UNlVERSITi' OF
TORONTO PROSS
i^.
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öottfricfl Kellers
fruölprlfe
Sechzig faUsimilierte 0etlidt)te
eingeleitet unü fterausgegeben
üonMolffrep
leipzig 1909 :: I}.fiaes$el Derlag
Don diesem Bucfte sind nur fünfliundert in
der Presse nummerierte Cfemplare öcrgestellt
iDorden. Dieses ejemplar trägt die
nr. 359
OruA und fahsimilcReproduhtion
Art. InHitut Orell füßli, Zuri* (g^
ftcrrn Dr. ßatis Sdt)uler
zugeeignet
prjerr Paul f. ruilü, CM ües Art. Inftituts Orcll fü0U in Zmidi),
ä! ijat üicfe Publifeation ganz cigcmiiti) öcroorgcrufcn, indem er
mir die öcditötljandftöriften öottfricd Kellers aus dem natftlaß
der frau Katharina SfftulZ'öodmer zur Oerfügung ftelltc. Sie
fmd auf den natöfolgenden Blättern fafesimiliert, ausgenommen
die .feuerldplle', die nad) einer niederffftrift miedergegeben ift,
die mir Derr nationalrat Oberft Dr. Ulritl) m elfter in Zürid) zur Rc-
produfetion überließ. Die Konftellation des fatblitöen Intereffes imd
des lüotilmollens uoll zu madt)en, ermbglitftte herr Dr. haus Siftuler
in Zürid) die herausgäbe der ßlättcr in diefer öeftalt. ntit dem
berzUtöen OanK an diefe drei Ferren üerbinde id) den an herrn
BibliotöeUar Or. Hermann Cfföcr in Zuriet), ücr, als Oermalter des
literarifd)en nad)lafl"es öottfried Kellers, die Crlaubnis zur faKsimi«
lierung erteilte, und den an die üerlagsbud)bandlung J. 6. Cotta
natöfolger in Stuttgart, die mir den RbdrutH Kellerfdt)er
eediööte bcmilUgte.
Die t}anflfd)riftm
Is waren Dcutfdje, die öottfried Keller mit Rat zur hand gingen und DorroMrts ftalfen,
1 als er, Ende 1 842 aus tnuntöen nadt) ZUrid) öeimgeKeört, gleidlfam über nad)t ein
i^Poet geworden war. tlämlid) der Oid)ter HuguTt ndolf Ludwig follen und der
i|(^ ebemalige öefTifdie Hauptmann lüilöelm Sd)ulE (1797—1860), der fuö feU 183«
j^ji^j mit militaruüfTenfdiaftUdtien Arbeiten und Zeimngsfdireiberei in Zürid) durdjbradöte,
ein ,alter Cören» und freiöeitsmann*, wie er in einem Briefe an Lina DunAer oon
I öottfried Keller genannt wird. Cr bing feinem iungcn freunde aufriditig an, und
feine öattin Karoline, der herwegö das erfte Bänddien der ,0edidite eines lebendigen'
zueignete, ertrug und entfdiuldigte den zuweilen übelgebärdigen inenfdien, weil fie den
Didlter bewunderte, deffen erfte 18-15 im .Deutfdien Cafdienbud) erfdiienene 6edid)tfolge
fic in einer Rezenfion überfdjwenglid) pries.
öottfried Keller wollte es freilid) bediinKen, nadtidem er an die oollen Bildungsquellen
Don heidelberg und Berlin gelangt war, daß iön der lebhafte OerKeftr nur mäßig gefördert
und itim wenig Uditer aufgeftedit l)atte. ,follen und Sdiulz waren nidit au faU unferer
ieuigen Bcdürfniffe; wenigftens erinnere itö mitö nidit eines eingreifenden und frud)t'
baren literarifdjen öefprädies, das auf mid) einen eindrudi gemadit öätte'. So ließ er fid)
1851 Dor feinem freund lUilöelm Baumgartner •) üerneömen.
Indelfen öaben ibm dod) diefe deutfdien flUdltlinge ein did)terifd)es Derftändnis
entgegengebradlt, wie es nod) zwanzig Jaöre fpäter der in feiner Daterftadt oereinfamte
und unberatene Conrad f erdinand ITleper weder unter feiner zaölreidien und gebildeten
Oerwandtfdiaft nod) fonftwo fand.
Die feine und liebenswürdige Karoline Sdiulz ftarb Wii, aud) oon öottfried Keller
fdimerzUd) betrauert. Huf dem Sterbelager öatte fie iörer freundin Katharina Bodmer
das Derfpretöen abgenommen, den öinterbliebenen mann zu öeiraten, da er fid) allein
dod) nitöt über tUaffer zu öalten oermöd)te. Die Zufage wurde erfüllt, und die zweite
tu fiel nid)t minder glüdilid) aus als die erfte. Die Kluge, gebildete frau gründete eine
mit einer Penfion für niäddien oerbundene Prioatfdmle, die fie erft gemeinfam mit iörem
öatten und nad) feinem Code nod) laörelang allein leitete. Sie zog isso nad) dem
aargauifdien Städtd)en Zurzad), wo fie 1883 ibre Cage befdiloß.
leider bat fie den reid)en Briefnad)laß iöres mannes oemidltet, darunter aud) die
Briefe freüigratbs und öottfried Kellers. Diefer fdirieb an Ida freUigratb, das fei ,am
ende das Befte angerid)ts der nad)laßmarder und Uterarifd)en SpeKulanten, die aud^ in
Zürid) fdjaarenweife berumlaufen', unterdrürtite aber ein öalbes Jaör fpäter fein Bedauern
über den Untergang der freiligratöfdien Briefe nid)t ,Die oergrämte Dame fd)eint fid) als
Rid)terin und Disponentin über weftrlofe Briefe ein bene getftan zu öaben und ifi gewiß
1) Bädtitold, 6. Kellers leben, II 176/77.
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feör ftolz darauf in den himmel eingezogen, wo id) iör einen gefalzenen Rüffel enbeilen
ujerde, roenn id) einmal aud) öinhomme'. (Hn Ida freiligratö l. IHärz 1884).
fraglos ift das Derfd)iDinden feiner aus Heidelberg und Berlin an lUilöelm Sdiulz
gcridJteten Sd)reiben, das ibn felbft Kaum berührt öaben mag, für uns der fd)U)erfte Der»
luft, den iener Briefbrand oerurfad)te, meil frc oermutlid) die HJandlungen und Klärungen,
entmürfe und Arbeiten jener Zeiten beleud)teten, mo feine Horizonte fid) meiteten, feine
einfidjten fid) oertieften, wo der bewußte Künftler reifte, mo der örüne heinrid) und die
leute Don Seldronla entftanden.
Immerbin Ijat die hinterlaffenfdiaft der frau Katbarina 5d)ulz eine Urkunde aus
jenen Cagen beujaört, da öottfried Keller feine erfte lprifd)e PubliKation zuredJtrüdite.
es ift ein Stoß üon eigenbändigen 0edid)ten, der aus folgenden Ceüen beftebt:
I. Oreizebn öroßfolioblätter, graugrUnlid)es Papier zu dreizebn Doppelquartblättern
gebrod)en, üon denen je zmei (im legten drei) ineinander gelegt find; unpaginiert, die
legten drei Seiten leer, embält: Hn meine Dame (.Die in den Sternen'), i. Jd) ujill
fpiegeln mid) in jenen Cagen'. 2. ,Durd)'s frübrotb zog'. 3. .Sißt man mit gefd)loffnen
Hugen'. 4. .lüobl ift die lilje munderbar''. 5. ,Don beißer lebensluft entglUbt'. 6. ,0 leib
meiner Dame'. 7. ,es brid»t aus mir ein bunter fafdiingszug'. 8. ,hör' an, mein Kind'.
9. M ging am grünen Berge bin'. 10. ,Die Sonne fäbrt durd)'s Illorgentbor'. n. ,Du
millft Did) frenentlid)'. 12. ,n)ie ein fifd)lein in dem ne^'. 13. ,Sd)on mar die le^te Sdiroalbe
fort'. H. ,etn luftiger mediziner'. 15. ,es fdineit und eist den ganzen Cag'. 16. .Unoerbofft
nad) trüben Cagen'. 1 7. ,,Ourd) den öarten, in die felder'. 18. Jd) babe Sie gefeben'. 19. ,l(ö
fabre mit den lUinden'. 20. Ja, das ift der alte Kirdibof. 21. ,fabret mobl, ibr fdlönen öräber'.
II. Oier folioblätter nom nämlidien Papier und format zu Ooppelquartblättern umge-
bogen; fünfzebn Seiten befdirieben, die le^te leer. Don 0. Keller mit Bleiftift paginiert
embält: feueridplle.
III. Tlftit Quartblätter oon gleidier Beftbaffenbeit, etmas größeres format, aber gebrodien
und je üier zu einem heftdien non 16 Seiten ineinandergelegt. 29 Seiten non 0. Keller
mit Bleiftift paginiert, die legten fiinf leer, flm Kopf der erften Seite die Bemerkung:
Den liebesliedern einzureiben. — entbält: ,0 Kirdibof, du erftarrtes meer'. .mein Itebdien
liegt im Rafengrün'. ,Sieb ! Raum glimmt des Stromes Spiegel'. .lüie fie fid) da dreb'n
im Canze'. ,n)te id) fabr' in ftiller nad)t'. (Darunter eine bumoriftifd)e Zeidmung.) ein
Cagmerk 1. (,lüngft ftand id) mit dem erften früblidjt auf). 2. (Tiber kommen mird
nod) die Zeit'), ^a Jra! Im Huguft 1845 (,es mird fd)on gebn'!). morgenlied (,nid)ts
ridlf mir fo die Seele auf). IDald l. IRvm in Hrm und Krön an Krone', ad)t üier»
zeilige Stropben). 2. (.Hber aud) den f öbrenmald). Hn die Hatur (,l7üir mid) in deine
grünen Decken). Hm Rbein 1. (.etmas graue nagelflub'). 2. (,Da mallt das grüne IDogen«
band). Hm ID äff er. 1. (,hell im SUberfdiaume flinimernd'). 2. (,ein fifd)lein ftebt im
küblen 0ruad'). Huf der landftraße (,Ziebt eine arme Pilgcrin).
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IV. Hönliiöes Papier, etinas größeres formal: ein zum Doppelquartblatt gebrotöener
öroßfoliobogen. emöält: nadöt (.Rauö gebt der Hord').
V. Papier und format ebenfo, ein Quartblatt, enthält: Hn f ollen (,It)ie Du es liebft,
mit öellem Reim und Klang ).
VI. Cbenfo. enthält: Hndie offiziellen Cor iften! (,0 nennt mir ein (sie) einz'ge
Cugend nur').
VII. längsöälfte eines mic in III gebrojj&cnen Quartblattes. Cntöält: Sommer (.mir
ip, idt> trag ein grünes Kleid').
VII a. ebenfo. enthält: Konditor undPoet (.Kennt iör den Kleinhinderöimmer).
VIII. ein Quartblatt gleitiöen Papiers und f ormats 2u zmei OKtaüblättern gebrodöen.
le^te Seite leer, enthält: Hn einen freund [M feöe DW). flu einen andern (,0a
liegt oor mir'). Hn einen Stöulgenoffen (Jüobin öat did) dein guter Stern').
. IX. Das namlid)e Papier und format. Zwti Quartblatter, auf der linRen Seite uor
der Scörift etma um drei Zentimeter befdjnitteii. enthalten: herbft (Jm Ijerbft, menn
fid) der roald entlaubt), nerbft i. (,tt)o ift der frt)öne Blumenflor).
X. ein Bogen Poftpapier, Stempel Batö: Hn Juftinus Kerner ermiederung auf
fein 0edid)t: Unter dem Himmel (,Oein Lied ift rüörend').
XI. ein Quartbogen und drei Quartblätter meißes Papier. Der Quartbogen enthält
auf Seite l und 3: Hn das öerz (,lDillft du did) nid)t fdiließen,') ; auf Seite 4: Sub^
icKtioes Oid)ten (,,erft molltc ld> mit oieler ITlüöe fled)ten'). Die Quartblätter entöalteu:
lüeer (,Der himmel bangt'), lied oom Sd)uft (,ein armer Ceufel ift der Sdöuft').
Crinhlied (,nun, da diefe alten herr'n').
In der reidjen Hutograpöenfammlung des Dationalrats UlridE) IUeifter in Zürid)
beflnden fidj zmei eigenöändige 0edid)tmederfd)riften Gottfried Kellers, oon diefem frau
Oit'Ufteri gefdieuRt, die iöm, als es fid) um feine RüdiKeUr oon münd)en l)andelte, mit
andern in feinen öeldnöten beigefprungen mar. es fmd dies
IIa. Drei folioblätter, Papier und format mic II. und ebenfalls zu Doppelquartblättern
gefaltet, drei in das oierte gelegt, das die Huffd)rift trägt feueridpUe uon öottfried
Keller; oben redits fteöt, gleid)falls üon feiner hand: mai I815. Doppelblatt 2, 3 und
zmeite hälfte oon 4 find paginiert, die dritte Seite des nierten, alfo pag. 13, ifl nodö
berd)rieben, da die drei eingelegten Bogen nid)t ausreid)ten. Die handfdjrift ift i)ielleid)t
nur einen oder zujei Cage älter als II.')
VIII a. roeißes foUoblatt zu Doppelquartblatt gefaltet, nur die erfle Seite befd)rieben.
enthält das Sonett .Brentano, Kerner.'
1) In der faKrimilereproduHtion nclle id; die ,feaer<1di)lle' aar die Uebestieder, uieil fle älter iß dls die handfdirin Sdjulz.
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eottfried Keller fpeidtjerte, nadtjdem feine IpriK in SdEiuß geraten mar, die 0edi(t>te
in zu)ei manufhriptbänden auf, die je^t die ZUriJbcr Stadtbibliotöefe üerujaört. Die
Eintragungen in den erften reitöen oom Juli U43 bis zum niärz na, die in den zweiten
Dom februar 1845 bis zum Januar 1846.
Das find die erften für uns erreidlbaren, aber ftömerlidö die erften niederfdtiriften
überbaupt. Cs ip fraglid), ob fitö oon den im Bändd)en oon 1846 gefammelten öediditen
aud) nur ein einziges in der Urfdirift erbalten bat. Denn jene zmci manufhriptbände
maren offenbar nidöt dazu auserfeben, Entmürfe und crfte faffungen aufzunebmen, fondern
die befte oom Oidlter im HugenbüA der Eintragung erreidjbare form, das Dorläufig fertige
auzubemabren. Sie foUten Stapelbäufer fein, die der IDirtfdiaft mit fabrenden Blättern
und fliegenden lUifdien ein Ende madöten.
Das gebt u)obl aus folgendem beroor:
1. Die meiften öeditöte in den manufKriptbänden find fo rein und fauber, daß man
fie nid)t als Entroiirfe und erfte niederfdtiriften anzufpredien loagt, zumal nid)t als erfte
niederfd)riften eines Diditers, dem das Dersmadtjen niemals ein leidltes Ding mar. Daß
er ujäbrend des einfd)reibens zumeilen Änderungen anbradöte, liegt in der namr der Satbe.
2. tnebrmals gibt er außer dem Damm der Eintragung audt) das der zuweilen um
Diele monate zuriiddiegenden Konzeption an. Sdimerlid) bätte er nadt) einem balben Jabre
z.B. den Cag der Konzeption nod) miffen feönnen, menn er nid)t auf dem Blatte des
erften Entmurfes geftanden bätte.
3. In nid)t roenigen fällen tritt es direRt zutage, daß die Eintragung im manufhript^
band nid)t die Urform, nidJt der erfte Entwurf ift. Im erften Bande nämlid) folgen fitö
Eintragungen unter nadlftcbenden Zeitoermerheu: 2. September, 4. September, 4. nooember,
8. noüember, 2. September, 6. September, 4. September, 5. September, 7. September. Im
zweiten Band zeigt fid) gegen den Sd)luß folgende Hnordnung:
20. Januar 1846. Tln einen Sdmlgenoffen.
19.
friiblingsabnung.
18.
Hn mein fierz.
18.
Id) febe didt) mit.
17.
Es ift nidlt Selbftfurtjt.
16.
IDer obne Sd)merz.
16.
Id) mad)' die Seelen feiig.
15.
Sd)neebleid) lag.
16.
Erft wollte id).
31. Dez. 1845.
Id) fab eine junge IDelle.
nur oorangegangene niederfdiriften ermöglidjen eine derartige folge der Budiung.
4. In den beiden manufhriptbänden feblt eine anfebnlid)e Zabl oon öedidjten, die das
Bänddien oon 1846 entbält: fo außer den meiften Sonetten faft alle nummern, die im
U
,öeutf(öcn Cafdt)cnbudt)'' für 1845 ftanden und oom februar bis Oktober 1844 geditötet morden
ujaren. ferner feblen mehrere, die ziemlid) fidöer ins erfte Oiertel des Jaftres 1 846 zu fe^en find.
nämlid) der erfle IHanufKriptband öört, wie fdion gefagt, im marz 1844 auf; der
zroeite beginnt erft im februar 1845 und endet im Januar 1846. mit andern lüorten:
nadidem im Itlärz 1844 der erfte Band gefüllt mar, öat der Diditer elf tllonate zugewartet,
bis er einen neuen fidt) zulegte-, und nadödem diefer im Januar 1846 DOllgefttirieben mar,
öat er fi(ö keinen meitern angefdjafft.
Das erklärt fid) moöl daraus, daß Keller eintragungen unterließ, fobald iöm eine
beftimmte möglidt)keit des Drutfees in Husfuöt ftand. Diefer fall trat für iön ein, als er,
mit fröbel in Beriiörung geraten, öoffen durfte, im ,,Deutf(öen Cafdienbud)' Unterftand zu
finden und nodt) an einigen befd)eideneren Orten anzukommen. ')
Diefe hoffnung ging 1844 in erfüllung. Bis Jahresende bratöte der Didtjter rund ein
tialbes hundert feiner Oedidtite zum DruA. ^) Beinatie mätirend diefes ganzen Jatires boren
die Eintragungen auf und beginnen erft mieder im frUl)ial)r 1845, nadidem ein neuer
I7eerbann oon liedern berangemad)fen mar. Im Januar 1846 nebmen die einfdiriften
in den manufkriptband ein ende, d, ö. der Did)ter bort mit diefer Hrbeit auf, nadidem
der zmeite Band gefüllt mar. follen batte für die längft ins Rüge gefaßte Sammlung
der 6edid)te endlidt) einen Oerleger eingefangen.
man f üblt fidt) zur Oermutung bemogen, daß ein befonderer Band oder ein befonderes
l?eft jene Iprifdtie, Cnde 1844 gedruÄte halbzenturie oereinigte und daß Keller diefen Band
oder diefes heft zubanden der Drudierei zerfdinitt oder, nad)dem fein Inbalt unter die
Preffe gekommen mar, als überflüffig oernidjtete, Dodt) bat fidi oon einem fold)en Korpus
Don Oedidt)ten nidt)t das Oeringfte unD aud) keine lladiridit erbalten. ^)
TloH) eine andere frage drängt fid) auf. tBarum bat der Didt)ter diefe manufkriptbände
nid)t zerftört^ Das bätte mabrlid) feinem ingrimmigen und bäufig bezeugten Rbfdieu
oor dem Cotengräberfpaten des literarbiftorikers entfprodien. es ift begreiflidt), daß er
fie bis zur 6efamtau$gabe der 0edid)te fdtionte, meil fie nodi einige motiue entbielten, deren
er früber nidjt Herr geworden mar. Hber nad)ber> Dergeffen kann er fie nid)t baben
angefidits der peinlidjen Ordnung, die er feinen Papieren und Büdiern angedeiben ließ,
nifo mollte er fie moöl aufbebalten als Zeugniffe feiner didt)terifd)en Anfänge und jener
reid)en und, in Hnfebung der fpätern, mübelofen Dernorbringung, nad) der er in der
folgezeit immer mieder mebmütig zurUdtblitkte.
<) Dergl. 1. Badtitold 6. Kellers leben i, in n nnd 6. KelIer<Bibliograpliie, S. 3 ff.
<) Die Reitjenfolge in Bäcbiolds Keller'Blbliograpbie S. 4 ff tn nnriditig. Der erde Jahrgang des «DeuirdDen Cafdienbudis'
erfi^ien £nde Uff (oder rpäleflens Anfang ins), die Bedidjte im niorgcnblalt aber erll im Sommer des Jabres 1815.
') lil rage ansdrüdiliiS : die Crzeugntffe Dom märz isil bis februar 1845 trug Keller toobi nid)l in einen Band ein.
Dag das manuf kript der im Jahrgang 1845 des ,Deutrd)en Cardienbuiftes' gedrnditrn 6edid)te Daditold Dorgelegen bat.
ergibt flit) aus feiner Keller>Bibliograpbie. 1d) babe diefes manufkript niftt ausfindig madirn können.
13
etitUcöungszelten
m
ie eeflidöte aus dem naftlaß der frau Katöarina Sd)ulz fteöen zeitlidt) ziDifdöen den
manufkriptbänden der StadtbibUotbeK und der 0edid)tfammlung oon 1846, u)ie die
\«nüd)tigfte Dergleid)ung darmt. Cin erfter BUA leört audt), daß diefes Sammelfurium
__\ üon handfd)riften und Blättern nad) feiner äußern und innern Befdiaffenöeit nidjt
S^^d als Drudioorlage dienen konnte, nieder insgefamt nod) teitoeife, mit es denn ganz
^^^j offenridötlidt) niemals oon Se^erfingern befdtimuct murde. Die älteften Beftandteile
IkjuSI flögen im flpril 1 845, die iüngften im lanuar oder februar 1 846 niedergefdirieben fein.
I. roir kennen die Zeitgrenzen, innerhalb meldöer die handfdjrift I gefdirieben ujurde.
Laut Eintrag im manufkriptband der ZUrd)er Stadtbibliott)ek entftand (oder wurde ein«
getragen) am 26. Hpril 1845 das öediftit Jd) Bing am grünen Berge bin*, zuleijt oon
allen Hummern diefes Zpklus. Da es in diefem die neunte refp. zeönte Stelle einnimmt
und da unfere handfd)rift eine fortlaufende ift, morin aller Raum ausgenü^t mird und das
einzelne 0edid)t nid)t auf einem befondern, alfo beliebig oerfdiiebbaren Blatte fteöt, fo
kann fie, da dod) die Hiederfdirift einige Cage erforderte, nid)t oor nprilende entftanden
fein. Sie bildete die öorlage für das DruAmanufkript. Diefes mag im ITlai, nadidem
Keller die in unferer handfdirift angebraditen Korrekturen und Bemerkungen oermertet
Öatte, nad) Stuttgart abgegangen fein ; es öat fid) nidit erhalten. Das ,morgenblatt für
gebildete lefer' brad)te am 7. Juni die zmei Studie ,Oon öeißer lebensluft entglüöt' und
Jd) fling am grünen Berge öin'. Daß der Redaktion der ganze Zpklus, nid)t etma nur
diefe zmei 0edid)te, eingefandt murde, ergibt fid) äus einer notiz Kellers im ,Deutfd)en
Cafdienbud)' auf 1846, mo er das ausdrüdilidi betont.
M. flnnäöemd gleidizeitig mird das auf gleidies Papier mit gleidjer Cime gefd)riebene
nianufkript der ,f euer idp lle'' unferer Sammlung entftanden fein, maörfdieinlid) unmittelbar
nadi IIa. Der 0edid)tband der Zürd)er StadtbibUotöek oermerkt fie als im mai 1845 beendet.
III. Das faszikeldien III birgt die poetifdie Rusbeute langer Sommermodien, die dottfried
Keller 1845 in Ölattfelden oerlebte. roalirfdieinlid) begab er fid) aufs Land, um, nad)dem
er inneröalb Jaöresfrift einen ftarken Dorrat oon motiuen oerbraudlt öatte, fein Iprifdies
SdJa^öaus mieder zu füllen und die neugemonnenen eindrücke und Stimmungen in der
Stille der lüälder und felder zu bemältigen, da feine Seönfudlt, nad) Hrt iunger Ipriker,
in jenen Cagen durdiaus auf einen 0edid)tband zielte.') Hidit umfonft ftrömen zwti
öedidlte diefer Zeit (ein Cagemerk I und II) Klage und Croft des Dtdlters aus, der früb<
morgens Od) oom lager öebt, um in den lUäldern ein bleibend Ued zu öolen, abends
iedod) unoerritöteter Dinge müde und traurig öeimkeört.
Damals erft fd)eint iftm die eigentümlid)e Sdlönbeit jener öegend aufgegangen zu
fein. Oder oielleid)t riditiger: Damals erft oermodjte er fie poetifd) zu ergreifen, es ift
') .roas Don mir pfdruiht wurde, erfrftien nur als Beitrag in Zeitfijjrifttn und CaTOenliiidicrn, und die hauplerpedition,
die herausgäbe eines Buiöes, wird ern nad)Oen frübling ftailünden'. 16. September 1815 an J. R. leemann. llDitTen
und leben, is. Dezember I903).
Ke3 17
die lanflfdjaft, in deren herrlitöheit und fülle fidt) die iandlid)en Sd)idifale des jungen
ftcinritl) lee entfalten.
üor allem taten's iljm damals die Rfteinufer an, die breiten, leud)tenden, siebenden
lüaffer, die träumeriftöen, beuialdeten Strandöänge, die laufdJigen IDaldiDiefen und nidt)t
zuleßt das alte Heft Cglisau.
Dier Iprifdöe niotioe bat iöm der Röeingott damals an den Strand gefpUlt. Sie fteften
in der Abteilung .RJjein' und naö)barlieder' der öefammelten 6edid)te. Das erfte trägt
den Citel ,0egenüber', die drei andern oereinigt die Überfdörift .Rbeinbilder' , nämlid)
,Oas ZäV, ^Stilleben', .frUögefKtit'.
nur ,0egenüber', oon politiftöer Unterftimmung getragen und mit politifd)er Pointe
gehrönt, die dem leidenfd)aftlid)en Parteigänger und freiöeitsfänger iener Cage fo nabe
lag, Dermod)te er damals auf die höbe zu bringen. Den drei andern, den .RÖeinbildern',
mar er in jenem ZeitpunRt nod) niftt gemadlfeu; er ftöeiterte an den idpllifd) gedämpften,
faft gegenftandslofen öormiirfen, da er die erforderliche DisKretion der Haltung und die
notmendigen halbtöne nod) nid)t l)erausbrad)te.
Das eine, ,etmas graue üagelfluö', nod) oor ,0egenüber' cntftanden, murde erft etma
drei laörzeönte fpäter oöllig umgearbeitet und ,Das ZäV betitelt. Zu)ifd)en und unter
die alte faffung im manufkriptband der StadtbibliotöeK bat öottfrled Keller mit der
fpi^en Hltersf(brift die Änderungen eingefliAt.
.Stilleben', die zmeite Hummer der .Rbeinbildef, aus dem September 1845, ift in
der erften form merfemürdig unzureid)end. Der Dicftter fab uon der Hufnabme in unfer
manufkript 111 ab; es ftebt nur im ntanufhriptband der Stadtbibliotbefe :
R b e i n.
le^t notl) zwei Sd[)ritte oder drei
Und ftöftUd) lind wir fd)on dabei-,
Da lenfet er ber tlie ftolze BaJ)n,
£in aUes Städtlein blebt daran!
es muß ein eigen IPandern fein
Hm alten faucnrcldien Rbein!
So oft er mir üorüberEicbt,
läßt er erklingen mir ein Ucd.
So mad)' id) ein 6elübde draus,
Das balt' id) ibm Jahr ein und aus:
So oft idt) über iljn gcb' oder fahr',
lüill id) ibm bringen ein öcrslein dar!
IndelTen bat dod) die urfprünglid)e Konzeption, die des lllalers, fofort die prägnante
form gefunden, das Bild, das Keller, menig modipzierend, fpäter feftbielt:
Da lenkt er ber die ftolHC Babn,
ein altes Städtlein klebt daran!
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Das Dierte diefer Röeinmotioe, ,frül)gefirt)t', ftetht in der Stelle ,am alten fagenreitöen
Rbcin'' fozufagen als Keim, den zu entmidieln erft dem reifen Itleifter oerlieöen wäv.
frudtjtlos erftrebte er im nämlitöen Jaöre is-ts noftmals eine Beioältigung des 0egen^
ftandes: ,Oia malar. 1846 nidöt in die Sammlung aufgenommen, fondern erft 1851 in
die .neuem 0edid)te', enthält es im ITlanuf hriptband der Zürcöer Stadtbibliotöeh den Palfus :
Reidt) ift der alte, tiefe Röein
fln lüundern und an Sagenluft,
Der ntbelungenbort ift fein,
Drum u)andelt er fo ftolE bewußt!')
Die Sagen find alfo die llibelungenfagen. Cro^dem ift es nidtjt, ujie man moöl
denhen foUte, die oon heldenmären, Burgen und Domen ftraölende mittel^ und nieder^
deutfdöe Röeinlandfdjaft, die öottfried Keller die .Röeinbilder' eingab, fondern fftmeizeriftöe,
die landftöaft des ,0rünen fieinrid)'.
nod) aus zujei meiterti diefer ölattfelder 0edi(öte blinkt der Röein:
rote i* faftr' in ftiller Ilaiöt
Buf den Silberwellen —
und
Siel)' ! kaum glimmt des Stromes Spiegel
Silbermau im Dämmerliiftt. —
einem Sommergemitter ujird das prad)toolle ,Hrm in Hrm und Krön' an Krone'' ent^
fprungen fein. Don äönlidien erzeugniffen andrer Did)ter unterfd)eidet es fid) dadurd),
daß es fpeziell mit den Hugen eines landfä)afters gefeöen ift. es mutet aud) au mie
ein Bild, das Keller nid)t malen konnte, meil er nid)t über die mittel gebot, iöm den
ftarken ntem des naturgefUöls einzuöaudien und den Pöantariefd)U)ung mitzuteilen, der
die kräftig ausgreifenden Derfe belebt. Hndertöalb Jaörzeönte oergingen, ebe ein nialer
fo etu)as zuftande brad)te, autö ein Sd)UJeizer .- Hrnold Böcklin mit feinem Pan im Sdülf.
flud) öier, mie in ,ein Cagemerk' und in der folge ,Hm IDaffer', belogen den Diditer
Dariantenluft und Bedürfnis nad) zpklifdiem Derfaören zu einem öegenftüdi : ,flber aud)
den föörenmald'.
Daß der Zpklus ,,Hm fDaffer' auf fene ölattfelder Cage zurüdizufiiören ift, bemeift
der Dermerk im ITlanuf kriptband der Stadtbibliotöek ; er lautet: Hn der ölatt.
.mein liebd)en liegt im Rafengrün' mag den eindrudi einer ölattfelder Sommernad)t
fpiegeln, wo Keller die ölübmürmer, die im Sd)ädel des Hlbertus Zmieban nad)glimmen,
auf dem friedöof funkeln fab, den er fpäter fo ujunderfam im ,0rünen heinrid) fd)ilderte.
Dreifad) bebandelt der Did)ter aud) das motio des oerballenden Uebesleides; und nur
eines der drei betreffenden öedid)te mürdigte er fd)ließlid) — mit Red)t — der eröaltung.
Das eine ,tt)ie fie fid) da dreb'n im Canze', erft im Oktober 18-15 in Zürid) dem lüanufkript^
band der Stadtbibliotöek Zürid) einoerleibt, ift ein grimmer Proteft gegen gemilfe flusu)üd)fe
>) Paul Brunncr, Studlrn und Beitrd(ie iii eottfrird Kellers iQrlh. S. 263.
19
des ftädtifdötn 0efellfdt)aftslebens, die den aus dörflidöer einfatböeit heimgeheörten doppelt
erzürnten. Zioeifelsoöne aber reitöt die Konzeption nod) in die eiattfelder Sommertage zurlidi.
roie fie n<J) da dreftn im Canze,
Puppen aus gefftni^tem holz!
eitles Pols im Kerzenglanze,
leben fteutöelnd, fteif und ftolz!
S(t)lüITelbeine, Sdöulterbläner
Stoßen fd)amlos hart mid) an-,
nite Canten, grau üom IPetter,
Klatfd)en längs der tollen Baön.
Die dem Code längft oerfallen,
Creibt der lüabnfmn bler im Kreis:
Und id) fd)lei(|)e durdi die hallen,
einfam fd)lägt mein herz und leis.
Dein gedenfet es, zarte ßltite,
0 mein rofger Hlorgentraum !
Daß Did) 6ott mir treu beljüte
fern am grünen tüogensaum!
fern am lüogenfaum im örabe
Sd)läft, mas luft und leben warl
Diefes Bedjers feuergabe
Bring' der Sdjläferin id) dar!
lung geblieben ift mein lieben
Und nod) beute rofenrot,
Hud) mein Uebd)en jung geblieben:
Dank dafür, du milder Cod!
Die lüorte
Daß Did) öott mir treu bebüte
fern am grünen lüogenfaum
öaben zu)ar, da die lugendgeliebte Henriette Keller in Rtd)tersu)il begraben liegt, UJObl
aurt) einen guten Sinn im munde des in Züri* seilenden öiditers, einen belTern aber,
u)enn er fie fern oom See in eiattfelden fpridit.
Mf der landftraße' trägt das Datum 30. luli, „^a Ira" 31. Huguft.
Der Kleine fafzihel Rann früöeftens im ORtober is-ts gefdjrieben fein, uieU ,U)ie fie
fi* da drcö'n im Canze'-, das erft in diefem monat in den manufRriptband der Stadt»
bibliotöeR eingetragen wurde, an dritter Stelle ftebt.
IV.— X. Die Daten im ItlanufKriptband find folgende:
.Raul) geöf 28. XII. -ts. Hn follen 12. XI. 45. Tln die offiziellen Cbriften 20. Xli. 45.
,mir ift, id) trag- 30. XII. 45. Konditor und Poet, nor dem erftdrutfc nur öier oorbanden,
mag ungeräör 0leid)zeitig entftanden fein inie das oorangebende, da es auf einem gleidien
Papierftreifen aufgezeidmet ift. Cbenfo merden die drei zufammengefdiriebenen ,ld) febe
Did)', ,Da liegt oor mir' und .roobin bat äW in diefelbe Zeit zu feijen fein; das erfte
trägt im manufRriptband der StadtbibliotbeR das Datum 18. I. 46. Jm herbfi, ujcnn'
u. XI. 45. ,roo ift der fiDönt 6. XI. 45. ,Dein lied ift rübrend' 3. XI. 45.
20
XI. ,lt)ülft Du HW 18. 1. 16. ,erfl iDOllte W H. 1. 46. Die drei: ,0er himmel Jjängt',
,ein armer Ceufel und ,,nun, da diefe alten herm' find nur in diefcr handfd)rift uoröanden
und gehören öödjft u)al)rfd)einlid), u)ie das Papier oermuten läßt, in den lanuar 1846.
Villa u)ird ende 1845 oder Hnfang 1846 anzufe^en fein.
Die öarianten der Kellerftöen Iprih bat Paul Brunner ') in einem oerdienftlicften Bud)e
zufammengeftellt. fln der Rand diefer Hrbeit und unfrer fahfunilereproduKtion fmd die
Lesarten derjenigen gedrurtiten öeditöte, die bier in frage Kommen, lei(bt zu eruieren. Id)
befd)ränhe mid) daber darauf, nad)ftebend die Stellen zu üerzeid)nen, u)0 der nianuf hriptband
der Zürtöer Stadtbibliotbeh in denjenigen 0edid)ten oon unferm manufhript abuieidjt, die
niemals gedruAt wurden.
morgenlied.
(Kein Citel.) z. Sept. auf den hügeln oon Cglisau.
1. es ift ein uienig unbequem,
Ood) nicbts fo fcjt)ön und angenebm
nis abendfonnenroärts zu geben-,
lüie blendend (le ins Bug' mir brid)t,
Id) lieb, mit ooUem nngefldlt,
Rafd)U)andelnd, feft in fie zu feben.
3. 5. falfcben. 3. 6. So an der
,mein liebtben liegt'.
3. 3. madi idi (Oariante zu 5.)
Und wenn iib mid) uergeden b^b
Beim näd)tlid|)en 6elag,
läßt es die Tlugcn mir zurück,
Daß id) fie fcbauen mag.
6.1. es denht 6.4. driitfct es 7.4. febnend 8.4. Das ditötet
flu follen.
5. Der Silberfirn. 7. (durdlftridien). Ob er dir beut aud) filbern; (dafür): Ob der oer»
iäbrte beut aud). 8. (durdiftridien) : lUirmaren. 9. lüie gebt. ii. flaggen. 1 2. Im ööttertaKt
die Klaren tUogen fd)iagt (unten): der Klar melodifd) feine tüellen fdjlägt. 13. neil dir!
der frei Oott und UnfterblidiKeit. 14. Im emig jugendlidien herzen trägt.
flu die offiziellen Cbriftcn.
zeigt Keine öarianten.
') Paul Brunner, Studien und Beiträge zu Boltfrlrd Kellers lorlk. Zürid) 19o6. Dru* und Oerldfl: Brt. Inflltut
Orcll fugli.
21
n. fl. l. foUetis Beirat
"glie etnundzujanzig liebeslietler unferes ITlanufKriptes und die feueridpUe IIa zeigen
KJ einige mit Bleiftift geftftriebene Kritiftöe Bemerhungen und Korrekturen. 0anz bt-
r^ftimmt rubren fie niföt non öottfried Keller öer: folifte K und s öat er niemals
* f) I gefdjrieben. Sie geboren ritöerlidt) füllen. Die grapbologifdje Dergleid)ung mit feinen
Wm ^''*^f^" "^"^ f^^ ^öm zuujeifen. Hur er aus dem damaligen Kreife des jungen Poeten
ifM ujar zu diefem Cone beredötigt und zu diefem Ridöteramt befäöigt Oiefe Zenfuren,
^l'jj einmände und Dorfd)läge Können nur oon einem Did)ter öerftammen. lüilljelm 5d)ulz
oder feine frau Können fie nid)t gef^rieben öaben, ganz abgefeöen danon, daß die l?and^
fdjrift diefe flnnaöme nidöt zuläßt ')
ßätbtold bemerKt, Kellers einfüge DanKbarKeit gegen feinen mentor Jjabe fiel) in den
fpätern laören Kritifcö Kiiftl geäußert. 2) Cs ift in der Cat uerftändlidt), daß er fidt) im
laufe der Zeit gegen follen etmas uergrämte. Denn diefer war in die politififten DoK'
trinen, Scftlagmörter und feöden zu)ifd)en 1840 und 1850 allzufeftr oerftrtdit, aud) bei
aller Didtitergabe oon zu menig fidjerm und gefeftetem Urteil, um gerade die Husmüdbfe
leidenfcjt)aftlid)er Parteinabme zu befdjneiden und die Spuren eines nur teitoeife geläuterten
0efö)maAes überall auszumerzen, die Kellers erftes öedidötbänddien nerunzieren. Diefes
zeigte den Hutor oor feiner menfiftlitöen und Künftlerifdjen Reife, er bat die herausgäbe
als eine uerfrUbte bis ans Lebensende bedauert und fie fnö felbft oerübelt und denjenigen,
die iön nid)t dacon abhielten. 3)
es fteöt freilid) dabin, ob er firt) einer tiefern Einfidtn follens bequemt und z. B.
eine Reifte uon Uebesgeditbten, in denen eiöte eefüölsujärme und ftöifKfalsmäßiges Cr^
lebnis fo ftarK öinter den öebilden der bliibenden und farbigen Pöantafie zurütKfteöt,
damals mirKlid) unterdrüAt bätte. öemilfe Kunfteinfid)ten und Crrungenfetiaften mollen
eben erlebt fein, ebe fie ujirKfam merden.
ledenfalls bat follen Diel für Keller getan, alles, mas in feinen Kräften lag, mebr
als irgend ein anderer in der Sd)iDeiz damals zu tun in der läge und lUillens gemefen
märe. RüAbaltlos erKannte er die beroorragende Begabung feines Sdjü^lings an, obne
fiö) der Kritiftöen einfpracbe im geringften zu begeben, eietdt) nad) dem erften flüdjtigen
einbücK in das ibm unterbreitete nianufKript miderriet er die fofortigc Derö(fentlirt)ung
,um der öedidjte und Ibres Calentes millen' (3. nonember is-tt).^) er öffnete ibm das
,,Deutfd)e Caf(benbucb', das er mit Pru^, hoffmann oon fallersleben und andern gegründet
batte. Der Jabrgang ists braiöte über oierzig, der folgende über zmanzig der 0edid)te
<) meine nnnalime, die Hdi nur auf das nianufKript der liebesileder (tUßen Konnte, wurde durd) IIa benätigt. frau
Ott<UIleri, der ö. Keller das Kleine manufKript gefdjenKt batte, heftete ein Blättdien daran: „Die mit Bleiltift (le--
fdjriebcnen KorreKturen find Don Bdolf ludiDig follen - ebenfalls follens eigene liandi'0rifi". Überdies fiebi auf
dem Umfd)lag pon follens hand: Durdtiuieg gelungene Cransparenis. B. l. f.
'I n. a. 0. I. S. Z18.
3) ,1* muß erfl lent lachen, wenn id) daran denke, mle fehr die guten Sd)ulze, egiinger u. f. f. lene gemaditen und
UJälferlidicn liebcslieder protegierten und für bare münze nahmen. Entuieder nerftanden fie fid) nidjt auf die Poefie
oder nid)t auf dir liebe, und beides in in diefem falle gleid) fdjauerliil)." (Hn f. freiligratb, ii- Sept. isso.)
<) Brief auf der SladtbibliotbeK Ziirldj.
Kei 25
Kellers. Unter den Beiträgen des erften (1845) befinden fift) aud) ein Duzend Sonette.
,BedenKen Sie fid)/ öatte follen gefd)rieben, eöe er die Hand darauf legte, ,ob Sie diefen
Sonettenzphlns für das Caftöenbud) ausarbeiten und eine fpätere UerüoUftändigung etioa
für die befprodiene Herausgabe der 0edid)te oorbeöalten ujollen'. er Derfd)affte ibm für
diefe einen üerleger, der fogar Honorar zahlte, beforgte die Anordnung der einzelnen
Hbteilungen, 1) überwachte den Orudi und erledigte die KorreKturen. üor allem ließ er
fidi's nid)t nerdrießen, den poetifd)en fldier feines jungen freundes durd)Hupflügen und
nad) Oermögen das Unkraut auszujäten, oöne etuja feine emfdtieide für inappellabel zu
Öalten. Dielmeör forderte er nad)drü(feltd) Kellers öegenäußerung und oeröielt lljn, der
olfenbar feinem öönner ujenig dreinredete, meil er nod) mand)es auf dem lüebftuöl batte,
mas er ins Bänddtien zu bringen ujünfdjte, zur ftrengen muarbeit oder oerfudjte es me-
nigftens. einmal empfieöU er iöm gemiffe Stellen zur ernften Prüfung, ein andermal —
es mar am 24. Januar 1846 — münfdbt er ibm .guten, fauren Cag'.^)
lüie mand)em angebenden IpriUer mird es fo gut > Übrigens bat KeUer mit dem öffentUd)en
Danh nid)t binter dem Berge gebalten. Cr rid)tete in den .Heuern 0edid)ten' ein fdion 1847 ent*
ftandenes Sonett an foUen LHlmm diefe liedef), befeannte, diefer babe fid) feiner did)terifd)en
Derfudie kräftig angenommen ^l und äußerte fidt) in diefem Sinne nod) im legten lebensjabr.*)
Der um zmeiundeinbalb Dezennien ältere follen batte nor Keller, der, nod) balb ein
Kind, oon der Sdiule meggejagt und fd)ließlid) ein geftöeiterter und etmas oermilderter
maler ^) gemorden mar, Bildung, Keife, 0efd)maffe, bemußte Kunftübung und damit eine
gemiffe Cedinih noraus, fo daß er, mie meit er ibm an Calent nad)fiand, notmendiger^
meife damals für ibn eine Oberinftanz bedeutete und zmar eine mobltätige. Obgleid)
Keller mit den öemaltfdiritten und öemaltftreidjen des öenies feinen lüeg ging und na^
mentlid) im IDinter 1845/46 einen mädotigen Rudi tat, es ift dod) z. B. im kleinen fas'
zikel III unferes nianufkriptes, miemobl er das Übelfte nidit aufgenommen batte, neben
aUem üortrefflidien fo Diel Ungleidies und Unreifes, daß die Haltung im großen 0anzen,
die das Bändd)en allen mangeln zum Cro^ auszeid)net, nur der Ceilnabme, Zenfur und
Beibülfe follens auf Redmung gefeßt merden darf. Cr legte nidit nur den f inger auf die
munden Stellen - das nermag unter Umftänden aud) ein Berufskritiker, ein literar^
Öiftoriker, ein lefeäftbet ~ er beute fie aud); und das ift nur ein u)irklid)er Did)ter imftande.
öier bandfd)riftlid)e Zeugniffe feiner n)ardeinfd)aft fmd uns erbalten.
1. In einem auf der Zürdier Stadtbibliotbek aufbemabrten Brief uom 21. nooember
1844 berübrt er, mie ermäbnt, einige Sonette Kellers, um deren Hufnabme ins ,Oeutfd)e
') Aä) habt die iwel erRfii DriKibogcn Qcordnrl'-. (Undatiert.)
<) Die Don Bd())told a. a. 0. I 3. ui milgcldlte TluslalTung in isobi bumoriditit) gemeint und ein Kompliment für Keller.
") Robert Itleber, die iiociifdjc nationalliteratur der deutfd)en Sdiineii. III. S. 2.
•) 6. Kellers S(t)riften, berausgegeben oon ]. BädDtold, 1893, S. i.
<■) £r bat es fofort dankbar empfunden, daS ihn die Foefie in eine böbere Sd)id)t bob. Er ftörleb den 16. Sept. 18« an
feinen freund, den tllaler Julius Rudolf lecmann: ,£ndli(b bieD es, id) fei ein .Dlditer*, und oon da an harn Id) in
ausgezeiihnete, ebrcnnolle eefellfdjafr'. (milTen und leben, a. a. 0.).
26
Cafdticnbudt)' es fidt) öandeltc. OotJ) läßt fidti mit den paar unmotioierten lüorten der Hb»
Icöuung oder Beipflicötung nidjts anfangen, da fein Brief die Sonette nnr durtö Hum^
mern, nid)t durd) Uberfd)riften bezeid)net und ein SdS)luß auf den Inbalt alfo uerroebrt ift.
2. Dielleid)t, fogar roabrftöeinlid), geöörte darunter das Stiirti : M liegt oor mir dein
unglüdifel'ger Brief. Die legten drei Oerfe lauten:
Dort) fegn' ift dankend meinen milden Stern:
Id) war zu blöd, — und bin gcfund geblieben —
Zu rd)üd)tern, — und bin brao ie^t und gead)tet. —
Darunter fd)reibt foUeu: ,Der öegenftand ift mir etmas zu delihat für diefe allzu aufridjtige
faHung ; dennodt) entbebre itö das Sonett ungern, befonders megen des legten Cerzettes'. ')
Die bürgerUd)e Braoöeit, ungefd)irtu, mie der junge öottfried Keller fidt) dazumal
benommen baben mag, beftad) mobl follen, die faft pbarifäerbafte formulierung einer
an fiel) bered)tigten Empfindung zu überfebett. Hber ibm ging eben in etmas die feine
und rid)ere Cmpfindung und die entfd)iedene 0efd)lo(Tenbeit des Cbarahters ab, fo daß er
dem nod) ungefelärten und einen feften Stand fud)enden Keller in fold)en Dingen meniger
beizufpringen in der läge mar als in rein KUnftlerifd)en, insbefondere formalen.
Übrigens fiel es offenbar Keller felbft fdDmer, mit dem motiu ins reine zu Kommen, für
Jabrzebnte, bis zur öefamtausgabe der öedidjte, legte er das Sonett zurüdi, um dann den
eben nidjt hoftbaren üormurf mit einem rübrend befdjeidenen Sdiluß zu Krönen und zu adeln :
Bm ende preif id) meine dürft'gen Sterne;
Im 0uten träge und zu blöd' im ßöfen,
Bin id) ein ftilles Kind im land geblieben!
3. Das dritte Zeugnis find die notcn und Stritbe in unferm manufRriptd)en der
21 liebesUeder. Sie marhieren, fo menig zablreid) fie find, follens hritifd)e Bedeutung
für den jungen Ipriher öottfried Keller.
Die fünfte Stropbe des 0edid)tes M iwiU fpiegeln mift in jenen Cagen' lautete im
manuf hript :
IPenn die Seele mein auf ibren fabrten
Sternenbin und miedet mird durd)zieb'n,
IDird ibr nid)t im em'gcn öottesgarten
ein befeannter Sd)eln entgegenglüb'n?
0 die IPelt ijt meit!
Kann nid)t die Jugendzeit
Irgend roo nod) einmal für mid) blüb'n?
foUcn unterftreid)t einzelne lüörter, befonders den Reim : fabrten— öarten, der allerdings
in den 5d)U)eizer mundarten, da uor r -f Konfonant der DoKal meiftens lang bleibt,
rein ift; und er fdjreibt an den Rand der Stropbe: ,Unhlar ausgedrüAt; der Reim Der-
votvfiW. Dann nimmt Keller die äußerft glüdilid)e Derbetferung oor.
>) Paul Brunner, Studien und Beiträge zu 6. Kellers IpriK. 1906. S. 236.
27
Die fiebcnte Stropöc des 0edidDtcs ,Durd)s früftrot zog das n)olKenfö)iff' bieß:
mit einem IDort: Cs zog in mid)
Die lugendliebe ftraljlend ein-,
Das mar die meiße Caube moljl,
Die Dame mag die Sel)nfud}t fein-,
Die Riefen mit den falken dann:
Der öoöen IDiinfifte hüftne Sd)ar-,
Die bradjten meiner Sebnfudtit bald
ein zartes IDlld als Beute dar!
füllen urteilt am Rande: ,Die nuDaniüendung öalte id) für überflüfrige lUoöUat', ido^
durtl) Keller oeranlaßt iDurde, die gereimte efpUhation zu tilgen.
Hber märe nid)t denKbar, daß die Streid)ung der berteffenden Stropben uon Keller
felbft üorgenommen mar und fd)on in der t7andfd)rift ftand, als fie follen oorgelegt
murde, und daß diefer lediglid) feine nacbtraglid)e Zuftimmung zu diefer oom Did)ter
üorgenommenen 5treid)ung ausdrüdien mollte>
Idj öalte diefe mögliä)heit für böd)ft unmabrfdöeinlid) und foUens Husfet^ungen für
das Primäre. Den Bemeis dafür finde id) erftens darin, daß follen nid)t, mas nabe ge^
legen bätte, die zmeUe faffung billigt, fondern daß er die erfte tadelt; fodann in einer
Stelle des felben 0edid)tes.
In der nierten Stropbe fd)rieb nämlidt) Keller:
Der eine rofenrotbe frau. follen fe^t mU Bleiftift darunter: mäddjenbafte und
an den Rand: Der eine fdjlanhe Sd)läferin. nun Kommt Keller und ftreid)t mit der
feder nidjt nur feine eigene urfprünglidie faffung, fondern aud) das mädd)enbafte
und ebenfo das fdJlauKe und fe^t darunter: rofige.
Daraus ergibt fid), daß follens Bleiftlfthorrehturen u o r Kellers CintenhorreHturen
gefdjrieben murden und diefe alfo nerurfatliten.
nun entfd)loß Cid) offenbar Keller bei diefem Paffus, in der handftörift nidn roeiter
zu Korrigieren und zu ändern, fondern zum DruA eine neue anzufertigen, um darin
die in den folgenden 0edid)ten unferes manufKriptes angebratbten KorreKturen follens oon
Dorneberein zu berütKfid)tigen. Er Konnte unreine, ftarK Korrigierte manufKripte nitbt leiden.
Hußer den drei fd)on angefübrten ftelle id) bier diefe KorreKturen zufammen. K be-
deutet Kellers I}andfd)rift refp. Lesart, F follens KorreKtur, D T die lesart des Erftdrudis
im .DeutfdEien Cafd)enbud)' 1845, übereinftimmend mit derjenigen der öedid)te is-te.
Hn meine Dame.
1. 1. K die in. F = D T die aus.
1. 3. K des Hema. F = DT des fletna's.
Id) mill fpiegeln midD in jenen Cagcn.
1. 6. K miederKlang. F = D T miderKlang.
28
Durtti's früörotl) zog das lüolhenftöiff.
4. ■!. K ffölafend. F = D T träumend.
-t. t. K Huf feuerlilien. F (am Rande) : Rofen und feuerliUen fteöen ungut einander an.
D T auf feuerliljen.
Oon öeißer lebensluft entglüöt.
4. 4. K Cann F lUald D T IDald.
5. 5. K Die Da*brettfd)läger. F = D T des CaRtes 5d)lägcr.
0 leib meiner Dame.
10. K lUie treu fd)üt)end Sold einen funhelnden Stein. F = DT lUie fd)ü^endes Öold
den erfunUelnden Stein.
hör' an, mein Kind.
1. 5. K Hus in. F = D T her in.
3. 5. K 2u ergeben. F = D T flugs zu beben.
5. 1. K um die Stirne bingeft (um die Stirne durdöftridjen und darüber: in (uor) F in
dein Stirnband fd)langeft (ftblangeft dur(t)ftrid)en). D T in dein Stirnband bingeft.
5. 5. K himmelauf. F = D T bimmelauf.
8. 2. K mit. F = D T in.
Id) ging am griinen Berge bin.
3. 3. K Berges. F Bergs. D T Bergs.
6. i. K feines. F fd)önes. D T fd)önes.
7. 8. K mertbe Braut. F l?erzens. D T herzensbraut.
10. 7. K filbernem Bronnenfd)aU. F = DT Silberbronnenfdjall.
10. 8. K eud) Stern an Stern zum Kranze flidlt. F = D T eoldftern an Stern zum Kranz
eudj flidit.
Die Sonne fäbrt durdJ's morgentbor.
3. 6. K feuerlein. F feur'lein. D T feurlein.
Du ujillft did) freoentlid).
7. 1. K Id) mill zur Kurzmeil fuße Lieder fingen. F = D T lüill dir zur KurzujeU
roadlterlieder fingen.
lUie ein fifdllcin in dem He^.
3. 5. K d'runter. F = D T drunter.
3. 5. K ujieder. F = D T mider.
29
4. 7. K Darob. F = D T Oaoon.
5. 7. K flnöefldtit's. F = D T Hngefidtits.
Sdt)on iDar die le^te Sdöioalbe fort.
7. 1. K Rioal aufgeiDaftt. F = D T ncbenbuöl erroadöt.
7.4. K Die halte hand. F = DTDieCodtenöand. Die Sdölußftropöe, oon follen mit Bleiftift,
Don Keller mit Cime durdöftridjen, eingehlammert und mit fragezeidöen oerfeöen, feöU in DT:
Dergangen ift fdtjon mantjtjes Jaftr
Seit jenem glüften flbendrotl);
nun roeiß Idt), wer der Rioal war-.
es war der blalTe Cod.
ein luftiger mediziner.
4. 1. K murde. F = DT mard.
8. 3. K Und darum, meil roas lUaöres. F = D T Darum, meil leidtjt ja roas lüaftres.
Durd) den öarten in die felder.
5. 6. K Der Ceremonienmeifter. F = D T Des himmels Sd)aarenmeifter.
Id) öabe fie gefeöen.
6. 4. K fonft. F = D T und.
Id) faöre mit den lüinden.
6. 1. K u)ieder. F = D T mider.
faöret mobl, iör fd)önen öräber.
1. 8. K O'rauf und d'runter. F = D T drauf und drunter.
einigemal oerdidjteten pdt) follens BedenKen nid)t zu frt)riftlid)en Bcmerhungen oder
Befferungsoorftölägen, fondern blieben, mird man annebmen muffen, miindlid)er Hus<
fprad)e oorbebalten. er brad)te in fold)en fällen lediglid) 5trid)e an.
Durdtjs frübrotö zog.
3. 5. K zart mie mas. F unterftreirt)t zart. DT fein mie 0las.
6. 4. K nad) aller lüinde fröblidier f lud)t. follen unterfireid)t die Zeile. D T Sie fliegen
auf mit feönender f lud)t.
roobl ift die lilje munderbar.
2. 7. K 6km nod) dem mondenfd)eine. follen unterftreid)t nodj. D T Du gleid)ft dem
niondenfd)eine.
30
Die übrigen ftandftbriftcn und ölätter tragen Keine BemerKungen oder Stridje. Bloß
in der zweiten Stropöe non ,5ieö, Kaum glimmt des Stromes Spiegel' ift das IDort U n *
gemöönlidt) unterftrid)en. In den öedidtiten 1846 fteöt:
Cief im Süden, fttjön und öell.
Der BleiftiftoermerK am SöjlnfTe üon ,Die Sonne fäljrt durd)s morgentöor' rüört, mie
die Sd)rift zeigt, nid)t non follen öer, fondern maörfdieinlidt) oon frau Karoline Sd)UlE,
deren handfd)rift in den oon \\)x binterlaffenen KellermanufKripten fonft nidjt miederfeeört.
es ift bemerUensmert, mas Keller mit diefen lüoöltaten — das maren dort) die M-
derungen follens faft durdjgeöends — fpäter angefangen öat, fo roeit fie nid)t, als er
feine Iprih leßtroillig formulierte, zugleirt) mit den unterdrUAten 0edirt)ten daöinpelen,
ein los, das die meiften traf, da er gerade unter den llebesliedern am graufamften
aufräumte. Cs ift nid)ts geblieben als der öoldftern und der Silberbronnen; allerdings
wandelte fid) der Silberbronnenfrtjall zum Silberbronnenglanz. Das fd)öne Kind murde
ein gutes Kind, die herzensbraut eine mprtenfdjöne Srt)leierbraut, das feurlein mieder
ein feuerlein, die Cotenband der nad)t zur duuRlen l7and, und, mas merfemUrdig ift,
er griff auf feine urfprünglidöe lüendung zurüdi, indem er fang:
es fifteint mir ein Rioal eru)ad)t.
Siebt das nid)t aus, als bätte er abfd)ütteln mollen, mas man iftm einft gefdjenkt)
Seinem unabbängigen und öerben Sinne mürde es menigftens entfpredien.
Die Interpunfetion Ijat öottfried Keller immer emft genommen, im ßegenfa^
zu Conrad Ferdinand IHeper, der damit zumeilen öerrenmäßig umzufpringen liebte. Sie
ift in den üorliegenden Blättern eigentlid) untadelig, einigermaßen auffallend für einen,
dem die Sdiulbildung früb abgeftbnitten murde und der fid) dann iabrelang unter nia^
lern mmmelte, deren Stärhe feiten die forgfame Pflege der Sd)reibübungen ausmart)t.
ein menig außergemöönlid) ift, daß er, mie er einzelne lüörter durd) Unterftreidtien beraus^
zubeben liebt, aduerbielle Beftimmungen des Ortes, der Zeit und der Art und lüeife in
Kommata einftbließt.
So gut follen im u)efentlid)en Kellers Ceft mit Refpeht bebandelte, fo gut ließ er im
großen 0anzen feine Interpunfetion gelten. Dort mie bier find feine Änderungen meiftens
üerbelferungen, d. b. er befd)ränfete fid) darauf, das Tluffallende durd) das Regelredtite,
herfeömmlidie zu erfeijen und namentlid) gegen die Husrufzeid)en zu felde zu zieben,
ujomit der iunge Diditer damals nod) ordentlid) lujus trieb.
Die hauptmübfal uerurfad)te J\n meine Dame', detfen aus fünf ganzen Cerzinen
gebauter Saßnorbof einen InterpunKtator fdion auf den Plan rufen Kann, follens in die
handfdirift (K) gefetjte Änderungen (F) erfdieinen ujieder in den 0edid)ten (1816), deren
Ceft mit dem des Crftdrurtis im ,Deutfrt)cn Cafdjenbud)' übereinftimmt. er fügte aber
anläßlid) der DruiKKorrefetur offenbar nod) meitere binzu.
31
1. 3. K mmol F = 1846 mm)) —
z. 3. K bebt! F = 1816 bebt —
3. 2. K toben; 1846 toben,
3. 3. K miederöaUt! F = 1846 miederbaUt —
5. 1. K mag, F = 1846 mag:
5.3. K Sdtjlag: F Sdilag; 1846 Stölag:
8. 2. K bift... F 1846 bift;
Die übrigen InterpunfetionshorreUturen befteben oormiegenü m der erfe^ung uon
Husrufzeicöen durd) Kommata.
Zmeimal brmgt follen in der legten Zeile eines 0edid)tes einen öedanKenftrid) an,
um ibren Hadtidrudi zu nerftärhen, in Jd) mtU fpiegeln midi in Jenen Cagen' und ,fabret
mobl, ibr fJöönen öräber':
K Dod) nod) ein mal mill id) rUAmärts feb'n!
F = 1846 dod) nod) ein mal — mill id) rü*märts feön.
K Kaum nod) an ein miederfeben!
F = 1846 Kaum nod) — an ein miederfeöen.
lüas die Sd)reibung anbelangt, fo fd)affte follen einige Deönungs -- ö, mit denen Keller
nur nod) febr oereinzelt aufrüdite (öebetb, botb), auf die Seite, ließ aber eine Befonder«
beit unangetaftet, mit der er dann im Drudi dod) aufräumte : Keller fd)rieb meiftens das
betonte Pronomen der dritten, zumeilen aud) das der erften Perfon Singularis mit großem
Hnfangsbud)ftaben: Id) öabe Sie gefeben. nun mabrlid) ift Sie todt. Der leib und Id)
in der Kammer.
nuf follens Deranlaffung moöl fteöt haubt, häubter; die handfd)rift bat haupL
Keller fd)reibt geb'n, feb'n, blau'n, trau'n, eottoertrau'n, bau'n. follen tilgt den Hpo-
ftropb im Drudi. Keller oerbilft ibm 1883 in den öefammelten 0edid)ten miedet an feinen
Plaß; nur bei febn und gebn bleibt er nid)t honfeauent.
man darf alfo rüglid) bebaupteu: Sd)reibung und imerpunhtlon in den 0edid)ten
üon 1846 find Sd)reibung und Interpunktion follens.
4. Das üierte Zeugnis für den einfluß follens auf öottfried Kellers frUblprife ift die
handfdirift der feueridplle aus der Sammlung meifter (11«). Sie bemeift, daß einige Wen
düngen, die mir als edtt hellerifd) anzufeben geneigt find, follens eigentum loaren, und
drängt den Sd)luß auf, daß der Berater nod) mand)en Sd)aden in Kellers l7andfd)riften
und felbft in den Korrehturfabnen ausgeflitht bat, obne daß mir näbte gcmabren.
Don den oorgefdjlagenen nnderungen bat Keller eine einzige abgemiefen. er batte
I, 5, 4, gefd)rieben
Don feuerlil'ien ein gemalt'ger Straus, mofür follen, zum ölüdi frud)tlos, anbot:
32
üon feuerliljen rings ein lüolhenftraus. HUe übrigen naöm er an und beftielt die
mciften audt) fpäter bei, u)ie nad)fteöende Zufammenftellung eröärtet, wobei M die hand'
fdjrift meifter, F foUens KorreKtur, K die fiandfd)rift Stljulz, D T öeutfdies Cafcöenburt),
1846 das ßänddtien non 1846 und 1883 die öefammelten öedidite bedeutet.
Keller frt)rieb : feueridille, follen Korrigiert : feueridpUe, mas Keller dann rid)tig auf
den Umfdölag feote.
I, 1, 3 M tönt, F| K^ D T, 1846, 1883 tönt's.
I, 2, 1 M unferm, F, K, DT, 1846 unferm.
I, 6, 4 M zum roten Brand empor, F, D T, 1846, zur feuerftätt', 1883 zu fcuers
hofftatt.
II, 2, 4, M er aber gab's nidjt öer in feinem Stolz, F, K, D T, 1846, 1883 Er gab's
nidtJt öer in feinem Bauernftolz.
II, 4, 3 M gefäet, F, K, DT, 1846, 1883 gefät.
III, 2, 1 M finftre, F, K, D T, 1846, 1883 dunRle.
III, 3, 3 M lüürmer, F, K, D T, 1846, 1883 Käfer.
In M lautete die oon follen eingeKlammerte und ftöon in K ujeggelaffene fünfte
Stropöe oon III:
Den lange näiftte durdt) der Cpljeu ttanfe,
OerfdjoU'ner IHonüenfdtjein fdömilzt niberblanh,
ein alter heldenftba^, oon iedem Blatt,
nun trlnht die wilde 6lutb an ibm (Id) fatt.
III, 9, 1 M nur eins reut midt). Dazu fd)reibt follen an den Rand: Prouinzialismus
— und belfert: eins töut mir leid, mas K, D T, 1846, 1883 öaben.
III, 10, 4 M ftiller, F, K, D T, 1846, 1883 guter.
IV, 2, 4 M nun liegt die Bibel, F, K, D T 1846 nun liegt die Bibel.
IV, 6, 2 M eefdjmolzen ift der CAen Silberzier, follen bemerkt am Rande: .Dann
iDäre das Budt) uoUends üerbrannt' und fe^t unter die Stropöe :
Im feuer blieb der edien Süberzier, mas K, D T, 1846 aufnahmen, audt) 1883 mit
geringer Änderung: Der Spangen Silberzier.
VIII, 2, 3 und 4 M
Und aus der feuerfäule fpringt der Quell
Des IDalTers munter und hrpftallenbcU.
F, K, DT, 1846, 1883 quillt der Sdimall, des roafferftraljls lebendiger Kriftall.
VIII, 3, 1 M rote Klingend fpringt der ftööne Silberftrang F, K, DT, 1846, 1883
niie fröölid) tönt.
X, 1, 1 M Der flammenKelrt) ift endlid) ausgeglüht. Dazu bemerKt follen: .üerftel)
id) nidit' und fdireibt am Kopf des Blattes
Die flamm' ift todt, der Krater ift oerglüftt,
ujas K, DT, 1846 und 1883 beibeöielten.
«'^ 33
nußer daß er IV 2, 4 einen Doppelgedanhenftrirt) einfrt)ob, riibrte foHen nidöt an
die Interpunktion üon M, voraus fltö erklärt, daß K darin mit M übereinftimmt, nur
daß 0. Keller in einem oder zmei fällen ein Komma mit einem Strid)punKt nertaufdöt
oder umgeKeört. Im Druck aber uerfuftr foUen mit den Sat)zeid)en nad) feinem Kopfe.
Id) oerzidlte auf eine Zufammenftellung, da die Reproduktion fie ermöglidit.
Bäd)toldi) mad)t zvoti Ceftänderungen namöaft, die follen (erft beim Orudi)) an
Kellerfd)en 0edid)ten üornaöm.
Die Sd)lußftropl)e der .Cinkebr unterhalb des Röeinfalls' lautet im Ittanufkriptband
der Stadtbibliotbek:
Da rafdjielt's drüben, und der Sd)erg
laufd)t ziDcigefärbt durd)'s dunhle 6rün!
Id) {lielje ftftnell binan den Berg —
Du ftiller Ort am Rbein — fabr bin!
follen änderte, mabrfdtieinlid) um, ujie in andern fällen auijt), den unreinen Reim
megzubringen:
Da rafibelt's drüben, und der Sd)erg,
Zujeifärbig, re*t das Obr berein —
Id) fliebe rafd) binan den ßerg-.
ade, du ftiller Ort am Rbein!
Keller öattc das 0edid)t .modernfter fauff gefd)lolTen:
Jd) bin ganz euer öild, felbftfü(btig, falfd) und eitel
Und unklar In mir felbft; uom fuße bis zum Sdjeitel
ein curopäifdt) fdjletbter hund.
follen milderte:
Cut {1$ Salon<europa an mir Itund.
Id) oermag Bäd)tolds Quelle nid)t ausfindig zu mafljen. Sdjmerlid) roaren es miind«
lidöe muteilungen des Oid)ters.
eine dritte, erft öart oor dem Druck oon follen oollzogene Änderung oder genauer
einen Oorfd)lag zu einer Ergänzung, die Keller uielleitöt teilmeife annahm, oerrät ein
Blätttöen üom 9. Hpril 1 846, morauf follen fctireibt, es feble zu einem 0edid)te gemeint
ift ,0eftern eine Hoentür', 5. 143 — der Stibluß. ,er mird inabrfdjeinlid) etma fo ausfebeu:
Ja, ibn aus der tUelt zu jagen,
S(J)ien mir äußerft löbeliib.-'
Im OruAe beißt es:
roünfdöf id) angelegentlid). —
0eu)iß ift alfo die Dermutung geftattet, daß in uerftöiedenen fällen, mo die hand^
fd)rift und das öändd)en uon 1846 uon einander abmeittien, diefe flbujeitöungen auf
follen zurüdigelien.
3^
noft) ein anderer Umftand deutet auf foUens eingriffe öin: öottfried Keller bat
nämlidtjdieuonfollenanderfeueridplleöorgenommeneuKorrehturen,
außer der einen zurüAgeujiefenen, aus der handfdörift M nidöt bloß
in die handftörift K übertragen, fondern aud) in den manufhriptband
der Stadtbibliotbeh.
eine Reibe u)eiterer flnderungen in diefem mögen auf einwänden und Hmendements
follens beruften. Dod) feölt uns die Beglaubigung dafür.
35
Oorbllflcr unü eintlUsse
m
ITTTT
Iie Iprife Gottfried Kellers zeigt drei Perioden. Die erfte, die früölprih, u)ird durd)
die ende ITlai oder Anfang luni 1846 erfrtiienenen ,0edid)te' abgefcöloffen. Die
i^ Eujeite reid)t bis zur 185-i öerausgeKommenen neuauflage der ^neueren 6tAxö)tt%
die dritte bis ans ende. Die legten zeön lebensjaöre brad)ten allerdings Kein öalbes
'■■ Duzend 6edid)te. Anregungen fpiegelt die zwtxic und gelegentlid) aud) die dritte
Periode. Hnleönungen aber, einflüffe, fremde färbungen nur die früölpriK. 0eu)irKt
[ öaben auf den jungen Keller üoru)iegend die bedeutenden und erfolgreidöen unter
den zeitgenöffifdien lijriliern: f7eine, lenau, freiligratl), herroegö. ITlörihe bat er, als 1846
feine ,0edid)te' ans lidjt traten, l)öd)ft maörfdieinlidt) nod) nidjt einmal dem Hamen nad)
gekannt, ebenfo maren iöm, mie er mir einmal Ulagte, damals die Hlten nod) fremd
und unfre KlaffiKer nur mangelhaft oertraut.
öeoor idt) den Spuren nad)geöe, die andere Did)ter in feiner früölpriK öinterließen,
mödjte id) ein auffd)lu0reid)es lüort mitteilen, das id) aus feinem munde nernaöm.
Id) fragte iön einmal, ob nid)t das fd)öne herbftlied ,laßt uns auf alle Berge QtW
einem gefegneten lUeinjaör feinen Urfprung oerdanUe, wo er fein gut Ceti oom Heuen
gebetöert babe. er fdjüttelte den Kopf. ,0 nein, da ift nid)ts daoon. Id) bin dazu an-
geregt morden durd) mörihes ,l7erbftfeier'.') Überhaupt ift für die Konzeption Iprifdjer
Sad)en nid)ts fo förderlid), mie üorzüglid)e neue 0edidt)te zu lefen oder etmas Hltes, mas
man nod) nid)t Kennt oder ujieder oergeffen bat'.
In der anmutigen folge ,,Hm lüaffef glaube id) nad)Rlänge graziöfer Ooetöefdjer
0nomih zu oernebmen. nod) deutlidjer erRenne id) binter ,ein CagemerK' die überirdifcöen
linien non 0oetbes .Zueignung', mit der Kellers 0edid)t überdies öersmaß und Stropöe
(menn aud) nid)t die ftrenge Stanze) gemein bat.
Das fd)öne liebesgedid)t Jd) ging am grünen Berge bin'' ift erfid)tlid) nad) Stöillers
,,CeUung der erde' gebildet, meitergebildet und umgebildet mit der überquellenden Pban^
tafle Kellers.
Sdjiller.
roillft Du in meinem Rimmel mit mir leben,
So oft du hommft, er foll dir offen fein!
Keller.
DiciDell eu(b in mein Paradies
ein eigen Pförtlein offen ftebt.
Und die Stelle:
Zuiei jungen Seelen ift zu eng
Das größte Mus, fei's nodt) fo weit,
keört Sdjillers ttJort um, daß in der Uleinften Hütte für ein glüAlid) liebend Paar Raum ifl.
Durd) die Certur mebr als eines Kellerfd)en 0edid)tes fiebt man 0ebilde f r eiligratös
durd)fd)immern, deffen Kunft ibm ein Problem mar, mit dem er fid) in fd)merfd)Ubigen,
mübfeligen Cerzinen auseinanderfeßte, die er fpäter oerftieß. In freiligratös ausgeglid)ener
') In den »ncuerEn aEdiditen- issi. nifo hiinmc Keller zu aiefer Zelt mörihes 6cdid)te.
39
mifcöung üon Realismus und traumhafter Pöantaftih erblithte er das Bezei^nendc und
für m fclbft maßgebende:
Hn freiligratö
bei feinem eintritt in die Siljroeiz im früftling 1845.
Sobald ein Did)terMnd mit ftoldem Siege
Die Hugen auffcftlägt öier im erdentale,
Steftn f(t)on zmei 6enien an feiner lüiege:
neu üon Krpftall öält diefer eine Scftale,
Doli, bis zum Rand, oon feuergoldnem TOein,
Belebt, durdbmebt üom reinften Sonnenftrable -,
Des Andern Sd)al' ift dunWer edelftein,
Rubin, und faßt des moftnes dunkeln Saft,
Dur(t)moben oon des mondes Zitterftftein.
In beiden Sdjalen rubt die Lebenskraft,
So iftm die treuen öenien raftlos fdjenken.
Die iön durd)U)allt und feine lieder fd)a(ft;
Hus beiden Sd)alen ftrömt fein Sein und Denken,
Sein Blübn und Seftncn, fließen Cag und nad)t,
ein fonnig S(jt)aun, ein träuraerifd) üerfenken
In feine Seele, wie jle träumt und u)ad)t.
Und Preis dem Ditbter, menn die lebensbed)cr
Ibm reld) erfunkeln und in gleidier Prad)t!
Dort) halbpoet nur ift der trunknc Zedier,
Der aus dem einen übermiegend trinkt,
Sein fterz mird krank, fein lied alltäglid) fd)U)äd)er!
0 menn die nadjt mit iftren Sternen minkt.
Dann leer' die dunkle Sd)ale bis zum örunde.
Daß der uralte Zauber in did) Unkt!
Dod) nabt mit beirgem IDebn die morgenftunde,
laß dem Krpftall den klaren Crank entquellen,
Dann füftr', u)ie fie, der mabrbeit Sold im munde!
Cu auf dein Tlug' des lid)tes goldnen mellenl
laß liegen, die im tbUldjen Raufd) oerfunken.
Die cmig aud) den Cag zur nart)t gefeilen l —
So baft aud) Du die Zauberflut getrunken,
0 freiligratb! daß Berg und Cal erklungen
Und fld) die eifen fröblid) zugemunken.
üom morgenland baft abnend Du gcfungen,
Und als der morgen endlid) Dir gegraut.
Da baft Du aus den Rofen Did) gefd)mungen:
-M)
ftafl freien Bli&s dem Cag in's Hug gefdbaut,
Die SpinniDebbande Itidtjter ftand zerrilTen,
tUomit die CraumgenofTen Did) umbaut!
Sie fd)rien Dir nad) aus iljren finfterniiren;
Jedod) vom .morgen und uom Rftein' erhlang's
entgegen Dir in ftellen freiljeitsgrüßen l
Und ieder mund im deutfd)en lande fang's:
Der freiligratJ) Ijat Hd) zu uns gefdjlagen!
Und iedcs Oör in fernen 0ann oerfdilang's,
So uieit die deutfdje Kunde mard getragen!
Dod) mand)em rooljl erklang Dein Caglied fdjriU,
Denn bald fat) man die Sdjergen nad) Dir Jagen.
Die fonft fo näd)tlid)fanft und mu&erftiU,
e$ brad^ die preussifd)e Romantib los,
Die moön und tnoftn und mieder Dloönfaft miU. -
So grüß' id) Did) in diefes Landes Sd)06!
Zmar eben ift's in unfern Bergen dufter
Bei Ijeiterm früftlingsftimmel; öeut nod) floß
ein blutig Riefeln, und ein Klaggefliifter
Durd)ziet)t den Bergmald; es erdröhnt das Land
Dom ujiiftcn Sd)rei der Pfaffen und PftiUfter.
IBir reid)en Dir die puloerfd)U)arze ftaud,
Der Crommelfd)lag oerfdjlingt die freundesgrüße,
Und ringsum lol)t des haffes roter Brand!
Huf ftarre Leidien poßen Deine fuße-,
hier liegen Jle mit ausgeftod)nen Bugen,
Dort rollen lle Ijinab die blauen fliiße.
Siel), wo Dir mag ein ftilles Plä^lein taugen:
Du trittft öier in der freil)eit lüerhRatt ein,
IBo zornig iörc effen fprüBn und raud)en.
Dod) mag ftier nod) der befle Boden fein,
lüo harrend Du Dir Deine IBarte baust;
IBallt dod) nad) Deinem Dielgeliebten Rhein
ein jedes IBäfferlein, in das Du fd)auft!
Da laffe Deine Lieder abwärts fd)mimmen.
Da mirf hinein die .Späne', die Du häuft!
Und hier, mie dort die hoffnungsfleme glimmen;
Bis Du darin der heimkehr Cag mirft fd)auen,
Kannfl Du dermeil zum Sieg die Saiten ftimmen:
niid) dünbt. Du wirft darüber nid)t ergrauen!
(^^
n
Das fledidjt ,,T\btr autl) den fööreniDald' öat mit freüigratös ,,lm lüalde' md)t
bloß die form gemein, fondern berührt fidt) audt) inöaltlidt) mit iöni:
f r eiligrat b: 6eb id) einfani durd) den njald,
Durdt) den grünen, düftern,
Keines inenfd)en Stimme fd)allt,
nur die Bäume flüftem ...
nJaldesrube, nJaldesluft,
Bunte märdjenträume,
0 roie labt ibr meine Bruft,
lo&t ibr meine Reime!
Keller: Bber aud) den fobrenmald
laß id) mir ni^t fd)elten,
lüenn mein laud)zen miderballt
Jn dem fonnerbellten!
In den Stämmen oft ein Laut
Rallet einfam mider;
Üppig, mie das farrenhraut
n)ad)fen mir die lieder!
Oienaöjtfaörer (,es loiegt die Hatöt mit öimmelmeiten Stömitigen') mögen öernop
gerufen fein durd) freiligratbs efotifdje Bilder, mie denn Keller, oerfiiört durdj die üppige,
farbenpräd)tige Palette feines Dorbildes, gegen feine fonftige öepflogenöeit bier in breite
5d)ilderung geriet. Das 0edid)t ,1m meer, Göer I?immel bangt mie Blei fo f(t)U)ef) gebt
ujobi auf eine Hnregung zurüdi, die ibm freiligratbs die Coten im meere bot, nur
daß Keller in die gefpenftiftb'funebre Szenerie eine pfaffenfeindlidje I^andlung binein»
Komponierte, momit er autb den Sd)luß der ,,nadt)tfabrer' ausftaffierte.
Die glänzende farbengebung und energifd)e Sprad)Kraft gerade diefes freiligratbfdjen
0edid)tes binterließen bei Keller nod) meitere Spuren. Die Stropbe
ein großes 0rab ift lüeeresgrund,
ein KirdJbof ITleeres Spiegel;
Die ttJellen, fdimellend all und rund,
Das find die örabesbügel
erftebt mieder in Kellers
0 Kird)bof, du erftarrtes ITleer
üon blübenden örabesmogen,
mand) Sd)ifflein, freudcn^ und leidenfd)U)er,
haft Du binabgezogen
Huf den ßrund deiner mallenden, grünen flut,
lUo der Cod, ein riellgcr KraKen, rubt !
Das ganze motio des auf den nieerboden beruntergefunhenen Coten ift auf freiligratb
zuriirt^zufübren. Übrigens bat Keller den Krabben im manufhriptband — er mußte mobl
felbft nid)t red)t, mas er firt) darunter oorftellen und mas er mit dem lüorte anfangen
follte — in unferm lllanufRript erfeot durd) den Krähen, den er in freiligratbs grotesKer
meerfabel fand.
nugenblitblittjer, ungcftünier als die berUAenüe er otih f reiligratös ftölug I? e r id e g ö s
Uederfrüljling dem jungen Keller ins Blut, er bezeugt es felbft in einem pulfenden Sonett,
das frtjon ins labr 1843 zuriitfereitöt und delTen endgültige faffung ibm, u)ie der manufhript*
band zeigt, fauer ujurde. n)ieu)Ol)l ibm nuiiren und lebensfübrung des freibeitsfängers
den öeftömaA am Diditer früb und zeitlebens uerdarben, fo bat er dod) nod) 1876 aus»
drüAliö) ein BeRenntnis abgelegt für die Rolle, die er in feinem leben fpielte. .eines
morgens, da id) im Bette lag, fd)lug id) den erfien Band der eedid)te herwegbs auf und
las. Der neue Klang ergriff mid) inie ein Crompetenftoß, der plö^lid) ein meites lager oon
heerüölHcrn aufiuecht ... Das Patbos der Parteileidenfä)aft mar eine hauptader meiner
öid)terei und das herz Klopfte mir mirMid), menn id) die zornigen üerfe f handierte.' •)
Hlfo fiermegb rief ibn in die Hrena und dadurd) ganz eigemlid) auf den Parnaß.
Sein binreißender Klang beflügelte Kellers oon naufe aus eber etmas fdimernüffige Iprih.
eine ganze Reibe oon öedidjten der Sammlung üon 1846 befi^en einen Zug und Sdjmung,
den ibnen mobl tiermegb mit eingebaudit bat: Poetentod, das berrlid)e Daterlandslied,
,So oft die Sonne auferftebt', ,fabre berauf, du hriftallener lüagen', Jreibeit mit den
fd)marzen nugen'; aud) unter den liedesliedern : M mill fpiegeln mid) in jenen Cageu',
Ja, das ift der alte KirdjbofP ,fabret mobl, ibr fd)önen eräber!'
Sold)e Klänge, ein derartiges ungebemmtes liedermäßiges Husatmen, der leudjtende
Hnflug eines männlid)en Patbos find ibm fpäter uerfagt, fd)on in den .Heueren öediditen'
1857 beinabe oöUig oerfagt — die dezidierte Husnabme, eine Hngebörige der alten hlang»
reid)en Sippe, die noUtönende ,üia mala', entftand fd)on 1845. früb empfand er den
doppelten Sdömerz, daß ibm die leid)te frifd)e liedergabe fo bald melhte und daß Kraft
und roabrbeit feines öefübls erft zur Reife gedieben, als er jenes 0efd)enh einigermaßen
eingebüßt batte. Sd)on im September 1850 Klagte er freiligratb: ...Idibabc bei meiner
munderlid)en Lebensart erfi angefangen, Kräftig und mabr zu empfinden, nad)dem die
erfte und reid)fie Singlufi fd)on oerpufft und nerKUnftelt mar', er bemerKte mir 1878
oder 1879, nad)dem er die Refiauration feiner Iprica bereits eingeleitet batte, er gedeuKe
im Sammelband fpatere 0edid)te möglid)fi zmifrt)en frübe zu uerteilen, damit diefe durdt)
die nad)barfd)aft jenen etmas oon dem eigemümlidien Dufte abgäben.
Unter den ,0edid)ten eines lebendigen', oon denen nur der erfie Band in Betrad)t rällt,
meil nur er bei Keller und andern zündete, überioiegen die Sonette. Keller mird durd)
hermegb zum bäufigen öebraud) diefer form ueranlaßt morden fein, der er ungefäbr
üon dem HugenblicKe an, mo er die Refie hermegbfdjen einnufl"es abfd)üttelte, fo gut mie
üöUig entfagte. Had) dem dreißigfien lebensjabre — laut Brief an e. Sulzer mar das
DrucKmanufKript der .Heueren 0edid)te' fd)on im Sommer 1849 fertig 2) — uermandte er
fie nur nod) einmal für die Hummern ,Hns fcnfier fd)lägt' und .er mar gefdiaffen'.
') eotifrifd Kellers nadigclafTenc Stftriften und Didtitunoen. Bfrlin 1893. Iierausg. iion 1. Bäd)told. S. 18.
«) Bdifttold I, 381.
'fS
Die DeriDcndung des Refrains in den friiöen Polemica .lefuitenzug' und .Hpoftaten»
marfd)' fou)ic in ,0er KUrafTier" und ,frau niid)el' läßt fidö ujoöl aud) auf herujegö
zurüAleiten, der iön geradezu genial öandöabte. Keller bradjte iön fpäter nie ujieder zur
anujendung außer in .HnndJen' — nadt) Bädötold fdjon liu entftanden - , in dem ins
laör \%n fallenden 'Standd)en für eine Prinzeffin' und in dem moöl ungefähr gleid)»
zeitigen ,Sd)ifferlied''.
Im einzelnen fd)eint der Röetor hermegö bei Keller, der aud) als Ipriher gerne mit
den mittein des maiers und Cpihers arbeitete, nid)t eben reid)e Spuren binterlaffen zu öaben.
Allerdings find gleidt) die beiden erften 0edid)te der Abteilung morgen: ,So oft die
Sonne auferfteöf und ,faöre öerauf, du Krpftallener magen' angeregt durd) Herroegös
.Zuruf. Diefes Poem prophezeit den Sieg der freiöeit, fdiließt jedod) ganz unoermutet
mit dem 0edanKen, daß mandier im Streit um fxe fallen merde:
Unfer uiarten Cljermopilen,
Perfer — und im Seftatten mandj ein 6rab.
Keller fd)afft zwei 0edid)te oon einl)eitlid)er Stimmung, indem er die motioe trennt. ,So
oft die Sonne auferfteöf ift ein öefang der hoffnung auf freiöeit ; das andere — .faftre
öerauf — füört hermegös Hnfd)auung, daß nodö oiele Opfer zu bringen und lüiderftände
zu überujinden feien, in üerfd)iedenen flntitöefen energifd) durdt). ,Der freiöeit Priefter»
ftöaf ftammt aus hermegös Stelle
Prie{lcr nur roird's fUrfler geben,
und der Rnfang t)txwtg\)%
Sdi)aut der Sonne Tluferftebn!
Klingt in Kellers Anfang (die Sonne auferfteöt) mörtlid) mieder. Der Cäufer und der
meflias hermegös find bei Keller erfe^t durd) lofua.
Die Oifion der durd) die herbfmad)t mandelnden freiöeit findet fid) fd)on bei hermegl) :
Sebt ibr den öeilt der freibeit fcbreiten
Auf Blumenfoblen durd) das Land?
Zum ftillen Segen liebend breiten
Die fibmertgemobnte öötterband?
Huf bobem Berg, im tiefjten Cale
So freudig raufdöt's, fo wunderfam . . .
(Drei eiitmbergsliedpr. II).
Die freibeit wandelt durd) die nadDt
mit wallend aufgelößem Iiaar . . .
Sie drückt ein Sd)U)ert an ibre Bru(t.
e. Keller (herbO M).
hennegö fprid)t in einem Sonett den öedanKen aus, daß öoetbe nirt)t tauge in die
rauften Zeiten politifd)er Kampfe:
IDas rollen uns nod!) Sibiller oder 6oetbe)
Keller greift iön auf (.den eoetbC'PöiUrtemT :
Und 0oett)e ift ein Kleinod, das im Kriege
man ftill begräbt im unterften öemölbe.
es ift irabrftöeinlitö, für mein eefiiöl öemiß, daß die glänzende und empfundene
RÖetoriR, roomU, gleid)falls im erften Bande der ,0edid)te eines Lebendigen', hermegö den Cod
öeorg Biitöners umujob, eines der l)errlid)ften Kellerfd)en 0edid)te öeruorrief, den .Poetentod'.
nid)t zu reden oon der öleidööeit des motios, das herroegö aus dem leben, Keller
aus hermegö fd)öpft, die bei Keller feltene Oolubilität des eefiiöls, ölanz und Stolz der
Oihtion geben auf fiermegös Pfaden. In beiden 0edid)ten mird der im Hbendlid)t oer^
gliiöende öletfdier und der melRende herbft zur ITlilieurärbung oerroendet. herroegö fingt,
obgleid) Büd)ner im februar ftarb:
Dort in den nad)en mirft mit kalter hand
Sein le^tes 0old das Berbftlid) gelbe laub
und Keller:
Der fterbftmind ziel)t.
Keller übernimmt tjon hermegö Oersmaß und Stropbenform des Hnfangs. hermegl)
beginnt:
So bat der Purpur wieder fallen mülfen!
ftaft eine Krone miederum geraubt!
Du fd)onft die Sd)langen zujififten deinen fußen
Und trinft den iungen Hdlem auf das liaupt!
Keller beöält die Stropöenform durd)U)eg:
Der t)erbftu)ind Hiebt-, der Did)ter liegt im Sterben,
Die lt)olfeenfd)anen tagen an der tPand-,
flu feinem lager knien die zarten Crben,
Des lüeibes Stirn rubt beiß auf feiner t7and.
freilitt) tritt öier aud) die üerfd)iedenl)eU der Begabung und Kellers fiegreidje Über«
legenbeit zutage, der als genialer ITlaler das motio in eine padiende Situation hriftal«
lifiert, mäbrend hermegö am Sterbelager des Poeten fiel) in immer neuen emotionen und
Reflefionen zerfafert und abmüdet. Leörreid) und bezeid)nend ift audt), mie hermegö über
ein zu früb gebrodjenes Poetendafein fid) in Klagen ergießt, mogegen Keller, den örund«
gedanKen feines Dorgängers fouoerän umhebrend, ein mefentlld) ausgelebtes zum Oor-
iDurf mäölt; lebrreitjt), mie ftermegl), unuermögend, fid) über den gegebenen fall zu tx-
beben, es lediglid) zu einem ftimmungsnollen pompbfen HeKrolog bringt, mäbrend Keller das
Cppifcbe ergreift und erfindet und aus der fülle desfelben ein monument baut, deffen ftarhe
und allgemein gültige formen geadelt find Dom Sd)ein der felbftberrlidjen poetifdjen IDillKür.
In der autobiograpbifdjen SKizze aus dem Jabre 1876, die der Iprifdien eoofeation
durd) ftermegb gedenht, bezeidOnet öottfried KeUer im nämlitben Atemzug Hnaftafius
0rün als den andern, der ibn der politifd)en Iprife zufübrte. ') Der Öfterreid)er mag
•) Oergl. übrigens Bädjtold a. a. 0. S. lo\ und 203.
^5
im Srt)iDeizer den Zorn der Zeit gegen ReaKtion und Pfaffen gefrt)ün öaben. Dort) eine
tiefere lüirhung loar voo\)\ ausgefd)loffen, roeil feine poetiftften engenden, die öäufig non
dilettantifrtjen fled«n nerunziert merden, haum fo ujeit reiftjten. Immeröin gibt es zu
deuKen, daß die ZgRlen ^feuer-ldtjlle' und die .öedanKen eines lebendig Begrabenen' im
nämlid)en Ders und in derfelben Stropöe geft})rieben fmd u)ie die uier des ,5d)utt^ Mio
dürfte flnaftafius 0rüns ,,Poefie des Dampfes' •) in Kellers Tlntujort an Juftinus Keriicr
u)iderKlingen. Beide 0edid)te oerfediteu Cifenbabn und Dampffiöiff gegen weltabgemandte
Cräumer, und der öedanhe öriins
Id) iDill indeß Ijinab die Bajjn des Rbeines
auf fd)iDarHera SdJiBan, dem Dampffd)i(T, Hngend fd)iDimmen,
Den ßedier ftbiringend ooll des goldncn lüeines
erftebt mieder bei Keller:
Und roenn oielleiiftt, nad) fünfzig Jabrcn,
ein luftfd)ifr üoller örierbenmein
Durd)'s morgenrotl) feäm betgefabren —
ItJcr möd)te da ni^t fäbrmann fein>
Dann bog' id) mid), ein fel'ger Zedtjer,
rüol über öord, uon Kränzen fd)U)er,
Und göffe langfam meinen ßed)er
mnab in das oerlaffne meer!
lüie an freiligratb und hermegb bat Keller aud) an lenau feinen poetifdöen Danfe
abgetragen. Dergaß er nid)t, daß hermegb das feuer in ibm entfadjte, fo füblte er fidt)
lenau uerpflidJtet, meil er iöm das zeituieife niedergebrannte luieder entflammte —
moöl im IDinter 1845/46.
Hn lenau.
IDelk lag meines Rerzens earten, ^ Und nun las id) fle-, auf einmal
Und fein Springquell war ocrflegt, p In fo öder tüintersHeit
nil das liederoolk in Zmeigen ^ 0ing mir auf ein neuer, reidier
Saß in dumpfen Sd)laf gemiegt. g lenz in feiner herrlid)heit !
hobl und klanglos fd)ien mir alles, § Und in deinen öeiftesbluten
Und der frifd)e Duft entmid); g tüarft du mir ein nchromant,
Selbft die fremden lieblingsmcifen S Der für meinen eignen Zauber
hatten keinen Con für mid). | lüicder mir das Sd)lagu)orl fand.
IDie es oftmals gebt im leben, 1 Rafd) cntfetfelt fprang der Bronnen,
Das fo feltfam mebt und fUdjt: | mie Lauben ooller Sang!
längft fd)on kannf id) deinen Hamen, | Und in den gebeimften öängen
Bbcr deine lieüer nid)t. ^ TOar es uiicdcr Duft und Klang.
Damals münfd)t' id), daß id) möd)tc
ein begabter Sänger fein.
Um dir red)t ein fd)ön und lindernd
ein uergeltend Lied zu u)eibn !
') 8eill(Dtc, Ulpiig 1837. S. 237.
^6
Diefer OanK fand Keine Hufnabme in den ,5efanimelten öedidltcn'. ebenfo oerftieß Keller
fpäter das öedicöt C o h a i e r, das den Untertitel trägt : ^ReminiszenE an lenau' und im Jaör^
gang ists des Jaörbud^s ,0er Donauljafen' und issi in den .neueren öedidtiten' erfdtiien:
Keller fudöt im Cohaier ein Sijtnbol für das im innerften Kerne hranhe lüefen lenaus.
Bis die rOcncrutolfeen ftljlollen g Sifiinarz W iä) die öründe ßäbnen,
Di(t)t den himmelsfaal, i lüo erlofct) der 5tral)l,
Kam noft) zujifdicndurdt) gefcftoITen ^ Der fid) durtj) öeiDittertränen
Hell ein Sonnenftrabl. g Aus der Sonne ftaljl.
Der üerfanh in eine Craube i eine ungeheure leere
Und erlofd) Hule^t; ^ Cut I\d) gräulid) Kund,
Diefe aber gliibt, id) glaube, ^ lüie im abgelauf'nen Hleere
mir im Olafe ie^t. k rOimmelt's auf dem örund.
Denn ein leifes fdjrilles Klingen M Und, ein fcftmarzer IDirbel, dreftct
ZirKeU um den Rand, © Cs fxtö niedermärts,
Cönt, als menn der Becfter fpringen | Bis in ewiger na(t)t »ergebet,
lüoUte in der ftand. | S(t)eidet luft und Sdjmcrz.
6ieße did), du Bedjerhlage, ^ Sdt)enke, rOirt! o laß es braufen!
Cief in meinen mund : g 6ieß' den Bedt)er noU,
Das öeöeimnis homm' zu Cage S lüenn mein herz ob innerm öraufen
Huf dem leeren ßrund! ß Hiebt üerzagen foU!
Die beiden ZengnilTe erbärten den Cindru*, den lenau ibm mad)te. Die ftarRfarbigen,
tiefgeftimmten und energifdö befeelten landfdjaftsgriinde lenaus, mit deren lüften die
Seele des Oictiters miiKlingt und mitftömingt, mögen den landfrt)after öottfried Keller
befonders angemutet baben.
öerade die 6edid)te diefer Hrt find im Bändeben oon 1846 die eigenftcn und be»
deutendften. ftier berübrt M) fein Calent ganz eigentlid) mit demienigen lenaus, mie er
denn gemiß nidjt umfonft fagt, er babe in der li;rili des Hltern das Sd)lagu)ort fiir
feinen eigenen Zauber gefunden.
es mag auffallen, daß fid) dennod), fo meit idj wenigfiens feöe, keine merhrnale
irgend eines einflulfes zeigen.
Das crhlärt fid) mobl daraus, daß Kellers Iprih, als er lenaus 0edid)te zu 8efid)t
befeam, fd)on im üollen Zuge der Cntfaltung begriffen und daber CinmirUnngen meniger
2ugänglid) mar. Hätte er fie zugleid) mit denen freiligratbs und hermegbs Kennen gc
lernt, er märe mobl eber unter ibren Dann geraten.
üielleidlt — nad) meiner Hnfitöt gemiß madjte fid) nod) etmas anderes geltend :
der bäufige dilettantifd)e einfd)lag bei lenau binderte die Huslöfung befrudtitender mo^
mente. Der ed)te Künfller murde angezogen uon den u)irKlid)en Kijnnern und Künfilern
unter den zeitgenbffifdien IpriKern: freiligratb, Hermegb, l?eine.
Die Spuren Heines treten im Bandd)en oon 1846 — die oon Bädltold I, 81 und
111 nambaft gemaditen frübern Sd)öpfungen find belanglos — deutli* zutage. Hber
^7
fie gcöcn nirgends in die Ciefe. Sie find aufgelefene nianieren, man möftite fagen : üble
manieren, die Keller bald und für immer abftreifte. Die damit behafteten 0edid)te geboren
2U den geringften der Sammlung und iedenfalls zu den am menigften fpmpatl)ifd)en :
,Pietiftenu)alzer', ,frau inirt)er', .modernfter fauft \ ,0eftem eine nnentUr", ,ein luftiger
mcdiziner', .Hpoftatenmarfdt)', ,Hus iJjrem leben: Didötung und HJaöröeit I und II'. man
hann bei einigen daoon, namentlid) bei den beiden legten, in Zmeifel fein, ob heines
0eift mirKlidt) zu öeüatter ftand. Jedenfalls bätte iönen Keller, menn er derartiges inne
gemorden iDäre, das l?erbergsred)t in der öefamtausgabe oermeigert.
es fieöt aus, als ob der Husgang des empfundenen und fpäter mit uneröebliftien
Hndcrungen beibeöaltenen ,Sieö! Kaum glimmt des Stromes Spieger einem Jener befeannten
gerüölserujürgenden Sdölüffe heines nad)gebildet märe:
Hrmer höltp, du bannft geöen,
Craurig fudj)' dein küftles hausl
SiebJ das feuiftte morgeniBeljen
Lad)t.uns alte Kinder aus!'
Unbeftreitbar ift das der fall bei .IDie i* faör' in ftiller Hatöt':
lüobl ergel)' es, Cngel, dir!
lüerde litftt und licftter!
Hd)! Dein Knabe wurde bier
Unterdeß ein Didjter!
muß nun reimen früb und fpat
Um fein täglid) Leben-,
Kannft du keinen betfem Ratb
Dann und ujann ibra geben?
no(ö im laöre 1846, im laöre feiner ftarfeen Iprifdjen IDandlungen und Oollendungen,
fang Keller die ,Hlten IDeifen'. n)aörfd)einlidt) baben ibm dabei Reines dem üolKslied
abgelaufdöte Lieder ebenfofeör tJorgeKlungen mie diefes felbft : er mar binreitöend gereift,
um neben den prägnanten Unarten der heincftöen IHufe audt) iöre Zauber zu erKennen,
und genügend erftarht, um es ibnen einigermaßen nad)zutun.
BeKanntlid) bat er pd) fPäter ausrübrlitöer als mit irgend einem andern Oid)ter mit
heinc auseinandergefe^t, im .Hpotbeher non Cbamounif . Hber das gefdjab zu einer Zeit,
u)o üon nad)abmung und unbemußten Zufammenbängen nidt)t mebr die Rede mar, fondern
Don bemußtem IDetteifer und tüettlauf.
eine BerUbrung Kellers mit follen mill id) nod) ermäbnen, die freilid) denjenigen
befremden mag, der die hand mit Sid)erbeit auf fold)e Dinge legen und niodell und
Hbdrutfe fo äbnlid) mie möglid) baben mill. follen uerdffentlidjte im .Bilderfaal deutffter
Oidömng' (II. S. 72') ein eedidjt .epfcla^flub':
>l iDlnteribur ni9.
hier ftelj id) frei auf dem felfengrat
])0ä) oben auf öofelaflulj-,
wer felbige lüarte nott) nitöt betrat,
dem ratl)' id), daß er es tl)u.
lüie moöt um Städtd)en und Oörfdien im üftal
der Wigeldien grünendes meer!
Rill mandelt die Aar im flbendftraljl,
die funhelnde Srt)lange dafter!
eetbUrmt und gezinnt ift die Juramand
hinunter zum lüeißenftein: —
mas bli*ft du trüb, o deutfd)es land,
durd) ludien und Ri^en berein?
hinüber mol, mo die öemfc mobnt
in purpurner fllpenmelt?
— fteiflt, nipen, bimmelan getöront,
und fpiegelt eud) in dem öelt!
Oiefes allem forcierten zum Cro^ durdi) einen geujilTen Con und gefdilofrene haUung
anzieöende öeditöt bepct, menigftens in meinen Hugen, eine feltfame Oermandtl'diaft mit
öottfried Kellers „EinKeDr unterhalb des Köeinfalls' (fpäter .öegenüber"). Und zmar dUnfet
mit!) in diefen beiden 0renzgedi(öten, mie idt) fie der Kürze balber nennen mill, neben
dem eemeinfamen befonders das 0egenfät)licl)e oon Belang. Kellers Sdjöpfung fieöt mie
ein entfernter HbfenKer, zugleirt) iedoc!) mie ein Proteft gegen diejenige follens aus. öiefer
fpmbolinert durd) die öemfe die freien und, mit denen Oeutfrt)lands oerglidben, mürdigern
und u)ünfd)ensu)ertern Zuftände der Sd)U)eiz. Keller proteftiert gegen die Übertreibung
durd) das Reo, das es büben und trüben gleid) gut oder rid)tiger gleid) fd)led)t öat:
Oon Deutfd)land rd)U)immt ein fließend ReD
herüber, wo es — aud) nidtjt rujt.
roenn follen mitleidig und überlegen wom Sdimeizer Luginsland nafl) Deutfd)land öinüber^
bllAt, in fein üaterland, fo u)ünfd)t Keller die öegenfäßc ausgeglid)en und Sd)U)eizer und
Deutfd)er zu fein, öemiß murde fein 0edid)t aus einer beftimmten Stunde und Örtlid)Keit am
Röein öerausgeboren und nid)t etma als beabfidjtigtes ßegenftüdt zu dem follens gefd)afren.
nilein der Inbalt des eindruAfamen foUenfd)en erguffes, gewendet, meitergeformt, um*
geftaltet, mar mobl der beimlid) ftöon üorbandene Kern, um den fid) 1845 dann das
fommerlitöe Rbeinmilieu zufammenfd)loß.
Hud) ein öafel taud)t im Bänddien üon 1846 auf, das erfte DoKument Rüthertfdt)en
und Platenfd)en einfluffes, der, übers Jaör hräftiger einfe^end, die ,6afelen' öernorrief,
die in den .neueren öedidJten' erfd)ienen. Übrigens Ijat Keller, aud) nad)dem er fold)er
formenluft abgefd)moren, Platen unmandelbare hod)fd)ät)ung bemaört, mie man u. a.
aus dem .HpotöeKer uon Qamounif' erfieöt.
Ke 7 ^^
es ift leörreidj 2u feben, ido öottfried Keller feinen f üörern und Oorbildem nad)folge
leiftete. Hber audt), u)0 er fie oermeigerte. Und was er eigenes öinzubradjte.
Der Don den Romantihern eingeführte Kulms der Did)ter und Künftler, der um die
ntitte des oorigen Jaöröunderts aus der literamr zu u)eid)en begann, mad)t fidt) in feinen
0edid)ten oon 1816 nod) beträd)tlid) füölbar, mobei gemiß bedeutend ftärKer als die mode
die unermartete 5d)idifalsmende zum lUorte gelangte, die den entgleiften nialer zum
Poeten eröoben öatte:
Art), dein Knabe wurde öier
Unterdeß ein Did)ter!
DerDid)ter ift der eigentlidöe held im .Poetentod'; er trägt ein Stüdi uom emigen leben
fdion öier im fterzen als morgengabe (XXIV Sonett); öidöter foll man ungefdilagen laffen,
denn fie baben immer redit (.Brentano, Kerner') ; die iungen Did)ter und die f inhen trinKen
die melodien der oom Smrme gefd)üttelten Bäume (,1m lüalde'', fpäter .IDaldlieder' I);
ein munderlid)er Kauz ift der Poet, der das, mas alle andern bloß empfinden, mit munden
lidien lüorten fagen Kann (.Subiefetines Dicöten'). ,,ein CagemerK' fdtiilden Kellers üergeblitjöes
BemUön, ,ein bleibend lied zu bolen in den lUäldern' ; er fttirelbt bei feiner lampe Sdiein
ein mild und gottoerleugnend lied (,nad)t' II); er mill, um die Kläffer mit breitem Klatfdt)
zu bedienen, eine lange eeißel lederner Cerzinen fledöten (.Subjefetiues Oiditcn'); auf die
IDanderung nimmt er nidits mit als feinen Bedier und fein Saitengetön {.rDanderlied'). er
diarahterifiert Brentano und Kerner, er dauKt I^ermegb und lenau für empfangene Hn-
regungen; im lüillhomm an freiligratö fud)t er die befondere Begabung diefes Did)ters,
in .Oenfeer und Didtitef die eigene zu beftimmen.
Sein gefunder Sinn bemabrte ibn nor dem Zuftu^en und Hufdrapieren des Poeten,
mie es fid) nod) in freiligratös Satöen, bei fiermegö überdies in der lebensöaltung zeigte.
Die bislang beliebte Poetennerberrlidiung frt)lägt bei Keller fogar mehrmals fo ziemlid) ins
öegenteil um, mie übrigens fd)on bei Hd)im oon Hrnim, der überhaupt mie ein üorläufer
Kellers erfd)eint. Diefer fingt an die tote öeliebte:
muß nun reimen frül) und fpat
Um fein täglicb leben;
Kannft Du keinen bcffern Ratö
Dann und mann ibm geben?
In der .feueridpUe' matfd)elt der Poet mit zur feuerftätte binaus und fendet feinen
Kennerblidt üoraus. Sein Sd)ulhamerad ift Spi^bub morden, er — Poet. ,Hus ibrem leben:
Did)tung und lüabrbeit' und .Konditor und Poet' find mabrlid) Kein Did)terlob; der .modernfte
fauft' ift ein bobler, pofierender, lumpiger Bummelpoet. —
Dielleirt)t bat öottfried Keller an Keinem manne fo gebangen mie an freiligratb,
dem er bis ans lebensende danKbare 7lnbänglid)Keit bemabrte. In feiner Sd)ule lernte er
den feften Kontur und das leud)tende Kolorit. Ood) uor gemiffen Ced)niKen und effeKten
feines freundes nabm er ficb in aibt.
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er öütete fiöt) oor feiner grellen, unruhigen, aufdringlitöen, Kontraftrüdötigen färben^
u)irtfdt)aft.
ein einziges mal ließ er fitö oon iöm nadt) der Süüfee entfiiören. Sonft folgte er iöm
meder in die alte, nodö irgendrooöin in die neue IDelt, wie er and) lenau nid)t in
die Pußta nad)Hog und Zigeuner fo uienig u)ie polnifdie freiöeitshämpfer feierte. Oon
ungeu)öl)nlid)em, ia leidenfd)aftlid>em heimatsgefüöl befeelt, oeröarrte er im lande
feiner Däter, deffen Sd)önl)eit fein nialerauge erfüllte, deffen glüdilid)e emujiAlung er
mit gläubigem Dertrauen eröoffte. nod) in jungen Jaören fd)enRte er den Sd)U)eizern
das ftöönfte Daterlandslied. er bat heine und andere Didjter, die über ibr Oaterland
berfielen, niemals begriffen.
es gibt nod» ein Drittes, morin er freiligratö nid)t nad)eiferte: das find die feltenen,
gefud)ten, unerbörten Reime. Hllem KiinftUd)en abbold, befdiied er fid) gemöbnlid) mit
dem Reimmaterial der Durd)fd)nittspoeten. üor den Reimberoen heine, freiligratb und
I^ermegb fpielt er mit feinen 0edid)ten oon 1846 eine febr befd)eidene figur. Und
menn einer beute fo Diele abgeftandene und unreine Reime auftifdjte mie er in der
.feueridplle', fo mürden die tiauptlinge und Cborusmad)er der Iprifdien Ringe nidjt übel
die Hafen rümpfen.
lOäbrend er in den Briefen gelegentlid), in den epifd)en Sdiöpfungen feiten einer,
Dielleid)t in feinem Hutodidahtentum murzelnden, Oorliebe für fremdmörter naö)gibt,
entbält er fid) in den Derfen aller ReimRoftbarheiten. erft gegen das Jabr 1875 beginnt
er, um das lofeale und hiftorifdie berauszubringen und das Cbarahteriftifd)e zu fteigern,
nid)t bloß prägnante und marfeante Reime zu fud)en, fondern zumeilen audt) aparte. Die
Zeugniffe dafür find die 1876 emftandenc Jobannisnatbt' und die für die ,0efammelten
0edid)te' uorgenommene, febr einftbneidende Umarbeimng des ZpUlus ,nad)t im Zeugbaus',
hier fdieint er es geradezu darauf angelegt zu baben, überall mit neuen und originellen
Reimen zur hand zu fein: Sd)ilden — frabgebilden, märmelofen — Sdimerterrofen,
5dt)U)efelfd)nüre — Zeugenfd)U)üre, Oerdäditigungsgeräte — Bled)trompete, niften — Spielen
liften, mauerfdilüften — lüften. Hm auffallendften ift Cbrpfaliden -^ fdimieden. Der Klang
diefes lüortes — denn dafür mar er febr empfindUd) — mird ibn beftodien baben.
eottfried Keller befebdet poUtifdie Unfreibeit und Pfaffenregiment, mie hermegb und
freiligratb aud), der fid) freUid) erft 1846 zum Reüolutionsfänger entmirtielte. Kellers
leidenfd)aftlid)e tlatur fd)üttet Zorn und Ingrimm aus. nilein er ruft nidit zu den lüaffen,
zu denen er dod) in jenen tagen griff, er batte freütd) Keine f ürften mit Crabanten und
Sdiranzen oor fid), dod) immerbin den drobenden Bürgerhrteg. er ftellt fid) nid)t auf die
Cribüne und nid)t an die Spibe des Zuges; er marfd)iert als einer der taufende im
großen häufen der 0uten und Red)ten. Dielleid)t meil er zu febr Poet mar, um fid) auf
das einzelne einzuladen, ift fein Programm, obgleid) es als das feiner Partei in lUirfelidi'-
51
Keit fdöarf formuliert mar, nidöt beftimmter als flasienige ftermegös und andrer. Cr
öofft ganz allgemein auf den Sieg der freiöeit, auf
Die Kraft, die nimmer ftirbt
Und immer inieder ftreitet.
Das gute Blut, das nie oerdirbt,
ßetieimnisDoll oerbreitet.
nitöt fo feör oon der niederlage und öcrnidötung der öegner ermartet er das heil, als
oon der hebung und läuterung feiner öefinnungsgenolfen, der freunde des fortfdjritts
und der freiöeit:
Streifet ab die alten Sünden-,
Denn geläutert und gereinigt
Solu iljr eud) zum fefte finden.
Das nur lüiirdigftc uereinigt.
Der notmendige Kampf foll tuöglitöft rafcö ausgefodöten ujerden, damit man bald an die
eigentlid)e Hrbeit geben Kann.
es ift febr bezeid)nend, daß er, moöl oönc damals fd)on die leere des niannes zu
durd)fd)auen, in dem begeifterten Sonett an Rermegö üon diefem Stljöpfungen eröofft, die
niö)t oom öeifte des Kampfes geboren und getragen feien:
Dod) menn nad) Snirm der friedensbogen lacftt,
IDenn der Dämonen finftre Sd)aar benmungen,
Zurü(hgefd)eud)t in iljres Urfprungs nadjt:
Dann foll Dein lied, das uns nur Sturm gefungen,
Crft uoll erbliibn in reidjer früblingspradjt !
nur durd) den lüinter mird der lenz errungen.
Diefer etöifdje Cinftölag in den politifd)en Zettel uerleiöt iöm unter den freiöeitsfängern
jener Cage das befondere IDefen. —
Croß einiger leörlingsöafter lHaKel bedeuten die 0edid)te iS'ie dod) öottfried Kellers
meifterbrief. Je^t öatte ibm nur einer der zeitgenöffifd)en Itjriher, foweit er fie Kanme,
nod) etmas zu fageu: heine.
Die beruhende liederfeunft, die funfeelnde, gefdjmeidige Satire, die uerbliiffenden, oft
totfd)iagerifrt)en Pointen uermodjte ibm Gottfried Keller nidjt nad)zutun. Hur mit den
nod) 1846 entftandenen ,Hlten lüeifeu' ham er dem bemunderten üorbild naöe, aber nur
Öier. niles Übrige mar und blieb ibm uerfagt.
Oerade darum mar heine und feine Kunft für iön ein Problem, zu deffen endgültig
ger HbmiAlung er nod) über ein Jaörzeönt benötigte.
Zmei fragen befdtiäftigten ibn im .Hpotbefeer uon Cljamounif'. eine direhte und feör
beujußte: der Unterfrtiied zioiftöen Cbarakter und Calent, der allerdings bei fieine ein
menig zum Himmel fd)reit. Und eine leife und dem Did)ter felbft mobl Kaum bemußte,
die er durdj das lUerh felbft löft: Der Unterfrtiied zmifd)en IDit) und humor.
52
Der .npotöehcr oon Cöamounif blül)t Don Humor, epifdtjer Crfinduno, öeift und öcöalt.
Aber jenen ujiclerftanüslos öinftrethenüen \\)% der den ,Htta CroU' durd)zudit, mit dem
Keller in die Sd)ranKen treten mollte, iene geniale, bli^artig Uberflammende und vti-
nidjtende Satire, die dod) aud) ein öötterhind ift, die befi^t er nid)t.
Seine Stärhe ift der Humor. Die Beidjte, die der mond dem Did)ter abnimmt —
Jm fierbft, menn fid) der IDald entlaubt' — ift eine Kräftige und uöllig neue faffung
des üon den zeitgenöflifffien Iprihern fo öäufig behandelten herbftmotius.
freilid), mit den übrigen l)umoriftifd)en Studien der Sammlung läßt fid) nidbt eben
Staat mad)en. Sie gehören zum Porträt des iungen Did)ters, aber Ueinesmegs zu feinem
Ruöm. es fd)eint mir überöaupt merKmUrdig, daß diefer humorift, der in der lüelt--
literatur fd)U)erlid) einen über fid) und gemiß nur menige neben fid) bat, in der Iprih
den Humor fo feiten und eigentUdi feaum ie fd)lagend zur 6eltung bringt, daß Keines
feiner l)umorifiifd)en 0edid)te erfien Ranges ifi, daß mir nid)t an fie denKen, menn mir
uns das Bild des IpriKers mad)rufen. Soll man fid) diefe Catfad)e fo zured)tlegen, daß
die IpriK der lüiderfdjein des eigentUdJen ITlenfdien ifi, die epifd)en Herrlid)Keiten dage-
gen mefentlid) das erfeönte und erträumte öegenfiüA dazu>
Seltfamermeife muß mit dem Humor aud) die epiK in der retdien IpriK des großen
erzäblers zurüchtreten, d. ö. die gefungene epiK : Romanze und Ballade. Lied und Singen
mar nur in befd)ränKtem maße feine Sadie. Sein Bart mar fd)on grau, als er den ,Has
oon Überlingen' und den .narren des 0rafen uon Zimmern' einfing. Ungefungene CpiK
Öat er in feinen Derfen oiel, fo z. B. die .feueridpUe'.
ein meiterer üorzug des jungen IpriKers öottfried Keller liegt in der fülle und
mannigfaltigKeU feiner motiue tind Stimmungen, er ifi umfo bööer einzufdiä^en, als
das Bändd)en 1846, mie er felbfi fpäter bemerKte, auf befd)ränKtem Bildungsfelde gemad)fen
ift.') Obgleid) erfi die folgezeit das Künfilerifd) Oollendetfie, das Indiüiduellfie und am
tiefften öegriffene zugefellte, fo zeigt dod) die frübfie Sammlung fd)on den ganzen 0ottfried
KeUer. es fiaK eine fo urfprünglicöe und fo elementar fid) betätigende Kraft in iöm, daß
er aud) aus befd)eidenen Bildungselementen fein ganzes Bild zu gefialten üermod)te.
Diefes Bild ifi, allem Unreifen zum Crop, das eines bedeutenden Didjters und menfd)en,
bedeutender als freüigratb und Hermegb, felbfi menn er Keine meUere Zeüe gefd)rieben
Öätte. Das Bändd)en 1846 entpält StüAe uon feltener Ciefe und ungemöl)nlid)em etpifd)em
0emid)t : ,Hn das Herz', .Poetemod', ,,lied uom Sd)uft', ,Bei einer Kindesleid)e'. Und mie
ergreifend Krönt der befdieideue IDuufd) das OaterlandsUed ! Diefes lied fang er, nad)dem
er Kaum, als ein zorniger Kampfbabn, fid) in den poütifd)en Streit gemengt patte. —
lüäbrend freiligratb mit feiner erfien Sammlung ziemlid) rafd), Hermegö über nadjt
Rupm und flnfeben gemann, blieben Kellers 0edid)te ziemlid) unbeadltet, und das Jaör 1848,
1) n u 1 0 b i 0 g r a p I) i r (t) e s. 6. Kellers lladtigeldllcne SArifien, ed. Bäititold, S. 19.
53
iDie er Klagte, fegte fie üölUg unter den Cifdt). erft nadt) Jaörzebnten u)e*te der fpäte
erfolg des eriäölers den des IpriKers.
fraglos öaben die befd)eidenen lUellen, die Kellers erfte lpriftt)e Sammlung fd)lug,
an der Sturmfftmelle des Jaöres nn m tot gelaufen, mährend die fcöon berühmten
freiligratö, fiermegö, lenau öinübergefpült u)urden. Da aber die zwtitt, die .neueren
0edicjt)te', im einzelnen durd)gebildeter, hünftlerifd) einmandfrei, menn aud) im ganzen
etujas meniger originell, u)irKungslos blieb, fo mird das Sd)U)eigen über den beiden
0ändd)en mindeftens fo feUr iörer Befd)affenl)cit als den Zeitereigniffen zur laft fallen.
Kellers IpriK ift geboren aus ftarher urfpriinglid)er Intuition, farbiger und plaftifdier
Pöantafie, fie ift männlid), ujaör, geöaltooll und überreid) oom öoldc ed)ter Poefie. nilein
es mangelt iör das f luidum der fußen liedermäßig ausftrömenden 5el)nfud)t und leiden^
fd)aft, die mitziehende Sd)U)ingung des öerübls. nid)ts ift bezeid)nender, als daß Storm
aus der fülle der gefammelten 0edid)te nur ttwä ein balbes Outend goutierte.
Diefes Urteil eines feinen Künftlers und Kenners, morin fid) einigermaßen das bffentlidje
Stbithfal feiner IpriK hriftallifierte, fd)merzte öottfried Keller, menn er es aud) nur feiten
roort öaben mollte. Tlud) für iön galt das IDort Conrad ferdinand mepers, daß felbft
ein StoiRer bis ans Ende an feiner Iprih fenfibel bleibt.
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Die inanufferipte
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