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Full text of "Gedankenmacht und Hysterie"

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>.-J. 





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GEDANKENMACHT 



UND 



HYSTERIE 



CARL LUDWIG SCHLEICH 



/ 



ERNST ROWOHLT VERLAG / BERUN 1920 



^f$4^ 



Diese Arbeit wurde der Öffentlich- 
keit zuerst in Form eines Vortrags, 
gehalten im Charlottenburger Rathaus- 
saal, am 15. Januar 1920, bekannt. 



Copyright 1920 by 
ERNST ROWOHLT VERLAG, BERLIN W35 






Gewiß wirdMandiem unter Ihnen dieZusammenstellungf 
der beiden Begriffe meines Themas etwas verwunder- 
lich ersdieinen. Was hat die Macht der Gedanken mit 
der Hysterie zu tun? Wie kommt der Mensdiheit fundamen- 
talster und königlidister Besitz, die Krone ihrer Organi- 
ganisation in Beziehung zu jener krankhaften Verzerrung 
mensdilicher Seelentätigkeit, die man, ein Schreckgespenst 
der Familien mit erwachsenen Toditern, ein Vexierbild aller 
editen Krankheitsformen mit dem Sammelnamen der Hysterie 
benennt, mit einem Worte, in dem sidi — wie soll man 
es nur sagen — Geringsdiätzung mit staunendem Inter- 
esse, Vorwurf mit Bedauern, Tadel mit Mitleid misdien? 
Und doch — wir werden im Verlaufe und gegen das Ende 
unserer Ausspradie einsehen müssen, daß, wie so oft, audi 
hier die Krankheitsersdieinung nidits ist als ein versdiobener 
Medianismus ganz naturlicher, normalphysiologisdier Vor- 
gänge, wi.e ja so oft Krankheit, wie Virdiow sagt, nidits ist als 
Leben unter veränderten Bedingungen. Die Funktionen des 
kranken Leibes sind unter Bedingungen mit dem Charakter 
der Gefährdung im Prinzip keine anderen, als die des nor- 
malen, gesetzmäßigen Ablaufes der Korperfunktionen. Ja, oft 
sdion hat umgekehrt das kranke Leben, die Funktion der Zelle 
unter abnormen Widerständen, denen die Abwehrmedia- 
nismen derselben nidit oder nodi nidit angepaßt sind, 
uns sdieinwerferartige Einblicke in das normale Getriebe 
der Organismen tun lassen, die grundlegend geworden 
sind für das Verständnis der Gesetze des normalen Lebens- 
ablaufes an sidi. So hat man neuerdings versudit, aus 



f^f. *. •^--. -'t *" ■ ^ 



den Vorgangen religiöser Verzückungen, Tänze uud Kon- 
vulsionen zwingende Rücksdilusse auf daseigentlidieWesea 
der religiösen Grundstimmungen der Seele zu ziehen. 

Ähnliches traf für midi nun sdion weit früher im be- 
sonderen Maße für das Studium der vielstrahligen Irrlicht- 
zuckungen einer hysterisdien Seelenverfassung zu — 
ja, idi will es vorwegnehmen, in gewissem Sinne sind die 
hysterisdien Ersdieinungen allein geeignet, sogar über den 
gesamten Weltprozeß, über die Natur der Schöpfung, über 
die Konstitution von Kraft und Stoff, von Belebtem und 
Unbelebtem ein flammendes Licht der reinen Erkenntnis 
zu ergießen. Um das ganz würdigen und verstehen zu 
können, muß idi Sie allerdings bitten, mir auf einem langen 
Marsdie durch die Wunderwelt der Entstehung der Ge- 
danken in unserem Leibe zu folgen und midi auf einer 
Art ingenieurhafter Reise in nur wenig betretene Provinzen 
unseres Gehirns zu begleiten. Denn, daß ich es nur gleidi 
sage, idi will Ihnen heute keinen philosophischen Vortrag 
halten über die sdiwersten erkenntnistheoretisdien Probleme, 
sondern idi will Ihnen als Naturforsdier rein physiologisdie 
(d. h. die Lehre von den Funktionen unserer Nerven- 
apparate umfassende) Vorgange aufdecken und möglidist 
einfadi beschreiben, wonadi ich allerdings hoffen darf, 
daß meine Ausführungen audi in die Dunkelheiten 
einiger problematisdier philosophisdier Begriffe hinein- 
leuditen werden. Man hat midi öfter wohl halb spöttisdi 
eine Art von Gehirningenieur genannt Idi akzeptiere den 
Ausdruck für heute gem. Ich möchte wohl imstande sein, 
mit der Präzision eines gelernten Ingenieurs die staunens- 
werten Vorgänge |im mikroskopisdien Betrieb der klein- 
sdiiffsmasdiinenartig ratternden Ganglien und im Fili- 
grannetz der Nervenfasern zu besdireiben, um aus den 
Wundern allein die Mensdienherzen erbeben und höher 
sdilagen zu madien über die Allmacht des unstreitig ahn- 
baren Ersinners und Erbauers all der unzählbaren Weber- 



sdiiffchen und Zauberspindeln» durch weldie Gedanken, 
Empfin düngten, Gefühle, Erkenntnisse in den Krypten 
unseres Sdiädels erzeugt werden. Ist es dodi unendlidi 
schwer, aus dem Wirrwarr der versdiiedenen Begriffe der 
Philosophen aller Zeiten allein sich eine Basis unangreif- 
barer Anschauungen zu gestalten. Allein die Ausdrücke 
,,Seele**, „Geist**, „Vernunft«, „Gefühl**, „Gemüt**, „Herz**, 
„Verstand** werden fast von keinem Autor in einem 
gleichen Sinne gebraucht. Im Gegenteil : hier herrsdit eine 
ungeheure Konfusion, welche in den Erzeugnissen der 
Poesie, namentlidi in der Novelle und dem Roman — audi 
die sdiriftstellernden Damen sind dabei durchaus nicht aus- 
genommen — ihren Höhepunkt an willkürlich vertauschten 
Ausdrücken für dieselbe Sache erreicht. Denn mir ist kein 
Gedidit philosophisdien Inhalts, kein Roman bekannt, in 
dem nicht Seele und Geist, Herz und Gefühl, Gemüt und 
Empfindung usw. umsdiichtig miteinander verwechselt und 
vermengt werden. Und dodi müßte das alles eigentlidi 
einen festumsdiriebenen Sinn haben. Man sagt doch auch 
nidit Stroh, wenn man Zellulose meint, und nidit Hafer, 
wenn man von Getreide redet. Diskutiert man nämlich über 
philosophische Dinge etwa eine Stunde lang, so müßte 
man eigentlich zuvor mindestens vier Stunden vorausgehen 
lassen, um sich zu einigen, was man unter Geist, Seele, 
Vernunft usw. innerhalb des Rahmens einer behaglichen 
Aussprache verstanden wissen will, sonst entsteht leicht 
aus dem Begriffsdiaos ein verrauschender hohler Wortstreit, 
der lebhaft an die ungemütlichen Verkehrsformen der 
Volker angesichts des Turmes zu Babel erinnert. Es 
müßte in der Tat endlich einmal so etwas wie eine philo- 
sophisdie Postmarken-Konvention von Neuem*) inszeniert 
werden, auf der festzustellen wäre, genau wie man ein 



*) Wie mir Prof. Arthur Liebert mitteilt, ist ia der Tat so etwas sdion 
einmal resultatlos versucht worden. 



internationales Normalmaß, den Meterstab zu Paris, auf- 
bewahrt, genau, wie es eine internationale Valuta gibt, 
was denn alle Intellektuellen der Welt unter einem be- 
stimmten Begriff, wie Geist, Seele usw., von einem ge- 
gebenen Datum an gemeinsam zu verstehen sidi verpfliditen. 
Allerdings modite idi nidit deii Vorsitz einer soldien 
Gelehrtenversammlung fuhren in Anbetradit sdiwerer mog- 
lidier korperlidier Sdiädigungen meines Gehör- und Re- 
zeptionsorganes inklusive seiner gleidifalls verletzbaren 
Hüllen! Solange das nidit gesdiehen oder unausführbar 
ist, habe idi midi entsdilossen, einen prinzipiell andern 
Weg zu besdireiten. Idi habe den Versudit gemadit, auf 
rein gehirnmedianisdien, ganglienfunktionellen Bahnen den 
Vorgängen im Zentralapparat und an den Nerven nadizu- 
spQren, weldie einer jeden der genannten Begriffsbildungen 
wie „Geist^, „Verstand'^ „Gemfif' usw. zugrunde liegen 
resp. sie erzeugen, d. h. idi habe midi gefragt, was ge- 
sdiieht im Gehirn, wenn wir denken, fühlen, unser bewußt 
sind, wenn wir phantasieren, spredien, handeln usw. So 
z. B. habe idi nidit über die philosophisdien oder psydio- 
logisdien Bedingungen des Humors eigene Gedanken zu 
dem Ozean von Ideen, die man sdion über die drolligste 
und dodi widitigste Sädie der Welt hinweggespült hat, 
hinzuzufügen versucht, sondern idi habe midi wie ein 
riditiger Elektrotediniker gefragt, was gesdiieht im Ge- 
hirn, wenn wir ladien müssen resp. weldie Bedingungen 
sind es, weldie den gesamten Ladiakt zwingend und 
reflexartig einleiten. Die Resultate dieser Art Frage- 
stellung, die wohl die erste dieser Art gewesen ist,*) 
werden wir hier nur kurz streifen können, idi will 
nur zuvorderst andeuten, daß also diese Methode 
meiner Untersudiungen darauf abzielt, audi für die uns 
hier vornehmlidi besdiäftigenden Grundlagen des Denk- 



'^) S. mein Buch mVod der Seele" bei S. Fisdier, Berlin, 12. Aufl. 

« 

8 



Prozesses» die funktionelle Erzeugfungf der Gedanken, 
diejenigen Gehirnvorgänge gleichsam elektrotedinisdi 
aufzudecken » an dessen 'Ende die erkennbare, kost- 
barste und versdienkbare Blüte des Menscfaengeistes 
aufleuditet mit siegender Gewalt, jene Zaubermacht, die uns 
Mensdien allein, soweit wir sehen können, befähigt hat, 
bis zu einem hohen Grade die Gewalten und Produktions- 
kräfte der Natur in unsere personlidien und kulturellen 
Dienste zu zwingen,*) ja einen Teil anderer Mitbewohner 
dieses Planeten, die Tiere, wenn audi nidit alle, am wenig- 
sten merkwürdigerweise die winzigsten, unter unser Joch 
einzuspannen. 

Es muß also unsere erste Frage sein : Wie entsteht ein 
Gedanke, wie ist eine Idee möglich? 

Die bisher absolut materialistische Naturwissensdiaft ist 
an dieser Stelle allmählidi budistäblich aufgesessen, denn es 
war einer der Kerngedanken Dubois-Reymondsdier Prägung, 
ein Hauptpunkt unter den sieben vermeintlidi unlösbaren 
Welträtseln seines „Ignorabimus'' (d. h. ^^ii' werden es 
niemals wissen!^) zu behaupten, daß es ewig unbegreifbar 
bleiben müsse, wie aus einer physisdien Berührung, 
einer nodi so deutlichen Empfindung von warm, kalt, 
rauh, glatt, der Gedanke von Kälte, Hitze, Rauhigkeit, 
Glätte werden könne! „Wie können aus einer pommerschen 
Kartoffel Gedanken entstehen?^ hat einmal ein anderer mir 
befreundeter Physiologe gefragt**) und audi dies als ein 



*) Wir können nicht wissen, ob irgendwo auf anderen Planeten 
oder planetenähnlichen Gestirnen etwas ähnlidies wie unser Geist 
entstanden ist. — Da es sogar denkbar ist, dafi überall, selbst 
in Sonnenfeuem geistige Organisation vorhanden ist, so bleibt uns 
die Moglidikeit, trotz Copemikus und Keppler, anzunehmen, dafi wir 
eine Art begünstigter Stelle des Weltalls auf unserem Erdenkreisel 
einnehmen! 

**) Hoffentlich hat er dabei nicht an mich und meine Ostsee-Heimat 
gedacht! 



unlösbares Problem hingestellt. Nun, ich meine, hier liegt 
eine absolut falsche Fragfestellungf vor, auf welche die 
eigfensinnige Sphinx des Lebens wirklich nur mit Kopf- 
schütteln, wie immer in solchen Fällen, antworten konnte. 
Die Frage ist nämlich ebenso sinnlos, wie wenn man sich 
den Kopf darüber zerbrechen wollte, warum aus Feuer eine 
Feuersäule, aus Wasser ein Wasserbecken entstehen, 
wie bewegte Luft zum Wind, zum Ton, zum Klange 
werden kann! Bei beiden Fragen lautet natürlidi die Ant- 
wort einfach genug: es entsteht der Gedanke aus dem 
Stoffe und seiner Berührung mit unseren Gedankenbildnem 
wie bei der Zeugung deshalb, weil der Stoff nidits ist, 
als ein Gedankenknäuel, Gedankeninhalt, weil alles Korper- 
lidie eine rhythmisdie Struktur und Inkarnation von Ge- 
danken ist! In allem steckt aber Idee deshalb, weil ohne 
Idee die vorangegangen ist, es gar nichts Körperliches 
geben kann.*) Es ist dem Menschengeiste absolut unfaß- 
bar, was schon der alte Plato grundlegend erkannt hatte, 
daß es irgend etwas auf der Welt geben konnte, von dem 
nicht vorher die Idee irgendwie vorhanden gewesen sein 
müßte, zum mindesten müßten die Möglichkeiten seiner 
Entstehung ersonnen gewesen sein. Das ist der kurze 
Inhalt der sogenannten Platonischen Ideenlehre: wir können 
es wohl einsehen, daß ein Uhrmacher eine Idee von einer 
eigenartigen Uhr faßt und sie dann konstruiert, wir können 
aber nidit mehr begreifen, daß eine komplizierte Uhr 
z. B. mit Apostelaufmarsch, Glodcengeläut und Choral- 

*) Ober die Geisti^fkeiten eines Stoffes, z. B. des Eisens und seiner 
Beziehungen zu anderen Stoffen, seine Eigenschaften, sein Gefüge, 
seine Verwendbarkeit in Menschenhand könnte man eine Bibliothek 
füllen. Es gibt keinen noch so winzigen Bestandteil der Natur, der 
nicht eines Tages einen Propheten unter den Menschen fände. Der 
aber hat seine Geistigkeiten abgelesen. Sie stecken nidit als eigene 
Produkte in seinem Gehirn, sondern sie sind Geistigkeiten, weldie dem 
Entdecker zugerufen haben: „Sieh! und verkünde was idi euch 
Menschen zu sagen habef 

10 



spiel durdi Zufall oder Naturbedingungen/ wie die 
Materialisten sagen, sidi gebildet haben könne. Hierzu, 
wie zu allen anderen Zufallsbildungen noch viel kompli- 
zierterer Natur, wie es die Lebensbildung und die Funktionen 
des Lebens, zum Beispiel die Dichtungen des Faust oder 
Dante's Holle darstellen, kann einfach nicht die Zeit ge- 
reicht haben, seit welcher nachweislich die Erde steht 1 
Es haben Mathematiker von Fach mittels der Wahr- 
scheinlichkeits- und Kombinationslehre ausgerechnet, daß, 
wenn z. B. 40 Würfel 40 Einsen auf einmal aus dem ge- 
sdiüttelten Bedier fallen lassen sollten, die Chancen dafür 
erst in etwa 100 Jahren beginnen würden, während eine 
setzende Hand in wenigen Sekunden die 40 Einsen neben- 
einander reihen kann. Wenn aus einem Sack voll un- 
zähliger Buchstaben ein einziger Goethevers entstehen 
sollte, so würden dazu sdion 100 000 Jahre Sadc- 
sdiüttelns nicht ausreidien; abgesehen davon, daß erst so 
etwas wie Sack und Budistaben von Zufalls Gnaden herbei- 
geschüttelt werden müßten; bis aber die 227000 Milliarden 
Moleküle einer Eiweißzelle sich zusammen gefunden hätten 
zu „zufälligen '^ LebensäuBerungen, würden darüber Mil- 
lionen von Jahren vergangen sein und eine Zeitspanne 
gedacht werden müssen, vor welcher die ganze Erde und 
ihre Moleküle noch gar nicht der ewigen Saatenhand der 
Sterne entsdileudert waren! Hier kommt also die Zufalls- 
theorie arg in die Brüche, in Zeitnot, wie man beim 
Sdiaditurnier sagt. Ein noch stärkerer Einwand gegen 
die Zufallstheorie des Materialismus ist das Bestehen der 
strengen Naturgesetze, die audi oft als die alleinigen 
Arrangeure der Welt hingestellt werden. Wie kann diese 
Karrikatur des Gesetzmäßigen, dieser Spotter aller Regel, 
dieser Genickbrecher der Wahrscheinlidikeiten, dieser 
Henker des Errechenbaren gedacht werden als eine 
Majestät der strengsten Ordnung, als der drakonische 
Gesetzgeber des Weltgesdiehens, der eben die Natur- 

11 



gesetze geschaffen hat uns zur Gnade; denn ohne sie, ohne 
Konstanz alles Naturgeschehens würden wir alle ohne 
Orientierungsmoglidikeit in der Welt, also wahnsinnig 
sein, (so z. B. wenn ein Stein bald in die Luft, bald in 
eine beliebige Windriditung seitwärts, bald in einer Zidc- 
zackform oder wilden Spirale fiele). Ohne konstante Fall- 
gesetze keine Orientierung im Himmel und auf Erden I 
Also, wir müssen es annehmen, im Stoff und in allem Ge- 
schehen ist ein geistiges Gesetz. Wo aber Gesetz ist, 
müssen wir uns auch einen Gesetzgeber denken, eine 
Überlegung, die, wie tausend andere, direkt zum Sdiopfer- 
begriff führt, zum Mindesten aber zu einer Annahme einer 
die Welt und ihre Erscheinungen vorausdenkenden und 
formenden plastisdien Idee. Diese plastisdie Ideenkraft, 
dies Ideenplasma ist nun allem Körperlidien und Geistigen 
gemeinsam durch rhythmisdie Verteilung und Gruppierung 
der Urelemente des Äthers, auch Elektronen und Ionen 
genannt, und es kann uns dann nidit mehr verwundem, 
daß die Berührung von rhythmisdien Liditfelderkomplexen 
mit Liditfeldergruppierungen von einer anderen Konstitution 
wie Zi B. die der tastenden Fingerkuppe gegen einen Glas- 
stab zu einem Sichdurchflie^en beider Strahlenwirbel an der 
Berührungsflädie führt. Hier liest eben mein Geist Geist 
ab, genau, wie wenn der Gegenstand ein zusammengeballtes 
Ideenknäuel wäre mit tausenden darauf eingeritzten tele- 
graphisdien Zeidien, die nun ein feiner Apparat von 
eingestimmten Ideenrythmen abtippt, wie ein Telegraphist 
die Telegraphenzeidien von einer Papierrolle. Nun kommt 
dazu, daß ja damit konform die moderne Physik über- 
haupt den Stoff als die Mater rerum d. i. Materie 
zu leugnen beginnt. Es ist alles geistig, alles Lichtfelder- 
ballung und es sdieint uns nur alles mehr oder wenig 
fest oder flüssig oder gasformig, weil die Berührung ryth- 
mischer Schwingungen von Atherbewegungen bestimmter 
Systeme mit Systemen anderer Konstitutionen Dissonanzen, 

12 



Discrepanzen, Interferenzen, also Lichtwirbel, Ablenkung'en, 
Durcfarieselungen, Strudelwirkungen erreget, diewirMensdien 
eben Empfindungen, Gefühle usw. konventionell benennen. 
Wir sind für unser Weltbild an den Rhythmus unserer 
Organe gebunden, wie das eine einfache Überlegung be- 
weist. Wir wissen, daß der Mensch im Stande ist^ nicht 
mehr als 10 Beobaditungen während des Verlaufes einer 
Sekunde zu madien. Es gibt aber Geschwindigkeiten, 
die viel zu sdinell sind, als daß unser Auge z. B. sie 
nodi wahrnehmen konnte. Würden wir im Stande sein 
z. B. etwa 30 — 40 Beobachtungen innerhalb einer Sekunde 
zu madien, so würden wir die Welt ganz anders sehen. 
Wir würden die abgesdiossene Flintenkugel als einen 
Stridi in der Luft, das Gras wachsen, das Wasser sidi 
dehnen sehen und im Sandkorn oder im Glase die rol- 
lenden Moleküle erkennen, welche unsern armen langsamen 
Augen jetzt als eine feste Materie ersdieinen. Es ist 
eben alles bewegt, im Sonder-Rhythmus schwingend und jeder 
Schwingungskurve entspricht eine vielleicht einmal menscfa- 
lidi fixierbare Form, der eine Schwingungsadise zu 
Grunde liegt. 

Das Eisen konnte folgende Molekülrotation haben: 

das Gold diese: Qß/Wl 
Silber solche: (VWV\ 



Schwefel : 



m^ 



Eiweiß: 




usw. 

13 



Wie wir nun aber dazu kommen, aus diesen primären 
spezifischen Berührungen Gedanken zu bauen und Aus- 
sagen darüber zu madien, das bedarf eben jener weiteren 
Betrachtung, weldie uns direkt in den Mechanismus des 
Gehirns hineinführt und zu dessen Aufdedcung idi die 
bildlidie Darstellung zu Hilfe nehmen muß. 

Zuvor nodi einige Einzelbe trachtungen. 

Die Wunderorgel, welche in der knöchernen Elfenbein- 
kapsel unseres Schädels eingebettet ist wie eine der Welt 
und ihrem Rauschen entgegenharrende Aeolsharfe, die 
mit unendlich vielen feinen, zarten, mikroskopisdien 
Glodcchen, Saiten und Registern bedeckt ist, baut sich 
auf aus 1500 Millionen kleinen klingenden und singenden 
Sternchen, welche die kalte Wissenschaft Ganglien (d. h. 
Knotehen, Wunderknäuelchen) nennt. Kant hatte wohl 
recht, wenn er ausrief, daß zwef Dinge in ihm stets einen 
heiligen Sdiauer erwedcen, wenn er sie betradite und 
überdenke: der Sternenhimmel da droben und die Stimme 
des Gewissens da drinnen in ihm. Denn diese zauber- 
hafte geheimnisvolle Stimme ist ja durchaus gebunden an 
die Funktion von vielen Millionen kleinster zuckender, 
phosphorleuditender, klingender und singender Glitzer- 
stemchen, die in dem Wolkengrau des Gehirns, der grauen 
Hirnrinde, ausgebreitet sind zu einer wunderbaren Schicht 
eines geistiges Leben vermittelnden Art Himmels, in den 
so oft, wie wir sehen werden fälsdilich, der Thron der Seele 
verlegt worden ist. 

Das Gehirn ist so gebaut, daß es aus zwei Hälften 
besteht, welche durdi eine Art Querbalken, ein breites 
Bandkabel mit Millionen telegraphischen Drahtbündeln 
untereinander in Verbindung stehen. Es ist so gebaut, 
als hätte man ein Kornähr^nbündel oder einen Riesenstrauß 
von Maiglöckdien in zwei Hälften geteilt und oben aus- 
einandergebogen und die Stengel oder Halme da, wo die 
Hand das Bündel hält, über Kreuz gelegt. 

14 



Dann wQrde der Sdiidit a^ die Summe der Kornähren oder 
die der Maisrlöckchen der ^auen Hirnrinde entspredien, 
und 6* würde die Drahtfiden bedeuten, welche von jeder 
einzelnen Zelte in das Körperzellengeffige hinableiten 
resp. von den Körpenellen hinaufführten in das System 
der Ganglien -Glödcdien und -Ähren. Bei c' wäre die 
widttijfe Kreuzun(f der Ganglienstenglein zu sudben, 
welche es bedingt, dafi alles, was im rechten Gehirn 
geschieht, auf die Unke Seite des Körpers bezogen werden 
muß, und alles, was links im Gehirn gesdiieht, auf die 
redite KSrperhälfte ein- und ausstrahlt, wenigstens soweit 



es sidi um Aktionen oder Lähmungen der Muskulatur 

unddesGefühls, alsoderKontakt-undSchmerzempfindungen 
bezieht. Ein Bluterguß oder ein Schufi ins linke Gehirn 
muß also auf der rechten Seite Lähmungen hervorrufen 
und umgekehrt. Was sonst im rediten oder linken Gehirn 
vor sich geht, außer der Muskeltätigkeit und den Von 
gangen des körperlichen Gefühls, soll uns sehr bald 
besdiäftigen. 

Bei d^ liegt das sdion erwähnte Querkabel zwisdien 
beiden Himhälften, das eine bisher gar nicht erkannte 
ungeheure Rolle für die Funktion der Gedankenbildung 
spielt, wie wir bald erkennen werden. 

Nun hat der soeben durch den entsetzlidien Frieden, 
m:m kann wohl sagen, gebrandmarkte Krieg mit allen 
seinen Verletzungen und Verstümmelungen die Rolle eines 

• 15 



gfanz grrausamen Experimentators übernommen, indem 
Menden an Mensdien Millionen von Verletzungen des 
Gehirns verübt haben, wie sie raffinierter und plangemäßer 
kein Weltalls-Dämon hätte ersinnen können. Ist doch 
keine Stelle im Wunderbau des Gehirns gewesen, die 
verborgen genug von der sorgsamen Hand der Natur gebettet 
gelegen hätte, als daß sie nidit irgend ein hinterlistiges 
Kugel- oder Plattgesdioß, eine Metallhülse, oder ein -Splitter 
mit rasantem Vemichtungsfluge erreicht hätte! Wahrlich, 
ein grausames Millionenexperiment in allergrößtem Stile! 
Und wenn hier die Wissenschaft nichts wesentlidi neues 
entdedct hätte, so mußte sie entweder falsch orientiert, 
im Banne festgelegter Dogmen gestanden haben, oder sie 
muß durch gehends durch schlechte Hirnleben- Beobaditer 
vertreten gewesen sein. Leider, leider war beides der 
Fall. Den Tausenden von Ärzten ist gegenüber der 
gewaltigen Experimentalpathologie des Feldzuges am 
Gehirn- und Nervenorgan nidits wesentlidi Neues ein- 
gefallen, bis auf eins, dessen Wertsdiätzung idi anderen 
überlassen muß, da ich selbst diese neue' Entdeckung 
gemacht zu haben glaube an der Hand von sehr vielen 
Hirnschußverletzungen, weldie mir zum Verständnis der 
Gehirnfunktionen offenbar ganz neue Deutungsmöglidi- 
keiten an die Hand gegeben hat. Ich will sie ihnen nicht 
vore/ithalten: es ist die Entdedcung, daß die beiden 
Gehirnhälften erstens außer der beiden gemeinsamen, 
genannten Muskel- und Gefühlsfunktion ganz verschiedene 
Ämter gleichsam im Haushalt der Ideen und der Gedanken 
zu vertreten haben, die wir gleidi kennen lernen werden. 
Und zweitens, daß das eine Gehirn das andere in jedem 
Äugenblidce, in dem ein Mensdi das beabsichtigt, betrachten 
kann wie einen vor ihn hingelegten Stein, daß ferner 
beide Gehirnhälften das Rückenmark und seine Tätigkeiten 
überwadien können und daß beide Hälften imstande 
sind, Willens- und Vorstellungsimpulse vermöge des 

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sympathischen NervengfeflechteSy ein Riesengfesträuch feinster 
nervöser Zweiglein um die Blutgefäße des Gehirns ge- 
lagert, an die Korperzellen jeden Organsystems zu über- 
tragen. Hier leuchten zum ersten Male die Wege und 
die Schmugglerpfade auf, auf denen der Transport der 
Ideen an den Leib und seine Funktionen und Bildungen 
erfolgen kann. Blitzartig und unversehens ist hier der 
Zusammenhang zwischen Gedankenmadit und Hysterie 
enthüllt, dem wir noch ausführlich nachzugehen haben und 
dem das Thema des heutigen Abends gewidmet ist. 

Zeichnen wir uns nun zuvörderst einmal eine Ganglien- 
gruppe auf, an welcher wir einige Details schildern wollen, 
welche zum Verständnis eben dieser Beziehungen un- 
erläßlich sind. 

Wir haben hier vier Ganglienzellen mit Kern und Kem- 
korperdien, deren jede wir uns aus der Kleinigkeit von 
227000 Milliarden Molekülen in rasender rhythmischer 




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Strömung^, zu denken haben, trotzdem wir sie unter dem 
Mikroskop in fester Form, dank der lang'samen Filmarbeit 
unseres Auges, wahrnehmen. Diese Gangflienkus^elcfaen 
enthalten in sich einen Kiem und ein Kemkorpercfaen aus so- 
genannter Nucleinsubstanz, welcher der eigentliche Betriebs- 
direktor ist der Arsenale und Organe und der Milliarden 
Gruppeninstitute des Zellkorpers (ihres Protoplasmas, ihres 
Eiweißes, der Kern ist dann das Eigelb). Man sieht, 
eine einzige Zelle ist schon eine Elektrizitätszentrale, eine 
A. E. G. für sich, und von einem Elementarorganismus 
dieses Zellgebildes, wie Virdiow meinte, kann gar keine 
Rede mehr sein; eine einzelne der vielen Milliarden Korper- 
zellen ist offenbar eih Organismus für sich, genau wie 
der Mensdi als Ganzes mit Seele, Geist, Leib, Organen, 
Flüssigkeitstromen und einer Unmasse eingeborener und 
erlernbarer Funktionen, nur daß diese Milliarden Lebens- 
flitterdien eben zusammengehalten sind nicht durdi ihre» 
freien Willen zum Dienste des Ganzen, sondern sich 
lenken und leiten lassen durch eine unsichtbare, weiße 
Konigin, die sie sich erst gesdiaffen hat, und die ewig 
vergeblidi in irgend einer Art Bienenthron des Lebens- 
stockes gesucht werden wird, weil ihr Konigssitz über de» 
Sternen thront und nur Lehen ist von dem Herrscher über 
den Sternen, Wolken und der Atmosphäre — die Seele» 
Der Zellstaat ist also keine Republik — hier hat Virchow 
seine politisdie Oberzeugung in der Konstruktion des 
Körperbildes einen üblen Streidi gespielt — sondern er 
ist eine freilich metaphysische Monardiie, ihr Reich ist allein 
ihre Schöpfung und ihre Herrsdiaft übt sie unsiditbar, 
aber nidit unerkennbar, wie idi das leider an dieser 
Stelle nidit näher ausführen kann, aber doch noch ein- 
mal ausführlich zu begründen gedenke. 

Aber zurück zu den Ganglien! Diese Millionenschar 
von glitzernden Kleinlebewesen, die auffällig den Ur- 
anfängen, den Erstgeborenen organischen Lebens, den 

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Amöben gleichen, was zu denken gibt, haben also einen 
Kern und um sich einen Kranz eines eigentfimlidien 
bluthaltigen Gewebes, die Neuroglia, welche nadi meiner 
Auffassung die Rolle eines Hemmungsapparates spielt. 
Sie ist handsdiuhartig um sämtliche Ganglien gehüllt, die 
also hier wie vielstrahlige Finger mit flüssigkeitshaltigen 
Überzügen, wie feudite Sdiirmfutterale aufzufassen wären. 
Sie spielt für jedes Ganglien die Rolle, die in leider ent- 
sdiwundenen Zeiten die blau -seidenen Lampenschirm- 
klappen um die einstmals gasführenden Beleuchtungskörper 
unserer Scfalafwagenkupees übernahmen. Ihr Herabklappen 
vor die Strahlenkugel bedeutete Abblenden, ihre Öffnung 
und ihr Rückklappen liefi die Lampe voll leuditen. Das 
erstere brachte Sdilaf, und das zweite, das Aufklappen, 
Erwachen. Genau so funktioniert nun der feudite Ganglien- 
sdiirmüberzug: ist er voll blauen Hemmungssaftes, so ist 
das Ganglienlicfatlein gedämpft, gehemmt, und kein solches 
Glfihwfirmdien kann Strahlen senden oder Feuerzeichen 
an seinen Nadibar geben; ist es aber leer, trodcen, durch 
Gefäßzusammenziehung verengt, so fällt von Sternlein zu 
Sternlein Gruß um Gruß, Mitteilung zu Mitteilung, rhyth- 
mische Welle zur rhythmischen Welle, d. h., strenger aus* 
gedrückt: ein von den Nerven übermittelter, fortgepflanzter 
Stoß winzigster Billardkügelein (der Nervenmoleküle) kann 
die Besonderheit seiner Schwingungswelle den Ganglien 
der Nadibarschaft übermitteln. Unter die erste Funktipn 
der Hemmungseinschaltung, d. h., der aktiven Blut- und 
Saftffillung der Neuroglia fällt alles, was Schlaf oder 
sdilafähnlich in uns ist, also Narkose, Hypnose, Morphium, 
Opium, Skopolaminwirkung; alle diese Vorgänge um- 
fassen auf dem Wege besonderer Nervengespinste die 
Fasern des Nervus sympathicus die Gefäßrohren und 
füllen damit die eigentümlidien handschuh- und fransen- 
artigen Umhüllungen der Ganglien, die man eben 
Neuroglia nennt. Im höchsten Falle der Hemmung 

2* 19 



des Blutumlaufes, wie bei Drosselung, Hirnblutung, Ge- 
sdiwulstbildung, tritt komplette Hemmung aller elektroiden 




a) Blttt^fafl, b) Gans^lien des Sympathicus, Veren^rer und Er- 
weiterer der Bluts^efiHfie, dadurch Leitun^fsvermittler oder Hemmer 

der HimzeUenitröme. 

Ganglienverbindung ein, d. h. Bewußtlosigkeit aus Blut- 
uberfüUe und Neurogliaüberscfawemmung, im extremsten 
Falle die definitive Hemmung auch von Herz- und Atmungs- 
tatigkeit, d. h. die Lebenshemmung, welche den Rudc- 
zug der Konigin, der Seele, aus den Palästen des physischen 
Harfendomes zur Folge hat, wie man so sagt: den Tod. 

Andererseits können die Verengerer der Blutgefäße, 
gleichfalls Abkömmlinge der Umerven aller organisdien 
Reizbarkeit, des Sympathicus, die Hemmungsmaschen der 
Neuroglia entleeren, d. h. jene blauen Sdilafwagenseiden- 
kappen hodiziehen und die Liditaktion der Ganglien geht 
ihre Bahn. Im erhöhten Reizzustand fuhrt das zur Unruhe, 
Aufgeregtheit, Neurasthenie, Angst, Gedankenfludit, Rase- 
rei, Hallunzination, und im exstremsten Falle der kompletten 
Leere der Neuroglia zur Ohnmadit und einer anderen 
Form der Bewußtlosigkeit, der durdi Blutleere. Man wird 
gestört, weil alle Telephonglockdien gleichzeitig miteinander 
anläuten, was keine Telephonistin, audi kein Menschengeist 
im Elfenbeinkästdien des Schädels aushalten kann, ohne 
ganz konfuse und unorientiert zu werden. 

Für gewohnlidi und normalerweise aber übernimmt das 
Herz mit seinem periodischen Pulsdrude die Rolle des Ein- und 

20 



AusscfaaltenSy indem durch Ein- und Ausstromen der Blut- 
welle in die vielverzweigten Kanäle der Neuroglia wechselnd 
die Ganglienbahnen freigegeben oder abgestellt werden, so- 
daß eben in jeder Pulsphase, gleidi einer Sekunde, jene lOMit- 
teilungen der Ganglien unter sidi gemadit werden können, 
die wir Beobachtung oder Wahrnehmung nennen. 

Jedermann 'weiß, daß abnorm langsamer oder abnorm 
besdileunigter Puls unserem Bewußtseinszustande eine 
besondere Färbung gibt, wie bei der Ermüdung z. B. oder 
im Fieber; die Erklärung dafür ergibt sidi ohne weiteres 
aus dem soeben Gesagten, Bedenken wir noch, daß 
rhythmisch die Sonne beim Auf- und Untergang Erwachen 
und Sdilaf durch die im Leibe gelegene „Marconiplatte 
des Weltalls^ übermittelt und erwägen wir, daß durch 
Beimengung aller moglidien Bestandteile zum Blute, audi 
von Sekretionsstoffen der inneren Organe, die Tätigkeit der 
Ganglien auf dem Wege der Blutsaftveränderung viel- 
farbig beeinflußt (alteriert) wird, so haben wir genügend 
Vorkenntnisse, um uns jetzt an den Kern unserer Unter- 
suchung, an den Mechanismus des Denkens zu madien. 
Es bedurfte dieses, wie ich gestehe, langatmigen Umweges, 
um den sdiweren Problemen sieghaft zu Leibe zu gehen. 

Zeidinen wir uns zunächst in rein schematischer Weise 
einen Durchsdinitt durch beide Hirnhälften, die durch den 
genannten Querbalken kabelartig verbunden sind, so er- 
halten wir folgendes Bild, 



s 



^•>^u)^ 




t»l 



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in welchem L linkes, R rechtes Gehirn und Q das Him- 
kabel bedeutet. Die schraffierte Zone auf der linken 
Gehirnhälfte 9 Sy bedeutet den Sitz der Sprache in der 
sog'en. Broca*schen Hirnwindung*. Die Pfeile bei beiden 
Himhälften bezeichnen die Richtung der Zu- und Ableitung* 
von Reizstromen, also L zu: die Riditung der Strome von 
der Peripherie des Leibes zum linken Hirn; R ab: die 
Richtung^ der ableitenden Strome von der rechten Hirn- 
halfte her. Die beiden Pfeile innerhalb des Querbalkens 
bedeuten die Richtung der Schaltstrome im Verkehr zwischen 
rechts und links und umg'ekehrt. 

Nun hat sich eben durdi die Gehimverletzung^en, die 
wir im Lazarett zu beobachten Gelegenheit hatten, heraus- 
Sfestellt*), daß. der Denkprozeß auf die Weise zustande 
kommt, daß in das linke Gehirn von den sämtlichen 
Sinnesorganen her (Gefühl, Gesdimack, Geruch, Gehör, 
Gesicht, Muskelgeffihl, Raumsinn mit all ihren Modifika- 
tionen) in der Riditung des Pfeiles Lrzu Reizwellen zu- 
Sfeffihrt erhält und die Eigenschaften der betasteten, ge- 
fühlten, g'eschmeckten, gesehenen usw. Dinge in der obeM 
gfesdiilderten Weise abliest, d. h. die Form der Ätherr 
9diwing'ungen und ihr Anprall an die Rhythmen der Emp- 
findungsnerven an dem Erregungszustande der Moleküle 
der Ganglien registriert. 

Das würde an sich noch nicht zu einem Urteil über 
die Natur dessen, was empfunden wird, führen, nämlich 
nicht übermitteln, ob etwas kalt, glatt, warm, rauh, hell, 
dunkel, laut, leise, bitter, süß ist, wenn nicht vermöge 
des Hineinleuchtens des Gesamtganglienapparates der 
rechten Hirnhälfte in die linke von diesem festgestellt 
würde, was in den „Arbeitskammem^ des linken Zwilling^s- 

*) Die exakte Beweisfühmns: für diese AnschauuQs: kann hier nicbt 
versucht werden. Ich spreche ja nicht vor einem Forum von Ar^en, 
sondern von Laien, für die die Beweisführung: sehr mühsam und 
zettraubend wäre. 

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bruders STCSchieht; d. h. die Vorgängfe der linken Strom- 
-erregung werden rechts kontrolliert. Stellen wir uns ein- 
mal vor, es seien ein paar Tausend Ganglienzellen links 
in Erregung durch die Berührung eines Glasstabes durch 
eine Fingerspitze, wobei .telegraphisch vom Finger zum 
linken Gehirn gemeldet würde: Finger linker Hand fühlt 
etwas kaltes, jedenfalls kälteres, als Hauttemperatur, zu*- 
gleich allseitig glatt und rund, zwei stumpfe Enden; das 
gleichzeitig betrachtende Auge würde melden: durdi- 
sichtig, lichtstrahlend, reflektierend, spiegelnd, schätzungs- 
weise 10 cm lang, wenige Zentimer dick, frei beweglich 
— so würde das alles immer noch nicht ausreichen, um 
uns einen „Begrifft dessen zu geben, was soeben die 
Hand umgriffen hat. Das linke Gehirn für sich über- 
mittelt zunächst nur die allgemeinen, man mochte sagen 
physikalischen Eigenschaften des „Gegenstandes^, d. h. 
dessen, was dem Rhythmus der Sinne sich „entgegenstellt^, 
es notifiziert die Diskrepanzen, Lichtfelddurchrieselungen, 
das Aufschäumen der Rhythmen der Sinnesnerven gegen 
die Rhythmen des Berührten, Betasteten, Gesehenen usw. 
Es ist das linke Gehirn ein Katasterbeamter,, der 
Registrator der Berfihrungsaktion der adjektivischen Welt, 
d. h, der Welt des „Gegenständlichen^, er registriert die 
Tatsachen des Prozesses und ihre „Aktenstöße^ ohne 
ein Urteil zu fällen, was Sache des Richters ist. Dieser 
Richter ist eben das rechte Gehirn, welches, aufmerksam 
hineinsieht in die Maschen der linken Himhälfte und 
hier eine Gruppe von Ganglien aufleuchten sieht, welche 
in ihrer Gesamtheit eine neue Art eines „Gegenstandes^ 
für dasselbe bildet, genau, wie wenn wir einen Stein 
vor uns zur Betrachtung auf den Tisch legen. Denn das 
rechte Gehirn ist nach unseren beweisbaren Anschauungen 
der Sitz der Phantasie. Es fügt dem links aufleuchtenden 
Gangliengruppenherde noch etwas hinzu» das sich zu 
ihm verhält, wie der Mondhof zum Mond, wie die Fransen 

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um einen Teppich, wie die feinen Spitzen um ein 
Taschentuch, wie die Wellenkreise um einen ins Wasser 
gefallenen Stein. Es umkreist die gesamte, links auf- 
schäumende Welle als eine Bewegungseinheit und über- 
trägt ihre Impulse, sie weiterrollend durch die Flutkanäle 
des Querkabels und läßt ihre Berge und Täler hier zur 
Parade aufmarschieren vor blitzartig in Bereitschaft ge- 
stellten Scheinwerfern der Erinnerung, des Gedächt- 
nisses, des Vergleiches, des schon Erlebten, des 
schon Erfahrenen, und im Falle des nicht Erfahrenen 
vor den Schlagbaum und die Sehlinien der Möglich- 
keiten, Wahrscheinlichkeiten und vor die Feuer- 
probe von Ursache und Wirkung. 

Hier erst entsteht die Einverleibung des Gegenständ- 
lichen, Wahrgenommenen, Empfundenen in den persön- 
lichen Erlebniskreis meines betrachtenden Individuums, es 
werden die „objektiven'' Eigenschaften des Gegenstandes 
mein subjektives Eigentum nach Maßgabe meiner Erleb- 
nisse, Erinnerungen und der Kraft meiner Fähigkeit zur 
Beziehung von Erscheinung zu ihren Ursachen. So erst 
kommt aus dem Glatten die Glätte, aus dem Runden die 
Rundheit, aus dem Kalten die Kühle als „Begriff' zu 
Stande, wiederum durch Gruppenbildungen schon einmal 
in ähnlicher Weise erregter Ganglienkomplexe der rechten 
Seite und aus der Summe der rechts kontrollierten und 
vor die Gruppenfackeln verschiedener summierter Begriffe 
gestellt, resultiert das „Urteil" d. h. die Wesenheit des 
in seine „Ur-Teile" von der Phantasie zerrissenen 
Gegenstandes; das, was dem linken Gehirn da gemeldet 
ist, ist „Glas!" und seiner Form nach ein „Glasstab 1" 
Dieses Urteil aber wiederum ist an sich ein stummer 
Gedanken- Vorgang im rechten Gehirn; er würde auch 
stumm bleiben, wenn die erregten Stromkomplexe, die 
aufsprühenden Feuerschalen und Fanale der Begriffe, die 
dadurch gespeicherten Kraftwellen elektroider Spannung 

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sich einseitig im Gebiet der Phantasie, der Träume und der 
Gedankenspinnereien verlören, und allmählich im Meer 
der rechten Ganglienwellen, am Strande des nicht mehr 
Ausdenkbaren verebbten. Ist aber genügend Stromreiz 
vorhanden, so kann aus den Zentralherden der rechts 
aufgespeicherten Gangliengruppenwitterungen zweierlei 
erfolgen unter gleichzeitiger Einschaltung der gesamten 
von Außen- und Innenwelt erzeugten Reservekraft in 
beiden Hirnhälften (von der wir noch zu sprechen haben 
werden): einmal kann der Anblick des Glasstabes seine 
Begriffsfestsetzung zu einer Handlung führen, d. h. der 
von einem Muskelsystem, dem Benda'schen Hirnmuskel, 
ein- und ausschaltbare Strom geht auf die Korpermus- 
kulatur über, also es erfolgt eine Willensaktion, eine 
Handlung, also eine Muskelkraftauslosung im Glieder- 
system des Korpers, der „begriffene^ Glasstab wird 
„ergriffen** oder: der erregte Kraftstrom flutet durch den 
Balken zurück in das links gelegene Sprachzentrum, von 
dem aus nun die Muskelaktion, die Handlungen des 
Kehlkopfes, des Gaumens, der Zunge, der Kiefer einge- 
leitet wird; d. h. der Prozeß des Innengeschehens wird 
durch die Projektion der rhythmischen Bewegung nach 
links und von da nach außen zur Aussage, zum Wort: 
„Glasstab !** Da haben wir die drei Register der Him- 
orgel: das reale, das ideale, das aktive; oder: das adjek- 
tivische, das subjektivische und das verbale Register*), 
wobei verbal gleichbedeutend ist mit Satzverbum bildend, 
mit Aktion des Muskels, mit dem allgemeinen Tatregister; 
denn auch die Sprache ist Tat, Muskeltat, Umsetzung 
eines geistigen Innengeschehens in reale, manifeste, nach- 
ahmende Lautgemische von Qbertragungskraft. Ursprüng- 
liche Beobachtungen werden durch Nachahmungsgeräusche 
aus einem Gemisch von. Vokalen und Konsonantenver- 
kettungen unter Begleitung von Gesten- und Minenspiel 

*) Das j^emischte Wort -Tat-Regster* (Mauthner). 

25 



dem Miturmensehen mitteilbar gemacht, z. B. in den 
Worten: Blitz, Donner, Krachen, Zischen, Schleidien, 
Rauschen usw usw. Haben wir so die Entwicklungsge- 
schichte, gleichsam die fortlaufende Neugeburt der Be- 
griffe im Allgemeinen, wie ich hoffe, zwingend durch 
gehirnphysiologische Gesetzmäßigkeiten aufgedeckt in 
voller Obereinstimmung mit dem größten Philosophen 
aller Zeiten, Emanuel Kant, so bedarf es noch der 
Weiterfuhning dieser Erkenntnisse in die Hauptgebiete 
des Denkens: die Logik und die Phantasie, in die- 
jenigen Funktionen des Geistes also, welche die Philo- 
sophen die Funktionen der reinen Vernunft und der 
Vorstellung nennen, für welche ich gleichfalls absolut 
unangreifbare physiologische Einzelakte, d. h. ein be^ 
schreibbares Himganglienspiel von grandioser Einfachheit 
Ihnen aufzudecken gedenke. 

Idi beginne mit einer physiologischen Analyse der 
Funktionen der Phantasie, dieses Kronjuwels der Mensdi- 
heit, welches wahrscheinlich allein diejenige geistige Be- 
tätigung der Natur enthält, die den Menschen turmhodi 
über all ihre sonstige Sdiopfungen heraushebt, weil sie 
eine Brücke bildet zu dem größten Kunstwerk, das die Natur 
überhaupt aufzuweisen hat: das herrliche, einfädle, gute 
Menschenherz. Denn ohne die Vorstellungsmoglichkeit 
vom Leiden der Kreatur, welche eben den Kernpunkt 
der Phantasie ausmacht, wäre Mitgefühl, Mitleid und damit 
Güte und Opferfähigkeit gar nicht denkbar. Mögen alle 
anderen geistigen Fähigkeiten im Tierreidi ansatzweise 
gleichfalls vertreten sein, eine der unseren gleidiwertige 
Phantasie kann das Tier nidit besitzen, wie wir gleich 
sehen werden: hier ist bei uns zu der im Tierischen er- 
reichten Nervenfunktion geradezu etwas Metaphysisches, eift 
Wunder, hinzugetreten, welches die Nervensubstanz zu einer 
neuen, im Aufstieg der Materie zur Geistigkeit bis dahin 
unerreiditen Krönung geführt hat und damit den Meiisdien 

26 



zwar als ein Tierwesen, wenn audi das hocfate, erscheinen 
läßty aber ihn auch den ersten Sdiritt zur Göttlichkeit 
z. B. dem Genie eines Christus, eines Goethe tun lafit. 
Dieses metaphysische Wunder der Phantasietatigkeit, die 
uns sogar gestattet, in unserem Innern nodi einmal die 
ganze Welt mit allen ihren Ersdieinungen wie kleinen 
Gottheiten geistig zu reproduzieren, Gott nachzudenken 
und Betrachtungen über uns selbst, fiber unsere Stellung 
im Kosmos, ja über einen Sdiopfer uns eine sdiier uner- 
schopfbare Moglidikeit desNadisinnens gewährt, beruht nun 
dennoch auf einem sehr einfadien, aber von der Natur 
mit wunderbarer Genialität ersonnenen, mechanischen Vor- 
gang. Um es gleich kurz zu sagen: es ist die Rüdcwärts- 
schwingung der Nerven- und Ganglienbahnen, welche uns 
gestattet, die Welt zu spiegeln, uns selbst in der Welt zu 
betraditen, Zeit und Raum auszudenken und nadi Ur- 
sachen der Erscheinungen zu sudien. Während nämlidi 
für die gewohnlidie Betraditung, die audi dem Tiere zu 
Gebote steht, alle Reize der Sinne von außen nach innen, 
also gleidisam von den Klaviertasten zu dem Klavierkasten 
und seinen Saiten schwingen, so daß ein Pferd mit allen 
real sichtbaren Eigensdiaften, Formen und Farben vom 
Auge zum Sehzentrum gleichsam abphotographiert wird, 
geschieht bei der Phantasietätigkeit gerade das Umgekehrte: 
alle Ganglien, weldie das Gruppenbild eines Schimmels 
zusammensetzen, beginnen bei der Vorstellung eines 
Sdiimmels zuerst zu schwingen, und dann erzittern in 
rückwärts gerichteter Folge alle diese Nervenelemente bis 
zu den Stäbchen des Augenhintergrundes, die beim wirk- 
lichen Anblick eines weißen Rosses beteiligt gewesen sind. 
Das heißt eben, die Klaviersaiten beginnen primär zu 
erzittern, erregt von der schwebenden Reservekraft, weldie 
meinem Willen*) gehorcht, und bewegen auf scheinbar 

*) Ober den Medianismoi dei Willei liehe mein Buch „Vom Sdialtweric 
der Gedanken", Berlin, S. Fisdier, 27. Auflage. 

27 



mystische Weise rückwärts den ganzen Klaviaturmedianismus 
über Saiten, Hebel und Sdilagwerk bis zu den Tasten*). 
Daß das wirklidi so ist, beweist schlagend die Tatsadie, 
daß beim Denken eines „Phantasie-Schimmels" die Pupillen 
des Auges sich genau so verengen, als wenn das Auge 
das reelle Bild eines hellen Pferdes von außen empfinge! 
Übrigens ist der namentlich jetzt jedem so wohlbekannte 
Vorgang der Springbrunnenbildung im Munde bei der 
Vorstellung von Kaviar oder Hummersalat genau dasselbe. 
Die Vorstellung einer Speise erzeugt Saftmedianismen 
genau so, als wenn der Bissen schon im Munde stedete. 
Man sieht hier sdilagend die nahe Beziehung von der 
Phantasie zur Erinnerung, zu den Traum-Halluzinationen, 
und es ist sehr sdion ferdadit von der sinnigen Phantasie 
der Griechen, daß sie dem geflügelten Sohne und Diener 
des Gottes der Hypnose, S. Majestät Hypnos, Morpheus, 
drei Genossen mitgab: den Eikelos, den Gaukler (gleicher 
Wortklang!) den Schürer der Erinnerungsträume, den 
Kaleidoskopträger des Hindämmems und den Pfaantasus, 
den Träger der motivischen Kombinationen, den Wolken- 
bildner Schoner und traumbildhafter Moglidikeiten. Wenn 
sie den beiden Kammerdienern des Morpheus noch 
als dritten den Phobetor hinzufügten, den Erreger und 
Entzünder von Furcht und Entsetzen, den eigentlichen Gott 
der Warnung und des Alpdruckes, so haben wir hier 
wunderhübsch drei sehr wesentliche Elemente der Phantasie 
beieinander: ihre nahe* Beziehung zu Erinnerung, Traum und 
Halluzination, ihre Verwandschaft zu Grund und Ursache, 
und ihre Zeugungskraft von Furdit, Angst, Bedrohungsge- 
fühlen im Spiel mit lebensgefährlichen Denkmoglidikeiten. 
Bei näherer Betrachtung nun ergibt sidi, daß die Bilder 
der Phantasie fast durchweg Bilder des Augenlichtes sind**), 

*) Phantasietatiglceit ist also beherrschte Hallucination 1 
**) Die der Logik sind Sache des Ohres. Audi das Gelesene ist 
aufsfesdiriebenes Gehortes. 

28 



miteinbegriffen die Phantasie von Raum und Zeit und 
daß die Erwägun^fsmoglicfakeit von Ursadie und Wirkung, 
eigentlidi zu einem psychisdien Experiment geführt hat 
von entscheidender Bedeutung für die Stellung des 
Mensdien im All und auf Erden. Ein Tier muß jedes 
Element der Außen- oder Innenerregung als einmalig, 
reflexauslosend empfinden, weil es offenbar ohne Schluß- 
kräftige Phantasie ist. Warum idi das so kühn behaupten 
kann, wird gleidi erhellen*). Es kann sidi nicht fragen, 
warum geht die Sonne auf und unter, sondern es folgt 
dem Reiz des Sonnenaufganges und dem Untergang des 
Lichtes reflektorisdi. Wir aber konnten einst fragen: 
Warum fällt der Apfel in einer geraden Riditung zum 
Erdmittelpunkt? Das tat Newton und seine durdi die 
Phantasie erzwungenen Experimente des Denkens führten 
audi zu vielfach geistig abgeänderten Bedingungen des 
Fallgesetzes sdiließlidi zur Beantwortung* einer so uner- 
hörten Fragte, warum die Sonne auf- und untergeht? 
Femer zu der noch viel unerhörteren Erkenntnis, daß sie 
das gar nicht tut, sondern daß wir mit der Erde einen 
rhythmisdien Taumelweg machen, welcher uns den Gang 
der Sonne nur vortäuscht! So ist der Mensdi durdi die 
Setzung der Möglichkeit, daß ein Ereignis gedankengemäß 
auch anders ablaufen könne, durch eine unzählige Kette 
von solchen Gedankenexperimenten ohne alle äußeren 



*) Wenn Tiere Phantasie haben, und das ist wohl ^ewifi, denn sie 
träumen, so haben sie dodi nidit die Kraft, ihre Vorstellun^fen in 
Aussage (Sprache) oder auf kausalen Ermgungen beruhende Willkür- 
handlungen hinüberzusdiieben. Ihnen fehlt also sicher die Ansdilufi- 
moglidikeit einer rudimentären Phantasie an bewufite Handlungssysteme« 
also das verbale Register. Dagegen haben sie die Möglichkeit ihre 
Vorstellungen durch Gesten, Schwanzwedeln, Pfotenbitten, ja durdi 
mimisdies Lachen zum Ausdruck zu bringen. Denn Hunde haben 
sicher Humor. Ihr Humor entladt sich aber nidit durdi Atemstofie, 
sondern ist nur auf Mimik-Aktion besdirankt. 

29 



Apparate dazu gekommen, die Naturj^esetze zu erkennen^und 
er ist dadurch zu einem armen und zugleich doch so reichen 
dahinwankenden Ahasver in einer Wüste von Ursadien 
geworden! Denn leider zwar ist er ein Ursadientier, aber 
dodi für die letzten Ursachen ein klein wenig zu besdiränkt. 
Hier haben wir die nähere Erklärung für die Einheit des- 
Denkaktes von der Wahrnehmung im linken Gehirn und 
ihrer blitzartig und gleichzeitig einsetzenden Umschillerung 
mit Ideen in der rechten Gehirnhälfte; die immer not- 
wendige Parade des einfach real Wahrgenommenen vor 
den Generalen der Kant'sdien Kategorien-Einreihung, des 
Fixationsobjektes (wie Arthur Trebitsch sagen würde) in 
die Begriffe voii Raum und Zeit, und ihre Feuerprobe 
vor dem Begriffe der Kausalität. Alles Andere, was 
sonst noch zum Mondhof der links aufleuchtenden, nach rechts 
abgebogenen „reflektierten" Gangliengruppen gehört, wie 
Vergleich mit dem schon Erlebten, ihre Scheinwerfer- 
betrachtung vor der Warte der Möglichkeiten und Wahr- 
scheinlichkeiten, wird gleichfalls mittels des Idealregisters 
der Phantasie in der rechten Hirnhälfte glatt von der 
Partitur aller aufgezeichneten Erfahrungen abgelesen. 

Jetzt ist es an der Zeit, daß ich den schon ä:weimal 
gebrauchten Begriff von der elektrischen ^eservekraft des 
Gehirns etwas näher beschreibe. Der ewige Anprall, von 
Millionen von Außenreizen und ebensovielen Innenreizen 
(Milieu und Innensekretion) bringt es zuwege, daß dauernd 
im Gesamtapparat so etwas Ähnliches wie eine Art Reibungs- 
elektrizität entsteht (Reibung der Außen- und Innenreize 
an den Ganglienmaschindien), deren gewaltige Gesamt- 
kraft für gewöhnlich langsam im Strom der Gedanken 
abschwillt und nur manchmal, wie das Beispiel einer 
schallenden Ohrfeige beweist, zu explosionsartigem Aus- 

^ 

• *) Auch sie zu begreifen gegen den au^fensdieinlichsten Augensdiein 
bei der wissenschaftlich erschlossenen Rotationsraserei der sdieinbar Feste- 
sten/ Wohlg^egnindetsten, was die Steine zeigen, unserer Mutter Elrde. 

30 



brud verwandt wird.*) Es befindet sieb wahrscheinlich 
im' Gehimweiß 0nsula Reilii) beider Hälften eine Art 



<t; 



o — a lasula Reilii. 

scliwebender, blitzbereiter Gewitterwolken, ein Depot akku- 
mulierter Stromenergie, welche durch willkQrlidie Muskel- 
tätisfkeit in Aktion und zwar in beliebig gewollter Riditung 
zu versetzen ist Hier steckt das Problem des „Freien 
Willens". Es ist doch keine Frage, daß ich zum mindesten 
das Gefühl habe, eine in mir mobile Kraft (eben die 
Reservekraft) bald auf meine Körpermaschine, bald auf 
mein Sprachzentrum, bald in meine Organe stiller phan- 
tastischer Betraditung (auch „Dahindösen" genannt) will- 
kürlich loslassen zu können und ich habe es vorausgesagt**), 
daß . im Gehirn ein Muskel tätig sein müsse, der die 
drei Orgelregister ideal , real , verbal - aktiv beliebig 
meistert. Jede pbysiologisdie Erklärung des Denkvorganges 



*) Bei Kindern, welche nodi keinen vollgültig arbeitenden Kausal- 
apparat besitzen, leJgl aidi diese Reaervekraft reiJit auffalligf Sie ist 
so gewaltig, dafi unsere kleinen Tnunpler und Strampler unuUiligc Kilo- 
neter anBeinbewegungssuinmen über Tag leisten können, was sehr zwedc- 
gemKS ist zur Auibildung ihrer Beininuskulatur, uns Erwachsenen aber 
ebfadi unleislbar sein würde. Wir müssen eben einen gröfleren TeÜ 
unserer R«Mrvekraft zum Denken verwenden. Das ist auch der Grund, 
warum Sportsleute so selten Gedankeiiathleteii sind. Das invcJviert 
one Lehre vom Recht*- oder Linksidioteal 

**) S. Sdialtwerk der Gedanken. 



wäre haltlos ohne diesen aktiven Apparat zur Strom- 
einstellung in eins der großen Gebiete geistig -leiblichen 
Geschehens! Nun, der Muskel ist gefunden: es ist der 
von Prof. Benda zuerst im Mikroskop gesehene Muskel 
der Neuroglia, der eben stromrichtungbestimmend 
wirkt, während die Gefäßmuskeln nadi meiner Theorie dem 
Hemmungsapparate zugehoren. Also audi im Gehirn ist 
wie überall in der Natur d^r Wille gebunden an eine 
muskuläre Tätigkeit, weldie in letzter Linie eine Kette 
von kleinsten Dynamitexplosionen innerhalb der mikro- 
skopischen Muskelkästdien (nach Ottomar Rosenbach) be- 
deutet: Wir sehen also hier, daß der V(fille des Mensdien 
eine Art Zündkraft hat, was äußerst widitig ist für meine 
Theorie von der Infektiosität der Ideen, namentlidi audi 
der sdilediten Ideen, und von der Obertragbarkeit meines 
Willens auf den einer anderen Person in der Hypnose.*) 
Genug, die Macht der Gedanken ist also nur ausnahms- 
weise ein flatterndes Spiel der Phantasie, nämlidi nur im 
Falle völliger Entspannung des Benda*schen Muskel im 
Zustand der Ruhe, des Hindämmems, des Halbschlafes 
und der halbbewußten Träumerei, was man so eigentlidi 
„phantasieren^^ nennt, für gewohnlidi gehordit sie einem 
Aktionsapparat, der von der Ichzone des Ganglien- 
apparates, über die ich deinnädist zu berichten haben 
werde**), kommandiert und eingestellt wird. Dieses will- 
kürliche Spiel von phantasievoller Betrachtung des Gegen- 
ständlidien und der Vorgänge im Lebensumkreise hat nun 
den Mensdien auf die Stufe einer Beherrsdiung der 
Naturbedingungen gebradit, weldie. zum Aufrechtgehen, 
zur Sprache, zum Handwerk, zur Bekleidung, zur An- 

*) In der H3rpno9e ist die b'ewufite Orientierung in Raum und Zeit ab- 
gfedampft, lo dafi die Icfazone des betreffenden Hypnotisierten freiliegt, 
blofiiiegt für die Wiliensinfektion eines Andern. 

**) Siehe Lessing-Hodiscfaule ab 19. Januar 1920. ^Das Idi und die 
Unsterblichkeit. " 

32 



siedelunsr, zur Ethik, zum Anpflanzen der Emährungs- 
saaten, zur Züditung der Tiere, zur Beherrschung der 
gesamten Sdiopferkraft der Natur und zur Indienststellung 
der „rohen^ Kräfte des Alls, d. h. zur Gesamtkultur ge- 
führt hat. Das Alles im Namen der Phantasie, dieser nur 
dem Mensdien gegebenen Rudcspiegelung der Welt und 
der Moglidikeit, sie in sidi neu aufzubauen und dem 
gottlidien Schopfungsplane nahe zu kommen. Das Tier 
kann keine der Phantasietätigkeit völlig ähnliche Funktion 
besitzen, denn es ist ohne Handwerk, es hat keine von 
ihm selbst aktiv gewediselte, dem Klima anpaßbare Selbst- 
versorgung mit Kleidungsstüdeen; es kennt weder Moral 
noch Ethik, weder Kunst noch Wissensdiaft, kann sich 
sidi selbst nidit vorstellen und hat kein Bedürfnis nadi 
Kausalität und Kultur. Mit einem Worte, es variiert sich 
nicht selbsttätig. Ein Elefant vor Hunderttausenden von 
Jahren sah genau so aus und lebte genau unter gleichen 
Bedingungen wie heute, eine Maus vor zehntausend 
Jahren trieb dasselbe, was unsere heutigen Mäuse tun, 
während zwisdien einem Höhlenmenschen und einem 
Chauffeur im Dreß dodi einige deutlidie Untersdiiede 
bestehen! Hätte der Elefant unsere Phantasie, er hätte 
sie audi angewandt, um seine enorm überlegene Kraft 
gegen den Menschen aktiv zu Massenzerstörungen und zu 
unserer Vernichtung zur Wirkung zu bringen; so ist es 
umgekehrt gekommen: wir haben ihn und seine Riesen- 
sippe beinahe ausgerottet. Hätten die Gorilla das Hand- 
werk erfunden, Hämmer, Sdiießbüchsen und Schwerter, 
sie wären unser längst Herr geworden. Kein Tier konnte 
eben seine Arme, seine Sinne verlängern, wie wir, zur 
Fernwirkung und zum mikroskopisdien Sehen und Denken, 
weil ihm die kausale Phantasie fehlte. Ebenso sind wir 
durch die Phantasie zum aufrechten Gang gekommen, weil 
wir es den Tieren und den stürzenden Baumstämmen ab- 
gesehen haben, daß ihre Gewalt doppelt so groß ist, wenn 

33 



sie uns von oben überstürzen. So haben wir durdi 
phantasievoUe Nachahmung von Geräusdien allmählidi die 
Spradie erlernt. Beides, aufrediter Gang und Spradie 
durdi die Phantasie, weil es dem Nachgrübeln als zwedc- 
mafiig erschien. Das Tier kann sidi nidit selbst variieren, 
darum hat es weder Spradie noch Handwerk, nodi Kostüm- 
Wechsel, es ist allein dem Rhythmus des Milieus preis- 
gegeben, während der Mensch durdi Phantasie diesen 
Rhythmus zu seinen Gunsten in seinHerrsdierjodi zu spannen 
gelernt hat. Wer will femer leugnen, daß es die Phantasie 
war, die uns Wissensdiaft und Kunst, den Wiederaufbau 
der Welt im Rausche der Dichtung und im Meer der Tone 
gebracht hat? Wer leugnet es, daß alle Sittlichkeit in der 
Phantasie begründet liegt, namlidi so zu handeln, wie ein 
gedadites, verehrtes und geliebtes Ideal von gewesenen 
oder nodi lebenden Mitmenschen, ein Gott handeln würde 
in einem problematischen Falle? 

Bei diesen Betraditungen über die Phantasie mochte 
ich BLudk aufmerksam madien auf die Unterschiede, weldie 
in der Richtung der Phantasiebetätigung meiner Meinung 
nach zwischen Mann und Frau, so wie beider gegenüber 
dem Kinde bestehen. Die Phantasie des Mannes ist 
vomehmlidi bedacht auf seine Stellung zur Gemeinsam- 
keit und Genossensdiaft, seine Betätigung im Staat und 
vor der öffentlidikeit, sie umkreist gern den Begriff der 
vorgespielten Heldenhaftigkeit und der besonderen Rolle 
im Kampf mit den Elementen und den Naturgewalten. 
Ist er an sich sdion ein Experimentierobjekt, ein Versuchs- 
kanindien der Natur, weldier als Vorpostenkämpfer in 
Eis und Pole, in den Grund der Erde, bis zur Grenze 
der Atmosphäre in die Luft vorgesdiickt wird, um der 
Mensdiheit neue Arenen der Tat zu erschließen, so ver- 
stärkt seine Phantasie nodi der gewaltige Trieb nadi 
Vorwärts in Kunst und Wissenschaft, er hat eine Richtung 
zur Fortentwicklung durch heroischen Einsatz der Per- 

34 



sonlicfakeit und damit einen Hang zur Unsterblichkeit 
seines Namens und einen Zug ins Metaphysisdie. Man 
kann sagen, seine Eitelkeit gaukelt ihm durdi die Phan- 
tasie irgend eine Fuhrerschaft vor, die bei großer Sehn- 
sucht auch zur Hohe führen kann. Der Mann ist also 
der Grubler über den Zusammenhang der Dinge, der 
Ergründer, der Finder und die Gemeinschaft der Männer- 
pfaantasie hat ja der Erde beinahe eine elektrisdie Him- 
organisation durdi Apparate und Bewegungstrager auf- 
gezwungen durdi Sdiaffung von städtisdien Gehimzen- 
tralen und eines telegraphisdien Netzes von Signalen, 
weldie in jedem Stücke ein Riesenabbild der Nerven- 
organisation unseres eigenen Gehimtastapparates ist 

Im Gegensatz hierzu geht die Phantasie der Frau von 
Natur auf Erhaltung ihrer hohen Begehrbarkeit, im letzten 
Sinne auf die Moglidikeit der Mutterschaft aus. Dadurdi 
gewinnt der Charakter der Frau ganz von selbst eine 
tiefere, schollenstandige, bodenwurzelnde Beziehung zum 
Oberlieferten, wie sie ja audi wohl als Erhaltung „frohen 
Busens, reiner Sitte, frommen Wandelns^ die hodiste 
Schätzung in allen Landen erreidit hat. Ihr Wesen ist 
eigentlich konservativ und nidit evolutionistisdi-vorwärts- 
drangend, was mehr ein Produkt der Kultur, als der Natur 
sein dürfte« 

Die Phantasie des Kindes ist voll spielerischer Naivität. 
Ja, es hat eine Art heiterer Phantasiestimmung, falls es 
nodi nidit erzogen (denkuniformiert) ist, die ihm etwas 
Geniehaftes gibt. Es beseelt und belebt alles und denkt 
es phantastisdi um: ein Stuhl ist eine elektrisdie Bahn, 
den frei gehaltenen Eimer füllt ein nicht vorhandener 
Quell aus der steinernen Wand, ein Kissen ist ein Bär 
oder ein Affe, ein runder Holzkopf ein zärtlich geliebtes 
Lebewesen. Die Riditung seiner Phantasie ist die eines 
naiven Egoismus ohne Sdiuld, eine Paradiesesstimmung, 
aus der es Federhalter, Fibel, Alphabet und Schiefertafel 

35 



vertreiben. In seinen Spielen steckt die testamentarisdi 
verankerte Notwendigkeit früherer Mensdiheitsperioden; 
nichts spielt ein Kind so gerne als Sand graben, Wasser- 
rinnen ziehen, Kanäle bauen, Flüfidien und Pfützen durch- 
waten und kriegerische Zusammenrottungen bilden, die 
einst die Not der jungen Mensdiheit mit bitterem Ernste 
eingeübt hat. Diese Beziehung tritt deutlidi bei fast 
zitternder Lust des Kindes beim Anblidc oder Berührung 
mit Ziegen, Kühen, Lämmern, I^erden zu Tage, die einst 
die Genossen der Herdenvolker waren. Hier blüht 
aus der Wonne der erstmaligen Begrüßung der Begleiter 
unserer Altvordern beim Kinde eine händeklatschende 
Erregung auf, die an die Wahrheit des alten Sokratisdien 
Satzes gemahnt, wonach alles Lernen und Wissen ein 
Wiedererkennen sein soll. 

So ist es die freischaffende Phantasie, weldie das Reale 
umkreist wie Arabesken und Variationen um das Herz eines 
Akkordes zittern, weldie mit rankenden Rosen die Terz 
des Todes aus gekreuztem Holze umkränzt, die Phantasie, 
welche ihre flatternden Tauben um alle Türme, Kuppeln, 
und Giebel des Gegenständlichen kreisen läßt und ihre 
spürenden Sdiwärmsporen hineinsendet in alle geheimnis- 
vollen Gewölbe und Krypten der Lebenswunder und 
Mysterien der Welt! So steht ganz im Gegensatz zu dieser 
Rosenkonigin des Mensdiengeistes die Logik fest wie ein 
eiserner Tyrann da, wie ein Scharf riditer, der die vaga- 
bundierenden Spielleute des Traumlebens ausrottet, ein 
schneidender Wind, weldier die Himmelswolkenspiele von 
Zaubergebilden der gestaltenden Einbildungskraft wegbläst 
wie einen Rauch vom Herdfeuer! Und doch sind sie 
Geschwisterkinder des rdflektiven Denkens. Das muß 
bildhaft belegt werden. Zeichnen wir uns wieder unser 
Schema der beiden Hirnhälften, so können wir es ver- 
stehen, daß z. B. 2x2 als Empfihdungsangelegenheit des 
zweimal gezählten Fingerpaares oder des zweimal 

36 



empfundenen Pulsscfalag^paares als widersprudislos im 
Realregfister gemeldet wird; es ist damit die Multiplikation 




wie eine links als real empfundene Manipulation vorhanden. 
Wird nun dieser Prozefi der reinen Empfindung als eine 
links schwingende Gangliengruppe, redits als eine neue 
gegenstandliche Einheit paraphrasiert, umfranzt, um- 
sponnen mit Moglidikeiten, und wollte nun jemand laut 
und voller Ernst dazwischen ausrufen: 1,2x2 ist 5!^ so 
gesdiieht Folgendes: ein gewisses Unbehagen, eine Art 
höhnender Spottstimmung, eine Neigung zur Abwehr, ein 
Gefühl ärgerlichen Unzufriedenseins bedrückt uns, d. h. 
unser aller sympathisdies Nervensystem erhält eine Art 
Zerrung, weldie sich bis zu einem physisdien Unbehagen 
m der Magengegend, d. h. dem Zentralsitz des sympa- 
thisdien Sonnengefledites, des Grundstodces alles nervösen 
Lebens fortpflanzen kann. Es erregt aber audi im rechten 
Gehirn geradezu einen Stromstrudel, weldien wir durdi 





verschieden gerichtete Pfeile andeuten wollen. Das ist 
der Strudel der Fragezeichen! 



37 



Es ist ein allgemeines physiologisches Gesetz , daß 
überall, wo etwas Störendes im Betriebe geschieht, erstens 
mehr Blut zugeführt wird und zweitens der bedrohte Teil 
mit besonderem Kraftstrom aus dem Reservefond des 
weißen Hirnlagers versorgt wird. So schießt auch viel 
Blut in die Phantasiezone, welche etwas Ungereimtes zu 
verarbeiten hat; Blut isoliert aber, und so wird die be- 
gleitende energische elektrisdie Stromwelle eines Teils 
durch Neurogliahemmung redits abgefangen, umstellt, ein- 
geengt, und ist gezwungen, sich ins linke Hirn zurück zu 
ergießen, dahin, wo hinzuströmen jede redite Energie- 
gruppe strebt zum Sprachzentrum, zur Aussage, zum Pro- 
testruf: „Nein! Nein! Niemals!^ Damit nidit genug, die 
entfesselte Protestwelle kann sich nicht immer voll in 
Worten entladen, Worte werden leidit und oft durdi 
Gesten illustriert und so begleitet unser abwehrendes 
„Neinl^ die Geste der Anerkennungsversagung: das ener- 
gische Kopfsdiütteln und eine hohnende Mimik des Ge- 
sichtes. Wenn aber nun ein anderer sagt: „Nein, Nein! 
2X2 ist und bleibt 4**, so gibt es>in ganz anderes Strom- 
spiel in den beiden Gehirnhälften. Links sind 2X2 als 
real genommen und rechts entsteht kein Stromwirbel, 
keine Verhedderung der Ideen, kein Ganglienknarren, 
keine Verwirrung der aufgescheuchten Denkmoglicfakeiten, 
sondern ein harmonisch geschlossener, volltonender Akkord 
wird allseitig durdi den Blutstrom in der Neuroglia umzirkelt, 
in klaren Krystallrahmen gefaßt und es werden keine 
Nadibarganglien Einbrfidie in diese einzige Denkmoglicfa- 
keit, keine widersprechende „Einfalle'' gestattet, Real- 
und Idealregister sdiwingen in einer Einheit unter seeli- 
schem Wohlbehagen eine Zeitlang hin und her, wie die 
beiden Schenkel einer Stimmgabel, wobei der linke Sdienkel 
wie der rechte harmonisdi vibrieren. 

Hier stellt sidi also die Tatsadie heraus, daß die Logik 
eine Art ästhetischen Wohlbehagens im Himmechanismus 

38 



erzeugt, das wir durch Nacfalafi aller Muskelspannung' 
befaasflidi mit einem Kopfnicken, der Geste des Beusrens 




/ 



und Verbeugens beantworten, während alles Unlogische 
zugleich ein asthetisdies Unbehagen, das Gefühl einer 
schnarrenden Disharmonie erzeugt Es kreischt hier etwas 
auf, wie audi ein Sdienkel einer tönenden Stimmgabel auf- 
knirsdit, wenn man ihn mit einem Blatt Papier berührt. 
Dasselbe Aufknirschen der Gehimspulen gleich dem Hin- 
eingeraten von mehreren Körnchen Sand in einen Prä- 
zisionsapparat empfinden wir, wenn Dinge miteinander 
verbunden werden sollen, welche gleichsam nidit unter 
einen Hut, nicht unter Dadi und Fadi, „gedadit^ werden 
können, unmöglidi vereinbar sind, wie z« B. bei der Addition 
von 7 Stühlen und 2 Tisdien — ja — hol' es der Kuckuck, 
zu was? Solange man die Einheit, die einsprudislos 
aufleuditende Phantasiezellengruppe, in diesem Falle „Mö- 
belstücke^ (also 7 Stühle und 2 Tisdie sind 9 Möbelstücke) 
nicht gefunden hat, kann das ästhetische Wohlbehagen 
eines schlußkräftigen Gedankenspiels nidit erfüllt werden. 
Ähnlidi oder vielmehr genau so ist es in der Mathematik 
und Algebra, z. B. können Brüche ^/s und ^/b nicbt 
ohne Weiteres zu einer Leuchtkuppel der reditsseitigen 
Gangliengruppe addiert werden, wenn nicht vorher durch 
eine Redinungsmanipulation von 

39 



beide Nenner auf den Oberbesfriff von 72stel gebracht 

sind, dann sind 

,, , ,, 27 + 56 83 

I' + /• = -^2— = 72 

und damit ist die ästhetische Schwingun^swelle von redits 
nach links im Gehirn moglidi {geworden. Sagt man z. B. 
der Mensch ist ein Tier, so kann das für einen Augen- 
blick das GeffihI einer logisch begründbaren Gleichsetzung 
erscheinen. Jedenfalls regt ein soldi faalbwahrer Satz 
zum Nachdenken an und seine Sdieinwahrheit wird bei- 
behalten, bis die Phantasie durdi M^infälle^ in den Begriff 
die Gleidiheit von Tier und Mensch durch Vergleiche in 
Frage stellt. In die beabsiditigte Harmonie der Gleidi- 
sdiwingung von rechts und links im Gehirn fallen plötz- 
lich die Einwände gegen diese Form von Gewaltigung 
der Logik ein, deren Erwachen durch ein AUgemeingefGhl 
des Zweifeins d. i. das Hin- und Hersdiwanken der phan- 
tasievollen Innenbeleuditung sidi ankündigt. Verdichten 
sich diese tastenden, streifenden Wolken zu Regen, so 
hagelt es nur so auf den aufgespannten Begriffsschirm 
mit Einfällen, wie z. B.: Aber der Mensdi geht aufredit, 
hat eine Sprache, besitzt Handwerkzeug, kleidet sidi, hat 
Kultur, kennt Poesie usw., lauter Dinge, die das Tier 
nicht hat; die Logik sagt also, physisch ist der Mensdi 
hodistens tierähnlidi, er ist ein Tier mit Phantasie begabt, 
„der Mensdi ist ein phantastisches Tier''. Dabei be- 
ruhigen wir uns, denn es hat Allgemeingültigkeit und bei 
unserer Kenntnis vom Wesen der Phantasiebegabung des 
Menschen kann diesem Satze nichl widersprochen werden. 
Er ist fast mathematisch richtig, wie a^a, beide Him- 
stimmgabel- Schenkel schwingen im gleichen Sinne, ja, 
ihre Aussagen sind sogar in gewissem Sinne vertauschbar, 
denn wenn der Mensch ein phantastisches Tier ist, so 
wäre auch ein Tier, mit Phantasie begabt, ein Mensch 
oder sehr menschenähnlich. Das heißt, die Harmonie 

40 



zwischen dem Real- und Idealrej^ster unserer Himorgei 
ist hergestellt. 

So ergibt sich ohne Weiteres durch Analyse der Him- 
funktion, was die Philosophie und Erkenntniskritik schon 
längst also formuliert hat: daß dasjenige logisch ist, was 
Allgemeingültigkeit- hat und in sich widerspruchslos ist. 
Die Allgemeingültigkeit basiert auf der Gleichheit der 
Zell- und Neuroglia- und Blutumlaufsfunktion und dem 
allen Menschen gemeinsamen Mechanismus der Nerven- 
elemente und die Widerspruchslosigkeit beruht auf der 
Unmöglichkeit, durch die wildeste Phantasietätigkeit Ein- 
wände, Einbrüche und »»Einfälle^ in ein allseitig ge- 
schlossenes Lichtreservoir der rechten Gangliengruppen zu 
ersinnen. Nur eins konnte die reine Erkenntnistheorie 
nicht erklären oder aufdecken, warum nämlich das Behagen 
bei einer logischen Gedankenkette ein künstlerisch ästhe- 
tisches Vergnügen, eine Rhythmuserhohung der Persönlich- 
keit bedeutet» und wodurch dies Wohlgefühl entsteht. Das 
sei ein bescheidener Hinweis darauf, daß unsere Methode 
der Deutung geistiger Gedankenbewe'gungen durch phy- 
siologischen Mechanismus vollauf berechtigt ist. 

Wird übrigens die Unlogik überrasdiend und knickartig 
eingeführt in Behauptungen der Art, wie sie z. B. tatsäcfalidi 
ein Schüler, der aufgefordert wurde, einen Satz zu bilden, 
sidi leistete: „der Konig ist ein Tisdi^, so entsteht audi ein 
Assoziationsknidc, es knackt etwas im Denkapparat, und 
die gänzlidie Unmöglichkeit, einen Begriffsregensdiirm 
zum Unterkriedien von Tisdi und Konig unter ein Dadi 
und Fadi zu ersinnen, führt zur Verwirrung der Ganglien- 
busdiel, zur Gehimübemimpelung, die nur das Ladien 
auszugleiten vermag.*) Die strenge Logik dagegen ist gänz- 
lidi humorlos und protestlos, weil es bei ihrer Handhabung 
durdi Meistergehim zu soldier Art Knickung und Ganglien- 

*) Siehe: „Von der Seele*. Humor. 

41 



verrenkunsf gar nicht kommen kann« Das ist das Unge- 
mütliche an jedem, der nidits ist als reiner Denker. Wehe 
dem Geiste» der nichts ist als ein Präzisionsinstrument 
der beiden Vorderhime» dem die Intention der Weltall«^ 
Steuerung durdi das Sonnengefledit» das Hineingreifen 
der unbewußt sicheren Ffihrersdiaft dessen, was man GemOt 
nennt, fehlt. Wehe der Kultur, die reines Vorderhim- 
Produkt ist! Ohne die Sympathicusanteilnahme am Denk- 
prozeß und seine Steuerung durch die empfundenen Richt- 
linien des Gesamtwillens der Welt ist alles Denken eitel 
und vergebens. Das mit dem Herzen denken darf nie 
ein Mensch, nie ein Volk verlernen: immer droht der 
Zusammenbruch. Alle Kulturen versinken durch Ober- 
sdiätzung des Verstandes zu Ungunsten des Gemütes; 
auch diesen Kernsatz menschlidier Gedankentatigkeit 
können wir aus dem Mechanismus der Ganglienfunktionen 
einfadi ablesen und kräftig unterstützen. Leider muß idi 
es mir an dieser Stelle versagen, den Medianismus des 
Gefühls zu erlautem, dessen, was wir Herz und Gemfit 
nennen, der einzig und allein an Urvorstellungen und 
dem unterbewußten Wissen des Sympathicus unter dem 
Zwerdifell (Plexus solaris), wo also einst mit einer divi- 
natorisdien Ahnung des Zusammenhanges die Griedien 
die „Seele" vermuteten, gebunden ist im Verein mit der 
Phantasietätigkeit der rechten Himhälfte. Alles, was 
Gemüts- und Gefühlserregung ist, ist sympathisches 
Empfinden, und kommt auf Mitleidsstimmungen mit sidi 
und mit anderen auf „Einfühlung" hinaus und hat die 
allernächste Beziehung zur inneren Unruhe, zum direkten 
Schmerz und der Bedrohung des Bestandes, und zwar 
durdi vergleidiweises an die Stellesetzen des eigenen 
Gesdiickes (des Ichs) an die Leidempfindung des anderen, 
einer Kreatur überhaupt, eines gefallenen Vogeleins, ja einer 
in der Hand geknickten Blume, eines blitzgetroffenen oder 
sturmgebrodienen Baumes, ja, an das mit der Phantasie 

42 



vorsfestellte Weh des Unbelebten, der Erde, des Alls, des 
Gottes! Das Mitschwins^en des sympathisdien Gefühls- 
medianismus durdi die Phantasie ist das, was wir im 
aUerdingfs falschen Sprachgfebraudi unserer Diditer und 
audi des Alltag unsere Seele, Mensdienseele nennen, ffir 
die man besser Herz und Gemüt sa^en wurde, weil 
die Seele etwas Metaphysisches ist, gar nidit dem Korper 
angehört, sondern der goldene Faden aus deih Glutenherz 
der Welt, der Allseele ist, weldier sidi erst den Korper 
erbaut hat und ihn oberhalb der Sphären seiner Inkarnation 
lenkt, leitet und zusammenhält; sowohl Sympathicus, Gehirn, 
Ruckenmark und alles Gewebe sind ihre Werke, und sie 
betätigt sich in jeder Stunde an den feinsten Sdiwingungen 
und dem Weben des gesamten Zellebens. Die Brücke 
aber zu ihr ist für keines Mensdiengeistes nodi so zarte 
Sohlen betretbar, sie ist wenigstens wissenschaftlich nidit 
aufspürbar, ihr kann man nur mit dem Glauben und der 
Kunst nadilausdien mit geheimnisvollen Sdiauem, wie sie 
die Gefilde und Wälder unseres Leibes und der Welt 
durdirauscht und fiberstrahlt. Sie aber mit sdieuer Hand 
umtasten und ihrem unerkennbaren Wesen nadispüren 
mit einer Sehnsucht, die ewig ist, wie sie selbst, ihre Er* 
zeugerin, das kann der Geist und die phantasievolle 
Ahnung tun, die beides ihr Werk, ihr Apparat sind. Die 
gemeinsame harmonische Betätigung dieses Apparates 
wollen wir Verstand nennen, und den Einklang dieser 
Verstandestätigkeit in die Ziele, Riditung und das Wesen 
der metaphysischen Seele ist das, was wir Vernunft nennen, 
das goldene Band, weldies alle Mensdiengedanken ver- 
bindet mit dem Plan der Welt, mit ihrem nur ahnbaren 
Sinn und dem rätselhaftem Wege, auf dem sidi Erde, 
Planeten, Sonne und Glutennebel und -Spiralen, weldie 
Milchstraßen bilden, fortbewegen, denn alles ist auf einem 
Spiralwege zur unausdenkbaren Ewigkeit. Das aber, wo von 
uns zwar unentzifferbare aber fühlbare Funkenmeldungen zur 

43 



Riditung und vom Rhythmus des Alls übermittelt werden» 
ist die Marconiplatte des sympathisdien Nervengfeflechtes, 
der vom gfrofien Ganglion unseres inneren Leibes aus- 
strahlend jedes Orgfan umspinnt mit den feinsten Faser- 
masdien eines beinahe allmäditigen Waltens und Schaffens, 
der ebensowohl die Tätigkeiten der Drüsen und der für 
den geistigen Lauf unseres bewufiten Himapparates so 
widitigen Saftproduktionen (innere Sekretion) beherrsdit, 
wie die Aktionen des eigentlidi geistigen Apparates selbst, 
die Himf unkttonen und ihre Regelung durdi den Hemmungs- 
apparat des Blutes und der Neuroglia. Hier im Sym- 
pathicus und seinen vom Rhythmus des Alls und dem 
des Milieu gesteuerten gegebenen Signalen haben wir 
die tiefsten Gewölbe des Unbewußten oder des Unter- 
bewußten zu sudien. Sie durdirinnen alle geistigen 
Tätigkeiten normaler Weise. Ihr Widerspruch gegen die 
aussdiließlidie Betätigung einer dem Egoismus zuneigenden 
Funktion des Vorderhims, gegen die Alleinherrsdiaft der 
sogenannten Mentalität, d. h. der Betraditungsweise der 
Welt und der Umgebung nur aus den kalten Scheinwerfern 
des Gedankens, bäumt sidi auf unter Qualempfindungen 
und Peinigungen, die man eben die Stimme des Gewissens 
nennt. Vor diesem ungeheuren Wunder, das die Stemen- 
welt unser 1500 Millionen leuditender Ganglienzellen zu- 
sammenhält und riditet mit den Zwergenfingerdien einer 
metaphysisdi eingestellten Regulation durdi den Sympa- 
thicus, dessen Widersprudi gegen die Oberwudierungen 
der Selbstsudit eben das Gewissen ausmadit, zog der 
größte Philosoph der Welt, Emanuel Kant, seinen Hut, 
ebenso wie vor der Welt der Sterne da über uns. 

Eine Frage, weldie nun vielfadi unsidiere Begriffs- 
sdiwankungen angeriditet hat und nodi anriditet, ist die, 
weldie sidi klar zu werden sudit, was eigentlidi in unserem 
Denken subjektiv und was objektiv ist. Man kann ja 
soweit gehen wie Sdiopenhauer, diese ganze Welt und 

44 



ihre Ersdieinungen als eine subjektive Halluzination von 
uns zu erklären. Man erinnere sidi an das bekannte 
Gespräch Schopenhauers mit Goethe. Beide wandeln das 
Tal entlang; in prachtvollem Purpurleuditen überstrahlt der 
Sonnenuntergfang nodi einmal die Erde und beide Geistes- 
konige staunen die Schönheit des Anblickes an. Da sagt 
Sdiopenhauer: ^^Und nun zu denken, Exzellenz, daß das 
Alles, die Glut, die Wolken, die beleuditete Erde, die 
Sonne im koniglidien Purpurmantel gar nidit wären, wenn 
wir nidit wären, die wir sie uns vorstellen!" Worauf 
Goethe sdiulterklopfend ausrief: „Umgekehrt! mein 
Lieber! Sie wären nidit, wenn sie, die Sonne, nidit wäre!" 
In der Tat, dies Gesprädi enthält die berührte Kern- 
frage: „Was ist subjektiv, was ist objektiv?*' in klassischer 
Form. Um Sdiopenhauer zu widerlegen, nach weldiem alles 
nur Vorstellung, die Welt eine Art halluzinatorisdien 
Traumes von uns ist, mufi man dodi die einfache Frage 
aufwerfen, gebraudit man denn zum Halluzinieren nidit 
einen Apparat, unseren Geist, der dodi dann wieder eine 
Art Camera obscura, eine photographisdie Dunkelkammer 
wäre, die umgekehrt, me beim natürlidien Photographieren, 
aus ihrer Innenplatte hinaus, durdi Linse und Liditrohr 
sdieinwerferartig die Welt hinausprojizierte in die Welt? 
Aber die halluzinierende Platte, ein Illusionen produzierender 
Apparat müfite dodi sidier audi Mnrklich d.h. objektiv dasein, 
um Vorstellungen vom Sandkorn bis zum lieben Gott zu 
ermöglichen. Auch kann ich mir „vorstellen" mit meinem 
Denkapparat und dem ihm innewohnenden Kausalitäts- 
bedürfnis, das ein gewaltiger Gott uns und das All träumt, 
daß die Welt eine Halluzination eines Urgewaltigen sei, 
aber ich kann nidit annehmen, daß ein Sandkorn des 
Alls, der winzige Mensch imstande sein sollte, sich einen 
Gott und eine unendliche Welt auszudenken; das ist bei- 
nahe größenwahnsinnige Oberhebung, abgesehen davon, 
daß dodi auch dazu ein Apparat, das Gehirn, gehorte. 

45 



Nein, der Apparat des Mensdien ist vorhanden. Ich bin, 
weil ich midi fühlen und denken kann, aber mein ganzer 
Leib und mein Geist ist nur ein winziges Prisma, in 
weldiem Welt und Himmel, Sterne und Sonne ihr ewigfes 
Licht bredien zum bunten Farbenbande wie die Strahlen 
in einem Tautropfen; wie wunderbar aber muß dieses 
Prisma, dieser Tautropfen geistig eingestellt und gebaut 
sein, wenn sie das ganze All wiederzustrahlen vermögen 1 
Was ist nun aber an dieser Spiegelung wirklich, was 
produziert in der Tat- dieser Apparat selbsttätig, was ist 
objektiv und was subjektiv? Wir wissen sdhon aus unse- 



%/vi/C 




A.<J^*«/ 



rem Schema von der gedoppelten Gehimhälftenfunktion, 
daß links die ganze adjektivisdie Welt durch die Sinnes- 
taster empfunden wird, es ist also unmittelbar einleuchtend, 
daß alles, was zum linken Himgebiet Meldungen entsendet, 
real ist, selbst dann, wenn diese Realität nichts sein sollte, 
als ein Effekt einer ätherischen Bewegung. Wenn die 
ganze Welt sidi auflosen ließe in Bewegungsprobleme von 
Lichtfeldern, dann wäre immer nodi der Vorgang der 
Reibung der Erscheinungen an den Lichtfeldergruppierungen 
meiner Sinnestaster ein durchaus realer; der Geist de& 
Gegenständlidien, sein gedanklicher Gehalt wird dann abge- 
lesen von den ebenfalls geistigen Rotationssystemen meiner 
Ganglien. Geist schnuppert, tastet, deutelt am Geist: das 
ergibt Wahrnehmungen, inneres Zusammenprallen, An- 

46 



rempelungen^ Durdirieselungen von Liditwellen, die wir 
eben für „wahr*^ d. h. nachwa^fbar, wirklidi, real nehmen. 
Alles, was also in der linken Himhälfte als ^egenstandlidi 
empfindbar ist, ist auch objektiv, d. h. ihm entspridit ein 
wirklidier Vorgang. Zu unserm eigensten Eigentum wird 
dieser Vorgang erst durdi die Umsdileierung, Betastung, 
Umsdiillerung durdi das reditsseitige Phantasieregister, 
weil dieses meine gesamten Erlebnisse durch Erinnerung 
und Gedächtnis aufspeidiert und das soeben gegenstand- 
lidi Gewordene einreiht in die Kategorien meiner Er- 
fahrung und vor den Hodistkommandierenden, den Ma- 
jestäten der Logik und der Phantasie einen Parademarsch 
voUffihren laßt. Dadurdi erhält nun selbst der betastete 
Glasstab und alles Beobachtete sofort einen subjektiven 
Einsdilag und Arthur Trebitsch hat wohl Redit, wenn 
er in geistvoller Weise die Ansidit verfidit, dafi Sehen 
schon Denken ist, daß der ganze Apparat vom Fixieren 
des Bildes bis zum Urteil sofort in Sdiwingung ist, so 
wie etwas eben fixiert wird, resp. sobald unsere Ganglien- 
apparate von einem Gegenstand fixiert werden, was 
richtiger sein durfte. In keiner Beweisführung kann diese 
Tatsadie so klar begriffen werden, wie in der unsrigen 
von der versdiiedenen Funktion beider Hirnhälften, die 
aber stets wie siamesische Zwillinge miteinander ver- 
wachsen, audi zu gleicher Zeit in Aktion treten. Nun 
aber geschieht in der rechten Hälfte des Gehirns, 
also im Phantasiegebiet, etwas Merkwürdiges. 
Nadi einem subjektiv eingefangenen Eindruck eines Glas- 
stabes z. B. kann, wenn die Zone des Ichs im Gesamt* 
gehim unsere aufgespeicherte R^servekraft voll und nadi- 
haltig auf diese Glasstabgruppe leitet, weldie durdi Logik, 
Erfahrung und Routine den Glasstab als soldien klassi- 
fiziert und eingereiht hat in den großen Aktensdirank der 
personUdien Erlebnisse, so kann, meine idi, von hier aus 
dieser Phantasiebezirk sich gleichsam wie eine heuge- 

47 



borene geistige Einheit, wie etwas zusammengeballtes 
SelbstandigeSi wie eine Art erzeugter Systase oder geistiger 
Zellkomplexy wie Rhythmuskontakt und -Infektion im Phan- 
tasiegebiet ausdehnen. Unendlidie Möglichkeiten, Wahr- 
scheinlidikeiten, Variationen, Gesetzmäßigkeiten, Hypo- 
thesen können erwogen werden, aber sie sind alle völlig 
subjektiv, alleiniges Eigentum des Gedankenspinners für 
sidi. Wenn aber Newton sidi seinen Phantasien über den 
fallenden Apfel überließ, und diese führten sdiließlidi 
weiter und weiter in vermutete Geheimnisse, die dem All 
und seinen Gesetzen angehören, so gesdiah und kann es 
immer wieder gesdiehen, das gewaltige Wunder einer 
Gedankenmadit, mittels deren die völlig subjektive 
Mensdienphantasie Dinge produziert, weldie AUgemein- 
gultigkeit haben, und widerspruchslos sind, logisdi also 
unwiderlegbar. Dann gebiert die vom Objektiven befrudi- 
tete Phantasie, so subjektiv sie audi gearbeitet hat, 
dennodi etwas, was auch objektiv riditig ist, d. h. die 
Phantasie und die Logik entsdileiem die Welt; sie finden 
ihre realen Gesetze, sie denken die Gottesgedanken der 
Natur nadh, sie sdiaffen und bauen die Welt geistig nodi 
einmal, sie betreten die Werkstätten und Arsenale der 
Sdiopferkraft und verkünden den Brüdern, was sie im 
Reich des Metaphysisdien mit untrüglidiem Geistesauge er- 
blicken. Denn alles Geistige, ob falsdi, ob riditig, infiziert, 
wie die Bazillen, es übersteigert den Rhythmus des Gedankens 
kontaktartig; daher haben Gedanken ihre ungeheure Madit 
über die Massen gewonnen. Ideen sind infektiös und von 
der Phantasie des Einzelnen gewonnene unwiderleglidie 
Betraditungsspannungen, Konzentrationen des Geistes zu 
explosionsartigem, dynamitähnlichem Gefüge können zu 
der geballten Flocke werden, die durdi Vogeltritt im 
Sdinee entstanden, sdiließlidi zur Lawine wird. Denn der 
ursprünglidi subjektive, über„zeugende'S also infizierende, 
befruditende Gedanke von den Grundgesetzen der Natur 

48 



kann Völker in Bewegung und den Erdball in Brand und 
Vemiditung versetzen, wie wir, die Oberlebenden dieser 
Weltkatastrophe, das schaudernd mit angesehen haben 
und noch mit erleben. 

Die Macht der Gedanken aufiert sich also nidit allein 
in der Auffindung von Gesetzen der Natur, wie z. B. des 
Gedankens, daß alle Menschen vor Gott gleidi seien; 
sondern sie ist deshalb ebenso segensreidi wie gefährlidi, 
weil sie infektiös ist. Dann wehe! wenn von unreifen 
Gehirnen der Menge soldie Gedanken wie die der Gleich- 
heit der Menschen vor Gott, unlogisdi verzerrt, eine 
problematiscJie Ableitung erfahren, wie etwa: „Also sind 
auch die Menschen unter sidi gleidi**! so entsteht der 
umstürzende Irrtum, welcher nodi viel ansteckender, seudien- 
artiger wütet, als die produktive, frucJitbare, erkenntnis- 
schaffende, positive Idee. Irrtum und Lüge sind ja die 
beiden Wechselbalge der Phantasie, die bei einem ge- 
wissen Eigensinn, dem Beharren auf falsdien Ideenketten 
eine oft unausrottbare, verzweiflunggebärende Madit ent- 
falten. So können IrrtOmer und Sdieinformeln die un- 
heimliche Macht ansteckender fixer Ideen erreichen und 
wahnsinnsartig zur Vemiditung führen, weil eine der Zone 
der Phantasie eingekeilte Phantasterei die Tyrannei 
eines Kronprätendenten der Vernunft gevrinnen kann. 
Es gibt also auch im Gehirn falsdie Smerdisse und 
Demetriusse, weldie sich auf die Thronsessel schwingen. 
Sparen wir uns dies grause Bild für die Analyse 
der Hysterie auf, bei der die falsch gericjitete, lügen- 
ähnlidie Phantasie die ungeheuerlichsten Bocksprünge und 
Epilepsien der Vernunft fabriziert, bleiben wir für jetzt 
nodi bei den viel erquiddicheren Leistungen, welche die 
Macht der Gedanken der Mensdiheit sdion beschert hat. 
Es kommt uns ja hier nidit auf eine Aufzählung aller 
Gebiete an, auf denen die Gedankenmacht sich sdion be- 
tätigt hat und nocJi betätigen wird, sondern wir wollen 

4 49 



ja our die physiologisdien Wege am Gehirnapparat 
studieren» den Medianismus erkennen, an weldien auch 
der Durdisdinittsmensdi wie das Genie gfebunden ist 
Ich kann hier natürlich nur darauf hinweisen, was alles 
die Betraditung eines objektiven Vorganges, also der 
reale Anstoß im Bereidi einer koniglidien Sdiopferkraft 
der Phantasie der Menschheit schon gesdienkt hat. Wie 
Pythagoras die Musik der Sphären ersann, wie schon die 
agyptisdien Astronomen die Sonnen- und Mondfinstemisse 
bis auf Hunderttausende von Jahren riditig voraus be- 
rechnet haben; wie Copemikus, Keppler und Newton die 
Erde eingereiht haben als ein winziges dunkeles Rad am 
großen Ewigkeitsumlauf der Gestirne; wie der Bau und 
die Bestandteile von Sonnen und Monden bis in ihre 
metallisdien und gasigen Urelemente durdi Auffindung 
der Spektralanalyse von Kirdihof und Bunsen erkennbar 
geworden sind. Und jetzt erleben wir es, daß Einstein 
die letzten Unstimmigkeiten der Newton'schen Umlaufs- 
lehre der Sterne redinerisdi beseitigt hat und Prophe- 
zeihungen von sidieren Zukunftsgeschehnissen am Himmel 
verkündet. Wir müssen das alles hier nur andeutungs- 
weise berühren, müssen audi die Wunderwerke der Kunst 
und des Glaubens hier aussdialten, wir wollen nur die 
Wunder des Lebens an sidi von rein physiologischen 
Gesichtspunkten aus betrachten. Da mocjite idi auf ein 
Problem näher eingehen, welcjies uns alle lebhaft inter- 
essiert, nämlich auf das Grundgeheimnis der Form alles 
Belebten. In diesem Geheimnis scjilummert ja die Frager 
wie ist der Mensch, das Tier, die Pflanze überhaupt ge- 
worden, sei es durcji den Sc^opfungsruf, den Gottesodem^ 
durc^ allmählicjien Aufbau, durc^ natürliche Zuchtwahl 
oder sonstwie? Und zwar deshalb will ic^ — freilich 
kurz — dies Gebiet streifen, weil in ihm die glänzendsten 
Beispiele für den Obergang der subjektiven Idee zur 
objektiven Wahrheit aufzufinden sind. 

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Es ist eine merkwürdige Tatsadie, dafi alle Lebewesen» 
audi der Mensch, so gebaut sind, daß, wenn man ihre 
Gestalt durch eine gedachte Mittellinie trennt/ in der 







Mittelachse dann zwei sidi spiegelnde Hälften entstehen, 
zwei Hälften, die wie im Spiegelbilde genau in optisdier 
Umkehning sidi gleidien. Ob wir eine Pflanze nehmen, 
einen Bacillus oder einen Regenwurm, einen Hasen oder 
einen Menschen, wenn vAr diese Prozedur vollziehen, so 
können wir die Doppelseitigkeit, die Bilateralität des Leibes 
ohne weiteres durchgehend im ganzen Reidie der Na- 
tur erkennen. Es gibt also nur „bilateral^ geformte 
Lebewesen*). 

Es ist ein erhabenes Beispiel für das intensiv phantasie- 
volle Denken eines Goethe, der ein ebenso großer 
Naturerkenner wie Diditer war, daß er Sdiiller gegenüber 
energisch betonte, es gäbe eine Urpflanze, eben jene bei 
a gezeidinete, und er würde sich nicht wundem,, wenn er 
ihr eines Tages im Walde begegnen würde. Worauf 
Sdiiller sehr heftig erwiderte, das sei keine Wahrheit, 



*) Audi das sosfenaimte Uligeformte hat eine ^fonnte Scfawiiiguii|^ 
adise. Im so^fea. Unbelebten, x. B. im Kristall, sind drei form- 
bildende Achsen vorhanden. 



51 



audi keine Entdeckung» sondern das sei nichts als eine 
Idee, was Goethe sehr lebhaft verstimmte. Ein Ulassisdi 
grandioser Streit zwisdien zwei Geistesheroen über unser 
Thema: was ist objektiv? was ist subjektiv? Goethe 
hielt seine Idee vom Urphänomen» von der Grundgestalt 
aller Pflanzen für objektiv richtig und Sdiiller für einen 
geistreichen Einfall» ein Aperfu ohne jede Realität! Wer 
hatte Redit? Wir können auf Grund unserer Gehirn- 
medianik» im Wissen von den versdiiedenen Funktionen 
beider Gehirnhälften» es bestimmt sagen» warum alle beide 
durchaus redit hatten. Goethe sah nidit» dafi Schiller 
absolut im Redite war» dafi er die reale Existenz einer 
solchen Urpflanze leugnete» sie ist audi bis auf den heu- 
tigen Tag nidit gefunden» sie ist nidit körperlich wahr 
vorhanden» aber Schiller konnte auch nidit wissen» daß 
Goethe im Redit war» wenn er meinte» dafi seine Ur- 
pflanze wirklich existiere und zwar als aufdeckbarer Plan 
der Sdi5pfung oder eine wundersame Idee Gottes» 
Millionen Variationen Ober dies Thema von dem Drei- 
klang von Wurzel» Stiel und Blüte eine symphonisdie 
Phantasie zu sdiaffen. Auch den Dreiklang gibt es 
nirgends in der Natur» die menschlidie Phantasie hat ihn 
erst erfunden» wie die ganze Harmonielehre; so fand auch 
Goethe einen Plan» eine Idee der Natur» welche ihm die 
Spuren an die Hand gab zu einer Weiicstatt» wo Gott 
selbst beim Basteln safi. Er fand also durch völlig intui- 
tive Phantasie eine Wahrheit» die weit über die Wahr- 
heit der Erscheinungen hinausgeht» er fand das geistige 
Skelett der ganzen Pflanzenwelt! Erst die heutige Botanik 
weifi diese Grofitat der Gedankenmadit eines Goethe 
voll zu sdiätzen. Hier hat sidi aus Tausenden einzelner 
objektiver Beobaditungen im Auge und Gehirn Goethes 
eine fruditbare Systase» eine Verschmelzung» ein Ideen- 
amalgam von funktionierenden Zellen zu einer Einheit 
zusammengeballt» welche sdiliefilidi mit spielender Gewalt 

52 



alle Ersdieinungfen der Pflanzenformen zusammenpreßte 
und unter einem real möglichen einheitlichen Gesichts- 
winkel von rechts nadi links projizierte. Goethes Auge 
sah die Idealpflanze durdi Rfidcwärtsrichtung seiner Nerven- 
schwingungen (Phantasie), wie wir einen Sdhimmel bei 
gesdilossenen Augen sehen können — ein Idealfall, wie 
Subjektives zur objektiven Wahrheit werden kann. Etwas 
ganz ähnliches, aber wohl von Goethe infiziert, konnte 
Hadcel für die Tierwelt vollziehen mit seiner Gastraea- 
theorie. 




Er konstruierte den belebten Tierleib aus einer Magen- 
einstulpung im Protoplasma und entwickelte so die ge- 
dadite Urform der Tierwesen durdi einen Protoplasma- 
klumpen mit einer eingestülpten Magendelle. Wiederum 
eine objektive Wahrheit durch phantasievolle Systase 
eines Subjektes herbeigezaubert. 

Sowohl von Goethe, wie von Haedcel reidilicfa infiziert, 
bin idi nun nodi einen Schritt weiter gegangen und habe 
die Urformen aller Lebewesen in der Kreisform gesucht, 
wodurdi beide Theorien, die Goethes und Haeckels zu 
einer dritten, nodi einheitlidieren verschmolzen werden 
können und zugleidi das Rätsel des Bilateralismus gelost 
ist Denn wenn man eine Kugel teilt, so müssen natfir- 
lidi sidi beide Hälften spiegeln. 

53 



I 



f 




Nun lafit sidi die Kugfei leidit zu einem Oval verziehen, 
und die Kuppel zur Delle umstülpen, womit wir auf 
Hädcels Gastraeawesen, wie von selbst stoßen. 





Oval Oval mit Delle 

Aber audi der Bazillus ist 'so entwidcelbar, audi der 
Spirillus, die barodce Verzeidinung des Stabes und durdi 
weitere Ausstfilpunj^en gelangten wir unsdiwer zu Goethes 



n 




u 



Ä,; 




64 



Urpflanze^ a) u« b) und von da zu allen Tierformen vom 
Regenwurm führend zum Menschen: 






Dabei will idi bemerken, daß die modernen Maler den 
Mensdien ja ähnlidi formen» nodi einen Schritt weiter 
ins Gebiet des Unbelebten» Kristallisdien gehen und den 
Wfirfel als die Urgestalt alles Belebten und Unbelebten 
herbeiholen (im Kubismus) und den Menschen also 
zeichnen: 




Das enthält, so komisdi es aussieht, eine freilich un- 
bewußte fernliegende Ahnung: nämlldi alles Kristallisdie 
ist nadi meiner Theorie tatsächlich aus Würfeln konstruier- 
bar auf diese Weise; und der Obergang des geradlinigen 
Kristallkorpers in dem Diamanten zu gebogenen runden 



55 



Linien ist der in Formen zum Ausdruck kommende Sdiritt 
des Unbelebten in das Leben; denn der Diamant ist 





Kristallkohle, Kohle ist aber das Skelett aller Eiweiß- 
Substanzen, den Grundorgfanisatoren des Lebens I 

So weit führt die sdiopferisdie Phantasie und also auch 
das Grundgeheimnis der Doppelseitigfkeit aller Lebewesen 
inklusive des Mensdien, seine Doppelseitigkeit von Gehirn, 
Auge, Herz und aller Organe, ja die Doppelseitigkeit 
seiner Personlidikeit für sein Idi und seinen Anderen in 
ihm: Faust-Mephisto, Don Quidiote und Sandio Pansa, 
Achill und Tersites in einer Brust — leuchtet hier erkennt- 
nisgemäS auf. Denn es ist klar, wenn eine Kugel in zwei 
gleidie Teile zu teilen ist, so müssen audi alle Ab- 
kömmlinge der Kugel durch einen gedaditen Sdinitt 
„bilateral^ teilbar sein.*) 

Im Verlaufe dieses Vortrages ist oftmals der Gedanke 
ausgesprodien, daß die Seele als eine metaphysisdie, 
wissensdiaftlidi nidit analysierbare Kraft, als die Urkraft, 
die nur zu umsdireiben ist und nur an ihren Wider- 
ständen resp. Schöpfungen erkannt werden kann, die 



*) Für Skeptiker sei erwähnt, dafi die linksseitige Lage des Herzens 
und die reditsseitige Lage der Leber kein Gegenbeweis für diese Theorie 
bedeutet, weil das Herz nur versdioben ist aus Gründen, die idi anders- 
wo erörtert habe. An sich ist auch das Herz bilateral zersdineidbar mit 
gleidien Hälften. Die Leber ist aber zur Milz bilateral und ebenso 
in sidi bilateral teilbar zu zwei beim Lachen zum Beispiel klappenartig 
die Gallenblase entleerenden Prefiflügeln. Daher steigt die Galle auf- 
wärts und darum ist Lachen die hygienisdiste Zwergfellmassage. 

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Sdiöpferin alles dessen sei, was wir Stoff, Gebildei Körper, 
Geist usw. nennen. Daß die Seele nidit umg^ekehrt ein 
Produkt, eine Art Sekretion des GehirnSi wie etwa die 
Galle, sein kann, ist durdiaus beweisbar. Denn erstens 
ist das Gehirn oder die Nervensubstanz, weldie dieses 
kostbare Destillat liefern sollten, keine Druse, sie sondert 
nidits ab, und zweitens kann man von einer Produktion 
irj^end eines Seelenstoffes an keiner Stelle des Körpers 
etwas entdecken, soldier müßte aber vorhanden sein, wenn 
etwas Leiblidies wieder ein Produkt hervordestillierte. 
Also könnte nur die Nerven- und Gehirnsubstanz als soldie 
insgfesamt dasjenigfe sdiemenhaft produzieren, was wir 
falsdilidi unsere Seele nennen. Dageg'en aber spridit, 
daß die Verletzunjf des gfesamten Rückenmarkskabels, 
also die Summe aller Nervenleitunj^en, dem seelisdien 
Bestand des Körpers nichts anhaben kann und daß erheb- 
lidie Teile des Gehirns zerstört, zerfallen, ausgestoßen 
werden können, wie die scfareddidien Verletzungen dieses 
furchtbaren Krieges zur Genüge erwiesen haben, ohne 
daß unsere Seele die geringste Einbuße erleidet. Eßlöffel- 
weise haben meine Verbandsdiwestern im Lazarett Gehim- 
substanz ausfließen und im Verband abgestoßen liegend 
gesehen, ohne daß die betreffenden Verletzten nur den 
geringsten Defekt ihres seelidien Bestandes aufwiesen. Ja 
nodi mehr: ehe wir überhaupt nodi ein „Idi^, ein Bewußt- 
sein haben, waltet in uns dodi sdion bildendes, gestalten- 
des, weises und unendlich mehr als der Menscfaengeist 
leistendes formendes, harmonisches Prinzip, das überall 
im Körper weiß, was not tut und es mit einer Sidierheit 
zweckmäßig einriditet, wie es keine menschliche Uhrmacfaer- 
oder Künstlerhand leisten könnte. Ich will da nur die 
Tatsadie feststellen, daß bei einem bewußtlosen Neu- 
geborenen, ebenso wie bei sonst bewußtlosen Mensdien, 
audi den Greisen, die ihr „Icfa^ schon wieder verloren 
haben, die Verletzung eines der feinsten optisdien Apparate 

57 



derErde, die Hornhaut, ferner die Glaslinse hinter der Pupille 
durdi eine mystisdie Zauberhand so beantwortet wird, daft 
bei der Heilunjf die neugebildeten Zellen (von wem neu- 
gebildet, wenn nidit von einer plastisdien Idee?) sidi 
sdiließlidi so gruppieren, als ob sie die gesamten Ge- 
setze der höheren mathematisdien Optik in ihre Zwergen- 
fingerdien eingesogen hätten; sie lagern sidi alle so lidit- 
zweckgemäß (was heißt Zweck anders als Ahnung vom 
Ziel, weldies also die Zellen kennen müssen?), daß jeder 
Sonnenstrahl und die gesamte Form- und Farbenwelt auf 
einen kleinen Fleck der Netzhaut zentriert werden. Dies 
Beispiel allein beweist, wie viele andere, daß eine ge- 
staltende, herrsdiende, riditunggebende Idee im Leibe 
immer am Werke ist, die die Bildung und Bedeutung der 
Zellen leitet und lenkt. Also wird sie, diese Idee, auch 
wohl fähig gewesen sein, die Organe zu sdiaffen, durch 
weldie sie sidi inkamiert, medianisiert, manifestiert hat. 
Diese plastisdie Idee meines Individuums und aller seiner 
Bestandteile aber ist erst „meine Seele ^, sie ist ein 
Teil der Allseele, sie ist die Sdiopferin meines Leibes, 
meines Gehirns, meines Ich, meines Geistes, meines 
Sympathicus und damit meiner persönlidien Bindung an sie, 
denn Letzterer ist der Hauptvermittler, die Empfängerstation 
ihres Weltwillens, der Sitz aller Wirkungssphären meines 
Unterbewußtseins, weldies im Allrhythmus verankert, im 
„Idi^' seine leitenden Steuerräderdien und Ganglien- 
zQgel in Milliardenzahl ausbreitet. Die Seele hat den 
Leib gebildet, auch mein Geist ist ihr Werk, mein Apparat 
zur Offenbarung ihres moralisdien und Scfaonheitswillens, 
den idi für meinen Teil zu erfüllen habe, falls ich Anspruch 
madie auf ein ihr dienendes Vernunftwesen, das heißt ein 
Wesen, bei weldiem Gesinnung, Geist und Handeln im 
Einklang steht mit dem Träger meiner seelischen Ziele, 
dem unbewußten Wissen vom Wesen des Lebens und des 
Alls, der Weltallsmarconiplatte: meinem Nervus sympathicus. 

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Wo aber ist auch nur ein Sdiatten eines Beweises vor- 
handen dafür, daß eine Idee Formen sdiaffen kann? Wo 
kommt das vor? 

Nun, idi will es grleicfa sagen, bei der Hysterie! 

Das ist die eigentumlidie, metaphysisdie Bedeutung 
dieser weitverbreiteten Krankheitsform, die eigentlidi gar 
keine Krankheit ist, sondern eine Gauklerin, Vorspieglerin, 
Zauberin von krankheitsähnlidien Zuständen, die deshalb 
etwas so ungemein Rätselhaftes, Vexierbildartiges, Symp- 
tome verzerrendes gerade für Ärzte hat, weil niemand bis- 
her den eigentlichen Grund dieser sonderbaren Variationen 
über Themata sonst wohl erkennbarer Krankheitsursachen 
und Erscheinungen hat aufdecken können. Hat man dodi 
die Hysterie geradezu für ein Leiden erklärt, das „Krank- 
heit ohne Ursadie^ bedeute, und ist man doch soweit 
gegangen, jede Krankheit, für die man keine Ursadie fand, 
für hysterisdi zu erklären. Da gibt es nämlich keinen 
Bazillus der Hysterie wie für Cholera oder Typhus, da 
gibt es keine Konstitutionsanlage und meist kein patho- 
logisch-anatomisdies Bild; selbst das Ultramikroskop 
konnte weder im Gehirn noch sonst im Korpergewebe 
eine Veränderung nachweisen, die typisdi für die Hysterie 
wäre. Audi in den Leidien Hysterisdier spürt der Pro- 
sektor vergebens, wie bei so vielen Erkrankungen des 
„Geistes^ nadi irgendweldien Verstecken und Nisthohlen 
eines siditbaren hysterischen Koboldes, eines Clowns seiner 
alles auf den Kopf stellenden Fakirkunststücke! Audi 
ein diemisches Gift der Hysterie hat sich nicht finden 
lassen. Das alles ist sdion Grund genug, von dem weib- 
lichen Gescfalechte den Jahrhundertfludi zu nehmen, 
als seien die Organe, weldie eben das Weib zum Weibe madien, 
die spezifischen weiblidien primären und sekundären Ge- 
sdileditsdrüsen und ihre Anhänge die Herde der Hysterie« 
Es wäre also bald an der Zeit, der Hysterie einen andern 
Namen zu geben, denn er besagt (von votiqa gleidi Keim- 

59 



hfiUe), daß die Brutstätte der Mensdiheit, das menscfalicfae, 
einwärts gehegte Nest der Mensdienjungen der Herd dieses 
hysterisdien IrrlicfatfeuerSy weldies alle Orj^ane durdizuckt, 
seL Das ist nun ein Grundirrtum, und die Medizin hat 
allzu oft da, wo sie keine Diagnose stellen konnte, diesen 
Begriff der Hysterie verwandt wie einen Regensdiirm, 
unter dem man sidi behaglidi verkriedien konnte, wenn 
es Ratsei hagelte. Das ist schon deshalb falsdi, weil es 
ebensoviel hysterische Männer wie Frauen gibt und weil 
audi Kinder beiderlei Gesdiledites alle Formen der Hysterie 
audi ohne „Hystera^ aufweisen können. Ebenso irrtum- 
lidi ist die Ansdiauung, weldie die Hysterie mit einem 
Zustand molekularer Obererregbarkeit glaubt erklären zu 
können. Erstens kann man sich unter dieser molekularen 
Erregbarkeit des ganzen Nervensystems nidits redit Faß- 
bares denken, und zweitens haben die bekannten Erregungs- 
zustände der Nerven, wie z. B. die der Neurasthenie, ganz 
andere Symptome, als sie die Hysterie aufzeigt. Auch 
die innere Sekretion als Ursadie der Oberflutung der 
Blutwellen mit Selbstgiften, weldie von allen Drusen des 
Körpers, derSdiilddriise, derNebensdiilddrfise, der Thymus- 
drüse, der Milz, der Nebennieren, der Zirbeldrüse, der 
Generationsdrusen geliefert werden, ist nidit ausreidiend, 
obwohl diese innere Sekretion und ihre Störungen ein 
ganzes Heer sehr nahe verwandter krankhafter Zustände, 
audi soldier des Geistes, zu erzeugen vermögen. Audi 
hier gibt die sdiarfumsdireibbare Symptomenkette der 
Blutkrankheiten ganz andere Bilder, als sie die Hysterie 
aufweist. Nein — die Hysterie hat g^nz wo anders ihren 
Ursprung als in irgendweldien stofflidien Veränderungen, 
sie ist geistiger Natur, sie birgt ein nodi zu enträtselndes, 
metaphysisdies Geheimnis, merkwürdiger und wunderbarer 
als jedes spiritistisdie Gesdiehen, verbluffender als alle bis- 
her studierten Erscheinungen okkulter Vorgänge, staunens- 
werter audi als alle behaupteten oder bewiesenen Fakir- 

60 



Schaustellungen der Inder; sie ist ein riditiger Herd von 
Zauberei und ein Tempel der Maja, die mit Geister- 
' erscheinungen, Sdiredcgebilden, Gespensterei und Fata- 
morganaspiegelungen nur allzu bereitwillig schaltet und 
waltet. Idi sage nidits gegen Okkultismus und Spiritis- 
mus, die moglidierweise andere, reichere Erkenntnisquellen 
des metaphysischen Wesens der Seele und ihrer Mächte 
beibringen können, hier aber bei der Hysterie sind Dinge 
beobachtbar von soldier sdieinbaren Unerklärbarkeit, dafi 
mein Bedürfnis nadi metaphysisdien Wundem bei ihrem 
Studium durdiaus gedeckt ist, ja ich muß im Prinzip er- 
klären, daß eine einigermaßen ehrfurchtsvolle und das 
Metaphysische mit in Betracht ziehende Beobachtung der 
Wunder der Natur im Gewaltigen wie im Winzigsten auch 
dem Wunderdurstigsten unter den Menschen soviel Denk- 
rätsel uiid Anschauungsstoff darbietet, daß man nicht erst 
Tische, Stühle und Kommoden von Geisterhänden rüdcen 
zu lassen braucht, um überzeugt zu werden, daß das 
Wesen der Natur auf lauter Geistigkeiten beruht, ange- 
sichts derer z. B. das Eingreifen Verstorbener in irdisches 
Geschehen für mich doch nur einen einzelnen, wenn auch 
unbedingt hochinteressanten Spezialfall bedeuten würde, 
wenn es wirklich eines Tages erwiesen werden konnte. 
Idi fühle die Geister der Verstorbenen, die Seele meiner 
dahingegangenen Lieben in mir stündlidi, täglidi wadi 
und lebendig und audi ohne Klopflaute mir Liebes, Gutes 
und Segnendes, Führendes, Leitendes, an das Gewissen 
Rührendes metaphysisch zuraunen, daß idi durchaus nicht 
überrasdit sein würde, wenn mir der Geist eines geliebten 
Verstorbenen ersdiiene. Idi sehe größere Wunder der 
Natur in der Zeugung, in dem Wachstum, in der Media- 
nisierung von Geist und den Inkarnationen von Ideen 
überall, als es soldi ein Geisterscheinen für midi sein könnte. 
Allein der Anblick eines eben geborenen neuen Mensdien 
enthält für mich eine tausendmal ergreifendere Unbegreif- 

61 



lidikeity als es das Wiederersdieinen eines mir s^enommenen 
Menschen vollbringen konnte! Aber worin äußert sich 
denn das Wunder bei der Hysterie? Nun, darin, daß sie 
ein unwiderleglidier Beweis für unsere oben entwickelte 
Anschauung ist, daß rings im Weltall alles aus Idee 
geschaffen, aus Geist geboren isti Weil sie im so- 
genannten Kranken das sichtbar aufzeigt, was der Welt 
und ihrer Inkarnation zu Grunde liegt, das unsiditbare 
Geborenwerden des Stoffes aus der Gedankenmadit eines 
unleugbar geistigen Wesens! Sie ist ein Spezialfall 
der Schöpfung aus Idee und soweit idi sehe, der einzig 
erkennbare objektive Beweis für die allgemeingültige Lehre 
Piatos, daß erst die Idee von der Welt da war, 
ehe sie selbst entstehen konnte! 

Das wird nun allerdings für viele, namentlidi für Philo- 
sophen etwas direkt Verblüffendes haben: die Platonisdie 
Ideenlehre und die Hysterie! Je verwunderlicher aber 
diese Gegenüberstellung ist, desto schlagender müssen 
meine Beweise für diese Behauptung sein, einer Be- 
hauptung, die bisher von niemand gesagt, idi weiß audi 
nidit einmal, ob von irgend jemand gebilligt worden ist. 
Idi stehe also hier ganz allein und ich würde es nicht 
wagen, so sicher etwas absolut Neues, was eine ganz 
neue Weltanschauung im Anerkennungsfalle er- 
zwingen muß, zu betonen, wenn nidit meine Beweise 
absolut logisdi zwingend, d. h. allgemeingültig und wider- 
sprudislos wären. 

Was zu beweisen wäre, das ist also die Behauptung, daß 
das Funktionsspiel der Phantasie, die Summe der Funk- 
tionen alles dessen, was also den Begriff der Vor- 
stellungsmoglidikeit ausmadit, einen bildnerisdien, for^ 
menden, plastischen Einfluß auf das physisdie Gesdiehen 
im Korper, am Betriebe der Zellmedianismen ausübt. Da 
muß zunädist der Nachweis geführt werden, daß überhaupt 
die Phantasie imstande ist, Zutritt durdi die Zäune und 

62 



Gehege des Zellengeffis^es und der Medianismen des 
Blutumlaufes sowie der peripherisdien Nervenstrome in 
jedem Korpergewebe erhalten kann. 

Denn ich will es nodi einmal sagen: die Hysterie 
ist nicht eine Erkrankung des Nervensystems an sich (eine 
molekulare Obererregbarkeit der Nervensubstanz), sie ist 
auch keine durch innere Sekretion der Leibdrüsen erzeugte, 
meist anfallsweise auftretende Selbstvergiftung (Auto- 
intoxiation) des Organismus, sondern sie ist eine 
Perversion der Phantasietätigkeit. Ihr Wesen be- 
ruht auf einem abnormen Eindringen der Phantasiestrome 
der rechten Gehirnhälfte in den Betrieb der Korper- 
gewebe, was eine Abnormität bedeutet. Denn beim völlig 
gesunden Mensdien erreicht die Vorstellung nur in sehr 
bescheidenem Maße das Gefüge der Körperformen der 
Peripherie. So ist es z. B. bei einer großen Reihe von 
Menschen mit lebhafter Phantasie. Die Hysterie ist 
überhaupt meist ein Leiden, was vornehmlich Phantasie- 
mensdien, also Künstlernaturen und zwar meist soldie mit 
nicht vollem Ausgleich zwischen künstlerischem 
Wollen und Können sich entwickelt, so ist es, sage 
ich, bei solchen sonst gesunden Menschen mit lebhafter 
Phantasie ' nichts Außergewöhnliches, daß sie ihre Vor- 
stellung projizieren können in bestimmte Organe. Sehr viele 
Studenten der Medizin bemerken subjektiv die sämtlidien 
Symptome sämtlicher Krankheiten, von denen sie ihre Lehrer 
oder Büdier reden hören. Idi kenne einen Arzt, der mir er- 
zählte, daß jedesmal nachdem er einen Diphtheriekranken 
besudit hat, schon beim Treppenherabgehen sidi bei ihm 
ein deutlicher Schmerz der Halsmandeln einstellt und daß 
nach dem Untersudien eines an Blinddarmentzündung 
Kranken sich bei ihm sdimerzhaftes Ziehen in der rediten 
Unterleibshälfte, dem Sitz genannten Leidens bemerk- 
bar madiL Allein bei Sdiilderungen vom Bergsteigen, 
fanatischem Schaukeln, Rodelsdilittenfahrten, Rutsdibahn- 

63 



erlebnisseo^ bekommeD viele Menschen jenes mariomte 
Schneiden and Zieh^i im Leibe» das dem physischen 
Schmerze wie sein Vorbote ahnfich siehL Da d«r Schmelz 
ein Kurrschinß der einzehien Nachbarstringe von Emp- 
findungsnerven, an jeder Korperstelle auslosbar, ist« so 
beweisen diese Falle alle, dafi die Phantasie und die 
Vorstellungskomplexe ubeihaupt imstande sind, einzudrin- 
gen in Gewebe und hier Sensationen auszulosen, die eine 
abno^e und gesteigerte Funktion erzwingen, wie ein 
Preßdruck oder wie ein abnormer Kontakt^ Übrigens 
besagen unsere oben zitierten Tatsachen vom Verengem 
der Pupillen beim Phantasie-Vorstellen eines Schimmels, 
sowie der Speichelfluß beim Gedanken an appetitliche 
Speisen schon im Prinzip den Vorgang des bestehenden 
Einflusses der Funktionen der Phantasie auf die Nerven- 
und Sekretionstatigkeit. Es ist das nichts mehr und nichts 
weniger auf den ersten Blick als eine mysteriöse Fem- 
wirkung. Wenn wir uns aber unser Bild von den Nerven- 
ganglien des Gehirns mit ihren NeurogliaumhüUungen nodi 
einmal reproduzieren (s. o. Seite 15) und die Um- 
spinnung der Neuroglia- Blutgefäße mit den Ganglien- 
geflediten des Nervus sympathicus ins Gedächtnis zuruck- 




*) ■. nVoQ der Seele", Theorie des Schmerzes. JEin Onkel Ton 
mir, ein Pastor, behauptete den Schnupfen aus Gewohnheit zu be- 
kommen, weil er nur alle Montag Schnupfen habe, auch wenn er 
Sonntags in seiner zugigen Kirche nicht gepredigt habe. 

64 



i 



rufen und dazu bedenken, daß dieses Wunderaetz sym* 
pathisdier TastkSrperdien durdi feine Gespinnste von 
Nervenfiligran durch den stanzen Leib, audi durdi alle 
Drüsen zu den verschiedensten Funktionsbetätigfungen ver- 
bunden sind, so haben wir In dieser Tatsadie die Mog» 
lidikeit, daß Ganglien -Gruppenfunktionen, die Systasen, 
die Vorstellungseinheiten, „Smerdisheerde^, ihre Strom- 
akkumulation bis tief hinein in alle Gewebe rein physi- 
kalisch übertragen können, deutlich vor Augen. Wir 
brauchen dazu nur beide Bilder im Geiste zu kombinieren, 
etwa in der Art: 




wobei die umrahmte Zellgruppe von Ganglien a, a^ a', 
ihre Stromleitung auf 6, 6\ fr^ übergehen laßt 

Wie aber wirkt nun diese auf die sympathisdien Ge- 
flechte abgelenkte Stromwelle auf das Gewebe? Daß es 
jedes Organ der Sinne, jeden Nerven, jede Drüse, jedes 
Muskelsystem und Blutgefäßsystem erreichen kann, ist des- 
halb klar, weil die Geflechte des Sympathicus eben eine 
Allgegenwärtigkeit und Ästchenverzweigung in allen Ge- 
bieten, die Zellen tragen, besitzen. Das, beweist ja allein 
unser Herzklopfen bei freudigen oder angstvollen Vor- 
stellungen, bei Schreck und Shok, wobei der Sympathicus 
den Herzschlag alteriert; das beweist die Möglichkeit des 
Errötens und Erblassens bei Sc^am oder großer Ergriffen- 
heit, wo die psychische Erregung auf dem Wege der 
Klingelzüge und Scfaleusenklappen des Sympathicus die 

65 



Bluts^fäßmuskulatur zusammenkrampfen oder, erschlaffe» 
lassen kann; das heißt vom Gesicht bis unter die Rippen die 
Korperhaut blutwellenartig überschwemmt oder entebbt. Da 
diese Impulse des inneren Erlebens an Zellen jeden Sdilages,, 
an die Nerven- und Muskelz^Ue, Drfisenzelle und Hom- 
zelle der Nägel und Haare nicht wenig^er als an die der 
Knodienhäute und Knorpel heranreichen, einfadi, weil jede 
2^11e von den Sympathicussträngen und von den Aus- 
läufern der Rudcenmarksbündel berührt wird» so ist die 
Stromeinheit von Vorstellungswurzeln, Sympathicusfasem 
und peripherisdiem Nervennetz plus jeder einzelnen Ge-- 
webszelle anatomisch-physisdi garantiert. Für den feineren 
Mechanismus dieser Zelleinwirkung bedarf es nodi eines 
Bilddiens. 




Stellen wir uns irgend eine Zelle, z. B. eine Hom- 
zelle der tiefsten Hautsdiidit vor, so hat es die feinere 
Histologie unserer Tage erwiesen, daß zarte Nerven- 
bündel das Innere jeder Zelle bis zum Kern erreidien. 
Wir brauchen uns nur vorzustellen, daß von diesen Nerven- 
fäden der eine einen antriebartigen Einfluß auf das Zell- 
leben hat, den wir mit -f~ bezeidinen, und der andere 
einen hemmenden, den wir mit — ausdrücken, so können 
wir uns den Medianismus des Zellebens sehr einfach vor- 
stellen nadi Analogie des Antagonismus der Herznerven 
z. B., wo es einen Besdileuniger und einen hemmenden 
Nerven gibt (Nerv, vagus und Nerv, sympathicus), nach 
der Analogie der Gefäßmuskeln und der Korpermuskeln, 

66 



der Saftdrusen und der Pupillentätigkeit, die sämtlidi 
antagonistisdi einj^estellt werden. Der positive Nerven- 
impuls und der negative halten sidi für gewohnlidi ein das 
normale Zelleben garantierendes Gleidigewidit. Das Leben 
der Zelle pendelt gleidisam zwisdien den beiden entgegen- 
gesetzten Impulsen hin und her, es schwankt in der 
Diagonale beider Kraftspannungen (der positiven und 
der negativen).*) Mit diesen Bildchen haben wir nun 
die Moglidikeity sämtlidie Ersdieinungen der Hysterie 
zu erklären und unsem Beweis von der Natur derselben 
als einer Perversion der Phantasietätigkeit von der ein- 
fadien Funktionsstörung bis zu dem Kardinalpunkt: der 
Madit des (jedankens, Korperlidies zu sdiaffen, anzutreten. 
Dabei müssen wir nun allerdings die ganze, verzweifelt 
komplizierte und scheinbar kaum entwirrbare Symptomen- 
verhedderung der Hysterie Revue passieren lassen. Aber 
gerade die restlose Deutung aller Vexierbilder dieser 
Elfen- und Hexen-, Kobold- und Widitelmänndien- 
Schabernacke durdi das Spiel der Phantasie, die Zuruck- 
führung aller Details auf diese eine kardinale Ansdiauung, 
des Eindringens der Phantasie in die Maschen des Gewebes, 
gibt uns ja erst die neue Erkenntnis von der Natur 
dieses bisher unentwirrbaren Netzes von Rätseln. Da idi 
Ihnen hier keine medizinisdie Vorlesung über die Symptomen- 
reihe aller hysterischen Ersdieinungen zu geben beab- 
sichtige, kann idi midi darauf beschränken, diese Merkmale 
der Hysterie in große Gruppen zu teilen, in die alle 
bisher beobaditeten Symptome sidi restlos auflosen lassen, 
und nur hier und da muß ich auf die Sdiilderung einiger 



*) Diese Polarität an der Zelle enthüt j^leidilaUs ein Grundgesets 
der Natur. Sie besa^ dafi die positive» vorwartsdranj^nde Kraft 
stets gehemmt wird durch eine widerstrebende, negative ebenbürtige. 
Was hier für den feinsten Zellmechanismus gilt, bestätigt aadi das 
Leben im Grofien: Kraft md Hemmung, Ormuzd und Ahriman, Gott 
und Teufel. 



5* 



67 



besonders markanter Fälle einstehen, weil sie die Natur 
der Hysterie besonders klar durchschauen lassen. 

Daß die Hysterie sidi äußert in einer merkwurdigfen Ober» 
Steigerung' normaler Empfindungen, wird uns ohne weiteres 
durch unser Sdiema vom Plus und Minus des Nerven- 
einflusses auf das Zelleben klar. Wenn also eine besondere 
Oberempfindlidikeit der Haut, eine höhere Feinfuhligkeit 
der Empfindungstaster der Haut oder Bauchhaut, der Schleim- 
häute, ja der großen Blutgefäße, sich einstellt, so ist das 
ohne weiteres als eine Steigerung des positiven Funktions- 
einflusses der -h -Nerven auf die Zellen der Tastkorper 
und sensiblen Fasern der betreffenden Gewebe erklärbar; 
wir müssen nur darauf achten, in jedem solchen beobachteten 
Falle die Phantasie als die Urheberin solcher Ober- 
empfindlic^keiten zu erkennen. Das ist nun in der 
erdrückenden Mehrzahl aller Fälle deutlich erweisbar; 
mir selbst ist unter Hunderten von Hysterikern männlichen 
und weiblidien Gesc^lecJites keiner bekannt geworden, 
bei dem nicht ausch'ücklich zugegeben wurde, daß ein 
psychischer Vorgang, besonders eine Erregung der Ge- 
danken und Vorstellungen eng verkettet ist mit der 
krankhaften Empfindung. Aber auch die einfache Tat- 
sache des anfallweisen Schubes einer solcher Über- 
empfindlicjikeit beweist, daß Kraftspannungen besonderer 
Art, Akkumulationen wie bei der Epilepsie notig sind, um 
den Anfall auszulosen und hier ist wieder ausnahmslos 
konstatierbar, daß seelische Anstoße der besonders erregten 
Vorstellung dem Anfall mehr oder weniger lange voraus- 
gehen. Ich brauche nur einen absolut unverfänglichen 
Autor und einen klassischen Kenner der Hysterie, meinen 
hochverehrten Kollegen Geheimrat Moll zitieren, um aus 
seinen gesperrt gedruckten Schilderungen der Hysterie 
in der Eulenburgsc^en Enzyklopädie, also einen Meister 
der Darstellung dieser Krankheit, um Ihnen auch von 
anderer Seite das Hindurchleuchten der Phantasie- 

68 



vorstellunsfen als Quelle der Hysterie deutlidi vor Augen 
zu fuhren, wobei idi bemerken will, daß Wendungen wie 
lebhafte EindrQdce und Gefiihle, verstärkte Affekte gar 
nidits anderes nadi unserer Kenntnis vom Mechanismus 
der Gehirnhälften bedeuten können, als Steigerungen der 
Phantasietätigkeit. Ist dodi das Gebunden- und das 
Beherrschtsein des Ichs, das Moll besonders betont, nidits 
anderes als der Einbrudi der Phantasiegebilde in die Zone 
des Ichs. DasTldi aber ist, wie idi anderwärts ausführlich 
auseinandersetzen werde, sdion ein Produkt Mer Phantasie, 
denn nur der Mensch, der das Wunder der phantastisdien 
Vorstellung in seine Geburtswiege von den Händen der 
Natur gelegt erhalten hat, hat ein „Idi'^, das Tier hat 
keines. Der Philosoph Feuerbach sagt: „Der Mensdi 
untersdieidet sidi vom Tier nur dadurdi, daß er sich sich 
selber vorzustellen vermag; ein Tier kann sidi nicht sich 
vorstellen''. Das heißt aber nidits anderes, als „das Idi** 
ist ein Produkt der Phantasie. Um wie viel mehr alles, 
was dieses Ich besonders färbt, beeindruckt, affiziert 
(Affekte erzeugt), lebhaft verändert. Wobei idi nodi 
bemerken will, daß der Affekt wie die Dämonie nichts 
ist, als der durch eine Vorstellung von verlangendem 
Willen erzwungene Kurzsdiluß seelisdier Motive mit dem 
Aktionsapparat der Muskeln. 

Nadi diesen Vorbemerkungen zitiere idi Moll: „Das 
Willenlose, das in Ansprudi genommen Werden durdi 
jeden sensiblen Reiz und die scheinbar dadurdi bedingte 
Hingabe (!) an jeden, durdi einen soldien hervorgerufenen 
Eindruck (!), die daraus entspringende Stimmungsabhängig- 
keit (!) von Äußerlidikeiten und der hieraus wieder 
hervorgehende, fortwährende, oft ganz jähe und anscheinend 
unmotivierte Wedisel in den Stimmungen selbst, die so- 
genannte Launenhaftigkeit (!) und wie man sidi audi 
ausdrückt: dieses Gebunden- und Beherrschtsein des 
Idis (!) sowie das daraus entstehende „Gefühl der eigenen 

69 



Unzulänglidikeit^ (!) und die hieraus erwadisende Un- 
zufriedenheit mit sidi selbst, visrbunden mit einem oft 
recht starken Unjflficklidikeitsgefühl (l), eine immer und 
immer wieder durchbrechende Wehleidigkeit in allem an 
augenblicklichen Frohsinn und heiterem Übermut (!), das 
ist es, was .... das eigentfimlidie psychisdie Verhalten 
der Hysterie ausmadif 

So Moll: Nun, was sind »^Hingabe an einen Eindruck''» 
,.Stimmungsabhängigkeit% „Uunenhaftigkeit'', „Beherrscht- 
sein des Idis'', „Gefühl der Unzulänglichkeit'', „Unglücklidi- 
keits-Gefühl", „Wehleidigkeit" — anders als Tätigkeiten 
der Phantasie, die hierbei von Moll überall als ein roter 
Faden durdileuditet durch die Häufung der Umsdireibung, 
und wir braudien nur hinzuzufügen, daß diese Vor- 
stellungsketten, geboren vom Spiel der Phantasie, verkettet 
mit Grundempfindungen des Sympathicus (siehe die obigen 
Definitionen von Gefühl und Gemüt) daß diese Ver- 
kettungen perversefweise eingreifen in den Körperbe- 
stand, um die Natur der Hysterie bei allen funktionellen 
Störungen aufgedeckt zu haben. Zu diesen Störungen 
der Funktion gehören natürlidi alle Plus- und Minusseiten 
der Funktion, je nach der Phantasie-Belastung der Zell- 
nerven auf ihrer positiven oder negativen Seite, also 
ebenso Oberempfindlidikeiten wie Unempfindlichkeiten, 
Taubheitszonen, Gefühlslähmungen, ebenso Krämpfe und 
Krampfanfälle in jedem Muskelgebiet, wie Lähmungen und 
Ersdilaffungen, ferner Gesdimacks- und Gerudisperversi- 
täten. Über- und Unterfunktionen von Drüsentätigkeiten, 
Sdiweißanfälle, Hauttrockenheit, Übertalgproduktion, Haut- 
fetbnangel, Tränenfluß, Tränenmangel, Zusammenpressen 
des Magens, der Därme bis zum Erbredien, Lähmungen 
der Verdauungssdiläuche, Erregungen und Versagungen 
der Sexualsphäre usw. usw. Man stelle sidi vor, welch 
ungeheuer vielseitiges Programm diese Aufzählung allein 
darbietet, aus dem idi nur einige eigentümliche Fälle 

70 



faerausgfreifen willi die scheinbar Beziehung'en zum Meta- 
physischen und Mediumimus aufweisen. Es Ist das die 
hysterisdie Hellhorigfkeit und das hysterisdie Hellsehen. 
Lassen wir wieder Moll spredien. Eine Hysterisdie hört 
das Ticken einer Taschenuhr in dem nebenan geleg-enen 
Zimmer. Sie hört das leise Gehen auf schwellendem 
Teppidi in einem durch mehrere andere Zimmer getrennten 
dritten; sie hört das Atmen ihres kranken Kindes im 
darüber g'elegenen Stockwerke. Einzelne Hysterisdie 
erkennen nodi die Gej^enstände in finsterer Nadit und 
sehen die Bewerbungen, welche ihnen im Dunkeln vor- 
gemacht wurden. Sie fühlen den Hauch der Luft, der 
davon ausgeht, und unterscheiden (im Dunkeln) mittels 
Gefühls die versdiiedenen feinen Gewebe, weldie ihnen vor- 
gdegt werden. Eine Hysterisdie ging im Stockdunkeln 
zwisd&en wahllos verstellte Möbelstücke in einem zum 
Reinmadien bestimmten Zimmer sdinell hindurdi, ohne 
auch nur ein Teebrettchen am Boden zu berühren. Wie 
kommt diese Feinfühligksit der Sinne zustande, die an 
das blitzsdmelle Durdifliegen der Fledermäuse in einem 
mit Bindfäden durchzogenen und dürchspannten Dunkel- 
raum erinnert? Was hat das mit Phantasie zu tun? 

Diese Frage ist heikel, sie droht das ganze Gebäude 
unserer Konstruktion zum Zusammensturz zu bringen. Aber 
sie ist dennodi nidit von Belang, denn diese Ober- 
empfindlidikeit der Sinne hat dodi etwas mit der über- 
ladenen Tätigkeit der rediten Hirnhälfte zu tun. 

Weil nämlidi im Dunkeln überhaupt die rechte Hirn- 
hätfte in höherer Aktionstätigkeit ist (wegen Fortfalls 
einer großen Kette von Sinnenreizen auf der linken 
Hälfte durdi das Auge und einer meist mit dem Dunkeln 
verbundenen Stille des Sdilafzimmers), so ist die redite 
Hälfte des Gehirns (ein Grundgesetz der Funktion des 
Bhits) blutüberfüUter als im Hellen; die Phantasie - 
tätigkeit reißt noch dazu das Spiel der Blutwellen 

71 



Sfewaltsam an sich, infolsfedessen ist die linke Hirnhalfte 
naturgemafi blutleerer; hier sind also die Taster der 
Sinnesapparate hemmung^sloserj anscfalußfähiger und emp- 
findlicher, so daß eine Überempfindlichkeit vorgestäuscht 
wird, die ihren Grund aber in einer größeren Hemmungs- 
losigkeit hat, die eben die Blutleere links bedingt Diese 
wiederum ist die Folge einer Blutanhäufung im rediten 
Vorderhirn. Auf diese Weise kann völlig ungezwungen 
auch die indianerhafte Hellhorigkeit und adleraugenähnlidie 
Hellsiditigkeit sowie die fledermausartige Feinfuhligkeit 
der Haut im Dunkeln durch die in Anspruch genommene 
Phantasietatigkeit erklart werden. Sie entfaltet hier ihre 
Macht freilich mehr indirekt, wahrend die erdrückende 
Mehrzahl der Fälle ihre direkte Urheberschaft der 
hysterischen Zustände erkennen läßt. 

Von dem Eintritt dieser Ueberfunktionen der Sinne zu 
denen auch das Errotenkonnen, das Weinenkönnen, das 
Sidiblaßmachen, das willkurlidie Verändern der Pulszahl 
und des Herzschiagens gehört, bis zum Auftreten und 
Erzeugen krankhafter Zustände ist nur ein Schritt Unter 
den Hysterischen gibt es Personen« welche zeitweise Aus- 
tritt von Flüssigkeiten, ja von Blut in die Gewebe auf- 
weisen ohne jede Veranlassung durdi Verletzung oder 
Giftwirkung (Arzeneiodeme nach Antipyrin, Jod usw.) audi 
solche, die auf Grund ihrer Vorstellung Blutwasser (Ödem- 
bildung) in gewollten Teilen ihres Leibes auftreten lassen 
kSnnen, und in der Medizinisdien Gesellschaft wurde 
eine Negerin vorgestellt, welche ihre Brust jederzeit 
bluten lassen konnte. Diese Personen nennt man auch 
Stigmatisierte. 

Es sind Hysterisehe, bei denen das Kommando der 
Phantasie und des ihr angeschlossenen Willens (Motiven- 
lehre I) ausreicht, um mit Hilfe der Muskelerweiterung des 
Sympathicus die kleinsten Gefäßrohre so weit in ihrem 
Gefüge lockern zu können, daß Serum und Blut durdi 

72 



die Lücken der Gefäße in das Gewebe hinubertropfeln 
können. Hierher gehören auch die Falle von Ober- 
tra^ng gewisser Hautausschläge allein durch den An- 
blick, wofür ich ein typisches Beispiel erzählen kann. 
Eline Patientin von> mir war in meiner Sprechstunde 
mit einem roten Ausschlag der Hand infolge Primeln- 
wirkung. Eine Hysterische betritt nach ihr den Raum, 
fragte, was die hinausgehende Dame an der Hand 
habe. Als ich es ihr sagte, meinte sie: „Passen Sie 
auf, den Ausschlag bekomme ich auch!^ In der Tat 
meldete sie sich einige Tage später mit sehr ähn- 
licher Schwellung und Rötung derselben Hand. Was 
kann hier anderes diese Imitation eines Primelausschlages 
erzeugt haben, als die gestaltende Vorstellung, die Phan- 
tasie? Daß Krankheitszustände imitiert werden können 
durch Vorstellungszwang, dafür gibt es in der Geschichte 
zahllose Beispiele, wie ja überhaupt die Nachahmungs- 
sucht, die clown- und affenartige Kopierungsmanie hier 
Orgien feiert. Nur eine merkwürdige Nachahmung mit 
metaphysischem Einschlag bei einem hysterischen Mann 
will ich Ihnen erzählen, für welchen Kollege Oelsner, 
mein trefflicher Mitarbeiter im Lazarett am Reichskanzler- 
platz, ein einwandfreier Zeuge ist, ebenso wie Herr 
Generalarzt Lohrisch. Ein Unteroffizier mit Gelenk- 
schüssen durch beide Schultern, der nach viermonat- 
licher Behandlung wieder die Arme frei bewegen konnte, 
sah es mit an, daß in ein Bett ihm vis-a-vis ein 
neuer Kranker mit Krampfzuständen gebracht wurde. 
Diese Krampfzustände waren sicher keine Wundstarr- 
krampfanfälle. Es fiel aber von einem Nervenarzt unvor- 
sichtigerweise das Wort: vielleicht ist es doch Tetanus 
(das lateinische Wort für Wundstarrkrampf), welches der 
Schulterschußkranke aufschnappte. Am nächsten Tage 
bekam nicht der Himschußkranke mit anderweitigen 
Zuckungen Wundstarrkrampf, sondern der Unteroffizier 

73 



mit beinahe völlig verheilten Schulterschußwunden bekam 
einen typischen Tetanusanfall von da ab bis zu zwolfmal 
des Tages, typisch mit allen Symptomen des Starrkrampfes 
(Gliederkrämpfe, Krampfanfalle der Bauchdecken, der 
Kiefernmuskulatur, Stimmritzenkrämpfe mit Blauwerden 
des Gesichtes usw.), kurz alles, außer Fieber. Die 
Rfickenmarkspunktion mit Ablassen von Ruckenmarks- 
saft ergab vollige Freiheit von den Erregern des Wund- 
starrkrampfes und mit diesem Safte eingespritzte Meer- 
schweinchen blieben starrkrampffrei (untrügliches Mittel 
zur positiven Feststellung, ob Tetanus vorliegt oder nicht). 
Als wir dem Kranken dann sagten: „Der Mann dadrubcn 
hat keinen Tetanus, und Sie auch nichtl'' und ihm das 
Wesen der Probe klarmachten, war der Wundstarrkrampf 
verschwunden. Ein typischer Fall von Abreaction eines 
Motives, nur daß dieses Motiv nicht wie Freud will, im 
Unterbewußtsein steckte, sondern in der Phantasiezone 
des Bewußten. Was an diesem Fall das Rätselhafte ist, 
ist die Kenntnis und Imitation sämtlicher Symptome, so wie 
sie nur ein medizinisches Lehrbuch aufzuweisen vermag, 
hier aber von jemand unbewußt geliefert wurde, der, 
wie er wenigstens behauptete, nie einen Tetanuskranken 
zu sehen und zu beobachten Gelegenheit gehabt hatte. 
Aber selbst wenn das der Fall gewesen wäre, wie bringt 
die Phantasie es fertig, einen Stimmritzenkrampf zu insze- 
nieren — wer von uns kann das? — anders als durch 
ein abnormes Schlagbaumheben über den Chaussee- 
straßen der Muskelgewebe vor dem Anprall der Phantasie, 
welche für gewohnlich keinen Zutritt in die Gewebs- 
maschen hat, ihn aber im hysterischen Zustand perverser 
Weise gewinnt? Der Mann war übrigens ein phantastischer 
Affektmensch, von dem sich seine Zimmerkameraden die 
wildesten Landsknechtsgeschichten aus den Feldlagern 
erzählten. Kollege Grabley hat mir von einem Mann er- 
zählt, der es durch Willensdressur ähnlich wie die Yogi- 

74 



leute in Indien erreicht hatte, seine Schulter-, Ellen- 
bogen- und Hüftgelenke beliebig aus- und einzurenken, 
wozu schon eine nicht geringe Stromkraft der Phantasie 
gehören durfte. Solche Menschen gehören für mich, 
wie auch die echten Fakiere, unbedingt zu den Hysterie- 
verdächtigen, weil eben bei ihnen ein aktiver Einbruch 
der Phantasie in die Struktur auch kompliziertester 
Organe möglich ist Übrigens haben auch sehr viele 
okkultistische Medien einen hysterischen Einschlag, wo- 
ffir auch die Lust zur phantastischen Luge und zur Vor- 
spiegelung von einem Können und Fähigkeitsbesitz ge- 
hört, welche sie zum Mittelpunkt eines möglichst all- 
gemeinen Interesses machen. Hysterische simulieren Über- 
fälle, Beraubungen, Schändungen, um die Aufmerksamkeit 
auf ihr ihnen nicht genügend beachtetes ^Ich^ selbst 
unter Anwendung von Gewaltmaßregeln, bis zu gefähr- 
lichen Selbstmordversuchen, unter allen Umständen zu 
lenken. Was ist das anders als eine Tyrannei der Phantasie, 
welche die Umgebung zwingen will, ihre Besitzer ebenso 
wichtig und im Zentrallicht der Welt stehen zu sehen, 
wie sie sich selbst? 

Das alles ist sehr interessant als faktischer Beweis für 
den Einbrudi der Phantasie in die Leibeszonen jeden 
Sitzes und jeder Bildungi aber es trifft noch nicht den 
Kernpunkt unserer Auffassung, wonach die Phantasie 
(Hrekt schöpferisch Formen erzeugt, worinnen eben das 
Platonisdie Problem der Madit der Ideen, das Schopfungs- 
problem, wenn auch an winzigster Stelle, enthalten wäre. 

Nun, wenn Sie meinen eigenen Erlebnissen von den 
Erzeugungen eines Bienenstidies innerhalb 15 Minuten am 
Auge ohne Biene, allein ausgelöst durch das Summen 
eines Ventilators*) im Zimmer einer jungen Dame, wenn 



*) Seite für dieie Beispiele: 

«Vom Schaltwerk der Gedaokeo* 

„Die Hysterie ein metaphysisches Problem' 



75 



das Auftreten von Bläschen» Bartwfichsen am Kinn der 
Fraui ja eines starkwadisenden Eckzahnes nach Anblick 
eines Walrosses nidit glaubhaft ersdieinen solltei wem 
mein ganzes an anderer Stelle niedergelegtes Material 
nicht genügt, der höre wieder unseren klassischen Gewährs- 
mann in der Realencyklopädie der Medizin Bd. X, 
Seite 192 und 190. 

,,Die gesteigerte Erregbarkeit in der trophischen (Bildungs- 
gebiet) Sphäre gibt sich in allerhand Hypertrophien 
und Hyperplasien (Neubildungen) zu erkennen. Die 
üppige FfiUe, die sich bei Hysterisdien so oft findet, ist ein 
Ausdruck derselben. Sonst offenbart sie sidi in verstärktem 
Bartwuchs, - Bart der Weiber — in vermehrter Epidermis- 
bildung, in beschleunigtem Wachstum oder Verdickung 
der Nägel, in der vermehrten Bildung von Pigment . . . 
und in allerhand krankhaften Affektionen entzündlichen 
Charakters ... in exzematösen und acneartigen Ausschlägen 
und, wie ich zu beobachten in der Lage war, in Hyper- 
ostosen an den Phalangen (Knodienneubildungen) der 
großen Zehen und in Synovitis«- und Parasynovitis genu. 
(Auftreibungen der Gelenkhäute)'', Dazu gehört nach 
Moll audi die Fähigkeit von Blutweinen und Blutschwitzen. 
S. 191 an genannter Stelle erwähnt er die Bildung 
eines Klumpfußes als hysterisdier Klumpfuß, und 
Seite 187: m1<^ habe es erlebt, daß (auf das Auftreten 
von Gelenksdimerz und Schwellung hin) einer hyste- 
risdien Person ein Stück Korper nach dem anderen ab- 
genommen wurde, bis von ihr kaum mehr als Rumpf 
und Kopf noch übrig war, in weldi ersteren man 
sdiließlich auch noch eindrang, um die Ovarien zu 
entfernen**. Wenn Moll hier nidit übertreibt, und 
das ist ausgeschlossen, denn er ist einer unserer zu- 
verlässigsten Beobaditer, so muß doch wohl entweder 
der Operateur wahnsinnig gewesen sein zusammen mit 
seinem Opfer, oder aber es haben sich so kolossale Neu- 

76 



bildungen auf hysterischer Basis entwidcelt, daß eben 
Gesdiwülste vorjfetäuscht wurden.*) 

Nun, diese Dinge beweisen zur GenQge und schlagend, 
daß die Hysterie eine Formen schaffende Ideenperversion 
ist, daß sie im Kranken das aufweist^ was das Grundgesetz 
der Natur ist, Formenbildung aus Idee. Also fort mit dem 
Namen der Hysterie, sie hat nicht das geringste mit der 
Keimstätte des Weibes zu tun, sie ist keine Ungezogenheit 
junger und alternder Mädchen, sondern sie ist eine Aus- 
schweifung der Phantasie, ein Gewaltstreich derselben, 
ein Einbrudi in die Fluren und Heimstätten friedlicher 
Zellager. Man sollte sie also eine Arroganz, eine Prae- 
tention, eine Orgie der Phantasie, eine Phantasiasrs 
nennen und ihr zwei Unterbezeichnungen geben: 

Phantasiasis functionalis, oder 
formativa plastica. 

Mit diesen beiden Begriffen glaube idi allen Symptomen 
dieser Zwillingssdiwester des Proteus, diesem Bastard 
zwischen Maja und Fata Morgana zu Leibe gehen zu können. 

Ja, was nodi widitiger ist, erst diese Betrachtungsweise 
ergibt Aussichten auf eine einzig rationelle Behand- 
lung des weitverbreiteten Leidens. Sie kann nur von den 
systematischen Übungen am Mechanismus der Phantasie- 
Organe ausgehen durch eine Art rhythmischer Gymnastik 
der Benda'sdien und der Gefäßmuskeln nadi dem Prinzipe 
der Exerzitien des Ignatius von Ldyola, wofür idi schon 



*) Wollte jemand einwenden, diese Hyperplasien und Hypertrophien 
seien keine editen Geschwülste, so muß man bedenken, dafi echte Ge- 
schwulste Zeu^n^rsangele^enheiten physischer Natur (und ebenfalls 
mysteriösen Ursprungs sind) aber nichts mit GedankeneinflSssen zu tun 
haben. Mir genügt, dafi die Hysterie auf rein geistigem Wege Sub- 
stanz erzeugt, um der Idee Beweiskraft für die Priorität bei der Er- 
zeugung der Substanz überhaupt zuzuspredien. Uebrigens erzeugt sie die 
Substanz in allen drei Aggregat-Zustanden: feste (Geschwülste), flüssige 
(Oedeme) und gasformige (enorme Gasbildung im Magen und Darm). 

77 



in meinem Budie ^Vom Sdialtwerk der Gedanken" von 
besten Erfolgen beriditen konnte. 

Wir sind am Ende unserer Ausführungen, deren Er- 
gebnis sich in folgendem kurzen Satze ausdrücken läftt: 

Für Piatos Behauptung, daß die scfaopferisdie Idee 
der Welt ihrer wirklidien Erscheinung vorangegangen 
sein muß, gibt es nur eine Erfahrungstatsache: Das 
ist der Symptomenkomplex der Hysterie, insofern 
hier die allerdings krankhaft eingestellte Phantasie» 
alsoObersteigerung^einer Idee, zu Formveränderungen 
im Leibe führt, die eine Neusdiaffung von Substanz 
bedeuten. 

14. Januar 1920. 



7B Otto Ebner, Komm.-Ges.^ Beiiw S. 



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In Vorbereitung: 



CARL LUDWIG SCHLEICH 

Meine 

Lebenserinnerungen 



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Aphorismen 



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Die neue Wochensdirift : 

DAS 

TAGE-BUCH 

HERAUSGEBER STEFAN GROSSMANN 



Einzelheft 1.50 M. Vierteljahrspreis 18. — M- 



Aus dem Inhalt der bisher erschienenen Hefte : 

Theodor Fontane: Über Wilhelm IL — Gerh. Hauptmann: 
Abgekürzte Lebenschronik — Alfred Polgar: hin paar 
Tage in Berlin — Stefan Großmann: Enthüllungshändler 
Iwan Goll: Pariser Tagebuch — Walter Rathenau: De pro- 
fundis — Carl Ludwig Schleich: Erinnerungen an Rudolf 
virchow — Hugo v. Hofmannsthal: Reflexionen — Wilhelm 
Schmidtbonn: Der Fährmann — Alfons Paquet: Berichte 
aus Sowjetrußland — George D. Herron: Der Verrat der 
vierzehn Punkte — Walter Hasenclever: Ode an eine 
Tänzerin — Rudolf Borchardt: Falsche Zungen — Carl 
Ludwig Schleich: Mein Vater — Walther Rathenau: Die 
Geschichte der Wahrheit — Ferdinand Tonnies: Recht und 
Unrecht — Abbe Wetterle: Frankreichs elsässisches Problem 
O. M. Fontana: Bildungsarbeit in der österreichischen Volks' 
wehr — Hermann Hesse: Winterbrief aus dem Süden 
Thomas Mann: Klärungen — Aus dem Tagebuch 
Wirtschaftliches Tagebuch — Glossen 



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