches Ge-
schlecht, welches nach berechtigter Vermuthung mit Dominik
von Baldacci, dem Zeitgenossen des Aufstandes der Korsen
gegen die genuesische Herrschaft 1732 — 1733 und der Be-
kämpfung desselben mit Hilfe Oesterreichs, auswanderte, in
Siebenbürgen und Ungarn heimisch wurde und dort das
Prädicat ,Vegvezekeny'^ erwarb. Dominik und dessen Sohn
Josef (I.) machten in namhafteren militärischen Stellungen
die Kriegsjahre Oesterreichs mit", jener von 1737 — 1739 und
1740—1746, dieser von 1756—1763 und 1792—1795. Josefs (I.)
älterer Sohn gleichen Namens, Gatte der siebenbürgischen
Edelfrau Barbara Toroezkay , starb, mit dem Range eines
k. k. Oberstwachtmeisters, bereits 1808; der jüngere Anton (L),
der Mann unserer Lebensskizze, 1762 in Wien geboren, war
der Civillaufbahn und einer bedeutenden Zukunft vorbehalten.
Durch ihn kam 1814 der Freiherrenstand auch an die beiden
Neffen, Söhne seines Bruders Josef (IL), an Anton (IL), Gatten
der Freiin Anna von Hunyad, und an Emanuel, der vor dem
Jahre 1848 als Gouvernements-Adjutant in Dalmatien diente
und als Genosse der ungarischen Insurrection 1848 — 1849, ihr
Geschick theilend, 1852 starb.
Anton von Baldacci, 1778 — 1781 Zögling der Theresiani-
schen Ritterakademie, trat 1781, mit 19 Jahren, in den
Staatsdienst, und zwar als Praktikant bei der k. ungarischen
Hofkammer; 1787 finden wir ihn in der k. k. Bankal- und
Dreissigstgefäll-Direction und ein Jahr später als dritten Secretär
der k. k. Bankozettel-Hauptcasse , von welcher er 1789 in
gleicher Eigenschaft zu dem früheren Amte zurückkam. Mit
' Die nä?ieren Ausfühningeri und Belege finden sich in dem oben ange-
führten Werke: ,Zur Geschichte Oesterreichs' u. s. w.
[5] ^
29 Jahren, also bald darauf (1791), wurde Baldacci Hofsecretär
der k. k.' illyrischen Hofkanzlei und diente 1794—1797 als
solcher in dem neugebildeten ,Directorium' der inneren Ange-
legenheiten der Erbländer. So hatte er die Regierungszeiten
Josephs II., Leopolds IL und die schwierigen Anfänge der Herr-
schaft Kaiser Franz IL durchlebt, als ihn das Jahr 179S in die
Reihe der Hofräthe der galizischen Hofkanzlei einführte.
Eine wichtige Mission, die Bereisung des 1795 neu-
gewonnenen WestgaHziens , verschaflfte ihm die Gelegenheit,
diese äusserst reformbedüftige Provinz genau kennen zu lernen
(1799) und die Ergebnisse dieses Auftrages Ende 1801 in
einem zum stattlichen Foliobande angewachsenen Berichte vor-
zulegen.i 1803 wurde Baldacci der rangjüngste unter den
sieben Hofräthen im inländischen Departement des Staats- imd
Conferenzministeriums, und von da an beginnt der 41jährige
Mann immer einflussreicher zu werden.
Schon im Jahre 1803 beschied ihm das Vertrauen des
Monarchen eine Bereisung Dalmatiens, Istriens und Venetiens,
behufs Abfassung einer Relation über die dortigen Zustände.
Von 1805 an überkam Baldacci das Cabinetsreferat beim
Kaiser in allen Verwaltungs-, Systemal- und Personalfragen,
so auch als Mitglied des 1807 und 1808 wiederhergestellten
Staatsrathes.
1807 Commandeur des Stephansordens. 1809 Geheimrath,
spielte Baldacci in der nächsten Umgebung des Kaisers eine
tonangebende Rolle als hartnäckigster Anwalt des Krieges vor
der Schlacht bei Wagram so gut wie nach derselben, in den
]\[onaten des heftigen Meinungskampfes im Rathe der Krone,
welcher dem Wien-Schönbrunner Frieden voranging. Dafür
spricht am überzeugendsten das Tagebuch Erzherzogs Johann
und der bekannte Brief Napoleons I. vom 21. September 1809,
worin Baldacci und Stadion als die dem Frieden feindlichen
Rathgeber des Kaisers bezeichnet erscheinen; das belegen auch
die Verunghmpfungen der französischen Presse und selbst die
geringschätzigen Worte in den Aufzeichnungen eines Gentz
> Derselbe befindet sich im Archive des k. k. Ministeriums des Innern.
Die weiter unten angedeuteten Materialien über die von ihm 1803 be-
reisten Küstenländer gingen, wie A. v. Ficker in seinem Aufsatze
(s. weiter unten S. 7) bemerkt, grösstentheils verloren. Tgl. mein oben
anereführtes Werk S. 36.
6 [6]
über Baldacci. 1810 begegnen wir Letzterem als Vicekanzler
der vereinigten Hofkanzlei,
Es war dies zur Zeit, als der neue Mann einer neuen
Sachlage, der Routinier in der Staatskunst, Metternicli, am
Ruder sass und sich beeilte, die ihm unbequemen und ein-
mischungslüsternen Elemente bei Seite zu schieben. Zu diesen
zählte auch Baldacci, dessen Vertrauensstellung bei dem Mon-
archen wohl mit der Ueberlieferung zusammenhängt, in ihm
habe die geheime Staatspohzei, die Cabinetspolizei, ihr Haupt
besessen.
So erklären wir uns denn auch, dass Baldacci der gründ-
liche Kenner der Verwaltungszustände und Staatskräfte, der
Mann der Acten und der Ziffern, vom 9. Mai 1811 an die
Stelle des Freiherrn v. Schittlersberg als Präsident des
General-Rechnungs-Directoriums, des nachmaligen Staats-
rechnungshofes, trat und zufolge des k. Erlasses vom 22. Api'il
1812 mit der Ausarbeitung eines neuen Organisationsentwurfes
für diese Centralbehörde betraut wurde.
Der Krieg der Jahre 1813 — 1815, den er, in seinem
Hasse gegen Napoleon und in seiner Hoffnung auf den Sturz
französischer Gewaltherrschaft unentwegt, laut genug herbei-
gewünscht, führte Baldacci aber wieder vom Acten tische in
das geräuschvollere Leben des Hoflagers und dann auf den
Boden jenes Staates, dem er am meisten gram war. Als ,Hof-
commissär der Armee^ oder ,Armeeminister^ begleitete er von
1813 auf 1814 den Kaiser nach Frankreich; es kam die Zeit
der ersten Occupation. Noch früher, auf dem Wege dahin,
erhielt Baldacci den Auftrag, seinen Anschauungen über die
Einrichtung der rückeroberten illyrischen Provinzen Aus-
druck zu geben, wie dies aus seinem Vortrage an den Kaiser
von 20. November 1813 hervorgeht. Im April 1814 ward
Franz Graf von Saurau vom Kaiser nach Frankreich ent-
boten, um hier in Gemeinschaft mit Baldacci die Gesichtspunkte
und Massregeln der neuen Administration jener Pi'ovinzen
festzustellen.
Bot schon die erste Occupation Frankreichs Arbeit genug,
so verdoppelte sich dieselbe im Gefolge der zweiten aus-
gedehnteren Besetzung seiner Osthälfte und nahm den ganzen
Mann in Anspruch. Als Civilhaupt der österreichischen
Occupation und Mitglied des ,conseil administrativ der ver-
m 7
bündeten Mächte schloss Baldacci, bis zum letzten Augenblicke
für das volle Maass der Ansprüche und Forderungen unseres
Staates eintretend, seine ebenso mühselige als verantwortliche
. und undankbare Arbeit nach dem zweiten Pariser Frieden
(22. October 1815) ab und begab sich in die Heimat, in den
früheren Wirkungskreis zurück. Er trug das nur Wenigen ver-
liehene Civil-Ehrenkreuz und hatte 1808 — 1814 die Aufnahme
in die Landstandschaft der Herzogthümer Ki-ain und Kärnten,
des Triester Gebietes und der Steiermark erworben.
Das Jahr 1816 eröffnete die dritte und letzte Phase im
Berufsleben Baldacci's, seine weiterhin durch keine auswärtige
Thätigkeit unterbrochene, geräuschlose, aber nicht unfruchtbare
Amtsführung als Präsident des General-Rech nungs-
Directoriums. In dieser Stellung überdauerte Baldacci die
lange Regierungszeit Kaiser Franz I. und hielt sein Amt bis
zum siebenundsiebzigsten Lebensjahre (1839) inne.'
Im Frühjahre 1829 wurde ein k. Handschreiben an Baldacci
erlassen , worin der Schwerpunkt der Aufgaben des General-
Rechnungs-Directoriums in die anzustrebende Sonderung der
Wirksamkeit der verwaltenden und controlirenden Behörden
gelegt erscheint. Wir finden diesen Auftrag bald darauf
(29. April) erneuert. Das General-Rechnungs-Directorium er-
stattete am 31. Juli 1832 einen Vortrag, in welchem Baldacci
in seiner bedächtigen Art das Für und Wider dieses Princips
erwägt und zunächst einen längeren Aufschub verlangt, über-
haupt einer allmäligen und theilweisen Trennung jener Be-
hörden das Wort redet.
Und so blieb es bei dieser Uebergangsphase bis zu dem
Zeitpunkte, da der greise Baldacci sein Amt in die Hände
' Vgl. über Baldacci als Präses des G. R. D. die Monographie von K. Liclit-
negl, Geschichte des österreichischen Controls- und Rechnungswesens
(Wien 1872), S. 205 fF., und über den nachmaligen ,Staatsrechnungs-
hof die Schrift von G. Seidler (Wien 1884, bei Holder). In Hinsicht
der Verdienste Baldacci's um die Statistik und deren Entwicklung in
Oesterreich: A. v. Ficker, in den , Mittheilungen aus dem Gebiete der
Statistik der österreichischen Monarchie', Wien, 4. Jahrg., 1. Heft, 1855,
S. 1 — 38; sodann von demselben die stoffverwandte Studie in der
Wiener statistischen Monatschrift, herausgegeben vom Bureau der k. k.
statistischen Central -Commission, H. Jahrg., 1876, 49 — 74 unter dem
Titel: ,Der Unterricht in der Statistik an den österreichischen Univer-
sitäten und Gymnasien'.
8 [8]
der jüngeren, genialeren Kraft, des Freiherrn Karl Friedrich
von Kübeck, legte und mit dem Titel eines , Staatsministers'
die letzten zwei Jahre seines Lebens, ehelos und vereinsamt,
den 9. Juli 1842 schloss.
Wenden wir uns nun den Anfängen der österreichischen
Statistik und dem berufsmässigen Verhalten Baldacci's zu
denselben zu.
Seit der Mitte des 18. Jahrhunderts brach sich in Deutsch-
land die sogenannte , Tabellenstatistik' immer mehr Bahn.
Flächeninhalt, Bevölkerung, Religion, Finanzen, Armee, poli-
tische Verfassung, Geld, Maass und Gewicht bildeten ihre ur-
sprünglichen Riibriken.' Das Zahlenmässige der Daten musste
naturgemäss die Hauptaufgabe des Tabellenstatistikers aus-
machen, den naturgemässen Uebergang zur vergleichenden
Methode Büsching's bilden und sich mit dieser in die nachmals als
^mathematisch' bezeichnete Richtung umsetzen, welche gewisser-
massen die Brücke zwischen der Conring- Achenwall'schen
oder ,ethnographiscli-staatsAvissenschaftlichen' und der englischen
Statistikerschule mit ihrer , politischen Arithmetik' schlug. ^
Ihre verschiedenen Gegner wurden die Vertreter der so-
genannten , höheren' Statistik, die Feinde der , Tabellenknechte''
und ,Tabellenfabrikanten' , vorzugsweise Schlözer und seine
Schule, die allerdings, gleichwie die gesammten akademischen
und sonstigen Vertreter der Statistik, ihre scharfe Abkanz-
lung durch den damaligen Jenaer Professor der Philosophie,
A. F. Lueder, in seiner ,kritischen Geschichte der Statistik'
vom Jahre 1817 erlebten.''
' Vgl. darüber die in der Anni. S. 7 citirten Aufsätze von A. v. Ficker
und die Werke über Statistik: von Knies, Die Statistik als selbständige
Wissenschaft (1850); E. Jonäk, Theorie der Statistik (Wien 18öG);
Kümelin, Zur Theorie der Statistik (1863) und V. John, Geschichte der
Statistik (1884). I. Theil. Belehrend in Betreff der Entwicklung der amt-
lichen Statistik ist das Werk Ricli. Boeckh's: ,Die geschichtliche Ent-
wicklung der allgemeinen Statistik des preussischen Staates'. (Berlin 1863.)
2 Vgl. darüber insbessondere V. John, Geschichte der Statistik. I. Theil.
Stuttgart 1884, S. 57—98.
3 Es ist das zugleich eine Apologie seiner , Kritik der Statistik und Po-
litik' vom Jahre 1812, von welcher er sagt: ,Mein Ziel war Vernichtung
der Statistik und der mit der Statistik innigst verbundenen Politik' . . .
Ilini gilt die Statistik als gemeinschädlidi!
[9] 9
In Oesterreich vertraten das Lehrfach der Statistik, zu-
nächst an der Wiener Hochschule: Leporini, J. Ch. Schmidt,
dann Watterroth und seit 1794 der ungemein fleissig schrift-
stellernde Ignaz de Luca, der Schützling Josefs v. Sonnen-
fels, bis zu seinem Ableben, vorzugsweise in der Richtung
Büsching's.' Um dieselbe Zeit taucht ein zweiter Wiener,
Josef Max Freiherr von Liechtenstern, auf, ein kenntniss-
reicher, ungemein rühriger Geo- und Kartograph von bleibenden
Verdiensten. Es heisst. dass Liechtenstern im Jahre 1809 die
Direction eines statistischen Bureaus in Paris antreten sollte,
die Berufung jedoch ausschlug, weil er mit aller Zuversicht
auf die Begründung eines solchen Bureaus in Oesterreich zählte.
In seiner dem damahgen Staatsrathe Freiherr von Schwitzen
gewidmeten Schrift: ,Ueber statistische Bureaus, ihre Geschichte,
Einrichtungen und nüthigen Formen' — sie erschien noch 1820
zu Dresden in -vierter Auflage — wahrt sich Liechtenstern das
Verdienst, zur Errichtung jenes Bureaus den Anstoss gegeben
und bei dessen Organisation mitgewirkt zu haben. Doch kam
es nicht zur Verwirklichung der Hoffnungen Liechtenstern's,
und ebensowenig gelang es ihm, eine feste akademische Stellung
in Wien zu erringen, obschon er es 1815 mit statistischen
Vorträgen an der Universität versuchte. Dies und zerrüttete
materielle Verhältnisse bewogen ihn, 1819 auszuwandern. ^
Seine Zeitgenossen und Fachverwandten in gesicherten Berufs-
stellungen der Residenz waren Dr. Zizius,-* der Nachfolger de
' Vgl. Ficker's in der Anm. S. 7 an zweiter Stelle angeführten Aufsatz,
S. 53 — 54, und Hu gelmann 's Skizze über de Luca in der Allgemeinen
deutschen Biographie, XIX. Bd., 1884, S. .335—336. Ein Urtheil über
de Luca in den , Vaterländischen Blättern' (Wien, Jahrg. 1816, S. 567)
sei nebenher angeführt.
- Ueber Liechtenstern vgl. die ,Vaterläudi,schen Blätter', Jahrg. 1816,
S. 567 als eine sehr anerkennende Stimme, und was seine Verdienste
im Allgemeinen betrifft, die Lebens.skizze Ratzel's in der , Allgemeinen
deutschen Biographie', XVIII. Bd., 1883, S. 625—626, detaillirtere An-
gaben bei Wurzbach, XV. Bd., S. 171 — 176. Freiherr Sigmund von
Schwitzen (auch ,Schwizen' und ,Schwitzer' geschrieben, geb. zu
Graz, 24. Jänner 1747, gest. 29. Juni 1834; vgl. Wurzbach a. a. O.,
XXX. Bd., S. 191 — 194) war 1809 Staatsrath, 1815 Conferenz- und
Staatsrath.
3 Verfasser einer ,Theorie der Statistik' (Wien und Triest 1810), 1805
Suppleut, dann Profe.ssor des Faches bis zum Jahre 1824. Vgl. über
ihn die , Vaterländischen Blätter', Jahrg. 1816, S. 567.
10 [10]
Luca's an der Universität, und B i e s i n g e r an der Theresia-
nischen Akademie.' Dies genüge, um die damalige fach-
männische Pflege der Statistik, ausserhalb der Amtssphäre, auf
österreichischem Boden, und zwar in der Residenz zu kenn-
zeichnen. Noch näher liegt es uns, ihre officielle Pflege
für den Amtszweck und die bahnbrechende Thätigkeit
Baldacci's in dieser Richtung auseinanderzusetzen.
Bereits 1803, wie seiner Denkschrift zu entnehmen, wurde
die Herstellung statistischer Tabellen in Angriff genommen,
aber erst 1810 die Errichtung eines topographisch-stati-
stischen Bureaus im Staatsrathe zur Sprache gebracht.
Das k. Handschreiben vom 8. Juli 1810 an den Vice-
präsidenten und interimistischen Leiter der Hofkammer, Grafen
Fr. Jos. Kohäry,2 betonte die Nothwendigkeit einer Darstellung
der gesammten Staatskräfte in allen ihren Beziehungen und für
alle einzelnen österreichischen Provinzen. Der schwankende
Zustand Oesterreichs und der bald neuerdings entfesselte Krieg
hielten das ganze Vorhaben in der Schwebe. Baldacci's Denk-
schrift von 181G— 17 enthält noch die frommen Wünsche in
angedeuteter Richtung. 1819, den 3. Februar, wurde endlich
mit k. Cabineterlasse die Errichtung einer mit dem Staatsrathe
zu vereinigenden statistisch-topographischen Anstalt vorläufig im
Princip genehmigt, den 10. April die Angelegenheit im Staats-
rathe wieder aufgenommen, Staatsrath Freiherr von Schwitzen ^
zum Vorstande ernannt und zu den zweckmässigsten und
billigsten Einrichtungsvorschlägen aufgefordert.
Am 25. Mai berichtete jedoch Freiherr von Schwitzen,
er verzweifle an der Möglichkeit; die angeführten Hindernisse
beseitigen zu können, und bat, man möge die Angelegenheit
zur Erledigung einem anderen Vertrauensmanne überweisen.
Am 26. Juni kam es zu einer Erneuerung des k. Auftrages,
^ J. Constantin Biesinger war der Nachfolger de Luca's am Tlieresianum
(1799 — 1825). 1807—1816 erschienen die drei Bände seiner allgemeinen
Statistik.
2 Franz Joseph s. 1815 Fürst von — wurde 1801 Vicepräses bei der Hof-
kammer, F'inanz- und Commerzhofstelle und führte nach Odonnell's Tode
(1810) die Leitung der Finanzen und gesammten Cameralangelegen-
heiten bis zum Eintritte des Grafen Joseph von Wallis ins Hof-
kam nierpräsidium.
3 Vgl. S. 9, Änm. 2.
[11] 11
lind Schwitzen erstattete nun den 18. August die bezüglichen
Vorschläge: sie erhielten jedoch die kaiserliche Genehmigung
nicht, und so ruhte Alles wieder volle zehn Jahre.
Da war es denn Baldacci, der seine mühsam zusammen-
gebrachten Materialien Anfangs 1829 dem Vicepräses des
General -Rechnimgs-Directoriums, Freiherrn von Metzburg/
übergab; dieser legte nun schon am 16. Februar seinen Plan
zur Begründung einer officiellen Statistik der österreichischen
Monarchie in 77 Tafeln vor, und dieser Plan erlangte die
kaiserliche Genehmigung. Das grundlegende Werk enthielt
100 Uebersichtstafeln des statistischen Materials von 15 öster-
reichischen Provinzen. Ende 1829 wurden bereits 104 Tafeln
über das Jahr 1829 vorgelegt.
Als , streng geheim' zu halten, wurden nachstehende Tafeln
— und zwar in sechs Exemplaren — hinterlegt: (XX.) Staats-
voranschlag und Rechnungsabschluss , (XL.) besondere Ein-
nahmen der Provinzen, (XLI.) Staatsschuld und Staatscredit.
(XLII.) Staatsvermögen, (XLIII.) Staats-Einnahmen und Aus-
gaben nach den einzelnen Provinzen, (XLIV.) Staats-Einnahmen
und Ausgaben nach dem Erfolge mehrerer Jahre, (XLV.)
Militär-Etat , (XLVI.) Armeestandsveränderungen , (XL VII.)
Truppendislocation, (XL VIII.) Militäraufwand für das vorher-
gehende Jahr, (XLIX.) ^Militäraufwand für mehrere Jahre, und
(LXXVL- XCIII.) Provinz-Uebersichten.2
Wenden wir uns nun der Denkschrift Baldacci's zu.
Sie ist, wie dies der Gegenstand und die breitspurige Art
ihres Verfassers begreiflich erscheinen lässt, ein umfangreiches
Schriftstück, 169' 2 Folio-Blätter, von seiner Hand, mit den
markigen, scharfen Zügen, welche zu seinem Wesen stimmen.
Zum Schlüsse findet sich die Stelle: , Geschrieben in den letzten
1 Joh. Nep. Freiherr v. M. , geb. zu Dresden 7. November 1780, gest.
4. Juni 1839, Sohn des österr. Diplomaten Freiherrn Franz (gest. 1789)
und Neffe des Jesuiten und tüchtigen Mathematikers Georg Ignaz (gest.
1798). Vgl. über ihn Wurzbach, XVIII. Bd., S. 67 — 68.
2 Ueber alles dieses A. v. Ficker in seiner , Skizze einer Geschichte des
k. k. statistischen Bureaus'.
12 [12]
sechs Wochen des Jahres 1816 und in den ersten drei Wochen
des Jahres 1817^, die uns den Zeitpunkt der Abfassung genau
bezeichnet.
Das Ganze spiegelt so recht die Eigenart Baldacci's ab,
der an der Schwelle des Alters, mit 55 Jahren, nach 35jähriger
vielseitiger Berufsthätigkeit unter den schwierigsten Verhält-
nissen sich gedrungen fühlt, zunächst für sich selbst die Summe
des Erlebten und Erfahrenen im Bereiche des inneren Staats-
wesens Oesterreichs zu ziehen und unumwunden all das zu
erörtern, was einer Verbesserung gründlich bedürfe. — Er
habe ,nichts übertrieben, selbst nicht einmal greller gezeichnet',
sei , vielmehr von dem Gesichtspunkte ausgegangen, da, wo
er nur Gutes erzwecken wolle, ja nicht den bösen Geist der
Rechthaberei und beleidigten Eitelkeit aufzureizen und schon
dadurch der Sache zu schaden'. , Wollte man aber Vieles oder
wohl auch das Meiste von dem, was er nicht blos berührt,
sondern umständlich erörtert und begründet habe, nicht gelten
lassen und werkthätige Einschreitungen überflüssig finden, so
dürfe er sich doch wenigstens nicht den Vorwurf machen,
unberufen geschrieben zu haben, da sein Herz rein von allen
Nebenabsichten sei, da er den Gegenständen, die er behandle,
ein angestrengtes Nachdenken gewidmet habe, und da nur
äusserst wenige Beamte in der österreichischen Monarchie in
der Gelegenheit gewesen seien, wie sie ihm zu Theil geworden,
so vielseitige und ausgebreitete Erfahrungen an verschiedenen
Standpunkten zu sammeln' — ein Ausspruch nicht unberech-
tigten Selbstbewusstseins, den der lange bisher zurückgelegte
Weg Baldacci's in Staatsdiensten, die Vielseitigkeit seiner Ver-
wendung bestätigen, und dem das bezügliche Urtheil eines mass-
gebenden Kenners, seines jüngeren Zeitgenossen und Berufs-
verwandten, des Freiherrn Franz von Pillersdorf, sehr günstig
an die Seite tritt.'
' S. die bezügliche Stelle in Freiherrn v. Pillersdorf's , Handschriftlichem
Nachlasse'. Wien 1863, S. 5ft'. : , Selten wurde einem Staatsdiener
so vielfältig Gelegenheit geboten, sich in den verschiedenen Zweigen
des ßegierungsgeschäftes durch Kenntnisse und Erfahrungen zu be-
reichern, und selten wird Arbeitsamkeit, Ausdauer laud glückliche
Auffassungsgabe diese Gelegenheit so gut benutzt haben, uJn über die
Interessen der Monarchie, sowie über ihre Stellung nach Innen und
Aussen ein richtiges Bild zu erhalten, als dies bei Baldacci der
Fall war' . . .
[13] 13
Wir dürfen voraussetzen , dass Baldacci, obsehon Form
und Ton der Denkschrift zunächst einer Privataufzeichnung
gleichkommen, dieses Ergebniss all seiner mühsam erworbenen
Erfahrungen an massgebender Stelle fruchtbringend zu machen
gedachte, da er deren , ungesäumte Beherzigung' wünscht, doch
sind wir nicht in der Lage darüber Bescheid zu wissen, ob
und mit welchem Erfolge diese Denkschrift, deren ursprüngliche
Abfassung Baldacci seinem jüngeren Freunde, Grafen Braida,
dem Vater ihres gegenwärtigen Besitzers, in die Hände legte,
den Weg einer officiellen Vorlage einschlug.
Es ist kein geistsprühendes, schwungvolles, etwa gar in
picanten Ausfällen' sich ergehendes Memoire, wie es Avohl der
Feder eines Gentz entquollen wäre, kein glattes, elegantes
Stück Arbeit, wie sie ein Metternich hätte vom Stapel laufen
lassen; geduldig, ausdauernd muss der Leser den anmuth-
losen, holperigen Weg durch die langgesponnenen, stihstisch
ungelenken Sätze nehmen, die stets weit ausholen und für
keinerlei Schmuck sorgen. Aber es ist auch wieder kein
vielverschlungenes Labyrinth schillernder Gedanken, in das
er verlockt wird , und worin er selbst sich zurechtfinden
muss. Die Pfade sind klar ausgemessen, mit sicherer Hand
abgesteckt. Thatsachen und Ziffern bilden die Grund- und
Marksteine, nirgends drängt sich überschwängHches Raisonniren
und Combiniren in die Quere, kein Schön- und kein Schwarz-
färben.
Der Verfasser der Denkschrift ist ein entschiedener Ab-
solutist, ein eingefleischter Bureaukrat, aber ein gewissenhafter
Mann mit scharfen, beweglichen Augen, der die Dinge von allen
Seiten ins Auge fasst und auch das Gewicht der öffentlichen
Meinung nie verkennt. Wir sagten bereits einmal, ein Gentz,
ein Metternich hätten die Druckschrift ganz anders geschrieben,
aber es ist sehr zu bezweifeln, dass die baare Thatsächlichkeit,
die ungeschminkte Wirklichkeit an ihnen die rechten Anwälte
gefunden haben würde; jeder von Beiden liebte es ja, die
Dinge in dem Avechselnden Lichte der Avechselnden Stimmung
und des wechselnden Bedürfnisses erscheinen zu lassen, Gentz
als Publicist, Metternich als Diplomat.
Versuchen wir es nun, den massenhaften Gehalt der
Denkschrift hier in Umrissen, dort in Schlag worten zu ver-
anschaulichen.
14 [14]
Die Einleitung hebt mit einer ziemlich düsteren Be-
trachtung über den allgemeinen Nothstand Oesterreichs an;
vor Allem aber kennzeichnet sie die tiefgreifenden Nachtheile,
welche der feindliche Gegensatz zwischen der öffentlichen
Meinung und dem Regime im Gefolge habe, und berührt im
Allgemeinen die Ursachen dieses Sachverhaltes, anderseits den
Zweck der Denkschrift, Heilmittel zur Behebung des Uebels
in Vorschlag zu bringen.
An die Spitze der Ausführungen tritt selbstverständlich
die finanzielle Frage, die Zerrüttung des Geldwesens und
die Entwerthung des massenhaften Papiergeldes.
Es ist die Zeit der rechtschaffenen Bestrebungen des
neuen Hofkammerpräsidenten, Grafen Philipp Stadion, den
der Erbe seines früheren Portefeuilles, Staatskanzler Metter-
nich, zum Nachfolger des Grafen Walhs — unerfreulichen
Andenkens — vorgeschlagen hatte, wie er uns dies in seinen
Denkwürdigkeiten erzählt.' ,Ich verwendete,^ sagt hier Metter-
nich, ,die Jahre 1816 und 1817 zur Regelung meiner Ansichten
und ordnete sie in zwei Richtungen, zuerst in der moralischen,
dann in der speciellen, in ihrer Beziehung auf den Staats-
haushalt materiellen. Die Bearbeitung des ersten Theiles be-
hielt ich mir selbst vor, bezüglich des letzteren suchte ich
Hilfe bei dem Grafen Stadion, dem der Kaiser über meinen
Antrag die Leitung der Finanzen anvertraut hatte, bei dem
Fürsten Schwarzenberg, der an der Spitze des Kriegswesens
stand, und bei dem Staats- und Conferenzminister Grafen
Karl Zichy, dessen Geist zur Aufnahme alles Rechten geeignet
und dessen Kenntnisse in allen Fächern der deutschen und der
ungarischen Länder des Reiches erschöpfend waren. ^ — Diesen
Ausführungen tritt auch IMetternich's , Memorandum über die
Regelung des Geldwesens^ von 12. October 1816,2 also ziemlich
gleichzeitig mit der Denkschrift Baldacci's, an die Seite.
Metternich war damals Präses jenes Conferenzrathes, der
die jDrangsale des Finanzsystems zu beseitigen und den öffent-
lichen Credit dauernd zu begründen hattet Der Kaiser, derzeit
1 ,Aus Metteruichs nachgelassenen Papieren'. , Denkwürdigkeiten' II. Theil,
1816—1848 ,Friedensaera', 1. Bd. Wien 1881, Einl. S. VII.
2 ,Aus Metternichs nachgelassenen Papieren' II, 1. S. 14—18. ,Ein Me-
morandum des Fürsten Metternich' (als Präses des Conferenzrathes). Vgl.
A. Beer, Die Finanzen Oesterreichs im TJ. Jahrhundert (1877), S. 86ff,
[15] 15
in Frankreich, anlässlich der ersten Oecupation, weilend,
drängte von Troyes aus (19. Februar 1814) auf die baldige
Inangriffnahme der Finanzmisere, doch hatte dies gute Wege,
und die weiteren Ereignisse waren einer ruhigen Arbeit am
Rathstische nicht günstig. Der Vortrag Stadion's an den Kaiser
vom 31. Jänner 1816 über die Regelung der Geldverhältnisse
hatte im Allgemeinen die Zustimmung des Monarchen erlangt,
und zwar zunächst, was das neue Institut der Zettel-Escompte-
und Hypothekenbank als Nationalbank betraf. Dies entnimmt
man dem k. Handschreiben an Stadion aus Mailand vom
1. März 1816. Der Schluss dieser Kundgebung des kaiser-
lichen Willens weist die Chefs aller Hofstellen unter Einem
an, bei der Ausführung der in Frage stehenden Verfügungen
und Massregeln mitzuwirken, und steht somit in unmittelbarer
Beziehung zur Einsetzung jenes Conferenzrathes.
Stadion hatte als Mitarbeiter an seinem schwierigen Werke :
Pillersdorff, Josef von Hauer und Kübeck, sämmtlich
Persönlichkeiten, die unter den Augen Baldacci's empor-
gekommen waren und seinem Berufskreise angehört hatten,
herangezogen. Ihre Gutachten bilden ein wichtiges Material
zur Geschichte der damaligen Finanzpläne, und zu ihnen
gesellt sich, abgesehen von dem oben erwähnten Memoriale
Metternich's, die geistvolle Gelegenheitsarbeit Friedrichs von
Gentz in seiner bezüglichen Correspondenz ^ und insbesondere
später in der ausführlichen Denkschrift über das österreichische
Geld- und Creditwesen vom Jahre 1818.^
Dieser Fülle an Aufschlüssen über die damaligen finan-.
ziellen Experimente oder Heilungsvorschläge für ein verrottetes
Uebel stellt sich Baldacci's Darlegung des Sachverhaltes
willkommen an die Seite. Denn auch er zählte berufs- und er-
fahrungsmässig zu den Mitarbeitern an dem schwierigen Werke.
1 Vgl. die jBriefe von Freiherrn v. Gentz an Pilat'. Ein Beitrag zur Ge-
schichte Deutschlands im 19. Jahrh., herausgegeben von Dr.K. M endels-
sohn-Bartholdy I, Leipzig 1868, S. 22-4— 225 : Aus Gastein 11. Aug.
1816 in Bezug der Einlösungs-Operation. Schluss: ,Ich habe in den
letzten Tagen viel in dieser Sache gearbeitet und werde vermuthlich-
mit nächster Post die Frucht meiner Meditationen an den Grafen Sta-
dion einsenden'.
2 Vgl. A. Beer, Die Finanzen Oesterreichs im 19. Jahrhundert (1877),
S. 86flf.
16
[16]
Er bietet die eingehende Darlegung der Finanzzustände und
Operationen vor und nach dem verhängnissvollen Patente vom
Jahre 1811, dcstjen Nachtheile Baldacci nicht in der ,Deval-
virung^ oder Werthherabsetzung des Papiergeldes und der
Scheidemünze, sondern darin erblickt, ,dass dem zu Grabe
gegangenen Papiergelde ein anderes, das sich von dem
früheren blos durch seine ungleich geringere Menge unter-
schied, substituirt worden ist (die , Einlösungsscheine'), dass
man seinen Werth einzig durch die Seltenheit erzwingen wollte,
dass sonst gar nichts, um dem neuen Papiergelde Credit zu
verschaffen, geschah, dass vielmehr fortwährend Handlungen
begangen wurden, die das ungeschwächte Vertrauen nur noch
tiefer sinken machen mussten' In den Augen Bal-
dacci's erschien somit der finanzielle Nachkrach mit den
Anticipationsscheinen noch schlimmer als die Katastrophe vom
Jahre 1811.
Indem nun Baldacci zur Erörterung der Reformen in der
Stadion'schen Epoche übergeht, gedenkt er seines schriftlichen
Vorschlages zu Gunsten der Convertirung des gesammten
Papiergeldes in eine unverzinsliche Schuld (vom 19. No-
vember 1815 u. ff.). Der gleichen Anschauung gab, wie wir
wissen, das Gutachten PiUersdorf's Ausdruck, Avelcher
ausserdem die Schöpfung eines Bankinstituts mit dem aus-
schliesslichen Zwecke, ,den Geldbedürftigen gegen billige Be-
dingungen und vollständige Deckung Darlehen zu geben', als
die zweite Nothwendigkeit betonte und in dieser Beziehung
.an Hauer einen gleichgesinnten Collegen fand. Kübeck
sprach sich aber gegen den zwangweisen und plötzlichen
Uebergang zur Metallmünze aus und begegnete sich darin mit
der Meinung Stadion's und mit den Ansichten Metternich's,
der in jener Denkschrift vom 12. October 1816 unter den
drei Systemen der Creditreform: 1. Devalvation, 2. gesetzliche
oder gezwungene Einziehung (Convertirung) und 3. successive
Tilgung, — der Letzteren das Wort redete.'
Dass hiebei auch Gentz als berufener Kritiker der
Finanz Wirtschaft von Metternich und Stadion ausgiebig zu Rathe
gezogen wurde, entnimmt man am besten seinem Schreiben
an Pilat von 11. und 15. August 1816, worin er sich über
^ Vgl. S. 14, Anm. 1 und das citirte Buch von A. Beer.
[17] 17
•
Höh 1er' s Finanzschriftstellerei sehr abfällig äussert,' und noch
mehr beweist dies seine namhafte Denkschrift über ,das öster-
reichische Geld- und Creditwesen^ vom Jahre 1818 zu Gunsten
der Finanzoperationen Stadion's aus den Jahren 1817 und 1818. ^
Auch der in beiden Hemisphären abenteuernde, geist-
volle B oll mann hatte im Jahre 1816 im Webstuhle der
Finanzreformen manchen Einschlagfaden legen geholfen.^'
Baldacci war für die gesetzliche oder zwangsweise Con-
vertirung als das ^mindere Uebel' entschieden eingetreten,
während sich Stadion einerseits für eine Nationalbank in oben
angedeutetem Sinne, andererseits für die Combination der Banco-
zettel und neuer StaatsobHgationen ("^7 + Vt)? ^Iso für das
System der freiwilligen Con Version oder Tilgung des Papier-
geldes entschied. Baldacci war aber durchaus nicht der Mei-
nung, über das Gelingen der Finanzprojecte Stadion's von
vorneherein den Stab zu brechen.
Sehr anschauHch erörtert Baldacci die Genesis des Finanz-
patentes vom 1. Juni 1816 und dessen Misserfolge. Er zählte
wohl nicht zu den , Fanatikern der Devalvirung' , welche den
Kaiser mit Vorschlägen umschwärmten, und denen Metternich,
von Gentz angeeifert, zu Gunsten Stadion's mit Erfolg gegen-
übertrat, aber er blieb, in das Finanzcomite berufen, ein zäher
Verfechter der zwangsweisen Convertii-ung.^ Seine Meinung
fand jedoch lebhaften Widerspruch, den man durch Hinweis
auf die vielseitigen volkswirthschaftlichen Nachtheile einer
Ueberstürzung dieses Systems begründete.
1 A. Beer, a. a. O. S. 88. Von den Werken des ziemlich .schreibseligen
Hohler's gehört hieher: ,Welche Hilfsmittel hat die österreichische
Monarchie ziir Herstellung eines regelmässigen Geldumlaufes?' Wien 1816.
•^ Vgl. S. 15, Aum. 1 und 2.
3 S. über ihn: Varnhagen v. Ense's Vermischte Schriften 2. Aufl., I.
(1843), S. 280 ff. Er hatte .sich 1814 in W^ien eingefunden. Bei den
Finanzmassregeln und bei der Gründung der Nationalbank wurden vor-
zugsweise seine Einschläge gewürdigt. Freiherr v. Gentz schreibt über
ihn in den Tagebüchern, herausgegeben von Varnhagen v. Ense, und
zwar 18. December 1814 (S. 343); ,Visite du docteur Bollmann, qui
est un homme tre.s-superieur en fait de finances, et dont j'espere , que
nous tirerons beaucoup de profit . . .'
* Für Gentz, dessen Urtheil über Persönlichkeiten keineswegs immer
einer Gold wage gleicht, blieb Baldacci selbstverständlich immer ein
,miserable routinier', wie er ihn auch im Tagebuch zum Februar 1810
(S. 225) bezeichnet.
2
18 [18]
Baklacci's Denkschrift beschäftigt sich sodann mit dem
Vorschhige Pillersdorf 's, der das System der Arrosirung
oder successiven Tilgung der Staatsschuld empfahl. Er fand
dies Project gerecht und consequent, aber er gab auch seinen
Bedenken nicht unwirksamen Ausdruck, und seine Denkschrift
erörtert ausführlich das Schicksal des Arrosirungsprojectes, die
Schwebe der Convertirung seit dem Anlehenspatente vom
29. October 1816, endlich die Berechtigung des vorzüglichsten
Einwurfs gegen die Convertirung, welcher die schwere Last
der Zinsenzahlung als Keim eines neuen Deficits im Auge habe.
Auf diesem Wege der Betrachtung kommt Baldacci auf
ein Haupterforderniss der finanziellen Entlastung, auf die Re-
duction der Armee zu sprechen.
Gerade so wie in der Finanzfrage bleibt der Verfasser
unserer Denkschrift dem Concreten , Nächstliegenden zuge-
wendet. Baldacci war kein Mann der schwungvollen, schöpfe-
rischen Ideen, kein Freund weitgreifender Theorien, kein
Pessimist und doch nichts weniger als ein Sanguiniker. So
tritt er uns auch in diesem Capitel vor Augen.
Keine europäische Macht könne diese unverhältnissmässige
Belastung für die Länge aushalten. Er verweist auf Frank-
reich, Preussen, England, die Niederlande, Spanien, Neapel,
Sardinien, auf die deutschen Mittelstaaten, unter denen Sachsen
seine Armee aufs Aeusserste reducirt habe, auf Dänemark, Schwe-
den, woselbst überall die Erkenntnis« von der Nothwendigkeit
der Heeresverminderung wirksamer werde. Russland reducire
thatsächlich nicht, aber gewiss nicht zu seinem Vortheile.
Der , heilige Bund', d. i. die Allianz der drei Haupt-
mächte, sei keine hinlängliche Bürgschaft für eine ewige oder
auch nur lange Dauer des Friedens, aber die Regierungen
müssten endlich die Ueberzeugung von der Nothwendigkeit
einer Erleichterung der Volkslasten zur Hebung des allgemeinen
Wohlstandes dennoch gewinnen und sich vor der übelver-
standenen Anwendung des landläufigen Spruches: ,Si vis pacem,
para bellum' hüten.
Vor Allem aber habe Oesterreich diese Entlastung nöthig,
nun, nach so vielen harten und langen Kriegen, da der
, Menschenwürger (Napoleon) bezähmet' und der äussere Friede
fester denn je gegründet scheine ; jetzt heisse es, den arbeitenden
Händen so viel als nur möglich zurückgeben.
[19] 19
Sehr belehrend sind die genauen Zusammenstellungen
Baldacci's über den jäh anschwellenden Aufwand für das
Heer Oesterreichs von 1787 an. Binnen 16 Jahren sei er
über 1212 Millionen Gulden angewachsen. Auf jedes Jahr ent-
fielen mithin mehr als 75 Millionen, also dreimal so viel, als
die Jahreseinkünfte des Staates dem Armeebedarfe zuwenden
konnten. So hätten sich die , ausserordentlichen Zuschüsse^,
das sogenannte Extraordinarium, auf 839 Millionen gesteigert.
Dazu wäre 1792 — 1801 das Ausströmen des Geldes auf fremd- '
ländische Kriegsschauplätze, andererseits 1805 — 1809 der
Jammer feindlicher Occupation und Contribution, das Ueber-
mass der Leistungen von 1813 — 1815 getreten. Dem , heillosen
Zustande' müsse ein Ende gemacht werden.
Bei all dem habe sich die Armee Oesterreichs im Ver-
gleiche zu anderen in der schlimmsten materiellen Lage und
armseligsten Equipirung befunden.' ,Mit einer kleineren aber
gut gehaltenen und zufriedenen Armee,' sagt Baldacci, ,ist
dem Staate ungleich mehr gedient als mit einer stärkeren,
darbenden und darum missvergnügten Armee' — und begründet
dies des Näheren.
Er bespricht sodann die Massregel einer genauen Berech-
nung des Militäretats, die verderblichen Folgen der jüngsten
Missernte für die Creditoperationen des Staates und die Be-
rathungen über die Theuerungs Verhältnisse.
Baldacci findet in der damaligen Theuerung ein auf-
fallendes Ereigniss, indem er die Getreidepreise des vorigen
Jahrhunderts von 1730 an mit den neueren vergleicht und mit
Rücksicht auf die 1810 und 1816 gemachten Erfahrungen in
den herrschenden , exorbitanten' Preisen die Wirkungen der
,Opinion' und der ,Speculation' erblickt. Das Papiergeld und
die Unverhältnissmässigkeit der Grundsteuer setzten die Gross-
grundbesitzer in den Stand, die Erzeugnisse des Feldes zurück-
zuhalten und so die Preise in die Höhe zu treiben. -
' Vgl. den von mir im k. k. Kriegsarchive eingesehenen und in meinem
Buche , Zur Geschichte Oesterreichs 1792—1816', S. 272 f. inhaltlich
skizzirten Vortrag Baldacci's an den Kaiser vom 25. Februar 1814
(Bar-sur-Aube) über die österreichische Armee, worin die Schäden des
Heeresvvens in nachdrücklichster Weise beleuchtet erscheinen.
2 Die Zusammenstellungen Baldacci's wären dem Verfasser des Aufsatzes
,Die Getreidepreise im 19. Jahrhundert, mit besonderer Berücksichtigung
2*
20 [20]
Baldacci kommt dann auf die Arbeit der Steuerreo^u-
lirungscommission zu sprechen nnd übergeht hierauf zu den
Verkehrsverhältnissen oder ,Communicationen' des Staates,
indem er die Dringlichkeit der ärarischen Strassenanlagen für
die Lindernng provinzieller Nothlage ins Auge fasst. Er be-
spricht den Pauperismus der Militärgrenze, im ehemals kroa-
tischen Grenzlittorale, in Krain, Kärnten und Steiermark,
woselbst der durch Emporschraubung der Eisenpreise 1810
gemachte ,Scheinreichthum' schon 1811 der äussersten Ver-
schlimmerung der gewerblichen Verhältnisse wich. Der Staat
solle dieser Erscheinung nicht unthätig zusehen , da er ja
Mitinteressent sei. Allerdings war Baldacci persönlich davon
betroffen, als Besitzer des Gewerkes zu St. Stephan in Eibiswald.
Die Bedeutung des steirisch-kärntnischen Strassengewerbes
hänge von dem Wohl- oder Missstande des Küstengebietes
und von dem Verkehre mit Italien ab. Ohne staatliche Aus-
hilfe, ohne Vorschüsse lasse sich wenig erwarten. Günstiger
sei die Sachlage in Krain , da ihm beim Wechsel der Herr-
schaft die Metallmünze erhalten blieb.
Die Verkehrsbedeutung des K ü stenlandes und ins-
besondere Triests, ja auch Fiumes erheische alles Augen-
merk und die Vermeidung bisheriger Missgriffe. Die Haupt-
hindernisse lägen in der äusserst beschwerlichen Communication,
in der Verschiedenheit der Geld Währung, in den geldver-
wüstenden Bürsenspeculationen und in der ungünstigen Zoll-
verfassung des Inlandes. Bei einer allgemeinen Tarifsrevision
verspreche sich Baldacci von der Einsicht des Tarifsreferenten
Hofrath von Leon nicht viel Gedeihliches.
Die Denkschrift wendet sich nun den besonderen Zu-
ständen des Verkehrswesens zu. Eine Verlängerung des
Wiener-Neustädter Canales bis zum Meere hält Baldacci für
undurchführbar, um so mehr Fürsorge verlangt er für die Ver-
besserung der Strassen in das Küstenland und nach Italien.
Dabei kommt er insbesondere auf die Vermeidung des kost-
spieligen und beschwerlichen Passweges über den Semmering
und auf die Vermeidung des Triester Berges zu sprechen.
der Preisseliw.iukuiigPii', Dr. B. Wei.ss, im III. Jalng:. (1877) der Rta-
t.i.st,ischen Moiiat.sclirift, Wien, I. Abth., S. 34.0—370 siclierlich willkomiiien
gewesen. Vgl. H. Meynert, K.aispr Franz I. Wien 1872, S. .341 ft'.
[21] 21
Eine Erweiterung des Handels von Tri est werde auf die an-
grenzenden Länder, vor Allem auf Istrien und Fiume, ,das in
mehr als einer Hinsicht immer nur eine Filiale von Triest
bleiben wird^, desgleichen auch auf Friaul günstig einwirken.
Baldacci bespricht dann die verschiedenen Nothstands-
und Theuerungs Verhältnisse im lombardisch-venetianischen
Königreiche,' in Tirol undf Vorarlberg, Ober- und Nieder-
Oesterreich, Böhmen ,2 Mähren, Schlesien und Galizien, um
sich dann Ungarn und dessen Kronländern'' zuzuwenden. Man
dürfe aber in Bezug auf staatliche Aushilfe die wesentliche Ver-
schiedenheit in der Steuerleistung zwischen Ungarn
und den anderen Erbländern nicht ausser Acht lassen.
Diese zahlten für das laufende Militärjahr 12, Ungarn, ,wo die
Steuerfreiheit zu den Cardinalprärogativen des Adels und der
Geistlichkeit gehört', nur 6 MilHonen. Man dürfe doch nicht die
gewaltig überbürdeten deutschen und italienischen Provinzen
noch mehr belasten , um den Ungarn unter die Arme greifen
zu können. Adel und Geistlichkeit seien hier, vermöge ihrer
Prärogativen, besser in der Lage, ihre Unterthanen zu unter-
stützen. Der Staat müsse sich diesbezüglich in Ungarn auf die
Domänialunterthanen beschränken. Vorschüsse aufzuwenden,
sei nicht unbedenklich, weil solche disponibler Cassenvorräthe ^
bedürfen und solche in Ungarn am schwersten einbringlich
bleiben. Weit schlimmer als Ungarn befänden sich Sieben-
bürgen und das Grenzervolk; hier seien Vorschüsse un-
vermeidlich.
' Von dieser handeln das k. Handbillet vom 19. August und das vom
3. October 1816 aus (H. Meynert, a. a. O. S. 394)', desgleichen die
vom 20. und 24. Jänner 1817 (ebend.). Der Hunger in seiner ganzen
Härte suchte damals den Görzer Kreis, die Gebiete von Brescia, Ber-
gamo und Como heim; Salat, Krautsuppe, ja selbst gekochtes Gras war
die einzige Nahrung Vieler.
2 In Böhmen herrschte besonders seit 1813 die äusserste Brottheuerung
(Meynert, a. a. O. S. 399).
3 Besonders hatten 1816 die kroatischen Gegenden an der Save durch
deren Ueberfluthungen gelitten (ebend. S. 397).
* Von der Unzulänglichkeit der vorhandenen Fonde handelt das k. Hand-
schreiben an den Oberstkanzler vom 1. März 1817 (Mej'nert, a. a. O.
S. 380). Wie langsam es mit den ämtlichen Eingaben über den Noth-
stand herging, so dass bis 1822 tabellarische Darlegungen erst von
Böhmen, Mähren und Schlesien vorhanden waren, beweist der Ausdruck
des kaiserlichen Missfallens über diese Verzögerungen (ebend. S. 382).
22 [22]
Dalmatiens Lage findet Baldacci bei aller Theuerung
günstiger als den Zustand der Militärgrenze, denn dort gebe
es keine Militärpflicht des gemeinen Mannes, mithin grössere
Erwerbsfähigkeit, ausserdem Oel- und Weinbau als Ersatz für
die Schäden des Ackerbaues.
Den nothwendigen Aufwand staatlicher Geldaushilfe
für die Monarchie beziffert Baldacci auf eine Millionen Gulden
W. W. und einige hunderttausend in Conventionsmünze nach
Massgabe provinzieller Nothlage , insoweit indirecte Mittel,
so öffentliche Arbeiten für die ärmeren Classen , nicht zu-
reichten.-
Als wirksamste Mittel zur Hebung des Landbaues werden
gutes Beispiel, Unterricht, ökonomische Lehrkanzeln, Muster-
wirthschaften und Anderes empfohlen , da in Hinsicht des
materiellen Culturgrades Oesterreich so manchem fremden
Staate nachstünde. Die Landesstellen müssten da mit genauen
Ausweisen der provinziellen Zustände vorangehen. ^
Baldacci's Denkschrift übergeht nun von der Darlegung
der schlechten Beschaffenheit des österreichischen Strassen-
Avesens auf den Nachweis seines Bestandes in den ein-
zelnen Provinzen, mit Ausschluss Ungarns, Siebenbürgens
und der Mihtärgrenze. Das Verhältniss des Flächeninhalts zur
Länge der Strassen, die Art und Weise der Strassenbewirth-
schaftung und der bezügliche Staatsaufwand finden sich un-
gemein eingehend erörtert.
Der Verfasser wendet sich dann der nothwendigen Her-
stellung neuer Verkehrswege , der zweckmässigen Ergänzung
des Haupt-Strassennetzes durch Vicinal- und Secundärwcge
zu und beschäftigt sich hierauf mit den Wasserstrassen.
Der Bäcser und Franzens- oder Wiener-Neustädter Canal
erscheinen ihm als leidige Beispiele einer , Verschwendung
staatswirthschaftlicher Kräfte^ Man hätte — mit einem Blick
auf die Karte — Besseres thun können und sollte es noch thun.
Baldacci — von Ungarns Wasserstrassen, , einem Ge-
schenk der Natur^ ausgehend — legt ein besonderes Gewicht
' Die Getreidevorräthe waren 1813 — 1815 durch die Armeebedürfnisse
stark mitgenommen worden. 1815 gab es eine Ernte unter der Mittel-
mässigkeit, 1816 ein völliges Missjahr (Meynert, a. a. O. S. 360). Vgl.
auch die ,Vaterländi.schen Blätter', Jahrg. 1817, Nr. 31, S. 120 ff.
' lieber die Verschleppung dessen vgl. S. 21, Anm. 4.
[23] "^^
auf die Stromregulining, indem er die bezüglichen Versuche
seit der Theresianischen Epoche Avürdigt. Die Betrachtung der
Donau und deren zerstörender Thätigkeit führt ihn zur Dar-
legung der Nothwendigkeit, für gute Stromkarten zu sorgen.
Er kommt auf bezügliche Anläufe in Niederösterreich und in
der Steiermark' zu sprechen. Was Krain insbesondere be-
treffe, so sei ihm ganz zuverlässig bekannt, dass 1806—1800
die Krainer Stände mit eigenen Mitteln und staatlichen Vor-
schüssen die Regulirun g der Save und die Entwässerung
des Laibacher Moores vorbereiteten. Die französische
Occupation habe das Unternehmen wieder gelähmt. ^
Die Denkschrift beschäftigt sich hierauf mit den Zu-
flüssen der Donau in Ungarn » und verweist auf die Er-
höhung der Salzpreise, als ein Mittel zur Bestreituug der
Regulirungskosten. Wir erfahren Einiges über das Project
Dorfleuthner's, die March schiffbar zu machen,^ über die be-
züglichen Anträge des Grosshändlers Schweiger in Hinsicht
der March und ihrer Verbindung mit der Oder.
Baldacci betont in dieser Richtung namentlich die Vor-
schläge Wiebeking's^ aus der Zeit, als er noch einen Hof-
rathsposten in Wien bekleidete, und die Abänderungen jener
1 Mit der Murschifffahrt beschäftigte sich eingehend Liechtenstern in
seinem , Archiv für Geographie und Statistik'. Wien, Jahrg. 1802, I,
S. 65 ff, und II, S.lff.
2 Die Hauptarbeit der Entsumpfung begann (Mai 1821) unter der Bei-
ziehung des Hofbaudirectors Josef Sehern erl Ritter von Leithen-
bach, eines gebornen Kraiuers.
3 Ueber die Wasserfahrt auf der Waag handelt Gregor v. Bredeczky
in den ,Vaterländischen Blättern', Jahrg. 1813, Nr. 1.
< Johann Rochus Dorfleuthner und Comp, hatten bereits 1785, 10. October
ein zwanzigjähriges Privilegium zur BeschiÖ'ung der March erhalten.
S. Joh. Alex. Hanke v. Haukenstein (Vorstand der Olmützer Univer-
sitäts-Bibliothek): Versuch über die Schiffbarmachung des Flusses March
und Handlung der Mährer. Brün 1784.
5 Hofrath v. Wiebeking bereiste im kaiserlichen Auftrage 1804 die March
von Olmütz bis an die Donau, und sie wurde bei dieser Gelegenheit
in ihrem ganzen Laufe von dort bis zur Mündung nivellirt. Er bean-
tragte alsbald eine Entwässerungsschleusse bei Göding. Das bezügliche
Project wurde 1809 ausgearbeitet. Vgl. d'Elvert, Geschichte der Ver-
kehrsanstalten in Mähren und Oesterreichisch-Schlesien. Brunn 1855,
S. 269—270,
24 [24]
durch den Hüfcommissionsrath von Öchemerl.' Jedenfalls ver-
dienten die Vorkehrungen gegen die Inundation der March eine
wirksame Förderung.'^ Auch für Galizien, Oberösterreich, Tirol
und das Lombardisch- Venetianische sei noch genug zu thun.
Mit einer Darlegung des staatlichen Aufwandes und der
ungenügenden Thätigkeit des Hofbaurathes in Folge des
allzu geringen Personales verbindet Baldacci Winke in Hinsicht
einer zeit- und zweckgemässen Neugestaltung dieser Behörde
was wieder mit einer Hebung der bezüglichen Bildungs-
anstalten zusammenhänge. Er vergleicht diesfalls die Zustände
Preussens mit denen Oesterreichs. Dort würden an der Berliner
Bauakademie innerhalb vier Jahren von 15 verschiedenen
Professoren , welche meistentheils dem Baudepartement zu-
gehörten, 23 verschiedene Fächer vorgetragen. Das Wiener
polytechnische Institut leiste das nicht; besser sei diesfalls das
Prager eingerichtet.^
Nachdem die Denkschrift der nothwendigen Ausweise
und Verzeichnisse behufs der Feststellung des Aufwandes für
den nothwendigen Betrieb des ärarischen Strassen-, Wasser-
und Hochbaues gedacht, übergeht sie auf das Postwesen
und dessen leidigen Zustand im Gegensatze zu den bezüglichen
Fortschritten in England, Frankreich und Italien. Es sei
nothwendig, für ein neues ,Regulament^, die Bestellung einer
General-Postdirection und wenigstens einiger Postvisitations-
commissäre zu sorgen.^
Es kommen dann die öffentlichen und Privat-
anstalten unter dem Einflüsse der Geldzerrüttung an die
Reihe, und zunächst die Stiftungen, beziehungsweise deren
' Schemei-r.s Hauptplan zur Entwässerung und Schiffbarmachung der
March, mit dem Plane, diesbezüglich eine Actiengesellschaft zu gründen,
war 1811 Gegenstand der Berathungen; s. d'Elvert, a. a. O. S. 270 ff.
2 Die Regulirung der March blieb seit 1811 auf der Tagesordnung,
während eine Verbindung dieses Stromes mit der Oder und Weichsel,
seit 1807 lebhafter ventilirt, über das Project nicht hinauskam.
3 Vgl. H. J. Bidermann ,Die technische Bildung im Kaiserthum Oester-
reich. Ein Beitrag zur Geschichte der Industrie und des Handels. Wien
1854', über die Genesis dieser Anstalten.
* Vgl. das S. 23, Anm. 5 citirte Buch von d'Elvert, S. 169 — 190.
Baldacci beschäftigte sich auch mit diesem ^Gegenstände als Hof-
commissär der Occupation in Frankreich. S. mein Werk ,Zur Geschichte
Oesterreichs 1792 — 1816', S. 320-321.
[25] . 25
Fonde. Baldacci weist die durch die wachsende Theuerung
geschaffenen Missverhältnisse zwischen ihrer ursprünglichen
Dotirung und dem Bedarfe der Gegenwart nach und vertritt die
Nothwendigkeit einer künftigen Regelung und Commassirung
der Fonde. Besonders eindringlich spricht die Denkschrift für
die Bildung eines grossen, über alle Länder zu verbreitenden
Vereines zur Unterstützung der Nothleidenden, dessen Mittel-
punkt Wien abzugeben hätte. ^
Einer Regelung bedürftig seien besonders die öffent-
lichen Fonde.
Der Religionsfond reiche für den weltlichen Clerus nicht
hin, und ebenso befänden sich manche Universitätsprofessuren,
Gymnasial-Normalschulposten und vor Allen die Volksschul-
lehrer auf dem Lande in einer wahren Nothlage.
Beim Clerus möge man das überflüssig grosse Einkommen
reichlichst dotirter Bisthümer zu Gunsten des Staatszweckes
verringern.
Der Verfasser könne sich mit dem gesammten Detail der
Schul- und Erziehungsanstalten, des Kranken- und Armen-
wesens'^^ nicht abgeben, sondern nur auf einige wesentliche
^Momente eingehen.
Die öffenthche Meinung aus dem Munde oder aus der
Feder von Urtheillosen sei für den Staat nicht massgebend,
wohl aber das Urtheil wahrhaft gelehrter und verständiger
Männer. Eine vernünftig geregelte Pressfreiheit empfehle
sich durch ihren Nutzen. Man solle die berechtigten Urtheile
des Auslandes sammeln und sammt den sie belegenden Original-
schriften in getreuen Auszügen dem ^Monarchen zur Kenntniss
bringen. Für das Ansehen und die Wirksamkeit der obersten
Studienbehörde sei ihre Zusammensetzung aus tüchtigen
Kennern der Hauptfächer massgebend.
1 Vgl. über solche örtliche Vereine die , Vaterländischen Blätter', Jahrg.
1813, Nr. 31, 79, 88, und 1817, Nr. 31.
2 Vgl. über diesen Gegenstand: J. W. Krben, Oesterr. Magazin für
Armenhilfe, Indiistrieanstalten und Dienstbotenwesen. Wien 1804; W. F.
Högwein: Unthänigst gehorsamster Vorschlag zur Errichtung allge-
meiner Armenanstalten für ganze Provinzen und den Staat, mit beson-
derer Rücksicht auf Tirol. Innsbruck 1805; und d'Elvert, Geschichte
der Heil- und Humanitätsanstalten in Mähren und Oesterreichisch-
Schlesien. Brunn 1858.
26 [26]
Der gebildete Theil des Publicums halte den gegen-
wärtigen Studicnplan keineswegs für den besten. Die Wiener
Universität befinde sich , mit Ausnahme der medicinischen
Studien, im Rückgange; der Geist der Frivolität beherrsche
die Gesellschaft.
Sachsen besitze drei Literaturzeitungen, während in
Oesterreich die einzige dieser Art, die , Wiener Literaturzeitung'
aus Mangel an Unterstützung eingegangen sei.'
Dass an eine Akademie der Wissenschaften, ^ deren
mindestens eine, manchmal mehrere in anderen Staaten be-
1 Die , Wiener allgemeine Literaturzeitung' im Verlage von Camesina
wurde von Dr. F. Sartori begründet, dann von Hart mann, zuletzt
von Matth. E. v. Collin redigirt, begann im Jahre 1813 und .schloss
1816. Früher erschienen die ,Annalen der österreichischen Lite-
ratur', herausgegeben von einer Gesellschaft inländischer Gelehrten im
Commissions- Verlage von Doli und Seidel zu Wien und München seit
Juli 1802; alle Monate acht Stücke zu einem halben Quartbogen, dazu
ein Intelligenzblatt. Als ihr Vorbild erscheint die Jenaer und die Leip-
ziger Allgemeine Literaturzeitung. Der Prospect bezeichnete als Zweck
dieser Annalen: ,die Kenntniss vaterländischer literarischer Producte
im Inlande zu erleichtern und das Ausland früher, als es J^isher ge-
schehen konnte, auf dieselben aufmerksam zu machen, zu schüchternen
Gelehrten, welche Aufmunterung verdienten, Zutrauen zu sich selbst
einzuflössen, dagegen Schriftsteller, die ihrem Vaterlande wenig Ehre
machen, zurechtzuweisen, mit einem Worte: der vaterländischen Literatur
aufzuhelfen'. Das Unternehmen gerieth bald ins Stocken und lebte
wieder als ,Neue Annalen der Literatur des österreichischen Kaiser-
staates' 1807 — 1809, I. — III. Jahrgang, auf, um dann auch sein Ende
zu finden. Inzwischen erstand, von der Regierung gefördert ein neues,
allgemeineren Interessen dienendes Journal in Wien: ,Vaterländische
Blätter für den österreichischen Kaiser staat,' herausgegeben
von mehreren Geschäftsmännern und Gelehrten, verlegt bei Degen in
Wien, mit dem Motto: ,Wahr, freimüthig, bescheiden'. Die erste Nummer
erschien 1808, 10. Mai; wöchentlich kamen zwei Nummern zu einem oder
einem halben Druckbogen 4" heraus. Die erste Mai-Nummer des III. Jahr-
ganges 1810 brachte das allerdings stattliche Verzeichniss der Mitarbeiter.
Seit 1815 führten sie den Titel: , Erneuerte Vaterländische Blätter' und
erhielten eine neue Redaction, auch neue oder abgeänderte Rubriken.
Sie brachten unter Anderem historisch-kritische Andeutungen über die
Literatur des österreichischen Kaiserstaates, Verzeichnisse der aus- und
inländischen Journale, geschichtliche Beiträge u. s. w. Aber auch dies
Unternehmen kam nicht über das Jahr lS-20 hinaus.
^ Zur Zeit als Baldacci dies schrieb, waren über hundert Jahre verflossen,
seit Kaiser Karl VI. veranlasst wurde, den Entwurf des Stiftung.sbriefes
und Diploms einer kaiserlichen Akademie zu Wien, bekanntlich die
[271 27
stünden, gar nicht gedacht werde, müsse wohl von der Ueber-
zeugung herrühren, dass sie unter den gegenwärtigen Verhält-
nissen schwerhch etwas Bedeutendes leisten könne; Niemand
dürfe ja den Wahn hegen, Oesterreich befände sich auf einer
solchen Stufe der Cultur, dass ein weiteres Fortschreiten zu
einem gefährlichen Uebermasse führen würde. Nothwendig sei
eine strenge Beaufsichtigung sämmtlicher öffentlichen Lehr-
und Erziehungsanstalten.
Es erscheint begreiflich, dass Baldacci , der Mann von
35 Dienstjahren im Verwaltungswesen, diesem seine be-
sondere Aufmerksamkeit zuwendet.
Besonders beschäftigt ihn die Frage, ob, wie man viel-
seitig meine, das französische Verwaltungswesen oder
administrative System für Oesterreich angemessen sei. Er ver-
neint dies angesichts der Sachlage und unabsehbarer Schwierig-
keiten und bezweifelt, dass sich einerseits der österreichische
Beamte, anderseits das österreichische Publicum in das kurz
angebundene, autoritative Wesen der französischen Verwaltung
finden würde. Die österreichische Administration habe den
Vorzug, dass sie ,mehr als jede andere gegen Eigenmacht,
Willkür, Bedrückungen und Beeinträchtigungen, sei es nun
des Staates oder der Einzelnen Sicherheit gewähre'. Alles
laufe auf Beaufsichtigung und Controle hinaus. Mehr noch in
dieser Richtung zu verlangen, wäre wohl vom Uebel, denn die
Verwaltungsmaschine leide gerade durch ein Uebermass der
Controle, und die öffentliche Meinung mache in Oesterreich
der Verwaltung nie den Vorwurf der ,Uebereilung', sondern eher
,jahrelanger Verzögerung^ Geschäftsüberladung der Beamten
halte sich mit den wachsenden Rückständen die Waage.
Der Geschäftsgang fordere daher Vereinfachung, eine Er-
sparung massenhafter Schreibereien. Die Recursfreiheit möge
etwas eingeengt, der Wirkungskreis der Unterbehörden nicht
geschmälert werden; die ,gedankenlosen Fragen' und ,un-
nöthigen Einvernehmungen', das überflüssige Behelligen der
Buchhaltvmgen sollen aufhören. Wozu seien denn die Erlässe
von 1806 und 1807 an die Hof- und Länderstellen erlassen
Idee eines Leibnitz, zu genehmigen (1714). Vgl. Bergmann in den
Sitzungsberichten der phil.-hist. Classe der kais. Akademie der Wissen-
schaften in Wien, Bd. XIII, S. 40—61; XVI, 3— 22; XXV, U4— 152.
28 [28]
worden? Ihre genaue Befolgung, nicht die Routine, der Usus
oder gar die Präsidial vvillkür, führten zum Ziele. ^
Und nun übergeht der Verfasser der Denkschrift zu der
Aufgabe des Monarchen, des ,allbelebenden Hauches', der
, Alles zusammenhaltenden Kraft' in dem verschieden gearteten,
vielgegliederten und vielgeprüften Oesterreich. Der Älonarch
soll sich nicht mit dem Detail der Staatsgeschäfte befassen,
dafür gebe es mehr als genug an Aufsicht und Controle.
Alles sei an einem festen, schnellen und ordentlichen
Geschäftsgange gelegen, deshalb bedürfe es einer gedeih-
lichen Thätigkeit der Centralleitung, da sonst ,die ungeheure
Verwaltungsmaschine, statt ein harmonisches Ganzes zu bilden
und concentrisch zu den grossen Staatszwecken zusammen-
zuwirken, in ein ungestaltetes Chaos ausarten würde'. Baldacci
bedauert die Desorganisation des Staatsrathcs im Vergleiche
zu seiner ursprünglichen Verfassung in der Theresianischen
Epoche. Die gegenwärtige Einrichtung nach einer ,von dem
himmelweit verschiedenen französischen Staatsrathe entlehnten
Idee^ sei ganz und gar unzweckmässig. Der Staatsrath möge
auf den Fuss zurückversetzt werden, auf welchem er sich zu
Anfang des Jahres 1807 befand. -
' Die oben berührten Erlässe waren unter dem Einflüsse Baldacci's ent-
standen. Der Gedankengang^ des kais. Handbillets an den Oberst-
kanzler Grafen Ugarte, vom 30. December 1806: Vereinfachung der
Manipulation, Beseitigung unnöthiger Geschäfte, Erleichterungen des
Geschäftsganges, Zusammenwirken der Behörden, Rücksichtnahme auf
materielle und geistige Culturzustände , auf die missliche Lage der
Staatsbeamten u. s. w. (s. den Wortlaut bei Meynert, a. a. O. S. 58
bis 61) zeigt dies am besten. Vgl. mein Werk: ,Zur Geschichte Oester-
reich 1792 — 1816'j S. 8G — 88. Das zweite kais. Handschreiben wurde
am 4. Jänner 1807 erlassen.
2 Bekanntlich hatte der Kaiser den Staats- und Conferenzrath Baldacci,
den Verfasser dieser Denkschrift, 1806 mit dem Plane einer Reorgani-
sirung des an Stelle des eigentlichen Staatsrathes seit 1801 geschaffenen
(dreispaltigen) Staats- und Conferenzministeriums als oberster
Revisionsstelle für sämmtliche Staatsgeschäfte betraut. Baldacci war
für die Auflösung dieser Centralbehörde, die blos dem Namen nach
fortbestehen und auf das Departement des Innern beschränkt bleiben
sollte. 1808 — 1809 wurde der im J. 1807 thatsächlich reconstruirte
,Staatsrath' als solcher auch dem Titel nach wieder hergestellt, aber in
weit beschränkterem Umfange. S. Hock-Bidermann, Der öster-
reichische Staatsrath 1760 — 1848 (Wien 1S79), S. 651—664.
[29] 29
Es ist dies einer jener Gegensätze, in denen sich Baldacci
zu ]\[etternich, dem Gegner des Staatsrathes von ehedem, be-
fand. Staatsrath und Conferenzministerium mögen die Meinungs-
freiheit als ^unantastbares' Heiligthum ansehen.' Anderseits
würden Länderbereisungen den Nachtheilen der sogenannten
,Bureaukratie' am kräftigsten begegnen.
Wir wissen, dass Berufssteilung und Vorliebe Baldacci's
Eifer für die Begründung einer officiellen Statistik warm
hielten. Ueber diesen Gegenstand verbreitet sich denn auch
die Denkschrift. Sie verweist auf die Nothwendigkeit, das in
Zeitungen, Journalen und Fach werken vorkommende ^Material
statistischer Natur zu sammeln.
Eine Personalverminderung in den Aemtern sei
angesichts der jetzt in stetiger Ausdehnung begriffenen Organi-
sationsarbeiten undurchführbar und erst in Aussicht zu nehmen,
sobald die Geschäftslast sich verringere.
Sehr dringlich erscheinen vollständige Normaliensamm-
lungen. Leider habe man den Weg verlassen, den Graf von
Rothenhann und Graf Chotek einschlugen. Es sei jedoch zu
hoffen, dass man damit unter der Leitung des Grafen Wurmser
vorwärts komme, was sehr noththäte."^
1 Metternich's Vortrag .111 <lr>n Kaiser von 1811 über die .Organisation
eines Reichsrathes in Oesterreich' (s. seine , Denkwürdigkeiten' I,
120 — 121, und ,Actenstücke' U, 444 — 453) kritisirte sehr scharf den
Theresianischen Staatsrath, der ,eigentlich nur ein rerlarvtes, aus meh-
reren Häuptern bestehendes Premierministerium' gewesen sei. Sehr
abfällig beurth eilte er auch die Organisation des Staatsrathes, oder
eigentlich des umgestalteten Staats- und Conferenzministeriums vom
Jahre 1807, Baldacci's Werk, für welches dieser selbstverständlich ein-
tritt. Wie sich Manches sonst in diesem Vortrage des Staatskanzlers gegen
Baldacci zuspitzt, besonders dort, wo Metternich von der Organisation
des Jahres 1807 sagt, sie wäre ,das Werk einiger Intriganten, Subal-
ternen bei den verschiedenen Ministerien, welche unter dem Vorwande
dieser neuen Organisation die ausübende Gewalt in ihre Hände zu
spielen wünschten', — findet sich in meinem Werke: ,Zur Geschichte
Oesterreichs 179-2—1816', S. 191 — 193 erörtert.
2 Graf Eothenhann, geb. zu Bamberg 1737, gest. 1809, ward 1796 be-
reits in den Arbeiten der Gesetzgebung als Kanzler der vereinigten
Hofstelle verwendet und seit 1801 Präses der Hofcommission in Gesetz-
sachen; Graf Job. Rudolf Chotek war 1805 — 1809 Staats- und Con-
ferenzminister. Graf Wurmser erscheint in den Jahren 1809 — 1814
als Mitglied und Präses von verschiedenen Hofcommissionen, so in
Militär- und Steuersachen genannt.
30 [30]
Das Schlusscapitel der Denkschrift behandelt die be-
drängte materielle Lage der Staatsgläubiger, der Armee-
angehörigen und der Beamtenwelt.
Es sei ein Gebot strenger Gerechtigkeit gewesen, dass
durch das Staatsanlehen der Gläubiger des Aerars die
]\Iüglichkeit fand, die Zinsen künftig in Metallmünze zu er-
halten und dass zugleich der Werth der Obligationen in Wiener
Währung gehoben wurde.
Was die Armee betrifft, so findet Baldacci die Lage des
gemeinen Mannes, trotz seiner in Folge des Papiergeldregimes
viermal so hohen Löhnung gegenüber der im Jahre 1790, als es
noch Metallmünze gab, mit Rücksicht auf die vierfache, mit-
unter acht- bis zehnfache Preiserhöhung der Lebensbedürfnisse,
durchaus nicht günstig, immerhin aber noch besser als die
des Officiers. Am traurigsten sei die Nothlage des Militär-
pensionisten.
Aber ungleich drückender sei die Sorge um das Leben
beim Civilbeamten der gleichen Dienst -Rangclasse. Bal-
dacci erörtert den schlimmen Wechsel der Zeiten seit der
Theresianischen Epoche und findet in den Zuschüssen mittelst
Papiergeldes nur ein Palliativ, keine wahrhaft wirksame Abhilfe.
Er recapitulirt endlich das Ganze seiner Ausführungen,
indem er das, was sich bis zum Zeitpunkte des Abschlusses
seiner Denkschrift geändert oder mehr entwickelt, soweit es
zu seiner Kenntniss gelangte , beifügen zu wollen erklärt.
Dieser Anhang wurde, weil er wesentlich nur übersichtliche
Wiederholung ist, im Abdruck weggelassen,' ausgenommen
das Schlusswort.
Der Unterzeichnete hat nur noch einige Bemerkungen
über den Abdruck der naclistelienden Denkschrift anzubringen.
Zur grösseren Uebersichtlichkeit wurde der Inhalt der ein-
zelnen Abschnitte in Randglossen angedeutet. In Bezug der
Orthographie Baldacci's, welche mancherlei störende Eigen-
thümlichkeiten bietet, schien es angemessen, sie der heutigen
thunlichst anzupassen. Ein Inhaltsverzeichniss soll die Be-
nützung erleichtern.
' Sie zählt im Manuscript 2.3 Folioblätter. Der wenigen, wirklich ergän-
zenden Uemerkungen Haldacci'.s wird an Ort und Stelle des Abdruckes
gedacht werden.
[31] 31
Die Denkschrift Baldacci's.
E i II I oi t u u g.
Wenn ich sage, es ist sehr weit mit uns gekommen, wir haben Allgemeine
eine höchst traurige Periode erreicht, so habe ich wenigstens von der ^^'"'^^^^"■'5
entschiedenen Mehi'zahl keinen Widerspruch zu besorgen. liehen und
Nie. selbst zur Zeit der unglücklichsten Kriegsereignisse, feind- f "*''^';^''5' '
° o o . liehen Noth
licher Einfälle, mit beträchtlichen Länderverlusten und schweren Con- Standes.
tributionszahlungen verbundener Friedensschlüsse, waren die Klagen so
laut und allgemein als seit einigen Monaten. Ein goldenes Zeitalter hat
man nach mehr als zwanzigjährigen Kraftüberspannungen vernünftiger-
weise wohl nicht erwarten können, drei bis vier aufeinander gefolgte,
theils kaum mittelmässige, theils wirklich schlechte Ernten haben noth-
wendig leidige Folgen nach sich ziehen müssen. Aber wer auch nicht ein
goldenes Zeitalter hoffte, war darum doch auf kein eisernes gefasst, und
wenn blühender Wohlstand bei dem wenigen Gedeihen der Feldfrüchte
nicht vorherrschend sein konnte, so bleibt doch das schnelle Umsich-
greifen des Jammers und Elends, die Verarmung unzähliger, einst ver-
möglich gewesener Familien, der auf einen so hohen Grad gestiegene Un-
muth ganzer Classen und der Stände ein schwer aufzulösendes Problem.
Gibt es noch eine Fiettung und Hilfe? hört man Tausende fragen.
Ungleich grösser ist die Zahl derjenigen, die an diese Frage auch gleich
eine verneinende Antwort reihen, als die sich und Andere mit einem
auch nur schwachen Schimmer von Hoffnung zu beruhigen versuchen.
Wer fühlt das Schlimme, das Schreckliche solch eines Zustandes
nicht? Wer wird thöricht genug sein, solch eine Stimmung für unschäd-
lich zu halten, weil noch keine Sturmglocken ertöuen, keine wüthenden
Volkshaufen die Strassen durchziehen, der obersten Gewalt noch in
keinem Theile des Staates der Gehorsam verweigert wird? Hat man
irgend eine Gewähr, dass es immer, dass es lange so bleiben wird? Und
wenn man diese Gewähr hätte, wenn man versichert wäre, fortwährend
Alles durch die bewaffnete Macht — ungeachtet sie jetzt selbst ein sehr
leidender Theil ist — erzwingen zu können, ist es gleichgiltig, wenn die
Kegierung Liebe, Achtung und Vertrauen vollends verliert, wenn sie
täglich die Zielscheibe entweder des bittersten Spottes oder des heftigsten
Tadels wird?
32
[321
Ursachen
des Noth-
standes.
Zweck dieses
Aufsatzes.
Und wem kiiiin es entgehen, wie splir insl)eson(lere in einer
Monarchie, .wo in den meisten Provinzen nur Geldzeichen, deren Werth
sich auf Credit gründet, im Umlaufe sind, die Regierung von der öffent-
lichen Meinung abhängig istV Wir haben ja schon selbst der Er-
fahrungen hierüber zu viele gemacht, um nur einen Augenblick daran zu
zweifeln, dass eine blosse widrige Einwirkung der öffentlichen Opinion
auf die circulirende Masse ungemeine Uebel herbeiführen kann, die
keine physische Gewalt abzuwenden oder zu bezwingen vermag.
Es wäre nicht schwer, die Ursachen anzugeben, warum es so weit
mit uns gekommen, warum unsere Lage höchst traurig geworden ist.
Einige sind allgemein bekannt. Aber dem aufmerksameren Beobachter
ist selbst das progressive Fortschreiten der Verschlimmerung, die gänz-
liche Entwicklung der gegenwäi'tigen — man darf leider fast sagen —
Antipathie gegen die Kegierung in ihrer Grundlage, sowie in ihren
Folgen und Wirkungen nicht entgangen.
Eine Zusammenstellung dieser Ursachen ist zur Ausführung meines
Vorhabens nicht unumgänglich uothwendig. Manches Geschehene lässt
sich nun einmal nicht mehr ändern. Ein oder der andere Punkt würde
vielleicM auch bei Solchen, welche im Ganzen das Schlimme unserer
Lage vollkommen erkennen, Widersprüche hervorbringen. Mit Contro-
versen ist aber wenig gedient. Ln besten Falle geht die Zeit darüber
verloren, und diese ist jetzt von unendlichem Werthe. Ohnehin kann
ich, was ich für noch voi'handenc und bleibende Ursachen der Uebel,
die uns drücken, halte, nicht unberührt lassen, wenn ich, was eigentlich
meine Absicht bei diesem Aufsatze ist. angeben will, wie, nach meiner
Meinung, die Uebel theiis gehoben, theils gemildert werden können,
wie sich Achtung und Vertrauen allraälig wieder herstellen oder doch
wenigstens dem so hoch gestiegenen Missvergnügen und Unmuthe ab-
helfen lasse.
Zerrüttung Dic ältcstc Und nach meiner innigsten Ueberzeugung schwerste
des Geld- Ki-ankheit des österreichischen Staatskörpers ist unstreitig die lang-
ivesens. . . '
Masse des wierige gänzliche Zerrüttung des Geldwesens, die sich von blossen Defi-
papiergeides. (.[li^^ einem starkcu Passivstande und anderen Uebeln, woran mehrere
Staaten laboriren, sehr wesentlich unterscheidet. Es gibt zwar — Däne-
mark, dessen Finanzen, wie bekannt, am Kande des Abgrunds sind,
weggerechnet — ausser Oesterreich noch drei Staaten, wo Papiergeld
die circulirende Masse ausmacht, nämlich England, Schweden und
Eussland. Aber wem ist es unbekannt, wie sehr sich das englische
33]
Vorscbläge
zur Kegene-
ration der
österreiclii-
scUen Fi-
nanzen.
Papieigeld vi>u .lein usteircicliisilicn untensclieitlet. Und wenn der Weith
des sclnveilisclieii und nissiisdieu Papiergeldes um nichts höher, ja selbst
niedriger als jener des unserigen ist, so hat es duch die ausserordent-
lichen Schwankungen und Sprünge, woraus so äusserst böse Folgen
resultireu, nicht erfahren ; es hat noch keine Devalvation ausgestanden ;
es ist in isolirten, wenig cultivirten, an dem äussersten Ende Europas
liegenden Ländern ungleich weniger schädlich als in einer Monarchie,
die in so ausgebreiteten Handelsverbindungen stehet, wenigstens jetzt
bei dem Handel mit dem Auslande unstreitig die Bilanz wider sich hat,
und wo schon seit Jahren die Speculationen. der stärksten Geldbesitzer
ihre vorzüglichste Eichtuug auf die Schwankungen und Sprünge der
Cui'se — im Grunde also auf die öffentliche Calamität — genommen haben.
Was hieraus entstehen und wohin dies führen müsse, hat mau
schon lauge gefühlt. Zahlreiche eindringende Vorstelluugen über die
unübersehbaren Xachtheile einer längeren Fortdauer dieses Zustandes,
häufige Vorschläge, wie hiei- Kath zu schaffen sei, liegen in den Kegi-
straturen. Schon in dem Jahre 1803 wurden ganze Abhandlungen über
diesen, für den Staat sowie für jeden Einzelnen höchst wichtigen Gegen-
stand geschrieben. Im Jahre 1804 wurden die ersten schwachen Ver-
suche zur Regeneration unserer Finanzen gemacht. Damals betrug die
verzinsliche Schuld, welche sich noch im Jahre 1792 nur auf 416,860.000
Gulden belief, schon über 718 Millionen, An Bankozettelu, deren es im Bankozettei
Jahre 1792 keine vollen 27 Millionen gab, waren im Jahre 1804 über
ri37 Millionen im Umlaufe. Ein Zuwachs au theils verzinslicher, theils
unverzinslicher Schuld von mehr als 600 Millionen in einem Zeiträume
von 12 Jalireu war wohl ein wichtiger Bestimmungsgrund für die Staats-
verwaltung, sich mit diesem Gegenstände ernstlich zu beschäftigen.
Allein wiederholte feierliche Versicherungen im Namen des Monarchen,
die Bankozettei aiifrecht halten zu wollen, standen jeder Idee, einen
Schlag auf das Papiergeld zu führen, im Wege. Die ergriffenen gelin-
deren Massregelu konnten ihrer Natur nach nur langsam wirken. Durch
die bald darauf unternommenen Kriegsrüstungen und durch den in der
zweiten Hälfte des Jahres 1805 ausgebrochenen Krieg wurden sie nicht
nur alleiu vollends erfolglos, sondern die Lage hatte sich wesentlich ver-
schlimmert , weil aussei' dem bedeuteuden Länderverluste durch den
Pressburger Frieden die Masse des circulirenden Papiergeldes im Jahre
1806 schou nahe au 450 Millionen gekommen war.
Die ganze Periode vom Pressburger Frieden bis zum Wiederaus-
bruche des Krieges im Jahre 1809 glich mehr einem Waffenstillstände
als einer wirklichen Ruhe. So lange Napoleon mit Preussen und Russ-
3
34 [341
laml kämpfte, mustste eine beträchtliche Neutralitätsarmce mit gTosscm
Aufwände unterhalten werden. Nach dem unerwarteten Abschlüsse des
Friedens zu Tilsit veranlassten rege Besorgnisse für die Existenz und
Unabhängigkeit des Staates fortwährende, zwar nur stille, aber darum
um nichts weniger kostspielige Anstrengungen, bis es im daliro ISU;»
zum wirklichen Ausbruche kam. Wer erinnert sich nicht an die traurige
Katastrophe dieses Krieges, von dem man so viel Heil und Kuhm er-
wartet hatte!
In diesem verhängnissvollen Jahre war die Zahl der Bankozettel
schon auf 730 Millionen angewachsen, und dieCurse standen, nach einem
ganzjährigen Durchschnitte berechnet, auf 296. Das Papiergeld hatte
also schon damals beiläufig zwei Drittheile von seinem Werthe verloien.
Nach solch einer gewaltigen Verschlimmerung unseres linanziellen
Zustandes, nach so beträchtlichen Verlusten an Tjändern, nach der
so sehr herabgesuiikenen politischen Existiuuition der österreichischen
Moimrchie, die man nun nicht mehr unter die Mächte der ersten G]-össe
zählen wollte, war natürlicherweise die Aufgabe, Ordnung in dem zer-
rütteten Geldwesen herzustellen, noch ungleich schwieriger geworden.
Durfte man sich noch im Jahre 1804 der ,HofFnung überlassen, den
Nominalwerth des Papiergeldes durch successive Verminderung desselben
aufrecht zu erhalten , da es nach der ganzjährigen Durchschnittsbe-
rechuung nicht niedriger als zu 1 33^/4 Gulden stand, so war es bei den
im Anfange des Jahres 1810 so sehr veränderten Umständen wohl er-
laubt, an der ferneren Möglichkeit dieser Aufrechthaltung zu verzweifeln.
Finanz- IndessBn glaubte man im Jahre 1810 doch noch das Aeusserste versuchen
Operation müsscu. Durch Beuützuug des unbeweglichen Vermögens der Geist-
desJ. 1810. ^ , ^ ^
lichkeit, durch namhafte Erhöhungen der Steuern sollten beträchtliche
Quantitäten Papiergeld aus dem Umlaufe gezogen, und dasselbe dadurch
seinem anfänglichen Werthe allgemach mehr angenähert werden. Was
Viele gleich im Anfange an einem glücklichen Erfolge des angenommenen
Systems zweifeln machte, war die lange Dauer von 20 Jahren, die zur
gänzlichen Ausführung desselben erforderlich waren, und die äusserst
geringe Wahrscheinlichkeit, es werde sicli unter den damaligen Um-
ständen die Ruhe in Europa auch nur einige Jahre ei'halten. Aber schon
selbst darin, dass die Benützung des geistlichen Vermögens und eine
namhafte Ei-höhuug der Steuern die Hauptpfeiler waren, lag der Keim
der Zerstörung dieses Planes. Er kam gar nicht zur Keife. Statt der
beabsichtigten Verminderung der Bankozettel vermehrten sich dieselben
bis Ende des Jahres 1810 auf 1060 Millionen Gulden, der ganzjährige
Durchschnitt der Curse fiel auf 429 aus.
fSf)] 35
Nun hatte das Papiergeld jene Periode erreicht, wo des Sinkens
seines Werthes kein Ende mehr war, und wo keine menschliche Kraft es
mehr aufreclit erhalten konnte. Eine Devalvieruug war unvermeidlich.
Sie würde sich im Verlaufe des Jahres IHll von selbst gemacht haben Finanz-
oder, richtiger gesprochen, das Papieigeld wäre in einen gänzlichen Un- £^^105!
werth gesunken, hätte es die Staatsverwaltung länger anstehen lassen, scheine,
mit einer entscheidenden Massregel einzuschreiten. Zu einer Zeit , wo
die Bankozettel schon zwischen 1300 und 1500 schwankten , hat sich
die Devalvierung auf ein Fünftheil nicht für hart und ungerecht erklären
lassen. Nicht in der Devalvierung, sondern darin, dass dem zu Grabe
gegangenen Papiergelde ein anderes, das sich von dem früheren blos
durch seine ungleich geringere Menge unterschied, substituii-t worden
ist, dass man seinen Werth einzig durch die Seltenheit erzwingen wollte,
liass sonst gar nichts, um dem neuen Papiergelde Kredit zu verschaffen,
geschah, dass vielmehr fortwährend Handlungen begangen wurden, die
das geschwächte Vertrauen nur noch tiefer sinken macheu mussten, lag
der Grund der traurigen Eesultate, welche das Finanzsystem vom Jahre
1811 und noch mehr die Art , wie es ausgeführt worden ist, über die
österreichischen Staaten verbreitete. Eine beträchtliche Verschlimmerung
der Curse war bei einer so geringen Masse Papiergeldes nicht wohl
möglich. Aber sie war mehr als genug, um jeden Gulden Metallmünze
aus dem Umlaufe zu verdrängen. Eine bedeutende Menge Einlösscheine
war eben, weil sich die Metallmünze neben derselben nur als Waare be-
haupten konnte, immer in dem verderblichen Spiele auf der Börse be-
schäftiget. Dadurch sowie durch die Beschränkung, welche sie als vor-
stellende Geldzeichen gegen den Nominalwerth erlitten, und durch die
meistentheils namhaften Kassabestände blieb ein offenbar zu geringer
Betrag für die innere Circulation übrig, die auch schon des vorherr-
schenden Misstrauens wegen nicht lebhaft sein konnte. Aus dieser
Unzulänglichkeit des Geldes, die keineswegs durch Lebhaftigkeit des
Umlaufes ersetzt wurde, mussten sich uothwendig sehr nachtheilige Xachtheiie
Einwii-kungeu auf den Nationalwohlstand, vorzüglich auf die Industrie JJ."t\o„*:^1.
ergeben, die während dieser Periode in Monaten ebenso stark ab- «oiiistand.
genommen als sie zuvor in Jahren zugenommen hat. Offenbar waren
bei einer längeren Fortdauer dieses Zustandes mehrere selbst der wich-
tigeren Fabrikationszweige mit dem Untergange bedroht.
Aller Beharrlichkeit ungeachtet, mit welcher der Werth der Ein-
lösungsscheine einzig durch ihre geringe Zahl gehoben werden wollte,
war doch der Durchschnittscurs im Jahre 1812 nahe an 160, mithin
beinahe gleich ilem Jahre 1806, wo sich die Masse der Bankozetteln auf
3*
36 [36]
uiiget'iihr 450 Milliiuicii Ijclief. Sclion danuils zweifelte fast Niemand
daran, dass auf diesem Wege, auch l)ei der standhaftesten Ausdauer, bei
seinen täglich fühlbarer gewordenen Beschwerlichkeiten nicht zum Ziele
zu gelangen sei. Allein schon in der ersten Hälfte des Jahres 1813
kam die Staatsverwaltung wegen der nothwendig gewordenen Kriegs-
rüstungen in die uiuingenehme Xothwendigkeit, ihr feierlich gegebenes
Anticipa- Wort , dass vou der Papierscheere kein Gebrauch mehr gemaclit werden
wird, zu l)rechen. indem zwar die Einlösungsscheine nicht vermehrt,
aber unter einem anderen Nauien neue Scheine ausgestossen worden
sind, von denen nur die ersten 45 Millionen durch eiu eigenes Patent dem
Publikum angekündigt, die weitereu Exmissionen aber im Stillen foi't-
gesetzt wurden, dergestalt, dass sich mit dem Ende des Jahres 1814
schon fast ebenso viele Anticipationsscheine als Einlösungsscheine —
zusammen nämlich über 412 Millionen Scheine — im Umlaufe befaiiden.
Von dem Zeitpunkte der Ausg'abe des neuen Papiergeldes an-
gefangen, hatte das Fiuanzsystem vom Jahr 1811 natürlicherweise seine
vollständige Katastrophe erreicht. Man war nun ganz wieder in dem
vorigen (leleise. So, wie früher mit Bankozetteln. wurde jetzt mit Ein-
lösungs- und Anticipationsscheineu der ausserordentliche Kriegs- und
der übrige Aufwand bestritten. Dafür hatte man aber auch die ver-
lorenen Länder zurückerobert, den Feind des Friedens von seinem Throne
verjagt und die Möglichkeit erreicht, eine bessere Ordnung der Dinge
dauerhaft zu gründen. Billige und verständige Menschen sahen zwar
den neuen Zuwachs an Papiergeld mit Leidwesen an, aber sie fanden
darin gegen das, was erkämpft worden ist, doch nur das gei'ingere
Uebel. Nun sei, meinten sie, erst der Zeitpunkt gekommen, wo man mit
Ki'aft und Sicherheit handeln könne, und der sowohl bei einem Auf-
merksamen Rückl)lick auf das Vergangene, als bei einer eindringenden
Erwägung der Uebel, die man vim dem vermehrten Papiergeld unaus-
bleiblich zu befahren habe, ja nicht versäumt werden dürfte.
Unstreitig war dies schon in der zweiten Hälfte des Jahres 1814
die entschiedene Meinung der Mehrzahl derjenigen, welche über Gegen-
stände dieser Art eiu Urtheil zu fällen geeignet sind. Doch höite man
damals dieser vorhei'rschenden Meinung nicht selten die Beti-achtung
entgegensetzen, dass man durch die Feldzüge in den Jahi-en 1813 und
1814 zwar Länder, Achtung und ifuhe, aber bei weitem keine hinläng-
lichen Vorräthe an Metallmünze erwoi-ben habe, um der Zei'i'üttung des
Geldwesens ohne überaus grossen Erschütterungen abhelfen zu können,
dass ferner die Ausgleichung so vielei', zum Theil unter sich con-
trastirenden Interessen eine sehr weit aussehende Sache sei, deren
[37] 37
schnelleren oder langsameren Ausgang keine menschliche Weisheit vor-
hersehen könne, dass man sich also mit Grund zu zweifeln erlauben
dürfe, ob der wahre Zeitpunkt zu definitiven Massregeln, um das Geld-
wesen in Ordnung zn bringen, schon wirklich eingetreten sei.
Wenn diese Einwendungen nicht von allem Gewichte ontblösst dci' Um-
waren, und insbesondere letztere durch das, was sich von den Ver- ^\r-^.^'
' politischen
handlungen des Congresses im Publikum verbreitete, ein nicht un- zustände
bedeutendes Gewicht erhielten, so fand sich durch Napoleons Wieder-
erscheinung in Frankreich, durch das eben so schnelle, als glückliche
Ende des daraus neuerdings entstandenen Krieges, durch die gänzliche
Ausmittlung der wesentlicheren, politischen Verhältnisse zwischen den
Mächten, durch den solchergestalt noch mehr consolidirten Frieden, ins-
besondere aber durch die namhaften Summen in Metallmünze, welche der
österreichischen Monarchie zu Theil wurden, der schwierige Zustand
noch vor Ausgang des Jahres 1815 auf solch eine Art aufgelöst, dass
nun wider die Möglichkeit, dem Geldunwesen ein Ende zu machen, und
wider die Schicklichkeit des Zeitpunktes vernünftigerweise sich gar
nichts mehi' einwenden liess.
Es hatte aber auch in diesem Jahre das Papiergeld schon wieder Das Papier-
eine Höhe von 562 Millionen Gulden erreicht. Die Curse hatten im Ver- ^^^^ "° ^•
1815.
laufe desselben ausserordentliche Schwankungen erlitten, und der Werth
desselben war dergestalt gesunken, dass der Curs nach dem Durchschnitt
des ganzen Jahres auf etwas über 350 Gulden entfällt. Es war vorher-
zusehen, dass nun die Sehnsucht nach durchgreifenden Massregeln laut
und allgemein werden, dass man nur solche Massregeln und keine
Palliative von der Staatsverwaltung im In- und Auslande erwarten
werde. Langjährige Erfahrungen und Leiden rechtfertigten diese Sehn-
sucht. Hinreichende Mittel, um die Schwierigkeiten der Ausführung theils
zu mildern, theils ganz zu überwinden, waren erworben. Eigentlich war
nun erst jetzt, durch die fester gegründete äussere Ruhe und durch den
Besitz reichlicherer Vorräthe an Metallmünze die Epoche eingetreten, wo
man mit Kraft und Zuversicht Hand an das Werk legen konnte, was in
keiner der früheren Perioden der Fall war. Nun liess sich also der
laute , allgemeine Wunsch nicht mehr für eine ignorante Ungeduld er-
klären, und die Staatsverwaltung stellte sich bei einer längeren Zögernng
der Gefahr bloss, ganz wider die öffentliche Meinung zu Verstössen.
Diese Betrachtungen veranlassten mich schon im November des Baidaccis.
Jahres 1815 meine Ideen über die Nothwendigkeit solcher Massregeln, Vorschlag
. zur Conver-
von welchen man sich eine entscheidende Wirkung mit Zuversicht ver- ,j,.„ng ^g,.
sprechen könne, so wie über die Wahl derselben zu Papier zu bringen. Staatsschuld.
38 ' [38]
Eine Conveitiiung des gesaiiiniten Papiergeldes in eine verzinsliche
Schuld, schien mir das, unseren Verhältnissen einzig angemessene
System, und so wie ich in Allem, was ein rascherer Uebergang zur
Metallmünze für Einzelne Beschwerliches und Xachtheiliges haben mag,
doch nur das mindere Uebel gegen jenes, was mit der längeren Fort-
dauer der Zerrüttung des Geldwesens unzertrennlich verbunden ist, ge-
funden habe, und die Vernunft es gebietet, im Collisionsfalle sich mindere
Uebel gefallen zu lassen, wenn nur durch sie grössere gehoben werden
können, hielt ich es auch für ganz wohl möglich, durch zweckmässige
Modalitäten die Convertii'ung in einem Zeiträume von 9 Monaten auf
solch eine Art durchzuführen, dass die Bewohner jener Länder, in
welchen Papiergeld circulirt, ausser jenen Beschwerlichkeiten, die in der
Xatur der Sache liegen, und daher absolut unvermeidlich sind, sonst
keine anderen gefühlt haben würden.
Das Fiuanzministeiium ging in seinen Vorschlägen zwar eben-
falls von dem Grundsatze aus, das Papiergeld allmählig aus dem Um-
laufe zu bringen; aber dies sollte blos durch Einleitungen, bei welchen
Uns Finanz- Alles dem freien Willen überlassen blieb, und in einer ungleich längeren
ministennm ^eitfrist geschehen. Zwei Wege zur Einziehung des Papiergeldes wurden
zwei Wege gleichzeitig gewählt, der eine, dass man gegen Erlag von 2000 Gulden
zurEinzic- g(.}^eimj umj 200 Gulden Conventionsmünze Actien erhielt, wofür die
hung des I'a-
pieigeides. 2'2'Vo Ziusen in Conventlonsmünze bezahlt werden sollen; der andere,
dass für 700 Gulden Papiergeld - .; in Conventionsmünze, un<l •'' - in
einer einperccntigen, gleichfalls mit Conventionsmünze zu verzinsenden
Obligation gegeben wurden. Mit diesen Verfügungen wurde zugleich,
rücksichtlich der Actien, eine Bankanstalt verbunden.
Zur Zeit, wo diese Vorschläge bearbeitet wurden, waren Seine
Majestät von Wien abwesend. Der Finanzminister sollte nach Italien
reisen, um dort die Allerhöchste p]ntschliessung darüber zu ciwirken.
Sie wurden mir, aber nur auf eine sehr kurze Zeit, mitgetlieilt und meine
schriftliche Aeusserung vci'langt. Auch ich hatte schon fi'üher meinen
Aufsatz dem Finanzminister übergeben. Er ei'klärte, zwar mit den
Hauptgrundsätzen desselben, nicht aber mit der Ali der Ausfühi'ung,
einverstanden zu sein und insbesondere von der so schnellen Ausfühi-ung
einer gänzlichen Conversion überaus nachtheilige Folgen zu besorgen.
Nach dieser flrklärung war an die Allerhöchste Genehmigung meines
Finanzverbesserungsplanes nicht mehr zu gedenken, da die weite Vaü-
fernung mich ausser Stand setzte, die Einwendungen, welche man
dagegen machen würde, auch nur zu crfaluen. Selbst der lebhafteste
Widei'spiuch hätte höchstons die Wirkung gehabt, dass noch längere
[39] 39
Zeit hindurch gar nichts geschehen wäi'e. und man sehnte sich schon
seit Mimaten. sehnte sich mit dem grössten Kechte nach massgebenden
Verfügungen. Nach den Regeln der Probabilität war es freilich mehr-
als wahrscheinlich, dass ein so hoher Grad von Misstrauen bestehe, bei
welchem Massregeln, die vom freien Willen abhängen, schlechterdings
nicht gedeihen können. Aber a priori Hess sich dies nicht unwider-
sprechlich beweisen, und das Finanzministerium glaubte so fest an die
Wirksamkeit und an die Zweckmässigkeit seiner Anträge, dass es nur
durch wirklich gemachte Erfahrungen zu einer anderen Ueberzeugung
gebracht werden konnte. — Aber auch ich selbst traute mii* mit voll-
kommenster Zuversicht nicht zu behaupten, dass ein Gelingen der von
dem Finanzministerium vorgeschlagenen Massregeln absolut unmöglich
sei. Es gab der Gründe noch mehrere, sich einem Versuche nicht ent-
gegenzusetzen, der bei einer entsprechenden Ausführung mit keinem
bedeutenden Verluste an Metallmünze verbunden gewesen sein würde,
und von dem man mit vollem Grunde erwarten konnte, dass er alle
Zweifel lösen, und die grosse Streitfrage, ob der langsamere, gelindere,
der Willkür jedes Einzelnen überlassene , oder der schnellere , von der
Staatsverwaltung vorgezeichnete , mit Zwang verbundene Weg auszu-
wählen komme, definitiv entscheiden wird.
Von diesen Betrachtungen geleitet und unter den, theils soeben
geschilderten, theils sonst zur Zeit, wo ich meine Aeusserung abgab, ob-
waltenden Umständen, hielt ich es für weit schädlicher, mich geradezu
wider die Vorschläge des Finanzministeriums zu erklären, als in der
Art meine Zustimmung zu geben, wie ich es unterm 11. Jänner h. J.
gethan habe, indem ich ausdrücklich auf die Nothwendigkeit einer
niehrei'eu Begünstigung deijenigen. welche an dem Bankinstitute theil-
uehmen . gegen Jene , die ihr Papiergeld gegen Conventiousmünze und
Obligationen umsetzen, sowie auf die Verwendung eines Theiles der
Staatsgüter zur mehreren Beschleunigung und Versicherung der Ope-
ration hindeutete und beifügte, dass im Detail der Ausführung eine
sorgfältige Beobachtung der Folgen und Wirkungen und der öffentlichen
Meinung, deren Tendenz sich nicht immer zuverlässig vorhersehen lasse,
die Xothwendigkeit oder Entbehrlichkeit weiterer Massregeln am richtig-
sten entwickeln wird.
Der Zeitpunkt, in welchem die Patente erschienen sind, nämlich Die Patente
der 1. Juni 1816 ist zu wenig entfernt, als dass es nicht noch im """^ ^- "'"°*
* ' 1816 und ihr
frischen Andenken stehen sollte, dass einige Wochen hinreichten, um jiisseifoig.
beinahe Jedermann zu überzeugen, die Ordnung in den Geldverhält-
jiissen könne und werde auf dem eingeschlagenen Wege nicht hergestellt
40 [40]
werden. Die Actienabnahmo war gleich anfangs und ist bis zur Stunde
unendlich weit hinter dem Betrag zurückgeblieben, der erforderlich ge-
wesen wäre, um sich nur einigen Erf<dg ^versprechen zu können. Da-
gegen warf man sich mit einer kaum glaublichen Hastigkeit und Gierde
auf die Verwechslung des Papiergeldes gegen Conventionsmünze, und
einpercentige Obligationen. Dass hiebei so beträchtliche Quantitäten
von Metallmünzen aus den Staatskassen, theils in das Ausland, theils in
die Kassen der Geldmäkler strömten, ohne dass die Circulation etwas ge-
wann, war nicht unmittelbare und unvermeidliche Folge des Systems,
sondern der Art der Ausführung, die keineswegs mit jener Vorsicht,
welche man bei dem Anbeginne solch einer Operation nie ausser Acht
lassen darf, sondern mit einer Ausdehnung, als wäre num seiner Sache
vollkommen sicher gewesen, geschah. Mit einer, höchstens mit zwei
Millionen hätte man die nämliche Erfahrung machen und sich Gewiss-
heit verschaffen können , dass die Actien viel zu wenig gesucht werden,
um von der Bank eine Wirksamkeit zu erwarten, dass man dagegen den
ganzen Vorrath an Metallmünze m einigen Monaten fruchtlos vergeuden
würde, wenn man die Verwechslung des Papiergeldes gegen Conventions-
münze und einpercentige Obligationen fortgesetzt hätte. Schon die un-
angenehmen Auftritte, welche aus dem gewaltsamen Hinzudrängen zu
den Kassen entstanden, setzten dieser Verwechslungsart Schranken. So-
bald die Verwechslung ganz eingestellt werden musste, und die Actien
nur in geringer Zahl abgenommen wurden , lag es am Tage , dass das
neue Finanzsystem sich nicht weiter behaupten könne. Es wurde daher
sehr dringend, über die weiters zu ergreifenden Mittel zu berathschlagen ;
zumal das Finanzministerium aus nicht unbegründeter Besorgniss, die
Curse würden sich in der Zwischenzeit gar zu sehr verschlimmern, Con-
ventiiinsmünze auf der Börse verkaufen Hess, und die wichtigsten, Jeder-
mann vim selbst einleuchtenden Gründe dafür stritten, diesem traurigen
Mittel die mitglichst kurze Dauer zu geben.
Das Finanz.- Von dem Zeitpunkte an, wo ein eigenes Finanzcomite uud ich zu
comite und gincm GUcde dieses Comite ernannt wurde, war es füi- mich eine heilige
Baldacci"s
Eintreten für Pflicht, gctreuUch auzugebcn und gründlich darzuthun, was nun zu ge-
(iiL-conver- schehcu habe, um das verfehlte Ziel wieder zu erreichen. Gleich in den
tirung.
ersteren Conferenzen habe ich mein Glaubensbekenntniss , dass nur in
der Convertirung die Möglichkeit liege, der Zerrüttung des Geldwesens
sicher und dauerhaft abzuhelfen, freimüthig abgelegt. Meine Meinung
fand lebhaften Widerspruch. Unübersehbare Naclitheile wurden als un-
vermeidliche Folgen einer vorzeitigen Ausführung dieses Systems an-
gegeben. ]\lan f;ind den Wohlstand dei- Privaten, den Haiidtl im Grossen,
[41] 41
den täglichen Verkehr, ja selbst den öffentlichen Dienst äusserst ge-
fährdet. Auch glaubte man, eindringendere Massregeln vor der Hand
noch ganz wohl vermeiden zu können, da sich von dem freiwilligen
Arrosement, welches der Hofrath Freiherr von Pillersdorf vorgeschlagen Piiicrsdoifs
hatte, eine gedeihliche Wirkung erwarten lasse, wo sich sodann, wenn *"^der*^
man die Resultate desselben aufmerksam beobachtet haben wird, am Anosirung.
richtigsten zeigen werde, was weiter zu thun erübrige.
Dem vorgeschlagenen Arrosement beizustimmen, habe ich nun
zwar kein Bedenken getragen, denn mir schien die Massregel gerecht
und consequent; gerecht, weil die Staatsgläubiger durch mehr als eine
der früheren Verfügungen sehr hart mitgenommen worden sind, bis zur
Stunde ihre herabgesetzten Zinsen in einem tiefgesunkenen Papiergelde
erhalten, hiedurch ungemeinen Schaden gelitten haben und noch leiden,
dieselben also, so viel es die Kräfte des Staates nur immer zulassen,
berücksichtigt zu werden, wohl unwidersprechlich verdienen ; consequent,
weil auf diese Weise Scheine aus dem Umlaufe gezogen werden, ohne
dass der Staat dabei seine Vorräthe an Münze erschöpft oder sonst eine
unerschwingliche Last übernimmt. Allein eine wesentliche Abhilfe gegen
das Hauptübel, einen entscheidenden Schritt zur Wiederherstellung des
zerrütteten Geldwesens habe ich in dieser Massregel nicht gefunden,
sondern sie nur für ein secundäres , mitwirkendes Mittel gehalten,
welches eingreifendere Verfügungen auf keine Weise und um so weniger
entbehrlich machen könne, als sich, bei dem so allgemeinen Misstrauen,
ganz sicher auch Zweifel , wo nicht über den Willen, doch über das Ver-
mögen der Staatsverwaltung, die Zinsen, dem Versprechen gemäss, fort-
während in Conventionsmünze zu bezahlen, erheben und in dem Masse
grösseren Eingang finden werden, als sich die Meinung mehr fixirt, dass
man keine kräftigeren und schneller wirkende Vorkehi-ungen zur Weg-
schaffung des Papiergeldes treffen wolle.
Diese letztere Meinung schien weder der Finanzminister noch der Baidaccis
Staats- und Conferenzminister Graf Zichy mit mir zu theilen , sondern verhaUen zu
dem AiTOsi-
sich von der Ankündigung des Arrosement eine ungleich stärkere Wirkung rungspiane.
zu versprechen, über das, was weiter geschehen solle, noch keinen
bestimmten Plan zu haben, vielmehr erst die Folgen und Wirkungen
der wirklichen Ausführung dieser Massregel längere Zeit hindurch ab-
warten, und in der Zwischenzeit sich in keine förmlichen Discussionen
rücksichtlich der Convertirung einlassen zu wollen. Je mehr sich dies
aus dem Gange der Verhandlungen entwickelte, um so nothwendiger
fand ich es, nicht nur auf meinen früheren Erklärungen zu beharren,
sondern mich noch überdies auf das bestimmteste zu äussern, dass ich
42 [42]
iler KiiiKliinicliiiny «Ics cntwoifeneu Piitents wegen des Airosement, was
aber Seine Majestät mir unter dem Namen eines Anleiliens angekündigt
und vor der Allerhöchsten Genehmigung noch verscliiedene xVnstände ge-
löst wissen wollten, einzig nur auf den Fall und unter der Bediugniss
beitreten könne, wenn ohne längeren Zeitverlust zu den Berathungen
über die weiters zu ergreifenden Massregelu geschritten würde.
Im Einklänge mit dieser Erklärung und aus abermaliger Wahr-
nehmung, dass, wenn es über die Convertirung zur Sprache käme , nie
in eine nähere Würdigung des Gegenstandes eingegangen, sondern sich
blos auf die Aufzählung der höchstschädlichen Folgen dieses Systems,
ohne die Angaben zu begründen, beschränkt wurde, mithin aus inniger
Ueberzeugung, dass, wenn nicht ein Typus für die Deliberationen auf-
gestellt wird, ungemein viel Zeit verloren gehen werde, ohne auch nur
sicher zu wissen , in welchen Punkten num einig und in welchen da-
gegen einer verschiedenen Meinung sei, habe ich Fi'agen entworfen, die
mir den Gegenstand ganz zu umfassen schienen und aus deren indi-
vidueller Beantwortung sich nothwendig zeigen musste, was man für all-
seitig zugegeben annehmen könne, und worüber dagegen weitere schrift-
liche und mündliche Debatten nothwendig sind, um diese Punkte vollends
zu erschöpfen, und wo nicht am Ende ein übereinstimmendes Gutachten,
doch wenigstens die vollständig beleuchteten verschiedenen Meinungen
der Allerhöchsten Schlussfassung unterziehen zu können.
Alle diese Bemühungen hatten nun zwar den Erfolg, dass in der
Conferenz vom 15. October der einhellige Beschluss, dass nur von der
zu Gunsten Couvertirung, das ist von der gänzlichen Umstaltung des Papiergeldes in
der conver'-^ ^^^^ Verzinsliche Schuld die Wiederherstellung der Ordnung in den Geld-
tiiung. Verhältnissen mit Grund zu erwarten, dass sohin die 'bestmöglichste Art
der Ausführung dieses Systems unaufgehalten in Erwägung zu ziehen,
dass sich bei den diesfälligcn Beratlnmgen der Antworten auf die von
mir entworfenen Fragen als eigentliclie Anhaltspunkte zu bedienen und
dass bei Seiner Majestät auf die Genehmigung des Patententwurfes wegen
des zu eröffnenden Anleihens, als einer mit dei' Convertirung im Ein-
klänge stellenden Massregel, und vorzüglich auch zu ilein Ende, uin
den Verkauf der Conventionsmünze auf der Börse sogleich einstellen
zu können , zu dringen sei. Allein, obwohl ich meine ausführliche Be-
antwortung der Fragepunkte dem Finanzminister theils noch vor dieser
Conferenz, theils einige Tage nach derselben, übergeben habe, und
Was Anic- obwohl das Patent in Betreff des Anleihens am 29. October erschienen
V 2rortobcr '^^' ^^^ wurde doch bis zui- Hälfte iles Monates November mit den Be-
i«if>- rathungen rücksichtlich der Convertirung oder der sonst zu ei-groifenden
[43] 43
Massiegeln noch gar kein Anfang gemacht, und überhaupt seit mehr als
vier Wochen nicht eine einzige Conferenz in Finanzangclegenheiten ge-
halten, dagegen, wie man allgemein behauptet, mit dem Verkaufe der Con-
ventionsmünze auch noch nach Erscheinung des Patentes, ja selbst auch
noch nach dem Zeitpunkte, wo mit der Annahme der alten Obligationen
und Scheine schon wirklich der Anfang gemacht worden ist, fortgefahren.
Soll etwa die Ursache dieses mit dem Conferenzbeschlusse ganz Die Fort-
unvereinbarlichen , und wohl schwerlich durch irgend eine Allerhöchste ,, f"",- ^'
" Lcbelstande.
Eutschliessung autorisirten Benehmens darin liegen, dass, da die wirk-
liche Einwechslung erst seit einigen Tagen stattfindet, man die Folgen
und AVirkungen dieser Creditoperatiou noch nicht hinlänglich abnehmen
könne, und es daher auch an einer sicheren Basis zu dem weitereu Ver-
fahren noch mangle, so geht das Finanzministerium von einer offenbar
unrichtigen Voraussetzung aus, und kommt mit dem in Widerspruch,
was es schon früher erkannt und selbst geäussert hat, dass nämlich das
Anleihen nur eine Adminicularmassregel und blos durch sie der Zer-
rüttung des Geldwesens abzuhelfen, nicht geeignet sei. Wäre aber
auch diese Erkenntniss und diese Aeusserung nicht vorausgegangen,
so würden die bisherigen Erscheinungen seit der Kundmachung des
Patentes hinreichen, um jede Illusion darüber zu zerstreuen, dass,
sowie der Verfügung, wodurch das Anleihen eröifnet wurde, solch eine
heilsame Einwii-kung auf die Gekhveseuszerrüttuug, um eingreifendere
Massregeln entbehrlich zu machen , gar nie zugemuthet werden konnte,
ebenso auch insbesondere die grosse Klippe aller, vom freien AVillen
abhängender Verbesserungsmittel, nämlich das Misstrauen seit der
Publication des Patentes und der wirklich angefangenen Verwechslung
keineswegs gesprengt und zerstört worden ist; maassen sich die Curse,
ungeachtet der leidigen Operationen auf der Börse äusserst wenig ge-
bessert haben, vielmehr immer zur Verschlimmerung hinneigen, die früher
schon höher gestandenen älteren Obligationen wieder zurückgehen und die
neueren, in Conventionsmünze verzinslichen Obligationen einen ungleich
höheren AA'erth, als den sie wirklich behaupten, haben müssten, wenn es
bisher nur einigermassen gelunge]i wäre, das A^ertrauen zu erwecken.
Ob unter diesen Umständen das Anleihen bis auf 50, (30 oder gar
100 Millionen gebracht werden wird, ist — in Beziehung auf das
Hauptübel, nämlich auf die zerrütteten Geldverhältnisse — im Grunde
eine gleichgültige Sache, da diese, auch wenn 100 Millionen Scheine aus
dem Umlaufe gezogen würden, noch beiweitem nicht in Ordnung ge-
bracht sein werden, und weil es nicht blos wahrscheinlich, sondern
beinahe gewiss ist, dass selbst nach solch einer A^crmiudorung — wenn
44 [44]
;-iui.>st nichts goscliiolit — die Cursc eben so schlecht und noch schlechter
als jetzt sein, sohin aticli alle übrigen Verlegenheiten und Uebei in einem
gleichen oder selbst noch höhereu Masse fortdauern würden; während
die Vorräthe an Metallmünze, von deren grösseren oder geringeren
Menge die mehi-erc Leichtigkeit oder Beschwerliclikeit des üebergauges
zur Ordnung in den Geldvorliältuisseu so wesentlich abhängt, mit jeder
AVoche zusammenschmelzen.
Höchst bedauerlich ist es also, dass die Berathungen über den
weiters anzunehmenden Plan so lange verzögert worden sind. Noch be-
dauerlicher ist es, dass der Verkauf der Conventionsmünze auf der
Börse selbst zur Stunde, wo ich dies sclireibe, noch fortgesetzt wird. Ich
enthalte mich aller Gründe für die Unerlässlichkeit der Umstaltung des
Baidacci-s Papiergeldes in eine verzinsliche Schuld und für die Modalitäten der
überVicCon- ■'^"'^ftihrung , sowie ich sie in meinem Aufsatze vom 29. November 1815
veitiningdes vorgeschhigeu habe; weil dieser Aufsatz nicht blos meine Ideen und An-
inTinTvei- ^'"^S® » sondem auch die Motive, auf welchen sie beruhen, umständlich
zinsiicbe darstellt; weil ich auch in einer späteren Ausarbeitung die Lage des
Geldwesens in dei- österreichischen Monarchie, die unermesslichen Uebel,
welche daraus entspringen, und die sichersten Mittel zu einer dauer-
haften Abhilfe nicht blos angegeben, sondern durchgehends begründet
habe; weil endlich auch meine Beantwortung der mehrraal erwähnten
Fragen die Beleuchtung jedes einzelnen Punktes, insoweit dabei Er-
läuterungen und Begründungen nothwendig waren, enthält. Aber ich
kann nicht genug ausdrücken, wie dringend es ist, jeden weiteren Ver-
kauf der Conventionsmünze, die sich in den Staatskassen befindet, auf
der Stelle zu verbieten, und auf das nachdrücklichste anzuordnen, dass
zu den Berathungen über die weiters zu ergreifenden Massregcln ohne
mindesten Zeitverlust geschritten, und — weil die Wichtigkeit des Gegen-
standes eine sorgfältige Prüfung erheischt — die Conferenzen mit den
möglichst kürzesten Zwischenräumen so lange fortgesetzt werden, bis
entweder ein vollständiges, übereinstimmendes Gutachten oder, wo sich die
Meinungen theilen , eine lichtvolle Darstellung sowohl der einen, als der
anderen dieser Meinungen als auch der Gründe, auf welchen sie beruhen,
der Allerhöchsten Einsicht unterzogen werden kann. Hier haftet offenbar
Gefahl' auf den Verzug, und der Zeitpunkt ist gewiss nicht entfernt, wo man
es bereuen wird, nicht früher mit den Berathungen angefangen zu haben.
Einwurf Einer der vorzüglichsten Einwürfe gegen die Convertirung ist die
Gr€£r6n clic
Convertirung «chwere Last der Zinsenzahlung , welche der Staat auf sich nimmt, und
und Wider- die, wie Manche behaupten, schon wieder den Keim neuer Deficite, mit-
IccnnsT des- •
selben. ^'" abermaliger Zerrüttungen der Finanzen in sich schliesst. Hierauf
[45] 45
antworte ich, dass, wenn sich die Kegierunji' wirklich zu solchen Zinsen
verbände , die sie nebst den übrigen Staatsbedürfnissen schlechterdings
nicht aufbringen kann, sie auch nach meinem Dafürhalten sehr zweck-
widrig handeln würde; nicht nur, weil sie auf diese Weise sich nur aus
einer Zerrüttung herauswindet, um sich gleich wieder m eine neue zu
stürzen, sondern auch, w'eil das Uebermass der Bürde, die sie sich auf-
ladet, dem verständigeren Theile des Publikums nicht entgeht, dadurch
ein gegründetes Misstrauen gegen die Möglichkeit der Ausfüluimg erregt,
und selbst die wohlthätige Absicht, durch Zahlung höherer Interessen
den neu auszustellenden Obligationen mehr Werth zu verschaffen und
solchergestalt den Verlust des Publikums bei der Einziehung des Papier-
geldes zu vermindern, wegen der nachtheiligeu Einwirkung der Ueber-
zeugung, dass diese höhere Interessenzahlung nicht lange stattfinden
könne, auf den Werth der Schuldverschreibungen, vereitelt werden würde.
Wenn aber die Regierung im Gegensätze den Geldbesitzern gar keine
oder nur eine äusserst geringe Entschädigung anbieten wollte, um es sich
ja recht leicht und bequem zu machen, so würde sie, wie ich wenigstens
glaube, eine schreiende Ungerechtigkeit begehen und zu den gegründetsten
Klagen Anlass geben. Man hat kein Mittel unversucht gelassen, dermal,
als die Einlösungsscheine an die Stelle der Bankozettel traten, diesem
neuen Papiergelde das vollste Vertrauen zu verschaffen. Man hat es
nicht nur allein als Conventionsmünze bezeichnet, sondern dergestalt
mit aller Gewalt als Surrogat der Conventionsmüuze geltend zu machen
gesucht, dass sehr viele Gläubiger sich gefallen lassen mussten, für ihre
Darleihen in Conventiousmünze sich mit Einlösungsscheinen zu be-
gnügen. Man hat die Anticipationsscheine . insoweit die Exmission
derselben öffentlich und durch eigene Patente geschah, fundirt. Was
füi- einen Eindruck muss es nicht hervorbringen, wenn nach solchen Ver-
anlassungen, wenn nach einer noch so frischen Erinnerung an dasjenige,
was im Jahre 1811 geschah, auch jetzt wieder solch eine Operation mit
dem Papiergelde vorgenommen würde, bei welcher man einzig nur die
Erleichterung der Finanzen und gar im geringsten nicht die so billigen
Ansprüche dei- Geldbesitzer auf jede mögliche Schonung voi- Augen hätte,
und dies zu einer Zeit, wo man nicht, wie im Jahre 1811, den so
äusserst verschlimmerten Zustand der Mouaichie durch unglückliche
Kriege . Länderverluste , beträchtliche Contributionszahlungen etc. als .
rechtfertigende Ursachen anführen kann; wo ferner die Staatsverwaltung
noch bis auf diesen Augenblick fortfährt, einen guten Theil ihrer, zu
einem besseren Gebrauche so unentbehrlichen Vorräthe an Metallmünze
zu opfern, um beträchtlichere Cui'sverschlimmerungen zu verhüten.
46 [46]
Darum iiiiil woil es wohl Jedem in die Aug-eu springen muss, wie
höchst imbillig es wäre, bei der Wegschaffung des Papiergeldes, welches
während der kriegerischen Zeiten vorzüglich darum so vermehrt worden
ist, um nicht, wie es in anderen Staaten geschah, die Grundbesitzer und
andere contribuirende Classen mit Steuern und Abgaben überbürden zu
müssen, nunmehr den ganzen Schaden auf diejenigen zu wälzen, welche
in der letzten Zeit vor dem Uebergange zur Metallmünze beträchtlichere
Summen Papiergeldes in Händen haben, scheint mir die Verbindlichkeit
der Staatsverwaltung, bei der Ausführung des Conversionss3'stems alles,
was in ihren Kräften steht, zur Erleichterung der Geldbesitzer zu thun,
gar keinem Zweifel zu unterliegen.
Es ist auch nur ein einziger Fall denkbar, wo aus der Umw^andlung
des Papiergeldes in eine verzinsliche Schuld wirklich eine unerschwing-
liche Last für den Staat entstehen könnte, nämlich, wenn derselbe
zugleich fortfährt, einen übermässigen Militär-Etat zu unterhalten. Allein
gerade dieser Gegenstand verdient nach meinem Dafürhalten die aller-
vorzüglichste Aufmerksamkeit. Nun ist schon mehr als ein Jahr ver-
AUgcmpines flosscu , Seitdem die grossen Weltangelegenheiteji ausgeglichen worden
Unbehiitjeii ^j,|,] ^^j^,] friede in ganz Europa herrscht. Dcmungeachtet ist man
w?.gcu Ucliei-
lundunt,' beinahe nirgendwo vergnügt, nii-gendwo glücklich. In mehreren Ländern
duicii herrscht Mangel und Noth, aber auch selbst in solchen, wo die Ernte
SteucMii.
gesegneter ausfiel, lindet man keine Spur von Zufriedenheit. Wenn auch
wirkliche Unruhen sich nur auf England beschränken, und aucli dort
von der Art sind, dass sie noch immer mit leichter Mühe gedämpft
werden, so äussert sich doch fast allenthalben ein unbehaglicher, ge-
spannter Zustand, der wenigstens in der Folge Explosionen besorgen
lässt und, wenn auch keine erfolgen sollten, doch jeder Regierung,
welcher das Wohl ihres Volkes am Herzen liegt, höchst unajigenelun
sein muss. Die Eichtigkeit dieser auffallenden Erscheinung lässt sich
nach dem, was glaubwürdige Reisende darüber einstimmig angeben, wohl
gar nicht bezweifeln. Aber wenn man die Ursache einzig in den voraus-
gegangenen, langwierigen Kriegen und in dem Missrathen der heurigen
Ernte zu finden glaubt, scheint mir dies ein sehr oberüächiges Urtheil
zu sein. Ausserdem, dass der widrige Ausschlag der Ernte in Europa
nicht allgemein war, und auch in Ländern, die nicht nur allein für
■ ihren Verbrauch bedeckt sind, sondern selbst Ueberschüsse an der Er-
zeugung gegen das Erforderniss haben, die sie mit grossem Vortheile
anderen Ländern überlassen können, keine Zufriedenheit wahrzunehmen
ist, weiss man vorzüglicli in Staaten, die an einer höheren Stufe von
Cultur stehen, Unfälle, welclie die Vorsehung über Länder geschickt hat,
[4 7] 47
vonjeueu, welche Folgen adniinistiativei' Verfügungen sind, sehr wohl
zu unterscheiden. Man fühlt es weiter sehr gut, dass tiefgeschlagene
Wunden nicht schnell vernarben können, und dass ein, durch lang-
wierige Kriege und die damit verbundenen Missgeschicke vei'schwundener
Wohlstand sich erst nach Jahren wieder einfinden kann. Allein eben
das Andenken an die ausgestandenen Leiden gibt der nun eingetretenen
Ruhe schon selbst solch einen Werth, und leitet die Betriebsamkeit so
mächtig auf das allmählige Wiedererwerben des verlorenen Wohlstandes
liin. dass man sich der üeberzeugung nicht erwekren kann, es mttsste
wolil etwas Anderes als die blossen Xachwehen der langen Ki-iege sein,
was die Spannung in den Gemüthern und ein, fast in allen Staaten
sichtbares, Missvergnügen unterhält. Ohne in Abrede zu stellen, dass
die häufigen Veränderungen in dem Territorialbesitze und andere diesem
oder jenem Lande besonders anklebende Verhältnisse, hier und dort nicht
unbedeutende Quellen des Unmuthes sind, so lässt sich doch bei einer
sorgfältigen Würdigung aller obwaltenden Umstände mit Zuversicht an-
nehmen . im Allgemeinen , oder wenigstens dem grösseren Theile nach,
luibe der Unmuth seinen vorzüglichen Grund darin, dass die Lasten,
welche die Völker noch gegenwärtig tragen, theils noch immer so gross
wie zur Zeit der ausserordentlichen Anstrengungen sind, theils wenig-
stens mit den, durch die früheren Anstrengungen merklich geschwächten uebermaass
Kräften in keinem richtigen Verhältnisse stehen. Je mehr man es nun ^^^ Annee-
bedarfes.
fühlt, dass nur die grosse Truppenanzahl, welche die meisten Regierungen Notuwendig-
unterhalteu, sie zwingt, den Völkern solch starke Lasten aufzulegen,
um so grösser ist das Missbehagen der Völker an diesem, für sie so
überaus lästigen Aufwände; und ganz gewiss liegt hierin der vorzüglichste
Grund einestheils der Unzufriedenheit der Völker, auderentheils der fort-
währenden Verlegenheiten fast aller Regierungen in unserem Welttheile.
Will man nun aus dem Benehmen anderer Mächte die Nothwendig- Die Sachlage
keit, gleichfalls eine grössere Anzahl Truppen auf den Beinen zu halten, '° anderen
° ° europäischen
ableiten, so scheint mir die Folgerung nicht staudhältig zu sein. Grosse, stauten,
stehende Armeen geben bereite Mittel zum Angriffe, aber sie vermehren
keineswegs die inneren Kräfte des Staates; vielmehr schwächen sie diese
Kräfte und zehren sie auf. Nach den früheren Ereignissen, und bei den
jetzt allenthalben so sehr gestiegenen Preisen kann keine Macht diese
Anstrengung längere Zeit hindurch aushalten. Frankreich, was zuerst nankreich.
stärkere Armeen unterhielt, ist auch zuerst in jene ausserordentlichen
Finanzverlegenheiten gerathen, die nach und nach namenlose Uebel
herbeiführten. Seit dem Jahre 1815. wo die alte, dem vormaligen
Machthaber ergebene Armee entlassen wurde, hat Frankreich seinen
keit seiner
Keduction.
48 [481
Militär-Etat gegen frühere Zeiten ungemein beschränkt, und selbst diese
beschränktere Zahl ist bei weitem nicht vollzählig vorhanden. Vielmehr
weiss man aus öflentlichen Berichten, dass blos für die köuigliohen
Garden und für die zum Dienste in den Colonien bestimmten Tru^tpcn
die Werbungen mit Nachdruck betrieben werden, dagegen jene für die
Liuieuinfanterie und Cavallerie eingestellt sind. Nur dadurch wurde
es Frankreich möglich, seinen Verbindlichkeiten gegen andeie Mächte
i'reussen. Genüge zu leisten. Preussen hat sich unter Friedrich den Zweiten zu
einem ganz militärischen Staat gebildet. Wenige Jalire nach seinem
Tode reichten zwei vorlorene Schlachten zum gänzlichen Umstürze dieses
mit so vieler Kunst und Anstrengung aufgeführten Gebäudes hin. Nun,
wo es wieder zum Besitz seiner vorigen Länder oder selbstgewählter
Aequivalente gelangt ist, wird es die bereits angefangeneu Keductionen
noch bedeutend ausdehnen müssen, wenn es nicht in einem Zustande
England, von Erschöpfung fortvegetiren will. In England wird das sehnsuchts-
volle Geschrei nach Eiiischränkungen mit jedem Tage lebhafter, und aus
dem, was öffentliche Blätter von fortwährenden Keductionen melden,
sieht man wohl auch in der Entfernung deutlich genug, dass die Ministei'
es für unvermeidlich halten, diesem Verlangen imchzugeben. In dem
Niederlande. Königreiche der Niederlande, dessen Ausgaben für das nächste Jahr be-
deutend geringer, als für das ablaufende sind, aber doch noch mehr als
73 Millionen Gulden betragen, wird über das Drückende der Abgaben
ausserordentlich geklagt, ohne dass sich bei dem dermaligen Bestände
der Land- und Seemacht eine Möglichkeit, diesen Klagen abzuhelfen,
Spanien. deiikpii lässt. Von Spanien erfährt man wegen seiner weiten Entfei'nung
und wegen der doi't sehr beschränkten Pul>licität nur wenig. Aber auch
dieses wenige ist zur Ueberzeugung hinreichend, dass die Regierung,
ungeachtet sie kein Mittel, sich Geldzuflüsse zu versc]iaff(Mi . uuvcrsuclit
Neapel. lässt , sich fortwährend in einer argen Finiiiizkleinme beiludet. Neapel
hat seinen Truppenstand gegen jenen in Murat's Zeiten sehr restringirt
und überhaupt solche Einleitungen getroffen, dass man deutlich abnimmt,
diese Macht gehe von dem ganz richtigen Grundsatze aus, dass nur
durch Verminderung der Auslagen in der für jeden Staat kostspieligsten
Rubrik das durch die früheren Ereignisse erarmtc Volk steuerfähig er-
halten, lind nach und nach wieder wohlhabend gemacht werden könne.
Sardinien. Sardinien verdankt es wohl nur der Acquisition des reichen Genua und
dem grossen Drucke, unter welchem die Bewnlmer dieses Landes wähiH'iid
der vorigen Regierung standen, dass es mit den Kosten für seine Armee
noch aufkommt. Aber diese fühlen auch ihre Lage nichts weniger als
glücklich geändert, und der nicht unwichtige Seehandel des Landes, ja
[49]
49
Deutsche
Staaten.
Dänemark.
selbst die Sichei-heit der Küsten von Sardinien ist von allem eigenen
Schutze entblösst. In Deutschland weiss man es aus öffentlichen Nach-
richten bisher nur von Sachsen, dass es seine stehende Armee auf eine
äusserst geringe Zahl reducirt habe. Dafür entledigt sich dieses Land
aber auch fortwährend der lästigen Geldzeichen, die es in den Zeiten der
Noth auszustossen bemüssigt war, ungeachtet es nicht wie die übrigen
Staaten gewonnen, sondern einen äusserst empfindlichen Verlust erlitten
hat. Baiern, Würtemberg, Baden, Hessen-Kassel und andere
deutsche Staaten, deren bewaffnete Macht verhältnissmässig zu ihrer
übrigen Lage noch immer zu stark ist, fühlen nach allen glaubwürdigen
Schilderungen den Druck der Zeiten sehr hart, und es ist wohl nur die
Theilnahme dieser Mächte an den französischen Contributionen , welche
die Verlegenheiten weniger fühlbar macht. Von Dänemark sind zwar
Truppenbeschränkungen in öffentlichen Blättern gemeldet worden. Aber,
sie mögen nun entweder nicht him-eichend, oder der Verfall der Finanzen
mag schon zu weit gediehen sein, so fehlt es demimgeachtet an der
Fortdauer jener Lethargie des Geldwesens nicht, mit welcher Däne-
mark schon seit einer längeren Reihe von Jahren erfolglos kämpft. In
Schweden verschaffen ganz besondere Einrichtungen der Regierung das Schweden
Mittel, eine für die wenige Volksmenge dieses Staates sehr ansehnliche
Armee mit einem äusserst geringen Aufwände zu erhalten. Indessen
scheint doch, ungeachtet der hieraus für die Finanzen entspringenden
Schonung, und obwohl die sogenannten eingetheilten Truppen sich im
Verlaufe des Jahres nur einige Zeit hindurch in den Waffen üben und
während der übrigen Zeit ihren bürgerlichen Beschäftigungen nach-
gehen, eine Armee von mehr als 50.000 Mann für dieses arme und
menschenleere Reich in Friedenszeiten noch immer zu gross zu sein,
zumal Schweden auch seine Seemacht nicht vernachlässigen kann. In
Ansehung Russlands ist nur erst vor Kurzem aus Zeitungen ersichtlich
geworden, dass es endlich sein sechstes Armeecorps aufgelöst habe, von
welchem aber die übrigen ergänzt, ujid überdies die polnischen Truppen
auf 50.000 Mann gebracht werden sollen. Bei der geogi'aphischen Lage
dieses Reiches, bei der bekannten Beschwerlichkeit offensiver Operationen
gegen das Innere seiner Staaten, bei der ausserordentlichen Zerrüttung
seiner Finanzen und bei der ungemeinen Erschöpfung des ehemaligen
Herzogthums Warschau hätte man freilich keine Vermehrung der polni-
schen Truppen und zahlreiche Reductionen der russischen Armee er-
warten sollen. Indessen dürfte das Dilemma doch wohl nicht unrichtig
sein, dass, wenn dies aus blosser Liebhaberei und Eitelkeit geschieht,
die Folgen solch eines Aufwandes und der Beschwerlichkeit, ihn aufzu-
4
Russlariil.
50
[50]
Nothweiiilig-
keit einer Er-
leichterung
der Volks-
bürden und
Förderung
des Wohl-
standes.
Oesterreichs
besondere
Verhältnisse
und Kück-
sichten , die
sie aufer-
legen.
bringen, sich bald zu fi'ihll)ar äussorn worden, iils dass dieser militärische
Apparat von einer langen Dauer sein könnte; wenn aber geheime Pläne
und Absichten dabei zu Grunde lägen, an einem gemeinschaftlichen
Zusammenwirken der bedeutenderen Mächte gegen die Realisirung dieser
Pläne w(dil nicht zu zweifeln sein würde.
Wenn auch, so schön und erwünscht die Grundsätze des heiligen
Bundes sind, in der Aufstellung und gegenseitigen Anerkennung dieser
Grundsätze noch keine hinlängliche Bürgschaft für eine ewige oder auch
nur lange Dauer des Friedens liegt, so wird doch das nähere Eindringen
der Kegierungen in die Lage ihrer Völker, an dem man, da der Gründe
zu einer gespannteren Aufmerksamkeit jetzt sehr wesentliche vorhanden
sind, nicht wohl zweifeln kann, sie gewiss allgemach zur Ueberzeugung
bringen, dass es nicht blos ein längerer Friede, sondern dass es auch
noch die Enthebung von übermässigen Bürden und eine väterliche Für-
sorge für Alles , was auf das Loos ihrer Völker wohlthätig einwirkt , ist,
was die höchst traurige Periode, welche wir zurückgelegt haben, und die
Folgen und Wirkungen so langer Leiden und Anstrengungen gebieterisch
fordern. So wie sich aus der Handlungsweise einiger Regierungen ab-
nehmen lässt, dass sie schon wirklich von diesem Gesichtspunkte aus-
gehen und sich nicht aus einer übelverstandenen Anwendung des be-
kannten: Si vis pacem, para bellum verleiten lassen, zur Zeit der
Ruhe Anstrengungen zu machen, welche wenigstens das gegenwärtige
Mass der Kräfte ihrer Unterthanen übersteigen und einen Grad von
Erschöpfung herbeiführen, die zur Zeit der wirklichen Gefahr kaum
mehr einen energischen Widerstand hoffen lässt; ebenso werden gewiss
auch andere Regierungen diesem Beispiele folgen , vielleicht auch wohl
einige durch das üeberhandnehmen von Verlegenheiten und durch das
steigende Missvergnügen zur Nachahmung gezwungen werden, während
da, wo man sich schlechterdings zu keinen Einschränkungen bequemen
will, die Schwierigkeiten in Aufbringung der nöthigen Kosten sich von
Jahr zu Jahr sicher vermehren, die Lasten für die Zahlungspflichtigen
immer unerträglicher werden, und der nachtheiligen Einwirkungen dieser
Kraftüberspannung auf den inneren Wohlstand sich so Viele äussern
werden, dass man es am Ende nur bereuen wird, dem Beispiele anderer
Staaten nicht frühe]' gefolgt zu haben.
In Ansehung der österreichischen Monarchie treten aber nach
meinem Dafürhalten noch ganz besondere Umstände und Rücksichten
ein, die wohl gewürdigt zu werden verdienen.
Wenn Russland, wenn Preussen, wenn einige andere Staaten un-
leugbar grosse Anstrengungen gemacht und viele streitbare Mannschaft
[51] 51
im Felde verloren haben, so geschah dies bei Weitem nicht so oft und so
lauge wie von Seite Oesterreichs. Keine einzige Macht hat so viele
Feldzüge gegen Frankreich gefiihi-t wie Oesterreich. In einem einzigen
Jahre wurden nur nach Italien drei Armeen gesendet. Ein Ausweis des
Verlustes an Mannschaft vom Anbeginne der französischen Revolution
bis einschliesslich zum Jahre 1815 würde ungeheure Zahlen darstellen-
Man weiss, wie lange man schon auch die zeitlich Befreiten hernehmen
musste, wie lange man schon auf Familienväter zu greifen bemüssigt
war. Ausserdem haben die fortwährenden Eecrutirungen sehr häufige
Entweichungen der couscriptionspflichtigen Jünglinge nach sich gezogen.
Noch jetzt wimmeln die öffentlichen Blätter von Einberufungen solcher
Flüchtlinge, deren oft einzelne Dominien zu 20 und 30 zählen, und von
denen wohl nur der kleinere Theil zurückkehren wird. Dass es dem
Ackerbaue, dass es der Industrie an arbeitenden Händen gebricht, ist
schon vor Jahren bemerkbar geworden. Der späterhin neuerdings ein-
getretene Bedarf an streitbarer Mannschaft Hess doch nichts Anderes
übrig, als die Lücken in der Population noch grösser zu machen. So
lange das Vaterland in Gefahr war — und dies war es, so lauge Bona-
parte Franki-eich beherrschte — musste man sich nothwendig über alle
hieraus entstehenden Nachtheile wegsetzen, weil sonst dem Staate noch
grössere Uebel unvermeidlich bevorstanden. Aber nun, wo der Menschen-
würger bezähmt, wo die Euhe von aussen fester als seit langen Jahren
gegründet ist, fordert es die Ausheilung der geschlagenen Wunden, dem
Ackerbaue und dei- Industrie die arbeitenden Hände, so viel man nur
immer kann, wieder zurückzugeben. Nebst anderen unverkennbaren
Vortheilen liegt hierin auch das Mittel, den zum grossen Nachtheil der
Production so unmässig gestiegenen Arbeitslohn allmälig wieder auf
ein richtigeres Verhältniss herabzubringen.
Hat Oesterreich durch die Kriege einen ungeheuren Verlust an irei.oisiciit
Menschen erlitten, so übersteigt der Aufwand an Gelde, den ihm diese '^''* Aufwan-
des für das
Kriege verursachten, gar allen Begriff. Schon in den Jahren 1787, Hrei.
1788 und 1789, wo die Militärdotation auf 24 Millionen, 28 Millionen
und 27 Millionen systemisirt war, mussten wegen des damaligen
Türkenkrieges im ersten Jahre nahe an 12 Millionen, im zweiten über
39 Millionen, im dritten Jahre nahe an 43 Millionen zugeschossen werden.
Im Jahre 1790 stieg der ausserordentliche Zuschuss über 46 Millionen.
In den zwei Friedensjahi-en 1791 und 1792 war doch aberuials ein
ausserordentlicher Zuschuss, im ersteren von 20,500.000 Gulden noth-
wendig. Allein seit dem Jahre 1793 bis einschlüssig 1801 sanken die
ausserordentlichen Zuschüsse in keinem Jahre mehi- unter 48 Millionen
i*
52 [52]
Gulden herab, betrugen aber in manchen Jahren 74. 86 bis 90 Millionen
Gulden. In dem ganzen Zeiträume vom Jahre 1787 bis inclusive 1802,
zusammen also in 1(5 Jahren, haben sich die ausserordentlichen Zu-
schüsse auf 839 Millionen belaufen. Schlägt man die ordentliche Dotation
pro 373 Millionen hinzu, so steigt der gesammte Militäraufwand binnen
diesen IG Jahren über 1212 Millionen: wornach auf jedes einzelne Jahr
mehr als 75 Millionen, mithin mehr als dreimal so viel, als der Staat
nach seinen danuiligen Einkünften auf die Kriegsmacht verwenden
konnte, entfallen.
Gegen das obenerwähnte Extraordinarium von 839 Millionen stehen
die besonderen Empfänge an englischen Subsidien, freiwilligen Beiträgen,
Ej'iegssteuern u. s. w., die nur manchnuil eingingen und selten von
langer Dauer waren, in einem so auffallend geringen Verhältnisse, dass
es sehr begreiflich wird, in welch' missliche Lage schon damals die
Finanzen gekommen sind und kommen mussten. Einzelne, nicht sehr
lange Zeiträume ausgenommen, war der Kriegsschauplatz vom Ausbruch
des Kevolutionskrieges bis zum Luneviller Frieden meistentheils in den
Niederlanden, in Italien und im deutschen Reiche. In diese Länder
verlor sich die österreichische Geldmasse. Was wieder zurückströmte,
ist kaum einer Erwähnung werth. Wie gross waren also nicht schon
damals die Geldopfer! Und doch sind die zwei traurigen, mit feindlichen
Einfällen und Occupationen, mit Contributionszahlungen, Plünderungen
und Verlusten aller Art verbumlenen Perioden der Jahre 1805 und 1809
erst später gefolgt. Es mussten endlich in den Jahren 1813, 1814 und
1815 neue, riesenmässige Anstrengungen gemacht werden, um endlich
einmal Indepeudenz, Selbstständigkeit und einen dauerhaften Frieden zu
erkämpfen. Nur gegen ein so namenloses Uebel, wie die Unterjochung
oder die Auflösung des Staates gewesen sein würde, konnte die gänzliche
Zerrüttung des Geldwesens als das geringere Uebel angesehen werden.
Aber immer ist und bleibt sie ein heilloser Zustand, der hundert andere
Nachtheile in sich schliesst und der reellen Wiederherstellung des kranken
Staatkörpers mächtig entgegenwirkt. Was immei- für einen Nutzen nuui
aus ilem Unterhalte einer stärkeren Armee ableiten mag, so erreicht er
bei Weitem die überaus wichtigen Voi'theile nicht, welche von der baldigen
Wiederkehr zur Ordnung in den Geld Verhältnissen zu erwarten sind.
DieRcduc- Wollte mau aber auch die Kichtigkeit dieses, nach meinem Er-
tioii der Ar- achten, unumstösslichen Satzes nicht anerkennen und es für entschieden
mee ist nicht
länger /.u annehmen, dass, wenn der Uebergang zur Metalhuünze nicht anders als
versciiiev.cn. j^j^ einer mehreren Beschränkung des Militär-Etats ausgeführt werden
kann, es besser sei, den Uebergang ganz aufzugeben odei- ihn künftigen,
[53] 53
glücklicheren Zeiten zu überlassen, als zu solchen Beschränkungen zu
schreiten, so würde man mit vollem Kechte den Vorwurf verdienen, etwas
erzwingen zu wollen, was sich nicht erzwingen lässt, und die bisherige,
sowie die gegenwärtige Lage sehr oberflächlich beobachtet zu haben.
So lange die Einnahmen des Staates blos in Conventionsmünze
bestanden, folglich die Ausgaben ebenfalls in dieser Münze bestritten
wurden, und also auch die Armee ihi-e Gagen und Löhnungen in schwerem
Gelde ci'hielt, war sie zwar nicht reichlich, aber doch auskömmlich be-
soldet. Es mangelte dem Officierscorps, es mangelte selbst der gemeinen Deivemabr-
Mannschaft an dem Nothwendigen nicht. In dem Masse, als sich das '^^'«^"^'""^
der Armee.
Papiergeld vermehrte und dadurch in seinem Werthe herabsank, ver-
schlimmerte sich die Subsistenz des Militärs dergestalt, dass es öfter zu
lauten Klagen kam, denen durch Zuschüsse, Fleischbeiträge und andere
Mittel nur zeitweise und nie vollständig abgeholfen werden konnte.
Während des Finanzsystems vom Jahre 1811, wo Alles auf die Selten-
heit der Geldzeichen berechnet war und darum auch strenge haus-
gehalten werden musste, darbte die Armee im eigentlichsten Verstände;
die gemeine Mannschaft konnte kaum ihre Blosse bedecken : die un-
bemittelten Officiere waren nicht viel besser daran. Die Zeughäuser und
Oekonomiecommissionen waren ganz von Vorräthen entblösst. Darum
konnte man im Jahre 1812 selbst die Ausrüstung des wenig zahlreichen
Auxiliarcorps nur mit äusserster Mühe nothdürftig aufbringen, und im
Jahre 1813 war der Maugel und die Entblössung noch allenthaben so
gross, dass. ungeachtet bei der Ausgabe der Anticipationsscheine an
Fonds zur Bedcnkuug der Ausrüstungskosten es nun schon nicht melir
gebrach, doch ein grosser Theil sowohl der in Böhmen concentrirten
Armee, als des in Oesterreich ob der Enus aufgestellten Corps theils
nicht mit Mänteln, theils selbst nicht einmal mit Schuhen versehen war.
Bei der glücklichen Wendung, welche der Krieg im Jalu-e 1813 und 1814
nahm, wurde man zwar in Absicht auf die Verpflegung der Armee bald
aller Sorgen enthoben, da sie von den Ländern, wo die Armee stand,
aufgebracht werden musste, mithin die Truppen keineswegs auf jenes,
was ihnen die Colonnenmagazine verabreichen konnten, beschränkt
waren. Aber bei dem Zusammenfluss so vieler verschiedenen Truppen in
Frankreich zeigte es sich deutlich, wie sehr die österreichischen in der
Equipirung allen übrigen nachstanden, und leider kehrten dieselben
damals — in Folge einer zu Paris im Ministerialwege abgeschlossenen
Convention — noch abgerissener nach Hause, als sie ins Feld gerückt
waren; so wie auch durch diesen Krieg bei Weitem nicht Geldmittel genug
erworben worden sind, um ilie Anschaffungen aus eigenen Kosten zu
54 [54]
bestreiten. — Ungleich günstiger für die Armee war zwar das Jahr 1815,
wo sie nicht nur allein während ihres Aufenthalts in Frankreich sowohl,
als im Hin- und Kückmarsche durch Deutschland grösstentheils trefflich
genährt wurde, sondern auch für ihre Bekleidung ungleich mehr als in
den Jahren 1813 und 1814 geschah, auch nebstboi derselben eine an-
Die heir- sehnliche Gratification in Metallmünze zu Theil wurde. Allein mit Aus-
NothiTc des ß'^'l^n^ß derjenigen, die in fremden Staaten stehen — vielleicht des achten
Militärs. oder des neunten Theils — ist das Schicksal der Uebrigen schon wieder
sehr traurig und wird von den Meisten ungleich mehr als in früheren
Zeiten, schon selbst wegen der Parallele, die sie zwischen ihrer vor-
jährigen und heutigen Lage , zwischen ihrer Subsistenz und jener des
Truppencorps in Frankreich ziehen, gefühlt. An der Nothwendigkeit
einer Abhilfe lässt sich nun wohl nicht zweifeln, da eine längere Fort-
dauer der Dürftigkeit Unmuth und Missvergnügen zur unvermeidlichen
Folge hat, Missvergnügen ganzer Classen, voi'züglich aber Missvergnügen
der bewaffneten Macht der Staatsverwaltung schlechterdings nicht gleich-
giltig sein kann, überdies der Geist der Armee und ihre Moralität bei
einem gar zu dürftigen Unterhalte offenbar leidet, und bei der grossen
Zahl derjenigen, die sich an den Quartiersträgern oder sonst durch
ordnungswidrige Mittel zu entschädigen suchen, die Unzulänglichkeit
der Subsistenz des Militärs auch wieder anderen Classen und Ständen
zum Nachtheil gereicht. So sehr man aber immer die Nothwendigkeit
einer Abhilfe fühlen mag, so kann es doch keinem Unbefangenen ent-
gehen, wie sehr die Möglichkeit einer wahrhaft wirksamen Abhilfe bei
dem Bestände des Papiergeldes durch die fortwährenden Schwankungen
und Sprünge der Curse, durch die oft sehr schnellen und gar nicht
vorherzusehenden Veränderungen der Preise, vorzüglich aber durch den
Umstand, dass der Staat seine Einnahmen blos im Papiergelde, das so
tief unter seinem Nominalwerthe steht, überkommt, erschwert wird. In
dieser Lage ist der Hofkriegsrath nicht einmal zu berechnen im Stande,
was für eine Dotation erfordert wird, um die Militärerfordernisse zu
decken, und ebensowenig kann das Finanzministerium den Entwurf als
richtig annehmen oder als unstatthaft modificiren, weil es dazu an auch
nur beiläufigen Anhaltspunkten gebricht. Es ergibt sich demnach so-
wohl aus diesen Betrachtungen, als aus einer mehrjährigen Erfahrung,
dass, so lange die Geldverhältnisse nicht geordnet sind, der eigentliche
Bedarf für die Kriegsmacht gar nicht einmal ausgemittelt und noch weit
weniger von der Finanzadministration zuverlässig aufgebracht werden
kann. Wenn also der CoUisionsfall wirklich eintreten, das heisst der
Uebergang zur Metallmünzo nicht anders als bei einer noch grösseren
[55] 55
Beschränkung des Militär-Etats sollte bewirkt werden können, so wäre Beschrän-
diese Beschränkung unwidersprechlich das geringere LTebel sowohl in ''i^tär.g^ar'
Beziehung auf die Armee selbst, deren Schicksal nur bei geordneten aas nachst-
Geldverhältnissen reell und dauerhaft verbessert werden kann, als in J'*^««"''*^;^"*-
kunftsmittel.
Beziehung auf den Staat, dem mit einer kleineren, aber gutgehaltenen
und zufriedenen Armee gewiss ungleich mehr als mit einer stärkeren,
darbenden und darum missvergnügten gedient ist ; zumal in einem
Zeitpunkte, wo man doch wenigstens plötzliche Angriffe wohl von
keiner Seite her zu besorgen hat, und wo in der Population des öster-
reichischen Staates eine sehr beträchtliche Anzahl nicht blos waffen-
fähiger, sondern in Waffen geübter Männer steckt, die man im Er-
forderungsfalle bald wieder unter den Fahnen versammeln und in dem
Masse weniger Abneigung gegen diese Bestimmung von ihnen erwarten
kann, als die Armee, der sie einverleibt werden, besser als bisher genährt
und gekleidet ist.
Hiebei kommt noch in Betrachtung zu ziehen, dass, wenngleich das
Papiergeld an der Stufe, die es jetzt erreicht hat, das mächtigste Hinder-
niss gegen die Zufriedenstellung der Armee in Ansehung ihrer Subsistenz
ausmacht, doch auch selbst, wenn sich die Monarchie fortwährend bei
dem Umlaufe der Metallmünze erhalten hätte, die Preise der Lebensmittel
und andere Bedürfnisse immer gestiegen , es also auch selbst in diesem
Falle unthunlich sein würde, mit dem Aufwände, welcher vor zwanzig
und mehr Jahren für eine Armee von beiläufig 300.000 Mann hin-
gereicht hätte, gegenwärtig die nämliche Anzahl zu unterhalten. Die
jetzt, auch in Ländern, wo nur Metallmünze circulirt, überaus hoch
gestiegenen Preise lassen vorhersehen, dass bei einem Uebergange zu
dieser Münze die Armee, wenn man sie nicht darben lassen will, ungleich
mehr kosten wird, als es früher der Fall war, und macht es um so un-
entbehrlicher, jedes Ueberraass von Auslagen, was die Finanzen nicht zu
erschwingen vermögen, durch Reductionen zu beseitigen, als es von
selbst in die Augen fällt, dass, sobald einmal das Papiergeld wirklich
entfernt ist, und sohin dieses, nur in seinen entfernteren Wirkungen
schädliche, dem Anscheine aber nach sehr leichte Mittel, jede Lücke
auszufüllen, nicht mehr- zu Gebote steht, es von überaus nachtheiligen
Folgen sein würde, wenn der in dem Budget ausgemittelte und von
Seiner Majestät sanctionirte Militärdotationsbetrag auf irgend eine Weise
überschritten und dadurch entweder ein Deficit veranlasst, oder das
Finanzministerium bemüssigt würde, die Ergänzung des Abganges auf
Kosten anderer, ebenso wichtiger Zweige des öffentlichen Dienstes zu
bewirken.
56
[56]
Grenze der
vorgeschla-
genen Re-
duction.
Cojnmission
wegen Ver-
minderung
der Aus-
gaben vorge-
schlagen.
Misswachs,
Dass es hiebei auf keine gänzliche Entwaffnung, selbst nicht einmal
auf solche Beschränkungen, die ein offenbares Hinderniss gegen eine in
der Folge etwa nothwendig werdende abermalige Kraftanstrengung aus-
machen würden, abgesehen sei, brauche ich nicht zu erinnern. Der Staat
wird auch beim Uebergange zur Metallmünze selbst in der ersteren Zeit
immer eine nicht unbeträchtliche Summe für seine Armee widmen können.
Aber diese Summe darf nicht grösser sein, als sie die Finanzen — mit
Eücksicht auf die in der ersteren Zeit des Ueberganges ungleich laug-
samere und beschwerlichere Eintreibung der Steuern und Gefälle und
auf die gehörige Bedeckung aller übrigen Zweige der Staatsausgaben —
sicher aufzubringen vermögen. Dies muss nach meinem Dafürhalten als
unverbrüchlicher Grundsatz angenommen, sohin, was der gegenwärtige
Etat bei der Bezahlung in Conventionsmünze nach dem höchsten An-
schlage kosten würde, sorgfältig berechnet, und wenn der Betrag höher
als jenes Geldquantum ausfällt, was nach dem allgemeinen Erforderniss
und Bedeckungsaufsatz dem Hof kriegsrathe von Seite der Finanzen zuge-
wiesen werden kann, mit den Reductionen in dem Masse fortgeschritten
werden, als es nothwendig ist, um des Auslangens mit dem oben erwähnten
Geldquantum vollkommen versichert zu sein.
Weil aber, wenn man auch alle möglichen Beschränkungen eintreten
lässt, die Beköstigung des Militärs doch noch immer die beträchtlichste
unter allen Rubriken des Staatsaufwandes sein und bleiben wird, folglich
zweckmässige Ersparungen, die bei dieser Branche bewirkt werden können,
für das Allgemeine besonders wohlthätig sind, so dürfte es wohl der Mühe
lohnen, eine eigene Commission aus Gliedern des Hofkriegsrathes, der poli-
tischen Hofstelle, der Hofkammer und des General-Rechnungsdirectoriums
aufzustellen, welche nach einem eigens zu entwerfenden Plane, mit Be-
nützung selbst der Rechnungsresultate alle wichtigeren Ausgabsrubriken
genau zu prüfen, und wo sich wahrhaft nützliche Ersparungen, das ist
solche, die nicht auf Kosten der Armee geschehen oder sonst blos schein-
bar sind oder anderen gegründeten Bedenklichkeiten unterliegen, anbringen
lassen, diese gehörig zu würdigen und nach gepflogener Rücksprache mit
dem Hof ki'iegsrathe in Vorschlag zu bringen hätte.
Unter die grösseren Missgeschicke, welche Staaten von Zeit zu Zeit
treffen, war es zu rechnen, dass beinahe zur nämlichen Zeit, wo die ersten
günstigen Eindrücke und Hoffnungen, welche die Finanzpatente vom
1. Juni 1816 bei einem nicht geringen Theile des Publicums gleich bei
ihrer Erscheinung hervorgebracht hatten , allmälig zu sinken anfingen
und endlich ganz erlöschten, auch die guten und zum Theil glänzenden
Aussichten, die man sich von der Ernte gemacht hatte, zu verschwinden
[57]
57
und in Besorgnisse eines Fehljahres überzugehen anfingen. So wie zur Zeit,
wo man ernstliche Anstalten von Seite der Staatsverwaltung, sich mit der
Verbesserung der Finanzen zu beschäftigen, wahrzunehmen glaubte, der
Werth des Papiergeldes stieg, ganz bald nach Erscheinung der Patente
aber wieder herabsank, ebenso wurden auch die Körner und mit diesen
so viele andere Artikel selbst während der Ernte mit jeder Woche theurer.
Sehr wohlhabende Familien, diejenigen ausgenommen, welche entweder
aus der öffentlichen Calamität selbst reichlichen Gewinn ziehen, oder deren
Erwerb auch unter den gegenwärtigen Verhältnissen lohnend genug ist,
fanden sich alle Uebrigen — und man kann hiebet wohl die Proportion
von 100 zu 1 annehmen — von den zwei empfindlichsten Seiten zugleich
angegriffen: von der einen, dass ihre Hoffnungen, bald Ordnung in den
Geldverhältnissen hergestellt zu sehen, scheiterten; von der andern, dass
die zunehmende Theuerung bei ihren gleichen oder wenigstens nicht ver-
hältnissmässig höheren Einkünften sie in eine bange Zukunft blicken liess,
wo sie nur einen schweren Kampf mit Nahrungssorgen zu erwarten hatten.
Hieraus lässt sich wohl leicht erklären, wie der Unmuth so weit um sich
greifen und so tiefe Wurzeln schlagen konnte. Immer hat es Menschen
in nicht geringer Anzahl gegeben, die von Wirkungen lebhaft ergriffen
werden, ohne darum im Geringsten in die Ursachen einzugehen, oder welche
die Ursachen aufsuchen, wo sie offenbar nicht sind. So geschah es auch
diesmal, dass das zufällige Zusammentreffen des Misslingens der zuerst vor-
genommenen Finanzoperationen mit dem unerwartet misslichen Ausschlag
der Ernte sehr Viele veranlasste, selbst auch das bedeutende Steigen der
Körner- und anderer Preise auf die Rechnung der Finanzmassregeln zu
setzen, und diesen dadurch ohne alle Sachkenntniss und ohne nur etwas
hellere Begriffe noch leidenschaftlicher abhold zu werden.
Aber auch für den vernünftigeren Theil war es eine peinliche Em-
pfindung, die Preise so plötzlich und mit so schnellen Schritten, gerade bei
den allerersten Bedürfnissen, nämlich bei Weizen und Korn, Gerste und
Hafer sich zu einer Höhe erheben zu sehen, auf welche wohl Niemand ge-
fasst war. Für die Classe der Beamten insbesondere war es äusserst nieder-
schlagend, die Erleichterungen, welche ihnen die Zuschüsse verschaffen
sollten, durch diese Theuerung nicht nur allein ganz vereitelt, sondern
ihre Lage gegen jede frühere, mitunter sehr trübselige Zeit noch beträchtlich
verschlimmert zu sehen. In dem Masse, als die verschiedenen Gattungen
von Feldfrüchten gesammelt wurden, und als die Nachrichten von den.
Fechsungen auch aus entfernteren Gegenden einlangten, nahm die Hoff-
nung, das Uebel sei blos vorübergehend und Zufuhren aus entlegenen
glücklicheren Landesstrecken würden das ersetzen, was die Natur heuer
Vertheue-
rung der
Nahrungs-
mittel.
58
[58]
rcnz in der
Theuerungs
den näher gelegenen versagt habe, immer mehr ab, indem, diesen Nach-
richten zufolge, in den Ländern, aus welchen man sonst ergiebige Hilfen
hätte erwarten können, der Misswachs noch stärker als selbst in Oesterreich
war. Die Sache schien nun sehr bedenklich zu werden , nicht blos und
nicht einmal vorzüglich in Ansehung der Residenz, die doch immer der
Hauptsitz des Wohlstandes und wo die Möglichkeit mehr als sonst
irgendwo vorhanden ist, bei eintretenden Nothfällen augenblicklich grosse
Massregeln zu ergreifen und auszuführen, sondern in Absicht auf einige
Provinzen, wie z. B. Steiermark, Kärnten, Krain, Croatien, die Militär-
grenze u. s. w., von denen man wusste, dass ihre Nahrungs- und Erwerbs-
quellen schon seit einigen Jahren beinahe ganz versiegt sind, und von
denen man also mit vollem Grunde besorgen konnte, dass sich zu dem
Mangel und zu der Theuerung der Victualien auch noch ein ausserordent-
licher Geldmangel, der bei einer Theuerung von unübersehbar nachtheiligen
Folgen ist, gesellen wird.
Die Confc- Allgemein wurde es damals bekannt, dass Seine Majestät einen
Allerhöchsten Cabinetsbefehl erlassen und von der Conferenz Vorschläge,
frage. wic der Theuerung abzuhelfen sei, gefordert haben. Zur Zeit, wo die Ent-
schliessung herablangte und die erste Conferenz abgehalten wurde, war ich
zwar abwesend, aber meine Zurückkunft erfolgte noch mehrere Tage vor
den schliesslichen Berathungen der Conferenz über den Inhalt des Aller-
höchsten Cabinetsbefehls. In der Voraussetzung, dass ich als Präsident
einer Hofstelle diesen Berathungen beigezogen werden würde, habe ich
vorbereitungsweise und um meine Ideen gehörig zu ordneu, in den ersten
Tagen des Monats September in dem nämlichen Aufsatze, welcher die Zer-
rüttung des Geldwesens und die deshalb zu ergreifenden Massregeln betraf,
auch das zweite Hauptanliegen des Publicums , die plötzlich so hoch ge-
stiegene Theuerung, umständiger berührt, und mit dieser Darstellung zu-
gleich auch meine Ideen über das obwaltende, höchst auffallende Missver-
hältniss zwischen den Preisen und ül^er das Stocken des Absatzes bei
mehreren und darunter selbst solchen Artikeln, die gar nicht von der
Laune der Mode abhängen und auch nicht unter die Luxuswaaren gehören,
in Verbindung gebracht. Allein dii ich blos zu den Finauzcouferenzen,
aber nicht zu jenen, welche die Theuerung zum Gegenstande hatten, be-
rufen worden bin, so kam ich gar nicht in die Gelegenheit, von diesem
Theile meines Aufsatzes Gebrauch zu machen oder sonst mit meinen Be-
merkungen und Anträgen aufzutreten. Nun, wo eine Zwischenzeit von
10 bis 11 Wochen Manches mehr enthüllt hat, was damals noch im Dunkeln
lag, und wo sich, wenn man nicht allen historischen Glauben verleugnen
will. MJclii mehr bezweifeln lässt, dass wenigstens in dem grösseren Theile
[59] 59
der Monarchie die Ernte nicht blos unter der Mittelmässigkeit , sondern
absolut schlecht ausgefallen ist, wird man die in meinem Aufsatze ent-
haltenen Anträge eher zu gemässigt als übertriebeu finden; was aber
aus der Ursache nicht geschadet haben würde, weil, wenn die vorsichtigen
und geräuschlosen Erhebungen, so, wie ich glaubte, unverzüglich vorge-
nommen worden wären, man sehr bald von der wahi'en Lage der Umstände
unterrichtet geworden sein und noch hinlängliche Zeit gehabt haben
würde, den Abhilfsmitteln nach dem sich zeigenden mehreren Bedarfe
auch eine grössere Ausdehnung zu geben. Ob nun über die Meinungen
und Vorschläge der Conferenz in einem gleichen Geiste gehandelt, ob selbst
noch weiter gegangen worden, oder ob vielleicht nichts oder zu wenig
geschehen sei, ist mir bis zur Stunde unbekannt, da ich ausser abgerissenen
und unverlässlichen Gerüchten von den Folgen der diesfälligeu Berathungen,
sowie überhaupt von den Vorkehi'ungen, die in Beziehung auf die zu be-
sorgende Xoth getroffen worden sein mögen, nichts erfahren habe. Wäre
etwa jede Hilfe entbehrlich gefunden oder wäre diese etwa nur auf Ungarn
und auf die Militärgrenze beschi'änkt worden, so würde ich es in Betreff
einiger Länder als ein höchst glückliches Ereigniss ansehen, wenn dort
ohne alle Hilfe während der noch so langen Periode bis zur künftigen
Ernte die gesammten Einwohner sich dergestalt auf eine ihi'er Gesund-
heit unschädliche Art durchzubringen vermögen, dass weder eine mehr
als gewöhnliche Sterblichkeit, noch sonst irgend ein bedeutenderes Uebel
erfolgt und die Felder für die künftige Fechsung gehörig bestellt werden.
Allein so sehr ich das Gegentheil besorge, so muss ich doch selbst gestehen,
dass es zu Vorsichtsmassregeln jetzt schon nicht mehr an der Zeit ist, und
bei der schon so weit vorgerückten Jahreszeit, wo die Communicationen
ungemein erschwert und Transporte, besonders wenn sie die Staatsver-
waltung selbst unternimmt, überaus hoch zu stehen kommen — selbst
wenn die Unentbebrlichkeit einer Hilfe sich noch so fühlbar äussern
sollte — diese kaum mehr anders als durch Geldverschüsse wird geleistet
werden können. Es versteht sich hiebei von selbst, dass Geldvorschüsse nur
da am rechten Platze sind, wo sich zu dem wirklichen Abgänge oder zu
der übermässigen Theuerung auch Geldmangel gesellt, was in einigen
Ländern ganz zuverlässig der Fall ist und bisher bei Weitem nicht mit
der gehörigen Aufmerksamkeit beobachtet wurde.
Ueberhaupt würde man sehr irren, wenn mau die gegenwäi'tige
Theuerung als ein gewöhnliches oder auch nur als eiu nicht besonders
auffallendes Ereigniss betrachtete. Uass sie letzteres wirklich ist. lässt sich
wohl sehr anschaulich darthun. Nach dem Ausweise von Tabellen, die ich
besitze und die aus zuverlässigen Quellen herrühren, standen in der Periode
60
[60]
Getreide- vom Jahre 1730 bis 1740 die Mittelpreise des Weizens zu Wien am
vo'r'igenjlhr- J^ip^^'^^g^^^P" z» ^^ kr., am höchsten zu 1 fl. 25 kr., in der Periode vom Jahre
hundert. 1740 bis 1750 am niedrigfsten zu 1 11. 30 kr., am höchsten zu 1 ti. .'ifikr.,
in der Periode vom Jahre 1750 bis 17(iO am niedrigsten zu 1 fl. 6 kr.,
am höchsten zu 3 fl. 8 kr., in der Periode von 1760 bis 17 70 am niedrigsten
zu 1 fl. 28 kl'., am höchsten zu 2 fl. 36 kr., in iler Periode von 1770 bis
1780 am niedrig^iten zu 1 fl. 32 kr., am höchsten zu 3 fl. 32 kr., endlich
in der Periode von 1780 bis 1790 am niedrigsten zu 1 fl. 45 kr., am
höchsten zu 4 fl. 3 kr. Während dieses langen Zeitraumes von sechzig
.Jahren, welcher den ganzen siebenj<ährigen nebst einigen anderen Kriegen
und mehi-eren Fehljahren in sich begreift, gab es also kein einziges Jahr-
zehnt . in dessen Verlaufe ein Unterschied von 300 Percent bei den
Weizenpreisen obgewaltet hätte. Eben dies gilt auch von dem Korn, dessen
Mittelpreise während der angedeuteten sechzig Jahre nie über 2 fl.
45 kr. bis 2 fl. 50 kr. hinausstiegen; wie dann auch selbst zur Zeit des
unter der Eegierung Seiner Majestät Kaiser Josephs II. zu Wien vorge-
fallenen Tumults kein höherer als der soeben erwähnte Preis bestand.
Neuere Ge- Vergleicht man dagegen mit diesen älteren Decennien eine zehnjährige
tioidepreise. .
Periode der letzeren Zeit, wo die Metallmünze schon durchaus verschwunden
und nichts als Papiergeld im Umlaufe war, nämlich jene vom Jahre 1802
bis einschliesslich 1811, so .stand in dieser Periode der Weizen am niedrigsten
auf 5 fl. 12 kr., am höchsten auf 38 fl. 3 kr. Hier trat also in der Reihe
von zehn Jahren ein Unterschied von beinahe 700 Percent in den Weizen-
preisen ein, was natürlicherweise nicht blos Folge einer oder mehrerer
schlechteren Ernten sein konnte, sondern worauf auch besonders der ge-
sunkene Werth des Papiergeldes einwirkte. Allein eben weil in den ersten
Monaten des Jahres 1811, wo der Weizen 38 fl., das Korn 28 fl., die
Gerste 21 fl. galt, die Curse der damals noch in der Circulation gewesenen
Bancozettel zu 1300 bis 1500 standen, ist es gewiss ein höchst auffallendes
Ereigniss, jetzt bei Cursen, die zwischen 320 und 330 schwanken, gleich
hohe und manchmal selbst höhere Getreidepreise als in den ersten Monaten
des Jahres 1811 wahrzunehmen. Gerne will ich zwar zugeben, dass die
heurige Ernte schleclitei' als jene im Jahre 1810 war. Aber da auch
letztere off'enbar nicht zu den guten gehörte, und die Preise, wenn man
sie nach den Cursen des einen und des anderen Jahres auf Conventions-
münze evaluirt, um mehr als 300 Percent differiren, so liegt es nach
meinem Erachten wohl am Tage, dass nebst dem schlechten Ausschlage
der Ernte bei den jetzigen exorbitanten Preisen auch die Opinion und
Speculation mit im Spiele ist. Wohlfeile Preise würden in einem Jahre
wie das heurige auch bei einer geregelten Valuta nicht bestanden haben,
[61] 61
so weuig als sie in Ländern, wo wirklich nur MetallmOnze circnlirt,
bestehen. Aber dass sie in solch' ein Ueberniass ausarten konnten, darf doch
mit vollem Grunde dem Papiergelde und der Unverhältnissmässigkeit der
Grundsteuer zugeschrieben werden, deren relativ geringer Betrag die
grösseren Grundbesitzer in den Stand setzt, mit dem Verkaufe eines nam-
haften Theils ihrer Erzeugnisse nach Belieben zurückzuhalten und dadurch
die Preise, so hoch sie es wünschen, zu spannen. In diesem Anbetrachte
wird nicht nur der üebergang zu einer besseren Ordnung in den Geld-
verhältnissen, es wird selbst die bereits augeordnete Erhöhung der Grund-
steuer vielmehr -/um Fallen als zum Steigen der Preise beitragen. Aber
wenn auch darum diese Steuererhöhung, selbst in einem ungünstigen
Zeitpunkte, wie der gegenwärtige ist, der höchst wahrscheinlich einen
guten Theil derselben uneinbringlich machen wird, doch im Ganzen nicht
zweckwidrig, wenn sie in anderen Eücksichten uoth wendig und gerecht
war, so wird sie doch schon wegen ihrer ungleichen Vertheilung für
Tausende äusserst empfindlich sein. Darum, und weil es in der That höchst
traurig ist, dass, während in anderen Staaten die Grundsteuer ungleich
beträchtlicher als in den älteren österreichischen Ländern ist, hier doch
weit mehrere und zum Theil selbst gerechte Klagen gehört werden, weil
ferner eine gleichförmige Vertheilung der Lasten zu den ersten Pflichten
jeder Staatsverwaltung gehört, weil endlich es nicht blos problematisch,
sondern erwiesen ist, dass in den älteren Ländern auffallende Ungleich-
heiten und Missverhältnisse bestehen, liegt es wesentlich daran, die Steuer-
regulirungs-Hofcommission in die grösste Thätigkeit zu setzen, ihr alle
Mittel, deren sie zur Zustandebringung ihrer höchst wichtigen und müh-
samen Aufgaben bedarf, zu gewähren, und alle Hemmungen, Verzöge-
rungen und Einstreuungen , die von anderen Seiten her gemacht werden
wollten, auf das Kräftigste zu bezähmen. Wer an die leidigen Erfahrungen
zurückdenkt, die in dieser Angelegenheit seit mehr als zwölf Jahren ge-
macht worden sind, und wie fast jeder Fortschritt beinahe nur mit Hammer-
streicheu erzwungen werden konnte, der wird diese Winke gewiss nicht
überflüssig und unstatthaft finden.
Woran zur Zeit einer grösseren Theuerung und Xoth vorzüglich Coramunica-
gelegen ist, sind die Communicationen, sei es nun zu Wasser oder zu Lande, *'°"^"""'' •
zwischen den Gegenden, wo sich noch einige entbehi-liche Vorräthe befinden,
und jenen, wo es an Nahrungsmitteln mangelt. Je mehr der schon an sich
äusserst hohe Ankaufspreis durch die Fracht vertheuert wird, um so schlimmer
ist das Loos derjenigen, welche ihre Lebensbedürfnisse aus fernen Gegenden
her beziehen müssen ; und nur gar zu leicht können die Preise für sie ganz
unerschwinglich werden. Um so bedauerlicher ist es, dass gerade in dem
ß2
[62]
gegenwärtigen Zeitpunkte, wo die Tlieaening der Lebensmittel nicht blos
in der Kesidenz. sondern aucli in einigen Provinzen einen hislier nie
erhörten Grad erreicht hat, die Strassen sich wenigstens zum Theil, und
gerade dort, wo mau ihrer nun am meisten bedarf, in einem äusserst
schlechten Zustande befinden. So kann z. B. Steiermark und Kärnten jetzt
nicht aus Ungarn, wo das Geschrei über Noth grösser als in den deutschen
Ländern ist, und eben so wenig aus Oesterreich, wo es keinen Uefcerfluss
gibt, auf jeden Fall aber die Preise viel zu hoch sind, um dort an einen
lohnenden Einkauf zu denken, es kann nur von der Seeküste her, wo sich
beträchtliche Vorräthe an Weizen und Korn, die aus Odessa und sonst auf
dem Meere dahin gebracht worden sind, befinden, seine Erfordernisse an
diesen Artikeln herholen. Allein hiebei tritt ausser der Beschwerlichkeit,
welche die Verschiedenheit der Valuta nach sich zieht , da nebst dem
Ankauf auch die Fracht durch das Küstenland und dui'ch Krain in Metall-
münze bezahlt werden muss, noch das weitere Missgeschick ein, dass die Zu-
fuhr auf schlechterhaltenen, bei bösem Wetter grundlosen Wegen geschieht,
wodurch nothwendig an der Zeit viel verloren und der für Bewohner so
hart mitgenommener Länder, wie Steiermark und Kärnten gegenwärtig
sind, ohnedies kaum zu erschwingende Aufwand beträchtlich vermehrt wird.
Beschäfti- Wenn das französische Gouvernement durch eigene Circularien
gung duicii ^j^ ^jjg Präfecten, die aus öffentlichen Blättern bekannt sind, denselben
btrassen-
aibeit. gauz besouders anempfohlen hat, die Strassen- und andere öffentliche
Arbeiten diesen Winter hindurch auf das Eifrigste fortsetzen zu lassen,
um bei dieser härteren Zeit auch jenen, die keine Künste und Handwerke
können, aber doch den Willen und das Vermögen, zu arbeiten, haben^
Verdienst zu verschaffen; wenn in England Privatgesellschaften von
vermöglichen Bürgern in gleicher Absicht zusammentreten und auch
diese die Strassenarbeiten als eines der geeignetsten Mittel, um die Dürftig-
keit zu unterstützen, zugleich aber dem Allgemeinen einen wesentlichen
Nutzen zu verschaffen, betrachten, so sollte dieses Mittel wohl auch bei
uns, wenigstens in jenen Provinzen, nicht vernachlässigt werden, wo
man die Strassen gar so sehr in Verfall kommen liess, dass, wenn man erst
die bessere Jahreszeit mit ihrer Wiederherstellung abwarten wollte, in der
noch lange genug dauernden schlechteren Jahreszeit am Ende aller Handel
und Wandel gehenmit werden dürfte, oder wo die sonst gewohnten vor-
züglicheren Beschäftigungen der Landeseinwohner, wie z. B. die Eisen-
erzeugung und Verarbeitung in Steiermark und Kärnten aus verschiedenen
Ursachen bedeutende Einschränkungen erlitten haben, mithin Viele, die
sonst bei diesen Productionszweigen Beschäftigung gefunden haben, jetzt
ohne Nahrung und Verdienst sind, oder wo der blosse Feldbau offenbar
Frankreich,
Kngland,
Oesterreich
(Steiermark,
Kärnten).
[63]
63
nicht hinreicht, den Einwohnern Unterhalt zu verschaffen, und andere
Nahrungswege theils nie ergiebig genug waren, theils im Verhalte der
Zeit ganz oder grösstentheils erloschen sind.
Letzteres scheint vorzüglich in der Carlstädtcr Grenze der Fall zu Caristä.iter
sein, die man nur etwas genauer kennen darf, um zu wissen, dass der ^^^ ßjnat-
meist steinige Boden allein die in grosser Anzahl darauf wohnenden Men- grenze,
sehen schlechterdings nicht ernähren kann; in welcher die Industrial-
iinteruehniungen , die in vorigen Zeiten dort gegründet wurden, wahi--
scheinlich, weil sie den Localverhältnissen sich nicht anpassten, erloschen
sind, und wo der Grenzer die doppelte reichliche Hilfe, welche ihm der
Salzhandel und welche ihm der Weizentransport von Carlstadt bis an
die Seeküste vormal gewährte, jetzt, wo der hohe Ankaufspreis des Salzes
dem Handel im Wege steht, und wo Ungarn keinen entbehrlichen Weizen
zur Ausfuhr oder zur Aufbewahrung in den Littoralmagazinen besitzt,
gänzlich vermisst. So wie unter diesen Umständen, und bei dem noch dazu
gekommenen Missrathen der Ernte in den sonst fruchtbaren Thälern der
vier Carlstädter Grenzregimenter, dann bei den ausserordentlichen Ueber-
schwemmungen in der ungleich gesegneteren Banalgrenze nicht einzu-
sehen ist, wie die dortige Population, welche nie wohlhabend war und
unter dem drückenden französischen Joche völlig verarmt ist, ohne eine
besondere Unterstützung von Seite des Staates, sich sollte ernähren und
den Feldbau bestellen können, ebenso scheint es ungleich sachdienlicher
zu sein, einen Theil dieser Grenzer statt der Vorschüsse, die nur äusserst
schwer wieder eingebracht werden können und je öfter sie wiederholt
werden , um so tiefer den Leuten die Idee , dass man sie alljährlich
von Staatswegen füttern müsse, einprägen, zur Strassenarbeit gegen hin-
längliche Bezahlung zu verwenden , was ohne allen Abbruch der häus-
lichen Wirthschaft geschehen kann. Ist nun aber auf diese Art für die
Gegenwart gesorgt, eine Abhilfe der traurigen Lage dieser Leute erzielt
und den Auswanderungen vorgebeugt, so machen es doch die vielfältigen
Erneuerungen ähnlicher Ereignisse in der Carlstädter, sowie in der Banal-
grenze und die im Ganzen äusserst beträchtlichen Geldsummen, welche die
Staatsverwaltung seit einer Eeihe von Jahren aufgeopfert hat, nicht um
den Zustand dieser Bezirke dauerhaft zu verbessern, sondern nur den fast
immer plötzlich eingetretenen Verlegenheiten von Zeit zu Zeit nothdürftig
abzuhelfen, unvermeidlich, endlich einmal tiefer in die Sache einzudi'ingen,
womöglich das Uebel an der Wurzel zu fassen, sohin sich ernstlich mit
den Erhebungen zu beschäftigen, ob und wie in der Banalgrenze den
Ueberschwemmungen, wodurch so viele, sonst fruchtbare Strecken ver-
wüstet werden, abgeholfen, und wie in der Carlstädter Grenze der unzu-
64 [64]
Icänglicho Ertrag dos Bodens durcli andere, dem Genius dieses Soldaten-
volkes und den Localverliältnissen entsprechende Nahrungs- und Erwerbs-
quellen am fügliclisten ersetzt werden könnte, und ob es nicht, wenn
keine angemesseneren Mittel aufgefunden werden sollten, nothwendig wäre,
wieder zu jenen Begünstigungen zurückzukehren, welche die Grenzer bei
dem Ankauf des Salzes, und bei den Dreissigstgebühren rücksichtlich
einiger für sie unentbehrlicher Artikel vor dem Jahre 1809, das sie auf
einige Zeit der österreichischen Monarchie entriss, genossen haben.
Zunächst der Carlstädter und Banalgrenze, mit welch' ersterer das
Das nun dem küstenländischen Gubernium zugewiesene ehemalige croatische
ohem;iiige Provinziallittorale, nämlich die Bezirke Draga, Kostrena und Vinodol in
croatische ° '
i'rovin/.iai- Absicht auf steinigen Boden, dem nur an manchen Strecken durch eisernen
'"'■"'■ Fleiss einiger Ertrag abgewonnen werden kann, viel Aehnliches hat,
darum in der Periode vom Jahre 1784 bis 1809 ebenfalls einige Begünsti-
gungen beider Einfuhr und I)ei dem Salzhandel genoss und wohl auch jetzt
schwerlich ohne Hilfe, so wie in der Folge ohne eine ähnliche Fürsorge
wie jene, die ich rücksichtlich der Carlstädter Grenze angetragen habe, wird
belassen werden können, dürften die übrigen Bestandtheile des küsten-
ländischen Guberniums, ferner Krain, noch mehr aber Kärnten und
Steiermark in dem gegenwärtigen Augenblicke eine vorzügliche Aufmerk-
samkeit verdienen.
Inner- Vou Steiermark und Kärnten ist es bekannt, dass sie selbst in
mittelmässigen und mehr als mittelmässigen Jahren ihren Bedarf an
Getreide nicht vollständig erzeugen, sondern immer einige Hilfe, meisten-
theils aus Ungarn, herbeigeschafft werden muss. Die Hornviehzucht über-
steigt zwar in gewöhnlichen Zeiten den eigenen Bedarf, aber eine bedeutende
Quelle des Activhandels macht sie nicht aus. Der Weinbau ist blos auf
Untersteiermark beschränkt. Im Lande herrscht der Glaube, dass Steier-
mark in guten oder auch nur mehr als mittelmässigen Jahren von den
Weinfechsungen seine Contribution bezahle. Ohne mit Grund entscheiden
zu können, inwieweit dies seine Richtigkeit habe oder nicht, ist mir
doch so viel bekannt, dass der grössere Theil der Erzeugung im Lande
selbst verzehrt wird, dabei aber doch auch die Exportation theils nach
Kärnten, theils nach Krain nicht unbedeutend ist. Gute Weinjahre können
also wohl Steiermark einen Zufluss von fremdem Gelde verschaffen, aber
sehr reichlich kann dieser Zufluss schon aus der Ursache, weil nur einige
Gebirge bessere Gattungen hervorbringen, nicht sein, Kärnten hingegen
ist in dieser Rubrik völlig passiv. Erwägt man nun die grosse Menge von
Bedürfnissen, welche Steiermark und Kärnten theils aus anderen Ländern
der Monarchie, theils aus dem Auslande beziehen, und dass in früheren
Österreich.
[65] 65
Zeiten diese Provinzen immer zu den wohlhabenderen gerechnet worden
sind, so lässt sich leicht folgern, wie ungemein wichtig das Strassen-
ge werbe, noch weit mehr aber die Metall- oder eigentlich die Eisen- und
Bleierzeugung der beiden Länder gewesen sein müsse.
Die Abtretung der illjrischen Provinzen an Frankreich im Jahi'e Veikehrs-
1809 hatte den totalen Ruin des Strassengewerbes zur unvermeidlichen ^yoigrdes
Folge. Im eigentlichsten Verstände war damals die Monarchie an ihi'er Verlustes
südwestlichen Grenze ein Haus ohne Thor. Die gänzliche Stockung des
Handels, durch die feindseligen Massregeln des neuen Nachbars veran-
lasst, musste nothwendig auf die zunächst angrenzenden österreichischen
Provinzen, Steiermark und Unterkärnten, noch nachtheiliger als auf die
entfernteren einwirken. Zwar dauerte dieser leidige Zustand nicht über
vier Jahre, aber die meisten Handelsverhältnisse waren nun einmal ab-
gerissen, zum Theil gewaltsam zerstört. Man mied die einst so stark
besuchte Küste während des französischen Besitzes wie die Höhle eines
ßaubthieres. Das solcher Weise unbeschäftigte Fuhrwerk verminderte
sich mit jedem Monate; Wirthe und Professionisten, die vorzüglich vom
Strasseuge werbe lebten, sanken in Dürftigkeit oder fanden sich bemüssigt,
ihre Nahrung anderwärts zu suchen. Hätte sich nach der im Jahre 1813
erfolgten Wiedereroberung der illyrischen Provinzen der Littoralhandel
schneller emporgehoben, so würde es bei den Durchzügen der Waaren
durch Steiermark und Kärnten an Mitteln zu seiner Beförderung ganz
gewiss nicht wenig gemangelt haben. Allein nur erst seit Kurzem ge-
winnt der Handel zu Triest etwas mehr Leben, und das Strassengewerbe
ist noch weit von dem Punkte entfernt, wo es eine Quelle des Wohlstandes
für Kärnten und Steiermark sein könnte.
Sowie durch die Abtretung der illyrischen Provinzen das Strassen- VerfaU
gewerbe in Innerösterreich verfiel, ebenso geschah durch diese Abtretung ^"^ '*^°"
~ " ~ gewerbe von
und insbesondere durch die Trennung Ober- von Unterkärnten der erste isio-isie.
heftige Schlag auf den wichtigsten Productionszweig der innerösterreichi-
schen Provinzen, auf Eisen und Blei, wovon jedoch letzterer Artikel dem
ersteren an Erheblichkeit bei Weitem nicht gleichkommt. Was von den
Eisen- und Bleigewerken in französische Hände gerieth, wurde durch
unerschwingliche Abgaben und Mangel an Absatz ei-drückt. Das bei
Oesterreich verbliebene unterkärnten, was sonst sein Eoheisen an die
Hammerwerke im Yillacher Kreise, sein geschlagenes Eisen nach Italien
verkaufte, wurde durch die französischen Zölle in seinem vorigen Zuge
gänzlich gehemmt. Es warf sich nun mit seinen Erzeugnissen theils nach
Steiermark, theils in noch entferntere Gegenden, wo sonst immer nur steiri-
sches Eisen erschienen war. Im Jahre 1810 und in den ersten Monaten des
66 [66]
Jahrps 1811, wo das f<n-twäliieiulo Sinken der Banrozettel und die Besovg-
niss ihres gänzlichen Verfalles für Viele ein Bestimmungsgrund war, ihr
Vermögen durch den Einkauf von Waaren mehr zu sicliern und Eisen wegen
seiner Dauer und vielfältigen Brauchbarkeit ganz vorzüglich dazu gewählt
wurde, fühlte man in Steiermark noch keine nachtheiligen Folgen dieser
neu entstandenen Concurrenz. Vielmehr stieg das Roheisen in den letzten
Zeiten der Bancozettel bis auf 60 fl. der Centner. Verhältnissmässig noch
höher waren ilie Preise des geschlagenen Eisens und jene der Sensen und
Sicheln. Aber bald zeigte es sich, dass diese ephemere Hölio der Eisenpreise
nichts als ein rascher Üel)Prgang zum andern Extrem war. und l)ald nach
Erscheinung des Finanzsystems vom Jahre 1811 trat eine Peiiodc für die
Eisengewerke ein, die nicht blos den Scheinreichthum vom Jahre 1810,
sondern auch das solidere, früher erworbene Vermögen der Ead- und Ham-
mergewei-ken fast durchgehends verschlang und diese einst so wohlhabende,
allgemein beneidete Classe dem grösseren Theile nach ins Verderben stürzte.
Die Katastrophe des wichtigsten Productionszweiges zweier Pro-
vinzen ist in ihren Folgen zu erheblich, als dass es nicht interessant sein
sollte, es anschaulich zu machen, wie dies geschehen sei.
Bei dem üebergange von den Bankozetteln zu den Einlösungs-
scheinen, wo die Revalvirung auf ein Fünftel geschah, hatten die Eisen-
gewerken das Ihrige gethau, indem sie ganz bald nach der Kundmachung
und Vollstreckung dieses Systems auf ein Fünftel ihrer in den letzteren
Zeiten der Bancozettel bestandenen Preise herabgingen. Wirklich wurde
zu Vordernberg, wo das beste Roheisen in der Monarchie erzeugt wird,
der Preis für den Centner auf 12 fl. festgesetzt. Auch die in Steiermark
und Kärnten sehr bedeutenden Aerarialeisenwerke folgten im Anfange
diesem Beispiele. Aber da der Absatz bei der gewaltig verminderten Zahl
der Geldzeichen und bei den in Händen des Publicums befindlichen
grossen Quantitäten von Eisenwaaren nothwendig zu stocken begann und
diese Werke darum Geldvorschüsse, zu welchen sich damals jeder Privat-
eigenthümer bequemen musstc und zur Vermeidung weit schädlicherer Ver-
schleuderungen auch gerne bequemte, von der Finanzadministration ver-
langten, so wurde ihnen diese, in Folge des angenommenen Systems, kein
Mittel zur Erzwingung wohlfeilerer Preise unbenutzt zu lassen, nicht nui'
allein verweigert, sondern geradezu die Weisung gegeben, sich die nöthigen
Gelilerforderjiissc durch den Verschluss zu erwerben und daher mit den
Preisen so weit herabziigehen, als es nothwendig sei, um sich einen reich-
lichen Absatz zu verschaffen.
In einer Periode, wie die damalige wai-, konnte ein reichlicher Absatz
einleuchtend nui- durch die heilloseste Verschleudei-unsr der vorhandenen
[67] 67
Eisenwaaren erzwungen werden. Indessen mussten die Aerarialwerke
den selir bestimmten Aufträgen gehorchen. Sie konnten ihren dringenden
Geldverlegenheiten nur auf diesen Wege abhelfen. Die Verschleisspreise
wurden daher unter alles Yerhältniss zu den Erzeugungskosten herabge-
drückt, ein Wesen, was zum Verderben führen musste, getrieben; und ob
gleich der vernünftigere Theil der Piivatgewerken das Zerstörende dieses Be-
nehmens ganz wohl erkannte und dem bösen Beispiele der Aerarialwerke
so lauge als möglich nicht folgte, so verlor doch ein Gewerk nach dem
andern das Vermögen, noch länger auszuhalten, und am Ende fügte sich
Alles den Preisen, die keine Berechnung, keine vernünftige Combination,
sondern im Anfange ein Machtspruch und weiterhin Xoth und Drang
entstehen gemacht hatte. Xui- diese volkommen wahre und sehr leicht
actenmässig zu erweisende Darstellung des eigentlichen Herganges der
Sache macht es erklärbar, wie solch ein bedeutender Productionszweig in
zwei Ländern, welche hiebei von der Natur vorzüglich begünstigt worden
sind, dergestalt herabsinken konnte, dass sich die Passivität nicht — was
auch in früheren Zeiten manchmal geschah — auf ein oder höchstens zwei
Jahre beschränkte, sondern dass seit den Jahren 1811 und 1812, unge-
achtet der späterhin erfolgten Vermehrung des Papiergeldes und ungeachtet
der bei ungleich entbehrlicheren Artikeln stattgefundenen beträchtlichen
Preiserhöhungen, das Missverhältniss zwischen den Eisen- und den Vic-
tualienpreisen, sohin ein entweder ganz stockender oder die Erzeugungs-
kosten nicht aufwiegender Verschleiss, zwar bald in einem höheren, bald
einem geringeren Grade, aber doch ununterbrochen fortdauert, und sohin
dieser Productionszweig, statt wie zuvor dem Lande ergiebige Zuflüsse
fremder Baarschaften zu verschaffen, in einer fast an gänzlichen Verfall
grenzenden Lage ist, deren umständlichere Schilderung hier aus der Ur-
sache überflüssig wäre, weil, dem sicheren Vernehmen nach, deren mehrere
theils von einzelnen Gewerken, theils von Corporationen, theils selbst von
landesfürstliehen Behörden nach Wien gelangt sein sollen.
Wenn seit den Jahren 1811 und 1812 die Eisenerzeugung — und
mit dem Blei ist es beinahe der nämliche Fall — für Steiermark und
Kärnten eine Quelle des Wohlstandes zu sein aufgehört, vielmehr fast
alle Gewerken um ihr früher erworbenes Vermögen gebracht hat; wenn
das in Vorigen Zeiten sehr lucrativ gewesene Strassengewerbe, während die
illyiüschen Provinzen unter Frankreich gehörten, ganz in Verfall gerathen
und seit der Wiedereroberung dieser Provinzen noch bei Weitem nicht
wieder zu seiner vorigen Ausdehnung zurückgekehi-t ist; wenn Steiermark
seit dem Jahre 1813 keine auch nur mittelmässige Ernte, keine erträg-
liche Weinlese hatte; wenn das vorige und noch mehr das heurige Jahr
6!^ [6«]
unter dio vullkuinnit'iiou Feliljahro g-ehöreu; wenn also niclit blos Mangel
an ersten Lebensbedürfnissen, sondern auch Mangel, und zwar ein höchst
drückender Mangel au Geld auf Steiermark und Kärnten lastet, so ist es
nach meinem Dafürhalten doch immer gewagt, diese zwei Provinzen so
ganz sich selbst und ihrem Schicksale zu überlassen; und es ist sehr be-
greiflich, wie vielen Unmuth es dort erregte, dass man den Vitrstelluugen
der Stände keinen Glauben zu schenken befand und ilen Ziisiimmenfluss
so vieler widrigen Umstände unberücksichtigt Hess.
Wie ungünstig schon diis Jalir 1815 für Steiermark und Kärnten
war, erhellt aus der Vergleichung der Weizen- und Kornpreise, so wie
sie dort, und wie sie dagegen in anderen Ländern der Monarchie im No-
vember Müll December v. J. bestanden. Während der Weizen in Böhmen
und Mähren nur zwischen IT) und 16 fl., in Oesterreich ob der Enns 18 fl.
und selbst in Oesterreich untei- der Enns nur etwas über 19 fl., während
das Korn in Böhmen und Mähren 12 fl. 28 kr. und respective 13 fl. 55 kr.,
in Oesterreich unter der Enns 15 fl. 28 ki'. galt, war in Steiermark damals
der Weizen 22 fl. 3 kr., das Korn 1 7 fl. 49 kr., in Kärnten aber gar der
Weizen 2(5 II. 41 kr. und das Korn 23 fl. 24 kr. Ebenso blieben auch
in den eisten sechs Monaten des Jahres 181G die Weizen-, Koi-n-, Gerste-
und ILiferpi-eise in Steiermark und Kärnten durchgehends höher als in
jedem iinderen jener Ländei', wo Papiergeld im Umianfe ist.
Massresein Auf woiclic Art die Eisenerzeugung und Yei-arbeitniig wieder in
, „!''""^ Aufnahme zu bringen wäre, ibii'übei- enthalte ich mich Jius deiu Grunde
des Eisen- " '
gewerbes. aller Meiuuiigeu und Anträge, damit es ja nicht den Anschein gewinnt,
als wäre icji nur im Geringsten dazu aufgelegt, in diesem Aufsatze, der
sich nur mit dem, was die Staatsverwaltung interessii't, befassen s(di, die
Berücksichtigung meines Pi'ivatintcresses miteinzumengen. Aber da es
sieh hier nicht um einen einzigen, sondei'u um einige hundert Gewerkeu
handelt, da diese Gewei-ken mehreren Tausend Menschen Unterlialt gaben,
da ausserdem bei <!inem hdinenden Beti'iebe der Einfluss solchei" Gewerkeu
auf lue Nahrungsei'werbe und den Wohlstand der umliegenden (liegenden
von nicht geringer Bedeutung ist, da der Staat seilest mehi'ere und be-
trächtliche Eisenwerke in beiden Ländern besitzt, da endlich gar kein
Surrogat denkbar ist, was Steiei'mark und Kärnten auch jiur einen Theil
jener Geldzuflttsse verschaffen könnte, die sie seit Jahrhunderten in ge-
wöhnlichen Zeiten durch den Bergbau, vorzüglich aber durch die Erzeugung
und Verarbeitung des Eisens bezogen haben, so lohnt es sich wohl der
Mühe, diesen Gegenstand, über welchen die ämtlichen Eingaben doch
wenigstens einige brauchbare Daten und Materialien enthalten müssen,
einer sorgfältigen Prüfung zu unterziehen, diese aber mehr, als es bisher
handel.
[69] 60
geschehen ist, zu beschleunigen, da die Zögerungen als ein Beweis von
Gleichgiltigkeit angesehen werden und darum zur Vermehrung des Miss-
muths nicht wenig beitragen.
Die mehrere oder mindere Bedeutendheit des Strassengewerbes in Das
Steiermark und Kärnten hängt von dem grösseren oder geringeren Flor '^^^p^beTn
des Littoralhandels und von dem lebhafteren oder schwächeren Verkehr .steicimaik
zwischen den älteren Ländern der Monarchie und den italienischen Pro- ""„„^''3"^.'^"
vinzen ab. "Warum eine schnelle, beträchtliche Aufnahme dieses Handels Littorai-
kaum zu erwarten ist, werde ich weiter unten augeben. Allein selbst
der gegenwärtige Zustand des Landes, wo man so manche auch nur ge-
meinere Bedürfnisse nicht in hinlänglicher Menge oder nicht anders als
um die übertriebensten Preise findet, wo das Zugvieh anfangs durch die
wiederholtenPferdestellungenund die unaufhörlichen Vorspannsleistungen,
späterhin aber durch die Theuerung des Futters und durch das sehr ge-
schwächte Vermögen des Landvolkes beträchtlich abgenommen hat, wo
die schlecht erhaltenen, bei nassem Wetter fast unwandelbaren Strassen
ein schnelles Fortkommen oder auch nur sichere Anschläge der Zeit, die
manzurZurücklegungdieser oder jener Strasse bedarf, unthunlich machen,
ist dem Strassengewerbe mehr abti'äglich als günstig und vermehrt meine
Zweifel gegen eine schnelle bedeutende Aufnahme desselben.
Zieht man nun in Erwägung, dass solchergestalt zu einer baldigen
Erlnduug der Eisen- und Bleigewerken keine Aussicht vorhanden ist,
dass solch eine Aufnahme des Strassengewerbes, von der sich Steiermark
und Kärnten bedeutende Vortheile versprechen könnten, unter den gegen-
wärtigen Umständen sich nicht erw^arten lässt, dass bis zu einer neuen
Ernte und neuen Weinlese noch mehrere Monate zurückgelegt werden
müssen, während welchen es sich um den Unterhalt vieler Tausender
handelt, die schon jetzt weder Natu r allen vor räth e , noch Geld besitzen
und bei der allgemeinen Noth auch auf fremde Unterstützung wenig
j'echnen können, so kann doch wohl kein verständiger Mensch über die
Lage dieser zwei Länder beinihigt sein; selbst sehr ti-aurige Ereig-
nisse können Niemandem, der dieser Lage mehr nachgedacht hat, un-
erwartet kommen; und man wird sich doch wenigstens für den Fall,
den ich für sehr wahrscheinlich halte, wenn nämlich grössere Uebel nicht
ohne ansehnlichere Geldunterstützungen im Verlaufe des nächsten Jahres
abgewendet werden könnten, auf die Möglichkeit, diese sogleich, ohne
die Bedeckung des Staatsaufwandes deshalb zu beirren, vorschiessen zu
können, gefasst machen müssen. Nebstbei dürfte aber schon jetzt die
Uebei-zeugung verschafft werden, ob in Steiermark und Kärnten die Winter-
saat allenthalben gehörig bestellt worden, oder ob nicht vielleicht doch ein
70 [70]
Thcil der Aecker unbebaut geblieben ist, um in letzterem Falle bei ein-
tretendem Frühjahre die sachdienlichen Massregeln ergreifen zu können.
Krain dnrch Krain oder das nunmehrige lUyrien hat zwar viel Analogie mit
Mctaiimünze Steiermark und Kärnten, doch ist es in früheren Zeiten diesen zwei
iu günsti-
Reieni Ver- Ländern immer im Wohlstande nachgestanden und besonders enthält der
häUnissc. Adelsberger Kreis viel dürftiges Volk. Es hat einige Jahre unter fran-
zösischer Oberherrschaft geschmachtet, grosse Zerrüttungen in seiner
Verfassung erlitten, schwere Lasten zu tragen gehabt. Es blieb seit der
Wiedei-eroberung, folglich seit drei Jahren, in einem provisorischen Zu-
stande, der nur erst vor Kurzem sein Ende erreichte, und der in so vielen
Beziehungen dem Gange der Administration niemals gedeihlich sein kann.
Von gesegneten Ernten war dort so wenig als in Steiermark und Kärnten
zu hören. Die missliche Lage des Eisenhandels und das noch zu keiner
grossen Ausdehnung gediehene Strassengewerbe haben für Krain ebenso
wohl wie für Steiermark und Kärnten nachtheilige Folgen. Wenn also
demungeachtet das Elend und die Verlegenheiten iu Krain keinen so
hohen Grad wie in Steiermark und Kärnten erreicht haben, so lässt sich
kaum eine andere Ursache zur Erklärung dieses Phänomens auffinden,
als dass Krain glücklicherweise im Besitze der Metallmünze, welche die
Franzosen während ihrer Oberherrschaft dort einführten, erhalten wurde.
Näher in die Sache einzugehen bin ich aus der Ursache nicht im Stande,
weil es mir an zuverlässigen Notizen von dem gegenwärtigen Zustande
des Landes, das ich in frühei-en Zeiten öfter als einmal durchreist und
daher ziemlich genau kennen gelernt habe, gänzlich gebricht. Nur so
viel kann ich init Zuversicht angeben, und es dient auch zum Belege
dessen, was ich von der dermaligen relativ besseren Lage Krains gegan
Steiermark und Kärnten soeben erwähnte, dass in der niemals wohlfeilen
Hauptstadt Laibach noch im August h. J. der Weizen 7 fl. 40 kr., das
Korn 6 fl. 40 kr., dei- Hafer 2 fl. '20 kr. kostete, und dass zwar diese
Preise im September auf 8 fl. 6 kr. der Weizen, 6 fl. .50 kr. das Korn
und 2 fl. 24 kr. der Hafer gestiegen sind; welche Preise aber, wenn
man sie auf Einlösungsscheine evaluirt, ungleich massiger als jene sind,
die man zur nämlichen Zeit für die erwähnten Artikel in Steiermark und
Kärnten bezahlen musste.
Triestnnd Unter den Bestandtheilen des küstenländischeu Guberniums. deren
der See- einen, nämlich das ehemalige croatische Provinziallittorale . ich wegen
handel ° °
oesterreichs. Seiner grosscn Aehnlichkeit mit der Carlstädter Militärgreuze schon fi'ühev
berührt habe, zeichnet sich, wie bekannt, dei* freie Seehafen Triest bei
Weitem an Wichtigkeit aus, und ungeachtet der grossen Erweiterung,
welche das Küstenland zuerst im Jahi-e 170 7 und nunmehr definitiv im
[71] 71
Jahre 1815 erhalten hat. winl Triest aller Wahrscheinlichkeit nach immer
•Icr vorzüglichste Punkt des LittoralhanHels bleiben. Wie l)lühen<l dieser
Handel vorzüglich zur Zeit des englisch-amerikanischen ersten und des
englisch-französischen langen Seekrieges, bis zur Zeit, wo Bonaparte sein
Continentalsystem und unter diesem Vorwande die Zerstörung jedes
fremden Handels mit aller Gewalt durchzusetzen versuchte, war. wie
ausserordentlich Triest sich in einem Zeiträume von weniger als einem
Jahrhunderte emporgehoben hat. wie sehr selbst Fiume in. Zeit von 30
bis 40 Jahren an Umfang und Wohlstand gewann, wie gewinnreich end-
lich dies nicht blos für die Metropole war. sondern der Littoralliandel sich
selbst auch auf entferntere Strecken der Monarchie mit Vnithcil verbrei-
tete, ist wiihl noch nicht aus dem Gedächtnisse derjenigen, die Zeugen
dieses blülienden. weit ausgebreiteten Handels wai-en, entwichen. Uass
es wieder dahin kommen möge, ist also ungezweifelt ein patriotischer
Wunsch, in welchen Alles einstimmen wird, wohingegen über die Aus-
wahl der Mittel, um zu diesem Zwecke zu gelangen, eine sehr wesentliche
Verschiedenheit der Meinungen herrschen mag.
Kaum waren theils die Wiedereroberungen, theils die neuen Er-
werltungen in der ungeheuren Ausdehnung vom Po bis zu den Buchten
von Cattaro durch die Friedensverträge und dui'ch die allseitigen Aus-
gleichungen vollkommen gesichert, als es schon bei Mehreren zur Lielt-
lingsLdee wurde, den Colonialwaaren zur Einfuhr die Landesgrenzen zu i^ercoioniai-
sperren und die Einfuhr dieser Waaren blos duich die adriatischen Seehäfen
zu gestatten. Nicht nur allein wurden hierüber umständlich bearbeitete
Vorschläge in Druck gelegt, sondern es wurde selbst auf Allerhöchsten
Befehl das Wiener Grosshandhuigsgremium übei' den Gegenstand der
Frage vernommen. Obschon nun auch der gi'össere Theil des Gross-
handlungsgreniium dafür, dass einigen Colonialproducten der Eintritt in
das österreichische Kaiserthura nur durch die adriatischen Seehäfen er-
laubtwerden solle, gestimmt hat, obwohl man ferner in weiteren gedruck-ten
Abhandlungen solch eine Veranlassung nicht blos als nützlich, sondern
selbst als nothweudig darzustellen bemüht war. so glaube ich doch, die
Staatsverwaltung werde sich in einer Angelegenheit, wo sich die Inter-
essen so ausseroi'dentlich kreuzen, nicht blos von den Ideen und Wünschen
des einen, wenngleich sehr zahlreichen Theilcs beschwichtigen lassen,
sondern die Sache in ihrem ganzen Umfange, in allen ihren Folgen und
Wirkungen genau erwägen un<l insbesondere den höchst wichtigen Ge-
sichtspunkt nicht verfehlen, dass es innuer eine sehr missliche und gefähr-
liche Sache sei. den Handel gleichsam in Fesseln zu schlagen und ihm
den Weg, den er nehmen soll um! allein nehmen darf, durch gewaltsame
waaren-
liaiideU
72 [72]
Versperrung jedes anderen Weges vorzeichnen zu wullcu; ilass. wenn ja
doch überwiegende Beweggründe für die Regierung voi-handen sein sollen,
die Einfuhr der Culonialwaaren nur auf dieser und nicht auf jener Grenze
zn wünschen, gelindere Zollgesetze an der eint'n, beschränkendere an der
andern ein ungleich zweckmässigeres Mittel als absolute Verbote seien,
um dem Handel seinem grösseren Theile nach jenen Zug und jene Rich-
tung zu geben, welche die Regierung wünscht; dass endlich, wenn man
sich ja doch aus unbekannten Gründen zu solch einem Zwangssystem
unwiderstehlich hingerissen finden sollte, wenigstens die Ausführung ja
nicht zu übereilen, sondern mit aller Vorsicht zu verfahren, die Entwick-
lung der Handelsverhältnisse nucli einige Zeit hinduich zu beobachten
und erst bei hinlänglicher üeberzeugung. dass nui- von der erwähnten
Zwangsmassregel grosse Vortheile zu hoffen und keine gleich grosse oder
selbst noch grössere Nachtheile zu besorgen sind, dieselbe ins Werk zu
setzen wäre.
Allein auch ohne zu solchen Extremen zu schreiten, kann man nach
meinem Dafürhalten den Littoralhandel zu einer bedeutenden Aufnahme
bringen und dadurch nicht blos dem Küstenlande, Krain, Kärnten und
Steiermark, sondei-n selbst auch der Residenz und anderen Ländern der
Monarchie einen erheblichen Dienst leisten, wenn man nämlich die Hinder-
nisse, welche dem Flor dieses Handels gegenwärtig iui Wege stehen, so
bald und so kräftig, als es nur immer geschehen kann, beseitigt. Als
die vorzüglichsten dieser Hindernisse sehe ich nachstehende an:
a) Die äusserst beschwerliche Communication zwischen Triest und
der Hauptstadt, um so viel mehr also zwischen Triest und den noch ent-
fernteren Provinzialhauptstädten ;
h) die Verschiedenheit der Valuta in den älteren und in den wieder-
eroberten oder neuerworbenen Ländern der Monarchie;
c) die Menge von Geld- und Papiermäklereien aller Art, zu welchen
die gegenwärtigen Umstände so reichlichen Stoff darbieten, was zur Folge
hat, dass ungemein viel Geld sich fortwährend mit den Speculationen auf
der Börse beschäftigt und sohin dem Producten- und AVaarenhandel. sowie
der Landwirthschaft und der Production jetzt weniger fremde Cajtitalien
als fi-üher. bei einer geringeren Zahl von Geldzeichen, zu Gebote stehen;
en<)lich
d) die wegen der zu zahlreichen Eiiifuhrsverbote füi- den Handel
überhaupt ungünstige inländische Zollverfassung.
Da ohnehin eine allgemeine Tarifsrevision von der Commerzhofcom-
mission vorgenommen werden soll und sich wohl kaum zweifeln lässt,
dass man hiebei von liberaleren Grundsätzen ausgehen, die Einfuhrs-
[73]
73
verhüte mehi- in stärkere Zollbelegiingen unistalten. dabei aber doch immer
auch auf die Gattungen von Waaren Rücksicht nehmen und solche, bei
welchen eine leichtere Möglichkeit heimlicher Einschleppungen obwaltet,
nicht mit Zöllen, die durch übermässige Höhe zum Schleichhandel ein-
laden, belegen wird, so ist nur zu wünschen, dass diese Arbeit, so viel es
ihre Wichtigkeit zulässt, beschleunigt, in keinem Falle aber die gänzliche
Beendigung iles üperats abgewai-tet. sondern ilas. was man zu i-eformiren
nothwendig finden wird, gleich theilweise zur Ausführung gebracht werden
möge. Hiebei muss ich aber freimüthig gestehen, dass ich von dem Tarifs-
referenten, Hofrath v. Leon, nichts Gedeihliches erwarte, mithin, wenn
nicht andere Commissionsglieder oder das Präsidium sehr wirksam ein-
schreiten, diese Arbeit, nach meinem Erachten, keine nützlichen Kesultate
liefern wird.
Die für den Ackerbau, die Industrie und den Handel aus dem Ent-
gange so vieler Capitalien, welche die Börsespeculationen schon seit ge-
raumer Zeit und noch immer unaufliörlich beschäftigen, entspringenden
Nachtheile habe ich schon in meinen früheren Aufsätzen geschildeii. Wie
schädlich die Verschiedenheit der Valuta schon im Allgemeinen auf den
Handel einwirkt, fällt von selbst in die Augen. Alle Berechnungen, alle
Voranschläge werden dadurch erschwert oder vielmehr sie lassen sich mit
Richtigkeit und Zuverlässigkeit gar nicht machen. Obwohl der Werth der
Metallmünze (das manchmal sich ändernde Verhältniss zwischen Gold und
Silber ausgenommen) eigentlich keiner Veränderung unterworfen ist, so
kann man doch mit der nämlichen Menge Metallmünze im Handel mit
Ländern, wo nichts als Papiergeld circulirt, bald mehr, bald weniger
unternehmen, je nachdem das Papiergeld in einem günstigeren oder un-
günstigeren Verhältnisse zu der Metallmünze steht. Der Triestiner und
sonstige Bewohner des Ijittorales hat also, ungeachtet dort nichts als
Metallmünze im Umlaufe ist, doch auch keinen festen, sicheren Anhalts-
punkt im Verkehre mit den Bew^ohnern der älteren Länder, besonders bei
solchen Handelsunternehmungen, die einen längeren Zeitraum zu ihrer
gänzlichen Ausführung brauchen. Es bedarf übrigens wohl keiner Er-
innerung, dass beide hier berührte Gegenstände ganz von den finanziellen
Massregeln abhängig sind und den geschilderten Nachtheilen nur, wenn
Ordnung in den Geld Verhältnissen hergestellt wird, abgeholfen werden
kann.
An was sich sogleich Hand anlegen lässt und was ich auch in
jeder Beziehung für das Dringendste und Unentbehrlichste halte, ist die
Verbesserung der Communication zwischen dem Küsteulande und Triest
insbesondere mit der Residenz und den älteren Ländern der Monarchie.
Nolh wendig-
keit einer
ZoUtarifs-
revision.
Die Schäd-
lichkeit der
verschiede-
nen Valuten.
Die Ver-
kehrswege.
74
[74]
Coramunica-
tion mit
Triest.
Die pflänzenilr. mIht wo niclit giiiiz uii;iiisfiilirb;ii-o. ilocli gewi.ss ausser
alloiii Voi-hältnisse zu uns(M-en Kräften stoliendo Idee, durch Verlängerung
des Nenstädter Canals am Ende seihst eine fortlaufende Wasser.strasse
bis nn das Meer zu eireichen. wii'd sicher nie eine ernsthafte Prüfung
aushalten. Aber wollte man sich doch von dieser Idee blenden lassen und
sich über mehrere h<>chst widitige Kücksichten. die — ohne noch die
Unmöglichkeit oder wenigstens äusserste Beschwerlichkeit der gänzlichen
Ausführung in Anschlag zu bringen - — in anderen Beziehungen gegen die
Sache streiten, hinwegsetzen, so macht schon die lange Reihe von Jahren,
welche zur Herstellung dieses gigantesken Unternehmens erforderlich
wäre, einen hinreichenden Grund aus, selbst auch in diesem Falle die
Nothwendigkeit der Verbesserung der Strassen, welche das Küstenland
und welche die neuerworbenen italienischen Provinzen mit den älteren
Ländern der Monarchie verbinden, anzuerkennen. Nicht leicht gab es
einen Zeitpunkt, wo sicli der Ursachen und Gründe zur bestmöglichsten
Herstellung dei' Strassen zwischen Wien und Triest, Wien und Venedig,
Wien und Mailand so viele vereinigten als gegenwärtig. Nicht leicht
gab es öffentliche Anstalten, dei-en Wichtigkeit, entschiedener Nutzen
und man kann wohl sagen lJuonil>ehrlichheit so sehr in die Augen fällt
als die Verbesserung der oben bezeichneten Strassen. Mit den Vor-
bereitungen dazu sollte in der That kein Tag mehr verloren werden, so-
wolil weil die mit Kccht zu erwartenden Voi'theile von ültei'aus gi-ossei'
Wichtigkeit sind, als auch weil die Vernachlässigung schon gar zu lange
gedauert hat und es selbst für die Ehre der Staatsverwaltung abträglicli
ist. wenn m;vu sogai- die allcrwiclitigsten Verbindungen der Monarchie in
einem so verwahi'losten Zustande findet, während andere Länder, die eben-
falls grosse Ansti-engungen machen mussten und an Hilfsquellen Oester-
reich nicht gleichkommen, ihre Strassen und Brücken in einem guten, ja
manche sogar in einem vortrefflichen Zustande erhalten, und während
man eben kein Greisenalter erlebt zu haben braucht, um aus eigener Ei*-
fahrung mit Wehmuth einen Vergleich zwischen der früheren und der
jetzigen Beschaifenheit nnserer Strassen zu ziehen.
Eben weil in Oesterreich einst füi- die Strassen sehr gesorgt worden
ist und selbst noch in neuereu Zeiten auf die Abbauung steilerer Berge
und andere Verbesserungen bedeutende Summen verwendet W(n-den sind,
wird es auf ganz neue Anlagen wahrscheinlich nur in einigen Strecken
(wobei vorzüglich die bequemere und nähere Communication zwischen
Oesteri'eich und Steiermai-k, mit Vei-meidung des kostspieligen und be-
schwerlichen Semmering, sowie die Umgehung des Triester Berges in
Betracht gezogen zu werden verdient^ iinkommen. Ungemein wn'inschens-
[75] 75
weith ist t's ;ibpr. wenn die Ldcaluntcrsuchuafren, welclie Theilo der bis-
herigen Cdimiiercialstrassen nach Triest unvcränilert beizubehalten, und
wo dagegen Abweichungen von der dermaligen Knute vorzunehmen wären,
auf das Schleunigste veranstaltet würden, um bei eintretender günstigerer
Jahi'eszeit mit den Arbeiten selbst anfangen, dadurch den Zeitpunkt der
Vollendung dieses nicht blos für einzelne Länder, sondern für den ganzen
Staat höchst wichtigen Unternehmens näher hei'beirücken und durch solch
eine werkthätige Aeusscrung des ernstlichen Willens, der Verbindung der
älteren Länder mit dem Küstenlandc und mit Italien die möglichste Er-
leichterung zu verschaffen, dem nicht unbilligen Vorwurfe, dass selbst mit
den nächsten und wirksamsten Mitteln, dem gesunkenen Wohlstande
wieder aufzuhelfen, nicht vorwärts geschritten werde, ein Ende machen zu
können.
Sowie die Ei Weiterung des Tiüester Handels auf das angrenzende
Istrien und selbst auch auf Fiume, was in mehr als einer Beziehung immer
nui- eine Filiale von Triest bleiben wird, wohlthätig einwirken muss, eben
so hat dagegen Friaul von dem erleichtei-ten Vei-kehrc Oesterreichs und
Innerösteneichs mit Italien als der unmittelbare Berührungspunkt der
einen und der anderen Länder erhebliche Vortheile zu erwarten, uml
diese Vortheile werden sich dann noch weiter ausdehnen, wenn die zweite
Scheidewand des Verkehrs, nämlich die Verschiedenheit der Valuta, durch
den Uebergang zur Metallmünzc in den Ländern, wo jetzt Papiergeld
circulirt, erlischt. Erst dann werden hundert Schwierigkeiten, die jetzt
den Handel hemmen, von selbst verschwinden, und erst dann werden die
Bewohner sowohl der älteren als der neuen Länder es wirklich fühlen,
dass sie Bestandthcile eines grossen Körpers siml, der in dem Masse,
als mehr Vereinigung und Zusammenhang in allen seinen Abtheilungen
herrscht, an Kraft und Wohlstand zunehmen wird.
Was übrigens die ersten Lebensbedürfnisse der Einwohner betrifft, Getipidc-
vor rath
kann bei dem Umstände, wo sich ansehnliche Getreidevorräthe, die aus und köi-
fremden Staaten dahin gelangt sind, in Triest befinden, in Ansehung der "crpieise.
Küstenland.
vorbenannten kleinen Provinzen bei ihrer geringen Entfernung von dieser
Stadt wohl keine andere Besorgniss eines Mangels eintreten, ausser wenn
das Getreide alldort auf solch einen übermässigen Preis steigen sollte,
dass es die dürftigeren Classen zu kaufen nicht mehr vermögend wären.
Allein da nach der Angabe öffentlicher Blätter noch immer mit Getreide
beladene Schiffe eintreffen, folglich, wenn gleich die Anzahl der Käufer
nicht gering ist. es doch auch an einer Concurrenz von Verkäufern nicht
fehlt, so scheint der Unterhalt dieser Gegenden, denen die Nachbarschaft der
See auch noch andere ergiebige Nahrungsmittel durch die Fischerei ver-
76 [7»^]
schiitft, bi.s zur künftigen Ernte so /ienilicli gcsicliert zu sein; wie denn
überhaupt eben dieses letzteren Unistandes wegen die Bewohner der See-
küsten gegen jene der Binnenländer zur Zeit schlechter Fechsnngen um
Vieles besser daran sind. Uebrigens lässt sich das, was ich von der relativ
günstigeren Lage Krains gegen Steiermark und Kärnten rücksichtiich der
Körnerpreise zuvor bemerkt habe, auch auf Triest um so gewisser an-
wenden, als diese Preise in den zwei Monaten August und September —
den Hafer ausgenommen — zu Triest selbst noch etwas geringer als zu
Laibach waren und selbst auch im October nicht bedeutend gestiegen sind.
Venetia- Aus dem Venctianischon sollen zwar im Verlaufe des heui-igen
nisch-ioiii- j.,]^,.ßg manche ungünstige Berichte, insbesondere über den durch starke
bardisches ^ ° '
Königreich. Ueberschwcmmungen verursachten Schaden und über die nicht erfolgte
Zeitigung der Körner in den Gebirgsgegenden eingelangt sein. Allein
ein allgemeiner Misswachs hat dort ebenso wenig als in der Lomltardei
stattgefunden. Die Weizenerntc war in Italien mehr gut als mittelmässig.
Dass der türkische Weizen und dass der Reis bei Weitem nicht so gut
gerathcn sind, dass vorzüglich in den Gebirgsgegenden ein grosser Theil
der Saaten nicht zur Reife gelangt ist, konnte wohl Theuerung hervor-
bringen, wie dann auch wirklich im August der Weizen zu Vicenza, wo
er am wohlfeilsten w^nr, 7 fl. 13 kr., zu Conegliano, wo er am höchsten
stand, 11 fl. 16 kr. und in der Stadt Venedig selbst 9 fl. 54 kr., im
Monate September zu Vicenza 7 fl. 44 kr., zu Conegliami, 11 fl. 9 kr.
un<l zu Venedig 0 fl. 22 kr. galt. Aber im Ganzen genommen bleibt das
Los dieser Länder doch ungleich besser als jenes von Steienuiirk und
Käi'nten, wo nicht eine einzige Fruchtgattung gericth, wo nun schon fast
seit einem Lustrum Fehljahr auf Fehljahr folgt, und wo sich zu den
schlechten Ernten auch noch das Ungemach des Papiergeldes und selbst
auch an diesem ein höchst fühlbarer Geldmangel gesellt. Dass diese Be-
hauptungen nicht unstatthaft sind, erhellt schon daraus, dass unter allen
Getreidegattungen im heurigen Jahre notorisch keine so allgemein und so
gänzlich als Korn missrathen hat, was fast in allen älteren Ländern der
Monarchie den Hauptartikel des Feldbaues ausmacht, wo hingegen in
den italienischen Pi'ovinzen der Grund und Boden weit mehr auf Weizen,
Reis und Kukuruz benützt wird. Den neuesten Nachrichten zufolge hat
zwar der schon einige Zeit im Steigen begi-iffene Weizen zu Mailand in
der letzten Hälfte des Monats November den Preis von fast 80 Mailänder
Lire (der Lire beträgt zwischen 17 und 18 kr.) für den Moggio, das ist
2'/2 Metzen, erreicht. Allein da dieser Preis, auf Papiergeld evaluirt,
dem hiesigen noch immer nicht gleichkommt, und da schon während des
vorigen Besitzes der Lombardei die Körnerpi-eise dort immer höher als zu
[77] 77
Wien und in den deutschen Ländern gestanden sind, so wird hiedurch
ilie obige Beliauptung mehr bekräftigt als widerlegt; sowie bei den be-
trächtlichen Zufuhren fremden Getreides nach Livorno, Genua und Triest
eher ein Fallen der Weizenpreise in Mailand und Venedig zu hoffen, als
ein noch weiteres Steigen zu besorgen ist. Im schlimmsten Falle dürften
also rücksichtlich des mailändisch-venetianischen Königreichs höchstens
massige Geldunterstätzungen für einige als sehr dürftig bekannte Gebirgs-
gegenden und solch eine Fürsorge, dass die allerärmste Classe durch theil-
weise Fortsetzung der unter der vorigen Regierung angefangenen öffent-
lichen Arbeiten Verdienst finde, erforderlich sein.
Misslicher scheint mir die Lage Tirols und Vorarlbergs zu sein, wo T'roi una
das ackerbare Land selbst in guten Jahren den Bedarf der Einwohner nie
aufzubringen vermag, heuer die Ernte auch dort schlecht ausgefallen ist,
Wohlstand auch schon früher nur in einigen wenigen Städten und Thälern
geherrscht hat, durch die Kriege. Invasionen und den drückenden fremden
Besitz der noch bestandene Widilstaml bedeutend gesunken, da, woArmuth
herrschte, diese auf einen noch höheren Grad gestiegen ist, und keines
der angrenzenden Länder, nämlich «lie Schweiz, Baiern, Salzburg, Kärnten
und das venetianische Gebirge, entbehrliche Vorräthe besitzt, mit welchen
sie Tirol uml Vorarlberg zu Hilfe kommen könnten. Wirklich waren
alldort schon im August die Weizenpreise zwischen 9 und 11 fl. C.-M.,
das Korn zwischen (j und s fl., zu Bregenz selbst über 10 fl., Gerste zu
Trieht zwar unter 4 fl.. auf anderen Märkten aber zu G bis 7 fl. Und
diese hohen Preise sind mit Ausnahme des Brixener Marktes im Monate
September noch insgesammt gestiegen. Zwar gehört Betriebsamkeit und
Frugalität zu den charakteristischen Eigenschaften dieses Gebirgsvidkes,
und man kann also mit Zuvei'sicht darauf rechnen, dass es mit seinen
wenigen Erzeugnissen eben so strenge haushalten, als dass es auch kein
Mittel, durch Industrie sich Zuflüsse zu eiwerben, vernachlässigen wird.
Aber es wäre doch wohl möglich, und es ist selbst in einem hohen Grade
wahrscheinlich, dass ilie äusserste Sparsamkeit und die thätigste Emsig-
keit in dem noch langen Zeiträume bis zur künftigen Fechsung, dem
Xothstande abzuwehren, doch nicht überall hinreichen, und dass es sohin
unvermeidlich werden dürfte, einzelnen Gegenden mit Geldvorschüssen
unter die xVrme zu greifen.
Auch in Oesterreich ober der Enns ist ilie Ernte heuer, was zu den Oesteneicii
seltenen Erscheinungen gehört, unter der Mittelmässigkeit geblieben.
Dieser ungünstige Ausschlag in Verbindung mit den plötzlich gehemmten
Zufuhren aus Baiei'u hat ein namhaftes Steigen der Preise veranlasst,
was zwar füi' Viele, die von trockenen Einkünften leben, empfindlich ist,
TB [78]
wovon aber für Oesterreich ob der Enus bei Weitem keine so üblen Polgen
als für andere Länder zu befürchten sind; weil zwischen einem Fehl-
jahre und einer Eeihe von Pehljahren ein grosser Unterschied obwaltet;
weil ein grosser Theil des dortigen Landvolkes wegen der Güte des Bodens
und dessen sorgfältiger Cultur vermöglich genug ist, um Unfälle dieser
Art, wenn sie sich nicht gar zu oft wiederholen, auszuhalten, weil das
Land viele ziemlich gut erlialtene Verbindungsstrassen hat, welche das
Besuchen der Märkte mit Kürnern und anderen Victualien erleichtern,
und weil endlich die Production in diesem Lande sich nicht blos auf
rietreide erstreckt, sondern auch Rüben, Gemüse, Obst und andere zur
menschlichen Nahrung geeignete Artikel in grösster Menge erzeugt
werden. Wenn es vollends wahr ist, dass, wie die neuesten Zeitungen
melden, die Preise in Baiern seit Kurzem merklich fallen, so werden,
selbst auch bei dem fortdauernden Ausfuhrverbote, doch durch den Weg
des nie ganz zu verhütenden Schleichhandels aus Baiern wieder Getreide-
hilfen nach Oesterreich ob der Enns gelangen, was hauptsächlicli zur
Vei'hütung weiterer Preissteigerungen erwünsdilich wäre.
Salzburg. Ungeachtet Salzburg die soeben geschililerten Vortlieile mit dem
Lande ob der Enns nicht dnrchgehends theilt und durch die letzte Aus-
gleichung gerade die fruchtbarste Strecke dieses kleinen Landes bei Baiern
geblieben ist, ungeachtet ferner die überaus grosse daselbst herrschende
Theuerung gar nicht in Zweifel gezogen werden kann, da schon im August
der Weizen auf Hfl. 25 kr. C.-M., das Korn auf 7 fl. 2.5 kr. gestiegen
war, welche Preise sich im September noch etwas erhöhten, so lässt sich
doch mit einiger Zuversicht erwarten, dass dort die Nothwendigkeit be-
sonderer Massregeln, um einem Brotmangel abzuhelfen, im Allgemeinen
und Einzelnen , besonders dürftige Gegenden ausgenommen , nicht ein-
treten wird, zumal die Viehzucht, der Bergbau, die Salzerzeugung u. s. w.
den Bewohnern des Landes so manche nicht unergiebige Quellen des
Nahrungserwerbes darbieten .
Oesterreich l^i^ Ocsterreicli Unter der Enns eigentlich nur in Ansehung des
Korns und des Weines ein Missjahi- gehabt hat, dagegen der Weizen,
die Gerste, der Hafer, die Ei'däpfeln u. s. w. theils mittelmässig, theils
selbst über die Mittelmässigkeit ausgefallen sind, so würden die Getreide-
])reise ohne den Zusammenfluss anderer miteiuwirkender Ursachen wohl nie
auf den gegenwärtigen Grad, von welchem die Geschichte — alle Kriegs-
jahre und alle früheren Misswachse mit eingeschlossen — kein Beispiel
liefert, gestiegen sein. Meine Ansichten, wie es dahin kommen konnte,
habe ich schon in dem Aufsatze, dessen ich bei'cits melirmals Erwähnung
machte, entwickelt. Segen gewähren nder verweigern, hängt von der
unter der
Enns.
[79] 79
Vursehuno; ab, und ihre Plane für die Znlamft kann Niemand enthüllen,
Wohlfeilheit zu erzwingen, wenn die Früchte der Erde nicht gedeihen,
vermag menschliche Weisheit nicht. Aber wenn mau bedenkt, dass in
der ganzen langen Periode vom Jahre 1730 bis zum Jahre 1790, folglicli
in 60 Jahren, der Mittelpreis des Weizens nie über 4 fl. 3 kr., der Mittel-
preis des Korns nie über 2 fl. 48 kr. gestiegen ist, dass selbst dieser
Preis nur in den Jahren 1788 un<l 1789, was zugleich Missjahre und
Kriegsjahro waren, sich ergab, und dass heuer im vollen Frieden, zu
Conventionsmüjize gerechnet, der Weizen 11 bis 12 fl.. das Korn 8 bis 9 fl.
gilt, so darf man doch wohl mit allem L'echte Ijohaupten, dass, wenn statt
des nun einmal zu eineui bösen Spielwerke aller verderldichen Specula-
tioneu gewordene Papiergeldes zur Metallmüuze zurückgekehrt, wenn
ferner solch eine Belegung des Grund und Bodens, die proportiouirt,
gleichföi-mig , keinen Steuerpflichtigen zu Grunde richtend, aber auch
nicht bei einem hohen Nominalbetrage in der Wirklichkeit so äusserst
gelinde ist, dass die grösseren Grundbesitzer jahrelang mit dem Verkaufe
ihrer Producte zurückhalten und dadurch nach Belieben übermässige Preise
erzwingen können, mit Ki'aft und Beharrlichkeit durchgeführt wird, zwar
auch in der Folge, wie es in den früheren Jahren der Fall war, nach dem
jeweiligen Ausschlage der Ernten niedrige und höhere Preise abwechseln,
solch enoi'me Preisüberspannungen aber, unter denen die Consumenten
gegenwärtig erliegen, sich nicht wieder einfinden werden. Für die Zukunft
ist also die Abhilfe gegen die ßückkehr ähnlicher trauriger Erscheinungen
wohl nur in den soeben angedeuteten Mitteln zu suchen. Ob es aber, bis
diese zur Ausführung kommen und ihre wohlthätigen Wirkungen nach
und nach äussern können, bei der gegenwärtigen Theuerung zu Wien
und in Oesterreich unter der Enns verbleiben, oder diese doch etwas
nachlassen, oder wohl gar selbst noch zunehmen wird, lässt sich wohl
schwerlich mit Gewissheit Ijestimmen. Im December v. J. waren die
Durchschnittspreise hierlands vom Weizen 20 fl. 37 kr., vom Korn
IG fl. 31 kr., von der Gerste 10 fl. 36 kr. und vom Hafer 5 fl. ö6 kr.
In den Monaten Jänner, Hornung, März und April 1816 haben diese
Preise keine sehr merkliche Veränderung erlitten. Etwas stärker erhoben
sie sich zwar in den Monaten Mai, Juni und Juli, doch standen sie selbst
noch in diesem letzteren M<iiiate nur zu 22 fl. 20 kr. der Weizen, 16 fl.
6 kr. das Korn, 11 fl. 40 kr. die Gerste und 7 fl. 10 kr. der Haber. Nur
erst seit dem Monate August begann das unmässige Steigen und seit
diesem Zeitpunkte fehlte es auch nie au beträchtlichen Schwankungen. Man
solle meinen, sie hätten nun wirklich den höchsten Punkt erreicht, zumal
es eine Grenzlinie gibt, über welche Tausende uml Tausende von Käufern
80 [80]
wegen des beschriiiikteu Masses ilirer Einnalimen nicht hinaussclireiten
können, diese sich dann an die Reg-el. ilie Noth kennt kein Gesetz,
halten und im Collisionsfalle zwisclien dem Hnngertode oder der gewalt-
samen Wognalime dessen, was sie nicht kaufen können, letzteres vor-
ziehen. Allein ob und inwieweit diese Betrachtungen auf grössere
Gutsbesitzer und Speculanten, in deren Händen wohl nur allein sich noch
stärkere Voi'räthe befinden mögen, wirken wird, ist nicht leicht vorher-
zusehen. AVäre, als das Branntweinbrennen aus Weizen, Korn, Gerste
und Hafer verboten worden ist, dieses Verbot, wie es in einigen fi-emden
Staaten geschah, auch auf PJrdäpfel ausgedehnt worden, so wüi'de viel ge-
wonnen wiu'den und der Preis iler Erdäpfel nie so hoch, wie es jetzt wirk-
lich der Fall ist, gestiegen sein, was um so erwünschlicher gewesen wäre,
als die Zahl ilerjenigen, die sich uiolir dun-Ji diese Frucht als durch Brot
sättigen, sehr gross ist, und als sich durch die Mischung des Erdäpfel-
niit Kornmehl vollkommen gutes Brod erzeugen lässt. Selbst jetzt noch
sollte zu dem Verbote des Brauntweinbrennens aus Erdäpfeln uuaufge-
lialten geschritten werden, da dieses geistige Getränk auch noch aus
mehreren anderen Producten bereitet werden kann, und im schlimmsten
Falle es doch ein ungleich geringeres üebel ist, wenn es einem Lande an
Branntwein, als wenn es ilim au Nahrung luangelt. Für die Hauptstadt
wird übrigens, es mögen sich nun die Umstände wie immer entwickeln,
doch leichter als füi- das flache Land, besonders für die minder widilhaben-
den und s(dclie Gegenden Oesterreichs, wo Weinhauei- don grösseren Theil
der Volksmenge ausmachen, Rath geschafft werden können, weil dort
übermässige Theuerung mit der Dürftigkeit zusammentrifft, was immer
von den allerschädlichsten Folgen ist.
Böjimeu war in Ansehung der Körnerpreise sowohl im November
und December v. -T., als in den ersten fünf Monaten des heurigen Jahres
besser als Oesterreich daran. Im Decembei' 1815 kostete dort der Weizen
If) fl. 32 kr., das Korn 12 fl. 89 kr., die Gerste 8 fl. 22 kr., der Hafer
3 fl. b'd kr. Sowie in Oesterreicli stiegen zwar auch doii die Preise schon
in der ersten Hälfte des Jahres ISIG, aber sehr merklich wurden diese
Pi-eiserliöliuugen erst im Monate Juli, wo dei- Weizen l!i fl. 40 kr., das
Korn 16 fl. G kr., die Gerste 12 fl. 27 kr. und der Haber 7 fl. 32 kr.
galt. Nur bei dem Weizen ist also der Preis in Böhmen unter jenem in
OesteiTeich geblieben. Hie Kornpreise hielten sich in beiden Ländern
vollkommen das Gleichgewicht. Gerste und Hafer ist im Juli in Böhmen
selbst etwas theurer als in Oesterreich geworden. Nach glaubwürdigen
Nachrichten war der Ausschlag der Ernte dort ungleich, besonders schlecht
aber im Erzgebirge und im l'HHingnci Kreise. Dieser ungleiche Aus-
[81] 81
schlag wird durch die Marktpreistabellen des Monats October ausser
Zweifel gesetzt, laut welcher der Weizen am Ende dieses Monats auf zwei
Märkten bis zu 30 fl. stieg, während er auf den meisten nur zwischen
22 und 25 fl., auf einigen gar nur zu 19 fl. stand. Auch bei anderen
Getreidegattungen herrschte eine ähnliche Verschiedenheit der Preise.
Was den Unterhalt der dürftigen Classe sehr erschwert, ist, dass die Erd-
äpfel allda ungleich schlechter als in Oesterreich gerathen, in mehreren
Gegenden selbst gänzlich missrathen sind. Dagegen ist die fortwährende
Getreideeinfuhr aus Preussisch-Schlesien, was eine gesegnete Ernte hatte,
für Böhmen und insbesondere für die östlichen Kreise ungemein wohlthätig.
Wenn also auch Böhmen für seine Verzehruug durch die eigene Production
und durch die noch vorhandenen älteren Vorräthe bis zur künftigen Ernte
nicht hinlänglich bedeckt ist, was sich wohl kaum bezweifeln lässt, so
hat es doch durch die leichtere Gelegenheit, das Abgängige aus dem be-
nachbarten Auslande zu beziehen, vor anderen Ländern, die ihren Bedarf
aus weit entlegeneren Gegenden herholen müssen, wesentliche Vorzüge.
Auch an Geldmitteln zum Ankaufe des fremden Getreides kann es im
Allgemeinen nicht fehlen, da Böhmen sich nicht blos mit Ackerbau und
Viehzucht beschäftigt, sondern auch die Industrie in einem hohen Grade,
insbesondere auch rücksichtlich solcher Gattungen betreibt, die sich von
der in den Jahren 1811 und 1812 erlittenen heftigen Erschütterung
späterhin wieder vollkommen erholt haben, und da es mehrere Erzeug-
nisse hervorbringt, die in anderen Provinzen der Monarchie und selbst in
fremden Staaten reichlichen Absatz finden. Es kann also wohl nur auf
jene Strecken, wo der Misswachs am stärksten und allgemein war und
wo, wie z. B. im Erzgebirge, eine grössere Zahl dürftiger Menschen ohne
Grundobrigkeiten, denen ihre Unterstützung obliegt, ihren Sitz hat, an-
kommen.
Fast in einem gleichen Verhältnisse wie Böhmen hat sich Mähi"en Maiiren und
und Schlesien sowohl zu Ende des Jahres 1815, als während der ersten '^^ä*«"^'-
' clxiscn-
sechs Monate des Jahres 1816 rücksichtlich der Körnerpreise befunden. Schlesien.
Der Unterschied beschränkte sich blos darauf, dass im Xovember und
December 1815, sowie im Jänner, Hornung, März, April und Mai 1816
die vier Hauptgetreidegattungen in Mähren durchgehends etwas theurer
als in Böhmen waren, dagegen im Monate Juli, wo in Böhmen einige
Artikel, nämlich Gerste und Hafer, selbst höher als in Oesterreich stiegen,
die Preise in Mähren gegen die frühei'en Monate nur wenig hinaufgingen,
indem der W^eizen 18 fl. 47 kr., das Korn 15 fl. 28 kr., die Gerste 12 fl.
1 kr. und der Hafer 8 fl. galt, folglich damal diese Artikel, mit alleiniger
des Habers, in Mähren wohlfeiler als in Böhmen waren. Als im Monate
6
82 [82]
August die gewaltigen Preiserhöhnngeu iu Oesterreich erfolgten, zeigten
sich in Böhmen und Mähren bald ähnliche Erscheinungen. Die Ernte
fiel in Mähren nach der Verschiedenheit der Gegenden theils gut, theils
mittelmässig. theils schlecht aus. Einen Misswachs im eigentlichsten Ver-
stände erlitt Mähren höchstens nur iu Ansehung des Korns, was auch in
allen übrigen Ländern der Monarchie dei- Fall war. Der Weizen hatte
selbst gegen Ende October noch auf keinem einzigen Markt den Preis von
30 fl. erreicht. Da nun Mähren sammt Schlesien, ebenso wie Böhmen
die leichte Gelegenheit hat, aus dem angrenzenden preussischen Gebiete
Getreide zu beziehen, da ferner bei einigen grösseren Dominien es selbst
an ansehnlichen älteren Vorräthen nicht mangeln solle, da der für Mähren
so wichtige Industrialartikel, die Tucherzeugung, die im verflossenen Früh-
jahre und Sommer wegen eines zeitlichen Stockens des Absatzes sich im
Gedränge befand, nun wieder aufrecht steht, während der einzige be-
deutende Productionszweig Steiermarks und Kärntens, nämlich die Eisen-
erzeugung und Verarbeitung, noch immer darniederliegt, da es endlich
eine bekannte Sache ist, welch reichliche Einkünfte die mährischen Gruud-
herrschaften während der Zeit des Papiergeldes von ihren Gütern bezogen,
und was für äusserst geringe Steuern sie im Verhältnisse zu diesem Er-
trage bezahlt haben, mithin an ihrem Vermögen die härter mitgenom-
menen Unterthanen zu unterstützen sgar nicht zu zweifeln ist, so kann
hier wohl schwerlich die Xothwendigkeit besonderer Vorkehrungen oder
wohl gar einer Hilfe aus den Staatscassen eintreten.
Gaiizien. Sowic iu Galizieu die Körnerpreise gegen Ende des vorigen Jahres
ungleich niedriger als in jedem anderen deutschen Lande des österreichi-
schen Staates waren, ebenso haben sie sich auch in den ersten sechs
Monaten des heurigen Jahres bei Weitem weniger als in den soeben ge-
nannten Provinzen gehoben. Nach den auf ämtlichen Eingaben beruhenden
Zusammensätzen der Cameralhauptbuchhaltung, aus welchen ich die An-
gaben der Getreidepreise genommen habe, kostete im December des vorigen
Jahres der Weizen 10 fl. 40 kr., das Korn 8 fl. 47 kr., die Gerste 5 fl.
53 kr., der Hafer 3 fl. 1 kr., im März 1816 der Weizen 10 fl. 7 kr., das
Koi-n 8 fl. 22 kr., die Gerste 6 fl. 3 kr., der Hafer 3 fl. 14 kr., endlich
im Juli 1816 der Weizen 10 fi, 42 kr., das Korn 9 fl. 7 kr., die Gerste
6 fl. 53 kr., der Hafer 4 fl. So gross der Abstand dieser Preise gegen
jene der deutschen Länder ist, so hoch sind sie doch immer für ein
Ackerland, das einen fruchtbaren Boden hat, von anderen, gleich frucht-
baren oder zum Theil noch fruchtbareren Ländern umgeben ist, ausser
dem Auxiliarcorps im Jahre 1812 und den Lieferungen, die es im Jahre
1813 füi- die in IJöhmon cuncenti-irte Armee leisten musste, sonst während
[83] 83
der Ki'iegsjahre äusserst weiiii? Truppen zu ernähren hatte, und wo es
der Bürger, Fabrikanten und Künstler, sowie überhaupt der sogenannten
Consumenten bei Weitem weniger als in den übrigen Ländern gibt. Wenn
also auch dort die Ernte etwas unter der Mittelmässigkeit war, so ist doch
ein Mangel um so weniger zu besorgen, als man auf die Existenz älterer
Vorräthe in Galizien mit einer Art von Zuversicht rechnen kann, in Polen
und in Eussland die Fechsungen gesegnet ausgefallen sind, durch die
vielen guten Strassen, welche Galizien besitzt, die Zufuhren erleichtert
und die Frachtkosten vermindert werden, endlich die Dominien bei den
wenigen Auslagen, welche ihnen ihr Feldbau, den sie grösstentheils mit
Robot betreiben, verursacht, bei dem Wohlstande, welche ihnen die gegen
frühere Zeiten so hoch gestiegenen Preise verschalft haben, und bei den
im Entgegenhalte dieser Preise sehr massigen Steuern, ungezweifelt ver-
möglich genug sind, um ihre Unterthanen da. wo es Xoth thut. unter-
stützen zu können. Sollte auch hie und dort Getreide aus dem angrenzenden
Auslande eingeführt werden müssen, so würde dies doch nicht so viel als
ein Verlust für das Land, sondern als ein ökonomischer Handel anzusehen
sein, da von Seite Ungarns gewiss bedeutende Einkäufe in Galizien theils
schon gemacht worden sind, theils im nächsten Jahre noch werden ge-
macht werden ; welchen Einkäufen es wohl auch nur allein beizumessen sein
würde, wenn die Körnerpreise in Galizien etwa noch weiter steigen sollten.
Allein selbst noch in den letzten Tagen des Octobers waren die Weizen-
und Kornpreise zwar höher als in der ersten Hälfte des heurigen Jahres,
aber doch ungleich massiger als in jedem anderen österreichischen Lande.
Ungarn hat im heurigen Jahre dadurch ausserordentlich gelitten, Ungarn,
dass beträchtliche, grossentheils sehr- fruchtbare Strecken durch Ueber-
schwemmungen oder Hagelschlag ganz verwüstet worden sind, und dass
das Korn, welches so häufig daselbst gebaut wird, allenthalben fehl-
geschlagen hat. An Weizen, Gerste, Hafer, türkischem Weizen und
anderen Fruchtgattungen soll nach glaubwürdigen Xachrichten im Ganzen
die Fechsung nicht schlecht gewesen, die Weinlese sehr verschieden aus-
gefallen, besonders aber in mehreren Gegenden die Tabakfechsung be-
trächtlich gewesen sein. So allgemein wie in Steiermark und Kärnten
war also der Misswachs in Ungarn bei Weitem nicht, und sehr viele Grund-
besitzer sind in der Lage, das, was sie zur Anschaffung des Samenkorns,
des Getreides zu ihrem Unterhalt oder zur Unterstützung der Unterthanen
verwenden müssen, aus anderen Erträgnisszweigen ihrer Landwirthschaft
zu bestreiten. Dass der Mangel nicht so gross und nicht so allgemein ist,
erhellt auch schon daraus, dass, wie ich zuverlässig weiss, noch immer
Getreide und darunter selbst Korn von ungarischen Bauern bis nach
6*
84 [84]
Brück und LeobcD zum Verkaufe gebracht wird. Was dagegen wieder
die Lage der Bewohner jeuer Strecken, welche von Elemeutarereignissen
oder von gänzlichem Misswachse besonders hart getroffen worden sind,
misslicher macht, ist die meistentheils äusserst schlechte Beschaffenheit
der Strassen und Brücken, welche die Communicatiou ungemein erschwert
und die Zufuhren selbst aus nicht gar zu weit entfernten Gegenden in
manchen Jahreszeiten beinahe unthunlich macht. Selbst auch die zu
grosse Aengstlichkeit bei dergleichen Ereignissen, an welche man in
einem sonst fruchtbaren Lande wenig gewohnt ist, verschlimmert das
Los der wirklich Nothleidenden, weil sie nicht selten sogar die öffentlichen
Behörden zu übertriebenen oder sonst zweckwidrigen Massregeln verleitet,
die ein noch mehreres Zurückhalten mit Vorräthen von Seite derjenigen,
die mehr als ihr eigenes Erforderniss besitzen, zur Folge haben und
solchergestalt, statt der unmässigen Gewinnsucht zu steuern, ihr viel-
mehr Nahrung geben. Wie sehr man zu dergleichen Massregeln in Ungarn
aufgelegt ist, hat die Erfahrung in früheren Zeiten schon einige Male be-
wiesen, und eben darum muss hierauf immer ein sorgfältiges Augenmerk
gerichtet werden, um zweckwidrige Veranlassungen auf der Stelle rück-
gängig machen und dadurch den Nachtheilen, die sie verursachen würden,
abhelfen zu können. Sollten aber Einschreitungen auf beträchtliche Hilfen
aus dem Staatsschatze geschehen, so sollte doch wohl in Betracht gezogen
werden, dass es überhaupt bisher nicht gewöhnlich war, in den Staats-
erforderniss- und Bedeckungsaufsätzen eigene Fonds zu dergleichen Unter-
stützungen zu pi'äliminiren, dass also, sobald es sich um grössere Summen
in dieser Beziehung handelt, die Staatscassen hierauf nicht dotirt sind,
dass aber insbesondere in solch einer drangvollen Periode, wo von allen
Seiten um Hilfe, oder was gleich viel ist, um Nachlässe an den zur Be-
streitung des Staatsaufwandes bestimmten Abgaben gebeten wird, die
Unmöglichkeit, allenthalben zu helfen, von selbst in die Augen springt,
und dass sohin die Gewährung solcher Unterstützungen nur als Aus-
nahme von der Kegel, nur bei der einleuchtendsten Nothwendigkeit und
nur zu Gunsten solcher Provinzen, für welche die allerwichtigsten Beweg-
gründe sprechen, stattfinden kann. Gibt man nun diese, wie es scheint
unumstössliche Voraussetzung zu, so erkennt man zugleich, dass nicht
blos der Grad des Misswachses, sondern dass auch die übrigen Umstände
beachtet werden müssen. Bei ungewöhnlichen Hilfen aus dem Staats-
schatze muss doch nothwendig darauf gesehen werden, welche Zuflüsse
dieser Schatz aus dem einen und welche er aus dem andern Lande er-
hält. Bedenkt man nun, dass die Grundsteuer in Oesterreich für das
laufende Militärjahr mit 12 Millionen ausgeschrieben ist, und dass die
[85 J 85
ganze Contribution von dein unendlich grösseren Königreiche Ungarn —
wo die Steuerfreiheit zu den Cardinalprärogativen des Adels und der
Geistlichkeit gehört — nur 6 Millionen beträgt, so springt es in die
Augen, dass der Staatsschatz bei einem gleichen, ja selbst auch höheren
Grade von Noth in Ungarn doch uuuiöglich für dieses Land so viel als
für Oesterreich thun kann, weil sonst den im Verhältnisse gegen Ungarn
ohnehin gewaltig überbürdeten deutschen und italienischen Ländern noch
mehr aufgelastet werden müsste, um Ungarn eine wirksame Hilfe leisten
zu können. Auch sind der Adel und die Geistlichkeit dortlands, eben
weil sie keine Abgaben bezahlen, bei Weitem mehr als die Gutsbesitzer
anderer Länder in der Lage, ihre Unterthanen kräftig unterstützen zu
können. Hat sie auch der Misswachs dergestalt mitbetroffen, dass sie die
erforderlichen Getreidegattungen nicht selbst besitzen, so kann es doch
auch denen, die heuer nur wenige oder gar keine Einkünfte von ihren
Besitzungen hatten, bei den reichlichen Revenuen, die sie durch die so
hoch gestiegenen Preise in früheren Jahren steuerfrei genossen haben,
nicht am Gelde oder Credit gebrechen, um einer Verarmung der Unter-
thanen, die auch ihnen zum grössten Nachtheile gereichen würde, ab-
zuhelfen. Ich sehe daher nicht ein, wie die Staatsverwaltung, ohne in-
consequent und unbillig gegen andere Länder zu handeln, etwas Mehreres
als in ihrer Eigenschaft als Obrigkeit zu Gunsten der Unterthanen der
Cameraldominien, wo die Kammer allerdings da, wo es nothwendig ist,
selbst den Privatdominien zum Muster dienen muss, thun könnte. Und
wollte man auch einwenden, dass es nicht auf wirkliche Opfer, sondern
nur auf Vorschüsse ankomme, so würde doch noch immer die Betrachtung
nicht übergangen werden können, dass Vorschüsse die Existenz entbehr-
licher Cassamitteln voraussetzen, an die sich in einem Zeitpunkte kaum
denken lässt, wo die fortwährende Verschlimmerung der Curse und die
noch immer im Steigen begriffene Theuerung selbst für die künftige
Möglichkeit, die unentbehrlichsten Staatsauslagen zu bestreiten, gegrün-
dete Besorgnisse erregt, und dass nach den schon in vergangenen Jahren
gemachten Erfahrungen die Einbringung solcher Vorschüsse in Ungarn
mit grösseren Schwierigkeiten als in jedem anderen Lande verbunden ist.
Siebenbürgen scheint eine um nichts bessere Ernte als Ungarn siebenbür-
gehabt zu haben. Aber der Zustand dieses Landes ist darum viel trauriger, ^*°"
weil es schon mehrere Jahie hindurch mit Misswachs zu kämpfen hat,
von Industrialunternehmungen beinahe ganz entblösst ist, überhaupt an
CultUr den meisten übrigen Ländern nachsteht, einen grossen Theil seiner
Bedürfnisse anderswoher beziehen muss, der Bergbau weit weniger als
in fiiiheion Zeiten abwirft, und die geographische Lage sowohl als die
86
[86]
Siebenbür-
gen.
äusserst schlechte Beschaffenheit der meisten Strassen ilie Zufuhren un-
gemein erschwert und vertheuert, auch überhaupt dem Handel und Wandel
im Innern sehr hinderlich ist. Noch gegen Ende October stand zwar
dort der Weizen zwischen 21 und 23 fl., das Korn zwischen 14 und 16 fl.,
die Gerste zwischen 11 und 14 fl. und der Hafer zwischen 4 fl. 30 ki*.
und 6 fl. Mithin waren diese Körnergattungen damals wohlfeiler als in
den meisten übrigen Ländern. Allein ausserdem, dass sich die angezeigten
Preise in der Zwischenzeit wohl nicht unbedeutend gehoben haben mögen,
und dass es hauptsächlich der türkische Weizen ist, -welcher die vorzüg-
liche Nahi-ung des gemeinen Volkes ausmacht, der Preis dieses Artikels
aber in den einlangenden Tabellen nicht ausgewiesen wird, muss auf die
Dürftigkeit des dortigen Landvolkes und selbst vieler kleineren Dominien
Rücksicht genommen werden, für welche auch die obenbemerkten Preise
unerschwinglich sind, und die sich bei dem wenigstens streckenweisen
starken und sich nicht auf ein einzelnes Jahr beschränkenden Misswachs
nun häufig in dem Falle befinden, ihre unentbehrlichen Erfordernisse zum
Unterhalte und zur Aussaat nur durch Ankauf verschaffen zu können. Dass
also in Siebenbürgen gegenwärtig viel Elend herrscht und dieses bis zu
dem entfernten Zeitpunkt der neuen Ernte noch zunehmen wird, ist nicht
zu bezweifeln, und obwohl, so viel die etwa schon angesprochenen oder
künftig angesprochen werdenden Unterstützungen aus dem Staatsschatze
betrifi"t, dasjenige, was ich zuvor in Betrag des Königreichs Ungarn er-
wähnte, auch auf Siebenbürgen wegen der Analogie der Verfassungen
dieser zwei Länder passt, so ist es doch nicht blos möglich, sondern selbst
wahrscheinlich, dass in dieser schon seit einigen Jahren sehr herab-
gekommenen Grenzprovinz solche bedeutende Uebel, als z. B. gefährliche
Zusammenrottungen, gewaltsame Auswanderungen, Epidemie u. s. w.
entstehen werden, welche es der Regierung zur absoluten Nothwendigkeit
machen dürften, da, wo sonst keine andere Hilfe denkbar ist, mit Geld-
vorschüssen werkthätig einzuschi-eiten , was schon insbesondere, wenn
sich eines oder das andere der doi-tigen Grenzi-egimenter in einer gänz-
lichen Nahrungslosigkeit befinden sollte, nicht vermieden werden könnte.
In Dalmatien galt im August der Weizen 8 fl. 43 kr., das Korn
5 fl. 58 kr., die Gerste 4 fl. 26 kr., der Hafer 3 fl., im September der
Weizen 11 fl., das Korn 8 fl., die Gerste 6 fl., der Hafer 4 fl. 10 ki-.,
gegen Ende October der Weizen 9 fl. 35 kr., das Korn 6 fl. 47 kr., die
Gerste 5 fl. 5 kr. und der Hafer 2 fl. 20 kr. C.-M. Wenigstens also vom
September zum October, mithin nach schon beendigter Ernte, waren die
Preise nicht im Steigen, sondern im Abnehmen. Ragusa hatte etwas ge-
ringere, Cattaro mit Dalmatien beinahe gleiche Preise. Daraus, dass sich
[87] 87
die Preise etwas vennimieit haben, kann man wohl nichts Anderes
schliessen, als dass entweder der Ausschlag der Ernte nicht gar so schlecht
war, oder dass die Preise diiich ergiebige fremde Zufuhren herabgedrückt
worden sind. Indessen stehen die angedeuteten Getreidepreise doch immer
höher als zu Triest und Laibach. Die Consumenten können sich also in
keinem behaglichen Zustande befinden und es ist selbst möglich, dass wieder
Gesuche um Unterstützungen einlangen, zu denen man in Dalmatien sehr
aufgelegt zu sein und sich diesfalls an der Carlstädter Grenze zu exem-
plificiren scheint. Allein es bedarf wohl keiner Erinnerung, um wie Vieles
rücksichtswürdiger die Carlstädter Militärgrenze gegen Dalmatien ist, •
wo das Volk keine Kriegsdienste leistet, sich daher zu allen Zeiten ganz
mit seinem Xahrungserwerbe beschäftigen kann, wo das Land ausser
dem Ackerbaue auch noch eine beträchtliche Oel- und Weinerzeugung
hat, und wo die ausgedehnten Küsten zum Seehandel und zur Fischerei
reichliche Gelegenheit darbieten, was auch von Eagusa und den Buchten
von Cattaro in einem gleichen und selbst noch höheren Masse gilt.
Ich habe mich die Mühe nicht reuen lassen, alle Länder der Mon-
archie einzeln zu durchgehen, was mir von den Körnerpreisen, sowie von
dem Ausschlage der Einte in Bücksicht auf jedes einzelne aus glaub-
würdigeren Quellen bekannt war, mit möglichster Genauigkeit anzugeben
und die sonst zur Sache gehörigen Bemerkungen aufzufassen, weil mir
dieser Gegenstand von grösster Wichtigkeit zu sein scheint, und sehr bald
die Zeit kommen kann, wo man ihn der allerernstlichsten Beherzigung
wird unterziehen müssen.
Die Resultate dieser individuellen Darstellungen sind, dass in dem Ergebnisse
grossen Kaiserstaate es jetzt nicht ein einziges Land gibt, wo nicht die gjai^öa^^
Theuerung einen überaus grossen Grad ei'reicht hätte; dass, wenngleich rungen.
an Wohlfeilheit nirgendwo zu gedenken ist, doch darin ein Unterschied verhäu""^^'
obwaltet, dass man in einigen Ländern, ungeachtet der enormen Preise,
wenigstens über den Ausbruch eines wirklichen Mangels so ziemlich be-
ruhigt sein kann, bei andern hingegen solche Ausbrüche sich als wahr-
scheinlich, bei einem und dem anderen selbst als fast gewiss annehmen
lassen. Darum und weil man im Vorhinein nicht wissen kann, mit
welchen mehr oder weniger bedenklichen Symptomen solche Ausbrüche
begleitet sein werden, weil sodann auf die bisherige Euhe ein plötzlicher
Drang eintreten und vielleicht die Xothwendigkeit zu handeln nur gar
zu lebhaft gefühlt werden dürfte, weil ferner die Handlungsweise der
Ländei-chefs und Länderstellen sehr verschieden ist, manche in ihren
Schilderungen und Anträgen alles Mass und Ziel überschreiten, manche
dagegen wieder hauptsächlich nur unangenehme Eiuili'ücke zu vermeiden
88
[88]
staatliche
Aushilfe.
Vorkehrun-
gen für die
Zukunft.
suchen und darum die Lage nicht ganz so darstellen, wie sie wirklich ist,
auf diese Art aber es nur gar zu leicht geschehen könnte, dass unrichtige
Voraussetzungen, die gerade bei dergleichen Angelegenheiten am allor-
sorgfältigsten vermieden wenlon sollten, auf die Beschlüsse einwirken,
hat es mir sachdienlich goschieiicu, auch die sonstigen Verhältnisse der
Provinzen, insoweit sie mir bekannt sind und es in Kürze geschehen
konnte, zu würdigen, indem nur auf alle diese Data zusammen genommen
ein sicheres Urtheil über die mehrere oder mindere Nothwendigkeit einer
Unterstützung gebaut werden kann, und der Staatsverwaltung bei der ein-
leuchtenden Unmöglichkeit, allenthalben zu helfen, wesentlich daran ge-
legen sein muss, die möglichen Hilfen jenen Ländern zufliessen zu lassen,
denen sie in jedem Anbetrachte am unentbehrlichsten sind und welche
sohin die gerechtesten Ansprüche daraufhaben. Wie weit die Möglichkeit
des Gewähreus reicht, wenn etwa die Gesuche und Anträge — was fast zu
besorgen ist — ungemein beträchtlich ausfallen sollten, kann zwar nur
das Finanzministerium, welchem allein die disponiblen Cassamitteln be-
kannt sind, mit Zuverlässigkeit angeben. Allein im schlimmsten Falle
wäre nach meiner geringen Einsicht die Verwendung von einigen Millionen
Gulden W. W. und einigen Hunderttausenden in Conventionsmünze noch
immer rathsamer, als Unterstützungen selbst auch dann zu verweigern,
wenn es sich zeigen sollte, dass die pflichtmässige Hilfeleistung der
Obrigkeiten nicht hinreicht, oder wenn es Classen von Nothleidenden be-
trifft, wo der Verband zwischen Obrigkeiten und Unterthanen nicht ein-
tritt. Ohnedies wäirde es nur auf Vorschüsse ankommen, und diese würden
nur den Allerbedürftigsten nachzusehen, mithin würde der Verlust für
den Staatsschatz nicht beträchtlich sein. Es versteht sich dabei von selbst,
dass, so lange mit indirecten Mitteln, vorzüglich dadurch, dass man durch
öffentliche Arbeiten der ärmeren, besonders in der rauheren Jahreszeit
meistentheils verdienstlosen Classe Nahrung gibt, Eath geschafft werden
kann, diese für das Allgemeine, sowie für die Percipienten nützlichere
Hilfe der Verabi-eichung von Vorschüssen weit vorzuziehen ist.
Ob und wie es möglich sei, ähnlichen Ereignissen für die Zukunft
vorzubeugen, ist eine sehr weit aussehende und äusserst schwer zu be-
antwortende Frage. Eine schlechte Ernte ist auf ein paar mittelmässige
oder kaum mittelmässige gefolgt. Das Korn, gerade der Artikel, welcher
in den österreichischen Staaten am meisten gebaut wii'd, hat beinahe
gänzlich fehlgeschlagen. Ungewöhnliche Elementarereignisse haben sich
zu dem überhaupt den Saaten ungünstigen Wetter gesellt. Aeltcre Vor-
räthe waren in nicht bedeutender Menge und fast durchgehends in Händen
von Besitzern, bei denen unmässiger Hang nach reichem Erwei-b jede
[89] 89
andere Empfindung verdrängt. Der Zusamraenfluss solcher Umstände
konnte wohl nur äusserst widrige Wirkungen hervorbringen, und es stand
ebenso wenig in der Macht der Staatsverwaltung, diese vorzüglichsten
Ursachen des Uebels abzuwenden, als sie die etwaige Wiederkehr der-
selben in künftigen Jahren verhüten kann. Auch war Oesterreich bei
Weitem nicht der einzige Staat, den dieser Unfall betroffen. Indessen
glaube ich doch und habe diese Meinung in dem Vorhergehenden auch
schon etwas näher entwickelt, dass der wenige Segen ohne das gleich-
zeitige Dasein eines in seinem Werthe immer tiefer sinkenden Papier-
geldes nicht gar so fühlbar sein würde. Insoweit also von dem Uebel in
seiner ganzen Ausdehnung die Eede ist, kann die Herstellung der Ord-
nung in den Geldverhältnissen mit gutem Grunde als ein linderndes
Mittel für künftige ähnliche Ereignisse gelten. Vorausgesetzt, dass, wie
Viele behaupten und Einige es mit specifischen Daten erwähren wollen,
manche grössere Gutsbesitzer durch das fortwährende Zurückhalten mit
ihren beträchtlichen Vorräthen die Preise noch immer höher treiben,
während der Staat solch unverhältnissmässig geringe Abgaben bezieht,
die es ihm unmöglich machen, seinen Civilbeamten und seinem Militär
Gehalte, die nur einigermassen dem Grade der Theuerung angemessen
sind, zu geben, werden die Vorschläge der Steuerregulirungshofcommission,
sobald sie zur Ausführung kommen, sehr nützliche Dienste leisten. Gegen
die bei unergiebigen Ernten doppelt fühlbaren Verluste des Verderbens
der Körner und des Mehls in den Militärmagazinen, was ganz und gar
nicht zu den seltenen Ereignissen gehörte, schützt die in jedem Anbe-
trachte vortreffliche Subarrendirung , von der es sehr bedauerlich wäre, Sutanen-
diruDg.
wenn ihr Werth, weil jetzt der Zeitpunkt so äusserst ungünstig ist, ver-
kannt und wenn sie wieder beseitigt würde.
Wenn man forner bedenkt, dass die Körnerpreise schon seit ge-
raumer Zeit und auch selbst damals, als die Saaten eine ergiebige Fechsung
versprachen, über alles Verhältniss zu den Cursen und zu den Preisen
der meisten übrigen Gattungen von Feilschaften hinausgerückt sind, und
dass es sohin nicht bald einen reichlicheren Ertrag als jenen des Acker-
baues gibt, so sollte man meinen, dass diese schon mehrere Jahre sich er-
haltenden hohen Preise dem Ackerbaue nothwendig zur grössten Auf-
munterung gereichen und der Betriebsamkeit derjenigen, welche sich mit
diesem Productionszweige beschäftigen, den grössten Schwung geben
müssen. Man sollte ferner gar nicht zweifeln, dass, so schwer es vielen Be-
sitzern von Grundstücken fallen mag. nach dem vorausgegangenen Miss-
jahre die Winter- und Sommersaat gehörig zu bestellen, doch selbst die
gegenwärtigen überaus hohen Preise diese Besitzer bestimmen werden,
90 [901
nichts zu unterlassen, um ihre Felder zu benutzen. Man kann endlich, ohne
Hchungder der Wahrheit zu nahe zu treten, nicht in Abrede stellen, dass die Agri-
■ sf'<=" "■■• eultur seit einiger Zeit durch Beispiel und Untei'richt bedeutende Fort-
schritte besonders in einigen Ländern gemacht, und dass die Staatsverwal-
tung dazu dui-ch Errichtung von (»konomischen Lehrkanzeln, Aufstellung
eigener Musterwirthschaften und durch Bildung odei- Bestätigung einiger
die Beförderung der Landwirthschaft zum Zwecke habender Gesellschaften
werkthätig mitgewirkt hat. So gewiss man nun aber hievon bei ein-
tretendem Segen reichliche Früchte erwarten darf, so kann es doch dem
denkenden Manne dagegen auch nicht entgehen, dass in Ansehung des
Ackerbaues und der landwirthschaftlichen Kenntnisse eine sehr wesentliche
Verschiedenheit zwischen den einzelnen Provinzen der österreichischen
Monarchie obwaltet, dass ein so hoher Grad von Cultui*, wie in manchen
fremden Staaten, in der österreichischen Monarchie noch, nirgendwo er-
reicht, mehr als eine Provinz aber schon selbst auch gegen andere un-
gemein zurückgeblieben ist. Es muss ferner doch wohl auffallen, dass,
wo sonst Ungarn und Siebenbürgen meistentheils Ueberfluss an Körnern
hatten, häufig über TJnwerth geklagt wurde und betrcächtliche Quantitäten
nicht blos in den verbrüderten Ländern, sondern selbst im Auslande ab-
gesetzt wurden, manchmal selbst in den Gruben verdarben, nicht blos heuer,
wn die Ursachen des Misswachses notorisch sind , sondern auch schon in
einigen, ja in Beziehung auf Siebenbürgen in mehreren Jahren, theils
Unzulänglichkeit der Bedeckung des eigenen Bedarfes, theils wenigstens
Mangel an den früher sonst immer bestandenen Ueberschüssen eingetreten
ist. Diese Erscheinungen, sowie jene, dass z. B. der Heiden, welcher in
Steiermark sehr häufig als zweite Frucht gebaut wird, nun schon seit einer
Reihe von Jahren fehlschlägt und doch wiedei" im nächsten Jahre mit
dem Baue fortgefahren wii'd, dürften doch immer einiger Aufmei-ksamkeit
würdig sein und über die Ursache Aufschlüsse von denjenigen, welche sie
am richtigsten zu ertheilen vei-mögen, abgefordert werden; sowie man
auch in der Ungleichheit des Grades von Cultur und in dem so ziemlich
an Verwahrlosung grenzenden Zustande einiger Länder hinreichende Be-
weggründe finden wird, in Absicht auf den so vorzüglichen Grundpfeiler
der öffentlichen Wohlfahrt, nämlich die Landwirthschaft, das Wirken
durch Beispiel und Unterricht — was hiebei allein anpassend und wahr-
haft nützlich ist — nicht nur allein nicht erkalten zu lassen, sondern
diesem Wirken ciiion nielii'eren Ti'ieb zu geben und es vorzüglich auch
dahin auszudelinen, wo bishei' entweder zu wenig oder gar nichts ge-
Aratiiche schehen ist. Wenn man von jeder Landesstelle und Domäuenaduiinistra-
Ausweise. |j^,j^ pj^p detailllrte. ;nif zuverlässige Daten gegründete Kebersiclit über
[91]
91
die frühere und jetzige Lage des Ackerbaues, über (las Fortschreiten oder
Abnehmen, über die vorzüglichsten Erzeugnisse desselben, über die Zu-
längliohkeit oder Unzulänglichkeit dieser Erzeugnisse für den eigenen
Bedarf, über die Culturskosten , über die etwaigen Hindernisse eines
besseren Gedeihens n. s. w., mit den dabei zu machenden Bemerkungen
und Vorschlägen unter Festsetzung solcher Termine, die eine gründliche
Bearbeitung ohne Abbruch der Gurrenden Geschäfte zulassen, abforderte,
so würde man wenigstens von einigen besser bestellten Behönlen sehr
schätzbare Elaborate erhalten, die bei manchen künftigen Veranlassungen
zu einem sicheren Anhaltspunkte dienen und in Betreif jener Länder, wo es
sich um die Verbesserung des Steuerwesens handelt, auch der Grundsteuer-
regulirungshofcommission zu einem nicht geringen Vorschub bei ihrem
mühsamen Werke gereichen würden. Von anderen Daten und Materialien,
durch welche den administrirenden Hofstellen die Leitung und Aufsicht
um Vieles erleichtert und der Erfolg der Administration von Jahr zu
Jahr oder sonst periodisch weit anschaulicher als bisher dargestellt werden
könnte, werde ich im weiteren Verlaufe dieses Aufsatzes zu reden Ge-
legenheit haben.
Unter den Gegenständen, Avelche auf die Stimmung widrig ein-
wirken, ist die schlechte Beschaffenheit der Strassen keine der unbe-
deutendsten. Die Erinnerung an die einst so guten Strassen, zwar nicht
in allen, aber doch in mehreren Ländern der österreichischen Monarchie,
ist noch nicht erloschen und steht in einem traurigen Contraste mit ihrem
dermaligen Zustande. Statt dass zuvor Fremde, die aus entfernten Gegen-
den kamen, den Vorzug der österreichischen Strassen gegen jene des
Auslandes rühmten, tritt nunmehr der entgegengesetzte Fall ein. Hiezu
kommt noch das seinem Nominal werthe nach hohe Weggeld, was freilich
bei Weitem noch in keinem richtigen Verhältnisse mit dem theuren
Arbeitslohne und dem übermässigen Preise der Fulu-en steht, aber doch,
weil es weit mehr beträgt als jenes, was man zur Zeit, wo die Strassen
noch gut waren, bezahlen musste, zur Vermehrung der Klagen Anlass
gibt. Die schlechte Beschaffenheit der Strassen ist endlich ebenso viel
und selbst noch mehr als die Theuerung des Futters daran Ursache, dass
die Frachtpreise zu einer bisher nie erhörten Höhe gestiegen sind. Wie
sehr der Handel darunter leidet und die Theuerung dadurch zunimmt,
fällt von selbst in die Augen. Wenn ich wegen dei- ausserordentlichen
Wichtigkeit der Verbindung des Küstenlandes mit den übrigen Ländern
<ler Monarchie und zuvörderst mit Wien die Sti-asse von hier nach Triest
als diejenige bezeichnet habe, an welche vor allen übrigen und ohne min-
desten Zeitverlust Hand angelegt werden sollte, so war es meine Meinung
Schlechte
Beschaffen-
heit der
Strassen.
92
[92]
keineswegs, dass (iie Sache damit abgetlian sei. Vielmehr sehe ich die
grösstmüglicliste Aufmerksamkeit auf die Vei'mehrung und Verbesserung
der Strassen als eines der wesentlichsten Postulate zur Wiederempor-
hebung des öffentlichen uml Privatw(dilstandes an. Je mehr nun auf der
einen Seite das Bedürfniss, die Verbindungen zwischen den Ländern der
so ausgedehnten Monarchie zu erleichtern, dringend ist, auf der andern
Seite aber neue Anlagen oiler auch nur entsprechende Verbesserungen
der grossentheils verfallenen Strassen einen Aufwand fordern, der bei
der gegenwärtigen Zerriittung des Geldwesens ungleich lästiger als in
besseren Zeiten ist, um so wesentlicher ist an einer weisen, folgerechten
und planmässigen Leitung dieses wichtigen Administrationszweiges ge-
legen, um so nothwendiger ist es, ein gründliches System bei Behandlung
desselben anzunehmen und beharrlich zu verfolgen,
üebersicht Man darf uur die Hauptmomente der bisherigen Gestion im Strassen-
(3gs SträssGü"
Wesens nach '^vcseu Zusammenstellen und die fast Jedermann bekannten Resultate auf-
den einzei- fasseu, um Überzeugt zu werden, dass es ebenso an einer consequenten
Ln, lieh ' T^eitung gebricht, als ein eigentliches System entweder gar nicht besteht
dem voihait- Oller dasselbe höchst mangelhaft ist. Oesterreich unter der Enns
Fiächenin- ^^^^ ^^^^ eiucm Flächeninhalte von 364 Quadratmeilen eine Länge von
haites zur 102 Meilen gebauter Strassen, Oesterreich ober der Enns bei einem
liingTmss- Flächeninhalte von 336 Quadratuieilen 51 Meilen, Böhmen bei einem
Verhältnisse Flächeninhalte von 951 Quadratmeilen 194 Meilen, Mähren und
"haupcrso-"" Schlcsieu bei einem Flächeninhalte von 552 Quadratmeilen 103 Meilen,
naie und Galizieu bei einem Flächeninhalte von 1523 Quadratmeilen 263 Meilen,
Steiermark bei einem Flächeninhalte von 399 Quadratmeilen 92 Meilen,
Tirol bei einem Flächeninhalte von 547 Quadratmeilen 168 Meilen,
Krain und Kärnten bei einem Flächeninhalte von 397 Quadratraeilen
122 Meilen, endlich Görz, Triest, Fiume, Istrien und Carlstadt
bei einem Flächeninhalte von 217 Quadratmeilen 84 Meilen (gebauter
Strassen). Wenn auch in dem Zusammenflusse so vieler Hauptstrassen
bei der Residenz die Ursache der zahlreicheren gebauten Strassen in
Oesterreich unter der Enns gegen andere Länder leicht aufzufinden ist,
so stehen doch andere Länder unter sich in einem nicht so leicht zu er-
klärenden Missverhältnisse. Xoch weit bemerkbarer ist aber dieses Miss-
verhältniss in anderen Beziehungen. Auf den 102 Meilen gebauter
Strassen in Oesterreich unter der Enns sind nebst 12 Wegcommissären
42 Wegmeister und 270 Einräumer angestellt. In Oesterreich ob der Enns,
was 51 Meilen, folglich gerade die Hälfte von gebauten Strassen hat,
bestehen auch nur 5 Connnissäre, aber 30 Wegmeister, dagegen aber auch
wieder nur die äusserst geringe Zahl von 40 Einräumern. Böhmen hat
[93]
93
bei einer .las Doppelte von ücsterreich nicht erreichemlen Strasseulänge 2B
Commissäre, 70 Wegmeister und 7 76 Einiäumer. Verschiedenheit der Local-
verhältnisse kann zwar hier eine etwas grössere und dort eine etwas gerin-
gere Zahl von Commissären und Wegmeistern begründen, aber der grosse
Unterschied in der Menge der Einräumer lässt sich hier aus einer Differenz
der Localverhältnisse um so weniger erklären, als wenn man nicht ohne
Wahrscheinlichkeit annimmt, dass die Strassen in der Nähe der Residenz
stärker befahren werden, Oesterreich unter der Enns verhältnissmässig
mehr Einräumer als Böhmen haben müsste, wohingegen der umgekehrte
Fall eintritt. Es scheint also schon selbst die Organisation des Strassen-
baupersonals nicht so viel auf Grundsätzen, als auf den Vorschlägen der
einzelnen Strassenbaudirectionen und Länderstellen zu beruhen, was auch
dadurch, dass bei der Kanzlei keines Materien, sondern Länderreferate be-
stehen, ganz begreiflich wird. Wenn man erwägt, dass bei einer grösseren
Zahl von Einräumern es leichter möglich wird, die Beschädigungen der
Strassen gleich bei ihrer Entstehung herzustellen, so sollte man kaum
zweifeln, dass der böhmische Personalstand ungleich zweckmässiger als
der österreichische ist. Dies scheint sich auch durch den Erfolg vollkommen
zu bewähren; denn während im Verlaufe des heurigen Jahres in Oesterreich
auf die gewöhnliche Erhaltung und Wiederherstellung von 102 Meilen
gebauten Strassen 2,431.107 fi. oder nach Abschlag von 83.932 fl. als
solcher Ausgaben, die den Strassen nicht zu Gute kommen, 2,347.175 fl.
vei-wendet wurden, hat die Erhaltung, Wiederherstellung und der ganz neue
Bau von zusammen 194 Meilen in Böhmen nicht mehr als 1,295.601 fl.,
mithin nicht um gar Vieles als die Hälfte weniger, gekostet.
Die Ursache dieses Unterschiedes, der dadurch noch merkwürdiger
wii'd, dass dem Vernehmen nach die Strassen in Böhmen grösstentheils
ungleich besser als in Oesterreich sind, liegt wohl einzig nur in der Me-
thode, welche in Oesterreich angenommen wurde, die Strassen, so breit
sie sind, mit ungeheuren Schotterlagen zu bedecken, die, bis sie endlich
zermalmt werden, ein wahrer Euin für Pferde und Wagen und eine wahre
Plage für die Reisenden sind. Es grenzt an das Unglaubliche, aber es
wird durch zuverlässige Daten, welche ich darüber in Händen habe, be-
kräftigt, dass auf die 102 Meilen gebauter Strassen in Oesterreich unter
der Enns im heurigen Jahre 11,015.508 Cubikschuh Schotter aufgeführt
worden sind, wogegen bei den 194 Meilen in Böhmen nur 4,712.160
Cubikschuh verbraucht worden sind. Es kamen daher im Durchschnitte
auf jede Currentklafter in Oesterreich 27 Cubikschuh, in Böhmen 6^2
Cubikschuh, und die Currentklafter in Böhmen kostete daher, selbst
den neuen Bau miteingeschlossen, nur 39 kr., dagegen jene in Oester-
Uebelstände
bei der
Strassenan-
lage.
94 [94]
reich 3 fl. öö kr. Ich weiss sehr wohl, ihiss die bessere oder schlechtere
Beschaffenheit des Materials, die uähere oder eutferntere Lage desselben,
das theurere oder das wohlfeilere Fuhrwerk, selbst die stärkere oder
schwächere Befahrung der Strassen einen bedeutenden Unterschied in
den Kosten ausmachen, und dass darum, wenn gleich lange Strecken in
dem einen Lande höher, in dem andern geringer zu stehen kommen,
noch nicht auf unwirthschaftliches oder sonst zweckwidriges Verfahren
geschlossen werden könne. Allein solche Daten, wie ich sie hier aufge-
stellt habe, verdienen doch in jedem Anbetrachte eine eindringende Prü-
fung und scheinen es gebieterisch zu fordern, dass dem Hofbaurathe
unverzüglich eine sorgfältige Erhebung und die Erstattung eines stand-
hältigen Gutachtens über die Verfahrungsart der niederösterreichischen
Strassenbaudirection aufgetragen werde,
strassenbau- Hiczu dürfte uiau sich um so mehr aufgefordert finden, als die ge-
sammten Einkünfte des niederösterreichischen Strassenbaufonds, nämlich
die Wegmauthen, die Landesdienste und die sonstigen Beiträge sich nur
auf 565. 2G1 fl. beliefen, folglich die Finanzen ungemein beträchtliche
Zuschüsse geleistet haben, ohne dass dem Lande die Wohlthat guter
Strassen zu Theil geworden wäre. Verhältnissmässig nicht viel geringere
Zuschüsse haben die Finanzen auch für Oesterreich ob der Faiws be-
stritten, da der Strassenbaufond in diesem Lande nur 120.785 11. beträgt
und nahe an 500.000 fl. auf die Strassen verausgabt woidcn sind. Da-
gegen überstieg in Böhmen der Aufwand für die fh'haltung der Strassen
und den neuen Zubau zusammen mit 1,295.601 fl. den Strassenbaufond
zu 615.835 fl. nicht einmal ganz um das Zweifache. In Mähren und
Schlesien, wo die Länge der gebauten Strassen jene in Oesterreich unter
der Enns um eine Meile übersteigt, beschränkten sich die Kosten auf
905.922 fl., wovon nahe an 87.000 fl. einen neuen Bau betrafen. Von
dieser Beköstigungssumme fallen noch mehr als 6 7.000 fl. für Ausgaben,
lue nicht den Strassen zu Gute kommen, hinweg. Der Aufwand war also
zwar verhältnissmässig hölier als in Böhmen, aber beträchtlich geringer
als in Oesterreich unter der Enns. Zwischen dem Strassenbaufond Oester-
reichs und jenem von Mähren war kein bedeutender Unterschied. Galizien
hat mit einer Auslage von 1,328.983 fl. eine Länge von 263 Meilen
Strassen grösstentheils erhalten, zum Theil aber auch neu gebaut. Auf diese
gegen Oesterreich unter der Enns dritthalbmal längere Strecke wurden nur
7,440.835 Cubikschuh Schotter verwendet. Wegen der in Galizien be-
stehenden Scharwerken kann der ganze Strassenbau und Conservatiou
aus dem eigenen Strassenbaufond bestritten werden, da sich dieser auf
1,485.990 (1. belief. Bei Steiermark trat ilie nämliche Unzulänglichkeit
[95]
95
wand.
des Fonds wie bei den übrigen Lilndern, mit Ausnahme Galizieus, ein.
Dort wurden für die Erhaltung der 92 Meilen langen Strassen «95.558 fl.
ausgelegt, während der Strassenbaufond nur 337.415 fl. betrug. Es kam
die Currentkiafter, die in Bnhmen 39 kr., in Galizien 28 kr. kostete, im
Durchschnitte auf 1 fl. zu stehen. Nach Oesterreich unter und ober der Enns
war es Steiermark, wo der Schotter am häufigsten gebraucht wurde, näm-
lich 13^4 Cubikschuh auf eine Currentkiafter, und in diesem Laude wurde
auch ganz vorzüglich über schlechte Beschaffenheit der Strassen geklagt.
Es kann gewiss nicht anders als höchst niederschlagend sein, dass d«'' ^'n'«''-
*= halt des
ausser Galizien der Aufwand für das Strassenwesen die Kräfte der dazu strassen-
gewidmeten Fonds bei Weitem überstieg, und doch in mehr als einem wesens und
® ® . . der bezüg-
Lande das Fortkommen nur bei anhaltend gutem Wetter mit keinen Be- üche Auf-
schwerlichkeiten verbunden war. Offenbar äussert auch hier das Papier-
geld seinen nachtheiligen Einfluss. Ohne eine unangenehme Sensation
zu veranlassen und ohne den Handel zu bedrücken, lassen sich nicht gar
zu häufige Veränderungen mit den Wegmauthgebühren vornehmen. Noch
weniger lässt sich aber den Schwankungen der Curse Einhalt thun. Wenn
also auch zur Zeit der ßegulirung der Weggelder ein richtiges Verhält-
niss zwischen dem Strassenbaufond und den daraus zu bestreitenden Aus-
lagen bestand, so wird doch dieses Verhältniss durch jede beträchtlichere
Cursveränderung gestört.
Viele, die sich an die in früheren Zeiten bei besser unterhaltenen
Strassen bestandenen geringen Weggelder zurückerinnern, finden, wie
schon oben bemerkt wurde, die jetzigen hoch und eben darum den üblen Zu-
stand der Strassen nur noch um so anstössiger. Wollten sie aber billig sein
oder vielmehr richtiger denken und rechnen, so würden sie finden, dass
mit der damaligen massigen Einnahme mehr als mit der gegenwärtigen
grösseren geleistet werden konnte, und dass die Proportion zwischen zu-
vor und jetzt nicht den Keisenden und Frachtern, sondern dem Strassen-
baufonde und eigentlich dem Staate zum Nachtheil gereiche. Ausserdem
gehören die Wegmauthen ganz vorzüglich zu jener Gattung von Abgaben,
die mit einer kostspieligen Regie verbunden sind und bei welcher die
TJnterschleife äusserst schwer verhütet werden können ; was jetzt um so
gefähi-licher ist, als ausser den gewöhnlichen Versuchungen nun auch
noch jene der bittersten Noth, welcher die manipulirenden Beamten aus-
gesetzt sind, auf dieselben wirken.
Es dürfte also doch wohl einer ernstlichen Ueberlegung würdig sein,
ob nicht der Strassenbaufond auf eine andere Art mit geringeren Unzu-
kömmlichkeiten dotirt und sohin mit Ausnahme der Grenzen, wo die Ein-
hebung der Weggelder durch die Zollämter sich Itewerkstelligen Hesse,
96
[96]
fonil-Doti-
runj;
tue Wegniautlieii gauz aufgeliubeu werden küimteu, oder ob es, weuu man
sie beizubehalten befindet, nicht am zweckmässigsten wäre, sie allent-
halben, wo es mit Sicherheit und Xutzen geschehen kann, zu verpachten.
Noch ungleich nothwendiger scheint es mir aber, den Strassenbau-
stiassenban- fiind in allen deutschen Ländern, wäre es auch durch eine Erhöhung der
Wegmauthen, insoferne ihre Beibehaltung beschlossen werden sollte, oder
durch Einführung einer Strassenconcurrenz , bei welcher durch ange-
messene Vorsichten einer Bedrückung der Unterthaueu und den Unfügeu
der Strassenbaubeamten leicht abgeholfen werden kann, auf solch eine
Art zu dotiren, dass dieser Fond zur Bestreitung der Conservations-
kosten in jedem Lande hinreicht. So lange das Papiergeld die circu-
lirende Masse ausmacht, lässt sich zwar, wie ich soeben bemerkt habe,
der Aufwand auch nur auf die Dauer eines Jahres kaum beiläufig be-
rechnen. Aber ein ungleich mehr annäherndes Verhältniss zwischen dem
Aufwände und der Bedeckung, als gegenwärtig stattfindet, zu erzielen
und dadurch wenigstens gar zu beträchtliche Deficite zu vermeiden, ist
keine unmögliche Sache. Sollte man aber die Erhöhung der Wegmauthen,
oder die Bestimmung anderer hinlänglicher Einnahmsquellen für den
Strassenbaufond aus mir zwar unbekannten, aber vielleicht doch erheb-
lichen Gründen unzulässig finden, so würde nichts erübrigen, als jedesmal
vorläufig den zur gehörigen Erhaltung der Strassen in jedem Lande un-
entbehrlichen Betrag, insoweit er aus dem eigenen Fond nicht bestritten
werden kann, genau auszumitteln, sohin die Totalsumme des Abgangs
aller Länder dem jährlichen Erforderniss- und Bedeckungsaufsatze ein-
zuschalten, damit nicht auf der einen Seite die Finanzen durch das un-
erwartete Begehren beträchtlicher Geldunterstützungen in Verlegenheit
gesetzt, andererseits aber auch nicht die Strassenarbeiten aus Mangel an
Gelde, vielleicht gerade in der angemessensten Zeit, verabsäumt werden.
Nur auf diese Art lässt sich nach meinem Dafürhalten Ordnung
und Zuverlässigkeit in das für den Staat so wichtige Strassenerhal-
tungsgeschäft bringen. Was aber die Herstellung neuer Verbindungen
betrifft, wird es zwar vielleicht in einigen, aber gewiss nicht in allen Fällen
möglich sein, auch solche Unternehmungen, deren ausserordentlicher
Nutzen klar erwiesen werden kann, ohne eine Mitwirkung des Staats-
schatzes, wäre es auch nur durch Vorschüsse, zu Stande zu bringen, was
es nur noch uu) si> erwüuschlicher macht, die Finanzen bei der blossen
Ei'haltuug der Strassen aus dem Spiele zu lassen. Denn wenn ich es
gleich nicht für nothwendig halte, hierüber in ein melu-eres Detail einzu-
gehen, und es mir auch in meiner gegenwärtigen Lage ganz an Mitteln
gebricht, actenmässige Beweise deshalb beizubringen, so ist mir doch aus
Neue Ver-
kebrswejje
und ihre
Herstellung
[97] 97
meinen früheren Dienstverhältnissen sehr wohl bekannt, dass wegen
einiger neu anzulegender Strassenzüge, die theils für den Handel, theils
auch selbst für das Aerarium wegen Abkürzung der Salz-, Tabak-, Militär-
oder anderer Transporte von überaus grossem Vortheile wären, vielfältige
Verhandlungen gepflogen worden sind. Dass diese Verhandlungen bisher
keine weiteren Erfolge hatten, mag wohl nur den so oft aufeinander ge-
folgten Kriegen beizumessen sein, während welcher sich an die Aus-
führung bedeutenderer Unternehmungen dieser Art nicht denken Hess.
Nun aber, wo die Euhe wieder hergestellt ist, liegt nur noch um so viel
mehr daran, diese Verhandlungen wieder anzuknüpfen, bei der Fort-
setzung derselben alle unnützen Verzögerungen zu beseitigen und nach
vorausgegangener reifer Erwägung definitive Beschlüsse darüber zufassen,
welche von den Vorschlägen ausgeführt zu werden verdienen und welche
dagegen aufzugeben sind. Alles oder auch nur zu viel auf einmal unter-
nehmen zu wollen, würde sehr unklug sein. Um so mehr liegt also daran,
sich nicht nur allein von dem Xutzen jeder einzelnen solchen Unternehmung,
ehe man zur Ausführung schreitet, vollkommen zu überzeugen, sondern
auch die überwiegenden Vortheile der einen gegen die anderen genau zu
bestimmen, die nützlicheren jedesmal der minder nützlichen vorzuziehen,
im Ganzen sich aber nie auf mehr einzulassen, als wozu die disponiblen
Fonds vorhanden sind. Nur muss dabei, so viel als möglich, auch ein
billiges Verhältniss zwischen den Ländern beobachtet und keinem zu
einer gegründeten Klage über Vernachlässigung Anlass gegeben werden.
Wenn auch die durch so viele Kriege geschwächten Kräfte des Staates und
die bei dem Uebergauge zu einer besseren Ordnung des Geldwesens un-
vermeidlichen Nachwehen in den ersteren Jahren keine grösseren An-
strengungen gestatten, so wird sich doch manches Nützliche ausführen
lassen. Manches zur späteren Ausführung vollkommen erhoben und vor-
bereitet werden, und der ganze gebildete Theil der Nation wird die Be-
mühungen der Staatsverwaltung für das allgemeine Wohl dankbar er-
kennen.
Wie sehr bisher die Seiten- und Nebenwege besonders in vicinai- una
manchen Ländern verwahrlost worden sind, wissen diejenigen am besten, ^'^"'' ^^'
die sich in der Nothwendigkeit befinden, sich solcher Wege bedienen zu
müssen. Und doch sind sie öfters nicht blos für die Bewohner der um-
liegenden Gegenden, sondern selbst für den inneren und äusseren Ver-
kehr von nicht geringer Wichtigkeit, da Waaren auf selben geführt
werden, die in fremde, oft sehr entfernte Länder bestimmt sind. Es wäre
wider die Bestimmung des Staatsschatzes, dass er für den Bau oder für
die Erhaltung solcher Strassen Gelder vorschiesse, und dass man diesen
7
Strassen.
98 [98]
Gegeustand bisher nicht ganz ans den Augen Hess, erhellt schon daraus,
dass denjenigen, welche Strassen dieser Art auf eigene Kosten anzulegen
geneigt sind, durch ein eigenes Circular die Ertheilung eines Wegmauth-
privilegiums zugesichert wurde. Hie und dort, wo besondere Umstände
eintreten, kann diese Zusicherung wohl eine gute Strasse entstehen
machen. Viel häufiger geschieht es aber, dass niemand Einzelner bei der
Anlage oder Verbesserung einer Seitenstrasse ganz besonders interessirt
oder dass dieser vorzüglichere Interessent nicht in solchen Vermögens-
umständen ist, um allein den Bau einer Strasse zu Stande bringen zu
können. Meistentheils sind es ganze Gemeinden, mehrere Dominien,
Eigenthümer von Fabriken oder anderer grösserer Anstalten, die alle,
wenn auch nicht in einem gleichen Masse, durch eine wandelbare Strasse
gewinnen, und wo diese leicht hergestellt weiden kann, wenn jeder Ein-
zelne und jede Corporation nach Mass des grösseren oder geringeren
Nutzens zur Herstellung beiträgt. Sehr <)ft kommt es hiebei nur auf Im-
pulse, nur auf eine eindringende Vorstellung des eigenen und allseitigen
Nutzens, nur auf eine Besiegung des Eigensinnes oder vorgefasster Mei-
nungen an, um Unternehmungen zur Reife zu bringen, die, wenn auch
ihr nächster Vortheil nur den Bewohnern einer kleineren Landesstrecke
zufliesst, doch in ihren entfernteren Beziehungen selbst auch für das
Ganze nützlich sind. In Böhmen, selbst auch in einigen anderen Ländern
wurde hierinfalls schon Vieles bewii-kt, und wenn die Kreisämter dies-
falls mit besonderen Anleitungen versehen, wenn sie zur Einsendung
periodischer Berichte über das diesfalls Bewirkte verhalten, wenn beson-
ders thätige oder mit eigenen Aufopferungeu verbundene Verwendungen
von Privaten angemessen belohnt würden — was in Böhmen eben schon
geschehen ist — werden sich solche Unteinehmungen immer weiter ver-
breiten,
wassercom- Nach dou Landstrasscu veidienen die Wasseicommunicationen die
municatio- yoi-zügüchste Aufmerksamkeit. Nach der Lage und physischen Be-
schaffenheit der österreichischen Monarchie wird zwar der grösste Theil
des Handels sich immer nur der Strassen bedienen müssen, weil die
Schwierigkeiten und Kosten, wenn man allenthalben schiffbare Canäle
anlegen wollte, in das Ungeheure verfallen würden. Aber die wesent-
lichen Vorzüge der Wasser- vor der Landfracht sind zu allgemein be-
kannt, um sich nicht ernstlicher als bisher mit diesem Gegenstande zu
beschäftigen. Es sind zwar unter der gegenwärtigen Eegierung schon
Bäcser Ca- zwei Schiffbare Canäle entstanden und auf beide, besonders aber auf den
Bäcser Canal, beträchtliche Summen verwendet worden. Allein nach
meinem Dafürhalten und wie es auch der Erfolg vollkommen bestätigt hat,
Dal.
[99] 99
waren beiiie UnteincliiiHiniion übel bciedinet. J)ie Gesellschaft, welche
den Bäcser Canal untenuihni, würde, wenn es ihr nicht gelungen wäre,
die überaus schönen und fruchtbaren Bäcser Cameralherrschaften auf eine
lange Reihe von Jahren gegen einen sehr geringen Pachtschilling zu er-
langen und bei den so hoch gestiegeneu Preisen höchst beträchtliche
Einkünfte daraus zu beziehen, den Canal, dessen Ertrag im Verhältnisse
zu dem Herstelhmgscapital und zu den Erhaltungskosten viel zu gering
ist, schon lange haben aufgeben müssen. Bei dem Franzens- oder Xeu- Fianzens-
städter Canal trägt das Capital eigentlich gar keine Zinsen, wenigstens »der Neu-
uach den bisher zum Vorschein gekommenen Bilanzen, wo das Erträgniss „^,
kaum für den Unterhalt des Canals und für die Regiekosten hinreichte.
Man will zwar einen mehreren Ertrag von der weiteren Fortsetzung des
Canals abhängig machen. Allein es lässt sich sehr leicht beweisen, dass
diese Fortsetzung nicht allein in ökonomischer, sondern selbst auch in
politischer Rücksicht sehr nachtheilig wäre. Unternehmungen dieser Art
sind nach den Grundsätzen der Staatswii-thschaft im eigentlichsten Ver-
stände eine Verschwendung der Kräfte, und es wird daher auch kein ver-
nünftiger Mensch rathen, in diesen Fussstapfen fortzuwandeln. Dass
man aber etwas Besseres hätte thuu können und noch thun sollte, lässt
sich wohl gar nicht bezweifeln, wenn man nur einen Blick auf die Land-
karte wirft.
Ungarn, das Land, woher in besseren Zeiten so viele Xaturproducte Ungarns
geholt und wohin so viele Kunstproducte geführt wurden, ist durch die y^sser-
" . x- o Strassen.
Donau mit Oesterreich ober und unter der Enns. durch die Mur und Drau
mit Steiermark und Kärnten, durch die Save mit Krain, durch die Maros
mit Siebenbürgen verbunden. Diese vortrefflichen Wasserverbiudungen
sind ein Geschenk der Xatur, was ungleich wichtiger sein würde, wenn
man sich mit der Regulirung dieser Flüsse anhaltender als bisher be-
schäftigt hätte. Unter der Regierung Ihrer Majestät der Kaiserin Maria Maria There-
Theresia wurden eigene Navigationscommissionen gebildet, bei deren Auf- ^"*' ^'*'*"^'
° ° o ' tionscom-
stellung die Erreichung des grossen Zweckes der allmäligen Regulirung missionen n.
der Flüsse die Grundlage ausmachte. Warum sie unter der Regierung "^'^ f.'°^^'
° o o regulirung.
Sr. Majestät Kaiser Josefs IL wieder aufgehoben worden sind, ist mir
unbekannt. Während dieser Regierung weiss ich, mit Ausnahme des
Kostiller Schleusenbaues . sonst von keiner bedeutenden h)'draulischen
Arbeit. Vom Jahre 1787 angefangen haben wahrscheinlich die fort-
währenden Kriege und Kriegsrüstungen die Staatsverwaltung abgehalten,
grössere Kosten auf solche Arbeiten zu wenden; wie dann auch bekannter-
massen der Neustädter Canal ebenso wie der Bäcser in seiner Entste-
hung ein Privatunternehmen war und erst späterhin ein Staatseigenthum
100 [100]
geworden ist. Nun ist aljer iler Zeitpunkt eingetreten, wo, wenn auch dem
höchstwichtigen Zwecke innerer Verbesserungen noch keine ansehnlichen
Summen gewidmet werden können, doch wenigstens mit den Vorberei-
tungen nicht melir gezaudert und dem verständigeren Theile des Volkes
die Beruhigung gegeben werden sollte, dass die Staatsverwaltung die
Wichtigkeit der Sache fühlt und sich ernstlich mit derselben zu beschäf-
tigen entschlossen ist.
Die Donau Darüber, dass unter allen Flüssen der Monarchie die Donau der
t"° a .'•* wichtigste ist, kann wohl kein Zweifel obwalten. Wenn schon die leichtere
Inundatio- o '
nen. und sichere Schiffahrt auf einem so langen, die fruchtbarsten Gegenden
durchschneidenden und mehrere ansehnliche Ströme aufnehmenden Flusse
von ausserordentlichem Nutzen füi- das Allgemeine ist, so tritt noch eine
zweite, nicht minder wichtige Rücksicht, nämlich jene hinzu, dass ein
grosser Theil der Ueberschwemmungen, die besonders seit einigen Jahren
sehr ausgedehnte Strecken des besten Erdreichs verwüsten und in der
Folge noch grössere Verwüstungen anzurichten drohen, durch angemessene
Arbeiten abgewendet werden können. Nicht blos das an die Donau gren-
zende Land, sondern auch die Umgebungen jener Flüsse, die sich in die
Donau ergiessen und die nicht selten, blos weil sie aus Mangel unschäd-
licher Einmündungen von der stärkeren Wassermasse der Donau zurück-
gedrängt werden, ihre Ufer überschreiten, richten grosse Zerstörungen
an, und man würde das Unermessliche des Verlustes schmerzlich fühlen,
wenn man auch nur eine beiläufige Berechnung der Tausende und Tausende
von Jochen des besten Acker- und Wiesenlandes, was auf diese Art seit
einigen Jahren in eine Sand- und Schotterwüste verwandelt worden ist,
vor sich liegen hätte, des nachtheiligen Einflusses auf die Gesundheit der
Einwohner der umliegenden Gegend dort, wo die ausgetreteneu Wässer
Pfützen erzeugen, nicht zu gedenken. Höchst erhebliche und wahrhaft
dringende Beweggründe vereinigen sich also, um ernstlich auf Mittel zu
denken, wie die grösseren Flüsse der österreichischen Staaten besser be-
nützt, die Schiffahrt von den bestehenden Hindernissen und Gefahren
befreit, den Ueberschwemmungen Einhalt gethau werden könne. Die
gegenwärtige bedrängte Lage kann gegen die sorgfältige Würdigung
dieses Gegenstandes gar kein Kinderniss ausmachen, weil es sich jetzt
noch nicht um beträchtliche Ausgaben handelt , zunuii selbst, wenn man
mehrere disponible Millionen erliegen hätte, es doch der Klugheit ent-
gegenstreiten würde, jetzt zu grösseren Arbeiten an der Donau zu schreiten,
wo die wesentlichsten Vorerhebungeu noch nicht beendigt, zum Theil selbst
noch nicht angefangen sind. Der allererste und unentbehrlichste Schritt
zu grösseren Unternehmungen ist wohl ganz gewiss die Verfertigung einer
[101]
101
genauen Stronikarte. In Bezug auf Oesterieich unter der Enns
ist die Verfertigung solch einer Karte eben im Werke. Aber diese Arbeit
wird nur einen partiellen und bei Weitem nicht so umfassenden Nutzen
gewähren, wenn nicht auch eine Stromkarte von Oesterreich ober der
Enns und von Ungarn verfertigt wird. Vor Allem scheint es also noth-
wendig. hiewegen die nöthigen Anordnungen zu treffen, damit, sobald es
die Jahreszeit zulässt, zui- Ausführung geschritten werden könne. Da
aber doch auch noch vor Zustandebringung der Stromkarten sich einige
minder erhebliche Verbesserungen vornehmen lassen, und bei manchen
darunter selbst Gefahr auf den Verzug haften dürfte, so wären hierüber
die standhältigen Auskünfte und Vorschläge sowohl des niederösterreichi-
schen Wasserbauamtes, als der ungarischen Landesbaudirection und des
Hofbaurathes einzuholen, um in der Ausführung desjenigen, was etwa
dringend, anerkannt nützlich und minder kostspielig ist, bei günstiger
Jahreszeit nicht aufgehalten zu sein.
Von der Mur soll dem Vernehmen nach schon eine Stromkarte, es
sollen auch Vorschläge zu ihrer Correction vorhanden sein. Wahrschein-
lich sind sie während der kriegerischen Zeiten in eine Eegistratur ge-
rathen und vielleicht wird man selbst einige Mühe, sie wieder aufzusuchen,
haben. Je Ungewisser es ist, ob diese Vorschläge bei einer aufmerksamen
Prüfung durchgehends annehmbar oder ob nicht wesentliche Abänderungen,
vielleicht gar noch einige vorläufige Erhebungen nothwendig werden be-
funden werden, um so mehr liegt daran, mit der Aufsuchung derselben
keine Zeit zu verlieren und den Gegenstand sodann der ordnungsmässigen
Behandlung zu unterziehen; zumal es sich auch hier um die Abwendung
öfterer, schädlicher Ueberschwemmungen handelt.
Ob in Ansehung der Drau Vorarbeiten bestehen, kann ich nicht
mit Zuverlässigkeit angeben, zweifle aber sehr, dass eine Stromkarte von
derselben aufgenommen worden ist; nicht so viel wegen der Schiffahrt,
da 'lieser Fluss so wie die Mur dermal nur stromabwärts befahren werden
kann und die Fahrt gegen den Strom sich vielleicht nicht ohne namhafte
Kosten bewerkstelligen lassen wird, als wegen des beträchtlichen Schadens,
den er von Zeit zu Zeit durch sein Austreten anrichtet, dürfte an die Ver-
fertigung einer Stromkarte ebenfalls bald Hand anzulegen oder, wenn
etwa doch letztere bereits existirte und auch sonst Anträge zur Eegulirung
dieses Flusses in früheren Zeiten gemacht worden wären, auf eben die
Weise wie in Ansehung der Mur zu verfahren sein.
Ganz zuverlässig ist mir dagegen bekannt, dass die ehemaligen
krainerischen Stände schon früher, vorzüglich aber in der Periode vom
Jahre 1806 bis zum Jahre 1809 auf die \'()rtheile, welche für das Land
Stromkai--
ten. Noth-
wcndigkeit
derselben.
102
[102]
Uie Rcgu-
lirungspro-
jecte der
Krainer
Stände indcn
Jahren 1806
bis 1809 in
Bezug der
Save und ihr
Plan, das
Laibachcr
Moor zu ent-
wässern.
iluroli ilie Keguliniiig der Savc und durch die Austrookiiung des grossen
Morastes bei Ober-Laibach entspringen würden, nicht blos eine be-
sondere Aufmerksamkeit gerichtet, sondern die diesfälligen Arbeiten auf
eigene Kosten zu bestreiten sich angeboten und um die Erlaubniss, Hand
an das AVerk legen und die erforderlichen Gelder, insoweit ihre Cassa-
uütteln nicht zureichten, aufnehmen zu düi'fen, mehrmals angelegenst ge-
beten haben. So viel ich mich erinnere, sind damals keine entscheidenden
Beschlüsse erfolgt, und nach der auf den Krieg im Jahre 1809 statt-
gefundenen Abtretung Krains an Frankreich hat von der Unternehmung
weiter keine Eede mehr sein können. Obwohl nun seit der ßevindication
dieses Landes darin eine wesentliche Aenderung eingetreten ist, dass Se.
Majestät die ständische Verfassung in diesem Lande nicht wieder herzu-
stellen befunden haben, so macht dies doch, zumal daselbst ein eigener
Provinzialfond gebildet wurde und die ausserordentliche Gemeinnützigkeit
des Unternehmens gar nicht in Zweifel gezogen werden, auch es hiebei
sich höchstens nur um Vorschüsse, keineswegs aber um eine bleibende
Auslage handeln kann, kein wesentliches Hinderniss gegen die Wieder-
aufnahme der diesfälligen, blos durch die Zeitverhältuisse unterbrochenen
Verhandlungen und gegen die Anordnung sorgfältiger Erwägungen, ob,
wann und auf welche Art die Vorschläge der ehemaligen Stände zur Aus-
führung zu bringen, oder was sonst zu veranlassen wäre, aus. Auf jeden
Fall aber ist die künftige Eegulirung der Save und sohin die vorläufige
Aufnahme einer Stromkarte nicht blos rücksichtlich des Laufes dieses
Flusses durch Krain, sondern auch in Betreff der Strecke, wo er Groatien
durchschneidet und wo er die Grenze zwischen Slavonien und dem türki-
schen Gebiete bildet, bis zu seinem Ausflusse in die Donau bei Semlin,
insoferne noch keine solchen Karten voi'handen sind, von ungemeiner Er-
heblichkeit, nicht nur weil in gesegneten Jahren der zum Verkauf nach
Italien bestimmte banatische Weizen auf einem Theile dieses Flusses strom-
aufwärts gegen Carlstadt geführt wird und diese Schiffahrt vielen Gefahren
und Beschwerlichkeiten unterliegt, sondern auch weil die Save in Krain,
im Provinzial-Croatien , in der Banalgrenze und in der slavonischen
Grenze, besonders in dem sonst mit einem vortreif liehen Boden begabten
Gradiscaner Regimente sehr oft unglaubliche Verheerungen anrichtet und
die Staatsverwaltung sich sodann immer in der unangenehmen Alterna-
tive befindet, entweder beträchtliche Summen auf die Unterstützung der
vorgedachten drei Grenzregimenter verwenden zu müssen oder einen Theil
dieser braven, sowohl zur Sicherheit der Grenze als zur Bewachung des
Sanitätscordons unentbehrlichen Mannschaft erhungei-n oder auswandern
zu sehen.
[103] 103
Aber nicht die Donau allein und die vom Westen her sich in dieselbe Die Oonau-
ergiessenden Flüsse, sondern auch jene, die ihr vom Osten und Norden J'"'^""*'°
zuströmen, können, wenn man sich nicht überaus grossen Uebeln aus- Maios,
setzen will, nicht noch länger vernachlässigt werden. Hieher gehören e^^s und
hauptsä-chlich die Maros, die Theiss und die Waag. Ausser dem Privat-
verkehre sind diese drei Flüsse auch für das Aerarium wichtig, weil auf
dem erstereu das siebenbürgische Salz, auf dem zweiten das Marmaroser,
auf dem dritten das Wieliczkaer in ungarische Magazine geführt wird, wobei
nicht selten grosse Hemmungen und selbst Verluste des Materials eintreten,
und besonders auf der Maros wegen des längere Zeit hindurch gehindert
gewesenen Transports manchmal auch selbst schon ein Salzmangel in Un-
garn entstanden ist, oder diesem nur durch Vermehrung des ungemein
lästigen und kostspieligen Achstransportes abgeholfen werden konnte. Von
noch weit schlimmeren Folgen sind aber die sc häufigen Ergiessungen
dieser Flüsse, welche grossentheils die gesegnetsten Strecken von Ungarn
verwüsten, und deren gänzliche Abwendung oder auch nur beträchtliche
Verminderung der alljährlichen Getreideproduction einen namhaften Zu-
wachs verschaffen und folglich selbst auf das Allgemeine wohlthätig
wirken würden. In Ansehung dieser drei Flüsse mögen wohl schwerlich
entsprechende Vorarbeiten bestehen, und sowohl in diesem Anbetrachte,
als auch aus anderen Ursachen kann es vor der Hand wohl nur auf die
Verfassung von Stromkarten und andere Erhebungen ankommen , aus
welchen sich erst zeigen w-ird, von welchem Umfange die Arbeiten sein
werden, die unternommen werden müssten, um die Schiffahrt zu erleich-
tern und den verderblichen Ueberschwemmungen Schranken zu setzen.
Da der erhöhte Salzpreis in Ungarn unter andei-en auch die Bestimmung
hat, die mit dergleichen Arbeiten verbundeneu Kosten zu bestreiten, so
lassen sich dergleichen Erhebungen ohne eine Belastung der Staatsfinanzen
bestreiten, und da die lange erledigt gewesene Landesbaudirectorsstelle
nun mit einem thätigen und erfahrenen Manne besetzt worden ist, so
kann man sich nun auch zweckmässige Einleitungen und Anträge ver-
sprechen, die früher nicht leicht zu erwarten gewesen sein würden.
Xicht so wie mit den oben genannten Flüssen verhält es sich mit Die Jiarch.
der March. Seit einer langen Reihe von Jahren ist über die Schiffbar-
machuug derselben theils ämtlich, theils ausserämtlich sehr Vieles ge-
schrieben worden. Ohne bis auf das Jahr 1785 zurückzugehen, wo Dorf-
leutner ein Privilegium auf die ausschliessliche Befahrung der March
gegen die Verbindlichkeit, dieselbe schift'bar zu machen, erhielt, welche
Verbindlichkeit er aber unerfüllt Hess, und ohne die oft wiederholten An-
träge des bekannten Grosshändlers Schweiger wegen Schiffbarmachung
104 [104]
der Maich und Veibiniliing ilieses Stromes mit der Oder in das Geilächt-
niss zurückzurufen, weil sie ebenfalls keine weiteren Folgen hatten,
können doch jene Vorschläge, welche Wiebeking während der Zeit, wo
er als Hofrath in österreichischen Diensten stand, in Beti'eff der Marcli
gemacht, und jene Modificationen, welche späterhin der Hofcommissions-
lath V. Schemerl in Antrag gebracht hat, sowie die zum Theil schon
wirklich mit geringem Aufwände getroffenen Vorbereituugsanstalten
noch nicht in Vergessenheit gerathen sein. Diese wahrscheinlicli blos
wegen der nie lange unterbrochenen Kriege zu keiner Eeife gediehenen
Verhandlungen verdienten jetzt wohl um so mehr wieder angeknüpft zu
werden, als der Zweck der vorzunehmenden Arbeiten wenigstens in
spätei-en Zeiten hauptsächlich dahin ging, eine sehr ausgedehnte Strecke,
die jetzt fortwährenden Inundationen ausgesetzt ist, für immer zu ge-
winnen, als den damaligen Anschlägen und Berechnungen zufolge der
Aufwand sich in der Folge reichlich auszahlen würde, und als sich die
grossentheils sehr vermöglichen Interessenten damals herbeigelassen
haben sollen, die Kosten der Unternehmung selbst zu bestreiten.
Was an der March nur durch grosse Kosten den Inundationen ent-
rissen w-erden kann, lässt sich an kleineren Strömen und Bächen oft mit
sehr einfachen Arbeiten und solchen Auslagen, welche die Kräfte eines
Einzelnen oder weniger Dominien und Gemeinden nicht übersteigen, er-
reichen, und wenngleich die gewonnenen Strecken keinen so ausgebrei-
teten Umfang haben, so sind sie doch oft bedeutend genug, um die Unter-
nehmer für ihren Aufwand reichlich zu entschädigen. Im Brünner und
Olmützer Kreis sind s(dche Arbeiten, welche den Ueberschwemmungen
Einhalt thun, schon wirklich mit gutem Erfolge unternommen worden,
und das Privatvermögen, sowie der öffentliche Wohlstand gewinnt in dem
Masse, als diese Beispiele i-eichliche Nahrung sowohl in Mähren, als in
anderen Provinzen finden. Da sich dei' unmittelbare Nutzen auf die An-
rainer und nächsten Umgebungen, die entweder schon Beschädigungen
erlitten haben oder wn denselben bedroht sind, beschränkt, so kann es
auch nur ihre Sache sein, die Kosten der Arbeiten zu tragen. Aber wegen
des mittelbaren Nutzens für das Allgemeine lohnt es sich doch der Mühe,
solche Unternehmer da, w'o sie es wünschen, mit dem Beistande der
Kunstverständigen zu unterstützen uml den gelungenen Unternehmungen,
zur Aufmunterung für Andere, die möglichste Publicität zu geben.
Die Ueber- Aucli iii Galizicu, im Lande ob der Enns, wo besonders die
schwem- frauu oft viel Schaden vei'ursacht und die Salztraus))orte von Gmunden
mnngsscliä-
den in ande- manchmal schr beschwerlich sind, in Tirol und im Königreiche
ron Ländern, jt^lien, WO dic hohcu Bcttc der Etsch und des Po schon wirklich viel
[105] 105
Unheil stiften und noch mehr Besorgnisse für die Zukunft erregen,
ausserdem aber die vielen reissenden Gebirgsströme nicht selten die
juächtigsten Saaten zerstören, lässt sich gewiss des Guten und Niitzlichen
sehr Vieles thun. Aber sich hierüber in eine umständlichere Erörterung
einzulassen, würde gegen den Zweck dieser Blätter sein, da meine Ab-
sicht keine andere war, als die Gegenstände zu bezeichnen, bei welchen
es von besonderer Wiclitigkeit ist, unverzüglich zu den saclidienlichen
Verhandlungen zu schi-eiten, oder wo schon früher Verlumdlungen ge-
pflogen worden sind, diese wieder in Gang zu bringen. Man müsste das,
was ich hierüber ei'wähnt habe, wohl nur eines sehr flüchtigen Blickes
gewürdigt haben, um den Vorwurf daraus abzuleiten, dass meine Ideen
viel zu umfassend und eben darum gar nicht haltbar sind, oder dass durch
dieselben die Finanzen in übermässige Auslagen gerade zu einer Zeit ver-
wickelt würden, wo sie ohnehin, selbst auch wenn der Zerrüttung des -
Geldwesens abgeholfen werden sollte, noch mit vielen Verlegenheiten zu
kämpfen haben würden. Dass ich Anträge dieser Art nicht gemacht habe,
und es mir nicht beifallen konnte, sie zu machen, geht schon ilaraus her-
vor, dass ich es selbst nur gar zu wohl fühle, wie Avenig auch nur meine
beschränkteren Anträge ohne einen längeren Zeitverlust zur Ausführung
gebracht werden können, wenn nicht dem in die Augen fallenden Mangel
an Wasserbauverständigen wirksam abgeholfen wird. Da aber dieser
Gegenstand mit jenem, den ich soeben zu berühren vorhabe, in enger
Verbindung steht, so behalte ich mir vor, meine Ansichten hierüber in
dem unmittelbar nachfolgenden Absätze etwas umständlicher darzustellen.
Unter den verschiedenen Rubriken des Staatsaufwandes sind die .staatsauf-
Kosten, welche auf Baulichkeiten aller Art alljährlich verwendet werden,
besonders in ruhigen Zeiten, wo keine Bauverbote bestehen, eine der be-
deutendsten. Nur allein die weiter oben individuell angegebenen Strassen-
bauauslagen von Oesterreich ober und unter der Enns, Böhmen, Mähren
mit Schlesien, Galizien und Steiermark, welche Länder noch nicht die
Hälfte der Monarchie ausmachen, betrugen in einem Jahre zusammen
7,556.029 fl. Rechnet mau hiezu den Strassenbau in den übrigen Län-
dern, der besonders in Italien, wo die Strassen sich vor allem Uebrigen
auszeichnen, nicht anders als sehr kostspielig sein kann, die hydraulischen
Arbeiten, welche zwar, wenn nicht vielleicht Italien eine Ausnahme macht,
seit mehreren Jahren nicht ins Grosse getrieben worden sind, aber doch
deren mehrere bald hier, bald dort, um grössere Nachtheile zu vei'hüten,
alljährlich vorgenommen M'erden müssen, endlich die Gebäude, deren der
Staat und die unter seiner Leitung stehenden Fonds so viele und ver-
schiedene, als: Kirchen, Schulgebäude, Z(dlämter, Salzämter, Magazine
wand für
Strassenbau.
106 [106]
aller Ait. (iasthöfe, Forsthäuser, Gefängnisse, Fabriksgebäude, insbeson-
dere auch bei dem Montanisticum und bei dem Tabakgefälle u. s. w. all-
jährlich neu erbauen, umstalten oder auch mit grösseren Kosten herstellen
zu lassen bemüssigt ist, so ist es leicht begreiflich, um was für Summen von
Millionen es sich hier handelt und wie wenig nach den Grundsätzen einer
wahren Oekonomie verfahren wird, wenn man sich nicht die möglichste
Sicherheit verschaift, dass dringendere Herstellungen nicht aufgehalten,
dass Alles gut und dauerhaft hei'gestellt, dass ungebühi-liche Aufrechnun-
gen und andere Unterschleife, zu denen sich hier ein so weites Feld ött'uet,
möglichst vermieden odei' wenn sie ja doch stattfinden, schnell und zuver-
lässig entdeckt werden mögen.
Wie äusserst unzureichend die gegenwärtig vorhandenen Mittel zur Er-
reichung dieser wichtigen Zwecke sind, lässt sich leicht anschaulich machen.
Zur Prüfung sowohl der Pläne als der Vorausmasse und Ueberschläge für
jede Bauführung, die den Betrag von 1 500 fl. übersteigt, mithin für alle nur
uothaiirath etwas erheblichon besteht ein Hofbaurath (und Buchhaltung), der aus
luiitung.' 1 Vorsteher, 3 Hofbaurätlien, 4 Eechnungsräthen, 1 llegistrator, 8 Rech-
nungsofficialen und einigen Diurnisten zusammengesetzt ist. Dieses kleine
Gremium muss nicht selten wegen Mangelhaftigkeit der einlangenden
Arbeiten ganz neue Pläne, üeberscliläge und Vorausmasse entwerfen.
Es muss die technischen mit den Comptabilitätsai'beiten vereinigen. Es
muss öfters bei wichtigeren Ai'beiten und wo mau es sonst nothwendig
findet, ein und das andere seiner fähigeren Individuen auf Jjocalerhebungen
absenden und sie solchergestalt Monate lang entbehren. Es muss manch-
mal selbst, was zwar freilich wider den Begriff einer controlirenden Be-
hörde ist, die unmittelbare Aufsicht und Leitung von grösseren Bau-
führungen übernehmen; wie dann, um nur ein Beispiel anzuführen, der
Hofcommissionsi'ath v. Schemerl soeben den Bau des polytechnischen
Instituts besoi'gt. Unter diesen Umständen konnten auch schon bisher
die vielen dem Hofbaurathe zukommenden Einlagen nicht zu rechter Zeit
abgefertigt, sie konnten noch weniger durchgehends mit jener Umsicht
und Genauigkeit bearbeitet werden, welche bei dem meistentheils beträcht-
licheren Aufwände, der mit den Bauführungen verbunden ist, nievei'misst
werden sollte. Schon mehr als einmal sind aus dem längeren Erliegen-
bleiben der Bauobjecte wesentliche Nachtheile entstanden, ohne dass des-
halb dem Hofbaurathe bei seiner zu beschränkten Verfassung etwas zur
Last gelegt werden konnte. Was ich aber für noch ungleich schädlicher
halte, ist die bei den soeben geschilderten Verhältnissen von selbst ein-
leuchtende Unmöglichkeit, durch Absendung der vorzüglicheren Glieder
.les Hofbaurathes in die Länder, öftere Nachsicht über die Ai't, wie
[1071 107
bedeutendere Strassen- und Wasserarbeiten, wie ferner andere kostspieligere
Baulichkeiten ausgeführt werden, zu pflegen und dadurch den Verschwen-
dungen von Hunderttausenden vorzubeugen, die von den Werkführern
aus Eigennutz. Fahrlässigkeit oder Ungeschicklichkeit verübt werden
können.
Wenn nun auch die Rückstände des Hofbaurathes jetzt nicht mehr
bedeutend sind und dies zu der Meinung verleiten dürfte, dass diese Be-
hörde bei einer massigen Personalsvermehi'ung, die wegen des Länder-
zuwachses unentbehrlich ist, sich leicht werde in einem currenten Ge-
schäftsgange erhalten können, so würde sich blos dadurch die vorbemerkte
im Grunde wirksamste Controle, nämlich jene Localerhebungen im Zuge
stehender Strassen-, Wasser- und Gebäudearbeiten, schon niemals er-,
reichen lassen. Es dringt sich aber nebstbei die Betrachtung von selbst
auf, dass, wenn man sich mit der Prüfung neuer Strassenanlagen, mit
den Vorarbeiten zur Regulirung der Flüsse und zu anderen grösseren
hydraulischen Arbeiten nun ernstlicher beschäftigen will, die Geschäfte
des Hofbaurathes au Menge und Wichtigkeit bedeutend zunehmen und
öftere Exmissionen seiner Glieder unumgänglich nothwendig werden
müssen, dass also, woferne nicht derselbe eine dem Umfange seiner Ver-
richtungen entsprechende Organisation erhält, statt eines thätigen Be-
triebes, von welchem allein günstige Resultate und vortheilhafte Eindrücke
bei dem Publicum zu erwarten sind, nichts als Stockungen und Hem-
mungen eintreten werden. Es müsste also unter Eröffnung der Absichten,
die erreicht werden sollen, dem General- Rechnungsdirectorium
aufgetragen werden, im Einverständnisse mit der vereinigten Kanzlei,
mit der Centralorganisirungs-Hofcommission und mit der Hof-
kammer den reiferwogenen Vorschlag, wie der Hofbaurath zu diesem
Ende zweckmässig zu organisiren wäre, zu entwerfen und der Aller-
höchsten Schlussfassung zu unterziehen.
Mit diesem Vorschlage müsste aber zugleich ein zweiter, nämlich
jener, wie sich dem Mangel an Kunstverständigen abhelfen lasse, in
Verbindung gebracht werden. Nichts kann wohl weniger zweifelhaft als
dieser Mangel sein, der sich in solch einem Grade äussert, dass man schon
mit der Besetzung der jetzt bestehenden, erprobtermassen selbst schon
für die gegenwärtigen, um so viel mehr also für die zukünftigen Ge-
schäfte dieser Behörde bei Weitem unzulänglichen Dienststellen öfters in
grosse Verlegenheiten kommt und nicht selten sich mit halb brauchbaren
Bewerbern behelfen muss, weil keine ganz brauchbaren zu finden sind.
Dass es im Allgemeinen bei den Baudirectioneu um nichts besser steht,
und dass wohl nur der kleinere Theil der Kreisingenieurs jene Kennt-
108 [108]
Mängpi der nisse iiiid sonstigeii Eigenschaften wirklich besitzt, die zur entsprechen-
tcherKii-' ''®'^ Besorgung ihrer vielseitigen Geschäfte erforderlich sind, lässt sich
(lungsanstai- uiü SO zuvcrsiclitlicher annehmen, als die Bildungsanstalten für das eben
''^Haufach"* SO ausgedehnte als wichtige Fach der Baukunst in den älteren Ländern
der österreichischen Monarchie noch bis zur Stunde sehr mangelhaft sind,
rnusscn. In Preussen, wo mehr Geist der Sparsamkeit als der Unwirthschaft
10 ei inoi j^pj.j.gpjjj. jjjjjj ^r,) j,|;ij^ sicher nicht aufgelegt ist, bedeutende Kosten auf
iiiic. überlliissige Lehranstalten zu wenden, werden an der Berliner Bau-
akademie, welche eine ünterabtheilung der Akademie der Künste aus-
macht, den Schülern der Baukunde in 4 Jahren von 15 verschiedenen
Professoren, die meistenthcils Glieder des Baudepartement sind, fol-
gende Gegenstände vorgetragen: 1. Arithmetik; 2. Algebra; 3. Geometrie,
Trigonometrie, Stere(»metrie; 4. Optik; .5. Perspective; 6. Nivelliren;
7. Statik; 8. Hydrostatik; 9. Mechanik; 10. Hydraulik; 11. Maschinen-
lehre; (alles dieses mit besonderer Eücksicht und praktischer Anwendung
auf das Baufach) ; 12. Bauphysik; 13. Bauconstruction ; 14. ökonomische
Landbaukunst; 15. Stadtbaukunst; 16. Strombaukunst; 17. Geschichte
der Baukunst; 18. Schleusen-, Hafen-, Brücken- und Strassenbau-
kunst; 19. Geschäftsstyl ; 20. feine Handzeichnung; 21. architektonische
Zeichnung; 22. Situations- und Kartenzeichnung; 23. Maschinen-
zeichnung,
veibesse- Ohne in die ausser meinem Gesichtskreise liegende Frage einzu-
Lehranstoi- o^^^^) ob uicht bei dicsom Systeme die einzelnen Lehrämter gar zu be-
ten im inter- schränkt uud darum der Lehrer mehrere sind, als wirklich nothwendig ist,
esse eines ^^^^.^ ^^^^^ ^ j^ zugcben müsson, dass diejenigen, welche sich in der Bau-
umfassende- ° ' J o '
len Unter- kuust, nach dem ausgedehnteren Sinne des Wortes, vervollkommnen, oder
die sich auch nur in allen Zweigen dieser Kunst brauchbar machen, um
so mehr also die in der Folge an der Leitung und Aufsicht über Bau-
gegenstände theilnehmen wollen, solch eines umfassenderen Unterrichts
schwer entbehren können. Dass sie diesen, dass sie sogar einen weit
Die Wiener dürftigeren und man dai'f sagen den unentbehrlichsten gegenwärtig in der
hüd^nd^ Hauptstadt nicht finden, ist notorisch, da weder die Akademie der bilden-
Künste und den Küustc, noch das neugegründete polytechnische Listitut die Gelegen-
ortcchni*^ heit, sich einen vollständigen und zusammenhängenden Unterricht zu
scheiustitiit. erwcrbcn, dermal darbieten.
In der That sind es meistentheils Zöglinge der Prager polytech-
nischen Schule, welche sich als Bewerber um Anstellungen mit einer
besseren Vorbereitung bei dem Hofbaurathe einfinden und diese bessere
Die Präger Vorbereitung duixli die J^i'üfnngen, welche dort mit jedem Competenten
polytechni- , .., ,,• c , ' i- i • i i i i
schcSchuic. vorgenommen werden, bewahi-en. Lm umtassendei'ci' unterncht dui-cli
[109]
109
Ergänzung jener Lehrgegenstäude, welche nach dem Urtheile der Kunst-
verständigen und der darauf zu gründenden sorgfältigen Prüfung des Er-
fordernisses als unerlässlich werden befunden werden, scheint also, um
einem bisher so oft gefühlten und gewiss auch, ohne dass man es wusste,
theuer genug bezahlten Gobrechen abzuhelfen, nicht blos höchst wünschens-
werth, sondern wahrhaft nothwendig, und das polytechnische Institut
wohl ungleich mehr als die Akademie der bildenden Künste dazu geeignet
sein, für diesen umfassenderen Unterricht gewidmet zu werden.
Wird aber auch hiedurch die Möglichkeit einer vollkommen theore-
tischen Ausbildung für angehende Baubeamte, deren der österreichische
Staat so viele bedarf, hergestellt, so bleibt es doch, da bei keinem Fach
mehr als bei diesem Theorie und Praxis Hand in Hand gehen muss, noch
immei- nothwendig, dafür zu sorgen, dass diejenigen, welche bei dem Hof-
baurathe und Buchhaltung angestellt werden, nicht blos zu Bureauarbeiten
verwendet werden, sondern von Zeit zu Zeit auch die Gelegenheit, sich
praktisch zu üben, erhalten; was auf den Fall, wenn Glieder des Hofbau-
raths zur Bereisung der Gegenden, wo wichtigere Bauarbeiten im Werke
sind, oder wenn sie manchmal auch selbst zur Ausführung wichtigerer
solcher Anstalten verwendet werden, durch Beigebung dieser jüngeren
Beamten am füglichsten geschehen kann.
Damit endlich die Regierung die ihr gewiss nicht gleichgiltige voll-
ständige Uebersicht erlange, was der Staat alljährlich auf Bauführungen
aller Art, sohin nicht blos auf Strassen- und hydraulische Arbeiten, son-
dern auch auf architektonische Objecte verwendet hat, wäre, da in der
Regel nur solche, deren Beköstigung einzeln über 1500 fl. betragen, zum
Hofbaurathe gelangen, die übrigen aber wegen ihrer grossen Zahl im
Ganzen eine sehr bedeutende Summe betragen, die Einleitung zu treffen,
dass auch letztere von den Baubuchhaltungsdepartements in den Ländern
alljährlich ausgewiesen und die Ausweise dem Hofbaurathe eingesendet
werden, um die Summarien verfassen zu können. Sollen diese Summarien
aber Alles enthalten, was nur immer von Seite des Staates hergestellt
worden ist,' so müsste ein ähnlicher Ausweis auch von dem Baudeparte-
ment der Hof kriegsbuchhaltung , welches mit dem Hofbaurathe in gar
keiner Verbindung steht, eingereicht, es müsste ferner die ungarische
Hofkammer, die Statthalterei , das siebenbürgische Guberuium und das
siebenbürgische Thesaurariat, es müsste selbst, so lange die dermalige \ev-
fassung in den italienischen Provinzen besteht, das Mailänder und das
Venediger Gubernium zur Anordnung und Einsendung ähnlicher Ver-
zeichnisse angewiesen wei'den. Erst bei solch einer Totalübersicht wird
man die ungeheure Summe, welche die ßauführungen alljährlich ver-
Praktiscbe
Uebiing der
Baubeamten.
Ausweise der
ärariscben
Bauführun-
gen von Seite
derBaubuch-
haltungs-
departe-
ments in den
einzelnen
Ländern zur
Evidenzbal-
tung des Auf-
wandes.
110
fiio]
Postwesen.
Das Auslanil:
England,
Frankreii'li,
Italien.
Das Papier-
geld in
seinem Ein-
flüsse.
Die Ritt-
(relder.
Uebergrifl't
der Post-
knechte.
jschlingon. zuvorlässig crt'aliroii iiiul inicli das \'oi-hältniss. in welchem
die Länder diesfalls gegen einander stehen, gehörig beurtheilen können.
Eben so laut und allgemein wie über die Strassen, sind die Klagen
der Weisenden über die Posten; und dass es nicht immer so war, dass
man einst, wenigstens auf den vorzüglicheren Routen, sehr gut befördert
worden ist, weiss Jeder, der in früheren Zeiten öftere Keisen zu machen
Gelegenheit hatte. Die Bedienung der Reisenden von Seite der Postämter
steht nicht nur allein jener in England, in Frankreich, in Italien
u. s. w. l)ei Weitem nach, soudei-ii selbst, au(;h in mehreren deutschen
Staaten ist man nunmehr bei Reisen mit Extrapost ungleich besser als in
den älteren österreichischen Ländei'ii daran. Unsti'eitig hat diese Ver-
schlimmerung eines höchst wichtigen Zweiges des öifentlichen Dienstes
in dem Pajtiergelde ihren vorzüglichsten Grund, und ohne jeden einzelnen
Postmeister von aller Schuld lossprechen zu wollen, kann man bei einer
aufmerksameren Erwägung des Gegenstandes weniger begreifen, wie
mehrere von ihnen noch so Vieles leisten, als dass man Ursache hätte, sie
durchgehends oder dem grösseren Theile nacli als pflichtvergessene Leute
anzuklagen. Seit dem Zeitpunkte, wo das Papiergeld beträchtlicher in
seinem Werthe zu sinken begann, sind zwar die Rittgelder einige Male
erhöht worden, aber diese Erhöhungen wurden selten zu rechter Zeit
und noch seltener nach einem richtigen Verhältniss vorgenommen. Wie
man 45 kr. für das Pferd auf einer einfachen Post bezahlte, galt der
Hafer eben so viel oder höchstens 1 fl. per Metzen. Jetzt steht der Hafer
in den deutschen Ländern theils zu 7 bis 8 fl., theils zu 9 und 10 fl.,
theils selbst zu 11 und 12 fl. Dessungeachtet wird durchgehends nur 3 fl.
für das Pferd und die einfache Post bezahlt. Ein richtigerer Massstab
für die Auslagen der Postmeister als der Preis des Futters lässt sich doch
wohl nicht aufflnden. Wie sehr sich also ihre Lage gegen zuvor ver-
schlimmert habe, fällt in die Augen. Offenbar gehören daher die Post-
meister in die grosse Zahl derjenigen, welche unter den gegenwärtigen
Verhältnissen leiden. Von den Reisenden stellen wohl nur die wenigsten
solche Betrachtungen an. Sie sind unzufrieden mit der gegen" die Vorzeit
minder guten Bedienung, ohne zu bedenken, dass, wenn der Postmeister
damals den Werth von 1 ^ 2 bis 2 Metzen Hafer für 2 Pferde und eine ein-
fache Post erhielt, ihm jetzt nirgendwo der Werth von 1, hie und dort aber
selbst nicht von 2/3 Metzen zu Theil wird. Dagegen haben sich die Post-
knechte auf den meisten Strassen eine mehrere Annäherung gegen das
frühere Verhältniss ertrotzt, da sie sich schon kaum mein- mit einem Trink-
gelde, was der Hälfte des Postgeldes gleichkommt, begnügen. Solche Forde-
rungen fallen nothwendig einheimischen und fremden Reisenden auf, und es
11111 lll
kaua bei iliiieii wohl keine günstige Mciuung für die im Pustilieaste be-
stehende Aufsicht und Oidnung erwecken, wenn sie ilie unangenehme Er-
fahrung machen, dassman ungleich bessere Trinkgehler, als was taxmässig
vorgeschrieben ist, geben und dessungeachtet sich Unbilden aussetzen kann.
So w^ahr und unwidersprechlich diese Thatsachen sind, so wird doch
eine massgebende Abhilfe, so lange das Papiergeld dauert, schwerlich ge- Die Nach-
troffen werden können. Eine Erhöhung der Rittgelder ist bei dem der- jjerrsche"
maligeu Preise der Fourage wohl sehr billig; aber wenn man ganz wieder denOeidver-
zu dem früher bestandenen Verhältniss zurückkehren wollte, was nach
dem massigsten Anschlag eine Verdopplung der Eittgelder nach sich ziehen
würde, so stünde zu besorgen, dass viele Keisende statt der Post sich
anderer Fuhrwerke bedienen, dass Lust- und andere nicht absolut noth-
wendige Reisen aufgegeben werden, dass dadurch die Postmeister in eine
noch üblere Lage, als ihre gegenwärtige ist, kommen wüi'den. Leider ist
nun einmal das fiüher während einer langen Reihe von Jahren zwischen
den verschiedenen Preisen bestandene Verhältniss in einem überaus hohen
Grade gestört. An eine vollkommene Wiederherstellung desselben ist
während der Dauer der Zerrüttung dei' Geld Verhältnisse um so weniger
zu denken, als nur erst, wenn diese Verhältnisse geordnet sind, statt der
schwankenden Valuta es wieder einen festen Anhaltspunkt geben, sohin
auch erst dann die Möglichkeit eintreten wird, <lass sich auch die ver-
schiedenen Preise wieder allmälig in eine Art von Gleichgewicht setzen.
Bis dahin scheint kaum etwas Anderes übrig zu bleiben, als dass man ein
gar zu beträchtliches Missverhältniss, w-as jetzt wirklich der Fall ist, ver-
hüte, dass man ebenso auch die Trinkgelder mit gehöriger Würdigung
der gegenwärtigen Umstände erhöhe, sodann aber auch alle ungebührlichen
Anmassungen der Postknechte streng bestrafe.
Ist das erste und w^esentlichste Postulat, dass der Postmeister, der
in seinen Hauptbeziehungen dem Staate, zugleich aber auch den Reisen-
den, deren Beförderung ihm obliegt, dient, gehörig bestehen könne, er-
füllt, dann kann die Staatsverwaltung auch um so fester daiauf halten,
dass der Postmeister auch seine Pflichten pünktlich erfülle. Xicht blos
die schlechte Bedienung der Eeiseiiden, auch der nicht selten sehr* lang-
same und unordentliche Gang der Briefpost gibt zu Beschwerden An-
lass. Verluste, selbst wenn auch nur wesentlich verspätete Bestellungen D'« ßricf-
von Briefen bringen oft erhebliche Nachtheile hervor, und wenn man den
Handel mehr emporheben will, muss für die möglichste Genauigkeit bei
Beförderung der Correspondenz wirksamst gesorgt werden.
Ein neues verschärftes Regulament ist zur Belebung des Post- EiunenesRe-
dienstes in allen seinen Zweigen wohl ein Bedüjfniss. Dem A'eruehmen g"a™ent
° nothwendig.
112
[112]
Venval-
tungs- und
Uebei-
wachungs-
äintcr.
Erhöhung d.
Postgefälles.
uacli .soll der Eutwurf dazu scliuii laiiü;e gemacht worden sein, aber die.ser
Gegenstand noch immer in der Verhandlung schweben.
Wären aber auch die diesfälligen Anordnungen noch so bündig und
ei'schöpfend, so kann ich mir doch von iler blossen Aufsicht der Postver-
waltungen, selbst nacli dem, was die Erfahrung darüber gelehrt hat, jene
Kraft und Wii-ksamkeit nicht versprechen, die hinlänglich wäre, um für
einen vollkommen entsprechenden Erfolg dieses wichtigen Admiuistrations-
zweiges Gewähr zu leisten. Schwerlich wird eine andere Wechselwahl
übrig bleiben, als entweder nach dem Beispiele anderer Staaten eine
G e n e r a 1 - P 0 s t d i r e c t i 0 n zu errichten, oder doch wenigstens einige P o s t-
visitationscommissäre aufzustellen, welche die verschiedenen Routen
abwechselnd zu bereisen, die Postverwaltungen und Postämter zu ihrer
Schuldigkeit anzuhalten, alle entdeckten Gebrechen sogleich anzuzeigen
und die Aufträge, welche ihnen die administrirende Hofstelle sonst zu er-
theilen befinden wird, zu vollziehen hätten. Ich brauche es wohl nicht
erst zu erinnern, in was für einem Zustande sich das Postwesen insbe-
sondere in LFngarn befindet, wo es doch der Postverwaltungen genug gibt.
Solch ein Dienst, wie jener der Posten, kann nach meinem Dafürhalten
durch blosse Dicasterialleitung, wenn sie auch an und für sich gut ist, und
durch die Aufstellung solcher Controlore, die wie die Postverwalter in
gar zu naher Berührung mit den zu Controlirenden sind, nicht hinläng-
lich im Auge gehalten werden; es muss noch eine lebendigere Aufsicht
und wirksamere Controle eintreten , es muss der leitenden Behörde das
Mittel zu Gebote stehen, wenn sie es nothwendig findet, nicht blos diesen oder
jenen abgerissenen Bezirk, sondern eine ganze Route durch solche Indi-
viduen, die sonst in gar keinen Verhältnissen mit den Postmeistern stehen,
inspiciren zu lassen und dadurch gleichsam mit eigenen Augen zu sehen.
Kommt es übrigens, wie aus der soeben vorgenommenen Erhöhung
des Salz- uml Tabakgefälls und aus den schon durch das fortwährende
Sinken des Papiergeldes sich vermehrenden Geldbedürfnisse der Staats-
verwaltung zu schliessen ist, auch auf eine Erhöhung des Postgefälls
an, so wäre wohl sehr zu wünschen, dass statt des durchgehends gleichen
Poi'tos eiiillich einmal, wie es in anderen Ländern besteht, der Billigkeit
angemessen und dem Gefälle wegen Verminderung dei' Briefschwärzungen
nützlich ist, die Entfernungen beachtet und, ohne sich deshalb in gar zu
viele Abstufungen einzulassen, bei Bestimmung des Portos ein Unterschied
zwischen nahen und entfernten Correspondenzen gemacht werde. Diesei-
Unterschied liegt zu sehr in der Natur der Sache, als dass man sich durch
die Besorgniss einer Missbilliguug, die hier offenbar nur gi-undloser Tadel
wäre, davon abhalten lassen sollte.
[113] IIP,
Einen gleich schäilliclien Einlluss wie auf ilas Postwesen hat die
lange Dauer und der hohe Grad unserer Geldzerrüttung auf alle öffent-
lichen und auf sehr viele Privatanstalten gehabt. Von denjenigen,
welche in älteren Zeiten Stiftungen machten, haben die wenigsten auch Ocffentiich?
nur auf den einfachen und gewöhnlichen Umstand, der auch ohne die anstauen.
Dazwischenkunft dieser Zerrüttung immer eingetreten wäre, nämlich auf ^ '*'<'
das allmälige Steigen der Preise und die daraus entspringende Unmög-
lichkeit, mit einer bestimmten Geldsumme in späteren Jahren das Xäm-
liche zu leisten, was in früheren Jahren geleistet werden konnte, Rücksicht
genommen. So haben z. B. die Meisten, welche Klöster odei- Stipendien
stifteten, weil damals ein gemeinschaftlich lebender Geistlicher mit 200 fl.
auslaugen, ein Student sich mit 100 fl. durchbringen konnte, vorausge-
setzt, dass diese Möglichkeit nie aufhören wird, was doch selbst bei der
ununterbrochenen Fortdauer der Metallmünze der Fall nicht gewesen sein
würde. Wenn schon hieraus nothwendig manche Unzukömmlichkeiten
entspringen mussten, so kommen sie doch denjenigen bei Weitem nicht
gleich, die sich nunmehi- äussern, w'o zu dem gewöhnlichen progi'essiven
Steigen der Preise auch jenes, was in der Zerrüttung der Geldverhältnisse
seinen Grund hat, hinzugetreten, und überdies bei einem grossen Theile
dieser Institute selbst das Stammvermögeu gewaltig erschüttert worden ist.
Ausser den Anstalten, welche die bürgerliche Gesellschaft der Privat-
wohlthätigkeit verdankt, sind durch die Fürsorge der Begenten öffent-
liche, zum Theil ungemein beträchtliche Fonds für Kirchen, Schulen,
Kranken- und Armenanstalteu errichtet worden, welche durch Aufliebung
des Jesuitenordens und anderer Klosterherrschaften Güter, Gebäude und
Capitalien erhielten, denen auch einige Privatstiftungen und andere Zu-
flüsse einverleibt wurden und welche die Mittel darboten, jene Anstalten
verschiedener Gattung, deren ein cultivirter Staat unumgänglich bedarf,
gehörig zu unterhalten, ohne dass es nothwendig war, ilie Finanzen mit
diesem Untei halte zu belasten, das heisst, ohne wegen des Unterhaltes
dieser Anstalten die Steuern und Gefälle vermehren zu müssen. Da ein Die Lage
grosser Theil des Vermögens dieser Fonds aus Capitalien besteht, wovon tursfonde
die Zinsen im Papiergelde entrichtet wurden, so befanden sich die Fonds
rücksichtlich dieses Theils ihres Vermögens schon lange in der nämlichen
misslichen Lage wie alle diejenigen, welche von trockenen Renten
leben, und seit der IJeduction der Interessen hat sich diese Lage
bedeutend verschlimmert. Darum ist schon seit geraumer Zeit die
Xothwendigkeit eingetreten, theils dass sich die Fonds gegenseitig,
theils dass selbst die Finanzen den Fonds mit Vorschüssen aushelfen
mussten.
8
114 [114]
Die Vor- In der Altonuitivo, eutwoilor .solche Hilfen zu leisten, oder Zwecke,
dV'Fo'nds" '^'^ vvelchen dem Staate wesentlich gelegen ist, unerreiclit zu lassen, mag
un.i (leren zwar nichts Anderes als die Verabreichung von Vorschüssen zu thun übrig
'Kee"iir"unr S'^hliobeu sciu. Aber «la wenigstens bei einigen Fonds nicht abzusehen
ist, wie ihrer Unzulänglichkeit ohne neue Zuflüsse oder ohne namhafte
Beschränkung der Auslagen gesteuert, um so weniger also, wie die Vor-
schüsse zurückei'stattet werden könuton. überhaupt aber iler ganze Bestand
der rdlVutlichen Fonds und ilir früheres Verhältuiss zu den auf jeden der-
selben haftenden Lasten durch die Zcitverliültnissc zeri'üttet worden ist.
und es bei ihrer höchst wichtigen Bestimmung wesentlich daran liegt,
dass, wenn das Geldwesen in Ordnung gebracht wird, auch bei den Fonds
wieder das Gleichgewicht zwischen ihren Einnahmen und Auslagen her-
gestellt, dort aber, wo sie grösserer Unterstützung unumgänglich bedürfen,
ihnen diese, ohne deshalb die Staatsfinanzen, zumal wenn letztere hierauf
nicht dotirt sind, in Anspruch zu nehmen, verschafft werden, so scheint
es W(dil schon an der Zeit zu sein, hiezu die nöthigen Voreinleituugen zu
treffen, die nach meinem Dafürhalten vorzüglich darin bestehen dürften,
dass in Ansehung jedes einzelnen Fonds eine detaillirte LJebersicht sowohl
seines früheren Vermögens, als der Veränderungen, die dasselbe bis zu
dem gegenwärtigen Zeitpunkt erlitten hat, sohin seines dermaligeu Be-
standes, des Gesammtbetrages der erhaltenen Vorschüsse und der Lasten,
die entweder bleibend oder nur vorübergehend auf den Fonds haften, ver-
fasst werde. Auf diese Grundlage lässt sich die Regulirung jedes einzelnen
Fonds, oder wenn man es angemessener finden sollte, die Fonds zu com-
massiren, die Regulirung des allgemeinen Fonds mit Zuverlässigkeit bauen,
sobald die Geldverhältnisse geordnet sind.
Ausser der individuellen Prüfung der Lasten, die jedem Fond ob-
liegen, ob sie nämlich ganz wie bisher zu verbleiben, oder welche Modiü-
cationen dabei einzutreten hätten, und der Erhebung, in welchem Ver-
hältnisse diese Lasten zu den Kräften des Fonds stehen werden, wäre
aber auch der sorgsamste Bedacht auf jene Vereinfachungen zu nehmen,
die sich, ohne der schnellen Uebersicht und der Genauigkeit zu schaden,
anbringen lassen. Denn die Verwicklungen sind allenthalben so gross
geworden und tragen dei'gestalt zur Vermehrung der Gescliäfte bei, dass
man den täglich wachsenden Schwall am Ende gar nicht mehr zu be-
zwingen im Stande sein wird.
Viele unter den Anstalten, welche ihren Unterhalt nicht aus den
öffentlichen Fonds erhalten, sondern theils von Privatstiftungen, theils
vom Sammeln, theils von anderen ungewissen Zuflüssen subsistiren, darben
seit einij^-er Zeit in einem Gi'ade, iler allen Begriff üliorsteigt. Mehrere
[115] 115
(lerselben, die sich mit der Eizichunj?, mit dem Uutenielite, mit der Privat-
Kiankeupflege beschäftigen, gehören zu den gemeinnützigen und ver- '^ ' ,^"0^""'
dienen sonach eine besondere Eücksicht. Manche hätten sich wohl schon Nothiage als
ganz aufgelöst, wenn nicht die Privatwohlthätigkeit, wenn nicht der A erem „ützige An-
der adeligen Frauen, wenn nicht zufällige Geschenke der höchsten Xoth stalten,
von Zeit zu Zeit abgeholfen hätten. Indessen bleibt die Existenz eilies
guten Theils dieser Institute immer precär, und die meisten derselben
tragen mehr das Gepräge der Mühseligkeit, ja wohl gar des Verfalles, als
des Auf])lühens an sich.
In einer Zeit, wo zwar Einige, vielleicht nicht Wenige aus einem
beträchtlichen, vom Misswachse verschont gebliebenen Grundbesitze, aus
dorn Handel mit solchen Waaren, die jetzt häufiger gesucht werden, aus
Erzeugnissen, die entweder das wahre oder das eingebildete Bedürfniss,
bei einer beschränkteren Concurrenz der Verkäufer, in einem lohnenden
Preise erhält, aus glücklichen Speculationen, denen jetzt ein so weites
Feld geöffnet ist, reichlichen Gewinn ziehen, die ungleich grössere Zahl
aber, und besonders jene schätzbare Classe, welche sich von Mäkelei und
Wucher, von überspannter Benützung jeder fremden Verlegenheit und
jeiles fremden Bedürfnisses noch rein hält, viel beschränktere, der Staats-
beamte, der Officier, der Staatsgläubiger und wer sonst von fixen Besol-
ilungen lebt, sehr geringe Einkünfte hat, in solch einer Zeit lassen sich
von der Privatwohlthätigkeit, zumal wenn sie so vielfältig in Anspruch
genommen wird, wohl keine ergiebigen Spenden erwarten. Für den denken-
den Mann ist es eine im Grunde mehr niederschlagende als herzerhebende
Erscheinung, dass für solche Institute, dass für die Armen gesungen, oder
getanzt, oder Komödie gespielt werden muss, um ihnen manchmal etwas
reichlichere Gaben zuzuwenden, und man wird dadurch nur zu sehr auf die
Vermuthung gebracht, dass ein grosser Theil des Xationalvermögens sich
in Händen solcher Menschen mit dreifachem Erze um die Brust befindet,
die nur dann geben, wenn sie zugleich ihr sinnliches Vergnügen dafür
befriedigen können. Aber leider haben wir in dieser Beziehung eine
Periode erreicht, wo man sich an das: Helfe, was helfen kann, halten
und beinahe froh sein muss, durch solche sonst ungewöhnliche Reizmittel
auch auf die Gefühllosen wirken zu können. Aber allgemein ist das echte
und bessere Gefühl in den Bewohnern der österreichischen Staaten doch
noch nicht erstickt, und wenngleich Viele jetzt das nicht zu thun ver- Bildung
mögen, was sie unter besseren Umständen gerne gethan haben würden, y^r'elnes zur
so würde ich mir doch von der Bildung eines grossen Vereines, der unter-
zuerst in der Residenz sein Dasein erhalten, sich aber ganz bald auf alle
Länder verbreiten müsse, bo.lcutondeEesultate verspiechen. Unterstützung «Jen
8*
Stützung der
NothleiJeu-
116
[116]
der Annen durch Sul>scrii)t innen und freiwillige Uei träge im Gelde
oder Naturalien während der gegenwärtigen Theuerung wäre seine Be-
stimmung, diese also nicht permanent, und das Armeninstitut so wie alle
übrigen Zweige der Wohlthätigkeitsanstalten blieben ganz in ihrer Ver-
fassung, unvermeugt mit dem Vereine, der mit und neben ihnen zu wirken
hätte. An Theiluehmern würde gewiss kein Mangel sein, einer auf diese,
der andere auf jene Art sein Sclierf lein beitragen, und ausser den im Ganzen
namhaften Unterstützungen, welche die Armuth von diesem Vereine zu
erwarten hätte, würde schon die Errichtung desselben günstige Eindrücke
hervorbringen. Der jetzt der dürftigen Classe nicht selten entfahrende
Vorwurf, dass die Vermöglicheren, dass selbst die Regierung bei ihrem
Elende gleichgiltig sei, würde verstummen.
Immpihin mag den Anstalten, von welchen zuvor die Rede war,
nämlich die von keinem öffentlichen Fond dotii't sind, so lange der der-
malige Di'ang dei" Umstände und die Geldzerrüttung dauert, auf die bis-
herige Art geholfen werden. Aber diese Hilfe ist zu unzulänglich und
ihre Dauer zu wenig gegrümlet, sie ist, ich möchte sagen, selbst zu wenig
decent, zu wenig den erhabenen Empfindungen, auf deren Erhaltung und
Entwicklung man stets hinarbeiten muss, angemessen, um es hiebei ein-
für allemal bewenden zu lassen. Es ist eine beschwerliche, aber bei dem
Uebergange zur festen Valuta und dadurch zu einer besseren Ordnung dei-
Xothwendig- Dinge unvermeidliche Aufgabe, diese Anstalten einer allgemeinen soi-g-
Revision"der ^^Itigeu Picvisioii ZU iiiitorziehcn, besonders die gemeinnützigeren durch
wohithätig- Beschränkungen in der Zahl und andere Mittel, die nur aus dei- indivi-
^' T^n " '^uplleii Prüfung ihres vormaligen und jetzigen Bestandes, mit Rücksicht
auf Nothwendigkeit oder Nutzen, auf Local- und sonstige Umstände, resul-
tiren können, so zu oi-dnen, dass die Ausgaben mit den Einnahmen in
ein Gleichgewicht kommen, oder in so weit nach ihrer Verfassung die
Sammlungen und Pi-ivatgeschenke mit in Anschlag zu bringeii sind, von
denselben nicht mehr erwartet werde, als sich nach den bisher gemachten
Erfahrungen vernünftigerweise erwarten lässt. Nur auf diesem Wege
wird man der fortwährenden Veidegenlieiten und der misslichen Lage
dieser Institute, welche immer eine widrige Sensation erregt, endlich ein-
mal enthoben werden.
OeflFentiichc Auf welche Art in Ansehung der öffentlichen Fonds zu vei-
fahren wäre, darüber habe ich meine Meinung rücksichtlich der Vorarbeiten
bereits geäussert. Doch sei mir erlaubt, für den Fall, wenn es sich um
die neue Regulirung dieser Fonds handeln wird, auf zwei grosse Gesichts-
punkte iiufmeiksam zu machen, deren einer und der andere zu erheblich
ist, als dass ei' von iler Staatsverwaltung übei'gangen wei'den dürfte.
[117] 117
Schon jetzt zeigen sich die meisten dieser Fonds als unerkiecklich, und
doch halten die aus dem Keligionsfond besoldeten Pfai rer und Cooperatnren Keiigions-
cin offenbar unzulängliches Einkommen. Mit manchen Lehrkanzeln selbst studienfond
von höheren Wissenschaften sind Gehalte vej-bunden, die für Männer, welche
auf ihre Ausbildung eine lauge Reihe von Jahren verwendet haben, zu
wenig anziehend sind. Die Besoldungen vieler Gymnasiallehrer sind
äusserst gering. Von den Normalschullehrern und besonders von den
Lehrern auf dem Lande schmachten die meisten in Dürftigkeit. Eben so
bedarf wenigstens ein Theil der Krankenhäuser noch mancher Verbesse-
rungen, um mit Eecht Zufluchtsorte der leidenden Menschheit genannt
zu werden. Von dieser Seite betrachtet, sollte man kaum daran zweifeln,
dass die Fonds grosser Hilfen bedürfen werden, um ihre Bestimmung voll-
ständig zu erfüllen und den widrigen Schein abzuwälzen, den der Anblick
darbender Pfarrer und Coperatoren, unverhältnissmässig besoldeter Pro-
fessoren und im Elende schmachtender Schullehrer auf die Staatsverwal-
tung wirft. Von der anderen Seite würde es, wenn man den Finanzen
zumuthen wollte, diese Hilfe zu leisten, wohl Niemandem entgehen können,
was für gewichtvolle Einwendungen sich solch einer Zumuthung entgegen-
setzen lassen. Durch die langwierigen Kriege, ihre Folgen und Wirkungen Eischopfung
der Fonds
und selbst durch die Mittel, deren mau sich bediente, um die Kriegskosten undihieAuf-
zu bestreiten, haben gerade die Finanzen am meisten gelitten. Sie sind ^^^^n auge-
sichts der
nicht nur allein — ausser einem Theile desjenigen, was im letzten Kriege Geldkrise,
und durch Contributiouen erworben wurde, und ausser den Revenuen der
mit der Monarchie seit den letzten Friedensschlüssen Avieder einverleibten
Länder, die aber meines Wissens nach bis jetzt noch wenige Ueberschüsse
abgeworfen haben — von aller Metallmünze entblösst, sondern noch über-
dies mit namhaften verzinslichen Schulden behaftet; und es erübrigt, um
den Uebergang zur Metallmünze zu bewirken, kein anderes mit der Ge-
rechtigkeit und der (öffentlichen Wohlfahrt vereinbarliches Mittel, als die
vorhandene gi'osse Anzahl von Papiergeld in eine verzinsliche Schuld um-
zugestalten. Sie haben daher für eine schwere Zinsenlast, nebstbei aber
auch für einen zahli-eichen Hofstaat, für eine sehr kostspielige Civil-
administration, bei welcher erst in der Folgezeit Ersparungen denkbar
sind, und für Militärauslagen, die, wenn auch — was ich für uuerläss-
lich halte — zu weiteren Reductionen geschritten wird, doch weil diese
nur nach und nach geschehen können und der supernumerären Officiere
noch so viele vorhanden sind, äusserst beti'ächtlich ausfallen werden, sie
haben ferner für mehrere innere Verbesserungen, mit welchen man
während der Kriegszeiten so sehr zurückgeblieben ist, zu soi-gen. Sie
müssen die Mittel herbeischaffen, die Civilbeamten und das Militär aus
118 [118]
der gar zu boklcimnten Lage zu zielien, in welcher sich diese Staatsdiener
und Vertheidiger seit Jahren befinden. Sie werden in der ersten Zeit des
Uebergauges, wie es nach einer so langwierigen Zerrüttung gar nicht
anders sein kann, bei der Einhebung der Steuern und Gefälle mit grossen
Schwierigkeiten zu kämpfen haben. Sie haben also in jedem Anl)etrachte
eine überaus beschwerliche Aufgabe, die darum noch um so viel schwerer
zu lösen ist, weil nicht nur allein gar kein Vertrauen, sondern ein, man
darf sagen, tief eingewurzeltes Misstrauen besteht, und doch der Credit,
da ihn kein Staat in die Länge entbehren kann, wieder gegründet werden
muss. Nach dieser gewiss nicht übertriebenen Schilderung den Finanzen
auch noch eine reichliche Unterstützung der Fonds zumuthen zu wollen,
hiesse in der That unmögliche Dinge fordern, und es bleibt daher, wenn
man beide oben aufgestellte Gesichtspunkte vereinigen will, kein anderes
Mittel übrig, als die Hilfe für die Fonds aus anderen Quellen zu suchen,
wozu in den deutschen Ländern es ebenso wenig an Gelegenheit fehlt,
als es in Ungarn der Fall war, wo man durch die Verwendung eines Theils
Der der Einkünfte der reichlicher dotirtenlJisthümer für den Keligionsfond diesem
f*^ 'd'""'d ^'^^^'■^ aufgeholfen hat. Wer dieses anstössig finden wollte, müsste in der
dessen That nicht bedenken, dass der Staat und die Kirche nichts dabei ge-
zwec iiKis- ^yjjjueQ wenn hunderte von Pfarrern darben, damit ein Bischof iährlich
sige •'
Aufgabe, um 60.000 oder 80.000 fl. mehr ausgeben kann; dass auch die Pfarrer
und Lehrer im Weinberge des Herrn arbeiten, dass es sich bei ihnen um
den allernothwendigsten standesmässigen Unterhalt, bei den i-eichbepfrün-
deten um Ueberfluss handelt; dass auf diese Art die überflüssigen Ein-
künfte weit richtiger zu den Zwecken der Religion und des Staates ver-
wendet werden, als wenn man es darauf ankommen lässt, dass Bischöfe
einen guten Theil ihrer gegen alle übrigen Classen und Stände gar zu
unverhältnissmässig beträchtlichen Einkünfte zur Bereicherung ihrer
Familien verwenden. Andere Mittel, deren es noch so manche gibt, über-
gehe ich hier, weil sich vielleicht, wenn man sie so isolirt hinstellte,
Widersprüche dagegen erheben würden; wenn aber der Gegenstand seiner-
zeit im Ganzen bearbeitet, das Grosse und Wichtige, um was es zu
thun ist, gezeigt und die Unmöglichkeit, es ohne die Anwendung
solcher Mittel zu erreichen, dargethan werden wird, die Frage über
ihre Zulässigkeit nothwendig in einem ganz anderen Lichte erscheinen
und manche an und für sich vielleicht nicht unerhebliche Einwen-
ilung in solch einem CoUisionsfalle aufgegeben werden muss, beson-
dei's wenn man dabei stets die billige Schonung gebraucht, keinem
zeitlichen Besitzer während der Zeit seines Besitzes etwas zu ent-
ziehen.
[ll!>] 119
In eiu Detail der Schul- iuklEizieliiiag!>;-, tler Ktaiikon- uuil Arnien-
anstalten des grossen österreichischen Staates hier einzugehen, würde
theils zu weit führen, theils stehen mir die Mittel, um dies mit Gründlich-
keit zu thun. nicht zu Gebote. Mit dem Plane dieses Aufsatzes ist solch
ein Detail nur insoweit in Berührung, als es mir nothwendig schien, theils
auf den Einfluss, den die Zerrüttung des Geldwesens auf diese Anstalten
und auf die zum Unterhalte eines grossen Theiles derselben gewidmeten
Fonds geäussert hat, aufmerksam zu machen, theils. insoweit sie ebenfalls
Stoff zu einer widrigen Stimmung liefern, dies nicht unberührt zu lassen.
Wenn die missliche Lage, in welcher sich die öffentlichen Fonds befinden,
w'enn Mehreres, was man an dem bestehenden Studiensystem missbilligt,
wenn so manche Contraste zwischen unseren Einrichtungen und jenen
anderer Staaten, denen mau es nicht abstreiten kann , dass sie in der
literarischen Bildung vor uns weit vorgerückt sind, nur den unterrich-
teteren Theil des Publicums beschäftigen, so geht doch das Resultat dieser
Meinungen durch Tradition meistentheils auch auf Andere über, und Viele, ^ic öffent-
liche llei-
denen es selbst nicht beifällt, ihr Urtheil hierin für competent zu halten, „ung „„^
stimmen doch, auf fremde Autoiitäten gestützt, w^enigstens in der Haupt- ''»^'^ ^<="=''»-
flassung.
Sache und ohne nähere Erörterung oder Begründung in den Tadel mit Massgebende
ein. Die Aeusserungen solcher Nachbeter können der Staatsverwaltung Urtheiie.
allerdings gleichgiltig, dagegen sollte ihr das Urtheil wahrhaft gelehrter
und verständiger Männer um so willkommener sein, als jeder Unbefangene
es gerne zugeben wird, dass Staatsbeamte, die den grössten Theil ihrer
Zeit den Geschäften widmen müssen unil oft in Wochen oder selbst ^'^ staats-
boaniten und
Monaten kaum einige Stunden übng behalten, die sie <ler Leetüre oder ibiecinseiti-
dem gesellschaftlichen Umgange mit Literatoren widmen können, gerade scu Ansich-
ten,
bei dem Studien- und Erziehungsfache am meisten Gefahr laufen, auch
bei dem besten Willen, durch einseitige Ansichten und durch das uoth-
gedrungene Zurückbleiben in dem fast täglichen Fortschreiten der Kennt-
nisse Uebles statt des Guten zu stiften, wenn sie die Verhältnisse, die
ihnen einen überwiegenden Einfluss geben, benützen und ihre nicht selten
vorgefassten Meinungen mit allem Nachdrucke durchzusetzen trachten.
Wäre die Pressfreiheit weniger beschränkt, was doch füglich ge- Pressfiei-
schehen könnte, ohne diese Freiheit in solch einem Masse zu erweitern,
dass wirkliche Gefahren eines schädlichen Missbrauches zu besorgen
stünden, so wäirde die Staatsverwaltung mehrere Urtheile über die gegen-
wärtige Verfassung unserer Schul- und Erziehungsanstalten und darunter
gewiss auch verständige, weil sich Menschen ohne Bildung und Unterricht
doch nicht leicht an dergleichen Gegenstände wagen, erfahren. Sie würde
das Gute benützen können. GruniUoser Tadel würde selbst ohne ihr Zuthun
120 [120]
von saclikmicligon Miiniiorji iu soiaei' ganzen Blosse dargestellt werden.
Den Producten zügelloser Frechheit wäre ohnedies, da die Pressfreiheit
nur weniger beschränkt, nicht unbeschi'änkt sein soll, kein Imprimatur
UrtiiPiie des zu ertlicilcn. Will man aber bei den angenommenen Grundsätzen unab-
änderlich stehen bleiben, so sollte doch wenigstens dasjenige, was im Aus-
lande über unsere Schul- und Erziehungsanstalten, besonders in Schriften,
die einige Celeln-ität besitzen oder sonst häufiger gelesen werden, ge-
urtheilt wird, von einer Behörde, die auf die Leitung des Studien- und Er-
ziehungswesens sonst keinen Einfluss hat, gesammelt und unter Beilegung
der Originalwerke durch getreue Auszüge zur Kenntniss des Monarchen
gebracht werden. Wenn man nur die Hauptfächer der Wissenschaften
betrachtet, so findet man jedes so ausgebreitet, dass es Niemand auch bei
den seltensten Aulagen und bei einem eisernen Fleisse in allen Uuter-
abtheilungen eines einzelnen Faches zur Vollkommenheit bringen kann,
ijie Uiiivci- _\n Universitäten treffen mehrere solche Hauptfächer zusammen. Wer
die leitende ^^^'^^ ''^'^ ^^''^ ^^^^^ Verlegt, hat gewöhnlich von den übrigen keine oder nur
oberbohürde. sehr obcrfiäcliliche Begriffe. Darum muss die Oberbehörde, von welcher
die Leitung der Universitäten ausgeht, mit Männern besetzt sein, wovon
der eine dieses, der andere jenes Fach genau kennt, auf dass sich in den
Gliedern dieses Körpers alle Kenntnisse und Einsichten vereinigen, die
zu einer entsprechenden Leitung des Ganzen erforderlich sind. Von diesem
Gesichtspunkte ist man auch bei Organisirung der Studienhofcommission
ausgegangen, und dass sie einige sehr fähige Individuen und darunter
auch solche, die zugleich praktische Geschäftsmänner sind, in ihrem
Gremium zählt, wird Niemami in Abrede stellen. Es kann daher wohl
keine günstige Sensation erregen, w^enn wichtigere einstimmige Anträge
dieser Hofcommission wesentlich abgeändert oder ganz verwoifen werden.
Dadurch geht auch der Begriff von Verantwortlichkeit grösstentheils ver-
loren, denn wenn sich die Wirkungen der Einrichtungen oder anderer
erheblicherer Verfügungen im Ganzen nachtheilig äussern, so lässt sich
doch unter solchen Verhältnissen daraus noch keineswegs eine ungünstige
Schlussfolge auf die Gestion der leitenden Behörde ziehen.
Der jetzige Einzelne Geschäftsmänner mögen ihre eigene Ueberzeugung haben,
"ucr -Nicfdc" ■'^^'^'" ^^^ '•'^"^ gebildeteren Theile des Publicums ist die Meinung so ziem-
tjang der lich übcrwicgeud, dass unter den mehreren Studienplänen, die aufeinander
^^ersi'iät"'' S^^^^S^ ^^^'^' '^^^' gegenwärtig bestehende eben nicht der beste ist, dass
die hiesige Universität jetzt den Ivuf nicht mehr besitzt, den sie in den
letzten Kegierungsjahren Ihrer Majestät der Kaiseiin Maria Thei-esia
hatte, dass vorzüglich die philosophische Facultät jener an den meisten
übrigen Universitäten bei Weitein naclisteht, dass Scliriftsteller, welche
[121] 121
durch ihre Werke ilie Nation illustriren, jetzt seltener als in früheren
Zeiten sind; dass mit Ausnahme der angehenden Aerzte das Streben nach
Erweiterung der Kenutuissc durch eigenes fleissiges Lesen gegen die
Vorzeit mehr ab- als zugenommen hat, dass also die literarische Bildung
jetzt im Entgegenhalte zu dem, was sie vor drei oder vier Decennien war,
nu^hr im Abnehmen als im Vorschreiten ist. Auch andere Symptome
tragen nicht wenig dazu bei, dieser Meinung Gewicht zu verschaffen.
Ein Geist von Frivolität, den echte Cultur der Wissenschaften zu- !>«'•
verlässig verdrängt, wird jetzt täglich mehr vorherrschend. Der öffent-
liche Geschmack scheint sich ungleich mehr zur enthusiastischen Theil-
uahme an den Künsten, vorzüglich Musik, Declamation und Mimik, als
zu den Wissenschaften hinzuneigen. Zeitungslectüre macht bei Vielen
die meiste, bei Manchen die einzige Leetüre aus. Wlihrend in dem kleinen Literatur-
Sachsen sich drei Literaturzeitujigen erhalten, geh't die in der grossen ^*^''""e«"-
österreichischen Monarchie seit einigen Jahren allein bestandene Wiener
Literaturzeitung, welcher selbst auch im Auslande Beifall gezollt worden
ist, aus Mangel an Unterstützung, wahrscheinlich auch weil sie durch die
Strenge der Ceusur gar zu sehr eingeengt worden ist, zu Grabe. An die
Errichtung einer Akademie der Wissenschaften, deren fast alle grösseren Akademie
Staaten eine, manche auch mehrere zählen, wird in Wien noch gar nicht "haftet"'
gedacht. Man muss also die Ueberzeugung haben, dass sie unter den
gegenwärtigen Verhältnissen schwerlich etwas Bedeutendes leisten könne,
w'eil mau sich sonst docli wohl mit der Idee, solch eine Akademie nach
dem Beispiele anderer Staaten zu errichten , beschäftigt haben würde.
Wer wird sich unter solchen Umständen von dem Wahne hinreissen lassen,
dass wir schon an solch einer Stufe von Cultur stehen, wo das weitere
Fortschreiten zu einem gefährlichen Uebermass führen könnte?
Sich wieder mit der Verfassung eines neuen Studienplahes zu be- Reform des
schäftigen, dürfte selbst, wenn der dermalige für nicht befriedigend er- '^t"*^'«»-
° ° ° planes.
kannt werden sollte, schon aus der Ursache, weil die oftmaligen Verände-
rungen viel Aufsehen und unangenehmes Gerede verursachen, auf keine
Weise rathsam sein. Mit eindringender Aufmei'ksamkeit auf Folgen und
Wirkungen lassen sich Gebrechen an einem Systeme von jenen, welche
die Aufsicht und Leitung führen, leicht wahi'uehmen und allmälig ver-
bessern, ohne dass es darum nöthig wäre, das Ganze wicdei' umzustalten.
Li einem Zeitalter, wo so viele Regierungen sich ernstlich bemühen,
wissenschaftliche Bildung in dem möglichsten Grade der Vollkommenheit
bei ilem hiezu geeigfieten Theile ihrer Völker zu verbreiten, wo so viele
allgemein geachtete Gelehrte über das, was zur Verbreitung wahi-er Cultur
heilsam und sachdienlich ist, sich öffentlich auszusprechen, kommen von
122
[122]
Die Cura-
toren der
Erzieliungs-
anstaltcn.
Aufsicht
über
Huinanitits-
anstalten.
Die
Lombardei.
Zeit ZU Zeit motivirte Vorschläge uu.i wiikliclie Eiiirichtuiigeu zum Vor-
scheine, die, wenn sie von unseren für dieses Fach aufgestellten Geschäfts-
männern als Materialien benützt, mit Unbefangenheit geprüft und mit
den Erfahrungen, die sich jeder bei der Geschäftsführung zu erwerben
Gelegenheit hat, verglichen werden, das Verbessern ungemein erleichtern.
Lässt man dem grossen Werthe, den eine weise, mit eigenem reifen Nach-
denken verbundene Benützung fi'cmder Autoritäten unwidersprechlich hat,
Gerechtigkeit widerfahren und erwägt man die Lage, in welcher sich jetzt
die Beamten befinden, und die es ihnen zu lästig oder wohl unmöglich
macht, die Anschaffung solcher Materialien aus Eigenem zu bestreiten, so
wird man den Antrag ganz folgerecht finden, dass alles Interessantere,
was über Schulen und Studieneinrichtungon in fremden Staaten erscheint,
von der Studienhofcomuiission gekauft und davon der nben augedeutete
Gebrauch gemacht werden solle.
Die grösseren Erziehungsanstalten zu ^Vien, nämlich die Theresia-
nische Eitterakademie, die Ingenieurakademie, das Löwenburgische Colle-
gium und das Convict haben zwar nebst der Hausdirection auch noch
einige Curatoren. Aber es lohnt sich doch wohl der Mühe, zu erheben, ob
diese Curatoren auch wirklich eine hinlängliche Aufsicht pflegen, und wenn
dies der Fall nicht wäre, sie dazu anzuhalten oder mit sorgfältigeren zu
verwechseln.
Kranken- und Armeuversiu'gungsanstalteii, die unuiittelbar von der
Eegierung geleitet werden, bedürfen nach meinem Erachten ausser der
Dicasterialleitung und ihrei- gewöhnlichen Administration auch noch einer
öfteren persönlichen Aufsicht, durch welche sich so Manches entdecken
lässt, wovon die Acten keine Spur enthalten. Bei dem immer zunehmen-
den Wüste von Geschäften fällt es dem Präsidium und dem Referenten
freilich schwer, so viel Zeit zu erübrigen, um dergleichen Anstalten, be-
sonders hier, wo es deren mehrere gibt, öfter zu besuchen. Aber ein
paar Mal im Jahre könnte doch wohl der Präsident zu solchen heilsamen
Besuchen Zeit finden, ausserdem aber auch dazu geeignete Käthe zu
öfteren unvorgesehenen Visitationen beauftragen. Bevor die Lombardei von
dem österreichischen Staate getrennt wurde, war es dort üblich, dass
ausser der Aufsicht, welche die Staatsverwaltung selbst über die Spitäler
ausübte, auch Particuliers, und darunter sogar einige aus den höhereu
Ständen, freiwillig eine Art von Inspection übernahmen und dabei nicht
blos' durch eifriges Nachsehen, sondern oft auch iluroh ihre Wohlthätigkeit
viel Gutes wirkten. Sollte man in der grossen Kaiserstadt nicht auch
Männer finden, die solch ein liebevolles Work auf sich zu nehmen bereit
wären? Und sollte es nicht leicht möglich sein, ilurch deutliche Bezeichnung
[123] 123
der Grcnzlinioi Contraste und Iieibiiiigen zwischeu dieseu Inspicienten,
den Haiif«directionen und den leitenden Behörden zu vei'hüten?
Aucli in den Ländern ist eine anssergewöhnliche Aufsicht auf i^ocaivcrwai-
Lyceen und Gymnasien, auf Schulen und öffentliche Erziehungsinstitute, uirl^t'ioncii.
auf Kranken- und Armenversorgungshäuscr gewiss höchst nützlich und
sollte, wo sich nur immer die Gelegenheit dazu darbietet, nie vernach-
lässigt werden. Sind die Local Verwaltungen und Directionen gut bestellt,
entsprechen sie ganz ihrer Bestimmung, so kann es ihnen selbst nur an-
genehm und den leitenden Behörilen muss es willkommen sein, von dem
guten Zustand dieser Anstalten versichert zu werden und den Vorstehern
die verdiente Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Haben sich aber Ge-
brechen eingeschlichen, so können sie vielleicht ohne solch eine ausser-
ordentliche Aufsicht Jahre lang verborgen bleiben. Es sind Beispiele
bekannt, wo solche Institute grossen Schaden gelitten haben, ohne dass
er durch die gewöhnliche Aufsicht abgewendet worden ist.
Ausser den bereits angegebenen Ursachen der seit einiger Zeit be-
stehenden widrigen Stimmung haben auch einige Dienstbestellungen dazu
beigetivagen, die dadurch viel Aufsehen erregten, dass die Neuernannten
von Fächern, bei welchen sie eine Keihe von Jahren hindurch dienten
und sich folglich dieselben ganz eigen zu machen Gelegenheit hatten, ab-
gezogen und zu Aemtern berufen worden sind, zu welchen sie sich vor-
zubereiten nie in dem Falle waren. Tausende, die sich dem Staatsdienste Eig»"'i& «r
widmen, wissendes aus eigener Erfahrung und andere Tausende hören es ^^[.^^
von ihnen, dass natürliche Fähigkeiten, wissenschaftliche Bildung und
Combinationsvermögen zwar unerlässliche Erfordernisse^ für einen Ge-
schäftsmann, besonders an höheren Posten sind, dass aber diese Eigen-
schaften allein für einen Eeferenten, um so mehr für einen Vorsteher
nicht hinreichen, sondern dass dazu genaue Kenntnisse von den Geschäften,
um deren Bearbeitung es sich handelt, erforderlich sind. Insbesondere
hat die Hofkammer mehrere sehr verschiedenartige und darunter selbst
technische Gegenstände zu verwalten. Nebst den deutschen werden dort
auch die ungarischen Cameralagenden geschlichtet. Es kann nh» für
Jeden, der zur Theilnahme an der Leitung dieser Geschäfte berufen wird,
i)line dass es ihm bevor mitglich war, sich die dazu nöthigen vielseitigen
Kenntnisse zu erwerben, solch eine Bestimmung nicht anders als äusserst
]>eschwerlich sein, und nur aus Gehorsam kann er sich dieser Bestimmung
fügen. Aber der Dienst ist dabei, wenigstens für längere Zeit hindurch,
offenbar nicht gehörig beratheu, und so Avie der Gang der Administration
im Allgemeinen ohnedies mehr Tadler als Lobredner hat, gesellt sich zu
iliesem Tadel auch noch die Meinung, es werde selbst auf die Besetzung
124 [124]
wichtigerer Posten bei Weitem uiclil jeue Aiifiiierkt^anikeit gerichtet, von
welcher allein sich bessere Resultate erwarten lassen und die man der
öffentlichen Wohlfahrt schuldig sei.
Maj^sgehendc Dor billig denkende Mann wird zwar die Schwierigkeiten nicht ver-
hieiüber. kennen, die besonders jetzt, wo die Monarchie an Ausdehnung und
Mannigfaltigkeit so bedeutend zugenommen hat, mit der Besetzung einiger
wichtigerer Dieustiilätze verbunden sind. Er wird ferner zugeben, dass
einige dieser Plätze auch mit solchen Individuen, die eben nicht stufen-
weise dazu vorltereitet worden sind, entsprechend besetzt werden können.
Va- wird es der Regierung nicht verargen, wenn in neuerworbenen oder
reacquirirteu Provinzen tüchtige Männer, die zuvor dort niemals gedient
liaben, zu höheren Chargen berufen oder hier bei der obersten Leitung
dieser Provinzen angestellt werden, weil man hier schlechterdings keine
andere Wahl hat. wenn man nicht Alles den Nationalisten überlassen oder
zu abgelebten Männern, die l)eschwerlichen Geschäften schon nicht mehr
gewachsen sind, seine Zuflucht nehmen will. Aber da, wo es an sach-
kundigen und erfahrenen Individuen bei dem Verwaltungszweige, dem
vorgesehen werden soll, nicht mangelt, sind diese gewiss jedem auch
sonst talentvolleren Manne, dem aber die Branche wenig oder gar nicht
bekannt ist, weit vorzuziehen.
Den Verlegenheiten und Anständen bei Besetzung wichtigerer
Aemter würde aber für die Zukunft am sichersten abgeholfen, die oft
jahrelangen, mit wesentlichem Nachtheile verl)undenen Erledigungen oder
blos provisorischen Besetzungen solcher Aemter würden vermieden, und
die jetzt so häufigen Ghjssen bei Benennungen, von welchen man sich
nichts Gedeihliches verspricht , würden künftig Verstummen gemacht
Die Tüchtig- werden, wenn man nie die grosse, unumstössliche Wahrheit aus den
Iccit des Vcr*
waitungs- Augen Hesse, dass der Gang der Administration hauptsächlich davon, wie
bcamtcn und t\\Q wichtigeren Aemter besetzt sind, abhängt, und obwohl das Verwal-
tungssystem nichts weniger als gleichgiltig ist, doch bei einem schlechten,
aber von tüchtigen Individuen ausgefühi'ten Systeme ungleich mehr als
bei einem guten Systeme, abei- von schlechten Exequentcn geleistet wird;
wenn man daher stets die grössto Sorgfalt auf die bestmöglichste Be-
setzung solcher Aemter i-ichtete, und wenn man es zu diesem Ende nicht
erst auf den Fall der Ei'ledigung ankommen Hesse, um an eine Fürsoi'ge.
die dann öfters nicht sogleich entsprechend getroffen werden kann, zu
denken, sondern bei solchen Posten, wo ausser den Eigenschaften, die
jeder Staatsbeamte höherer Kategorie schon überhaupt besitzen soll, noch
besondere Kenntnisse und Erfahi'ungen nothwendig sind, auf den mög-
lichen Fall ihrer Erledigung fürdächte, uu'l wenn Niemand vnrhanden ist,
das System.
[125] 125
ilcrdieseKcnntiiisiseujul Erfahrungen wirklicli besitzt, tlenijeuigen, welclien
iiiaii zur kiiuftigcn Beklciilung- dieses Amtes sonst am meisteu geeignet
findet iHe Gelegenheit, sich die nöthigcn Kenntnisse beizulegen, verschaffte.
Zu keiner Zeit war es mtthwendiger als jetzt, bei höheren Dienst-
besetzungen die grösstmüglichste Vorsicht zu gobi-auchen, da die Geschäfte
immer verwickelter werden und zu einem unermesslichen Schwall ange-
wachsen sind. Die vielen schnell aufeinander gefolgten Kriege, die seit
Jahren dauernde gänzliche Zerrüttung des Geldwesens, die Trennung und
nachherige Wiedervereinigung mehrerer Provinzen mit dem Staatskörper
haben zwar unstreitig einen grossen, theils directen, theils indirecten
Antheil an dieser ungeheuren Vermehrung und Verwicklung der Ge-
schäfte. Aber dass es der Ursachen auch noch andere gibt, ist eben so
gewiss, als bei allen erfahrenen Geschäftsmännern darüber nur eine
Stimme herrscht, dass, wenn auf diese Art fortgefahren werden sollte,
sich Alles in endlose Schreibereien auflösen, wegen der unerlässlichcn
Personalsvermehrungen die Administration mit jedem Jahre kostspieliger
werden und über die Menge von Details jede höhere Uebersicht und der
Zusammenhang des Ganzen vollends verloren gehen wird.
Darum und weil mehrere österreichische Civilbeamte während der Das verwai-
zwei letzten Kriege bei den in Frankreich aufgestellten Verwaltungs- t""&ssystem
^ » ö Oesterreiclis
behörden den ungleich beweglicheren und kräftigeren Geschäftsgang da- und Fiant-
selbst kennen zu lernen, weil andere in dem nach französischer Art ein- Reichs,
gerichteten Königreiche Italien die nämlichen Erfahrungen zu machen
und Vergleiche anzustellen Gelegenheit hatten, ist seit einiger Zeit die
Meinung ziemlich laut geworden, dass das österreichische Administrations-
system dem französischen weit nachstehe und nur von einer Nachahmung
dieses letzteren Systems mit gehöriger Berücksichtigung der verschiedenen
\'erhältnisse Ordnung und Schnelligkeit in den Geschäften sich erwarten
lassen. Wenn auch viele diese Meinung nicht theilcn und fremde Ein-
richtungen entweder nicht kennen oder ihnen überhaupt abgeneigt sind,
so äussern sie dessungeachtet keine günstigen TJrtheile über das in der
Monarchie bestehende Verwaltungssystem und gründen ihre Urtheile auf
die so äusserst unbefriedigenden Eesultate. Dieser Gegenstand verdient
ilaher doch wohl eine genaue und unbefangene Würdigung.
Ohne einige erhebliche Vorzüge zu verkennen, welche das franzö- ^.^^^^^
° ° ' die Frage
sische Verwaltungssystem vor dem österreichischen hat, und ohne in seiner Adop-
Abrede zu stellen, dass dem ööentlichen Dienste durch das erstere !l'''V!° /."'"
die hierhin-
besser vorgesehen ist, bin ich doch überzeugt, dass die Anwendung disciien vn--
ilieses Systems auf die älteren österreichischen Staaten ungemeinen, ßründe^d'i-
kaum zu bezwingenden Schwierigkeiten unterliegen, und dass dies gegen.
126 [126]
selbst noch lieftigore uiu\ allgcineiiicielJe.schwcnlen, als die yegeuwili'tigen
sind, nach sich ziolioii wiinie.
Wer praktisch zu erfahren Gelegenheit hatte, mit welchen Hinder-
nissen man, wenn es auch nur auf partielle Kefurmen oder auf wesent-
lichere Veränderungen bei einzelnen Verwaltuugszweigen ankommt, zu
kämpfen hat, der wird vor solch einer gänzlichen Umwälzung, die selbst
in Frankreich in ihren Hauptumrissen wohl nur in revolutionären Zeiten
hat durchgesetzt werden können, zurückbeben, zumal da, wenn man diese
un-arischc Einrichtung auch auf Ungarn und die dazu gehörigen Provinzen aus-
dehnen wollte, dies zugleich eine gänzliche Auflösung der ungarischen
Constitution in sich schlicssen würde, wenn man aber Ungarn, wo die
Coraitate, die Curia Eegia, die Statthalterei und selbst die Hofkammer
gesetzlich constituirte Behörden sind, bei seiner dermaligcn Verfassung
und Verwaltung beliesse, ein noch grellerer Abstand in dem Administra-
tionssysteme der zwei Hemisphären des österreichischen Globus, mithin
eine noch grössere Masse von Anständen und Unzukömmlichkeiten, als
die es schon jetzt zum grossen Nachtheil des Concrctum gibt, entstünde.
Selbst aber auch in den deutschen Ländern könnte dieses Verwaltungs-
system ohne sehr wesentliche Aenderungen in der Verfassung, zu welchen
es jetzt wenigstens nicht an der Zeit ist, nicht ausgeführt werden. Mit
Die fianzö- eiucr Administration, wie die französische, ist es forner unzertrennlich
nistration. Verbunden, dass der Präfect, der Untorpräfect, selbst der Maire schnell
und nach eigenem Befunde handle, sehr viel auf sich nehme und ungleich
mehr wirke, als schreibe. Die Ministerien, von welchen die Präfecten
geleitet werden, sind gar nicht in der Lage, viele und detaillirte Vor-
schriften hinauszugeben. Nur bei wichtigeren Gegenständen ertheilen sie
ausführlichere Instruction. Bei minder erheblichen deuten sie nur die
Zwecke an, die erreicht werden sollen, und überlassen die Art der Voll-
streckung dem klugen Ermessen der Unterbehörden. Ein kurzer Proces
verbal vertritt die Stelle unserer oft sehr weitläufigen Protokolle. Wie
Die östor- wenige selbst unserer schätzbareren Beamten, die jetzt bei der ungeheuren
icichische ]yjejjp-e von Normalien, an die sie sich halten müssen, so selten in dem
Verwal- ° ' '
»nnijsiiriixis Falle siud, nach eigener Uebei-zeugung vorgehen zu können, die grossen-
"" theils an CoUcgialberathungen gewohnt sind, die das Bewusstsein haben,
dass in Parteisachen fast keine ihrer Verfügungen unangefochten bleibt,
folglich stets bereit sein müssen, sich auch über die gefügigsten Verhand-
lungen vollständig ausweisen zu können, die bei dem unermesslichen
Detail, in welches sich die meisten Geschäfte auflösen, fast den Schreib-
tisch nicht verlassen ilürfen, um nicht durch fortwährende Anhäufung von
Iiiickständon sich verantwortlich zu machen, die olton darum auch bei
Parteien.
[127] 127
einer guten, rechtlichen Gebahrung meistentlicils ängstlich werden, wie
wenige dieser Beamten würden sich in solch ein ganz entgegengesetztes
Verfahren finden und mit gleicher Zuversicht und Präcision wie die fran-
zösischen Autoritäten handeln können. Und wenn man täglich wahrzu-
nehmen Gelegenheit hat, dass Parteien, welche vom Magistrate, Kreisamte,
Gubernium und Hofstelle mit einem unstatthaften Begehren abgewiesen
wonlen, sich bei drei und vier gleichstimmigen Beschlüssen noch nicht
zum Ziele legen, sondern von der Kecursfrciheit bis zur Behelligung des
Thrones Gebrauch machen, dass Verfügungen, welche von einem ganzen
Collegium, nämlich der Landesstelle, vorgeschlagen und von einem zweiten
Collcgium, nämlich der Kanzlei, gutgeheissen wurden, sobald sie dem
Interesse Einzelner oder ganzer Classen entgegenstreiten, nicht blos im
gesellschaftlichen Leben bekrittelt, sondern öfters auch als gegen willkür-
liche und nicht gehörig erwogene Acte Beschwerden dagegen eingereicht
werden, was für ein Geschrei und welch hoher Grad des Missvergnügens
ist nicht zu erwarten, wenn künftig diejenigen, denen ganze Collegien
schon nicht mehr imponiren, sich die Entscheidungen einzelner Beamten
auch in höheren Instanzen gefallen lassen müssen.
Es liegt aber auch schon darin , dass durch einen Zusammenfluss Die sffent-
widriger Umstände die Lage der Staatsverwaltung äusserst beschwerlich ^"^^® J''
Od o nung. Ver-
geworden ist, und dass sie jetzt die öffentliche Meinung nicht für, sondern trauen und
wider sich hat, ein vollgiltiger Grund, grössere Umstaltungen nicht zu Achtung.
unternehmen und überhaupt alle auffallenderen Vorgänge, wo man des
Erfolges nicht vollkommen versichert ist, zu vermeiden, um so ernstlicher
aber sich solche Verbesserungen, denen auch der Tadelsüchtige ihren
Werth nicht absprechen kann, angelegen sein zu lassen. Das alier-
dringendste Erforderniss ist W(jhl kein anderes, als Vertrauen und
Achtung wieder zu gründen. So wenig man mit der Administration im
Allgemeinen zufrieden ist, so wird doch bei Weitem nicht so viel über
den Organismus des Verwaltungsktirpers, als über die Art der Ausführung Der Vorzug
geklagt. Hauptreformen in dem Organismus selbst würden vielleicht mehr ^^_^^ °^'f"
'^ ^ ^ <=' rcicliiscnen
Gegner als Verthcidiger finden. Ueber die Möglichkeit, den Gang der vcrwai-
Administration, auch wenn ihr dcvmaliger Organismus in der Hauptsache ^"°^''' ,
' o cj i Systems narli
beibehalten wird, wesentlich zu verbessern, herrscht aber gewiss nur einer Bich-
eine geringe Verschiedenheit der Meinungen. Auf Letzteres sollte also, *""°
nach meinem Erachten, das eifrigste und unablässige Bestreben gerichtet
werden.
Unser politisches Verwaltungssystem zeichnet sich, bei manchen
unverkennbaren Gebrechen, doch darin vor anderen aus, dass es — vor-
ausgesetzt, dass es gehörig goh;indhal>t wird — mehr als jedes andere
128 [128]
gi'geii Eigcniiiiiclit, Willkür, iJeilrückuiigeu und iJcointrüchtigmigcn, sei
es nun des Staates oder der Einzelnen, Sicherheit gewährt. Aufsichten
und Controleu sind eher zu sehr angehäuft, als dass es daran mangelte.
Analyse des Die Bearbeitung der Geschäfte eines jeden Landes ist zwar mit wenigen
.ose j. s- A.usnahmen ausschliesslich den licferentcn überlassen , aber alle Ge-
ganges bei '
i'nter- und schäftc, dip uicht schr dringlich sind und wo es auf meritorische Ent-
den'^nnd Tis scheidungcu ankommt, müssen im versammelten IJathe vorgetragen und
contioi- bei getheilten Meinungen nach der Stimmenmehrheit geschlichtet werden.
Das Präsidium macht, wenn es seine Bestimmung gehörig erfüllt, noch
eine zweite Controle gegen die Käthe und Referenten aus. Aber, da die
Stimmenmehrheit entscheidet, kann es ebenfalls keine Dictatur ausüben.
Tritt wo der entgegengesetzte Fall ein und äussert sich ii-gend ein schäd-
liches Uebergewicht, so ist dies nicht Fehler des Systems, sondern Ausser-
achtlassung der Vorschriften, Pflichtübertretung von einem und dem
andern Theile. Nebst dieser bündigen und gleichzeitigen Controle ge-
langen alle, selbst auch solche Verhandlungen, wo keine eigenen Bericht-
erstattungen nothweudig sind, durch die ßathsprotokolle zur Ivenntniss
der vorgesetzten Hofstelle, die eben so wie die Landesstelle organisirt ist,
das heisst in ihrem Inneren mit der Geschäftsbearbeitung auch gleich die
Controle vereinbart, und welche gegen die Landesstelle eine um so wirk-
samere Controle ex post ausüben kann, als von den Anzeigen, Gesuchen,
Beschwerden, Berichten der Uuterbehörden, kurz von Allem, worüber ent-
schieden winl, nicht blosse Elcnchcn, sondern wesentliche Auszüge aus
den Protok(jllen erscheinen müssen und es der Ilofstclle freisteht, wenn
ihr die Protokolle nicht genügen, die Acten selbst abzufordern. Bei den
Gefällen, für deren Verwaltung eigene Behörden bestehen, ist zwischen
dem Administrator und seinen Beisitzern ein ähnliches Verhältniss wie
bei (]en Gubernien zwischen dem Präsidium und den iiäthen, eine gleiche
Abhängigkeit von der administrirenden Hofstelle und ein selbst noch etwas
beschränkterer Wirkungskreis. Ausserdem stehen der Landesstelle Hilfs-
behörden, nämlich eine Buchhaltung, ein Fiscalamt, ein Hauptzahlamt
und ein Taxamt zur Seite, die zwar — mit Ausnahme der Buchhaltung
— derselben untergeordnet sind, aber deien Aeusserungcn in den ein-
schlagenden Materien, die gehörig begründet sein müssen, den Kefereuten
bei der Hofstelle die Ccnsur der Gubernialprotokollc schr erleichtern. Bei
Gasse- und anderen in der näheren Berührung mit der Buchhaltung stehen-
den Gegenständen müssen die Expeditionen selbst noch vor der Ausferti-
gung diesem Departement zur Einsicht zugefertigt werden, und Letzteres
ist nicht allein berechtigt, sondern selbst verpflichtet, da, wo Bemerkungen
eintreten, diese sogleich Ijeizubringcn, worin ebenfalls eine wirksame
[129]
129
Oontrole uiul eine uiclit unbodcuteiulo Schutzwelir gegeu Vei>töf?se und
ümichtigkeiten, die etwa selbst bei der Revision unbeachtet bleiben, liegt.
Eben jener Aufsicht und Controle, welche die politischen und
Cameralhofstcllen gegen die Gubernien, Landesregierungen, Directionen
und Administrationen ausüben, unterliegen sie selbst von Seite des Staats-
nnd Conferenzmiuisteriums. Ausserdem stehen die Hof buchhaltungen zu
denselben in dem nämlichen Verhältnisse wie die Provinzialbuchhaltungen
zu den Länderstellen, und insoferne Gegenstände den Wirkungskreis
einer anderen Hofstelle mit berühren, nehmen selbst zwei und mehrere
Hofstellen auf die Behandlung Einfluss, bis das Geschäft entweder der
Allerhöchsten Entscheidung unterzogen w'ird, oder wenigstens durch
die ßathsprotokolle zur Keuutniss des Staats- und Conferenzministeriums
gelangt.
Wer in solch einem Yerwaltungssysteme noch keine hinlängliche
Bürgschaft gegen Willkür, Eigenmacht und ungebührliche Bedrückungen
findet, der wii'd wohl nie zu befriedigen sein, und w^enn man der Erfah-
rungen so viele macht, wie schleppend der Gang der Verw'altungsmaschine
durch die wiederholten CoUegialberathungen und durch die zahlreichen
Aufsichten und Controlen wird, so muss es doch wohl einleuchten, wie
ungleich zweckmässiger es ist, mehr Trieb in diese Maschine zu bringen,
als durch eine noch w^eitore Vei'mehrung der Controlen oder durch sonstige
Verzögerungen sie fast zu einem gänzlichen Stocken zu bringen. Auch
spricht sich die öffentliche Meinung hierüber sehr deutlich aus, da man
den Vorwurf einer Uebereilung fast nie, jenen aber, dass es meistentheils
Jahre lang brauche, um die Verhandlungen zu Ende zu bringen, dass
selbst ganz entschiedene Gegenstände nicht selten wieder aufgewärmt
werden, dass zwar viel geschrieben werden möge, aber des Wirkens sehr
wenig wahrzunehmen sei, hundert- und tausendmal wiederholen hört.
Was so oft der Fall ist, dass mit dem Guten auch wieder Uebel ver-
bunden sind, die, wenn man ihnen nicht ausgiebig abhilft, am Ende so
gross werden, dass sie selbst das Gute überwiegen, scheint jetzt von ilem
Gange der Administration wirklich nicht ohne Grund behauptet werilen
zu können. Dem stufeuweisen Zuge von einer Behörde zur andern, so-
wie der zur Evidenzhaltung jedes einzelnen Stückes nöthigen Manipulation
klebt es an, dass, auch wenn keine dienstwidrigen Versäumnisse eintreten,
doch schon immer eine längere Zeit zur Beendigung eines Geschäftes er-
forderlich wird. Kommen nun auch noch solche Versäumnisse hinzu,
werden die Behörden wegen vielfältiger, weitläufiger Auskünfte über
beendigte Angelegenheiten an der unverzüglichen Bearbeitung der stets
neu einlangenden Geschäfte gehindert, wii-d der Zusammenfluss von
Die Lang-
samkeit der
Verwal-
tungs-
raaschine zu-
folge der
Controle.
Uebelstände
des admini-
stiativenGe-
schäfts-
ganges in
tip->teiTeich.
130
[130]
Verein-
fachnng des
Geschäfts-
ganges und
der Viel-
sclireiberei.
Einsrlirän-
kung der
Ifccursfi'ci-
Ucit im Poli-
tischen und
• 'amcrallsti-
schen.
Einlagen bei der nämlichen Zahl von Arjjeitern mit jeilem Jahre häufiger,
bleiben Dienstesstellen durch Viertel- und halbe Jahre unbesetzt, oder
dauert ein provisorischer Zustand gar Jahre hindurch fort, nimmt der
Drang dergestalt überhand, dass mau, um nur das Unverscliieblichsto
abzufertigen, wichtige Geschäfte in Rückstand verfallen lassen muss, oder
ihnen wenigstens bei Weitem nicht jene Aufmerksamkeit, welche ihre
Wichtigkeit fordert, widmen kann, bringt die Ueberladung selbst bei den
Hofstellen öfter die Wirkung hervor, dass wichtigere IJerichte und An-
fragen der Unterbehörden entweder längere Zeit hindurch unerledigt
bleiben, oder solche dunkle und unvollständige Entscheidungen darüber
erfliessen, welche diejenigen, die sich darnach achten sollen, in Verlegen-
heit setzen, wird wohl gar der Gang der Maschine von oben, wo eigentlich
die treibende Kraft ausgehen sollte, gelähmt, dann wird es freilich sehr
begreiflich, wenn selbst jene, in deren Augen eine mehrfältige Aufsicht
und Controle vielen Werth hat, doch die Nachtheile bei Weitem über-
wiegend finden und, durch die ungünstigen Resultate verleitet, das Admi-
nistrationssystem für zweckwidrig und fehlerhaft halten.
Will also die Staatsverwaltung den vielen und erheblichen Unzu-
kömmlichkeiten ausweichen, die mit gänzlicher Umstaltuug des Verwal-
tungssystems in solch einem kritischen Zeitpunkte, wie der gegenwärtige
ist, unzei-trcnnlich verbunden sein würden, zugleich aber die widrige
Meinung vertilgen, die sich über dieses System fast allgemein verbreitet
hat, so gibt es dazu wohl kein sichereres Mittel, als die Vereinfachung der
Geschäfte und die Vermeidung der überflüssigen Schreibereien zu einem
ganz vorzüglichen Studium zu machen, einstweilen aber, und bis dieser
schon so oft geäusserte Wunsch in wirkliche Erfüllung übergehen wird,
bei jenen Behtirden, wo die Geschäfte jetzt — ohne dass Gemächlichkeits-
liebe oder Unfähigkeit der Beamten daran Schuld trägt — nicht schnell
und gründlich genug erledigt werden können, lieber noch die unentbehr-
lichen Personalsvermehrungen zu bewilligen, als die Anhäufung von Rück-
ständen oder Schleudereien zuzugeben, weil der hieraus entspringende
Schaden ungleich beträchtlicher als die Auslage ist, auf die es im Ganzen
hiebei ankommen kann.
Eine nicht unbedeutende Menge von Schreibereien liesse sich aber
gleich jetzt dadurch ei'sparen, wenn, ohne die Recursfreiheit bis an den
Thron aufzuheben, was wahrscheinlich, weil es schon so lange bestandeii
hat, eine widrige Sensation erregen dürfte, diese Freiheit doch wenigstens
in engere und solche Grenzen gebracht würde, die sich meines Erachtens
mit der Gerechtigkeit vollkommen vei'tragcn. Wenn in Rechtsstreiten,
wo es sich iift um das Vermögen ganzer Familien und Cdunnunitäten
[131] 131
handelt, zwei gleichlautende Urtheile entscheidend sind, keine weitere
Berufung dagegen stattfindet und der oberste Gerichtshof nur, wenn eine
offenbare XuUität erwiesen ist, in solchen Fällen einschreitet, so kann man
doch wohl nicht das mindeste Bedenken tragen, anzuordnen, dass auch in
politischen und Cameralangelegenheiten , wenn die Erkenntnisse der
ünterbehörden gleichstimmig sind, oder doch wenigstens wenn sie sogar
aucli noch von der Hofstelle bestätigt werden, kein Recurs an den Thron
mehr zulässig sei, sondern dieser nur bei differenten Entscheidungen
platzgreifen könne. Es lässt sich nicht einsehen, warum die gleichstim-
migen Beschlüsse mehrerer Behörden, worunter in jedem Falle zwei förm-
liche Collegien sind, nicht wenigstens ebenso viele Beruhigung als zwei
Gerichtsstellen, von denen die eine manchmal nur aus einem geprüften
Justitiar besteht, gewähren sollten. Durch diese Verfügung würde nicht
nur allein die kostbare Zeit des Monarchen und des Staats- und Conferenz-
ministeriums mehr geschont, sondern auch den administrirenden Hof-
stellen viele, im Grunde unnütze und dabei doch manchmal nicht wenig
zeitraubende Vorträge, sowie den Guberuien. Administrationen. Kreis-
ämtern und Magistraten, welche solchenfalls immer einvei'nommen werden
müssen, zahlreiche Berichterstattungen erspart. Aber auch noch andere
Vortheile wären damit verbunden, da bei dem Umstände, wo über die
Frage, inwieweit die Rccurse einen effcctum suspensivum haben, sehr
verschiedene und nicht selten unrichtige Begriffe herrschen, oft die eine
Partei dadurch, dass die andere, welche von den Behörden allenthalben
zurückgewiesen wurde, ihre Berufung bis an den Thron verfolgt, wo die
Entscheidungen manchmal sehr spät herablangen, ungemein leidet, und
ebenso auch die Ausführung nützlicher Vorkehrungen durch dergleichen
Recurse, bei welchen es meiste ntheils ohnehin nur auf das Zeitgewinnen
abgesehen ist, verzögert werden.
Ferner lässt sich die Schreiberei auch durch eine genaue Beob- Genaue Be-
obachtung
achtung der Activitätsvorschriften vermindern. Es kann eben so wohl ^er Activi-
geschehen, dass die vorgesetzte Stelle dui'ch ungebührliches Ansichziehen tatsvor,
Schriften
der Geschäfte die Wirksamkeit ihrer Untei'behörden normalwidrig einengt, oiUv der
als dass diese Unterbehöiden aus Unachtsamkeit, Vei'gessenheit oder unzeiti- Grenzen aes
Wirkungs-
ger Aengstlichkeit Entscheidungen einholen, wo sie selbst definitiv vorgehen vrcises
sollten. Weder das Eine noch das Andere darf zugegeben, vielmehr sollte ^^^ Vater-
behörden.
vorzüglich den Präsidien die strengste Wachsamkeit gegen jede Ausser-
achtlassung der Activitätsnormativen zur Pflicht gemacht werden. Bei
der starken Geschäftsvermehrung, die aus dem Länderzuwachse entstanden
ist. uml bei der offenbaren Ueberladung des Thrones, sowie des Staats-
und Conferenzministeriums scheint aber nebstbei eine noch mehrere
9*
182
[132]
Schlendrian
der
Referenten.
Unter-
weisungen
und
Instructio-
nen.
Erweitonuii^ des Wirkiiugskrpiso dtM- Bohördon mit Rücksicht auf die
Verschiedpiiheit ihrer Verfassungen mit jedem Tage unerlässlicher zu
werden. Ohne es in Abrede zu stellen, dass man hiebei vorsichtig ver-
fahren müsse, um nicht zu manchem Missbrauche Anlass zu geben, zweifle
ich doch nicht, dass es Objecte gibt, wo solche Erweiterungen ohne Be-
sorgniss eines wesentlichen Nachtheils zugestanden werden können. Eine
aufmerksame Geschäftsleitung führt von selbst auf diese Objecte, und eine
rege Aufsicht der vorgesetzten Stelle auf jene, die ihr untergeordnet sind,
schützt zuverlässig mehr als jede Beschränkung des Wirkungskreises
gegen Missbräuche und Unfüge.
Gedankenlose Fragen und unnöthige Einvernehmungen, die nicht
selten blos darum geschehen, weil die Eefereuten sich die Arbeiten er-
leichtern, manchmal auch nur, weil sie den Gegenstand schnell aus der
Hand bringen wollen, und mit welchen vorzüglich die Buchhaltungen viel-
fach heimgesucht und von ihren Berufsarbeiten abgezogen werden, sind
eine zu ergiebige Quelle der Geschäftsvervielfältigungen und Verzögerun-
gen, als dass nicht mit allem Nachdrucke darauf zu halten, dass sie künftig
mehr, als es bisher geschah, unterbleiben. Auch hier liegen die Abhilfs-
mittel schon selbst in dem Organismus des Verwaltungssystems, da es
nicht blos die Pflicht der Präsidien bei der Eevision, sondern auch die
Pflicht der vorgesetzten Stelle bei Durchgehung der Gestionsprotokolle ist,
darauf zu sehen, dass die diesfälligen so oft wiederholten Anordnungen
])ünktlich vollzogen werden. Allein eine werkthätige Ausübung dieser
Pflicht wird hie und dort zu häufig vermisst, als dass es nicht unum-
gänglich nothwendig sein sollte, sie durch nachdrückliche Einschreitungen
zu erzwingen.
Ueberhaupt sind wegen einer schnellen, ordentlichen und gründ-
lichen Geschäftsbehandlung gegen Endo des Jahies 1806 und im Anfange
des Jahres IHOT eigene Unterweisungen und Instructionen t'üi' die Hof-
steilen ergangen, die späterhin aucli auf die Länderstellen und Admini-
strationen ausgedehnt worden sind. Dass man sie nicht unnütz, unaus-
führbar oder sonst zweckwidrig befunden hat. erhellt schon daraus, dass
von keiner Seite Gegenvorstellungen einlangten. Noch weniger ist mir
bekannt, dass jemals eine Zurücknahme odei- Aufhebung dieser Instruc-
tionen erfolgt wäre. Aber Jedermann weiss, dass in mehreren Punkten
gai' nicht mehr darnach geachtet wird, und dass sie bei einigen Stellen
ganz in Vergessenheit gerathen sind. Findet man selbst bei einzelnen
Commissionsgeschäften Instructionen für diejenigen, welchen solche Ge-
schäfte übertragen werden, nothwendig, so scheint doch bei einer für den
Staat und jeden Einzelnen so äusserst wichtigen Sache, wie die Geschäftsbe-
[133] 133
haudluugim Allgcmeiuou ist. ciuc bestimmte Anleitungweit iinontbolulicher
zu sein und nur von solch einer Anleitung,nicht aber von der Koutine. dem
Usus, vielleicht gar der Präsidialwillkür lässt sich Ordnung, Genauigkeit
und Gleichförmigkeit erwarten. Die in den Jahren 1806 und 1807 er-
gangenen Instructionen niiigen nun immer unvollständig und mangelhaft
sein, sie mögen Ergänzungen und Abänderungen, sie mögen eine sorg-
fältige Berücksichtigung der gegenwärtigen Lage der Dinge bedürfen, aber
auf jeden Fall dienen sie ganz gewiss zu einem Anhaltspunkte für das,
was gegenwärtig festzusetzen und anzuordnen wäre. Die Prüfung und
Berichtigung dieser Instructionen wäre daher unverzüglich zu veranlassen,
sobald sie die Allerhöchste Sanction erhalten haben, zur Kundmachung
zu schreiten, dann aber auch mit aller Festigkeit handzuhaben, weil das
Einschlafen der Vorschriften beinahe zur Sitte geworden ist, und alle Ver-
besserungsmassregeln erfolglos bleiben, wenn man auf die Befolgung des
Angeordneten nicht mit Zuversicht rechnen kann.
Die soeben angedeuteten Verfügungen würden zwar ganz gewiss
zur Vereinfachung, sowie zur schnellen und gründlichen Bearbeitung der
Geschäfte wesentlich beitragen, aber vollkommen wird der Zweck doch ^^'e Aufgabe
nie erreicht werden, wenn nicht der Alles belebende Hauch von oben aus- Monarchen
geht und den divergirenden Wirkungen, welchen eine so complicirte "' «^em ^""t
Maschine, bei den bekannten grossen Verschiedenheiten der Ansichten ^^stal'^te^"
und Interessen, ohne eine zusammenhaltende Kraft nur gar zu sehr aus-
gesetzt ist, von oben Einhalt gethan wird. In einer Monarchie, die aus
mehr als 26 Millionen Menschen, aus mehr als aus einem Dutzend ver-
schiedener Nationen mit beinahe eben so vielen Sprachen, aus mehr als
einem halben Dutzend verschiedener Religionen besteht, die keine allge-
meine, sondern äusserst differente Verfassungen, manchmal sogar in einer
und der nämlichen Provinz sehr wesentliche Nuancen hat, wo sich die
Interessen der verschiedenen Classen und Stände, ja selbst ganzer Länder
so vielfältig kreuzen, die in einer fast 200 Meilen langen Strecke an den
uncultivirtesten Theil von Europa, wo man sich noch durch Sanitäts-
cordon gegen Pest und Epidemien schützen muss, im Ganzen aber an
9 bis 10 fremde Staaten grenzt, die also auch in gewöhnlichen Zeiten
unter allen europäischen Ländern am schwersten zu beherrschen ist, die
noch dazu seit Kurzem mehrere durch eine längere oder kürzere Reihe
von Jahren von ihr getrennt gewesene Länder zurückerhalten hat. die sich
durch mehr als zwanzigjährige Kraftüberspannungen in einem sehr leiden-
den Zustande und in einer gänzlichen Zerrüttung ihres Geldwesens —
die so viele andere Zerrüttungen unvermeidlich nach sich zieht — befindet
und die nun, wo böse Nachwehen der gar zu lange gedauerten Anstren-
134 [134]
guugcn sich mit den widrigsten Eleiucutarcrcignisscn vereinbarten
und dadui'ch eine auch den standhaften Mann wahrhaft erschütternde
Lage herbeifülirten, grossen und unübersehbaren Uebelu nur durch die
schleunige Ergreifung und beharrliclie Ausführung der zweckmässigsten
Mittel vorbeugen kann, in solch einer Monarchie müssen die Geschäfte
nothwendig so häufig, so wichtig und so verwickelt sein, dass dem Souverän,
bei welchem alles Erheblichere zusammenfliesst, schlechterdings nichts
Anderes übrig bleibt, als sich auf die Hauptmomente zu beschränken,
sich in der steten Uebersicht des Ganzen und seiner Verbindungen zu
erhalten, die nöthigen Impulse zu geben, jede Hemmung und Stockung
in dem Gange der Administration zu verhüten, seine vorzügliche Auf-
merksamkeit auf eine gute Besetzung der wichtigeren Aemter zu richten,
zu belohnen, zu bestrafen und, was in einer Monarchie wie die öster-
reichische von ungemeiner Erheblichkeit ist, das Gleichgewicht oder
wenigstens ein richtiges Verhältniss zwischen ihren so äusserst hetero-
genen Bestandtheilen zu erhalten. Von den tausenden von Geschäften,
die alljährlich — leider in zu grosser Zahl — bis an den Thron gelangen,
kann der Monarch nur in die wichtigsten eigene, nähere Einsicht nehmen.
Xoch weiter gehen und das ganze Detail der nicht selten sehr unbedeuten-
den Geschäfte selbst würdigen zu wollen, ist eine absolute Unmöglichkeit,
die, weit entfernt etwas Gutes zu stiften, nur Aufenthalte veranlassen,
ungleich wichtigeren Dingen die nöthige Zeit entziehen und die fort-
währende Uebersicht des Ganzen — das höchste und interessanteste Re-
gierungsobject — verloren gehen machen würde. Der Einwurf, dass die
Wichtigkeit der Geschäfte relativ ist, weil an sich geringfügige Angelegen-
lieiten doch für diejenigen, die es betrifft, von entscheidenden Folgen sein
küunen, ist hier von gar keinem Belange. Man kann es wohl von dem
dichter, von jedem anderen Staatsbeamten, der sein bestimmtes Älass von
Geschäften hat, mit vijllem Rechte fordern, dass er kleinere Processe mit
eben der Grüiidlichkeit wie grössere, minder wichtige Parteisachen mit
eben der Aufmerksamkeit wie erheblichere behandle. Aber ganz anders
verhält es sich rücksichtlich der Person des Monarchen, der nur auf' das
Ganze sehen kann und je mehr er sich mit dem Detail befasst, das Grosse
und Wesentliche aus den Augen vei-liert. Niemandem ist es noch einge-
fallen, dem Monarchen zur Last zu legen, dass er die Entscheidung aller,
auch der wichtigsten Processe, sell)st die Vcrurtlicilung zum Tode aus-
schliessend den Gerichtshöfen ültei-lässt nud nur das I*ogna.(ligungsrecht
bei Todesstrafen sich vorbeliält. Ti'ilgt dei' Landesfi'irst kein Bedenken,
liier, wo es so oft auf Ehre, Vei'mögen, Freilieii und Leben dei' Bürger
ankommt, die definitive Entsclieidiing seinen Gerichtsstellen zu übei-lassen.
[135]
135
erkennt der Lanilesfürst luiii mit ihm der ganze gebildete Theil der Nation,
dass er dies, ohne sein Gewissen nur im Geringsten zu belasten, thun könne,
ja dass er sogar bei einem entgegengesetzten Verfahren schon dadurch,
dass er eine unerschwingliche Last auf sich nimmt, sein Gewissen zu be-
lasten Gefahr laufen würde, so geht wohl schon aus der Analogie hervor,
dass er auch bei den ungleich zahlreicheren politischen und Caraeralange-
legenheiten mit dem Detail der Geschäfte sich nicht befassen könne und
solle, zumal der Aufsichten und Controlen mehr als genug bestehen, um,
so viel es menschlicherweise nur immer möglich ist, Willkürlichkeiten
und andere Unftige zu verhüten.
Dagegen ist Alles daran gelegen, jenen festen, schnellen und ordent-
lichen Gang in die Geschäfte zu bringen, von welchem allein grosse Re-
sultate zu erwarten sind, den Jedermann wünscht und der, sobald er be-
merkbar wird, der Staatsverwaltung nothwendig Achtung und Folgsamkeit
verschaffen muss. Die im Zuge stehenden Verhandlungen mögen nun die
Aufrechthaltung des Öffentlichen Dienstes und der Gefälle, oder neue ge-
meinnützige Anstalten, oder die Abstellung von Gebrechen, oder andere
neue Einrichtungen und Verbesserungen, oder Parteisachen betreffen, so
ist der Schaden meistentheils nicht unbeträchtlich, manchmal ungemein
gross, der aus der oft jahrelangen Verzögerung solcher Angelegenheiten
entspringt. Es fehlt sogar an Beispielen nicht, dass ausserordentlich
mühsame und gründliche Ausarbeitungen einzelner Referenten so lange
herumgezogen wurden, bis wegen der in einer Reihe von Jahren einge-
tretenen Aenderung der Umstände kein Gebrauch mehr davon gemacht
w^erden konnte, oder dass sie bei einer Circulation oder als Reproducenda
irgendwo in Verstoss oder in Vergessenheit geriethen, oder, ohne nur
meritorisch aufgenommen zu werden, in einer Registratur, vielleicht auch
in einem Bureau erliegen blieben, dass ebenso manche Parteien den Aus-
gang der langwierigen Verhandlungen über ihre Gesuche, Anträge oder
Beschwerden gar nicht erlebten. So widrige Eindrücke dies unausbleib-
lich hervorbringen musste, so angenehm wird die Sensation sein, wenn
Ordnung uml Sehneiligkeit in dem Geschäftsgange wieder zurückkehrt.
Das Beispiel von oben und solch ein stufenweises Herabwirken, dass ein
Keil den andern treibt, ist das unfehlbarste Mittel zur Auflösung dieses
grossen Problems.
Die Möglichkeit, dieses auszuführen, hängt aber von dem, was ich
im vorhergehenden Absätze umständlich angegeben habe, ab.
Eine Centralleitung ist gewiss in keinem Staate nothwendiger als
in der österreichischen Monarchie, wo, ohne der auswärtigen Angelegen-
heiten zu erwähnen, die nicht andei's als abgesondert und durcli eine
Die
Nothwendig-
keit eines
festen,
schnellen
und ordent-
lichen
Geschäfts-
ganges.
Die
Nothwendig-
keit einer
Central-
leitnng.
136
[136]
Hofslellcn.
Einiichtung
des Staats-
UDd
Conferenz-
roiniste-
riiiins.
MinistcrialstcUc behandelt werden köuueu, und olmo der Holstäbe und
Hofärater zu gedenken, eine eigene Kanzlei für die deutschen und galizi-
schen Länder, eine eigene Organisirungs-Hofcommissiou für die wieder-
eroberten Länder, eine eigene Kanzlei für Siebenbürgen und eine für
Ungarn, ein Hofkriegsrätliliches Departement für die }»(»litisc-hen Agenden
aller Grenzregiraentsbezirke, ein Finanzministerium mit der demselben
untergeordneten HofkamuKM' für alle Finanz- und Caineralgegenstände,
ein Hofkriegsrath für die gesammtcn Militänmgelegenheiten, eine oberste
Rechnungsbehörde für die deutschen und galizischen Länder, füi- Tirol,
Illyrien und das Küstenland, zum Theil auch, aber jetzt nur noch in ge-
ringer Beziehung für das Kcinigreich Italien, ein oberster Gerichtshof für
die deutschen und galizischen Provinzen, für Tirol, Illyrien und das
Küstenland, ein oberster Gerichtshof (Septemvirat) für Ungarn, ein
oberster Gerichtshof (die Kanzlei) für Siebenbürgen, ein oberster Gerichts-
hof für Italien, endlich ein oberster (ierichtshof (die Hofkriegsräthliche
Justizabtheilung) für die Armee und für die Militärgrenzbezirke, eine
Hofstelle für die Polizei- und Censursangelegenheiten, ausserdem aber
noch eineGesetzgebungs-Hofcommission, eine Studien-Hofcommission, eine
Normalien-Compilations-Hofcommission , eine Grundsteuer-Eegulirungs-
Hofcommission, eine Militär - Verpflegs - Systemisir ungs - Hofconnnission,
eine Canalbau-Hofcommission und eine Commerz-Hofcoramission besteht,
mithin ausser der in der Natur der Sache gegrümleten Abtheilung der
leitenden Hofstellen in die verschiedenen Hauptzweige der Administration,
die fast aller Orten abgesonderte oberste Verwaltungsbehörden haben,
nämlich: innere Verwaltung, Finanz, Justiz, Polizei und Kriegswesen,
theils wegen der verschiedenen Verfassungen der Länder, theils weil man
einigen Zweigen durch Aufstellung eigener Commissionen besser vorzu-
sehen glaubte, theils aus anderen Ursachen, solch eine Menge und Mannig-
faltigkeit von unter sich unabhängigen Hofstellen, mit allen aus einer
weit getriebenen Zerstttckung unvermeidlich entspringenden Geschäfts-
vermehrungen, Umtrieben und anderen Unzukömmlichkeiten vorhanden
ist, dass, wenn nicht eine Centralleitung bestünde, die alle diese Hof-
stellen umfast, die ungeheure Verwaltungsmaschine, statt ein harmonisches
Ganzes zu bilden und concentrisch zu den grossen Staatszwecken zusam-
men zu wirken, in ein ungestaltetes Chaos ausarten würde.
Schon hieraus geht die hohe Wichtigkeit der Bestimmung des
Staats- und Conferenzministeriums, zugleich aber auch die unvermeid-
liche Nothwendigkeit solch einer Organisation dieses Departements hervor,
dass der Zusammenhang des Ganzen durch dasselbe zuverlässig erhalten,
jede Hofstelle und Hofcomraission in der ihr zugewiesenen Geschäfts-
[137] 137
abtlieihmg genau übersehen und controlirt. <ler Gang der Administration
im Grossen fortwährenti beobachtet, Ordnung und Behendigkeit in die
Geschäfte da, wo es daran mangelt, gebracht, da, wo sie bestehen, erhalten,
bei den Collisionen und Reibungen, die zwischen so vielen Verwaltungs-
körpern öfter entstehen, die dem Dienste zuträglichste Ausmittlung ge-
troffen, das wahre Verhältnis« zwischen den sehr ungleich constituirten
Ländern nie aus den Augen gelassen und alle vorkommenden Gegenstände
durch reiferwogene Abstimmungen zur Allerhöchsten Entscheidung ge-
hörig vorbereitet werden. Die Theilung in Sectionen und die Abhaltung
staatsräthlicher Sitzungen hat weder die weise Stifterin des Staatsrathes,
Maria Theresia, noch der grosse Staatsmann, der den Vorschlag dazu
machte, Fürst Kaunitz, noch irgend einer derjenigen, die nach einer
laugen praktischen Erfahrung über die Verfassung desselben sich zu
äussern späterhin in dem Falle waren, zweckmässig gefunden, so wie
überhaupt diese, wie es scheint, von dem himmelweit verschiedenen fran-
zösischen Staatsrathe entlehnte Idee auf den österreichischen ganz
und gar nicht passt. Würde der Staatsrath mit etwaiger Beibehaltung Die
der Sitzungen oder förmlicher Conferenzen bei wesentlich getheilten Mei- ^^"^ ^'""^
nungen, oder bei wichtigeren Gegenständen wieder auf den Fuss zurück- staatsrathes
gesetzt, auf welchem er sich zu Anfang des Jahres 1807 befand, und der ^^^^cs^^gQ-^
von allen früheren Verfassungsarten bis zum Jahre 1801 wenig verschie- und die
den war. und würde er dergestalt besetzt, dass alle Gegenstände unvcr- ^"'j^rhen
züglich in die Bearbeitung genommen, mit der ihrer "Wichtigkeit zusagen- Wirkungen
den Müsse gewürdigt, die Protokolle sämmtlicher Hofstellen srenau ^*'°"®°"
-- " - sprechenden
durchgegangen, auch im Uebrigen ihre Gestion streng im Auge gehalten, Einrichtung.
und von Zeit zu Zeit ein und das andere Glied des Staats- und Conferenz-
ministeriums in die Länder gesendet werden könnte, sowoljl um dort mit
eigenen Augen dem Gange der Administration nachzuforschen, als den
Zustand der Länder auch durch andere Wege als durch blosse Amts-
berichte kennen zu lernen umi sich stets in der neuesten Local- und
Personalkenntniss zu erhalten, so Hessen sich davon die nützlichsten
Folgen mit um so mehrerem Grunde erwarten, als der Staatsrath sodann
nicht nur allein selbst das Beispiel von Schnelligkeit. Ordnung und Ge-
nauigkeit in den Geschäften geben, sondern auch vollkommen im Stande
sein würde, die Geschäftsführung der Hofstellen bis in ihr Innerstes zu
durchblicken, wo sich Gebrechen zeigen, die Ursachen derselben zu ent-
decken und die sachdienlichsten Vorschläge zur Abhilfe zu machen, mit-
hin als höchste, unmittelbar an der Seite des Monarchen stehende und im
eigentlichsten Verstände sein geheimes Rathsgremium darstellende Behörde
Aufsicht, Controle und Zusammenhaltung des Ganzen im ausgedehntesten
138 [138]
Sinne zu bewirken. Es versteht sich dabei von selbst, dass Gunst und
Ungunst, Nepotismus, Vorliebe für das eine oder das andere Land, Eigen-
Das dunkel und Selbstsucht nirgendwo mehr als bei dem Staats- und Conferenz-
.^aas-nn niinisterium Verbannt werden muss, und dass es dort noch nothwcn-
Conferenz- '
ministeiium digcr als bci jeder anderen Behörde ist, keine Präpotenz einreissen zu
Freiheit 'der l^^sen , die Freiheit der Meinungen als ein unantastbares Heiligthum
Meinungen, zu betrachten und bei den Abstimmungen einzig auf das Gewicht der
Gründe Kücksicht zu nehmen.
Auf diese Weise würde das Staats- und Conferenzministerium über-
aus vielen Nutzen schaffen, besonders wenn durch die Beschränkung der
Zahl der an den Thron gelangenden Gegenstände — worunter gewiss
viele geringfügige sind, die in den staatsräthlichen Elenchen leicht auf-
gefunden und für die Zukunft der eigenen Entscheidung der Hofstellen
um so unbedenklicher, als sie ohnehin noch immer durch den Weg der
Protokitlle zur Kenntniss des Staatsrathes gelangen, übei'lassen werden
können — mehr Zeit für die wichtigeren Geschäfte gewonnen würde, und
wenn die schon früher in Vorschlag gebrachten, auch damals von Seiner
Majestät genehmigten, aber noch niemals zur Ausführung gekommeneu
Länder- Länderbercisungen stattfänden, wodurch jenen Nachtheilen, die man der
crcisungen. j,^^ggjjg^jjjj^gj^ Bureaukratic zuschreibt, am kräftigsten entgegengewirkt,
die Folgen und Wirkungen aller älteren und neueren Einrichtungen und
sonstigen Verfügungen an Ort und Stelle wahrgenommen, die Gestion
der Beamten auch in den weitesten Entfernungen schärfer, als es
durch den blossen Dicasterialweg geschehen kann, im Auge gehalten
und die getreuesten Gemälde von dem Zustande der Länder, von den
Wünschen und Bedürfnissen der Völker an den Thron gebracht werden
würden.
Eine weitere grosse Erleichterung für die Centralleitung Hesse sich
dadurch bewirken, wenn derselben jene Data und Materialien verschafft
würden, die zu einer vollständigen Uebersicht, wo nicht ganz unentbehr-
lich, doch gewiss von dem entschiedensten Nutzen sind, und die, mit der
gehörigen Sorgfalt und Genauigkeit verfasst, nicht selten als Grundlage
für die wichtigsten Combinationen gebraucht werden köjincu. Dass der
ungemeine Vortheil, den der praktische Geschäftsmann, ilcn selbst der
statistische angehende Beamte aus statistischen Tabellen und Ausweisen
TabcUenund ^.^y^,- fg^ j^^nu, uic verkannt wurde, wiid (hiraus offenbar, dass schon in
Ausweise. ^
früheren Zeiten einige Länderchefs sich um solche bewarben, mehrei-e
Kreisämter in Beziehung auf die ihnen anvertraute Landesstrecke solche
Tabellen und Ausweise verfassten und eben so auch einige Buchhaltungen
das, was sie aus den Rechnungen und den sonst zu ihrer Kenntniss
[139] 139
gelangomlcn Actcnstücken liefern konutcu, für sich selbst uqiI fiir 'len
Landesclicf gesammelt haben.
Aber ernstlichere Schritte, um sich solche Materialien zu verschaffen, a nfange
wurden, und zwar gerade zum Behufe der Centralleitung, im Jahre 1803 jjaterlaiien-
gemacht. Am meisten ging zwar die Absicht dahin, von den im Jahre 1797 sammiung
neuerworbenen Ländern Venedig, Istrien, Dalmatien und Cattaro
nähere Kenntnisse zu erlangen. Aber bei der nämlichen Gelegenheit
wurde auch in ganz Innerösterreich, in dem Fiumaner Bezirke, in
Tirol und in Oesterreich jenseits der Enns solche Einleitung getroffen,
dass nicht blos von den politischen Behörden, sondern auch von den
Appellationsgerichten und von den Bancal- und Tabakgefällsadministra-
tionen sehr vollständige Xotizen und tabellarische Uebersichten eingesendet
wurden. Seine Majestät fanden dieselben so wichtig und so befriedigend,
dass die Formulare, nach welchen in den vorbenannten Ländern gearbeitet
worden ist, späterhin auch den Gouverneuren anderer Provinzen zuge-
fertigt wurden, um nach und nach zur Totalübei'sicht der Monarchie oder
wenigstens der gesammten deutschen Länder zu gelangen. Allein durch
die wiederholten Kriege, durch den Schwall der Geschäfte, vielleicht auch
weil sich späterhin Niemand mehr der Sache angenommen hat , unter-
blieben in der Folge alle weiteren Sammlungen, und mir ist es blos von
der Provinzial-Staatsbuchhaltung in Böhmen bekannt, dass sie ihre
statistischen Tabellen von Jahr zu Jahr fortsetzt.
Wäre es nur noch im Geringsten zweifelhaft, ob der Besitz solcher wieiuigkeit
Materialien ein solches Interesse gewähre oder nicht, so würde sich der , ,. " ,
° ' statistischen
evidente Beweis, dass er nicht blos vortheilhaft, sondern von äusserster Ausweise.
Wichtigkeit sei, nicht blos durch das Beispiel fremder Staaten und durch
die Autorität so vieler Gelehrten, sondern auch durch factische Ereignisse,
wo man den Mangel solcher Notizen schwer gefühlt und wesentliche
Xachtheile dadurch erlitten hat, herstellen lassen. Es würde leicht sein,
darzuthun, wie viel die Central- und jede höhere Geschäftsleitung dabei
gewinnt, wenn sie solche Notizen vorräthig hat, um sie bei jedem vor-
kommenden Falle sogleich benützen zu können, statt dass mau sich jetzt
immer erst, wenn schon die Nuthwendigkeit des Gebrauches eintritt,
darum bewerben muss, woraus der zweifache Schaden resultirt, dass die
Gegenstände, zu deren Erledigung dei'gleichen Ausweise und Tabellen
uothwendig sind, immer bis zu deren Zustandebringung aufgehalten
werden, und dass letztere wegen der Eile, mit welcher sie verfasst werden
müssen, und bei dem Mangel an Vorbereitungsanstalten manchmal
unvollständig, manchmal selbst fehlei-haft sind. Allein dieser Zweifel
scheint nun schon wohl vollends aufgelöst un<l der Nutzen und die
140
[140]
Die
Sunmarien
der Central-
JeitnDg in
statistischer
Hinsiebt.
eis- und
Trans-
leithanien.
Der
Nützen der
statistischen
Suinmarien
Wichtigkeit solcher Materialien für die Geschät'tsleitung allgeinciu auer-
kannt zu sein.
Soll aber der Zweck in seinem ganzen Umfange erreicht werden,
so müssen die zahlreichen einzelnen Beiträge bei einer Behörde ziisammen-
fliessen, dort aus den einzelnen Tabellen die Summarien gemacht und
gedachte, über alle Zweige der inneren Administration nach ihren Haupt-
abtheihingen verfasste Summarien der Centralleitung vollständig unter-
legt, ausserdem aber jeder administrirenden Hofstelle Alles, was in das
ihr zugewiesene Fach einschlägt, raitgetheilt werden. Sehr Vieles könnten
hiebei die Länder- und Hofbnchhaltiingen leisten. Aber da dieselben
doch auf so manche Administrationszweige gar keinen Einfluss haben, so
müssen die dafür aufgestellten Behörden die Ausweise und Tabellen für
diese Zweige entweder selbst verfassen, oder doch wenigstens die dazu
erforderlichen Materialien einsenden. Es ist zu einleuchtend, wie viel an
ihrem Werthe verloren geht, wenn sie nicht in den Hauptrubriken über-
einstimmen, oder sonst mangelhaft und unzusammenhängend sind, um
erst noch umständlich zu beweisen, dass die Einleitungen zur Verfassung
dieser Ausweise und Tabellen von einer und der nämlichen Behörde ge-
troffen werden müssen, weil man nur auf diese Art der Gleichförmigkeit
versichert sein kann. Aus den gesammten deutschen Ländern, aus Galizien.
aus dem Königreiche Italien, Illyrien, Tirol und dem Küstenlande sich
alles Nöthige zu verschaffen, kann, wenn einmal die Sache von Seiner
Majestät genehmigt und die Behörde, welcher die Ausführung obliegen
soll, bestimmt worden ist, gar keinem Anstände unterliegen. Aber weit
grössere Beschwerlichkeiten treten in Ansehung Ungarns und Sieben-
bürgens sowohl wegen der eigenen Verfassung dieser Länder, als selbst
auch wegen des dort bestehenden Verwaltungssystems ein. Indessen lässt
sich doch durch unmittelbare Allerhöchste Aufträge an den Erzherzog-
Palatinus, so wie an den Kanzler oder Gouverneur von Siebenbürgen,
durch die ungarische Hofkammer und die ihr zugetheilte Buchhaltung,
endlich durch die ungarisch-siebenbürgische Hofbuchhaltung Vieles be-
wirken und vielleicht auch auf indirecten Wegen noch manche Lücke
ergänzen.
Hat man nur erst alle Daten uml Materialien von einem ver-
gangenen Jahre vollständig gesammelt, daraus die Summarien verfasst,
und diese sowohl der Centralleitung als den Hofstellcu fiir ihre Verwal-
tungszweige übergeben und dem Minister der äusseren Verhältnisse das-
jenige mitgctheilt, was für seinen Geschäftskreis von höherem Interesse
ist, so wird sich das Nützliche dieser Einleitungen gewiss in solch einem
Masse bekunden, dass sich alle Wünsche auf die Fortsetzung derselben
fl41] 141
vereinigen werden. Aber »lern denkenden Manne entgeht es nicht, wie
sehr sich die Vortheile mit jedem Jahre vermeliren werden, wo die
Arbeiten, je mehr diejenigen, welchen sie obliegen, mit ihnen vertrauter
werden, immer an Richtigkeit und Vollständigkeit zunehmen, und wo
gerade die Entgegenhaltung der Ausweise und Tabellen von mehreren
.Jahren die wichtigsten Aufschlüsse gibt und der Administration Daten
liefert, welche ihr- bei einem zweckmässigen Gebrauche zum grössten Be-
hufe gereichen können.
Und doch hat man hiedurch noch nicht das äusserste Ziel erreicht,
wenn man kein zur Vervollkommnung der Administration anwendbares
Mittel unbenutzt lassen will. Die administrirenden Stellen werden zwar,
wenn die soeben angedeuteten Ideen in Erfüllung übergehen, mit sach-
dienlichen Behelfen für ihre Gestion ungleich besser als jetzt versehen
sein, sie werden deren von Jahr zu Jahr mehrere erhalten. Allein der
Vortheil würde noch ungleich grösser sein, wenn dabei auch die statisti-
schen Notizen fremder Staaten, mit welchen oft die interessantesten Ver-
gleiche angestellt werden können, nicht vernachlässigt würden. Bei der
in vielen Staaten sehr weit getriebenen Publicität kommen dergleichen Wichtigkeit
Daten häufig selbst in Zeitungsblätteru und in periodischen Schriften vor. statistischen
Auch mauche grössere Werke, die von Zeit zu Zeit erscheinen, fliessen Daten in
aus solchen Quellen und beruhen auf solchen Autoritäten, dass man, nach jo„naien
den Kegeln eines vernünftigen Kriteriums, die Echtheit ihrer Angaben »nd
kaum bezweifeln kann. An Materialien würde es also selbst dann nicht
fehlen, wenn es das Ministerium der auswärtigen Verhältnisse nicht thun-
lich fände, zur Einsendung solcher Materialien Aufträge an die Gesandt-
schaften zu erlassen. Sehr bedeutend würde der Aufwand zur Anschaffung
der Zeitungen, Journale und statistischen Werke nicht sein und
die zur Verfassung der Summarieu und Vergleichungstabellen gebraucht
werdenden Individuen hätten sich wenigstens im Anfange nur auf eine
geringe Zahl zu beschränken.
Ueberhaupt müsste es sich die Behörde, welcher die Leitung und Pian-
Ausführung der Sache übertragen werden wird, zur Richtschnur nehmen,
ja nicht gleich bei der ersten Entstehung zu weit auszuholen, was leicht
zur Folge haben könnte, dass mau wenig oder nichts leistet, weil man zu
viel leisten wollte, sondern mit einem beschränkteren Plane zu beginnen,
sich zuerst vorzüglich mit der Sammlung der Materialien und mit den
sachdienlichsten Mitteln, dieselben gleichförmig zu überkommen, zu be-
schäftigen, sodann schrittweise weiter vorzurücken und erst, wenn schon
Resultate vor Augen liegen, deren Nutzen nicht bestritten werden kann,
zur vollständigeren Ausführung überzugehen.
massiges
Vorgehen.
142 [142]
An die voraageführteii Eileicliterungen der Centralleitimg durch
vermehrte und verbesserte Uebersicht reiht sich noch eine, die ich für
nichts wenig-er als unwichtig halte, ich meine die Wiedereinführung der
schon in frühereu Zeiten, zwar nicht allgemein, aber doch bei mehreren
Verwaltungszweigen bestandenen Administrationsberichte. Ich weiss sehr
wohl, dass viele dieser Berichte der Erwartung nicht entsprochen haben,
dass einige äusserst dürftig, andere viel zu weitläufig ausgefallen sind,
dass die Schreiberei dadurch im Ganzen nicht wenig vermehrt worden ist,
dass man eben darum den Nutzen keineswegs überwiegend fand und es
daher von diesen Berichten wiedei- abkommen Hess. Allein so sehr diese
Thatsachen gegen eine Wiedereinführung der erwähnten Berichte zu
streiten scheinen, so möchte ich sie doch für keine entscheidenden Gegen-
gründe gelten lassen, weil nach meinem Dafürhalten der Fehler nur in
den Anordnungen lag, die nicht genug instructiv und erschöpfend waren,
und keine hinlänglichen Bestimmungen, wie die Administrationsberichte
beschaffen sein sollen, enthielten, was dann zur Folge hatte, dass jeder
seine eigenen Begriffe damit verband und Viele den Zweck gänzlich ver-
fehlten. Ueberdies wird durch monatliche und selbst durch vierteljährige
Administrationsberichte die Arbeit zu sehr und im Grunde ohne Noth ver-
mehrt, weil 'in so kurzen Fristen nur wonig wesentliche Aenderungen, die
für die höhere Leitung und Aufsicht von Wichtigkeit sind, vorzufallen
pflegen. Würde nun diesen Gebrechen durch eine bündige, leicht fass-
liche Anleitung, die keinen Zweifel darüber übrig lässt, was man bei Ab-
forderung der Administrationsberichte bezweckt und wie diese Berichte
eingerichtet sein sollen, so wie durch die Festsetzung längerer Fristen,
nämlich halb- oder selbst ganzjähriger abgeholfen, so Hesse sich darauf,
dass durch diese Verfügung der Centralleitung über das Ganze der Ver-
waltung und jeder administrirenden Hofstelle von ihren Unterbehörden
höchst interessante Berichte zukommen werden, um so zuversichtlicher
rechnen, als schon zuvor, ungeachtet es damals an bestimmten Anlei-
tungen fehlte, wirklich einige sehr schätzbare Admiuistrationsberichte
eingelangt sind, und als dergleichen Berichte zur Entwicklung der Fähig-
keiten und Sachkenntnisse derjenigen, welche dieselben zu verfassen
haben, bei Weitem mehr als die gewöhnlichen Amtsberichte geeignet sind.
Es gilt auch hier die bei dem vorhergehenden Absätze gemachte Bemer-
kung, dass nämlich, wenn auch im Anfange einige dieser Berichte nicht
befriedigend wären, sie ganz gewiss selbst durch die mehrere Uebung
und durch die darüber ergehenden Belehrungen gehaltreicher werden
und dass die davon für die Geschäftsverwaltung zu erwartenden Vor-
theile — wegen der grossen üebersichtcn, die sich aus der Combination
[143]
143
Nützlich-
keit, ja
Noth-
wendigleit
derselben.
mehrerer solcher Berichte ergeben — von Jahr zu Jalir zunehmen
würden.
Warum mir aber die Wiedereinführung der Administrationsberichte
nicht blos nützlich, sondern, wenn man sich nicht mit der materiellen
Abfertigung der Geschäfte beruhigen will, selbst nothwendig scheint, hat
seinen Grund in den Erfahrungen, die jeder aufmerksame Geschäftsmann
gewiss häufig zu machen Gelegenheit hatte, dass nämlich der reinste Wille
und ein nicht gemeiner Takt nicht immer hinreicht, all das Gute und
Nützliche zu leisten, was man beabsichtigt, ja dass man manchmal bei
dem eifrigen Bestreben, zu oi-ganisiren, zerstört oder sonst von unrichti-
gen Voraussetzungen ausgeht, und irrige Begriffe und Ansichten bei ein-
zelnen, mitunter auch wichtigeren Gegenständen immer tiefere Wurzeln
schlagen, wenn man nicht durch periodische Zusammenstellungen die Er-
folge genau zu übersehen in den Stand gesetzt wird. Noch weit mehr in
die Augen springend ist es aber, dass Käthe und Referenten, die insge-
sammt eine grosse Menge einzelner Eingaben alle Wochen und Monate
des Jahi'es hindurch erledigen müssen, sohin sich an die fragmentarischen
Arbeiten gewöhnen, mit diesen alle Hände voll zu thun haben und dadurch
selbst in den grösseren Ausarbeitungen nicht wenig gehindert werden,
den Zusammenhang des Ganzen und den Ueberblick des Fortschreitens
oder Zurückbleibens in den verschiedenen Abtheilungen des ihnen anver-
trauten Verwaltuugszweiges, auch wenn sie nichts weniger als fahrlässig
in ihrem Amte sind, nur gar zu leicht aus den Augen verlieren, wo doch
gerade dieser Ueberblick die Seele einer entsprechenden Geschäftsleitung
ist und die Administrationsberichte schon darum, weil sie sich über das
Ganze verbreiten, die meiste Versicherung gewähren, dass sowohl die
Verfassung, als die Durchlesung und Prüfung dieser Berichte zur Ueber-
sicht des Ganzen führt, mithin dadurch sich doch haltbare Anhaltspunkte
zu einer planmässigen und consequenten Geschäftsbehandlung bilden.
Worauf es aber nebst einer fasslichen und vollständigen Anleitung nach
meinem Dafürhalten noch vorzüglich ankommt, um sich einer zweck-
mässigen Verfassung der Administrationsberichte zu versichern, ist die
Einräumung einer hinlänglichen Frist, damit sich jedes Amt und jede
Behörde, die dergleichen Berichte zu erstatten haben, durch Auszeichnung
nnd Vormerkung der dahin einschlagenden Geschäftsstücke allmälig darauf
vorbereiten könne und nicht erst in der letzten Zeit in Eile die Materialien
aufzusuchen bemüssigt werde.
Wider die etwaige Einwendung, dass durch die in Vorschlag ge- Widerlegung
brachten statistischen Ausweise und Administrationsberichte die Ge- ^. "^'^"
hin wände.
Schäfte zu einer Zeit nicht wenis: werden vermehrt werden, wo es in
Anleitung
hiezu.
144
[144]
Die jetzige
Aufgabe der
Organisation
des Staates.
Unthunlicli-
keit der
Personals-
verminde-
i'ung in den
Aetntern.
iiiohicreu üezioliuiiyeii uiid st-llifst aucli aus liücksicliteu fiir die Fiuanzeu
vielmehr unei'Iässlich ist, auf Verminderungen und nur dadurch mögliche
Personalsersparungen zu denken, glaube ich mir die Bemerkung erlauben
zu dürfen, das«, wenn mit dieser Idee zugleich auch die übrigen, welche
der vorliegende Aufsatz enthält, ausgeführt werden wollten, im Ganzen
sicher kein Zuwachs an Geschäften, sondern eine Abnahme entstehen
würde, dass ferner die Verfassung der statistischen Ausweise sich mit
wenigen Individuen und einem geringen Kostenbetrage ins Werk setzen
lasse, wegen der Erstattung halb- oder gar ganzjähriger Administrations-
berichte aber nicht ein einziger Beamter mein- als jetzt nothwendig werden
könne, dass die Zeit und Mühe, welche die Zustandebringung dieser Aus-
weise und Berichte fordert, bisher, wo bei so vielen einzelnen Anlässen
bald dieses, bald jenes erhoben, ausgewiesen und angezeigt werden musste,
vielleicht um nichts geringer war, ohne etwas Mehreres als sehr unvoll-
kommene Bruchstücke zu liefei'n, dass also, ohne den grossen Nutzen,
der sich von einer zweckmässigen Ausführung der Sache mit so vielem
Grumle erwarten lässt, und der auch eine ungleich beträchtlichere Aus-
lage rechtfertigen würde, in Anschlag zu bringen, in der so unverkenn-
baren Nothwendigkeit, die Finanzen zu schonen, keine haltbare Ursache,
sich wider die Ausführung zu erklären, liege. Vielmehr bin ich innigst
überzeugt, dass, da gerade unsere kleinliche und fragmentarische Ge-
schäftsbehandlungsart eine Menge überflüssiger Anfragen, Anzeigen,
Einvernehmungen u. s. w. erzeugt, Alles, was zu grösseren Ueber-
sichten, zu festeren, folgerechteren Begriffen und eben darum auch zu
durchgreifenderen Verfügungen hinleitet, zwar nur indirect, aber darum
doch sehi' wirksam zur Vereinfachung und Abkürzung der Geschäfte bei-
tragen wird.
Zu einer Zeit, wo die Organisation so vieler wieder erworbenen
Länder noch weit von ihrer Vollendung entfernt ist, wo die vielfältigen
Kriege auch in den älteren Provinzen der Monarchie so Vieles aus dem
Geleise gebracht haben, wo man das Mangelhafte mehrerer älterer P]iii-
richtungen mit jedem Tage lebhafter fühlt, wo so viele seit 20 Jahren
angefangene Verbesserungen durch den Drang der Zeit unterbrochen,
andere, deren Nothwendigkeit Niemand bezweifelt, noch gar nicht ange-
fangen worden sind, wo so manche neue Verhältnisse auch neue Anord-
nungen unumgänglich erheischen, wo die meisten Stellen und Aemtei'
mit Parteisachen gegen die vorigen Zeiten drei- und viermal mehr be-
schäftigt sind, wo endlich die höhere Geschäftsleitung weit weniger, als
sie es vor 20 und 30 Jahren war, concentrirt ist, in solch einer Zeit
lassen sich Personalsvorniinderungen, oinzelne Fälle ansgenomnien, wohl
[145] 145
schwerlich anders als mit offenbarem Nachtheile des Staatsdienstes
erzwingen, dass nämlich Viele, welche auf die Geschäfte einen wesent-
licheren Einfluss haben, durch Ueberladunjj: zu Schleudereien gezwungen
werden, dass die Eückstände sich noch mehr anhäufen, dass die Einrich-
tungen und Verbesserungen noch langsamer fortschreiten, dass also die
Verlegenheiten der Staatsverwaltung noch mehr zunehmen und die An-
lässe zum Missmuth noch zahlreicher werden würden. Dazu kann der
i\lonarch und kann die Centralleitung doch wohl die Hände nicht bieten
wollen. Es muss ihnen vielmehr Alles an einem rascheren Gange über-
haupt und insbesondere bei den im Zuge begriffenen oder sonst noch
uothwendigen Einrichtungen und Verbesserungen gelegen .sein. Sie
würden daher mit sich selbst im Widerspruche stehen, wenn sie die Mittel
dazu verweigerten oder nicht in hinlänglichem Masse gewährten. So wie
die Verzögerungen, die bei dem Bau eines Hauses aus Mangel an Gelde
oder an Materialien oder an Arbeitern eintreten, dem Eigenthümer zum
offenbaren Schaden gereichen, eben so ist dies der Fall bei Einrichtungen
und Verbesserungen in dem grossen Staatsgebäude, wozu noch kommt,
dass die lange Dauer eines provisorischen Zustandes bei Allen, um so
mehr also bei jenen, die davon getroffen werden, einen äusserst unange-
nehmen Eindruck erregt.
Deswegen darf man sich aber keineswegs der Besorgniss über- voranssicht-
lassen, dass auf eine Abnahme von Geschäften, sohin auch auf Personals- Abnahme der
Verminderungen und Ersparungen an Administrationskosten wenig oder Geschäfte,
gar keine Aussicht vorhanden sei. Vielmehr wird gerade in dem Masse, venninde-
als die Einrichtungen und Verbesserungen nachdrücklicher betrieben und '■"°s «nd
eben weil sie sich unter mehrere theilen, schneller durchgeführt werden, an'^Adm'inU
auch der Zeitpunkt früher herbeikommen, wo Personalsverminderungen, strations-
und zwar ohne allen Xachtheil des öffentlichen Dienstes, in mehreren ^^^ ^■^^^^.
Zweigen der Administration werden vorgenommen werden können. Man Ordnung des
darf nur bedenken, zu was für einem unübersehbaren Kolosse das Cassa-
und Rechnungswesen in der österreichischen Monarchie hauptsächlich
durch die vielen Kriege und durch die Ueberhand nähme der Zerrüttung
des Geldwesens angewachsen ist, um übei'zeugt zu werden, dass, so lange
dieser leidige Zustand fortdauert, Cassa- und Buchhaltungsbeamte immer
noch von Zeit zu Zeit werden vermehi't werden müssen, wohingegen, so-
bald Ordnung in das Geldwesen gebracht wird und die dazu erforderlichen
Operationen ausgeführt sein werden, die Cassa- und Rechnungsgeschäfte
an Menge und Beschwerlichkeit nothwendig abnehmen müssen, folglich
auch mit einem minder zahlreichen Personal leicht werden bestritten
werden können.
10
146 [146]
Normalien- riitei' (leii vci'scliicileiien f^cliiiii wirklich im Zuge stehenden Ein-
m nng. [(.j^j^j^^gj^ |;^g4.^ gj^]^ bcsonders von jener, welche die Saninilung der Nor-
malien beabsichtigt, ein sehr wohlthätigcr Einfliiss auf die Ablcürznng,
Erleichterung und Verbesserung der Gescliäftsbehandlung erwarten, zu-
uial, wenn sich niclit auf eine materielle Sammluug beschränkt, sondern
der Gegenstand systematisch behandelt, die Lücken ergänzt, die Wider-
sprüche behoben, die ündeutlichkeiten berichtigt und aus deui ungeheureu
Chaos von vielleicht uiehr als 100.000 Noi'uialien, deren viele aus ein-
zelnen Veranlassungen ohne hinlängliche Umsicht erlassen wonlen sind,
und die gegenwärtig besonders bei Behörden, wo sich die Ivcgistratnren
nicht in guter Ordnung befinden, den Beferenten ihr ohnehin mühsames
Tagewerk ungemein erschweren, ein wohlgeordnetes Ganzes gebildet wird.
Baidacci. j^ Jem Zeiträume, wo mir die Leitung dieses Geschäftes anvertraut war,
waren die Mittel viel zu bescliränkt, als dass rasche Fortschritte möglich
gewesen wären. Docli sind die Grundsätze des Verfahrens sowohl bei der
Sammlung, als bei der Eedaction und bei der systematisclien Coordinirung
des Ganzen damals aufgestellt, mehr als 20.000 vollständige Auszüge
aus den Originalacten zusammengebracht, aus den Oameralregistraturen
von einigen Zweigen die Normalien vollständig ausgehoben und von den
Länderstellen die Abschriften jener von ihnen selbst erlassenen Vei'ord-
nungen, welche in die Classe der Normalien gehören, abgefordert und
auch grösstentheils eingesendet worden. Wäre, als nach der Hand die
Leitung dieses Geschäftes zuerst an den Staatsminister Grafen von
Rottenhan und späterhin an den Staatsminister Grafen von Chotek
übergegangen ist, auf dem eingeschlagenen Wege fortgefahren worden,
so würde auch bei geringen Mitteln die Sammlung und die Redaction nun
sclion beendigt sein können. Allein wie es scheint, hat man damals
andere Pläne angenommen, die dem Anscheine nach schnellere Fort-
schritte versprachen, die aber nicht erfolgten. Es lässt sich erwarten,
dass der Präsident Graf Wnrmser, dem die Leitung dieses Geschäftes
seit einiger Zeit übertragen worden ist, die hohe Wichtigkeit desselben
nach seinem ganzen Umfang erkennen und sachdienliche Vorschläge zur
bestmöglichsten Beschleunigung dieser freilich sehr festen, aber — wenn
sie zu Stande kommt • — auch ungemein nützlichen Arbeit erstatten wird.
Der Zweck des vorliegenden Aufsatzes gestattet mir nicht weiter in die
Sache einzugehen, als da, wo ich von den verschiedenen Mitteln, den ob-
waltenden Gebrechen abzuhelfen und die öft'entliche Verwaltung zu ver-
Orundiape l)essern, hamlelte, auch auf den ausserordentlichen Nutzen, den solch
r!"^l eine systematische Sammlung und Bericlitiguug der Normalien, welche
imlitischen •' r^ n i^ t
Codex. die Grundlage eines jnditischeu Codex ausmachte, in vielen Beziehungen
[147] 147
^•ewähion wi'uik', aufineiksam zu machen, und dieses Unternclimeii unter
diejenigen zu leilien, bei denen es sehr bedauerlicli wäre, wenn man sie,
weil sie ein Personal und folg-lich einen damit verbundenen Aufwand be-
dürfen, aufgeben wollte.
Indem ich mich dem Schlüsse eines Aufsatzes nähere, der zum Schiuss-
Zwecke hat, die Gegenstände, über welche sich die öfl'entliche Meinung ^■g^g^. pg^^.
fast durchgehoiuls ungünstig ausspricht, darzustellen und die Mittel an- schiift.
zugeben, durch welche nach meinem Jlrachten die so äusserst widrig ge-
wordene Stimmung allmälig Avieder verbessert werden könnte, muss ich
auf Objecte zurückkommen, die ich zwar schon im ersten Abschnitte, wo
von der Zerrüttung des Geldwesens die Eede war, berührt habe, die aber
ans der Ursache hier ausführlicher behandelt zu werden verdienen, weil
sie nicht nur allein ganz vorzüglich auf die Stimmung einwirken, sondern
weil gar keine Möglichkeit denkbar ist, wie, in so lange nicht den hiei-auf
Beziehung nehmenden Uebeln, die ich soeben anschaulich zu machen im
Begriffe stehe, ausgiebig abgeholfen wird, die Stimmung besser werden
oder sonst die gegeuw'ärtige missliche Lage sich vortheilhaft ändei-n
könnte. Ohne der Ackerbauenden, der Fabricirenden, der Gewerb- oder Beamten-
weU, Ainiee
Handeltreibenden, oder sonst einer anderen Classe irgend etwas von ihrem „„d staats-
Werthe benehmen zu wollen, ist es doch einleuchtend, dass die Civil- gläubiger,
administration im ausgedehntesten Verstände, dass der Wehrstand und
die Staatsgläubiger diejenigen sind, welche der Landesfürst mehr als alle
übrigen Classen berücksichtigen muss. Der Staatsgläubiger hat einen
Theil seines Vermögens, Mancher sein Ganzes dem Staate anvertraut.
Die Armee hat in den letzten 30 Jahren oft ihr Blut für das Vaterland
vergiessen müssen. Sie leistet während des Friedens auch im Innern
nützliche Dienste, und sollte in der Folge die Ruhe wieder gestört werilen,
so liegt ihr abermals die Vertheidiguug des Vaterlandes ob. Die Civil-
administration hat den allernächsten und wichtigsten Einfluss auf die
innere Wohlfahrt der Länder, welche den grossen Staatskörper bilden.
Durch die unglücklichen Zeitverhältnisse ist auch ihre Aufgabe viel be-
schwerlicher geworden. Denn wenngleich im Ganzen das Verwaltungs-
personal jetzt viel zahlreicher ist, als es in früheren Zeiten war, so haben
doch die Geschäfte in einem ungleich grösseren Masse zugenommen. Im
Allgemeinen und dem grösseren Theile hat sich die Arbeit der Beamten
zuverlässig vermehrt. Und doch ist noch sehr viel zu tlum übrig. Ob es
früher oder später besser »idor schlechter geschehen wird, luingt grössten-
theils von der Beschaffenheit der Civiladmiuistratidu und von dem Geiste,
der sie beseelt, ab. Wer wird es also nicht für ein höchst trauriges Ver-
hängniss ansehen, dass diese drei Classen unter dem Drucke der Zeiten
10*
148 [148]
bisher am meisten gelitten liaben und noch leiden? Nicht als ob die
Wahrheit dieser Behauptung erst noch erwiesen werden müsste, sondern
nur um sie anschaulicher zu machen und um einige schiefe Urtheile, die
man eben nicht gar selten zu hören Gelegenheit hat, zu berichtigen, glaube
ich etwas tiefer in die Sache eindringen zu müssen.
Lage Man darf nur eine Parallele zwischen Zweien, die vor 30 oder
eiäubicor^" ^^^ -Taliren, wo der Staatscredit noch so unverletzt war. dass die Banco-
obligationen mit einem Agio gingen, ein gleich grosses Capital, und zwar
so der Eine bei dem Staate, der Andere auf eine Privathypothek angelegt
hat, ziehen, um das harte Schicksal der Staatsgläubiger in seinem ganzen
Umfange zu fühlen. Zwar sind auch sehr viele Privatgläubiger durch die
eingetretene Zerrüttung des Geldwesens, durch die allmälige und viel zu
lange unbeachtet gebliebene Werthsvermiuderung des Papiergeldes, und
vorzüglich durch so manche mit und nach dem Finanzsysteme vom
Jahre 1811 erschienene Anordnungen äusserst übel weggekommen, der-
gestalt, dass dadurch viele Privatgläubiger vom Wohlstande zur Dürftig-
keit herabgesunken sind. Aber die Staatsgläubiger wurden nicht nur
allein von eben denselben Unfälle-n, sondern nebstbei auch noch von der
Unaufküudbarkeit der Capitalien, von dem gezwungenen Arrosement,
mithin in einem noch ungleich höheren Grade betroffen. Auch jetzt, wo
nach dem Misslingcn der im Juni 1816 unternommenen Finanzoperatio-
nen leicht vorherzusehen war, dass sich der Werth des Papiergeldes, wenu
auch mit zeitweisen Schwankungen, im Ganzen doch immer zum Sinken
hinneigen, folglich der Verlust bei den Interessen, ungeachtet des sich
gleich bleibenden Nominalwerthes , von Monat zu Monat beträchtlicher
werden wird, steht der Staatsgläubiger gegen den Privatgläubiger darum
in einem misslicheren Verhältnisse, weil letzterer durch Aufkündigung
und anderweitige Verwendung seiner Barschaft sich der uuverhältniss-
mässig geringen Verzinsung entziehen kann, wohingegen Erstcrer durch
die Unaufküudbarkeit der bei dem Staate anliegenden Capitalien selbst
auch dieses Hilfsmittels beraubt ist und ihm nichts als der nicht ohne
ansehnlichen Verlust zu bewerkstclligcnile Verkauf seiner Obligationen
übi'ig blcil)t. Wer kann nach dieser ganz einfachen Darstellung noch
daran zweifeln, dass die Finanzadministration nur das Postulat der
strengsten Gerechtigkeit erfüllte, indem sie durch das in Vorschlag ge-
brachte und von Seiner Majestät genehmigte Anlehen den Staatsgläubigern
die Möglichkeit verschaffte, die Zinsen künftig in Metallmünze statt im
Papiergelde zu erhalten, und dadurch zugleich den Werth der Obligationen
in W^iener Währung hob? Das Einzige, was sich dawider einwenden lässt,
nämlich die häufigen Besitzveräuderuugcu und die wenige Rücksicht, welche
[149]
149
so viele Käufer von Obligationen, die solche grossentheils bei sehr niedri-
gen Cursen an sich gebracht liaben, verdienen, verliert sein Gewicht
durch die Betrachtung, dass dergleichen Zufälle bei einer so grossen und
lange dauernden ZeiTüttung nie vermieden werden können, die gerechten
Ansprüche der ursprünglichen Staatsgläubiger auf eine die früheren Be-
drückungen doch etwas mildernde Behandlung sich gar nicht bestreiten
lassen, und diejenigen, welche die Schuldverschreibungen von den früheren
Eigeuthümern durch Kauf oder Schenkung überkommen haben, unstreitig
in ihre Gerechtsamen eingetreten sind.
Bei der zweiten, durch den Druck der Zeiten vorzüglich beschädigten
Classe tritt zwischen der gemeinen Mannschaft mit Einschluss der TJnter-
iifficiere und der Officiere aller Grade in den Ländern, wo Papiergeld im
Umlaufe ist, ein wesentlicher Unterschied ein, da der gemeine Füselier
im Jahre 1790, wo es Metallmünze gab, ausser der Brotportion nichts als
seine tägliche Löhnung von 5 kr., dagegen im August 1816 nebst der
Löhnung von 5 kr. an Fleischbeitrag täglich 11 kr. und an Kochmehl-
äquivalent täglich 4 kl"., folglich zusammen täglich 19 kr. nebst der Brot-
portion, im Gelde also fast viermal so viel als zur Zeit der Zahlung in
Conventionsmünze geniesst, wohingegen die Officiere nebst der sehr ge-
ringen Eeluition der Brotportionen nur die Percentzuschüsse nach dem
nämlichen Ausmasse wie die Civilbeamten beziehen, von welchen Zu-
schüssen die höchsten, nämlich jene, wo die Gehalte nicht 1000 fl. jähr-
lich übersteigen, nur 150 Percent betragen. Wenn also auch der gemeine
Mann gegen die Vorzeit in dem Anbetrachte schlimmer daran ist, weil
die Preise der Lebensbedürfnisse seit dem Jahre 1790 nach dem jetzigen
Werthe des Papiergeldes nicht blos auf das Vierfache, sondern bei mehreren
Artikeln auf das Acht- und Zehnfache gestiegen sind, so ist doch sein
Verhältniss unwidersprechlich günstiger als jenes der Officiere, weil er
das Brot in natura und überdies ungleich mehr baare Aufzahlung als der
Officier erhält und, da für seine Kleidungsbedürfnisse vom Staate gesorgt
wird, für jene Rubrik, welche den unbemittelten Officier gerade am meisten
in Verlegenheit setzt, nichts auszugeben braucht. Wozu noch kommt,
dass jenem Theile der gemeinen Mannschaft, der arbeiten will und dazu
Gelegenheit hat, auch der jetzt so sehr erhöhte Arbeitslohn wieder zu
Statten kommt. Wie in so vielen anderen Dingen ist also auch das früher
zwischen den Officieren und der gemeinen Mannschaft bestandene Ver-
hältniss wesentlich verrückt, und eben dies greift auch zwischen den
Officieren der verschiedenen Grade platz, wo der höher Besoldete wegen
des gei-ingeren Percentzuschusses weniger für die Theuerung und den
gesunkenen Werth des Papiergeldes entschädigt wird , sohin einen
Das Militär
und seine
Lage. Der
gemeine
Mann nnd
der Unter-
officier.
Die scUimme
Lage der
Officiere.
löO
[150]
Der
Nothstund
der
Lage der
Civil-
beamten.
ij'fössereu Verlust an soiiiom urspiiiugliclicu Genüsse erleidet. Wenngleich
die freie Bequartierung nnd die unentgeltliche Bedienung bei dem jetzigen
theureu Unterhalt der Dienerschaft und bei den enormen Miethzinsen den
in activer Dienstleistung stehenden Officieren eine bedeutende Aushilfe
gewährt, so ist doch nicht zu verkennen, dass, da Gage und Percentzu-
schuss zusammen bei einem Capitän-Lieutenant nicht volle 94 fl., bei einem
Oberlieutenant G7 fl., bei einem Uuterlieutenant 56^ j A- "'i'' ^^^'i einem
Fähnrich etwas über 49 fl. monatlich betragen, wovon er sich verköstigen,
kleiden, alle audei'on Bedürfnisse anschaffen und als Officier anständig
leben soll, sein Leben, wenn er nicht eigene Mitteln oder andere Zuflüsse
l)esitzt, nicht anders als kummervoll sein kann, und es wird sonach ganz
begreiflich, dass sehr viele, wahrscheinlich die meisten, mit ihrer Lage
unzufrieden sind. Noch weit grösser aber ist die Unzufriedenheit und der
Nothstand der pensionirten Officiere, und obwohl sie dem grösseren Theilc
ponsioniricii jj.^^.jj Heber darben, als dass sie zu herabwürdigenden Handlungen ihre
Officiere.
Zuflucht nehmen, so sind doch die Fälle auch nicht so gar selten, wo sie
wenigstens unter vier Augen milde Gaben ansprechen.
Wenn ich nun zur dritten Classe, nämlich zu jener der Civil-
Itoamten übergehe, so darf ich es wohl nicht erst beweisen, dass im Allge-
meinen und die verschiedenen Chargen und Kategorien gegen einander
gehalten, ihr Loos selbst noch drückender als jenes der Militärofficiere ist.
J)ie Zahl derjenigen, welche im Genüsse von Naturalquartieren, Holz,
Licht oder Deputaten stehen, ist rücksichtlich des Ganzen zu gering, als
dass sie hier in eine Betrachtung kommen könnten. Dem grösseren
Theile nach müssen sie für alle ihre Bedürfnisse und darunter auch für
solche, die der in activer Dienstleistung stehende Officier in natura erhält,
sorgen. Jetzt, wo die gemeinsten und einfachsten Dienste theucr bezahlt
werden müssen, wo die Miethzinse, auch wenn man sich auf das Unent-
behrlichste beschränkt, über die charakterinässigen Quartiergelder sammt
Zuschuss — eine Wohlthat, die sich ohnehin auch nur auf die bei Hof-
stcllen dienenden Beamten beschränkt — weit hinausgeschritten sind,
lässt sich das, was die Officiere vor den Civilbearaten wirklich vor-
aus haben, wohl in keinen geringen Anschlag bringen. Ist nun in dem
vorhergehenden Absätze deutlich gezeigt worden, dass sich die minderen
Chargen fast in der Unmöglichkeit, auszulangen, befinden, so liegt es
offen zu Tage, dass die Dürftigkeit und das Elend bei den Civilbeamten
von gleicher Kategorie noch grösser sein muss, zumal die Verehelichungen
bei den Officieren ungleich seltener als bei den Civilbeamten sind, da man
erstere, selbst mit Einschluss der Stabsofficiere, durch die Verbindlichkeit,
Caution zu leisten, beschränkt, bei letzteren aber, mit Ausnahme der aller-
[151] 151
gcriügsteu BcsoMungsclasscu, gar keine Beschränkungen stattfinilen. In
der That ist es bei den Civilbeamtcn dieser Kategorie, insoweit sie niclit
eigenes Vermögen besitzen oder sonst Unterstützungen geniessen, was
nicht bei sehr vielen der Fall ist, auf einen Punkt gekommen, der wahr-
liaft Schaudern erregt. Nur der beste Theil derselben harrt mit einer
wahrhaft stoischen Selbstverläugnung aus. Abei' nicht selten stürzt der
stets nagende Gram junge Männer, die zu den schönsten Hoffnungen
für die Folge berechtigen, in das Grab. Aemtliche Anzeigen befinden sich
hierüber in den Registraturen. Andere, welche die Natur mit nicht so
vieler Standhaftigkeit und Resignation ausgestattet hat, ergreifen ver-
schiedene Mitteln, um wenigstens den äusseren Anstand behaupten und
ihren Kindern die nothdürftigste Einziehung geben zu können. Man muss
noch froh sein, wenn dies durch einen ehrbaren, für den Dienst nicht
abträglichen Nebenerwerb geschieht. Einige, die dazu keine Anlagen oder
sonst keine Gelegenheit haben und doshalb immer tiefer in Schulden ver-
sinken, oder gar auf schlechte Streiche verfallen, oder die im Gegensatze
wegen Privatgeschäften den Dienst gänzlich vernachlässigen, verunglücken
vollends, wie es der Beispiele ebenfalls nicht wenige gibt. Andere endlich,
die, ohne Schweiger oder Wüstlinge zu sein, doch nicht Selbstbeherrschung
genug haben, um auf allen Lebensgenuss Verzicht zu leisten, darum in
Schulden gerathen, die sie gerne zahlen wollen, aber von ihrem schmalen
Einkommen schlechterdings nicht zahlen können, lassen sich selbst bei
kloinen Besoldungen zu Ehen hinreisseu, welche ihnen zwar augenblick-
lich die Mittel zur Tilgung ihrer Schulden verschaffen, aber eine um so
trübere Zukunft bereiten, weil das wenige Zugebrachte bald aufgezehrt
wird, und sodann ihre häuslichen Sorgen grenzenlos werden. Auch in
vorigen Zeiten lebten manche gering besoldete Beamte bei zahlreichen
Familien, oder bei besonderen Unglücksfällen, oder wenn sie zu unge-
nügsam waren, in Dürftigkeit. Aber wer wird diese Zeiten mit den
gegenwärtigen vergleichen? Wer wird es bestreiten, dass jetzt bei den
geringeren Besolduugskategorien auch die grössteu Einschränkungen,
dass fast gänzliche Verzichtleistuug auf allen Lebensgenuss nicht hin-
reicht, um gegen das Darben oder gegen nothgedrungene Schulden ge-
sichert zu sein?
Und doch hat die Staatsverwaltung für diese Kategorien noch am
meisten gesorgt. Sie hat ihnen die beträchtlichsten Zuschüsse, nämlich
150 Percent bewilligt. Bei den höheren Besoldungsclassen nehmen die ^'« Roheren
Besoldungs-
Zuschüsse stufenweise von 10 zu 10 Percent ab, und wer über 1200 fl. ciassen.
besoldet ist, bekommt nur 60 Percent. So gewiss es ist, dass die Beamten
der niedrigsten Besoldungsclassen von ihren Zuschüssen ä 150 Percent
152 [152]
schuu aus iler ganz eiufacheu Ursache uiclits oiitbeliieu können, weil
diese nicht einmal hinreichen, sie gehörig leben zu machen, eben so ge-
wiss ist es, (iass das ursprünglich und von jeher bestandene Verhältuiss
durch diese progressive Abnahme der Zuschüsse sowohl bei den Civil-
beamten als den Militärofficieren wesentlich geändert worden ist, und die
höheren Grade, die gewöhnlich doch nur die Frucht grösserer Anstrengung
und mehrerer Auszeichnung sind, darunter wesentlich leiden. Wenn auch
die Obersten und Generale, sowie die Beamten der höheren Classen noch
nicht mit Xahrungssorgen im engsten Verstände zu kämpfen haben, so
sind sie doch diesen Sorgen im ausgedehnteren Sinne des Wortes, näm-
lich insoweit von standesmässigem Unterhalte die Rede ist, schon wirk-
lich ausgesetzt, und so wie man jetzt allgemein sieht, dass Hofräthe und
selbst Staatsräthe auf Annehmlichkeiten, die sich vor 30 oder 40 Jahren
kein Regierungsrath versagte, verzichten müssen, dass sie bei einer auch
nur etwas Ziihlreicheren Familie die Erziehung ihrer Kinder in nicht ge-
ringe Verlegenheit setzt, dass sie nicht selten Erholungsreisen, Bade-
oder Brunnencuren, oder was sonst zur Erhaltung ihrer Gesundheit bei-
tragen würde, unterlassen müssen und doch den Trost nicht haben, ihre
Familie auch nur mit einem kleinen Erbtheile betrauen zu können, eben
so sind andere selbst in noch höheren Würden, wo man sonst äusseren
Glanz nie zu vermissen gewohnt war, zu einer mit der Würde des Amtes
eben nicht sehr verträglichen Lebensweise gezwungen, wenn sie nicht
Güter oder sonst ein eigenes Vermögen besitzen.
Gegensätze AUes diescs wird um so auffallender, als es in einem Zeitpunkte
lirhaft- geschieht, wo der Luxus im Allgemeinen mehr zu- als abgenommen hat,
liehen Ver- WO es Unter dcu Privaten der schnell Reichgewordenen so viele gibt, wo
ein grosser Theil der Gutsbesitzer durch die hohen Preise der Körner,
des Holzes, der Wolle, des Weines u. s. w. sich von einer schweren
Schuldenlast zu reinigen, die Güter zu melioriren oder zw erweitern, und
dabei doch sehr gut zu leben Mittel gefunden hat, wo auch noch einige
andere Classen zu einem zuvor nie gekannten Wohlstande gelangt sind,
wo es endlich bei Gutsbesitzern, Grosshämllern und anderen Eigenthümern
grösserer Unternehmungen seit Jahren Sitte geworden ist, ihre Beamten
und Diener überhaupt, besonders aber jene, von welchen sie vorzüglichere
Dienste erwarten, reichlich, manchmal selbst verschwenderisch zu be-
solden. Solche Gegensätze springen doch Joilerinann in die Augen. Sie
geben zu Parallelen Anlass, die der Staatsverwaltung auf keine Weise
willkommen sein können. Es kann wohl keine anderen als widrige Ein-
drücke erregen, wenn sonst achtbare Männer am Abend ihrer Tage ein
Bedauern darüber äussern, ihre Zeit und Mühe dem Dienste des Staates
[153] 153
gewidmet zuhaben, wenn fähige junge Männer lieber in einer Schreibstube
als bei einem öffentlichen Amte unterzukommen suchen, wenn sie selbst
manchmal den Staatsdienst verlassen, weil der damit verbundene Genuss
zu ihrem Unterhalte nicht zureicht. Man darf ganz sicher als Grundsatz an-
nehmen, dass, sowie es gewiss allgemein missbilligt werden würde, wenn die
Staatsverwaltung bei der Bezahlung des Militärs und der Civiladministra-
tion mit gar zu grosser Liberalität verführe, eben dagegen auch wieder
die gar zu grosse Beschränktheit Unzufriedenheit und Tadel nicht blos
bei denjenigen, welche unmittelbar darunter leiden, bei ihren Freunden
und Angehörigen, sondern selbst bei dem unbefangenen Theile des Publi-
cums erregt. Es ist zwar herzerhebend und gereicht den Beamten im
Allgemeinen gewiss zum grössten Lobe, dass bei Vielen der Eifer und die
Anstrengung nicht nachgelassen haben, und dass Anzeigen und Anklagen
wider Beamte Avegen eigennütziger oder sonst pflichtvergessener Hand-
lungen um nichts häufiger gegen frühere Zeiten geworden sind. Aber
wenn der Kampf zwischen dem Pflichtgefühle und den häuslichen Sorgen
gar zu lange dauert, und fast jede Aussicht auf eine bessere Zukunft er-
lischt, dann unterliegt nicht selten sogar der standhafte Mann, und schon
selbst der Anblick des misslichen Zustandes so vieler Staatsdiener gibt leider
häufig zu der widrigen Vermuthung Anlass, dass jetzt weniger liechtlich-
keit und Unbefangenheit als zuvor bei Schlichtung der Geschäfte herrsche,
und dass der Dienst mit einer Art von Gleichgiltigkeit behandelt werde.
Wenn man auf eine lange Reihe von Jahren zurückgeht, wird es Rückblick
sich zeigen, dass in dem Salarialstande bei mehreren Kategorien dem ^" '^
Nennwerthe nach keine oder nur unbedeutende Veränderungen vor sich saiariai-
gegangen sind. Ausser einigen sehr massigen Erhöhungen, die bei den L*^",!* ° ^^
Gehalten derKreiscommissäre und solcher Beamten, die an den niedrigsten etat
Stufen stehen, stattgefunden haben, beschränken sich die übrigen Aende- ^^'^ji^Tia^""
rungen meistentheils nur auf eine verhältnissmässigere Eintheilung in Theresia,
die Classen, da, wo Beamte des nämlichen Grades nach dem Senium ver-
schiedene Besoldungen geniessen, und auf Modificationen, die nothwendig
geworden sind, um Gubernial- oder Administrationsbeamte ohne Verkür-
zung in utili zu den Hofstellen ziehen zu können. Bei manchen Katego-
rien, wie z. B. bei Staats- und Hofräthen, ist der jetzige Besoldungsstand
sogar geringer, als er zu Zeiten Maria Theresiens war, wo jeder Staats-
rath ohne Ausnahme 10.000 fl. bezog, und wo die Hofräthe theils mit
•4000 fl., tlieils mit 5000 fl., theils aber auch mit 6000 fl. besoldet waren,
wogegen jetzt nur zwei Classen von 4000 und 5000 fl. bestehen, das
sechste Tausend Gulden aber nur in besonderen Fällen aus Gnade verliehen
wird. Damals bestand freilich noch keine Zerrüttung des GeMwesens, und
154 [154]
in dieser licziohung war der Staat ungleich besser als jetzt daran. Aber
glänzend war die Lage der Finanzen in der österreichischen Monarchie zu
keiner Zeit, selbst damals nicht, als sie die reichen Niederlande und die
Louil.iardie gleichzeitig bcsass. Bei dem Tode Kaiser Karls VI. waren be-
kanntlich alle Gassen erschöpft, und in dieser Lage musste die Kaiserin
Maria Theresia den österreichischen Successionskricg führen. Ausserdem
traf sie noch ein zweiter Krieg mit Preussen, der dritte oder siebenjährige
Krieg, der ungeheure Kosten verursachte, und gegen das Ende ihrer Re-
gierung der bairische Erbfolgekricg. Vorzüglich während und nacli der
uie Periode des siebenjährigen Krieges befinden sich in den staatsräthlichen
Finanzlage , , t i i.. i- i i ^r i n ■> t . i i- -r
seit dem Actcn die kläglichsten Vorstellungen über die äusserst schlimme Lage der
sichcnjähri- Finanzen, und Fürst Kaunitz hat zu jener Zeit mehr als einmal die Be-
sorgniss geäussert, dass, wenn nicht das System der strengsten Wirth-
schaft und der möglichsten Ersparungen mit unverrückter Beharrlichkeit
verfolgt wird, unübersehbare nachtheilige Folgen und vielleicht selbst der
Ruin des Staates nicht abzuwenden sein würden. Offenliar ist man also
bei Systemisirung und Fortzahlung der Besoldungen während dieser ganzen
Periode nie von dem Gesichtspunkte ausgegangen, dass eine strenge Haus-
haltung überflüssig wäre. Man hat vorausgesetzt, dass auch der geringste
Beamte, sobald der Staat seine Zeit und Mühe ungetheilt in Anspruch
nimmt, so viel überkommen müsse, als nothwendig ist, ihn und seine
Familie beschränkt, aber doch ohne dass er Mangel leide, leben zu machen,
dass in dem Masse, als das Amt mehr Fähigkeiten und Bildung erheischt
oder beschwerlicher ist, auch der Gehalt verhältnissmässig steigen solle,
dass der wichtige Einfluss der Räthe aller Kategorien, der Kreishauptleutc
und anderer Amtsvorsteher auf den Gang der ötfentlichen Verwaltung
gebieterisch fordere, diese Beamten in den Stand zu setzen, anständig
und sorgenfrei leben zu können; dass diese Nothwendigkeit bei den Hof-
räthen, bei den Staatsräthen, bei den Chefs der Länder, Obergerichts- und
Hofstellen in einem noch höheren Grade eintrete, und dass es diesen ge-
gönnt sein solle, bei ihren mühsamen, wichtigen und verantwortlichen
Geschäften jene Lebensweise führen und von ihren Besoldungen bestreiten
zu können, die man sich in solchen Chargen früher gar nicht versagen
durfte, ohne in den Verdacht des Geldgeizes zu kommen. Je mehr es
nur dem kleineren Theil der sehr zahlreichen Staatsbeamten beschieden
ist, sich zu den höhci-en Aemtern aufzuschwingen, um so mehr luusste es
dem Landesfürsten daran liogen, diosen Aemtern auch einen grösseren
Reiz zu verschaffen.
Wider die Richtigkeit dieser Voraussistzungen, auf welche damals
gebaut worden ist, lässt sich gewiss nichts Standhältiges einwenden. Und
[155]
155
in der Tliat liaboii zu Zeit Maria Tlieresicns die Besoldungen der Beamten
]iac]i iliren verschiedenen Abstufungen, wenn sie nicht zahlreichere Fami-
lien zu ernähi'en hatten oder sonst besondere Umstände eintraten, ein
ihrer Kategorie angemessenes Auslangen gewährt. So blieb es in der
Hauptsache auch noch während der Regierung Josephs IL, Leopolds IL,
ja selbst in dem ersten Decennium der gegenwärtigen Regierung; weil,
obwohl sich während dieses langen Zeitraumes, besonders in einigen
Kriegs- oder minder gesegneten Jahren die Preise allmälig erhoben, diese
Erhöhungen doch nicht so bodeutond und anhaltend waren, um die Lage
der Beamten allzusehr zu verschlimmci-n. Nur erst seit dem Jahre 1802,
wo die Menge der Bancozettel schon auf mehr als337 Millionen angewachsen
war, wurde das Steigen der Preise der ersten Lebensbedürfnisse bedeuten-
der. Aber doch waren selbst noch in diesem Jahre die Durchschnittspreise
zu Wien nicht höher als: der Weizen 5 fi. 12 kr., Korn zu 5 fl., Gerste
zu 4 fl. 54 kr., Hafer zu 3 fl. 6 ki"., das Pfund Rindfleisch 8 kr., das
Pfund Kalbfleisch 10 kr., die Mass des gemeinsten Weines 12 kr., die
Klafter weiches Holz 10 fl., die Klafter hartes Holz 19 fl., die Elle mittel-
feines Tuch 4 fl. 30 kr. bis 5 fl. Aber selbst schon bei diesen Preisen,
die zugleich die gänzliche Störung der früheren Preisvei'hältnisse durch
das damals schon ausschliesslich im. Umlaufe gewesene Papiergeld sehr
anschaulich machen, waren die Beamten beinahe auf die Halbscheid ihres
vorigen Einkommens, ungeachtet der aSTcnnwerth desselben sich gleich ge-
blieben ist, herabgesetzt, weil sie fast den doppelten Geldbetrag nöthig
hatten, um sich die nämlichen Bedürfnisse anzuschaffen. War nun schon
damals der Verlust der Beamten von solcher Beträchtlichkeit, so fällt es von
selbst in die Augen, wie ungemein gross er gegenwärtig ist, wo die oben
genannten Gattungen seither abermals auf das Vier-, Fünf- und Sechsfache
gestiegen sind. Es fällt ferner in die Augen, in was für einem Missver-
hältnisse die Theuerungszuschüsse zu dem Unterschiede der früheren und
der dermaligen Preise stehen. Es ergibt sich endlich das unbestreitbare
Resultat, dass die Grundlagen, auf welche die Bemessung der Gehalte in
früheren Zeiten basirt worden ist, nun gänzlich verrückt und man darf
sagen umgestürzt worden sind, und dies zu einer Zeit, wo der Staat um
nichts weniger, sondern ungleich mehr als vor 30 und 40 Jahren von
seinen Beamten fordert, indem nun jeder Conceptspraktikant sämmtliche
Berufsstudien besitzen muss, während noch jetzt einige Beamte in höheren
Würden aus früheren Zeiten vorhanden sind, denen die philosophischen
und juridischen Studien gänzlich mangeln, beinahe jeder Secretär beim
Referate aushelfen muss, und die Geschäfte überhaupt weit zahlreicher
und beschwerlicher geworden sind. Unmöglich lässt sich diese Erscheinung
Die
steigenden
MissverhäU-
nisse
zwischen
dem
Papiergelde
und den
Preisen der
Lebens-
bedürfnisse
seit 1802.
Verrückiiug
der
Grundlagen
in der
tiehiilts-
bemessung.
156
[156]
anders erklären, als dass in dem Drange der Zeit, wo der Staat immer
nur schwankende und unsichere Einnahmen hatte und die Finanzadmini-
stration nie einen richtigen Voranschlag machen konnte, wo die von Zeit
zu Zeit stets wieder neu ausgebrochenen Kriege und die heinahe nie
unterbrochenen Kriegsrüstungen die Verlegenheit noch höher spannten,
und wo man das Beispiel anderer Staaten, den grössten Theil der ausser-
ordentlichen Lasten auf die Contribuenten zu wälzen, nicht nachahmen
wollte, nur auf den Hauptzweck, die äussere Ruhe zu gründen und die
Unabhängigkeit des Staates zu sichern, hinblickte, und jede andere Rück-
sicht diesem Hauptzwecke unterordnete.
Allerdings muss in einer bedrängten, ungewöhnliche Anstrengungen
erheischenden Zeit jeder Unterthan des Monarchen, mithin auch der
Staatsdiener zur Bestreitung der ausserordentlichen Lasten das Seinige
nach Kräften beitragen. Allein, so wenig sich dieser Grundsatz bestreiten
lässt, und so gewiss es ist, dass demselben zufolge, wenn die bei Systemi-
sirung der Besoldungen angenommene Basis unverletzt geblieben wäre,
wider eine Besteuerung der Beamten, das ist wider Besoldungsabzüge,
bei den höheren Classen allenfalls selbst von 15 bis 20 Percent, nichts
einzuwenden gewesen sein würde, so sehr ist dagegen durch das, was
wii'klich geschah, alles Verhältniss überschritten worden, und die Beamten
haben dabei, was sich mathematisch beweisen lässt und aus der Combi-
nation zwischen den früheren und den jetzigen Preisen von selbst ergibt,
eben so beträchtlich verloren, als die Grundbesitzer, trotz aller Extra-
ordinarien und Zuschüsse, gewannen. Sehr natürlich ist es also, wenn
der grösste Theil der Staatsdiener, die das Missliche ihrer Lage mit jedem
Jahr härter fühlten, zugleich aber auch die Verlegenheit der Staatsver-
waltung, bei dem angenommenen Systeme mehr zu thun, nicht ver-
kannten, mit Sehnsucht dem Zeitpunkte entgegenharrten, wo ein dauer-
hafter Friede und der wiederhergestellte Umfang der Monarchie es möglich
machen würde, wieder auf die ursprünglichen Grundlagen des Besoldungs-
ausmasses zurückzukommen und dem Missverhältnisse abzuhelfen, in
welchem sich die Beamten gegen andere Classen befinden. Die Ereig-
nisse der Jahre 1813 und 1814, und noch mehr die Ereignisse des
Jahres 1815, belebten ihre Hoffnungen. Je lebhafter diese Hoffnungen
waren, je näher sie am Ziele zu sein glaubten, um so mehr sind sie jetzt
erschüttert, wo die Thcuerung, sohin auch die Unerklecklichkeit ihrer
Besoldungen von Monat zu Monat zunimmt, und wo es dem verständigeren
Theile täglich einleuchtender wird, dass so lange die gegenwärtige Zer-
rüttung des Geldwesens fortdauert, die Staatsverwaltung keine andere
Möglichkeit hat, reichlichere Zuschüsse zu geben, als dass sie entweder
[157] 157
neues Papiergeld ansstosst, was aber den Werth desselben noch mehr Zuschüsse in
herabsetzen, folglich fruchtlos, nebstbei aber, weil es mit den übrigen ^i''^'^*^
bisherigen Operationen im nfifenbaren Widerspruche stünde, auch sonst
überaus schädlich sein würde, oder dass sie die Steuern und Gefälle aber-
mals beträchtlich erhöht, was aber in einigen Ländern gar nicht, in anderen
nur mit grossen Schwierigkeiten unter den gegenwärtigen ungünstigen
Umständen ausgeführt werden könnte, und im besten Falle doch immer
die Folge hätte, dass auch die Preise der Dinge wieder steigen und sohiu
die beabsichtigte Erleichterung der Beamten neuerdings vereitelt sein
würde.
So deutlich mir nun also die Xothwendigkeit vor Augen zu liegen
scheint, sowohl den Civilbeamten, als den Militärofficieren aller Katego-
rien, weil die schlimmen Folgen einer längeren Fortdauer des dermaligen
äusserst gespannten Zustandes nicht zu berechnen sind, bald und wirk-
sam zu Hilfe zu kommen, so wenig kann ich dagegen, bei den gegen-
wärtigen Verhältnissen, in den Zuschüssen in Papiergeld ein wahrhaft
wirksames Abhilfsmittel finden.
Für blosse Palliativen hat man sie schon lange gehalten. Indessen Abhilfen
Hesse sich dann doch noch sagen, dass Palliativen in den Fällen nicht
zu verwerfen sind, wo mau Radicalcuren nicht anwenden will oder
nicht anwenden kann. Aber, wie soeben gezeigt worden ist, tritt hier
die weit wichtigere Betrachtung ein, dass die Finanzadministration den
Fond für reichlichere Zuschüsse nebst der Bedeckung für den gesammten
übrigen Staatsaufwand nicht aufbringen kann, ohne zu Mitteln zu schrei-
ten, die entweder die Masse des Papiergeldes wieder vermehi-en, oder den
Producenten, Handels- und Gewerbsleuten zu neuen Preissteigerungen
Anlass geben und dadurch, ohne dem Nothstand der Classen, für die man
sorgen will, reell abzuhelfen, den Missmuth und die Klagen noch grösser
machen werden. Unvermeidlich ist es also, tiefer zu greifen, das zer-
rüttete Geldwesen in Ordnung zu bringen, dadurch, nämlich durch die
Wiederherstellung einer festen Valuta, die Staatseinnahmen mit den
Ausgaben in ein Gleichgewicht zu setzen, solch eine Bezahlung der
Beamten, dass jeder seinem Bange gemäss leben kann, als ein uner-
lässliches Erfordernis« in das Präliminarsystem aufzunehmen, auf eben
die Weise auch mit anderen Ausgabsrubriken, wo nach eindringen-
der Prüfung keine Beschränkungen thunlich sind, zu verfahren, wenn
es sonst kein Mittel gäbe, entweder einer Ueberspannung der Abgaben
oder einem Deficit — Uebeln , die beide in gleichem Grade fürchterlich
sind und schlechterdings vermieden werden müssen — auszuweichen,
sich durch was immer für Betrachtungen von weiteren Reductionen im
Art.
158 [1581
Militär-Etat in ilom ]\[asse, als es nothwendig- ist. um den Staatsanf-
waiiil vollstiindii;" boilcrki'ii zu krmnon, ja iiiclit altlialtoii zu lassen, zu-
gleich ahei' audi alle jene Mittel anzuwenden, von welchen man es sich
am zuverlässigsten versprechen kann, dass durch sie die AVunden, welche
die vielen Kriege, die nothgedrungenon Kial'tüliei'spannungeu und die
lange Dauer der Zerrüttung des Geldwesens dem Staate geschlagen
haben, am ehesten geheilt werden und die Länder jenen Wtdilstand ei-
reidien, dessen sie nach ihrer physischen Beschaffenheit hei einer ent-
spreclienden Fürsorge der Staatsverwaltung fähig sind,
oidnnng dor An der Stufe, wo wir stehen, bei einer so äusserst beschwerlichen
verhiUnLse ""'' verwickeltcii Lage, bei der Verkettung so vieler Uebel und bei dem
gänzlich gesunkenen Vertrauen kann man Heil und Eettung von einzelnen
und partiellen Massregeln nicht mehr erwarten, so wie man vorüber-
gehende oder sonst mindere Uebel nicht achten darf, wenn sie unvermeid-
lich sind, um höhere Zwecke zu erreichen und einen Ausweg aus dem
Labyi-inthc zu finden, dessen Dasein uns nach so vielen traurigen Er-
fahrungen wohl gar nicht mehr zweifelhaft sein kann. Es ist gewiss von
höchster Wichtigkeit, die Geldverhältnisse zu ordnen, zumal sich, wie ich
selbst in dem vorliegenden Aufsatze bei mehr* als einer Gelegenheit ge-
zeigt habe, die bösen Folgen der Zerrüttung des Geldwesens fast allent-
halben auf das Nachtheiligste äussern. Desnugeachtet darf man sich
selbst jetzt nicht blos auf die Lösung dieser Aufgabe beschränken, weil
auch andere Gegenstände höchst wichtig und di'iugend sind, und was
Gedeihliches in Betreff derselben geschieht, auch die Wiederherstellung
der Geldverhältnisse erleichtert oder sonst dem Gelingen der Operationen
zum Behufe gereicht.
Schiuss der Ohne dass es meine Absicht war, oder dass es mir auch nur mög-
lich gewesen wäre, alle Punkte, die von einem höheren Literesse und bei
welchen ausgiebigere Anordnungen nothwendig sind, aufzufassen, glaube
ich iloch behaupten zu dürfen, dass die Objecte, welche ich in dem gegen-
wärtigen Aufsatze behandelt und meine Ansichten darüber freimüthig
geäussert habe, theils zu den wichtigeren, theils selbst zu den wichtigsten
gehören, dass sie also die grösste Aufmerksamkeit der Staatsvei'waltung
verdienen, und dass, da sie ohnehin nicht einen und den nämlichen, son-
dern verschiedene Administrationszweige betreffen, nichts im Wege steht,
bei allen sogleich werkthätig einzuschreiten, zumal es bei einigen Gegen-
ständen ohnedies erst noch auf Vorarbeiten, die sich auch bei einem
emsigen Bestreben nicht so bald zu Stande bringen lassen, ankommt,
mithin jedoi' Zeitverlust noch nachtheiliger wird."
Betrachtun
gen.
Denkschrift.
[159] 159
An diesen eigentlichen Schluss seinei- Denkschiift knüpft BaWacci Zusätze
eine „summarische'' oder lecapitulirende Darstellung des ganzen Inhalts j^^ "^
derselben, welcher zugleich die Hinweisungen auf das. was sich bis zum eigentlichen
gegenwärtigen Augenblick geändert oder mehr entwickelt hat (insoweit
es zu seiner Kenntniss gelangt ist) beigefügt sind.
Das Wesentliche dieser Zusätze lässt sich in Nachstehendem zu-
sammenfassen.
Die augehoffte Besserung der Finanzen sei nicht eingetreten. Trotz
des Novcmberanlehens , von welchem bereits 30 Millionen eingegangen
sein sollen, wären die Curse in den ersten Tagen des Jänners 1817 gegen
400 gestiegen, und sowohl die älteren !**(,, als die neueren 2^/5 "/o 'i^
Conventiousmünze verzinslichen Obligationen beträchtlich gesunken. Eine
etwaige Besserung der Wiener Währung und der Obligjitionen würde nur
ephemer sein, denn die Curse. vor dem Finanzpatente durchschnittlich
283 '/j, im Juli 274 '/j- "»i August 293'/^, im September 322V5, im
October 3231/2, im November 327V8> ™ December 3487s» zeigten sich
in den ersten Jännertagen 1817 wieder gestiegen, also verschlimmert.
Neue Berathungen und das Verbot jedes weiteren Verkaufes von Conven-
tionsmünzc an der Börse seien mithin dringlich nothwendig.
Was die Theuernng betreffe, so habe die inzwischen bekannt ge-
machte Erhöhung der Pii'undsteuer keineswegs eine nachtheilige Wirkung
gehabt, denn obschon die Zufuhr von Getreide aus Baiern längst aufhörte
und Preussen die Ausfuhr verbot, seien doch die Köinorpieise nicht
unljeträchtl ich gesunken.
Der Schluss der Denkschrift lautet folgendermassen :
„So wenig es meine Absicht war, und so wenig icli auch nur die Schiusswort.
Mittel dazu hatte, alle Wunden und Alles, was einer Abhilfe oder Ver-
besserung dringend bedarf, anzugeben, so enthält doch der gegenwärtige
Aufsatz Andeutungen genug, die um so ernstlicher und ungesäumter be-
herzigt zu werden verdienen, als ich nichts übertrieben, selbst nicht ein-
mal gi'eller gezeichnet habe und vielmehr von dem Gesichtspunkte aus-
gegangen bin, da, wo ich nur Gutes erzwecken will, ja nicht den bösen
Geist der Eechthaberei und beleidigter Eitelkeit aufzureizen, sohin da-
durch der Sache zu schaden. Wollte man aber Vieles oder auch wohl das
Meiste von dem. was ich nicht blos berührt, sondern auch umständlich
erörtert und begründet habe, nicht gelten lassen und werkthätige Ein-
schreitungen übei'flüssig finden, so darf ich mir doch wenigstens den Vor-
wurf nicht macheu. unberufen geschrieben zu haben, da mein Herz rein
160 [1601
\i>n allen Nebenabsichten ist, da ich den Gegenständen, die ich behan-
delte, schon seit langer Zeit ein angestrengtes Nachdenken gewidmet
habe, und da nur äusserst wenige Beamte in der österreichischen Monarchie
in der Gelegenheit waren, wie sie mir zu Theil geworden, so vielseitige und
ausgebreitete Erfahrungen an verschiedenen Standpunkten zu sammeln.
Man mag sich endlich was immer für Begriffe über unsere gegen-
wärtige Lage machen, so bleibt es eine unumstössliclie Wahrheit, dass es
selbst zur Zeit der grössten Kriegsdrangsale keine Periode gab, wo die
öffentliche Meinung, welche keine Regierung unbeachtet lassen darf, eine
so auffallend widrige Richtung genommen hat, und wo diese widrige Rich-
tung, die nun schon nicht selten selbst das Gute und Zweckmässige an-
tastet, von so langer Dauer war."
„Geschrieben in den letzten sechs Wochen des Jahres ISIG und in
den ersten drei Wochen des Jahres 1817."
B. m. p.
Berichtigung:.
S. 10, 2. Absatz, Z. 4 v. o. soll os hoissen: „in eine verzinsliche
Schuld", statt: „unverzinsliche Schuld".
Ausgejreben am 27. März 1889.
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