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hiLosophisch-SozioLogisckBückrei
IBAND • XIX
GENIEundVERERBUNG
VON
FRÄNas GäiXon
LEIPZIG 1910 :: VERLAG VON DR. WERNER KLINKHARDT
Philosophisch-soziologische Bücherei
Die Bücherei hat es sich zur Aufgabe gcmadit, einerseits
dem deutschen Publikum die Hauptwerke der ausländischen
Philosophie und Soziologie in guten Übersetzungen nahezu-
bringen, andererseits auch wertvolle deutsche Originalarbeiten
in ihren Rahmen aufzunehmen. Wie ihr Erscheinen von den
Fachgenossen aufgenommen wurde, zeigt eine Zuschrift RUDOLF
EUCKENS, der dem Verleger folgendermaßen schreibt:
„Ich wünsche von Herzen Glück zu den bedeutenden
wissenschaftlichen Unternehmungen, die Sie beginnen. Ich
glaube, daß hier in Wahrheit eine Lücke besteht, welche
dringend der Ausfüllung bedarf: wir Deutschen haben zu
wenig Beziehung zu den inneren geistigen Bewegungen
der anderen Kulturvölker, und wir könnten daraus doch
manches gewinnen."
Es sollen außer deutschen Philosophen zunächst die be-
deutendsten Vertreter der ausländischen Philosophie mit charak-
teristischen Werken zu Worte kommen, daneben wird Rück-
sicht darauf genommen, daß nicht nur für den Fachmann inter-
essante Werke zur Verdeutschung kommen, sondern auch solche,
die für ein größeres philosophisch und soziologisch interessiertes
Publikum Wert haben. Die beste Auskunft über Plan und Ab-
sichten des Unternehmens gibt ein Blick auf die Titel der schon
erschienenen und vorbereiteten Bände.
Ein ausführlicher Spezialprospekt über die Gebiete Philo-
sophie - Soziologie steht jederzeit umsonst zu Diensten.
Erschienen sind bisher:
Band I. William James, Der Pragmatismus. Ein neuer Name für
alte Denkmethoden. Deutsdi von Prof. W. Jerusalem, Wien. Preis
geh. M. 5.—, geb. M. 6.—.
Band II. Gustave Le Bon, Psgdiologie der Massen. Deutsdi von
Dr. Rudolf Eisler, Wien. Preis geh. M. 3.—, geb. M. 4.—.
Band III. Alfred Fouill^e, Der Evolutionismus der Kraft-Ideen.
Deutsdi von Dr.RudolfEisler, Wien. Preis geh. M.8.50, geb. M. 10.-.
Band IV. G. Tarde, Die sozialen Gesetze. Deutsdi von Hans
Hammer, Leipzig. Preis geh. M. 3.—, geb. M. 4.—.
Band V. Emile Durkheim, Die Methode der Soziologie. Autori-
sierte Übersetzung. Preis geh. M. 3.—, geb. M. 4.—.
(Siehe 3. Umsdilagsselte).
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Philosophisch-soziologische Bücherei
ZZmzIZZZZZZIZZZ Band XIX 3IZZI==i:=IZ
GENIEiindVEIIHRBUNG
VON
FRÄNOS GÄtrON
Autorisierte Übersetzung von
Dr. Otto Neurath und Dr. Anna Sehapire-Neurath.
Leipzig 1910 « Verlag von
Dr. Werner Klinkhardt,
Inhaltsverzeichnis.
Einleitung der Übersetzer Seit« I
Vorwort „ IV
Einleitung . „ 1
Berühmtlieit als Grundlage einer Einteilung der Menschen . . „ 5
Natürliche Begabung als Grundlage einer Einteilung der
Menschen „ 13
Vergleich der beiden Klassifikationen „ 36
Bezeiohnnngssystem „ 49
Die Judges in England zwischen 1660 und 1865 „ 54
Politiker „ 109
Die Verleihung der Pairswürde und ihr Einfluß auf die Rasse t „ 138
Feldherren „ 149
Literaten „ 179
Naturwissenschaftler und Mathematiker „ 208
Dichter „ 246
Musiker „ 259
Maler „ 269
Theologen „ 280
Die Seniors in klassischen Studien in Cambridge „ 323
Ruderer „ 329
Ringkämpfer aus dem Norden „ 337
Vergleich der Resultate „ 340
Der relative Wert verschiedener Rassen „ 359
Einflüsse der natürlichen Befähigung der Nationen „ 3^3
Allgemeine Betrachtungen „ 384
Typen „ 386
Naturspiele „ 389
Stabilität „ 391
Varitationen » 393
Individualität » 397
Anhang « 401
Vorwort.
Francis Qaltons „Hereditary Genius" erscheint hier zum
ersten Male in deutscher Übertragung. Vor mehr als vierzig
Jahren geschrieben, fand dieses Buch bisher keinen deutschen
Übersetzer, obzwar ein Werk wie „Die Erblichkeit" von R i b o t ,
das sich in Vielem an Qalton anlehnt, bereits in zwei deutschen
Ausgaben vorliegt. Hereditary Genius ist heute so wenig ver-
altet, daß in den neunziger Jahren eine zweite unveränderte eng-
lische Auflage erscheinen konnte. Galtons biographische Mit-
teilungen lassen sich in Manchem heute ergänzen, wodurch aber
^ seine Argumentation im allgemeinen nur gewinnt, ohne daß die
ll wesentlichen Punkte stark verschoben würden. In welcher Weise
-J die Lehre von der sprungweisen Mutation zu verwerten wäre,
— ■ ist in dem Vorwort zur zweiten Auflage angedeutet. Auf Wunsch
^ des Verfassers fügen wir hier bei, daß Fichte, den Galton unter
„Schriftstellern" als isoliertes Genie anführt, einen bedeutenden
Sohn hatte, der Professor der Philosophie war.
Wir haben es im allgemeinen vermieden, „genius" mit Genie
wiederzugeben. Im Titel mußte diese Übersetzung entsprechend
Qaltons Andeutungen zur 2. Auflage beibehalten werden. In dem
Kapitel über die englischen Judges haben wir die englische
Originalbezeichnung beibehalten, da wir kein deutsches Wort
besitzen, das sich vollkommen mit dem Ausdruck „judge" deckt.
Wenn uns in diesem Kapitel und vielleicht auch an manch anderer
Stelle hier und da ein Versehen unterlaufen ist, namentlich bei
der Übersetzung der schwierigen, englischen, teilweise bereits
veralteten Titulatur, so bitten wir den Leser, nicht allzusehr mit
uns deswegen ins Gericht zu gehen. Wir glauben, daß selbst das
eine oder andere derartige Versehen das Verständnis dieses über-
aus nützlichen und in seinen Grundgedanken so durchaus klaren
und eindeutigen Werkes nicht stören kann und zogen es daher
vor, dem deutschen Publikum endlich eine Übersetzung vorzu-
G a 1 1 o n , Genie und Vererbung, 1
II
legen, statt uns von diesen an sich doch geringfügigen Hinder-
nissen abschrecken zu lassen.
Wir möchten an dieser Stelle auch noch Herrn Arnold Rons-
perger und Fräulein Grete Horowitz unseren besten Dank aus-
drücken für ihre freundliche Hilfe beim Korrekturenlesen und
manchen freundlichen Rat beim Übersetzen selbst.
Ebenso danken wir an dieser Stelle dem Herrn Verfasser für
mancherlei Auskünfte und seinen Herren Verlegern Methuen
& Co. für die freundliche Erlaubnis, ein Porträt Qaltons zu
bringen, das seinen „Memories of my Life" entnommen ist.
Unserem deutschen Herrn Verleger gebührt unser Dank für die
Aufnahme dieses Bildes in die deutsche Publikation.
Wien, November 1909.
Dr. Otto Neuratb und Dr. Anna Schapire-Neurath.
Einleitung.
Francis Galton.
Die englische Wissenschaft kennt einen Qelehrtentypus, der
uns Deutschen im allgemeinen fremd ist. Es sind dies wohlhabende
Männer, die Sorgen um die Lebensnotdurft nie kannten und einen
großen Teil ihrer Jugendzeit Sports und Reisen widmeten, um
erst im Mannesalter sich ganz der Wissenschaft zuzuwenden. Die
günstige Lebensstellung übte auf viele von ihnen nie einen läh-
menden Einfluß, befähigte sie aber nach freier Wahl die Welt mit
offenem Blick zu durchforschen, um dann vielfach in originellerer
Weise, als dies bei systematisch erzogenen Gelehrten der Fall
ist, schwierige Probleme kühn in Angriff zu nehmen. Zu diesem
Gelehrtentypus gehörten auch die beiden Enkel des berühmten
Erasmus Darwin, der große Charles Darwin und
sein ihm in vielem kongenialer Vetter Francis Galton.
Francis Qalton wurde am 16. Februar 1822 geboren
und hat also heute bereits die Mitte der Achtziger überschritten.
Sowohl mütterlicher- als väterlicherseits stammte das Kind aus
einem guten Schlag, denn auch den Galtons waren Gelehrsamkeit
und Meditation nicht fremd. So hatte Francis Galtons Großvater
einen besonderen Sinn für Statistik, der sich auf alle seine Kinder
vererbte, in einem Falle, bei einer Tochter, trat er bezeichnender-
weise als bloße Schrullenhaftigkeit auf, ohne vernünftige An-
I*
IV
Wendung'. Auch unter seinen weiteren Verwandten ist Geistes-
bildung vertreten, so daß er selbst ein gutes Beispiel für seine
Theorie ist: die Wahrscheinlichkeit, unter den Verwandten eines
hervorragenden Mannes bedeutende Intelligenz zahlreich anzu-
treffen, ist groß.
Für eine Tochter von Erasmus Darwin — Qaltons Mutter war
der zweiten Ehe des alten Erasmus Darwin entsprossen, während
Darwins Vater der ersten entstammte — war es naheliegend, in
der Medizin einen besonders ehrenvollen Beruf zu sehen und auch
der Vater, ein Kaufmann, der selbst eine wissenschaftliche Arbeit
über Geldwesen veröffentlichte, stimmte dieser Berufswahl gern
zu. Die Ausbildung begann damit, daß der Hausarzt den noch
nicht Sechzehnjährigen zu einer Totenschau mitnahm. Dann kam
eine Art praktischer Lehrlingszeit, wobei Pillendrehen und kleine
Hilfeleistungen bei leichten Unfällen keine geringe Rolle spielten;
die erste theoretische Ausbildung sollte der Achtzehnjährige in
Gießen erhalten, wo L i e b i g gerade Chemie vortrug.
Mit einem ausgiebigen väterlichen Wechsel machte der junge
Galton sich auf die Reise. In Gießen jedoch kam er zu dem inter-
essanten Ergebnis, daß er weder genug deutsch, noch genug
Chemie verstehe, um Liebig mit Nutzen zu hören. Er zog seinen
Wechsel zu Rate und fand, daß dieser für eine kleine Weltreise
ebenso ausreiche wie für das geplante Studium. So finden wir
ihn denn bald darauf in Konstantinopel, von wo er den Orient und
Südeuropa durchstreifte. Als er glücklich nach Hause zurück-
kehrte, nahm der Vater den Streich humoristisch auf und schickte
den Sohn auf die hohe Schule nach Cambridge. Aber auch jetzt
absolvierte der junge Galton sein Studium nicht ordnungsgemäß.
Er war bereits drei Jahre in Cambridge und sollte zu seiner
speziellen medizinischen Ausbildung nach London gehen, als sein
Vater starb und er zum selbständigen Herrn über sein Schicksal
wurde.
Statt nach London, ging Galton jetzt nach Ägypten, dem
Sudan und Syrien, später unternahm er eine Forschungsreise nach
Südwest-Afrika, die seine Stellung in der wissenschaftlichen Welt
begründete. Seine etwas angegriffene Gesundheit verhinderte
weitere Expeditionen.
Als Afrikareisender hatte er Gelegenheit, charakteristische
Typen kennen zu lernen und seinen Blick für Ähnlichkeiten und
Unterschiede aller Grade zu schulen. Diese Reisen waren für
ihn der eigenthche Anstoß zu seinen Untersuchungen, die dann
vor allem durch Darwins Werk: „Über die Entstehung der Arten
durch natürliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der begünstigten
Rassen im Kampf ums Dasein", das 1859 erschien, gefördert
wurde. Qalton wurde ein vielseitiger und fruchtbarer Forscher,
der im Zeitraum eines halben Jahrhunderts gegen 200 Arbeiten
veröffentlichte, darunter etwa den 14ten Teil in Buchform.
Vor allem publizierte er seine Reiseergebnisse und schrieb
über verwandte Materien, so über Geographie und Meteorologie,
dann traten jene Arbeiten in den Vordergrund, die seinen Ruhm be-
gründen sollten, namentlich seine Untersuchungen zur Ver-
erbungslehre. Nachdem er 1865 in Macmillan's Magazine seine
Arbeit „Hereditary, Talent and Charakter" publiziert hatte, folgte
1869 sein bekanntes Werk „Hereditary Genius". Ethnologische,
geographische, statistische, meteorologische Arbeiten kamen jetzt
in rascher Aufeinanderfolge. 1884 eröffnete er auf der Inter-
nationalen Ausstellung ein anthropometrisches Laboratorium, das
später im South Kensington Museum fortgesetzt wurde. Die vor-
genommenen Messungen beschäftigten sich mit der Schärfe von
Gehör und Gefühl, stellten den Farbensinn, die Größe, das Ge-
wicht, den Atmungsvorgang usw. fest. Die gewonnenen Daten
wurden statistisch bearbeitet. Die eigentliche Frucht des Labo-
ratoriums waren Galtons Untersuchungen über Fingerabdrücke,
zu denen er durch Bertillons damals Aufsehen erregende Methode
angeregt worden war. Galton veröffentlichte diese Arbeit erst
1895, sein System ist heute in England, Indien und Argentinien
eingeführt.
Immer wieder stoßen wir bei Galton auf eine Tendenz, Durch-
schnittstypen aufzustellen, ein Gedanke, der an Quetelet an-
knüpft. Waren es ursprünglich die hervorragenden Merkmale
gewesen, denen er vor allem sein Augenmerk zuwandte, so
interessierten ihn nun besonders unbedeutende Merkzeichen von
hoher charakteristischer Bedeutung. Hierher gehören seine be-
kannten „Composite Portraits". Durch photographische Auf-
nahmen mehrerer Individuen auf der gleichen Platte sollten
typische Durchschnittsbilder sowohl von Familien, als von
Nationen hergestellt werden.
vr
Während seine sonstigen Interessen wechselten, behielt er
die Frage der Vererbung unverwandt im Auge, und was der
Vierzigjährige begonnen hatte, hat der Achtzigjährige noch weiter
geführt Bei seinen Untersuchungen über Vererbung hatte er
von Anfang an das Problem vor Augen : Wie kann man
eine menschliche Rasse züchten, die unseren
Idealen am meisten entspricht? An den Ansichten
über den möglichen Fortschritt der Menschheit, wie er sie in
„Hereditary Genius" niederlegte, hält der greise Gelehrte noch
heute unwandelbar fest. In seinen 1908 veröffentlichten „Me-
mories of My Life" schreibt er: „Mein Fehler lag . . . in der
Tendenz, die Geschwindigkeit zu überschätzen, mit welcher der
große Fortschritt der Menschheit sich theoretisch vollziehen
könnte. Ich hatte damals das Gesetz der Regression noch nicht
berücksichtigt. Mit dieser Einschränkung sind die dort nieder-
gelegten Anschauungen noch heute die meinigen."
Das Ergebnis eines reichen Lebens war eine neue Disziplin,
die Eugenik, die Lehre von der guten Zeugung. Galtons Unter-
suchungen über Eugenik sind in erster Reihe in den „Sociological
Papers", dem Organ der Sociological Society niedergelegt, es sind
dies die Arbeiten „Restrictions in Marriage", „Studies in National
Eugenics" und „Eugenic as a Factor in Religion". Wir hoffen,
auch diese Arbeiten dem deutschen Publikum bald vorlegen zu
können.
Qalton war die Genugtuung beschieden, daß sein Vaterland
dem neuen Forschungsgebiet im Rahmen der wissenschaftlichen
Organisation Heimatrecht gewährte und daß ein Kreis jüngerer
Forscher mit allen Hilfsmitteln der angewandten Mathematik aus-
gerüstet — unter ihnen vor allem Pearson — dem neuen Fragen-
komplex ihre Kräfte zuwandten. Auch auf dem Kontinent be-
schäftigen sich immer mehr Forscher mit diesem Gebiet und
untersuchen seine Tragweite.
Wer mit offenem Auge die Entwicklung der Zukunft voraus-
zuschauen versucht, sieht als die größten Probleme, welche die
Menschheit in immer stärkerer Weise bewegen werden, die Ver-
besserung der sozialen Ordnung und die Verbesserung unserer
VII
Rasse, zwei Ziele, die eng miteinander zusammenhängen. Der
Ruhm aber, in entscheidendem Maße die Bewegung für die
systematische Verbesserung der Rasse in unserem Zeitalter ein-
geleitet zu haben, gebührt Francis Qalton und seiner
Eugenik.
Die Übersetzer.
Vorwort.
Vorwort zur ersten englischen Ausgabe.
Der Gedanke, mich mit dem Gegenstand der Vererbung von
Anlagen zu beschäftigen, kam mir während einer rein ethno-
logischen Untersuchung über die geistigen EigentümHchkeiten
der verschiedenen Rassen, als die Tatsache, daß charakteristische
Merkmale an Familien haften, mir so häufig vor Augen kam. daß
sie mich veranlaßte, diesem Teil des Gegenstandes meine be-
sondere Aufmerksamkeit zuzuwenden. Ich begann, über die An-
lagen und Tätigkeiten meiner Zeitgenossen in der Schule, im
Kolleg und im späteren Leben nachzudenken und war überrascht,
wie häufig Befähigung den Weg der Vererbung zu gehen schien.
Dann ging ich kursorisch die Verwandten von etwa vierhundert
berühmten Männern aus allen Perioden der Geschichte durch;
die Resultate dieser Untersuchung innerhalb der Grenzen, die
die Untersuchung forderte, genügte meiner Ansicht nach voll-
ständig zur Bestätigung der Theorie, daß Anlagen vererbbar
sind unter Beschränkungen, die untersucht werden sollten.
Hierauf machte ich mich daran, eine große Anzahl sorgsam
ausgewählter biographischer Daten zu sammeln und schrieb in
der Zwischenzeit zwei Artikel über diesen Gegenstand, die im
Juni und August 1865 in Macmillan's Magazine er-
schienen. Ich ging auch von verschiedenen Seiten an den
Gegenstand heran und machte oft sehr mühselige Untersuchungen,
da es lange währte, ehe die Methode reifte, die ich endgültig an-
IX
nahm. Ich berühre dies alles, um zu zeigen, daß die Grundlegung
meiner Theorien umfangreicher ist, als es vielleicht bei der Lek-
türe meines Buches scheinen mag und ebenso teilweise zur
Rechtfertigung, da mir gelegentlich vorgeworfen wurde, ich
spräche mit etwas mehr Zuversicht, als der von mir erbrachten
Evidenz zukomme.
Ich hoffe, der Leser wird einen geringen Prozentsatz von
Irrtümern und Ungenauigkeiten verzeihen, wenn er so gering ist,
daß er den allgemeinen Wert meiner Resultate nicht affiziert.
Niemand kann Ungenauigkeiten mehr hassen, als ich selbst es
tue, niemand kann auch einen höheren Begriff von dem haben,
was ein Autor in Bezug auf Präzision seinen Lesern schuldet;
aber bei einer Untersuchung, wie der vorliegenden, ist es außer-
ordentlich schwer, jedes Mißverständnis zu korrigieren, und noch
schwieriger, Auslassungen zu umgehen. Ich habe oft meine Augen
über viele Seiten großer biographischer Lexica und Bände von
Memoiren schweifen lassen müssen, ehe ich zu Daten kam, die
ich dann in einem halben Dutzend von Zeilen in dem Anhang
eines meiner zahlreichen Kapitel niederlegte.
Die Theorie von der Vererbung der Anlagen wurde, obgleich
gewöhnlich verspottet, von einigen Schriftstellern sowohl in der
Gegenwart als in der Vergangenheit behandelt. Aber ich kann
den Anspruch erheben der erste zu sein, der diesen Gegenstand
statistisch behandelt, um zu ziffernmäßigen Resultaten zu
kommen und das „Gesetz der Abweichung von einem Durch-
schnitt" in die Diskussion über Vererbung einzuführen.
In den folgenden Seiten wird noch von einer Menge von
Gegenständen die Rede sein, die über den Ausgangspunkt, ob
Anlagen sich vererben oder nicht, hinausgehen. Ich kann nicht
umhin, sie zu betrachten, da die Stützen der Theorie, die ich ver-
fechte, zu wichtig sind, um mit Stillschweigen übergangen zu
werden.
Einleitung zu der zweiten Ausgabe von 1892.
Der vorliegende Band ist ein Abdruck eines Werkes, das
vor dreiundzwanzig Jahren erschienen, seit langem aus dem
Handel verschwunden ist und nur aus zweiter Hand und zu über-
X
triebenen Preisen zu bekommen war. Es fragte sich nun,
ob das Ganze revidiert und die Informationen bis zum
gegenwärtigen Zeitpunkt ausgedehnt werden sollten oder
ob man sich nach Entfernung einiger auffallender Druckfehler
mit einem einfachen Abdruck begnügen sollte. Wir entschieden
uns für das letztere, da selbst nur geringfügige Hinzufügungen
von Daten die Umformung der gesamten Tabellarisierungen not-
wendig gemacht hätte, während eine sorgfältige Rekonstruktion
eine größere Arbeit bedeuten würde, als ich heute unternehmen
kann.
Zur Zeit, da dieses Buch geschrieben wurde, hielt man ge-
meinhin die Handlungen des menschlichen Geistes für unab-
hängig von natürUchen Gesetzen, und dieser Geist selbst galt als
fast jeder Tat fähig, wenn er nur durch einen Willen, der die
Kraft der Initiative hatte, gezwungen wurde sich anzustrengen.
Selbst diejenigen, die sich einer philosophischen Denkweise er-
freuten, waren weit entfernt davon, die geistigen Fähigkeiten
jedes Individuums als ebenso streng begrenzt anzusehen, wie die
seines Körpers, noch viel weniger wurde der Gedanke der erb-
lichen Übertragung von Anlagen klar verstanden. Der erste Teil
des Buches muß in dem Lichte der unvollständigen Kenntnis der
Zeit, wo es geschrieben wurde, gelesen werden, denn was in
dieser Beziehung für das Jahr 1869 galt, gilt nicht mehr für das
Jahr 1892.
Ich habe seither selbst viele Untersuchungen in Richtungen
angestellt, die dieses Buch angeregt oder schon verfolgt hat. Die
Resultate legte ich dann in verschiedenen Abhandlungen nieder,
zum größten Teile sind sie in den drei folgenden Bänden zu-
sammengezogen : Englische Männer der Wissen-
schaft (1874), Menschliche Fähigkeit (1883) und
Natürliche Vererbung (1889) ebenso in einem geringen
Ausmaße in einem vierten Bande, der jetzt zur Veröffentlichung
gelangt über F i n g e r a b d r ü c k e.
Derjenige Fehler, den ich in diesem Buche am meisten be-
daure, ist sein Titel (Hereditary Genius), der sich aber nicht
wieder gutmachen läßt. Ich hatte nicht die geringste Absicht,
das Wort genius in irgend einem technischen Sinne zu ge-
brauchen, sondern wollte damit nur eine Anlage ausdrücken, die
außerordentlich hoch und gleichzeitig angeboren ist. Ich beab-
XI
sichtigte das Wort in dem gleichen Sinne zu gebrauchen wie es
in Johnsons Dictionnaire beschrieben ist, nämHch „Geistige Kraft
oder Fähigkeit. Naturanlage, durch die ein Mensch zu einer be-
sonderen Verwendung quaUfiziert ist. Natur, Anlage." Ein
Mensch, der ein Genie ist, wird definiert als jemand, der mit
höheren Fähigkeiten ausgestattet ist. Damit ist alles erschöpft,
was Johnson über diesen Gegenstand zu sagen hat, ausgenommen
die imaginäre Schöpfung von klassischen Autoren, die Genius ge-
nannt werden, die uns aber hier nichts angehen, und die er als
die protegierenden oder leitenden Mächte von Menschen, Ort-
schaften oder Dingen beschreibt. In den Zitaten aus muster-
gültigen Autoren, mit denen Johnson seine Definitionen belegt,
findet sich nichts, was einen gezwungenen und technischen Sinn,
der diesem Wort gegeben wird, rechtfertigt, noch findet sich
hier irgend etwas, das an das lateinische Wort i n g e n i u m
gemahnt.
Das Genie und seine Vererbung scheint daher als Titel rich-
tiger und entsprechender als Anlagen und ihre Vererbung, denn
Anlagen schließen nicht die Resultate der Erziehung aus, wie das
Genie es tut. Der Leser wird finden, daß in dem ganzen Buch
nicht von Genie als spezieller Qualität die Rede ist. Es wird
offen als Äquivalent für natürhche Anlage zu Beginn des Kapitels
„Vergleich der beiden Klassifikationen" angewandt. Nur an
einer Stelle wird, soweit mir dieses bei der abermaligen Lektüre
auffällt, ein Unterschied zwischen diesen beiden Worten ge-
macht, während die Unsicherheit, die der Bedeutung des Wortes
„Genie" in seinem technischen Sinne noch anhaftet, ausdrück-
lich besprochen wird. Es besteht also diesbezüglich in dem
Buch keine Verwirrung, aber der Titel scheint zu Mißverständ-
nissen führen zu können, und wenn er neu gewählt werden könnte,
würde das Buch als „Anlagen und ihre Vererbung" erscheinen.
Die Relation zwischen Genie in seinem technischen Sinne
(welches immer die präzise Definition sein mag) und Irrsinn
wurde von Lombroso und anderen stark betont, deren Ansichten
über den Zusammenhang der beiden Erscheinungen so ausge-
sprochen ist, daß es uns kaum überraschen würde, wenn einer
ihrer enthusiastischeren Anhänger bemerkte, der und der könne
kein Genie sein, da in seiner Famiüe kein einziger Fall von Wahn-
sinn aufgetreten sei. Ich kann nicht annähernd so weit gehen wie
sie, auch nicht einen Teil ihrer Daten annehmen, durch welche der
Zusammenhang zwischen Anlagen sehr hohen Grades und Irr-
XII
sinn angeblich festgestellt ist. Doch findet sich ein großes Resi-
duum von Evidenz, das auf eine schmerzlich nahe Beziehung
dieser beiden Erscheinungen hindeutet, und ich muß hinzufügen,
daß meine eigenen späteren Beobachtungen nach der gleichen
I^ichtung tendierten, denn ich war überrascht, wie häufig Irr-
sinn oder Idiotie unter den nahen Verwandten außerordentlich
befähigter Menschen auftauchte. Diejenigen Menschen, die einen
außerordentlich tätigen und übereifrigen Qeist haben, müssen
auch oft Qehirne besitzen, die reizbarer und eigentümlicher sind,
als es mit Unversehrtheit vereinbar ist. Sie scheinen zuweilen dazu
zu neigen, hinfällig zu werden und vielleicht ganz zusammenzu-
brechen. Man kann annehmen, daß ihre angeborene Reizbar-
keit und Eigentümlichkeit auch in einigen ihrer Verwandten auf-
taucht, ohne von einem gleichen Anteil beharrender Eigen-
schaften begleitet zu sein, welcher Art immer diese sein mögen.
Jene Verwandten werden schrullenhaft, wenn nicht verrückt sein.
In der Anwendung des Wortes Genie ist noch vieles Undefi-
niert. Es wird häufig auf einen Jüngling von dessen Zeitgenossen
angewendet, aber seltener von den Biographen, die nicht immer
untereinander übereinstimmen. Wenn Genie Inspiration be-
deutet oder ein Übermaß von Ideen von augenscheinlich über-
natürlichem Ursprung oder den ungewöhnlichen und brennenden
Wunsch, irgend etwas besonderes zu tun, so nähert sich ein
solcher Zustand gefährlich den Stimmen, die die Wahnsinnigen
in ihren Delirien oder Monomanien hören. Es kann sich in einem
solchen Falle nicht um eine gesunde Eigenschaft handeln, noch
kann deren Weitergabe durch Vererbung wünschenswert er-
scheinen. Die natürlichen Anlagen, von denen dieses Buch han-
delt, sind der Art, wie sie ein moderner Europäer in einem weit
größeren Durchschnitt besitzt als Menschen niedrigerer Rassen.
Wir finden nichts in der Geschichte der Domestikation der Tiere
oder in der der Evolution, was uns bezweifeln läßt, daß eine Rasse
gesunder Menschen gebildet werden kann, die den modernen
Europäern geistig und moralisch ebenso überlegen wäre, als die
modernen Europäer den niedrigsten Negerrassen überlegen sind.
Individuelle Abweichungen von diesem hohen Durchschnitts-
niveau in einer höheren Richtung würden einen adäquaten Zu-
schuß eines Grades von Anlagen hervorrufen, wie er jetzt außer-
ordentlich selten ist und sehr gebraucht wird.
Es ist für den Leser dieses Buches vielleicht von Nutzen,
wenn er schon in diesem einführenden Kapitel einen kurzen Über-
xrii
blick über die Daten und den Verlauf der Argumentation erhält.
Der erste Gegenstand der Untersuchung war die Frage, ob und
in welchem Qrade natürliche Anlagen erblich weitergegeben
werden, pies konnte nicht leicht ohne eine einleitende Klassi-
fikation der Anlagen nach einem Normalmaßstab erfolgen. Der
erste Teil des Buches ist ein Versuch, einen solchen herzu-
stellen.
Die angewandte Methode basiert auf dem den Mathematikern
allgemein bekannten Gesetz der Fehlerhäufigkeit, denn sie
waren es, die die Methode ersannen, die Häufigkeit, mit der ver-
schiedene verhältnismäßige Größen von Irrtümern in astro-
nomischen und geodätischen Operationen erwartet werden
können, zu entdecken, und den V^ert, der der Wahrheit wahr-
scheinlich am nächsten ist, aus einer Masse geringfügig vonein-
ander abweichender Messungen der gleichen Tatsache zu
schätzen.
Die Anwendung wurde von Quetelet auf die Proportionen
des menschlichen Körpers ausgedehnt unter der Annahme, daß
die Differenzen, in der Gestalt zwischen Männern der gleichen
Rasse, etwa theoretisch als Irrtümer behandelt werden
können, als Irrtümer, die die Natur in ihrem Versuch machte, in-
dividuelle Menschen der gleichen Rasse nach dem gleichen Modell
zu bilden. Wie phantastisch eine solche Ansicht, die in diesen
kahlen Worten ausgesprochen und ohne von einer ausreichenden
Erklärung begleitet zu sein, auch erscheinen mag, so läßt sich doch
zeigen, daß sie sich auf einer vollkommen gerechtfertigten Basis
aufbaut. Überdies fand er, daß die theoretischen Voraus-
setzungen richtig waren, und ebenso wurde ihre Richtigkeit in
analogen Fällen unter vernünftigen Vorbehalten bestätigt; von
diesen sind vielleicht die von Professor Weldon an Krabben an-
gestellten Versuche die bemerkenswertesten. (Proc. Royal So-
ciety S. 2 Bd. 51, 1892.)
Eine Wirkung dieses Gesetzes mag unter folgender Form
ausgedrückt werden, obgleich Quetelet sie nicht anwendet.
Stellen wir uns 100 Engländer vor, die zufällig ausgewählt und
nach ihrer Größe in einer Reihe aufgestellt werden. Die Größe
des SOsten wird fast identisch sein mit der des Slsten, und
beide werden den Durchschnitt aller Körperlängen repräsen-
tieren. Denn nach dem Gesetze der Häufigkeit wird die
Differenz zwischen ihnen und dem 63sten die gleiche sein,
wie zwischen dem 63sten und dem 75sten. dem 75sten
XIV
und dem 84sten, dem 84sten und dem 90sten. Die Zwischen-
männer zwischen diesen Abteilungen, deren Zahl 15, 12, 9 und
6 beträgt, bilden eine Folge von Klassen, die, wie wir sehen, an
Anzahl abnehmen, die aber von ihren Nachbarn durch gleiche
Größengrade getrennt sind. Die Abnahme der folgenden
Klassen ist daher sehr gering, aber man würde finden, daß sie in
einem ungeheuer beschleunigten Maßstab aufsteigt, wenn eine
längere Reihe als 100 Mann gebildet und wenn die Klassifikation
weitergetrieben würde, als in diesem Buch gezeigt wird.
Ich wende dieses Gesetz nach einigen provisorischen Verifi-
kationen auf geistige Fähigkeiten an, indem ich von rückwärts
arbeite, um eine Skala von Anlagen zu erhalten und um imstande
zu sein, dabei die verwendeten Eigenschaftsworte zu präzisieren.
So ist der Rang des ersten unter 4000 oder ähnlich durch das
Wort „Hervorragend" ausgedrückt. Das Gesetz der Häufigkeit
von Fehlern wird jetzt von vielen auf geistige Fähigkeiten an-
gewendet, denn man hat gefunden, daß es mit den Beobachtungen
gut übereinstimmt. Ich kenne Examinatoren, die es anwenden,
um die allgemeine Richtigkeit der Noten zu prüfen, die vielen
Kandidaten bei der gleichen Prüfung gegeben werden. Auch
weiß ich von einem Mathematiker, der auf dieses Gesetz Rück-
sicht nimmt, ehe er seine Prüfungskandidaten in Klassen teilt
Nichts ist in diesem Buch über das Gesetz der Häufigkeit gesagt,
was nicht die folgende Erfahrung bestätigt und selbst erweitert
hat, ausgenommen, daß eine ausdrückliche Warnung gegen die
wahllose Anwendung nötig ist.
Die nächste Stufe war, eine allgemeine Idee von der Weiter-
gabe von Anlagen zu gewinnen, die auf einer breiten Basis homo-
gener Tatsachen begründet, die Resultate bestätigen sollten, die
später aus schlagenderen, aber weniger homogenen Tatsachen
erhalten werden sollten. Um dies zu erforschen, mußte ich mich
unverdrossen gegen irgend eine persönhche Neigung meinerseits
verwahren; es war also wichtig, daß die Gruppe, mit der operiert
werden sollte, zur statistischen Behandlung genügend zahlreich
war und andererseits, daß die Familiengeschichten der Per-
sonen, um die es sich handelte, zugänglich und wenn möglich be-
reits publiziert war.
Die Liste, die schheßlich zu diesem einleitenden Zweck be-
nützt wurde, war die der englischen Judges seit der Reforma-
tion. Ihre Verwandtschaftsbeziehungen wurden untersucht, der
Prozentsatz ihrer „hervorragenden" Verwandten in den ver-
XV
schiedenen näheren Graden wurde tabellarisch aufgenommen und
die Resultate besprochen. Diese waren schlagend und schienen
an sich schon vollauf genügend, um die Hauptfrage zu beweisen.
Verschiedene Einwände tauchten jedoch gegen die Qiltigkeit der
Schlüsse auf, die aus ihnen gezogen wurden. Sie wurden, wie
ich glaube, in dem Buch widerlegt.
Nachdem dieses getan war, machte ich nacheinander Serien
von Listen über die berühmtesten Politiker, Feldherren, Lite-
raten, Mathematiker und Naturwissenschaftler, Dichter, Musiker
und Maler, von denen die Geschichte weiß. Zu jeder dieser Listen
zog ich viele hervorragende Engländer heran, deren Biographien
entweder bekannt oder leicht zugänglich sind. Die Listen stellte
ich jedesmal so zusammen, daß meine eigenen Neigungen aus-
geschaltet waren, indem ich mich jedesmal auf das Urteil anderer
Personen bezog, das ohne irgend welche Kenntnis über den
Gegenstand der vorliegenden Untersuchung ausgesprochen
wurde, wie es bei den Auswahlen der Fall ist, die Historiker oder
Kritiker zusammenstellen. Nachdem die Listen der berühmten
Männer aufgestellt waren, stellte ich eine große Gruppe hervor-
ragender protestantischer Theologen zusammen, nämlich die-
jenigen, die in Middletons einst wohlbeanntem und hochge-
schätzten Diktionnaire genannt sind. Darauf besprach ich noch
die Seniors in klassischen Studien in Cambridge, dann die Ru-
derer und Ringkämpfer aus dem N o r d 1 a n d. Am Kopfe jeder
Liste wurden alle ausgewählten Namen gedruckt und zwar
wurden diejenigen, bei denen sich hervorragende Verwandten
fanden, in K u r s i v schrift gedruckt, so daß die Anzahl der Nieten
leicht mit denen der Erfolge verglichen werden kann. Wie
der Liste der Judges, so wurde auch jeder folgenden ein kurzes
Verwandtschaftsverzeichnis beigefügt, von denen jedes nachher
tabellarisiert und in der gleichen Weise besprochen wurde.
Schließlich wurden die verschiedenen Resultate zusammen ge-
stellt und verglichen, worauf sich eine allgemeine bemerkens-
werte Übereinstimmung und einige interessante Ausnahmen er-
gaben. Eine dieser Ausnahmen lag bei den Theologen in dem
überwiegenden Einfluß der Mütter. Diese Tatsache wurde be-
sprochen und klar in Rechnung gezogen.
Der Rest des Buches ist Betrachtungen gewidmet, die durch
die Resultate der vorhergehenden Kapitel angeregt sind, wie
etwa der relative Wert der verschiedenen Rassen, die Einflüsse,
XVI
die aus den natürlichen Anlagen der Nationen folgen und so
weiter. Schließlich folgt noch ein Kapitel allgemeiner Betrach-
tungen.
Wenn ich das Buch nochmals umarbeiten würde, müßte der
Teil des letzten Kapitels, der sich auf Darwins provisorische
Pangenesis-Theorie bezieht, revidiert und mehr ausgedehnt
werden, um auch noch die Gründe für und gegen die erbliche
Weitergabe von Gewohnheiten in Betracht zu ziehen, die nicht
angeboren sind, sondern durch Übung erworben werden. Die
Fähigkeit der Pangenesis-Theorie, große Klassen augenschein-
lich verschiedener Phänomene unter ein einzelnes Gesetz zu
bringen, ist wunderbar, doch wurden seither ernsthafte Einwände
gegen ihre Giltigkeit gemacht, die eine allgemeine Annahme
verhindern. Diese Theorie würde uns z.B. zwingen zu glauben,
daß die erbUche Weitergabe von akzidentellen Verstümmelungen
und erworbenen Fähigkeiten die Regel und nicht die Ausnahme ist.
Wenn wir aber alle theoretischen Gründe gegen diesen Glauben
außer Frage lassen, wie ich sie selbst vor vielen Jahren vor-
gebracht habe und wie sie in letzter Zeit noch zwingender von
Weismann vorgebracht wurden und uns, auf die experimentelle
Evidenz stützen, ist es jetzt klar, daß die Tendenz der erworbenen
Gewohnheiten erblich weiter gegeben zu werden, außerordentlich
gering ist. Es kann einige wenige Fälle geben, wie jene der
Brown-Sequard'schen Meerschweinchen, wo Verletzungen der
Nervensubstanz der Eltern ihre Nachkommenschaft affizierten;
doch hat man gefunden, daß Verletzungen oder Gewohnheiten
der Eltern die natürliche Gestalt oder Fähigkeit des Kindes nicht
affizieren, es wäre denn, daß sie anderen Einflüssen, wie schlechter
Ernährung oder übermittelten Mikroben zugeschrieben werden
können. Ob nicht sehr geringe hereditäre Einflüsse der voraus-
gesetzten Art, wenn sie sich viele Generationen hindurch in der
gleichen Richtung akkumulieren, schließlich die Qualitäten der
Art affizieren können, scheint der einzige Punkt zu sein, der ernst-
haft in Frage kommt.
Viele Beispiele wurden von jenen wenigen Personen er-
bracht, die sich einer hohen Autorität erfreuen und die noch be-
haupten, daß erworbene Gewohnheiten, wie der Gebrauch oder
Nichtgebrauch bestimmter Organe bei den Eltern in einem ge-
nügenden Grade erblich weiter gegeben werden können, um die
gesamte Nachkommenschaft nach vielen Generationen beträcht-
lich zu affizieren. Unter diesen Beispielen wurde viel Wert auf
XVII
die abnehmende Größe des menschlichen Kiefers bei hoch-
zivilisierten Völkern gelegt. Es wurde geltend gemacht, daß ihr
Essen besser und schmackhafter gekocht ist, als das ihrer Vor-
fahren, daß also der Kauapparat der Rasse infolge Nichtgebrauch
zurückgegangen ist. Die Evidenz, auf welcher dieses Argument
basiert, ist fraglich, da es nicht ganz gewiß ist, daß die nicht-
europäischen Rassen, die stärkere Kiefer haben, als wir, die-
selben mehr gebrauchen, als wir es tun. Ein Chinese lebt, und
zwar seit Jahrhunderten, von Reis und Löffelkost oder einer solch
überkochten Nahrung, als seine Eßstäbchen immer bewältigen
können. Die Afrikaner in der Gegend des Äquators leben zum
großen Teil von Bananen oder von Tapioca, die gut gekocht
werden muß, ehe man sie ißt, da sie gewöhnlich von der giftigen
Art ist und das Gift durch Kochen zerstört wird. Viele der
Inselbewohner des Osterarchipels leben von Sago. Hirtenstämme
essen gelegentlich Fleisch, aber ihre gewöhnliche Nahrung ist
Milch oder Käse. Es sind nur die Jagdvölker die gemeinhin von
zähem Fleisch leben. Daraus folgt, daß die abnehmende Größe
des menschlichen Kiefers bei hochzivilisierten Völkern auf andere
Gründe als jene, welche immer es auch sein mögen, zurückzu-
führen sind, welche das Gewicht des gesamten Skeletts in zart
genährten Tieren reduzieren.
Es scheint der Frage des Experiments zugänghch, ob gewisse
erworbene Eigenschaften, die zehn, zwanzig oder mehr Gene-
rationen aktiv sind, irgend welche sichtbare Folgen auf die Rasse
haben. Ich will hier einiges wiederholen, was ich vor zwei
Jahren erst auf einem Kongreß in Paris und dann in der British
Association von Newcastle vorbrachte. Der Satz, den ich auf-
stellte, ging dahin, daß die Experimente im Großen gemacht
werden müßten und zwar an Geschöpfen, die künstlich, von
mütterlichen Belehrungen völlig isoliert, ausgebrütet werden.
Hühner, Schmetterlinge und Fische wären besonders geeignet.
Hühner werden an vielen Orten, namentlich in Frankreich, in
großer Anzahl in Brutapparaten aufgezogen. Es scheint nicht
schwierig. Versuche zu ersinnen, die mit bestimmten Futterrufen
zu verbinden wären, ebenso mit Farben, die wieder mit dem
Futter zusammenhängen oder mit Futter, das wirklich gut ge-
funden würde, wenn auch von abschreckendem Aussehen und die
Küchlein auf bestimmten Brutplätzen regelmäßig diesem Ver-
fahren zu unterwerfen. Nach vielen Generationen könnte man
dann durch Vergleiche mit Küchlein anderer Brutplätze prüfen,
ob die Küchlein der so und sovielten Generation irgend welche
Galton, Genie und Vererbung. II
XVIII
Instinkte angenommen haben, die verändernd auf sie gewirkt
haben. Was die Schmetterlinge anlangt, so ist die Seidenwurm-
industrie so verbreitet und befindet sich auf einem so hohen
Niveau, daß sowohl in Frankreich als in Italien genügend Ge-
legenheit für analoge Experimente vorhanden ist. Die An-
stalten für Fischkultur gewähren ein anderes Feld. Es würde
nicht verlohnen, derartige Experimente anzuregen, wenn man
nicht vorher über den kritischen Wert einig wäre, den sie, einmal
ausgeführt, für uns hätten. Meiner eigenen Meinung nach würden
sie als entscheidende Experimente eben so weit zu betrachten
sein, als sie kommen würden, und es würde wohl verlohnen, sie zu
unternehmen, aber sie scheinen anderen nicht so schlagend vorzu-
kommen. Ehe solche Experimente inszeniert würden, müßten
die Details von vielen kompetenten Forschern untersucht und
kritisch analysiert werden.
Auch ein anderes Thema hätte ich behandelt, wenn ich das Buch
umgearbeitet hätte, nämlich den Unterschied zwischen Variationen
und Naturspielen. Dieses Thema würde eine Umarbeitung vieler
der schon existierenden Erörterungen verlangen. Die Ansichten,
zu denen ich gekommen bin, seit es geschrieben ist, sind Ergän-
zungen jener, die bereits S. 391—392 vorgebracht, aber nicht bis
zu ihrem logischen Schluß geführt wurden. Es würde sich darum
handeln, daß das Wort Variation unterschiedslos für zwei fun-
damental verschiedene Begriffe verwendet wird: für Sport und
die eigentlich sogenannte Variation. In der Natürlichen
Vererbung habe ich gezeigt, daß die Verteilung von Eigen-
schaften in einer Bevölkerung nicht konstant bleiben kann, wenn
durchschnittlich die Kinder ihren Eltern ähnlich sehen.
Ist dies der Fall, so würden die Riesen (in bezug auf irgend eine
geistige oder physische Eigentümlichkeit) in jeder folgenden Ge-
neration noch riesiger und die Zwerge noch zwerghafter werden.
Die gegenwirkende Tendenz ist die, welche ich „Regression"
nenne. Das kindliche Zentrum ist nicht das gleiche wie das
elterliche, sondern es nähert sich mehr der Mittelmäßigkeit;
es kehrt mehr zu dem Rassen Zentrum zurück. Mit anderen
Worten, das kindliche Zentrum (oder das geschwisterliche, wenn
wir den Gesichtspunkt ändern) ist stets dem durchschnittlichen,
dem Rassenzentrum näher, als dies bei dem elterlichen Zentrum
der Fall war. Es muß eine durchschnittHche „Regression" vor-
handen sein, wenn es sich um den Übergang von dem elterlichen
zu dem kindlichen Zentrum handelt.
XIX
Es ist weder möglich, an dieser Stelle einen völligen Be-
griff von der Notwendigkeit, noch von den Beweisen der Re-
gression zu geben, in dem angegebenen Werk habe ich sie sorg-
sam besprochen. Es genügt hier, daß das Resultat dem Gedanken
eines typischen Zentrums Bestimmtheit verleiht, eines Zentrums,
von dem die individuellen Variationen in Übereinstimmung mit
dem Gesetz der Häufigkeit oft in geringer Anzahl vorkommen,
seltener in einer größeren, sehr selten in einer, die noch größer
ist und in Wirklichkeit nie in einer Anzahl, die beständig größer ist.
Das kindliche Zentrum nimmt eine Stellung zur Mittelmäßigkeit
ein, die eirie konstante Proportion zu der Entfernung hat, in
welcher das elterliche Zentrum sich von dieser Mittelmäßigkeit
befand, ob diese Entfernung nun in einem Hinauf oder Hinunter
bestand. Alle wahre Variation ist (wie ich glaube) von dieser Art,
und es ist folglich unmögHch, die natürlichen QuaHtäten einer
Rasse durch die Tatsache der Selektion reiner Variationen
permanent zu ändern. Die Selektion der zweckdienlichsten
Variationen kann nicht einmal einen großen Grad künst-
lichen und vorübergehenden Fortschritts hervorbringen, da bald
ein Gleichgewicht zwischen Abweichung und Regression erreicht
wird, wobei die Besten der Nachkommenschaft aufhören besser
zu sein als ihre eigenen Vorväter und Vormütter=
Etwas anderes ist es bei den Fällen, die technisch als „Sports"
bekannt sind. Hier tritt ein neuer Charakter plötzlich bei einem
besonderen Individuum in Erscheinung und wird die Veran-
lassung, daß das Individuum sich deutlich von seinen Eltern und
von den anderen seiner Rasse unterscheidet. Auch solche neue
Charaktere gehen auf die Nachkommen über. Hier Hegt eine
Veränderung des typischen Zentrums vor, ein neuer Ausgangs-
punkt ist auf irgend eine Weise in die Erscheinung getreten, gegen
welchen die Regression von nun ab gemessen werden muß, es
hat also im Gange der Evolution ein wirklicher Schritt nach vor-
wärts stattgefunden. Wenn die natürliche Selektion einen be-
stimmten Sport begünstigt, arbeitet er wirklich auf die Bildung
einer neuen Art hin, wogegen der Vorteil, der gleichzeitig durch
bloße Variation erreicht wird, wieder zu verschwinden scheint,
soweit es sich nur um eine solche handelt.
Zwischen einem Sport und einer Variation kann eine Ver-
mischung entstehen, die zu einem hybriden und unbeständigen
Resultat führt, wovon der unvollkommene Mischungscharakter
der verschiedenen menschlichen Rassen ein gutes Beispiel gibt.
II
XX
Zahlreiche reine Muster ihrer verschiedenen Ahnentypen sind
geneigt, wieder hervorzubrechen, ungeachtet der Beimischung
durch die Ehe, die vor vielen Generationen erfolgt ist.
Sowohl mir als anderen, wie Wallace und Professor Romanes
ist der Gedanke gekommen, daß die Zeit gekommen sei, wo ein
Institut für Experimente über Vererbung mit Nutzen eingerichtet
werden könnte. Eine Farm und ein Garten von geringem Um-
fange, mit verschiedenen klimatischen Verhältnissen und gut mit
Wasser versorgt, unter der Obhut intelHgenter Wärter und von
einem Biologen beaufsichtigt, würden die nötige Basis für eine
große Reihe mannigfacher Untersuchungen an nichtkostspieligen
Pflanzen und Tieren ermöglichen. Die Schwierigkeit liegt in
der geringen Anzahl kompetenter Personen, die sich aktiv mit
der Frage beschäftigen und bei denen man sich darauf verlassen
könnte, daß sie ein derartiges Unternehmen auch wirklich be-
nützen würden.
Das direkte Resultat dieser Untersuchung ist, die großen und
meßbaren Differenzen zwischen den geistigen und körperlichen
Eigenschaften von Individuen zu manifestieren und zu beweisen,
daß die Gesetze der Vererbung sich sowohl auf die ersteren, als
auf die letzteren, anwenden lassen. Ihr indirektes Resultat ist, zu
zeigen, daß jeder Generation eine große aber unbenutzte Macht
über die wirkliche natürliche Beschaffenheit ihrer
Nachfolger, d. h. über ihre angeborenen Eigenschaften und
Anlagen zu Gebote steht. Die rohe, noch ungelenkte Macht,
diese Fähigkeit durch entsprechende Ehen oder Enthaltung
von der Ehe auszuüben, existiert ohne Zweifel, wenn viel-
leicht auch durch Umstände sozialer Art gehindert.*) Das große
Problem der zukünftigen Verbesserung der menschlichen Rasse
ist anerkanntermaßen gegenwärtig kaum über das Stadium eines
akademischen Interesses hinausgekommen, aber Gedanken und
Taten gehen heutzutage rasch vorwärts, und es ist durchaus
nicht unmöglich, daß eine Generation, die die Ausschheßung der
chinesischen Rasse von den gewöhnlichen Kolonisten-Privilegien
in zwei Erdteilen und die Deportation einer hebräischen Be-
völkerung aus dem großen Teil eines dritten Erdteils mitan-
*) Diese Erörterungen waren in meiner Adresse an den Internationalen
Kongreß für Demographie, London 1892, niedergelegt.
XXI
gesehen hat, auch noch Zeuge anderer analoger Tatsachen wird,
die unter plötzhchem soziaUstischen'i Druck entstehen würden.
Die schlagenden Resultate einer üblen Vererbung haben sich dem
populären Geist bereits so eingeprägt, daß freimütig, ohne auf
irgend einen Widerstand seitens der anderen zu stoßen, die Em-
pörung darüber geäußert wird, daß jährlich unfähige Eltern
schwacher Kinder gefördert werden, die ihrer Konstitution nach
unfähig sind, zu nützlichen Bürgern heranzuwachsen und die ein
ernsthaftes Hindernis für die Nation sind. Die Fragen, die dann
erörtert werden müssen, können eine unerwartete Wichtigkeit
erlangen, indem sie in die Sphäre der praktischen Politik fallen,
und dann können plötzlich und schmerzlich demographische Daten
benötigt werden, die lange und fürsorglich gesammelt und leiden-
schaftslos und ruhig beurteilt werden wollen.
Ich meine hier die relative Fruchtbarkeit der verschiedenen
Klassen und Rassen und ihre Tendenz, sich einander unter ver-
änderten Umständen zu verdrängen.
Die ganze Frage der Fruchtbarkeit unter den verschiedenen
Bedingungen des ziviüsierten Lebens erheischt mehr Detail-
forschung, als bisher gemacht wurde. Wir brauchen weitere
Untersuchungen über die Wahrheit der Malthus'schen Hypothese,
daß es wirklich keine andere Begrenzung für die Übervölkerung
gibt als Elend und vorsichtige Hemmungen. Ist es wahr, daß das
Elend in jedem rechtmäßigen Sinne dieses Wortes die einzige
automatisch wirkende Hemmung bedeutet, oder existieren noch
andere aktive, wenn auch noch nicht bekannte Ursachen, die an
der Zurückhaltung eines übermäßigen Wachstums der Bevölkerung
mitwirken? Es ist sicher, daß die Produktivität verschiedener
Ehen infolge ungeklärter Bedingungen stark differiert. Die
Variation in der Fruchtbarkeit verschiedener Tierarten, die, als
sie wild lebten, gefangen und dann in Menagerien gehalten wurden,
ist, wie Darwin schon vor langer Zeit ausgeführt hat, sehr be-
merkenswert und dem Anschein nach launenhaft. Die Majorität
von ihnen, die in der Gefangenschaft gedeihen und sich allem
Anscheine nach einer ausgezeichneten Gesundheit erfreuen, ist
nichtsdestoweniger absolut unfruchtbar; andere wieder von oft
eng verwandter Art haben unter den gleichen Umständen eine
gesteigerte Fruchtbarkeit. Eines der vielen Beispiele unserer
großen Ignoranz der Gesetze, welche die Fruchtbarkeit be-
herrschen, ist das Vorgehen der Bienen, die irgend etwas ent-
XXII
deckt haben, wodurch es in ihrer Macht ist, die sie auch wirk-
hch ausüben, infolge bloßer Abänderung der Kost und des Uni-
fanges der Wartung eine weibliche Larve zu einem natürlich
sterilen Arbeiter oder zu der potentiellen Mutter eines kolossalen
Bienenschwarms zu machen.
Die Demographen haben ohne Zweifel eine große Anzahl
von Informationen über die Fruchtbarkeit der verschiedenen
Nationen gesammelt und verglichen, aber sie haben das Problem
meist im großen und nicht in seinen Details angepackt, so daß
wir wenig mehr besitzen als mittlere Werte, die auf Bevölke-
rungen im ganzen anwendbar und in ihrer Art sehr wertvoll sind;
wir sind aber in all jenen Beziehungen unwissend, über die uns
eine mäßige Anzahl verständig angestellter Untersuchungen viel-
leicht aufklären könnte.
Folgendes Beispiel soll zeigen, was etwa mit Vorteil durch-
forscht werden könnte. Setzen wir den Fall, daß wir eine für
statistische Untersuchungen genügende Anzahl von Menschen
aus verschiedenen sozialen Klassen nehmen, jene die in phy-
sischer, intellektueller und moralischer Hinsicht am wenigsten
ausgebildet sind, also unsere niedrigste Klasse bilden, bis zu
jenen, die in dieser Hinsicht am meisten ausgebildet sind, also
unsere höchste Klasse. Die Frage, die gelöst werden soll, be-
zieht sich auf die erbliche Permanenz der verschiedenen Klassen.
Welche Proportion jeder Klasse stammt von Eltern ab, die zu
der gleichen Klasse gehören, und welche Proportion stammt von
Eltern ab, die zu einer der anderen Klassen gehören? Tragen
jene Menschen, die ehrenhaft gelebt haben und die vermutlich
den wertvollsten Teil unseres menschlichen Stammes bilden,
ihren angemessenen Anteil zu der Masse der Nachkommenschaft
für die nächste Generation bei? Wenn das nicht der Fall ist,
tragen sie mehr oder weniger, als ihr angemessener Anteil aus-
macht, bei, und in welchem Grade? Mit anderen Worten? Ist die
Evolution des Menschen in jeder einzelnen Gegend von den
speziellen dort herrschenden Formen der Zivilisation günstig
oder schädlich affiziert?
Wir wissen jedoch schon jetzt genug, um es gewiß erscheinen
zu lassen, daß die Produktivität der beiden extremsten Klassen,
der besten und schlechtesten, nahe dem Durchschnitt der
Nation als Ganzes genommen, liegt. Die fruchtbarste Klasse
liegt also notwendig zwischen den beiden Extremen, aber an
welchem vermittelnden Punkt Hegt sie? Sind die natürlichen
XXIII
Gaben der fruchtbarsten Klasse in körperlicher, intellektueller
und moralischer Beziehung zusammen genommen von irgend
einem vernünftigen Prinzip aus über oder unter der nationalen
Mittelmäßigkeit? Liegen sie darüber, so sind diese existierenden
Bedingungen dem Fortschritt der Rasse günstig. Liegen sie
darunter, so arbeiten sie auf ihre Degradation hin.
Diese sehr kurzen Bemerkungen sollen dazu dienen, das
Problem zu skizzieren: es würde weit mehr Raum erfordern,
als hier zur Verfügung steht, um es frei von Doppelsinnigkeit zu
formulieren, so daß seine Lösung uns klar belehren würde, welche
Lebensbedingungen die Tendenz haben, in einer gegebenen
Periode die natürHchen QuaHtäten einer gegebenen Rasse zu er-
höhen oder herabzudrücken.
Was immer andere Länder verloren oder nicht verloren
haben mögen, unser Vaterland hat sicherlich bei mehr als einer
Gelegenheit durch die Infusion der Zucht von ausgewählten Unter-
rassen gewonnen, namentlich durch die der protestantischen
Flüchtlinge, die vor den religiösen Verfolgungen auf dem Kon-
tinent flohen. Es scheint vernünftig, die Hugenotten als Menschen
zu betrachten, die im großen Ganzen angeborene Quahtäten einer
von der Majorität ihrer Landsleute unterschiedlichen Art haben
und die daher als ein Untertypus behandelt werden können, d. h.
als Menschen, die, einmal isoliert, fähig sind, ihre Rasse fortzu-
pflanzen, ohne daß diese eine starke Tendenz aufweist, zu der
Form des früheren Typus zurückzukehren, von dem diese Gruppe
eine umgrenzte Abweichung repräsentiert. Dieser Satz wird
auch dadurch bewiesen, daß die Kreuzung zwischen ihnen
und unseren Ahnen eine merkwürdig erfolgreiche Mischung ergab.
Folglich verdankte England der natürlichen Verfeinerung und dem
gediegenen Wert der hugenottischen Zucht sehr viel, genau so,
wie es viel der Kultur und dem technischen Wissen verdankte,
das die Hugenotten mitbrachten.
Die Häufigkeit, mit welcher in der Geschichte eine Rasse
eine andere aus großen geographischen Gebieten verdrängte,
ist eine der schlagendsten Tatsachen in der Evolution der
Menschheit. Die Bewohner der Erde von heute bilden einen
Stamm, der sehr verschieden ist von jenem, der sie vor einem
halben Dutzend von Generationen bevölkerte, und allem Anschein
nach werden unsere Nachfolger in einem weiteren halben Dutzend
von Generationen nicht weniger verschieden sein. Teilweise
XXIV
können neue menschliche Varietäten zu einer permanenten oder
auch nur zeitweisen Existenz emporgekommen sein, wie etwa
vor vielen Jahrhunderten die sehr bemerkenswerte Mischrasse
der Normannen, in welcher, um die wohlbekannten Worte des
verstorbenen Professors Freemann zu zitieren, die unbezwing-
liche Kraft der Skandinavier sich mit der heiteren Lebhaftigkeit
der Gallier vereinigte und die eine in Europa erobernde und füh-
rende Rasse hervorbrachten. In erster Reihe aber gehören die
Veränderungen, von denen ich spreche, zu den großen Umände-
rungen in den Proportionen derer, die zu alten und festgestellten
Typen gehören. Der Neger, der heute in den Vereinigten Staaten
geboren wird, hat die gleichen natürlichen Eigenschaften wie sein
entfernter Vetter, der in Afrika geboren wird; die Tatsache seiner
Transplantation bewirkte keine Veränderung seiner Natur, wohl
aber bewirkte sie eine Veränderung seiner Anzahl, indem sie die
Gebiete seiner Verteilung vergrößerte und die eingeborenen
amerikanischen Rassen aufrieb. Es existieren heute 8 000 000
Neger in Ländern, wo vor zwölf Generationen kein einziger war
und wo heute wahrscheinlich kein Repräsentant jener Rassen
mehr lebt, die die Neger verdrängt haben; andererseits weist die
Heimat der Neger keine entsprechende Bevölkerungsabnahme
auf. Das gleiche gilt von den europäischen Rassen, die während
der gleichen Periode die gemäßigten Regionen des Erdballs über-
fluteten und die Kerne vieler zukünftiger Generationen gebildet
haben.
Es ist unmögHch, auf einem beschränkten Räume einen rich-
tigen Begriff von der Ausdehnung und Anzahl der Veränderungen
zu geben, die an dem menschUchen Stamm während der letzten
Generationen infolge politischer Ereignisse vorgingen, und es
wäre schwierig, es zu tun, ohne die patriotische Empfindlichkeit
vieler Leser ernsthaft zu verletzen. Die natürlichen Tempera-
mente und moralischen Begriffe der verschiedenen Rassen
weichen voneinander ab, und Lob und Tadel kann nicht dem Ur-
teil eines einzelnen überlassen werden, ohne Kundgebungen
seitens anderer hervorzurufen, die andere Ansichten mit viel-
leicht ebenso viel Berechtigung äußern würden. Die Vögel und
die Vierfüßler können, in geschlossener Konklave versammelt,
wohl versuchen eine einstimmige Resolution anzunehmen, daß
es die natürliche Pflicht der Mutter sei, ihre Kleinen zu ernähren
und zu betreuen, der Kuckuck wird doch musikalisch protestieren.
XXV
Der irische Kelte mag die Ausbreitung seiner Rasse und die Zu-
nahme ihres Einflusses in den repräsentativen Regierungen Eng-
lands und Amerikas wünschen, aber die Wünsche seiner anglo-
sächsischen oder teutonischen Mituntertanen gehen vielleicht
nach der entgegengesetzten Richtung und so weiter ins Unendliche.
Mein Ziel ist hier nur, Untersuchungen über die historische Tat-
sache anzuregen, ob die Gesetzgebung, welche in starkem Maße
zur Substitution einer Rasse durch die andere geführt hat, nicht
oft der Anlaß zu strittigen Ansichten war, in welchen die Rassen-
frage kaum in Betracht gezogen wurde. Und doch halten sich
diese Ansichten oft so stark das Gleichgewicht, daß das Resultat
wohl ein anderes hätte sein können, wenn die Rassenfrage richtig
in die Diskussion eingeführt worden wäre. Man kann nicht be-
zweifeln, daß dies möglich sei. Es scheint also umso notwendiger,
den Einfluß der Rasse genau zu bestimmen, um ihn nach seinem
wirklichen Wert, ohne Über- oder Unterschätzung, in die Er-
örterungen einzubeziehen, durch welche politische Handlungen
bestimmt werden können.
Die Wichtigkeit, die der Rasse beizulegen ist, ist eine Frage,
die ein weit größeres Maß an exakter Untersuchung erheischt,
als ihr zu Teil wird. Wir sind außerordenthch unwissend über
die respektiven Rangordnungen der natürlichen und erworbenen
Eigenschaften der verschiedenen Rassen. Unter den Schrift-
stellern, die sich mit dieser Frage befassen, herrscht eine zu
starke Tendenz, wilde Dogmatik zu treiben, indem die einen in
ihrer Sphäre grob übertreiben, die anderen ebenso grob ver-
kleinern. Es scheint jedoch möglich, diese Frage unzweideutig
zu beantworten, wie schwer es auch sein mag.
Die neuerlichen Versuche vieler europäischer Nationen,
Afrika für ihre eigenen Zwecke zu benützen, verleiht den Unter-
suchungen über die Transplantation von Rassen ein neues und
praktisches Interesse. Sie zwingen uns, der Frage gegenüber-
zutreten, wie weit Rassen politisch unterstützt werden sollten,
zukünftig die Hauptbesitzer dieses Kontinents zu werden. Die
Varietäten von Negern, Bantus, arabischer Halbzucht und an-
deren, die jetzt Afrika bewohnen, sind sehr zahlreich, und sie
differieren in ihren natürlichen Eigenschaften sehr voneinander.
Einige von ihnen müssen tauglicher als andere sein, unter jener
Form einer gemäßigten Kultur heranzureifen, die von den Euro-
päern in Afrika wahrscheinlich eingeführt werden wird. Man
XXVI
wird die Ordnung und Rechtspflege stärken, unter den Ein-
geborenen den Wunsch nach Komfort und Luxus wecken und
ständigen Fleiß fast zur ersten Lebensbedingung machen. Solche
Rassen werden sich ausbreiten und die anderen allmählich ver-
drängen. Es könnte sich nun erweisen, daß die Neger, im ein-
zelnen wie als Ganzes genommen, unter den neuen Bedingungen
ebenso wenig, wie unter den alten, imstande wären, den Bedürf-
nissen einer Zivilisation, die höher ist, als ihre eigene, nachzu-
kommen. In diesem Falle würden ihre Rassen, obgleich sie zahl-
reich und fruchtbar sind, im Laufe der Zeit von besseren ver-
drängt und ersetzt werden.
Es scheint kaum möglich, uns schon jetzt von der Möglichkeit
zu überzeugen, daß irgend eine Varietät weißer Männer imstande
sein wird, in den Tropen zu arbeiten, zu gedeihen und ihre Rasse
fortzupflanzen. Wir vermögen das nicht ohne bessere Kenntnis,
als wir sie heute über die verschiedenen Fähigkeiten der Individuen
besitzen, den kUmatischen Einflüssen und der Malaria der Tropen
zu widerstehen. Man hat bisher viel mehr Sorge darauf ver-
wendet, für die Verpflanzung in fremde Gegenden geeignete Varie-
täten von Tieren und Pflanzen auszusuchen, als geeignete
Menschen. Auf der einen Seite zeigt man Einsicht und Voraus-
sicht, auf der anderen Gleichgiltigkeit, die aus Ignoranz ent-
standen ist. Die Wichtigkeit einer exakteren Untersuchung und
sorgsameren Auswahl als heute in Bezug auf physische Eigen-
schaften und erbliche Antezedenzien bei Kandidaten zum Dienst
in tropischen Gegenden ist noch nicht genügend erkannt. Wir
benötigen solche Daten, um aus ihnen lernen zu können, welche
Bedingungen in der Jugend jener vorherrschen, die den klima-
tischen Einfluß in befriedigender Weise aushalten und um-
gekehrt, wie es um die Gesundheit der anderen bestellt ist, die
diesen Einflüssen nicht gewachsen erscheinen. Es ist kaum mög-
lich, eine solche Untersuchung auch richtig retrospektiv zu
führen.
Zum Schluß möchte ich noch einmal die Tatsache betonen,
daß der Fortschritt der natürlichen Gaben künftiger Generationen
der menschUchen Rasse in starkem Maße, wenn auch indirekt,
in unserer Macht ist. Wir sind vielleicht nicht fähig zu
schaffen, aber wir können leiten. Die Prozesse der Evolution
sind in ständiger und spontaner Bewegung, die einen drängen
zum Guten, die anderen zum Schlechten. Unser Teil ist, für
XXVII
günstige Gelegenheiten zu sorgen, indem wir den ersteren freie
Bahn schaffen und die letzteren hemmen. Wir müssen klar unter-
scheiden zwischen unserer Kraft, die wir in dieser fundamen-
talen Beziehung haben und jener, welche wir bei der Verbesse-
rung der Erziehung und Hygiene aufwenden können. Man kann
crnsthch hoffen, daß Untersuchungen in immer wachsendem Maße
künftige Forscher auf historische Tatsachen lenken werden, um
die möglichen Folgen eines vernünftigen politischen Vorgehens
für die Zukunft zu ermessen und daß die Menschheit sich von
dem elenden Niveau, auf dem sie heute steht, zu einem andern
erheben wird, in dem die Utopien eines philanthropischen Traum-
iandes verwirklicht werden können.
Einleitung.
Ich will in diesem Buche zeigen, daß die natürHchen Fähig-
keiten eines Menschen durch Vererbung erworben sind, unter
den völlig gleichen Beschränkungen, die für die Form und die
physischen Merkmale der gesamten organischen Welt gelten.
Wenn es also ungeachtet dieser Beschränkungen leicht ist,
durch sorgsame Auslese eine beständige Hunde- oder Pferde-
rasse zu erhalten, die mit einer besonderen Schnelligkeit
oder einer ähnlichen Fähigkeit ausgestattet ist, müßte es
ebenso möglich sein, durch wohlausgewählte Ehen während
einiger aufeinanderfolgender Generationen eine hochbegabte
Menschenrasse hervorzubringen. Ich werde zeigen, daß gegen-
wärtig soziale Faktoren alltäglicher Art, denen man solchen Ein-
fluß nicht zuschreiben würde, wirken, und zwar die einen auf den
Verfall, die andern auf den Fortschritt der menschlichen Natur.
Ich behaupte, daß jede Generation eine ungeheuere Macht über
die natürlichen Gaben der ihr folgenden hat und behaupte
weiter, daß es unsere Pflicht gegen die Menschheit ist, den Um-
fang dieser Macht zu untersuchen und sie in einer Weise auszu-
üben, daß sie für die Bewohner dieser Erde am vorteilhaftesten
werde, ohne daß wir gegen uns selbst töricht handeln.
Ich bin mir bewußt, daß meine Anschauungen, welche ich
zum ersten Mal vor vier Jahren in Macmillans Magazine
(im Juni und August 1865) veröffentlicht habe, der allgemeinen
Meinung widersprechen; aber die Argumente, die ich vor-
brachte, wurden zu meiner größten Genugtuung von vielen der
ersten Autoritäten auf dem Gebiete der Vererbungslehre an-
genommen. Indem ich sie jetzt in vollendeterer Form und auf
Grund eines größeren induktiven Materials wiederhole, bin ich
sicher, daß, wenn meine damalige Arbeit die Billigung von Dar-
Galton, Genie und Vererbung. 1
2 Einleitung.
win fand (Die Domestikation der Pflanzen und Tfiiere II, 7.), das
vermehrte Beweismaterial, das in diesem Bande zusammen-
getragen ist, wohl kaum widerlegt werden kann.
Der allgemeine Plan meiner Beweisführung ist, zu zeigen,
daß hoher Ruf ein ziemlich gutes Zeugnis für hohe Begabung
ist; ich will weiter die Verwandtschaftsverhältnisse einer
großen Gruppe recht bedeutender Männer untersuchen, nämlich
diejenigen der Richter Englands von 1660 bis 1868, der Politiker
aus der Zeit Georgs III. und der Premierminister der letzten
hundert Jahre, um auf diese Weise einen allgemeinen Überblick
über die Gesetze der Vererbung der Anlagen zu erhalten. Dann
werde ich der Reihe nach die Verwandtschaftsbeziehungen der
berühmtesten Feldherren, Schriftsteller, Mathematiker und
Naturwissenschaftler, Dichter, Maler und Musiker, von denen die
Geschichte spricht, untersuchen. Ich werde auch die Verwandt-
schaftsbeziehungen einer gewissen Auswahl von Theologen und
Philologen untersuchen. Dann wird ein kurzes vergleichendes
Kapitel folgen über die Übertragung physischer Anlagen durch
Vererbung, abgeleitet aus den Verwandtschaftsverhältnissen be-
stimmter Gruppen von Ruderern und Ringkämpfern. Zuletzt
werde ich meine Resultate zusammenfassen und Schlüsse ziehn.
Ich füge noch hinzu, daß ich mit mehr als einer Fähigkeits-
stufe rechne. Diejenigen Menschen, mit denen sich der größere
Teil meiner Arbeit befaßt und auf deren Verwandtschafts-
beziehungen meine Argumentation am sichersten ruht, genießen
im allgemeinen den Ruf, von der Natur mit hervorragenden An-
lagen ausgestattet zu sein. Aber obgleich über die ganze ge-
schichtliche Zeit des Menschen verstreut, gibt es nur wenige
solcher Individuen; obwohl ihre Zahl nicht über 400 hinausgeht,
steht überdies noch ein beträchtlicher Teil von ihnen miteinander
in verwandtschafthcher Beziehung.
Eine andere Fähigkeitsstufe, mit der ich mich beschäf-
tige, umfaßt zahlreiche, sehr bedeutende und alle berühmten
Namen aus der modernen englischen Geschichte, deren unmittel-
bare Abkömmlinge unter uns leben, deren Schicksale allgemein
bekannt sind und deren Verwandtschaftsbeziehungen mit Hilfe
von bibliographischen Lexika, Pairskalendern und ähnlichen
Nachschlagebüchern ohne Schwierigkeit gezeichnet werden
können.
Einleitung. 3
Eine dritte und niedrigere Stufe bilden die englischen Richter,
als Ganzes genommen, zum Zwecke jener einleitenden statisti-
schen Untersuchung, von der ich bereits gesprochen habe. Nie-
mand zweifelt, daß sich eine große Anzahl der fähigsten Intelli-
genzen unseres Volkes unter den Richtern finden; nichtsdesto-
weniger kann man die Durchschnitts fähigkeit eines Rich-
ters jener der niedrigeren S'tufe der beiden Gruppen, die ich be-
schrieben habe, nicht gleichsetzen.
Ich hoffe auf die Nachsicht des Lesers für die zahlreichen
und in gewisser Hinsicht bedeutsamen Lücken, zu denen ich
mich bei der Behandlung berühmter Persönlichkeiten unserer
Zeit entschließen mußte. Ich bin durch ein gewisses Anstands-
gefühl gezwungen, diejenigen Namen aus ihrer Verwandt-
schaft der Gegenwart auszulassen, welche nicht allgemein als
bekannte Persönlichkeiten gelten, obgleich ihre Fähigkeiten in
ihrem Privatleben hoch bewertet sein mögen. Noch weniger mit
unseren Anstandsbegriffen vereinbar wäre es gewesen, die
Namen ihrer weiblichen Verwandten anzuführen, die zu der
gleichen Kategorie gehören. Meine Beweise sind so schlagend,
daß ich vollkommen in der Lage bin, meinen Standpunkt zu be-
weisen, auch ohne zu diesem Beweismaterial zu greifen. Nichts-
destoweniger soll sich der Leser bewußt bleiben, daß diese
Gruppe existiert, und ich bitte ihn, mir Gerechtigkeit widerfahren
zu lassen, und mir zu glauben, daß das Beweismaterial, so weit
es in diesem Buch nicht erscheint, mir nicht etwa gänzlich
entgangen ist. Ich bin mir der Unvollkommenheit meines
Werkes bewußt, aber meine Sünden sind Unterlassungs-, nicht
Begehungssünden. Die Fehler, die ich vielleicht gemacht habe,
die ich machen mußte und die meinen Argumenten nur eine
trügerische Stütze bieten, sind sicherlich unverhältnismäßig ge-
ringer an Zahl als jene Auslassungen von Tatsachen, die mir ge-
holfen hätten, meine Ansichten zu begründen.
Ich habe in diesem Buch die bedeutenden Männer der Gegen-
wart wenig berücksichtigt, soweit sie nicht Engländer oder
wenigstens in England sehr bekannt sind. Ich befürchtete, offen-
kundige Irrtümer zu begehen, wenn ich eine große Anzahl von
Fremden einbeziehe. Es erfordert schon dann eine große
Arbeit, die Verwandtschaftsbeziehungen ausfindig zu machen,
wenn man alle Erleichterungen genießt, die einem im eigenen
1*
4 Einleitung.
Lande durch den Zutritt zu den Personen zuteil werden, die mit
den verschiedenen Familien bekannt sind; umso schwieriger wäre
es gewesen, die Verwandten von Nicht-Engländern ausfindig zu
machen. Ganz besonders gern hätte ich die Biographien von
Itahenern und Juden durchforscht, da beide Völker an Familien
mit äußerst intelligenten Nachkommenschaften reich zu sein
scheinen. Auch Deutschland und Amerika sind in dieser Hin-
sicht sehr bedeutsam. Frankreich, wo die Revolution und die
Guillotine traurige Verheerungen unter den Nachkommen der be-
fähigten Geschlechter angerichtet haben, steht etwas nach.
Daß ich ein so weites Feld nicht bearbeitet habe, bedeutet in
einer Hinsicht einen Vorteil für einen ehrlichen Kritiker. Ich
kann so eine Probe vorschlagen, die jeder gebildete Leser, dem
Zweifel über die Unparteilichkeit meiner Beispiele kommen, mit
Leichtigkeit machen kann. Er kann mit vollem Recht den Ver-
dacht hegen, daß ich unbewußt durch meine Theorie dahin beein-
flußt wurde, Männer auszuwählen, deren Verwandtschaftsver-
hältnisse meine Anschauungen am ehesten unterstützen können.
Wenn dem so ist, bitte ich ihn, folgendes zu tun, um meine Un-
parteilichkeit auf die Probe zu stellen. Er nehme ein Dutzend
Namen nach eigener Wahl, die zu den bekanntesten eines belie-
bigen Landes, das er am besten kennt, oder eines behebigen Be-
rufes, der ihm gut bekannt ist, gehören und erforsche selbst ihre
Verwandtschaftsverhältnisse. Es bedarf einiger Mühe, wie ich aus
Erfahrung weiß, bis man ganz sicher ist, daß man niemand, selbst
von den unmittelbaren Verwandten männlicher- oder weiblicher-
seits, übersehen hat. Tut er, was ich vorgeschlagen, so wird er
sicherlich staunen, wie vollständig seine Resultate meine Theorie
bestätigen. Ich wage es mit solcher Sicherheit zu sprechen, da
ich diesen Versuch schon häufig ungläubigen Freunden vor-
schlug. So weit mein Gedächtnis mich nicht trügt, wurde jedes-
mal unfehlbar unter den genannten Männern eine so große An-
zahl mit bedeutenden Mitgliedern in ihrer Familie gefunden, als
meine Anschauungen über Vererbung mich hätten vermuten
lassen.
Berühmtheit als Grundlage einer Einteilung der Menschen.
Die Argumente, durch welche ich zu beweisen versuche, daß
Anlagen vererblich sind, bestehen darin, daß ich zeige, wie groß
die Anzahl der Fälle ist, in denen Männer, die mehr oder weniger
berühmt sind, in ihrer Verwandtschaft hervorragende Individuen
aufweisen. Ehe meine Argumentation richtig beurteilt werden
kann, müssen die beiden folgenden Punkte klargestellt sein. Der
erste Begriff, um den es sich hier handelt, ist der Grad der Aus-
wahl, der mit den Worten „hervorragend" und „berühmt" gemeint
ist. Bedeutet „hervorragend" der erste von hundert, von tau-
send, oder von welcher Anzahl von Menschen? Der zweite
Punkt, der hier für uns in Betracht kommt, ist der Grad, nach
welchem Berühmtheit als Kennzeichen von Fähigkeiten gel-
ten soll.
Es ist wesentlich, daß ich als Autor mir über ein bestimmtes
notwendiges Minimum klar bin, wenn ich den Ausdruck „her-
vorragend" und ähnliche anwende und daß der Leser ebenso
klar, wie ich selbst, versteht, welchen Wert ich diesen Bezeich-
nungen beilege. Mit der Erklärung dieser Worte wollen wir uns
in diesem Kapitel beschäftigen. Ein folgendes Kapitel soll der
Erörterung gehören, wie weit „hervorragende Stellung" als Kri-
terium natürlicher Gaben gelten soll. Es ist kaum nötig, darauf
hinzuweisen, daß die in diesen beiden Kapiteln erörterten Fragen
gänzlich verschieden sind.
Ich betrachte das soziale und Berufsleben als eine konti-
nuierliche Prüfung. Alle bewerben sich als Kandidaten um die
gute Meinung der anderen und um Erfolg in ihren verschie-
denen Berufen, und sie erringen Erfolg im Verhältnis zur allge-
meinen Abschätzung ihrer Verdienste als Ganzes genommen.
Bei den gewöhnlichen Schulprüfungen werden die Notenein-
6 Berühmtheit als Grundlage einer Einteilung der Menschen.
heiten in einem festgesetzten Verhältnis den einzelnen Gegen-
ständen zugeteilt: so viel für Latein, so viel für Griechisch, so
viel für englische Geschichte und so weiter. In der gleichen
Weise erteilt die Welt, aber fast unbewußt, den Menschen ihre
Noten. Sie gibt Noten für Originalität der Auffassung, für Unter-
nehmungsgeist, für Tätigkeit und Energie, für administrative Ge-
schicklichkeit, für verschiedene Fertigkeiten, für das Talent, sich
literarisch auszudrücken, für Beredsamkeit, und viele andere
Eigenschaften von allgemeinem Wert, ebenso wie für mehr
spezielle berufsmäßige Verdienste. Sie erteilt diese Noten nicht
nach einer Skala, die leicht in Worten auszudrücken ist, doch
gibt es eine ungefähre Schätzung durch den gesunden Menschen-
verstand, der die Anwendung so regelt, daß sie sich der Konstanz
genügend annähert. Dieienigen, die die meisten dieser still-
schweigenden Noten erhalten haben, werden durch das allge-
meine Urteil der Führer der öffentlichen Meinung als die ersten
Männer ihrer Zeit anerkannt.
Der Vergleich mit einer Prüfung kann noch weitergeführt
werden. Wie es verschiedene Gruppen gibt, in denen der Kan-
didat Auszeichnungen erlangen kann, so ist es auch mit der Be-
rühmtheit. Man kann in der Rechtskunde, der Literatur, der
Wissenschaft, der Kunst und in einer ganzen Anzahl von anderen
Gebieten berühmt werden. Und ebenso wie das bloße Er-
reichen eines allgemeinen guten Niveaus noch keine besondere
Ehre bei einer Prüfung bedeutet, wird dies auch nicht in dem
Kampf um Auszeichnungen der Fall sein. Ein Mensch muß eine
augenfäUige Begabung wenigstens in einer bestimmten Richtung
zeigen, um wirkUche Berühmtheit zu erlangen.
Betrachten wir einmal, wie die Welt die Menschen einteilt,
nachdem sie jeden von ihnen in der Zeit seines Mannesalters in
ihrer geduldigen und beständigen Art geprüft hat. Wieviel
„hervorragende" Menschen kennt sie, und in welchem Verhält-
nis stehen sie zu der Gesamtheit.
Ich will mit der Analyse eines sehr sorgfältigen biographi-
schen Handbuches beginnen, das kürzlich unter dem Titel „Män-
ner unserer Zeit" erschienen ist Seine Absicht, die sehr gerecht
und ehrlich durchgeführt ist, besteht darin, nur solche Namen auf-
zunehmen, die von der ganzen Welt wegen ihrer Fähigkeiten ge-
ehrt werden. Das Namensverzeichnis weist 2500 Namen auf,
Berühmtheit als Grundlage einer Einteilung der Menschen. 7
und eine gute Hälfte von ihnen bilden amerikanische und kon-
tinentale Berühmtheiten. Ich gebe in einer Fußnote^) eine
Analyse des Inhalts, um den erschöpfenden Charakter
dieser Aufzählung zu zeigen. Die Zahlen, die ich für jede Klasse
fixiert habe, sind nicht völlig genau, da ich sie mehr abgeschätzt
als gezählt habe, aber sie sind noch genau genug. Der gleiche
Name erscheint oft in mehr als einer Rubrik.
Wenn ich das Buch durchgehe, bin ich überrascht, in wie
großer Anzahl die „Männer unserer Zeit" das mittlere Alter über-
schritten haben. Es scheint, daß in den Fällen, wo hohes Ver-
dienst vorliegt (aber durchaus nicht in denen des höchsten
Verdienstes), ein Mensch die fünfzig überschritten haben
muß, um sich einer weitverbreiteten Schätzung zu er-
freuen. Ein befähigter Mensch, der auf einer beschei-
deneren Lebensstufe geboren ist, braucht Zeit, bis er sich über
sie erhebt und seine natürliche Stellung einnimmt. Es wäre auch
nicht gerecht, die Zahl der Engländer in diesem Buch mit der
gesamten männlichen erwachsenen Bevölkerung der britischen
Inseln zu vergleichen; wir müssen unsere Untersuchung auf die
Berühmtheiten beschränken, die das fünfzigste Jahr überschritten
haben, und ihre Anzahl mit der gesamten männlichen Be-
völkerung über 50 Jahren vergleichen. Nachdem ich einen
großen Teil des Buches genau durchsucht habe, schätze ich, daß
es 850 solcher Männer aufzählt und daß 500 von ihnen Personen,
die in wissenschaftlichen und literarischen Kreisen bewandert
sind, unzweifelhaft bekannt sind. Wir haben zur Zeit auf
den britischen Inseln ungefähr zwei Millionen erwachsene
Männer über 50 Jahre; folglich verhält sich die Gesamtsumme
1) Inhaltsverzeichnis des „Lexikon von Männern unserer Zeit", erschienen
1865 bei Routledge & Co.: 71 Altertumsforscher, Archäologen, Numismatiker
etc.; 20 Architekten, 94 Ärzte verschiedener Art, Chirurgen und Physiologen;
29 Bildhauer, 60 Dichter (auch unter Schriftsteller), 64 Herrsciier, Mitglieder
kgl. Familien usw.; 43 Ingenieure und Techniker; 10 Kupferstecher,
120 Künstler (Maler und Zeichner), 39 Kaufleute versch. Kategorien, Geld-
leute, Fabrikanten und Rheder; 7 Landwirte; 154 Männer der exakten Wissen-
schaft, Astronomen, Chemiker, Geologen, Mathematiker etc. ; 7 Moralphilosophen,
Metaphysiker und Logiker; 32 Musiker und Komponisten; 36 Marineoffiziere;
67 Naturforscher, Botaniker, Zoologen etc.; 60 Nationalökonomen und Philan-
tropen; 168 Offiziere des Landheeres, 40 Philologen und Ethnologen;
141) Rechtsgelehrte, Richter, Advokaten und Gesetzgeber; 76 Reisende und
Geographen, 950 Schriftsteller; 376 Staatsmänner, Diplomaten, Kolonial-
gouvemeure etc.; 62 Schauspieler, Sänger, Tänzer etc.; 400 Theologen.
8 Berühmtheit als Grundlage einer Einteilung der Menschen.
der „Männer unserer Zeit" zu der übrigen gleichaltrigen Bevöl-
kerung wie 425 zu einer Million, und die engere Auslese unter
ihnen wie 250 zu einer MilUon.
Meiner Ansicht nach muß ein Mann sich recht häufig durch
ein wirklich originelles Werk ausgezeichnet oder sich des öfteren
als Führer der öffendichen Meinung bewährt haben, um zu der
engeren Auslese zu gehören. Bekanntheit, die durch einen
einzelnen Akt erworben ist, schließe ich völlig aus. Wir erhalten
so eine ziemlich wohldefinierte Grenzlinie, die nicht viel hervor-
ragende Männer zuläßt. Jedes Interesse und jeder Qedanke hat
sein Sprachrohr, und ein Mensch, der die Position des Repräsen-
tanten einer Partei oder einer Idee erlangt hat und sie aufrecht
zu halten versteht, lenkt natürlich mehr Aufmerksamkeit auf
sich als seine Gehilfen, deren Fähigkeit zwar nicht viel, aber
doch etwas den seinen nachstehen. Das ist in hohem Grade bei
Stellungen der Fall, wo Auszeichnungen durch offizielle Hand-
lungen erworben werden. Es mag oft von einem Haar abhängen,
ob A, B, oder C einen vakanten Posten erhält. Der Mann, der
ihn einmal innehat, hat auch Gelegenheit, sich vor den anderen
hervorzutun, welche den anderen fehlt. Doch lege ich
kein großes Gewicht auf offiziellen Rang. Männer, die sehr
große Namen hinterlassen haben, verdanken diese gewöhnlich
nicht berufsmäßigen Leistungen. Abgesehen von den höchsten
Stellungen und bei freien Berufen werde ich sicherlich nicht bloße
Beamte in meine Musterliste hervorragender Männer auf-
nehmen.
Eine andere Schätzung des Verhältnisses der hervorragen-
den Männer zu der Gesamtbevölkerung stellte ich auf einer an-
deren Basis an, und sie ergab ungefähr das gleiche Resultat. Ich
nahm die Totenliste des Jahres 1868, die in der Times vom
1. Januar 1869 veröffentlicht war, und fand darin etwa 50
Namen von Leuten, die zu der engeren Auslese gehörten. Das
war in einem Sinne eine weitere, in einem andern wieder eine
strengere Auslese, als diejenige, die ich eben beschrieben habe.
Sie war weiter, weil ich die Namen vieler Individuen einbezog,
deren Fähigkeiten groß waren, die aber zu jung starben, um die
weitverbreitete Berühmtheit zu erlangen, die sie verdient hätten;
und sie war strenger, weil ich alte Männer ausschloß, die sich
vor Jahren hervorgetan hatten, die sich aber späterhin nicht
Berühmtheit als Grundlage einer Einteilung der Menschen. 9
fähig zeigten, wieder in der Front zu erscheinen. Aus dem ersten
Grunde mußte ich die Altersgrenze der Bevölkerung, mit der sie
verglichen werden sollten, herabsetzen. 45 Jahre schienen mir
eine angemessene Grenze, die schon, wie beabsichtigt, ein oder
zwei Jahre gestörter Gesundheit vor dem Tode mit umfaßte. Nun
sterben jährHch 210 000 Männer in England im Alter von mehr als
45 Jahren; demnach ist das Verhältnis der engeren Auslese der
„Männer unserer Zeit" dieses Alters das von 50 zu 210 000, oder
das von 238 zu einer MilHon.
Drittens untersuchte ich auch die Totenlisten einer Zeit, die
um viele Jahre zurückliegt, wo die Bevölkerung unseres Insel-
reichs noch geringer war, und sie schienen zu ähnlichen
Schlüssen zu führen, nämlich daß 250 zu einer Mülion reichlich
gerechnet sei.
Gehen wir noch rigoroser vor, so können wir ohne
Schwierigkeiten eine noch engereAuslese innerhalb dieser Gruppe
treffen. Wir können ohne große Unsicherheit die 200, 100 oder
50 besten aus diesen 250 aussuchen. Aber ich sehe keine Mög-
lichkeit, den Kreis in der gleichen Weise zu erweitern. Würde
man von mir verlangen, aus einer Million die tausend besten
Männer auszuwählen, so hätte ich das Gefühl, daß wir zu einem
Niveau hinuntersteigen, wo uns keine sicheren Merkmale mehr
leiten, wo Zufall und alle möglichen Umstände einen unge-
bührlichen Einfluß erhalten und wo es unmöglich wird, allgemeine
hervorragende Bedeutung von lokaler Berühmtheit oder bloßem
Bekanntsein zu unterscheiden. Diese Betrachtungen stellen
fest, in welchem Sinne ich das Wort „hervorragend" anwenden
werde. Wenn ich von einem „hervorragenden" Menschen
spreche, meine ich damit ein Individuum, das eine Stellung er-
reicht hat, wie sie nur 250 Personen unter einer Million inne-
haben, oder je ein Mensch unter 4000. 4000 ist eine sehr große
Zahl — Menschen, die nicht gewohnt sind mit großen Zahlen
umzugehen, können sich nur schwer ein Bild davon machen. In
der hellsten Sternennacht sind nie für das bloße Auge auch nur
4000 Sterne sichtbar, und doch finden wir, daß es etwas
besonders ist, wenn wir einen Stern als den hellsten am Firma-
ment bezeichnen. Es möge noch einmal daran erinnert werden,
daß dies mein engster Kreis der Auslese ist. Ich nehme keinen
Namen in meine Familientafeln auf (sofern sie nicht von den
10 Berühmtheit als Grundlage einer Einteilung der Menschen.
anderen durch Klammern unterschieden sind), der sich weniger
abhebt.
Die Gruppe derjenigen Individuen, mit denen ich mich
eigenthch beschäftige, ist noch viel strenger ausgewählt, viele
von ihnen sind je die besten unter einer Million Menschen und
nicht wenige je die besten unter vielen Millionen. Ich bediene
mich des Wortes „berühmt", wenn ich von ihnen spreche. Es
sind Menschen, bei deren Tod der ganze intelligente Teil der Be-
völkerung trauert, die ein öffentliches Begräbnis erhalten oder
doch verdienen und die in folgenden Jahrhunderten als histo-
rische Persönlichkeiten gelten.
Man gestatte mir noch ein Wort über die Bedeutung einer
Mülion, eine Ziffer, die so riesenhaft ist, daß man sie nur schwer
faßt. Ein Merkmal, mit Hilfe dessen man sie sich vergegen-
wärtigen kann, ist erwünscht. Viele Bewohner Londons wer-
den aber das folgende Beispiel verstehen. Ich verbrachte ein-
mal einen Sommernachmittag im Bushey-Park, um den herr-
lichen Anblick der Roßkastanien-Avenue darin zu genießen, die
eine Meile lang ist und damals in voller Blüte stand. Nach einer
geraumen Zeit fiel mir ein, den Versuch zu machen, alle Blüten-
stände zu zählen, die die Fahrbahn auf der einen Seite der langen
Avenue einfassen. Ich meine alle Blütenstände, die im vollen
Sonnenschein auf der einen Seite der Straße zu sehen waren.
Ich faßte also einen Baum von durchschnittlicher Größe und
durchschnittlichem Blütenreichtum ins Auge und zog dann ima-
ginäre Linien. Ich teilte den Baum erst in zwei, dann in vier
Teile, und so weiter, bis ich zu einer Unterabteilung kam, die so
klein war, daß ich die Blütenstände, die sie umfaßte, gerade
noch zählen konnte. Ich ging auf diese Weise drei verschiedene
Bäume durch und kam jedesmal ungefähr zu dem gleichen Re-
sultat; so weit ich mich erinnere, verhielten sich die drei
Schätzungen zu einander wie neun, zehn und elf. Dann zählte
ich die Bäume der Avenue, multiplizierte die Zahl, und kam so
zu dem Resultat von etwa 100 000 Blütenständen. Seitdem ver-
gegenwärtige ich mir, so oft eine Million erwähnt wird, die lange
Perspektive der Avenue im Bushey-Park, mit ihren stattlichen
Roßkastanienbäumen, die von oben bis unten mit Blütenständen
bedeckt sind und in der Sonne leuchten, und ich stelle mir so ein
fortlaufendes Blumenband von zehn Meilen Länge vor.
Berühmtheit als Grundlage einer Einteilung der Menschen. !1
Um die ungeheure Strenge zu illustrieren, die in der Auswahl
eines Individuums aus einer Million ausgedrückt ist, will ich noch
folgendes Beispiel heranziehen. Die Regatten in Oxford und
Cambridge erregen fast einen nationalen Enthusiasmus, und die
Mannschaften, die ihre Universitäten repräsentieren, haben guten
Grund, darauf stolz zu sein, daß sie aus so großen Körperschaften
als erwählte Preiskämpfer hervorgegangen sind. Die Mann-
schaft jedes Bootes besteht aus acht Personen, die aus ungefähr
800 Studenten ausgewählt werden, d. h. aus den zu Gebote ste-
henden nichtgraduierten Studenten etwa zweier einander folgen-
der Jahrgänge. Mit anderen Worten, die Auswahl, die man
gewöhnlich als eine sehr strenge empfindet, ist wie eins zu
hundert. Stellen wir uns nun eine so große Anzahl von Uni-
versitäten vor, daß man 800 Mann zusammenbringen könnte, von
denen jeder schon einmal in einer Universitätsmannschaft ge-
rudert hat, und stellen wir uns weiter vor, daß aus dieser Gruppe
wieder die acht besten ausgewählt werden, um eine spezielle
Mannschaft von verhältnismäßig seltener Güte zu bilden; die
Auslese jedes von ihnen verhält sich wie 1 zu 10 000 gewöhn-
licher Individuen. Wiederholen wir diesen Prozeß, so haben
wir dann erst eine im höchsten Grade geschickte Mannschaft
gewonnen, die eine Auslese eines Individuums aus einer Million
repräsentiert. Unsere Deduktion ist vollkommen unanfechtbar,
denn unsere Universitätsjugend ist, so weit es sich um ihre
Muskeln und Sehnen handelt, eine zufällige Gruppe von
Menschen, Niemand wird wegen seiner besonders kräftigen
Muskeln an die Universität geschickt. Oder nehmen wir die
gleiche Tatsache in einer andern Form: es müßte eine Periode
von nicht weniger als 100 Jahren vergehen, ehe jede Universität
acht Mann stellen könnte, von denen wieder jeder im Ruder-
sport hervorragend genug wäre, um in die mittlere Besatzung
eingereiht zu werden. Und zehntausend Jahre müßten ver-
gehen, ehe acht Mann zusammenkämen, von denen jeder in die
dritte, im höchsten Grade geschickte Mannschaft aufgenommen
werden könnte.
Ein anderes ist es, wenn wir die geistigen Fähigkeiten in
Betracht ziehen, da die Universitäten eine große Anzahl der her-
vorragenden wissenschaftlichen Talente aus ganz England an sich
ziehen, was ich an geeigneter Stelle noch zeigen werde. Fast
12 Berühmtheit als Grundlage einer Einteilung der Menschen.
eine viertel Million der männlichen Bevölkerung Groß-Britan-
niens erreicht jedes Jahr das Alter, wo der junge Mensch zur
Universität geht; daraus folgt, daß, wenn z. B. Cambridge nur
einen von fünf der fähigsten wissenschaftlichen Intellekte auf-
nähme, die Universität sich in einer Periode von 20 Jahren ein-
mal mit der frischen Ankunft eines ungraduierten Studenten
brüsten könnte, dessen außerordentlich scholastische Begabung
sich wie eins zu einer Million verhält.
Natürliche Begabung als Grundlage einer Einteilung
der Menschen.
Ich kann die namentlich in moralischen Erzählungen für
Kinder gelegentHch ausgesprochene und oft stillschweigend vor-
ausgesetzte Hypothese nicht leiden, wonach alle Kinder ungefähr
gleich geboren werden und die einzigen Bedingungen, die Ver-
schiedenheiten von Knabe zu Knabe und von Mann zu Mann her-
vorbringen, in gleichförmigem Fleiß und moralischen Be-
mühungen bestehen. Ich protestiere auf der ganzen Linie gegen
alle Behauptungen einer natürlichen Gleichheit. Die Erfahrungen
in der Kinderstube, in der Schule, auf der Universität und in Be-
rufen aller Art bilden eine Kette von Gegenbeweisen. Ich aner-
kenne durchaus die große Macht der Erziehung und der sozialen
Einflüsse auf die Entwicklung der aktiven Geisteskräfte, ebenso,
wie ich die Ergebnisse der Übung bei der Entwicklung der Arm-
muskeln eines Grobschmieds anerkenne, aber auch nicht mehr.
Der Grobschmied mag arbeiten, so viel er will, er wird finden,
daß es Kraftproben gibt, die seine Kräfte übersteigen,
die aber ein Mensch von herkulischer Beschaffenheit verrichten
kann, auch dann, wenn der letztere eine sitzende Lebensweise
geführt hat. Vor einigen Jahren hielten die Hochländer eine
große Versammlung in Holland-Park ab und forderten ganz Eng-
land auf, sich mit ihnen in ihren Leibesübungen zu messen. Die
Herausforderung v/urde angenommen und die wohltrainierten
Männer der Berge wurden im Wettrennen von einem Jüngling
geschlagen, der sich als echtes Londoner Vorstadtkind entpuppte.
Der junge Mann war in einer Londoner Bank angestellt.
"Wer sich im Sport trainiert, lernt den Umfang seiner Muskel-
kraft bis aufs Haar kennen. Jedermann, der anfängt das Gehen,
das Rudern, das Turnen mit Hanteln oder das Laufen als Sport
14 Natürliche Begabung als Grundlage
ZU betreiben, findet zu seinem großen Vergnügen, daß seine
Muskeln sich kräftigen, und daß seine Fähigkeit, der Müdig-
keit zu widerstehen, von Tag zu Tag steigt. So lange er Neu-
ling ist, schmeichelt er sich vielleicht mit der Hoffnung, daß es
für die Ausbildung seiner Muskeln kaum eine bestimmbare
Grenze gibt; bald aber entdeckt er, daß der tägliche Zuwachs
abnimmt, bis er schließlich gleich Null wird. Seine Maximal-
leistung wird eine genau bestimmte Größe. Hat er einmal den
höchsten Grad des Trainings erreicht, so weiß er bis auf den
Zoll genau, wie weit oder wie hoch er springen kann. Er lernt
die Kraft, die er beim Druck auf den Dynamometer ausüben
kann, bis auf ein halbes Pfund kennen. Er kann seinen Schlag
gegen die Maschine, die zur Messung der Stoßkraft dient, so
führen, daß er den Zeiger bis zu einem bestimmten Punkt der
Gradeinteilung bringt, aber nicht weiter. Das Gleiche tritt beim
Laufen ein, beim Rudern, beim Wettgehen und bei allen mög-
lichen Leibesübungen. Die Muskelkraft eines jeden Menschen
hat eine bestimmte Grenze, die sich weder durch Anstrengung,
noch durch Erziehung überschreiten läßt.
Die ganz analoge Erfahrung macht jeder Student bei der Aus-
übung seiner Geisteskräfte. Der eifrige Knabe, der anfängt zur
Schule zu gehen und den Kampf mit den intellektuellen Schwie-
rigkeiten aufnimmt, ist über seine eigenen Fortschritte erstaunt.
Er ist stolz auf seine neu entwickelte geistige Fassungskraft und
seine Fähigkeit, sich auf etwas zu konzentrieren, und vielleicht
glaubt er im stillen, daß es in seiner Macht steht, einer der Geistes-
heroen zu werden, die der Weltgeschichte ihr Zeichen aufdrücken.
Die Jahre vergehen. Wieder und wieder mißt er sich in Schule
und Kolleg bei Prüfungen mit seinen Kameraden, und er findet
bald seinen Platz unter ihnen. Er weiß, daß er den und den seiner
Mitbewerber schlagen kann; daß er mit einigen anderen gleichen
Schritt hält und daß es wieder andere gibt, deren geistigen
Leistungen er nicht einmal nahe kommen kann. Seine Eitelkeit ver-
lockt ihn wahrscheinlich immer noch und wendet sich nur einer an-
deren Seite zu. Er sagt sich, daß die klassische Philologie, die
mathematischen und anderen Disziplinen, die an den Universi-
täten gelehrt werden, rein scholastische Spezialfächer sind und
keinen Beweis für wertvollere Geisteskräfte bUden. Er erinnert
sich verschiedener Beispiele, wo Individuen, die in der Jugend
einer Einteilung der Menschen. 15
hinter ihren Mitbewerbern zurückstanden, im späteren Alter
Kräfte entwickelten, die sie zu den ersten Männern ihrer Zeit
stempelten. Mit frischen Hoffnungen und mit dem ganzen
Ehrgeiz seiner zweiundzwanzig Jahre verläßt er die Universität
und betritt ein weiteres Feld des Wettbewerbs. Doch die gleiche
Erfahrung erwartet ihn auch hier. Allerlei günstige Gelegen-
heiten tauchen wie im Leben eines jeden Menschen auf, und
er findet, daß er unfähig ist, sie zu nützen. Er prüft die
Dinge und wird geprüft. Wenn ihn nicht Eigendünkel völlig blind
macht, weiß er nach einigen Jahren genau, welcher Leistungen
er fähig ist und was für Unternehmungen außerhalb seiner Linie
liegen. Hat er einmal ein reifes Alter erreicht, so ist er auch
nur innerhalb gewisser Grenzen seiner sicher und kennt sich
oder sollte sich wenigstens eben so gut kennen als ihn die Welt
kennt, mit all seinen unverkennbaren Schwächen und all seinen
unleugbaren Kräften. Hoffnungslose Versuche infolge trüge-
rischer Antriebe einer überreizten Eitelkeit quälen ihn nicht mehr,
er beschränkt sich auf Dinge, die unter der Grenze des für ihn
Erreichbaren liegen, und beruhigt sein moralisches Bewußtsein
mit der ehrlichen Überzeugung, daß er mit einer so guten Arbeit
beschäftigt ist, als die Natur ihm zu leisten gestattet.
Es kann schwerlich einen Beweis von größerer Sicherheit
dafür geben, wie ungeheuer verschieden die intellektuellen Fähig-
keiten der Menschen sind, als die erstaunlichen Verschiedenheiten
der Noteneinheiten, die in Cambridge für besonders gute mathe-
matische Prüfungen erteilt werden. Ich gestatte mir daher,
etwas länger bei diesem Gegenstand zu verweüen, obgleich die
Einzelheiten trocken und von wenig allgemeinem Interesse sind.
Der akademische Grad wird jährlich von 400 bis 450 Studenten
erreicht, von diesen wieder erlangen etwa 100 Auszeichnungen
in Mathematik und werden von ihren Examinatoren ihrem Ver-
dienst nach in strenger Reihenfolge klassifiziert. Die ersten 40
von denen, welche bei der mathematischen Prüfung Auszeich-
nungen erlangt haben, erhalten den Titel „wrangler", und es ist
unbedingt eine ehrenvolle Sache, selbst einer der letzten „wrang-
ler" zu sein; selbst einem solchen ist eine Lehrstelle an einem
kleinen College sicher. Man muß sorgfältig beachten, daß die
Auszeichnung, als erster auf der Ehrenliste zu stehen oder der
„senior-wrangler" des Jahres zu sein, wie man es nennt, weit
16 Natürliche Begabung als Grundlage
mehr bedeutet, als der erste Mathematiker von 400 oder 450 zu-
fällig zuammengewürfelten Individuen zu sein. Zweifellos ist
die größere Mehrzahl der Studenten in Cambridge nicht auf
Grund einer besonderen Auswahl hingekommen. Ein Knabe
wird von seinen Eltern für irgend einen Beruf bestimmt,
mag es nun die Kirche oder das Recht sein. In jedem
Falle war es früher fast unumgänglich erforderlich und ist
immer noch wichtig, ihn nach Cambridge oder Oxford zu schicken.
Wir können diese Jünglinge als eine zufällig zusammengewürfelte
Schar bezeichnen. Aber neben ihnen gibt es eine Menge anderer,
die ihren Weg zur Universität ehrlich erkämpft haben und daher
eine Auslese aus einer ungeheuren Anzahl darstellen. Reichlich
die Hälfte der „wrangler" waren Vorzugschüler ihrer entsprechen-
den Schulen, und umgekehrt finden fast alle Vorzugsschüler ihren
Weg zur Universität. Daher kommt es, daß die Universitäten
mit ihrer vergleichsweise geringen Anzahl von Studenten die
höchste wissenschaftliche Fähigkeit des jugendlichen Englands um-
fassen. Der „senior-wrangler" eines jeden Jahrgangs repräsen-
tiert ihre oberste Spitze, so weit es sich um Mathematik handelt,
und diese höchste Auszeichnung wird oder wurde kontinuierlich
von Jünglingen gewonnen, welche keine besonderen mathema-
tischen Vorkenntnisse hatten, ehe sie nach Cambridge kamen. Ihre
ganze Ausbildung erhielten sie während ihres dreijährigen Auf-
enthaltes an der Universität. Ich will hier nicht die Vorzüge oder
Fehler des Cambridger Systems besprechen, die darin bestehen,
daß die mathematischen Studien nach einer zu engen Schablone
geleitet werden, noch über die mutmaßlichen Nachteile, die daraus
entstehen können, daß man die Kandidaten streng nach ihrem
Verdienste ordnet, statt sie, wie in Oxford, in Klassen einzureihen,
wo ihre Namen alphabetisch geordnet erscheinen. Ich bin nur
daran interessiert, wie hier die Resultate sind, und diese kommen
meiner Darlegung sehr entgegen.
Bei dem Start der Jünglinge zu ihrem dreijährigen Wettlauf
geht es so unparteiisch wie möglich zu. Bei allen wirken die
mächtigsten Beweggründe stimulierend: Wetteifer, Ehre und
zukünftiger Wohlstand (denn eine gute Lehrstelle ist Wohl-
stand), und am Ende des Jahres werden sie auf das strengste nach
einem System geprüft, das sie alle verstehen und zu dem sie alle
gleich gut vorbereitet sind. Die Prüfung dauert achtTage hindurch
einer Einteilung der Menschen. 17
fünfeinhalb Stunden täglich. Alle Antworten werden von den
Prüfern sorgsam notiert, am Schluß werden die Noten summiert
und die Kandidaten streng nach ihrem Verdienst eingeordnet. Die
Gerechtigkeit und Genauigkeit der Prüfungen zu Cambridge
haben nie auch nur einen Hauch von Argwohn aufkommen lassen.
Ungünstig für meine Zwecke ist es, daß die Noten nicht ver-
öffentlicht werden. Sie sind nicht einmal nach einem gemein-
samen System festgesetzt, da jeder Prüfende seine eigene Noten-
skala anwenden kann. Doch welcher Skala immer er sich be-
dient, das Verhältnis der Zahlen, die das Verdienst anzeigen,
bleiben die gleichen. Ich verdanke einem Prüfer von Cambridge
eine Kopie seiner Noten über zwei Examina, wobei die beiden
Notenskalen einander so gleich sind, daß man sie bei einer ge-
ringen verhältnismäßigen Änderung leicht mit einander ver-
gleichen kann. Bis zu einem gewissen Grade handelte es sich
dabei um eine vertrauliche Mitteilung, so daß es mir nicht zu-
steht, irgend etwas zu veröffentlichen, was darauf hinweisen
könnte, in welchem Jahre diese Noten erteilt wurden. Ich bringe
sie hier einfach als eine Illustration, die uns vollauf die ungeheure
Differenzierung des Verdienstes zeigt. Der geringste Mann in
der Liste der Auszeichnungen gewinnt weniger als 300 Noten-
einheiten, der letzte „wrangler" gewinnt ungefähr 1500, und der
„senior-wrangler" in einer der Listen, die ich vor mir habe, ge-
wann mehr als 7500 Noteneinheiten. Folglich hat der geringste
„wrangler" mehr als fünfmal so viel Verdienst als der geringste
„junior-optime"*) und weniger als ein Fünftel des Verdienstes
des „senior-wrangler".
*) Dritter Grad beim Mathematischen Schlußexamen. D. Üb.
Gaiton, Genie und Vererbung. 2
18
Natürliche Begabung als Grundlage
Skala der Auszeichnungen, die in Cambridge von Studenten
bei matliematischen Prüfungen erlangt wurden.
Die Resultate von zwei Jahrgängen sind in eine Liste
zusammengezogen.
Die Totalsumme der Noten, die in jedem Jahrgang erreichbar war, betrug
17 000.
Anzahl der Noten, die die
Kanditaten erhielten.
Anzahl der Kandidaten, wel-
che in diesen beiden Jahr-
gängen jene Noten erhielten
Unter 500
241)
500-1000
74
1000-1500
38
1500—2000
21
2000—2500
94
2500 - 3000
8
3000—3500
11
3500—4000
5
4000—4500
2
4500-5000
1
5000-5500
3
5500-6000
1
6000-6500
0
6500-7000
0
7000-7500
0
7500—8000
1
200
Die genaue Zahl der Noteneinheiten, die der „senior-
wrangler" in dem hervorragenderen dieser beiden Jahrgänge er-
langte, war 7634, der zweite „wrangler" erreichte in dem
gleichen Jahre 4123, der letzte in der Liste der Auszeichnungen
bekam nur 237 Einheiten. Folglich erhielt der „senior-wrangler"
fast doppelt so viel Noteneinheiten als der zweite „wrangler",
und mehr denn zweiunddreißig Mal so viel als der letzte.
Von einem andern Prüfenden erhielt ich die Noten eines
1) Ich habe in dieser Liste nur die ersten 100 Mann eines jeden Jahr-
ganges aufgeführt. Der übergangene Rest ist zu klein, um wichtig zu sein
Ich habe sie ausgelassen, weil ich befürchtete, daß die genaue Angabe der
Anzahl der gewonnenen Auszeichnungen dazu beitragen könnte, die Identi-
fizierung der betreffenden Jahrgänge zu ermöglichen. Aus Gründen, die ich
bereits nannte, möchte ich keinerlei Daten geben, die dies ermöglichen.
einer Einteilung der Menschen. 19
Jahrganges, in welchem der „senior-wrangler" ganz be-
sonders bedeutend war. Er erhielt 9422 Noteneinheiten,
während der zweite des gleichen Jahrganges, dessen Verdienst
durchaus nicht geringer war als jene der zweiten „wrangler" im
allgemeinen, nur 5642 erhielt. Der letzte in der Liste der Aus-
zeichnungen wies nur 309 Einheiten auf oder ein Einunddreißigstel
der Einheitensumme des „senior-wrangler". Ich besitze
einige Einzelheiten über ein viertes besonders bemerkenswertes
Jahr, in welchem der „senior-wrangler" in der „Examensarbeit"
nicht weniger als zehnmal so viel Einheiten als der zweite „wrang-
ler" erhielt. Ich habe mit geübten Prüfern die Frage besprochen,
wie weit die Anzahl der Punkte als ein Maßstab für das mathe-
matische Talent des Kandidaten angenommen werden kann,
und bin überzeugt, daß sie bezüglich der niedrigeren Plätze voll-
kommen entsprechen, daß sie jedoch dem höchsten nicht gänz-
lich gerecht werden. Mit anderen Worten, die oben erwähnten
„senior-wranglers" besitzen mehr als dreißig oder zweiund-
dreißigmal so viel Fähigkeiten, als der letzte Mann in der Liste
der Auszeichnungen. Sie wären imstande, es mit Problemen
aufzunehmen, die mehr als zweiunddreißigmal so schwer sind,
oder vor Themen der gleichen Schwierigkeit gestellt, die aber
allen verständlich sind, würden sie sie schneller verstehen und
zwar vielleicht in einem quadratischen Verhältnis dieser Pro-
portion.
Man muß auch bedenken, daß die Noteneinheiten dem Aller-
besten schon dadurch nicht ganz gerecht werden, daß ein sehr
großer Teil der Prüfungszeit durch die mechanische Schreib-
arbeit in Anspruch genommen wird. So oft die Gedanken des
Kandidaten seiner Feder vorauseilen, gewährt ihm seine über-
große Raschheit der Konzeption keine Vorteile. Ich sollte jedoch
erwähnen, daß einige der fähigsten Bewerber ihre Superiorität da-
durch gezeigt haben, daß sie vergleichsweise wenig schreiben.
Sie finden sofort ihren Weg zur Wurzel der Schwierigkeit der
gestellten Probleme und beweisen mit wenigen sauberen, ange-
messenen, mächtigen Strichen, dieselben bewältigen können; dann
gehen sie zu einer anderen Frage über. Jedes Wort, das sie
schreiben, ist von Bedeutung. So verblieb der verstor-
bene H. LesUe Ellis, der 1840 ein glänzender „senior-wrang-
ler" war und dessen Name vielen Generationen der Cambridger
2*
20 Natürliche Begabung als Grundlage
Studentenschaft als ein Wunder universeller Anlagen bekannt
ist, nicht einmal die volle Zeit im Prüfungszimmer; seine Ge-
sundheit war schwächlich, und er mußte seine Kräfte schonen.
Die mathematischen Fähigkeiten des letzten in der Liste der
Auszeichnungen, welche, verglichen mit denen eines „senior-
wrangler", so niedrig sind, sind mittelmäßig oder sogar über
Mittelmaß, wenn man sie mit der Begabung der Engländer im
allgemeinen vergleicht. Obgleich dem Prüfungsresultat nach
noch 100 vor ihm sind, läßt er doch nicht weniger als 300 „poll-
men"*) hinter sich. Selbst wenn wir so weit gehen, zu glauben, daß
von den 300, 200 nicht angestrengt genug arbeiten wollen, um Aus-
zeichnung zu erlangen, so bleiben noch immer 100, die nicht so
weit kämen, selbst wenn sie hart arbeiteten. Jeder Lehrer weiß,
wie schwer es ist, abstrakte Begriffe selbst der einfachsten Art
in die Köpfe der meisten Menschen hineinzubringen, wie schwach
und zaghaft ihre geistige Fassungskraft ist, wie leicht ihr Gehirn
verwirrt wird und wie unfähig sie sind, die erworbenen Kennt-
nisse genau und unversehrt zu bewahren. Menschen, die mit
irgend einem wissenschaftlichen Gegenstand vertraut sind, passiert
es häufig, daß sie hören, wie Männer und Frauen von mittleren
Geistesgaben einander berichten, was sie in irgend einem Vor-
trag aufgeschnappt haben, den sie z. B. in der Royal Institution
über eine Stunde lang mit entzückter Aufmerksamkeit angehört
haben. Die Darstellung war wunderbar durchsichtig und durch
Experimente der vollkommensten und schönsten Art erläutert;
sie erklären sich äußerst erfreut und aufs höchste unterrichtet.
Es ist direkt peinlich, anzuhören, was sie sagen. Ihre Erinne-
rung scheint ein nebliges Chaos von Mißverständnissen zu sein,
dem nur ihre eigene reine Phantasietätigkeit eine gewisse Art
von Gestalt und Organisation gegeben hat, die dem völlig fremd
ist, was der Vortragende mitteilen wollte. Die durchschnittliche
geistige Fassungskraft selbst eines sogenannten gebildeten Publi-
kums erweist sich als lächerlich gering, wenn man sie scharf
prüft.
Wollen wir die Verschiedenheiten von Individuum zu Indivi-
duumfeststellen, so darf man nicht einen Augenbhck lang der Voraus-
*) Student, der sein Examen zum Baccalaureus nicht mit Auszeichnung
macht. D. Üb.
einer Einteilung der Menschen. . 21
Setzung Raum geben, Mathematiker seien in ihrer natürlichen
Begabung notwendig einseitig. Zahlreiche Beispiele beweisen
das Gegenteil; eine Reihe von denen, die uns jetzt beschäftigen,
werden wir noch einmal in dem Anhang zu meinem Kapitel über
„Naturwissenschaft" als Beispiele für vererbte Begabung finden.
Ich möchte namentlich Leibniz nennen, der eine universale Be-
gabung besaß; aber auch Ampere, Arago, Condorcet und d'Alem-
bert waren weit mehr denn reine Mathematiker. Ja, seitdem
der Rahmen der Prüfungen in Cambridge so erweitert ist, daß
er auch andere Gegenstände neben Mathematik umfaßt, sind
die Verschiedenheiten in der Befähigung zwischen dem obersten
und dem letzten der erfolgreichen Kandidaten noch offenkundiger,
als ich bisher beschrieb. Wir finden einerseits fortwährend
mittelmäßige Individuen, deren ganze Energie aufgebraucht wird,
um ihre 237 Punkte in Mathematik zu erhalten, und andererseits
einige „senior-wrangler", die gleichzeitig sich in klassischen Studien
und auch sonst noch auszeichnen. Cambridge hat derartige Bei-
spiele gegeben. Seine Liste der Auszeichnungen in klassischen
Studien ist vergleichsweise neueren Datums, aber anderes Be-
weismaterial zeigt das Vorkommen solcher Beispiele in früheren
Zeiten. So müßte Dr, George Builer, der viele Jahre Rektor von
Harrow war — auch Byron zählte zu seinen ZögUngen — (er
war auch Vater des gegenwärtigen Rektors und anderer Söhne,
von denen zwei ebenfalls Rektoren großer öffentlicher Schulen
sind), in Anbetracht seiner hervorragenden klassischen Fähig-
keiten diesen Rang auch in den klassischen Studien erhalten
haben. Doch war Dr. Butler 1794 auch „senior-wrangler", in
dem gleichen Jahr, als Lord Chancellor Lyndhurst zweiter war.
Sowohl Dr. Kaye, der verstorbene Bischof von Lincoln, als Sir
E. Alderson, der verstorbene Richter, waren „senior - wranglers"
und bekamen gleichzeitig die ersten Preise für klassische Studien
ihrer Jahrgänge. Seit 1824, also seit der Einführung der klassi-
schen Examina, war der verstorbene Mr. Goulburn (Sohn des
Schatzkanzlers Right Hon. H. Goulburn) 1835 zweiter „wrangler"
und gleichzeitig „senior" in den klassischen Studien des gleichen
Jahres. In neuerer Zeit ist jedoch die notwendige Vorbereitungs-
arbeit, die erforderlich ist, um die höchsten mathematischen Ehren-
plätze zu erringen, so gewaltig angeschwollen, daß eine ausge-
dehntere Differenzierung der Studien erfolgt ist. Ein einzelner
^ Natürliche Begabung als Grundlage
hat keine Zeit mehr, die notwendigen Kenntnisse für den ersten
Ehrenplatz in mehr als einem Gegenstand zu erlangen. Es gibt
daher keine Beispiele mehr von Leuten, die als absolut erste aus
beiden Prüfungen hervorgehen, aber einige können sowohl in ihren
klassischen als ihren mathematischen Studien als besonders her-
vorragend bezeichnet werden, wie ein Blick in die im „Cam-
bridge Calendar" veröffentlichten Listen zeigt. Der beste aus
dieser späteren Gruppe scheint Dr. Barry zu sein, erst Rektor
von Cheltenham und jetzt Rektor des King's College in London
(Sohn des hervorragenden Architekten Sir Charles Barry und
Bruder von Mr. Edward Barry, der seinem Vater als Architekt
folgte). Er war vierter „wrangler" und siebenter in klassischer
Philologie seines Jahrgangs.
Die intellektuellen Differenzierungen sind enorm, in wel-
cher Weise immer wir Fähigkeiten prüfen. Lord Macaulay (s.
unter „Literatur" über seine bemerkenswerte Verwandtschaft)
besaß ein Gedächtnis, das kaum seinesgleichen hatte. Er war
imstande, sich viele Seiten aus hunderten von Bänden verschie-
dener Autoren ins Gedächtnis zurückzurufen, die er sich durch
bloße Lektüre angeeignet hatte. Ein Durchschnittsmensch kann
sicherlich nicht ein Zweiunddreißigstel, ja nicht einmal ein Hun-
dertstel von dem behalten, was Lord Macaulay in seinem Ge-
dächtnis aufspeicherte. Senecas Vater gehörte zu den Menschen
mit dem besten Gedächtnis im Altertum (wegen seiner Verwandt-
schaft s. unter „Literatur"). Porson, der Kenner Griechenlands,
war wegen dieser Gabe bekannt, und ich kann hinzufügen, daß
das „Porson-Gedächtnis" in dieser Familie erblich war. Die
gleichen ungeheuren Differenzierungen von Individuum zu Indi-
viduum finden sich in der Staatskunst, in der Kriegskunst, in der
Literatur, in der Wissenschaft, in Poesie und Kunst, und zahl-
reiche Beispiele, die in diesem Buch niedergelegt sind, werden
zeigen, in welch geringem Maße hervorragende Begabung in der
einen oder anderen Gruppe von intellektuellen Kräften als das
Resultat rein spezieller Talente betrachtet werden kann. Viel-
mehr müssen solche Fälle eher als das Resultat konzentrierter
Anstrengungen betrachtet werden, die von umfassend begabten
Menschen gemacht werden. Die Menschen legen zu viel Nach-
druck auf Spezialleistungen, die in die Augen fallen, und sie denken
vorschnell, daß ein Mensch in nichts anderm hätte erfolgreich sein
einer Einteilung der Menschen. 2«
können, weil er sich einer bestimmten Beschäftigung gewidmet
hat. Ebenso könnten sie sagen, daß ein JüngHng sich in keine
Blondine hätte verheben können, weil er sterblich in eine Brü-
nette verliebt ist. Er kann eine größere natürliche Vorliebe für
den letzteren Typus haben oder auch nicht haben, es ist aber
ebenso wahrscheinlich, daß die Angelegenheit teilweise oder
gänzlich auf eine allgemein gerichtete Disposition des jungen
Mannes zurückzuführen ist. Genau so verhält es sich mit spe-
ziellen Beschäftigungen. Ein begabter Mensch ist oft launenhaft
und unbeständig, bevor er sich zu einer Beschäftigung entschließt;
hat er aber einmal gewählt, so widmet er sich ihr mit einem
wahrhaft leidenschaftlichen Eifer. Nachdem ein mit bedeutenden
Anlagen begabter Mensch sein Steckenpferd erwählt und sich
ihm so angepaßt hat, daß er zu jeder anderen Beschäftigung un-
brauchbar und einzig für diese seine spezielle Tätigkeit geeignet
zu sein scheint, habe ich oft mit Bewunderung bemerkt, wie
gut er sich benimmt, wenn die Umstände ihn plötzlich in eine
unbekannte Lage drängen. Er wird die neuen Verhältnisse scharf
erfassen und wird sie mit einer Kraft zu benützen verstehen,
welche selbst seine intimsten Freunde ihm nicht ohne weiteres
zugetraut hätten. Mehr als ein eingebildeter Narr hat schon
Gleichgültigkeit und Nachlässigkeit für Unfähigkeit gehalten und
hat sich selbst sehr hart und unvorhergesehen zu Fall gebracht,
wenn er es versuchte, einen begabten Menschen in eine Lage
zu drängen, wo dieser auf einen Angriff nicht vorbereitet war.
Ich bin überzeugt, daß niemand, der den Vorteil genießt, sich in
der Gesellschaft von befähigteren Menschen irgend einer Metro-
pole zu bewegen, oder der die Biographien der Helden der Ge-
schichte kennt, an der Existenz großer Exemplare der Spezies
„Mensch" zweifeln kann; er muß wissen, daß es Naturen von
besonders hervorragendem Adel gibt, Individuen, die dazu ge-
boren sind, Könige der Menschen zu werden. Ich war in nicht
geringer Angst befangen, eine Art von Sakrileg zu be-
gehen, so oft ich bei der Zusammenstellung des Materials zu
diesem Buch gezwungen war, den Maßstab an moderne In-
tellekte zu legen, die dem meinigen weit überlegen sind, oder die
Begabung der glänzendsten historischen Exemplare unserer
Gattung zu prüfen. Es war eine Tätigkeit, die mich fortwährend
an ein verwandtes Gefühl erinnerte, das ich in vergangenen Tagen
24 Naturliche Begabung als Grundlage
während einer afrikanischen Reise empfand, als ich die Höhen
der kolossalen Klippen zu messen pflegte, welche sich über mir
emporhoben, wenn ich an ihrem Fuß entlang wanderte, oder die
ragenden Landmarken im Gebiete noch unbesuchter Stämme auf-
nahm, welche hinter meiner eigentlichen Horizontlinie in undeut-
licher Größe emporwuchsen.
Ich habe nicht besonders Sorge getragen, mich mit Leuten
zu befassen, deren Begabung unter dem Durchschnitt liegt, aber
sie wären ein interessantes Studium. Die Anzahl der Idioten und
Schwachsinnigen unter den zwanzig Millionen Einwohnern von
England und Wales wird auf etwa 50 000 geschätzt oder gleich
1 auf 400. Dr. Seguin, eine große französische Autorität auf
diesem Gebiete, erklärt, daß mehr als 30 % der Idioten und
Schwachsinnigen bei angemessenem Unterricht dahin gebracht
wurden, sich sozialen und moralischen Gesetzen zu fügen;
Sinn für Ordnung und Wohlverhalten wurde ihnen beigebracht,
und sie waren imstande, bei ihrer Arbeit ein Drittel der Leistungen
eines Durchschnittsmenschen zu erzielen. Er sagt, daß mehr
als 40 % von ihnen unter freundUcher Kontrolle zu den ge-
wöhnlichen Verrichtungen des Lebens befähigt wurden; sie
lernten moralische und soziale Abstraktionen verstehen und
konnten zwei Drittel der gewöhnlichen Durchschnittsarbeit
leisten. Und daß schließlich 25 — 30 % von ihnen sich
mehr und mehr dem Niveau des Durchschnittsmenschen
nähern, bis einige von ihnen der Prüfung selbst guter Be-
obachter Trotz bieten, wenn man sie mit gewöhnlichen jungen
Männern und Frauen vergleicht. Gleich über Idioten und
Schwachsinnigen rangiert eine große Anzahl von milderen Fällen,
die in Privatfamilien verstreut sind und verborgen gehalten wer-
den, deren Existenz jedoch Verwandten und Freunden wohl be-
kannt ist; sie sind zu einfältig, um an der allgemeinen Gesell-
schaft teilzunehmen, aber eine triviale, harmlose Beschäftigung
amüsiert sie leicht. Dann kommt eine Gruppe, als deren Re-
präsentant Lord Dundreary*) in dem berühmten Stück gelten
kann; so steigen wir durch verschiedene Grade bis zur Mittel-
mäßigkeit auf. Ich kenne zwei gute Beispiele von ererbter Ein-
*) Stutzer in einem Lustspiel „Our American Cousin" von Tom
Taylor. D. Üb.
einer Einteilung der Menschen. 25
fältigkeit, die von Schwachsinn wenig entfernt ist, und habe Grund
zu glauben, daß ich leicht derartige Fälle in großer Zahl bei-
bringen könnte.
Ich fasse noch einmal zusammen : der Abstand in den Geistes-
kräften — ich sage nicht zwischen dem höchststehenden Kau-
kasier und dem niedrigsten Wilden, sondern der zwischen dem
größten und dem kleinsten englischen Intellekt, ist ungeheuer,
Wir sehen eine Kontinuität natürlicher Fähigkeiten, die, man weiß
nicht recht bis zu welcher Höhe, aufsteigt und die wieder bis
zu einem Tiefstand hinabsinkt, der sich ebenfalls kaum bezeich-
nen läßt. Ich will in diesem Kapitel die Menschen nach ihren
natürlichen Fähigkeiten ordnen, indem ich sie in Klassen einteile,
die durch gleiche Grade des Verdienstes getrennt sind, und will
dann die relative Anzahl der Individuen zeigen, die sich in den
verschiedenen Klassen befinden. Vielleicht wird jemand geneigt
sein, aus dem Stegreif die Vermutung aufzustellen, daß die An-
zahl der Menschen in den verschiedenen Klassen ungefähr gleich
sein wird. Wenn dem so ist, so kann ich ihn versichern, daß er
sich ganz außerordentlich irrt.
Die Methode, deren ich mich bediene, um all dies aufzu-
decken, ist eine Anwendung des sehr merkwürdigen theoretischen
Gesetzes von „der Abweichung von einem Durchschnitt". Ich
will erst das Gesetz erklären und dann zeigen, daß die Produk-
tion natürlicher, intellektueller Begabungen gerade in seinen Spiel-
raum fällt.
Das Gesetz ist von ganz außerordentlicher Allgemeinheit.
Quetelet, königlicher Astronom von Belgien und die größte Auto-
rität in Lebensdauer- und Sozialstatistik, hat es bei seinen Unter-
suchungen in ausgedehntem Maße angewendet. Er hat auch
Zahlentabellen konstruiert, mit deren Hilfe die notwendigen
Berechnungen leicht gemacht werden können, wenn es erwünscht
erscheint, das Gesetz anzuwenden. Wer mehr davon lernen will,
als mir hier der Raum gestattet zu bringen, möge sein Werk
nachschlagen, das einen sehr lesbaren Band bildet und das ver-
dient, unter Statistikern besser bekannt zu sein, als es der Fall
zu sein scheint. Es führt den Titel „Briefe über Wahrscheinlich-
keiten".
In den letzten Jahren wurde so viel über statistische De-
duktionen veröffentlicht, daß ich sicher bin, der Leser sei vor-
26 Natürliche Begabung als Grundlage
bereitet genug, um bereitwillig dem folgenden hypothetischen Fall
zuzustimmen. Man stelle sich eine große Insel vor, die von einem
einzigen Volke bewohnt ist. Das Volk heiratet ohne Beschrän-
kung untereinander und lebt seit vielen Generationen unter kon-
stanten Bedingungen. Dann würde auch die durchschnittliche
Körpergröße der erwachsenen männlichen Bevölkerung hier von
Jahr zu Jahr die gleiche sein. Ebenso werden wir, wenn wir
nach der Erfahrung der modernen Statistik schließen, wonach kon-
stante Resultate aus weit weniger sorgsam gesicherten Beispielen
folgen, ohne Zweifel Jahr um Jahr die gleiche Proportion zwischen
den Zahlen der Männer der verschiedenen Größenklassen finden.
Ich meine, wenn die Durchschnittsgröße eines Mannes Sechsund-
sechzig Zoll beträgt und wenn gleichfalls in einem beliebigen Jahr
von einer MilHon erwachsener Männer 100 über achtundsiebzig
Zoll groß sind, so wird die gleiche Proportion von 100 auf eine
Million auch in allen anderen Jahren sich genau finden. Die
gleiche Konstanz der Proportion wird sich auch zwischen anderen
Größen-Grenzen finden, die wir etwa festsetzen wollen, so
zwischen einundsiebzig und zweiundsiebzig Zoll, zwischen zwei-
undsiebzig und dreiundsiebzig Zoll usw. Statistische Erschei-
nungen bestätigen so unveränderlich, was ich hier nur als wahr-
scheinlichen Fall gesetzt habe, daß die Beschreibung analoger Bei-
spiele unnötig ist. An diesem Punkt nun tritt das Gesetz der Ab-
weichung von einem Durchschnitt ein. Es zeigt, daß innerhalb
einer Million erwachsener Männer die Anzahl derjenigen, die
zwischen einundsiebzig und zweiundsiebzig Zoll groß sind
(oder welche beiden Grenzen wir immer festsetzen wollen) aus
dem vorhergehend gegebenen Durchschnitt und aus irgend einer
anderen Tatsache, so aus dem Prozentsatz derjenigen, die in einer
Million achtundsiebzig Zoll übersteigen, vorausgesagt werden
kann.
Das folgende Diagramm wird dies verständlicher machen.
Stellen wir uns eine Million von Männern vor, die sich nachein-
ander mit dem Rücken gegen ein vertikales Brett von genügender
Höhe stellen, auf dem ihre Körperlänge durch Punkte angemerkt
wird. Das Brett wird dann einen Anblick darbieten, wie ihn das
Diagramm zeigt. Die Linie der Durchschnittsgröße ist die-
jenige, welche die Punkte in zwei gleiche Hälften teilt, und
bezeichnet in dem Falle, den wir vorausgesetzt haben,
einer Einteilting der Menschen.
27
eine Höhe von Sechsundsechzig Zoll. Wie man sieht, ver-
teilen sich die Punkte so symmetrisch auf jede Seite der
Durchschnittslinie, daß die untere Hälfte des Diagramms fast
das genaue Spiegelbild der oberen ist. Rechnen wir jetzt an
hundert Punkte von oben hinunter und denken wir uns eine Linie
unterhalb gezogen. Den Bedingungen zufolge entspricht diese
Linie der Größe von achtundsiebzig Zoll. Unter Benutzung der
Daten, die diese beiden Linien an die Hand geben, ist es möglich,
durch Zuhilfenahme des Gesetzes der Abweichung von einem
Durchschnitt das ganze System der Punkte auf dem Brett ijiit
besonderer Genauigkeit zu reproduzieren.
Skala
in
Fl
ifs
•
—
8
Aus &/ier Million sind
'.'.'.': \
—
7
WO über dieser Zinie, .
Zink da-
IH
6
Dwdisdmätsgröfse
Upp^
5
Aus änerMUionsmd
riW^l^f:-
700 untsr dieser Lime.
—
^
*
—
3
2
7
Quetelet gibt Tabellen, in welchen die oberste Linie aus
einer Million statt hundert nur eins abschneidet. Er teilt die
Intervalle zwischen dieser Linie und der Durchschnittslinie in acht
28 Natürliche Begabung als Grundlage
gleiche Abstände und gibt die Anzahl der Punkte ,welche in jede
der so entstandenen Abteilungen fallen. Unter Zuhilfenahme
seiner Tabellen kann man mit Leichtigkeit ausrechnen, was bei
einem beliebigen andern Klassifikationssystem eintreten würde.
Dieses Gesetz der Abweichung von einem Durchschnitt ist in
seiner Anwendung vollkommen allgemein. Wenn also die Zeichen
durch Flintenkugeln gemacht wären, die in einer horizontal durch
die Front der Schießscheibe gezogenen Linie abgeschossen wür-
den, so würden sie sich nach dem gleichen Gesetz verteilen. Wo
immer einer große Anzahl gleicher Ereignisse vorliegt, von denen
jedes die Folge der resultierenden Einflüsse der gleichen variablen
Bedingungen ist, wird zweierlei stattfinden. Erstens wird der
Durchschnittswert dieser Ereignisse konstant sein, und zweitens
werden die Abweichungen der einzelnen Ereignisse vom Durch-
schnitt diesem Gesetz unterliegen (das im Prinzip das gleiche ist,
wie das, welches den Lauf des Glücks am Spieltisch regiert)
Ich sage, die Natur der Bedingungen, die die einzelnen Ereig-
nisse verursachen, muß die gleiche sein. Es ist klar, daß man
nicht die Körpergrößen von Menschen zweier ungleicher
Rassen vergleichen kann, in der Erwartung, die in eins zusammen-
gezogenen Resultate würden von den gleichen Konstanten ab-
hängen. Eine Verbindung von zwei ungleichartigen Systemen
von Punkten würde die gleiche Verwirrung hervorbringen, als
wenn man die Hälfte der Flintenkugeln, die gegen eine Scheibe ab-
geschossen würden, nach einem Punkt, und die andere Hälfte
nach einem andern Punkt richten würde. Eine Prüfung der
Punkte würde sogar einen Menschen, der nicht wüßte, was pas-
siert sei, darauf bringen, daß eben das passiert sei, und es wäre
unter Zuhilfenahme des Gesetzes sogar möglich, zwei oder eine
bescheidene Anzahl übereinanderliegender Serien von Punkten zu
entwirren. Das Gesetz kann daher als sehr zuverlässiges Kriterion
benützt werden, ob die Ereignisse, von denen der Durchschnitt
gezogen wird, auf die gleichen oder auf verschiedenartige Klassen
von Bedingungen zurückzuführen sind.
Ich wählte den hypothetischen Fall eines Volkes, das auf einer
Insel wohnt und frei unter einander heiratet, um den Bedingungen,
die wir für unser hypothetisches Inselvolk voraussetzen, einen
gleichartigen Charakter zu geben. Es wird jetzt mein Ziel sein,
einer Einteilung der Menschen
29
zu zeigen, daß die Einwohner Großbritanniens Gleichartiges genug
'laben, um sie gänzlich unter dieses Gesetz zu bringen.
Ich führe zu diesem Zweck erst ein Beispiel aus Quetelets
Buch an. Es handelt sich um Messungen des Brustumfanges bei
einer großen Anzahl schottischer Soldaten. Die Schotten sind
weder eine einheitliche Rasse, noch sind sie gleichförmigen Be-
dingungen unterworfen. Sie sind eine Mischung von Kelten,
Dänen, Angelsachsen und anderen Völkern in verschiedenen Pro-
portionen; die Hochländer z. B. sind fast reine Kelten. Anderer-
seits sind diese Völker, obgleich ihrem Ursprung nach so ver-
schieden, ihrem Charakter nach nicht sehr ungleichartig.
Es wird sich zeigen, daß ihre Abweichungen vom Durchschnitt
mit bemerkenswerter Genauigkeit den theoretischen Berechnungen
folgen. Das Beispiel ist folgendes. Quetelet entnahm seine Tat-
sachen dem dreizehnten Band des Edinburgh Medical Journal, wo
an 5738 Soldaten gemachte Messungen niedergelegt sind. Die
Resultate sind nach den Umfangen angeordnet, nach den Diffe-
renzen von einem Zoll fortschreitend. Professor Quetelet ver-
gleicht diese Resultate mit jenen, die seine Tabelle ergeben. Das
Resultat folgt hier. Die wunderbare Übereinstimmung zwischen
Theorie und Praxis muß selbst dem ungeübtesten Auge auffallen.
Ich muß noch hinzufügen, daß in beiden Fällen Maße und Be-
rechnungen aus Bequemlichkeitsgründen auf Tausende reduziert
sind.
Messungen
1000 Leute
1000 Leute
Messungen
1000 Leute
1000 Leute
des Brustum-
nach Er-
nach Be-
des Brustum-
nach Er-
nach Be-
fanges in Zoll
fahrung :
rechnung :
fanges in Zoll
fahrung:
rechnung :
33
5
7
41
1628
1675
34
31
29
42
1148
1096
35
141
110
43
645
560
36
322
323
44
160
221
37
732
732
45
87
69
38
1305
1333
46
38
16
39
1867
1838
47
7
3
40
1882
1984
48
2
1
Ich nehme jetzt einen Fall, wo die Ungleichheit der Elemente,
aus denen der Durchschnitt gezogen wurde, größer ist. Es handelt
30
Natürliche Begabung als Grundlage
sich um das Körpermaß von 100 000 assentierten Franzosen. Unter
den Franzosen finden sich genau so viel Verschiedenheiten als
unter den Engländern, denn es ist nicht sehr viele Generationen
her, daß Frankreich in völlig unabhängige Königreiche zerfiel.
Unter seinen einzelnen Völkern sind die Bewohner der Normandie,
der Bretagne, des Elsaß, der Provence, der Auvergne; jedes
dieser Völker hat seine speziellen Eigentümlichkeiten, dennoch
zeigt die folgende Tabelle eine ungemein auffallende Überein-
stimmung zwischen den Resultaten der Erfahrung und jenen, die
aus Berechnung von einer rein theoretischen Hypothese abgeleitet
sind:
Anzahl der Rekruten
Größen der Rekruten
gemessen
berechnet
Zoll
Unter 61.8
28 620
26 345
von 61.8-62.9
11580
13182
, 62.9—63.9
13 990
14 502
, 63.9—65.0
14410
13 982
. 65.0—66.1
11410
11803
. 66.1-67.1
8 780
8 726
. 67.1—68.2
5 530
5 527
, 68-2—69.3
3 190
3 187
über 693
2 490
2 645
Die größten Differenzen finden sich in den niedrigsten Reihen.
Sie enthalten die Männer, die wegen ihres kleinen Wuchses zurück-
gestellt wurden. Quetelet schreibt diese Unterschiede unbedenk-
lich betrügerischen Berichten zu. Es hat allerdings den Anschein,
daß Leute in ungesetzlicher Weise aus der zweiten Reihe entfernt
und in die erste eingestellt wurden, um vom Militärdienst befreit
zu werden. Wie dem immer sei, die Übereinstimmung zwischen
Tatsachen und Theorie ist auch in diesem Beispiel eng genug, um
meinen Zwecken zu dienen.
Ich folgere aus den Resultaten, die an den Schotten und Fran-
zosen gewonnen wurden, daß, wenn uns die Qrößenmaße der er-
wachsenen männUchen Bevölkerung der britischen Inseln be-
kannt wären, wir auch hier eine genaue Übereinstimmung mit
dem Gesetz der Abweichung von einem Durchschnitt fänden, ob-
gleich unsere Bevölkerung ebenso gemischt ist, als es die von
Schottland nach meiner Beschreibung ist und obgleich Irland
hauptsächlich von Kelten bewohnt wird.
einer Einteilung der Menschen. 31
Trifft es aber bei der Größe zu, so wird es auch bei allen
anderen physischen Merkmalen der Fall sein, wie Umfang des
Kopfes, Größe des Gehirns, Gewicht der grauen Gehirnsubstanz,
Anzahl der Gehirnfasern etc. Gehen wir noch einen Schritt weiter,
den kein Physiologe zögern wird, zu tun, so wird auch das Gleiche
bezüglich ihrer geistigen Kapazität der Fall sein.
Eben dahin tendiere ich, denn diese Analogie zeigt klar, daß
innerhalb der geistigen Kapazität der Bewohner der britischen In-
seln ein ziemlich konstanter Durschnitt bestehen muß und daß die
Abweichungen von diesem Durchschnitt — hinauf zum Genie und
hinunter zum Blödsinn — dem Gesetze folgen müssen, das die Ab-
weichungen von jedem richtigen Durchschnitt bestimmt.
Ich habe jedoch noch etwas mehr getan als mich auf eine
Analogie gestützt, als ich die Resultate jener Prüfungen heranzog,
bei denen die Kandidaten aus den gleichen Klassen stammten.
Viele werden wohl die Listen der erfolgreichen Bewerber um ver-
schiedene öffentliche Anstellungen gesehen haben, die von Zeit zu
Zeit in den Zeitungen veröffentlicht werden, mit den Notenein-
heiten, die jeder Kandidat gewann und die seinem Namen bei-
gefügt waren. Diese Liste enthält viel zu wenig Namen, um eine
so schöne Übereinstimmung mit dem Gesetz aufzuweisen, wie
es bei den schottischen Soldaten der Fall war. Selten kommen
bei einem dieser Examina mehr als hundert Namen vor, wäh-
rend die Brustumfänge von nicht weniger als 5700 Soldaten
gemessen wurden. Ich kann nicht recht die Noten verschiedener
unabhängiger Prüfungen in einen Haufen zusammenwerfen, denn
ich begreife, daß verschiedene Prüfende auch zu verschiedenen
Einschätzungszahlen neigen. So muß also jede Prüfung getrennt
analysiert werden. Das Folgende ist eine Kalkulation, die ich an
einer Prüfung anstellte, die vor mir abgehalten wurde; wir können
sie hier gebrauchen wie jede andere. Es handelte sich um den
Emtritt in das Royal Military College in Sändhurst im Dezember
1868. Die Notensummen, die erreicht wurden, häufen sich be-
sonders um 3000 herum, so daß ich diese Ziffer als die Durch-
schnittsfähigkeit der Kandidaten repräsentierend annehme. Von
dieser Zahl und weiter von der Tatsache ausgehend, daß kein Kan-
didat mehr als 6500 Noteneinheiten erhielt, berechnete ich unter Zu-
hilfenahme von Quetelets Zahlen die Kolonne B in der folgenden
Tabelle. Es wird sich zeigen, daß die Kolonne B so weit mit der
32
Natürliche Begabxing als Grundlage
Kolonne A übereinstimmt, als die geringe Anzahl der geprüften
Personen es erwarten ließ.
Anzahl der Kandidaten, die diese
Noteneinheiten erhielten
Anzahl der Noteneinheiten, die
die Kandidaten erhielten
A.
B.
Den Tatsachen
Der Theorie
entsprechend
entsprechend
6500 und darüber
0 >
0
5800-6500
1
1
5100-5800
3
5
4400-5100
6
> 73
8
■ 72
3700-4400
11
13
3000-3700
22
16
2300-3000
22
16
1600—2300
8 )
13)
1100zul600
Wagten es ent-
8
400 „ 1100
weder nicht sich
5
unter 400
zu messen oder
1
fielen
durch.
Die Symmetrie des absteigenden Zweiges ist durch die am Fuß
der Kolonne A angegebenen Umstände arg gestört worden. Es
ist aber wenig Anlaß zu bezweifeln, daß, wenn jeder Mensch in
England sich irgend ein Fach aneignen und sich dann vor Exami-
natoren präsentieren müßte, die ein gleichartiges Notensystem an-
wendeten, die erteilten Noten sich nach dem Gesetz der Ab-
weichung von einem Durchschnitt genau so streng in Reihen
bringen ließen, wie die Qrößenmaße der französischen Assent-
pflichtigen oder die Brustumfänge der schottischen Soldaten.
Die Stufenzahl, auf welche wir die geistigen Fähigkeiten ver-
teilen wollen, hängt von unserer Wahl ab. Wir können ganz nach
unserer Bequemlichkeit die Engländer in einige große Klassen oder
in viele kleine einteilen. Ich wähle ein Klassifikationssystem, das
sich leicht mit der Anzahl hervorragender Männer vergleichen
läßt, wie wir sie in den vorhergehenden Kapiteln festgesetzt haben.
Wir sahen dort, daß auf eine Million Männer 250 es zu hervor-
ragender Bedeutung bringen; dementsprechend habe ich die Ab-
teilungen in der folgenden Tabelle so entworfen, daß die beiden
höchsten F und Q, zusammen mit X (das alle Fälle außer G umfaßt,
die nicht eingeteilt sind) sich ungefähr auf diese Zahl belaufen.,
nämlich 248 auf eine Million.
eioer Einteilung der Menschen. 38
Einteilung der Menschen nach ihrer natürlichen Begabung
Grade der natür-
Anzahl der Menschen innerhalb der verschiedenen Grade natürlicher Befähi-
lichenBefähigung
gung, entweder mit Bezug auf allgemeine Talente oder spezielle Fähigkeiten.
durch gleiche Ab-
stände getrennt
I • ^ 1
Im
In leder
In der gesamten männlichen Bevölkerung, d. h. in
Unter
Ueber
Verhält-
Million
15 Millionen der angegebenen Altersstufen
dem
dem
niseiner
des-
gleichen
Durch-
Durch-
zu
schnitt
schnitt
Alters. 20-30 1 30-40 1 40 - 50 1 50—60 160-70|70- 80
a
A
4
256791
651000
495000
391000
268000
171000
77000
b
B
6
161279
409000
312000
246000
168000
107000
48000
c
C
16
63563
161000
123000
97000
66000
42000
19000
d
D
64
15696
39800
30300
23900
16400
10400
4700
e
E
413
2423
6100
4700
3700
2520
1600
729
f
F
4300
233
590
450
355
243
157
50
Z
G
79000
14
35
27
21
15
9
4
X
X
alle
alle
1000000
1
3
2
2
2
Grade
Grade
unter g
über G
Auf jeder Seite d«
schnitte
s Durch-
5
500000
1268000
964000
761000
521000
332000
149000
Gesatnts
umme at
Seiten
if beiden
lOOOOOö
2536000
1928090
1522000
1042000
664000
298000
Die Verhältnisse der Männer der verschiedenen Lebensalter zu einander
sind nach den Verhältnissen gerechnet, die für England und Wales stimmen.
(Census von 1861, Anhang S. 107.)
Beispiel. Die Abteilung F enthält je einen Mann auf 4300. Mit
anderen Worten in jeder Million Menschen befinden sich 233 dieser Ab-
teilung. Das Gleiche gilt für f. Im ganzen vereinigten Königreich gibt es
590 Leute der Abteilung F (und die gleiche Anzahl der Abteilung f) zwischen
dem 20. und 30. Lebensjahr ; 450 zwischen dem 30. und 40. Lebensjahr usw.
Ich hoffe, dem Leser wird jetzt völlig klar sein, daß die
Ziffern der verschiedenen Abteilungen meiner Tabelle nicht auf
einer unsichern Annahme beruhen. Sie sind nach dem sicheren
Gesetz der Abweichungen von einem Durchschnitt festgelegt. Es
ist absolut sicher, daß, wenn wir aus jeder Million den einen Mann
herausheben, der der natürlich begabteste in ihr ist und ebenso
den Dümmsten und dann die übrigen 999,998 in vierzehn Klassen
aufteilen, wobei die Durchschnittsfähigkeit einer jeden Klasse von
den benachbarten durch gleiche Stufen getrennt ist, die
G a 1 1 o n , Genie und Vereibung. 3
34 Natürliche Begabung als Grundlage
Zahlen jeder dieser Klassen im Durchschnitt vieler Millionen sich
so verhalten werden, wie es in der Tabelle festgelegt ist. Die Ta-
belle kann sowohl auf eine spezielle wie auf allgemeine Begabung
angewendet werden. Sie wird für jede Prüfung stimmen, die
natürliche Begabungen ausdrücken soll, ob es sich nun um Ma-
lerei, um Musik oder Politik handelt. Die Verhähnisse zwischen
den verschiedenen Klassen werden in all diesen Fällen identisch
sein, obgleich die Klassen aus verschiedenen Individuen zusam-
mengesetzt sein würden, je nachdem die Prüfung ihrem Inhalt
nach verschieden wäre.
Es wird sich zeigen, daß mehr als die Hälfte jeder Million in
den beiden mittleren Klassen a und A enthalten ist; die vier mittr
leren Klassen a, b, A, B, enthalten mehr als vier Fünftel und die
sechs mittleren Klassen mehr als neunzehn Zwanzigstel der Qe-
samtbevölkerung. Beides, die Seltenheit einer dominierenden Be-
gabung, und das starke Vorwiegen an Mittelmäßigkeit, ist kein
Zufall, sondern folgt notwendig aus der eigentlichen Natur dieser
Dinge.
Die Bedeutung des Wortes „Mittelmäßigkeit" läßt kaum einen
Zweifel aufkommen. Es definiert den Stand intellektueller Kräfte,
wie er sich in den meisten Provinz-Gesellschaften findet, da die
Reize einer anregenderen Lebensweise in der Hauptstadt
und anderwärts geeignet sind, die befähigteren Männer anzu-
locken und die dummen und einfältigen keinen Teil an der Ge-
sellschaft haben. Das Residuum also, das die große Masse der
allgemeinen Gesellschaft kleiner Provinzstädte bildet, ist gewöhn-
lich in seiner Mittelmäßigkeit sehr rein.
Die Klasse C enthält die Fähigkeiten, die etwas höher sind, als
sie im allgemeinen der Obmann einer gewöhnlichen Ge-
schworenenbank besitzt. D umfaßt die Massen der Männer,
welche die gewöhnlichen Prämien des Lebens erhalten. E ist um
eine Stufe höher. Dann gelangen wir zu F, die niedrigste jener
noch höheren Intelligenzklassen, mit denen diese Arbeit sich haupt-
sächlich beschäftigt.
Gehen wir die Skala hinunter, so finden wir, wenn wir f
erreicht haben, daß wir bereits unter Idioten und Schwachsinnigen
sind. Wir haben gesehen, daß in unserem Lande auf je
eine Million Menschen 400 Idioten und Schwachsinnige kommen,
daß aber 30 Prozent ihrer Gesamtzahl leichte Fälle zu sein
einer Einteilung der Menschen. 35
scheinen, für die Idiotie nicht die geeignete Bezeichnung ist. Auf
jede Million unserer Bevölkerung entfallen 280 wirkliche Idioten
und Schwachsinnige. Dieses Verhältnis entspricht sehr genau
den Anforderungen der Klasse f. Ohne Zweifel entsteht ein
gewisser Teil dieser Idioten aus zufälligen Verursachungen, die
der Arbeit eines von Natur guten Gehirns Abbruch tun, genau so
wie ein Stückchen Schmutz einen erstklassigen Chronometer dazu
bringen kann, die Zeit schlechter anzugeben als eine gewöhnliche
Uhr. Ich vermute aber infolge des gewöhnlich kleinen Kopfes
dieser Menschen und der Abwesenheit von Krankheiten unter
ihnen, daß der Anteil von zufälligen Idioten nicht sehr groß
sein kann.
So kommen wir zu dem unleugbaren, aber unvermuteten
Schluß, daß außerordentlich begabte Männer ebenso über die
Mittelmäßigkeit emporragen, als die Idioten unter die Mittelmäßig-
keit hinuntersinken, eine Tatsache, die unsere Ideen über die un-
geheuren Verschiedenheiten intellektueller Gaben von Mensch zu
Mensch bedeutend zu erweitern bestimmt ist.
Ich vermute, daß Klasse F bei Hunden und anderen der
inteUigentesten Tierarten in bezug auf Gedächtnis und Vernunft-
kräfte mit f der menschlichen Rasse ungefähr kommensurabel ist.
Sicherlich ist die Klasse G solcher Tiere weit größer als Klasse
G bei der Menschheit
3*
Vergleich der beiden Klassifikationen.
Ist der Ruf ein genügender Beweis für natürliche Begabung?
Es ist der einzige, den ich anwenden kann; bin ich gerechtfertigt,
wenn ich es tue? Wieviel von den Erfolgen eines Mannes hängt
von günstigen Gelegenheiten ab, wieviel von den natürlichen
Kräften seines Intellekts?
Es ist eine sehr alte Frage, die wir hier aufwerfen, eine
große Anzahl von Gemeinplätzen wurden über sie geäußert, so
daß wir nicht nötig haben, sie hier zu wiederholen. Ich will mich
auf einige Betrachtungen beschränken, die mir vollkommen hin-
reichend zu beweisen scheinen, was ich für meine Argumentation
nötig habe.
Behalten wir wohl im Auge, was ich unter Ruf und Fähig-
keiten verstehe. Unter Ruf verstehe ich die Meinung der Zeit-
genossen, von der Nachwelt revidiert, das günstige Resultat einer
von vielen Biographen besorgten kritischen Analyse des Charak-
ters eines jeden Mannes. Ich verstehe darunter weder eine hohe
soziale, noch eine amtliche Stellung, ebensowenig das, was der
bloße Löwe einer Londoner Saison bedeutet. Ich spreche von
dem Ruf eines Führers der öffentlichen Meinung, eines schöpferi-
schen Geistes, eines Mannes, dem die Welt wohlüberlegt ein-
räumt, daß sie ihm stark verpflichtet ist.
Unter natüi liehen Fähigkeiten verstehe ich jene Eigenschaften
des Intellekts und Gemüts, welche einen Menschen dazu an-
spornen und qualifizieren, Handlungen zu verrichten, die seinen Ruf
verbreiten. Ich verstehe darunter weder Talent ohne Eifer, noch
Eifer ohne Talent, noch eine Kombination von beiden ohne die
entsprechende Kraft, ein gut Stück einer sehr mühseligen Arbeit
zu verrichten. Ich verstehe darunter eine Natur, die, wenn sie
sich selbst überlassen ist und von einem inneren Trieb gedrängt
wird, den Weg emporklimmt, der zur hervorragenden Bedeutung
Vergleich der beiden Klassifikationen. 37
hinaufführt, und die Kraft genug hat, den Gipfelpunkt zu erreichen;
eine Natur, die, wenn sie gehindert wird oder ihr etwas in die
Quere kommt, sich aufbäumt und kämpft, bis das Hindernis über-
wunden ist und sie wieder frei ihrer instinktiven Arbeitsfreude
folgen kann. Es ist fast eine contradictio in adiecto, wenn man
zweifelt, daß solche Männer im allgemeinen hervorragend werden.
Wir werden gerade bei unserer Betrachtung in Hülle
und Fülle auf Beispiele stoßen, die zeigen, daß nur wenig
Menschen hohen Ruf erlangt haben, ohne diese besonderen Gaben
zu besitzen. Es folgt daraus, daß die Männer, die zu hervorragen-
der Bedeutung gelangen, und die, welche von Natur talentiert sind,
mit wenigen Ausnahmen identisch sind.
Der spezielle Sinn, in dem ich das Wort Fähigkeit gebrauche,
soll meine Argumentation nicht von einer weiteren Anwendung
ausschließen; denn wenn es mir gelingen wird, zu zeigen — und
es wird mir ohne Zweifel gelingen — daß das konkrete dreifache
Vorkommen von Fähigkeit kombiniert mit Eifer und Eignung zu
schwerer Arbeit, vererbbar ist, dann muß noch viel mehr der
Glaube gerechtfertigt sein, daß irgend eines dieser drei Elemente,
sei es nun Fähigkeit, Eifer oder die Eigung zur Arbeit in gleicher
Weise eine Gabe der Vererbung ist.
Ich glaube und werde mein Bestes tun, es zu zeigen,
daß. wenn die „hervorragenden" Männer irgend einer Periode
als kleine Kinder vertauscht worden wären, ein großer Teil von
ihnen, wenn sie am Leben geblieben wären und ihre Gesundheit
bis zu ihrem fünfzigsten Lebensjahr behalten hätten, ungeachtet
ihrer veränderten Lebensumstände ebenfalls hervorragende Be-
deutung erlangt hätten. So ist es z. B. unglaubhaft — um einen
starken Fall zu nehmen — daß Lord Brougham durch irgend eine
Kombination von Umständen zu dem Niveau einer unbemerkten
Mittelmäßigkeit hätte hinabgedrückt werden können.
Die Argumente, auf die ich mich stütze, sind die folgenden.
Ich will ihre Anwendung zunächst auf Männer der Feder und
Künstler beschränken. Erstens ist es eine Tatsache, daß eine
Anzahl von Männern, noch ehe sie das mittlere Lebensalter
erreichen, und die aus den niedrigeren Klassen hervorgehen, eine
Stellung in der Welt erlangen, wo es für die Zukunft ihrer
Karriere nicht mehr wichtig ist, wie sie ihre Jugend verbracht
haben. Sie haben die Hindernisse überwunden und starten jetzt
38 Vergleich der beiden Klassifikationen.
im folgenden Wettlauf des Lebens mit anderen, glücklicher Auf-
erzogenen zusammen mit gleichen Chancen. Ein Junge, der sorg-
fältig erzogen werden soll, wird in eine gute Schule geschickt, wo
er, zugestandenermaßen, wenig nützliche Kenntnisse erwirbt, wo
er aber in der Kunst des Lernens unterrichtet wird. Der Mann,
von dem ich spreche, ist gezwungen, dieselbe Kunst in einer Schule
der Widerwärtigkeiten zu erwerben. Beide stehen auf gleicher
Linie, wenn sie ihre Reifezeit erreicht haben. Sie bewerben sich
um die gleichen Preise, sie messen ihre Kräfte durch An-
strengungen in der gleichen Richtung, und die Erfolge des einen
und des andern hängen fortan von ihren beiderseitigen natürlichen
Gaben ab. Es gibt eine Menge solcher Männer, unter den "her-
vorragenden" Menschen, wie Biographien genügend zeigen. Wären
nun die Hindernisse, die dem Erfolg im Wege stehen, sehr groß,
so müßten wir erwarten, daß alle, die sie überwunden haben,
Wunder an Genies sind. Die Hindernisse würden nach dieser An-
sicht ein System der natürlichen Auslese bilden, indem sie alle die-
jenigen zurückwerfen, deren Gaben unter einem gewissen, sehr
hohen Niveau Hegen. Doch was ist der Fall? Wir finden sehr viele
Menschen, die sich aus der Reihe emporgehoben haben und die
durchaus keine Wunder an Genies sind; viele Menschen, die
keinerlei Anspruch auf „hervorragende Bedeutung" haben, sind
oft, allen Hindernissen zum Trotz, leicht in die Höhe gekommen.
Die Hindernisse bilden zweifellos ein System der natürlichen Aus-
lese, das die Mittelmäßigkeit und selbst noch Männer von ziemlich
gutenAnlagen zurückhält, miteinem Worte, dieKlassen unterD.; je-
doch viele aus der Klasse D haben Erfolg, ebenso sehr viele aus E und,
wie ich glaube, eine sehr große Majorität aus den höheren Gruppen.
Ist ein Mann mit großer intellektueller Fähigkeit begabt, hat
er das heftige Verlangen zu arbeiten und die Kraft dazu, so kann
ich nicht verstehen, wie ein solcher Mann zurückgehalten werden
könnte. Die Welt wird immerfort von Schwierigkeiten gequält, die
darauf warten, daß man sie löse, sie kämpft immerfort mit Ideen
und Gefühlen, denen sie keinen entsprechenden Ausdruck zu geben
vermag. Ist dem so und existiert ein Mensch, der diese Schwierig-
keiten lösen kann, der den unterbundenen, unklaren Gefühlen Aus-
druck zu geben vermag, so kann er sicher sein, daß ihn die Welt
mit allgemeinem Jubel begrüßen wird. Wir können fast sagen,
daß er seine Feder bloß über das Papier führen muß, damit die
Vergleich der beiden Klassifikationen. 39
Sache getan sei. Ich spreche hier von jenen wirklich erst-
klassigen Menschen — von den Wundern der Menschheit — von
denen einer auf eine Million oder auf zehn Millionen kommt, von
denen wir in dieser Arbeit eine Anzahl als Beispiele vererbter An-
lagen finden werden.
Noch ein anderes Argument beweist, daß die Hindernisse des
sozialen Lebens in England nicht dahin wirken, große Fähigkeiten
zurückzuhalten. Die Anzahl der hervorragenden Männer ist näm-
lich in England ebenso groß, wie in anderen Ländern, wo die
Hindernisse geringer sind. In Amerika ist die Kultur viel weiter
verbreitet als bei uns und die Bildung der mittleren und unteren
Klassen ist bei weitem vorgeschrittener, aber trotz alledem
schlägt uns Amerika sicherlich nicht inbezug auf erstklassige Werke
in Literatur, Philosophie oder Kunst. Die höhere Art von Büchern,
die in Amerika gelesen werden, sind selbst bis auf die allerletzte
Zeit, in erster Reihe von Engländern geschrieben. Die Ameri-
kaner haben eine ungeheure Zahl von Leuten vom Schlag eines
Kongreßmitgliedes oder Zeitungsartikelschreibers, aber die An-
zahl ihrer wirklich hervorragenden Autoren ist noch beschränkter
als selbst bei uns. Ich schließe daraus, daß, wenn die Hindernisse,
die sich in der englischen Gesellschaft dem Aufsteigen des Talents
entgegenstellen, so völlig enfernt würden, als sie in Amerika ent-
fernt wurden, wir nicht eine Bereicherung an besonders hervor-
ragenden Menschen zu verzeichnen hätten.
Die Menschen scheinen im allgemeinen der Ansicht zu sein,
daß der Weg zu hervorragender Bedeutung ein Weg von großer
Selbstverleugnung ist, von welchem stündliche Versuchungen hin-
weglocken. Vor diesen Versuchungen kann ein Mann in seinem
Knabenalter nur durch die Strenge eines Schulmeisters oder die
unaufhörliche Wachsamkeit der Eltern behütet werden, im
späteren Leben aber von der Anziehungskraft einer segensreichen
Freundschaft und anderen günstigen Umständen. Das ist wahr
genug für die große Majorität der Menschen, aber es ist einfach
nicht wahr für die Allgemeinheit jener, die großen Ruf erworben
haben. Die Biographien zeigen, wie ein unaufhörlicher instinktiver
Hunger nach intellektueller Arbeit solche Menschen verfolgt und
drängt. Werden sie gewaltsam von dem Pfad hinweggedrängt,
der zur hervorragenden Bedeutung führt, so finden sie wieder den
Weg dahin, so sicher als ein Verliebter den Weg zu seiner Ge-
40 Vergleich der beiden Klassifikationen.
liebten findet. Solche Menschen arbeiten nicht um des Ruhmes
willen, sondern um ihren Hunger nach geistiger Arbeit zu be-
friedigen, gerade so wie Athleten infolge ihrer reizbareren
Muskeln, welche unbedingt Arbeit verlangen, die Ruhe nicht aus-
halten. Es ist höchst unwahrscheinlich, daß irgend eine Kon-
stellation der Verhältnisse der Gehirnarbeit einen Stimulus hinzu-
bringt, der sich mit dem vergleichen läßt, den diese Menschen
bereits in ihrer Qeistesbeschaffenheit haben. Ihrem Wesen ent-
sprechend müssen die äußeren Stimuli unbestimmmt und inter-
mittierend sein, die Anlage aber ist beständig. Und sie gibt dem
Menschen immer Beschäftigung, einmal ringt er mit Schwierig-
keiten, die in ihm liegen, dann wieder brütet er über seine noch un-
reifen Ideen. So macht die Anlage aus dem Menschen einen gewandten
und begierigen Lauscher, der zahllose fast unhörbare Lehren auf-
nimmt, die andere, weniger aufmerksam, sicherHch überhören.
Diese Betrachtungen leiten zu meinem dritten Argument
hinüber. Ich habe gezeigt, daß soziale Hindernisse einen Mann
von großen Fähigkeiten nicht verhindern können, bedeutend zu
werden. Ich stelle jetzt den Satz auf, daß soziale Vorteile einen
Menschen von mäßigen Fähigkeiten nicht auf diese Höhe bringen
können. Es würde leicht sein, zahlreiche Männer mit ziemlichen
Anlagen aufzuzählen, die durch alle möglichen Unterstützungen
vorwärts gebracht würden, die ehrgeizig sind und sich bis aufs
Äußerste anstrengen, die aber weit davon entfernt sind, hervor-
ragende Bedeutung zu erlangen. Sind sie große Peers, so werden
sie vielleicht erste Friedensrichter einer Grafschaft, gehören sie
zu den großen Familien einer Grafschaft, so werden sie vielleicht
einflußreiche Mitglieder des Parlaments und lokale Notabilitäten.
Sterben sie, so hinterlassen sie für eine Weile eine Lücke in
einem weiten Kreis, aber sie werden weder in der Westminster
Abtei begraben, noch wird in der breiten Öffentlichkeit um sie
getrauert. Vielleicht erhalten sie kaum eine biographische Notiz
in den Spalten der Tagesblätter.
Es ist schwer, zwei große Gruppen von Männern zu bilden,
die mit den gleichen sozialen Vorteilen ausgerüstet sind, von denen
die eine Gruppe große ererbte Gaben besitzt, während die andere
sie nicht hat. Ich kann auch nicht die Söhne hervorragender
Männer mit solchen nichthervorragender Männer vergleichen,
da vieles, was ich der Herkunft zuschreibe, andere als Folge des
Vergleich der beiden Klassifikationen. 41
väterlichen Beispiels und der väterlichen Aufmunterung ansehen
würden. Daher werde ich die Söhne hervorragender Männer mit
den Adoptivsöhnen von Päpsten und anderen Würdenträgern der
römisch - katholischen Kirche vergleichen. Der Nepotismus ist
unter der Geistlichkeit ungeheuer verbreitet. Er besteht darin,
daß sie ihren Neffen oder anderen nahen Verwandten jene gesell-
schaftliche Förderung angedeihen lassen, die gewöhnliche
Menschen ihren Kindern zuwenden. Ich werde nun im Verlauf
dieser Arbeit noch häufig zeigen können, daß der Neffe eines her-
vorragenden Mannes viel weniger Chancen hat, selbst hervor-
ragend zu werden, als etwa der Sohn dieses Mannes, und daß ein
noch entfernterer Verwandter wieder weniger Chancen hat als
der Neffe. Wir können daher, zum Zwecke meiner Argumen-
tation einen passenden Vergleich zwischen den Erfolgen der
Söhne hervorragender Männer und den Erfolgen der Neffen und
entfernteren Verwandten hoher unverheirateter Geistlicher der
römischen Kirche ziehen, die von diesen letzteren wie leibliche
Kinder behandelt werden. Ist gesellschaftliche Förderung wirk-
lich von der größten Bedeutung, dann müssen die Neffen von
Päpsten ebenso häufig oder fast ebenso häufig hervorragende Be-
deutung erlangen, als die Söhne anderer hervorragender Männer,
ist es nicht der Fall, so werden sie nicht die gleiche Bedeutung
erlangen.
Sind also die Neffen usw. von Päpsten im großen ganzen
ebenso hoch emporragend, als die Söhne anderer in gleicher
Weise hervorragender Männer? Ich antworte mit einem bestimm-
ten Nein. Es gab einige Päpste, die Sprößlinge berühmter
Familien waren, wie die Medici, aber in der ungeheuren Majorität
der Fälle ist der Papst das befähigte Ghed seiner Familie. Ich
behaupte nicht, daß ich die Verwandtschaftsverhältnisse der
Italiener besonders sorgfältig bearbeitet habe, aber ich habe doch
genug davon gesehen, um mit Recht sagen zu können, daß die-
jenigen Individuen, die ihre Karriere dem Nepotismus verdanken,
auffallend unbedeutend sind. Der sehr häufigen Kombination eines
befähigten Sohnes und eines hervoragenden Vaters entspricht
unter den hohen römischen Geistlichen kein hervorragender Neffe
eines hervorragenden Onkels, Die gesellschaftliche Förderung ist
die gleiche, aber die vererbten Anlagen fehlen in dem
letzteren Falle.
42 Vergleich der beiden Klassifikationen.
Ich fasse noch einmal zusammen : ich habe versucht, bezügUch
hterarischer und künstlerisch hervorragender Bedeutung zu zeigen:
1. daß Männer von hohen Fähigkeiten — selbst Männer der
Gruppe E — leicht über Hindernisse hinwegkommen, die ihren
Grund in geringer sozialer Herkunft haben.
2. daß Länder, in denen der Unbemittelte weniger Hinder-
nisse überwältigen muß, als in England, um emporzukommen,
zwar eine größere Anzahl gebildeter Menschen hervorbringen,
nicht aber mehr von jenen Individuen produzieren, die ich als
hervorragend bezeichne.
3. daß Männer, welchen soziale Vorteile in großem Ausmaße zu-
gute kommen, unfähig sind, eine hervorragende Bedeutung zu erlan-
gen, wenn sie nicht überdies eine hohe natürliche Begabung besitzen.
Es scheint nicht unangebracht, hier einige ergänzende Be-
merkungen über die geringe Wirkung einzuschalten, die eine gute
Ausbildung auf einen Geist höchster Art zu haben pflegt. Ein
Jüngling von den Fähigkeiten G und X ist von der gewöhnlichen
Schulausbildung fast unabhängig. Er bedarf nicht fortwährend
eines Lehrers, der ihm die Schwierigkeiten erklärt und die passen-
den Lektionen auswählt. Im Gegenteil, er ist bei jeder Gelegen-
heit rezeptiv. Er lernt aus jeder flüchtigen Bemerkung mit einer
Raschheit und Gründlichkeit, welche die anderen nicht verstehen.
Er ist ein Vielfresser auf geistigem Gebiet, er verschlingt ein gut
Teil mehr, als er verwerten kann, aber indem er einen nur
geringen Prozentsatz seiner Nahrung verarbeitet, verfügt er
dennoch im ganzen über einen ungeheuren Vorrat. Der beste
Weg für den Lehrer eines solchen Knaben ist, ihn allein zu lassen,
indem er ihn nur hier und dort ein wenig lenkt und die gar zu
sehr abUegenden Tendenzen zügelt.
Es ist der reine Zufall, daß ein Mensch schon in seiner Jugend
für den Beruf bestimmt wird, für den er die größte spezielle Be-
rufung hat. Der Leser wird in der Folge an der Hand der kurzen
biographischen Notizen, die ich gebe, bemerken, daß die berühm-
testen Männer sich oft von der Laufbahn, die ihre Eltern ihnen
vorschrieben, losrissen und ohne Rücksicht auf die Unkosten dem
obersten Befehl ihrer eigenen Natur folgten. Kurz gesagt, sie
erziehen sich selbst. D'Alembert ist ein schlagendes Beispiel für
diese Art von Selbstvertrauen. Er war ein Findling (wir werden
späterhin sehen, daß er aus einer tüchtigen Rasse stammte, was
Vergleich der beiden Klassifikationen. 43
die Fähigkeit anlangt) und wurde als Armenkind zu der Frau
eines dürftigen Glasers in Kost gegeben. Die unüberwindliche
Tendenz des Kindes zu höheren Studien konnte weder durch den
Spott und die Abmachungen seiner Pflegemutter zurückgedrängt
werden, noch durch die Sticheleien seiner Schulkollegen, noch
durch die Warnungen seines Schullehrers, der nicht imstande war
ihn zu würdigen; nicht einmal die wiederholte gründliche Ent-
täuschung wirkte, als er fand, daß seine Ideen, von denen er wußte,
daß sie originell waren, doch nicht neu, sondern schon lange
vorher von anderen entdeckt worden waren. Natürlich dürfen
wir erwarten, daß ein Knabe dieser Art zehn Jahre oder mehr
in scheinbar hoffnungslosem Kampf zubringt; aber ebenso können
wir erwarten, daß er schließlich Erfolg hat, und d'Alembert errang
Erfolg, als er mit 24 Jahren zu den ersten Berühmtheiten gehörte.
Der Leser braucht nur in diesem Buche weiter zu blättern, um
zahlreiche Beispiele eines solchen Auftauchensaus der Dunkelheit zu
finden, den höchsten Entmutigungen in früher Jugendzeit zum Trotz.
Eine reiche Natur setzt gewöhnlich die Periode, in der die
rezeptiven Eigenschaften des Menschen am schärfsten sind, so
lange fort, daß eine mangelhafte Ausbildung in der Jugend im
späteren Leben rasch ersetzt wird. Die Ausbildung, die Watt,
der große Erfinder, erhielt, war von rein elementarem Charakter.
Während seiner Jugend- und Manneszeit war er von mecha-
nischen Spezialfragen in Anspruch genommen. Erst im vor-
gerückten Alter hatte er die Muße, sich zu bilden, und doch war
er als alter Mann merkwürdig gut belesen und genau in weitem
Umkreise informiert. Julius Caesar Scaliger war unter seinen
Zeitgenossen und seinen unmittelbaren Nachfolgern als Gelehrter
so berühmt, als ein Mensch es nur sein kann. In seiner Jugend
genoß er, glaube ich, keinerlei gelehrte Bildung. Bis zu neunund-
zwanzig Jahren war er Soldat, dann führte er ein zielloses Berufs-
leben, in dem er alles versuchte und bei nichts verblieb. Zuletzt
warf er sich auf Griechisch. Seine ersten Publikationen er-
schienen, als er siebenundvierzig Jahre alt war; von diesem
Lebensalter ab bis zu seinem eigentlich frühzeitigen Tode er-
langte er seinen bemerkenswerten Ruf, der nur von dem seines
Sohnes überragt wurde. Knabenalter und Jugendzeit, also die Zeit
zwischen fünfzehn und zweiundzwanzig, die für die große Majori-
44 Vergleich der beiden Klassifikationen.
tat der Menschen die einzige Periode ist, wo sie intellektuelle
Tatsachen auf- und Gewohnheiten annehmen, sind in dem Leben
von Menschen der allerhöchsten Art eben gerade sieben Jahre, die
nicht mehr und nicht weniger wichtig sind, als eine andere Zeit
ihres Lebens. Die Menschen sind allzu geneigt, sich über ihre
unvollkommene Ausbildung zu beklagen, indem sie zu verstehen
geben, daß sie große Dinge verrichtet hätten, wenn die Umstände,
unter denen sie ihre Jugend verbrachten, günstiger gewesen
wären. Wenn jedoch ihre Lernfähigkeit in der Zeit, wo sie ihr
Bedürfnis nach Wissen entdeckten, materiell abgenommen hat, so
ist es sehr wahrscheinlich, daß ihre Fähigkeiten nicht besonders
groß sind. Solche Menschen hätten zwar eine bessere Bildung,
aber schwerlich wirklich mehr Erfolg erringen können.
Selbst wenn ein Mensch sich sehr lange seiner Kräfte unbe-
wußt ist, so tritt doch der Zufall immer und immer wieder an
jeden Menschen heran, den sie ihm aufdeckt. Er wird das Ver-
säumte rasch nachholen und in der Rennbahn des Lebens Mit-
bewerber überholen, die viele Jahre vor ihm begonnen haben.
Zwischen Gehirn- und Muskelmenschen besteht eine unver-
kennbare Analogie in der Art, wie sie ihre Ansprüche auf den
Vorrang vor weniger begabten aber besser ausgebildeten Mit-
bewerbern entdecJiCn und behaupten. Ein Durchschnittsseemann
klettert in der Takelage und ein Durchschnitts-Alpenführer klimmt
die Abhänge entlang mit einer Schnelligkeit, welche einem
Menschen, der fern von Schiffen und Bergen aufgezogen wurde,
wunderbar dünken. Besitzt er jedoch eine außerordentliche Be-
gabung für diese Hantierungen, so wird ein leichter Versuch sie
ihm aufdecken, und er wird die Lücken seiner Ausbildung rasch
nachholen. Ein geborener Gymnastiker wird seinerseits die See-
leute bald durch seine Leistungen überraschen. Ehe die Reise
halb um ist, wird er sie übertreffen, wie ein entwischter Affe. Ein
Beispiel für diesen Satz kann ich selbst erbringen. Jeden Sommer
kommt es vor, daß irgend ein junger Engländer, der vorher nie
seinen Fuß auf Fels oder Gletscher gesetzt hat, in den Alpen einen
rp.erkwürdig hohen Grad als Tourist erreicht.
Bisher habe ich nur von Schriftstellern und Künstern
gesprochen, welche jedoch die Hauptmasse jener 250 Individuen
bilden, die aus einer Million der Bevölkerung hervorragende Be-
deutung erlangen. Die Beweisführung, die für sie stimmt, er-
Vergleich der beiden Klassiftkationen. 45
fordert große Modifikationen, wenn sie auf Politiker und Feld-
herrn angewendet werden soll. Die berühmtesten Politiker
und Feldherrn gehören ohne Frage, zum mindesten was ihre
Fähigkeiten anlangt, zu den Klassen F und Q, aber daraus folgt
keineswegs, daß ein englischer Minister, wenn er ein Lord mit
großem Grundbesitz ist, zu diesen Klassen gehört, oder selbst zu
den zwei oder drei nächst niederen. Soziale Vorteile sind von
ungeheurer Macht, wenn es sich darum handelt, einen Menschen in
eine so hervorragende Stellung als Staatsmann zu bringen, daß es
unmöglich ist, ihm das Prädikat „hervorragend" zu versagen, ob-
gleich es mehr als wahrscheinlich ist, daß, wenn er in seiner Wie-
ge vertauscht und in Niedrigkeit auferzogen worden wäre, er nie-
mals aus seiner einfachen Lebensstellung hervorgetreten wäre.
Andererseits haben wir gesehen, daß die Vereinigung dreier ge-
trennter Eigenschaften — Intelligenz, Fleiß und Arbeitskraft —
nötig sind, um einen Menschen aus seiner Umgebung herauszu-
ziehen. Nur zwei dieser Eigenschaften, nämlich Intelligenz und
Arbeitskraft, werden von einem Menschen verlangt, den man ins
öffentliche Leben hinausstößt; denn ist er einmal drin, so wird
sein Interesse so angeregt und die Konkurrenz erweist sich als
so heftig, daß selbst ein gewöhnhcher Geist den nötigen Ansporn
erhält. Viele Menschen also, die als Politiker Erfolg gehabt
haben, wären in keiner Weise hervorgetreten, wenn sie auf einer
niedrigeren Lebensstufe zur Welt gekommen wären: ihnen hätte
der Fleiß gefehlt, um emporzusteigen. Talleyrand hätte sein
Leben wie andere grands seigneurs verbracht, wenn ihm nicht
durch einen Familienrat infolge seiner Mißgestalt sein Erstgeburts-
recht entzogen worden wäre. So wurde er in den Strudel der
französischen Revolution geschleudert. Der ungeheure Anreiz
des öffentlichen Kampfspiels überwand seine eingefleischte In-
indolenz, und er entwickelte sich zu einem der ersten Männer der
Epoche; sein Platz ist gleich nach Napoleon und Mirabeau. Die
Herrscher gehören wieder zu einer eigenen Kategorie. Die Eigen-
schaften, die dem Führer einer großen Nation am meisten ent-
sprechen, sind nicht die gleichen, wie die, welche im Privatleben
zu hervorragender Bedeutung führen. Hingabe an bestimmte
Studien, zähe Ausdauer, ein offenes und heiteres Wesen
im Gesellschaftsverkehr sind wichtige Eigenschaften, um sich in
der Welt hervorzutun, aber sie entsprechen nicht einem Herrscher,
46 Vergleich der beiden Klassifikationen.
Er muß vielen Interessen und Meinungen mit gerechtem Auge
gegenübertreten, er muß es verstehen, seine Liebhngsidee dem
populären Druck zu opfern, er muß in seiner Freundschaft re-
serviert und muß auch fähig sein, allein zu bleiben. Anderer-
seits bedarf ein Herrscher nicht so sehr intellektueller Kräfte, die
für einen gewöhnlichen Menschen das Wichtigste sind, um empor-
zusteigen, da ihm als Herscher die besten Kopfe des Landes zu
Diensten stehen. Infolgedessen ziehe ich in meiner Arbeit nicht
die Familien von lediglich befähigten Herrschern heran, sondern
beschränke mich auf jene, deren mihtärische und administrative
Fähigkeiten als erstklassig bekannt sind.
Was die Feldherren anlangt, so mögen die Eigenschaften,
welche einen Menschen zur Peerswürde aufsteigen lassen,
spezieller Art sein, die ihn in gewöhnlichen Zeiten nicht zu her-
vorragender Bedeutung bringen würden. Die Strategie ist eine
Spezialität, wie das Schachspiel, und es gehört viel Übung .dazu,
um sie zu entwickeln. Man kann schwer absehen, in welchem
Maße strategische Begabung im Verein mit einer eisernen Ge-
sundheit und einem Hang zur Unruhe in Friedenszeiten Hervor-
ragendes leisten kann. Diese Eigenschaften können einen Men-
schen eher zur Fuchshatz treiben, wenn er Geld genug hat, oder
sie machen aus ihm, wenn das nicht der Fall ist, einen unglücklichen
Spekulanten. Die Folge davon ist, daß Generäle höherer, aber
nicht der wirklich höchsten Ordnung, wie etwa Napoleons Mar-
schälle und Cromwells Generäle selten hervorragende Verwandte
haben. Ganz anders liegt der Fall bei den berühmtesten Feld-
herren. Sie sind viel mehr als Strategen und Menschen mit
einem Hang zur Unruhe; sie hätten sich unter allen Umständen
ausgezeichnet. Ihre Verwandtschaft ist äußerst bemerkenswert,
wie ich noch in meinem Kapitel über die Feldherren zeigen werde,
welches Namen wie Alexander, Scipio, Hannibal, Caesar, Marl-
borough, Cromwell, Prinz von Nassau, Wellington und Napoleon
umfaßt.
Genau die gleichen Bemerkungen gelten für die Demagogen.
Wer über die Oberfläche emporragt und eine hervorstechende
Rolle in einer bewegten Zeit spielt, muß Mut und Charakterstärke
besitzen, aber er muß nicht immer hohe intellektuelle Talente haben.
Es ist sogar seiner Tätigkeit angemessener, wenn der Intellekt
eines solchen Menschen beschränkt und einseitig ist und seine Ge-
Vergleich der beiden lüassifikationen. 47
mütsart verdrießlich und verbittert. Das sind nicht Eigenschaften,
die in gewöhnlichen Zeiten zu hervorragender Bedeutung führen.
Daher sind auch die Familien solcher Leute völlig unberühmt.
Die Verwandten aber von populären Führern der höchsten Art,
wie die der beiden Gracchen, der beiden Arteveldes oder Mira-
beaus sind berühmt.
Ich möchte eine Gruppe von Fällen erwähnen, die mir ein
vollkommen schlagender Beweis dafür sind, daß Feldherrn -
talente, die vollkommen ausreichen, um den Betreffenden in un-
ruhigen Zeiten zu hervorragender Bedeutung zu bringen, viel
weniger selten sind, als man im allgemeinen annimmt. Nur bleiben
sie im gewöhnlichen Verlauf des Lebens unbeachtet. In belagerten
Städten, wie z. B. während des großen Indischen Aufstands, taucht
sehr häufig ein gewisser Typus auf. Menschen werden allgemein
bekannt, die sich bis dahin nie hervorgetan haben und die in ihre
frühere Lebensweise zurücksinken, wenn die Gelegenheit für ihre
Energie vorüber ist. So lange die Gefahr und das Elend dauerten,
waren sie die Helden der Situation gewesen. Sie waren in der
Gefahr kaltblütig, im Rat verständig, in langen Leiden heiter,
gegen die Verwundeten und Kranken waren sie menschlich, und
die Verzagten ermutigten sie. Solche Menschen treten nur unter
Ausnahmebedingungen hervor. Sie haben den Vorteil einer zu
zähen Art, um durch Angst und physisches Elend zermalmt zu
werden, und vielleicht brauchen sie gerade in Folge dieser star-
ken Zähigkeit einen besonders scharfen Stimulus, um sie zu allen
Tätigkeiten aufzustacheln, deren sie fähig sind.
Das Resultat von dem, was ich gesagt habe, ist der Nachweis,
daß bei Staatsmännern und Feldherrn bloße „hervorragende Be-
deutung" durchaus kein genügendes Kriterion für solche natürliche
Gaben ist, die einen Menschen, unter was für Umständen immer
er aufgezogen wurde, bemerkbar machen. Andererseits müssen
Staatsmänner hoher und Feldherren der allerhöchsten Art, die
alle Gegner schlagen, wunderbar begabt sein. Der Leser muß
selbst die Fälle prüfen, wo im einzelnen ihre verschiedene Ver-
dienste als Beweise ererbter Gaben angeführt sind. Ich habe ver-
sucht, nur von den allerberühmtesten Namen zu sprechen. Es
hätte zu falschen Schlüssen geführt, wenn ich eine größere An-
zahl genommen hätte und so zu einem niedrigeren Niveau hinunter-
gestiegen wäre.
48 Vergleich der beiden Klassifikationen.
Ich sehe schhcßlich keinen Grund, der dagegen spricht, hohen
Ruf als ein sehr zuverlässiges Anzeichen hoher Fähigkeiten zu
nehmen. Die Art des Beweises wird nicht verändert, wenn ein
Versuch gemacht wird, den Ruf eines jeden Menschen mit seinen
Verdiensten in Übereinstimmung zu bringen. Jeder Biograph tut
das Gleiche. Besäße ich das kritische Talent eines St. Beuve, ich
würde einfach in die Literatur noch eine der zahlreichen Meinungs-
äußerungen werfen, aus deren Gesamtzahl aller Ruf der Menschen
sich aufbaut.
Ich fasse noch einmal zusammen: ich bin überzeugt, daß kein
Mensch einen sehr hohen Ruf erlangen kann, ohne im Besitze sehr
großer Fähigkeiten zu sein, und ich hoffe zuverlässig, daß ich
Gründe genug dafür angeführt habe, daß nur wenig Menschen,
welche sehr große Fähigkeiten besitzen, es nicht zu hervor-
ragender Bedeutung bringen.
Bezeichnungssystem.
Ich bitte meine Leser sich von dem ersten Einblici^ in das
Bezeichnungssystem, das ich anwende, nicht abschrecken zu
lassen, denn es ist wirklich sehr einfach zu verstehen und leicht zu
behalten. Es war mir unmöglich, mich ohne etwas derartiges zu
behelfen, da ich unsere gewöhnliche Nomenklatur viel zu un-
bestimmt und ebenso zu schwerfällig finde, um sie in diesem
Buch zu verwenden.
So haben z. B. die Bezeichnungen „Onkel", „Neffe", „Groß-
vater" und „Enkel" je zwei verschiedene Bedeutungen. Ein Onkel
kann der Bruder des Vaters oder der Bruder der Mutter sein; der
Neffe kann der Sohn eines Bruders oder der Sohn einer Schwester
sein usw. Es gibt vier Arten leiblicher Vettern, nämlich die Söhne
der beiden möglichen beschriebenen Onkel und die der korres-
pondierenden Tanten. Es gibt sechzehn Arten leiblicher Vettern
„in zweiter Linie", denn A. kann entweder der Sohn eines der
vorhin erwähnten vier Vettern oder eines der vorhin erwähnten
vier Basen von B. sein oder B. kann in einem dieser Verwandt-
schaftsverhältnisse zu A. stehen. Ich brauche wohl nicht noch
mehr Beispiele anzuführen, um zu illustrieren, was ich gesagt habe.
Eine grenzenlose Verv/irrung würde eintreten, wenn ich mich bei
meiner Arbeit auf unsere gewöhnliche Nomenklatur beschränken
wollte.
Das Bezeichnungssystem, dessen ich mich bediene, befreit uns
von dieser verwirrten und schwerfälligen Sprache. Es legt die
Familienbeziehungen in einer wunderbar vollständigen und be-
friedigenden Art auseinander und setzt uns in den Stand, metho-
disch vorzugehen, zu vergleichen und zu analysieren, wie immer
wir wollen.
G a 1 1 0 n , Genie und Vererbung. 4
50 Bezeichnungssystem.
Ganz allgemein gesprochen und ohne den Druck zu beachten,
in dem die Lettern gesetzt sind, steht V. für Vater, Q. für Groß-
vater, 0. für Onkel, N. für Neffe, B. für Bruder, S. für Söhn und
E. für Enkel.
Diese Buchstaben sind groß gedruckt, wenn die verwandt-
schaftliche Beziehung, die ausgedrückt werden soll, durch die
männliche Linie geht, und klein, wenn es sich um die weibliche
Linie handelt. O. ist also der Onkel väterlicherseits, G. der Groß-
vater väterlicherseits, N. ist ein Neffe, der der Sohn eines Bruders
ist, E. ist ein Enkel, der das Kind eines Sohnes ist. So is o. wieder
der Onkel mütterlicherseits, g. der Großvater mütterlicherseits,
n. ist ein Neffe, der der Sohn einer Schwester ist, e. ist der Enkel,
der das Kind einer Tochter ist.
Genau die gleichen Buchstaben werden in Kursivschrift ver-
wendet für die weiblichen Verwandten. So bedeutet z. B. 0. ent-
sprechend O eine Tante, die die Schwester eines Vaters ist und
ebenso steht o. o. gegenüber, um auszudrücken, daß eine Tante
die Schwester einer Mutter ist.
Aus diesem Bezeichnungssystem folgt, daß V. B. und S. immer
groß gedruckt sind und daß die ihnen entsprechenden Bezeich-
nungen für Mutter, Schwester und Tochter immer in kleiner
Kursivschrift ausgedrückt sind als v. h. und s.
Der Leser muß in Gedanken das Wort sein vor den Buch-
staben einschieben, der das Verwandtschaftsverhältnis bezeichnet
und ebenso war danach hinzufügen. Man muß also
Adams, John: zweiter Präsident der Vereinigten Staaten;
S. John Quincey Adams, sechster Präsident;
E. C. F. Adams, amerikanischer Minister in England,
Schriftsteller
lesen —
sein (d. h. des John Adams) Sohn war John Quincey
Adams,
s e i n (d. h. des John Adams) Enkel w a r C. F. Adams.
Die folgende Tabelle faßt alle Bezeichnungen zusammen.
Die letzte Erklärung, die ich noch zu geben habe, ist die Be-
deutung der Klamimern [ ], die manchmal einen Buchstaben ein-
fassen. Sie besagen, daß die Person, zu deren Namen der ein-
geklammerte Buchstabe gehört, nicht genügenden öffentlichen
Bezeichnungssystem.
51
G
Großvater
G
Großmutter
er -Mu
g
Großvater
9
■ Großmutter
i 1
Onkel Tante
V
Vat
1
V
tter
1
0
Onkel
Ta
5ter
1
0
nte
B
Bruder
Die beschriebene
Person
1
b
Schwes
N N I
Neffe Nichte Sohn
s n
Tochter Neffe
e
<elin
1
n
Nichte
E E
Enkel Enkelin
e
Enkel
Eni
Ruf erlangt hat, um in statistischen Deduktionen mit den andern
zusammen eingereiht zu werden.
Um das Nachschlagen zu erleichtern, gebe ich noch eine Liste
aller Buchstaben und Doppelbuchstaben, die ich anwende. So
schreibe ich stets G.V. für Urgroßvater und nicht V.O., was das-
selbe bedeuten würde.
V. Vater.
B. Bruder.
S. Sohn.
Großväter.
G. Des Vaters Vater,
g. Der Mutter Vater.
Enkel.
E. Des Sohnes Sohn.
e. Der Tochter Sohn.
Onkel
O. Des Vaters Bruder,
o. Der Mutter Bruder.
Neffen.
N. Des Bruders Sohn,
n. Der Schwester Sohn.
V. Mutter.
b. Schwester,
s. Tochter.
Großmütter.
G. Des Vaters Mutter
g. Der Mutter Mutter.
Enkelinnen.
E. Des Sohnes Tochter
e. Der Tochter Tochter.
Tanten.
0. Des Vaters Schwester.
0. Der Mutter Schwester.
Nichten.
N. Des Bruders Tochter.
n. Der Schwester Tochter.
52
Bezeichnungssystem.
Großonkel.
Großtanten.
GB. Der Bruder des Vaters des Gh. Die Schwester des Vaters
Vaters.
gB. Der Bruder der Mutter der
Vaters.
GB. Der Bruder des Vaters der
Mutter.
des Vaters,
gb. Die Schwestern der Mutter
des Vaters.
Q6. Die Schwester des Vaters
der Mutter.
gB. Der Bruder der Mutter des gb. Die Schwester der Mutter
Mutter.
Urgroßväter.
GV. Der Vater des Vaters des
Vaters.
der Mutter.
Urgroßmütter.
Gv. Die Mutter des Vaters des
Vaters.
gV. Der Vater der Mutter des gv. Die Mutter des Vaters der
Vaters.
Mutter.
GV. Der Vater des Vaters der Gv. Die Mutter des Vaters der
Mutter.
Mutter.
gV. Der Vater der Mutter der gv. Die Mutter der Mutter der
Mutter.
Großneffen.
Mutter.
Großnichten.
NS. Der Sohn des Sohnes des Ns. Die Tochter des Sohnes
Bruders.
nS. Der Sohn des Sohnes dei
Schwester.
des Bruders,
ns. Die Tochter des Sohnes der
Schwester.
NS. Der Sohn der Tochter des Ns. Die Tochter der Tochter
Bruders.
mS. Der Sohn der Tochter der
Schwester.
Urenkel.
des Bruders.
ns. Die Tochter der Tochter
der Schwester.
Urenkelinnen.
ES. Der Sohn des Sohnes des Es. Die Tochter des Sohnes des
Sohnes.
Sohnes.
eS. Der Sohn der Tochter des es. Die Tochter des Sohnes der
Sohnes.
Tochter.
ES. Der Sohn des Sohnes der Es. Die Tochter der Tochter
Tochter.
eS. Der Sohn der Tochter der
Tochter.
des Sohnes.
es. Die Tochter der Tochter
der Tochter.
Bezeichnungssytem.
53
Vettern.
OS. Der Sohn des Bruders des
Vaters.
oS. Der Sohn des Bruders der
Mutter.
OS. Der Sohn der Schwester
des Vaters.
oS. Der Sohn der Schwester
der Mutter.
Ur-Urgroßväter.
(Q. g, G oder g gefolgt von (G
oder g).
Um einen Grad entfernte
Vettern.
Ascendenten.
(G, g. G oder g) gefolgt von
(N oder n).
Descendenten.
(0, 0, 0 oder o) gefolgt von
(E oder e).
Groß-Großonkel.
(G, g, G oder g) gefolgt von
(O oder o).
Ur-Urenkel.
(E oder e) gefolgt von (E oder
e).
Basen.
Os. Die Tochter des Bruders
des Vaters.
OS. Die Tochter des Bruders
der Mutter.
OS. Die Tochter der Schwester
des Vaters.
OS. Die Tochter der Schwester
der Mutter.
Ur-Urgroßmütter.
(G, g, G oder g gefolgt von (G
oder ig).
Um einen Grad entfernte
Basen.
Ascendenten.
(G, g, G oder g) gefolgt von
(N oder n).
Descendenten.
(O, 0, 0 oder o) gefolgt von
iE oder e).
Groß-Großtanten.
(G, g, G oder g) gefolgt von
(0 oder o).
Ur-Urenkelinnen.
(E oder e) gefolgt von iE oder
e).
Die Judges in England zwisclien 1660 und 1865.
Seit der Restauration der Monarchie im Jahre 1660 bilden
die Judges (Inhaber hoher juristischer Posten) Englands eine
Gruppe, die besonders geeignet ist, eine allgemeine Orientierung
über die Ausbreitung und die Grenzen der Erblichkeit in bezug auf
geistige Veranlagung zu ermöglichen. Ein oberstes Richteramt ist
eine Garantie, daß sein Träger mit außerordentlicher Fähigkeit
begabt ist; die obersten Richter sind zahlreich und fruchtbar
genug, um eine entsprechende Basis für statistische Induktionen
zu bieten. Überdies existieren über eine Anzahl von ihnen vor-
zügliche biographische Abhandlungen. Wir werden also gut tun,
wenn wir unsere Untersuchungen mit einer Erörterung ihrer Ver-
wandtschaftsverhältnisse beginnen. Wir kommen so rasch zu
bestimmten Resultaten, die wir durch die folgenden Kapitel, die
sich mit berühmten Männern in anderen Berufen beschäftigen,
noch kontrollieren und vervollständigen werden.
Ich muß noch eine Weile bei meiner Behauptung ver-
bleiben, das Amt eines Richters sei wirklich eine genügende
Garantie für die außerordentliche Begabung des Betreffenden.
In anderen Ländern mag es anders sein, in England wissen wir
alle, daß bei uns nie vom Obersten Gerichtshof die Rede ist,
ohne daß man vor den intellektuellen Talenten der Mitglieder
Ehrfurcht hat. Ein Sitz im Obersten Gerichtshof ist ein hoher
Preis, wert, daß ihn der beste Mann erringe. Ohne Zweifel
gibt es außer den natürlichen Hindernissen noch andere für
einen Mann, der aus der Gesamtheit der Barrister aufsteigt und
zu einem obersten Richteramt emporklimmt. Vielleicht über-
geben ihm die „Attorneys*) keine Vertretungen, solange
er ein junger „Barrister"**) ist. Selbst wenn er ein erfolgreicher
*) Meist praktische Geschäftsleute, die bei den Gerichten des Common
Law fungierten und den plaidierenden Barrister mit den nötigen Instruktiorien
und Beweismitteln versorgten. Seit 1881 ist der Titel abgeschafft. D. Üb.
♦*) Rechtsanwalt an den höheren engl, und irisch. Gerichten, der nicht
wie die attorneys und solicitors mit den Parteien verhandeln darf. D. Üb.
Die Judges in England zwischen 1660 und 1865. 55
„Barrister" wird, so kann seine politische Partei vielleicht wäh-
rend einer langen Periode nicht am Ruder sein, wo er sonst für
das Avancement reif wäre. Ich kann jedoch nicht glauben, daß
ein Umstand dieser Art auf die Dauer hindernd bleiben kann.
Wahrhafte Fähigkeit macht sich unbedingt fühlbar und führt zur
Praxis; was aber die Politik anlangt, so ist der Wechsel der
Parteien ausreichend häufig, um fast jeder Genration ge-
nügende Chancen zu bieten. Auf jeden Mann, der oberster
Richter ist, kommen möglicherweise zwei andere Rechtsge-
lehrte des gleichen geistigen Niveaus, die für diese Stelle in
gleicher Weise tauglich sind, aber es ist nicht gut glaublich, daß
es sich um eine größere Anzahl handelt.
Wenn nicht immer die ersten, so sind die Judges doch
immer unter den ersten einer großen Gruppe von Rechtsge-
lehrten. Der Zensus spricht von mehr als 3000 Barristern, Ad-
vokaten und spezial pleaders*) und man muß bedenken, daß diese
Gruppe nicht aus 3000 zufälligen Individuen besteht; ein großer
Teil von ihnen unterlag bereits einer Auslese, und aus diesen
hauptsächlich gehen durch eine abermalige Auslese die Judges
hervor. Wenn ich sage, daß ein großer Teil der „Barristers"
bereits einer Auslese unterworfen war, so meine ich jene un-
ter ihnen, die aus niedrigen Verhältnissen stammen, aber glän-
zende natürliche Gaben besitzen, die sich schon als Knaben oder
selbst als Kinder besonders bemerkbar machten und daher in
eine gute Schule geschickt wurden. Sie erlangten daselbst Sti-
pendien und erwiesen sich fürs College tauglich, wo sie sich
wieder durch Stipendien erhielten. Dann bezogen sie ihre Pen-
sion als Graduierte einer Universität, und so fanden sie nach und
nach ihren Weg zum Barreau. Viele von ihnen haben das ober-
ste Richteramt erreicht. Die Abstammung der „Lord Chan-
cellors"**) erbringt den Beweis für meine Behauptung. In der
Zeit, über die sich meine Untersuchungen erstrecken, zählt man
dreißig. Davon war Lord Hardwicke der Sohn eines kleinen
attorney aus Dover, der in kümmerlichen Verhältnissen lebte.
Lord Eldon (sein Bruder war Lord Stowell, Richter am Höch-
sten Admiralitäts-Gerichtshof) war der Sohn eines „Kohlen-
*) Juristen, die Streitschriften ausarbeiten. D. Üb.
**) Großkanzler. D. Üb.
56 Die Judges in England zwischen 1660 und 1865.
gruben-Agenten"; Lord Truro war der Sohn eines Gerichtsvoll-
ziehers, und Lord St. Leonards (gleich Lord Tenterden, dem
Chef des Gerichtshofs für Zivilsachen) war der Sohn eines
Barbiers. Andere wieder waren die Söhne von Geistlichen in
beschränkten Verhältnissen. Wieder andere begannen mit ande-
ren Berufen, gewannen jedoch ungeachtet des verfehlten Anfangs
ihrer Laufbahn, im späteren Leben bald wieder den verlorenen
Grund unter ihren Füßen zurück. Lord Erskine war erst bei der
Marine, dann in der Armee und wurde dann erst barrister. Lord
Chelmsford war ursprünglich Seekadett. Beim Barreau findet
sich eine ganze Anzahl von Männern mit ebenso ungünstigen
Antezedenzien für den Erfolg als die eben genannten, die den-
noch ebenso viel erreichen wie sie; aus diesem Grunde sagte
ich, daß die barristers selbst schon eine Gruppe bilden, die einer
Auslese unterworfen war. Die Tatsache also, daß jeder Judge
aus den ersten Reihen dieser 3000 gewählt wurde, beweist, daß
seine außerordentliche Befähigung von unendlich höherer Art
ist , als wenn diese 3000 barristers ausgehobene Rekruten
wären, die das Los aus der allgemeinen Masse ihrer Landsleute
herausgerissen hätte. Ich habe daher auch nicht nötig, erst
Stellen aus Biographien zu zitieren, um zu beweisen, daß jeder
der Judges, dessen Name ich bei Gelegenheit heranziehen werde,
wirklich ein hochbegabter Mann ist. Gerade um der Notwendig-
keit einer solch' weitschweifigen Arbeit zu entgehen, wählte ich
die Judges für mein erstes Kapitel.
Ich habe meiner Besprechung der englischen Judges das
wohlbekannte Buch von Foss „Leben der Judges" zugrunde ge-
legt. Es ist 1865 erschienen, und ich habe diese Jahreszahl als
Grenze meiner Untersuchungen akzeptiert. Ich habe nur die-
jenigen Männer als unter die Definition der „Judges" fallend be-
trachtet, die auch er als solche behandelt. Unter ihnen befinden
sich die Judges der Courts of Chancery und Common Law*)
und der Master of the Rolls**), aber nicht die Judges der Ad-
miralty***) oder der Court of Canterbury.t) Durch diese letz-
tere Begrenzung verlor ich den Vorteil. Lord Stowel! aufnehmen
*) Kanzleigericht und gemeines Recht.
**) Oberkanzleidirektor.
***) Admiralitätsamt.
t) Höherer Gerichtshof.
Die Judges in England zwischen 1660 und 1865. 57
ZU können (Bruder des Lords Chancellor Eldon), ebenso die be-
merkenswerte Familie der Lushingtons, diejenige von Sir R.
Phillimore und einige andere. Durch die zeitliche Begrenzung
verlor ich, da ich mit dem Jahr 1865 schloß, die kürzlich er-
nannten Judges, so Judge Selwyn, den Bruder des Bischofs von
Lichfield und auch Professor der Theologie in Cambridge.
Doch glaube ich, auf Grund flüchtiger Untersuchungen, daß die
Verwandten dieser letzten Judges, allgemein gesprochen, keinen
so großen Prozentsatz an hervorragenden Individuen stellen,
wie wir ihn bei den Judges meiner Liste finden werden. Das
war auch zu erwarten, da bekanntermaßen die Fähigkeiten eines
modernen Judge nicht so hoch zu sein pflegen, als es früher der
Fall war. Da die Anzahl der außerordentlich begabten Männer
die gleiche geblieben ist, ist es unmöglich, die neue Nachfrage
nach Rektoren höherer Schulen und nach Männern zahlreicher
anderer Berufe, die jetzt befähigten JüngUngen offen stehen, zu be-
friedigen, ohne ernsthaft das Feld zu beschränken, aus dem allein
gute Judges ausgesucht werden können. Indem ich mit der Re-
staurationen beginne, die ich zum Ausgangspunkt gewählt habe,
da vorher bei derartigen Besetzungen häufig Mißbrauch im In-
teresse bestimmter Personen getrieben wurde, verliere ich einen
Lord Keeper*) (vom gleichen Range wie ein Lord Chancellor)
und seinen noch größeren Sohn, ebenfalls Lord Chancellor, näm-
lich die beiden Bacon. Ich teile diese beiden Tatsachen mit,
um zu zeigen, daß ich nicht die fragliche Periode herausge-
griffen habe, weil sie meiner Theorie am meisten entspricht, son-
dern einfach deshalb, weil sie mir am geeignetsten scheint, die
Wahrheit aufzudecken, daß sich Anlagen vererben, und weil sie
gleichzeitig für mich zur Untersuchung am bequemsten ist.
Innerhalb der Grenzen, die ich für meine Untersuchung
gezogen habe, finde ich 286 Judges; 109 von ihnen haben einen
oder mehrere hervorragende Verwandte, drei andere haben Ver-
wandte, die ich zwar aufgenommen habe, deren Namen aber in
Klammern figurieren, die daher nicht in den folgenden statisti-
schen Deduktionen eingeschlossen sind. Um durch die rascheste
Methode beim ersten Anblick die Art und Weise zu zeigen, wie
sich diese Verwandten verteilen, gebe ich weiter unten eine Ta-
*) Großsiegelbewahrer.
58
Die Judges in England zwischen 1660 und 1865.
belle, in welcher sie alle knapp aufgeführt sind. Diese Tabelle
ist ein gedrängtes Verzeichnis zu diesem Kapitel, das der Leser
nachsehen muß. wenn er eingehendere Informationen wünscht.
Tabelle I.
Verzeichnis der Verwandten von 119 Judges, in 85 Familien
gruppiert.
Ein Verwandter (oder zwei in der Familie),
Abney O.
Alibone G.
Bedingfield O.
Best (Lord Wynford) g.
Bickersteth (Lord Langdale) o.
Bramston V.
Browne oS.
Brougham, Lord gB,
Campbell, Lord N.
Cooper (Earl Shaftesbury) E.
Copley (Lord Lyndhurst) V.
De Grey (Lord Walsingham) S.
Erle B.
2. Eyre, Sir R. und Vater V.
Forster V.
Qurney S.
Harcourt, Lord G.
Heath S.
Henley (E. of Northington) V.
Hotham B.
Keating V.
King, Lord o.
Lawrence V.
Lee B.
Mansfield, Lord E.
Milton B.
Patteson S.
2. Povis, Sir L. und Bruder B.
2. Raymond, Lord und Vater V.
2. Reynolds, Sir J. und Neffe N.
Romilly, Lord*) S.
Scott (Earl Eldon) B.
Sewell e.
Thesiger (Lord Chelmsford) S.
Thurlow, Lord B.
Treby S.
(Twisden, s. Finch).
Verney g.
Wigram B.
Wood (Lord Hatherley) V.
Zwei und drei Verwandte (oder drei und vier in der Familie).
Alderson V. 0$. Jervis
(Bathurst, Earl, s. Buller.) Lechmere
Blackburn B. g. Lovell
Blackstone S'. N. Nares
V.GN.
E.o.
eS. eE.
S.B.
*) Die Verwandtschaft ist gerechnet von Sir Samuel Romilly.
Die Judges in England zwischen 1660 und 1865.
59
2. Buller und Bathurst,
Parker (E. of Macclesfield)
und Sir Thomas S, OE.
Pepys (E. of Cottenham) Q.g.B.
Pollock 2 B. S.
Rolfe (Lord Cranworth) GN. gV.
Scarlett (Lord Abinger) 2S.
Spelman V. QV.
Sutton (Lord Manners) B. N.
Talbot, Lord V. N.
Turner 2 O.
2. Wilde, Lord Truro und
Neffe B. N.
2. Willes, Sir J. und Sohn B. S.
Willmot E. ES.
2. Windham, Sir W. und
Bruder B. E. (?N.
Vier und mehr Verwandte (oder fünf und mehr in der Familie).
4. Atkyns, Sir R. und drei andere Q. V. B. e.
Coleridge*) S.S.3N.E.NS.
Denison 4 NS.
Denman V. S. oS. oE.
3. Viz. Finch (Earl of Nottingham), Twisden
und Legge V.2S. OS. QN.ES.(?gN).
2. Herbert, Lord Keeper, und Sohn 2 S.2 OS.
3. Hyde, Earl Clarendon, und Vetter 2 0.3 OS. S.
Law (Lord Ellenborough) V. 2 S. 2 B.
(Legge s. Finch.)
Lyttleton**) B. V. o. g. eS.
3. Näm. 2 Montagu=-'=='0 und 1 North (Ld.
Earl
0. 0. N.
Burnet
Q.V.
Churchill*)
OE.n.
Clarke
B.o.
2. Clive, Sir E. und
Onkel
0. O.E.
2. Cx)wper, Earl und
Bruder
B.NS.
Dampier
V.B.
Dolben
S.B.gB.
2. Erskine, Lord, und Sohn B. S".
2. Gould, Sir H. und Enkel E. e.
Hewitt (Lord Lifford)
2S.
2. Jeffreys, Lord und
Trevor
Q.OS.
Quilford)
Q.B.2S.2N.2E.NS.5N.
*) Die Verwandtschaft ist gerechnet von dem Großherzog von
Marlborough.
**) Die Verwandtschaft ist gerechnet von dem Dichter Coleridge.
***) Ebenso von Lord Keeper.
■\) Ebenso von Chief Justia, den ersten Earl of Manchester; die beiden
Neffen sind William, Ch. B. E. und der Earl of Sandwich; die beiden Enkel,
der Earl of Helifax und James, Ch. B. E. die genealogische Tabelle am
Schluß dieses Kapitels erklärt diese und die anderen Verwandtschaften der
Familie Montagu.
60 Die Judges in England zwischen 1660 und 1865,
(North, s. Montagu.)
2. Pratt, Earl Camden und Sir J. V. S. n. nS.
Somers, Earl (s. aber Jork) 2iVS.2iVE.
Trevor, Lord g. V. S. O. OB.
(Trevor, Master of the Rolls, s. Jeffreys.)
Vaughan 3 B. 2 N. e.
2. Jorke, Earl Hardwicke, und Sohn; in gewissem
Sinne Earl Somers 2 S. 2 E. ES.
Einige charakteristische Merkmale dieser Tabellen fallen
sofort auf. Ich will sie hier nur kurz streifen, um etwas später
auf die Details einzugehen. In erster Reihe muß darauf hin-
gewiesen werden, daß die Judges so stark untereinander in Be-
ziehung stehen, daß 109 von ihnen sich auf nur 85 Familien ver-
teilen. Wir haben siebzehn Fälle, wo zwei aus der gleichen
Familie kommen, zweimal drei und einmal vier. Hierzu kann
man noch sechs andere Fälle rechnen, die sich aus Individuen
zusammensetzen, deren Ahnen schon vor dem Regierungsantritt
Karls II. das Richteramt innehatten, nämlich Bedingfield, Forster,
Hyde, Finch, Windham und Lyttleton. Eine andere bemerkens-
werte Tatsache in meiner Tabelle ist der enge verwandtschaft-
liche Grad zwischen den einzelnen Personen. Die einfachen
Buchstaben kommen am häufigsten vor. Obgleich ein Mensch
zweimal so viel Großväter als Väter hat und wahrscheinlich
mehr als zweimal so viel Enkel denn Söhne, haben doch die
Judges häufiger hervorragende Väter als Großväter und eben-
so häufiger hervorragende Söhne als Enkel. Im dritten Ver-
wandtschaftsgrad ist die Anzahl hervorragender Verwandter
seltener, obgleich die Anzahl der Individuen in diesen Graden in
doppelter Proportion zugenommen hat. Hat ein Judge nicht
mehr als einen hervorragenden Verwandten, so steht dieser fast
immer im ersten oder zweiten Verwandtschaftsgrad zu ihm.
So finden wir in der ersten Abteilung der Tabelle, wo die Judges
mit einem hervorragenden Verwandten aufgezählt sind, unter
39 angeführten Namen nur zwei Fälle (s. Browne und Lord
Brougham), wo die Verwandtschaft sich über den zweiten Grad
hinaus erstreckt. Erst in der letzten Abteilung der Tabelle, wo ganze,
reich mit Fähigkeiten begabte Familien angeführt werden, finden
sich hauptsächlich entfernte Verwandtschaftsverhältnisse. Ich
füge noch eine Tabelle hinzu, die aus der vorhergehenden aus-
Die Judges in England zwischen 1660 und 1865.
61
gezogen ist und die diese Tatsachen mit großer Klarheit auf-
deckt. Kolonne A enthält unverändert die Tatsachen, wie sie
sich der Beobachtung darbieten, Kolonne D zeigt den Prozent-
satz von Individuen in jedem Verwandtschaftsgrad im Verhält-
nis zu je 100 Judges, die hervorragende Bedeutung erlangt
haben.
labelle II.
Verwandschaftsgrade.
A.
B.
C.
D.
Bezeichnung
Entsprechender
E.
des Grades
Buchstabe
1
'S 1 Vater
22 V
22
26
100
26,0
9,1
O } Bruder
30 B
—
—
—
30
35
150
23,3
8,2
- J Sohn
31 S
—
—
—
31
36
100
36,0
12,6
<u
Großvater
7 G
6g
—
—
13
15
200
7,5
2,6
2
Onkel
9 0
6 0
—
—
15
18
400
4,5
1,6
Ö
Neffe
14 N
2 n
—
—
16
19
400
4,75
1,7
<N
Enkel
11 E
5 e
—
16
19
200
9,5
3,7
Urgroßvater
1 GV
1 gV
0 GV
OgV
2
2
400
0,5
0,2
<V
Großonkel
1GB
2gB
0 GB
OgB
3
4
800
0,5
0,2
•a
2
leiblicher
5
Vetter
SOS
2 oS
1 OS
1 oS
9
11
800
1,4
0,5
fO
Großneffe
7 NS
1 nS
7 NS
0 ttS
15
17
800
2,1
0,7
Urenkel
2 ES
2 eS
1 ES
0 eS
5
6
400
1,5
0.5
Alle weiter Ent-
—
—
—
—
12
14
0,0
0,0
i
ernten
A. Anzahl der hervorragenden Männer in allen Ver-
wandtschaftsgraden zu dem hervorragendsten Mann der Fa-
milie (85 Familien).
B. Die vorhergehende Kolonne im Verhältnis von 100 Fa-
milien gerechnet.
C. Anzahl der Individuen in jedem Verwandtschaftsgrad
im Verhältnis von 100 Personen gerechnet.
D. Prozentsatz der hervorragenden Männer in jedem Ver-
wandtschaftsgrad zu dem hervorragendsten Mitglied der aus-
gezeichneten Familien; er wurde gewonnen, indem B durch C
dividiert und mit 100 multipliziert wurde.
62 Die Judges in England zwischen 1660 und 1865.
E, Prozentsätze der vorhergehenden Kolonnen reduziert
auf das Verhältnis von (286—24,*) oder) 242 zu 85, das nun auf
FamiHen überhaupt angewandt wird.
Die zweite Tabelle gibt uns auch Material für eine ver-
gleichende Beurteilung des Einflusses, den männliche und weib-
liche Linien in der Übertragung der Fähigkeiten haben. Dank
meinem Bezeichnungssystem ist es vollkommen möglich und
leicht, die beiden Linien auf eine Weise zu trennen, die ich so-
fort erklären werde. Ich wage es nicht, die Verwandten ersten
Grades miteinander zu vergleichen, nämlich die Väter mit den
Müttern, die Söhne mit den Töchtern, oder die Brüder mit den
Schwestern, da wir kein Kriterion für einen richtigen Vergleich
der natürlichen Fähigkeit der beiden Geschlechter haben. Selbst
wenn wir ein Mittel hätten, sie zu prüfen, wäre das Resultat
doch irreleitend. Eine Mutter überträgt männliche Eigentüm-
lichkeiten auf ihr Kind, die sie selbst nicht besitzt, noch besitzen
kann, und ebenso kann eine Frau, die mit weniger Gaben eines
männlichen Typus ausgestattet ist, als ihr Gatte, doch in höhe-
rem Maße als er zu der männlichen intellektuellen Superiorität
ihres Sohnes beitragen. Ich verschob daher meine Unter-
suchung vom ersten auf den zweiten und dritten Verwandt-
schaftsgrad. Was den zweiten Grad anbelangt, so vergleiche
ich den Großvater väterlicherseits mit dem mütterlicherseits,
den Onkel väterlicherseits mit dem mütterlicherseits, den Neffen
von der Bruderseite mit dem von der Schwesterseite, und den
Enkel, der durch den Sohn gewonnen wurde, mit dem Enkel,
den die Tochter geboren hat. Nach dem gleichen Prinzip ver-
gleiche ich die Verwandtschaften dritten Grades, d. h, den Vater
des Vaters des Vaters mit dem Vater der Mutter der Mutter
usw. Diese ganze Betrachtung läßt sich in der folgenden ge-
drängten Tabelle deutlich übersehen:
Im zweiten Grad
7G-|-90+14N+llE =
6gi-6o4- 2n-|- 5e =
= 41 Verwandten unter denen männlicherseits.
19 Verwandten unter denen weiblicherseits.
*) D. h. 286 Judges, weniger 24 die als untergeordnete Mitglieder
der 85 Familien miteinbeschlossen sind.
Die Judges in England zvdschen 1660 und 1865. 63
Im dritten Grad
1 GV + 1 GB 4- 5 OS 4- 7 NS + 2 ES = 19 Verwandten unter denen
männlicherseits.
0 ^V + 0 flrB -f- 1 oS -}- 0 nS + 0 eS = 1 Verwandter unter denen
weiblicherseits.
Die Zahlen sind zu klein, um einen sehr bestimmten Schluß
irgendwelcher Art zu gewährleisten, aber sie reichen doch aus,
um zu beweisen, daß der weibliche Einfluß in der Weitergabe
von Fähigkeiten hinter dem männlichen zurücksteht. Man darf
jedoch auch nicht übersehen, daß es in erster Reihe die Neffen
sind, die den Unterschied zwischen den Totalsummen der Ver-
wandten männlicher- und weiblicherseits zweiten Grades er-
zeugen. Aber gerade dieser verwandtschaftlichen Beziehung
läßt sich weiblicherseits schwer nachgehen, denn es ist eine be-
kannte Tatsache, daß die Biographen von den Nachkommen
der Schwestern ihres Helden nicht so ausführlich sprechen, als
von denen ihrer Brüder, Was den dritten Grad anbelangt, so
sind die Verwandtschaftsbeziehungen weiblicherseits viel
schwerer aufzudecken, als die nach der männlichen Seite, und
ich zweifle nicht, daß ich viele ausgelassen habe. Bei meinen
früheren Versuchen war die Bilanz für die weibliche Seite noch
viel ungünstiger, sie reduzierte sich nachher genau im Verhält-
nis zur Häufigkeit der Revision meiner Daten. Obwohl ich also
anfangs einen großen Rest zu Ungunsten der weiblichen Linie
annehmen zu müssen glaubte, meine ich, daß wir Grund haben,
zu glauben, der Einfluß der Frauen sei bei der Übertragung
richterlicher Fähigkeiten nur wenig geringer als der der Männer.
Es ist mir natürlich schmerzlich, daß die Umstände es un-
möglich machen, den Einfluß der individuellen Eigentümlichkeiten
der Mutter auf ihre Nachkommenschaft — handle es sich nun
um gute oder schlechte Eigenschaften — zu schätzen. Aus den
angeführten Gründen scheinen mir die Eigenschaften der Mutter
ebenso wichtige Elemente für meine Untersuchung zu bilden als
diejenigen des Vaters, und doch bin ich aus Mangel zuverlässiger
Informationen in einer großen Majorität von Fällen gezwungen,
sie vollständig zu ignorieren. Nichtsdestoweniger habe ich noch
zahlreiche Argumente, die beweisen, daß Anlagen sich vererben.
Bevor ich weitergehe, muß ich meine Leser dringend er-
suchen, einen Einwand fallen zu lassen, der ihnen höchst wahr-
64 Die Judges in England zwischen 1660 und 1865.
scheinlich in den Sinn kommt und dessen Unhaltbarkeit ich
leicht nachweisen kann. Leute, die sich die Natur meiner Argu-
mente nicht lebhaft vorstellen, haben beständig in folgendem
Sinn zu mir gesprochen: „Es hat gar keinen Wert, Erfolge an-
zuführen, wenn man nicht in gleichem Maße die gegenteiligen
Fälle in Betracht zieht. Hervorragende Männer mögen hervor-
ragende Verwandte haben, aber sie haben auch sehr viel ge-
wöhnliche Menschen in ihrer Verwandtschaft, selbst bornierte,
und es gibt sogar einige darunter, die entweder exzentrisch oder
völlig verrückt sind." Ich gebe das alles vollkommen zu, doch
beeinträchtigt es nicht im geringsten die zwingende Kraft meiner
Argumente. Wenn ein Mensch kräftige, gutgebildete Hunde
züchtet, die aber einen gemischten Stammbaum haben, so wer-
den die Jungen manchmal, aber selten die Eltern völlig gleichen.
In den meisten Fällen werden sie einen unbestimmten Misch-
typus aufweisen, da die Eigentümlichkeiten der Vorfahren bei
der Nachkommenschaft leicht wieder auftauchen. Nichtsdesto-
weniger ist es leicht, die wünschenswerten Eigenschaften irgend
welcher Hunde zum beständigen Erbstück einer neuen Zucht
zu machen. Der Züchter wählt Generation um Generation die
Jungen aus, die sich dem gewünschten Typus am meisten an-
nähern, bis sie in einer ganzen Reihe von Graden keine Ahnen
mehr aufweisen, die mit nicht einwandfreien Eigentümlichkeiten
behaftet sind. Ebenso verhält es sich mit Männern und Frauen.
Sind Vater oder Mutter oder beide Eltern eines Kindes fähige
Menschen, so folgt daraus noch nicht mit Notwendigkeit, daß
auch das Kind befähigt sein wird, aber seine Chancen stehen auch
nicht gerade am ungünstigsten. Es erbt von seinen Großeltern,
seinen Urgroßeltern und noch weiter zurück liegenden Ahnen eine
außerordentliche Mischung von Eigenschaften, ganz ebenso gut
wie von seinem Vater und seiner Mutter. Die berühmtesten und so-
genannten „rassigen" Familien der Menschheit sind „Bastarde",
was ihre natürlichen Gaben des Intellekts und des Charakters
anlangt.
Was ich zu beweisen behaupte, ist folgendes: wenn wir
zwei Kinder nehmen, von denen das eine von einem Vater oder
einer Mutter von außerordentlicher Begabung abstammt — sei
es, daß dieser Mensch der erste von 4000 oder einer Million sei
— so hat das erste Kind unendlich größere Chancen, in hohem
Die Judges in England zwischen 1660 und 1865, 65
Grade begabt zu sein, als das zweite. In gleicher Weise folgere
ich, daß, ebenso wie bei Tieren und Pflanzen eine neue Rasse
geschaffen und zu einem solchen Grad von Reinheit gebracht
werden kann, daß sie sich in der einmal erworbenen Weise er-
hält, wobei man nur mit geringer Sorgfalt, die mangelhaftesten
Glieder der Herde von der Fortpflanzung abzuhalten hat, auch eine
Rasse fähiger Menschen unter vollkommen gleichen Bedingungen
gezüchtet werden könnte.
Ich muß um Entschuldigung bitten, daß ich mit diesen
wenigen Bemerkungen den Gegenstand eines späteren Kapitels
so völlig skizzenhaft und aus dem Stegreif vorwegnehme;
doch bin ich wirklich gezwungen, so vorzugehen, da ich aus
Erfahrung weiß, wie sehr Menschen, denen die Beweisführun-
gen, durch welche die Gesetze der Vererbung festgestellt werden,
fremd sind, dazu neigen, meine Schlüsse halsstarrig und unge-
hört zu verurteilen, indem sie blind darauf bestehen, daß die
Einwände, von denen ich oben erzählte, von überwältigender
Wucht sind.
Ich will jetzt zu dem übergehen, was wir aus den Ver-
wandtschaftsverhältnissen der Judges lernen können. Zuerst
stelle ich die Frage, ob die befähigteren Judges reicher sind an
hervorragenden Verwandten, als diejenigen, welche weniger be-
fähigt sind? Wir können dieser Frage auf zwei Arten näher
treten, einmal können wir die Verwandten der law lords*) mit
denen der puisne judges**) oder die der Chancellors mit denen
der Judges im allgemeinen vergleichen, und weiter können wir
bestimmen, welche Personen, deren Namen in der dritten Ab-
teilung der I. Tabelle eingetragen sind, in Bezug auf ihre Fähig-
keiten über dem Durchschnitt der Judges stehen. Wir finden
nur wenige Lord Chancellors unter ihnen. Innerhalb der Gren-
zen meiner Untersuchung befinden sich nur 30 von diesen hohen
Würdenträgern, doch haben 24 von ihnen hervorragende Ver-
wandte, während von den (286—30 oder) 256 anderen Judges
nur (114 — 24 oder) 90 hervorragende Verwandte haben. Wir
sehen also, daß 80 p. c. der chancellors hervorragende Ver-
wandte haben, gegen 36 p. c. der übrigen Judges. Die Pro-
*) Peers des englischen Parlaments, die ein hohes richterliches Amt
bekleidet haben. D. Üb.
**) Ehemaliger Beisitzer an englischen oberen Courts of Law. D. Üb.
G a 1 1 o n , Genie und Vererbung. 5
66 Die Judges in England zwischen 1660 und 1865.
Portion wäre noch größer, wenn ich die chancellors oder die
anderen law lords mit den puisne judges verglichen hätte.
Die andere Probe, die ich vorschlage, ist in gleicher
Weise befriedigend. Betreffs der außerordentlich hervorragenden
Befähigung der Männer, deren Namen in der dritten Abteilung
der I. Tabelle aufgeführt sind, kann kein Zweifel sein. Man
wird gegen mein Verfahren vielleicht Einspruch erheben und
geltend machen, die Lord Chancellors hätten mehr Gelegenheiten
als die anderen Judges, durch Mißbrauch ihrer amtlichen Stellung
Verwandte in hervorragende Stellungen zu drängen. Ich kann mich
auch diesen Einwänden gegenüber nur auf das beziehen, was
ich bereits über den Ruf eines Menschen als Beweis seiner Fä-
higkeiten gesagt habe und eine kurze Liste der bemerkenswerte-
ren Fälle von Verwandtschaft mit Lord Chancellors geben, wel-
che meines Erachtens in genügender Weise jenen Einwänden
begegnen. Es sind:
1) Earl Bathurst und seiner Tochter Sohn, der berühmte
Judge, Sir F. Buller. 2) Earl Camden und sein Vater, Chief
Justice*) Pratt. 3) Earl Clarendon und die bemerkenswerte Fa-
milie der Hyde, in welcher sich zwei Onkel und ein Vetter als
englische Judges finden, daneben ein wallisischer Judge und viele
andere bedeutende Männer. 4) Earl Cowper, sein Bruder der
judge und sein Großneffe der Dichter. 5) Lord Eldon und sein
Bruder Lord Stowell. 6) Lord Erskine, sein Bruder der Lord
Advocate von Schottland, ein hervorragender Rechtsgelehrter,
und sein Sohn, der Judge. 7) Earl Nottingham und die äußerst
bemerkenswerte Familie Finch. 8) 9) 10) Earl Hardwicke und
sein Sohn, gleichfalls ein Lord Chancellor, der plötzlich starb
und der Großonkel dieses Sohnes, Lord Somers, ebenfalls Lord
Chancellor. 11) Lord Herbert, sein Sohn ein Judge, seine Vettern
Lord Herbert of Cherbury und George, der Dichter und Theologe.
12) Lord King und sein Onkel, John Locke, der Philosoph. 13)
Der niederträchtige, aber äußerst begabte Lord Jeffreys hatte
einen Vetter, der ihm vollkommen glich, nämlich Sir J. Trevor,
Master of the Rolls. 14) Lord Guilford gehört einer Familie an,
die Mitglieder von einer so merkwürdigen richterlichen und
staatsmännischen Befähigung verkettet, daß ich fast daran ver-
*) Ehemaliger Präsident des Court of Common Pleas.
Die Judges in England zwischen 1660 und 1865. 67
zweifle, ihr gerecht zu werden. Man müßte einen kleinen Band
mit der Beschreibung dieser Familie allein ausfüllen. Sie weist
dreißig erstklassige Männer auf, die in naher verwandtschaft-
licher Beziehung zu einander stehen, die Montagus, Sydneys,
Herberts, Dudleys und andere mit einbegriffen. 15) LordTruro
hatte zwei befähigte leibliche Brüder, von denen einer Chief
Justice am Kap der guten Hoffnung war; sein Neffe ist ein eng-
lischer Judge, der kürzlich Lord Penzance geworden ist. Ich
nenne hier noch Lord Lyttleton, den Lord Keeper Karls I., ob-
gleich viele Mitglieder seiner äußerst bemerkenswerten Familie
nicht in den Rahmen meiner Untersuchung fallen. Sein Vater,
der Chief Justice von Nord-Wales, heiratete eine Tochter von
Sir J. Walter, dem Chief Justice von Sud-Wales. Ihr Bruder
war gleichfalls ein englischer Judge. Sie gebar ihm den Lord
Keeper Lyttleton und ebenso einen Judge Sir Timothy. Der
Sohn von Lord Lyttletons Tochter (sie heiratete einen Vetter)
war Sir T. Lyttleton, der Speaker of the House of Commons.*)
Wir haben also ausreichend Grund anzunehmen, daß die
Verwandten der Lord Chancellors an natürlichen Gaben bedeu-
tend reicher sind, als diejenigen der anderen Judges.
Ich will noch einen anderen Beweis für die Vererbung
von Fähigkeiten bringen. Ich vergleiche die Anzahl der Ein-
tragungen in den Abteilungen der I. Tabelle untereinander. Wenn
wir annehmen, daß natürliche Gaben vom bloßen Zufall her-
rühren und nicht mit der Herkunft zusammenhängen, müßten die
Eintragungen sich in Übereinstimmung mit dem Gesetz verteilen,
das die Verteilung des Zufalls überhaupt beherrscht. Wenn die
Wahrscheinlichkeit eins zu hundert wäre, daß ein Mitglied ir-
gend einer Familie innerhalb gewisser gegebenen Verwandt-
schaftsgrenzen einen Lotteriepreis gewinnt, so wäre die Wahr-
scheinlichkeit, daß drei Mitgliedern der gleichen Familie das
gleiche widerfährt, eins zu einer Million (ungefähr, aber nicht
genau, da die Größe der Familie begrenzt ist) und die Wahr-
scheinlichkeit, daß sechs Mitglieder der Familie einen Lotterie-
preis gewinnen, eins zu einer MiUion MiUionen. Wenn also
natürliche Begabung vom reinen Zufall abhinge, müßte die erste
Abteilung der I. Tabelle unendlich länger sein als die zweite
*) Vorsitzender des englischen Unterhauses.
5*
68 Die Judges in England zwischen 1660 und 1865.
und die zweite unendlich länger als die dritte; doch dem ist
nicht so. Wir sehen fast ebenso viel Fälle mit zwei oder drei
hervorragenden Verwandten, wie solche mit einem; den neun-
unddreißig Fällen der ersten Abteilung stehen nicht weniger als
fünfzehn in der dritten allein gegenüber.
Es ist also klar, daß Befähigung nicht zufällig verstreut
ist, sondern an gewissen Familien haftet.
Wir gehen zu einem dritten Beweis über.
Wenn Anlagen sich vererben, wie ich behaupte, dann
müssen auch die charakteristischen Merkmale eines Judge häufig
auf seine Nachkommen übergehen. Die Majorität der Judges
gehörten zu einem scharf ausgeprägten Typus. Sie sind nicht
Männer, die sich durch Gefühle hinreißen lassen, die Abgeschie-
denheit und ein Traumleben lieben, sie sind vielmehr glänzende
Mitglieder einer ganz anders gearteten Gruppe, einer Gruppe,
die die Engländer zu ehren besonders geneigt sind, wenigstens
in den sechs Tagen der Woche, die dem bürgerlichen Leben
gehören. Ich meine, daß sie kräftige, scharfsinnige, praktische,
hilfreiche Männer sind; sie heben sich glänzend ab in dem
Kampfgetriebe des öffentlichen Lebens, sie haben eine zähe
Natur und einen gesunden Magen, sie schätzen, was Geld ein-
bringt, lieben Stellung und Einfluß und gründen gern eine Fa-
milie. Die Körperfrische der Judges ist durch die Tatsache be-
wiesen, daß das Durchschnittsalter, in dem sie ernannt wurden,
unter den drei letzten Regierungen siebenundfünfzig Jahre be-
trug. Die Arbeit und die Verantwortung ihres Amtes scheint
den Außenstehenden ungeheuer, und doch setzen diese ältlichen
Männer ihre Arbeit viele Jahre mit Leichtigkeit fort; sie sterben
durchschnittlich mit fünfundsiebzig Jahren und üben meist
ihren Beruf bis zuletzt aus. Erben nun ihre Söhne diese be-
^ merkenswerten Gaben und Eigentümlichkeiten? Haben die
Judges oft Söhne, die ihnen in dem gleichen Beruf folgen, wo
der Erfolg ausgeschlossen wäre, wenn sie nicht die spezifischen
Eigenschaften ihrer Väter besäßen? Die beste Antwort ist eine
Liste von Namen. Sie wird für den Leser, der dem Rechts-
leben nahesteht, von großem Interesse sein; die anderen können
sie überblättern und gleich zu den Resultaten übergehen.
Die Judges in England zwischen 1660 und 1865. 69
Judges von England und andere hohe Würdenträger aus dem
Richterstande, zwischen 1660 und 1865, welche verwandt waren
oder sind.
(Jene Fälle, wo beide Verwandte Engiish judges sind, bezeichne
ich mit einem *.)
(Wegen der Abkürzungen s. S. 88.)
Väter. Söhne.
*) Atkyns, Sir Edward, B. E. / Sir Robert, Chief Just. ü. P.
(Karl IL) ^ Sir Edward B. E. (Jak. IL).
Atkyns, Sir Richard, Chief Sir Edward B. E. (Karl IL).
Just. N. Wales
*) Bramston, Sir Francis. Chief Sir Francis, B. E. (Karl IL).
K. B. (Karl L)t)
Coleridge, Sir John, Just. Q. Sir John Duke, Solic.-Gen.*)
B. (Vict.)
Dolben, Sir Wm. Just. K. B. Sir Gilbert, Just. C. P. Ireland;
(Will. III.) . ern. z. Bart.
*) Erskine, T., ern. zum Lord Hon. Sir Thomas, Just. C. P.
Erskine; Lord Chan. (Vict.).
*) Eyre, Sir Samuel, Just. K. Sir Robert, Chief Just. C. P.
B. (Will. III.) (Georg IL).
Finch, Heneage, L. Ch. ern. E. Heneage, Solic.-Gen.; ern. z.
von Nottingham Earl Aylesford.
Finch, Sir Heneage, Syndikus Heneage, Lord Chane, ern. z.
von London Earl v. Nottingham.
*) Forster, Sir James, Just. C. Sir Robert, Chief Just. K. B.
P. (Karl I.) (Karl IL).
Gurney, Sir John, B. E. (Vict.) Rt. Hon. Russell Gurney, Syn-
dikus V. London.
*) Herbert, Sir Edw. Lord Kee- Sir Edward, Chief Just. K. B.
per (Karl IL) (Jak. IL).
Hewitt, James, ern. z. Lord Joseph, Just. K. B. Irland.
Lifford, Just. K. B.
Jervis — , Chief Just. v. Chester Sir John, Chief Just. C. P.
(Vict.).
t) Ich zähle die Väter der Judges unter Karl II. mit, da die Judges
der jetzigen Regierung noch zu jung sind, um Judges als Söhne zu haben.
*) Hoher juristischer Beamter der Krone ohne Sitz im Kabinett.
70 Die Jadges in England zwischen 1660 und 1865.
Law, Edw., ern. z. Lord Ellen- Chas. Ewan, Parlamentsmit-
borough, Ch. K. B. glied, Syndikus v. London.
*) Pratt, Sir John, Chief Just. Earl Camden, Lord Chane.
K. B. (Georg IL) (Georg III.).
*) Raymond, Sir Thomas, Just. Robert, ern. z. Ld. Raymond,
C. B. Ch. K. B. (Georg IL).
Romilly, Sir Samuel, Solic. Ern. z. Lord Romilly, Master
Gen. of Rolls (Vict.).
*) Willes, Sir John, Chief Just Sir Edward, Just. K. B. (Georg
C. P. (Georg III.) III.).
*) Yorke, Philip, Lord Chane. Hon. Charles, Lord Chane.
ern. z. Earl Hardwicke (Georg III.).
Brüder.
*) Atkyns, Sir Robert, Chief C. Sir Edward, B. E. (Jak. IL).
P. (Will. III.)
Cowper, Wm., ern. z. Earl Sir Spencer, Just. C. P. (Georg
Cowper, Ld. Chane. IL).
Erskine, T., ern. z. Ld. Ers- Henry, zweimal Lord Advo-
kine, Ld. Chane. cate v. Schottland.
M ^ e- r. u * ^u- < LT D f Sir Frederick, ein Judge in S.
Hyde, Sir Robert, Chief K. B. I Wales
^^^^^ "-^ 1 Judge der Admiralität.
Lee, Sir William, Chief K. B. George, Dean of Archest) usw.
(Georg IL)
*) Lyttleton, Lord, Lord Kee- Sir Timothy, B. E. (Karl IL).
per (Karl I.)
North, F., ern. z. Earl v. Gull- Roger, Attorney-Gen. d. Köni-
ford, Ld. Chane. gin.
Pollock, Sir F., Chief B. E. Sir David, Chief Just. Bombay.
(Vict.)
*) Powis, Sir Lyttleton, Just. Sir Thomas, Just. K. B.
K. B. (Georg I.) (Georg L).
Scarlett, Sir J., ern. z. Lord Sir Wm. Ch. Just. Jamaica.
Abinger, Ch. B. E.
t) Richter eines frühen unter dem Erzbischof v. Canterbuiy stehenden
geistlichen Apellationsgerichtshofes. D. Üb.
Die Judges in England zwischen 1660 und 1865. 71
Scott, John; ern. z. Earl v. El- William, ern. z. Ld. Stowell,
don, Ld. Chane. Judge Adm.
Wilde, T., ern. z. Ld. Truro, Sir — , Ch. Just Kap d. guten
Ld. Chane. Hoffnung.
*) Wynham, Sir Hugh, B. E. Sir Wadham, B. E. (Karl II.).
(Karl II.)
Großväter. Enkel.
*) Atkyns, Sir Robt. Chief C. Sir J. Tracy (nahm den Namen
P. (Will. III.) Atkyns an) Kanzleige-
riehtssekretär B. E. (Qeorg
III.).
Burnet — , Schottischer Judge, Sir Thomas Burnet, Just. C. P.
Ld. Cramond
*) Gould Sir Henry, Just. Q. B. Sir Henry Oould, Just. C. P.
(Anna) (Qeorg III.).
Jeffreys — , Judge in N. Wales Jeffreys, Lord, Ld. Chane.
(Jak. IL).
Finch, H., Solic., ern. z. E. Hon. H. Legge, B. E. (Georg IL).
Aylesford
Walter, Sir E., Chief Just. S. Lyttleton, Sir T. B. E. (Karl IL).
Wales
*) Heath, Sir R., Chief K. B. Verney, Hon. Sir J., Master of
(Karl I.) Rolls.
Von den 286 Judges ist jeder neunte entweder der Vater,
der Sohn oder der Bruder eines andern Judge; andere Verwandte
eines nahen Grades, die hohe richterliehe Würden bekleiden, sind
noch häufiger. Man kann nicht länger zweifeln, daß der spezielle
Typus einer bestimmten Befähigung, die für einen Judge nötig ist,
häufig mit der Abstammung übermittelt wird.
Der Leser muß sich vor der Vermutung hüten, die Judges
hätten wenig hervorragende Verwandte in anderen Lebensbe-
rufen und Kreisen, da so viele ihrer Angehörigen richter-
liehe Befähigung aufweisen. Man könnte eine lange Liste allein
von solchen aufstellen, die Bisehöfe und Erzbischöfe zu Ver-
wandten haben. Nicht weniger als zehn Judges, von denen Sir
Robert Hyde in der vorstehenden Tabelle figuriert, haben einen
Bischof oder Erzbischof zum Bruder. Von den übrigen hatte Sir
72 Die Judges in England zwischen 1660 und 1865.
William Dolben einen Erzbischof von York zum Bruder und war
selbst der Sohn der Schwester eines andern, nämlich von John
Williams, der auch der Lord Keeper Jakobs I. war. Wir finden
auch Fälle von verwandten Dichtern unter den Judges, wie
Cowper, Coleridge, Milton, Sir Thomas Overbury und Waller,
ebenso zahlreiche Verwandte, die Romanciers, Ärzte, Admiräle
und Generäle waren. Mein Verzeichnis am Ende dieses Kapitels
behandelt die einzelnen Individuen nur sehr knapp, aber es ent-
hält die Namen sehr großer Männer, deren Taten große Bände
füllten. Bei der Abfassung dieses Buches gehört es zu meinen
größten Nachteilen, daß ich fühlen muß, wie Namen, die vor
meinem Auge jetzt nie mehr auftauchen, ohne daß ich Respekt
und Verehrung vor den großen Eigenschaften jener empfinde,
die sie einst trugen, in den Augen meiner meisten Leser viel-
leicht unwichtig und bedeutungslos sind, wenigstens in
den Augen aller jener, die nie Gelegenheit hatten, sich mit der
Geschichte dieser Männer zu befassen. Ich weiß, wie groß meine
eigene Unwissenheit in Bezug auf die Persönlichkeit der großen
Männer früherer Generationen war, ehe ich mich mit ihren Bio-
graphien beschäftigte, und ich habe daher vollauf Grund anzu-
nehmen, daß viele meiner Leser in dieser Hinsicht nicht besser
orientiert sind, als ich es war. Eine Schar von Männern, zu
denen ich gelernt habe aufzusehen, wie zu den Helden einer
hehren Walhalla, wird von denen, die mit den Tatsachen der
biographischen Geschichte nicht vertraut sind, wie eine Ansamm-
lung bloßer Honoratioren betrachtet.
Die Namen der North und Montagu unter den Judges führen
uns in einen bemerkenswerten Schlag hervorragender Männer
ein, der endlich in den Stammbaum der Montagus übergeht und
ebenso in den der Sidneys (s. das Kapitel „Literaten"),
deren Naturgeschichte — wenn ich mir den Ausdruck gestatten
darf — einige Seiten gewidmet sein sollen. In ihren Stamm-
bäumen findet sich kaum ein Name, der nicht von mehr als ge-
wöhnlicher hervorragender Bedeutung ist; viele von ihnen sind
berühmt. Sie sind in ihren Verwandtschaftsbeziehungen eng mit-
einander verknüpft und erstrecken sich über zehn Generationen.
Die wichtigsten Wurzeln dieser verbreiteten Befähigung liegen
in den Geschlechtern der Sidney und Montagu und in einem ge-
ringeren Grade in dem der North.
Die Judges in England zwischen 1660 und 1865. 73
Das Blut der Sydneys — ich meine die Nachkommen von
Sir William Sydney und seiner Ehefrau — hat in zwei ver-
schiedenen Kombinationen einen außerordentlichen Einfluß. Zuerst
in Verbindung mit den Dudleys, woraus in der ersten Generation
Sir Philip Sydney, sein hervorragender Bruder und seine gleich-
falls hervorragende Schwester entstehen; in der zweiten Gene-
ration finden wir hier wenigstens einen hervorragenden Mann;
in der dritten Algernon Sidney mit seinem befähigten Bruder
und seiner vielgerühmten Schwester. Die zweite Vermischung
des Sydney'schen Blutes erfolgte mit den Harringtons, die in der
ersten Generation einen Fürsten des Schrifttums und Elisabeth,
die Mutter des großen und äußerst bemerkenswerten Geschlechts
hervorbrachte, welches in meiner genealogischen Tabelle den
Hauptanteil hat.
Das Blut der Montagu, wie es Sir Edward, der 1644 im
Tower starb, repräsentiert, ist von drei verschiedenen Quellen
abgeleitet. Sein Urgroßvater (qY) war Sir John Finnieux, Chief
Justice von des Königs Bench; sein Großvater (g) war John
Roper, Attorney-Qeneral*) Heinrichs VIII. und sein Vater —
weitaus der bedeutendste von den dreien — war Sir Edward
Montagu, Chief Justice des Königs Bench. Der Sohn des Chief
Justice, Sir Edward Montagu heiratete Elisabeth Harrington, von
der ich eben sprach, und hatte eine große FamiUe, die an sich
selbst und in ihren Nachkommen äußerst bemerkenswert wurde.
Ich nenne blos die Titel, die sie erlangten: in der ersten Gene-
ration erhielten sie zwei Pairswürden, die Grafentitel von Man-
chester und die Baronie von Montagu; in der zweiten bekamen
sie zwei mehr, den Grafentitel von Sandwich und die Baronie
von Capel; in der dritten fünf mehr, die Herzogswürde von Mon-
tagu, die Grafentitel von HaUfax und Essex, die Baronie von
Guilford und eine neue Baronie von Capel (zweite Ver-
leihung), in der vierten einen mehr, die Herzogswürde von Man-
chester (der Ministerpräsident von 1701), in der fünften einen mehr,
den Grafentitel von Guilford. Der zweite Earl von Guilford, der
Ministerpräsident Georgs III. (am bekanntesten als Lord North)
gehört zur sechsten Generation.
Es ist mir ganz unmöglich, die Charakteristiken aller Indi-
*) Korwann alt. D. Üb.
74 Die Judges in England zwischen 1660 und 1865.
viduen zu geben, die in meinem Stammbaum vermerkt sind. Ich
könnte es nicht tun, ohne weit mehr Raum darauf zu verwenden,
als ich erübrigen kann. Aber das eine kann und muß ich tun;
nämlich die herausgreifen, die enger mit den Judges verknüpft
sind und zeigen, daß sie vollgiltige Fähigkeiten besaßen
und ihre hohen Stellungen nicht bloßer Protektionswirtschaft,
noch ihren Ruf dem Zufall der Geburt oder Umständen irgend
welcher Art verdankten. Ich wül es gern unternehmen, dies zu
zeigen, obgleich gerade das gegenwärtige Beispiel meine Sache
in ein besonders unvorteilhaftes Licht rückt. Francis North, Lord
Keeper und erster Baron von Quilford, ist der Mann vor allen
anderen in dieser hohen Stellung (die identisch oder ungefähr
gleich mit einem Lord Chancellor ist), den neuere Autoritäten
um die Wette verunglimpfen und verdammen. Wer gegen meine
Theorien opponiert, wird vielleicht sagen, der Fall von Francis
North, der Lord Keeper wurde, beweise, daß es unmöglich sei,
offiziellen Rang als Kriterien der Befähigung zu nehmen. Er
erlangte seine Stellung durch Protektion und protegierte selbst,
als er oben war; er erbte Familieneinfluß, nicht natürliche intel-
lektuelle Gaben, und das Gleiche ließe sich von allen Gliedern
dieses oder eines andern Stammbaums sagen. Wie ich schon
vorher andeutete, enthält dieser Einwand soviel Wahrheit, daß
man ihm unmöglich mit einem einfachen Widerspruch begegnen
kann, der sich auf klare einfache Ursachen stützt. Man muß die
Charaktere analysieren und ein wenig auf die Details eingehen.
Ich will das tun, und ich glaube, daß viele meiner Leser am
Schluß besser als vorher zu schätzen vermögen werden, in welch
hohem Maße natürliche intellektuelle Gaben das Qeburtsrecht
einiger Familien sind.
Francis North, der Lord Keeper, entstammte einer Familie
von fünf Brüdern und einer Schwester. Das Leben dreier dieser
Brüder ist uns durch die entzückenden Biographien, die ein an-
derer Bruder, Roger North, verfaßte, genügend bekannt. Ihre
Stellung innerhalb der Familie der Montagu ist leicht durch Zu-
hilfenahme des Stammbaums zu erkennen. Sie fallen in die dritte
jener Generationen, die ich eben beschrieben habe, in jene gerade,
wo die Famüie eine Herzogswürde, zwei Grafschaften und zwei
Baronien gewann. Ihr Vater stammte aus einer Gelehrten - Fa-
milie, die sich nach rückwärts in einer Linie von nicht weniger
Die Judges in England zwischen 1660 und 1866. 75
als fünf Generationen fortsetzte. Der erste Lord North war zur
Zeit der Königin Elisabeth ein hervorragender Rechtsgelehrter,
und sein Sohn — ein befähigter Mensch und Gesandter — hei-
ratete die Tochter des Lord Chancellors Rieh. Sein Sohn wieder
— der starb, bevor er die Pairswürde erlangte — heiratete die
Tochter eines Masters of the Court of Requests*), und seine Ur-
Urenkel — die dazwischen liegenden Glieder waren mehr oder
weniger ausgezeichnet, aber ich weiß wenig von ihren Heiraten
— waren die Brüder North, von denen ich eben spreche.
Der Vater dieser Brüder war der vierte Baron North. Er
war ein gelehrter Mann und beschrieb unter anderen Sachen das
Leben des Begründers seiner Familie. Er war ein „sparsamer"
Mann und „außergewöhnlich tugendhaft und mäßig für seine Per-
son". Der Stil seiner Schriften war nicht so glänzend wie der
seines Vaters, des zweiten Barons, der geist- und flammen-
sprühend gewesen sein soll. Der Vater hatte in Versen und
Prosa geschrieben, und Walpole hatte seine Gedichte gelobt. Die
Mutter der Brüder, Anne Montagu, wird von ihrem Sohn als ein
Ausbund von Wohltätigkeit und Weisheit geschildert. Ich nehme
an, daß es der vierte Baron North war, von dem die unange-
nehmen Eigenschaften von dreien der Brüder North herstammen,
und zwar die Geckenhaftigkeit des Lord Keepers und der
merkwürdig sparsame, merkantile Geist, der sich in ver-
schiedenen Formen am Lord Keeper, dem Finanzmann und dem
Master of Trinity College**) zeigte. Ich kann nicht umhin, diese
Eigenschaften zu erwähnen, denn sie bilden auffallende Züge
ihrer Charaktere und nehmen einen breiten Raum in ihren Bio-
graphien ein.
Ich denke, daß ich besser tue, wenn ich beim Lord Keeper
mit der schlechten Seite seines Charakters beginne. Ist diese
einmal eingeräumt und abgetan, so wird der Rest meiner Auf-
gabe angenehm und interessant sein. Mit kurzen Worten: der
Lord Keeper wurde in Bezug auf seinen öffentlichen Charakter
grausam behandelt. Lord Campbell nennt ihn den widerlichsten
Mann, der ie das Groß-Siegel in Händen hielt, und sagt, daß er
*) Forderungsgerichtshof, urteilt über kleine Schulden. D. Üb.
**) Geistliches Colleg, drei an der Zahl: in Cambridge, Oxford und
Dublin. D. Üb.
76 Die Judges in England zwischen 1660 und 1865.
während seines ganzen Lebens sich durch die niedrigsten
Schhche um Beförderungen bewarb und sie auch auf diese Weise
erhielt. Bischof Burnet nennt ihn schlau und verschlagen. Lord
Macaulay beschuldigt ihn der Selbstsucht, Feigheit — und Niedrig-
keit. Ich weiß von keinem Schriftsteller, außer seinem Bruder,
der zärtlich an ihm hing, der seinen öffentlichen Charakter ge-
rühmt hätte. Ich muß aber sagen, daß selbst Lord Campbell ein-
räumt, der Lord Keeper sei in all seinen Privatbeziehungen
außerordentlich liebenswürdig gewesen, und es gibt kaum etwas
Rühmenderes als den Bericht, den wir über die warme und
stetige Zuneigung zwischen ihm und seinem Bruder besitzen,
der ihn überlebte und sein Biograph wurde. Ich bin jedoch an
des Lord Keepers öffentlichem Charakter nur so weit interessiert,
daß ich zeigen will, er habe zwar ein höchst unwürdiges Vor-
gehen an den Tag gelegt, wo es sich um Beförderungen handelte,
und habe überdies Verwandte in hohen Ämtern besessen, die ihm
helfen konnten, daß er aber dennoch ebenso wie seine Brüder eine
wahrhaft bemerkenswerte Befähigung besaß.
Bischof Burnet sagt von ihm, er habe nicht die Tugenden
seines Vorgängers besessen (Lord Nottingham), aber er habe
auch Eigenschaften gehabt, die weit über diesen hinausgingen.
Lord Campbell weicht jedoch wieder von dieser Meinung ab und
bemerkt, daß „ein Nottingham nicht häufiger als einmal in hundert
Jahren aufsteht" (ich möchte den Leser an dieser Stelle bitten,
sich der wunderbaren vererbten Gaben der Familien Notting-
ham oder Finch zu erinnern.) Macaulay sagt, sein Intellekt sei
klar gewesen, sein Fleiß groß, sein Wissen in Literatur und
Wissenschaft respektabel und seine Qesetzeskenntnis mehr als
respektabel. Sein Bruder Roger schreibt über die Jugend des
Lord Keeper:
„Es war sonderbar und bemerkenswert an ihm, daß er neben
dem Rechtsstudium, von dem man im Allgemeinen annimmt, daß
es die ganze Studienzeit eines jüngeren Gentleman verschlingt,
noch seine Untersuchungen in allen freien Künsten, als Ge-
schichte, Humaniora und Sprachen fortsetzte, wodurch er nicht
nur ein guter Jurist, sondern auch ein guter Historiker, PoUtiker,
Mathematiker, Naturforscher und ich muß hinzufügen, ein voll-
endeter Musiker ward."
Der Hon. Sir Dudley North, sein jüngerer Bruder, war ein
Die Judges in England zwischen 1660 und 1865. 77
Mann von außerordentlich hoher Begabung und Kraft. Er kam
als Jüngling nach Smyrna, wo seine guten Werke noch nicht ver-
gessen sind und wo er ein großes Vermögen erwarb; denn, nach
seiner Rückkehr nach England, erlangte er mit einem Schlage
im Parlament den höchsten Ruf auf finanziellem Gebiet. In seiner
Jugend hatte er eine unangenehme Charaktereigenschaft, aber
er überwand sie und entwuchs ihr. Er zeigte nämlich anfangs,
als er noch in der Schule war, einen sonderbaren Hang zum
Handel; dann verwickelte er sich in peinliche Betrugsaffären
und geriet in Schulden; später brachte er seine Eltern durch
Betrug dahin, die Schulden zu bezahlen. Zuletzt machte er eine
gewaltige moralische Anstrengung und änderte sich völlig, so daß
sein Bruder seine Biographie folgendermaßen schließt:
„Wenn ich so frei sein darf, meine Gedanken über seinen
moralischen Charakter auszusprechen, muß ich zugestehen: Ich
glaube, in allen merkantilen Kunststücken und in jegUcher
Handelslist, die er nur anwenden konnte, um von denen Geld zu
erlangen, mit denen er zu tun hatte, geizte er nicht; was aber
Falschheiten und Lügen anlangt, ... so war er so rein als je
ein Mensch."
Nach den Berichten der gleichen Autorität scheint er ein
sehr entwickeltes, lebhaftes und schönes Kind gewesen zu sein.
In der Schule kam er mit dem Bücherlernen nicht mehr recht
weiter, da er einen außerordentlichen Tätigkeitsdrang hatte;
dennoch war seine Befähigung derart, daß ein bißchen Eifer ihn
weit brachte, so daß er die Schule schließlich als mittelmäßiger
Schüler verließ. Er war ein großer Schwimmer und konnte einen
ganzen Nachmittag im Wasser verbringen (ich bemerke das, da
ich noch Gelegenheit haben werde von physischen Gaben zu
reden, die nicht selten intellektuelle begleiten). Er ließ seine
Kleider oft bei einem Türhüter unterhalb London Bridge, lief dann
nackt über den schlammigen Strand der Themse fast bis nach
Chelsea hinauf, um das Vergnügen zu haben, mit der Flut zu
seinen Kleidern hinunter zu schwimmen, und liebte es, damit
zu schließen, daß er den Wasserfall unterhalb der alten Londoner
Brücke hinabschoß. Befinde ich mich in einem Dampfer auf dem
Flusse, so wundere ich mich oft über seine Leistung.
Ich zitiere noch aus seinem späteren Leben Macaulays Be-
schreibung seines ersten Auftretens unter den englischen Poli-
78 Die Judges in England zwischen 1660 und 1865.
tikern. In seiner „Geschichte Englands" sagt Macaulay bei der
Beschreibung der Periode, die dem Regierungsantritt Jakob II,
unmittelbar folgte:
„Die Person, der die Aufgabe übertragen war, Mittel und
Wege ausfindig zu machen, war Sir Dudley North, der jüngere
Bruder des Lord Keeper. Dudley North war einer der befähigsten
Männer seiner Zeit. Er war in frühen Jahren nach der Levante
geschickt worden, wo er lange im Handel tätig war. Die
meisten Menschen hätten unter solchen Umständen ihre Fähig-
keiten rosten lassen; denn in Smyrna und Konstantinopel gab es
wenig Bücher und wenig intelligente Gefährten. Doch der junge
Geschäftsführer besaß eine jener kräftigen Intelligenzen, die von
äußeren Hilfsmitteln unabhängig sind. In seiner Einsamkeit
dachte er gründUch über die Philosophie des Handels nach und
ersann eine vollständige und bewundernswürdige Theorie, die im
Wesentlichen die gleiche war, die hundert Jahre später Adam
Smith darlegte." North kam als Vertreter Banburys ins Parla-
ment, und obgleich ein neues Mitglied, war er doch die Person,
auf welche der Lord Treasurer*) sich in erster Reihe bei der
Durchführung finanzieller Angelegenheiten im Hause der Abge-
ordneten stützte. „Norths Schlagfertigkeit und seine vollkommene
Kenntnis des Handels gewannen sowohl im Parlament als im
Finanzministerium über alle Opposition Oberhand. Die alten
Mitglieder sahen mit Erstaunen, wie ein Mann, der noch keine
vierzehn Tage im Hause war und der sein Leben hauptsächlich
in fremden Ländern zugebracht hatte, voller Zuversicht das Amt
eines Chancellor of the Exchequer*) übernahm, um es mit Ge-
schicklichkeit zu verwalten." Er war damals vierundvierzig
Jahre alt.
Roger North beschreibt folgendermaßen die Finanztheorie
seines Bruders: „Das Eine ist, daß der Handel nicht wie die
Regierung in Nationen und Königreiche eingeteilt ist, sondern
überall in der ganzen Welt ein Einheitliches und Ungeteiltes ist,
ebenso wie das offene Meer nicht in einem Teile geleert oder ge-
füllt werden kann, sondern das ganze mehr oder weniger davon
beeinflußt wird." Ein anderer Punkt: „Was das Geld anbelangt.
*) Schatzkanzler. D. Üb.
^■■*) Staatsschatz-Amt. D. Üb.
Die Judges in England zwischen 1660 und 1865. 79
SO Steht es fest, daß kein Volk zu wenig Geld (Metallgeld) oder
zu viel besitzen könne . . . Denn wenn ein Volk Geld braucht,
zahlt es auch einen Preis dafür; dann bringen es Kaufleute, um
Gewinn zu erlangen und legen es vor ihm nieder."
Roger North erzählt von Sir Dudley und dem Lord Keeper:
„Diese Brüder genossen mit ausnehmender Genugtuung ihre
gegenseitige Gesellschaft; denn beide hatten sowohl vollkommene
Weltkenntnis als Kenntnisse in allen Angelegenheiten ihrer ver-
schiedenen Berufe, und jeder war ein Indien für den andern, das
stets die reichsten Neuheiten produzierte, nach denen die besten
Köpfe gierig sind."
Hon. Dr. John North, Master des Trinity College in
Cambridge unterschied sich in mancher Hinsicht von seinen
Brüdern und ähnelte ihnen wieder in anderem:
„Als er jung war und auch als er heranwuchs, war er von
schwacher und zarter Konstitution, nicht so kräftig und athletisch
als es die meisten seiner Brüder waren." „Seine Gemütsart war
immer zurückhaltend und fleißig . . . Wenn etwas schon so früh
an ihm verfehlt erschien, so war es ein unnatürlicher Ernst, der
bei Jünglingen selten ein gutes Zeichen zu sein pflegt, denn er
beweist Schwäche des Körpers oder des Geistes oder beides;
bei ihm aber war nur die erstere vorhanden, denn seine geistige
Veranlagung war kräftig, wie keine sonst."
Dann wurde er im Lernen eifrig, und seine ganzen Ausgaben
gingen auf Bücher; in anderen Beziehungen war er geizig und
sparsam. Folglich, wie sein Bruder sagt, war er über alle Maßen
geneigt, zu denken oder er betrieb es andernfalls mit mehr
Fleiß und Anspannung als die anderen Menschen es ge-
wöhnlich tun .... Er war mit einem Worte der angespannteste
und leidenschaftlichste Denker, der je gelebt hat, und hatte einen
klaren Verstand." Dies ruinierte seine Gesundheit. ,Sein
Fleisch war sonderbar schlaff und weich; sein Gang war schwäch-
lich und schlürfend, er kreuzte dabei oft seine Beine, als wenn
er betrunken wäre, er schlief selten oder nie gut, unruhige und
sorgenvolle Träume unterbrachen seinen Schlaf, die Ruhepausen,
die er hatte, waren kurz und hastig, sein tätiger Geist fand
selten Beruhigung oder Frieden."
Es ist klar, daß er seinem Gehirn zuviel zumutete, und das
Resultat war, daß er einen Schlaganfall bekam und völlig zu-
80 Die Judges in England zwischen 1660 und 1865,
sammenbrach, er verfiel mehr und mehr an Körper und Geist,
bis der Tod ihn im Alter von 38 Jahren erlöste.
Es ist kein Zweifel, daß Dr. John North mehr Ruf verdiente,
als er erhielt, einmal infolge seines frühen Todes und weiter
infolge seiner außerordentlichen Empfindlichkeit in Bezug auf
posthume Kritik. Er hinterließ bestimmte Befehle, alle seine
Manuskripte zu verbrennen. Er scheint besonders im Griechi-
schen und Hebräischen große Kenntnisse gehabt zu haben.
Der Lord Keeper und der Master of Trinity waren einander
in ihrer peinlich scheuen Art und ihren gelehrten Neigungen ähn-
lich. Der sonderbare geldsparende Zug war allen drei Brüdern
gemeinsam. Die trägen Gewohnheiten des Master of Trinity
wurden auch von Sir Dudley nach seiner Rückkehr nach Eng-
land geteilt, der keinerlei Bewegung mehr machte, sondern ent-
weder Tag für Tag zu Hause saß oder ein kleines Segelschiff auf
der Themse steuerte. Der Lord Keeper war um seine Gesund-
heit stets grillenhaft besorgt.
Die Hon. Mary North, später Ladj/^ Spring, war die
Schwester dieser Brüder und nicht weniger begabt als sie. Roger
North sagt:
„Außer den Vorzügen ihrer Person, hatte sie einen überaus
großen Verstand, ein wunderbares Gedächtnis und war in der
Konversation äußerst angenehm." Sie war gewöhnt vorzutragen
„auswendig weitschweifige Romane, mit dem Inhalt von Ge-
sprächen und Briefen sowie ganze Stellen und das alles nicht
nur mit wenig oder ohne Schwanken, sondern in ununterbrochener
Folge, Die bloße Erinnerung daran erfüllt mich heute noch mit
Staunen."
Sie starb kurze Zeit nach der Geburt ihres ersten Kindes und
das Kind bald nach ihr.
Roger North, der Biograph seiner Brüder, den ich bereits so
viel zitiert habe, war auch der Autor anderer Werke; so ver-
faßte er eine Abhandlung über Musik, die zeigte, daß er an den
musikalischen Eigenschaften Teil hatte, die so stark im Lord
Keeper entwickelt waren. Sein Privatleben ist wenig bekannt.
Er war Attorney-General*) Jakobs II. An seinen Fähigkeiten
kann man nicht zweifeln. Das „Leben der Norths" ist nicht das
*) Kronanwalt. D. Üb.
Die Judges in England zwischen 1660 und 1865. 81
Werk eines gewöhnlichen Skribenten. Es zeigt an sehr vielen
Steilen die Spur von Genie und ein scharfes Empfindungsver-
mögen. Roger North scheint ein äußerst liebreicher und liebens-
werter Mann gewesen zu sein.
Charles, der fünfte Lord North, war der älteste der Familie
und erbte den Titel; aber er zeigte, soviel ich weiß, keinerlei An-
zeichen von Genie; nichtsdestoweniger hatte er eine Tochter,
deren literarischer Geschmack eine sonderbare Ähnlichkeit mit
dem ihres Onkels, Dr. John, aufwies. Sie war eine Dudley
North, die nach den Worten Rogers „durch Studien herunterkam,
wobei sie sich nicht nur Griechisch und Latein aneignete, son-
dern auch die orientalischen Sprachen." Sie starb früh, nach-
dem sie eine kostbare Bibliothek orientalischer Werke gesammelt
hatte.
Ich will diese Familienbeschreibung mit einem Zitat aus der
Vorrede ihres Biographen schließen, dessen Seltsamkeit charak-
teristisch ist: „In Wahrheit, der Fall der letzten Dudley Lord
North ist denkwürdig wegen der glücklichen Umstände, die eine
so zahlreiche und verbreitete Herde begleiteten, und es war kein
reudiges Schaf unter ihnen."
Der nächste Seitenverwandte der Familie North auf Seiten
der Montagu ist Charles Hatton, ihr leiblicher Vetter. In Roger
North' „Leben" ist dreimal von ihm die Rede, und stets erscheint
sein Name mit dem gleichen Epitheton: „Der unvergleichliche
Charles Hatton". Warum er so ausgezeichnet wurde, ist uns
nicht bekannt, aber es ist wohl gerechtfertigt, wenn wir Roger
North' Achtung vor seinen Verdiensten gelten lassen und ihn
unter die befähigten Mitglieder der Familie der Montagu rechnen.
Ich wül nur noch vier Verwandte der North anführen. Der
erste ist ihr Großonkel, Sir Henry Montagu, Chief Justice of the
King's Bench, der zum Earl von Manchester ernannt wurde. Er
war der Großvater von James Montagu, Ch. B. E. (Georg III.)
und Onkel von William, Ch. B. E. (Jak. II), welche beide in meiner
Liste figurieren. Lord Clarendon sagt von Sir Henry, daß er
„ein Mann von großem Eifer und großer Weisheit in allen ge-
■schäftlichen Angelegenheiten war, die er außerordentlich liebte
und daß er eine so große Kraft seines Geistes selbst bis zu seinem
Tode behielt, daß die, welche ihn in seinen jüngeren Jahren
gekannt hatten, glaubten, er habe in seinem Alter einen helleren
•Geist gehabt als vorher."
Galton, Genie und Vererbung. "
82 Die Judges in England zwischen 1660 und 1865
Der zweite Earl von Manchester, ein gN. der Norths, war der
Baron Kimbolton von Marston Moor und wie Lord Campbell
sagt „einer der vorzüglichsten Männer, der in der interessan-
testen Periode unserer Geschichte auftauchte; als Lord Kimbol-
ton verteidigte er die Freiheiten seines Vaterlandes im Senat, als
Earl von Manchester im Felde, später trug er durch die Re-
stauration der königlichen Familie viel zur Unterdrückung der
Anarchie bei."
Der erste Earl von Sandwich, gleichfalls ein gN. der Norths,
war der tapfere High Admiral von England zur Zeit Karls II.
Er begann, als er achtzehn Jahre alt war, sein Leben als Soldat,
mit einem Regiment, das er selbst aufgestellt hatte, und er be-
schloß es in der Seeschlacht gegen die Niederländer bei South-
wold Bay*). Er übersetzte auch ein spanisches Werk über Me-
tallurgie. Ich weiß nicht, ob das Buch irgend welchen Wert hat,
aber die Tatsache ist bemerkenswert, da sie zeigt, daß er mehr
war als ein bloßer Soldat oder Seemann.
Der letzte der hervorragenden Verwandten der Norths, von
dem ich schließlich noch sprechen will, ist der Urenkel des
ältesten Bruders, der berühmte Premier**) — der Lord North
in der Zeit des amerikanischen Krieges wurde. Lord Brougham
sagt, alle Zeitgenossen stimmten darin überein, daß seine Talente
während dieser besonders mißhchen Periode einen starken und
stetigen Abglanz verbreiteten. Er spricht von einem Witz, der
ihm nie fehlte, und einer Sanftmut des Temperaments, die durch
nichts gestört werden konnte, als von besonderen Eigenschaften,
in denen er und seine ganze Familie (seine unmittelbare Familie)
die meisten anderen Menschen übertrafen. Die wunderbare Be-
schreibung des Lord North von seiner Tochter, Lady Charlotte
Lindsaj^ die seiner Biographie von Lord Brougham beigefügt ist,
beweist genügend die hohe Befähigung dieser Dame.
Es gibt noch eine andere Familie von hohen Würden-
trägern des Rechts, die mit den Norths verwandt ist, deren Platz
im Stammbaum mir nicht bekannt ist: es sind die Hydes, und
sie weisen unter ihren Namen den berühmten ersten Earl of
Clarendon auf. Es scheint, daß der Lord Chief Justice Hyde sich
*) Nordseehafen. D. Üb.
**) Ministerpräsident. D. Üb.
Die Judges in England zwischen 1660 und 1865, 83
freundlich um den Lord Keeper, Francis North, bemühte, als
er noch ein junger aufsteigender Barrister war, indem er das
Verwandtschaftsverhältnis zwischen ihnen erwähnte und ihn
„cousin" nannte.
Es ist Mangel an Raum, nicht an Material, der mich zwingt,
die Beschreibung der befähigten Verwandten der Norths und
Montagus zu beschließen. Ich bin aber überzeugt, daß ich genug
gesagt habe, um die Behauptung zu beweisen, die ich an ihre
Spitze stellte, daß nämlich eine sehr große Anzahl von Mit-
gliedern dieser Familie natürliche Gaben einer außerordentlichen
hohen Art geerbt hatten und daß sie ihren Ruf ihren Fähigkeiten
verdankten und nicht ihren Familienbeziehungen.
Ein anderer Beweis für die Tatsache des erblichen Cha-
rakters der Fähigkeiten ist der, daß man untersucht, ob die nahen
Verwandten der sehr hervorragenden Männer häufiger hervor-
ragend sind, als jene, die entfernter mit ihnen verwandt sind.
Tabelle II (S. 60) beantwortet diese Frage mit großer DeutHchkeit
in der Weise, die ich schon auseinandergesetzt habe. Sie zeigt,
daß die nahen Verwandten der Judges an Fähigkeiten bedeutend
reicher sind, als die entfernteren, und zwar geht dies so weit,
daß die Tatsache einer verwandtschaftlichen Beziehung vierten
Grades keinerlei fühlbaren Gewinn mehr bringt. Die Daten, aus
welchen ich Abteilung C dieser Tabelle gewann, sind die fol-
genden. Ich finde, daß von 23 der Judges berichtet wird, sie
hätten „eine große Familie" gehabt, sagen wir bestehend aus
vier erwachsenen Söhnen; 11 werden einfach beschrieben als
„Nachkommenschaft" besitzend, sagen wir auf jede dieser Fa-
milie kommen IV2. Söhne; von der Anzahl der Söhne der ande-
ren wird genau angegeben, daß sie alles in allem 186 betrug; da-
mit haben wir eine Totalsumme von 294. Dazu kommen 9 ver-
heiratete Judges, bei denen alle Bemerkungen über Kinder fehlen,
und endlich 31 Judges, bei denen überhaupt nichts über eine Ehe
erwähnt ist. Ich denke, wir sind vollkommen gerechtfertigt,
wenn wir aus diesen Daten schließen, daß im Durchschnitt jeder
Judge Vater nicht weniger als eines Sohnes ist, der ein Alter er-
reichte, wo er sich hätte hervortun können, wenn er die Fähig-
keit hierzu gehabt hätte. Ich finde ebenso, daß die erwachsenen
Familien durchschnittlich aus nicht weniger als je 2^/2 Söhnen
und 21/2 Töchtern bestehen, so daß jeder Judge durchschnittlich
11/2 Brüder und 21/2 Schwestern hat.
6*
84
Die Judges in England zwischen 1660 und 1865.
Von diesen Daten ausgehend, ist es vollkommen leicht,
die Anzahl der Verwandten nach jeder Seite zu zählen. So be-
stehen die Neffen aus den Söhnen der Brüder und den Söhnen
der Schwestern; nun nehmen wir an, daß 100 Judges 150 Brüder
und 250 Schwestern haben und daß jeder Bruder und jede
Schwester im Durchschnitt nur je einen Sohn hat; folglich wer-
den die 100 Judges (150+250 oder) 400 Neffen haben.
Ich will den Leser nicht mit noch mehr Zahlen belästigen.
Es genügt, wenn ich sage, daß ich die Totalanzahl der hervor-
ragenden Verwandten von 100 Judges durch die Anzahl der Ver-
wandten in jedem Grade dividiert habe und daß ich durch diese
Division die Kolonne D der Tabelle II erhalten habe, die ich jetzt
in Tabelle III als Stammbaum projiziere.
Tabelle III.
Anzahl der hervorragenden Männer in jedem Verwandtschafts-
grad bezogen auf die am höchsten begabten Mitglieder der
herausgehobenen Familien.
i/j Urgroßvater
772 Großväter
Vi Großonkel
26 Väter
Di« herrorra^endsten Mitglieder der 23 Brüder
100 heransgehobenen Familien |
41/2 Onkel
IV2 leibliche
Vettern
36 Söhne
I
9V2 Enkel
43 ^ Neffen
I
2 Großneffen
ly. Urenkel
Es sei bemerkt, daß Tabelle III sich nur auf die heraus-
gehobenen Familien bezieht. Wenn wir sie dahin modifi-
zieren, daß sie mit Abteilung E der Tabelle II korrespondiere,
in welcher alle Judges aufgenommen sind, ob sie nun heraus-
gehobene Verwandte haben oder nicht, bleibt die Proportion
Die Judges in England zwischen 1660 und 1865. 85
zwischen den hervorragenden Verwandten in jedem verschie-
denen Grad unverändert, obgleich ihre absoluten Zahlen auf ein
Drittel ihres Wertes heruntergedrückt würden.
Tabelle III zeigt in der unverkennbarsten Art die ungeheure
Überlegenheit, die ein naher Verwandter vor einem entfernteren
in der Wahrscheinlichkeit der Vererbung von Anlagen hat. Un-
gefähr gesprochen, betragen die Prozentsätze für jeden folgenden
Verwandten, sei es durch Abstammung oder in den Seitenlinien,
den vierten Teil.
Die Tabelle beweist auch eine andere Tatsache, welche die
Menschen im allgemeinen nicht glauben. Sie zeigt, durch den
Durchschnitt vieler Beispiele, daß es nicht in Wirklichkeit, son-
dern nur scheinbar häufig wunderbare Naturspiele gibt. In
letzter Reihe tritt die Fähigkeit nicht plötzlich auf, um mit der
gleichen Plötzlichkeit wieder zu verschwinden, sondern sie steigt
eher in einer regelmäßigen allmählichen Kurve aus dem gewöhn-
lichen Niveau des Familienlebens auf. Die Statistiken zeigen eine
regelmäßige durchschnittliche Zunahme an Fähigkeiten in den
Generationen, die der Kulmination vorausgehen, und ebenso regel-
mäßig eine Abnahme in jenen, die ihr folgen. Im ersteren Falle
waren die Heiraten im Sinne der Förderung einer solchen Fähig-
keitsproduktion, im letzteren waren sie nicht imstande, sie fest-
zuhalten.
Nach drei einander folgenden Blutsverdünnungen scheinen
die Abkömmlinge der Judges unfähig zu sein, hervorragende
Bedeutung zu erlangen. Diese Resultate sind nicht überraschend,
selbst wenn man sie mit der viel größeren Ausdehnung inner-
halb des Verwandtschaftsbereiches vergleicht, in welchem Ge-
sichtszüge und Krankheiten noch weitergegeben werden. Fähig-
keit muß auf einem dreifachen Fundament ruhen, von dem wieder
jede Stütze fest eingerammt sein muß. Damit ein Mensch im
Konkreten Fähigkeit erbt, muß er drei Eigenschaften erben, die
getrennt und voneinander unabhängig sind. Er muß Talent, Eifer
und Kraft erben, denn ohne diese drei oder wenigstens die
Kombination zweier dieser Eigenschaften kann er nicht hoffen,
sich in der Welt durchzusetzen. Die Unwahrscheinlichkeit, eine
Kombination von drei Eigenschaften zu erben, die nicht mit ein-
ander verbunden sind, ist notwendig dreimal so groß, als die, eine
von ihnen zu erben.
86 Die Judges in England zwischen 1660 und 1866.
Ein bemerkenswerter Unterschied besteht zwischen dem
Fähjgkeitsprozentsatz bei den Enkeln der Judges, je nachdem,
ob die Söhne (die Väter jener Enkel) hervorragend oder nicht
hervorragend waren. Setzen wir den Fall, der Sohn eines Judge
wünsche sich zu verheiraten: welche Aussichten hat er, daß
seine eigenen Söhne in ihrem späteren Leben hervorragende
Männer, Stützen seiner Familie und nicht eine Last für sie
werden?
In dem Falle, wo der Sohn des Judge selbst hervorragend
ist, finde ich unter den 226 Judges bis zur jetzigen Regierung
22 Fälle, wo die Söhne ausgezeichnete Männer waren. Ich
zähle die Judges der jetzigen Regierung nicht mit, da die Enkel
dieser Männer zum größten Teil noch zu jung sind, um sich aus-
zuzeichnen. 22 aus einer Zahl von 226 gibt 10 von hundert, als
den Prozentsatz der Judges, die ausgezeichnete Söhne gehabt
haben. (Der Leser wird bemerken, wie nahe dies Resultat zu
den 9^ ist, welche Ziffer in meiner Tabelle figuriert, woraus
die ungefähre Richtigkeit der beiden Schätzungen hervorgeht.)
Unter diesen 22 zähle ich die folgenden „Gruppen zu drei". Die
Familie Atkyn kommt zweimal vor. Es ist richtig, daß der Groß-
vater nur Chief Justice von Nord-Wales war und kein englischer
Judge, aber die Kraft des Blutes ist dadurch bewiesen, daß nicht
nur sein Sohn und zwei Enkel englische Judges waren, sondern
daß auch ein Enkel eines von ihnen durch die weibliche Linie
englischer Judge war. Eine andere Linie ist die der Pratts,
nämlich der Chief Justice und sein Sohn, der Lord Chancellor,
Earl Camden und sein Enkel, der Sohn des Earl, der zum Mar-
quis Camden ernannt wurde; der letztere war Chancellor*) der
Universität in Cambridge und ein Mann von Ansehen in man-
cherlei Beziehung. Ein anderer Fall findet sich in der York-
Linie, denn der Sohn des Lord Chancellor, des Earl von Hard-
wicke, war Charles Yorke, der selbst Lord Chancellor war.
Seine Söhne waren befähigte Männer; einer wurde First Lord
der Admiralität, ein anderer war Bischof von Ely, ein dritter Sohn
war ein ausgezeichneter Marineoffizier und wurde zum Baron
Dover ernannt, ein vierter war ein ausgezeichneter Admiral.
Ich will all' diese nicht mitrechnen, sondern zähle sie nur als
*) Kanzler der Universität. D. Üb.
Die Judges in England zwischen 1660 und 1866. 87
drei günstige Beispiele auf. Die Totalsumme ist auf diese Weise
sechs; dazu kämen noch von Rechts wegen einige aus der sehr
bemerkenswerten Familie der Montagu und ihren Verwandten,
die sowohl vor als nach der Restauration Karls I. verschiedene
Judges aufwies. Nichtsdestoweniger wünsche ich innerhalb der
Grenzen zu bleiben und werde daher nur auf sechs Erfolge von
den 22 Anspruch erheben (ich setze wie vorher voraus, daß
jeder Judge einen Sohn hat) oder 1 zu 4. Selbst bei dieser Be-
schränkung hat im Durchschnitt das Kind eines hervorragenden
Sohnes eines Judge die Wahrscheinlichkeit 1 zu 4 ein ausge-
zeichneter Mann zu werden.
Gehen wir jetzt zu der zweiten Kategorie über, wo der Sohn
nicht hervorragend ist, wohl aber der Enkel. Es finden sich nur
sieben dieser Art bei den {22^—22 oder) 204 Judges, und ein
oder zwei von ihnen stehen nicht auf einer besonders hohen
Stufe. Es sind der dritte Earl Shaftesbury, der Autor der „Cha-
rakteristiken"; Cowper, der Dichter; Lord Lechmere, der At-
torney-General;*) Sir Wm. Mansfield, Commander-in-Chief**)
in Indien; Sir Eardley Willmot, der verschiedene Ämter mit An-
erkennung bekleidete und zum baronet ernannt wurde, und Lord
Wyndham Lord Chancellor von Irland. Fielding, der Romancier,
war der Enkel des Judge Gould durch die weibliche Linie. Wir
haben also hier 204 zu 7 oder 30 zu 1 als die Wahrscheinlich-
keit, die für den nicht hervorragenden Sohn eines Judge besteht,
ein hervorragende^ Kind zu haben.
Die Anzahl der Personen in diesen beiden Kategorien ist
sichtlich zu gering, um uns auf sie zu stützen, ausgenommen in
der Hinsicht, daß sie uns zeigen, daß die Wahrscheinlichkeit, einen
hervorragenden Enkel zu haben, für einen Judge wächst, wenn
auch seine Söhne hervorragend sind. Es folgt daraus, daß die
Söhne oder Töchter ausgezeichneter Männer, die selbst mit aus-
gesprochen hoher Befähigung ausgerüstet sind, die an der Uni-
versität oder sonstwo geprüft wurden, am besten früh heiraten.
Wenn sie eine große Familie haben, so ist die Wahrscheinlich-
keit zu ihrem Gunsten, daß wenigstens eines ihrer Kinder her-
vorragende Erfolge im Leben erringen wird, so daß es für sie
*) Kron-Anwalt. D. Üb.
**) Oberbefehlshaber. D. Üb.
88 Die Judges in England zwischen 1660 und 1865.
ein Gegenstand des Stolzes und für die übrigen eine Stütze
sein wird.
Betrachten wir einen Augenblick die Tragweite der eben
erhaltenen Tatsachen in Bezug auf eine Aristokratie, wo be-
fähigte Männer Titel erhalten, die sie durch Erbfolge auf ihre
ältesten männlichen Nachkommen übertragen. Dieser Gebrauch
kann aus zwei verschiedenen Gründen gerechtfertigt werden.
Einerseits wird der zukünftige Pair in einem Heim auferzogen,
das voller Familientraditionen ist, was seinen Charakter formt.
Andererseits wird von ihm vorausgesetzt, daß er die Befähigung
des Gründers der Familie geerbt hat. Das erstere ist eine wirk-
liche Rechtfertigung des Erstgeburtsrechts, angewandt auf Titel
und Besitzungen, bezüglich des zweiten Punktes ist es nicht der
Fall, wie wir aus der Tabelle ersehen. Ein Mensch, der keine
näheren befähigten Vorfahren hat, als einen Urgroßvater, hat
kaum mehr Chancen, selbst mit Fähigkeiten ausgestattet
zu sein, als wenn er aus der allgemeinen Masse der Menschen
herausgehoben würde. Eine alte Pairswürde ist ein wertloser Titel,
was natürliche Gaben anlangt, ausgenommen, so weit sie durch
weise Wechselheiraten aufgefrischt wird. Wenn jedoch, wie es
häufig der Fall ist, die direkte Linie erlischt und der Titel auf
einen entfernten Verwandten übergeht, der nicht in den Familien-
traditionen auferzogen wurde, so ist die Achtung, die an seinen
Besitz geknüpft ist, völlig unvernünftig. Ich kann mir keinen
Rechtsanspruch denken, der ein so völliger Betrug ist. als den,
den ein Pair, der weder eine adhge Erziehung genossen hat, noch
innerhalb dreier Grade einen hervorragenden Verwandten auf-
weisen kann, auf Grund seiner Abstammung geltend macht.
Ich schließe dieses Kapitel mit einigen wenigen Tatsachen,
die ich aus meinen verschiedenen Notizen abgeleitet habe und
die „die Naturgeschichte" der Judges betreffen. Es scheint, daß
die Eltern der Judges innerhalb der letzten sechs Regierungen,
d. h. seit der Thronbesteigung Georgs I. in Prozenten gerechnet,
sich folgendermaßen verhält: „noble", „honorable" oder „baronet"
(aber nicht Judge) 9; Landedelleute35; Judges, barristers oder attor-
neys 15; Bischöfe oder Geistliche 8; Mediziner 7; Großhändler
und diverse, nicht eingeordnete 10; Kleinhändler 7; unbekannt 9.
Es scheint daher keine Gruppe der Bevölkerung besonders an
der Herkunft der Judges beteiligt zu sein. Sie scheinen sich un-
Die Judges in England zwischen 1660 und 1865. 89
gefähr aus den gleichen Kreisen zu rekrutieren, wie die Stu-
denten unserer Universitäten, mit einer ausgesprochenen, aber
nicht ausschheßiichen Präponderanz zugunsten der Eltern aus
der Gruppe derjenigen Menschen, die mit dem Recht in Berüh-
rung stehen.
Ich fand es auch der Mühe wert, zu notieren, in welcher
Reihenfolge die Judges in ihren verschiedenen Familien stehen,
um zu sehen, ob die Fähigkeit sich mehr auf die älteren als auf
die jüngeren Nachkommen erstreckt oder ob irgend eine wich-
tige Tatsache dieser Art sich aufdecken lasse. In meinen Notizen
finde ich Geburtsdaten über 12 Judges. Das Resultat in Prozent-
sätzen ist: der einzige Sohn war der Judge in 11 Fällen; der
älteste in 17; der zweite in 38; der dritte in 22; der vierte in 9;
der fünfte in 1; in zwei Fällen standen noch mehr Söhne vor
dem Betreffenden. Es ist klar, daß die ältesten Söhne nicht
halb so stark als die jüngeren als Judges folgen. Ich nehme an,
daß soziale Einflüsse im großen ganzen gegen ihren Eintritt oder
gegen ihre Nachfolge in der Rechtswissenschaft sind.
Anhang zu dem Kapitel „Richter'\
Nach dem „Leben der Judges" von Foss gab es seit der
Thronbesteigung Karls IL bis zum Jahre 1864 286 Judges. Nicht
weniger als 112 von ihnen sind in der folgenden Liste aufge-
führt. Unter die Judges sind auch die Lord Chancellors, 30 an
der Zahl, eingerechnet, und unter diesen hervorragenden Be-
amten finden sich nicht weniger als 24 oder 80 p. c, die hervor-
ragende Verwandte haben.
Abkürzungen in der Liste.
Der eingeklammerte Name des Herrschers, wie (Karl II.) be-
zeichnet die letzte Regierung, unter welcher jeder Judge sein
Amt bekleidete.
Ch. K. B. (oder Q. B.) = Chief Justice von des Königs (oder
der Königin) Gerichtshof.
Just K. B. (oder Q. B.) =^- Justice von des Königs (oder der Kö-
nigin) Gerichtshof.
Ch. B. E. = Chief Baron des Staatsschatzamtes.
B. E. = Baron of the Exchequer.
Curs. B. E. = Cursitor Baron of the Exchequer.
Ch. C. P. = Chief Justice of the Common Pleas.
90 Die Judges in England zwischen 1660 und 1865.
Just. C. P. = Justice of the Common Pleas.
M. R. = Master of the Rolls.
A b i n g e r , Lord s. Scarlett.
A b n e y , Sir Thomas; Just. C. P. (Georg II.)
O. Sir Thomas Abney, ein berühmter Lord Mayor von Lon-
don; einer der Stifter der Bank von England; Gönner
von Dr. Isaac Watts. S. Watts Elegie an ihn.
(V.) Sir Edward Abney, Doktor der Rechte und Mitglied des
Parlaments, in seiner Zeit ein Mann von Bedeutung.
A 1 d e r s o n , Sir Edward Hall; B. E. (Vict.)
V. Syndikus von Norwich, Ipswich und Yarmouth.
Os. Mrs. Opie, die Novellistin.
Alibon e, Sir Richard; Just. K. B. (Jakob II.)
G. Ein hervorragender protestantischer Geistlicher (V. ein
bekehrter Papist.)
Atkyns, Sir Edward; B. E. (Karl II.)
(Q.) Thomas, zweimal Lektor an der Lincoln's Inn.*)
V. Sir Richard, Ch. Just. Nordwales.
S. Sir Robert, Ch. Just. C. P. (Wilh. III.)
S. Sir Edward B. E. (Jakob II.)
ES. John Tracy, der den Namen seiner Mutter, Atkyns,
annahm. Curs. B. E. (Georg III,)
Thomas, Lektor an der Lincoln's Inn.*)
Sir Richard, Ch. Just. Nord -Wales
Sir Edward, B. E. (Karl IL)
"1
Sir Robert, Ch. Just. C. P. Sir Edward B. E.
I (Jakob II.)
Tochter
Sir J. Tracy (Atkyns) Curs. B. E.
Atkyns, Sir Robert; Ch. C. P. (Wilh. III.)
G. Sir Richard, Ch. Just. Nordwales.
V. Sir Edward, B. E. (Karl II.)
B. Sir Edward, B. E. (Jakob II.)
e. Sir John Tracy. der den Namen der Atkyns annahm. Curs.
B. E.
*) Rechtsschule.
Die Judges in England zwischen 1660 und 1865. 91
Atkyns, Sir Edward; B. E. (Jakob IL)
Q. Sir Richard; Ch. Just. Nordwaies.
V. Sir Edward, B. E. (Karl II.)
B. Sir Robert. Ch. C. P.
Be. Sir John Tracy, der den Namen der Atkyns annahm.
Ciirs. B. E.
Atkyns, Sir John Tracy (seine Mutter hieß Atkyns, und er
nahm ihren Namen an); Curs. B. E. (Georg III.)
g. S'ir Robert Atkyns, Ch. C. P.
gB. Sir Edward Atkyns, B. E. (Jakob II.)
gV. Sir Edward Atkyns, B. E. (Karl II.)
Bathurst, Henry; zweiter Earl von Bathurst; Lord Chancellor
(Georg III.)
V, Der erste Earl, ein tüchtiger Verstand,
n. Sir Francis Buller, Just. K. B. berühmter Judge (Georg III.)
B e d i n g f i e 1 d , Sir Henry; Ch. C. P. (Johann II.)
O. Sir Thomas Bedingfield, Just. C. P. (Karl I.)
Best, Wm. Draper; zum Lord Wynford ernannt; Ch. C. P.
(Georg IV.)
g. General Sir William Draper, der bekannte Widersacher
von „Junius"*).
Bickersteth, Henry, zum Lord Langdale ernannt; M. R.
(Vict.)
0. Dr. Batty. der berühmte Arzt.
B i r c h , Sir John; Curs B. E. (Georg II.)
(0) Oberst Thomas Birch, während der Republik (Common-
wealth) wohlbekannt.
Blackburn, Sir Colin; Just.. Q. B. (Vict.)
B. Professor der Mathematik in Glasgow,
g. Rev, John Gillies, Doktor der Rechte, Historiker und
Nachfolger von Dr. Robertson (dem Groß-Onkel von Lord
Brougham) als Historiograph Schottlands.
Blackstone, Sir William; Just. C. P. (Georg III.)
S. Sein zweiter Sohn machte alle seine Universitätsprüfungen
mit Vorzug.
*) Politischer Schriftsteller, Pseudonym, in der zweiten Hälfte des
achtzehnten Jahrhunderts. D. Üb.
92 Die Judges in England zwischen 1660 und 1865.
N. Henry, schrieb „Reports", die populärer waren als seine
eigenen.t)
Bramston. Sir Francis; B. E. (Karl II.)
V. Sir John Bramston, Ch. K. B. unter Karl I.
Browne, Samuel; Just. C. P. (Karl IL).
oS. Oliver St. John, Ch. Just. C. P. unter dem Protektorat.
Brougham, Henry; zum Lord Brougham ernannt; Lord Chan-
ccllor (Wilh. IV.).
gB. Robertson, der Historiker.
B u 1 1 e r , Sir Francis; Just. C. P. (Georg III.).
O. William Buller, Bischof von Exeter.
o. Earl von Bathurst, Lord Chancellor (Georg III.).
N. Rt. Hon. Charles Buller, Staatsmann.
B u r n e t , Sir Thomas; Just. C. P. (Georg IL).
Q. Hervorragender schottischer Rechtsgelehrter, erhielt den
Titel Lord Cramond.
V. Der gefeierte Whiger Bischof, Bischof Burnet.
C a m d e n , Earl s. Pratt.
Campbell, Lord; Lord Chancellor (Vict.).
(Q.) Hervorragend erfolgreicher Schüler in St. Andreas.
(V.) Hatte ausgezeichnete literarische Kenntnisse; war fromm
und besaß eine gute Rednergabe.
N. George Campbell, Mitglied des höchsten Obergerichts in
Indien, schrieb über indische Politik.
Chelmsford, Lord, s. Thesiger.
Churchill, Sir John; M. R. (Jakob IL).
GN. John Churchill, der große Herzog von Marlborough.
GiVS. Herzog von Berwick, ein großer General
Clarendon, Earl s. Hyde.
C 1 a r k e , Sir Charles; Ch. B. E. (Georg IL).
B. Dean*) von Chester.
o. Charles Trimnell, Bischof von Winchester.
C 1 i V e , Sir Edward; Just. C. P. (Georg III.).
O. Sir George Clive, Curs. B. E. (Georg IL).
OE. Der große Lord Clive, General-Gouverneur von Indien.
C li V e , Sir George; Curs. B. E. (Georg IL).
N. Sir Edward CHve, Just. C. P. (Georg IIL).
NS. Der Sohn eines andern Neffen war der große Lord Clive.
f) Nämlich des William B. D. Üb.
*) Dekan. D. Üb.
Die Judges in England zwischen 1660 und 1865. 93
Cockburn, Sir Alexander James; Ch. Q. B. (Vict).
(V.) Gesandter und bevollmächtigter Minister in Columbia.
Coleridge. Sir John Taylor; Just. Q. B. (Vict.).
O. Samuel Taylor Coleridge, Dichter und Philosoph, s. unter
Dichtern. (Er war der Vater von Hartley, Derwent und
Sara).
OS. Hartley Coleridge, Dichter.
OS. Edward, Direktor am College in Eton.
OS. Derwent Coleridge, Rektor des St. Mark College in
Chelsea.
OS. Sara Coleridge, Schriftstellerin (heiratete ihren Vetter,
Henry Nelson Coleridge).
OS. Henry Nelson Coleridge (Sohn des Oberst Coleridge,
Bruder des Samuel Taylor C), Schriftsteller.
S. Sir John Duke Coleridge, Solicitor-Qeneral.**)
Cooper, Sir Anthony Ashley; ernannt zum Earl von Shaftes-
bury; Lord Chancellor (Karl II.).
E. Der dritte Earl, Autor der „Charakteristiken'".
Copley, Sir John Singleton; ernannt zum Lord Lyndhurst;
Lord Chancellor (Vict.).
V. Ein Maler und zwar ein hervorragender, nach den Preisen
zu urteilen, die seine Bilder jetzt erzielen.
Cottenham, Lord s. Pepys.
Cowper, Sir Wm,; ernannt zum Earl Cowper; Lord Chan-
cellor (Georg I.).
B. Sir Spencer Cowper, Just. C. P. (Georg IL).
NS. Der Dichter Cowper war Sir Spencers Enkel (s. Dichter).
Cowper, Sir Spencer; Just. C. P. (Georg IL).
B. Erster Earl Cowper, Lord Chancellor (Georg L).
E. William Cowper, der Dichter.
Cranworth, Lord s. Rolfe.
D a m p i e r , Sir Henry; Just. K. B. (Georg IIL).
V. Dean von Durham.
B. Bischof von Ely.
De Grey, Sir Wm.; ernannt zum Lord Walsingham; Ch. C.
P. (Georg IIL).
S. Thomas, 2ter Baron, zwanzig Jahre lang Präsident der
Kommissionen im Hause der Lords.
**) Hoher juristischer Beamter der Krone. D. Üb.
94 Die Judges in England zwischen 1660 und 1885.
D e n i s 0 n , Sir Thomas; Jüst. K. B. (Georg III.).
4 NS. und (2 NS). Sein Bruder war der Großvater einer be-
merkenswerten Familie von sechs Brüdern, nämlich des
jetzigen Speakert) des House of Commons, des Bischofs
von Salisbury, des Archidiakonus von Taunton, des Ex-
Gouverneurs von Südaustralien und zwei anderen, die
beide Gelehrte sind.
D e n m a n , Sir Thomas; ernannt zum Lord Denman; Ch. Q, B.
(Vict.).
V. Arzt, ein gefeierter Accoucheur.
S. Hon. George Denman, königlicher Rat, Mitglied des Parla-
ments, war der erste in klassischen Studien seines Jahr-
gangs, 1842 in Cambridge.
oS. Sir Benjamin Brodle, erster Baronet, der späterhin her-
vorragende Chirurg.
oE. Der jetzige Sir Benjamin Brodie, 2ter Baronet, Professor
der Chemie in Oxford.
Dolben, Sir William; Just. K. B. (Wilh. III.).
S. Sir Gilbert Dolben, Just. C. P. in Irland, zum Baronet er-
nannt.
B. John Dolben, Erzbischof von York.
gB. Erzbischof John Williams, der Lord Keeper Jakobs I.
E 1 d 0 n , Lord, s. Scott.
Ellenborough, Lord, s. Law.
E r 1 e , Sir William; Ch. C. P. (Vict.).
B. Peter Erle, Commissioner of Charities*).
E r s k i n e , Thomas ; ernannt zum Lord Erskine ; Lord Chan-
cellor (Georg III.).
B. Henry Erskine, zweiter Lord Advocate**) von Schott-
land.
S. Hon. Sir Thomas Erskine, Just. C. P. (Vict.).
Erskine, Hon. Sir Thomas; Just. C. P. (Vict).
V. Lord Erskine, Lord Chane. (Georg III.).
O. Henry Erskine, zweimal Lord Advocate von Schottland.
E y r e , Sir Robert; Ch. C. P. (Georg II.).
V. Sir Samuel Eyre, Just. K. B. (Wilh. III.).
I) Vorsitzender. D. Üb.
*) Mitglied der Verwaltung der milden Stiftungen. D. Üb.
**) General-Anwalt. D. Üb.
Die Judges in England zwischen 1660 und 1865. 95
Eyre, Sir Samuel; Just. K- B. (Wilh. III.).
S. Sir Robert, Ch. C. B. (Georg IL).
(Sir Qiles Eyre, Just. K. B. (Wilh. III.) war nur sein Vetter
in zweiter Linie).
Finch, Sir Heneage ; ernannt zum Earl von Nottingham, Lord
Chancellor (Karl II.).
V. Sir Heneage Finch, Recorder*) von London, Speaker
im House of Commons.
S. Daniel, zweiter Earl und Hauptstaatssekretär Wilh. III.
S. Heneage Finch, Solicitor-general und Parlamentsmitglied
für die Universität Cambridge; zum Earl Aylesford er-
nannt.
OS. Thomas Twisden, Just. K. B. (Karl IL).
GN. Lord Finch, Ch. C. P. und Lord Keeper (Karl L).
gN. (?) Dr. William Harvey (s. unter Naturwissenschaften),
Entdecker der Blutzirkulation.
Harvey Familie Finch
i — l I 1
X X X X**)
Dr. William Harvey i = Sir Heneage i Lord Finch,
(Blutzirkulation) | Speaker H. C | Lord Keeper
Heneage T. Twisden
Daniel Heneage
2. Earl; Sol. Gen.; 1. E. Aylesford
Hauptstaatssekret. |_ ^.^^.^^ Legge
I l.EarlDartmouth
Heneage Legge,
B. E. (Georg II.)
ES. Hon Heneage Legge, B. E.
Forst er, Sir Robert; Ch. K. B. (Karl IL).
V. Sir James Forster, Just. C. P. (Karl L).
G o u 1 d , Sir Henry; Just. Q. B. (Anna).
E. Sir Henry, Gould, Just. C. P. (Georg III.).
e. Henry Fielding, der Novellist („Tom Jones")-
Q o u I d , Sir Henry; Just C. P. (Georg III.).
G. Sir Henry Gould, Just Q. B. (Anna).
*) Syndikus. D. Üb.
**) ° bedeutet Tochter, X bedeutet Sohn.
96 Die Judges in England zwischen 1660 und 1866.
OS. Henry Fielding, der Romancier.
G u i 1 f o r d , Lord s. North.
Q u r n e y , Sir John; B. E. (Vict.).
S'. Rt. Hon. Russell Qurney, Parlamentsmitglied, Recorder
von London.
Harcourt, Sir Simon; ernannt zum Lord Harcourt; Lord
Chancellor (Georg L).
G. Waller, der erste Parliamentary general (er selbst Ver-
wandter von Waller, dem Dichter).
Hardwicke, Earl von, s. Yorke.
H e a t h , Sir John; Just. C. P. (Georg IIL).
S. Dr. Benjamin Heath, Head Master*) in Eton
Henley, Sir Robert; ernannt zum Earl von Northington;
Lord Chancellor (Georg III.).
V. Einer der tüchtigsten Männer seiner Zeit. Parlaments-
mitglied für Weymouth.
Herbert, Sir Edward; Lord Keeper, (Karl IL).
S. Arthur, ein Admiral, wurde zum Lord Torrington ernannt.
S. Sir Edward Herbert, Ch. K. B. und C. P. (Jakob IL).
OS. Lord Herbert von Cherbury, Staatsmann und Philosoph.
OS. George Herbert, Dichter und Geistlicher.
H e r b e r t , Sir Edward; Ch. K. B. und Ch. C. P. (Jakob IL).
V. Sir Edward, Lord Keeper. (Karl IL).
B. Arthur, ein Admiral, ernannt zum Lord Torrington.
He Witt, Sir James; ernannt zum Lord Lifford; Just. K. B.
(Georg IIL).
S. Joseph Hewitt, Just. K- B. in Irland.
S. Dean von Cloyne.
H o t h a m , Sir Beaumont; B. E. (Georg IIL).
B. Ein Admiral, wurde wegen seiner Heldentaten zur See
zum Lord Hotham ernannt.
Hyde, Sir Edward; ernannt zum Lord Clarendon; Lord Chan-
cellor (Karl IL). Die Hydes waren viele Generationen hin-
durch eine sehr befähigte Famüie, sowohl im Staat als in der
Gesetzgebung; aber da sie aus dem Bereich des Wettbewerbs
in das eines Begünstigungssystems übergingen, kann ich ihre
Verdienste nicht richtig einschätzen. Überdies erlosch die
*) Erster Lehrer in einem College. D. Üb.
Die Judges in England zwischen 1660 und 1865. 97
männliche Linie. Die folgenden sind die nahen Verwandten
des Lord Chancellor:
O. Sir Nicholas Hyde, Ch. K. B. (Karl I.).
0. Sir Lawrence Hyde, ein großer Rechtsgelehrter und At-
torney-Qeneral unter Jakob L Er hatte elf Söhne, von
denen sich die meisten in ihren verschiedenen Berufen
auszeichneten. Von diesen sind:
OS. Sir Robert Hyde, Ch. K. B. (Karl II.).
OS. Sir Frederik Hyde, ein Judte in S. Wales.
OS. Alexander, Bischof von Salisbury.
(OS.) Graduiert im New College und Judge der Admiralität.
(OS.) Dean von Windsor.
(OS.) James, Rektor von Magdalen Hall.
S. Henry, zweiter Earl, Lord Privy Seal.
S. L awrence, ernannt zum Earl von Rochester, Lord Lieute-
nant von Irland, ein Mensch von großen natürlichen An-
lagen und großer Rechtschaffenheit.
Familie Hyde
I ^1 ^1
Sir Lawrence Sir Nicholas X
Attorney-General unter Ch. K. B. |
Johann I. 1- Earl von Clarendon
[ Lord Chane, u. Historiker
I i i I I I
Robert Frederik Alexander 3 andere
Ch.K.B. Judge, Wales Bischof alle aus-
gezeichnet
i E I
Henry Lawrence Anne
2. Earl ernannt zum verheiratet an
Earl V. Rochester Jakob IL
!
Duchess of Queensberry
Patroness von Gray, die Dichterin.
(S.) Anne, verheiratet an den Duke von York, später Jakob II.
Eine Frau von starkem Charakter, die Drohungen zum
Trotz darauf bestand, daß ihre Ehe öffentlich bekannt
werde, was immer für Konsequenzen daraus folgen
möchten.
Hyde, Sir Robert; Ch. K. B. (Karl IL).
V. 2 B. (3 B.) O. und OS. s. oben.
Jeffreys, Geo, ernannt zum Lord Jeffreys von Wem; Ch. K-
Gallon, Genie und Vererbung •
98 Die Judges in England zwischen 1660 und 1865.
B. Lord Chancellor Jak. II.).
Q. Ein Judge in Nordwales.
OS. Sir John Trevor, M. R. (Qeo I.). .
Jervis, Sir John; Ch. C. P. (Vict).
V, Chief Justice von Chester.
GN. J. Jervis, Admiral, erster Earl St. Vincent, s. Parker.
Parker
X Earl Macclesfield
Jervis | Lord Chane. (Geo. I.)
X X = Schwester Sir Thomas Parker
I I Ch. B. E. (Geo. III.)
^ Admiral
j 1. Earl S. Vincent
Sir John Jervis
Ch. C. P. (Vict.)
Keating, Sir Henry Singer; Just. C. P. (Vict.).
V. Sir Henry Keating, K. C. B. zeichnete sich in Indien usw.
aus.
King, Sir Peter; ernannt zum Lord King; Lord Chancellor.
(Qeo IL).
o. John Locke, der Philosoph.
L a n g d a 1 e , Lord s. Bickersteth.
Law, Sir Edward; ernannt zum Lord Ellenborough; Ch. K. B.
(Geo III.).
V. E. Law, Bischof von Carlisle. Schriftsteller.
S. Edward, General-Gouverneur von Indien, ernannt zum
Lord Ellenborough.
S'. C. Evan, Recorder von London und Parlamentsmitglied
für die Universität Cambridge.
B. G. H. Bischof von Bath und Wells.
B. John, Bischof von Elphin in Irland.
Die Familie hat noch viele andere befähigte Mitglieder.
Lawrence, Sir Soulden, Just. C. P. (Geo III.).
V. Präsident des Ärztekollegiums.
Lechmere, Sir Nicholas; B. E. (Wilh. III.).
E. Nicholas Lechmere, Attorney-General, ernannt zum
Baron Lechmere.
0. Sir Thomas Overbury, Dichter (vergiftet).
Die Judges in England zwischen 1660 und 1865. 99
L e e , Sir William, Ch. K. B. (Qeo IL).
B. George, Dean of the Arches*) und Judge der Pregorative
Court**) in Canterbury. Diese beiden Brüder waren
gleichzeitig, der eine an der Spitze des höchsten Ge-
richtshofes des Common Law, der andere an der Spitze
des höchsten Gerichtshofes des Zivilrechts; ein gleicher
Fall wie der der Lords Eldon und Stowell.
Legge, Hon Heneage; B. E. (Geo IL).
V. William, erster Earl von Dortmouth, Staatssekretär etc.
G. George, erster Baron Dartmouth, Master of the Ord-
nance***) und Admiral of the Fleetf).
g. erster Lord Aylesford, Attorney-General und hervor-
ragender Rechtsgelehrter.
gV. (Vater des Lord Aylesford) war der erste Earl von
Nottingham, Lord Chancellor (s. Finch).
L i f f 0 r d , Lord s. Hewitt.
L 0 V e 1 1 , Sir Salathiel; B. E. (Anne).
Sir Thomas Lyttleton,
der hervorragende
Judge
Richard, hervor- X
ragender Rechts- I c- cj j ^ir ix
apiphrtPr X Sir Edmund Walter
^ " ' Ch. Just. S. Wales
= r
^ T f'^ ^.^"^f/r^. T ° Sir J. Walter
Judge, N. Wales ch. B. E.
Edward Timothy —
Lord Keeper B. E. sergeant at law
X
I
X = 9
Sir Thos. Lyttleton,
Speaker H. Commons
*) Richter eines alten, unter dem Erzbischof von Canterbury stehenden
geistlichen Appellationshofes. D. Üb.
**) Früheres geistliches Gericht in Testamentssachen. D. Üb.
***) Feldzeugmeister. D. Üb.
t) Flottenadmiral. D. Üb.
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Die Judges in England zwisciien 1660 und 1865. 101
eS. War Richard Lovell Edgeworth, Schriftsteller.
eE. Maria Edgeworth, Novellistin.
Lyndhurst, Lord s. Copley.
Lyttleton, Sir Timothy; B. E. (Karl IL).
GG. Sir Thomas Lyttleton, der hervorragende judge unter .
Edward IV.
g. Sir E. Walter, Chief Just, von S. -Wales.
0. Sir John Walter, Ch. B. E. (Karl L).
V. Sir Edward Lyttleton, Chief Justice von N.-Wales.
B. Edward, Lord Lyttleton, Lord Keeper (Karl I.).
NS. Sir Thomas Lyttleton, Speaker im House of Commons
1698. (Seine Mutter war die Tochter des Lord Keeper )
Macclesfield, Lord, s. Parker.
M a n n e r s , Lord, s. Sutton.
Ma n s f i e 1 d , Sir James, Ch. C. P. (Qeo III.).
E. General Sir William Mansfield, Komtur des Bath Ordens,
Oberkommandant in Indien.
[Außerdem drei begabte Brüder.]
Milton, Sir Christopher; C. P. (Jakob IL).
B. Milton, der Dichter, s. unter Dichter.
Miltons Mutter war eine Verwandte (? welchen Grades)
des Königsmörders Lord President*) Bradshaw.
M o n t a g u , Sir William, Ch. B. E. (Jacob IL).
V. Ernannt zum Baron Montagu.
VB. Sir Henry Montagu, erster Earl von Manchester, Ch.
B. K. James I.
N. Ernannt zum Duke von Montagu, Staatsmann.
g. Sir John Jeffreys, C. B. K.
GV. Sir Edward Montagu, Ch. B. K. (Henry VIII.).
M 0 n t a g u , Sir J. Ch. B. E. (Geo L).
G. Henry Montagu, erster Earl von Manchester, Ch. B. K.
O. Walter, Abt von Pontoise; Dichter, Hofmann, Rat unter
Marie von Medicis.
O. Edward, zweiter Earl von Manchester, der erfolgreiche
General Baron Kimbolton von Marston Moor.
*) Vorsitzender Richter des obersten Zivilgerichtshofes in Schottland.
D. Üb.
**) Vornehmster Barrister des gemeinen Rechts. D. Üb.
102 Die Judges in England zwischen 1660 und 1865.
GB. Erster Baron Montagu.
OE. (Enkel von Baron Kimbolton.) Der vierte Earl von
Manchester, erster Staatssekretär, 1701, zum ersten
Duke von Manchester ernannt.
Na res, Sir George, Just, C. P. (Qeo III.).
S. Regius, Professor für moderne Geschichte in Oxford.
B. Dr. James Nares, Musiker.
North, Francis, ernannt zum Lord Guilford; Lord Chancellor
(Jakob II.).
B. Dudley North, Großhändler nach der Levante, hervor-
ragender enghscher Finanzmann.
B. Rev. John North, Dr. der Theologie, Gelehrter, Master des
Trin. Coli, in Cambridge.
B. Roger North, der Biograph, Attorney-General der
Königin,
b. Mary hatte ein wunderbares Gedächtnis.
oS. Charles Hatton „der Unvergleichliche" (s. „Leben der
North").
gB. Sir Henry Montagu, erster Earl von Manchester, s. Mon-
tagu Sir J.
gN, Edward, zweiter Earl von Manchester, der Baron Kim-
bolton von Marston Moor.
gN. George Montagu, Abt von Pontoise, Hofman und Mi-
nister Katharinas von Medicis.
gN. Sir Edward Montagu, erster Earl von Sandwich. (Sein
Onkel (o) war pepys „sein Tagebuch".)
(N) Dudleya North, Orientalistin.
ES. Frederick, zweiter Earl Guilford, Premierminister. (Der
„Lord North" unter Georg III. Regierung.)
Northington, Lord s. Henley.
Nottingham, Earl von, s. Finch.
Parker, Sir Thomas; ernannt zum Lord von Macclesfield ;
Lord Chancellor (Geo I.).
S. Zweiter Earl, Präsident der Royal Society, Mathematiker
und Astronom,
OE. Sir Thomas Parker, Ch. B. E.
Parker, Sir Thomas, Ch. B. E. (Geo IIl).
n. John Jervis, Admiral erster Earl St. Vincent, s. Jervis.
GN. Sir T. Parker, erster Earl von Macclesfield, Lord Chan-
cellor.
Die Judges in England zwischen 1660 und 1865. 103
Patteson, Sir John, Just. K. B. (Vict).
S. Heidenbischof der Inseln im Stillen Ozean.
Pengelly, Sir Thomas; Ch. B. E. (Qeo IL).
(Q) (Bekannt, aber fraglich.) Oliver Cromwell (Foss's
„Judges").
Pepys, Sir Chas. Christopher; ernannt Earl von Cottenham;
Lord Chancellor (Vict.),
(V.) Ein Vorsteher in der Kanzlei des Lordkanzlers.
Q. Sir L. Pepys, Leibarzt Georgs III.
g. Rt. Hon. W. Dowdeswell, Chancellor of the Exchequer.
B. Bischof von Worcester.
Pollock, Sir Frederick Ch. B. E. (Vict.).
B. Sir David, Ch. Justice von Bombay.
B. Sir George, General in Afhganistan.
S. Frederick, Vorsteher in der Kanzlei des Lordkanzlers,
Danteübersetzer.
(E) Frederick (auch [e] des Right Hon. C. Herries, Chan-
cellor of the Exchequer) war 1867 in Cambridge der
zweite seines Jahrganges in klassischen Studien.
Powis, Sir Lyttleton, Just. K. B. (Geo I.).
B. Sir Thomas Powis, Just. K. B. (Geo I.).
Powis, Sir Thomas; Just. K. B. (Geo I.).
P r a 1 1 , Sir John, Ch. K. B. (Geo I.).
S. Sir Charles Pratt, erster Earl Camden, Lord Chancellor
(Geo III.).
E. J. J. Pratt, zweiter Earl und zum ersten Marquis Camden
ernannt, Statthalter von Irland, Kanzler der Universität
von Cambridge.
e. George Hardinge (s. nächsten §).
es. Field Marshai erster Viscount Hardinge, Generalgouver-
neur von Indien,
(es) (s. nächsten §).
Pratt, Sir Charles; ernannt zum Earl Camden; Lord Chan-
cellor Geo III.).
V. Sir John Pratt, Ch. K. B. (Geo I.).
S. J. J. Pratt, zweiter Earl und zum Marquis von Camden
ernannt, Statthalter von Irland und Kanzler der Uni-
versität von Cambridge,
n. George Hardinge, Attorney-General der Königin, Chief
Justice des Gerichtsbezirks von Brecon.
104 Die Judges in England zwischen 1660 und 1865.
nS. Field Marshai erster Viscount Hardinge, General-Gou-
verneur von Indien. (Sein Vater war ein Literat.)
(nS.) Ein Kapitän der Marine, dem die Nation ein Monument
in der St. Paulskirche stiftete.
Raymond, Sir Edward; ernannt zum Lord Raymond; Ch. K.
B. (Geo II.).
V. Sir Thomas Raymond, ein Judge in jedem der drei Courts.
(Karl.)
Raymond, Sir Thomas ; Just. K. B. & c. (Karl IL).
S. Robert, Lord Raymond, Ch. K. B. (Geo IL).
Reynolds, Sir James (2); B. E. (Geo IL).
O. Sir James Reynolds (1) Ch. B. E. (Geo IL).
Rolfe, Sir Robt. Monsey; ernannt zum Lord Cranworth; Lord
Chancellor (Vict.).
GN. Admiral Lord Nelson.
gV. Dr. Monsey, der gefeierte und seltsame Arzt am Chelsea-
Spital.
Romilly, Sir John; ernannt zum Lord Romilly; M. R. (Vict.).
V. Sir Samuel Romilly, Solicitor-General*) und hervor-
ragender Jurist.
Scarlett, Sir James, ernannt zum Lord Abinger; Ch. B. E.
(Vict.).
(B) Sir William Scarlett, Chief Justice in Jamaica.
S. Gen. Sir James Scarlett, Oberbefehlshaber der Kavallerie
in der Krim; dann General-Adjutant.
S. Sir Peter Campbell Scarlett, Diplomat.
Scott, Sir John ; ernannt zum Earl von Eldon, Lord Chancellor
(Geo IV.).
B. Sir William Scott, ernannt zum Lord S'towell, Judge des
Hohen Admiralitäts-Gerichtshofs, (s. Bemerkungen unter
Ch. Just. Sir W. Lee.)
S e w e 1 1 , Sir Thomas M. R. (Geo III.).
e. Matthew G. Lewis, Novellist gewöhnlich „Monk" Lewis
genannt.
Shaftesbury, Earl von, s. Cooper.
Somers, Sir J. ernannt zum Earl Somers; Lord Chancellor
(Wilh. III.).
*) Hoher juristischer Beamter der Krone, ohne Sitz im Kabinet.
Die Judges in England zwischen 1660 und 1865. 106
A'S. Charles Yorke, Lord Chancellor (Geo III.).
iVS. and 2 NE, s. Yorke.
GNE. Richard Gibbon, der Historiker.
S p e 1 m a n , Sir Clement! Curs. B. E. (Karl IL).
GV. Just. K. B. (Henry VIII.).
V. Sir Henry, berühmter Schriftsteller auf dem Gebiete der
Geschichtsforschung (antiquarian).
(B.) Sir John Speimann, gleichfalls Historiker (antiquary).
„Alfred der Große".
S u 1 1 0 n , Sir Thomas Manners ; B. E. später Lord Chancellor
von Irland und ernannt zum Lord Manners (Geo III.).
B. Charles Sutton, Erzbischof von Canterbury.
N. (Sohn des Erzbischofs) Charles Manner-Sutton, Speaker
of the House of Commons, ernannt zum Viscount von
Canterbury.
Tal bot, Hon. Chas., ernannt zum Lord Talbot; Lord Chan-
cellor (Geo IL).
V. Hintereinander Bischof von drei Bistümern.
N. Rev. William Talbot, ein früher und hervorragender Ver-
fechter des Protestantismus (Yenn's Leben, Vorwort
S. XII).
T h e s i g e r , Sir Frederick ; ernannt zum Lord Chelmsford ; Lord
Chancellor (Vict.).
S. General-Adjutant von Indien.
(G. V. O.) Alle bemerkenswert, aber kaum von genügend
hervorragender Bedeutung um in diesem knappen Ver-
wandtschaftsverzeichnis besonders aufgeführt zu werden.
T h u r 1 0 w , Edward ; ernannt zum Lord Thurlow ; Lord Chan-
cellor (Geo III.).
B. Bischof von Durham.
(S.) (Illegitim.) Starb im Cambridge, wo er, wie gesagt
wurde, die höchsten Auszeichnungen erreicht hätte.
T r e b y , Sir George Ch. C. P. (Wilh. III.).
S. Rt. Hon. Robert Treby, Intendant des Heeres.
Trevor, Sir Thomas; ernannt zum Lord Trevor; Ch. C. P.
(Geo. I.).
g. J. Hampden, der Patriot,
V. Sir John Trevor, Staatssekretär,
S. Bischof von Durham,
/
106 Die Judges in England zwischen 1660 und 1865.
O. Sir John Trevor, Ch. B. E. (Karl I.).
GB. Sir Thomas Trevor, B. E. (Karl I.).
Trevor, Sir John, M. R. (Geo. L.).
oS. Lord Jeffreys, Lord Chancellor (Johann IL).
T r u r 0 , Lord, s. Wilde.
Turner, Sir George James, Lord Justice (Vict.).
O. Dawson Turner, Botaniker und Altertumsforscher.
O. Dean of Norwich und Direktor des Pembroke College
in Cambridge.
(S.) Bischof von Qrafton und Armidale in Australien.
(Die Familie hat auch andere Mitglieder, die sich
ausgezeichnet haben, so Dr. Hooker, den Botaniker,
Qifford Palgrave, den Arabienreisenden, und Francis
Palgrave, den Schriftsteller.)
Twisden, Sir Thomas; Just. K. B. (Karl II.).
oS. Earl von Nottingham (Finch) und Lord Chancellor
(Karl IL).
(B.) Roger, Altertumsforscher und Historiker.
Vaughan, Sir John; Just. C. P. (Vict).
B. Henry Vaughan, nahm den Namen Haiford an und wurde
der gefeierte Arzt, Sir Henry Haiford, erster Baronet.
B. Rev. Edward (of Leicester), Calvinistischer Theologe.
B. Sir Charles R., außerordentlicher Gesandter in den Ver-
einigten Staaten.
(B) Peter, Dean von Chester.
N. Rev. Charles Vaughan, Dr. der Theologie, war 1838 der
erste in klassischen Studien in Cambridge; erster Leh-
rer in Harrow, wies zwei Bistümer zurück.
N. Professor Haiford Vaughan von Oxford,
e. Vaughan Hawkins, war 1854 der erste seines Jahrgangs
in klassischen Studien in Cambridge.
Verney, Hon. Sir John; M. R. (Qeo. IL)
g. Sir R. Heath. Ch. K. B. (Karl L).
Walsingham, Lord, s. De Grey,
Wigram, Sir James; V. C. (Vict.).
B. Bischof von Rochester.
Wilde, Sir Thomas, ernannt zum LordTruro, Ld. Chane. (Vict.).
B. Ch. Justice, Kap der guten Hoffnung.
N. Sir James Wilde, B. E. (Vict.), seitdem zum Lord
Penzance ernannt.
Die Judges in England zwischen 1660 und 1865. 107
Wilde, Sir James Piasted; B. E. (Vict); seitdem zum Lord
Penzance ernannt.
O. Lord Truro, Lord Chancellor (Vict.).
O. Chief Justice, Kap der guten Hoffnung:.
Willes, Sir John; Ch. C. P. (Qeo. III.).
B. Bischof von Bath und Wells.
S. Sir Edward Willes, Just. K. B. (Geo. III.).
W i 11 e s , Sir Edward Willes, Just. K. B. (Qeo. III.).
V. Sir John Willes, Ch. C. P. (Qeo. III.).
O. Bischof von Bath und Wells.
Wilmot, Sir John Eardley; Ch. C. P. (Geo. III.).
E. Fellow of the Royal Society of Arts und Fellow of the
Anthropological Society, Gouverneur von Van Diemen's
Land und erster Baronet.
ES. Syndikus von Warwackshire und Judge des Provinzial-
Qerichtshofs von Bristol.
Wood, Sir William Page; V. C. (Vict.) (seither zum Lord
Hatherley ernannt, Lord Chancellor 1868).
V. Sir Matthew, 28 Jahre lang Parlamentsmitglied für Lon-
don und zweimal Lord mayor.
(O) Benjamin Wood, Parlamentsmitglied für Southwark.
(B) Western Wood, Parlamentsmitglied für London.
W y n d h a m , Sir Hugh ; B. E., C. P. (Karl IL).
B. Sir William Wyndham, Just K. B. (Karl II.)
GN. Sir Francis Wyndham, Just C. P. (Clif).
NS. Thomas Wyndham, Lord Chancellor von Irland (Geo. I.)
ernannt zum Baron Wyndham
Wyndham, Sir Wadham; Just. K. B. (Karl IL).
Familie Wyndham
I f
X Francis, Just. C. P.
X X Hugh, Just. C. P. Wadham, Just. C. P.
— , Sergeant at-law X
Thomas, Ld. Chane. Irland,
Rt. Hon. Wm. ernannt zum Baron Windham
Wyndham.
108 Die Judges in England zwischen 1660 und 1865.
B. Sir Hugh Wyndham, B. E. Just C. P. (Karl IL), Chan-
cellor von Irland (Qeo. I), ernannt zum Baron Wyndham.
E. Thomas Wyndham.
QN. Sir Francis Wyndham. Just. C. P. (Eliz.).
W y n f 0 r d , Lord, s. Best.
Yorke, Philip; Earl von Hardwicke; Lord Chancellor (Geo. IL).
S. Hon. Charles (von einer Nichte des Lord Chancellor
Somors, Lord Chancellor (Qeo. III.).
S. Hon. James, Bischof von Ely.
E. Philip, dritter Earl, Statthalter von Irland.
X J
I 1
^ John Somers, X
\. Earl Somers, Ld. Chane. „ . ,, . ^ .
R Gibbon = Philipp Yorke, erster Earl
der Historiker I Hardwicke. Ld. Chane.
X Charles James
Ld. Chane. Bischof von Ely
Philip, 3. Earl Chas. Philip,
Statthalter von Irland 1. Lord Adm.
T. J. Robinson,
1. Earl Ripon, Premierminister.
E. Rt. Hon. Charles Philip, Fellow of the Royal Society of
Arts, First Lord der Admiralität.
ES. Lord Qoderich und Earl von Ripon, Premierminister.
Yorke, Hon. Charles; Lord Chancellor (Qeo. III.).
V. Erster Earl von Hardwicke, Lord Chancellor (Qeo. IL).
S. Philip, dritter Earl, Statthalter von Irland.
S. Rt Hon. Charles Philip Fellow of the Royal Society of
the Arts, First Lord der Admiralität
B. Hon. James, Bischof von Ely.
gb. Erster Earl Somers, Lord Chancellor (Wilh. III.).
NS. Lord Qoderich und Earl von Ripon, Premierminister.
Politiker.
Ich will in diesem Kapitel die Verwandtschaftsbeziehungen
der modernen englischen Politiker besprechen. Es ist mein ernst-
licher Wunsch, bei der Abfassung dieses Buches zwischen zwei
Gefahren glücklich hindurchzusteuern, einerseits rein offizielle
Stellungen oder das ebenso offizielle Bekanntsein eines Menschen
mit einem mehr charakteristischen Ruf zu identifizieren, und
andererseits mich unbewußt mehr den Tatsachen zuzuneigen,
die für meine Theorie am günstigsten sind. Um mich gegen die
letztere Gefahr zu schützen, benütze ich Gruppen von Namen,
wo die Auslese von anderen getroffen wurde, um mich gegen
die erstere zu wahren, adoptiere ich Auslesesysteme, die das all-
gemeine Vertrauen genießen. Namentlich wenn man es mit Po-
litikern zu tun hat, ist es besonders wichtig, nach beiden Rich-
tungen behutsam zu sein, da ihre hervorragende Bedeutung als
solche von dem Zufall der sozialen Stellung stark beeinflußt ist.
Es wäre nicht ratsam, wenn wir für unsere Ausleseliste die
Namen der geheimen Staatsräte oder selbst der Kabinettsminister
wählen wollten, denn obgleich einige von ihnen wegen ihrer Be-
gabung berühmt waren und viele hervorragende Männer sich
unter ihnen finden, so gehören doch wieder andere unter ihnen
einer entschieden niedrigeren natürlichen Stufe an. Es scheint
z. B. in den letzten Jahren in der Stellung eines großen land-
besitzenden duke eine reine Nebensache geworden zu sein,
einen Sitz im Kabinett als Minister der Krone inne zu haben.
Ohne Zweifel sind einige wenige der dukes hochbegabt, aber
man kann mit gleicher Sicherheit behaupten, daß die Fähigkeiten
der großen Majorität sehr weit davon entfernt sind, eine solche
Annahme zu rechtfertigen.
110 Politiker.
Außerdem kann die Ausnahmestellung eines Kabinetts-
ministers nicht das richtige Kriterien einer entsprechenden außer-
ordentlichen Begabung sein, da die Politik kein allgemein zugäng-
licher Beruf ist. Sie war das viel eher in jenen Zeiten, wo wir
noch Wahlflecken hatten, in denen ein Grundbesitzer einen oder
mehrere Abgeordnete ins Parlament wählte; damals wurden
junge Leute, die wirklich viel versprachen, eifrig von den Land-
magnaten gesucht und ins Parlament gebracht, wo man sie dann
dazu anhielt, in den Gladiatorenkampf für die eine oder die an-
dere der großen streitenden Parteien des Staates einzutreten.
Bis auf diese Ausnahmen war das parlamentarische Leben kein
allgemein zugänglicher Beruf, und selbst dann war die freie Zu-
gänglichkeit keine vollständige, denn nur begünstigte Jünglinge
waren zu dem Wettbewerb zugelassen. Aber wie in jedem an-
deren Beruf, hat auch im Parlament niemand Aussichten, beson-
ders erfolgreich zu sein, der nicht außerordentlich und besonders
begabt ist, ob er auch von der ersten Zeit seines Mannesalters
an sich daran beteiligt. Dudley North, von dem ich in dem Ka-
pitel über die Judges sprach, hatte sicherlich großen Erfolg, eben-
so in späteren Zeiten Lord George Bentinck und in gleicher oder
anderer Art der Duke von Wellington. Auch andere Fälle können
leicht zitiert werden, wo Männer erst in vorgerücktem Alter ihr
aktives parlamentarisches Leben begannen und nichtsdesto-
weniger erfolgreich waren; doch kann man es als eine Regel
gelten lassen, die nur wenige Ausnahmen kennt, daß Politiker
Menschen sind, die das Privilegium besitzen, in frühen Jahren
ins Parlament einzutreten und darin zu verbleiben. Jedes Mini-
sterium ist notwendig aus einem begrenzten Feld ausgewählt.
Ohne Zweifel enthält es stets einige wenige Personen von sehr
hohen Gaben, die ihren Weg in die Front unter jedwedem ver-
nünftigen politischen regime gefunden hätten, aber es besteht
auch unfehlbar aus Männern, die in dem Kampf um Stellung und
Einfluß gefallen wären, wenn ganz England zu gleichen Be-
dingungen an diesem Kampf teilnehmen könnte.
Zweierlei Auslesen von Männern scheinen mir im großen
ganzen vertrauenswürdig. Die einen sind die Premierminister,
die wir der Bequemlichkeit wegen mit der Regierung Georgs III.
beginnen lassen; ihre Anzahl beträgt 25, und die Anzahl jener.
Politiker 111
die nicht den Anspruch erheben können, mehr als „hervorragend"
begabt zu sein, wie Addington:
„Pitt verhält sich zu Addington, wie London zu Paddington"*)
ist sehr klein. Die andere Auslese ist Lord Broughams Werk:
„Die Politiker unter der Regierung Georgs IIL" Es zählt nicht
weniger als 53 Männer auf, die aus den ersten Politikern dieser
langen Regierungszeit ausgewählt sind. Nun sind von diesen
11 Judges und, wie ich hinzufügen möchte, 7 dieser Judges sind
in dem Anhang zu dem letzten Kapitel beschrieben, nämlich die
Lords Camden, Eldon, Erskine, EUenborough, King, Mansfield
und Thurlow. Die vier übrig bleibenden sind Chief Justices
Burke und Gibbs, Sir William ürant und Lord Loughborough.
Lord Broughams' Verzeichnis enthält auch den Namen von Lord
Nelson, der besser unter die Feldherren einzureihen ist, und
ebenso den des Earl St. Vincent, der seinen Platz in diesem Ka-
pitel behalten mag, da er sich in Friedenszeiten als ein sehr be-
fähigter Administrator zeigte, wie er im Kriege ein sehr befähig-
ter Admiral war. Zu diesen kommen noch die Namen
von 9 Premierministern hinzu, von denen der eine der Duke von
Wellington ist, den ich hier und dann wieder unter den Feld-
herren aufzähle und die in Lord Brughams Verzeichnis rund 31
neue Namen ergeben. Lassen wir die Judges weg, so beträgt die
Gesamtsumme beider Auslesen 57.
Die durchschnittliche natürliche Begabung dieser Männer
kann mit vollem Rechte als höher denn Gruppe F. bezeichnet
werden. Canning, Fox, die beiden Pitts, Romilly, Sir Robert
Walpole, den Lord Brougham in seine Aufzählung aufnimmt, der
Marquess Wellesly und der Duke von Wellington übertreffen
wahrscheinlich G. Man wird sehen, wie außerordentlich die
Verwandtschaftsbeziehungen dieser Familien sind. Die Ver-
wandtschaft der beiden Pitt, Vater und Sohn, ist oft als ein
seltenes, wenn nicht einziges Beispiel von großem Genie, das
sich vererbte, zitiert; aber die bemerkenswerten Verwandten
von William Pitt waren noch weiter verbreitet. Er war nicht
nur der Sohn eines Premierministers, sondern auch der Neffe
eines andern, George Grenville, und Vetter eines dritten, Lord
Qrenville. Überdies hatte er das Blut der Familie Temple in sich.
*) Bezirk in London.
112 Politiker.
Sein Stammbaum, der sich in dem Anhang zu diesem Kapitel
findet, wird seiner Abstammung nur ungenügend gerecht. Der
Stammbaum der Fox ist auch durch seine Verbindung mit den
Lords Holland und der Familie Napier sehr bemerkenswert.
Eine der bedeutendsten ist jedoch die mit dem Marquess Welles-
ly, eines sowohl in Indien als in der Heimat sehr berühmten
Staatsmannes und seines jüngeren Bruders, des großen Duke
von Wellington. Er ist auch durch die Tatsache interessant, daß
der Marquess sehr bemerkenswerte Gaben als Kritiker und Ge-
lehrter besitzt. Er zeichnete sich schon in frühen Jahren durch
diese Talente aus, und sie gingen auf seinen Sohn über, den spä-
teren Rektor von New Ton Hall in Oxford, aber sein Bruder
teilte sie nicht mit ihm. Obgleich aber der große Duke nichts
vom Gelehrten und Kunstkritiker in sich hatte, besaß er doch
Eigenschaften, die beiden Typen verwandt sind. Seine Schriften
sind gefeilt und nervig und hervorragend wirkungsvoll. Sein
Sattelzeug, seine Equipagen und dergleichen waren durch eine
unauffällige Vollkommenheit und Tüchtigkeit in einer gefälligen
Form charakterisiert.
Ich habe nicht die Absicht, die vielen Namen, die in meinem
Anhang aufgezählt sind, der Reihe nach durchzugehen. Der
Leser muß das selber tun, und er wird finden, daß seine Mühe
belohnt wird; ich aber begnüge mich hier mit den Resultaten,
die ich in der gleichen entsprechenden statistischen Form nieder-
lege, wie ich sie schon bei den Judges verwendet habe, und be-
haupte auf der gleichen Basis, daß die Verwandtschaftsbeziehun-
gen der Politiker den erblichen Charakter ihrer Anlagen zeigen.
Ich glaube gut daran zu tun, wenn ich die knappe Anzahl
der englischen Politiker, von denen ich eben gesprochen habe,
durch eine kurze ergänzende Liste erweitere, die sich aus ver-
schiedenen Perioden und anderen Ländern zusammensetzt. Ich
kann nicht genau sagen, wie groß das Gebiet war, auf dem die
Auslese, wie die Liste sie darstellt, vollzogen wurde. Ich kann
dem Leser nur versichern, daß sie einen beträchthchen Teil der
Namen enthält, die mir die bedeutendsten unter jenen scheinen,
die ich in gewöhnlichen kleinen biographischen Lexika ausführlich
beschrieben fand.
Politiker. 113
Tabelle I.
Übersicht der Verwandtschaftsbeziehungen 35 englischer Poli-
tiker, in 30 Familien gruppiert.
Ein Verwandter (oder zwei in der Familie).
Bolingbroke (Vict. St. John) g. Perceval n.
Disraeli V. Romilly, Sir S. s!
Francis, Sir P. V. Scott (Lord Stowell) B.
Qrattan g, Wilberforce S.
Horner B.
Zwei oder drei Verwandte (oder drei oder vier in der
Familie).
2. Bedford, Duke von und Ur-Ur-Urenkel, Earl
I^ussell GV.Qi;.EE.
Bentinck (Duke von Portland) S. E.
Canning OS'. S.
Jenkinson (Earl von Liverpool) V. O. OS.
Jervis (Earl St. Vincent) o. OE. OES.
Lamb (Viscount Melbourne) 2 B. &. e.
Petty (Marquess von Lansdowne) GV. S.
Rüssel (s. Bedford).
Stanley (Earl von Derby) V. oS. S.
Stewart (Marquess von Londonderry) V. oS. B.
Vier oder mehr Verwandte (oder fünf oder mehr in der
Familie).
Dundas (Viscount Melville) QV. B. N. S. E.
2. Fox und Lord Holland G. o. V. B. N. NS. 2oS.
3. Grenville, Lord; sein Vater George
Grenville, auch sein Vetter William
Pitt B. V. g. oS. O.
Grey, Earl V. B. 2S.
Holland, Lord (s. Fox).
Peel V. g. 2B. 3S.
2. Pitt, nämlich Earl Chatham und sein
Sohn, Wm. Pitt (s. auch Grenville) V. N. o. oS. n.
Robinson (Earl Ripon) G. V. gB. gV. S.
Sheridan V. v. g. G. S. E. ES.
G a 1 1 o n , Genie und Vtrerbung. 8
114
Politiker.
B. 0GB. QG. QQW.
GF.Q.G0.GB.0.B.2S.
G. B. 2S. nG.
Temple (Viscount Palmerston)
Stuart (Marquess von Bute)
Walpole (Earl von Orford)
2. Wellesley, nämlich der Marquess und
sein Bruder, der Duke von Welling-
ton
Anhang: 13 große Politiker verschiedener Zeiten und Länder
in 9 Familien gruppiert.
2. Arteveldt, James, und sein Sohn John S.
Mirabeau
More, Sir Thomas
2. De Witt, John, und Bruder Cornelius
3. Cecil, Robt.; Vater Lord Burleigh und
Vetter Lord Bacon
Colbert
Guise, Duc de
Richelieu
Tabelle II.*)
B. N. S. gGV.
V.
V.
B.
V. oS.
O. B. 2S. 2N
B. 2S. E
ES.
V. B. BE. BES. nS.
Verwan
dtschaftsgrade
A.
B.
r
n
Bezeichnung
Korrespondierende
des Grades
Buchstaben
Vater
13 V
—
—
13
33
100
33.0
Bruder
15 B
—
—
—
15
39
150
26.0
Sohn
19 S
-
—
—
19
49
100
49.0
Großvater
6 G
5g
—
—
11
28
200
14.0
Onkel
3 0
40
—
_
7
18
400
4.5
Neffe
6 N
1 n
—
—
7
18
400
4.5
Enkel
4 E
0 e
—
—
4
10
200
5.0
Urgroßvater
1 GV
1 gT
1 GV
O^V
1 3
8
400
2.0
Großonkel
1 GB
1 gB
0 GB
O^B
2
5
800
0.6
Leiblicher Vetter
2 OS
3 oS
0 OS
3 oS
8
21
800
2.6
Großneffe
0 NS
1 nS
1 iVS
0 nS
2
5
800
0.6
Urenkel
0 ES
0 eS
0 ES
0 eS
0
0
400
0.0
alle mehr ent-
fernten
14
—
—
—
14
1
37
~
*) Zur Erklärung s. die gleiche Tafel S. 61.
Politiker. 116
Stellen wir zunächst die Frage, ob die befähigsten Politiker
die größte Anzahl von befähigten Verwandten aufweisen? Ta-
belle I beantwortet sie in bejahendem Sinne. Es kann kein Zwei-
fel darüber herrschen, daß die dritte Abteilung mehr berühmte
Namen enthält als die erste, und ich bin überzeugt, daß je mehr
der Leser sich die Mühe nehmen wird, die Verwandtschafts-
beziehungen zu analysieren und zu „wägen", je mehr ihm auch
diese Wahrheit augenscheinlich werden wird. Anderseits sind
die Politiker, als Ganzes genommen, wieder hervorragender be-
gabt als die Judges; ein Vergleich der Tabelle II resp. ihrer Ab-
teilung B. mit der entsprechenden Abteilung auf S. 60 wird
zeigen, daß ihre Verwandten an Fähigkeiten reicher sind.
Wir gehen zu dem nächsten Beweis über; wir sehen, daß
der dritte Abschnitt tatsächlich länger ist als der erste oder
zweite, und er zeigt uns, daß Befähigung nicht zufällig verteilt
ist, sondern an gewissen Familien haftet.
Drittens wird der Typus der politischen Begabung in star-
kem Maße weitergegeben oder vererbt. Es wäre zu weitschwei-
fig, die Beispiele aufzuzählen, die dafür sprechen. Dagegen sprechen
Disraeli, Sir P. Francis (der kaum ein Politiker, sondern eigent-
lich ein scharfer Polemiker war) und Horner. In allen übrigen
35 oder 36 Fällen meines Anhangs finden sich ein oder mehrere
Politiker unter den hervorragenden Verwandten. Mit anderen
Worten: die Kombination von hohen intellektuellen Gaben, Takt
im Umgang mit Menschen, Kraft des Ausdrucks im Debattieren
und die Fähigkeit, außerordentlich harte Arbeit zu verrichten,
ist erblich.
Tabelle II beweist ebenso deutlich, als es bei den Judges
der Fall war, daß die näheren Verwandten hervorragender Po-
litiker an Fähigkeiten reicher sind als die entfernteren. Man
wird sehen, daß das Verteilungsgesetz, das aus diesen Beispielen
folgt, sehr ähnlich jenem ist, das wir schon früher gefunden
haben. Ich will die Darstellung hier nicht mit einem Vergleich
der Politiker und Judges in Bezug auf dieses Gesetz aufhalten,
denn ich beabsichtige alle Gruppen hervorragender Männer, von
denen ich in meinen verschiedenen Kapiteln rede, in vollkommen
gleicher Weise zu behandeln und die Resultate ein für allemal
am Schluß dieses Buches zu kollationieren,
8*
116 Politiker.
Anhang zu dem Kapitel Politiker.
Politiker unter der Regierung Georgs III., wie sie Lord Broug-
ham in seinem wohlbekannten Buch unter dem gleichen Titel
ausgewählt hat.
Sein Verzeichnis umfaßt die folgenden 53 Personen, von
denen 33, deren Namen gesperrt gedruckt sind, einen Platz in
meinem Verwandtschaftsdiktionäre haben. Es kommt in dieser
Liste häufig vor, daß die gleiche Person unter ihrem Titel und
ebenso unter ihrem Zunamen aufgeführt ist, etwa „Dundas (Vis-
count Melville)" — „Melville, Lord (Dundas)".
Allen. *) B e d f o r d , 4 ter Duke. Bolingbroke. Bushe,
Ld. Ch. Just. C a m d e n , Earl (Pratt). *) C a n n i n g , Carroll,
Castlereagh, Lord (Londonderry); see Stewart. *)Chatham,
Lord (Pitt). Curran. D u n d a s (V i s c. M e 1 v i 1 1 e). E 1 d o n ,
Lord (Scott). Erskine, Lord. Ellenborough, Lord
(Law). Fox. Francis, Sir Philip. Qibbs, Ld. Ch. Just.
Grant, Sir Wm. Grattan. *)Grenville, George.
*)Grenville, Lord. Holland, Lord. Hörne r. Jef-
ferson. *)Jenkinson (Earl Liverpool). Jervis
(Earl St. Vincent). King, Lord. Law (Lord Ellen-
borough). Lawrence, Dr. *) Liverpool, Earl (Jenkin-
son). Loughborough, Lord (Wedderburn). Londonderry, Lord
(Castlereagh : s. Stewart). Mansfield, Lord (Murray).
Melville, Lord (Dundas). Murray (Lord Mans-
field). Nelson, Lord. *) N o r t h , L o r d. *) Perceval.
*)Pitt (Earl von Chatham). *)Pitt, William. Pratt
(Earl C a m d e n). Ricardo. Romilly. St. Vincent Earl
(Jervis). Scott (Lord Eldon). Scott (Lord Stowell).
Stowell, Lord (Scott). Stewart (Lord Castle-
reagh, Marquess von Londonderry). Thurlow,
Lord. Tierney. Tooke, Hörne. W a 1 p o 1 e. V/edderburn (Lord
Loughborough). Wellesley, Marquess. Wilberforce.
Wilkes, John. Windham.
*) Premierminister.
PoUtiker. 117
Premierminister seit der Thronbesteigung Georgs III.
Wie die folgende Liste zeigt, hatte England seit dieser Zeit
25 Premierminister, von denen 17, deren Namen gesperrt ge-
druckt sind, einen Platz in meinem Verwandtschaftsdiktionäre
haben.
Neun von ihnen figurieren bereits unter dem Titel „Politiker
unter Georg III." Sie sind mit einem t bezeichnet.
Es kommt gelegentlich vor, daß das gleiche Individuum
unter seinem Zunamen und ebenso unter seinem Titel angeführt
ist, etwa „Chatham, Earl (Pitt)"; — „Pitt (Earl Chatham)".
Aberdeen, Earl. Addington (Sidmouth). t Bedford,
4terDuke. Bute, Marques s. tCanning. tChatham,
Earl (Pitt). Derby, Earl. Disraeli. Gladstone. Q o-
d e r i c h. Grafton, Duke. Grenville, George, tGren-
ville, Lord. Grey, Earl. Lansdowne (Shelburne).
tLiverpool, Earl. Melbourne, Visct. Newcastle, Duke.
tNorth,Lord. Palmerston,Lord. Peel, Sir Ro-
bert. tPerceval. Pitt (Earl Chatham). tPitt,
William. Rockingham, Marquess. Russell, Earl. Shel-
burne, Earl (Lansdowne). Sidmouth, Lord (Addington).
Wellington.
Bedford, John, 4 ter Duke.
GV. William, Lord Russell; Patriot, 1683 hingerichtet.
Gv. Lady Rachel W. Russell, ihres Gatten Sekretär „Briefe".
EE. Erster Earl Russell; Führer der Reform, wie Lord John
Russell, und dreimal Premierminister.
B e n t i n c k , William H. Cavendish; dritter Duke von Portland;
1783—84 und 1807—10 Premierminister.
S. Lord Wm. Henry Bentinck; General-Gouverneur von
Indien, schaffte die Witwenverbrennung in Indien ab und
führte die Preßfreiheit ein.
E. Lord George Bentinck, Parlamentsmitglied; wurde in
mittleren Jahren ein hervorragender Finanzmann und
führender Politiker, bis dahin war sein Leben von Inte-
ressen für den Rennstall erfüllt.
Bolingbroke, Henry; ernannt zum Viscount St. John ; der
gefeierte Staatssekretär der Königin Anna; (sein Name
118 Politiker.
ist Brougham's Verzeichnis der Politiker unter Georg III.
beigefügt),
g. Sir Oliver St John, Ch. Just. C. P. unter dem Protek-
torat, (war selbst Vetter eines andern Judge, S. Brown
(s.) unter Karl IL).
B u t e , Earl s. Stuart.
C a m d e n , Earl ; Lord Chancellor. S. unter Judges.
V. und S.
Canning, George; ernannt zum Lord Canning; 1827 Premier-
minister. Als Kind nicht früh entwickelt aber als Schul-
junge bemerkenswert. („Microcosm" mit 15 Jahren und
Anti-Jakobiner), Gelehrter, Redner und äußerst be-
fähigter Staatsmann. In der Famüie Canning herrschte
ein sensitives, reizbares Temperament.
(V.) Ein Mann mit beträchtlichen literarischen Kenntnissen,
(v.) War sehr schön und hatte eine vorzügliche Bildung.
Nach dem Tode ihres Mannes trat sie ohne großen Er-
folg auf der Bühne auf. Beide waren von der übrigen
Familie Canning getrennt.
OS'. Stratford Canning; ernannt zum Lord Stratford de Red-
cliffe, Gesandter bei der Hohen Pforte; der „große
Elchi".
(OS.) George Canning, Fellow of the Royal Society of Arts,
Fellow of the Society of Antiquaries, ernannt zum Lord
Garvagh.
S. Karl; ernannt zum Lord Canning; war General-Gou-
verneur von Indien während des Verlaufs und der Unter-
drückung des englischen Aufstands.
Castlereagh, s. Stewart.
D Israeli, Rt. Hon. Benjamin; 1868 Premierminister. Frühreif
begann sein Leben in der Kanzlei eines attorney; wurde
als junger Mensch ein Novellist von Ruf, später nach
einem Mißerfolg ein hervorragender parlamentarischer
Disputant und Redner.
V. Isaac Disraeli; Autor der „Curiosities of Literature".
Dun das, Henry; ernannt zum Viscount Melville; Freund und
Amtsbeistand von Wm. Pitt und ein führendes Mitglied
seiner Administration in verschiedenen Stellungen.
Politiker. 119
V. Robert Dundas of Arniston ; Lord President des obersten
Zivilgerichtshofes in Schottland.
Q. Robert Dundas; Lord Arniston, hervorragender Rechts-
gelehrter; Judge des Zivilgerichtshofes.
(GV.) Sir James Dundas, Parlamentsmitglied für Edinburg,
Senator des Rechtskollegiums.
B. (Ein Halbbruder.) Robert Dundas; Lord President des
obersten Zivilgerichtshofs, wie sein Vater vor ihm,
N. (Ein Halbneffe.) Robert Dundas (Sohn des vorher-
gehenden) Lord Chief Baron des S'chatzkammergerichts
für Schottland.
S. Robert zweiter Viscount; Qeheimsiegelbewahrer in
Schottland.
E. Richard Saunders Dundas; zweimal Sekretär der Ad-
miralität; Nachfolger von Sir C. Napier als Chefkom-
mandant der Baltischen Flotte im Krieg mit Rußland
1855 und eroberte Sweaborg. (Er war nicht mit Sir
James W. D. Dundas verwandt, der im gleichen Kriege
Oberbefehlshaber der Flotte am Schwarzen Meer war).
Eldon, Earl von; Lord Chancellor, s. in Judges unter Scott.
Ellenborough, Lord; Chief Justice King's Bench. s. unter
Judges.
E r s k i n e , Lord Chancellor, s. unter Judges.
Fox, Rt. Hon. Charles James; Politiker und Redner, der große
Rivale Pitts. In Eton lebte er mehr für sich und war
fleißig, aber gleichzeitig ein verschwenderischer dandy.
Man betrachtete ihn dort als einen sehr vielversprechen-
den jungen Mann. Mit 25 Jahren war er bereits eine
markante Erscheinung im House of Commons und
gleichzeitig ein großer Spieler.
Q. Sir Stephen Fox; Politiker, Zahlmeister der Mächte; das
Invalidenhaus in Chelsea ist hauptsächlich ihm zu ver-
danken, er schlug den Plan vor und steuerte ^ 13 000 bei.
o. Charles, dritter Duke von Richmond; 1766 Hauptstaats-
sekretär.
V. Henry; ernannt zum Lord Holland; Intendant des
Heeres.
B. Stephen; zweiter Lord Holland; Staatsmann und sozialer
Führer.
120 Politiker.
N. Henry R, dritter Lord Holland; Fellow of the Royal
Society of Arts, Fellow of the Society of Antiquaries,
Syndikus von Nottingham (s. Lord Brougham's Pany-
girikus auf diese Männer in seinen „Politikern unter
Georg IIL"). Seine Tante, Lady Sarah, die Schwester
des Duke von Richmond, heiratete den Oberst Napier
und war die Mutter der berühmten Familie Napier,
Oberst Napier selbst war eine wahrhafte Heldengestalt.
Er hatte sowohl in geistiger als physischer Beziehung
ungewöhnliche Kräfte und auch wissenschaftliche Nei-
gungen. Er war Superintendent des Woolwich-Labo-
ratoriums und Rechnungskontrolleur der Armee.
oS. General Sir Charles James Napier, Ritter des Groß-
kreuzes des Bathordens, Chefkommandant in Indien; Er-
oberer von Scinde.
oS. General Sir William Napier; Historiker des Feldzugs
der Engländer gegen Napoleon in Spanien.
(3oS'.) Außerdem existierten drei Brüder Napier, die als be-
merkenswerte Männer galten, nämlich: General Sir
George, Gouverneur vom Kap der guten Hoffnung;
Richard Q. C. und Henry, Kapitän und Autor einer „Ge-
schichte von Florenz".
iVS. H. Bunbury, Senior - classic seines Jahres (1833) in
Cambridge.
Francis, Sir Philip; gilt allgemein als „Junius", der Pseudo-
nyme Verfasser politischer „Letters" im Public Adver-
tiser 1769/72, ein heftiger Gegner Hastings in Indien,
V. Rev. Philip; Dichter und dramatischer Schriftsteller,
Übersetzer des Horaz und anderer Klassiker. Hatte eine
Schule, die Gibbon besuchte. War gleichfalls ein poli-
tischer Polemiker.
G o d e r i c h , Viscount, s. Robinson.
G r a 1 1 a n , Henry; Redner und Politiker.
(GB) Sir Richard Grattan, Lord Mayor von Dublin.
g. Thomas Marley, Chief Justice von Irland,
(V) James Grattan, Syndikus von und Parlamentsmitglied
für Dublin.
(S) Right Honourable James Grattan.
Q r e n V i 1 1 e , George, 1763 Premierminister.
Politiker. 121
Die sehr bemerkenswerten Verwandten der Familie
Qrenville und die Resultate der Vermischung der Fa-
milie Temple einerseits mit der Familie des ersten Earl
von Chatham, anderseits mit der Familie Wyndham, er-
sieht man am besten aus der beifolgenden Tabelle.
g. Sir Richard Temple; ein führendes Mitglied im House
of Commons.
o. General Sir Richard Temple; ernannt zum Viscount
Cobham, diente unter Marlborough.
B. Richard, folgte seiner Mutter, der Gräfin, als erster Earl
Temple; Politiker; Großsiegelbewahrer.
S. William Wyndham Grenville; ernannt zum Lord Qren-
ville; 1806 Premierminister.
S. George, 2ter Earl Temple; ernannt zum Marquis
Buckingham; zweimal Vizekönig von Irland.
S. Thomas, der seine Bibliothek dem British Museum hin-
terließ.
Qrenville, William Wyndham ; ernannt zum Lord Grenville ;
1806 Premierminister; Kanzler der Universität Oxford.
B. Marquess Buckingham, zweimal Vizekönig von Irland.
V. Georg Grenville; 1763 Premierminister.
g. Sir William Wyndham; Baronet, Intendant des Heeres
und Schatzkanzler.
oS. William Pitt, Premierminister.
O. Richard Grenville; ernannt zum Earl Temple; Politiker.
Grey, Charles, 2 ter Earl; 1830—34 Premierminister.
V. General in Amerika, nahm frühzeitig am Krieg gegen
Frankreich teil, wurde seiner Verdienste wegen zum
Earl Grey ernannt.
B. Edward, Bischof von Hertford.
S. Henry G., 3 ter Earl, Politiker; schrieb über Kolonial-
regierung und Reformen.
S. Sir Charles Grey, Privatsekretär der Königin.
Holland, Lord, s. Fox.
H 0 r n e r , Francis, Politiker, Finanzmann. Einer der Gründer
der Edinburgh Review; später stieg er im Parlament
rasch zu großem Ansehen auf. Seine Karriere wurde
durch seinen frühen Tod, im 39. Lebensjahre, abge-
brochen.
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Politiker. 123
B. Leonard Horner, Geologe; viele Jahre hindurch ein
hochgeachtetes Mitglied der wissenschaftlichen Welt.
Jenkinson, Robert Banks, 2 ter Earl von Liverpool ; 1812-27.
V. Right Hon. Charles Jenkinson, ernannt zum Lord Liver-
pool; Staatssekretär, ein vertrauter Freund und Rat-
geber Georgs ill.
(O) John Jenkinson, Oberst; Joint Sekretär für Irland.
(OS) John Banks Jenkinson, Doktor der Theol., Bischof von
St. David.
J er vis, John Admiral; ernannt zum Earl St. Vincent; erster
Lord der Admiralität.
0. Right Hon. Sir Thomas Parker; Ch. B. E.
OE. Thomas Jervis, Parlamentsmitglied, Chief Justice von
ehester.
OES. Sir John Jervis, Parlamentsmitglied, Attorney-General;
Ch. C. P. (Vict.).
King, Lord, s. Judges.
L a m b , WilHam, 2 ter Visc. Melbourne, 1834 und 1835—41 Pre-
mierminister.
B. Frederick, Diplomat, Gesandter in Wien, ernannt zum
Lord Beauvale,
B. George, Parlamentsmitglied, Unterstaatssekretär für das
Mmisterium des Innern.
h. Lady Palmerston.
e. Rt. Hon. Wm. F. Cowper, Präsident des städt. Bauamts
usw.
Lansdowne, Marquis, s. Petty.
Liverpool, Lord, s. Jenkinson.
Londonderry, s. Stewart.
Nelson, Admiral, ernannt zum Earl Nelson, s. Feldherren.
North, Lord; ernannt zum Earl Guilford; Premierminister
1770—82.
(GV.) Francis, Ister Baron Guilford, Lord Keeper (Jakob IL).
Seine drei Brüder und andere hervorragende Verwandte
s. unter Judges (s. auch genealogische Tabelle).
Palmerston, s. Temple.
Peel, Sir Robert, 1834—35, 1841—45, 1845—46 Premierminister.
V. Sir Robert Peel, Parlamentsmitglied, zum Baronet er-
nannt. Ein sehr wohlhabender Baumwollfabrikant und
124 Politiker.
von großer merkantiler Geschicklichkeit. Er gründete
den Reichtum der Familie, Er war Vize-Präsident der
Literarischen Gesellschaft.
g. Sir John Floyd, General, zum Baronet wegen seiner
Verdienste in Indien ernannt.
B. Right Hon. General Peel, Kriegsminister.
B. Right Hon. Lawrence Peel, Chief Justice des obersten
Gerichtshofs in Calcutta.
Ferner noch zwei Brüder von mehr als durchschnitt-
licher Befähigung.
S. Rt. Hon. Sir Robert, 2ter Baronet; Hauptsekretär für
Irland.
S. Right Hon. Frederick, Unterstaatssekretär des Kriegs-
departements.
S. Kapitän zur See William Peel, zeichnete sich in Indien
und Sebastopol aus.
Perceval, Spencer; 1810 — 12 Premierminister.
n. 2ter Lord Redesdale, Comite-Vorsitzender im Hause
der Lords. (Er war der Sohn des Lord Chancellor von
Irland.)
n. Right Hon. Spencer Walpole, Staatssekretär für das Mi-
nisterium des Innern.
Petty, William Petty; 2ter Earl Shelburne; ernannt zum Mar-
quis Lansdowne; 1782 — 83 Premierminister. Ein eifriger
Anhänger des Earl von Chatham; vorher hatte er sich
in der Armee bei Minden ausgezeichnet.
GV. William Petty, Arzt, Politiker und Schriftsteller; Gene-
ral-Inspektor der königl. Wälder und Domänen in Ir-
land; ein Mensch von wunderbarer Gewandtheit, der in
allem erfolgreich war, incl. Gelderwerb.
S. 3 ter Marquis Lansdowne, Politiker und Schriftsteller.
In seiner Jugend, als Lord Henry Petty, gehörte er zu
der Gesellschaft, die die Edinburgh Review gründete.
Dann tat er sich im Parlament als Whig hervor und war
mehr als einmal Staatssekretär, mit 26 Jahren war er
englischer Finanzminister.
Pitt, William, ernannt zum Earl von Chatham; 1766 Premier-
minister. Ursprünglich in der Armee, die er mit 28
Jahren verließ; später ein heftiger Gegner Walpoles im
Politiker. 125
Parlament, „der schreckliche Dragonerfähnrich", später,
mit 49 Jahren, wurde er einer der fähigsten Politiker,
der glänzendste Redner und die erste bewegende Kraft
der Politik in England. Heiratete eine Qrenville (s.
Qrenville wegen des Stammbaums).
(G.) Thomas Pitt, Gouverneur des Fort George, der auf die
eine oder andere Weise in Indien ein großes Vermögen
erwarb.
S. William Pitt, Premierminister,
e. Lady Hester Stanhope.
Pitt, William, 2 ter Sohn des ersten Earl von Chatham. Be-
rühmter Politiker. 1783—1801 und 1804—6 Premier-
minister, frühreif und von hervorragendem Talent; in
seiner Kindheit oft kränklich; mit 14 Jahren ein treff-
licher Schüler, hatte nie ein kindisches Wesen und wurde
mit 18 Jahren ein gesunder Jüngling. War mit 24 Jah-
ren Finanzminister und mit 25 Premierminister; das
letztere Amt behielt er 17 Jahre hintereinander. Seine
Gesundheit wurde früh durch die Gicht gebrochen. Starb
mit 47 Jahren.
V. Earl von Chatham, Premierminister.
n. Lady Hester Stanhope.
o. George Grenville, Premierminister,
nS. Lord Grenville, Premierminister.
n. Lady Hester Stanhope, die die Honneurs seines Hauses
machte und gelegentlich als sein Sekretär funktionierte.
Sie war hochgebildet, aber sehr exzentrisch und mehr
als halb verrückt. Nach Pitts Tod lebte sie in Syrien,
wo sie die Tracht der männlichen Eingeborenen trug und
übernatürliche Kräfte lehrte.
P o r 1 1 a n d , Duke von, s. Bentinck.
R i p o n , Earl von, s. Robinson.
Robinson, Frederick, John ; erster Viscount Goderich und
Earl von Ripon, 1827 — 28 Premierminister.
G. Thomas Robinson, ernannt zum Baron Grantham, Di-
plomat; später Staatssekretär.
V. Thomas Robinson, 2 ter Baron, auch Diplomat und später
Staatssekretär des Äußeren.
gB. Charles Yorke, Lord Chancellor, s. Judges.
126 Politiker.
gV. Philip Yorke, erster Lord Hardwicke Ld, Chancellor, s.
Judges.
S. George F. (ererbter) Earl de Qrey und Ripon, Intendant
des Heeres.
Romilly, Sir Samuel; hervorragender Jurist und Politiker.
Seine Eltern waren französische Flüchtlinge. Er war
in seiner Jugend von ernsthafter Gemütsart, war ein
Autodidakt und erhielt sich selbst. Wandte sich dann
dem Barreau zu und zog durch ein Pamphlet die Auf-
merksamkeit auf sich. Er stieg in seinem Beruf rasch
auf und wurde SoHcitor - General und Parlamentsmit-
glied. Ein hervorragender Reformer von Strafgesetzen.
Beging mit 61 Jahren Selbstmord.
S. Right Hon. Sir John Romilly, ernannt zum Lord Romilly;
Attorney - General und Oberaufseher der Archive des
High Court of Chancery, s. Judges.
Russell, erster Earl; Premierminister s. Bedford.
Scott, William; ernannt zum Lord Stowell, Judge der Admira-
lität.
B. Lord Eldon, Lord Chancellor, s. Judges.
Lord Stowell und Lord Eldon waren beide Zwillinge
und hatten jeder zusammen mit einer Schwester das
Licht der Welt erblickt.
Shelburne, Earl von, s. Petty.
Sheridan, Richard Brinsley ; Redner, hatte einen außerordent-
lichen Witz und war Dramatiker. Als siebenjähriges
Kind war er stumpf. Mit 11 war er faul und nachlässig,
aber reizend, und zeigte den Glanz einer höheren In-
telligenz, wie Dr. Parr bezeugt. Als er die Schule ver-
ließ, schrieb er, was er später in der „Critic" entwickelte.
Schrieb die „Rivals" mit 24 Jahren. Starb stumpf an
Körper und Geist mit 65 Jahren.
Er ging in seiner Jugend mit Miss Linley durch, einer
beliebten Sängerin von großem persönlichem Reiz und
außerordentlichem musikalischen Talent. Tom Sheridan
war der Sohn dieser Ehe. Miss Linleys Vater war ein
musikalischer Komponist und Direktor des Drury Lane
Theater. Die Familie Linley war „ein Nest von Nachti-
gallen", alle hatten Talent, Schönheit und Stimme. Mrs.
Politiker. 127
Tickel war eine von ihnen. Der Name Sheridan ist be-
sonders an eine Reihe glänzender und gewinnender, aber
auch nichtsnutziger Eigenschaften geknüpft. Richard
Brinsleys Talent war ein Strohfeuer und hinterUeß
Resultate, die in keinem Verhältnis zu seiner be-
merkenswerten Kraft standen. Seine Rednergabe
und seine gewinnende Art machten ihn zu einem
Star der Gesellschaft; doch war er weder ein führender
Politiker, noch ein wahrer Freund. Er war ein ausge-
zeichneter lustiger Zechgenosse, aber unglücklich in
seinen häuslichen Verhähnissen. Rücksichtslose Ver-
schwendung, Spiel und ein wildes Leben brachten ihn
in Schulden und Zahlungsschwierigkeiten und ruinierten
frühzeitig seine Gesundheit. Diese Eigenschaften finden
sich in stärkerem oder schwächerem Grad unter zahl-
reichen Mitgliedern der FamiUe Sheridan, auch unter
jenen, deren Biographien veröffentlicht wurden, und es ist
außerordentlich lehrreich, zu sehen, wie stark sie sich
vererbten.
V. Thomas Sheridan, Autor des Dictionaire. Unterrichtete
in Rednerkunst, hatte Verbindungen mit Theatern, war
mit 25 Jahren Direktor von Drury Lane. Er war ein
grillenhafter, aber kein eigensinniger Mensch.
/. Frances Chamberlain, sehr gebildet und liebenswürdig.
Ihr Vater wollte nicht gestatten, daß sie schreiben lerne;
ihre Brüder lehrten es sie heimlich; als sie 15 Jahre alt
war, zeigte sich ihr Talent für literarische Kompositio-
nen. Sie schrieb einige Komödien, von denen Garrick
eine ebenso sehr lobte, als Fox und Lord North ihre No-
velle „Sydney Biddulph" priesen.
g. Rev. Dr. Philip Chamberlain, ein bewundernswerter
Prediger, aber humoristisch und voller Launen. (Ich
weiß nichts über den Charakter seiner Frau Miss Lydia
Whyte.)
G. Rev. Dr. Thomas Sheridan, Freund und Korrespondent
von Dean Swift. Ein gesellschaftlicher, witzelnder, Zeit
vertrödelnder Mensch, sorglos und indolent, von leb-
haftem Temperament. „Seine Feder und seine Geige
waren in ständiger Bewegung."
128 Politiker.
S, Tom Sheridan, ein robuster Bruder - Liederlich und
ein Sheridan mehr als alle anderen, (Er hatte auch das
Linley-Blut in sich, s. oben), heiratete und starb jung und
hinterließ eine große Familie, von denen eine ist
E. Caroline, Mrs. Norton, Dichterin und Schriftstellerin.
ES. Lord Dufferin, später Sekretär für Irland, ist der Sohn
einer anderen Tochter.
Stanley, Edward Geoffrey; Hter Earl von Derby, 1852, 1858
— 59, 1866 — 68 Premierminister, Gelehrter, übersetzte
Homer in englische Verse, ein ebenso guter Redner als
Politiker.
V. Naturforscher, Präsident der Linne- und der Zoologischen
Gesellschaft, bekannt durch seine Bemühungen, Tiere
zu akklimatisieren.
oS. Rev. J. J. Hornbey, erster Lehrer in Eton, Gelehrter und
Wettkämpfer.
S. Edward, Lord Stanley, Staatssekretär für Auswärtige
Angelegenheiten.
Stewart, Robert, der berühmte Viscount Castlereagh und
2 ter Marquess Londonderry. Große Hoffnungen wur-
den in ihn gesetzt, als er in jungen Jahren ins Parlament
eintrat, doch enttäuschte er sie anfangs, da er ein sehr
ungleichmäßiger Redner war. Nichtsdestoweniger wurde
er mit 29 Jahren Führer im Hause der Gemeinen. Beging
Selbstmord.
V. War Parlamentsmitglied für die Grafschaft Down und
stieg durch Peerswürden bis zur Marquiswürde auf.
oS. Sir George Hamilton Seymour, hatte das Großkreuz des
Bathordens, Diplomat, namentlich in Rußland und Öster-
reich.
B. (Halbbruder, Enkel des Lord Chancellor Camden.) Char-
les William; ernannt zum Earl Vane; mit 30 Jahren Ge-
neral-Adjutant unter Wellington in Spanien,
(e.) (Auch Enkel des Duke von Graf ton, der 1767 Premiermini-
ster war.) Admiral Fitzroy; hervorragender Seereisen-
der („Voyage of the Beagle"), Vorsteher der Meteorolo-
gischen Abteilung des Handelsministeriums.
Stuart, John, 3 ter Earl von Bute; 1762—63 Premierminister.
Politiker. 129
o. 2ter Duke von Argyll; ernannt zum Duke von Green-
wich; Politiker und General. War im Kommando bei
der Schlacht bei Sheriffmuir.
„Argyll des Staates ganzen Donner geboren zu
schwingen,
Senat und Feind im Feld gleich zu bezwingen."
Pope.
GV. Sir George Mackenzie, Generalanwalt; hervorragender
Jurist.
G. Sir James Stuart, erster Earl von Bute ; geheimer Staats-
rat der Königin Anna.
GG. Robert Stuart, erster Baronet, Richter des Obersten
Zivilgerichtshofs in Schottland, wie Lord Tillicoultry.
GB. Dugald Stuart, gleichfalls ein Richter des Obersten Zi-
vilgerichtshofs in Schottland.
B. Right Hon. James Stuart, der den Zunamen Mackenzie
annahm, Geheimsiegelbewahrer von Schottland.
S. General Sir Charles Stuart; unterjochte Minorca.
S. William. Dr. der Theologie, Erzbischof von Armagh.
E. Charles, Gesandter in Frankreich, ernannt zum Baron
Stuart von Rothesay. Seine Urgroßmutter (Gf) war
Lady Wortley Montagu; reizvolle Briefschreiberin ;
führte die Impfung aus dem Osten ein.
Temple, Henry J.; Lord Palmerston, mit 80 Jahren Premier-
minister 1855—58, 1859—65. War sonderbar träge und
zeigte selten seine großenTalente, obgleich erstetsalsein
befähigter Mann betrachtet wurde und bei seinen Unter-
nehmungen stets Erfolg hatte. Er hatte eine ausgezeich-
nete Konstitution und ein lebhaftes Temperament, aber
er war nicht ehrgeizig im gewöhnlichen Sinne dieses
Wortes und bequemte sich nicht gern zur Arbeit. Er war
45 Jahre alt, ehe seine politischen Talente klar ent-
wickelt waren.
Sein Vater wird als Muster der Gattenliebe beschrie-
ben; er setzte seiner Frau eine sehr pathetische und
doch sehr natürliche Grabschrift. War ein Freund von
Literatur und Malerei.
B. Sir William Temple; Bevollmächtigter Minister am Hof
Galton. Genie und Vererbung. ^
130 Politiker.
von Neapel. Begründer der „Temple-Collection" italie-
nischer Antiquitäten und Kunstwerke im British Museum.
QGB. Sir William Temple, Swifts Gönner.
GG. Sir John Temple, Attorney-General und Speaker des
Hauses der Gemeinen in Irland.
GGV. Sir John Temple, Oberarchivar in Irland; selbst er war
nicht der erste in der Familie, der Fähigkeiten zeigte.
Thurlow, Lord; Lord Chancellor, s, unter Judges.
St. Vincent, Earl, s. Jervis.
Walpole, Sir Robert, ernannt zum Earl von Orford; 1721 — 42
Premierminister (unter Georg I. und IL, aber in Brou-
ghams Buch unter den Politikern Georg III. angeführt). In
seinem Privatleben herzlich, gutgeartet und gesellig.
Hatte eine glückliche Art sich Freunde zu machen. Große
Überzeugungskraft. Hatte ein großes Talent für Ge-
schäfte aller Art und betrieb seine Arbeiten mit der
größten Leichtigkeit und Ruhe.
Q. Sir Edward Walpole, Parlamentsmitglied, ausge-
zeichnetes Mitglied des Parlaments, das Karl IL re-
staurierte.
B. Horatio; hoher Diplomat, wurde zum Baron Walpole er-
nannt.
S. Sir Edward; Chefsekretär für Irland,
S. Horace; berühmt in Literatur und Kunst; Strawberry
Hill, ein ausgezeichneter Briefschreiber, Byron nennt
seine Briefe unvergleichlich. Hatte die Gicht. Starb
mit 80 Jahren,
ne. Admiral Lord Nelson.
Ein Enkel (G) von Horatio war ständiger Gesandter
in München, ein anderer in Portugal, Einer der Söhne
des ersteren ist Rt, Hon. Spencer Walpole, Staats-
sekretär.
]V. Mrs. Damer, Bildhauerin, Tochter des Feldmarschall
Conway, Cousin von Horace Walpole.
Wellesley, Richard; ernannt zum Marquess von Wellesley;
Generalgouverneur von Indien; äußerst hervorragender
Politiker und Gelehrter.
B. Arthur, der große Duke von Wellington.
(B.) Erster Baron Cowley, Diplomat.
Politiker. 131
(V.) Erster Earl von Morriington, hervorragende musikalische
Neigungen. Er erbte die Besitzungen und den Namen,
aber nicht das Blut der Wesleys, deren Nachkommen
die berühmten Dissidenten waren, sein Vater, Richard
Colley, hatte die Erbschaft von dem Gatten seiner Tante
übernommen, der ein Wesley war.
Der berüchtigte Judge, Sir John Trevor, der Vetter und
und Rivale des fähigeren, aber schwerlich noch nieder-
trächtigeren Judge Jeffreys.
N. Henry Wellesley; ernannt zum Earl Cowley; Diplomat,
Gesandter in Frankreich.
S. (Illegitim.) Rev. Henry Wellesley, Dr. der Theologie;
Direktor von New Inn Hall, Oxford; ein Gelehrter von
ausgedehnter literarischer Bildung und bemerkenswerten
künstlerischen Neigungen.
Wellesley, Arthur, ernannt zum Duke von Wellington, Pre-
mierminister s. Feldherren.
B. Marquess Wellesley.
V. Earl Mornington.
N. Earl Cowley.
N. Rev. Henry Wellesley.
Wilberforce, William; Philantrop und Politiker; in seiner
Kindheit von sehr schwächlicher Konstitution. Schon mit
7 Jahren zeigte er ein bemerkenswertes rednerisches
Talent; hatte eine sonderbar melodische Stimme, die
nachweislich vererbt war, sang gut, war sehr lebhaft,
im College oberflächlich. Trat mit 21 Jahren ins Parla-
ment ein und erlangte hohen Ruf, ehe er noch 25 Jahre
alt war.
S. Samuel, Bischof von Oxford, Prälat, Redner und Ad-
ministrator.
(S.) Robert Archidiakonus, Fellow des Oriel College in Ox-
ford, wurde später römisch-katholisch.
(S.) Henry William; Gelehrter, Oxford 1830, wurde später
römisch-katholisch.
Supplement-Liste
großer Politiker verschiedener Zeiten und Länder.
Adams, John (1735—1826), zweiter Präsident der Vereinigten
9*
ebenso
132 Politiker.
Staaten . Studierte Jus, worin er trühzeitig großen Ruf
und Praxis hatte; war mit 30 Jahren aktiver Politiker.
Nahm hervorstechenden Anteil am Unabhängigkeits-
kampf seines Vaterlandes.
S. John Quincey Adams, sechster Präsident der Vereinigten
Staaten; vorher ständiger Gesandter in Berlin, Rußland
und Wien.
E. Charles Francis Adams, der kürzliche wohlbekannte
amerikanische ständige Gesandte in London, Autor von
„Life of John Adams".
Arteveldt, Jakob van (1345 ?), Anstifter von Gent; bekannter
Führer während der Revolution in Flandern; übte neun
Jahre lang die souveräne Macht aus.
S. Philipp van Arteveldt. s. unten.
Arteveldt, PhiHpp van (1382?), Führer der Volkspartei lange
nach dem Tode seines Vaters. Er war gut gebildet und
wohlhabend und hatte sich bis zu seinem 42sten Jahr
von der Politik ferngehalten, in die er durch die Volks-
partei hineingezerrt wurde und durch Akklamation zu
ihrem Anführer ausgerufen wurde, führte die Nieder-
länder tapfer gegen die Franzosen, wurde aber schließ-
lich besiegt und erschlagen.
V. Jakob van Arteveldt, s. oben.
B u r 1 e i g h , Earl s. Cecil.
C e c i 1 , William, ernannt zum Lord Burleigh; Politiker (Elisabeth);
Lord-Schatzkanzler. „Der befähigste Minister einer be-
fähigten Regierung." War Sekretär oder Minister-
präsident fast während der ganzen langen Regierung
der Königin Elisabeth, die 45 Jahre dauerte. Er war in
Cambridge wegen seiner Arbeitskraft und seiner regel-
mäßigen Gewohnheiten ausgezeichnet, heiratete zum
zweiten Mal die Tochter von Sir Anthony Cooke, Studien-
leiter Eduards VI. und Schwester von Lady Bacon, der
Mutter des großen Lord Bacon. Mit ihr hatte er
S. Robert Cecil, der zum Earl of Salisbury ernannt wurde
am gleichen Tage, wo sein älterer Bruder zum Earl von
Exeter ernannt wurde. Er war von schwächlicher Ge-
sundheit und mißgestaltet. Folgte seinem Vater als
Erster Minister unter Elisabeth und später unter Jakob I.,
Politiker. 133
war unfraglich der befähigste Minister seiner Zeit, aber
kaltherzig und selbstsüchtig. Lord Bacon war sein oS.
(B.) Erster Earl von Exeter.
(V.) Qarderobenmeister Heinrichs VIII.
Colbert, Jean Baptiste; französischer Politiker und Finanz-
mann (Ludwig XIV.), hervorragend durch die Unter-
stützungen, die er öffentlichen Werken und Institutionen,
sowie dem Handel und der Manufaktur angedeihen ließ.
Er wurde schon früh von Mazarin voll eingeschätzt, der
ihn als seinen Nachfolger empfahl. Er wurde mit 49
Jahren Minister und war gewöhnt, täglich sechzehn
Stunden zu arbeiten. Seine Familie gab Frankreich viele
ausgezeichnete Diener.
O. Oudard, ein Großkaufmann, der ein hervorragender Fi-
nanzmann wurde.
B. Charles, Politiker und Diplomat.
S. Jean Baptiste; Politiker, intelligent und von festen Vor-
sätzen ; befehligte noch als Jüngling die Expedition gegen
Genua 1684.
S. Jaques Nicolas, Erzbischof, MitgHed der Akademie.
N, Jean Baptiste (Sohn von Charles), Diplomat.
N. Charles Joachim, Prälat. Die Familie fuhr auch in der
nächsten Generation fort, Fähigkeiten zu zeigen.
C r 0 m w e 1 1 , Oliver, Lord-Protektor des Gemeinwohls.
OS. Hampden, der Patriot, von dem Lord Clarendon sagt:
„er habe einen Kopf zum Erfinden, eine Zunge zum
Überzeugen und ein Herz jedes Unheil zu vollführen."
Das Wort „Unheil" hier natürlich als Gegnerschaft gegen
den König gemeint.
Oe. Edmund Waller, der Dichter, ein Mann von sehr be-
trächtlichen Fähigkeiten, sowohl in Poesie als in parla-
mentarischer Beredsamkeit, aber nicht völlig fest in
seinen Prinzipien. Er war ein n. von Hampden.
S. benahm sich in der Armee mit Unerschrockenheit und
arbeitete in Irland als Vizekönig mit Auszeichnung. Er
hatte noch einen Sohn und vier Töchter, die befähigte
Männer heirateten, deren Nachkommen aber nicht be-
merkenswert waren. Der Cromwell-Stamm war von
viel weniger Bedeutung als man nach seinen eigenen An-
134 Poütiker.
lagen und denen seiner Seitenverwandten hätte erwarten
können. Außer seinem Sohn Henry gibt es keinen be-
deutenden Namen unter den zahlreichen Nachkommen
von Oliver Cromwell. Henrys Söhne waren unbe-
deutende Menschen, ebenso die von Richard und ebenso
die von Cromwells Töchtern, trotz ihrer Ehen mit so her-
vorragenden Männern wie Ireton und Fleetwood. Eine
von Olivers Schwestern heiratete den Erzbischof Tillot-
son und hatte Kinder von ihm, aber sie taten sich durch
nichts hervor.
Q u i s e , Frangois Balafre, Duc de. Der berühmteste
unter den Generälen und politischen Führern dieser
machtvollen französischen Familie. Er hatte ein großes
militärisches Talent und zeichnete sich schon mit 34 Jah-
ren besonders als General aus und wurde dann zu der
Würde eines General-Leutnant des Königreichs erhoben.
B. Charles, Kardinal von Lorraine.
S. Henri (Duc von Guise auch Balafre genannt). Er war
weniger edelmütig und aufrührerischer als sein Vater. Er
war der Anstifter der Bartholomäusnacht und gab die Ver-
anlassung zu Colignys Mord, wurde selber im Alter von
38 Jahren auf Heinrichs IIL Befehl ermordet.
S. Kardinal, verhaftet und im Gefängnis getötet, am gleichen
Tage wie sein Bruder.
(S.) Duc de Mayenne.
E. Charles war zusammen mit seinem Onkel, dem Duc de
Mayenne, Führer der Liga gegen Heinrich IV.
ES. Henri, konspirierte gegen den Kardinal RicheUeu.
Die Familie Guise hatte vier Generationen be-
merkenswerter Männer.
Mirabeau, H. G. Riqueti, Comte de, französischer Politiker.
„Der Alcibiades der französischen Revolution". Ein
Mann von starken Leidenschaften, gewaltiger Einbil-
dungskraft und großen Fähigkeiten. Er hatte eine wun-
derbar bewegliche Intelligenz und hungerte nach jeder
Art von Wissen.
V. Marquis de Mirabeau, Autor von „L'ami des Hommes",
ein Führer der Physiokraten, Philantrop von Beruf und
ein harter Despot in seiner eigenen Familie.
Politiker. 135
(B. und b.) Unter den Brüdern und Schwestern Mirabeaus gab
es bemerkenswerte Charaktere, aber ich bin leider nicht
imstande, Tatsachen nachzuweisen, nach denen sie klar
geschätzt werden könnten.
Unter den Mirabeaus oder richtiger Riquattis, denn
Mirabeau war ein angenommener Name, soll es viele
Generationen hindurch Männer vor großer Geisteskraft
und starkem Charakter gegeben haben. So erzählt St.
Beuve, und ich gebe hier das ganze Zitat, ohne mich
wegen des Interesses zu entschuldigen, das sich an die
Charakteristiken der Mirabeaus knüpft.
„Les Correspondances du pere et de Toncle du
grand tribun, la notice sur son grand-pere et en general
toutes les pieces qui fönt le tissu de ces huit volumes,
ont revele une race ä part, des caracteres d'une ori-
ginalite grandiose et haute, d'oü notre Mirabeau n'a eu
qu'ä descendre pour se repandre ensuite, pour se pre-
cipiter comme il l'a fait et se distribuer ä tous, tellement
qu'on peut dire qu'il n'a ete que l'enfant perdu, l'enfant
prodigue et sublime de sa race."
Er vereinigte Eigenschaften des Vaters mit denen der
Mutter. „Ce n'etait suivant la definition de son pere
qu'un male monstreux au physique et au moral.
„II tenait de sa mere la largeur du visage, les in-
stincts, les appetits prodigues et sensuels, mais probable-
ment aussi ce certain fond gaillard et gaulois, cette
faculte de se familariser et de s'humaniser que les Ri-
quetti n'avaient pas et qui deviendra un des moyens de
sa puissance. Une nature riche, ample, copieuse, gene-
reuse, souvent grossiere et vicee, souvent fine aussi,
noble, meme elegante et en somme, pas du tout mon-
streuse, mais des plus humaines."
More, Sir Thomas, Lord Chancellor (Heinrich VIII.), hervor-
ragender Politiker und Schriftsteller; besonders Uebens-
würdig, unaffektiert fromm und beherzt bis zum Tode.
Als er 13 Jahre alt war, pflegte der Dekan der St. Pauls-
kirche von ihm zu sagen: „Es gibt nur ein Genie in
England, und das ist der junge More."
V. Sir John More, Just. K. B.
136 Politiker.
(S. und 3 s.) Außer seinen drei sehr gebildeten Töchtern Mar-
garet Roper, Elizabeth Dauncy und Cecilia Heron, hatte
Sir Thomas More einen Sohn John. Von dem Mangel
an Talenten bei diesem Sohn ist zuviel gesprochen
worden. Sein Vater rühmte die Reinheit seines Lateins
mehr als das seiner Töchter, und Grynaeus (s. unter
Geistlichen) dedizierte ihm eine Plato-Ausgabe, während
Erasmus ihm die Werke des Aristoteles widmete. Er
war charakterfest genug, um des Königs Obergewalt zu
leugnen und wurde deswegen einige Zeit im Tower
unter Androhung der Todesstrafe gefangen gehalten.
„Life of More" by Rev. Joseph Hunter, 1828, Vorwort
S. XXXVI.
Richelieu, Armand J. du Plessis, Kardinal, Duc. de. Der
große französische Minister unter Ludwig XIV. Er
wurde für das Heerwesen erzogen, widmete sich aber
selber dem Studium und trat in einem sehr frühen Alter
— früher als gesetzlich — in die Kirche ein, wurde Dok-
tor. Mit 39 Jahren war er Hauptminister und regierte
seither 18 Jahre lang absolut. Er war kein liebens-
würdiger Mensch. Er verfolgte nur ein Ziel — die Er-
reichung eines strengen Despotismus. Starb mit 37
Jahren.
V. FrauQois du Plessis, seigneur de Richelieu; zeichnete
sich als Soldat und Diplomat aus. Wurde durch Pro-
tektion grand prevot de France und wurde von Hein-
rich IV. hoch belohnt.
(B.) Henri; Marechal du camp und wurde in einem Duell
erschlagen, als er als Gouverneur von Angers ernannt
werden sollte.
B. Alphonse L., Kardinal von Lyon; wurde ein Kartäuser-
mönch und befleißigte sich großer Enthaltsamkeit. Er
benahm sich edel in Lyon zur Zeit der Pest.
BE. (Enkel von Henri.) Louis F. Armand, Duc de Richelieu.
Er war Marschall von Frankreich und personifizierte das
achtzehnte Jahrhundert, er war frivol, liebte Intriguen,
war unmoralisch, kannte keine Gewissensbisse, von un-
erschütterlichem Humor und mutig. Er war ein Sieben-
Politiker. 137
monatskind und lebte bis zu seinem 92. Jahr. Seine
Kinder waren:
BES. Der „trop ceiebre" Duc de Fronsac.
BES. Die witzige und schöne Comtesse de Egmont.
BEE. (Sohn des Duc de Fronsac) Armand E., Duc de Riche-
lieu; Erster Minister von Frankreich unter Ludwig
XVIII. Starb 1822.
nS. Comte de Gramont, witzig und Höfling, s. unter Lita-
raten.
W i 1 1 , D e , Sohn, John. Der jüngere Bruder von zwei der fähig-
sten und geehrtesten niederländischen Politiker. Sie waren
in ihrer Karriere unzertrennlich, aber in ihren Charakteren
verschieden, jedoch war jeder von ihnen ein vollendeter
Repräsentant seines Typus. John spielte die hervor-
stechendere Rolle infolge seines genialen, gewandten
und ehrgeizigen Charakters. Er stieg durch verschiedene
Ämter auf, bis er mit 27 Jahren Präsident der Qeneral-
staaten, der eigentliche oberste Beamte Hollands, wurde.
Wurde mit 47 Jahren barbarisch ermordet.
B. Cornelius de Witt s. unten.
(V.) Ein Parteiführer von einiger Bedeutung,
Witt, De, Cornelius, hatte solidere, wenn auch weniger glän-
zende Eigenschaften als sein Bruder. In Wirklichkeit
war er der bedeutungsvollere Träger jener Macht, die
sein Bruder John ausübte. Wurde gleichfalls mit 49
Jahren barbarisch ermordet.
B. John de Witt, s. oben.
(V.) s. oben.
Die Verleihung der Pairswürde und ilir Einfluß auf die Rasse.
Sehr häufig wurde die richtige Bemerl^ung gemacht, daß die
Familien großer Menschen die Neigung haben auszusterben, aus
dieser Tatsache schließt man nun, daß geistig befähigte Menschen
unfruchtbar sind. Wäre dies der Fall, so würde jeder Versuch,
eine hochbegabte Rasse von Menschen zu züchten, am Ende zu
einem Mißerfolg führen. Begabte Individuen könnten dann zwar
auferzogen werden, aber sie wären unfähig, auf eine Nach-
kommenschaft ihre Eigenschaften zu übertragen.
Ich habe vor, in einem späteren Kapitel, wenn ich die ver-
schiedenen Gruppen hervorragender Männer bereits durchge-
nommen habe, zu untersuchen, bis zu welchem Grade über-
ragendes Genie mit Sterilität verbunden ist, doch scheint es mir
am Platze, schon jetzt einiges über die Gründe eines Ausfalls
an Nachkommenschaft bei den Judges und Politikern zu sagen,
um so zu irgend einem Schluß zu kommen, ob eine Zucht von
Männern mit der durchschnittlichen Begabung jener hervorragen-
den Männer sich in einer unbegrenzten Zahl einander folgender
Generationen halten kann oder nicht. Ich will sogar noch etwas
weiter gehen und von den ausgestorbenen Adelsgeschlechtern
im allgemeinen sprechen.
Zunächst stoßen wir bei den Judges auf eine EigentümUchkeit
ihrer häuslichen Beziehungen, die auf einen breiten Durchschnitt
legitimer Familien störend einwirkt. In einer Fußnote zur Bio-
graphie des Lord Chancellor Thurlow erzählt Lord Campbell in
seinen „Biographien der Chancellors", daß die Hälfte der Judges
zur Zeit, wo er (Lord Campbell) das englische Barreau kennen
lernte, ihre Maitressen geheiratet hatten. Er sagt, es sei damals
selbstverständlich gewesen, daß ein barrister, dem eine Richter-
stelle verliehen worden war, entweder seine Maitresse heiratete
oder sie wegschickte.
Die Verleihung der Pairswürde und ihr Einfluss auf die Rasse. 139
Nach diesem merkwürdigen Bericht möchte es scheinen, daß
weit mehr als die Hälfte der Judges, die zu Beginn des neun-
zehnten Jahrhunderts Richterstellen innehatten, vor der vorge-
rückten Periode ihres Lebens, wo sie ernannte Judges waren,
keine legitime Nachkommenschaft hatten. Die eine Hälfte hatte
deshalb keine, weil sie gerade auf dieser Stufe ihrer Karriere
ihre Maitressen heirateten, weiter gab es solche unter ihnen, die
ihre Maitressen eben fortgeschickt hatten und so jetzt erst hei-
raten konnten. Nichtsdestoweniger habe ich gezeigt, daß die
Zahl der legitimen Kinder bei den Judges beträchtlich ist und
daß sie selbst bei dieser Beschränkung im großen Ganzen durch-
aus kein unfruchtbarer Schlag sind. Wenn wir uns vorhalten,
was ich soeben mitgeteilt habe, müßten wir sogar folgern, daß
sie außerordentlich zeugungsfähig sind. Ja, es finden sich in
allen Perioden ihrer Geschichte gelegentlich Beispiele von un-
geheuer großen Familien, Aber sterben die FamiUen nicht aus?
Ich untersuche die Nachkommen jener Judges, die die Pairswürde
erlangt haben und die einen Platz als Richter in der letzten Zeit,
ehe die Regierung Georgs IV. zu Ende war, innehatten. Die
Namen finden sich im Anhang zum Kapitel über die Judges. Ich
zähle 31 solcher Namen; neunzehn dieser Adelstitel bestehen
noch, zwölf sind erloschen. Unter was für Bedingungen erloschen
nun diese zwölf? Bilden einige dieser Bedingungen ein Spezi-
fikum dieser zwölf, das von den übrigen neunzehn nicht geteilt
wird?
Um eine Antwort auf diese Fragen zu finden, untersuchte
ich die Anzahl der Kinder und Enkel aller einunddreißig Pairs
und im besonderen noch die Anzahl der Eheschließungen bei
ihnen. Ich tabellarisierte die gewonnenen Resultate, als mir
zu meinem Erstaunen eine sehr einfache, erschöpfende und neue
Erklärung der allgemeinen Ursache des Aussterbens von Adels-
geschlechtern vor die Augen trat. In erster Reihe erwies sich,
daß ein beträchtlicher Teil der neu ernannten Pairs und ihrer
Söhne Erbinnen heiraten. Die Motive eines solchen Vorgehens
sind klar genug und nicht verdammungswürdig. Sie haben einen
Titel und vielleicht ein ausreichendes Vermögen, das sie ihrem
ältesten Sohn übergeben können, aber sie benötigen einen Güter-
zuwachs, um ihre jüngeren Söhne und ihre Töchter auszustatten.
Andererseits hat eine Erbin Vermögen und braucht einen Titel.
So werden der Pair und die Erbin durch verschiedene Impulse
zu dem gleichen Ausweg der Ehe gedrängt. Aber meine sta-
140 Die Verleihung der Pairswürde und ihr Einfluß auf die Rasse.
tistischen Listen zeigen mit unfehlbarer Sicherheit die besondere
Unfruchtbarlieit dieser Ehen. Man kann nämHch in der Tat er-
warten, daß eine Erbin, die das einzige Kind aus einer Ehe ist,
nicht so fruchtbar ist, wie eine Frau, die viele Brüder und
Schwestern hat. Eine verhältnismäßige Unfruchtbarkeit muß
ebenso erblich sein wie andere physische Eigenschaften, und ich
bin überzeugt, daß es bei den Haustieren der Fall ist. Folglich
fehlt der Ehe eines Pairs und einer Erbin häufig die Nachkommen-
schaft, so daß der Titel eingeht. Ich gebe in der folgenden
Liste alle Fälle an, wo die Nachkommen von Law-Lords, die
den englischen Judges innerhalb der von mir gezogenen Grenzen
entnommen sind, Erbinnen oder Miterbinnen geheiratet haben
und bringe jedesmal des Resultat. Zum Schluß werde ich die
Tatsachen zusammenfassen.
Einfluß der Ehen mit Erbinnen in den Tamilen Jener englischen
Judges, die die Pairswürde erlangten und die einen Platz im
Bench (hoher Gerictrtshof) hatten, von der Thronbesteigung
Karls IL an bis zum Ende der Regierung Georgs IV.
(Die eingeklammerten Zahlen bedeuten die Daten des Beginns
ihrer Pairswürde.)
Colpepper, erster Lord (1664). Heiratete zweimal und hatte
jedesmal Nachkommenschaft, im ganzen fünf Söhne und vier
Töchter. Der älteste Sohn heiratete eine Erbin und starb
kinderlos. Der zweite heiratete eine Miterbin und hatte nur
eine Tochter. Der dritte heiratete, blieb aber kinderlos, die
beiden letzten Söhne heirateten überhaupt nicht, so daß der
Titel erlosch.
Cooper, erster Earl von Shaftesbury (1672). Seine Mutter war
eine einzige Erbin. Er heiratete dreimal und hatte nur einen
Sohn. Nichtsdestoweniger war der Sohn zeugungsfähig, und
die direkte männliche Linie setzte sich fort.
Cowper, erster Earl (1718). Seine erste Frau war eine Erbin;
er bekam keine lebende Nachkommenschaft von ihr. Von
seiner zweiten Frau bekam er zwei Söhne und zwei Töchter.
Sein ältester Sohn heiratete in erster Ehe eine Miterbin und
hatte nur einen Sohn und eine Tochter. Die direkte männ-
liche Linie dauert fort.
Finch, erster Earl von Nottingham (1681). Hatte vierzehn Kinder.
Der älteste Sohn heiratete eine Miterbin in erster Ehe und
hatte von ihr nur eine Tochter.
Die Verleihung der Pairswürde und ihr Einfluß auf die Rasse. 141
Harcourt, erster Lord (1712). Hatte drei Söhne und zwei Töchter.
Zwei von den Söhnen starben jung. Der älteste Sohn hei-
ratete eine Erbin, deren Mutter schon Erbin gewesen war.
Er hatte vgn ihr zwei Söhne und eine Tochter. Beide Söhne
heirateten, doch starben beide kinderlos, so daß der Titel
erlosch.
Henley, erster Earl von Northington (1764). Seine Mutter war
eine Miterbin. Er heiratete und bekam einen Sohn und fünf
Töchter. Der Sohn starb unverheiratet, und so erlosch der
Titel.
Hyde, erster Earl von Clarendon (1661.) Heiratete eine Dame,
die vielleicht eine einzige Erbin war, und hatte von ihr vier
Söhne und zwei Töchter. Der dritte Sohn starb unverheiratet
und der vierte ertrank, folglich blieben nur zwei Söhne, die
fähig waren die Familie fortzupflanzen. Der ältere von
ihnen, der zweiter Earl wurde, heiratete eine Dame, die nach
ihrem Tode nur einen Sohn hinterließ'. Er heiratete darauf
zum zweiten Mal und zwar eine Erbin, die überhaupt keine
Kinder bekam. Sein einziger Sohn hatte nur ein männliches
Kind, das jung starb. Der Titel ging auf die Nachkommen
des zweiten Sohnes des ersten Earl über. Er (der Sohn
einer Erbin) hatte nur einen Sohn und vier Töchter, und
dieser Sohn, der vierter Earl von Clarendon wurde, hatte
nur einen Sohn und zwei Töchter. Der Sohn starb jung, so
daß der Titel erlosch.
Jeffreys, erster Lord (von Wem — 1685). Hatte einen Sohn und
zwei Töchter. Der Sohn heiratete eine Erbin und hatte nur
eine Tochter, so daß der Titel erlosch.
Kenyon, erster Lord (1788). Hatte drei Söhne. Obgleich einer
von ihnen eine Miterbin heiratete, wies die nächste Gene-
raton zahlreiche Nachkommen auf.
North, erster Lord Quilford (1683). Heiratete eine Miterbin. Er
hatte nur einen Enkel, der jedoch am Leben blieb und Kinder
hatte.
Parker, erster Earl von Macclesfield. (1721.) Diese FamiHe
entging knapp dem Erlöschen, das ihr immerwährend infolge
ihrer schlechten ehelichen Verbindungen drohte. Der erste
Earl heiratete eine Miterbin und hatte nur einen Sohn und
eine Tochter. Der Sohn heiratete eine Miterbin und hatte
zwei Söhne; von diesen heiratete der zweite eine Miterbin
und hatte überhaupt keine Nachkommenschaft. Der älteste
142 Die Verleihung der Pairswürde und ihr Einfluß auf die Rasse.
Sohn (der Enkel des ersten Earl) war daher der einzige männ-
liche Nachivomme der Familie. Er hatte zwei Söhne und eine
Tochter. Von diesen beiden einzigen männlichen Erben in
der dritten Generation heiratete einer eine Miterbin und hatte
nur eine Tochter. Der andere heiratete glücklicherweise
zweimal, denn er hatte aus der ersten Ehe nur Töchter. Ein
Sohn aus der zweiten Ehe ist der jetzige Pair und ist der
Vater von elfSöhnen und vier Töchtern, die aus zweiEhen her-
vorgegangen sind, in keinem Falle war die Mutter eine Erbin.
Pratt, erster Earl von Camden (1786). Diese Familie gibt ein
ähnliches Beispiel wie die vorige einer drohenden Vernich-
tung des Geschlechts. Der erste Earl heiratete eine Erbin
und hatte nur einen Sohn und vier Töchter. Der Sohn hei-
ratete eine Erbin und hatte einen Sohn und 3 Töchter. Der
Sohn heiratete eine Miterbin, doch hatte er glücklicherweise
drei Söhne und acht Töchter.
Raymond, erster Lord (1731). Er hatte einen S'ohn, der eine Mit-
erbin heiratete und gar keine Nachkommenschaft hinterließ,
so daß der Titel erlosch.
Scott, Lord Stowell. s. weiter unten in meiner Liste der Politiker.
Talbot, erster Lord (1733). Die Familie war nahe am Erlöschen.
Der erste Lord heiratete eine Erbin und hatte drei Söhne.
Der älteste Sohn heiratete eine Erbin und hatte nur eine
Tochter. Der zweite Sohn heiratete eine Miterbin und hatte
keine Nachkommenschaft von ihr. Sie starb jedoch, er hei-
ratete zum zweiten Mal und hinterließ vier Söhne. Der dritte
Sohn hatte männliche Nachkommen.
Trevor, erster Lord (1711). Heiratete in erster Ehe eine Mit-
erbin und hatte von ihr zwei Söhne und drei Töchter. Beide
Söhne heirateten, doch hatte jeder von ihnen nur je eine
Tochter. Lord Trevor heiratete zum zweiten Mal und hatte
drei Söhne, von denen einer jung starb, die beiden anderen
heirateten zwar beide, hinterließen aber keine Nachkommen-
schaft.
Wedderburn, erster Lord Loughborough und Earl von Rosslyn
(1801). Heiratete in erster Ehe eine Erbin und hatte keine
Nachkommenschaft. In etwas vorgerücktem Alter heiratete
er zum zweiten Mal und hatte wieder keine Nachkommen-
schaft. So erlosch die direkte männliche Linie.
Yorke, erster Earl von Hardwicke (1754). Ist zahlreich vertreten,
trotzdem in zwei Linien seiner Nachkommen ein Fehler be-
Die Verleihung der Pairswürde und ihr Einfluß auf die Rasse. 143
gangen wurde, da sich in jeder dieser beiden Linien eine Ehe
mit einer Miterbin findet.
Das Resultat aller dieser Tatsachen ist außerordentlich auf-
fallend und zwar:
1. Unter den 31 Familien, denen die Pairswürde zuteil wurde,
sind nicht weniger als siebzehn Fälle, wo der erbliche Einfluß
einer Erbin oder Miterbin die erste oder zweite Generation affi-
zierte.
Dieser Einfluß trug sichtlich dazu bei, in sechzehn von diesen
siebzehn Fällen Sterilität zu bewirken, deren Einfluß sich mitunter
in der Geschichte eines Geschlechts zwei, drei oder mehrere
Male zeigte.
2. Die direkte männliche Linie von nicht weniger als acht
dieser Geschlechter, nämlich Colpepper, Harcourt, Northington,
Clarendon, Jeffreys, Raymond, Trevor und Rosslyn, ist gegen-
wärtig unter dem Einfluß der Erbinnen erloschen, während sechs
andere, nämlich Shaftesbury, Cowper, Guilford, Parker, Camden
und Talbot, aus dem gleichen Grunde nahe am Erlöschen waren.
Ich habe buchstäblich nur einen einzigen Fall, Lord Kenyon, wo
der familienzerstörende Einfluß des Erbinnenbluts nicht fühlbar
wurde.
3. Von den zwölf Pairsgeschlechtern, die in der direkten
männlichen Linie ausgestorben sind, haben nicht weniger als
acht dieses Resultat Ehen mit Erbinnen zu verdanken.
Wenden wir uns den vieren zurück, die übrig bleiben. Lord
Somers und Lord Thurlow starben beide unverheiratet. Lord
Alvanley hatte nur zwei Söhne, von denen einer unverheiratet
starb. Nur in diesem Falle und weiter beim Earl von Mansfield
kann von allen zehn geadelten Judges, die heirateten und deren
Titel erloschen, dieses Erlöschen nicht auf Ehen mit Erbinnen
zurückgeführt werden. Man kann daher nicht auch nur mit
einem Anschein von Recht behaupten, daß irgend welche Gründe
für eine außerordentliche Sterilität der Judges vorhanden sind.
Untersucht man die Tatsachen sorgfältig, so tendieren sie alle
scharf nach der entgegengesetzten Seite.
In der gleichen Weise wie die Judges untersuche ich jetzt
die Politiker unter Georg III. und die Premierminister seit der
Thronbesteigung Georgs III. bis hinunter auf die letzte Zeit; doch
nehme ich hier nur jene vor, deren Stammbäume ich leicht fest-
stellen konnte, nämlich solche, die selbst Pairs waren oder mit
Pairs nahe verwandt waren. Ich habe zweiundzwanzig solcher
144 Die Verleihung der Pairswürde und ihr Einfluß auf die Rasse.
Namen. Ich finde vierzehn unter ihnen, die keine männlichen
Nachkommen hinterlassen haben, von diesen wieder heirateten
sieben selbst Erbinnen, oder ihre Söhne taten es, nämlich Can-
ning, Castlereagh, Lord Grenville, George Qrenville, Lord Hol-
land, Lord Stowell und Walpole (der erste Earl von Orford).
Anderseits finde ich nur drei Fälle, wo Pairs Erbinnen heirateten
und die Nachkommenschaft nicht fehlte, nämlich Addington (Lord
Sidmouth), der Marquis von Bute und der Duke von Qrafton.
Die sieben Fälle, wo die männliche Linie aus anderen Grün-
den erlosch, sind Bolingbroke, Earl Chatham, Lord Liverpool,
Earl St. Vincent, Earl Nelson, William Pitt (unverheiratet) und
der Marquess von Wellesley (der illegitime Nachkommenschaft
hinterließ). Die übrigen fünf, die diese zweiundzwanzig Fälle
vervollständigen, sind der Duke von Bedford, Dundas (Viscount
Melville), Perceval, Romilly und Wilberforce. Keiner von ihnen
verband sich mit Erbinnenblut oder stammte von solchem ab, und
sie hinterließen alle Nachkommen.
Ich gebe im Nachstehenden noch die Geschichte dieser
Erbinnenehen, wie ich sie vorhin für die Judges gegeben habe.
Bute, Marquess von. Heiratete eine Miterbin, hatte jedoch eine
zahlreiche Familie.
Canning, George. Heiratete eine Erbin und hatte drei Söhne
und eine Tochter. Der älteste starb jung, der zweite ertrank
in seiner Jugend, der dritte, der letzte Earl Canning, heira-
tete eine Miterbin und hatte keine Nachkommenschaft. So
erlosch die Linie.
Castlereagh, Viscount. Heiratete eine Miterbin und hatte weder
einen Sohn, noch eine Tochter; so erlosch die Linie.
Grafton, Duke von. Heiratete eine Erbin und hatte zwei Söhne
und eine Tochter. In zweiter Ehe hatte er eine größere Fa-
milie.
Grenville, George. Hatte drei Söhne und vier Töchter. Der
älteste Sohn heiratete eine Erbin und hatte keine männlichen
Enkel; der zweite war allem Anscheine nach unverheiratet;
der dritte war Lord Grenville (Premierminister); er hei-
ratete, blieb aber kinderlos; so erlosch die Linie.
Holland, Lord. Hatte einen Sohn und eine Tochter. Der Sohn
heiratete eine Erbin und hatte nur einen Sohn und eine
Tochter. Dieser Sohn starb kinderlos; so erlosch der Titel.
Sidmouth, Viscount (Addington). War der Sohn einer Erbin und
Die Verleihung der Pairswürde und ihr Einfluß auf die Raese. 145
hatte nur einen Sohn und vier Töchter. Der Sohn hatte eine
zahlreiche Nachkommenschaft,
Stowell, Lord. Heiratete eine Miterbin. Er hatte nur einen
Sohn, der unverheiratet starb, und eine Tochter; so erlosch
die männliche Linie.
Walpole, 1 ster Earl von Orford. Er hatte drei Söhne und zwei
Töchter. Der älteste Sohn heiratete eine Erbin und hatte
nur einen Sohn, der unverheiratet starb. Der zweite und
dritte Sohn starben unverheiratet; so erlosch die männliche
Linie.
Das wichtige Resultat, zu dem wir so gelangen, daß nämlich
Heiraten mit Erbinnen ein merkliches Agens im Erlöschen von
Familien bilden, wird noch durch eingehendere Untersuchungen
bestätigt. Ich verwandte einige Tage auf eine genaue Durch-
forschung von Burkes Werk über die bestehenden und erlosche-
nen Pairswürden. Ich untersuchte zunächst die Ehen, die die
jeweiligen zweiten Pairs der noch bestehenden Titel schlössen.
Die Vermutung war naheliegend, daß der älteste Sohn des ersten
Pairs, des Begründers des Titels, ziemlich häufig eine Erbin hei-
ratete. Es war tatsächlich der Fall und brachte über die be-
treffende Familie furchtbare Verwüstungen. Ich untersuchte ein
Siebentel der Pairs. Wenn ich die Miterbinnen auslasse — ich
würde den Leser durch zu viel Distinktionen ermüden — komme
ich zu folgenden Resultaten:
Anzahl der Fälle.
1 Abingdon, 2ter Earl, die Mutter und die Frau
waren beide Erbinnen. Keine Nachkommen-
schaft.
2 Aldborough, 2 ter Earl; heiratete zwei Erbinnen
hintereinander. Keine Nachkommenschaft,
1 Annesley, 2'ter Earl; die Frau und die Mutter
waren beide Erbinnen, drei Söhne und zwei
Töchter.
1 Arran, 2 ter Earl; die Frau und die Mutter waren
beide Erbinnen. 4 Söhne und 3 Töchter.
1 (Sein Sohn, der 3te Earl, heiratete eine Erbin
und hatte keine Nachkommenschaft.)
1 Ashburnham, 2 ter Baron; die Frau und die
Mutter waren beide Erbinnen. Keine Nachkom-
menschaft.
Galton, Genie und Vererbung.
10
146 Die Verleihung der Pairswürde und ihr Einfluß auf die Rasse.
Anzahl der Fälle.
1
(Sein Bruder folgte ihm als 3ter Earl und hei-
ratete eine Erbin; hatte keine Nachkommenschaft
von ihr.)
Aylesford, 2 ter Earl; die Frau war Erbin, die
Mutter Miterbin. 1 Sohn und 3 Töchter.
Barrington, 2 ter Viscount; die Frau und die Mut-
ter waren beide Erbinnen. Keine Nachkommen-
schaft.
Beaufort, 2 ter Duke; heiratete zwei Erbinnen
hintereinander; von der einen hatte er keine
Nachkommenschaft, von der andern bekam er
zwei Söhne.
Bedford, 2 ter Duke; heiratete eine Erbin. 2
Söhne und 2 Töchter.
Camden, 2 ter Earl; die Frau und die Mutter
waren beide Erbinnen. 1 Sohn und 3 Töchter.
14
also eine Totalsumme von vierzehn Fällen auf siebzig Pairs, wo-
bei in acht Fällen eine absolute Sterilität eintrat und in zwei
Fällen nur ein Sohn geboren wurde.
Je 100 Ehen von jeder der
Anzahl der Söhne
beschriebenen Arten
in jeder Ehe
Anzahl der Fälle, wo die
Anzahl der Fälle, wo die
Mutter Erbin war
Mutter keine Erbin war
0
22
21)
1
16
10
2
22
14
3
22
34
4
10
20
5
6
8
6
2
8
7
0
4
mehr
0
0
100
100
1) Ich fürchte, ich muß ein oder zwei sterile Ehen übersehen haben,
anders kann ich mir die geringe Anzahl nicht erklären.
Die Verleihung der Pairswürde und ihr Einfluß auf die Rasse. 147
Ich untersuchte die Frage noch von einer andern Seite, in-
dem ich die letzten Pairs vornahm und die Anzahl der Kinder,
wo die Mutter eine Erbin war, mit der Anzahl jener Kinder ver-
glich, wo sie es nicht war. Ich traf noch die Vorsichtsmaßregel,
aus der zweiten Gruppe alle Fälle auszuschließen, wo die Mutter
Miterbin oder der Vater ein einziger Sohn war. Auch mußte
ich, da Erbinnen nicht so häufig sind, oft zwei bis drei Gene-
rationen zurückgehen, um das Beispiel einer Ehe mit einer Erbin
zu finden. Auf diese Weise erhielt ich fünfzig Fälle für jede
Gruppe. Ich bringe sie unten, nachdem ich die tatsächlichen Re-
sultate verdoppelt habe, um sie in Prozenten zu setzen.
Ich finde unter den Ehegattinnen von Pairs:
100 die Erbinnen sind und die 208 Söhne und 206 Töchter haben,
100 die nicht Erbinnen sind und 336 Söhne und 284 Töchter haben.
Die Tabelle zeigt, wie außerordentlich unsicher die Nach-
kommenschaftslinie einer Erbin sein muß, besonders wenn die
jüngeren Söhne nicht imstande sind zu heiraten. Ein Fünftel der
Erbinnen hat überhaupt keine männlichen Kinder; ein volles
Drittel hat nicht mehr als ein Kind; drei Fünftel haben nicht
mehr als zwei Kinder, Für viele Familien bedeutete es die Ret-
tung, daß der Gatte die erste Frau, die Erbin war, überlebte und
fähig war, Nachkommenschaft durch eine zweite Ehegattin zu
gewinnen.
Jede Erhebung zu einer höheren Adelswürde ist ein neuer
Beweggrund, wieder eine Erbin in die Familie einzuführen. Folg-
lich haben Herzöge eine stärkere Durchtränkung an Erbinnen-
blut als Grafen, man kann also erwarten, daß die Herzogswürde
häufiger erlischt als der Grafentitel, und dieser wieder häufiger
als der Baronstitel. Die Erfahrung zeigt, daß dies ganz zweifel-
los der Fall ist. In seinem Vorwort zu den „Erloschenen Pairs-
würden" legt Sir Bernard Burke dar, daß alle englischen Her-
zogswürden, die in dem Zeitraum vom Beginn dieser Würde an
bis zum Regierungsantritt Karls II. geschaffen wurden, mit Aus-
nahme von dreien, die mit dem Königshause in Verbindung traten,
untergingen, und daß von den zahlreichen Grafentiteln, die die
Normannen, die Plantagenets und die Tudors verliehen, nur elf
geblieben sind.
Meine Statistik über die Erbinnen ist damit zu Ende. Ich
will nicht weitergehen, da man etwas mehr über die Lebens-
10*
148 Die VerleihuBg der Pairswürde und ihr Einfluß auf die Rasse.
geschichten der einzelnen wissen müßte, um zu ganz genauen
Resultaten über ihre Fruchtbarkeit zu kommen. Eine Erbin ist
nicht immer das einzige Kind aus einer Ehe, die in einem frühen
Lebensalter geschlossen wurde und viele Jahre dauerte. Sie
kann das einzig überlebende Kind aus einer großen Famihe sein,
oder das Kind einer späten Ehe, oder auch die Waise von früh
verstorbenen Eltern. Wir müßten auch die Familie des Gatten
in Betracht ziehen, je nachdem ob er ein einziges Kind ist oder
aus einer großen Familie stammt. Diese Fragen bieten dem-
jenigen, der sich damit beschäftigen würde, ein äußerst lehr-
reiches Arbeitsfeld, aber sie liegen außerhalb meines Arbeitsplans.
Ich hielt mich so lange bei dieser Materie auf, um zu zeigen, daß,
obgleich viele Männer von hervorragender Befähigung (ich
spreche hier nicht von berühmten oder wunderbaren Genies)
keine Nachkommenschaft hinterlassen haben, dies nicht von ihrer
Zeugungsunfähigkeit herrührt, sondern mit ihrer Neigung zu-
sammenhängt, unfruchtbare Frauen zu heiraten, um so den Reich-
tum mit der Pairswürde zu vereinigen, die ihnen für ihre Ver-
dienste verliehen wurde. Ich betrachte die Pairswürde als eine
unheilvolle Institution, die geeignet ist, ihre verheerenden Wir-
kungen auf unsere wertvollen Geschlechter auszubreiten. Die
bestbegabten Männer werden geadelt; ihre ältesten Söhne wer-
den verlockt, Erbinnen zu heiraten, und ihre jüngeren Söhne hei-
raten überhaupt nicht, da sie nicht genug Vermögen haben, um
eine Familie zu erhalten und gleichzeitig ihre aristokratische Po-
sition zu wahren. So werden die Seitenschößlinge des Stamm-
baumes abgehackt, und der Hauptzweig verdirbt, die ganze Zucht
aber geht für immer verloren.
Ich habe die Ursachen, warum Familien dazu neigen, ihren
adeligen Würden proportional auszusterben, mit großer Befrie-
digung skizziert und hoffe, sie gänzlich bestimmt zu haben; in
erster Reihe, weil es mein Wunsch war, zu zeigen, daß befähigte
Familien nicht notwendig steril sind, und zweitens, um den tollen
und lächerlichen Hypothesen ein Ende zu machen, die häufig auf-
gebracht werden, um dieses Aussterben zu erklären.
Feldherren.
In Zeiten eines langwierigen Krieges, wo allein der Ruhm
eines großen Feldherrn erlangt werden kann, bietet die soldati-
sche Laufbahn Männern von militärischem Genie einen vollen
Anteil an günstigen Gelegenheiten. Die Beförderung erfolgt in
solchen Zeiten rasch, die Nachfrage nach fähigen Männern hört
nicht auf, und sehr junge Offiziere haben häufig eine günstige Ge-
legenheit, ihre Talente zu zeigen. Hieraus folgt, daß die Liste
der großen Feldherren, ungeachtet ihrer Kürze, einige der be-
gabtesten Männer aufweist, deren Namen die Geschichte be-
wahrt. Sie zeigen eine ungeheure Überlegenheit über ihre Zeit-
genossen, indem sie sich in vielen einzelnen Richtungen hervor-
tun. Sie sind unter Politikern und Generälen die ersten ihrer
Zeit und ihre Energie ist wunderbar. Viele von ihnen zeichneten
sich schon durch ihre politischen Fähigkeiten aus, als sie noch
kaum trocken hinter den Ohren waren. In frühem Mannesalter
tragen sie die ganze Bürde und Verantwortung der Regierung;
Armeen und Nationen spornen sie mit ihrem Genius an; sie wer-
den die Helden großer Vereinigungen und halten Millionen von
anderen Menschen durch die überragende Kraft ihres eigenen
Intellekts und Willens in den Schranken.
Ich will einen kurzen Blick auf einige dieser Namen in der
gleichen Reihenfolge, in der sie im Anhang zu diesem Kapitel
erscheinen, werfen, um zu zeigen, welche Riesen an Befähigung
sie nach ihren Taten sein mußten und wie groß und originell ihre
Stellung in einem Alter war, wo die meisten Jünglinge im Hin-
tergrund der allgemeinen Gesellschaft festgehalten werden, wo
150 Feldherren.
man ihnen kaum gestattet, Meinungen zu äußern, die den vor-
herrschenden Gefühlen der Zeit entgegengesetzt sind, noch viel
weniger gegen diese Gefühle zu handeln.
Alexander der Große begann seine Laufbahn als Eroberer
mit zwanzig Jahren, nachdem er schon vorher zu Hause vier
Jahre lang mehr oder minder königliche Macht mit einem wirk-
lichen staatsmännischen Talent geübt hatte. Mit 32 Jahren hatte
er sein Lebenswerk vollendet. Bonaparte, der spätere Kaiser
Napoleon I., war mit 26 Jahren General der italienischen Armee
und eilte seither von Erfolg zu Erfolg, sowohl auf dem Schlacht-
felde als im Staate. Er wurde mit 35 Jahren Kaiser, und mit
46 Jahren hatte er schon die Schlacht bei Waterloo verloren.
Cäsar zeigte schon in seiner Jugend, ja selbst im Knabenalter,
große politische Talente, obgleich politische Hindernisse ihn von
einer hohen Stellung und dem Oberbefehl im Kriege bis zum
Alter von 42 Jahren zurückhielten. Karl der Große begann seine
Kriege mit 30 Jahren. Karl XII. von Schweden begann mit
18 Jahren Krieg zu führen, und die Fähigkeiten, die er in dieser
frühen Zeit seines Lebens zeigte, waren von der höchsten Art,
Prinz Eugen hatte mit 25 Jahren die kaiserliche Armee von
Österreich unter sich. Gustav Adolph war in Krieg und Politik
ebenso frühreif als sein Nachkomme Karl XII. Hannibal und
seine Familie waren wegen ihrer Überlegenheit in ihrer Jugend
bekannt. Viele von ihnen erhielten den Oberbefehl über die
Truppen Karthagos und wurden der Schrecken der Römer, ehe
sie das erreichten, was wir „großjährig" nennen. Auch die
Nassaus sind in gleicher Weise bemerkenswert. Als Wilhelm
der Schweigsame noch ein reiner Junge war, war er der treue
Vertraute, selbst der Ratgeber des Kaisers Karls V. Sein Sohn,
der große General Moritz von Nassau, war erst achtzehn Jahre
alt, als er als Oberbefehlshaber der Niederlande die Waffen gegen
Spanien erhob. Sein Enkel Turenne, der begabte französische
General, und sein Urenkel, unser Wilhelm III., waren beide in
frühem Alter berühmt. Marlborough stand in der Zeit seines
größten Erfolges zwischen 46 und 50 Jahren, doch wurde er
schon viel früher als ein Mann von hohen Gaben behandelt.
Scipio Africanus Major hatte mit 24 Jahren das Oberkommando
gegen die Karthager in Spanien. Wellington brach die Kraft der
Mahratten mit 35 Jahren und war bei Waterloo 46 Jahre alt.
Feldherren. 151
Wenn jedoch die soldatische Laufbahn in Zeiten langwieriger
Kriege Männern von großem mihtärischen Qenie viele günstige
Gelegenheiten eröffnet, so ist es ein anderes in Friedenszeiten
oder während kurzer Kriege. In jedem Land steht die Armee
mehr als jede andere Institution unter dem direkten Einfluß des
Herrschers. Das Patronat über die Armee ist das letzte Privileg,
das die Herrscher, geleitet vom Instinkt der Selbsterhaltung, be-
reit sind, den Forderungen der Demokratie zu überlassen. Die
Folge ist, daß das Heer unbedingt unter jenen Übeln leidet, die
von jedem höfischen Patronat unzertrennlich sind. Würden
und politische Dienste wiegen leicht militärische Befähigung auf,
so daß unbegabte Offiziere in Friedenszeiten hohe Stellungen ein-
nehmen. Bei kurzen Kriegen sind sie vielleicht imstande, ihren
Posten auszufüllen, ohne Anlaß zu einem öffentlichen Skandal zu
geben, ja sie tragen vielleicht sogar Ehren davon, die gerechter-
weise ihren talentierteren Untergebenen zukommen.
Wollen wir daher den Ruf eines Feldherrn als Zeichen seiner
Talente hinnehmen, so ist es sehr nötig, daß wir uns auf die-
jenigen beschränken, was ich auch beabsichtige, deren Ruf ent-
weder durch langwährende Kriege geschaffen wurde, oder deren
Überlegenheit über andere Männer bereitwillig anerkannt wurde.
Noch eine sonderbare und seltsame Bedingung gilt für den
Erfolg in Armee und Flotte, die ganz unabhängig von jeder Art
von Befähigung ist und mit einigen Worten besprochen werden
muß. Damit ein junger Mann seinen Weg bis zur höchsten Spitze
seines Berufs erkämpft, muß er viele Schlachten überleben. Aber
Männer von gleichen Fähigkeiten haben nicht immer die gleiche
Wahrscheinlichkeit im Feuer unverletzt zu bleiben.
Ehe ich das Warum? erkläre, möchte ich noch bemerken,
daß die Gefahr, in einer Schlacht erschossen zu werden, beträcht-
lich ist. Nicht weniger als sieben von den zweiunddreißig Feld-
herren, die ich in meinem Anhang aufzähle, sind auf diese Weise
zugrunde gegangen, also ein Bruchteil, der zwischen einem
Viertel und einem Fünftel der Gesamtzahl schwankt. Es sind
dies Karl XII., Gustav Adolph, Sir Henry Lawrence, Sir John
Moore, Nelson, Tromp und Turenne. Ich füge noch hinzu, weil
ich von diesen Dingen einmal rede, daß vier andere ermordet
wurden, obgleich diese Tatsache nichts mit meinem Argument
zu tun hat: diese vier sind Cäsar, Coligny, Philipp II. von Ma-
152 Feldherren.
zedonien und Wilhelm der Schweigsame; zwei andere begingen
Selbstmord, und zwar Lord Clive und Hannibal. Kurz gesagt,
40 p. c. der Gesamtsumme starb eines gewaltsamen Todes.
Es gibt im Kriege ein Prinzip der natürlichen Auslese, das
darin besteht, daß die großen Männer leichter getroffen werden
als die kleinen. Große Männer werden leichter getroffen. Ich
rechne, daß die Gelegenheit für einen Mann, zufällig erschossen
zu werden, der Quadratwurzel des Produkts seiner Größe mul-
tipliziert mit seinem Gewicht gleichkommt,*) so daß, wo ein
Mensch von 16 stone Gewicht und 6 Fuß 2% Zoll Höhe der Mög-
lichkeit, erschossen zu werden, 2 Jahre lang entgehen kann, ein
Mensch von 8 stone Gewicht und 5 Fuß 6 Zoll Höhe dieser Mög-
lichkeit drei Jahre lang entgehen wird. Aber die Gesamtpropor-
tion der Gefahr, die der große Mensch läuft, ist meines Dafür-
haltens beträchtlich größer. Er fällt durch seine Größe auf, ist
leichter kenntlich und kann das Objekt eines speziellen Ziels
werden. Es liegt auch in der menschlichen Natur, daß der
Schütze sich den größten Mann heraussucht, gerade so wie er
den größten Vogel in einem Schwärm oder die größte Antilope
in einer Herde aussucht. Anderseits bietet von zwei Männern,
auf die gezielt wird, der stärker gebaute eine größere Zielscheibe.
Diese Wahrscheinlichkeit ist ein wenig geringer als das Ver-
hältnis seines Querschnittzuwachses, denn es unterliegt dem Ge-
setz, das wir Seite 28 besprochen haben, obgleich wir infolge
unserer Unkenntnis über die durchschnittliche Entfernung des
Feindes und die Dichtigkeit seiner Schüsse die Abnahme nicht
berechnen können. In großer Entfernung und bei heftigem Feuer
wird die Abnahme unmerklich sein; bei verhältnismäßig ge-
*) Die Aussicht für einen Menschen von zufälligen Schüssen getroffen
zu werden, steht im Verhältnis zu seinem Querschnitt, zu seinem Schatten
an einer benachbarten Wand, bei klarem Licht geworfen oder zu seiner Höhe
multipliziert in seiner durchschnittlichen Breite. Jedoch ist es ebenso leicht
und bequemer nach den besser bekannten Daten seiner Höhe und seines
Gewichts zu rechnen. Ein Mann differiert von anderen, indem er mehr oder
weniger großgewachsen und mehr oder weniger untersetzt ist. Es ist über-
flüssig, die Tiefe (des Brustl<astens z. B.) ebenso wie seine Breite zu messen,
denn die beiden hängen von einander ab. Nehmen wir h = die Höhe eines
Mannes, g = sein Gewicht, b = seine durchschnittliche Breite, in welcher
Richtung wir wollen, doch so, daß sie stets die gleiche bleibt, so haben wir
sein Gewicht g, das sich ändert wie hU^, während sein Querschnitt sich ändert
wie ä6 oder wie Y^'X.hb^ oder wie ^^lig.
Feldherren. 153
schlossenen Reihen wird sie unerheblich sein, denn selbst die
Summen von A. und B. S. 33 betragen nur ein Fünftel mehr als 2 A.
(In der letzten Kolonne der Tabelle 77 + 48=125 ist nur 21,
oder um ein Fünftel etwa mehr als 2 X 48 == 96.) Es ist nun eine
bekannte Tatsache, daß nach Feldherren häufig besonders gezielt
wird. Ich erinnere mich einer Anekdote, die durch die Zeitungen
ging, als Soult England besuchte. Ein englischer Veteran, er-
zählten die Blätter damals, habe erklärt, der Held müsse ein
verzaubertes Leben haben, denn er habe wohl dreißigmal mit
seiner Büchse nach ihm gezielt, ohne je das Glück zu haben, ihn
zu treffen. Nelson wurde von einem der vielen Schüsse nieder-
gestreckt, die ein Schütze im Großmars des französischen
Schiffes, mit welchem sein eigenes im scharfen Kampf lag, direkt
gegen ihn richtete. Die relativen Aussichten in einer Schlacht,
nicht erschossen zu werden, sind im großen ganzen für zwei
Männer, deren Größen und Gewichte ich beschrieben habe, gleich
3 zu 2 für den kleineren Mann in Bezug auf zufällige Schüsse,
und in einer sicherlich noch günstigeren Proportion, wenn direkt
gezielt wird. Da die letztere Aussicht sich aus den beiden fol-
genden Umständen zusammensetzt: erstens aus der begründe-
teren Hoffnung, nicht Gegenstand eines direkten Zieles zu wer-
den, und zweitens nicht erschossen zu werden, selbst wenn der
Feind direkt auf einen zielt.
Diese Betrachtung ist tatsächlich wichtig. Wäre Nelson von
großem Wuchs gewesen — in Wahrheit hatte er ein Schneider-
gewicht — er wäre wahrscheinlich nicht so lange am Leben ge-
blieben. Betrachten wir einen Augenblick die außerordentlichen
Gefahren, die er überlebt hat. Wenn wir die erste Zeit seines
aktiven Dienstes außer acht lassen, wo ihn nur gelegentlich Ge-
fahren bedrohten, und ebenso die lange Friedenszeit, die dann
folgte, finden wir ihn mit 35 Jahren im Krieg mit Frankreich
tätig, wo sein Name infolge seiner Energie bei Bastia und Calvi
überall im Mittelmeergebiet gefürchtet wurde. Als er 37 Jahre
alt war, brachte ihm seine Teilnahme an der Schlacht bei St.
Vincent großen Ruhm. Später war er bei Cadiz unter scharfem
Feuer, und ebenso bei Teneriffa, wo er einen Arm durch eine Ka-
nonenkugel verlor. Darauf bekam er eine Pension von 1000 Pfund
jährlich. Das Memorial, das er damals einreichen mußte, besagt,
daß er hundertzwanzigmal im Feuer war, und erwähnt außer
154 Feldherren.
dem verlorenen Arm und dem verlorenen Auge noch andere
schwere Wunden. Mit 40 Jahren gewann er die Schlacht am
Nil, wo der Kampf ungeheuer blutig war. Er wurde darauf zum
Baron Nelson mit einer Pension von 3000 Pfund jährlich ernannt
und empfing den Dank des Parlaments. Damals wurde er auch
vom König von Neapel zum Herzog von Bronte ernannt und
wurde in England vergöttert. Mit 43 Jahren war er in die
schwierige Schlacht bei Kopenhagen verwickelt, und mit 47 Jah-
ren wurde er bei Trafalgar erschossen. Seine Kriegskarriere
erstreckte sich also über 12 Jahre, wobei er in der ersten Zeit
häufiger unter Feuer war, als später. Hätte er nur zwei Drittel
oder sogar drei Viertel seiner Schlachten erlebt, er hätte weder
am Nil, noch bei Kopenhagen, noch bei Trafalgar das Kommando
haben können. Unter diesen Umständen hätte sein Ruf sich auf
den eines schneidigen Kapitäns oder eines jungen, vielver-
sprechenden Admirals beschränkt. Wellington war ein kleiner
Mann. Wäre er auf der Pyrenäischen Halbinsel gefallen, so
wäre sein Ruhm unzweifelhaft sehr groß geworden, aber er hätte
nicht den Glanz von Waterloo besessen. Kurz und gut, am Leben
bleiben ist ein äußerst wichtiger Umstand, um ein berühmter
Feldherr zu werden. Doch Menschen von den gleichen miHtä-
rischen Gaben — wie die notwendige Form einer hohen
intellektuellen und moralischen Befähigung in Verbindung mit
Körperkraft — sind durchaus nicht gleich qualifiziert, wenn es
sich darum handelt, den feindlichen Kugeln zu entgehen. Sie
sind dem schmalgebauten Mann weniger gefährlich, und so kann
der schmächtige Mensch auch eher großen Ruhm als Feldherr
erlangen, als seine gleichbegabten Zeitgenossen, deren physische
Hülle breiter ist.
Ich gebe zum Schluß noch eine Tabelle, die genau so ange-
legt ist, wie diejenigen in den vorhergehenden Kapiteln.
Tabelle I.
Übersicht über die Verwandten von 32 Feldherren,
gruppiert in 21 [oder 24*)] Familien.
*) Coligny, Moritz, Turenne und Wilhelm I. sind unmöglich zu trennen
und ebenso unmöglich zu einer Familie zu rechnen. Betrachtet man sie
als eine Familie, so ist die Gruppe von 27 auf 24 reduziert.
Feldherren. 155
Ein Verwandter (oder zwei in der Familie).
Berwick, Herzog (s. Marlbo- Pyrrhus (s. Alexander).
rough).
Doria N. &. c. Titus V.
Hyder Ali S. Tromp S.
Lawrence, Sir H. B.
Zwei oder drei Verwandte (oder drei oder yier in der Familie),
2 Karl der Große und
Karl Martell V. Q. QF. Eugen gB. gN.
Karl Martell (s. Karl der Große). 2 Marlborough und Herzog von
Berwick
n. OE.
Clive
GB. GN.
Moore, Sir John
V. B.
Coligny (aber s.
Maurice)
V. 0. eE.
Nelson
oE. go.
Cromwell
S. oS. oE.
Runjeet Singh
G. V.
Saxe, Marschall
V. 0. es.
Wellington
B. 2N.
Vier oder mehr Verwandte (oder fünf oder mehr in der Familie),
3 Alexander, Philipp und Pyrrhus V. v. B. N. gBE.
Bonaparte v. B. b. S. 2N.
Cäsar s. v. n. nS.
Karl XII. (s. Gustav Adolph).
2 Gustav Adolph und Karl XII. s. GV. G&. NE,
Hannibal V. 3B.
4 Moritz von Nassau, Wilhelm der V. g. n. NS.
Schweigsame, Coligny und Tu-
renne
Napier QQV. V. oS. 2B. n. OS. etc.
Napoleon (s. Bonaparte).
Philipp und Pyrrhus (s. Alexander).
Raleigh 3B. 2oS.
Scipio V. G. 2S. 2E. GN.
Turenne (andererseits s. Moritz) V. etc.
Wilhelm I. (andererseits s. Moritz) 2 S. E. ES.
156
Feldherren.
Tafel IP)
Verwar
idtsch
aftsgrade
A.
B.
C.
1-v
Bezeichnung
des Grades
Korrespondierende
Buchstaben
D.
Vater
12 V
—
—
—
12
47
100
47.0
Brader
13 B
—
—
—
13
50
150
33.3
Sohn
8 S
—
—
—
8
51
100
32.0
Großvater
3 G
1 g
—
—
4
16
200
8.0
Onkel
0 0
2 0
—
—
2
8
400
2.0
Neffe
6 N
3 n
—
—
9
35
400
9.0
Enkel
3 E
0 e
—
3
12
200
6.0
Urgroßvater
Großonkel
2 GV
1 GB
OgV
1 gB
0 GV
0 GB
o^v
O^B
2
2
8
8
400
800
2.0
1.0
Leiblicher Vetter
1 OS
2 oS
1 OS
1 oS
5
20
800
2.5
Großneffe
1 NS
0 nS
0 NS
1 nS
2
8
800
1.0
Urenkel
0 ES
0 eS
0 ^S
0 eS
0
0
400
0.0
Alle weiter ent-
fernten Verw.
11
—
—
—
—
44
—
—
Aus diesen Tabellen können genau die gleichen Schlüsse ge-
zogen werden, wie aus denen, die ich bereits gab, aber sie
machen meine Sache noch überzeugender.
Ich stelle den Satz auf: je befähigter ein Mensch ist, desto größer
ist die Zahl seiner befähigten Verwandten. Oder kurz gesagt,
die Namen in der dritten Abteilung von Tabelle I müssen im
großen ganzen diejenigen von Männern von größerer Bedeutung
sein, als diejenigen in der ersten Abteilung. Auch nicht der
Schatten eines Zweifels kann aufkommen, daß dies tatsächlich
der Fall ist. Aber die Tabelle zeigt noch mehr. Ihre dritte Ab-
teilung ist proportional länger, als die entsprechende Abteilung
in der Tabelle der Politiker, während sie in dieser Tabelle wieder
länger war als in der Tabelle der Judges. Nun ist der Durch-
schnitt der natürlichen Gaben bei den verschiedenen Gruppen
in genau der gleichen Anordnung zugemessen. Die Feldherren
sind befähigter als die Politiker, und die Politiker befähigter als
1) . die gleiche Tafel S. 61.
Feldherren. 157
die Judges. Folglich finden wir bei einem Vergleich der drei
Gruppen miteinander, daß die befähigteren Männer durchschnitt-
lich eine größere Anzahl von befähigten Verwandten haben. In
gleicher Weise ist das Verhältnis der Feldherren, die überhaupt
hervorragende Verwandte haben, zu jenen, die keine haben, viei
größer als dies bei den Politikern der Fall ist, und bei diesen
wieder viel größer als bei den Judges.
Ihr spezifischer Fähigkeitstypus wird in starkem Maße
weitergegeben. Meine begrenzte Liste der Feldherren enthält
verschiedene bemerkenswerte Familien von Generälen. Die
Familie Wilhelms des Schweigsamen ist sehr berühmt, und ich
muß sagen, daß er wenigstens in zwei Fäilen seiner vier Ehen
— als er die Tochter des Kurfürsten von Sachsen heiratete und
ein zweites Mal die Tochter des großen Coligny — gar nicht
besonnener hätte wählen können, Moritz von Nassau zum Sohn,
Turenne als Enkel und unseren Wilhelm III. als Urenkel haben
ist ein wunderbares Beispiel vererbter Gaben. Eine andere
äußerst berühmte Familie ist die Karls des Großen. Als erster
Pipin von Heristal, tatsächlicher Herr von Frankreich, dann
sein Sohn Karl Martell, der die sarazenische Invasion, die schon
halb Frankreich überschwemmt hatte, zurückdrängte; dann sein
Enkel, Pipin der Kleine, der Begründer der Karolingischen Dy-
nastie, und schließlich sein Urenkel Karl der Große, der Be-
gründer des germanischen Kaisertums. Die letzten drei, wenn
nicht alle vier, gehören als Führer der Menschen auf die aller-
höchste Stufe.
Eine andere, noch berühmtere FamÜie ist die Alexanders
des Großen, die Philipp von Mazedonien, die Ptolomäer und
seinen Großkousin Pyrrhus umfaßt. Ich erachte den letzteren
eigentlich als einen weit entfernteren Verwandten, doch hat
Pyrrhus in seinem Charakter so große Ähnlichkeit mit Alexander,
daß ich berechtigt bin, seine Gaben als ererbt in Anspruch zu
nehmen. Wieder eine andere Familie bilden Hannibal, sein Vater
und seine Brüder; weiter dieFamihe derScipios; ebenso die inter-
essante nahe Verwandtschaft zwischen Marlborough und dem
Herzog von Berwick. Raleighs Verwandtschaft ist meiner
Theorie außerordentlich angemessen, denn sie gibt ausgezeichnete
Beispiele in Vererbung spezieller Fähigkeiten. Von Wellington
158 Feldherren.
und dem Marquess von Wellesley habe ich schon im letzten
Kapitel gesprochen, so daß ich mich nicht hier zu wiederholen
brauche. Von Familien großer, aber nicht so berühmter Feld-
herren nenne ich noch die Familie Napier, Lawrence und die
merkwürdige Seemannsfamilie von Hyde Parker. Es waren fünf
Brüder Grant, die sich alle in Wellingtons Feldzügen besonders
auszeichneten. Ich füge noch hinzu, daß, obgleich ich zu wenig
über die großen asiatischen Krieger Dschengis — Khan und
Timur weiß, um sie in meinen Anhang aufzunehmen, mir doch be-
kannt ist, daß sie doppelt, wenn auch sehr entfernt verwandt sind.
Die Verteilung der Fähigkeiten unter die verschiedenen Ver-
wandtschaftsgrade ist in der gleichen Weise angeordnet, wie dies
bei den Politikern und den Judges der Fall war.
Anhang zu dem Kapitel Feldherren.
Verzeichnis der Feldherren, die in die nachstehende Unter-
suchung einbezogen sind.
Die Namen in Sperrschrift figurieren in meinem nach-
stehenden Verwandten-Lexikon. Es sind 32, die übrigbleibenden
27 sind durchaus nicht völlig ohne begabte Verwandte.
Alexander. Baber. Belisarius. B e r w i c k , Herzog von.
Blake. Blücher. Bonaparte. Qaesar. Karl der Qroße.
KarlMartell. Karl XII. C 1 i v e. C o 1 i g n y. Conde.
C r 0 m w e 1 1. Cyrus der Ältere. Dandolo. D o r i a. Dschengis-
Khan. Dundonald, Lord. Eugen, Prinz. Friedrich der Große.
Gustav Adolph. Hannibal. Heinrich IV. H y d e r A 1 i.
Lawrence, Sir H. Mohamet Ali. Marius. Massena.
MoritzvonNassau. Marlborough. Miltiades. Moore,
S i r J. Moreau. Napier, Sir Charles. (Napoleon, s.
Bonaparte.) Nelson. Peter der Große. Pericles, Philipp
vonMazedonien. Pompejus. P y r r h u s. Raleigh. R u n -
je et Singh. Saladin. Sachsen, Marschall. Schomberg.
ScipioAfricanus. Soult. Themistocles. Timurlane. T 1 1 u s.
Traian. Tromp Märten. T u r e n n e. Wallenstein. Welling-
ton. Wilhelm I. von Oranien. Wolfe.
Feldherren. 159
Alexander der Große. Ist allgemein als der genialste Feldherr
berühmt, den die Welt je hervorgebracht hat. Mit 16
Jahren schon zeigte er einen außerordentlichen Scharf-
sinn in öffentlichen Angelegenheiten, als er während
einer Abwesenheit seines Vaters Mazedonien regierte.
Mit 20 Jahren bestieg er den Thron und begann seine
große Laufbahn als Eroberer, starb mit 32 Jahren. Da
er in einer Zeit lebte, in der das Band der Ehe locker
war, so sind seine Verwandten nicht leicht festzustellen.
Nichtsdestoweniger gehören diejenigen Menschen, die
nach allgemeiner Annahme als seine Verwandten gelten,
einer sehr hohen Stufe an. Er hat viel von den natür-
lichen Gaben seiner beiden Eltern geerbt; die kühle
vorbedächtige Art und die praktische Weisheit seines
Vaters und den feurigen Enthusiasmus und die unbän-
digen Leidenschaften seiner Mutter.
Er hatte vier Frauen, aber nur einen Sohn, ein pos-
thumes Kind, das mit 12 Jahren ermordet wurde.
V. Philipp von Mazedonien, ein berühmter General und
Staatsmann. Er erschuf und organisierte eine Armee,
die durch ein bis dahin unbekanntes System der Disziplin
zusammengehalten war. Mit diesem Heer hielt er ganz
Griechenland in Schach. Mit 24 Jahren schon zeigte er
seine kühle vorbedächtige Art und seine praktische Fer-
tigkeit, indem er sich ganz allein aus verwirrenden po-
litischen Schwierigkeiten hinaushalf. Er hatte eine kräf-
tige Gestalt, ein edles und gebietendes Aussehen,
eine geschickte Beredsamkeit und Gewandtheit im Um-
gang mit Menschen und Dingen. Cicero rühmt von ihm,
daß er „immer groß" war. Die sinnlichen Freuden
des Lebens genoß er gierig. Er wurde mit 47 Jahren
ermordet.
V. Olympias, feurig in ihrem Enthusiasmus, unbändig in
ihren Leidenschaften, schmiedete immer Ränke und in-
trigierte. Den Tod erlitt sie als Heldin.
B. (Halb-Bruder.) Ptolomäus Soter L Er wurde nach
Alexanders Tode der erste König von Ägypten und war
ein Sohn Philips IL von Arsinoe. Alexander schätzte ihn
160 Feldherren.
sehr hoch ein. Er war sehr tapfer und hatte alle Eigen-
schaften eines befähigten und urteilsfähigen Generals.
Er war auch der Literatur zugetan und förderte gelehrte
Männer. Er hatte zwölf Nachkommen, die Könige von
Ägypten wurden. Sie wurden alle Ptolomäer genannt
und waren in ihren Gesichtszügen, in ihren poli-
tischen Fähigkeiten, in ihrer Vorhebe für die Wissen-
schaft und in ihren wollüstigen Neigungen einander recht
ähnlich. Das Geschlecht der Ptolomäer ist im ersten
Augenblicke wegen der außerordentlichen Zahl seiner
Ehen innerhalb des engen Familienkreises äußerst inter-
essant. Bei den Ptolomäern fand so Inzucht statt, wie
unter preisgekröntem Vieh bei unseren Züchtern, aber
ihre nahen Ehen waren unfruchtbar — die Vererbung
ging meistens durch andere Frauen weiter. Wir be-
zeichnen die Ptolomäer ihrer Zahl nach in der Art ihrer
Thronfolge, II heiratete seine Nichte und später seine
Schwester; IV seine Schwester; VI und VII waren
Brüder und heirateten hintereinander die gleiche
Schwester. VII heiratete später seine Nichte; VIII hei-
ratete hintereinander zwei seiner eigenen Schwestern;
XII und XIII waren Brüder und beide heirateten hinter-
einander ihre Schwester, die berühmte Cleopatra.
Genealogie der Ptolomäer.
I
I
Nichte = II = Schwester
h *
III
.1
V
VI = Schwester = VII = mit seiner Nichte (zweimal)
Tochter verh. 1 Sohn VIII = gleichfalls mit seinen 2 Schwestern
an ihren Onkel | j
und Mutter von VIII XI * IX
I I
I 1 1 X
XII = Cleopatra = XIII (ein reiner Knabe)
1 l
Feldherren. 161
So gab es unter den dreizehn Ptolomäern nicht
weniger als neun enge Wechselheiraten. Wenn wir sie
jedoch in einem Stammbaum anordnen, wie wir dies
unten tun, sehen wir klar, daß die Hauptlinie bis auf zwei
Fälle, und zwar III und VIII von diesen Wechselheiraten
unberührt blieb. Die persönliche Schönheit und Kraft
Cleopatras, der letzten des Geschlechts, kann nicht
eigentlich als Gegenbeweis gegen die schlechten Folgen
naher Abkunft angeführt werden. Im Gegenteil, das
Beispiel der Ptolomäer zeigt klar, daß Zwischenheiraten
Sterilität zur Folge haben.
Vornamen der Ptolomäer.
I. Soter VIII. Soter II
IL Philadelphus IX. Alexander
III. Euergetes X.Alexander II
IV. Philopator XI. Auletes
V. Epiphanes XII. Dionysus
VI. Philometor XIII. Wurde als Knabe er-
VII. Euergetes II (Phison) mordet.
N. (Halbneffe.) Ptolomäus Philadelphus, ein Mann von
schwacher und kraftloser Konstitution, aber von großer
Befähigung und Energie. Er säuberte Ägypten von
Räuberbanden. Er war der erste, der afrikanische Ele-
fanten zähmte; die Elefanten, die man vor ihm in Ägypten
benützte, waren alle ausnahmslos aus Indien impor-
tiert worden. Er gründete die Stadt Ptolemais an der
Grenze Äthiopiens speziell um die gefangenen afri-
kanischen Elephanten in Empfang zu nehmen, die dort
gezähmt wurden. Er nahm das alte ägyptische Unter-
nehmen wieder auf, die Landenge von Suez zu durch-
fahren, schickte Reisende auf Entdeckungen das Rote
Meer hinunter, gründete die Bibliothek von Alexandria
und veranlaßte die Septuaginta-Übersetzung der Bibel.
Bei all seiner Intelligenz und Energie hatte er, wie wir
schon sagten, eine schwache und kränkliche Konstitution,
und sein Leben war das eines raffinierten Wollüstlings.
G a 1 1 0 n , Genie und Vererbung,
162 Feldherren.
(NS.) Ptolomäus Euergetes. War seinem Vater an Tüchtigkeit
und Befähigung durchaus nicht ebenbürtig. Er wurde
aber wegen seiner Gönnerschaft, die er Literatur und
Wissenschaft angedeihen ließ, kaum weniger gefeiert
gBE. PjTrhus, König von Epirus, der berühmte Feldherr. (Ich
bin bei dem zweiten Buchstaben nicht ganz sicher, ob es
sich um ein B. oder &. handelt.) Er war einer der
größten Feldherren, die je gelebt haben, und er hätte
einer der mächtigsten Monarchen seiner Zeit werden
können, wenn er mehr Ausdauer besessen hätte. Die
Blutsbande zwischen ihm und Alexander scheinen be-
merkenswert gewesen zu sein, können hier aber schwer
genau registriert werden. Pyrrhus Charakter hatte
Ähnlichkeit mit dem Alexanders, den er sich auch in
jungen Jahren schon zum Beispiel nahm. Sein Ehrgeiz
feuerte ihn an, die Taten Alexanders nachzuahmen.
Berwick, James Fitzjames, Herzog von. Einer der ausgezeich-
netsten Feldherren während der Regierung Ludwigs XIV.
Er war der illegitime Sohn Jakobs II. von Arabella Chur-
chill und wurde Oberkommandant der irischen Armee
seines Vaters. Er begleitete Jakob II. in die Verbannung
und trat in französische Dienste, wo er große Auszeich-
nungen erhielt, namentlich im spanischen Erbfolgekrieg.
Er war dann General-Leutnant der französischen Ar-
meen und wurde zum spanischen Granden ernannt.
0. John Churchill, der große Herzog von Marlborough s.
Bonaparte, Napoleon I. Seine außerordentlichen Talente zeigten'
sich in seiner Knabenzeit noch nicht. War ein schweig-
samer junger Mann. Der jährliche Bericht an den Gene-
ral-Schulinspektor sagt von dem fünfzehnjährigen Bona-
parte, er sei „ausgezeichnet in mathematischen Studien,
in Geschichte und Geographie leidlich versiert, sehr zurück
in Latein, schöner Literatur und anderen Gegenständen,
von regelmäßigen Gewohnheiten, fleißig und wohl-
erzogen und erfreue sich einer vortrefflichen Gesundheit
(Bourienne)." Er zeichnete sich erst mit 24 Jahren bei
der Belagerung von Toulon aus. Mit 26 Jahren wurde
er General der italienischen Armee, die sich damals in
Feldherren,
163
einem desorganisierten Zustand befand. Von da ab be-
gann seine ununterbrochene Siegeslaufbahn. Er war
mit 35 Jahren Kaiser; wurde mit 46 Jahren bei Waterloo
besiegt und starb sechs Jahre später auf St. Helena. Zu
Stammbaum der Familie Bonaparte.
Carlo Bonaparte
ein korsischer Advokat
II
Lätitia Ramolini
bekannt als „Madame la ^
Mere'. War von helden-
hafter Natur und eine
der schönsten jungen
Frauen ihrer Zeit. Sie
folgte ihrem Gatten auf
allen seinen Reisen durch
die Insel, die damals
von gefährlichen Un-
ruhen heimgesucht war.
Sie war stark und un-
erschrocken. Später
wurde sie „eine blasse,
aber ernste Frau, die,
wenn sie von etwas ge-
sprochen hatte, was sie
stark interessierte, mit
zusammengepreßten
Lippen und weitge-
öffneten Augen dasaß,
ein BildderEntschlossen-
heit kombiniert mit Tiefe
des Gefühls" (Duchesse
d'Abrantes). Napoleon
schätzte sie hoch ein.
Joseph, König von
Neapel und später
von Spanien,
w Julia Clary.
Napoleon I.
m zweimal.
Lucien, Prinz von
Canino.
w zweimal.
Elisa, Prinzessin von
Piombino und Lucca :
, die italienische Semi-
ramis"
m Baciocchi.
Töchter.
1. König von Rom, aber
jetzt Napoleon II. be-
titelt; ein schwind-
süchtiger Jüngling,
starb mit 20 Jahren.
2. Graf Walewski (il-
legitim) hervorragen-
der Diplomat; fran-
zösischer Gesandter
in England.
1. Charles Lucien.
2. Prinz Louis, Philologe.
• Napoleon Eliza.
5. Louis, König von
Holland.
m Hortense Beau-
harnais.
6. JVlarie Pauline;
m 1. Genl. Ledere,
2. Prinz Camillo
Borghese.
7. Jerome, König von
Westphalen ; Präsi-
dent des Staatsrats
unter Napoleon 111.
m Prinzessin von
Württemberg.
1 1. Napoleon Ch,
jf 2. Charles Napoleon,
j 3. Louis, Napoleon III.
keine Kinder.
1. Prinzessin Mathilde;
m Prinz Demidoff.
> 2. Prinz Napoleon;
m Clothilde, Tochter
des Königs v. Italien.
8. Karoline. |
m Murat, König von [
Neapel. j
Lucien Napoleon Murat.
11*
164 Feldherren.
den bemerkenswerteren Eigenschaften dieses außer-
ordentlichen Mannes gehörten auch ein wunderbares
Gedächtnis und intellektuelle Rastlosigkeit. Er besaß
eine gewaltige Körperkraft.
Die Familie Bonaparte hat so viel beachtenswerte
Mitglieder, während gleichzeitig einige von ihnen von
den politischen Verhältnissen so sehr unterstützt, andere
wieder gleichfalls durch die politischen Verhältnisse so
zurückgedrängt wurden, daß es sehr schwer ist zu sagen,
welche von ihnen als Beispiele vererbter Anlagen anzu-
führen sind und welche nicht. Ich bringe umstehend
den Stammbaum der Familie und erachte es als die Ur-
sache des erblichen Einflusses:
V. B. b. S. und 2N.
Lucien, Elisa und Louis waren sehr begabte Men-
schen, und andere Schwestern und Brüder Napoleon I.
ragten sicherlich über den Durchschnitt hinaus. Es sind
noch jetzt Mitglieder der Familie am Leben, unter ihnen
der Kardinal von Rom, der noch eine große politische
Rolle vor sich haben mag.
Cäsar, Julius, römischer Diktator. War nicht nur ein Feldherr
der höchsten Art und ein Staatsmann, sondern auch ein
Redner und Schriftsteller. Schon als Knabe berechtigte
er zu den größten Hoffnungen und war in seiner Jugend
durch sein Urteil, seine literarischen Fähigkeiten und
sein Rednertalent bemerkenswert. Infolge der verwirr-
ten Zustände in der römischen Politik wurde er erst mit
41 Jahren Konsul und begann seine militärische Lauf-
bahn erst mit 42 Jahren. Von da ab hatte er vierzehn
Jahre lang ununterbrochen Erfolg. Mit 56 Jahren wurde
er ermordet. Selbst wenn man seinen Charakter an
dem niedrigen Stand der Zeit, in welcher er lebte, mißt,
muß er noch als besonders ruchlos erscheinen. Er hatte
keine Brüder, nur zwei Schwestern. Er war viermal
verheiratet und hatte nur einen illegitimen Sohn von
Cleopatra, namens Caesarion, den Augustus aus po-
litischen Gründen hinrichten ließ, dann noch eine Tochter
Feldherren. 166
s. Julia, verheiratet mit Pompejus und von ihm (obgleich die
Ehe aus rein politischen Gründen geschlossen war), so-
wie von dem ganzen Volke sehr geliebt. Sie war von
hervorragender Befähigung, Tugend und Schönheit Sie
starb frühzeitig, vier Jahre nach ihrer Verheiratung, in
vorgeschrittener Schwangerschaft infolge eines großen
Schreckens.
V. Aurelia scheint keine gewöhnliche Frau gewesen zu
sein. Sie bewachte sorgsam die Erziehung ihrer Kinder
und wurde von Cäsar stets mit der größten Liebe und
dem größten Respekt behandelt.
71. Atia, die Mutter des Augustus, die sorgsam über seine
Erziehung wachte und die in eine Reihe mit Cor-
nelia, der Mutter der Qracchen, und Aurelia, der Mutter
Cäsars, gestellt wird.
tiS. Augustus Cäsar, der erste Kaiser von Rom. Die öf-
fentliche Meinung seiner eigenen Zeit nannte ihn einen
ausgezeichneten Fürsten und Staatsmann. Er war von
Cäsar adoptiert worden, der ihn hoch schätzte und
der Erziehung des Jünglings viel Zeit seines beschäf-
tigten Lebens widmete. Er war von großer Vorsicht
und Mäßigung. Nach dem Tode Cäsars war er schon
in jungen Jahren als Feldherr sehr erfolgreich. Heiratete
drei Frauen, hinterließ aber nur eine Tochter.
0. Sext. Julius Cäsar; Konsul, v. Ch. 9L
? Marcus Antonius. Seine Mutter gehörte zur Familie des
Julius Cäsar, doch ist unbekannt, welchen Grades diese
Verwandtschaft war.
(Cajus Marius, der Feldherr heiratete die Tante (o)
von Julius Cäsar, hatte aber keine Kinder von ihr:
Marius der Jüngere, der viel von Cajus Fähigkeiten und
Charakter hatte, war nur ein adoptierter Sohn.)
Karl der Große, Begründer des deutschen Reiches und ein großer
Feldherr. Begann seine Kriege mit 30 Jahren, starb mit
72. Er war ein hervorragender Gesetzgeber und großer
Gönner der Wissenschaften. Er hatte viele Kinder, so-
wohl legitime als illegitime, unter ihnen auch Ludwig
den Gütigen.
166 Feldherren.
GV. Pipin der Dicke (von Heristal), ein ausgezeichneter
Feldherr. Er machte der Merowingischen Dynastie ein
Ende und war ein kraftvoller Herrscher Frankreichs.
G. Karl Martell. s. unten.
V. Pipin der Kurze, der erste karoHngische König von
Frankreich.
Karl Martell. Ahnherr der karoHngischen Könige von Frank-
reich. Besieger der Sarazenen in der großen und ent-
scheidenden Schlacht zwischen Tours und Poitiers.
V. Pipin der Dicke, s. oben.
S. Pipin, der erste karoHngische König von Frankreich.
E. Karl der Große, s. oben.
Karl XII. von Schweden, s. unter Gustav Adolph.
Clive, Ister Lord; General-Gouverneur von Indien. „Ein him-
melentsprossener Feldherr, der ohne Erfahrung alle
Offiziere seiner Zeit überragte" (Lord Chatham). Mit 32
Jahren siegreich bei Plassy. Beging mit 49 Jahren
Selbstmord.
GB. Sir G. Chve, Judge, Curs. B Exch. (Georg II).
GN. Sir E. Clive, Judge, Just C. P. (Georg III).
CoHgny, Gaspard de; französischer Admiral, Feldherr und Po-
litiker. Berühmter Hugenottenführer. Kam im Blut-
bad der St. Bartholomäusnacht um.
V. Gaspard de Coligny, Marschall von Frankreich, zeichnete
sich in den italienischen Kriegen unter Karl VIII, Lud-
wig XI. und Franz I. aus.
0. Duc de Montmorency, Marschall und Constable von
Frankreich. Das berühmteste Mitglied einer großen
französischen Familie. Er war unwissend, wurde aber
infolge seiner natürlichen Befähigung und seiner großen
Erfahrung einer der befähigsten Ratgeber und Politiker.
eE. Wilhelm III. von England, s. den Stammbaum bei Moritz,
Cromwell, Ohver; Lord Protector der Republik (Commonwealth).
OS. Hampden, der Patriot, von dem Lord Clarendon sagt, er
habe „einen Kopf zum Entwerfen, eine Zunge, um zu
überzeugen und ein Herz, um jedes Unheil anzurichten."
Das Wort „Unheil" bedeutet hier natürlich Gegnerschaft
gegen den König.
Feldherren. 167
Oe. Edmund Waller, der Dichter, ein Mann von sehr be-
trächtlichen Fähigkeiten, sowohl in parlamentarischer
Beredsamkeit als in der Dichtkunst, doch war er in sei-
nen Prinzipien nicht sehr standhaft. Er war der n. von
Hamden.
S, Henry; benahm sich tapfer in der Armee und war mit
Auszeichnung als Lord Deputy in Irland tätig.
Er hat einen andern Sohn und vier Töchter, die be-
fähigte Männer heirateten, jedoch keine bemerkens-
werten Nachkommen hatten.
Doria, Andrea; Admiral und berühmter Politiker. Er ver-
trieb die Franzosen aus Genua und erhielt vom Se-
nat den Titel „Vater und Retter des Vaterlandes," Be-
kannt durch seine Siege über die Seeräuber im Mittel-
ländischen Meer. In der letzten Schlacht war er 85
Jahre alt. Er gehörte einem jüngeren Zweig der großen
Familie Doria an, aus der sich viele Männer in der
italienischen Geschichte hoch ausgezeichnet haben. Er
hatte keine Kinder. Starb mit 94 Jahren.
N. Filippino Doria, der ihm als Admiral folgte und einen
wichtigen Sieg über die Franzosen errang.
Eugen, Prinz, österreichischer Feldherr und Politiker. Kollege
von Marlborough, Sieger über die Türken. Er war für
die Kirche bestimmt worden, zeigte jedoch eine ent-
schiedene Vorliebe für die militärische Laufbahn, Er
war hervorrragend tapfer, besaß viel Befähigung und
sehr viel physische Kraft. Seine Eigenschaften und
seine Geburt sicherten ihm ein rapides Avancement, so
daß er die kaiserlich österreichische Armee in Piemont
mit 25 Jahren befehligte. Napoleon stellte ihn als Feld-
herr mit Turenne und Friedrich dem Großen in eine
Reihe.
^B. Kardinal Mazarin, der große Minister während der
Minderjährigkeit Ludwig XIV.
gN. Hortense Mancini, die gebildete und schöne Herzogin
von Mazarin, verheiratet an den Herzog de la Meilleraye.
Sie wurde in England sehr bewundert und starb dort
1699.
168 Feldherren.
Qustav Adolph, Nicht nur ein sehr hervorragender Feldherr und
Politiker, sondern auch ein Gönner von Wissenschaft
und Literatur. Er bestieg mit siebzehn Jahren den
Thron und zeichnete sich gleich danach selbst im Kriege
aus. Er wurde das Haupt der deutschen protestantischen
Sache. Er fiel mit 38 Jahren in der Schlacht bei Lützen.
s. Christine, Königin von Schweden, sein einziges Kind.
Sie war eine Frau von hoher Befähigung, aber von
männlichen Gewohnheiten und sehr exzentrisch. Sie be-
bewunderte Alexander den Großen sehr. Sie zog an
ihren Hof viele hervorragende europäische Philosophen
und Gelehrte heran, unter ihnen Grotius, Descartes und
Vossius. Sie trat zum Katholizismus über, verzichtete
in einem Ausbruch von Laune auf den Thron und ver-
suchte nach einigen Jahren vergebens, ihn wieder zu er-
langen.
Gustav Wasa
X Cecilia
I
X
1
Gustav Adolph X
^ I I
Christine X
f
Karl XII.
In der schwedischen Königsfamilie war einige Gene-
rationen lang viel Befähigung und Exzentrizität verstreut.
So Gustav Wasa, seine Tochter Cecilia und in einer viel
späteren Generation Karl XII., die alle sehr bemerkens-
werte und in vielen Beziehungen einander sehr ähnliche
Charaktere besaßen. Der Zusammenhang zwischen ihnen
ist aus der vorstehenden Tabelle leicht ersichtlich, ich
will sie jetzt der Reihe nach beschreiben.
Feldherren. 169
QV. Gustav Wasa; obgleich verbannt und ausgewiesen, ge-
lang es ihm doch, die Schweden zu vereinen und mit
ihnen die Dänen zu verjagen und der Begründer der
schwedischen Dynastie zu werden.
Gb. Cecilia, seine Tochter, welche ein „echtes Vorbild der
launischen und exzentrischen Christine war; sie hatte
eine intensive Sehnsucht, zu reisen und das weitberühmte
Beispiel der Königin von Saba nachzuahmen." Sie kam
mit ihrem Gatten nach England, wo sie in entsetzliche
Schulden geriet. Sie starb mit 87 Jahren nach einem
planlosen und zügellosen Leben. (Einleitung von
„England, wie es die Fremden sehen" von W. B. Rye,
1865.)
NP. Karl XII. Zeigte von seiner frühsten Jugend an großen
Eigensinn und bemerkenswerte Vorliebe für militärische
Übungen. Sein großer Wunsch war, Alexander nachzu-
eifern. Er bestieg den Thron mit 15 Jahren und begann
mit 18 Jahren seine Kriege mit Rußland, Dänemark und
Polen, wobei er sie alle hintereinander besiegte. Er be-
saß viel Mut und physische Kraft, war eigensinnig, toll-
kühn und grausam, (Auch sein Vater Karl XI. war
eigensinnig, hart und despotisch.) Er wurde mit 37
Jahren während eines Feldzuges getötet.
Hannibal, der große karthagische Feldherr; mit 18 Jahren wurde
ihm das hohe Kommando anvertraut, mit 26 Jahren war
er berühmt. Er führte die karthagische Armee mit ihren
Elefantenscharen von Spanien durch Frankreich über die
Alpen, Nach Italien hin absteigend, erzwang er sich
seinen Weg gegen die römische Macht und schlug sie
bei dieser großen Entfernung von seiner Operationsbasis
vöUig bei Cannä. Später wurde er von ihr unter
Scipio Africanus geschlagen. Er vergiftete sich selbst
mit 64 Jahren, um der Rache der Römer zu entgehen.
V. Hamilcar Barcas, „der Große", hatte schon als Jüngling
das Kommando über die Truppen in Spanien, Über
seine Abstammung ist nichts bekannt.
B, Hasdrubal, ein würdiger Rivale von Vater und Bruder
um die Palme des Ruhms. Er überschritt nach Hannibal
170 Feldherren.
die Alpen und wurde zuletzt von den Römern besiegt
und getötet.
B. Mago, ein guter Feldherr, der zusammen mit seinen Brü-
dern operierte.
B. (Halbbruder, Sohn von Hannibals Mutter) Hasdrubal,
Feldherr in Spanien.
Hyder, Ali. Der fähigste und schrecklichste Feind der Engländer
in Indien. Er begann sein Leben als Qlücksjäger, stieg
bis zum Minister und dann zum Sultan von Mysore auf,
starb mit 44 Jahren.
S. Tippoo Saib. Weniger befähigt als sein Vater, aber
raubgieriger und ein ebenso entschiedener Feind der
Engländer; wurde in der Schlacht bei Seringapatam ge-
tötet.
Lawrence, Sir Henry; Gouverneur von Oude. Ein Mann von
großem militärischen und administrativen Talent. Die
Hauptstütze der englischen Regierung beim Ausbruch
des indischen Aufstandes, er verteidigte Lucknow und
wurde dabei getötet. Er war sehr behebt und wurde
un,cT:emein geschätzt.
(V.) Ein Offizier in Indien, der sich einigermaßen hervortat
B. John, ernannt zum Lord Lawrence, General-Gouverneur
von Indien, ein ausgezeichneter Administrator; war einer
der wichtigsten Retter der Regierung zur Zeit des in-
dischen Aufstands.
Woritz von Nassau, einer der größten Befehlshaber seiner Zeit,
regierte mit 18 Jahren nach dem Tode seines Vaters die
Niederlande mit großem Mut und Talent; schlug und
vertrieb 1597 mit 30 Jahren die Spanier.
V. Wilhelm I. von Nassau, „der Schweigsame", „der Leit-
stern einer großen Nation" (Motley). Mit 15 Jahren war
er der intime und vertrauteste Freund Karls V. Er wurde
als Verteidiger des Protestantismus der wütendste Geg-
ner Philipps und schuf schließlich, nachdem er die Spa-
nier besiegt hatte, die Utrechter Union, die Basis der
Niederländischen Republik. Er wurde mit 51 Jahren er-
mordet. Er heiratete viermal, war der Vater von Moritz
Feldherren. 171
Montmorency, Herzog von, o = Coligny, G. de,
Marschall v. Frankreich 1 Marschall von
großer Soldat und Politiker j Frankreich
Moritz Coligny, G. de,
Kurfürst von Sachsen Admiral, großer Soldat
großer Feldherr und Hugenottenführer
Wilhelm I von = 2. Frau = 3. Frau = 4. Frau
Nassau be-
rühmt. Politik,
und Feldherr
Moritz Tochter = Duc de Bouillon Friedr. Wilhelm
fähiger Feldherr Statthalter
und Hugenottenführer
größter Befehlshaber
seiner Zeit,
Statthalter
Turenne
befähigster französ.
Feldherr vor
Napoleon Wilhelm III. von England
unser befähigster König
von Nassau, der Großvater von Turenne und der Ur-
großvater unseres Wilhelm III.
g. Moritz, Kurfürst von Sachsen, ein großes militärisches
Talent.
n. (der Sohn eines Halbbruders) Turenne, der größte fran-
zösische Feldherr.
NS. Wilhelm III., Statthalter und König von England. Er
war mit 22 Jahren ein befähigter Feldherr in Holland
und wurde später kraft seiner Heirat König von England
und war der befähigste Monarch, den wir je besaßen.
Er war eine kühle und schweigsame Natur, aber seltsam
klarsehend, standhaft und mutig. Er war ein Sieben-
monatkind. Er starb mit 52 Jahren infolge eines Unfalls
beim Reiten.
Marlborough, John Churchill, Herzog von. Der befähigste Feld-
herr und vollendetste Politiker seiner Zeit. In seinen
frühen Feldzügen zeichnete er sich durchweg aus.
Mit 22 Jahren zog er Turennes Aufmerksamkeit auf sich,
der prophezeite, sein „schöner Engländer" werde sich
einmal als Meister in der Kriegskunst bewähren. Er war
in der Gefahr besonders kühl und hatte mehr Kopf als
172 Feldherren.
Herz, denn er war selbstsüchtig und berechnend. Er
hatte einen Sohn, der sehr jung starb, und vier Töchter.
n. James Fitzjames, Herzog von Berwick. s. Berwick.
„Ein Befehlshaber von Ruf, doch weniger berühmt als
sein Onkel mütterlicherseits."
OE. Sir J. Churchill, Judge, M. R. (Jakob II.)
Moore, Sir John. Einer der ausgezeichnetsten englischen Offi-
ziere der modernen Zeit. Kommandierte mit 40 Jahren
die Reserven der britischen Armee in Ägypten. Fiel mit
48 Jahren in der Schlacht bei Corunna. Er war ein
Mann von ritterlichem Mut.
V. Dr. John Moore, ein wohlbekannter vielseitiger Schrift-
steller („Zeluco" usw.) Ein Mann von hoher Morahtät;
seine Bemerkungen waren scharf, dazu hatte er einen
kaustischen Humor.
B. Admiral Sir Graham Moore, Qroßkreuz des Bathordens.
(S.) Kapitän John Moore, zur See, zeichnete sich im Krim-
krieg durch sein Kommando des Highflyer aus und war
der Privatsekretär des Herzogs von Somerset, als dieser
Fürst Lord der Admiralität war.
Napier, Sir Charles; Eroberer von Scinde. Das hervorragendste
Mitglied einer sehr hervorragenden militärischen Familie.
GGV. Napier von Merchistoun, Erfinder der Logarithmen.
V. Oberst Napier; war selbst aus dem Holz der wahren
Helden geschnitzt. Er hatte ungewöhnliche Körper- und
Geisteskräfte, besaß wissenschaftliche Neigungen und
Fähigkeiten. War Vorsteher des Woolwich.-Laborato-
riums und Rechnungskontrolleur der Armee.
oS. Right Hon. Charles James Fox, Politiker und Redner,
s. Fox bezüglich seiner zahlreichen begabten Verwandten.
B. General Sir William Napier, Historiker des pyrenäischen
Krieges.
B. General Sir George Napier, Gouverneur von Kapland,
1849 wurde ihm das Kommando über die Piemontesische
Armee angeboten, was er ablehnte.
(2B.) Es gab noch zwei andere Brüder, Richard, Ratgeber der
Königin, und Henry, Marine-Kapitän, die gleichfalls als
Beispiele vererbten Talentes angeführt werden können.
Feldherren. - 173
OS. Admiral Sir Charles Napier. Zeichnete sich in seiner
Jugend im französischen Krieg durch Tapferkeit aus,
später in Portugal, nachher bei der Belagerung von
Acre. Als seine Gesundheit schon untergraben war,
wurde er im Russischen Krieg zum Oberkommandanten
der Baltischen Flotte ernannt.
Lord Napier, der Diplomat, ist ein anderer befähigter
Verwandter.
Bern. Lord Napier von Magdala ist kein Verwandter
dieser Familie.
Napoleon I., s. Bonaparte.
Nelson, Lord. Admiral. Englands größter Held zur See. Als
Knabe hatte er weder einen kräftigen Körper, noch eine
starke Konstitution. Er war 47 Jahre alt, als er alle
seine Siege erfochten hatte und fiel. Seine bemerkens-
werten Verwandten sind nur weitläufig mit ihm ver-
bunden, sind aber wert, genannt zu werden,
(g.) Maurice S'uckling, Dr. der Theologie, Domherr von West-
minster.
oE. Lord Cranworth, Lord Chancellor.
go. (der Onkel der Mutter der Mutter) Sir Robert Walpoles.
Philipp von Mazedonien, s. unter Alexander.
S. Alexander der Große j
S. Ptolomäus I. von Ägypten s. unter Alexander.
E. Ptolomäus Philadelphus j
Pyrrhus.
QBe. Alexander der Große war sein Großkousin durch Alexan-
ders Mutter, doch ist mir über die anderen Glieder nichts
bekannt, s. unter Alexander.
Raleigh, Sir Walter; ein verwegener Forscher und Kolonisator,
auch Politiker, Hofmann und Schriftsteller und ebenso ein
hervorragender Feldherr zu Land und zur See.
B. (Halbbruder) Sir Humphrey Gilbert, bekannter See-
fahrer. Schlug die Nordwest-Passage nach China
vor. Er war es, der von Neufundland Besitz nahm. Er
kam auf dem Meere um.
2B. John und Adrian Gilbert. „Sir Humphrey's Ruhm hat
den seiner Brüder John und Adrian verdunkelt, aber alle
174 Feldherren.
drei halfen beträchtlich, England zu dem zu machen, was
es ist, und alle waren Mitarbeiter an der Kolonisation
von Nordamerika" (Edwards' Life of Raleigh).
oS. Henry Chanpernoun, der eine englische Freiwilligen-
schar der Armee der Hugenotten zuführte.
oS. Qawen Champernoun, gleichzeitig mit Raleigh später im
Dienst in den französischen Bürgerkriegen.
Runjeet Singh, Begründer des Seikh-Reiches. Sein Vater starb,
als er noch ein Knabe war, und seine Mutter, die jung
und hübsch war, tat alles, was sie nur konnte, um ihn
zu verweichlichen, damit er als Mann zur Regierung un-
fähig sei, und nichtsdestoweniger erwachte sein Ehr-
geiz mit 17 Jahren, mit 29 Jahren hatte er ein großes Ge-
biet erobert. Dieser energische Mann herrschte vierzig
Jahre lang in unbestrittener Macht über zahlreiche un-
ruhige Provinzen, obgleich seine Gesundheit durch Aus-
schweifung und Frönung niedriger Leidenschaften so ge-
brochen war, daß er mit 50 Jahren nicht mehr ohne
fremde Hilfe stehen konnte. Seine Autorität blieb bis zu
seinem Tode bestehen, der 1839 in seinem 59. Jahre
eintrat.
G. Churruth Singh, von niedrigem Stand und aus-
schweifender Lebensweise, wurde Herr von Sookur
Chukea im Panjoub.
V. Malia Singh, breitete die Herrschaft seines Vaters aus
und führte vierzehn Jahre lang mit seinen Nachbarn Krieg,
obgleich er mit 30 Jahren schon starb. Er soll gleich-
zeitig 60 000 Reiter kommandiert haben.
Sachsen, Marschall von. Berühmter Feldherr unter Ludwig XV.
Er war von großer Statur und hatte außerordentlich viel
physische Kraft. Von Kindheit auf an körperliche Übungen
gewöhnt. Mit 12 Jahren lief er davon, um zur Armee
zu gehen. Im Charakter außerordentlich viel Don Juan-
haftes. Er war ein erfahrener Befehlshaber, der seinen
Beruf liebte, aber seine Fähigkeiten waren nicht der
allerhöchsten Art.
V. August IL, König von Polen (Der Marschall war einer
seiner zahlreichen illegitimen Nachkommen.). August
Feldherren. 175
wurde unter vielen Mitbewerbern zum König gewählt
und war ein bemerkenswerter Mann, obgleich Karl XII.
ihn schlug. Er war ausschweifend und trieb viel Luxus.
0. Graf Königsmarck, der Bruder der schönen aber zarten
Mutter des Marschalls. Er hatte einen Liebeshandel mit
der Frau Georgs I. von England und wurde ermordet
Er war ein schöner, ungestümer Mann, stets in galante
Aventüren verstrickt.
es, Madame Dudevant (George Sand), die französische
Schriftstellerin. Ihre Großmutter war eine natürliche
Tochter des Marschall von Sachsen.
Scipio P. Cornelius, Africanus Major; Besieger Hannibals und
Gelehrter. Der größte Mann seines Zeitalters, vielleicht
der größte Römer überhaupt, mit Ausnahme Cäsars. Er
war erst 24 Jahre alt, als er zum obersten Befehlshaber
über die römische Armee in Spanien ernannt wurde.
Die Familie Scipio brachte viele große Männer her-
vor, und Rom verdankt ihr zum großen Teile seine Welt-
herrschaft.
V, P. Cornelius Scipio; ein großer Feldherr, wurde jedoch
von Hannibal besiegt und dann wieder durch die Kar-
thager unter Hasdrubal und Mago endgiltig geschlagen
und getötet.
G. L. Cornelius Scipio; vertrieb die Karthager aus Corsica
und Sardinien.
S. P. Corn. Sc. Africanus, war durch seine schwache Ge-
sundheit verhindert, an den öffentlichen Angelegenheiten
teil zu nehmen, doch bemerkt Cicero, daß er neben der
Geistesgröße seines Vaters einen größeren Bestand an
Wissen hatte.
Sein Bruder L. Corn. S. Afr. wird „ein degenerierter
Sohn seines berühmten Vaters" genannt.
s. Cornelia, die Tiber. Sempr. Gracchus heiratete, wurde
von dem Volke fast vergöttert. Sie erbte von ihrem
Vater einen Hang für Literatur und vereinigte in ihrer
Person die strengen Tugenden einer altrömischen Ma-
trone mit dem höheren Wissen, dem Raffinement und
der Kultur, die sich damals in den höheren Klassen Roms
176 Feldherren.
auszubreiten begannen. Ihre Briefe waren noch zu
Ciceros Zeiten vorhanden und wurden als Muster der
Komposition betrachtet.
2E. Tiberius und Cajus Gracchus, kühne Verteidiger der
Rechte des Volkes. Berühmt durch ihre Beredsamkeit
und Tugend. Beide wurden ermordet.
GN. Scipio Nasica, der Jurist.
Bem. P, Corn. Sc. Aemilianus Africanus Minor, war
nicht aus dem Blute der Scipio, sondern ein Vetter
mütterlicherseits von P. Corn. Sc. Africanus (s. oben),
der ihn als Sohn adoptierte. Er war ein sehr gebildeter
Gelehrter und hervorragender Redner.
Titus, Flav. Vesp., Kaiser von Rom. Befähigt und tugendhafte?)
zeichnete sich im Kriege aus; außerordentlich beliebt.
In seiner Jugend war er etwas Hederlich, als er aber
Kaiser wurde, zeigte er sich hervorragend gemäßigt
und gerecht.
V. Vespasian. Stieg durch verschiedene Würden bis zum
Kaiser von Rom empor, ausschließlich infolge seiner ei-
genen großen Verdienste als Feldherr und Politiker.
Tromp, Märten; berühmter dänischer Admiral, der durch sein
eigenes Verdienst in einer wichtigen Epoche zum obersten
Befehlshaber wurde. Obgleich er in seiner Jugend ge-
fangen genommen wurde, wodurch sein Avancement im
Dienste für einige Jahre lahmgelegt war, war er mit
40 Jahren ein bekannter Admiral und gefürchteter Gegner
der Engländer. Fiel mit 56 Jahren in der Schlacht.
S. Cornelius van Tromp, ein gefeierter niederländischer
Admiral, der diesen Rang im Kriegsdienst mit 33 Jahren
erhielt. Seine berufliche hervorragende Bedeutung ist
außer aller Frage, obgleich sie schwerlich der des Vaters
gleichkommt.
Turenne Henry, Vicomte de, der größte französiche Feldherr
vor Napoleon. Alle seine Taten tragen den Stempel ei-
nes wahrhaft großen Geistes. Er war klar und umfassend
in seinen Ansichten, energisch in seinen Handlungen und
erhaben über die beschränkten Gefühle eines rein reli-
giösen Parteigängers. In seinem Privatleben war er
Feldherren- 177
hervorragend rein. Bis zu seinem elften Jahre war er
schwächlich. Als Knabe liebte er Bücher und studierte
die Biographien hervorragender Krieger. Er lernte lang-
sam und mit Schwierigkeiten, rebellierte gegen Zwang
und zeigte ausdauernde Standhaftigkeit. Er liebte beson-
ders athletische Übungen und stärkte dadurch seine Ge-
sundheit. Die erste Gelegenheit, sich auszuzeichnen, fand
er mit 23 Jahren, worauf er zum „Marechal de camp"
und dann, als nächste Stufe, zum Marechal von Frankreich
ernannt wurde. Er wurde mit 64 Jahren von einer Ka-
nonenkugel getötet.
V. Henri, Duc de Bouillon, einer der befähigsten Soldaten
aus der Schule Heinrichs IV. Sein hoher Rang, seine
Liebe zum Studium, seine Anhänglichkeit an den kal-
vinistischen Glauben und seine Fähigkeiten als Politiker
machten ihn nach dem Tode dieses Prinzen zum Führer
der Hugenottenpartei.
g. Wilhelm I. von Oranien, „Der Schweigsame", s. unter
Moritz.
o. Halbruder der Mutter, Moritz von Nassau, s.
oE. Wilhelm III. von England.
Wellington, Duke von. Der größte der modernen englischen Feld-
herren, ein entschlossener Politiker und klarer Schrift-
steller. Mit 35 Jahren brach er die Kraft der Mahratta
in Indien. Dann wurde er Sekretär von Irland. Mit 39
Jahren bekam er das Kommando über die britische Ar-
mee in Spanien, mit 46 Jahren hatte er Waterloo hinter
sich und stand am Ende seiner militärischen Laufbahn.
B. Marquess Wellesley (s. unter Politiker), General-Gouver-
neur von Indien, Politiker und Gelehrter.
(B) Baron Cowley, Diplomat.
(V) Earl von Mornington, hatte musikalische Fähigkeiten.
N. Earl Cowley, Diplomat, englischer Botschafter in Frank-
reich.
N. Rev. Henry Wellesley, Dr. der Theologie, Gelehrter und
ein Mann von bemerkenswerten Neigungen. Vorstand
von New Inn Hall in Oxford.
12
Galten, Genie and Vererbung.
178 Feldherren.
Wilhelm I. von Oranien, der Schweigsame, s. unter Moritz.
S. Moritz von Nassau, s.
S. Friedrich Wilhelm. Statthalter in den blühendsten Zeiten
der Republik.
e, Turenne (s.), der große französische Feldherr.
SE. Wilhelm III. von England.
Literaten.
Wer mit großen Bibliotheken vertraut ist und sich die Mühe
genommen hat, die Anzahl der bekannten Autoren zu zählen,
deren Werke sie enthalten, kann nicht verfehlen, sich über ihre
Menge zu wundern. Die Jahre vergehen, jedes Jahr bringt jedes
Volk literarisch gehaltvolle Werke hervor, und die Haufen von
Büchern vermehren sich von Jahrhundert zu Jahrhundert. Wel-
che Autoren sind nun die hervorragendsten? Ich fühle mich
nicht kompetent genug, diese Frage zu beantworten. Es wäre
nicht schwierig, Listen der bekanntesten literarischen Charaktere
der einzelnen Epochen zu erhalten, aber ich habe nichts gefunden,
was einer gedrängten und wahrheitsgetreuen Auslese der großen
Schriftsteller aller Zeiten gleichkäme. Bloße Popularität bei der
Nachwelt ist ein außerordentlich unsicherer Beweis für Ver-
dienst, denn die Autoren veralten. Was sie an Gedanken und
sprachlichem Ausdruck beigesteuert haben, wird von anderen
wiederholt und abermals wiederholt, bis beides schließlich so in
die laufende Literatur und die Sprache des Tages aufgenommen
ist, daß niemand mehr ihre Spur bis zu den ursprünglichen
Quellen verfolgt, ebenso wenig als die Menschen sich dafür in-
teressieren, das Gold, das schon in Sovereigns verwandelt ist,
bis zu den Metallklumpen zu verfolgen, von denen es herkommt,
oder bis zu den Goldgräbern, die es entdeckt haben.
Anderseits leistet ein Mensch von guten Fähigkeiten, der
sich der Literatur widmet, ein gut Stück rechtschaffener Arbeit
Es ist immer Aussicht vorhanden, daß einige solcher Werke weit
über ihre wirklichen Verdienste berühmt werden, weil der Autor
12*
180 Literaten.
irgend etwas zu erzählen hat, wessen die Welt gerade bedarf;
oder er kann auch spezielle Erfahrungen gemacht haben, die
ihn dazu qualifizieren, Dichtungen zu schreiben oder An-
sichten auszusprechen, die den Bedürfnissen der Zeit ausgezeich-
net angepaßt sind, in späteren Jahren aber unwichtig werden.
Auch in diesem Falle führt der Ruhm irre.
Unter diesen Umständen halte ich es für das Beste, mich
nicht allzusehr mit älteren Zeiten zu beschäftigen, da ich sonst
verpflichtet wäre, mich in weitläufige Rechtfertigungen meiner
Listen von literarisch wertvollen Persönlichkeiten einzulassen.
Ich ziehe es daher vor, Autoren neuerer Zeit zu wählen, oder
solche, deren Ruf sich in England frisch erhalten hat. Ich habe
daher einfach Lexika durchgesehen, aus denen ich diejenigen
Namen von Literaten, die am meisten hervortraten, auszog. Die-
jenigen von ihnen, die entschieden hervorragende Verwandte
haben, beschreibe ich in meinem Anhang. Ich habe verschie-
dene ausgelassen, von denen andere mit Recht meinen, daß sie
wert sind, aufgenommen zu werden. Meine Liste ist eine sehr
inkongruente Kollektion, denn sie weist Romanciers, Historiker,
Gelehrte und Philosophen auf. Nur zwei Eigentümlichkeiten sind
allen diesen Männern gemeinsam; die eine besteht in dem
Wunsch, sich auszudrücken, die andere ist eine Liebe zu Ideen, die
stärker ist als die Liebe zu materiellem Besitz. Disraeli, der
selbst ein gutes Beispiel für ererbtes literarisches Talent ist, be-
schreibt in einer Rede am Jahresfest des Königlichen Literari-
schen Fonds vom 6. Mai 1868 die Natur des Schriftstellers. Seine
Worte ziehen in verkürzter Form zusammen, was in seinen eige-
nen Schriften bildlich geschildert ist, und ich kann hinzufügen,
ebenso in denen von Sir Edward Bulwer Lytton, jetzt Lord
Lytton (der zusammen mit seinem Bruder Sir Henry Bulwer und
seinem Sohn „Owen Meredith" ein noch bemerkenswerteres Bei-
spiel vererbten literarischen Talentes darstellt, als Mr. Disraeli
es tut). Er sagt: „Wir müssen immer im Auge behalten, daß der
Schriftsteller eine eigentümliche Organisation hat. Er ist ein
Wesen mit einer Prädisposition, die unüberwindbar in ihm ist
— er hat eine Neigung, der. er auf keiner Weise entrinnen kann,
sie stößt ihn entweder in die dunklen Forschungen der Gelehr-
samkeit, oder sie führt ihn in die heiße und stürmische Atmosphäre
Literaten. IRl
der Phantasie." Die Mehrzahl der Männer, die in dem Anhang
zu diesem Kapitel beschrieben sind, rechtfertigen die Beschrei-
bung Disraelis. Auch kann kein Zweifel daran sein, daß die Ta-
lente von vielen aus dieser Gruppe von der allerhöchsten Art
sind. Verschiedene von ihnen waren schon in ihrer Knabenzeit
Wunder an Gelehrsamkeit, so Grotius, Lessing und Niebuhr;
viele andere zeichneten sich in ihrer Jugend aus; Charlotte
Bronte veröffentlichte „Jane Eyre" mit 22 Jahren; Chateau-
, briand war in einem gleich frühen Alter bekannt; Fenelon machte
schon mit 15 Jahren Eindruck; Sir Philip Sidney ragte schon
besonders hervor, ehe er noch 21 Jahre alt war; wenige Jahre
später, denn er fiel mit 2>2 Jahren in der Schlacht, hatte er seinen
großen Ruhm erworben und das Herz des Volkes gewonnen. Ich
kann hinzufügen, daß sich gelegentlich auch Beispiele von großen
Literaten finden, bei denen sich das Gegenteil zeigt. Boileau ist
der einzige Fall dieser Art in meinem Anhang. In der Schule
war er ein Dummkopf und blieb bis zu seinem dreißigsten Jahre
träge. Aber unter anderen Literaten, über die ich Notizen ge-
sammelt habe, wurde Goldsmith als ein träges Kind angesehen.
An der Universität zu Dublin hat er sich durchaus nicht ausge-
zeichnet. Er begann erst mit 32 Jahren gut zu schreiben. Rous-
seau galt in der Schule, der er mit 16 Jahren entlief, als
Dummkopf.
Die unregelmäßige Erziehung, die vielen Männern und
Frauen zuteil wurde, deren Namen in meinem Anhang auftauchen,
bestätigt auffallend, was ich mich in einem früheren Kapitel be-
müht habe zu beweisen: daß nämlich die höchste Stufe von Ruf
von äußeren Hilfsmitteln unabhängig ist. Als solche Namen
führe ich Boileau an, die Familie Bronte, Chateaubriand, Fielding,
die beiden Gramonts, Jrving, Carsten Niebuhr, Porson (in einem
gewissen Sinne), Roscoe, Le Sage, J. C. Scaliger, Sevigne und
Swift.
Ich bringe jetzt meine gewöhnliche Tafel, aber ich setze die
Zahlen der hervorragenden Literaten, die die einunddreißig auf-
gezählten Familien enthalten, nicht mit dem rechten Vertrauen
hin. Sie haben viele Verwandte, die sich mit Literatur beschäf-
tigten und beträchtliche Verdienste hatten, aber ich fühle mich
aus den zu Beginn des Kapitels angegebenen Gründen unfähig.
182
Literaten.
jene aus ihnen auszuwählen, die „hervorragend" sind. Die Fa-
milien Taylor sowohl als die von Norwich und die von Ongar
wurden eingeschaltet, da sie von großem Interesse in Bezug auf
Vererbung sind, doch nur wenige ihrer Mitglieder (s. Austen)
werden in der folgenden Tafel aufgezählt.
Tafel I.
Übersicht über die Verwandten von 52 Literaten,
gruppiert in 33 Familien.
(Ein Verwandter (oder zwei in der Familie).
Addison V. Edgeworth V.
Aikin 6. Lamb 6.
2. Arnold S. 2. Mill S.
2. Bossuet N. 2. Niebuhr V.
2. ChampoUion B. Roscoe S.
Chateaubriand 6. 2. S'caliger V.
Zwei oder drei Verwandte (oder drei oder vier in der Familie).
Austen, Mrs.
Bentham
Boileau
Bronte
3. Fenelon
2. Gramont
Helvetius
s.N.
B.N.
2 S.
B.2b.
N. 2NS.
gB. B. E.
V.O.
Lessing
2. Palgrave
Sage, Le.
3. Seneca
Sevigne
2. Swift
Trollope
2B. N.
2S.
2S.
V B. N.
S. 2 OS.
GN. OE. OES.
2.S.
Vier oder mehr Verwandte (oder fünf oder mehr in der Familie).
Alison
Fielding
2. Grotius
Hallam
Maucaulay
Porson
2. Schlegel
2. Stael
2. Stephen
4. Stephens
S'idney
(Taylors von Norwich)
(Taylors von Ongar)
B. V. o. g. gB. gV. gG.
g. oS. B. b.
Q. V. O. B. S.
V. V. 2 S. s.
Q. V. 2.0. OS. m.
V. V. B. b.
V. 2 O. B.
Q. V. O. /. OS. OE.
V. B. 2 S.
V. g. V, B. Os. e.
V. g. o. oS. h. n. E. ES. &
Literaten.
Tafel III)
188
Verwan
dtschaftsgrade
A.
B.
C.
D.
Bezeichnung des
Grades
Korrespondierende
Buchstaben
Vater
16 V
14
48
100
48
Bruder
14 B
—
—
16
42
150
28
Sohn
17 S
—
-
—
17
51
100
21
Großvater
4 G
4g
—
—
8
24
200
12
Onkel
6 O
2 0
—
—
8
24
400
6
Neffe
6 N
2 n
—
—
8
24
400
6
Enkel
2 E
1 e
—
—
3
9
200
4.5
Urgroßvater
Großonkel
0 GP
0 GB
1 gV
2 gB
0 ÖV
0 GB
0.<7B
1
2
3
6
400
800
1
1
Cousins I. Grades
4 OS
2 oS
0 OS
0 oS
6
18
800
2.5
Großneffen
2 NS
0 nS
0 i^S
0 nS
2
6
800
1
Urenkel
1 ES
0 eS
0 ES
0 eS
1
3
400
1
Alle weiter ent-
fernten Verw.
5
~
—
—
5
15
—
Es wäre eine ebenso weitschweifige als unnütze Sache, wenn
ich diese Tafel in gleicher Weise und ebenso eingehend unter-
suchen wollte, wie ich es bei den Tafeln in den vorhergehenden
Kapiteln tat. Der allgemeine Charakter dieser Tafeln ist ein
sehr ähnlicher, und was aus der Analyse der anderen abgeleitet
werden kann, läßt sich auch aus dieser ableiten. Der Anteil an
hervorragenden Enkeln ist gering, doch ist die Gesamtzahl zu
klein, als daß wir aus dieser Tatsache Schlüsse ziehen könnten,
namentlich da die Anzahl der hervorragenden Söhne nicht in
gleichem Verhältnis gering ist. Andere geringfügige Eigentüm-
lichkeiten werden deutlicher zum Ausdruck kommen, wenn am
Schluß dieser Arbeit alle entsprechenden Tafeln verglichen und
besprochen werden. Inzwischen wollen wir uns damit zufrieden
geben, daß eine Analyse der Verwandtschaftsbeziehungen das
literarische Talent ebenso als erblich hinstellt, wie alle anderen
Arten von Fähigkeiten, die wir bisher besprochen haben.
1) s. S. 61.
IW Literaten.
Anhang
zu dem Kapitel Literaten.
Die Verdienste der Literaten werden von ihren Zeitge-
nossen und der Nachwelt so verschieden bewertet, daß ich den
Plan einer kleinen Auslese erstklassiger Autoren verzweifelt auf-
geben mußte. Ich habe mich daher mit den Namen befähigter
Schriftsteller begnügt, die mir besonders in die Augen fielen, und
habe gelegentlich Männer herangezogen, die nicht völlig zur
ersten Klasse gehören, die aber in anderer Hinsicht interessant
sind. Es ist bemerkenswert, wie wenig über die nahen Ver-
wandten von vielen der größten Literaten bekannt ist, nament-
lich wenn es sich um vergangene Zeiten handelt, und ich habe
Grund anzunehmen, daß unsere Unwissenheit in vielen Fällen
eher eine bloße historische Nachlässigkeit ist, als ein Beweis da-
für, daß ihre Fähigkeiten oder ihre Werke einer Aufzeichnung
nicht wert waren. Das allgemeine Resultat meiner Unter-
suchungen hat mich zu der Überzeugung gebracht, daß mehr als
die Hälfte der großen Literaten Verwandte von hoher Befähi-
gung gehabt haben.
Die Gesamtzahl der Namen, die in meiner Liste figurieren,
ist siebenunddreißig. Ich will hier noch die Namen jener auf-
zählen, deren Biographien ich untersucht habe, die aber keine
„hervorragenden" Verwandten gehabt zu haben scheinen; es
sind neunzehn und zwar:
Cervantes; De Foe (sein Sohn schrieb, wurde aber von
Pope verspottet); Fichte; La Fontaine; Mme. QenHs; Gibbon (s.
jedoch Lord Chancellor Hardwicke als entfernten Verwandten);
Goldsmith; Jeffrey; Samuel Johnson (doch war sein Vater kein
gewöhnlicher Mann); Montaigne; Montesquieu; Rabelais; Ri-
chardson, der Romancier; Rousseau; Scott, Sir W.; Sidney Smith;
Smollet; Sterne; und Voltaire.
Addison, Joseph, Autor des „Spectator" &.. Er war mit 25 Jahren
schon den großen Gönnern der Literatur wohlbekannt.
War ein sehr geschickter Schriftsteller. Staatssekre-
tär unter Georg I.
V. Launcelot Addison, ein Geistlicher von beträchtlichem
Wissen und ebensolcher Beobachtungsgabe. Dekan
von Lichfield. Schriftsteller.
Literaten. 186
Aikin, John, Dr. med., hervorragender Arzt und populärer Autor
im achtzehnten Jahrhundert („Abende zu Hause"),
b. Mrs. Barbauld, entzückende Kinderschriftstellerin.
(S.) Arthur Aikin, erbte viel von dem literarischen Talent
seines Vaters, interessierte sich aber mehr für Wissen-
schaft. Herausgeber der „Annual Review".
is.) Lucy Aikin, gleichfalls Schriftstellerin.
Alison, Sir Archibald; Autor einer „Geschichte Europas", wurde
infolge seiner literarischen Verdienste zum Baronet er-
hoben.
B. Dr. William Pulteney Alison, Professor der Medizin in
Edinburg und erster Leibarzt der Königin in Schottland.
V. Rev. Archibald, Autor der „Essays über die Natur und
Prinzipien des Geschmacks".
o. Dr. James Gregory, Professor der Medizin in Edinburg.
g. Dr. John Gregory, Professor der Philosophie und Me-
dizin in Aberdeen, später Professor der Medizin in
Edinburg,
gB. und gV. gleichfalls Professoren der Medizin.
gG. James Gregory, Erfinder des Reflexions-Teleskops. S.
Gregory unter Naturwissenschaften.
Arnold, Thomas, Dr. der Theologie. Rektor von Rugby; Ge-
lehrter, Historiker, Geistlicher und Administrator; Be-
gründer des modernen öffentlichen Schulsystems. War
als Kind steif und pedantisch, haßte frühes Aufstehen.
Zeichnete sich in Oxford ganz besonders aus und wurde
von allen, die ihn kannten, ganz besonders geUebt.
S. Matthew Arnold, Dichter und Professor der Poetik in
Oxford. (Auch andere Söhne von mehr als durch-
schnittlicher Befähigung.)
Bentham, Jeremy, politischer und juridischer Schriftsteller; Be-
gründer einer philosophischen Schule.
B. General Sir Samuel Bentham; ein ausgezeichneter Offi-
zier in russischen Diensten, der ein bemerkenswertes
mechanisches Talent hatte.
N. Hervorragender moderner Botaniker. Präsident der
Linne-Gesellschaft.
Boileau, Nicolas (genannt Despreaux), Dichter, Satiriker und
186 Literaten.
Kritiker. Sollte Jus studieren, das er haßte, zeigte keine
frühzeitigen Anzeichen von Befähigung, sondern war bis
zu seinem dreißigsten Jahre träge. Als Knaben hielt
man ihn für einen völligen Dummkopf.
S. Gilles, eine hervorragender Literat, schrieb ausgezeich-
nete Satiren; hatte einen lebhaften Geist. Seine
Gesundheit war schlecht, er starb jung, mit 38 Jahren.
S. Jaques, ein Doktor an der Sorbonne, von großer Gelehr-
samkeit und Befähigung. Autor verschiedener Publi-
kationen, alle über seltsame Gegenstände,
Bossuet, Jaques Benigne, einer der berühmtesten katholischen
Autoren von antiprotestantischen Kontroversschriften,
war ein fleißiger Student. Er war Priester und hatte da-
her keine Familie.
N. Bischof von Troyes; Herausgeber der Werke seines
Onkels.
Bronte, Charlotte (ihr Pseudonym war Currer Bell), Roman-
schreiberin. Sie war das bedeutendste Glied einer Fa-
milie, die wegen ihrer intellektuellen Talente, ihrer rast-
losen geistigen Tätigkeit und ihrer elenden Konstitution
bemerkenswert ist. Charlotte Bronte und ihre fünf Brü-
der und Schwestern waren alle schwindsüchtig und star-
ben jung. „Jane Eyre" wurde veröffentlicht, als Char-
lotte 22 Jahre alt war.
(V.) Rev. Patrick Bronte, war früh reif gewesen und war
ehrgeizig, obgleich er ein Geistlicher in knappen Ver-
hältnissen in einem rauhen, abgelegenen Dorf war.
(O. und 0. verschiedene) Rev, Patrick Bronte hatte neun
Brüder und Schwestern, alle von bemerkenswerter
Kraft und Schönheit.
(i7.) Gebildet, fromm, rein und bescheiden.
(o.) war genau, von altertümlichem Wesen und kleidete sich
nach einer längstvergangenen Mode.
B. Patrick, der völlig auf Irrwege geriet und ein Sorgen-
kind der Familie wurde, war vielleicht das größte natür-
liche Talent unter ihnen allen,
b. Emily Jane (Ellis Bell), „Auf heulenden Höhen", („Wuth-
ering Heights") und „Agnes Grey".
Literaten. 187
b. Anne (Acton Bell), „Der Lehnsmann von Wildfield Hall".
(2 h.) Maria und Jane, waren fast ebenso reich mit intellek-
tuellen Gaben ausgestattet wie ihre Schwestern.
ChampoUion, Jean FranQois, Entzifferer der Hieroglyphen und
ägyptischer Altertumsforscher. Er gehörte zu der Grup-
pe der Gelehrten, die Napoleons Expedition begleiteten.
B. Jean Jaques, Historiker und Altertumsforscher. Autor
verschiedener Werke. Bibliothekar des gegenwärtigen
Kaisers von Frankreich.
Chateaubriand, Fr. Aug. Vicomte de; ein ausgezeichneter franzö-
sischer Schriftsteller und Politiker, aber halb verrückt.
Seine Erziehung war unzusammenhängend, denn er
wurde erst für die Flotte, dann für die Kirche und später
für die Armee bestimmt. Mit 20 Jahren gab er sich
• völlig dem Studium und der Einsamkeit hin, nachher ging
er in die unkultivierten Teile Amerikas auf Abenteuer
aus. Unter Ludwig XVIII. diente er in verschiedenen
Ministerialposten. In vorgeschrittenem Alter geriet
er in Verzweiflung. Viele von seinen zehn Brüdern
und Schwestern starben jung. Verschiedene unter ihnen
hatten Ähnlichkeit mit ihm, sowohl was Talent als An-
lagen betrifft; eine von ihnen nämlich
b. hatte das Talent, die Gemütsart und die Überspanntheit
von J. J. Rousseau.
Edgeworth, Maria, eine beliebte Schriftstellerin und Moralistin,
deren Schriften „eine sonderbare Mischung von nüch-
ternem Sinn und unerschöpflicher Erfindung" zeigen.
Sie fing mit 31 Jahren an zu schreiben. Starb mit 83.
V. Richard Lovell Edgeworth (s. Lowell den Judge) schrieb
über verschiedene Materien, wobei ihm seine Tochter
viel half; ein sowohl geistig als körperlich wunderbar
aktiver Mensch, für alles interessiert und unbezähmbar.
Heiratete viermal. Zwischen den ältesten und dem
jüngsten seiner zahlreichen Kinder war ein Altersunter-
schied von vierzig Jahren. Maria stammte von der
ersten Frau.
Etienne, s. Stephens.
188 Literaten.
Fenelon, Frangois, Erzbischof von Cambrais in Frankreich. Autor
des „Telemaque", bemerkenswert wegen seines gra-
ziösen, einfachen und entzückenden Stils. Ein Mann von
auffallender Klarheit des Gemütes und christlicher Mo-
ral. Er war auf der Kanzel sehr beredt. Er hielt seine
erste Predigt mit 15 Jahren und hatten großen Erfolg.
(Als Priester hatte er keine Familie.)
? Bertrand de Salignac, Marquis de La Mothe, Diplomat,
Gesandter in England zur Zeit der Königin Elisabeth
und ein ausgezeichneter Offizier war sein Ahne (doch
fraglich in welchem Grad, er starb siebzig Jahre, ehe
Frangois geboren wurde).
N. Gabriel Jaques Fenelon, Marquis de la Mothe, franzö-
sischer Gesandter in Holland, schrieb „Memoiren eines
Diplomaten".
NS. Frangois Louis, Literat.
NS. Abbe de Fenelon, Vorsteher einer Wohltätigkeitsanstalt
für Savoyarden in Paris; sehr beliebt. Wurde in der
französischen Revolution guillotiniert.
Fielding, Henry, Romancier, Autor von „Tom Jones". Byron
nannte ihn „den Homer der menschlichen Natur in Pro-
sa". Seine Erziehung war unzusammenhängend, ent-
sprechend den beschränkten Mitteln seines Vaters, da-
mals Leutnant, aber späterhin General. Begann mit 21
Jahren Dramen zu schreiben, war sehr zerstreut und un-
achtsam in Geldsachen. Trat in den „Temple" ein und
studierte mit Eifer Jus, schrieb zwei wertvolle Bro-
schüren über Verbrechen und Pauperismus und wurde
zum Judge in Middlesex ernannt.
g. Sir Henry Gould, Justice Queen's Bench (Kon. Anna).
oS. Sir Henry Gould, Justice Common Pleas (Georg III.).
(G.) John Fielding, Kaplan Wilhelms III.
B. (Halbbruder) Sir John Fielden, ausgezeichneter Beamter,
wenn auch blind. Er schrieb über Polizeiadministration.
b. Sarah, eine Frau von beträchtlichem Wissen und Schrift-
stellerin.
Gramont, Antoine, Herzog von. Marschall von Frankreich,
Soldat und Diplomat Autor der berühmten „Memoiren",
Literaten. 189
die aber nicht so entzückend geschrieben sind, wie die
seines Bruders.
gB. Kardinal Richelieu s.
B. Gramont, Philibert, Graf von. Hitzkopf und Hofmann,
starb mit 86 Jahren. Seine Memoiren, die ein Freund
schrieb und die alle seine Jugendstreiche enthalten,
wurden zu seiner Unterhaltung begonnen, als er 80 Jahre
war.
(S.) Armand, französischer General.
E. Herzog von Gramont und Herzog von Guiche, Marschall
von Frankreich.
Grotius, Hugo (de Groot), ein berühmter und profunder hollän-
discher Schriftsteller, Politiker und völkerrechtliche Au-
torität; zeigte schon als Kind außerordenthche Fähig-
keiten, wurde sorgfältig erzogen und war schon mit 14
Jahren wegen seines großen Wissens bekannt. Er war
ein Mann von großer Bedeutung und hatte ein ereignis-
reiches Leben, war wegen seiner arminianischen reli-
giösen Meinung zum ewigen Kerker verurteilt, floh aber
erst nach Frankreich, dann nach Schweden. Er wurde
schwedischer Gesandter in Frankreich, in welcher Eigen-
schaft er seine Obliegenheiten in einer mißlichen Zeit mit
großer Zuverlässigkeit erfüllte. Schließlich wurde er mit
großen Ehren in Holland empfangen. Er gehörte zu einer
hervorragend talentierten und gelehrten FamiUe. Hei-
ratete eine Frau von seltenem Wert.
G. Hugo de Groot, großer Gelehrter.
V. John, Kurator der Universität zu Leyden, ein gelehrter
Mann.
O. Corneille, Professor der Philosophie und Jurisprudenz.
B. Wilhelm, der Hugos Dichtungen sammelte und heraus-
gab; war selbst ein gelehrter Mann und Schriftsteller.
S. Peter, ein befähigter Diplomat und Gelehrter.
Hallam, Henry, einer der ausgezeichnetsten modernen Schrift-
steller und gerechtesten Kritiker. Autor der „Konsti-
tutionellen Geschichte Englands" und der „Literatur
Europas", war einer der frühesten Mitarbeiter der Edin-
burgh Review. Die Grabschrift auf seinem eignen Grab-
190 Literaten.
Stein ist so gedrängt und treffend und ebenso jene, die
er selbst seinen Kindern setzte, die vor ihm starben, so
entsprechend, als wohlklingend und rühmend, daß ich sie
hierher setzte. Seine Qrabschrift in der Kirche von St
Paul lautet:
„Henry Hallam, Historiker des Mittelalters, der Ver-
fassung seines Landes und der Literatur Europas. Das
Monument ist von vielen Freunden errichtet, die in An-
betracht der Gründlichkeit seines Wissens, der ein-
fachen Beredsamkeit seines Stils, seines männlichen und
umfassenden Intellekts, der furchtlosen Ehrlichkeit
seines Urteils und der moralischen Würde seines Lebens
wünschen sein Andenken in diesen geheiligten Mauern
zu verewigen, als das eines Mannes, der die englische
Sprache, den englischen Charakter und den englischen
Namen auf das Beste geschildert hat." Er hatte eine
kräftige Gesundheit; sein massiger Kopf war von einem
starken Körper getragen. Als Kind war er frühreif.
Konnte mit 4 Jahren lesen und schrieb mit 9 oder 10
Jahren Sonette, starb mit 82. Heiratete eine Schwester
von Sir Charles Elton, Bart. Schrieb Gedichte und
machte Übersetzungen.
V. John Hallam, Dr. der Theologie, Dekan von Bristol,
Domherr von Windsor, lehnte das Bistum von Chester
ab, wurde in Eton erzogen, der Sohn und das einzige
Kind von John Hallam, das über die Kindheit hinaus-
kam, Chirurg und zweimal Bürgermeister von Boston.
V. Tochter von Richard Roberts, Dr. med., war eine sehr
vortreffliche Person, ein wenig übertrieben ängstlich,
hatte in ihren Zügen viel Ähnlichkeit mit ihrem Sohn.
Hatte nur zwei Kinder, die am Leben blieben.
o. Dr. Roberts, Rektor von Eton.
(6.) Elisabeth, hatte große intellektuelle Neigungen.
S. Arthur Henry, starb mit 23 Jahren. Tennysons „In Me-
moriam" ist an ihn gerichtet. Seine Grabschrift in Cle-
vedon lautet: „Und nun ruhen in dieser dunklen und
einsamen Kirche die sterblichen Überreste eines, der
für den Ruhm zu früh starb, der sich aber unter seinen
Literaten. 191
Zeitgenossen durch den Glanz seines Talentes, die Tiefe
seines Verstandes, den Edelmut seines Charakters, die
Innigkeit seines Glaubens und die Reinheit seines Lebens
auszeichnete. Vale dulcissime, desideratissime. Re-
quiescas in pace usque ad tubam."
s. Eleanor Hallam, starb mit 21 Jahren. „Ihre betrübten
Eltern beugen sich unter diesem zweiten Verlust und
bezeugen hier, daß die Lieblichkeit des Gemütes und die
himmlisch gesinnte Frömmigkeit zwar für sie verloren
gegangen ist, nun aber dahin gegangen ist, wo der Lohn
ihrer wartet." Sie hatte große Fähigkeiten.
S. Henry Fitzmaurice Hallam, starb mit 26 Jahren. „Mit
seinem klaren und lebhaften Verstand, der Sanftmut
und der Reinheit eines Lebens war er vor den Augen
derer, die ihn am meisten liebten, ein Bild seines älte-
ren Bruders. Wie jener, war er früh bekannt und genoß
die Liebe vieler Freunde, und wie jener auch, wurde er
von einer kurzen Krankheit in einem fremden Lande da-
hingerafft."
Helvetius, Claude Adrien (Schweitzer) (1715 — 1771), der gefeierte
und verfolgte Autor einer materialistischen Philosophie.
Er besaß eine universale Bildung, war schön, graziös,
kräftig und voller Talent. Mit 23 Jahren war er Gene-
ral-Steuerpächter in Frankreich. Kam als Flüchtling
nach England und anderen Ländern. Er heiratete eine
reizende Frau, Mlle. de Ligueville. Es wird erzählt,
daß sowohl Franklin als Turgot sie heiraten wollte, nach-
dem sie Witwe geworden war. Er hatte zwei Töchter.
V. John Claude Adrien, ein besonders hervorragender Arzt
in Paris, Generalinspektor der Spitäler; war liberal und
wohlwollend.
Q. Jean Adrien, dänischer Arzt, der in Paris starb; war
Generalinspektor der Spitäler. Er war der erste, der
auf die Wichtigkeit der Ipecacuanha als Medizin hin-
wies.
Irving, Washington, amerikanischer Schriftsteller, Romancier und
Historiker, war Gesandter in Spanien, hatte eine
192 Literaten.
schwächliche Gesundheit; war von seinen älteren Brü-
dern erzogen worden; hatte ein sprunghaftes Wesen;
war vermögend.
2 B.) Seine Brüder hatten beträchtliche literarische Kennt-
nisse, einer von ihnen leitete die New York Chronicle.
Lamb, Charles („Essays von Elia"), ein kluger und talentierter
Humorist; sehr beliebt.
b. Eine Schwester, die in einem Anfall von Irrsinn ihre
Mutter tötete und die Charles Lamb mit der äußersten
Sorge behütete. Sie erlangte später wieder ihren Ver-
stand und hatte nach der Beschreibung von Menschen,
die sie kannten, einen scharfen Intellekt und ein Herz,
dessen Humanität das Gegenstück zu dem ihres Bruders
bildete. Sie schrieb viele Theaterstücke, die in den
"Werken ihres Bruders veröffentlicht sind.
Lessing, Qotthold Ephraim, ein universeller Schriftsteller, der
ungeheuer viel zu dem Schatz der deutschen Literatur
beitrug. Er war von seiner frühesten Kindheit an ein
Bücherfresser. Seine Gesundheit ging von seinem 50.
Jahre an rasch bergab.
B. Karl Gotthelf |
B. Johann Gottlieb zeichneten sich alle als Literaten aus.
N. Karl Friedrich f
Macaulay, Thomas, Babington; ernannt zum Lord Macaulay;
Historiker, Dichter, Essayist und gewandter Erzähler;
ein Mann von überragender Gedächtniskraft.
Q. Rev. Joh. Macaulay, schottischer Geistlicher in Inve-
rary; äußerst beredsamer Prediger; genannt in Dr.
Johnsons Umschau.
V. Zachary, beteiligte sich an der Bewegung für die Skla-
venbefreiung; sehr befähigt; war ein klarer und ge-
wandter Stilist, doch fehlte ihm beim Sprechen die
Leichtigkeit des Ausdrucks.
O. Colin Macaulay, General. War die rechte Hand des
Herzogs von Wellington in seinen indischen Feldzügen.
Er regierte viele Jahre als Präsident über einen großen
TeU von Madras und war trotz seiner anstrengenden
Literaten. ]93
Beschäftigung ein erstklassiger Gelehrter, sowohl in der
alten, als in der modernen Literatur. In der zeitgenössi-
schen Literatur wird er fortwährend als ein Wunder an
Erudition und Talenten bezeichnet.
O. Aujay Macaulay, brillanter Erzähler, schrieb viel Wert-
volles, was unvollendet und ungedruckt blieb; Vormund
von Karoline von Braunschweig, starb in jugendlichem
Alter.
(OS.) (Sohn von Aulay.) John Heyrick, Rektor von Repton, eiij
guter Gelehrter.
OS. Kenneth Macaulay, Parlamentsmitglied für Cambridge,
war der Sohn des obigen. Noch zwei andere talentierte
Brüder,
n. George Trevelyan, Parlamentsmitglied, Junior Lord of
the Treasury*) (Sohn des Politikers Sir Charles Treve-
lyan), war der zweite seines Jahrgangs in klassischen
Studien (1861, Cambridge), Autor von „Cawnpore" etc.
Mill, James, Historiker von Britisch-Indien.
S. John Stuart Mill, der hervorragende moderne Philosoph
und staatswissenschaftlicher Schriftsteller.
Niebuhr, Barthold Georg; kritischer Historiker („Römische Ge-
schichte"); Finanzpolitiker. Seine ganze Zeit widmete
er dem Studium. Besaß eine gute Erziehung. Mit 7
Jahren wurde er als ein Wunder an Fleiß betrachtet,
aber seine Konstitution war schwach und nervös und
verschlimmerte sich noch durch ein Sumpffieber. Macau-
lay (Vorwort „Balladen des alten Roms") sagt, Niebuhr
wäre der erste Schriftsteller seiner Zeit geworden, wenn
sein Talent, die Wahrheit mitzuteilen, mehr im Verhält-
nis zu seinem Talent gestanden hätte, die Wahrheit zu
entdecken. Er war preußischer Botschafter in Rom.
V. Carsten Niebuhr, bereiste Arabien und schrieb darüber.
Sein Vater war ein Pächter gewesen. Beide Eltern star-
ben, als er noch ein Kind war, so daß er als gewöhn-
licher Arbeiter arbeiten mußte und bis zu seinem 21.
*) Funktionär in der englischen Verwaltungskommission des Schatzamtes
Galton, Genie und Vererbung.
13
194 Literaten.
Jahre ungebildet blieb. Von da an arbeitete er selbst
fleißig an seiner Bildung.
(S.) Marcus, ein hoher Beamter im preußischen Zivildienst.
Palgrave, Sir Francis; Historiker und Altertumsforscher, be-
schäftigte sich speziell mit der anglo-sächsischen Pe-
riode. Heiratete eine Dawson-Turner (s. Hooker in
„Naturwissenschafter und Mathematiker").
S. Francis; Literatur und Kunst („Goldener Schatz").
S. Qiffard; OrientaHst und Arabien-Reisender.
Porson, Richard, hervorragender griechischer Philologe und
Kritiker. Von seiner Kindheit an pflegte seine Mutter
von ihm zu sagen: was immer Richard tut, ist auf eine
höhere Art getan. Er spann besser Garn als seine
Brüder und Schwestern und hatte dazu noch immer beim
Spinnen ein offenes Buch neben sich liegen. Ehe er
es schreiben konnte, hatte er sich schon selbst aus einem
alten Buch in Arithmetik bis zur Kubikwurzel gebracht.
Als er heranwuchs, war sein Gedächtnis erstaunlich.
Er besaß einen unwandelbaren Fleiß, großen Scharfsinn,
einen gesunden, strengen Verstand, ein lebhaftes Emp-
finden für das Schöne und auch für das Komische, und
einen sehr reinen und unbeugsamen Wahrheitssinn. Er
hatte viel Körperkraft. Man erzählt von ihm, daß er
von Cambridge bis London zu Fuß ging, also eine Ent-
fernung von zweiundfünfzig Meilen, um seinen Klub
abends zu erreichen, da er nicht imstande war, das
Fahrgeld zu zahlen. Betrank sich gelegentlich, was zu
seiner Zeit ein ziemlich verbreiteter Brauch war, doch
tat er es zuletzt gewohnheitsmäßig.
V. Ein Weber und Küster. Ein Mann von ausgezeichnetem
Verstand und großem natürlichen Talent für Arithmetik.
V. Die Magd eines Geistlichen, die im geheimen seine
Bücher las. Er fand sie eines Tages über Shakespeare
und entdeckte zu seiner Überraschung, daß sie ein ge-
sundes Verständnis für dieses Buch und auch für andere
besaß, so daß er ihr half, so weit er es vermochte. Sie
hatte ein bemerkenswertes Gedächtnis.
B. Thomas. Nach der Ansicht von Dr. Davy, dem da-
Literaten. 195
maligen Rektor des Caius College in Cambridge, der
beide Brüder genau kannte, war er Richard in gelehrter
Befähigung ebenbürtig. Er leitete eine klassische Schule,
starb aber schon mit 24 Jahren.
h. Hatte das wunderbare Gedächtnis der Porson. Sie
heiratete und bekam Kinder, die sich aber durch nichts
auszeichneten.
(B.) Henry, ein guter Arithmetiker, der keine Neigungen zur
Literatur hatte; starb mit 33 Jahren.
Roscoe, William, Historiker und Dichter („Leben Lorenzos von
Medici"). Sohn eines Handelsgärtners, wurde in einer
gewöhnlichen Schule erzogen; kam erst zu einem Buch-
händler, dann in die Kanzlei eines attorney, wo er sich
selbst weiterbildete. Begann mit 30 Jahren bekannt zu
werden. Wurde Bankier, gründete die Royal Institution
in Liverpool, war Parlamentsmitglied für diese Stadt.
Starb mit 78 Jahren.
S. Henry, schrieb die Biographie seines Vaters „Bio-
graphien hervorragender Rechtsgelehrter".
(S.) Robert; war ein Rechtsgelehrter, schrieb das Epos „Al-
fred".
(S.) Thomas gab verschiedene Gedichte, Erzählungen und
illustrierte Reisebeschreibungen heraus.
Le Sage, Romancier („Gil Blas"); war ein einziger Sohn und früh
verwaist. Er wurde ein schmucker und anziehender
Jüngling. Heiratete mit 26 Jahren und arbeitete hart.
Seinen ersten Erfolg erreichte er mit dem „Hinkenden
Teufel"; er war damals 34 Jahre alt. Er war 67, als
der letzte Band von Gil Blas erschien. Mit 40 Jahren
begann er schwerhörig zu werden, zuletzt war er ganz
taub. Er hatte drei Söhne:
S. Rene-Andre (Montnienil), war ein Abbe, wurde aber der
Kirche untreu und ging zum großen Schmerz seines Va-
ters zur Bühne. Er war ein vorzüglicher Komiker. Der
Vater sah ihn auf der Bühne und verzieh ihm. Er starb
jung und plötzlich.
S, Ein Kanoniker. Er war ein hübscher Bursche, mit dem
Le Sage seine letzten Tage verbrachte. Er freute sich
la*
\96 Literaten.
am Leben und liebte das Theater. f.r wäre ein ausge-
zeichneter Komiker geworden.
(S.) Wurde ein schlechter Schauspieler und starb unbekannt.
Scaliger, Julius Caesar; Philologe und Naturforscher (1484—
1558), starb mit 74 Jahren. War von zweifelhafter Her-
kunft. Er diente bis zu seinem 29. Jahre in der Armee,
studierte dann Theologie, die er verließ, um sich der
Medizin zu widmen, und begann dann Griechisch zu
lernen. Er begann seine Studien in so vorgerücktem
Alter, daß er keines seiner Bücher vor seinem 47. Jahre
veröffentlichte. Er war einer der außerordentlichsten
Männer seiner Zeit. Er hatte ein äußerst zähes Ge-
dächtnis und einen scharfen Verstand, aber er v/ar
außerordentlich reizbar und eitel und hatte Feinde. Die
Gelehrten späterer Zeiten überboten einander in Lobes-
hymnen auf Scaliger, aber sein Ruhm als Gelehrter und
Kritiker, wenn auch in seiner Zeit sehr groß, wurde von
seinem Sohn Joseph verdunkelt.
S. Joseph Justus Scaliger, s. unten.
Scaliger, Joseph Justus; Gelehrter, hervorragend auf dem Gebiet
der philologischen Kritik (1540—1609, starb mit 69 Jah-
ren). War gut erzogen und las nach seinem eigenen
Bericht intensiv. Er gehörte zu jener Gruppe großer
Gelehrten, die gegen Ende des sechzehnten Jahrhunderts
die Universität Leyden zierten. Er war ganz von seinen
Studien absorbiert. Er heiratete nie. Er war reizbar
und eitel, wie sein Vater. Als kritischer Philologe wird
er besonders gerühmt, und es gibt wenig Gelehrte, die
sich mit ihm vergleichen lassen.
V. Julius Caesar Scaliger, s. oben.
Schlegel, August Wilhelm von; gefeierter deutscher Gelehrter,
Kritiker und Dichter, übersetzte Shakespeare und ver-
schiedenes aus der Indischen Literatur. In einem frühen
Alter schon zeigte er ein bemerkenswertes Sprachen-
talent. Sein Fehler, wenn es einer ist, bestand darin,
daß er zu sehr nach Universalität strebte. Er schloß
sich an Madame de Stael an und überließ sich völlig
ihrem intellektuellen Einfluß. Starb mit 48 Jahren. Er
Literaten. i^
und sein Bruder wurden „die literarischen Dioskuren"
ihrer Zeit genannt. Sein Großvater war Ratsherr beim
Apellationsgericht in Meißen. Er erzog seine Kinder —
Schlegels Vater und dessen Onkel — sorgfältig.
V. Johann Adolph, Prediger von Ruf, schrieb auch Ge-
dichte.
O. Johann Elias, Dichter, Dramatiker und Kritiker. „Er ist
zweifellos der beste dramatische Dichter, den Deutsch-
land in der ersten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts
hervorbrachte." Starb mit 31 Jahren, war überarbeitet.
O. Johann Heinrich; dänischer Königlicher Historiograph.
Lebte in Kopenhagen,
B. Friedrich Karl Wilhelm v. Schlegel, s. unten.
Schlegel, Friedrich Karl Wilhelm von; Historiker, Philosoph und
Philologe. War als Kind nicht frühreif, wurde aber als
Jüngling stark von der Literatur angezogen. Er hielt
Vorlesungen über Philosophie der Geschichte und
Sprache, schrieb Gedichte, war Herausgeber und wurde
schließlich unter Metternich, seinem beständigen Gönner,
diplomatischer Beamter. Starb mit 57 Jahren.
V. O. O. wie oben.
B. August Wilhelm v. Schlegel, s. oben.
Seneca, Lucius Annaeus, römischer Philosoph; wurde zur Rhe-
torik erzogen, doch sträubten sich seine Neigungen gegen
diesen Beruf, und er widmete sich der Philosophie. Seine
edlen Gefühle und sein erhabener Stoizismus haben selbst
auf die christliche Welt großen Einfluß gehabt, denn
Senecä wurde früher viel gelesen und bewundert. Er
erwarb ein ungeheures Vermögen auf unbekannte
Weise, doch vermutet man, daß er sich dabei zwei-
deutiger Mittel bediente. Er war der Erzieher Neros
und hatte natürlich bei seinem Zögling nicht sehr viel
Autorität. Er beging mit 63 Jahren Selbstmord, von
Nero in den Tod getrieben.
V. Marcus Annaeus Seneca; Rhetor und Schriftsteller.
Er hatte ein wunderbares Gedächtnis und war imstande,
zweitausend Worte in der gleichen Anordnung zu wie-
198 Literaten.
derholen, in der er sie gehört hatte. Heiratete eine
Spanierin.
B. Marcus Novatus, der den Namen Junius QalHo annahm
und Prokonsul von Achaja wurde. Vor sein Tribunal
wurde der heilige Paulus gebracht, als man ihn anklagte,
Neuerungen in religiösen Dingen einzuführen. Eusebius
beschreibt ihn als einen ausgezeichneten Rhetoriker,
und sein Bruder nennt ihn den tolerantesten Menschen.
N. Lucanus Marcus Annaeus (Lucan), der Dichter. Seine
„Pharsalia" ist das einzige seiner Werke, das auf uns
gekommen ist. Sein Vater, der Bruder Senecas, hei-
ratete die Tochter des Lucanus, eines hervorragenden
Redners, von dem der Sohn den Namen erhielt.
Sevigne, Marquise de (geb. Marie de Rabutin-Chantal), Autorin
reizender Briefe. Als Briefschreiberin wurde sie nicht
übertroften, vielleicht nicht einmal erreicht. Ihr Vater
fiel in der Schlacht, als sie noch ein ganz kleines Kind
war, die Mutter starb, als sie 6 Jahre alt war. Sie war
ein einziges Kind. Sie war in unglücklicher Ehe mit
einem liederlichen Mann verheiratet, der im Duell wegen
einer anderen Dame fiel. Sie schrieb gut vor ihrer Wit-
wenschaft, aber nicht viel; dann zog sie sich von der
Welt zurück, um ihre Kinder zu erziehen, erschien mit
21 Jahren wieder in der Gesellschaft und glänzte dort.
Die Gesellschaft verfeinerte sie, ohne sie zu verderben.
Ihre Tochter heiratete den Vize-Statthalter der Pro-
vence, und an sie eben sie die berühmten Briefe ge-
richtet. Sie war von fröhlicher Gemütsart, war schön,
anmutig und witzig, nichts an ihr war heimlich und ver-
steckt. Solange sie lebte, wurden ihre Briefe bei Hofe
und in der Gesellschaft gefeiert; sie gingen von Hand
zu Hand und wurden mit unendlichem Vergnügen ge-
lesen.
S. Marquis de Sevigne, ein Mann von viel Befähigung und
Mut, der ein rastloses und etwas ausschweifendes Leben
in religiösen Übungen beschloß, denen er sich unter der
Führung von Geistlichen widmete. Er hatte nicht ge-
Literaten. 199
nügend Ausdauer, um in irgend etwas einen Erfolg zu
erringen.
OS. Bussy-Rabutin, ein ganz ausgezeichneter Soldat, aben-
teuerlustig, tollkühn und etwas ausschweifend. Wäre
sicherlich Marschall von Frankreich geworden, war aber
von unfreundlicher, kaustischer Gemütsart, was zu seiner
Verbannung führte, so daß er alle Hoffnung auf Avance-
ment verlor. Er war ein ausgezeichneter Briefschreiber.
Er war wirklich ein Mann von großem literarischen Ta-
lent, der die französische Sprache verfeinerte.
Es gab in der Familie der Madame de Sevigne noch
eine ganze Reihe sporadischer Talente, aber keines von
ihnen erreicht je einen vollen Erfolg.
Sidney, Sir Philip; Gelehrter, Soldat und Hofmann. Ein voll-
endeter und vollkommener gentleman, in dem sich Milde
mit Mut paarte, gelehrte Bildung durch höfische Kultur
modifiziert erschien und höfisches Wesen durch Wahr-
heitsliebe veredelt war." Als Knabe war er ernst. Er
verließ Cambridge mit 18 Jahren und war damals be-
reits sehr bekannt; er wurde sogleich Hofmann und
zwar ein sehr erfolgreicher, dank seiner Bildung und
seinem Charakter. Seine „Arcadia" ist das Werk eines
seltenen Talents, wenn auch in eine unglückliche Form
gebracht. Er war in seiner Zeit ungeheuer berühmt
Er fiel mit 32 Jahren in der Schlacht. Nach seinem
Tode fand in England eine allgemeine offizielle Trauer
statt, wie es scheint, die erste dieser Art in unserem
Lande (s. auch den Stammbaum unter Montagu im Ka-
pitel „Judges" S. 99).
V. Sir Henry Sidney, ein Mann von großen Anlagen. So-
wohl die Königin Mary als die Königin Elisabeth schätz-
ten ihn sehr; er war dreimal Lord-Deputierter von Ir-
land und regierte weise.
(G.) Sir William Sidney, ein Soldat und Ritter von einigem
Ruf zur Zeit Heinrichs VIIL
g. John Dudley, Earl von Warwick und Duke von Nort-
humberland, „der Liebling seiner Zeit", Graf-Marschall
2W) Litetaten.
von England und der mächtigste der Untertanen. Zum
Tode verurteilt und hingerichtet 1553.
o. S'& Robert Dudley, der große EaH von Leicester,
Günstling der Königin Elisabeth.
oS. Sir Robert (Sohn des großen Earl von Leicester, aber
nicht im Besitze seines Titels), „ein vollendeter Gentle-
man in allen standesmäßigen Tätigkeiten, ein exakter See-
mann, ein ausgezeichneter Architekt, Mathematiker,
Arzt, Chemiker und alles mögliche außerdem .... ein
schmucker Mann, bekannt im Turnier und als erster
von allen, die Hunde zur Rebhühnerjagd abrichten"
(Anthony Wood, zitiert in Burke's „Erloschene Pairs-
würden").
b. Mary, Gräfin von Pembroke. Hatte die gleichen Nei-
gungen und Eigenschaften wie ihr Bruder, der ihr seine
„Arcadia" widmete. Ben Jonsons wohlbekannte Grab-
schrift war für sie:
„Sie, die alle Liedern feiern,
Liegt nun unter schwarzen Schleiern.
Sidney hat die Schwester verloren,
Pembroke, die Mutter, die ihn geböreh.
Sie war schön und tugendreich;
Eh' du eine dieser gleich
Tod, erschlägst ein zweites Mal,
Traf Dich selbst der Zeiten Strahl."
n. 3. Earl von Pembroke, Kanzler von Oxford; ein Ge-
lehrter, Dichter und Gönner gelehrter Männer.
(B.) Sir Robert Sidney, ernannt zum Earl von Leicester.
(Man könnte glauben, daß dieser Titel unheilvoll ist, so
oft wurde er von neuem verliehen. Nicht weniger als
sechs Familien haben ihn erhalten und starben aus.)
Er war ein ziemlich bekannter Militär.
N. Sir Robert Sidney, 2. Earl von Leicester; ein Mann von
großem Wissen, Beobachtung und Wahrhaftigkeit.
NS. Algernon Sidney, der Patriot, geköpft 1683. Er hatte
eine große natürliche Befähigung, war aber zu rauh und
ungestüm, um Widerspruch zu vertragen. Er studierte
die Geschichte der Verwaltung in allen ihren Zweigen
Literaten. 201
urld besaß eine genaue Menschenkenntnis. War außer-
ordentlich mutig und eigensinnig.
(Ns.) Dorothy, Wallers „Saccharissa".
Oe. Sir Henry Montagu, 1. Earl von Manchester, Ch. Just.
K. Bench. (S. Montagu im Kapitel „Judges".) Die hohen
Eigenschaften dieser sehr bemerkenswerten Familie
scheinen in erster Reihe einer Vermischung mit dem
Sidney-Blut zu entstammen, da aus der zahlreichen
Schar der anderen Nachkommen des ersten Ch. Just.
Montagu unter Heinrichs VIII. Regierung keine Linie
sich außer der auszeichnete, wo eine Blutsmischung mit
den Sidneys stattfand.
3 0eS. Baron Kimbolton, Walter Montagu, Abt von Pontoise,
und der erste Earl Sandwich, der größte Admiral.
8 OeE. 1. Duke von Montagu; William Montagu, Ch. Baron
Exchequer; Charles Montagu, 1. Earl von Halifax; Fran-
cis North, 1. Lord Quilford, Lord Chancellor; und seine
drei Brüder; Charles Hatton, „der unvergleichliche".
Man könnte noch mehr sagen, aber ich verweise den
Leser auf den Stammbaum der Montagu.
Sir William Sidney John Dudley, Earl von Warwick
Soldat und bekannter und Duke von Northumberiand;
Ritter Grafmarschall; .der Liebling
I seiner Zeit"
Lucy, heiratete Sir Henry Sidney = Mary Dudley Sir Rob. Dudley William Herbert
Sir James dreimal Lord De- j der große Earl 1. Earl Pem-
Harrington puty von Irland 1 von Leicester broke, Staats-
I mann u. Soldat
I \ 1 I
Sir Philip Sidney Sir Robert Mary = 2. Earl
Gelehrter, Soldat, 1. Earl Leicester Grabschrift von j Pembroke
Hofmann Soldat u. Hofraann Ben Jonson j
Sir Robert, 2. Earl 3. Earl Pembroke
»Gelehrtheit, Beobachtung Förderer der schönen Künste
und Wahrheitsliebe'
Philip Sidney Algemon Sidney Dorothy.
3. Earl Patriot Waller's
einer von Cromwells Enthauptet 1683 .Saccharissa*
Räten
202 Literaten.
Stael, Anne Germaine de, gehörte zu den besten Autoren ihrer
Zeit. Sie war ein einziges Kind. Noch ganz jung, inter-
essierte sie sich lebhaft für die philosophischen und poli-
tischen Gespräche am Tische ihres Vaters. Dann über-
arbeitete sie sich mit 15 Jahren, teilweise von ihrer
Mutter zum Studium angetrieben. Nach einer ernst-
haften Krankheit war sie völlig verwandelt, kein pedan-
tisches Kind mehr, sondern voller „abandon" und Reiz.
Sie heiratete zweimal und hatte drei Kinder.
Q. Charles Frederick Necker, ein deutscher Rechts- und
politischer Schriftsteller. Ließ sich in Genf nieder, wo
ein juristischer Lehrstuhl für ihn errichtet wurde.
V. Jacques Necker, der gefeierte französische Staatsmann
und Finanzminister unter Ludwig XVI. Hatte einen
starken natürlichen Hang zur Literatur; zeigte mit 18
Jahren eine bemerkenswerte Tauglichkeit für das Ge-
schäftsleben; hebte seine Tochter außerordenthch und
ebenso sie ihn.
O. Louis Necker, Professor der Mathematik in Genua. Er
fing mit einem Bankgeschäft in Paris an und hatte in
dieser Stadt sowie später in Marseille viel Erfolg in
seinen Spekulationen; doch der unsichere Zustand
Frankreichs veranlaßte ihn, nach Genf zurückzukehren.
V. Susanna Curchod; Gibbon hatte sie heiraten wollen.
Sie war ein frühreifes Kind, merkwürdig gut belesen,
ein ausgezeichneter Verstand, aber pedantisch. Sie war
eine strenge Kalvinistin. Es ist ein Wunder, daß sie die
Anlagen ihrer Tochter nicht erstickte.
OS. Jacques Necker, Sohn von Louis, Professor der Botanik
in Genf, heiratete eine Tochter des Geologen de
Saussure.
EG. Louis Albert, Sohn von Jaques und Enkel von de
Saussure, Professor der Geologie und Mineralogie in
Genf. (S. eine lange Denkschrift über ihn von Dr. James
David Forkes in einer Adresse an die Royal Society in
Edinburg 1863.)
Stephen, Right Hon. Sir James, Historiker; („Biographische
Literaten. 203
Essays zur Kirchengeschichte"), Unterstaatssekretär für
die Kolonien.
V. James Stephen, Vorsteher in der Kanzlei des Lord-
kanzlers; ein Führer in der Sklavenbefreiungsbewegung.
B. Henry John Stephen, hervorragender juristischer Schrift-
steller („Stephen: Über das Plaidieren".)
(B.) Sir George, Barrister, erfolgreicher Novellist („Aben-
teuer eines attorney auf der Suche nach Praxis").
S. Fitz-James Stephen, Q. C, Autor der „Criminal. Gesetze",
schrieb viel in Zeitschriften.
S. Leslie Stephen, ebenfalls ein bekannter Zeitschriftenmit-
arbeiter; Bergsteiger, Präsident des Alpinen Klubs.
Stephens, Robert (oder Estienne) war das erste hervorragende
Mitglied einer Familie der berühmtesten Gelehrten und
Drucker, die je aufgetaucht sind. Es muß daran erinnert
werden, daß in der ersten Zeit der Buchdruckerkunst
alle Buchdrucker Gelehrte waren. Robert war ein
außergewöhnlicher Gelehrter, außerordentlich frühreif,
seine Zeitgenossen schätzten ihn höher als irgend einen
anderen Gelehrten, Er druckte die Bibel in vielerlei
Typen, wurde verfolgt und nach Genf vertrieben. Hei-
ratete Petronella s. unten.
B. Charles, besaß gründliche Kenntnisse in klassischen Stu-
dien, fühlte sich aber mehr zu Physik, Medizin und Natur-
wissenschaften hingezogen.
S. Robert (2) war, was seine Tätigkeit und die Exaktheit
seiner Ausgaben anlangt, seines Vaters würdig.
N. Nicole nicht weniger wegen ihrer Schönheit als wegen
ihrer Talente und Bildung gefeiert.
Stephens, Henri (oder Estienne) der größte in der ganzen FamiUe.
War außerordentlich frühreif. Er legte einen großen
Teil seines Vermögens in kostspieligen Vorbereitungen
für sein griechisches Lexikon fest, das ihm einer seiner
Angestellten Scapula in Form einer kürzeren Zusammen-
fassung stahl. Durch diesen Schurkenstreich kam
Stephens in große Verlegenheit und starb in Armut,
während Scapula ein Vermögen machte.
V, Robert, s, oben.
204
Literateti.
g. Jodocus Badius, ein gefeierter Gelehrter und Drucker.
V. Petronella, eine Frau von großem Talent und literarischer
Bildung.
B. Robert (2) s. oben.
Os. Nicole, s. oben.
Isaac Casaübon, dessen Namen in dem nebenstehenden
Stammbaurn auftaucht, war ein gelehrter Schweizer
Geistlicher und Kritiker; mit 23 Jahren Professor für
griechische Philologie in Genf und später in Paris. Seine
letzten Lebensjahre verbrachte er in England, wo er sehr
geschätzt wurde und Stiftsherr von Westminster wurde.
Er bekam eine hohe Pension von Jakob I.
e. Meric Casaübon war in gleicher Weise hervorragend,
scheint aber vor dem Staatsdienst zurückgeschreckt zu
haben. Er war vergebens von Cromwell aufgefordert
worden, die Geschichte des Krieges zu schreiben, und
ebenso sträubte er sich gegen die Aufforderung der
Königin Christine von Schweden, die Oberaufsicht über
die Universitäten ihres Königreichs zu übernehmen.
Henri, geb. um 1470, ein Drucker in Paris
Fran^ois Robert
Petronella, Tochter von Jodocus Badius,
dem Gelehrten und Drucker
Charles
Fran^ois
Henri, ruiniert durch Scapula,
starb arm
Paul
druckte mit Fleiß
und Energie, hatte
aber keinen Erfolg
Antoine
Kgl. Drucker, starb
im Hotel Dieu
Florence = Isaac
Casaübon
(s. Be-
schreibung)
Meric Casaübon
und zahlreiche andere
Kinder
Robert
Drucker
Robert Nicole
Henri
Schatzmeister
des Palais
Royal
1
Henri
einigen Ruf
als Dichter
Henri
starb zu Lebzeiten
des Vaters
Literaten. 205
Swift, Jonathan, Dr. der Theologie; Dekan von St. Patrick, Sati-
riker, Politiker. War groß, muskulös und gut gebaut,
litt sein Leben lang an Schwindelanfällen. Wurde mit
Hilfe seiner Onkel im Trinity College in Dublin erzogen,
wo er träge war. Dann wurde er Sekretär bei Sir Wm.
Temple, der eine Verwandte seiner Mutter geheiratet
}}2itte, und begann mit 21 Jahren ernsthaft zu arbeiten.
Verlor mit 69 Jahren seinen Verstand und starb mit 78
Jahren an Gehirnwassersucht.
Verschiedene Mitglieder der Familie Swift haben Be-
fähigung in verschiedenen Graden besessen. So
(?N. Dryden, der Dichter.
OE. Deane Swift, Biograph des Dekans Swift
OES. Theophilus Swift, Sohn des obigen, politischer Schrift-
steller.
Taylors von Norwich. Diese Familie umfaßt eine große Anzahl
wohlbekannter Namen; unter den verstorbenen Mit-
gliedern war Mrs. Austen am hervorragendsten. Auch
die Martineau-Gruppe enthält einen großen Anteil ver-
streuter Fähigkeiten, und zwar weit mehr als sich aus
den dürftigen Angaben des nachfolgenden Diagramms
schließen läßt. Viele Mitglieder dieser Familien haben
sich in der Jurisprudenz, in der Kunst und bei Militär
ausgezeichnet. Das nonkonformistische Element war
in dem Blut der Martineaus und Taylors mächtig.
(1) (s. nachfolgenden Stammbaum.) Die fünf Söhne waren
John und Philip Taylor, beides Männer der Wissen-
schaft. Richard, Herausgeber der „Unterhaitungen in
Purley" und des „Philosophischen Magazins".
Edward, Professor für Musik am Gresham-College.
Arthur, Mitglied der Gesellschaft für Altertümlich-
keiten, Autor von „Die Glorie der Königswürde".
(2) Die drei Enkel sind:
Edgar Taylor, ein gebildeter Schriftsteller über Gesetzes-
materien und Übersetzer von Grimms „Volksmärchen".
Emilye, eine HebHche Dichterin.
Richard, Geologe, Autor der „Kohlenstatistiken".
206
Literaten.
(3) Colonel Meadows Taylor, schrieb über indische Ange-
legenheiten.
Dr. John Taylor, Verfasser der
.Hebrew Concordance", u. s. w.
Tochter
X XX
I i
Enkel Enkel
(3) (2)
Sir Philip Meadows
einer der Latin
Secretaries in der Zeit
Cromwells
Tochter = David Martineau
I
Philip M.
ausgezeichneter
Chirurg
5 Söhne Tochter
Dr.
Reeve
Henry Reeve
Herausgeber der
Edinb. Review
Sarah
Autorin
Über-
setzerin
heiratete
I
Lady Duff Gordon
„Briefe aus
Ägypten etc."
Harriet M. Rev. James M.
Theologie und Unitarischer Schrift-
Philosophie steller und Prediger
Taylors von Ongar. Diese Familie ist wegen der Allgemeinheit
bemerkenswert, mit der ihre Mitglieder von einem rast-
losen literarischen Talent, einer evangelischen Gemüts-
art und künstlerischem Qeschmack durchdrungen waren.
Der Typus scheint ein sehr ausgesprochener zu sein und
scheint auch von Körperkraft begleitet; so starb Mrs.
Gilbert kurze Zeit nach ihrem vollendeten 84sten Jahr.
Kein Mitglied der Famiüe ist in die höchste Reihe der
Schriftsteller hinaufgekommen, doch viele von ihnen
stehen beträchtlich über dem Durchschnitt. Der bei-
folgende Stammbaum, der „Familienfeder" von Rev.
J. Taylor entnommen, erklärt die Verwandtschafts-
schaftsbeziehungen.
Ich füge noch hinzu, daß Mr. Tom Taylor drama-
tischer Autor usw. mit keiner der Familien verwandt ist
Literaten.
20T
Isaac Taylor
kam mit künstlerischem Ehrgeiz nach London und wurde ein bekannter
Kupferstecher
Charles Taylor
ein gelehrter, ein-
sam lebender
Herausgeber der
Calraetschen
Bibel
Reverend Isaac
Taylor, Verfasser
der „Szenen in
Europa" etc.,
lernte das Kupfer-
stechen und über-
traf seinen Vater
weit an Geschick-
lichkeit
I — r
und Jane Ta
Ann Martyn
Verfasserin des
„Familien-
Wohnhauses"
Ann und Jane Taylor
schrieben zusammen
„Original-Poems"
Ann heiratete Rev. Joseph
Gilbert
Isaac Taylor
Vei fasser einer
„Naturgeschichte
des Enthusias-
mus'
Josiah G'lbert
Verfasser von
„Die
Dolomiten"
Rev Isaac Taylor
Verfasser von
„Worte und
Plätze" und „Die
Familien -Feder"
Martyn Taylor
Helen Taylor
Verfasser von
„Sabbath Beils«
Josiah Taylor
hervorragender
Herausgeber von
Architektur-
werken, machte
ein großes
Vermögen
Jeffreys Taylor
Verfasser von
.Ralph Richard",
.Junge Isländer"
etc.
Troilope, Mrs. Frances; Romanschriftstellerin von beträchtlichen
Gaben.
(V.) Rev. - Milton, ein befähigter Mann.
S, Anton TroUope, ein hervorragender Novellist.
S. Thomas Adolphe TroUope, Miszellenschreiber.
Naturwissenschaftler und Mathematiker.
Meine Auswahl von Naturwissenschaftlern und Mathematikern
kann ebenso wie meine Auswahl von Literaten launenhaft er-
scheinen. Sie sind beide bis zu einem gewissen Grade aus den
gleichen Betrachtungen entstanden, und so ist auch die Vorrede
zu dem vorhergehende Kapitel zum großen Teil auch auf dieses
anwendbar. Doch besteht bei der Auswahl einer befriedigenden
erstklassigen Gruppe von Männern der Wissenschaft noch eine
andere spezielle Schwierigkeit.
Die Tatsache, daß der Name eines Menschen mit irgend
einer auffallenden wissenschaftUchen Entdeckung verknüpft ist,
hilft ungeheuer, aber oft unbilUgerweise, seinen Ruf künftigen
Jahrhunderten zu erhalten. Es ist bekannt, daß die gleiche Ent-
deckung oft gleichzeitig und völlig unabhängig von verschiedenen
Personen gemacht wird. So gibt es, um nur einige Fälle aus den
letzten Jahren hervorzuheben, verschiedene rivalisierende Prä-
tendenten, was die Entdeckung der Photographie, der elek-
trischen Telegraphie und des Planeten Neptun durch die theo-
retischen Berechnungen anbelangt. Es scheint fast, daß Ent-
deckungen gemacht werden, wenn die Zeit für sie reif ist, mit
anderen Worten, wenn die Gedanken, aus denen sie natürlicher-
weise entspringen, in den Köpfen vieler Menschen gären. Wenn
die Äpfel reif sind, genügt ein unbedeutender Anlaß, um zu ent-
scheiden, welcher von ihnen als erster von seinem Stiel fällt; so
bestimmt auch oft ein geringfügiges Ereignis, daß ein Wissen-
schaftler als erster eine neue Entdeckung macht und publiziert.
Es gibt viele Personen, die eine große Anzahl origineller Ab-
Naturwissenschaftler und Mathematiker. 209
Handlungen geliefert haben, die alle von einer gewissen, viele
sogar von großer Bedeutung sind, ohne daß eine von ihnen von
außerordentlicher Wichtigkeit sei. Diese Menschen haben das
Talent, auffallende Entdeckungen zu machen, aber sie hatten nicht
das Glück dazu. Ihr Werk ist wertvoll und bleibt, aber der es
geschaffen hat, wird vergessen. Einige hervorragende Natur-
wissenschaftler und Mathematiker haben sogar ihre originellen
Talente in wenig mehr als einem kontinuierlichen Strom von
nützlichen Anregungen und Kritiken gezeigt, die jede für
sich genommen zu wenig bedeutend ist, um in die Geschichte
der Wissenschaft aufgenommen zu werden, die aber alle zu-
sammen genommen eine ansehnliche Unterstützung des Fort-
schritts der Wissenschaft bilden. In der knappen Geschichte
der einst wohlbekannten „Lunar Society" der Mittelenglischen
Grafschaften, zu deren wichtigsten Mitgliedern Watt, Boulton
und Darwin zählen, wird häufig auf einen Mann angespielt, von
dem heute nichts mehr übrig ist als der Name, der aber offenbar
einen sehr großen Einfluß auf das Denken seiner Zeitgenossen
hatte, ich meine Dr. Small. Oder, um an einen jüngeren Fall an-
zuknüpfen, ich nehme an, daß Dr. Whewell im allgemeinen in die
Klasse G. der natürlichen Befähigung eingereiht werden wird.
Seine intellektuelle Energie war wunderbar, er schrieb unauf-
hörlich, und sein Diskutiertalent war außerordentlich. Auch
wird niemand bezweifeln, daß, obgleich der Umkreis seiner Ar-
beiten überaus weit und verstreut war, Wissenschaft in der
einen oder anderen Weise sein Hauptberuf war. Sein Ein-
fluß auf den Fortschritt der Wissenschaft war, glaube ich, in
der ersten Zeit seines Lebens beträchtlich, doch ist es
unmöglich, die Einzelheiten dieses Einflusses zu charakteri-
sieren oder unsere Meinung zu begründen, daß die Nachwelt
diesen Einfluß wahrscheinlich anerkennen wird. Biographen
werden vergebens nach wichtigen Entdeckungen forschen, mit
denen der Name Dr. Whewells künftig identifiziert werden
könnte.
Diesen Betrachtungen zufolge ist das Gebiet für meine Aus-
wahl stark beschränkt. Ich kann nur jene Männer der Wissen-
schaft aufnehmen, die einen andauernden Ruf erlangt haben
oder die dem gegenwärtigen Geschlecht in anderer Weise be-
Galton, Genie und Vererbung. 14
210
Naturwissenschaftler und Tklathematiker.
kannt sind. Ich ging bei meiner Auswahl genau so wie bei den
Literaten vor, indem ich aus den gewöhnlichen biographischen
Lexika die bedeutendsten Namen auswählte.
Ich bringe jetzt meine gewöhnlichen Tafeln.
Tafel I.
Übersicht über die Verwandten von 65 Naturwissenschaftlern
und Mathematikern in 43 Familien.
Ein Verwandter (oder zwei in der Familie).
Ampere
Buckland
Cavendish
2. Cuvier
Davy
Galilei
Harvey
Zwei oder drei Verwandte (oder drei oder vier in der Familie).
s.
2. Hooker
S.
s.
Humboldt
B,
gB.
Linnaeus
S.
B.
Plinius
n
B.
Porta
B
V.
2. Stephenson
S.
Oe.
Watt
S.
Aristoteles
Buffon
2. Celsius
Condorcet
2. Darwin
2. De Candolle
Euler
Forbes
Franklin
Geoffroy
V. E. OE.
/. s.
S. E.
O. 2?
2S. E.
V. S.
3S.
/. B.
2 ES.
B. S,
Haller
2. Herschel
2. Hunter
Huyghens
Leibniz
Napier
g. S.
h. S
B. n. '}i.
V. ß.
g V. c.
V. s.
3. Newton und Huttons 2 o. Ee.
Oersted B. N.
2. Saussure V. S.
Vier oder mehr Verwandte (oder fünf oder mehr in der Familie).
Arago
Bacon
4. Bernoulli
Boyle
3 B. 2 S.
V. V. g. oS. 2 B. N.
B. 3N. 3NS. 2 ?
V. V. g. 2 OS. OE. 4 B. 2 NS. 2 NE.
Naturwissenschaftler und Mathematiker.
211
2. Brodie
3. Cassini
D'Alembert
4. Gmelin
Gregory
3. Jussieu
oS'. oE. S.
G. V. S. E.
V. o. 2 0, S.
V. O. OS. s.
g, V. gB. B.
3 0. S.
3N. NS. NS. S. 2E. ES. 2Ee.
Tafel
11')
Verwan
dtschaftsgrade
A.
B.
C.
D.
Bezeichnung
des Grades
Korrespondierende
Buchstaben
1 Vater
Ö 1 Bruder
S Sohn
4) V
11 V
—
—
—
11
26
100
26
20 B
—
—
—
20
47
150
31
26 S
—
—
—
26
60
100
60
.g ^Großvater
g Onkel
•j Neffe
^ lEnkel
1 G
5g
—
—
6
14
200
7
5 0
2 0
—
—
7
16
400
4
8 N
2 n
—
—
10
23
400
6
6 E
0 e
—
—
6
14
200
7
^ Urgroßvater
0 GV
0 gv
0 GV
o^v
0
0
400
0
TO Großonkel
0 GB
2 gB
0 GB
O^B
2
5
800
06
O < Cousin
3 OS
0 oS
0 OS
4 oS
7
16
800
2.0
■« Großneffe
6 NS
0 nS
1 iVS
ü wS
7
16
800
20
■° lurenkel
3 ES
0 eS
0 ES
0 eS
3
7
400
2.7
alle entfernteren
Verwandten
—
—
—
—
10
23
—
0.0
Tafel I bestätigt alles, was schon aus den entsprechenden
Tafeln anderer Gruppen deduziert wurde, aber die Ziffern in
Tafel II bilden eine Ausnahme. Wir finden eine bemerkens-
werte Abnahme bei V. und Q., während S. und E. sich gleich ge-
blieben sind. Wir finden auch, obgleich der weibliche Einfluß
im großen Ganzen wenig von den vorhergehenden Gruppen ab-
weicht, so weit es sich um Verwandtschaft ersten Grades
handelt.
1 G + 5O-|-8N-|-6E = 20 Verwandte durch die männliche Linie
5g-f-2o-j-2n-f0e= 9 Verwandte durch die weibliche Linie
1) s. Tabelle S. 61.
14*
212 Naturwissenschaftler und Mathematiker.
und bei Verwandtschaft zweiten Grades
0 GV + 0 GB + 3 OS + 6 NS + 3 ES = 12 Verwandte durch die männliche
Linie
0 pV + 0 ^B -f 4 oS -f 0 nS + 0 cS = 4 Verwandte durch die weibliche
Linie.
Im Ganzen 32 Individuen durch die männUche und 13 durch
die weibHche Linie.
Untersuchen wir jedoch die Liste der engeren Verwandten,
so kommen wir zu anderen Schlüssen und werden finden, daß der
mütterliche Einfluß ungewöhnlich stark ist. So finden wir 5 g.
gegen 1 G., und in acht Fällen von den dreiundvierzig war von
beiden Eltern die Mutter befähigter. So war es bei der Mutter
Bacons (man erinnere sich auch seiner vier Tanten väterlicher-
seits), so bei der Mutter Buffons, Condorcets, Cuviers, d'Alem-
berts, Forbes, Gregorys und Watts. Sowohl Brodie als Jussieu
hatten bemerkenswerte Großmütter. Die hervorragenden Ver-
wandten Newtons hingen durch die weibHche Linie mit ihm zu-
sammen.
Es scheint daher in den exakten Wissenschaften für einen Men-
schen sehr wichtig zu sein, eine befähigte Mutter zu haben. Ich
glaube, der Grund ist der, daß ein Kind unter diesen Umständen
das Glück hat, von den gewöhnlich verengenden parteiischen Ein-
flüssen der häuslichen Erziehung befreit zu sein. Unsere Rasse ist
außerordentlich sklavisch; es liegt in unserer aller Natur, eher blind
an das zu glauben, was wir lieben, als an das, was uns weiser
dünkt. Wir sind geneigt, eine ehrliche, unverzagte Erstrebung
der Wahrheit als etwas Unehrerbietiges zu betrachten. Wir sind
empört, wenn andere unsere Ideale unter die Lupe nehmen und
sie straflos kritisieren, genau so wie ein Wilder zu den Waffen
stürzt, wenn ein Missionär seinen Fetisch in Stücke schlägt. Die
Frauen sind durch diese Gefühle noch mehr beeinflußt als die
Männer, sie sind noch bhndere Anhänger, sie sind auch noch skla-
vischere Diener der Gewohnheit. Glücklich die Menschen, deren
sklavische Neigungen nicht in der Kindheit von der Mutter durch
die gewöhnlichen Phrasen verstärkt werden: „Frage nicht nach
diesem oder jenem, denn es ist Unrecht, zu zweifeln." Glücklich
die Menschen, denen die Mutter durch Beispiel und Belehrung zeigt,
daß die Untersuchung vollkommen frei sein kann, ohne unehr-
Naturwissenschaftler und Mathematiker. 213
erbietig zu sein, daß Ehrfurcht vor der Wahrheit die Mutter der
freien Untersuchung ist und daß Gleichgültigkeit oder Unaufrich-
tigkeit im Streben nach der Wahrheit eine der niedrigsten Sünden
ist. Es ist klar, daß ein Kind, das unter den letztbeschriebenen
Umständen erzogen wird, viel geeigneter ist, in der Wissenschaft
Erfolg zu haben, als eines, das unter der Last dogmatischer Autori-
täten heranwächst. Von zwei gleichbefähigten Männern wird
derjenige, der eine wahrheitshebende Mutter, hat, geeigneter sein,
den Weg der Wissenschaft zu gehen, während der andere, wenn
er unter außerordentUch verengenden Umständen erzogen wird,
wie die begabten Kinder in China, nichts Besseres werden wird
als ein Student oder ein Professor irgend einer toten Literatur.
Es ist, glaube ich, eine Folge der günstigen Bedingungen,
ihrer frühen Erziehung, daß ein so ungewöhnlich großer Teil
der Söhne der begabtesten Männer der Wissenschaft, sich in
dem gleichen Zweige der Wissenschaft auszeichnen. Sie sind
auferzogen in einer Atmosphäre der freien Untersuchung. Und
da sie, einmal größer geworden, merken, daß Myriaden von
Problemen vor ihnen liegen, die nur darauf warten, daß ein
mäßig begabter Mensch die Mühe auf sich nimmt, an ihre Lösung
zu gehen, so werfen sie sich mit Eifer auf ein Arbeitsfeld, das so
besonders lockend ist. Tatsächlich ist und war es merkwürdig
vernachlässigt. Auf hundert, die Bücher befragen, kommt einer,
der sich direkt an die Natur wendet, auf hundert Kommentatoren
ein origineller Kopf, der selbständig untersucht. Das Feld der
wahren Wissenschaft leidet unter einem schmerzlichen Mangel
an Arbeitern. Die Masse der Menschheit schleppt sich müh-
selig dahin, die Augen auf die Fußspuren der Generationen ge-
heftet, die ihnen vorangingen, zu gleichgültig oder zu furchtsam,
ihren Blick zu erheben, um selbst zu beurteilen, ob der Weg,
auf dem sie ziehen, der beste ist, oder um die Bedingungen zu
studieren, von denen sie umringt und beeinflußt sind. Wenn
wir unter diesem Gesichtspunkt die hervorragenden Söhne von
Naturwissenschaftlern und Mathematikern betrachten, so finden
wir unter sechsundzwanzig nur vier, deren hervorragende Be-
deutung auf einem anderen Gebiete als dem der Naturwissen-
schaft lag. Es sind dies die beiden Politik treibenden Söhne
Aragos (er selbst war Politiker), der Sohn von Haller und der
Sohn von Napier.
214 Naturwissenschaftler und Mathematiker.
Wie ich schon vorher sagte, waren die Väter der befähigsten
Männer der exakten Wissenschaften selbst nicht in ihnen tätig. Die
Väter von Cassini und Qmehn trieben selbst exakte Wissen-
schaften, in einem geringeren Grade taten es auch die von Huyg-
hens, Napier und de Saussure, aber die übrigen, nämlich die
Väter von Bacon, Boyle, de Candolle, Galilei und Leibniz waren
entweder Politiker oder Literaten.
Was die Mathematiker anlangt, so hätte man eine noch
größere Zahl von hervorragenden Verwandten bei ihnen er-
warten können, da unter ihnen selbst eine Reihe von Individuen
vorhanden ist, die außerordentliche natürliche Gaben aufweisen.
In meinem Anhang finden sich verschiedene Mathematiker, beson-
ders die Famihe Bernoulli, aber die Namen von Pascal, Laplace,
Gauss und anderer aus der Klasse G oder selbst X fehlen. Wir
hätten in gleicher Weise erwarten können, daß die „Senior
wranglers" von Cambridge viele beachtenswerte Beispiele ver-
erbter Fähigkeiten in verschiedenen Berufen darbieten würden,
aber allgemein gesprochen, scheint es nicht der Fall zu sein.
Ich kenne verschiedene Beispiele, wo der senior wrangler selbst
ein hervorragender Mann von mathematischer Begabung ist, wie
Sir William Thomson und Mr. Archibald Smith, die mit anderen
Mathematikern oder Naturwissenschaftlern verwandt sind,
aber ich kenne nur wenig „senior wranglers", deren Verwandte
hervorragende Bedeutung auf anderen Gebieten hatten. Unter
diesen Ausnahmen ist Sir John Lefevre, dessen Brüder der Ex-
Vorsitzende, Viscount Eversley und dessen Sohn der gegen-
wärtige Vize - Präsident des Handelsministeriums ist und Sir
F. Pollock, den ex - Chief Baron, dessen Verwandte unter den
„Judges" beschrieben sind. Die Seltenheit solcher Verwandt-
schaftsbeziehungen erkläre ich mir folgendermaßen. Ein Mensch,
der abstrakten Ideen nachhängt, wird wahrscheinlich keinen Er-
folg in der Welt erringen, es sei denn, er sei ganz besonders
hervorragend auf seinem speziellen Gebiet intellektueller An-
strengung. Können die mehr mäßig begabten Verwandten eines
großen Mathematikers Gesetze entdecken, dann ist es gut und
recht; verbringt er aber seine Tage damit, sich den Kopf über
Problemen zu zerbrechen, die zu unbedeutend sind, um prak-
tische oder theoretische Wichtigkeit zu erlangen, oder geht er
Naturwissenschaftler und Mathematiker. 215
an Probleme, deren Lösung ihm zu schwer ist, oder liest er ein-
fach nur, was andere Leute geschrieben haben, so macht er seinen
Weg überhaupt nicht und hinterläßt keinen Namen. Für die
Menschen, die sich mit der reinen Abstraktion befassen, gibt es
weniger jener zahlreichen Zwischenstadien zwischen hervor-
ragender Bedeutung und mäßiger Begabung als für jene, deren
Interessen sozialer Art sind.
Anhang
zu dem Kapitel Naturwissenschaftler und Mathematiker.
Wie in dem vorhergehenden Kapitel, so habe ich mich auch
hier auf die Namen beschränkt, die in biographischen Kollekta-
neen am meisten hervorstechen oder die mir auf irgend eine an-
dere Weise von selber über den Weg kamen. Ich füge noch die
Namen jener hinzu, deren Biographien ich gleichfalls untersucht
habe, die aber keine Verwandten von auffallenden Fähigkeiten
gehabt zu haben scheinen. Es sind ihrer achtzehn, und zwar die
folgenden: Bacon, Roger; BerzeHus; Blumenbach, Brahe, Tycho;
Bramah; Brewster; Brown, Robert; Copernicus; Qalen; Qalvani;
Quericke; Hooke; Kepler; Priestley; Reaumur; Graf Rumford;
Whewell; Dr. Young.
Ampere, Andre Marie (1775—1836, starb mit 61 Jahren), ein her-
vorragender Forscher in den exakten Wissenschaften; war
tätig auf dem Gebiete der Mathematik, der Elektrizitäts-
lehre und der Philologie. Er war ein völliger Autodidakt,
denn seine Eltern waren in dürftigen Verhältnissen.
Schon in früher Knabenzeit las er gierig und zeigte ein
treues Gedächtnis. Er war mit großer Geisteskraft aus-
gestattet, die von einem sehr scheuen und sensitiven Cha-
rakter begleitet war. So wurde er, obgleich sein Talent
ein universales war, in seinem späteren Leben äußerst
sonderbar, und seine Schüler trieben ihren Spaß mit ihm.
Es mangelte ihm nach jeder Richtung an Beharrlichkeit,
er ging immer wieder auf Neues los. Arago meinte, die
Disziplin einer öffentlichen Schule würde einen sehr heil-
samen Einfluß auf seinen Charakter gehabt haben.
S. Jean Jacques, Historiker und Literat von beträchtlich her-
vorragender Bedeutung und Originalität. Wurde von
216 Naturwissenschaftler und Mathematiker.
seinem Vater erzogen, der ihm völlige Freiheit Heß, dem
Zug seines Talents zu folgen. Er reiste viel und stets mit
literarischen und wissenschaftlichen Resultaten. War
Professor der modernen französischen Geschichte am
College de France.
Arago, Dominique Frangois; Mathematiker und Astronom. Schrieb
über viele wissenschaftliche Materien; war auch
Politiker, und zwar strenger Republikaner. Als Knabe
machte er große Fortschritte in der Mathematik, wobei
ihn fast niemand unterwies. Mit 23 Jahren war er Mit-
glied der Akademie. Er hatte ein gut Teil von Schroff-
heit in seinem Wesen und viel Anmaßung. Seine drei
Brüder zeichneten sich in ihren verschiedenen Berufen
folgendermaßen aus:
B. Jean, wegen einer ungerechten Anklage aus Frankreich
vertrieben, wurde ein bekannter General in mexikani-
schen Diensten, und leistete diesem Lande große Dienste
während seines Befreiungskrieges.
B. Jacques, Reisender, Künstler und Schriftsteller. Er führte
ein rastloses Wanderleben und war ein Mensch von
großer Energie, literarischem Talent und Produktivität.
B. Etienne, dramatischer Autor von beträchtlichem Ruf und
ein äußerst fruchtbarer Schriftsteller, war ein lustiger Re-
pubhkaner. Er bekleidete ein Amt unter der pro-
visorischen Regierung von 1848, wurde unter Napoleon III.
verbannt.
S. Emanuel, Advokat, wurde in dem frühen Alter von
34 Jahren zum „membre du conseil de l'ordre" gewählt;
Politiker und heftiger Republikaner. Er nahm an der Re-
volution von 1848 hervorragenden Anteil, wurde aber
nach dem Staatsstreich zum Schweigen gezwungen.
S. Alfred, ein Maler, General-Inspektor der schönen Künste.
Aristoteles, Begründer der peripatetischen Schule, von den hervor-
ragendsten Fähigkeiten in den Naturwissenschaften und
der Philosophie, Lehrer Alexanders des Großen. Er schloß
sich Piatos Akademie an, der ihn mit 17 Jahren „den Intel-
lekt der Schule" nannte. Er hatte eine schwache Gesund-
heit, aber einen wunderbaren Fleiß. Er war rastlos, er
Naturwissenschaftler und Mathematiker. 217
lehrte im Qehen, daher der Name Peripatetische Schule.
War in seiner Kleidung wählerisch. War begütert, verlor
seine Eltern in frühem Alter.
V. Nicomachus, Freund und Arzt des Königs Amyntas II.
von Mazedonien; schrieb seither verlorene Werke über
Medizin und Naturwissenschaften.
E. Nicomachus. Nach Cicero wurde er von einigen Per-
sonen für den Autor der „Nicomachischen Ethik" gehal-
ten, die im allgemeinen Aristoteles zugeschrieben wird.
Oe. (? über das O herrschen Zweifel.) Callisthenes, der
Philosoph, der Alexander den Großen nach dem Osten
begleitete, ein unbedachtsamer Mann, dem es an Takt
fehlte, aber im übrigen befähigt. Seine Mutter, Hero,
war Aristoteles Kousine.
Bacon, Francis, ernannt zum Lord Bacon, Lord Chancellor. „Der
weiseste, glänzendste, niederträchtigste unter den Men-
schen" lautet eine zu harte Sentenz über diesen überaus
berühmten Philosophen und Staatsmann. Seine natür-
lichen Gaben ergeben sich durch eine einfache Addition
derjenigen seiner Mutter und derjenigen seines Vaters.
Es ist zweifelhaft, ob er sehr frühreif war oder nicht,
doch ist es Tatsache, da die Königin Elisabeth sich an sei-
nem knabenhaften Witz, seinem Ernst und seinem Urteil
ergötzte.
V. Sir Nicholas Bacon, Lord Siegelbev/ahrer. Er war der
erste Siegelbewahrer, der im Rang einem Lord Chan-
cellor gleichstand. Er war ein ernster, stattlicher Mann,
liebte die Wissenschaft, die Gärtnerei und den Hausbau.
In all diesen Dingen glich sein Sohn ihm vollkommen,
er heiratete zweimal.
V. Anne Cooke, Mitglied einer ungemein begabten Familie
und sie selbst eine Gelehrte von nicht gewöhnlichem
Ruf. Hervorragend durch Frömmigkeit, Tugend und
Gelahrtheit. In Griechisch und Latein außerordentlich be-
wandert.
(^0.) Die vier Schwestern seiner Mutter, von denen stets in
den Ausdrücken des höchsten Lobes gesprochen wird.
g. Sir Anthony Cooke wird von Camden beschrieben als
218 Naturwissenschaftler und Mathematiker.
„vir antiqua serenitate". Lloyd (State Worthies) sagt:
„Die Contemplation war seine Seele, Abgeschiedenheit
sein Leben und gelehrte Unterredung sein Element."
Lord Seymour, der dabei war, als er seinen Sohn tadelte,
bemerkte: „Manche Männer beherrschen ihre Familie
mit mehr Kunst, als andere Königreiche" und empfahl ihn
hierauf Eduard VI. zur Erziehung seines jungen Neffen.
„So eindrucksvoll war die Majestät seines Blicks und
seines Ganges, daß sie seiner Familie Scheu einflößten,
derart sein Verstand und seine Liebenswürdigkeit, daß
seine ganze Familie zur Liebe gezwungen war; eine
Familie, die gleich ängstlich war, einem so guten Verstand
zu mißfallen, und einen so großen zu beleidigen." Er
lehrte seine Töchter alles Wissen seiner Zeit. Es tut
mir sehr leid, daß es mir nicht gelungen ist, irgend etwas
über Sir Anthonys Ahnen oder seiner Seitenverwandten z«
erfahren.
oS. Cecil, erster Earl von SaHsbury, hervorragender Minister
unter Elisabeth und Jakob I. Sein Vater war der große
Lord Burleigh.
B. Anthony, hatte eine schwächliche Gesundheit, doch eine«
beträchtlichen Teil des intellektuellen Talents, das diese
bemerkenswerte Familie auszeichnete.
B. (aber von einer andern Mutter.) Sir Nathaniel, Baronet,
ein Mann von seltenen Anlagen und einem edlen Cha-
rakter. Er war ein sehr guter Maler. Walpole sagt von
ihm, er habe „wirklich die Vollkommenheit eines Mei-
sters erlangt." Peacham in seiner „Graphicae" sagt:
„Niemand gebührt meiner Ansicht nach mehr Respekt
und Bewunderung wegen seiner Geschicklichkeit und
seiner Erfahrung im Malen, als Meister Nathaniel Bacon
von Brome in Suffolk, der meinem Urteil nach nicht
hinter unseren geschicktesten Meistern zurücksteht."
B. (Von den gleichen Eltern wie oben.) Sir Nathaniel von
Stivekey. Als er 22 Jahre alt war (Lord Bacon zählte
damals 7), sagte sein Vater von ihm: „In der Tat, von
all' meinen Kindern, gibt er beim Studium die besten
Hoffnungen."
Naturwissenschaftler und Mathematiker. 219
N. (Sohn eines andern Bruders.) Nathaniel, Altertums-
forscher, Archivar von Bury und Admiralty Judge. War
Parlamentsmitglied für Cambridge und ein standhafter
Repubhkaner.
Bernoulli, Jakob. Der erste, der den Ruhm in eine Schweizer
Familie brachte, die später eine außerordentUche Anzahl
hervorragender Mathematiker und Naturwissenschaftler
umschloß. Sie waren meist zänkisch und unHebens-
würdig. Viele von ihnen waren langlebig. Drei von
ihnen überschritten ihr achtzigstes Lebensjahr. Jakob
war für die Kirche bestimmt, widmete sich aber früh
der Mathematik, in welche er zufällig eingeführt worden
war. Er hatte ein gaUiges melancholisches Tempera-
ment. War sicher, aber langsam. Er unterrichtete sei-
nen Bruder Johann, behielt ihm gegenüber aber zu lange
einen Ton der Überlegenheit, woraus Streit und RivaUtät
erfolgte. Jakob war, was seine Originalität und sein
Talent anlangt, ein Mathematiker der höchsten Art. Mit-
glied der Französischen Akademie.
B. Johann, für den Handel bestimmt, wandte sich aber der
Physik und Chemie zu. Mitglieder der Französischen
Akademie. („Eloge von d'Alembert") Er war der Ahn-
herr der fünf folgenden:
N. Nikolaus, starb mit 31 Jahren, war gleichfalls ein großes
mathematisches Genie. Starb in Petersburg, wo er eine
der Hauptzierden der damals noch jungen Akademie war.
N. Daniel, Physiker, Botaniker und Anatom, schrieb über
Hydrodynamik; sehr frühreif. Erhielt zehn Preise, um
einen hatte sich auch sein Vater beworben. Dieser vergab
ihm nie diesen Erfolg. Mitglied der Französischen
Akademie. (Condorcet's „Eloge".).
N. Johann, Rechtsgelehrter, Mathematiker und Physiker. Er-
hielt drei Preise der Akademie, deren Mitglied er war.
Professor der Rhetorik und Redner. Wäre ein großer
Mathematiker geworden, wenn er die Redekunst nicht
mehr geliebt hätte. Er war für den Handel bestimmt,
haßte ihn aber. (D'Alembert „Eloge".)
320 Naturwissenschaftler und Mathematiker.
NS. Johann, Astronom, Mathematiker und Philosoph, Schrieb
viele Werke und reiste ein wenig.
NS. Jakob, Physiker und Mathematiker, ertrank mit 30
Jahren beim Baden.
NS. Nikolaus (Sohn eines dritten Bruders), Mathematiker,
Mitglied der Französischen Akademie.
Es gibt noch zwei andere Nachkommen dieser Fa-
milie, doch ist mir der genaue Grad der Verwandtschafts-
beziehung unbekannt.
(?) Christoph (1782—1863), Professor der Naturgeschichte an
der Universität Basel, Autor vieler Werke aus dem Ge-
biete der Naturwissenschaften und der Statistik.
(?) Jerome (1745—1829), trieb einen Apothekerhandel, hatte
aber eine Leidenschaft für die Naturgeschichte und hatte
schon mit 20 Jahren eine beträchtliche mineralogische
Sammlung zusammengestellt, die er immer mehr ver-
größerte, bis sie eine der vollständigsten der Schweiz
wurde.
Jakob Johann
Nikolaus Daniel Johann Nikolaus
Johann Jakob
Boyle, Hon. Robert, „Der christliche Philosoph". Hervorragend
in Naturwissenschaften, namentlich in Chemie; ein Qe-
lehrter und Theologe. Er hat auch als religiöser Staats-
mann Bedeutung, infolge seiner Bemühungen das Christen-
tum unter den Eingeborenen Indiens und Nordamerikas
zu verbreiten. Er war der siebente Sohn und das vier-
zehnte Kind seiner Eltern. War scheu und zerstreut und
wies standhaft die zahlreichen Anerbietungen auf Beför-
derung zurück, die ihm aufgedrängt wurden. Er ge-
hörte einer sehr ehrenwerten Familie an, deren Stamm-
baum ich gebe (s. Seite 221).
222 Naturwissenschaftler und Mathematiker.
V. Richard, erster Earl von Cork, gewöhnlich der große
Earl genannt, Lord-Schatzkanzler von Irland. Zeichnete
sich während der großen Revolution durch seine Energie
und militärischen Eifer aus. Er machte ein großes Ver-
mögen, indem er seine irischen Besitzungen mehorierte.
V. Catherine. „Die Krone all meines (des Earls) Glücks . .
Rehgiös, tugendhaft, liebreich, die glückHche Mutter all
meiner hoffnungsvollen Kinder."
g. Sir Qeoffrey Fenton, Erster Staatssekretär für Irland.
OS. Michael Boyle, Bischof von Waterford.
OS. Richard Boyle, Erzbischof von Tuam.
OE. Michael Boyle, Erzbischof von Armagh und Lord Chan-
cellor von Irland.
4B. machten alle ihre Sache gut, heirateten alle günstig.
Einer erbte den Titel, die andern wurden zuPairs ernannt.
Der hervorragendste unter ihnen ist Roger, erster Earl
von Orrery, militärischer Kommandant unter Cromwell
in Irland, später im Dienst der Restauration unter Karl IL,
der ihn adelte. Die Chancellorwürde wurde ihm ange-
boten, doch lehnte er sie ab.
(? b.) Auch sieben Schwestern heirateten Pairs, und nach den
allgemeinen Berichten über die Familie nehme ich an,
daß einige von ihnen beträchtliche Verdienste gehabt
haben müssen. Die Details fehlen.
NS. Chas. Boyle, vierter Earl Orrery; Gelehrter („Episteln
von Phalaris", Relig. Streitschr.), Diplomat. Das astrono-
mische Instrument „Orrery" wurde von seinem dank-
baren Entdecker nach ihm genannt.
NS. Henry Boyle, erster Earl von Shannon, Vorsitzender
des Hauses der Gemeinen in Irland und Schatzkanzler
daselbst.
NE. Richard Boyle, vierter Earl von Cork, förderte die schö-
nen Künste, ein Freund Popes.
NE. (aber von einem andern Bruder des Philosophen ab-
stammend.) John Boyle, fünfter Earl von Cork, der
Freund Swifts.
Brodie, Sir Benjamin, Baronet; hervorragender Chirurg, Prä-
sident der Royal Society. Die folgenden Verwandten
sind seiner Autobiographie entnommen.
Naturwissenschaftler und Mathematiker. 22H
(G) „Hatte den Ruf, eine Person von sehr beträchtlichen Fä-
higkeiten zu sein und habe ich früher einige ihrer Manu-
skripte gesehen, die zu beweisen schienen, daß dies tat-
sächhch der Fall war."
(F) „War durchaus bemerkenswert wegen seiner Talente
und Kenntnisse. Kannte die allgemeine Literatur gut und
war ein ausgezeichneter Kenner des Griechischen und
Lateinischen ... Er besaß sehr viel Energie und Emsig-
keit aber ... Ich kann nicht daran zweifeln, daß er
ein enttäuschter Mensch war." (Auf dem Gebiet der
Politik.) Er widmete sich Qemeindeangelegenheiten und
gewann einen beträchtlichen lokalen Einfluß.
(B.) „Mein ältester Bruder wurde Jurist und hat in seinem
Beruf den höchsten Platz als ,Conveyancing-Barrister'
erreicht."
oS. Lord Denman, der Lord Chief Justice (s. unter Judges.).
(Sein Vater war ein hervorragender Arzt.)
oE. George Denman, Q. C. Parlamentsmitglied, war 1842 der
erste in klassischen Studien in Cambridge,
s. Sir Benjamin Brodie, zweiter Baronet, Professor der
Chemie in Oxford.
Buckland, William, Dr. der Theologie, Dekan von Westminster,
hervorragender Geologe.
S. Frank Buckland, Naturforscher. Wohlbekannter popu-
lärer Schriftsteller der Naturgeschichte, namentlich auf
dem Gebiet der Fischzucht.
Buffon, G. L. Graf von, Naturforscher. „Majestate naturae par
Ingenium". Die Natur gab ihm jeden Vorteil an Gestalt,
Haltung, Gesichtszügen, Kraft und allgemeiner Energie.
Voltaire sagte von ihm „le corps d'un athlete et l äme
d'un sage." Er sollte zuerst Jurist werden, hatte aber
einen unwiderstehlichen Hang zu den Naturwissen-
schaften, erst zur Physik und Mathematik und schließ-
Hch zur Zoologie.
f. Er sagte, daß er seine Eigenschaften von ihr habe. Er
sprach stets mit großer Liebe von seiner Mutter,
s. Seine Fähigkeiten waren beträchtUch und seine Liebe
zum Vater außerordentlich. Er wurde als Aristokrat
guillotiniert.
224 Naturwissenschaftler und Mathematiker.
Cassini, Jean Dominique. (1625—1712, starb mit 87 Jahren.) Ge-
feierter italienischer Astronom, dessen Name hauptsäch-
lich mit der Entdeckung der SatelHten des Saturn, den
Rotationen der Planeten um ihre Achsen und dem Zodia-
kallicht verknüpft ist. Er hatte zu seiner Zeit einen un-
geheuren Ruf. Durch das Anerbieten einer Pension ver-
anlaßte ihn Colbert, sich in Frankreich niederzulassen
und sich als Franzose zu naturahsieren. Er gründete
das Observatorium von Paris. Er war von starker Kon-
stitution, hatte ein ruhiges Temperament und war reli-
giös. War der erste einer Familie von einer bemerkens-
werten Reihe langlebiger Astronomen.
S. Jacques Cassini (1677—1756, starb mit 79 Jahren). Ver-
fasser der „Theorien über die Qestalt der Erde", folgte
seinem Vater in der Französischen Akademie.
E. Cesar F. Cassini de Thury
ES. I „ } s. unten.
PP I Seine Nachkommen
Cassini de Thury, Cesar Frangois (1714—1784), starb mit 70
Jahren), zeigte frühe Fähigkeiten für die Astronomie.
Wurde mit 22 Jahren in die Akademie aufgenommen. War
der Urheber der Regierungsvermessungen in Frank-
reich, veröffentlichte viele wissenschaftliche Schriften.
Q. Jean Dominique Cassini \ ^ ^^^^
V. Jacques Cassini I
S. Jacques Dominique (1747—1845, starb mit 98 Jahren) folgte
seinem Vater als Direktor des Observatoriums und voll-
endete die „Carte Topographique de la France".
E. Alex. Henri Gabriel (1781—1832, starb mit 51 Jahren)
liebte leidenschaftlich Naturgeschichte, hatte keinen Ge-
schmack für Astronomie; schrieb „Opuscules Philolo-
giques", war Mitghed der Akademie. Er war Jurist,
Präsident des Cour Royale in Paris und Pair von Frank-
reich; starb frühzeitig an der Cholera.
Cavendish, Hon. Henry (1731—1810, starb mit 79 Jahren), ge-
feierter Chemiker. Begründer der Chemie der Luft.
gB. William Lord Russell; Patriot wurde 1683 hingerichtet.
Naturwissenschaftler und Mathematiker. 225
Celsius, Olaus, ein schwedischer Botaniker, Theologe und
OrientaHst. Er wird als der Begründer des Studiums
der Naturgeschichte in Schweden betrachtet, war der
Lehrer und Gönner von Linne. Er schrieb über die
Pflanzen, die in der Schrift erwähnt werden, war Pro-
fessor der Theologie und der orientalischen Sprachen
in Upsala, starb mit 86 Jahren,
S. Magnus Nikolaus Celsius, Mathematiker und Botaniker,
Professor in Upsala.
E. Anders Celsius, Astronom. Er war der erste, der die
hundertteilige Skala des Thermometers einführte. Pro-
fessor in Upsala, starb mit 43 Jahren.
Condorcet, Jean Caritat, Marquis de; Sekretär der Französischen
Akademie. Schrieb über Moral und Politik. In mathe-
matischen Studien war er frühzeitig entwickelt und hatte
eine unersättliche und universelle Wißbegierde. Er war
Ideen gegenüber sehr rezeptiv, aber nicht in gleichem
Maße originell. Machte äußerlich nicht den Eindruck
eines stolzen Menschen, einfach weil er ein großartiges
Vertrauen in seine eigene Meinung hatte. BriUieren war
nicht seine Sache. Seine hauptsächliche Fähigkeit be-
stand in Kombinieren und Organisieren. Verschiedene
Leute beurteilten seinen Charakter sehr verschieden.
St. Beuve fand ihn bösartig und verbittert mit einem
provozierenden äußeren Wohlwollen. Er vergiftete sich
mit 51 Jahren, um der Guillotine zu entgehen.
(/.) Seine Mutter war sehr fromm. Als er noch ein Kind
war, gelobte sie der heiligen Jungfrau, ihn acht Jahre
lang weiß zu kleiden wie ein junges Mädchen.
O. Ein ausgezeichneter Bischof (Aragos „Eloge").
(?2.) Er war auch eng mit dem Erzbischof von Vienne und
dem Kardinal von Bernis verwandt, doch weiß ich nicht
in welchem Grade.
Cuvier Georges, Baron von. Einer der berühmtesten Natur-
forscher. Er war schon mit 26 Jahren wohlbekannt, starb
mit 63. War als Knabe von zarter Gesundheit.
(/.) Seine Mutter war eine gebildete Frau, die seine erste
Erziehung sorgsam überwachte.
Galton, Genie und Vererbung. -^^
226 Naturwissenschaftler und Mathematiker.
B. Frederic, der sich frühzeitig selbst der Naturgeschichte
widmete und in Untersuchungen wenig hinter seinem
Bruder Georges zurückstand, obgleich er nie etwas voll-
brachte, was sich an wissenschaftlichem Wert mit den
Werken seines Bruders messen kann, ausgenommen
sein Werk „Die Zähne der Tiere."
D'Alembert, Jean le Rond. Mathematiker und Philosoph der
höchsten Art. War ein illegitimes Kind. Seine Mutter
Heß ihn im Stiche und heß ihn auf einem öffentlichen
Platze in der Nähe der Kirche Jean le Rond legen, woher
sein Taufname stammt; der Ursprung seines Familien-
namens ist unbekannt. Er zeigte als Kind eine außer-
ordentliche Lernbegier, wurde aber bei jedem Schritt
entmutigt. Die Frau eines Glasers, zu der er von der
Behörde als Findling in Pflege gegeben wurde, machte
sich über seine Bestrebungen lustig, in der Schule wurde
ihm von seiner geliebten Mathematik abgeraten. So
oft er selbst überzeugt war, daß er etwas Originelles ge-
macht habe, fand er unbedingt, daß andere die gleiche
Sache vor ihm gefunden hatten, aber seine Neigung zur
Wissenschaft trieb ihn vorwärts. Er wurde mit 24 Jahren
MitgHed der Akademie, und vonda abwurdeseineKarriere
eine ehrenvolle. Er war völlig frei von Neid und sehr
mildtätig. Heiratete nie, hatte aber sehr merkwürdige
platonische Beziehungen zu Mile. de Espinasse.
Sein Vater soll M. Destouches gewesen sein, ein
Artilleriekommissionär.
( /,) Mlle. de Tencin, Mcvelhstin von hohen Fähigkeiten, ur-
sprüngHch eine Nonne, trat aber aus dem Kloster aus.
Sie und ihre beiden Schwestern waren bekannte Aben-
teuerinnen. Sie schloß sich eng an ihren Bruder, den
Kardinal de Tencin an, liebte ihn leidenschaftlich und
widmete sich seinem Avancement. Sie führte sein Haus,
das ein bekanntes Zentrum hervorragender Männer
wurde. Sie war nichts weniger als tugendhaft. Fon-
tenelle, der Sekretär der Französischen Akademie (s.
unter „Dichtern" unter Corneille), war einer ihrer Be-
wunderer vor der Geburt d'Alcmberts, Mit 34 Jahren
Naturwissenschaftler und Mathematiker. 227
warf sie sich auf politische Intriguen. Erst als d'Alembert
berühmt geworden war, soll sie sich ihm zum ersten
Male als seine Mutter genähert haben, worauf er ihr er-
widert haben soll: „Sie sind nur meine Stiefmutter, die
Frau des Qlasers ist meine wirkliche Mutter."
Die Verwandten d'Alemberts mütterlicherseits bilden
eine seltsame Gruppe. Es sind
(o). Madame Feriol, die Mutter von Pont de Veyle und d'Ar-
gental und
(o.) Comtesse de Qrolee und die folgenden Brüder
o. Cardinal de Tencin, Staatsminister und fast Premier-
minister.
oS. Pont de Veyle, Liederdichter und Dramatiker, voller
Geist, aber ein selbstsüchtiger Mensch. Er wurde von
einem Pedanten erzogen, der in ihm Haß gegen das
Studium erweckte.
oS. Argental, Charles Aug. Feriol, Comte de. Der Vertraute
und große Bewunderer Voltaires, der ihn zum Verwahrer
seiner Schriften machte. Er war ein eleganter litera-
rischer Kritiker.
Darwin, Dr. Erasmus, Arzt, Physiologe und Dichter. Sein „Bota-
nischer Garten" hatte in der Zeit, wo er geschrieben
wurde, einen ungeheuren Ruf, denn neben seinen eigent-
lichen Verdiensten war er im Einklang mit den Gefühlen
und der Ausdrucksweise jener Zeit. Der Scharfsinn in
Dr. Darwins zahlreichen Schriften und Theorien ist wirk-
Hch bemerkenswert. Er war ein Mensch von großer
Körperkraft, Humor und Frohsinn.
(F.) Es wird erzählt, daß Dr. Darwin „aus einer gebildeten
und intellektuellen Familie hervorging, sein Vater soll
einer der ersten Mitglieder des Spalding Klub gewesen
sein."
S. Charles, Student der Medizin, starb jung an einer Wunde,
die er sich beim Sezieren gemacht hatte. Er hatte zu
der besten Hoffnung Anlaß gegeben. Er hatte die gol-
dene Medaille der Edinburger Universität für eine medi-
zinische Arbeit erhalten.
S. Dr. Robert Darwin von Shrewsbury, war ein Arzt mit
15*
228 Naturwissenschaftler und Mathematiker.
sehr großer Praxis und auch in anderer Hinsicht noch
von Bedeutung.
E. Charles Darwin, der berühmte moderne Naturforscher,
Verfasser der „Theorie der natürlichen Auslese".
(2 ES.) Einer der Söhne des Obigen war 1868 zweiter wrangler
in Cambridge und ein anderer zweiter bei der Woolwich-
prüfung (Kriegsschule) des gleichen Jahres.
Die Anzahl der Individuen in der FamiHe Darwin, die
irgend einen Zv/eig der Naturwissenschaften erwählt
haben, ist sehr bemerkenswert, namentlich weil die Nei-
gung dazu mehr dem persönlichen Qeschmack des Je-
weiligen als der Familientradition entsprach (ich berichte
nach privaten Quellen). Die verschiedenen Mitglieder
der Familie haben ein scharfes individualistisches Ele-
ment, das dem traditionellen Einfluß entgegenarbeitet.
(S.) Sir Francis Darwin, ein Arzt, hatte eine besondere Liebe
zu den Tieren. Sein Wohnsitz in Derbyshire war voll
seltsamen Getiers, halbwilde Schweine rannten im Ge-
hölz umher und ähnliches.
(E.) Einer seiner Söhne ist ein wohlbekannter Schriftsteller
— wenn auch unter Pseudonym — über naturgeschicht-
liche Materien und Sport.
Ich könnte noch mehr Namen von Familienmitgliedern
aufzählen, die zwar in geringerer, aber doch ausge-
sprochener Weise Sinn für Gegenstände der Natur-
geschichte gezeigt haben.
Davy, Sir Humphry; Chemiker und Philosoph. War als Kind
nicht frühreif, zeichnete sich aber als Jüngling aus. Seine
ersten Essays veröffentlichte er mit 21 Jahren, war Pro-
fessor der Chemie am Royal Institution mit 23 Jahren.
B. Dr. John Davy, Verfasser vieler Arbeiten über Physio-
logie. General-Inspektor der Armeespitäler,
de Candolle, Augustin Pyrame, hervorragender schweizer Bota-
niker. Seine Kindheit glich der von Cuvier; beide hatten
Mütter, die intelligent und liebevoll waren; beide hatten
eine zarte Gesundheit und ein sehr glückliches Naturell.
Er hatte einen Wasserkopf und starb fast daran mit 7
Jahren. Da er nicht imstande war, den Spielen der an-
Naturwissenschaftler und Mathematiker, 229
deren Knaben zu folgen, wurde er fleißig, liebte es, Verse
zu machen und hatte eine große Vorliebe für Literatur,
aber keinerlei Interesse für Naturwissenschaften. Er
sammelte Pflanzen, rein als Gegenstände, die man zu-
sammenschleppt, doch interessierte er sich allmähüch in
hohem Maße für sie. Als er 15 Jahre alt war, hörte seine
Schwächlichkeit auf. Er ist fast das einzige Beispiel
einer vollständigen Wiederherstellung bei Wasserkopf.
Nachher wurde er sehr kräftig. Er schrieb mit 20 Jahren
eine Abhandlung, die ihn einigermaßen bekannt machte.
Ein Essay, das er mit 26 Jahren verfaßte, um Doktor der
Medizin zu werden, war meisterhaft. Er starb mit 63
Jahren.
V. Zweimal erster Syndikus von Genf.
S. Aiphonse, gleichfalls ein Schweizer Botaniker, Professor
und Direktor des Botanischen Gartens in Genf.
Euler, Leonhard, schweizer Mathematiker. Sein Vater lehrte
ihn Mathematik, bestimmte ihn aber für die Kirche; je-
doch entdeckte der jüngere BernouIU sein Talent, worauf
der Vater ihn seinen Neigungen folgen ließ. Er schrieb
mit 20 Jahren eine wichtige Abhandlung. Verlor mit 23
Jahren ein Auge und wurde mit 63 Jahren ganz blind.
Starb mit 76 Jahren. War von frommer und glücklicher
Gemütsart. Hatte drei Söhne. Sechsundzwanzig Enkel-
kinder überlebten ihn.
(V.) Paul; ein kalvinistischer Geistlicher von guten mathe-
matischen Fähigkeiten.
S. Johann Albert, war mit 20 Jahren Direktor des Obser-
vatoriums in Berlin.
S. Karl, Arzt und Mathematiker.
S. Christoph, Astronom. Er diente in Rußland.
Forbes, Edward. Naturforscher von hoher Vollendung, der noch
mehr erhoffen ließ; Professor der Naturgeschichte in
Edinburg, starb aber jung mit 39 Jahren an einer Nieren-
krankheit. Er war ein wirkliches Genie und ein Mann
von seltenen gesellschaftUchen Talenten. In früher Kind-
heit schon zeigte er bemerkenswerte moralische und in-
tellektuelle Gaben. Noch als junger Student in Edinburg
230 Naturwissenschaftler und Mathematiker.
reiste er und schrieb über die Naturgeschichte von Nor-
wegen. Er war beständig in Bewegung, Seefischer und
ähnUches. Verheiratet, hatte aber keine Kinder. Das
folgende ist Qeikies Biographie über ihn entnommen:
„Die meisten seiner unmittelbaren väterlichen Ahnen be-
saßen sehr viel Energie und Tätigkeitsdrang. Diese
Männer liebten es zu reisen, waren gern in Gesellschaft
und liebten gesellschaftliche Vergnügungen; sie waren
freigebig und verstanden es besser Geld auszugeben als
es zu sparen."
/. Sanft und fromm, eine leidenschaftliche Blumen-
freundin, eine Neigung, die sie auf ihren Sohn, den künf-
tigen Professor der Botanik, übertrug.
(3 0.) Einer starb in Demerara, ein anderer in Surinam, ein
dritter ging nach Afrika und blieb verschollen.
(2B.) Einer ertrank in Australien, ein anderer wurde zufällig
in Amerika getötet.
B. Der andere Bruder, ein ausgezeichneter Mineraloge, war
zuerst in den südamerikanischen Minen angestellt.
In dem Blut der Forbes war sicherlich eine beträcht-
liche Lust am Umherschweifen, und sie war bei keinem
wohl stärker als bei dem großen Naturforscher.
Franklin, Benjamin, schrieb über Philosophie und Politik und
daneben Miscellen. Ein Mann von großer Kraft und
Originalität des Charakters. Amerikanischer Patriot
und Staatsmann.
eS. Alexander Dallas Bache, Oberaufseher der Küstenver-
messung der Vereinigten Staaten, war Professor der
Philosophie, ebenso der Chemie und Mathematik.
eS. Franklin Bache, Dr. med., Autor vieler medizinischer
Werke, Professor der Chemie.
(E.) W. T. Franklin, Herausgeber der Werke seines Groß-
vaters.
Galilei, Galileo, berühmter Physiker. Als Kind hatte er die Ge-
wohnheit, mechanisches Spielzeug zu konstruieren. Als
Knabe, ehe er noch etwas von Mathematik wußte, machte
er die Entdeckung, daß die Schläge der Pendeluhr iso-
chron sind. Er war für die Medizin bestimmt, machte
Naturwissenschaftler und Mathematiker. 231
sich aber frei und ging zur Mathematik über. Wurde
blind. Starb mit 82 Jahren.
V. Vincenzo war ein Mann von beträchtHchem Talent und
Wissen. Er schrieb über die Theorie der Musik.
(B.) Ein Bruder scheint sich der Naturgeschichte hingegeben
zu haben.
(S.) Sein Sohn, Vincenzo QaHlei, war der erste, der an einem
Uhrwerk seines Vaters Erfindung des Pendels anbrachte.
Geoffroy St.-Hilaire (Etienne), gefeierter französischer Natur-
forscher. Er war einer der Gelehrten, die Napoleon nach
Ägypten begleiteten.
B. Chiiteau, ein ausgezeichneter Genieoffizier, Napoleon
schätzte ihn sehr. Starb nach Austerlitz an den An-
strengungen des Feldzugs. Napoleon adoptierte seine
beiden Söhne, die beide Schriftsteller wurden, aber
keine besondere Bedeutung hatten.
S. Auguste, Zoologe.
Gmelin, Johann Friedrich, hervorragender deutscher Chemiker,
Naturforscher und Physiker. Das hervorragendste Mit-
glied einer Familie, die der Wissenschaft wenigstens
fünf Namen schenkte:
I \ [
Johann Konrad Johann Georg Philipp Friedrich
Samuel Gottlieb Johann Friedrich
Leopold.
V. Philipp Friedrich, Botaniker und Arzt, machte wissen-
schaftliche Reisen durch Europa und schrieb zahlreiche
Monographien.
O. Johann Georg, Botaniker und Arzt, Mitglied der St.
Petersburger Akademie, sibirischer Reisender, Verfasser
der „Flora Sibirica'".
(O.) Johann Konrad; ein bekannter Arzt.
OS. Samuel Gottlieb, wissenschaftlicher Reisender, war in
Astrachan und am Kaspischen Meer, wo er von den
Tartaren festgenommen wurde und mit 29 Jahren in der
Gefangenschaft starb.
232 Naturwissenschaftler und Mathematiker.
S, Leopold, Chemiker.
Gregory, James, Mathematiker, Erfinder des Spiegel-Teloskops ;
ein Mann von sehr scharfsinnigem und eindringlichem
Geist. Er war das bedeutendste Mitglied einer sehr be-
deutenden Familie, aus der hervorragende Mathematiker
und sehr viele hervorragende Ärzte hervorgingen. Der
beiliegende Stammbaum ist nötig, um ihre Familienbe-
ziehungen zu erklären, doch weiß ich, daß er der Familie
nicht völlig gerecht wird. Das Talent kam von den
Andersons her, von denen ich wünschen würde, mehr
zu wissen. Wir können wenigstens die folgenden Buch-
staben für diese Notiz in Anspruch nehmen: f., g., gB.,
B., 3N., NS., NS., S., 2 E., ES. und 2 Ee.
Haller, Albrecht von (1708—1777), starb mit 69 Jahren. Ein
Schweizer Arzt, wird als Vater der modernen Physio-
logie betrachtet. Er war außerordentlich frühreif; die
Berichte über sein frühes Talent sind ebenso erstaunlich,
als nur irgend ein Bericht über frühreifes Talent sein
kann. Als Kind war er gebrechlich, schwach und zart.
War außerordentlich fleißig und schrieb über 200 Ab-
handlungen, darunter einige gute Gedichte. Er litt an
der Gicht und nahm maßlos Opium.
(V.) Sein Vater gehörte einer Familie an, deren MitgUeder
seit jeher fromm waren und hatte den Ruf eines fähigen
Rechtsgelehrten,
g. Eines der Mitglieder des Obersten Rats der Schweiz.
S. Gottlieb Emanuel, schrieb verschiedene Werke über die
Geschichte und Literatur der Schweiz.
Harvey, William, Dr. med. hervorragender Arzt; Entdecker der
Blutzirkulation, ein guter Kenner der Antike. Er v/ar
ein kleiner Mann mit einem runden Gesicht, oliven-
farbenem Teint, und kleinen schwarzen, sehr lebendigen
Augen. Er wurde gichtisch und bekam schrullenhafte
Gewohnheiten. Er dachte nachts im Bett zu viel nach
und schlief deswegen schlecht. Er und alle seine
Brüder waren jähzornig. War verheiratet, hatte aber
keine Kinder. Seine Verwandten zeigten vollgiltige
Fähigkeiten.
Naturwissenschaftler und Mathematiker. 233
(5B.) Fünf seiner Brüder waren Kaufleute von Ansehen und
Vermögen, die hauptsächlich Geschäfte nach der Levante
machten und von denen die meisten ein großes Ver-
mögen erwarben. „The Merchants' Map of Commerce"
ist allen Brüdern gemeinsam gewidmet, die ihr Lebenlang
sehr aneinander hingen. Ebenso liebten sie alle zärtlich
ihre Mutter, was aus der sehr rührenden Qrabschritt
auf ihrem Leichensteine hervorgeht.
(N? wie viele.) Seine Neffen waren wohlhabende Kaufleute;
einige von ihnen errangen Vermögen und erhielten
Titel.
(So der Bericht in der biographischen Einleitung zu
seinen Werken, die von der Sydenham-Qesellschaft
herausgegeben wurden.)
Oe. (ich glaube) Heneage Finch, ernannt zum ersten Earl von
Nottingham, Lord Chancellor. Auch sein Vater war
hervorragend (s. Finch unter „Judges"). William Harvey
nannte Heneage Finch in seinem Testament seinen
„ heben Kousin" und hinterließ ihm ein Legat dafür, daß
er ihm bei der Abfassung seines letzten Wülens behilf-
lich war. Das genaue Verwandtschaftsverhältnis kenne
ich nicht. Earl Nottinghams Mutter war die Tochter
eines William Harvey und sie war nicht die Schwester
des Mediziners. Zwischen dem Arzt und dem Earl ist
ein Altersunterschied von 43 Jahren. Es ist wahrschein-
Uch, daß der Earl Harvey's Qroßkousin war, nämhch
der Sohn einer Tochter des Bruders seines Vaters.
Herschel, Sir William, hervorragender Astronom; Präsident der
Royal Society. Wurde zum Musiker ausgebildet,
kam nach England mit der Musikkapelle der Hannover-
schen Garde, wurde später Organist in Bath. Mit 41
Jahren erwarb er einige mathematische Kenntnisse.
Baute sich selber Teleskope und war mit 43 Jahren
ein berühmter Astronom. Starb mit 83 Jahren.
(V.) Isaac; Sohn eines Gütermaklers, liebte aber die Musik
so, daß er sich der Musikkapelle der Hannoverschen
Fuß - Garden anschloß; die Kapelle bestand aus ausge-
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Naturwissenschaftler und Mathematiker. 253
wählten Künstlern. Er wurde ein einigermaßen be-
kannter Musiker, namentlich auf der Violine und Oboe.
(B.) Alexander; guter Violoncellist; hatte auch einen starken
Hang zur Mechanik.
h. Miss Caroline Herschel, arbeitete mit ihrem Bruder zu-
sammen in der nützlichsten Weise an all' seinen astro-
nomischen Werken. Sie erhielt die goldene Medaille der
Royal Society. Starb mit 98 Jahren.
S. Sir John Herschel, ebenfalls als Astronom berühmt und
einer der ersten Philosophen seiner Zeit.
(3E.) Zwei seiner Enkel haben sich bereits einen Namen in
der wissenschaftlichen Welt gemacht, Professor Alexan-
der Herschel, der über Meteoriten schreibt und Leutn.
John Herschel, der erste seines Jahrgangs in Addis-
combe, der 1868 die Führung der Expedition übernahm,
die die Royal Society nach Indien zur Beobachtung der
totalen Sonnenfinsternis sandte. Der andere Sohn Wil-
liam, ein höherer Verwaltungsbeamter in Bengalen war
der erste seines Jahrgangs in Haileybury. Musikalische
Gaben sind in der Familie Herschel stark erblich.
Hooker, Sir William, Botaniker, zuletzt Direktor und Gönner des
Kgl. Gartens in Kew. Verfasser zahlreicher Werke über
systematische Botanik.
S. Dr. Joseph Dalton Hooker, Botaniker und Physiker,
Direktor des Kgl. Gartens in Kew; zuerst Naturforscher,
nahm als solcher teil an der antarktischen Expedition
von Sir J. Ross und bereiste später die Himalaya-
Gegend von Sikkim. Der Vater seiner Mutter, g, war
Dawson Turner, der Botaniker und seine Kousins sind
2oS., Giffard Palgrave, ein Arabien - Forscher und
Autor eines Buches über Arabien, und Francis Pal-
grave, ein wohlbekannter Schriftsteller. Schrieb über
Literatur, Poesie und Kunst.
Humboldt, Alexander, Freiherr von; wissenschaftlicher Reisen-
der und Philosoph und ein Mensch von ungeheuren
wissenschaftlichen Kenntnissen. Er hatte eine außer-
ordentlich kräftige Konstitution und brauchte sehr wenig
Schlaf. Sein erstes naturgeschichtliches Werk ver-
236 Naturwissenschaftler und Mathematiker.
öffentlichte er mit 21 Jahren, starb mit 90 und arbeitete
bis zuletzt. Er beschloß seinen „Kosmos" mit 82 Jahren.
B. Wilhelm von Humboldt, Philologe von höchstem Range,
beschäftigte sich kritisch mit der klassischen Literatur und
war Diplomat. Die verschiedenen Neigungen der beiden
Brüder waren schon an der Universität sichtbar, wo sie
zusammen studierten, Alexander Naturwissenschaften,
Wilhelm Philologie.
Hunter, John; der hervorragendste unter den englischen Ana-
tomen; General - Stabsarzt der Armee, außerordent-
licher Chirurg des Königs. In seiner Jugend wurde
seine Bildung fast ganz vernachlässigt. Zwischen 17
und 20 Jahren war er Kunsttischler. Dann bot er sich
selbst als Qehilfe für den Sezier-Saal seines älteren
Bruders William an (s. unten). Er zeichnete sich sehr
bald aus und gründete zuletzt das Hunterian Museum.
B. William Hunter, Präsident des Ärzte-Kollegiums und
außerordentUcher Arzt der Königin. Sein Ruf als Ana-
tom und Chirurg, namentlich als Geburtshelfer war über-
aus groß. Er war seit seiner Jugend von gelassener und
fleißiger Gemütsart; war zuerst für die Kirche bestimmt,
aber er ging statt dessen zur Medizin über. Er grün-
dete ein großartiges anatomisches Museum. Er heiratete
nie.
n. Matthaw Baillie, Dr. med., ein hervorragender Arzt,
Anatom und Patholog.
n. Johanna Baillie, dramatische Schriftstellerin, starb mit
89 Jahren.
Huygens, Christian; dänischer Astronom und Physiker; einer der
hervorragenden Fremden, die Colbert nach Paris ein-
lud und denen er Pension zahlte. Er war sehr frühreif,
machte schon als Knabe starke Fortschritte in der Ma-
thematik; veröffentlichte mit 22 Jahren eine mathe-
matische Arbeit; starb mit 68 Jahren an Überan-
strengung. Heiratete nie.
V. Constantyn, ein Mathematiker und Gelehrter; Verfasser
der „Monumenta Desultoria". Hintereinander Sekretär
Naturwissenschaftler und Mathematiker. 237
dreier Prinzen von Oranien und bekannte sich, obgleich
er ein Politiker war, tapfer als Freund Descartes.
B. Constantyn folgte seinem Vater als königlicher Sekretär
und begleitete Wilhelm III. nach England,
Jussieu, Antoine Laurent de, einer der größten Botaniker. Ver-
fasser des „Systeme naturel" und das hervorragendste
Mitglied einer sehr hervorragenden Botanikerfamilie.
Wurde mit 22 Jahren Professor im Königlichen Garten
und dort Vorgesetzer seines Onkels Bernard (s. unten),
der damals 71 Jahre alt war und der den Posten zurück-
gewiesen hatte, da er sich als das, was er war, glück-
licher und freier dünkte. Es herrschen einige Zweifel
darüber, wie weit er der Interpret von Ideen Bernards
und wie weit er selbst originell war. Mit 25 Jahren
wurde er in die Akademie aufgenommen. Hatte eine
kräftige Konstituion, war groß; er sah aus wie ein
nachdenklicher Mensch, der immer seiner selbst Herr
ist. Wurde blind, alle Botaniker in seiner Familie waren
sehr kurzsichtig. Er war einfach in seinem Geschmack
und hatte ein langes und glückliches Alter; er starb mit
88 Jahren. Er stammte von einer Familie ab, die Gene-
ration um Generation Notare waren. Sein Großvater
durchbrach die Tradition und wurde Chemiker in Lyon.
(G.) Seine Großmutter hatte einen starken Einfluß auf ihre
zahlreichen Kinder, zu deren Wohl, indem sie sie zu-
sammenhielt und sie gewöhnte, einander zu unterstützen.
Sein Vater stammte aus einer Familie von sechzehn
Kindern und war das einzige von ihnen, das sich ver-
heiratete.
O. Antoine Jussieu. Hatte schon als Kind eine Vorliebe,
Pflanzen zu beobachten; in seiner Jünglingszeit wurde
sie zur Leidenschaft und trieb ihn in die entgegen-
gesetzte Richtung von jenem Lebensweg, den sein Vater
für ihn erwählt hatte. Er wurde Student in Montpellier,
hatte rasch Erfolg und wurde mit 23 Jahren als Nach-
folger von Tournefort Professor der Botanik in Paris.
O. Bernard Jussieu, ein großes botanisches Talent, manche
behaupten, das größte in der Familie. Er hatte anfangs
238 Naturwissenschaftler und Mathematiker.
keine Neigung zur Botanik, selbst dann noch nicht, als
er als Jüngling an einer botanischen Exkursion teilnahm.
Dann übernahm er die Pflichten eines Gehilfen und De-
monstrators der Botanik bei seinem Bruder Antoine, der
ihn überredete, diese Wissenschaft als seinen Beruf zu
ergreifen. Er blieb sein Leben lang auf diesem unter-
geordneten Posten, den er selbst vorzog. Er hing
außerordentlich an seinem Bruder. Er wurde ein äußerst
geduldiger Beobachter. Er war ein ruhiger, gelassener
Mensch, sehr ordnungsliebend, sehr gemäßigt und einfach
in seinen Gewohnheiten. Er war tugendhaft, befähigt
und gütig. Er hatte eine gute Gesundheit, erblindete
aber, genau wie sein Neffe später. Er starb mit 78
Jahren.
0. Joseph Jussieu. Ihm mangelte die Beständigkeit seiner
hervorragenden Brüder, doch war er voller Befähigung.
Er war hintereinander oder besser nebeneinander Bo-
taniker, Ingenieur, Arzt und Reisender. Als Botaniker
machte er die Expedition unter Condamine nach Peru
mit, von welcher er mit zerrütteter Gesundheit nach
Europa zurückkehrte; nichtsdestoweniger lebte er bis
zu seinem 75 Jahre.
S. Adrien Jussieu, der einzige männliche Erbe der Familie,
folgte seinem Vater als Professor der Botanik. Hei-
ratete; hatte nur zwei Töchter, starb mit 56 Jahren 1853.
I I I
Bernard Antoine Joseph
Antoine Laurent
I
Adrien.
Jussieu, Bernard, s. oben.
2 B., N., NS.
Leibniz, Gottfried Wilhelm; genialer Mathematiker und Phi-
losoph. Er war sehr frühreif und las alles, was er er-
langen konnte. War ein ausgezeichneter Gelehrter und
Naturwissenschaftler und Mathematiker. 239
wurde hervorragend fruchtbar in Rechtswissenschaft,
Philosophie, Geschichte, Politik und Mathematik, ehe er
22 Jahre zählte. Hatte einen großen Hang zur Poesie
und konnte sehr viel auswendig; noch im hohen Alter
konnte er den ganzen Virgil wiederholen. Er war kräf-
tig und selten verdrießlich, außer im späteren Leben;
hatte starken Appetit, trank aber wenig; war von einem
wunderbaren Tätigkeitsdrang, alles interessierte ihn in
gleicher Weise, Utt ein wenig an Schwindel und Gicht.
Starb mit 68 Jahren an der Gicht. Man sagt von ihm,
er sei eitel und geizig gewesen. War nie verheiratet.
(g.) Wilhelm Schmuck, Professor der Jurisprudenz in Leip-
zig.
V. Professor der Moralwissenschaft (? Kasuistik) in Leip-
zig und berühmter Rechtsgelehrter.
0. ein Rechtsgelehrter von Ruf.
Linnaeus (von Linne), Karl, der große schwedische Botaniker, der
Begründer des Linneschen Klassifikationssystems der
Pflanzen. Erhielt eine ungenügende Ausbildung. Er hatte
die ausgesprochenste Vorliebe für Botanik, aber seine
intellektuelle Entwicklung in seiner Knabenzeit war lang-
sam. Mit 24 Jahren begann er einen großen Ruf zu be-
kommen. Es fehlte ihm merkwürdigerweise jedes Talent
zur Erlernung fremder Sprachen, er konnte nicht franzö-
sisch sprechen und mußte daher mit Fremden immer La-
teinisch korrespondieren. Er war ein Mensch von hit-
zigem Charakter, hatte eine sehr kräftige Gesundheit, bis
auf etwas Gicht, schlief aber wenig. War von Natur ein
Dichter, obgleich er nie Verse machte. Er heiratete,
„doch sein häusliches Leben erträgt keine Prüfung, denn
es ist wohlbekannt, daß er gemeinsam mit seiner Frau,
einem verworfenen Weibe, den ältesten Sohn, einen
liebenswürdigen jungen Mann, grausam verfolgte. Der
Sohn folgte ihm später auf seinem botanischen Lehr-
stuhl." (Engl. Cycl.)
S. Karl, ein ausgezeichneter Botaniker, wenn auch weit ent-
fernt von der Bedeutung seines Vaters.
Napier, John, Baron von Merchiston, Erfinder der Logarithmen.
240 Naturwissensshaftler und Mathematiker.
V. Obermünzmeister in Schottland. War erst 16 Jahre alt,
als sein Sohn geboren wurde.
S. Archibald, Geheimer Staatsrat unter Jakob VI., ernannt
zum Lord Napier.
Die Napier sind eine außerordentlich befähigte Fa-
milie. Sie umfaßt die Generäle und Admiräle der letzten
Generation (s. Feldherren) und in der jetzigen Kapt Mon-
crieff (Moncrieffs Batterie) und Mr. Clerk Maxwell,
zweiten wrangler 1854 und hervorragend in Natur-
philosophie.
Newton Sir Isaac, der berühmteste englische Mathematiker und
Philosoph. War als Kind außerordentlich schwächlich;
man verzweifelte damals an seinem Leben, aber er
wurde mit der Zeit kräftig und gesund. „Die drei
großen Entdeckungen, die den Ruhm seines Lebens
bilden, waren in seinem Geist konzipiert, ehe er 24 Jahre
zählte." (Libr. Univ. Knowl.) Womit gemeint sind:
Die Theorien der Gravitation, der Differentialrechnung
und des Lichts. Starb mit 84 Jahren.
Newtons Ahnen scheinen in keiner Weise wegen
ihrer intellektuellen Fähigkeiten bemerkenswert ge-
wesen zu sein, und ebenso finde ich unter seinen
Nachkommen nichts, was der Beachtung wert wäre, aus-
genommen die Tatsache, die hier angeführt werden soll,
daß die beiden Huttons in einer unbekannten Weise durch
die weibliche Linie mit ihm verwandt gewesen sind.
Der folgende Absatz ist dem Porträtkatalog, im Be-
sitze der Royal Society entnommen, er wurde gefunden
unter der Beschreibung eines Bildes von Sir Isaac New-
ton, das von Mr. Charles Vignolles, dem hervorragenden
Ingenieur, geschenkt wurde. „Die Mutter von James
Hutton und die Mutter von Dr. Charles Hutton waren
Schwestern, und seine Großmutter und die Mutter von
Sir Isaac Newton waren ebenfalls Schwestern." Mr.
Vignolles, der ein Enkel von Dr. Charles Hutton ist. hat
mir gütigst die Geschichte dieser Stelle ausein-
andergesetzt. Er scheint auf einen jener kleinen Papier-
fetzen geschrieben zu sein, die er von Dr. C. Hutton
Naturwissenschaftler und Mathematiker. 241
erbte. Er war in der Handschrift seiner Tante Miss
Isabella Hutton geschrieben und schien von ihrem Vater
diktiert, Dr. C. Hutton. Eine andere Auskunft ist nicht
zu erhalten. Nun ist das Wort „seine" in dem Ab-
schnitt ungrammatikalisch, seine Interpretation ist
daher schwierig. Man könnte annehmen, daß es sich
auf Dr. C. Hutton bezieht, aber ein Vergleich der Daten
läßt mich dies bezweifeln. Sir Isaac war 1642 geboren
und Dr. C. Hutton 1737, wodurch eine Differenz von
95 Jahren entsteht, die durch eine einzige Gene-
ration ausgefüllt werden soll. Das ist nicht absolut
unmöglich, aber es ist außerordenthch unglaublich, es
wäre nur bei einer so extravaganten Hypothese wie die
folgende möglich, daß nämlich Newtons Mutter nur 20
Jahre alt war, als ihr Sohn geboren wurde; auch, was
noch gerade möglich ist, daß ihre Schwester um 35
Jahre jünger war als sie. Ebenso, daß diese Schwester
40 Jahre alt war, als ihre Tochter geboren wurde, und
daß auch diese Tochter 40 Jahre alt war, als sie Dr.
C. Hutton gebar. Also 40 + 40 + 35 — 20 = 95, diese
Hypothese würde den Daten gerecht werden. Doch
argwöhne ich sehr, daß Miss Hutton, als sie unter dem
in seinem hohen Alter (er starb mit 83 Jahren) nicht
mehr sehr klaren Diktat ihres Vaters schrieb, einen
Satz ausließ, den ich unter Anführungszeichen bringe,
wodurch sie ein oder selbst zwei verbindende Gene-
rationen ausgelassen hat, so daß der Satz dann lauten
würde: „Die Mutter von Dr. James Hutton und die
Mutter von Dr. Charles Hutton waren Schwestern (sie
waren Kinder [oder Enkel?] von Mr. Hutton), und ihre
Großmutter und die Mutter von Dr. Isaac Newton waren
auch Schwestern." Diese Lesart würde das besitz-
anzeigende Fürwort „sein" erklären, ebenso die Daten,
und sie würde auch die exakte Natur der Verwandt-
schaftsbeziehung erklären, die nicht der Gegenstand
deuthcher Familientradition geworden ist. Wenn nach
der anderen Hypothese die Mütter der Huttons die leib-
lichen Cousinen von Sir Isaac gewesen wären, so hätten
Galton, Genie und Vererbung. 1"
242 Naturwissenschaftler und Mathematiker.
die Huttons diese Tatsache siclierlich oft erwähnt, es
wäre eine einfache Verwandtschaftsform, die leicht zu
behalten ist, und die den Zeitgenossen wohlbekannt
geworden wäre, namentlich den MitgUedern der Royal
Society, deren Sekretär Dr. Charles Hutton war, und
sie wäre von den Biographen Sir Isaacs oder der
Huttons nicht übersehen worden. In den Biographien
der Huttons wird Newton einfach als ihr Vorfahre
mütterlicherseits erwähnt.
oEe. Charles Hutton, Dr. der Rechte, war der wohlbekannte
Mathematiker, Sekretär der Royal Society und Professor
in Woolwich.
oEe. James Hutton war der Geologe und Chemiker und Be-
gründer der modernen Geologie. Ein Mensch, dessen
Ruf in seiner Zeit sehr groß war und dessen Schriften
einige unserer modernen führenden Geologen als außer-
ordentlich gut und weit entfernt davon veraltet zu sein,
erachten,
(n) John Conduit, folgte Sir Isaac als Münzmeister.
Oersted, Hans Christian. Dänischer Physiker und Chemiker.
Entdecker des Elektro-Magnetismus, starb mit 74 Jahren.
B. Anders Sandoe Oersted, Premierminister von Dänemark
und Schriftsteller, starb mit 82 Jahren.
N. Anders Sandoe (ebenso) S., amerikanischer Reisender und
Naturforscher.
Plinius der Ältere, Naturforscher. Ein sehr fleißiger Kompilator,
studierte mit außerordentlicher Hingabe, doch fehlte es
ihm ganz sonderbar an kritischer Befähigung. Er war
knauserig mit seiner Zeit, schlief wenig, war ernst und
edel. Kam um, als er den Vesuv während eines Aus-
bruchs besuchte,
n. Plinius der Jüngere (er trug den Namen der FamiUe
seiner Mutter). Verfasser der „Episteln", sehr frühreif,
ein Mann von großer Bildung, ein großer Redner, ein
Gönner gelehrter Männer und ein befähigter Staatsmann.
Porta, Giovanni Battista; ein italienischer Philosoph seiner Zeit
von höchstem Ruf, 1550—1615, Erfinder der Camera obscu-
Naturwissenschaftler und Mathematiker. 243
ra. Er war ein Wunderkind und machte sich eine univer-
selle Bildung zu eigen. Außer über naturwissenschaft-
liche, schrieb er auch über andere Gegenstände gut. Er
gründete Gesellschaften und gab einen bemerkenswerten
Anstoß zum Studium der Naturwissenschaften. Unver-
heiratet.
B. Ein jüngerer Bruder, teilte seinen Studieneifer.
Saussure, H. B. de, Schweizer Geologe und Physiker. Sorgfältig
erzogen, wurde mit 22 Jahren zum Professor in Genf er-
nannt. Seine Konstitution Utt unter den Folgen von
alpinen Expeditionen, auch durch Sorgen in Geldsachen.
Starb mit 59 Jahren.
V. wissenschaftlich gebildeter Landwirt und Verfasser ver-
schiedener Werke über Agrikultur und Statistik.
S. Nicolas Theodore, Naturforscher und Chemiker. Starb mit
78 Jahren. Er arbeitete zuerst mit dem Vater zusammen
an dessen Untersuchungen, ging aber dann einen unab-
hängigen Forschungsweg.
Stephenson, George, hervorragender Ingenieur. Der Vater der
Eisenbahnen. Ein großer derbknochiger Junge, der sich
selbst erzog. Durch fortschreitendes aber langsames
Avancement wurde er mit 41 Jahren Ingenieur in einem
Kohlenbergwerk, mit 100 Pfund jährUch. Seine erste
Dampfmaschine baute er mit A3 Jahren. Er gewann
den Preis für den besten Entwurf einer Lokomotive mit
49 Jahren, und seither war sein Weg zum Glück ein
kurzer. Er erfand das ganze System des Eisenbahn-
betriebs, die Signale, Erd-Ausgrabungsmaschinen, Schie-
nen, Stationen und Lokomotiven und errang seinen Er-
folg im Kampf mit jeder Art von Opposition und ab-
surden Einwürfen.
S. Robert, frühreif und fleißig. Wurde der erste Ingenieur
seiner Zeit
Volta, Alessandro, ein italienischer Physiker der höchsten Art,
bestbekannt durch seine elektrischen (Voltaischen) Unter-
suchungen. Napoleon wollte ihn zum Repräsentanten
der italienischen Naturwissenschaft machen und stieß
ihn auf mannigfache Weise vorwärts, doch hatte Volta
16*
244 Naturwissenschaftler und Mathematiker.
keinerlei Ehrgeiz dieser Art. Er war ein Mann von edlem
Äußern, von scharfer und rascher Intelligenz, weiten und
gerechten Ideen, ein liebevoller und aufrichtiger Charak-
ter. Seine Schüler vergötterten ihn. Er zeichnete sich
früh im College aus. Begann mit 24 Jahren über Elektri-
zität zu schreiben. Die letzten sechs Jahre seines Lebens
lebte er nur für seine Familie. Starb mit 82 Jahren.
(S) Einer seiner beiden Söhne, voller Verheißungen, starb
mit 18 Jahren.
Watt, James. Erfinder der Dampfmaschine und vieler anderer
Dinge. Er hat Anteil an der Entdeckung der Zusam-
mensetzung des Wassers. War als Kind sehr zart, war
frühreif, liebte Experimente, las gierig und unterschieds-
los. Mit 21 Jahren zog er die Aufmerksamkeit der Au-
toritäten an der Universität Glasgow auf sich, als ein
erfinderischer und philosophischer Arbeiter. Sein Weg
zum Reichtum war langsam, er verdankte ihn haupt-
sächlich seiner glücklichen Vereinigung mit Foulton, der
Energie, Konzentration auf den Zweck, Mut, admini-
strative Geschicklichkeit und Kapital hinzubrachte. Watt
war beständig kränklich und unschlüssig bis an sein
nahendes Alter, als seine Kraft mehr und mehr hervor-
trat. Wenige Männer haben so viel gelesen als Watt,
oder haben das Gelesene mit einer solchen Genauigkeit
behalten. Er hatte ein wunderbares und wohlgeordnetes
Gedächtnis und eine merkwürdige Klarheit im Er-
klären. Als erfinderisches Genie ist er nicht übertroffen
worden.
(Q) ein einfacher Lehrer der Mathematik und etwas seltsam.
Mr. Muirhead erzählt von ihm in seiner Biographie
Watts: „Es ist sonderbar zu sehen, welch ein ent-
schiedener Hang für wissenschaftliche Untersuchungen
wenigstens bis zu einem gewissen Grade jedem männ-
lichen Mitglied dieser Familie eigen war, so daß er fast
schon das Geburtsrecht bei den Enkeln von Thomas
Watt ,dem alten Matematiker' wurde. Und man kann
hinzufügen, daß die gleiche Neigung fortfuhr ,in ihren
Adern zu rollen' bis die direkte männliche Linie beider
Naturwissenschaftler und Mathematiker. 245
Söhne des berühmten Erfinders der Dampftnaschine
ohne Nachkommenschaft erlosch." (S. 17.)
(V.) Ein Mann von Fleiß und IntelUgenz, war zwanzig Jahre,
Stadtrat, Schatzmeister und baiüie von Glasgow.
(/.) Agnes Muirhead war eine vortreffHche Frau von gutem
Verstand, feinem weibHchen Aussehen, ordnungsÜebend
und ladyiike. Eine alte Frau beschrieb sie aus der Er-
innerung: „als eine brave, brave Frau, die ihresgleichen
nicht mehr findet."
(o) John Muirhead scheint Watts Vater sehr gern gehabt
zu haben, die beiden waren in vielen Abenteuern eng
verknüpft.
(B) starb mit 21 Jahren auf der See. (s. oben die Anspielung
auf die beiden Enkel.)
S. Gregory, starb mit 21 Jahren. War ein Mensch von
großen Verheißungen in der Naturwissenschaft und eng
befreundet mit Sir Humphry Davy. Er ist den Geologen
wohlbekannt durch seine Experimente Steine zu
schmelzen und künstlichen Basalt zu erzeugen.
(S) James, starb unverheiratet mit 79 Jahren. Hatte große
natürliche Fähigkeiten, war aber verschlossen und etwas
eigentümlich in seinen Gewohnheiten.
Wollaston William Hyde, Dr. der Medizin, Naturwissenschaftler
und Experimentator, hauptsächlich bekannt durch seine Er-
findung des Goniometers, die der Wissenschaft der Kri-
stallographie und so der der Camera lucida eine sichere
Basis gab. Ebenso durch seine Endeckung des Metalls
Palladium.
„Ein besonderer Sinn für intellektuelle Unter-
suchungen der allerexaktesten Art scheint in der Familie
erbüch gewesen zu sein."
246 Dichter.
Dichter.
Dichter und Künstfer sind im allgemeinen Menschen von
hohen Bestrebungen, nichtsdestoweniger aber sind sie genuß-
süchtig, sinnlich und führen einen außerordentlich unregel-
mäßigen Lebenswandel. Selbst über den finsteren und tugend-
predigenden Dante spricht sich Boccaccio^) in äußerst strengen
Worten aus. Ihre Talente sind gewöhnlich schon in früher
Jugend entwickelt, wenn sie zum erstenmal von den stürmischen
Leidenschaften der Liebe erschüttert werden. Von allen, die in
dem Anhang zu diesem Kapitel aufgezählt werden, ist Cowper
der einzige, der erst in reifen Jahren zu schreiben begann; und
keiner von den anderen, die in der Überschrift des Anhangs auf-
gezählt sind, mit Ausnahme vielleicht von Camoens und Spenser,
verschoben ihre Laufbahn als Schriftsteller über die dreißig
hinaus. Es ist lehrreich und vielleicht von Interesse, einige Tat-
sachen bezüglich ihrer frühreifen Talente zu erwähnen.
Beranger, ein Schriftsetzer, war Autodidakt und begann mit
16 Jahren zu pubHzieren. Burns war mit 16 Jahren in seinem
Dorf berühmt und begann bald darauf zu schreiben. Calderon
tat es bereits mit 14 Jahren. Campbeils „Vergnügungen der Hoff-
nung" wurden veröffentHcht, als der Autor 20 Jahre alt war.
Goldoni schuf mit 8 Jahren eine im Manuskript gebhebene Ko-
mödie, die alle amüsierte, die sie sahen. Ben Jonson, ein Ziegel-
baueriunge, fuhr ruhig seines Weges durch Westminster und
Cambridge hindurch und wurde mit 24 Jahren durch sein „Jeder-
mann hat seinen Humor" berühmt. Keats, der Gehilfe eines
Chirurgen, pubHzierte seine ersten Sachen mit 21 Jahren und
starb mit 25. Metastasio improvisierte öffentlich als Kind und
1) Vorwort zu Rossettis Übersetzung von »Inferas".
Dichter. 247
schrieb mit 15 Jahren. Tom Moore pubHzierte unter dem Pseudo-
nym Thomas Little und war mit 23 Jahren berühmt. Ovid schrieb
von seiner Knabenzeit an Verse. Pope veröffentHchte seine
„Schäfergedichte" mit 16 Jahren und übersetzte die IHas zwischen
25 und 30. Shakespeare muß sehr früh begonnen haben, denn
er hatte mit 34 Jahren schon fast alle seine historischen Schau-
spiele geschrieben. Schiller, ein verheißungsvoller Knabe, war
mit 23 Jahren durch seine Räuber berühmt. Sophokles schlug
mit 27 Jahren Äschylos in dem Wettkampf um den Theater-
preis.
Ich füge jetzt meine gewöhnliche Tafel bei:
Tafel I.
Übersicht über die Verwandtschaftsbeziehungen von 24
Dichtern, gruppiert in 20 Familien.
Ein Verwandter (oder zwei in der Familie).
Byron
s.
Milman
V.
Chaucer
S.
Racine
s.
2. Chenier
B.
2. Tasso
V.
Goethe
Heine
V.
O.
Vega
s.
Zwei oder drei Verwandte (oder drei oder vier
in der Familie).
Äschylos
2B
Dibdin
S. N.
2, Ariosto
B. N.
Dryden
SOE.
Aristophanes
3S.
Hook
V. B. N.
2. Corneille
B. n.
Milton
V. B.
Cowper
Q. GB.
Vier oder mehr Verwandte (oder fünf oder mehr in der Familie).
Coleridge S. s. 3 N. E. 2 NS.
Wordsworth B. 3N.
Die Resultate von Tafel 11 sind überraschend. Es scheint,
daß mit Ausnahme der Angehörigen von Coleridge und Words-
worth, die verschiedene Arten von Befähigung gezeigt haben,
fast alle Verwandte ersten Grades sind. Dichter sind offenbar
keine Familienbegründer. Der Grund ist, denke ich, einfach und
läßt sich auf Künstler im allgemeinen anwenden. Um ein großer
248
Dichter.
Tafel IP)
Verwan
dtscha
ftsgrade.
A.
B.
C.
D.
Bezeichnung
Korrespondierende |
des Grades
Buchstaben
•o /Vater
4 V
—
—
4
20
100
20
Q /Bruder
8 B
—
—
—
8
40
150
26
^ Sohn
9 S
—
—
9
45
100
45
"O
Großvater
1 G
Og
—
—
1
5
200
2.5
«
Onkel
1 O
0 o
—
—
1
5
400
1.25
O
Neffe
9 N
1 n
—
—
10
50
400
12.5
CN
Enkel
1 E
0 e
—
—
1
5
200
2.5
Urgroßvater
0 GV
OgV
0 GV
O^V
0
0
400
0
"ö Großonkel
1 GB
OgB
0 GB
OgB
1
5
800
6
O < Cousin
0 OS
0 oS
0 OS
0 oS
0
0
800
0
c6
Großneffe
2 NS
0 nS
0 i\^S
0 nS
2
10
800
1
Urenkel
0 ES
0 eS
0 ES
0 eS
0
0
400
0
alle entfernter
V
erwandten
1
—
—
—
1
5
—
—
Künstler zu sein, bedarf es einer seltenen und sozusagen unnatür-
lichen Wechselbeziehung von Eigenschaften. Ein Dichter muß
neben seinem Qenius die Strenge und den standhaften Eifer jener
haben, deren Neigungen den Versuchungen von Vergnügen wider-
stehen, und doch muß er gleichzeitig den höchsten Genuß an der
Übung seiner Sinne und Leidenschaften haben. Ein solcher
Charakter ist selten, und er kann nur durch einen glück-
lichen Zufall gebildet werden, er ist daher in der Vererbung
unbeständig. Gewöhnlich begehen die Menschen, die aus-
gesprochen genußsüchtige Neigungen haben, einen Fehltritt
im Leben und verirren sich. Diese Tendenz geht klar aus
zahlreichen Beispielen des folgenden Anhangs hervor, wo
sich der gefährHche Teil eines poetischen Charakters, ohne die
anderen Eigenschaften, die ihn mildern und kontrollieren, ver-
erbt hatte.
1) S. 61.
Dichter. 2 49
Anhang zu dem Kapitel „Dichte r".
Ich habe die Verwandtschaftsbeziehungen der folgenden 56
Dichter untersucht. Über einige von ihnen, so über Ferdusi,
Terenz und Sappho, scheinen überhaupt keine Aufzeichnungen zu
existieren, und bei vielen von den übrigen ist meine Kenntnis
sehr beschränkt. Nichtsdestoweniger finde ich, daß 20 Dichter,
deren Namen nachstehend durch Sperrdruck deutlich gemacht
sind, hervorragende Verwandte besaßen, und daß einige der
übrigen geringe Beweise vererbter Befähigung darbringen, so
waren der Vater von Burns und die Mutter Schillers nichts
weniger als mittelmäßig; Southey's Tante, Miss Tyler, hebte
das Theater leidenschaftlich. Wir können ruhig den Schluß
ziehen, daß mindestens 40% der Dichter hervorragend begabte
Verwandte haben.
Liste der Dichter :
Ä s c h y 1 o s , Alfieri, Anakreon, Ariosto, Aristo-
p h a n e s , Beranger, Burns, B j r o n , Calderon, Campbell, Ca-
moens, Chaucer, Chenier, Coleridge, Corneille,
C o w p e r , Dante, Dibdin, Dryden, Euripides, Ferdusi,
La Fontaine, Goethe, Qoldoni, Gray, Heine, Hook, Horaz,
Ben Jonson, Juvenalis, Keats, Lukrez, Metastasio, M i 1 m a n ,
M i 1 1 o n , MoHere, Moore, öhlenschläger, Ovid, Petrarca,
Plautus, Pope, Praed (s. a. den Anhang), Racine, Sappho,
Schiller, Shakespeare, Shelley, Sophokles, Southey, Spenser,
T a s s o , Terenz, V e g a , Virgil, Wieland, Wordswort h,
Ä s c h y 1 o s , großer griechischer Tragiker, auch als Krieger
hochberühmt, seine ganze Famihe zeichnete sich durch
Tapferkeit aus. Er begann früh zu schreiben, war aber
41 Jahre alt, ehe er seinen ersten Preis für ein Drama
gewann. Nachher errang er sechzehn. Starb mit 69
Jahren.
B. Cynaegeirus zeichnete sich zusammen mit Äschyios, so
hoch bei Marathon aus, daß ihre Taten durch ein be-
schreibendes Gemälde gefeiert wurden.
B. Ameinas ist bekannt als Erster, der den Angriff auf die
persischen Schiffe bei Salamis begann,
(n) Philocles siegte über den „König Oedipus" des Sophokles,
wahrscheinHch mit einer posthumen Tragödie des
Äschyios.
t(2 S.) Euphorion und Bion sollen vier Siege mit posthumen
260 Dichter.
Werken des Äschylos errungen haben. Was vielleicht
ihr Anteil und ebenso der des Philocles an der Voll-
endung dieser Stücke war, ist unbekannt, aber auf jeden
Fall entstand aus diesen Menschen und durch ihre Hilfe
das, was wir die tragische Schule des Äschylos nennen,
die noch 125 Jahre fortdauerte.
Ariosto, Ludovico, Autor des Epos „Der rasende Roland"
und vieler ausgezeichneter Satiren. Er schrieb als
Knabe Dramen und zeigte frühe Neigungen für die Dicht-
kunst, wurde aber zum Jus angehalten, das er unter
einem überwältigenden Drang zur Literatur verließ. Hei-
ratete nie, hatte zwei illegitime Söhne.
B. Gabriele, ein Dichter von einiger Bedeutung. Er voll-
endete die Komödie „La Scolastica", die nach dem Tode
seines Bruders unvollendet gebUeben war. Er schrieb
verschiedene Gedichte und hinterließ einen Manuskript-
band lateinischer Verse, die nach seinem Tode ver-
öffentlicht wurden.
N. Orazio, war ein intimer Freund von Tasso. Er schrieb
die „Argomenti" und andere Werke.
Aristophanes, griechischer Komödiendichter der höchsten
Art. Verfasser der 54 Komödien, von denen nur 11 auf
uns gekommen sind. Sein Genius zeigte sich so früh-
zeitig, daß sein erstes Stück — und er gewann den zweiten
Preis damit — zu einer Zeit geschrieben war, als er die
gesetzlich festgelegte Altersgrenze für die Wettbeteili-
gung noch nicht erreicht hatte. Es wurde daher unter
einem angenommenen Namen vorgelegt.
3 S Seine drei Söhne — Philippus, Araros und Nicostratus —
waren alle Dichter mittelmäßiger Komödien.
Byron, Lord. Wurde zu Hause sehr schlecht erzogen. Zeigte
noch in Harrow kein Talent. Seine „Stunden der Muße**
wurden veröffentlicht, als er 19 Jahre alt war, „Englische
Barden und Schottische Rezensenten", die ihn berühmt
machten, erschienen, als er 21 Jahre alt war, starb mit
36 Jahren.
(G) Hon. Admiral Byron, Weltumsegler, Verfasser von „Er-
zählungen".
(V) Kapitän Byron, unbedachtsam und lasterhaft.
(f) war seltsam, hochmütig, leidenschaftlich und halb-
verrückt. „Wenn es je einen Fall gab, wo vererbte
Dichter. 251
Einflüsse, die aus impulsiven Leidenschaften und Lebens-
gewohnheiten aufsteigen, Exzentrizitäten des Charakters
und das Äußerste an Benehmen entschuldigen, so muß
er für Byron in Anspruch genommen werden, da er
mütterlicherseits, wie väterUcherseits von einer Reihe
von Ahnen abstammt, bei denen alles darauf abgesehen
schien, jede Harmonie des Charakters, jede soziale
Übereinstimmung und jedes individuelle Glück zu zer-
stören." (Mrs. Ellis.)
s. Ada, Gräfin von Lovelace, hatte eine bemerkenswerte
mathematische Begabung.
C h a u c e r , Qeoffrey, schrieb mit 18 Jahren den „Hof der
Liebe'*. Berühmter Dichter, Vater der englischen Dich-
tung und in einem gewissen Sinne auch der englischen
Sprache.
S. Sir Thomas. War Vorsitzender des Hauses der Ge-
meinen und Gesandter in Frankreich.
C h e n i e r , Andre Marie, hervorragender französischer
Dichter. Seine Mutter war Griechin und weckte in ihm
eine leidenschaftliche Liebe für griechische Literatur.
Er starb mit 32 Jahren auf der Guillotine. Er war es,
der vor der Hinrichtung auf dem Schafott seine Stirn
berührte und bedauernd sagte: „Pourtant j'avais quelque
chose lä."
B. Marie Joseph, gleichfalls ein Dichter. Er schrieb
Dramen und Gedichte, unter den letzteren war das
„Abschiedslied", das fast mit der „Marseillaise" rivali-
sierte. Unter der Republik und dem ersten Königreich
war er ein führender Politiker. Sein erstes Stück wurde
gespielt, als er 20 Jahre alt war, und wurde ausgezischt.
C o 1 e r } d g e , Samuel Taylor, Dichter und Philosoph. War
schon mit 15 Jahren ganz von Poesie und Philosophie
erfüllt, immer unbedachtsam und träge. War in der
Freundschaft warm, aber seltsam pflichtvergessen in
bezug auf Schulden und etwas zänkisch; von einer spezi-
fisch zögernden Gemütsart, Opiumesser. Volle acht Mit-
glieder seiner Familie — in der Tat, fast alle männlichen
Repräsentanten — waren mit seltener Befähigung aus-
gestattet.
S. Hartley, Dichter, ein frühreifes Kind, hatte als Knabe
252 Dichter.
Visionen. Seine Phantasie und seine Unterhaltungsgabe
waren außerordentUch. Er war krankhaft ausschweifend.
s. Sara; besaß in bemerkenswertem Grade den intellek-
tuellen Charakter ihres Vaters. Sie war Schriftstellerin
und hauptsächlichster Herausgeber der Werke ihres
Vaters. Sie heiratete ihren Cousin H. Nelson Coleridge
und war die Mutter Herberts, (s. unten.)
S. Rev. Derwent, Coleridge, Schriftsteller. Leiter des St
Mark's College, Chelsea, das letzte Kind des Dichters.
S. Sir John Taylor Coleridge, judge, in frühem Alter schon
hervorragend als gebildeter Kenner des Altertums und
Schriftsteller.
N. Edward Coleridge, Leiter von Eton,
N. Henry Nelson Coleridge, guter Kenner des Altertums,
ein wohlbekannter Autor vieler Artikel in Zeitschriften,
heiratete seine Cousine Sara. (s. oben.)
E. auch B. E. Herbert Coleridge, Philologe.
(NS.) Henry, vorher fellow des Oriel College, jetzt Katholik.
NS. Sir John Duke Coleridge, Solicitor-Qeneral.
Corneille, Pierre, französischer Dramatiker. Begründer
der dramatischen Kunst in Frankreich; wurde für das
Barreau bestimmt, vertauschte es aber infolge eines über-
mächtigen Impulses mit der Poesie. Seine erste
Publikation war eine Komödie mit 23 Jahren. Starb
mit 78.
B. Thomas, auch ein Dichter, der mit Pierre, seinem älteren
und einzigen Bruder, zusammen arbeitete. Ihre Charak-
tere und ihre Lebensweise waren von einem merkwürdig
engen Einklang. So betrug der Altersunterschied
zwischen ihnen neunzehn Jahre, und sie heirateten
Schwestern, zwischen denen der gleiche Unterschied be-
stand. Die beiden FamiUen lebten in dem gleichen
Hause. Sie schrieben beide die gleiche Anzahl von
Stücken, und ihre Werke waren von gleicher Art.
Thomas hatte eine größere Leichtigkeit im Schreiben,
aber sein Stil stand an Energie dem seines Bruders
nach. Er war Pierres Nachfolger in der Akademie, starb
mit 84 Jahren.
r. Fontenelle, Sohn der einzigen Schwester der Obigen.
Fast vierzig Jahre lang der gefeierte Sekretär der fran-
Dichter. 253
zösischen Akademie. Sein wirklicher Name war Bovier,
Er pflegte zu sagen: „Mon pere etait une bete, mais ma
mere avait de l'esprit; eile etait quietiste." Sein Cha-
rakter zeigte eine seltsame Mischung, er war teilweise
ein Mann der Gesellschaft des damaligen frivolen und
konventionellen Typus und teilweise ein origineller Mann
der Wissenschaft und Freidenker. Fontenelle in der
Oper und Fontenelle in der Academie des Sciences
schienen zwei verschiedene Menschen zu sein. Einige
Biographen sagen, er habe mehr Kopf als Herz gehabt;
andere bewundern sein Gemüt. Er starb kurz vor
seinem hundertsten Geburtstage an Altersschwäche. Er
war ein frühreifes Kind. Im College hieß es bei seinem
Namen „Adolescens omnibus partibus absolutus", ein
nach jeder Hinsicht vollendeter Jüngling. Er trat mit
Schauspielen ins öffentliche Leben, um es seinen Onkeln
gleichzutun, doch wurden seine Werke ausgezischt. Dann
wandte er sich den Naturwissenschaften zu und wurde
mit 34 Jahren Mitghed der Akademie. Er erreichte ein
außerordentlich hohes Alter, wurde taub und verlor sein
Gedächtnis stark, doch war er bis zuletzt „aussi spirituel
que Jamals". Starb einen Monat, ehe er volle 100 Jahre
alt wurde, s. d'Alembert unter „Naturwissenschaftler
und Mathematiker".
(BEE.) (?) Charlotte Corday, die heldenhafte Mörderin Marats.
Wurde 150 Jahre oder wahrscheinHch fünf Generationen
später als die Familie Corneille geboren: sie stammte
direkt von der Mutter FonteneUes ab.
C o w p e r , William. Ein Dichter, dessen Schriften von einem
seltsam stillen Reiz sind und voller gütiger und zarter
Gefühle. Er hatte das mittlere Alter überschritten, als
er zu pubhzieren begann, seinen ersten Erfolg erreichte
er mit 54 Jahren. In seiner Jugend war er von einer
krankhaften Schüchternheit, und Wahnsinn verbunden
mit religiösem Grausen bedrohten sein späteres Leben.
Er kämpfte tapfer dagegen an, aber sie überwältigten
ihn schließlich.
Q. Judge, Sir Spencer Cowper.
GB. Lord Chancellor, Earl Cowper.
Dibdin, Charles. Verfasser von mehr als 900 Seeballaden.
Er war für die Kirche bestimmt, aber die Liebe zur
254 Dichter.
Musik war so stark in ihm, daß er sich mit der Bühne
verband. Seine erste Oper wurde im Covent Garden
gegeben, als er erst 16 Jahre alt war. Er wurde später
Theaterleiter, war aber unvorsichtig und infolgedessen
in seinem späteren Leben oft in Verlegenheit
iV.) war ein ansehnUcher Kaufmann.
(v.) war fünfzig Jahre, als ihr achtzehntes Kind geboren
wurde.
S. Thomas; war Gehilfe bei einem Tapezierer, doch schloß
er sich einer Gruppe umherziehender Schauspieler an
und ging zur Bühne. Er schrieb eine ganze Reihe von
Stücken und änderte auch viele Stücke um; doch hatte
keines seiner Stücke viel originellen Wert.
N. Rev. Thomas F. Dibdin, berühmter BibUograph; grün-
dete den Roxburghe Club, der den Zweck hat, seltene
Bücher neu herauszugeben.
Dryden, John; Dramatiker, Satiriker und Kritiker. Er ge-
hörte zu den ersten Geistern seiner Zeit. Mit 17 Jahren
schrieb er gute Verse; „Astraea Redux" veröffentUchte
er mit 29 Jahren, als erstklassiger Schriftsteller wurde
er aber erst mit 50 Jahren anerkannt
S. John, schrieb eine Komödie.
f/E. Jonathan Swift. Dr. der Theologie, Dekan von St.
Patrick; Satiriker und Politiker, s. unter „Literaten".
Goethe, Johann Wolfgang; Dichter und Philosoph. Eines der
größten Genies, die die Welt hervorgebracht hat Seine
Anlagen scheinen ähnlich wie die von Lord Bacon aus
einer einfachen Addition derjenigen seiner Vorfahren
entstanden zu sein. Er war ein außerordentlich früh-
reifes Kind, denn er schrieb als Kind von 6—8 Jahren
Dialoge und andere Stücke, die sowohl originell als gut
waren. Er war in seiner Knabenzeit und Jugend ein
eifriger Schüler, obgleich planlos in seiner Lektüre. Sein
Charakter war damals stolz und phantastisch. Goethe
beschrieb selbst seine vererbten Eigentümlichkeiten in
einem hübschen Gedicht*) Um mehr Einzelheiten zu
*) Vom Vater hab' ich die Natur
Des Lebens ernstes Führen
Von Mütterchen die Frohnatur,
Und Lust zu fabulieren.
Dichter. 256
geben, bringe ich das Wesentliche der beiden folgenden
Absätze aus Lewes Qoethebiographie.
V. Eine der erfreulichsten Gestalten aus der deutschen Lite-
ratur, bei größerer Lebhaftigkeit hielt sie mehr aus als
irgend eine andere. Sie war das Entzücken der Kinder,
der Liebling von Dichter und Fürsten. Nach einem
langen Gespräch rief ein enthusiastischer Reisender aus:
„Jetzt verstehe ich, wie Goethe der Mann wurde, der
er ist." Die Herzogin Amalie korrespondierte mit ihr
wie mit einer intimen Freundin; ein Brief von ihr war
ein kleines Fest am Hofe von Weimar. Sie wurde mit
17 Jahren an einen Mann verheiratet, den sie nicht liebte,
und war erst 18 Jahre alt, als der Dichter geboren
wurde.
iV.) war ein kalter, finsterer, förmlicher, etwas pedantischer,
aber wahrheitsliebender, rechtschaffen gesinnter Mann.
Von ihm erbte der Dichter die wohlgebaute Gestalt, die
aufrechte Körperhaltung und die gemessenen Be-
wegungen, die in vorgerücktem Alter etwas Steifes be-
kamen, was als diplomatisch oder hochmütig ausgelegt
wurde; von ihm rührte auch die OrdnungsUebe und der
Stoizismus her, Eigenschaften, die jene peinigten, die sich
das Genie nicht anders als mit landstreicherischen Ge-
wohnheiten vorstellen können. Die Lust am Wissen,
das Vergnügen, es mitzuteilen, die fast pedantische Auf-
merksamkeit für Einzelheiten, lauter Eigenschaften, die
an dem Dichter bemerkbar sind, lassen sich schon beim
Vater nachweisen.
Goethe heiratete unangemessen und hatte einen Sohn
ohne jegliche Bedeutung, der vor ihm starb.
Heine, Heinrich; deutscher Dichter, Essayist und Satiriker der
höchsten Art. War für den Handel bestimmt, hatte aber
Ekel davor und ging zur Literatur über, als Schüler und
Urahnherr war der Schönsten hold,
Das spukt so hin und wieder;
Urahnfrau liebte Schmuck und Gold
Das zuckt wohl durch die Glieder.
Sind nun die Elemente nicht
Aus dem Komplex zu trennen,
Was ist denn an dem ganzen Wicht
Original zu nennen.
256 Dichter.
Freund von A. W. Schlegel. Er publizierte zum ersten-
mal mit 25 Jahren, doch das Publikum anerkannte seine
Schriften erst, als er 28 Jahre alt war. Mit 47 Jahren
begann er an partiellen Lähmungen zu leiden und starb
mit 56 Jahren. War jüdischer Abkunft.
O. Salomon Heine, ein deutscher Philantrop; ursprünglich
arm, erwarb er ein Vermögen von nahezu zwei Millionen
Sterling und gab riesige Summen für öffentliche Institute
aus.
(OS.) Der Sohn Salomons; folgte seinem Vater in der Füh-
rung seiner Geschäfte.
Hook, Theodore. War ein bemerkenswerter geschickter
Junge, der gut sang und Lieder komponierte. Er hatte
mit 17 Jahren große Erfolge. Seine Konstitution war von
Natur ausgezeichnet, aber er ruinierte sie durch ein aus-
schweifendes Leben; starb mit 53 Jahren an zerrütteter
Gesundheit. War unverheiratet, hatte aber sechs illegi-
time Kinder.
V. James Hook, ein Komponist von außerordentlicher
Fruchtbarkeit und seinerzeit von beträchtlichem Ruf.
B. Dr. James Hook, Dekan von Worcester, gebüdeter
Kenner des Altertums, hervorragend als politischer
Pamphletist.
N. Dr. Walter Farquhar Hook, Dekan von Chichester, Theo-
loge, Schriftsteller und Prediger.
Milman, Henry Hart; Dekan von St. Paul; guter Kenner des
Altertums, Kritiker, Dichter, Historiker und QeistUcher,
„Der Fall Jerusalems", „Geschichte der Juden" usw.
Sehr erfolgreich in Oxford. Auffallend schön. Starb
mit 77 Jahren.
V. Hervorragender Physiker. Präsident des College der
Physiker.
Mi! ton, John; berühmtester engHscher Dichter, guter Kenner
des Altertums und republikanischer Schriftsteller. War
schmuck und als Jüngling von mädchenhafter Schönheit.
Schrieb „Arcades", „Comus", „L'Allegro" und „II Pense-
roso", ehe er 31 Jahre alt war. Erblindete mit 40 Jahren.
Zwanzig Jahre lang kümmerte er sich nicht um die Dich-
tung, da er in das politische Leben verwickelt war. „Das
verlorene Paradies" und das „Wiedergewonnene" ent-
standen erst nach dieser Periode. „Das verlorene Para-
Dichter. 257
dies" wurde erst lange nach dem Tode seines Verfassers
berühmt.
V. Ein Mann von hervorragendem musikaUschen Talent,
dessen Melodien noch nicht vergessen sind.
B. Ein Judge, dessen Glaube, politische Überzeugung und
Charakter den Gegensatz des Dichters bildeten. Seine
Befähigung war bei weitem geringer.
Praed, Mackworth; ein Mann von durchdringender poetischer
Begabung, doch von mehr Eleganz als Kraft.
(3 n.) Sir George Joung, Baronet und seine Brüder, eine be-
fähigte Famihe von guten Altertumskennern.
Racine, Jean, französischer Dramatiker und Verfasser anderer
Schriften. Seit seinem 4. Jahre verwaist; wurde mit
16 Jahren in eine Schule aufgenommen, die zu Port Royal
gehörte, machte staunenerregende Fortschritte, doch
brach er bald vöUig mit den Ideen und Studien, die dort
gepflegt wurden und widmete sich Werken der Phan-
tasie und schrieb Verse, wofür er streng gestraft wurde.
S. Louis, war ein Dichter seiner Natur nach, betrieb iedoch
infolge von Erm.ahnungen nie die Dichtung nach seinem
vollen Wunsch. Er war hochbegabt; starb mit 70 Jahren.
Tasso, Torquato; itaHenischer Dichter; war außerordentlich
frühreif. Als er 16 Jahre alt war, sagte sein Vater von
ihm, er sei seiner Mutter wert. Mit 17 Jahren schrieb
er „Rinaldo", starb mit 51 Jahren, als er gerade aus einer
grausamen siebenjährigen Gefangenschaft entlassen war
am Vorabend seiner geplanten Krönung auf dem
Kapitol zum Dichterfürsten.
(V.) Porzia di Rossi, war eine nach jeder Hinsicht begabte
Frau.
V, Bernardo Tasso, Dichter, Verfasser von „L'Amadigi" usw.
i<edner. Er war in seiner Jugend in schlechten Ver-
hältnissen und führte lange ein dürftiges Wanderleben.
Vega. Lope de; spanischer Dichter von außerordentlicher
Fruchtbarkeit. Er schrieb 497 Schauspiele und außer-
dem noch viele andere Sachen. War sehr frühreif. Er
Hef von zu Hause fort und trat in die Armee ein. Er er-
warb sich durch seine Feder ein beträchtliches Ver-
mögen. Starb mit 73 Jahren.
S. Ein natürücher Sohn, den er von Marcela hatte. Spielte
mit 14 Jahren eine gewisse Rolle als Dichter, trat aber
G a 1 1 o n , Genie und Vererbung. 17
268 Dichter.
in die Marine ein und verlor noch ganz jung sein Leben
in einer Schlacht.
Wordsworth, William, Dichter. Seine Qrabschrift von
Keble ist so groß und zutreffend, daß ich einen Teil hier
abdrucke: „Ein wahrer Philosoph und Dichter, der durch
die spezielle Gabe und Berufung des Allmächtigen
Gottes, nicht verfehlte das Herz zu heiligen Dingen zu
erheben, ob er nun über den Menschen oder die Natur
sprach; er ermüdete nicht, die Sache der Armen und Ein-
fältigen zu verfechten und war so in gefährlichen Zeiten
auserkoren, der erste Meister nicht nur der edelsten
Poesie, sondern der höchsten und heiligsten Wahrheit
zu sein."
Er scheint als Knabe nicht frühreif gewesen zu sein.
In seiner Jugend war er ein heißer RepubHkaner; einen
Rang als Dichter erreichte er erst in seiner Mannes-
zeit, mit 40 Jahren. Er war eines der wichtigsten Mit-
glieder der „Lake" Dichterschule. Starb mit 82 Jahren.
B. Rev. Dr. Christopher Wordsworth, Vorsteher des Tri-
nity College in Cambridge; Verfasser der „Eccle-
iastischen Biographie" etc. Er hatte die drei folgenden
Söhne, Neffen des Dichters.
N. John. Ausgezeichneter Kenner des Altertums. Cam-
bridge, 1827, starb jung.
N. Rev. Christopher, Bischof von Lincoln, 1830 erster in
klassischen Studien in Cambridge; vorher öffentlicher
Redner in Cambridge und Erster Direktor von Harrow.
Verfasser umfangreicher Werke.
N. Charles, Bischof von Dunkeid; gleichfalls ein ausgezeich-
neter Kenner des Altertums.
Musiker. 259
Musiker.
Die allgemeinen Bemerkungen, die ich in den letzten Ka-
piteln über die Künstler gemacht habe, lassen sich ganz besonders
auf die Musiker anwenden. Die Unregelmäßigkeit ihrer Lebens-
führung ist im allgemeinen außerordentüch groß; die Vereinigung
einer arbeitsamen Veranlagung mit dem Temperament, das zu
einem guten Musiker nötig ist, ist ebenso selten, als bei den Dich-
tern, und die Zerstreuungen, die mit dem öffentlichen Leben eines
großen Tonkünstlers zusammenhängen, sind bei weitem größer.
Obgleich also die Vererbung des musikahschen Sinns notorisch
und unleugbar ist, stoße ich auf außerordentliche Schwierigkeiten,
wenn ich über seine Verteilung in Familien sprechen soll. Es ist
mir ebenso unmöglich, eine Liste erstklassiger allgemein aner-
kannter Musiker zu finden, die lang genug wäre, meinen
Zwecken zu dienen. In der Welt der Musiker herrscht ein
ungewöhnhcher Neid, der zweifellos von der Abhängigkeit
der Musiker von der öffentlichen Laune in Bezug auf ihr
Vorwärtskommen genährt wird. Die Folge ist, daß jede;
Schule die andere herabsetzt, die Individuen tun das gleiche. Die
meisten Biographen sind ihren Helden gegenüber ungewöhnlich
schmeichlerisch und ungerecht gegenüber denjenigen, mit welchen
sie sie vergleichen. Es gibt keine festbegründete öffentliche
Meinung über die Verdienste von Musikern, wie sie in gleicher
Weise für Dichter und Maler existiert, und es ist sogar schwer,
Privatpersonen von gutem musikalischem Qeschmack zu finden,
die imstande sind, eine wohlüberlegte, leidenschaftslose Auslese
der bedeutendsten Musiker aufzustellen. Wie ich zu Beginn des
Anhangs zu diesem Kapitel bemerke, verdanke ich einem
literarischen und künstlerischen Freund, zu dessen Urteil ich Ver-
trauen hege, die Auswahl, die ich bearbeitet habe.
17*
260 Musiker.
Die Frühreife großer Musiker ist außerordentlich. Es gibt
keinen Beruf, wo hervorragene Bedeutung so früh im Leben er-
reicht wird, als bei den Musikern.
Ich gebe jetzt meine gewöhnUchen Tafeln.
Tafel I.
Übersicht der Verwandten von 26 Musikern gruppiert in
14 Familien.
Ein Verwandter (oder zwei in der Familie).
2. QabrielU
N.
Hiller
S.
2. Haydn
B.
Zwei oder drei Verwandte (oder drei oder vier
in der Familie).
Bononcini
BS.
Keiser
V. s.
Dussek
V.
B. .s.
Mendelssohn
Q.
V. b.
Eichhorn
2S.
Meyerbeer
2B.
Vier oder mehr Verwandte (oder fünf oder mehr in der Familie).
2. Amati, Andrea 2S. B. E.
9. Bach Q. V. 0. QN. 2 GB. 3 S.
2. Benda Georg 3 B. 4 N. S.
Mozart V. b. 2 S.
Palestrina 4 S.
Tafel II.
14 Familien
Im ersten Grade 5 V. 9 B. 16 S.
Im zweiten Grade 2Q. 10. 5 N. IE.
Im dritten Grade 2 GB.
Alle weiter entfernten Grade 1.
Die Nähe des Verwandtschaftsgrades hervorragender Ver-
wandten ist genau so bemerkenswert, wie es bei den Dichtern
der Fall war, und ebenso wie bei diesen ist das Fehlen hervor-
ragender Verwandter durch die weibliche Linie bemerkenswert.
Mendelssohn und Meyerbeer sind die einzigen Musiker in meiner
Liste, deren hervorragende Verwandte ihre Erfolge in anderen
Berufen als in der Musik erreicht haben.
Musiker. 261
Anhang zu dem Kapitel Musiker.
Ich verdanke einem Freund eine Liste von 120 Musikern,
die ihm die originellsten und hervorragendsten in der Geschichte
der Musik scheinen. Sie wurden für einen andern Zweck als
meine Arbeit zusammengestellt, und ich bin daher um so eher
geneigt, mich auf die Gerechtigkeit der Auswahl meines Freundes
zu verlassen. 26 von ihnen, oder etwa einer zu 5, haben hervor-
ragende Verwandte gehabt, wie aus der folgenden Aufstellung
hervorgeht. Von berühmten Musikern zähle ich nur 7, nämlich
Sebastian Bach, Beethoven, Händel, Haydn, Mendels-
sohn, Mozart und Spohr. Die viere, deren Namen in Sperr-
druck gedruckt sind, sind Beispiele vererbten Talentes.
A 1 1 e g r i , Gregorio. (1580—1652, starb mit 72 Jahren.) Kom-
ponist des Miserere, das zur Fastenzeit in der Six-
tinischen Kapelle in Rom gesungen wird; ein Mann von
gütiger und mildtätiger Gemütsart, der die Gewohnheit
hatte, täglich die Gefängnisse zu besuchen und den Ge-
fangenen gab, was er konnte.
? Genaue Verwandtschaft. Correggio AUegri und seine Fa-
milie, (s. Maler.)
A m a t i , eine Familie von hervorragenden Violinbauern, die in
Cremona lebten und dieses Instrument zuerst in ItaHen
einführten. Sie waren sechs an der Zahl; in Wahrheit
ist noch ein siebenter da — Joseph von Bologna, der
1786 lebte, dessen verwandtschaftliche Beziehungen zu
den andern jedoch unbekannt sind.
Andrea Nicola
Antonio Girolamo
I
Nicola
Am meisten originelles Talent wiesen in dieser Fa-
mihe Andrea (B. 2S. E) und Antonio (V. O. B. N.) auf.
Bach, Sebastian, ein überlegenes musikalisches Talent (1685—
1750, starb mit 65 Jahren). Er war sehr frühreif und er-
reichte mit 22 Jahren die volle Reife seiner Fähigkeiten.
Sein häusliches Leben war einfach und ruhig. Er war
ein guter Gatte, Vater, Freund und Bürger. Er war
sehr arbeitsam und wurde infolge Überarbeitung blind.
262 Musiker.
Die Bachs waren eine musikalische Familie, die eine
große Anzahl von Individuen umfaßte und sich auf acht
Generationen erstreckte. Sie begann 1550, hatte ihren
Höhepunkt in Sebastian (Nr. 6 in der Stammtafel, das
letzte bekannte MitgUed war Regina Susanna, die 1800
noch lebte, aber in schlechten Verhältnissen war.)
Unter den Bachs sind weit über zwanzig hervor-
ragende Musiker ; Sammlungen von Musiker-Bio-
graphien enthalten Notizen über nicht weniger als 57
von ihnen. (S. Fetis „Musiker-Diktionnaire.") Es war
Sitte in der Familie jährlich Zusammenkünfte abzuhalten,
wobei die Unterhaltungen rein musikalisch waren. Im
Jahre 1750 oder um dieses Jahr herum kamen nicht
weniger als 120 Bachs bei einer solchen Familien-
zusammenkunft zusammen. Ein vollständiger Stamm-
baum der Familie findet sich in Korabinskys „Beschrei-
bung der Königlichen Ungarischen Haupt-, Frey- und
Krönungsstadt Preßburg" S. 3, ebenso ein Zweig des
Stammbaums in Nr. 12 der Leipziger Musiker-Zeitung
von 1823. Ich gebe eine modifizierte Abschrift dieses
letzteren, da es sonst nicht möglich ist, die Abstammungs-
linien in genügender klarer Weise auseinanderzulegen.
Jede Person, die in der Liste genannt ist, rangiert unter
die bewährten Musiker, ausgenommen, wo das Gegen-
teil klar hervorgehoben ist.
V. J. Ambrosius, ein ausgezeichneter Organist.
O. J. Christoph, ein Zwillingsbruder des Ambrosius. Die
beiden waren einander in Gesichtszügen, in ihrem
Benehmen und ihrer Ausdrucksweise so gleich, daß es
allen, die sie sahen und hörten, wie ein Wunder schien.
Es wird erzählt, daß ihre Frauen sie nur an ihren Kleidern
unterscheiden konnten.
Q. Christoph (3).
2 OB. Heinrich (2) und Johann (4).
(QG) Veit Bach (1), der Begründer der FamiUe, war ein
Bäcker in Preßburg, der zur Guitarre sang. War als
Protestant gezwungen, seine Vaterstadt zu verlassen.
Er zog nach Sachsen-Gotha.
QN. J. Christoph (5), einer der größten Musiker Deutsch-
lands, ein fleißiger Student.
S. Wilhelm Friedemann (7), genannt „Bach von Halle", ein
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264 Musiker.
Mann von großem Talent und sehr gelehrt, starb in küm-
merlichen Verhältnissen.
. S. C. P. Emanuel (8), genannt „Bach von Berlin", der Be-
gründer unserer Pianofortemusik, den Haydn und in
gleicher Weise Mozart als ihren direkten Vorgänger und
Lehrer betrachten. (Lady Wallace „Briefe von
Musikern.")
S. J. Christoph (9), genannt „Bach von England", ein ent-
zückender Komponist.
Mir ist keinerlei Notiz begegnet, daß das Bach'sche
musikahsche Talent durch eine weibliche Linie über-
mittelt wurde.
Be.ethoven, Ludwig van. Ich füge den Namen dieses großen
Komponisten ein, in Anbetracht dessen, daß er früher
oft als der illegitime Sohn Friedrichs des Großen be-
zeichnet wurde, obgleich ich, da neuerüche Biographien
diese Angaben als absolut unbegründet erachten, die
Nachricht nur erwähne, ohne sie als wahr anzunehmen.
Der Gatte seiner Mutter war ein Tenorsänger in der
Kurfürstlichen Kapelle zu Köln. Seine beiden Brüder
zeichneten sich nicht aus. Er hatte einen Neffen von
einigem Talent, der aber zu Beethovens großem Schmerz
nicht gut endete. Beethoven begann mit 13 Jahren seine
eigenen musikalischen Kompositionen zu veröffentlichen.
Benda, Franz (1709—1786, starb mit 77 Jahren), war
das ältere Mitglied einer sehr bemerkenswerten Familie
von Geigern. Sein Vater war ein armer Weber, aber
musikalisch und lehrte seinen Sohn Geige spielen. Die
folgende Tafel zeigt wir die acht wichtigsten Mitglieder
untereinander verwandt waren.
ein armer Weber von musikalischen Neigungen
I ' 1 \ 1
Franz Johann Joseph Georg
Friedrich Karl Zwei musikalische Ernst Friedrich
Wilhelm Hermann Töchter Ludwig
Franz war der Begründer einer Schule von
Geigern und war selbst der befähigste Tonkünstler auf
diesem Instrument zu seiner Zeit.
Musiker. 265
B. Johann, Schüler von Franz, starb mit 38 Jahren.
B. Joseph, folgte Franz als Konzertmeister des Königs von
Preußen, starb mit 80 Jahren.
B. Georg, das hervorragendste Mitglied dieser interessanten
Familie. Er hatte bedeutende musikalische Fähigkeiten,
war aber phantastisch und vergeudete seine Zeit in
Träumereien. Es wird von ihm erzählt, daß er ans
Klavier eilte, um seinen Schmerz auszudrücken, nachdem
seine Frau in seinen Armen gestorben war; bald aber
interessierten ihn die Weisen, die er bildete, so, daß er
seinen Schmerz und dessen Veranlassung völlig vergaß.
Als sein Diener ihn unterbrach, um ihn zu fragen, ob
er das Ereignis den Nachbarn mitteilen solle, sprang
Georg in Verwirrung auf und ging in das Zimmer seiner
Frau, um sich mit ihr zu beraten.
N. Friedrich Ludwig (Sohn von Georg). Musiker, Gatte von
Madame Benda, Konzertdirigentin.
S. Friedrich Wilhelm, ein würdiger Schüler seines Vaters
und Komponist.
S. Karl Hermann, der seinem Vater als Violinspieler nahe
kam.
(2 s.) zwei musikalische Töchter.
N. Ernst Friedr., Sohn von Joseph. Schien ein erst-
klassiger Künstler zu werden, starb aber mit 31 Jahren
am Fieber.
Bononcini, Giovanni Maria (1640 — ?). Komponist und
Musikschriftsteller.
(B) Doch ist die Verwandtschaft nicht festgestellt. Dome-
nichino, ein Musiker am portugiesischen Hofe, der bis zu
ungefähr 85 Jahren lebte.
B. Antonio, Komponist für Kirchenmusik.
S. Giovanni, komponierte mit 18 Jahren eine sehr erfolg-
reiche Oper „Camilla", die großen Erfolg hatte. War in
England ein Rivale Handels, unterlag aber.
D u s s e k , Ladislaus (1761—1812, starb mit 51 Jahren), spielte
mit 5 Jahren Klavier, ein sehr liebenswürdiger und edler
Charakter, außerordentlich sorglos mit seinem eignen
Gelde. Als Tonkünstler ebenso gefeiert denn als Kom-
ponist. Heiratete Miss Corri (? Currie), eine Musikerin.
V. Giovanni, ein ausgezeichneter Organist.
B. Francesco, ein sehr guter Violinspieler.
266 Musiker.
s. Olivia, erbte das Talent ihrer Eltern, spielte Klavier und
Harfe.
Eichhorn, Johann Paul (1787) und seine beiden Söhne. Jo-
hann Paul war von einfacher Herkunft. Er zeigte eine
bemerkenswerte musikalische Befähigung und wurde
ohne jede regelmäßige Unterweisung ein guter Musiker.
Er heiratete zweimal. Sein Sohn aus erster Ehe war
Ernst, der andere von seiner zweiten Frau, die er sehr
bald heiratete, nachdem die erste im Wochenbett ge-
storben war, war Eduard.
2S. Diese Kinder waren bekannt als „die Brüder Eichhorn".
Sie hatten beide von ihrer frühesten Jugend an ein
wunderbares musikalisches Talent und spielten instinktiv.
Von der Zeit ab nützte ihr Vater sie grausam aus, um so-
viel Geld als möglich aus ihnen zu schlagen, und zwang
sie fortwährend, öffentUch aufzutreten. So verloren sie
jede Gelegenheit zum Studium und die Muße, die zur
Entwicklung der höchsten künstlerischen Fähigkeiten
nötig sind.
Eduard hatte nicht die gleiche musikalische Be-
fähigung wie sein Bruder.
Q a b r i e 1 i , Andrea. (Um 1520 herum bis 1586, starb mit etwa
66 Jahren.) Ein geachteter Komponist.
N. Giovanni Gabrieli, ein großer und origineller Künstler,
der sich ganz musikalischen Arbeiten widmete, wurde
von seinen Zeitgenossen und Schülern in den höchsten
Ausdrücken gepriesen.
Haydn, Franz Joseph. Seine musikalische Veranlagung war
von seiner frühesten Kindheit an kenntüch. Er wurde
in niedrigen Verhältnissen geboren und kämpfte sich
allmählich hinauf. Sein Vater war ein Dorforganist und
Wagner. Er heiratete, war aber in seiner Ehe nicht
glücklich und trennte sich bald von seiner Frau, die keine
Kinder von ihm hatte.
B. Johann Michel. Joseph Haydn betrachtete ihn als den
besten Komponisten seiner Zeit für Kirchenmusik. Er
war ein ausgezeichneter Organist.
Hiller, Johann Adam (Hüller) (1728—?), ein äußerst eifriger
Musikgelehrter, lebte in seiner ersten Manneszeit in
einem erbärmlichen hypochondrischen ungesunden Zu-
stand, der sich in seinem späteren Leben etwas besserte.
Musiker. 267
Er hatte einen guten Ruf ebenso als Komponist, wie als
Musikschriftsteller.
S. Friedrich Adam Hiller (1768—1812, starb mit 44 Jahren),
ein Geiger erster Güte. Er starb, als er zu großem
Ruhm gekommen war.
K e i s e r , Reinhard (1673—1739, starb mit 66 Jahren), einer der
berühmtesten deutschen Komponisten. Schon in seinen
frühesten musikalischen Versuchen war er originell. Er
war ein sehr fruchtbarer Schriftsteller. Im Verlauf von
40 Jahren schrieb er 116 Opern und vieles andere neben-
her, doch wurden von seinen Werken selten Kopien ge-
macht, so daß sie außerordenthch selten sind.
V. Ein ausgezeichneter Musiker und Komponist für Kirchen-
musik.
s. Seine Tochter war eine ausgezeichnete Sängerin.
Mendelssohn-Bartholdy, Felix, hatte eine frühe und
starke Begabung für Musik, publizierte zum erstenmal
mit 15 Jahren.
Q. Moses Mendelssohn, ein gefeierter jüdischer Philosoph,
der unter anderen Dingen auch über die Ästhetik der
Musik schrieb. Er war frühreif.
V. Abraham Mendelssohn, ein reicher Bankier in Berlin.
Sein Sohn sagte zu ihm, „ich kann oft nicht begreifen,
wie es möglich ist, ein so feines Urteil in Musik zu haben,
ohne selbst technisch informiert zu sein." (Briefe S. 80.)
(2 O.) Seine Onkel waren wohlunterrichtete Männer, einer von
ihnen war der Compagnon Abrahams. Er schrieb über
Dante und auch über Geld. Der andere war ein gründ-
licher Gelehrter,
b. sehr musikaUsch, als Pianistin kam sie Mendelssohn
gleich. Hatte viel Talent Sie war auch sehr gütig.
Meyerbeer, Giacomo (sein wirklicher Name war Beer), war
außerordentlich frühreif. Er spielte mit 6 Jahren glän-
zend und gehörte mit 9 Jahren zu den besten Klavier-
spielern Berlins. Er begann mit 19 Jahren seine Kom-
positionen zu veröffentlichen und starb mit 70 Jahren.
B. Wilhelm Meyerbeer, der Astronom. Mondkarte.
B. Michael Beer, ein vielversprechender Dichter, der jung
starb,
Mozart, J. C. Wolfgang. War als Kind außerordentlich früh-
reif, ein richtiges musikalisches Wunderkind. Er spielte
268 Musiker.
mit 4 Jahren schön und komponierte zwischen 4 und
6 Jahren viel und wirkHch gut. Er überarbeitete sich
und starb mit 35 Jahren.
V. Leopold Mozart; ein berühmter Geiger. Seine Methode,
die er publizierte, wurde fünfzig Jahre lang als die beste
Arbeit dieser Art betrachtet. Er komponierte viel.
h. war als Kind eine hoffnungsvolle Musikerin, eine aus-
gezeichnete Pianistin, doch hatte sie im späteren Leben
keinen Erfolg.
S. Karl Mozart, pflegte Musik als Dilettant und spielte mit
vorzügUchem Talent, doch ist nichts mehr über ihn er-
halten.
S. Wolfgang Amadee. Wurde vier Monate nach dem Tode
seines Vaters geboren, war ein vorzüglicher Tonkünstler
und hat viel komponiert, erreichte aber als Komponist
keine besondere Bedeutung.
Palestrina, Giovanni Pierluigi de (geb. ?, starb 1594), Kom-
ponist für Kirchenmusik. Einer der berühmtesten Namen
in der Geschichte der Musik, doch ist nichts über seine
Eltern oder über seine Famihe bekannt, und selbst die
Daten über seine Geburt und seinen Tod sind zweifel-
haft. Er heiratete jung.
4 S. Seine drei ältesten Söhne, Ange, Rodolpho und Sylla,
starben in ihrer Jugend. Sie scheinen, nach ihren Kom-
positionen zu urteilen, die unter Palestrinas Werken er-
halten sind, die Befähigung ihres Vaters gehabt zu haben.
Der vierte Sohn, Hygin, gab die musikalischen Kom-
positionen seines Vaters heraus.
Maler. 269
Maler.
Ich glaube, niemand kann bezweifeln, daß das künstlerische
Talent bei Malern ebenso wie bei Musikern in einem gewissen
Grade erblich ist. Die Frage lautet eher, ob seine Verteilung auf
Familien, gleichzeitig mit den nötigen Eigenschaften, um einen
hervorragenden Maler entstehen zu lassen, das gleiche Gesetz
befolgen, welches für andere Arten von Befähigung besteht. Es
wäre ein Leichtes, eine große Anzahl moderner Namen aufzuzäh-
len, um zu zeigen, wie häufig künstlerische hervorragende Be-
deutung von Verwandten geteilt wird. So besteht die gegenwär-
tige Generation der Landseers aus zwei Mitgliedern der Akade-
mie und einem korrespondierenden Mitglied der Königlichen Aka-
demie, die alle Söhne eines korrespondierenden MitgHeds der
Akademie snd. Die Famihe Bonheur besteht aus vier Malern:
Rosa, Juliette, Jules und Auguste, und sie sind Kinder eines
Künstlers von einigem Verdienst. Viele andere Beispiele können
leicht gebracht werden. Aber ich wünsche den Beweis für Ver-
wandtschaftsbeziehungen unter Künstlern weit höherer Art zu er-
bringen, und ich begrenzte daher meine Untersuchung auf die be-
rühmten alten Maler, namentlich die italienischen und die nieder-
ländischen. Diese sind nicht zahlreich; soweit ich übersehen
kann, gibt es nur etwa zweiundvierzig, deren natürliche Bega-
bung unfraglich mehr als „hervorragend" ist, und die Tatsache,
daß ungefähr die Hälfte von ihnen hervorragende Verwandte ha-
ben und daß einige von ihnen, wie die Carocci und die van
Eycks in der Tat miteinander verwandt sind, ist für meine Theo-
rie wichtiger als seitenlange Aufzählungen über die Verwandten
von Menschen aus der Klasse F oder e in Bezug auf künstlerische
Begabung. Es wäre interessant, die Anzahl der Kunstübenden in
Europa während der letzten drei oder mehr Jahrhunderte zu ken-
nen, aus denen die zweiundvierzig Namen, die ich ausgewählt
270 Maler.
habe, die berühmtesten sind. Diese Anzahl ist sicheriich sehr
groß, aber es würde kaum der Mühe verlohnen, die Untersuchung
anzustellen, denn das Resultat wäre ein Minimum und nicht eine
genaue Angabe der künstlerischen Superiorität jener zweiundvier-
zig über alle Übrigen, da die Kunstbeflissenen selber schon eine
ausgewählte Klasse bilden. Jünglinge ergreifen die Malerei als
Beruf, weil sie sich instinktiv zu ihr hingezogen fühlen, nicht weil
sie durch zufällige Umstände zu diesem Beruf gebracht werden.
Ich schätze den Durchschnitt der zweiundvierzig Maler, was die
natürliche für einen großen Erfolg in der Kunst notwendige Be-
gabung anlangt, weit höher als den Durchschnitt der Klasse F.
Ich habe in den Anhang zehn Individuen aufgenommen, die
keinen Platz in der Liste der zweiundvierzig haben, nämlich
Isack Ostade, Jacopo und Qentile Bollini, Badille, Agostino
Caracci, Willem Mieris, David Teniers, W. van der Velde, den
älteren und Francesco da Ponte, sowohl den älteren als den
jüngeren. Der Durchschnittsrang dieser Männer ist weit über
dem eines modernen Akademikers, obgleich ich nicht gewagt
habe, sie in die berühmteste Klasse einzustellen. Ich habe Claude
in diese letztere eingestellt, ungeachtet neuerHcher Kritiken, und
zwar in Anbetracht seines früheren langjährigen Rufes.
Tafel I.
Übersicht über die Verwandten von 26 großen Malern,
gruppiert in 14 Familien.
Ein Verwandter (oder zwei in der FamiUe).
Allegri S. 2. Ostade B.
(Correggio s. Allegri) Potter V.
Zwei oder drei Verwandte (oder drei oder vier in der Familie).
3. Bellini V. B. Robusti S. s.
2. Cagliari (und Badille) o. S. 2. Teniers V. B.
3. Caracci 2 OS. OE. (Tintoretto s. Robusti.)
2. Eyck B. b. 2. Velde (van der) V. S.
2. Mieris 2S. (Veronese s. Cagliari.)
Murillo 2o. oS.
Maler. 271
Vier oder mehr Verwandte (oder fünf oder mehr in der Familie).
(Bassano s. Ponte.)
3. Ponte S. 4 E.
(Tizian s. Vecellio.)
Vecellio B. 2S. OE. 2 0ES.
Tafel IL
14 Familien.
Im ersten Grade 4V. 5B. 9S.
im zweiten Qrade 3o. 4E.
im dritten Qrade 2 OS. 1 oS.
alle weiter entfernten 4.
Die Seltenheit, mit welcher künstlerische hervorragende Be-
deutung sich selten über mehr als zwei Verwandtschaftsgrade
erstreckt, ist hier ebenso auffallend als bei den Musikern und
Dichtern.
Anhang
zu dem Kapitel Maler.
Ich habe eine Liste von 42 alten Malern der italienischen,
spanischen, niederländischen und deutschen Schule zusammen-
gesetzt, die, glaube ich, alle enthält, die in der allgemeinen Mei-
nung als berühmt gelten. 18 von ihnen haben hervorragende Ver-
wandte, und drei von den übrigen, nämUch Claude, Parmegiano
und Raphael haben Verwandte, die einer Notiz wert sind. Die
Namen dieser sind im Folgenden in Sperrdruck aufgeführt, die
übrigen Namen in gewöhnlichem Druck.
Itahenische Schulen : A 1 1 e g r i , „C o r r e g g i o" ; (Andrea
del Sarto s. Vannucchi) ; (Bassano s. Ponte); Bellini;
Buonarroti, Michelangelo ; Cagliari, „Paolo Veronese";
C a r a c c i, Annibale ; C a r a c c i , Ludovico ; Cimabue ; (Claude
s. Q e 1 e e) ; (C o r r e g g i o , s. A 1 1 e g r i) ; (Domenichino, s.
Zampieri) ; (Francia s. Raibollini) ; Gelee, Claude „Lor-
rain"; Giorgione; Giotto; (Guido s. Reni); Maratti, Carlo;
Mazzuoli, „Parmegiano"; (Michelangelo s. Buonarroti) ;
(Parmegiano s. Mazzuoli); (Perugino s. Vanucci) ;
Piombo, Sebastiano del; Ponte, „Bassano"; Poussin ;
(Raffael s. Sanzio); Raibollini, Francia; Reni, Guido;
Robusti, „Tintoretto"; Rosa, Salvator; Sanzio,
272 Maler.
Raffael; (Tizian s. V e c e 1 1 i o ; Vannucchi, Andrea „del
Sarto" ; Vanucci, Perugino ;Vecellio Tizian; (Veronese
s. C a g 1 i a r i); Vinci, Leonardo da.
Spanische Schulen: M u r i 11 o ; Ribera, Spagnoletto;
Velasquez.
Deutsche und niederländische Schulen: Dow, Qerard; Dürer,
Albrecht; Eyck, H. v.; Eyck,J. v.; Holbein; Mieris;
Ostade; Potter, Paul; Rembrandt; Rubens; Ruysdael;
Teniers; Van Dyck; Velde, van de.
Allegri, Antonio da Correggio (1494—1534, starb mit vierzig
Jahren), eines jener seltenen Beispiele eines Menschen
von angeborenem und unerschrockenem Genie, der ohne
Vorläufer und ohne technische Ausbildung ein großer
Maler wurde. Über seine Verwandtschaft ist sehr wenig
bekannt.
S. Pomponeo Allegri, einziger Sohn. Sein Vater starb, als
er erst 12 Jahre alt war, doch malte er in der Art seines
Vaters. Sein Fresco - Gemälde in der Kathedrale von
Parma ist voller Correggioschen Ausdrucks,
(e.) Antonio Pelegrino, genannt „II Pittore".
? (Das verwandtschaftliche Verhältnis kenne ich nicht.)
Gregorio Allegri, der Musiker, s.
Bassano, s. Ponte.
Bellini, Giovanni (1422 — 1512, starb mit 90 Jahren) war der
erste venezianische Maler, der in öl malte und der Lehrer
der beiden größten Maler Venedigs — Giorgiones und
Tizians. In seiner Blütezeit war er selbst der erste Maler
Venedigs.
V. Jacopo BelHni, einer der bekanntesten Maler in der
frühen Zeit, in welcher er lebte. In Porträts war er
hervorragend.
B. Gentile Cav. Bellini, Maler von sehr hohem Ruf. Die
großen Bilder im Saale des großen Rats von Venedig
sind von ihm. Der Senat erwies ihm Ehren und gab ihm
eine lebenslängliche Pension.
Cagliari, Paolo, genannt „Paolo Veronese" (1532—1588, starb
mit 56 Jahren). Sein Genie zeigte sich frühzeitig. Es
wird von ihm gesagt, daß er die besten Früchte im Früh-
ling seines Lebens trug. Er war der erfolgreichste unter
Maler. 273
den Malern, was Prunk und kostbare und prächtige
Schaustellungen anlangt.
(V) Gabriele Cagliari, Bildhauer,
o. Antonio Badile, der erste venezianische Maler, der sich
vöIHg vom gotischen Stil emanzipierte.
S. Carletto Cagliari, erbte das erfinderische Talent seines
Vaters und gab die glänzendsten Hoffnungen zukünftiger
Größe, starb jedoch mit 26 Jahren,
(S) Gabriele Cagliari, ein Maler, aber kein erfolgreicher,
verließ später den Beruf und wurde Kaufmann.
Caracci, Lodovico (1550 — 1619), starb mit 64 Jahren, der
hauptsächlichste Begründer der Schule, die den Namen
seiner Familie trägt. Sein Genie entwickelte sich lang-
sam. Sein erster Lehrer empfahl ihm, sich von der
Kunst abzuwenden, und seine Mitschüler gaben ihm den
Spitznamen „der Ochse". Doch war seine Langsamkeit
mehr scheinbar als wirkHch, sie entsprang einer tiefen
Nachdenklichkeit, zum Unterschied von der Lebhaftigkeit
der andern. Sein Talent war außerordentlich.
OS. Agostino Caracci (1558 — 1601, starb mit 43 Jahren), ein
vortrefflicher Maler, aber am bedeutendsten als Kupfer-
stecher. Seine Talente zeigten sich schon in seiner
Knabenzeit. Er war ein gebildeter Schriftsteller und Ge-
lehrter und hatte auch dichterische Begabung.
OS. Annibale Caracci (1560—1609, starb mit 49 Jahren).
Dieser große Künstler war der jüngere Bruder Agostinos.
Er hatte von der Natur die Gaben eines großen Künst-
lers erhalten und sie wurden von Lodovico sorgsam ge-
pflegt. Annibale hatte mehr Energie als Agostino, aber
er war viel weniger gebildet. Er war der Literatur so-
gar direkt abgeneigt.
(OS) Francesco Caracci, ein dritter Bruder, der als Maler
von großem Dünkel aber nicht entsprechenden Ver-
diensten war.
OE. Antonio Caracci, ein natürlicher Sohn von Annibale. Hatte
viel von seines Vaters Talent und wurde ein befähigter
Zeichner und Maler. Seine Gesundheit war schwach, und
er starb mit 36 Jahren.
(B) Paolo Caracci, ein Maler, doch ohne originelles Talent
Claude s. Gelee.
G a 1 1 o n , Genie und Vererbung. 18
274 Maler.
Correggio, s. Allegri.
Eyck, Jan van (1370—1441), der Erfinder der Ölmalerei. Seine
Bilder wurden in der Zeit, wo er lebte, sehr geschätzt.
B. Hubert van Eyck, als Maler von der gleichen hervor-
ragenden Bedeutung. Tatsächlich arbeiteten die beiden
Brüder so viel gemeinsam, daß ihre Werke nicht zu
trennen sind.
(V) ein unbedeutender Maler.
b. Margarethe. Sie liebte Malerei leidenschaftlich.
Qelee, Claude (genannt Lorrain), 1600—1682, starb mit 82
Jahren). Dieser hervorragende Landschaftsmaler be-
gann sein Leben als Gehilfe eines Pastetenbäckers, reiste
dann mit einem Herrn als Kammerdiener und wurde
nachher der Koch eines Künstlers. Seine Fortschritte
beim Malen waren langsam, aber er hatte eine unbe-
zwingbare Beharrlichkeit. Er stand mit 30 Jahren auf
der Höhe seines Ruhmes. Er heiratete nie, weil er zu
sehr an seinem Beruf hing.
(B) ein Holzschnitzer.
M a z z u o 1 i , Francesco, genannt „II Parmegiano" (1504—1541,
starb mit 37 Jahren). Dieser große Kolorist und graziöse
Maler machte in seiner Studienzeit so große Fortschritte,
daß seine Bilder, als er 16 Jahre alt war, das Erstaunen
der zeitgenössischen Künstler erregten, obgleich er
schlechten Unterricht genossen hatte. Nach Vasari
hieß es in Rom: „Die Seele Raffaels sei in die Person
Parmegianos übergegangen." Es steht fest, daß ihn auf
dem Höhepunkt seines Ruhms die Manie packte, Al-
chemie zu treiben, und daß er seine Gesundheit und sein
Vermögen bei dem Suchen nach dem Stein der Weisen
verlor.
V und 2 0. Filippo Mazzuoli und Michele und Pier Ilario,
waren alle drei Künstler, wenn auch unbedeutend.
(? OS) Girolamo, Sohn des Michele und Schüler von Parme-
giano. Er heiratete eine Cousine, die Tochter des Pier
Ilario. Er war ein Maler von einigem Erfolg. Das Fra-
gezeichen vor seinem Namen besagt, daß er nach einer
Version mit den vorher genannten überhaupt nicht ver-
wandt gewesen sein soll. Es ist merkwürdig, auf wie-
viel Widersprüche man bezüglich der Familiengeschichte
Maler. 275
der Maler stößt. Mit Ausnahme der Musiker sind wir
bei keiner Gruppe hervorragender Menschen weniger
über die häusHchen Verhältnisse orientiert.
(oE, und auch ? OE) Alessandro, Sohn des Qirolamo und
sein Schüler. Er war aber ein unbedeutender Künstler.
M i e r i s , Frans van (der Ältere), (1635 — 1681, starb mit 46 Jahren).
„Bei all seinen Verdiensten wäre es zu viel zu behaupten,
daß er Gerard Dow überlegen oder auch nur gleichwertig
gewesen ist; seine Bewunderer werden sich begnügen,
ihn an die Spitze der nachfolgenden Gruppe zu stellen."
S. Jan van Mieris, verzweifelte daran, seinem Vater an Ge-
nauigkeit und Zartheit gleichzukommen, und ging so zu
historischen Gemälden und Porträts über. Starb mit
30 Jahren.
S. Willem van Mieris. War mit 18 Jahren ein befähigter
Künstler und stand in der außerordentlich feinen Aus-
führung seiner Bilder kaum seinem Vater nach.
(E) Frans van Mieris (der Jüngere), Sohn von Willem. Ein
Maler in der gleichen Art wie sein Vater, stand aber
entschieden hinter diesem zurück.
Murillo, Bartholome Esteban (1613—1685. starb mit 12
Jahren). Wenige haben einen gerechteren Anspruch auf
Originalität, als dieser bewunderungswürdige spanische
Maler. Er zeigte frühzeitig Neigungen zur Kunst. Er
war von Natur aus demütig und zurückgezogen und so
auffallend gut und hilfreich, daß er vor der eigenen Ver-
armung nicht zurückscheute.
o, Juan del Castillo, ein Maler von beträchtlichen Ver-
diensten und der Lehrer von einigen der größten spa-
nischen Maler, nämHch Murillo, Alonzo Cano und Pedro
de Moya.
o. Augustin Castillo, ein guter Maler.
oS. Antonio del Castillo y Salvedra, hervorragend, was Kom-
position und Zeichnung anlangt, aber in Farbe unbe-
deutend. Nach einem Versuch in Sevilla, wo er zum
erstenmal eine Sammlung von Murillos Bildern sah, die
den seinigen so weit überlegen waren, versank er in
Verzweiflung und starb daran.
O s t a d e , Adriaen van (1610—1685), starb mit 75 Jahren. Her-
vorragender Maler niederländischer häuslicher Szenen
und grotesker Motive.
18*
276 Maler.
B. Isack van Ostade. Begann damit den Stil seines Bruders
nachzuahmen, womit er wenig Erfolg erlangte, fand aber
dann seine eigne Art und wurde ein wohlbekannter
Maler. Er starb in der Blütezeit seines Lebens.
Parmegiano s. Mazzuoli.
Ponte, Francesco da (der Ältere), (1475—1530, starb mit 55
Jahren). Das Haupt der Familie Bassano und Begründer
der Schule, die ihren Namen trägt.
S. Qiacomo da Ponte (gen. II Bassano, 1510—1592), starb
mit 82 Jahren, ein hervorragender Künstler, hatte eine
außerordenthche Erfindungskraft und Leichtigkeit der
Ausführung. Er hatte vier Söhne, lauter wohlbekannte
Maler.
E. Francesco da Ponte (der Jüngere), hatte ein hervor-
ragendes Talent. Er litt an melancholischen Anfällen und
beging mit 49 Jahren Selbstmord.
E. Giovanni Battista da Ponte, bemerkenswert als sehr ge-
nauer Kopist der Werke seines Vaters Qiacomo.
E. Leandro da Ponta, gefeierter Porträtmaler.
E. Girolamo da, ausgezeichneter Kopist der Werke seines
Vaters.
P o 1 1 e r , Paul, bewunderungswürdiger niederländischer Tier-
maler, seine Werke erfreuten sich der höchsten Schät-
zung, ehe er 15 Jahre alt war.
V. Peter Potter, Landschaftsmaler, dessen Werke jetzt
selten sind, die aber nach den Stichen, die P. Nolpe nach
ihnen machte, von beträchtlichem Wert sein mußten.
R a f f a e 1 s. Sanzio.
R 0 b u s t i , Qiacomo (genannt II Tintoretto). Dieser vortreff-
Hche venetianische Maler zeigte von Kindheit an einen
künstlerischen Hang und überflügelte seine Studien-
genossen weit. Er war ein Mensch von ungestümem
Talent und rascher Ausführung.
s. Marietta Robusti (Tintoretto), erwarb als Porträtmalerin
beträchtlichen Ruf. Ihr Ruhm beschränkte sich nicht
auf ihr Vaterland allein.
S. Domenico Robusti (Tintoretto), folgte den Bahnen seines
Vaters, hatte aber nicht die gleiche Kraft, Er war
gleichfalls ein guter Porträtist und malte viele historische
Persönlichkeiten seiner Zeit.
Ruysdael, Jakob van (geb. um 1636). Niederländischer Land-
Maler. 277
Schaftsmaler. Er zeigte mit 14 Jahren eine außerordent-
liche künstlerische Befähigung, ergriff aber die Malerei
nicht gleich als ersten Beruf. Er begann als Chirurg.
(B) Salomon van Ruysdael, der ältere Bruder, um zwanzig
Jahre älter als Jakob, war ein Landschaftsmaler von
geringem Talent.
S a n z i o , Raffael di Urbino. Dieser berühmte Künstler wurde
von dem allgemeinen Urteil der Menschheit als der
Fürst aller Maler anerkannt.
(V) Giovanni Sanzio, ein Maler, dessen Talent mäßig war,
der aber sicherhch über dem Durchschnitt stand.
T e n i e r s , David (der Jüngere), 1610—1694, starb mit 84 Jahren).
Dieser gefeierte niederländische Maler folgte der Art
seines Vaters und nahm auch die gleichen Motive auf,
so DorffestHchkeiten und dergleichen, doch zeigen seine
Kompositionen weit mehr Varianten und sind erfin-
derischer, sodaß er in jeder Hinsicht überlegen ist.
V. David Teniers (der Ältere), (1582—1649, starb mit 67
Jahren). Seine Bilder waren in ihrer Art sehr originell
und wurden allgemein bewundert. Sie würden als die
erfolgreichsten Versuche dieser Art betrachtet werden,
wenn sie nicht durch die unnachahmhchen Werke seines
Sohnes übertroffen worden wären.
B. Abraham Teniers. Er malte in der Art von Bruder und
Vater, aber wenn auch ein tüchtiger Künstler, reichte er
doch an diese beiden nicht heran.
Tizian s. VeceUio.
Van Dyck, Antonis (1599—1641). Bewunderungswürdiger
Porträtmaler, steht nur hinter Tizian zurück.
(V) Ein Glasmaler, ein Mann von einiger Eigenheit.
(f) Seine Mutter war in Stickereien gewandt, die sie mit
beträchthchem Geschmack nach landschaftHchen und
Figurenzeichnungen arbeitete.
Vecellio, Tiziano da Cadore (Tizian), (1477—1576). Der große
Begründer der wahren Prinzipien der Farbe. Zeigte im
Alter von 18 Jahren beträchtUche Fähigkeiten, er malte
bis zu seinem Tode. Starb mit 99 Jahren an der Pest.
Diese bemerkenswerte Familie enthält acht oder neun
gute Maler. Bryan nennt sechs von ihnen in seinem
Diktionnaire, aber er scheint über ihre verwandtschaft-
Hchen Beziehungen nicht genau informiert zu sein. Der
2t8 Maler.
nachfolgende Stammbaum ist den Beschreibungen von
Northcote entnommen. Alle, deren Namen nachstehend
verzeichnet sind, waren Maler. Die Bindeglieder, die
durch Kreuzchen angedeutet sind, bedeuten seltsamer-
weise je einen Rechtsgelehrten.
B. und 2S. Tizians Bruder, Francesco und zwei Söhne,
Pomponio und Horatio, hatten alle große Fähigkeiten.
Der Bruder gab sich in erster Reihe miütärischen
Pflichten hin und konnte aus der Malerei nicht seinen
Beruf machen. Den Söhnen fehlte der Stimulus der
Armut, doch besaßen sie ohne Zweifel große natürliche
Anlagen für Malerei.
X X
I i
Francesco Tiziano Fabricio Cesare
Marco X Pomponio Horatio
Tizianello Thomaso
(v) war eine sehr befähigte Frau.
OE. 2 OES. Die anderen, wenn auch entfernten Verwandten,
sind insofern interessant, als sie die beharrliche künst-
lerische Eigenart der Familie Vecellio zeigen.
Velde, Willem van de (der Jüngere), (1633—1707). Wird als
der beste Maler von Seestücken betrachtet, der je gelebt
hat. Walpole sagt von ihm „er sei der größte Mann, der
in dieser Art der Malerei je auftauchte, die Palme wird
Raphael für historische Gemälde ebensowenig bestritten,
als van de Velde für Seestücke." Er war in Amsterdam
geboren.
V. Willem van de Velde (der Ältere), (1610—1693, starb
mit 83 Jahren). Bewunderungswürdiger Maler von See-
stücken, geboren in Leyden. Er unterrichtete seinen
Sohn, der ihn überflügelte.
Maler. 279
S. gleichfalls mit Namen Willem und gleichfalls ein Maler.
Behandelt dieselben Motive wie sein Vater und Groß-
vater. Es gibt noch drei andere hervorragende Maler
des gleichen Namens, aus den gleichen Städten und aus
der gleichen Zeit, aber ich finde nichts über ihre Ver-
wandtschaft. Es sind dies die beiden Brüder Esaias und
Jan van der Velde, die zwischen 1592 und 1595 in
Leiden geboren wurden, und Adriaen van der Velde, der
1639 in Amsterdam geboren wurde.
Veronese, Paolo, (s. Cagliari.)
280 Theologen.
Theologen.
Ich bin jetzt auf dem Sprunge, mit meiner statistischen Über-
sicht in Regionen einzutreten, wohin genaue Untersuchungen
selten dringen und wo sie nicht sehr allgemein willkommen ge-
heißen werden. Die Sprache der theologischen Schriftsteller
ist gewöhnUch so unbestimmt, daß ich nicht imstande bin zu
bestimmen, was sie wirklich meinen, wenn sie auf Gegenstände
zu sprechen kommen, die direkt meine gegenwärtige Unter-
suchung berühren. Ich kann nicht erraten, wie weit ihre Aus-
drucksweise metaphorisch verstanden sein will oder in welch
anderer Weise als die durch die grammatikalischen Regeln und
den allgemeinen Sprachgebrauch gebotenen, sich hier die Ge-
danken in Worte kleiden. Ich meine die Redewendungen, welche
die Fruchtbarkeit der Ehen und die Gründung von Familien in
starke Abhängigkeit von der Frömmigkeit der betreffenden Per-
sonen folgen.*) Ich kann meinen Kreis noch weiter ziehen und
auch jene anderen Redewendungen einbeziehen, die behaupten,
das materielle Wohlergehen sei im allgemeinen von den gleichen
Gründen beeinflußt.**)
Es ist nicht meine Absicht, mich mit der Kritik der Inter-
pretation dieser oder ähnlicher Stellen zu beschäftigen oder den
Versuch zu machen zu zeigen, wie und ob sie mit den Tatsachen
übereinstimmen. Diese Dinge sind die Angelegenheit der Theo-
logen. Was ich unternehme, ist einfach eine Untersuchung, ob
die Behauptungen, die sie, ihrer prima facie Interpretation ent-
sprechend, enthalten, mit den statistischen Deduktionen überein-
*) Z. B. was Fruchtbarkeit anlangt Ps. XXVIII 1, 3. 5, CXHI 8 und
was die Gründung von Familien anlangt XXIV 11, 12.
**) Z. B. was das allgemeine Wohlergehen anlangt Ps. I, 4. Was Lang-
lebigkeit betrifft XXXIV 12—14, und in Bezug auf Gesundheit XCI 3. 6, 10.
Theologen. 281
stimmen oder nicht. Wenn eine außerordentliche Vorsehung die
Familien frommer Männer beschirmt, so müssen wir mit dieser
Tatsache rechnen. NatürHche Qaben müssen dann als in einem
hohen und wahrscheinUch meßbaren Grade von der Frömmig-
keit der Ahnen herrührend betrachtet werden, ebenso müßten
diese Qaben in einem weit geringeren Grade, als ich anderer-
seits geneigt war anzunehmen, auf natürliche Eigentümlichkeiten
der Vorfahren zurückgeführt werden.
Wir alle sind mit einer andern und gerade entgegengesetzten
Ansicht vertraut. Die volkstümHche Meinung geht dahin, daß
die Kinder frommer Eltern oft schlecht geraten, und zahlreiche
Beispiele werden angeführt, um diese Behauptung zu belegen.
Wenn eine weitere Induktion und eine sorgfältige Analyse die
Richtigkeit dieser Anschauung bewiese, würde sie der Ver-
erbungstheorie stark entgegenwirken.
Aus diesen beiden Erwägungen ist es für eine gerechte Be-
handlung meines Gegenstandes absolut nötig, die Geschichte
religiöser Menschen zu untersuchen und die Ausdehnung ihrer
erbhchen Eigentümlichkeiten kennen zu lernen, um weiter zu
sehen, ob ihr Leben von außerordentüchem Glück begleitet ist
oder ob dies nicht der Fall war.
Ich habe mir beträchtliche Mühe genommen, mir eine ent-
sprechende Auswahl von Geistlichen für meine Untersuchungen
zu verschaffen. Die römisch - katholische Kirche ist an geist-
lichen Biographien reich, aber sie enthalten keine Daten für meine
Statistiken. Der Grund ist einleuchtend genug. Die heiligen Per-
sonen beider Geschlechter leben im Zölibat und sind daher un-
fähig, Famihen zu gründen. Eine Sammlung von Bischöfen
unserer Kirche wäre gleichfalls nicht entsprechend, da sie viele
Generationen hindurch in erster Reihe als Administratoren, ge-
lehrte Philologen, polemische Schriftsteller oder Höflinge be-
merkenswert waren, es wäre also nicht richtig, aus der Tat-
sache, daß sie zur Bischofswürde erhoben wurden, zu schließen,
daß sie Männer von außerordentlicher Frömmigkeit gewesen
seien. Ich dachte an viele andere Gruppen von Theologen, die
ich aber auf Grund der obigen Betrachtungen wieder verwarf.
Endlich wurde ich glücklich auf eine Sammlung gelenkt, die voll-
kommen meinen Bedürfnissen entspricht.
Middletons „Biographia Evangelica", 4 Bände 1786, ist durch-
aus das Werk, das meinen Untersuchungen angemessen ist. Die
Biographien, die es enthält, sind nicht allzu zahlreich, denn es sind
282 Theologen.
im ganzen nur 196, von der Reformation bis zur Zeit der Publika-
tion. Deutlicher gesprochen, die Sammlung enthält die Biographien
von 196 protestantischen verdienstvollen Männern, die mit Aus-
nahme der vier ersten, nämlich Wyckliffe, Huß, Hieronymus von
Prag und Johann von WesaUa zwischen 1527 und 1785 starben.
Diese übrigbleibenden 192 Männer in einer Periode von 258 Jahren
oder drei Männer in je 4 Jahren sind eine Auswahl, die für meine
Zwecke streng genug, aber nicht zu streng ist. Die Biographen
sind in einem ausgezeichneten Englisch geschrieben und mit wohl-
abgewogenen Beiworten versehen, und obgleich die Sammlung
bis zu einem gewissen Grade eine Kompilation aus den Schriften
anderer ist, kann sie doch gerechterweise als ein einheitliches
Werk und nicht als eine Kombination einzelner Abhandlungen,
die ohne Zusammenhang miteinander geschrieben sind, be-
trachtet werden, indem die Biographien der Männer von größerer
Bedeutung einen entsprechend wichtigeren Platz einnehmen.
Middleton versichert in seiner Vorrede den Leser, daß sich in
seiner Sammlung keinerlei bigotte ParteiUchkeit für Sekten findet,
sondern daß seine ganze Aufmerksamkeit sich wirklich großen
und gottseligen Charaktern aller jener Qlaubensrichtungen zu-
wandte, welche die entscheidenden Prinzipien der Evangelien
anerkennen. Er definiert nicht, welches seiner Meinung nach
diese Prinzipien sind, aber es ist leicht ersichtlich, daß seine
Neigungen sich scharf den Kalvinisten zuwenden, und daß er die
Baptisten durchaus verwirft.
Ich muß noch weiter sagen, daß ich nach der Lektüre seines
Werkes vor der Gesamtheit der Theologen einen weit größeren
Respekt bekam, als ich vorher hatte. Man ist so häufig über die
Kleinlichkeit, die Gehässigkeit und den Fanatismus, die in
theologischen Streitigkeiten zutage treten, empört, daß man mit
gutem Grund eine Neigung zu diesen Fehlern bei Menschen von
stark religiösem Bekenntnis voraussetzen kann. Aber ich kann
meine Leser versichern, daß Middletons Biographien sich nach
meinem besten Wissen und Gewissen zum weitaus größten Teil
auf außerordentlich edle Charaktere beziehen. Wir stoßen hier
sicherlich auch auf einige Persönlichkeiten von sehr zweifel-
haftem Ruf, namentlich in dem ersten Teil des Werkes, welches
die stürmische Zeit der Reformation behandelt, so etwa Cranmer
„heiUg in seinem Bekenntnis, skrupellos in seinen Handlungs-
weisen, setzte sich für nichts wahrhaft ein; kühn in seinen theo-
logischen Spekulationen, ein Feigling und Heuchler im Handeln,
Theologen. 283
ein versöhnlicher Feind und ein lauer Freund" (Macaulay). Nichts-
destoweniger bin ich sicher, daß Middletons Sammlung im all-
gemeinen außerordentlich gerecht und zuverlässig ist.
Die 196 Personen, von denen Middletons Biographien han-
deln, können folgendermaßen klassifiziert werden. 22 von ihnen
waren Märtyrer, die meistens durch Feuer umkamen. Der Letzte
von ihnen, Homel, ein Pastor in den Cevennen zur Zeit Lud-
wigs XIV., wurde 1683 unter Umständen so merkwürdiger Grau-
samkeit hingerichtet, daß ich nicht unterlassen kann zu zitieren,
was Middleton hierüber sagt, obgleich diese Sache nicht zu
meinem Thema gehört. Homel wurde zum Rad verurteilt, wo
„jedes QUed und jeder Knochen seines Körpers von dem eisernen
Ansatz gebrochen wurden, vierzig Stunden, ehe dem Henker ge-
stattet war, ihm die Brust mit einem Schlag zu durchstoßen, den
sie „le coup de gräce", den Gnadenstoß heißen, einem Todeshieb,
der all seinen Qualen ein Ende bereitete." Andere von diesen
196 Männern, die Märtyrer inklusive, waren aktive Führer der
Reformation, so Wyckliffe, Zwingli, Luther, Ridley, Calvin, Beza;
andere waren äußerst hervorragende Administratoren, wie die
Erzbischöfe Parker, Grindal und Usher, einige waren vollendete
Puritaner, wie die Bischöfe Potter, Knox, Welch, die beiden Ers-
kines und Dr. J. Edwards; eine große Anzahl waren Männer von
außerordentlicher, aber angenehmer Form von Frömmigkeit, so
Bunyan, Baxter, Watts und George Herbert. Der Rest und zwar
die Majorität der Gruppe können als fromme und gelehrte Män-
ner bezeichnet werden.
Als allgemeine Regel gilt von den Männern, die in Middletons
Sammlung angeführt sind, daß sie eine beträchtüche intellektuelle
Befähigung und eine natürliche Lernbegier hatten, zwei Eigen-
schaften, die sich gewöhnlich in der Knabenzeit zeigen. Die
meisten von ihnen schrieben dickleibige Bücher und waren fort-
während mit Predigen und anderen religiösen Diensten beschäf-
tigt. Sie hatten sichtlich ein starkes Bedürfnis sich auszuspre*
chen. Sie waren gewöhnlich aber durchaus nicht alle von from-
men Eltern, wenn wir nach den letzten 100 Biographien aus Mid-
dletons Sammlung schließen, da der erste Teil des Werkes
zu unvollkommene Angaben enthält über die Ahnen, als daß wir
ihre Analyse benützen könnten. Es scheint, daß von diesen 100
Männern nur 41 Eltern haben, wo Vater oder Mutter oder beide
hervorragend fromm waren, ohne zu berücksichtigen, was über
284 Theologen.
die Herkunft der anderen 59 gesagt werden kann. Diese 41 Fälle
verteilen sich folgendermaßen: *) in 17 Fällen war der Vater ein
Geistlicher,^) in 16 Fällen war der Vater nicht QeistHcher, doch
beide Eltern reHgiös,^) in 5 Fällen wird die Mutter allein als fromm
bezeichnet,"') in 2 Fällen sind die nahen Verwandten der Mutter
als religiös bekannt*), und in einem Falle wird nur der Vater allein
fromm genannt.^)
Es gibt keinen Fall, in welchem beide Eltern oder Vater oder
Mutter allein als sündhaft beschrieben werden, obgleich 2 Fälle
von Knauserigkeit*^) und 1 von Verschwendung^) vorkommen.
Die Lebensbedingungen der Eltern sind in 66 Fällen, also bei
mehr als einem Drittel der Fälle, angeführt. Sie zerfallen in fol-
gende Gruppen:
4 mit hohen verwandtschaftlichen Beziehungen: Hamilton,
Georg Prinz von Anhalt, John a Lasco, Herbert.
8 aus alter Familie (nicht notwendig reich): Jewell, Deering,
Gilpin, Hildersham, Ames, Bedell, Lewis de Dieu, Palmer.
15 mit guten verwandtschaftlichen Beziehungen: Oecolam-
padius, Zwingli, Capito, Farel, Jones Bugenhagius, BuUinger,
Sandys, Featley, Dod, Fulke, Pool, Baxter, Griffith Jones, Davies.
23 in liberalen Berufen: Melanchthon und Toplady, Offiziere
in der Armee; Gataker, Usher und Saurin, Rechtsgelehrte; sieb-
zehn waren Kirchenmänner (s. die folgende Liste). Davenant
war Kaufmann.
6 waren Gewerbsleute. Die beiden Abbot waren Weber,
Twiss Tuchwalker; Bunyan ein Kesselflicker, Watts hatte eine
Erziehungsanstalt; Doddridge war ein Ölhändler.
4 waren arm: Huß, Ball, Grynaeus, Fagius, Latimer.
6 waren sehr arm: Luther, PelHcan, Musculus, Cox, Andreas
Prideaux.
In der Verwandtschaft der Geistlichen findet sich also nichts
*i) Lewis de Dieu, Alting, Manton, T. Gouge, Owen, Leighton, Qaude
Hopkins, Fleming, Burkitt, Halyburton, M. Henry, Clarke, Mather, Evans,
Edwards, Hcrvey.
2j Donne, Downe, Taylor, Whately, W. Gouge, Janeway, Winter, Flavel,
Spener, Witsius, Shower, Doddrige, G. Jones, Davies, Guyse, Giil.
3) G. Herbert, Hall, P. Henry, Baily, Whitefield.
^) Wilkins (Vater der Mutter J. Dod), Toplady (zwei mütterliche Onkel
waren Geistliche.
5) Haie.
^ V. Bullinger, Fulke.
7) Baxter.
Theologen. 286
Abnormes, es sind Lebensbedingungen, wie wir sie auch bei den
weltlichen gelehrten Philologen in der gleichen Periode unserer
Geschichte gefunden haben.
Die Theologen sind nicht Begründer von einflußreichen
Familien. Armut war nicht immer der Grund hierfür, da wir
auch von solchen lesen, die beträchtUche Mittel besaßen.
W. Gouge hinterließ seinem Sohn T. Gouge ein ansehnliches Ver-
mögen, mit welchem er Liebeswerke in Wales und anderwärts
unterstützte. Evans hatte ein beträchtliches Vermögen, das er völlig
durch Spekulationen im Südseeschwindel verlor, und andere wer-
den genannt, die hohe verwandtschaftliche Beziehungen haben
und daher mehr oder weniger gut daran sind. Die einzigen Fami-
lien, die Männer von Bedeutung hervorgebracht haben, sind die
Saurin. deren Nachkomme der berühmte Kron-Anwalt von Ir-
land v/ar, die Familie des Erzbischofs Sandys, dessen Nachkomme
nach einigen Generationen der erste Lord Sandys wurde und die
Familie Hookers, der der Vorfahr der hervorragenden Botaniker,
des verstorbenen und gegenwärtigen Direktors des Botanischen
Gartens in Kew war. Als Ganzes genommen haben die Theo-
logen kaum einen merklichen Einfluß auf die Bildung der herr-
schenden Familien in England oder in der Hervorbringung unserer
Judges, Politiker, Feldherren, Männer der Literatur und Natur-
wissenschaften oder Mathematik, Dichter oder Künstler.
Die Theologen sind von mäßiger Fruchtbarkeit. Nach den
späteren Biographien zu urteilen, ist ungefähr die Hälfte von
ihnen unverheiratet, und es kommen gegen 5, vielleicht auch 6
Kinder auf eine Ehe. Das heißt, die wirklich angegebene Anzahl
ergibt eine Rate von 4^2, hierzu kommt noch, daß je einmal in
6 oder 7 Fällen die Phrase gebraucht wird, „viele Kinder". Die
Einreihung dieser zufällig unbekannten, aber gewiß großen Zahlen
würde den Durchschnitt noch um ein Kleines erhöhen. Anderer-
seits ist es mitunter nicht klar, ob die Anzahl der Kinder, die die
erste Kindheit überlebt haben, nicht irrtümlicherweise als die
Anzahl der Geburten angegeben wurde, so daß wir diesem
Zweifel Rechnung tragend den geschätzten Durchschnitt wieder
erhöhen müssen. Damit die Bevölkerung nicht zurückgehe,
müssen je 4 Erwachsene, 2 Frauen und 2 Männer, schheßhch 4
Kinder hinterlassen, die gleichfalls ein reifes Alter erreichen. Wir
haben gesehen, daß vcn den Theologen nur die Hälfte verheiratet
ist, daher muß jeder Theologe 4 Erwachsene hinterlassen, damit
seine Familie nicht abnimmt. Dieser Umstand erfordert eine
286 Theologen.
Durchschnittsfamilie von mehr als 6 Kindern oder eine tatsäch-
lich größere Familie, als die Theologen gehabt zu haben scheinen.
Diejenigen unter ihnen, die heiraten, tun dies oft mehr als
einmal. Wir wissen im ganzen von 81 verheirateten Männern;
3 von ihnen, nämlich Junius, Qataker und Flavel hatten jeder 4
Frauen hintereinander; Bucer und Mather 3, und 12 andere waren
je zweimal verheiratet. Die Häufigkeit, mit welcher Theologen
Witwer wurden, ist bemerkenswert, umsomehr, als sie gewöhn-
lich nicht in jungen Jahren heirateten. Ich führe den frühzeitigen
Tod ihrer Ehefrauen auf die Hypothese zurück, daß ihre Konsti-
tution schwächlich war, und ich habe dafür zwei Anhaltspunkte.
Einmal starb eine große Anzahl von ihnen im Wochenbett, denn
sieben solcher Fälle werden angeführt, und es ist kein Grund an-
zunehmen, daß Middleton alle oder fast alle derartigen Fälle ver-
zeichnet. Zweitens scheinen die Frauen der Theologen sehr
fromm gewesen zu sein, und es wird sich etwas weiter unten
zeigen, daß eine häufige Verbindung zwischen einer ungewöhn-
lich frommen Gemütsart und einer schwachen Konstitution be-
steht.
Die Theologen scheinen in ihrem häuslichen Leben sehr glück-
lich gewesen zu sein. Ich weiß nur von wenig Ausnahmen von
dieser Regel. Die Frau von P. Cooper war treulos, und die des
armen Hooker war ein Zankteufel. Doch hatten in vielen Fällen
diese naiven verdienstvollen Männer ihre Ehen aus Überlegung
und nicht aus Liebe geschlossen. Calvin heiratete auf Bucers
Ratschlag, und der Bischof Hall mag hier seine eigene Geschichte
erzählen, da sie typisch genug ist. Nachdem er sein Haus gebaut
hatte, erzählt er in seiner Autobiographie: „Die unheimliche Ein-
samkeit meines Lebens und die außerordentliche UnbequemHch-
keit meines ledigen Haushalts führten nach zwei Jahren meine
Gedanken dazu, die Notwendigkeit des Ehestandes einzusehen,
die Gott nicht weniger wunderbar für mich vorgesehen hatte,
denn als ich am Pfingstmontag die Kirche mit einem ernsthaften
und verehrungswürdigen Geistlichen Mr. Grandidge verließ, sah
ich in der Tür des Hauses, wo wir zu einem Hochzeitsmahl ein-
geladen waren, eine anmutige und bescheidene Dame stehen und
fragte den würdigen Freund, ob er sie kenne. „Jawohl," sagte
er, „ich kenne sie und habe sie zu Ihrer Frau bestimmt." Als ich
weiter eine Erklärung dieser Antwort verlangte, sagte er mir,
sie sei die Tochter eines gentleman, den er sehr achte, Mr.
George Winniffe von Bretenham; und daß er in der Meinung, dieser
Theologen. 287
Ehebund würde mir wohl anstehen, bereits mit ihrem Vater
darüber gesprochen habe, der der Sache sehr geneigt sei. Er
riet mir, die Gelegenheit nicht vorübergehen zu lassen und ver-
hehlte mir nicht die gerechten Lobsprüche über die Bescheiden-
heit, Frömmigkeit, gute Gemütsart und andere Tugenden, die in
dieser schicklichen Gestalt vereinigt waren. Ich hörte seinen
Vorschlag als von Gott gesandt an und erfreute mich nach der
gehörigen Verfolgung des Planes, der glückhch verhef, in einer
Zeit von neunundvierzig Jahren der Gesellschaft dieser passenden
Gefährtin."
Die Sterblichkeit der Theologen richtet sich nach genau der
gleichen Regel, ob es sich nun um die in den ersten oder die in
den letzten Bänden von Middletons Sammlung genannten Per-
sönlichkeiten handelt, obgleich die Lebensbedingungen in den ver-
schiedenen Perioden, denen sie angehören, sich verändert haben
müssen. Von den 196 herangezogenen Menschen stirbt etwa
die Hälfte zwischen 55 und 75 Jahren; ein Viertel stirbt vor dem
55sten Jahr und ein zweites Viertel nach dem 75sten Jahr. 62
oder 63 ist das durchschnittliche Todesalter, in dem Sinne, daß
ebenso viel sterben, ehe sie dieses Alter erreicht haben, als
später. Das ist eher eine geringere Lebensdauer, als ich aus den
anderen Gruppen hervorragender Männer deduziert habe. Dod,
der älteste der hier zitierten Theologen, lebte bis zu einem 98sten
Jahr. Nowell und du Mouhn starben zwischen 90 und 95 und
Zanchius, Beza und Conant zwischen 85 und 90. Die Krankhei-
ten, die sie hinrafften, sind hauptsächlich die einer sitzenden Le-
bensweise der zitierten Männer an Steinkrankheit oder Harn-
zwang, zwischen welchen beiden Krankheiten die Ärzte damals
noch keinen genügenden Unterschied machten. In der Tat töte-
ten sie Bischof Wilkins, indem sie die eine Krankheit mit der an-
deren verwechselten. Wir finden weiter fünf Fälle von Pest, der
Rest besteht aus folgenden Gruppen, die ziemlich gleiche Propor-
tionen aufweisen, nämHch: Fieber und Wechselfieber, Lungener-
krankungen, Gehirnschlag und nicht klassifizierte Krankheiten.
Was die Gesundheit anbelangt, so ist die Konstitution der
meisten Theologen bemerkenswert schlecht. Ich habe gefunden,
daß gelehrte Philologen in der Jugendzeit sehr häufig krank
sind, teilweise weil die Unfähigkeit sich an den Unterhaltungen
anderer Knaben zu beteiligen sie zum Studium drängt, teilweise
weil eine ungesunde Gehirntätigkeit sie frühzeitig nach den
288 Theologen.
Büchern greifen läßt. Allgemein gesprochen, gibt es drei Mög-
lichkeiten für diese jungen Gelehrten. Sie sterben entweder jung,
oder sie werden kräftiger, wenn sie heranwachsen, behalten
ihre Neigungen und sind fähig, sich ihnen mit gut erhaltener
Energie zu widmen oder sie leben kränklich weiter. Die Theo-
logen rekrutieren sich stark aus der kränklichen Gruppe dieser
Jünglinge. In den meisten religiösen Biographien findet man eine
Art von Invalidität, die mir auch bis zu einem gewissen Grade
in den Lebensbeschreibungen in Middletons Sammlung häufig auf-
zutauchen scheint.
Er notiert speziell die folgenden vierzehn oder fünfzehn Fälle
schwächlicher Konstitution.
1. Melanchthon, er starb mit 63 Jahren, seine Gesundheit er-
forderte fortwährende Aufmerksamkeit. 2. Calvin, starb mit 55
Jahren. Er war schwach, schmächtig und schwindsüchtig, leistete
aber nichtsdestoweniger eine ungeheure Arbeit. Vielleicht können
wir als 3. Junius nennen, der als Kind sehr krank und schwächlich
war. Man erwartete nicht, daß er das Mannesalter erreichen
würde, aber er wurde kräftig, als er heranwuchs, und wenn er
auch jung starb, so war es doch eine Seuche, die ihn dahingerafft
hatte, er überlebte vier Frauen. 4. Downe, ein Vikar in Somerset-
shire, starb mit 61 Jahren, der sein Lebenlang „an Gesundheit und
Kraft ein wahrer Pilger und Fremdling" in der Welt war. 5. Georg
Herbert, starb mit 42 Jahren, er war schwindsüchtig und häufig
Fiebern und anderen Krankheiten unterworfen, er scheint seine
Geistesrichtung sehr stark seiner schlechten Konstitution zu ver-
danken, denn er wurde frömmer, je mehr körperliche Übel ihn
trafen, und wir können noch einen tapferen ritterlichen Typus in
ihm finden, der sich bei seinen Vorfahren und Brüdern, die meist
stattliche Soldaten waren, in einer robusten Weise entwickelte.
Ein Bruder war ein bekannter Seemann, ein anderer hatte 24
Wunden an seinem Leibe bekommen. 6. Bischof Potter, starb mit
64 Jahren, war von schwächlicher Konstitution, melancholisch,
mager und puritanisch. 7. Janeway, starb mit 24 Jahren, „hartes
Studium und Arbeit überwältigten ihn". 8. Baxter, starb mit 76
Jahren, war stets von elender Gesundheit, ihn quälte ein Stein in
der Niere (von dem es nebenbei bemerkt heißt, er sei im College
der Chirurgen aufbewahrt). 9. Philipp Henry, starb mit 65 Jahren,
als junger Geistlicher, der „götthche Heinrich" genannt. Er war
ein schwächliches Kind, er wurde als JüngUng kräftiger, doch
Theologen. 289
ruinierte er seine verbesserte Gesundheit durch die sitzende
Lebensweise eines Qelehrtenlebens, die mit den Übungen auf der
Kanzel abwechselte, wo er „stark schwitzte, da er inbrünstig
predigte," Er starb am Schlagfluß. 10. Harvey, starb mit 30
Jahren, war so schwächlich und klein, daß sein Vater ihn nicht
Geistlicher werden lassen woiice, „aus Furcht, seine Gestalt
würde ihn verächtlich machen." 11. Moth, starb mit ? Jahren,
scheint ein anderes Beispiel zu sein. Es existiert kaum eine
persönliche Anekdote über ihn als „Gott gefiel es, ihn auf
mancherlei Weise zu prüfen", eine Phrase, die ich mit ungesunder
Konstitution interpretiere. 12. Brainerd, starb mit 29 Jahren, war
von Natur gebrechlich und starb an einer Komplikation von hart-
näckigen Übeln. 13. Hervey, starb mit 55 Jahren, obgleich ein
Frühaufsteher, war er von Natur schwach, er war vor seinem
Tode furchtbar abgemagert. 14. Guise, starb mit 81 Jahren, ein
hohes Alter für jene Zeit. Nichtsdestoweniger war er kränklich,
in frühen Jahren war er hektisch und überarbeitet, später krank
und lahm und zuletzt bUnd. 15. Toplady, starb mit 38 Jahren,
kämpfte umsonst um Gesundheit und ein längeres Leben. Er
wechselte sogar seinen Aufenthaltsort und mußte damit seine
Hoffnungen, zu Vermögen zu gelangen, aufgeben.
Zu diesen fünfzehn Fällen, wo es feststeht, daß es sich um
eine von Natur aus schwache Konstitution handelt, können wir
schließlich noch zwölf Fälle nehmen, wo die Gesundheit der Be-
treffenden unter dem Druck der Arbeit zusammenbrach. Selbst
wenn die Arbeit, die ihre Gesundheit ruinierte, unvernünftig groß
war, so kann doch der Eifer, der sie anspornte über ihre Kräfte
zu arbeiten, bis zu einem gewissen Grade als ein Sympton einer
mangelhaften Konstitution betrachtet werden. Jeder Fall möge
nach seinen eigenen Umständen betrachtet werden. Es sind die
folgenden:
1. Whitaker starb mit 48 Jahren, holte sich den Todeskeim
durch seinen unglaublichen Fleiß. 2. Rollock, starb mit
43 Jahren, als der erste Rektor der Universität Edinburg; er starb
infolge Überarbeitung, obgleich der wirkliche Grund seines Todes
die Steinkrankheit war. 3. Dr. Rainolds, starb mit 48 Jahren,
genannt „der Schatz alles Wissens, des menschlichen und gött-
lichen", der ganz bewußt seinen Instinkt zur Übertreibung folgte,
indem er sagte, er wolle nicht „propter vitam vivendi perdere
causas", er wolle nicht um des Leben willen den Zweck des
Lebens verlieren. 4. Stock, starb mit ? Jahren, „verbrauchte
G a 1 1 0 n , Genii und Vererbung. 19
290 Theologen.
sich selbst wie eine Wachskerze, indem er sich selbst für das
Wohl der anderen aufrieb." 5. Preston starb mit 41 Jahren,
opferte sein Leben einem außerordentUchen Fleiß; er wird als
Beispiel dafür zitiert, „daß Männer von großen Eigenschaften kei-
ne Mäßigung kennen." Er starb als „alter" Mann mit 41 Jahren.
6. Herbert Palmer starb mit 46 Jahren nach einer kurzen Krank-
heit, „denn, da er viel von seiner natürlichen Kraft im Dienste
Gottes verbraucht hatte, hatte die Krankheit wenig mehr an ihm
zu tun." 7. Baily, starb mit 54 Jahren, er war so heilig und ge-
wissenhaft, „daß, wenn er einige Zeit in der Gesellschaft seiner
Freunde unschuldig vergnügt war, es ihn später einige trübselige
Gedanken kostete" (hüte mich vor dem Vorrecht solcher Ge-
fährten); er verlor seine Gesundheit in frühen Jahren. 8. Clarke,.
starb mit 62 Jahren, war zu fleißig und bekam infolgedessen mit
43 Jahren ein Fieber, das seine Konstitution außerordentüch
schwächte. 9. Ulrich starb mit 48 Jahren, hatte eine „üble Körper-
beschaffenheit, die verschlimmert wurde durch eine sitzende
Lebensweise und die Überanstrengung seiner Stimme beim Pre-
digen." 10. Isaac Watts, starb mit 74 Jahren, als Kind gewandt,
aber nicht kräftig, erkrankte schwer mit 24 Jahren, dann wieder
mit 38 und erholte sich dann nicht mehr; er verbrachte den Rest
des Lebens in einer ihm zusagenden Zurückgezogenheit, als Haus-
genosse von Sir T. Abney und später von dessen Witwe. 11. Davies
starb mit 37 Jahren; als Knabe geistreich und ein kühner Reiter,
entwickelte er sich zu einem religiösen Menschen mit so sitzender
Lebensweise, daß er, nachdem er Präsident des Yale College
in Amerika geworden war, kaum noch irgend eine Leibesübung
vornahm. Er starb an einer einfachen Erkältung, die ihn als Folge
einer Unvorsichtigkeit beim Abfassen einer Predigt befiel, da seine
Körperkräfte zu schwach waren, um irgend eine physische
Anstrengung auszuhalten. 12. T. Jones, starb mit 32 Jahren;
„ehe es dem Herrn gefiel, ihn zu rufen, wandelte er auf Irrwe-
gen", dann ward er betroffen „von seiner Krankheit, die ihm
stark darniederdrückte und ihn der Pforte des Todes nahe
brachte, während welcher Zeit er aber bedeutsam an Gnade zu-
nahm."
Hiermit schheße ich meine Liste jener 26 Theologen, die bei
Middleton speziell als kränklich bezeichnet wurden. Es scheint,
daß etwa die Hälfte von ihnen von Haus aus schwächhch waren,
während die andere Hälfte frühzeitig im Leben ihre Gesundheit
verloren. Wir müssen nicht annehmen, daß der Rest der 196
Theologen. 291
Männer ausnahmslos gesund war. Diese Biographien verweilen
wenig bei persönlichen Charakteristiken, und das Stillschweigen
über die Qesundheitsverhältnisse muß nicht notwendig dahin er-
klärt werden, daß die Gesundheit eben gut war. Wie ich schon
vorher erwähnte, weht in der ganzen Sammlung eine Art von
Krankenzimmerluft, wenn auch in einem geringeren Grade als
sonst in religiösen Biographien, die ich anderswo gelesen habe.
Evangelische Theologen sind sehr geneigt, ihr Leben in sanfter
Unpäßlichkeit und ermüdeter Geistesverfassung zu verbringen.
Es ist merkwürdig, ein wie großer Abschnitt der rehgiösen
Biographien sich gewöhnlich mit den Ereignissen eines Kranken-
zimmers beschäftigt. Wir können leicht begreifen, daß diesen
Dingen viel Platz eingeräumt wird, da die Aufrichtigkeit des
Gläubigen sich auf dem Totenbett am sichersten manifestiert;
aber dies allein genügt nicht, um alles zu erklären, was wir hier-
über bei Middleton und anderweitig finden. Ich glaube, evan-
gelische Schriftsteller empfinden ein wahres Vergnügen daran,
bei Umständen zu verweilen, die die meisten Menschen anekeln.
Rivet, ein französischer Theologe, hatte eine Einschnürung der
Eingeweide, die nach zwölftägigem Leiden seinen Tod herbei-
führte. Jedes versuchte Heilmittel, jede neue Qual und jedes
korrespondierende rehgiöse Stoßgebet wird verzeichnet und so
füllt die Geschichte der Erkrankung seiner Eingeweide 45 Seiten,
das heißt gerade so viel Raum, als den ganzen Biographien von
vier durchschnittüchen Theologen in der Sammlung gewidmet
ist. Mede's Tod und seine Veranlassung wird mit der gleichen
Genauigkeit und mit noch widrigeren Details beschrieben, aber
in einer weniger weitschweifigen Form.
Ich habe gezeigt, daß von den 196 Theologen 26 oder ein
Neuntel bestimmt schwächUch waren, und ich lege der Hypothese,
daß das Stillschweigen des Biographen über den Gesundheits-
zustand nicht kräftige Gesundheit bedeutet, viel Wert bei; jedoch
kann ich auch noch andere Gründe anführen, die meinen sehr
lebhaften Eindruck, daß Theologen im allgemeinen kränk-^
liehe Menschen sind, bestätigen. Ich kann nachweisen, daß die
Anzahl der Personen, die kräftig genannt werden, unverhältnis-
mäßig gering ist, und ich würde eher einen Vergleich zwischen der
Anzahl der bekannt schwächlichen und den bekannt kräftigen unter
ihnen vorschlagen, als einen zwischen den bekannt schwächlichen
und dem Rest der 196. In Berufen, wo die Menschen viel öffent-
lich sprechen müssen, ist gewöhnlich die Körperkraft derjenigen,
19*
292 Theologen.
die ihn ergreifen, außerordentlich groß. Es wäre unmöglich eine,
Sammlung von Biographien hervorragender Redner, Juristen und
dergleichen zu lesen, ohne daß einem die große Anzahl derer
auffiele, die im Besitze einer eisernen Gesundheit sind. Bei den
Theologen dagegen ist dies nicht der Fall, denn Middleton spricht
nur von 12 oder vielleicht 13 Männern, deren Körperbeschaffenheit
bemerkenswert ist.
Bei diesen kräftigen Theologen stoßen wir auf zwei sehr
lehrreiche Tatsachen. Wir finden einerseits, daß von diesen 12
oder 13, die entschieden kräftig waren, 5 wenn nicht 6 in ihrer
Jugend anstößig und zügellos lebten, und andererseits finden wir,
bei den übrigen Theologen nur bei 3 oder 4 die Bemerkung, sie
hätten in ihrer Jugend anstößig gelebt, ohne gleichzeitig Männer
von bekannt kräftiger Konstitution zu sein. Wir sind daher zu
dem Schluß genötigt, daß eine kräftige Konstitution in einem sehr
deutlichen Grade einer außerordentlich frommen Gemütsart ent-
gegengesetzt ist.
Wenden wir uns erst jenen zu, die sowohl in ihrer Jugend
wild gelebt haben, als im Besitze einer kräftigen Konstitution
sind. Es sind 5 oder 6 an Zahl. 1. Beza, starb mit 86 Jahren,
„war ein kräftiger Mann von sehr gesunder Konstitution, der nie
an Kopfschmerzen litt, was bei geistig hart arbeitenden Menschen
ungewöhnlich ist." Als Jüngling gab er sich den Lockungen der
Weltsünden hin und schrieb Gedichte von sehr ausschweifender
Art. 2. Welch, starb mit 53 Jahren; hatte eine sehr kräftige Kon-
stitution und ertrug große Strapazen, in seiner Jugend war er
ein Schmuggler. 3. Rothwell, starb mit 64 Jahren, war schön,
gut gewachsen von großer Körperkraft und Lebhaftigkeit, er spielte
Kegel, jagte zu Pferd und mit der FHnte, er wilderte sogar ein
wenig. Obgleich er Geistlicher war, änderte er sich erst spät,
und auch dann noch „setzte ihm der Teufel zu, oft und lange."
Er kam mit seinen Pfarrkindern in einem wilden Teil Nord-
englands besonders gut aus. 4. Grimshaw, starb mit 55 Jahren,
war im Verlaufe von sechzehn Jahren nur einmal krank, ob-
gleich er „seinen Körper mit weniger Aufmerksamkeit behandelte,
als ein mitleidiger Mensch sein Vieh." Er wurde religiös er-
zogen, Uef aber mit 18 Jahren aus Cambridge davon. Mit 26
Jahren wurde er als fluchender trunkener Pfaff teilweise be-
kehrt, mit 34 Jahren „begann seine Predigt nutzreich zu werden,"
worauf 21 Jahre einer hervorragend nützlichen Tätigkeit folgten.
5. Whitcfield, starb mit 56 Jahren, war außerordentlich lebhaft.
Theologen. 293
predigte beständig und war beständig auf Reisen. Er hatte große
Körperkraft, obgleich er nach 40 Jahren „infolge Krankheit" dick
wurde. Er war in seiner Jugend äußerst unbändig, trank und
verübte kleine Diebereien (Stephen „Qeistl. Biographien.").
(6.) Es ist wahrscheinlich, daß auch Trosse zu dieser Gruppe ge-
hört. Es soll aber erst in der übernächsten Abteilung von ihm die
Rede sein.
Wir haben weitere sieben, die große Körperkraft besaßen,
ohne in ihrer Jugend anstößig gelebt zu haben:
1. Peter Martyr, starb mit 62 Jahren, ein großer ge-
sunder Mann mit ernsten, ruhigen und gutgebildeten Gesichts-
zügen. Seine Anlagen und ebenso seine Gelehrsamkeit waren
ungewöhnHch. 2. Mede, starb mit 52 Jahren, war ein schöner,
feiner, würdiger Mann. Middleton bemerkt, daß seine
Lebenskraft groß war, daß er die Kälte nicht spürte und daß
er eine gesunde Seele in einem gesunden Körper hatte. Er
war als Student im College skeptisch, aber nicht wild. 3. Bedell,
starb mit 72 Jahren, ein großer, hübscher, würdiger Mann, war
selbst bei den Katholiken beliebt; erlitt bis zu seinem Tode keine
Abnahme seiner natürlichen Kräfte. 4. Leighton, starb mit 70 Jah-
ren an einem plötzlichen Anfall von Brustfellentzündung. Er sah
bis dahin so frisch aus, daß das Alter bei ihm stille zu stehen
schien. 5. Burkitt, starb mit 53 Jahren an einem bösartigen Fie-
ber, „doch war seine Körperkraft so groß, daß man von ihm hätte
erwarten können, er würde 80 Jahre alt werden." Er wandte
sich als Knabe bei einem Anfall von Pocken der Religion zu. 6.
Alix, starb mit 76 Jahren, hatte eine ungewöhnliche Gesundheit
und war ungewöhnlich geistvoll. Er war ein besonders liebens-
würdiger, talentvoller und populärer Mann. 7. Harrison, starb
mit ? Jahren, ein starker robuster Mann, strotzend von Fleisch
und Blut; demütig, fromm und von großen natürlichen Talenten.
Damit ist die Liste geschlossen. Ich war überrascht, unter ihnen
keinen Typus von Cromwells „Eisenmännern" zu finden.
Wenden wir uns schheßlich noch jenen zu, die in ihrer Jugend
unbändig gelebt haben, ohne daß etwas über ihre besondere
Körperkraft bekannt sei. Es sind drei oder vier an Zahl, je nach-
dem ob man Trosse einschließt oder ausschUeßt:
LWilliam Perkyns, starb mit 43 Jahren, ein „munterer vergnüg-
ter Mann", war in Cambridge wild und verschwenderisch und bes-
serte sich erst mit 24 Jahren. 2. Bunyan, war in semer Jugend
lasterhaft. Wurde auf eine ganz seltsame Weise bekehrt und
294 Theologen.
hatte viele Rückfälle während seiner Karriere, 3. Trosse, starb
mit 82 Jahren. Seine Biographie ist in bezug auf Einzelheiten,
über die man orientiert sein möchte, mangelhaft, aber sein
langes Leben, das auf einen schlechten Anfang folgte, scheint
ein Zeichen einer ungewöhnlich kräiti^cn Konstitution zu sein,
die ihn eher für die erste Kategorie qualifizieren würde. Er
wurde nach Frankreich geschickt, um die Sprache zu erlernen
und lernte auch mancherlei französische Schurkenstreiche. Der
gleiche Prozeß wiederholte sich in Portugal. Die Reihenfolge der
bemerkenswerten Veränderungen seines Charakters sind nicht
genannt, ebensowenig seine persönlichen Charakterzüge. (4.) T.
Jones, starb mit 32 Jahren, ist schon einmal unter den kränk-
lichen Theologen angeführt, da er nach einer wilden Jugend
durch eine ernste und lange Krankheit fromm wurde.
Ich gehe jetzt zu den Verwandten der Theologen über. Wenn
wir in Betracht ziehen, daß es im Ganzen nur 196 Männer sind,
daß sie aus dem ganzen protestantischen Europa ausgewählt sind
und daß die Durchschnittsrate 2 Menschen in 3 Jahren beträgt,
so sind die folgenden Resultate ebenso bemerkenswert, wie die-
jenigen, die wir in den anderen Gruppen antrafen.
17 von den 196 sind untereinander verwandt. So ist Simon
Qrynaeus der Onkel von Thomas, der der Vater von Johann Jakob
ist, und ebenso gibt es noch andere bekannte Männer in dieser
bemerkenswerten FamiUe, die bäuerlichen Ursprungs ist. With-
akers mütterlicher Onkel ist Dr. Nowell. Robert Abbot, Bischof
von Salisbury, ist der Bruder des Erzbischofs Abbot. Downes
mütterhcher Onkel war der Bischof Jewell. Dods Enkel (der
Sohn seiner Tochter) war der Bischof Wilkins. William Gouge
war der Vater von Thomas Gouge. PhiUpp Henry war der Va-
ter von Matthew Henry. Ebenezer Erskine war der Bruder von
Ralph Erskine.
8 andere hatten bemerkenswerte Verwandte, meist unter
religiösen Menschen, nämHch: Knoxs Enkel (der Sohn einer Toch-
ter, die John Welch heiratete) war Josiah Welch, „der Wächter
des Gewissens". F. Junius hatte einen Sohn, gleichfalls mit
Namen Francis, ein gelehrtes Mitglied der Oxforder Universität;
von seiner Tochter, die J. Q. Vossius heiratete, hatte er Diony-
sius und Isaac Vossius als Enkel, die wegen ihres Wissens berühmt
waren. Donne stammte durch seine Mutter vom Lord Chancellor
Sir John More und von Judge Rastall ab. Herbert war der
Bruder des Lord Herbert von Cherbury und hatte andere und
Theologen. 296
hervorragende und interessante Verwandte. Ushers Verwandte
sind äußerst bemerkenswert, denn der Vater, der Bruder seines
Vaters, der Vater der Mutter, der Bruder der Mutter und sein
eigner Bruder waren in ihrer Zeit lauter hervorragende Männer.
Der Bruder der Mutter von Lewis de Dieu war Professor in
Leyden. Der Vater und der Großvater von Mather waren her-
vorragende QeistHche. Der Vater und drei Brüder von
Saurin waren von hervorragender Beredsamkeit.
Man kann nach all dem nicht daran zweifeln, daß reHgiöse
Gaben im großen ganzen erblich sind; aber es gibt auch merk-
würdige Abweichungen von dieser Regel. Middletons Werk
muß, was diese Ausnahmefälle anbelangt, nicht als frei von Irr-
tümern betrachtet werden, denn weder er, noch irgend ein an-
derer Biograph betrachtete es als Pflicht, über die Gruppe jener
Tatsachen zu berichten, die uns interessieren; nämlich über jene
Fälle, wo die Söhne rehgiöser Eltern schlecht geraten. Ich habe
nur ein einziges Beispiel dieser sichtlichen Umkehrung des Ver-
erbungsgesetzes bei Middleton gefunden, aber es wird oft be-
hauptet, daß solche Fälle nicht ungewöhnlich sind. Mein Glaube
an diese Tatsachen stützt sich in erster Reihe auf soziale Er-
fahrungen neuesten Datums, die nicht veröffentlicht werden
können, ohne unschuldige Personen zu kränken. Die mir be-
kannten Fälle sind nicht zahlreich, aber sie genügen doch, um
mich zu überzeugen, daß die populäre Anschauung eine reale
Grundlage hat. Die unleugbare Gewißheit einiger neuerlicher
Fälle wird dem Leser hoffentlich genügen, so daß ich mir ge-
statten kann, nicht auf die Details einzugehen.
Die Zusammenfassung der Resultate, zu denen ich bezüglich
der Theologen gekommen bin, sind die folgenden: daß sie nicht
Begründer von Familien sind, die einen beträchtUchen Einfluß auf
unsere Geschichte gehabt haben, ob dieser Einfluß nun von den
Fähigkeiten, dem Wohlstand oder der sozialen Position eines
ihrer Mitglieder abgeleitet wird. Daß sie eine mäßig fruchtbare
Gruppe bilden, die eher unter, als über dem Durchschnitt steht.
Daß ihre durchschnittUche Lebensdauer ein wenig unter dem an-
derer hervorragender Männer in meinen anderen Gruppen ist. Daß
sie gemeinhin unter Überanstrengung leiden. Daß sie gewöhnlich
schwächliche Menschen sind. Daß diejenigen, die eine kräftige
Konstitution haben, meist in ihrer Jugend wild waren, und daß
umgekehrt die meisten derjenigen, die in ihrer Jugend wild waren
und erst später fromm wurden, Männer von kräftiger Konstitution
296 Theologen,
waren. Daß eine fromme Gemütsart entschieden erblich
ist. Daß aber auch die Fälle häufig sind, wo die Söhne frommer
Eltern sehr mißrieten; aber ich werde noch einiges über den
Grund zu sagen haben, der mir hierfür maßgebend scheint.
Ich habe daher keinen Grund zu glauben, die Theologen seien
in irgend einer Hinsicht eine außerordentUch begünstigte Gruppe;
es scheint eher, daß sie weniger glücklich sind, als andere
Menschen.
Ich gehe jetzt zu meinen gewöhnlichen Tabellen über.
Tafel I.
Übersicht über die Verwandten von 33 Theologen aus Middletons
„Biographia Evangelica", gruppiert in 25 FamiHen.
Ein Verwandter (oder zwei in der Familie).
Clarke
V.
Knox
e.
2. Dod (und Wilkins)
e.
Leighton
V.
(Downe s. Jewell.)
(Nowell, s. Whitaker)
2. Erskine
B.
Welch
S.
Guise
S.
Whitaker (und Nowell)
0.
Hildersham
S.
(Wilkins, s. Dod.)
Hospinian
0.
Witsius
0.
2. Jewell (und Downe)
n.
Zwei oder drei Verwandte (oder drei oder vier in der Familie).
2. Abbot 2B. 2. Henry, H. (und M.) S. v.
Dieu de V. o. Lasco, A. B. O.
Donne g. g. V. Mather V. G. g.
Gilpin gB., NE., NEES. Saurin 3 B.
Vier oder mehr Verwandte (oder fünf oder mehr in der Familie).
2. Qouge, W. (und T.) v. 2 o. S.
3. Qrynaeus, T. (auch S. u. J.) O. OS. 4 S.
Herbert V. v. g. B. OS. 2 0E.
Junius V. S. 2e.
Usher V. O. g. o. B.
Theologen.
Tabelle II*)
297
Verwandtschaftsgrade
A.
B.
Bescheinigung des
Grades
Korrespondierende Buchstaben
§ f Vater
^, < Bruder
1 ISohn
7 V
9 B
10 S
—
—
—
7
9
10
28
36
40
T3
,S f Großvater
^ 1 Onkel
S 1 Neffe
« Enkel
1 G
3 0
0 N
0 E
4g
7 V
1 r
4 e
—
5
10
1
4
20
40
4
16
2 Urgroßvater
0 Großonkel
V. l Cousin
1 Großneffe
i§ Urenkel
0 GV
0 GB
2 OS
0 NS
0 ES
1 gV
1 gB
0 vS
0 nS
0 eS
OGV
0 GB
0 OS
0 JV^S
OES
O^V
O^B
0 vS
0 nS
0 eS
1
1
2
0
0
4
4
8
0
0
alle weiter entfernt
Verwandten
—
—
—
4
16
Einen Vergleich des verwandtschaftlichen Einflusses durch
die männliche und weibliche Linie gibt die folgende Tafel:
Im zweiten Grade:
lQ-i-3O + 0N + 0E = 4 Verwandte durch die männliche Linie.
4 g-f 7o +1 n + 4 e = 16 Verwandte durch die weibliche Linie.
Im dritten Grade:
0 GV. -f- 0 G. B. + 2 OS. + 0 NS. + 0 ES = 2 Verwandte durch die
männliche Linie
IfirV 4- l^B + OoS + OwS +0eS = 2 Verwandte durch die weib-
Hche Linie.
*) Zur Erklärung siehe S. 61.
298 Theologen.
Diese Tabelle zeigt, daß der Einfluß der weiblichen Linie
ein ungewöhnlich starkes Ergebnis in der Richtung hat, einen
Menschen in der religiösen Welt zu hervorragender Bedeutung
gelangen zu lassen. Die einzige andere Gruppe, wo der Einfluß
der weiblichen Linie sich mit dem weiblichen Einfluß bei den Theo-
logen vergleichen läßt, ist die Gruppe der Mathematiker und Natur-
wissenschaftler. Ich glaube, daß die Gründe, die ich dort dar-
gelegt habe, sich mutatis mutandis auch auf die Theologen anwen-
den lassen. Es bedarf ungewöhnlicher Eigenschaften von teil-
weise weiblicher Art, um ein führender Theologe zu werden. Ein
Mann muß nicht nur angemessene Fähigkeiten, Eifer und Arbeits-
kraft haben, sondern die Postulate des Glaubens, dem er anhängt,
müssen auch so fest in seinem Geist wurzeln, daß sie Axiomen
gleichkommen. Die Verschiedenheiten des Glaubens, wie wir sie
bei ernsten, guten und gewissenhaften Männern finden, zeigen einem
unparteiischen Beobachter, daß es über einen Punkt, über den so
viele Männer differieren, keine Gewißheit geben kann. Aber ein
Theologe darf diese Ansicht nicht teilen, er muß von der absoluten
Sicherheit des Fundaments seines speziellen Glaubensbekenntnisses
überzeugt sein, er muß jene blinde Überzeugung besitzen, die man
am besten in der Kindheit durch mütterliche Lehren erhält.
Ich will jetzt versuchen, die Tatsache zu erklären, die ich ge-
zwungen bin, einzuräumen, daß nämlich die Kinder sehr religiöser
Eltern gelegentlich sehr schlecht geraten. Diese Tatsache hat
allen Anschein einer ernsten Verletzung des Gesetzes über Ver-
erbung, und als solche hat sie mir mehr Schwierigkeiten bereitet
und mich mehr Zweifel gekostet, als ich bei irgend einem Teil
meiner Untersuchungen durchgemacht habe. Jedoch bin ich völlig
dadurch zufriedengestellt, daß diese scheinbare Anomalie sich
vollkommen durch die Erklärung aufhebt, die ich dem Leser gleich
vorlegen werde, wobei ich aber vorausschicke, daß ich gezwungen
bin, in eine freiere und gründlichere Analyse des reUgiösen Cha-
rakters einzugehen, als sie sonst an dieser Stelle am Platze wäre.
Die Gemütsart, die einen Menschen qualifiziert, einen Platz
in einer Sammlung in der Art der „Biographia Evangelica" zu er-
halten, kann am besten durch einen Vergleich mit einem Naturell
studiert werden, das in wichtigen Punkten den Gegensatz zu der
ersteren Art bildet, ihr aber in allen unwichtigen Beziehungen
ähnelt. Wir können von unserem Vergleich alle außer jenen aus-
schließen, deren durchschnittUche moralische Anlagen um einige
Grade höher sind als die der Menschen im allgemeinen, und wir
Theologen. 299
können ebenso alle ausschließen, mit Ausnahme derer, die sehr ernst,
gewissenhaft und mit Verehrung über religiöse Dinge denken. Die
übrigen lassen sich, was ihre Ansichten und zum größten Teil auch
was ihre natürliche Veranlagung betrifft, die sie dazu bringt, jene
Ansichten anzunehmen, in einer Reihe anordnen, die von der
äußersten Frömmigkeit zum äußersten Skeptizismus führt. Die
„Biographia Evangelica" bietet viele Beispiele, die sich dem
ersteren Ideal nähern, und wir können leicht in der Geschichte
Männer finden, die sich dem letzteren nähern. Um den Kon-
trast und so die Natur der Verschiedenheit zwischen den
beiden idealen Extremen zu verstehen, müssen wir unsere
eigenen religiösen Sympathien — welcher Art immer sie sein
mögen — für eine Weile beiseite lassen und uns resolut auf
einen Standpunkt stellen, der von beiden Gegensätzen
gleich entfernt ist, damit wir sie abwechselnd mit dem gleichen
Maßstab messen können. Machen wir uns vor allem klar, daß
wir sowohl den skeptischen als den religiösen Menschen als gleich
ernsthaft, tugendhaft, gelassen und liebevoll annehmen. Wir setzen
voraus, daß beide völlig von der Wahrheit ihrer respektiven Lehr-
sätze überzeugt sind und daß beide moraüsche Befriedigung in
den Schlüssen finden, die jene Lehrsätze umfassen.
Der religiöse Mensch versichert, daß er sich eines innerlichen
Geistes der Gnade bewußt ist, der ihn tröstet, leitet und ihm Be-
fehle erteilt. Er könne nicht bestehen, sagt er, wenn jener Geist
ihn verließe. Er macht ihm die Prüfungen, denen sein Leben
unterworfen ist, leicht und lindert das Grauen, das ihn sonst bei
der Erwartung des Todes überfallen würde. Dieser Geist gibt ihm
die Richtung im Leben und inspiriert ihm Motive. Er spricht zu
ihm als Orakel durch die Stimme des Gewissens und sagt ihm, was
gut und was böse ist. Der reUgiöse Mensch wird hinzufügen, daß
die Gegenwart dieses Geistes der Gnade eine Sache ist, die kein
Argument und keine Theorie wegerklären kann, da die Über-
zeugung von der Gegenwart dieses Geistes in seiner Natur be-
gründet sei. Die Zeichen der Tätigkeit dieses Geistes sind für
ihn ebenso unverkennbar als jene irgend welcher anderer Tätig-
keiten, die wir durch das Medium der Sinne wahrnehmen. Der
religiöse Mensch wird ferner in der moralischen Doktrin des
Glaubens beharren, dem er Gewicht beilegt; doch müssen wir
diesen Punkt aus der Betrachtung ausschalten, da die moralischen
Doktrinen der verschiedenen Glaubensbekenntnisse außerordent-
lich verschieden sind, indem einige zur Vervollkommnung des
300 Theologen.
eigenen Selbst und zur Asketik neigen, andere dagegen zu
einem tätigen Wohlwollen; während wir bestrebt sind, die Natur
einer religiösen Gemütsverfassung zu finden, wie sie allen
Glaubensbekenntnissen gemeinsam ist.
Der Skeptiker nimmt eine Stellung ein, die jener, die ich als
dem religiösen Menschen zugehörig beschrieben habe, entgegen-
gesetzt ist. Er anerkennt das Gefühl eines innewohnenden Geistes,
er versichert vielleicht selbst, dieses Gefühl in voller Inten-
sität ererbt zu haben, aber er leugnet die Objektivität dieses
Geistes. Er argumentiert folgendermaßen: Da man es überall als
eine angemessene Aufgabe des Intellekts anerkennt, darüber zu
entscheiden, ob andere, noch so fundamentale Überzeugungen wirk-
lich wahr sind, oder ob man sich auf die Evidenz der Sinne in
einem gegebenen Falle verlassen soll, so ist es vollkommen be-
rechtigt, die rehgiösen Überzeugungen einer gleichen Analyse zu
unterwerfen. Er wird sagen, daß ein treibender Fleck im Gesichts-
feld und ein Ohrensausen durch den Intellekt von den Resultaten
der äußeren Einflüsse unterschieden werden können; daßinLändern,
wo Luftspiegelungen häufig sind, der erfahrene Reisende über
die Wahrheit der Wassererscheinung nach den Umständen eines
jeden besonderen Falles zu entscheiden hat. Was aber die funda-
mentalen Überzeugungen anlangt, wird er hinzufügen, so ist es
wohlbekannt, daß der Intellekt erfolgreich mit ihnen ringen kann,
denn Kant und seine Nachfolger haben Gründe erbracht — denen
alle Philosophen Gewicht beilegen — , daß Zeit und Raum durchaus
nicht objektive Realitäten sind, sondern nur Formen, unter welchen
unser Verstand, infolge seiner eigenen Beschaffenheit, gezwungen
ist zu funktionieren. Der Skeptiker hat daher durch die Forde-
rung, die Frage nach der objektiven Existenz des Geistes der
Gnade vom Intellekt prüfen zu lassen, entschieden, daß dieser
Geist subjektiv und nicht objektiv ist. Ob diese Entscheidung
richtig oder falsch ist, hat mit unserer Untersuchung nichts zu
tun. Er argumentiert, daß dieser Geist in seinen Handlungen
nicht konsequent ist, da er sich bei verschiedenen Menschen ver-
schieden äußert und bei der gleichen Person zu verschiedenen
Zeiten verschieden; daß es keine bestimmte Grenze gibt zwischen
den Antrieben, die eingestandenermaßen natürlich sind und jenen,
die als übernatürlich erachtet werden, endlich daß Überzeugungen
über gut und schlecht irreführend sind, da ein Mensch, der ihnen
anhängt, ohne sie durch den Verstand zu kontrollieren, ein blinder
Parteigänger wird, und daß die Anhänger zweier feindlicher
Theologen. 301
Parteien in gleichem Maße starker Gefühle fähig sind. Was den
Trost anbelangt, den eine so liebevolle Vorstellung dem Menschen
bieten kann, so wird er auf die Erscheinungen der Kinderstube
hinweisen, wo das kleine Mädchen der Puppe all seinen Kummer
erzählt, sich mit ihr unterhält und beratet und dadurch getröstet
wird, indem es unbewußt der Puppe seine eigenen Worte in den
Mund legt. Aus diesen und ähnlichen Gründen, die ich hier nur
anzuführen und nicht zu prüfen habe, zerschmettert der gründ-
liche ideale Skeptiker bedachtsam jene Gefühle und Über-
zeugungen, die der religiöse Mensch über alle Maßen preist. Er
erklärt sie als Götzen, die die Einbildung erschaffen hat und die
ebenso verabscheut werden müssen, wie jene Götzen, die aus
gröberem Material mit den Händen gemacht werden.
Bisher haben wir nur eine intellektuelle Verschiedenheit im
Auge gehabt, womit uns bei unserer Fragestellung nicht direkt ge-
dient ist, doch hat dieser Umstand sofort die größte Wichtigkeit,
wenn wir uns den religiösen Menschen und den Skeptiker als
mit ihren verschiedenen Schlußfolgerungen befriedigt vorstellen.
Damit ein Mensch ein zufriedener Skeptiker der extremsten Art
sei, muß er das Selbstvertrauen haben, daß er imstande ist, den
strengsten Prüfungen des Lebens und ebenso den Schrecknissen
des bevorstehenden Todes absolut allein Stand zu halten. Seine
Natur muß genügend Selbstbehauptung und Stoizismus haben, um
ihn glauben zu machen, daß er sein ganzes Erdendasein ohne Hilfe
bestehen kann. Dieses Ideal eines extremsten Skeptizismus mag
nur von Wenigen erreicht werden, es ist selbst fraglich, ob
es je ganz erreicht wurde. Andererseits sind die Stütze eines
starken Arms und einer tröstenden Stimme für einen
Menschen von religiöser Gemütsart absolute Notwendigkeiten.
Er ist sich einer Inkongruenz seiner Natur und einer Unbeständig-
keit seines Gemütes bewußt, und er weiß, daß er unfähig ist, sich
selbst zu helfen. Doch sind alle Menschen diesen Gefühlen mehr
oder weniger unterworfen, namentlich während Krankheiten, in
der Jugend und in hohem Alter, und Frauen unterliegen ihnen eher
als Männer. Die stärksten Menschen sind sich geheimer
Schwächen und Mängel bewußt, die bei ihnen oft, in direkter Pro-
portion zu ihrem intellektuellen Stoizismus, zu einem quälenden
Mißtrauen gegen sich selbst werden. In der idealen und extremen
Form jedoch, die wir einnehmen, würden auch die Inkongruenz
und Unbeständigkeit extrem sein, ein solcher Mensch könnte gar
kein Freidenker sein, denn er könnte nicht ohne Beichtvater und
302 Theologen.
Herrn existieren. Hier ist also ein gewaltiger Unterschied
zwischen der natürlichen Veranlagung dieser beiden Gruppen
von Menschen. Der Mensch von reügiöser Gemütsart betrachtet
den zufriedenen Skeptiker als einen tollkühnen Kerl, der elend
umkommen wird; der Skeptiker betrachtet den Menschen von
extrem frommer Gemütsart als eine sklavische Natur, die zu Aber-
glauben neigt.
Man sagt mitunter, die Überzeugung von der Sündhaftigkeit
sei ein Charakteristikum einer religiösen Gemütsart. Ich denke
jedoch, daß das starke Bewußtsein der eigenen Sündhaftigkeit bei
einem Christen teilweise mit den Doktrinen seines intellektuellen
Glaubens zusammenhängt. Der Skeptiker wird ebenso wie der
religiöse Mensch Ekel und Scham über seine elende Schwäche
empfinden, wenn er gestern in der Hitze irgend eines Impulses
Dinge getan hat, die er heute in einem ruhigen Augenblick miß-
billigt. Er ist sich bewußt, daß er einen andern Menschen, der so
gehandelt hätte, verabscheuen würde, und so verabscheut er jetzt
die Betrachtung seines eigenen Selbst. Er fühlt, daß er etwas
getan hat, was ihn der Gesellschaft reingesinnter Menschen un-
würdig macht, daß er ein verkleideter Paria ist, der es verdienen
würde, mit Verachtung verstoßen zu werden, wenn seine letzten
Handlungen und sein wahrer Charakter plötzlich entdeckt würden.
Der Christ fühlt das alles auch und noch etwas mehr. Er fühlt,
daß er seine Fehler im Angesicht eines reinen Gottes begangen
hat, daß er undankbar und grausam gegen ein Wesen voller Liebe
und Erbarmen gehandelt hat, das als Opfer für die Sünden gleich
denen, die er gerade begangen hat, gestorben ist. Diese Betrach-
tungen müssen das Gewissen außerordentlich verschärfen, aber
man muß im Auge behalten, daß sie nicht von einer Verschieden-
heit der Charaktere herrühren. Wenn der Skeptiker den gleichen
intellektuellen Glauben hätte, würde er diese Betrachtungen genau
so anstellen, wie der reHgiös veranlagte Mensch. Es ist nicht un-
bedingt Stumpfheit des Herzens, die ihn abhält.
Es wird auch manchmal geglaubt, puritanische Eigentümlich-
keiten seien mit streng religiösem Bekenntnis verknüpft: aber
eine puritanische Tendenz ist durchaus kein wichtiger Bestand-
teil einer religiösen Gemütsanlage. Der puritanische Charakter
ist freudlos und mürrisch: er ist am glückUchsten, oder um
weniger paradox zu sprechen, am zufriedensten mit sich, wenn
er niedergeschlagen ist. Es ist eine geistige Bedingung, die mit
den wohlbekannten puritanischen Gesichtszügen in Wechsel-
Theologen. 303
beziehung steht, mit den schwarzen glatten Haaren, den hohlen
Wangen und der bleichen Gesichtsfarbe. Ein strahlender, blau-
äugiger, lockiger Jüngling wäre in einer puritanischen Gesell-
schaft fast eine AnomaHe. Aber bei Middleton werden auch viele
Theologen aufgezählt, deren Charakter sonnig und fröhlich war
und deren Gesellschaft hoch geschätzt wurde, woraus klar hervor-
geht, daß der puritanische Charakter eine besondere Eigentümlich-
keit, durchaus kein unveränderliches Ingredienz in der Gemütsart
der Menschen ist, die von Natur aus zur Frömmigkeit neigen.
Das Resultat aller dieser Betrachtungen ist, zu zeigen, daß
die Haupteigentümlichkeit in der moralischen Natur des frommen
Menschen seine bewußte Unbeständigkeit ist. Er ist Extremen
unterworfen, jetzt schwingt er sich in die Regionen des Enthusias-
mus, der Bewunderung und Selbstaufopferung auf, dann taucht
er wieder unter in jenen der SinnHchkeit und Selbstsucht. Sehr
fromme Menschen neigen dazu, sich die elendesten Sünder zu
nennen, und ich denke, sie können in einem beträchtlichen Um-
fange beim Worte genommen werden. Es scheint, daß ihre Natur
dahin neigt, häufiger zu sündigen und inbrünstiger zu bereuen als
jene, die von Natur aus stoisch sind und daher einen gleich-
mäßigeren und ruhigeren Charakter haben. Die Amplitude der
moralischen Oszillationen ist bei rehgiösen Menschen größer als
bei jenen, deren durchschnittUche morahsche Stellung die
gleiche ist.
Die Tafel (S. 33) über die Verteilung natürlicher Gaben ist
notwendig ebenso wahr in Beziehung auf Moral als in Beziehung
auf Intellekt oder Muskelkraft. Wenn wir eine große Anzahl von
Menschen in vierzehn Klassen einteilen, die in Bezug auf ihre
natürliche Veranlagung durch gleiche Grade der Moralität ge-
trennt sind, so wird sich die Anzahl der Menschen per MilHon in
den verschiedenen Klassen verhalten, wie in der Tafel gezeigt.
Ich zweifle nicht, daß viele von Middletons Theologen, was ihre
tätige Güte, ihre Selbstlosigkeit und andere liebenswerte Eigen-
schaften anlangt, zur Klasse G. gehören. Aber Menschen des
niedrigsten moralischen Grades können gleichfalls fromme
Neigungen haben; so kommt es unter Gefangenen vor, daß die
schlimmsten Verbrecher die eifrigsten in religiöser Verehrung
sind. Ich glaube nicht, daß es stets ein Akt bewußter Heuchelei
ist, wenn schlechte Menschen fromm sind; sie sind sich eher der
Unbeständigkeit ihrer Charakter tief bewußt und fliehen zu An-
dachtsübungen als einer Quelle von Tröstungen.
304 Theologen.
Diese Erörterungen erklären, denke ich, die scheinbare Ano-
malie, daß Kinder außerordentlich frommer Eltern gelegentlich
sehr mißraten. Die Eltern besitzen als natürliche Gaben eine hohe
Moralität, die mit einer unbeständigen Anlage kombiniert ist, doch
müssen diese Eigentümlichkeiten nicht immer verknüpft sein. Es
muß daher häufig vorkommen, daß das Kind die eine, nicht aber
die andere Eigenschaft erbt. Wenn seine Erbschaft in den
moraüschen Gaben ohne große Unbeständigkeit besteht, wird es
nicht das Bedürfnis nach einer außerordentlichen Frömmigkeit
haben; wenn es große Unbeständigkeit ohne Moral erbt, wird es
leicht seinem Namen Schande machen.
Anhang
zu dem Kapitel Theologen (Biographia Evangelica).
Ausgewählt aus den 196 Namen, enthalten in Middletons Bio-
graphia Evangelica. Ein * bezeichnet, daß der entsprechende
Name auch in der alphabetischen Liste enthalten ist, daß er, kurz
gesagt, gleichfalls zu den 196 von Middletons Auswahl gehört.
Abbot, George, Erzbischof von Canterbury (1562—1633, starb
mit 71 Jahren), wurde erzogen in der Guilforder Latein-
Schule, später im Balliol College, wurde ein gefeierter
Prediger. Mit 35 Jahren wurde er zum Rektor des Uni-
versity College gewählt, als die ersten Streitigkeiten
zwischen ihm und Land einsetzten. Diese währten, so-
lange beide lebten, da Abbot Calvinist war und Land zur
Hochkirche'') gehörte. Mit 45 Jahren wurde er zum
Bischof von Lichfield ernannt, dann zum Bischof von
London, mit 49 Jahren war er Erzbischof von Canterbury.
Er hatte großen Einfluß auf die Angelegenheiten seiner
Zeit, war aber zu unbeugsam und zu liberal, um als Hof-
mann Erfolg zu haben; außerdem war Lands Einfluß
immer gegen ihn. Er hatte große natürliche Talente, be-
trächtliches Wissen, Güte und sozialen Sinn. Seine
Eltern waren fromm; sein Vater war ein Weber.
B. Robert Abbot,*) Bischof von Salisbury, s. unten.
B. Maurice, Lord Mayor von London und Parlaments-
mitglied.
(N.) George, Sohn von Maurice, schrieb über das Buch Hiob.
Orthodoxe Richtung der Anglikanischen Kirche. D. Üb.
Theologen. 305
Abbot, Robert, Bischof von Salisbury (1560—1617, starb mit
57 Jahren). Seine Beförderung entsprach in bemerkens-
werter Weise seinen Verdiensten, namentUch im Pre-
digen. König Jakob I. schätzte ihn sehr wegen seiner
Schriften. Mit 49 Jahren wurde er zum Rektor des
Balliol College ernannt, das unter seiner Leitung einen
großen Aufschwung bekam. Drei Jahre später wurde er
zum Professor der Theologie gemacht, und mit 55 Jahren
war er Bischof von Salisbury. Zwei Jahre später starb
er infolge von Gicht und Steinkrankheit, die er sich durch
seine sitzende Lebensweise zugezogen hatte. Bei einem
Vergleich seines Charakters mit dem seines jüngeren
Bruders, des Erzbischofs, wurde gesagt: „George war
der einnehmendere Prediger, Robert der größere Ge-
lehrte; Georges' Ernst war finster, der von Robert
lächelnd."
B. George Abbot*, Erzbischof von Canterbury, s. oben.
B. Maurice, Lord Mayor von London und Parlaments-
mitglied.
(N.) George, Sohn von Maurice, schrieb über das Buch Hiob.
Cl a r k e , Matthew (1664—1726, starb mit 62 Jahren), ein her-
vorragender Geistlicher der Dissidenters. Ein außer-
ordentlich arbeitsamer Mensch, der seine Kräfte über-
bürdete.
V. gleichfalls Matthew Clarke, ein gelehrter Mann. Er
sprach italienisch und französisch mit seltener Voll-
kommenheit. Wurde durch die Uniformity Act*) aus der
Priesterschaft ausgestoßen. Dr. Watts verfaßte die
Grabinschrift von Matthew Clarke jr., die folgendermaßen
beginnt: „Ein Sohn, der den Namen eines verehrungs-
würdigen Vaters trug und selbst nicht weniger ver-
ehrungswürdig war."
Dieu, Lewis de (1590—?). „In Liebeswerken, im theologischen
Wissen, in Wissenschaften aller Art und in Sprachen
war er ein Stern erster Größe". War verheiratet und
hatte elf Kinder.
V. Daniel de Dieu, Geistlicher von Flushing, ein Mann von
großen Verdiensten, in den orientalischen Sprachen war
er ungewöhnlich bewandert „und konnte mit Erfolg
*) Gesetz von 1662. D. Üb.
90
Gal ton, Genie und Vererbung. ^^
306 Theologen.
deutsch, italienisch, französisch und englisch predigen."
o. David Colonius, Professor in Leyden.
D 0 d , John (1547—1645, starb mit 98 Jahren). Dieser mit Recht
berühmte und verehrte Mann war das jüngste von sieb-
zehn Kindern. Wurde in Cambridge ausgebildet. Er
war ein großer und ausdauernder Prediger, bedeutend
durch die Häufigkeit, Begabung, den Freimut und die
Liberalität seiner guten Reden; war sehr weitabgewandt
und gastfreundschaftlich. Er war zweimal verheiratet,
jedesmal mit einer frommen Frau,
e. John Wilkins,* Dr. der Theologie, Bischof von Chester
(1614—1672, starb mit 58 Jahren), ein gelehrter und
geistvoller Prälat. Wurde in Oxford ausgebildet, wo
er sich sehr bewährte und wo er mit 34 Jahren vom
Parlamentskomitee zur Reformierung der Universitäten
zum Vorsteher des Wadham College gemacht wurde.
Heiratete Robina, die Witwe von P. French und
Schwester von Oliver Cromwell, durch sie wurde er
Rektor des Trinity College in Cambridge, von wo er
durch Karl II. verjagt wurde. Mit 54 Jahren wurde er
Bischof von Chester. Er war unermüdlich im Studium
und tolerant gegen die Meinungen anderer. Er war ein
Astronom und Experimentator von beträchtlichem Ver-
dienst und hatte tätigen Anteil an der Gründung der
Royal Society.
Ich weiß nichts über seine Nachkommen, nicht ein-
mal, ob er welche hatte. Das Cromwell - Blut hatte
weniger Einfluß, als man hätte erwarten können (s. Crom-
well). Eine Tochter von Robina Cromwell, aus erster
Ehe, heiratete den Erzbischof Tillotson und hinterließ
Nachkommen, die aber unbedeutend waren.
P o n n e , John, Dr. der Theologie, Dekan an der St. Paulskirche
(1573—1631, starb mit 58 Jahren). „Er war eher weise
geboren, als durch Studium so geworden." Eine von
Isaac Waitons Biographien beschäftigt sich mit ihm. Die
Erholung seiner JüngUngszeit bildete die Poesie; der
spätere Teil seines Lebens war ein beständiges Studium.
Er hatte sich frühzeitig seine eigene Religim gebildet, da
er sich mit 20 Jahren durch seine eigenen Untersuchungen
vom Papsttum bekehrte. Sein Geist war liberal und un-
Theologen. 307
ermüdlich im Suchen nach Wissen. Sein Leben war
heilig und sein Tod nachahmungswürdig.
(gO) ? Sir Thomas More, der Lord Chancellor, von dessen
FamiHe er durch seine Mutter abstammte. Da Sir
Thomas 93 Jahre vor ihm geboren wurde, nehme ich an,
daß er sein Urgroßvater oder sein Qroß-Qroßonkei war.
g ? William Rastali, der verdienstvolle und fleißige Judge.
Rastall war um eine Generation jünger als Sir Thomas
More und war daher wahrscheinlich der Großvater oder
der Großonkel von Dr. Donne.
gh. ? John Rastall, Vater des Judge, Buchdrucker und Schrift-
steller.
D o w n e , John, Baccalaureus der Theologie, (s. unter Jewell.).
o. John Jewell,* Bischof von Sahsbury.
E r s k i n e , Ebenezer (um 1680—1754, starb mit 74 Jahren). Be-
gründer der schottischen Kirchenspaltung. Dieser fromme
Geistüche predigte frei gegen das Vorgehen der Synode
von Perth, wofür er getadelt wurde. Da er in seiner
Widerspenstigkeit fortfuhr, wurde er aus der schot-
tischen Kirche verstoßen. Hieraus entstand die berühmte
Kirchenspaltung.
B. Ralph Erskine* (s. unten.)
E r s k i n e , Ralph (1685—1752, starb mit 67 Jahren), wurde
gleichfalls Anhänger der vereinigten presbyterianischen
Kirche. Er folgte nicht einfach seinem Bruder, sondern
war selbst wieder Veranlassung eines gesonderten reli-
giösen Ansturms. Er schrieb Streitschriften, war ein
strenger Calvinist und veröffentlichte Sonette, „die von
einem warmen Geist der Frömmigkeit durchdrungen
sind, obgleich sie nicht vollendete poetische Werke ge-
nannt werden können." Er arbeitete, fortwährend
schreibend und predigend, fast bis zu seinem Tode. Er
Heß eine große Familie zurück (sein Vater hatte 32 Ge-
schwister), von denen drei Söhne Geistliche der Ver-
einigten presbyterianischen Kirche waren, aber in der
Blüte ihres Lebens starben.
B. Ebenezer Erskine.* (s. oben.)
Evans, John, Doktor der Theologie (1680—1730, starb mit 50
Jahren). Seine Lebhaftigkeit, war mit großem Scharf-
sinn gepaart, was eine sehr ungewöhnliche Mischung er-
gab. Sein Fleiß war unermüdlich. Er entstammte einer
20*
308 Theologen.
Familie von Geistlichen und zwar seit vier Generationen,
die mit einer Unterbrechung bis zur Reformation noch
hinaufgingen, sechs Generationen im Ganzen.
Qilpin, Bernard (1517—1583, starb mit 66 Jahren). „Der
Apostel des Nordens." Hatte zahlreiche Geschwister.
Er zeigte als Kind außerordentliches Talent und eine
frühzeitige Neigung zu einem ernsten, kontemplativen
Leben; doch wurde er allmählich praktisch und ener-
gisch und blieb deswegen nicht weniger fromm. Er war
sehr beliebt. Zu Beginn seiner Laufbahn litt er unter
religiösen Verfolgungen und wenn die Königin Maria
etwas länger gelebt hätte, hätte er wohl das Martyrium
erlitten. Er blieb während seines ganzen späteren
Lebens Rektor von Houghton und wies einen Bischofs-
sitz zurück. Er gründete eine Schule, sammelte intel-
ligente Knaben um sich, unterrichtete sie und wurde
ihr Freund und Beschützer im späteren Leben. Er hatte
einen außerordentlichen Einfluß auf das wilde Grenz-
volk in seiner Nachbarschaft, in dessen Mitte er sich
furchtlos begab. Er war wohlhabend und freigebig.
Er haßte Klatsch und legte Streitigkeiten bei. Er war
groß und mager, kümmerte sich nicht um Unterhaltungen
und war eher enthaltsam. Er war unverheiratet. Seine
Verwandtschaftsbeziehungen sind gut, aber weitläufig.
gB. Bischof Tonstall, einer der aufgeklärtesten Kirchen-
männer seiner Zeit
NE. Richard Gilpin, Dr. der Theologie von Greystock wurde
durch die Uniformity Act vertrieben.
NEES. William Gilpin („Waldszenen"), ein ausgezeichneter
Pfarrer und guter Schulmeister, war ein (ES) von
Richard und der Biograph von Bernard Gilpin. Ich weiß
nichts über die Zwischenglieder in der Familie; ich
würde gern etwas darüber wissen, denn ich nehme an,
daß das Gilpin-BIut noch andere bemerkenswerte Re-
sultate gezeitigt hat.
G o u g e , Thomas (1605 — 1681, starb mit 76 Jahren), lernte in Eton
und in King's College in Cambridge; 22 Jahre lang Geist-
licher an der St. Sepulchre-Kirche in London. Er entwarf
den Plan, den er eine Zeitlang mit seinen eigenen Mitteln
durchführte, den Armen Beschäftigung durch Spinnen zu
verschaffen, statt ihnen Almosen als Bettlern zu geben. An-
Theologen. 809
dere entwickelten dann diesen Gedanken. Er hatte selbst
ein beträchtliches Vermögen, das er schließlich ganz für
Wohltätigkeit in Wales ausgab, da seiner Ansicht nach
dort mehr Gelegenheit zu Hilfeleistungen vorhanden
war, als sonstwo. Er brachte es zustande, mit der
weiteren Hilfe von Subskriptionen jährlich 800 bis 1000
arme wallisische Kinder zu erziehen und eine Über-
setzung der Bibel ins Wallisische zu veranlassen und sie
zu drucken. Auch mit dem Christ Spital in London gab
er sich viel Mühe. Er war demütig und sanft, frei von
affektiertem Ernst und Grämlichkeit. Im Gespräch war
er umgänglich und munter; er hatte eine wundervolle
Klarheit des Geistes und Ausgeglichenheit des Tempera-
ments, was schon in seinen Zügen sichtbar war; er war
fast immer munter, aber nie melancholisch oder traurig.
Er schien immer der gleiche zu sein, immer zuvor-
kommend und stets tolerant gegen andere Meinungen.
V. William Gouge.* (s. unten.)
(e) Mrs. Meliora Prestley von Wild Hall, Hertford, ein Name,
der die Fortdauer einer frommen Gemütsart in dieser
Familie zeigt. Sie errichtete den Gouges ein Denkmal in
der Blackfriars Kirche, nach dem Brande.
Es gibt noch einen andern hervorragenden Geist-
lichen namens Gouge unter den Dissidenten der 1700
starb und dem zu Ehren Dr. Watts ein Gedicht verfaßte.
Ich weiß nicht, ob er verwandt war.
Gouge, William, Dr. der Theologie (1575—1653, starb mit 78
Jahren), war von seiner Knabenzeit an sehr reUgiös und
ein fleißiger Student in Eton und Cambridge, der bis spät
in die Nacht aufblieb und früh aufstand. Er war in
seinen Gewohnheiten merkwürdig methodisch; wurde
Geistlicher in Blackfriars, einem Stadtteil von London.
Er predigte und lehrte beständig, sehr gewissenhaft in
seiner Zeiteinteilung, mäßig, von freundUcher und
frischer Gemütsart und ein großer Friedensstifter. An-
dächtige Menschen aller Stände bemühten sich um seine
Bekanntschaft. Nach seinem Porträt zu urteilen, war
sein Kopf massiv und quadratisch, der Gesichtsausdruck
wohlwollend und entschlossen. War verheiratet, hatte
sieben Söhne und sechs Töchter; sechs Söhne waren
verheiratet.
310 Theologen.
S. Thomas Qouge* s. oben.
(V.) Thomas, ein frommer Edelmann, der in London lebte.
/. Seine Mutter war „die religiöse Tochter" eines Mr.
Nicholas Culverel, Kaufmann in London; ihre Brüder
waren :
2o. Die Reverends Samuel und Ezekiel Culverel, beide
berühmte Prediger,
{2o.) Ihre beiden Schwestern waren an zwei berühmte Theo-
logen verheiratet, Dr. Chadderton, Rektor des Emma-
nuel College und Dr. Whitaker*, den gelehrten und an-
dächtigen Professor der Theologie in Chambridge.
Qrynaeus, Simon (1493—1541, starb mit 48 Jahren), ein sehr
befähigter und gelehrter Mann; war der Sohn eines
schwäbischen Bauern, dessen Name mir unbekannt ist.
Der Name Qrynaeus ist selbstverständlich ein ange-
nommener. Er war ein Freund und Studienkollege
Melanchthons von der Knabenzeit an. Er wurde Pro-
fessor für Griechisch in Wien und ging dann zum
Protestantismus über. Sein Qlaubenswechsel ver-
wickelte ihn in Sorgen und zwang ihn, Wien zu ver-
lassen; wurde eingeladen, den Lehrstuhl für Griechisch
in Heidelberg zu übernehmen und ging hin, später kam
er nach Basel. Mit 38 Jahren kam er nach England in
erster Reihe, um die Bibhotheken zu besichtigen, von
Erasmus aufs Wärmste empfohlen. Er wurde hier vom
Lord Chancellor Sir Thomas More sehr gut aufge-
nommen. Starb in Basel an der Pest. Sein Anspruch
auf einen Platz in der „Biographica Evangelica" war
seine Güte, seine Liebe zur Reformation und das Ver-
trauen, das die Reformatoren zu ihm hatten.
S. Samuel (1539—1599, starb mit 60 Jahren), erbte die
Fähigkeiten seines Vaters und seine Neigungen zum
Studium, denn er war mit 25 Jahren Professor der Be-
redsamkeit in Basel und später Professor des Zivil-
rechts.
N. Thomas Grynaeus* s. unten.
4N. S. Theophilus, Simon, Johann Jakob* und Tobias. Wegen
all dieser s. unter Qrynaeus.
Qrynaeus, Thomas (1512—1564, starb mit 52 Jahren). Dieser
außerordentliche Mann besaß in hervoragendem Maße
die Zierde eines sanften und ruhigen Geistes. Er wurde
Theologen. 311
von seinem Onkel Simon erzogen und machte solche
Fortschritte, daß er als Jüngling noch öffentlicher Lehrer
in Bern wurde; von hier ging er, ermattet von den theo-
logischen Streitigkeiten des Tages und einen ruhigen
zurückgezogenen Ort zum Studieren suchend, nach Ron-
tela bei Basel als Geistlicher, wo er „seine Pflicht mit
so viel Pflichttreue, so viel feierlichem Ernst und Güte
erfüllte, daß er seiner Herde außerordentlich teuer
wurde und alle ihn liebten, die für die Wahrheit und die
Wissenschaft etwas übrig haben." Er starb an der Pest.
Es scheint nicht, daß er irgend welche Schriften ver-
öffentUcht hat, aber er hinterließ der Kirche einen edlen
Schatz in seinen vier Söhnen:
4S. Theophilus, Simon, Johann Jakob* und Tobias; alle her-
vorragend durch Wissen und Frömmigkeit; doch war
Johann Jakob (s. unten) der bedeutendste von ihnen.
„Er war in der Tat ein brennendes und leuchtendes
Licht. Solch ein Vater und solche Söhne werden nicht
häufig in der Geschichte der Welt angetroffen. Ge-
priesen sei Gott für sie."
O. Simon Grynaeus* s. oben.
OS. Thomas s. oben.
Grynaeus, Johannes Jakob (1540—1617, starb mit 77 Jahren),
folgte seinem Vater als Pfarrer von Rontela, wo er von
den Lutheranern zu den Zwinglianern überging. Wurde
als Professor der Theologie nach Basel berufen, wo er
in der Beilegung der Differenzen zwischen den beiden
Sekten eine glückliche Rolle spielte. Viele Edelleute
und Herren kamen aus anderen Ländern und hausten
mit ihm, um seine angenehme und nutzreiche Konver-
sation zu genießen. Er war dann Professor in Heidel-
berg und zog sich zuletzt als Pfarrer nach Basel zurück.
Er hatte die Gewohnheit, seine Studien Winter und
Sommer vor Sonnenaufgang zu beginnen und den Tag
mit Beten, Schreiben, Lesen und Krankenbesuchen zu
verbringen. Er war bei Unbill von bemerkenswerter
Geduld, war ein äußerst liebender Freund und Ver-
wandter für seine Familie und alle guten Menschen und
von der strengsten Mäßigkeit gegen seine eigene Per-
son. Er hatte viel Witz, der von Ernst gemäßigt war.
Sein bemerkenswertes Wissen und sein Wert wurden
812 Theologen.
von seinen Zeitgenossen geschätzt, und Reisende aus
allen Gegenden, die sich für Religion und Wissen-
schaft interessierten, besuchten ihn beständig. Er
wurde fast blind. Er heiratete und hatte sieben
Kinder, die bis auf eine Tochter alle vor ihm starben.
Ich weiß nichts weiteres über diese interessante
Familie.
OB. Simon Qrynaeus.*
V. Thomas Qrynaeus,* auch /., war eine fromme Frau.
3B. s. unter Thomas Qrynaeus.
So finden wir drei Männer, die in ebenso viel Gene-
rationen von einem einfachen Landmann abstammen
und die durch ihr eigenes Verdienst einen Platz unter
den 196 wertvollen Männern gefunden haben, die Midd-
leton aus zweieinhalb Jahrhunderten als die Besten aus-
gewählt hat; und schließlich noch drei andere aus der
gleichen Familie, die von demselben Schriftsteller mit
Ausdrücken sehr hohen Lobes genannt werden.
Schwäbischer Bauer
i ^ 1
Simon* ?
Samuel Thomas*
Professor in Basel |
I \ \ 1
Theophilus Simon Johann Jakob* Tobias
Quyse, John (1680—1761, starb mit 81 Jahren), ein hervor-
ragender und vortrefflicher Theologe; Pfarrer von
liertford. Seine Gesundheit war schwach, und er war
überarbeitet und hektisch, aber seine Lebenskraft war
bis kurz vor seinem Tode wenig niedergedrückt. Es
war seine dauernde Beschäftigung, alle um sich herum
glücklich zu machen. Er war durchaus liebenswürdig
und hatte viele vorzügliche Eigenschaften eines
Pfarrers.
(V u. V.) Die Eltern waren fromme und edle Menschen.
S. Rev. William; hatte vortreffliche Fähigkeiten und
Talente als Pfarrer, war einige Zeit der Gehilfe seines
Vaters, starb jedoch zwei Jahre vor diesem.
Henry. Philip (1631—1696, starb mit 65 Jahren), wurde in
Theologen. SlS
Westminster und Oxford ausgebildet. Als junger Geist-
licher war er unter dem Namen des „himmlischen Hein-
rich" bekannt. Er weihte seinem Kirchenamt seine
ganze Kraft. Seine Konstitution war aber schwach, ob-
gleich er durch große Sorgfalt in der Ernährung und
Bewegung einen ziemlichen Zuschuß an Gesundheit er-
langte. Er heiratete eine wallisische Dame von einigem
Vermögen und hatte einen Sohn und vier Töchter.
Sein Vater hieß John Henry, der selbst wieder der
Sohn Henry Williams war, indem der Taufname des
Vaters nach alter wallisischer Sitte der Familienname
des Sohnes wurde.
/. Seine Mutter war eine sehr fromme Frau, die sich mit
ihm und ihren anderen Kindern sehr viel Mühe gab.
S. Matthew Henry* s. unten.
Henry, Matthew (1662 — 1714, sarb mit 52 Jahren), war ein
Kind von außerordentlichem Scharfsinn und Frühreife.
Sein Vater sagte von ihm „Praeterque aetatem nil puerile
fuit," nichts war kindUch an ihm, als seine Jahre; war
als Jüngling schwach, aber seine Konstitution kräftigte
sich, als er heranwuchs. Er konnte mit drei Jahren ein
Kapitel aus der Bibel sehr deutUch lesen und einige Be-
merkungen über das, was er gelesen hatte, machen. Er
war sehr andächtig veranlagt. Sein Vater scheute keine
Mühe bei seiner Erziehung. Seine kirchlichen
Arbeiten waren mannigfaltig und groß, erst in Chester,
dann in Hackney. Er schädigte eine von Natur aus kräf-
tige Konstitution durch häufiges und inbrünstiges Pre-
digen und durch übermäßiges Sitzen über seinem
Studium. Er heiratete zweimal und hinterließ viele
Kinder. Solange er lebte, war die Ordnung in seiner
Familie nachahmenswert. Ich weiß nichts weiteres
über sie.
V. Philip Henry* s. oben.
Herbert, Hon. George (1593—1635, starb mit 42 Jahren),
wurde bis zu seinem zwölften Jahre von seiner Mutter
erzogen, kam dann nach Westminster und erwarb sich
hier die Zuneigung aller. Ging später nach Cambridge,
wo er sich sehr auszeichnete und ein Redner an der
Universität wurde. Er war als religiöser Dichter her-
vorragend; er war auch ein vortrefflicher Musiker und
314 Theologen.
komponierte viele Hymnen und Wechselgesänge
zwischen Priester und Gemeinde. Er erwählte eine
kleine kirchliche Stelle, wo er die letzten Jahre seines
Lebens in äußerster Frömmigkeit zubrachte. Seine Ge-
stalt war lang und sehr schlank, aber seine Haltung gut.
Er hatte die Manieren und das Aussehen eines voll-
kommenen Gentleman. Er war schwindsüchtig und
häufigen Fiebern und Krankheiten unterworfen. War
verheiratet, hatte aber keine Kinder, seine Nichten lebten
bei ihm.
V. Ein Mann von großem Mut und großer Kraft, entstammte
einer sehr hohen und sehr ritterlichen Familie. Er war
eine gewichtige Persönlichkeit in Nordwales und war
ein Freund von weitausgebreiteter Gastfreundschaft.
V. Seine Mutter war eine Dame von außerordent-
licher Frömmigkeit und von mehr als weibhchem Ver-
stand.
g. Sir T. Bromley, geheimer Staatsrat unter Heinrich VIII.
B. Der erste Lord Herbert von Cherbury; PoHtiker, Redner,
KavaUer und skeptischer Philosoph.
(2B.) Seine beiden Brüder waren bemerkenswerte Männer,
beide besaßen viel Mut. Der eine war wegen seiner
zahlreichen Duelle renommiert, der andere war ein See-
offizier, der einigen Ruf erlangte und von dem gesagt
wird, daß er noch mehr verdient hätte.
OS. Sir Edward Herbert, Siegelbewahrer unter Karl II.
(s. unter Judges.)
2 0E. Die beiden Söhne der beiden obigen zeichneten sich aus,
der eine wurde ein Präsident des Hauptzivilgerichtshofs,
der andere war Admiral und wurde zum Lord Torrington
ernannt.
Hiddersham, Arthur (1563 — 1632, starb mit 69 Jahren).
Wurde als Baptist erzogen, verließ aber diesen Glauben.
Wurde wegen des Schisma mit 2000 1. Strafe belegt.
Er hielt sich bei vielen FamiUen auf und gewann überall
Achtung und Liebe. Er schwächte seine Konstitution
stark durch die Anstrengungen beim Predigen.
S. Samuel, ein vortrefflicher Mann, den Mr. Matthew Henry
in der Biographie seines Vaters Mr. Philip Henry ehren-
voll erwähnt. Samuel schrieb die Lebensgeschichte von
Arthur Hildersham. Er starb mit 80 Jahren.
Theologen. 315
H o 0 p e r , John, Bischof von Qloucester (1495 — 1554, erlitt das
Martyrium mit 59 Jahren), ursprünglich ein Mönch; be-
kehrte sich während eines Aufenthaltes in Deutschland
zur Reformation. Er bedeutete eine große Errungen-
schaft für sie, denn sein Wissen, seine Frömmigkeit
und sein Charakter hätten jedem Beruf Ehre und Kraft
verliehen. Wurde in Qloucester verbrannt.
(O.) J. Hooper, Vorsteher von St. Alban Hall.
Hospinian, Ralph (1547—1626, starb mit 79 Jahren), ein ge-
lehrter schweizer Schriftsteller,
o. Johann Wolphius, Professor in Zürich.
Je well, John, Bischof von SaHsbury (1522—1571, starb mit 49
Jahren). Dieser große Mann, „der Liebhng und das
Wunder seiner Zeit, das Muster an Heihgkeit, Frömmig-
keit und Theologie" eines der jüngeren von zehn Ge-
schwistern. Er war ein Junge von vielversprechenden
Anlagen, von sanfter und fleißiger Natur und ebensolchem
Temperament. Er wurde in Oxford ausgebildet, wo seine
Erfolge groß waren. Beim Regierungsantritt der Königin
Marie mußte er mit 31 Jahren auf den Kontinent fliehen
und entging nur knapp der Verfolgung. Er kehrte erst
nach ihrem Tode wieder, worauf er von der Königin
EUsabeth zum Bischof ernannt wurde. Er war ein aus-
gezeichneter Gelehrter und hatte sein Wissen wäh-
rend seiner Verbannung noch vergrößert; er war ein
sehr fleißiger Prediger. Als Bischof war er außerordent-
lich liberal und gastfreundlich. Er hatte die Gewohn-
heit, ein halbes Dutzend oder mehr intelligenter armer
Jungen in seinem Hause zu haben, die er ausbildete, und
er unterhielt noch andere auf seine Kosten an der Uni-
.versität. Unter diesen war Richard Hooker. Er war
ein fröhücher und unterhaltender Gastgeber; er hatte
von Natur aus ein sehr gutes Gedächtnis, Sein Körper
war mager und schwach, und er überlastete ihn durch
Lesen, Schreiben, Predigen und Reisen. Seine Schriften
sind berühmt; seine „Apologia" wurde von der Mutter
des Lord Bacon ins Englische übersetzt. Seine Eltern
waren aus alter Familie, aber nicht reich.
n. John Downe* (1576—1633, starb mit 57 Jahren), ausge-
bildet im Emmanuel College in Cambridge. Er
nahm eine kleine College - Pfarre in Devonshire an.
316 Theologen
„Wären seine Mittel seinem Wert entsprechend gewesen,
er wäre nicht in der Dunkelheit geblieben, in der er
lebte, sondern hätte sich ohne Zweifel in einer viel
höheren und extensiveren Sphäre bewegt und dort ge-
leuchtet. . . Die Schärfe seines Geistes, die Sicher-
heit seines Gedächtnisses" (diese Gabe scheint erblich
gewesen zu sein, wie das „Porson" Gedächtnis, das sich
gleichfalls durch die weibliche Linie vererbte), „und die
Richtigkeit seines Urteils verbanden sich in ihm zu einer
seltenen Mischung. Wenige Menschen weisen eine von
diesen drei Eigenschaften im einzelnen in einem so
starken Grade auf, als er sie alle hatte. Seine Sprachen-
kenntnisse waren außerordentüch." Er war sehr ge-
lassen und ruhig, aber cesellig und höflich und ein voll-
kommen guter Mensch und Theologe. Seine Konstitution
war aber gebrechlich. Er war glücklich verheiratet und
hatte mehrere Kinder, die gut gediehen, nach den
Worten zu urteilen: „Sein weltlicher Verstand zeigte
sich ... in der Erziehung seiner FamiUe ... in seiner
Heirat und den Heiraten seiner Töchter."
J u n i u s , Francis (1545—1602, starb mit 57 Jahren). Dieser
außerordentliche Mann war als Kind sehr schwach und
kränklich, wurde aber kräftiger, als er heranwuchs. Er
war merkwürdig schüchtern. Er las gierig, kam als
Student nach der Schweiz, wo er sich zur Reformation
bekehrte und darauf verfolgt wurde. Er war ein ausge-
zeichneter und sehr befähigter Mensch. Viele Lob-
schriften wurden über ihn verfaßt; er starb an der Pest.
Heiratete viermal und überlebte alle seine Frauen, hatte
von allen zusammen nur zwei Söhne und eine Tochter.
V. ein gelehrter und gütiger Mann.
S. Francis, ein sehr liebenswürdiger und gelehrter Mann,
der den größten Teil seines Lebens in England, nament-
lich in Oxford zubrachte.
2 e. Dionysius Vossius, der Orientalist und Isaac Vossius, der
gelehrte Stiftsherr von Windsor. Sie waren die Söhne
einer Tochter von Junius, die den gelehrten Johann
Gerard Vossius heiratete.
K n 0 X , John (1505—1572, starb mit 67 Jahren), ein populärer
Typus puritanischer Bigotterie. In seiner Jugend stu-
dierte er mit Erfolg scholastische Theologie. Wurde
Theologen. 317
als Mann verfolgt und verbannt; heiratete zweimal, hatte
zwei Söhne und drei Töchter.
(2S) Seine beiden Söhne waren Graduierte des St. John
College in Oxford, der Jüngere war Universitätsprediger,
e. Josiah Welch, „der Hüter des Gewissens." Über ihn
und seine Brüder s. unter dem Namen seines Vaters,
John Welch.
Lasco, Jan a (? — 1684), der polnische Reformator. Als die
religiösen Verfolgungen auf dem Kontinent 380 Ver-
bannte nach England brachten, hatten sie ihre eignen Ge-
setze, ihren eignen Kultus und ihren Superintendenten.
Diese Funktion übte a Lasco aus.
B. Ein Diplomat und ein Mensch von beträchtlichen Fähig-
keiten.
O. Jan a Lasco, Erzbischof von Gnesen. Er war es, dem
Erasmus seine Ausgabe der Werke des heil. Ambrosius
widmete.
L e i g h t o n , Robert, Dr. der Theologie. Erzbischof von Glas-
gow (1614 — 1684, starb mit 70 Jahren), wurde in der
größten Aversion gegen die englische Kirche auf-
erzogen; wurde Rektor des College in Edinburg, dann
Erzbischof. Mit 70 Jahren sah er so frisch und wohl aus,
daß das Alter bei ihm stehen gebheben zu sein schien.
Sein Haar war schwarz und a]l seine Bewegungen leb-
haft, aber er wurde von einer Rippenfellentzündung be-
fallen und starb plötzlich.
V. Alexander Leighton, ein schottischer Arzt, der reUgiöse
und poHtische Traktate schrieb, weswegen er vor die
„Star Chamber"*) gebracht wurde. Seine Nase wurde
aufgeschlitzt, seine Augen ausgerissen, er wurde öffent-
lich ausgepeitscht und 11 Jahre gefangen gehalten. Starb
im Wahnsinn.
Math er, Cotton, Dr. der Theologie (1663—1727, starb mit 64
Jahren), wurde in Boston, in Amerika, geboren. War
ein lebhaftes Kind und stets von andächtigen Neigungen;
begann mit 18 Jahren zu predigen. Sein Fleiß und die
Arbeiten, die er ausführte, sind fast unglaubHch; so schrieb
er allein 382 verschiedene Abhandlungen.
*> Ehemaliges Gericht zu Westminster, das nach eigenem Ermessen
itatt nach dem common law urteilte. D. Üb.
318 Theologen.
V und G. Dr. Increase Mather, sein Vater und Mr. Richard
Mather, sein Großvater, waren hervorragende Geistliche,
g. John Cotton war ein frommer und gelehrter Mann.
(S) Samuel; schrieb seine Biographie.
Matthew, Tobie, Dr. der Theologie, Erzbischof von York
(1546—1628, starb mit 82 Jahren). Dieser wirklich große
Mann war eine Zierde seines Zeitalters. In Oxford „er-
langte er seine Grade mit so reifem Wissen und so jung
an Jahren, daß es halb ein Wunder schien." Er war „ein
ganz ausgezeichneter Theologe, in dem Frömmigkeit und
Gelehrsamkeit, Kunst und Natur miteinander wett-
eiferten."
(S) Sir Tobie Matthew „hatte seines Vaters Namen und viele
von dessen natürlichen Talenten, aber wenig von seinen
moralischen Tugenden und noch weniger von der Gnade
seines Geistes, denn er war ein eingefleischter Gegner
der protestantischen ReUgion." Da Middleton sich so
sehr um ihn kümmert, nehme ich an, daß er eine PersÖn-
Hchkeit von Gewicht und Charakter war.
N 0 w e 1 1 , Alexander, Dr. der Theologie. Dekan der St. Pauls-
kirche (1511 — 1601, starb mit 90 Jahren). Wurde im
Brasenose College in Oxford ausgebildet, dessen Gra-
duierter er war und „wo er sehr berühmt wurde infolge
seiner Frömmigkeit und Gelehrsamkeit und wegen seines
Eifers, mit dem er die Reformation förderte." Beim Re-
gierungsantritt der Königin Marie, wurde er von der
papistischen Gegenreformation bedroht, so daß er nach
Frankfurt floh, von wo er nach ihrem Tode als der erste
der englischen Verbannten zurückkehrte. In der Folge
wurden ihm viele und beträchtliche Beförderungen zuteil,
und mit 49 Jahren wurde er Dekan der St. Paulskirche;
dann Rektor von Hadham in Yorkshlre, wo er ein
eifriger, unverdrossener Prediger und ein fleißiger Schrift-
steller wurde. Mit 84 Jahren wurde er zum Vorstand
des Brasenose College gewählt, starb sechs Jahre darauf,
nachdem er sich bis zuletzt des völligen Gebrauchs seiner
Sinne und Fähigkeiten erfreute. Er wird als sehr ge-
lehrter Mann und als vortrefflicher Theologe betrachtet.
Seine Barmherzigkeit gegen die Armen war groß, nament-
lich, wenn sie etwas von einem Gelehrten an sich hatten,
und ebenso groß war sein Trost für jene, die körperlich
Theologen. 319
oder psychisch Htten. Er schrieb viele reUgiöse Werke,
in erster Reihe seinen Katechismus, der sehr ge-
schätzt wurde und den Cecil und andere große Männer
der Nation ihn überredet hatten- zu schreiben, um den
Vorwurf der römischen KathoUken, die Protestanten
hätten keine Prinzipien, zunichte zu machen. Seine
Streitschriften richteten sich alle gegen die Papisten. Er
liebte den Fischfang so, daß er auf seinem Bildnis in
Brasenose von Fischereigeräten umgeben, dargestellt ist
William Whitaker, * Dr. der Theologie (1547—1595, starb
mit 48 Jahren). Wurde von Dr. Nowell erzogen, bis er
an das Trinity College in Cambridge kam, wo er sich
sehr auszeichnete. Er wurde, als er noch ganz jung war,
zum Professor der Philosophie erwählt und übte sein
Lehramt mit der größten Anerkennung aus. Dann be-
gann er, die religiösen Schriftsteller mit Eifer zu studieren
und ging alle Kirchenväter in wenigen Jahren durch. Er
arbeitete mit unglaubHchem Fleiß, überanstrengte aber
seine Kräfte und verlangte zu viel von seiner Konstitution.
Mit 31 Jahren war er wegen seiner theologischen Kennt-
nisse sehr berühmt und wurde bald darauf zum Pro-
fessor der Theologie und Leiter des Queen's College er-
wählt. Mit 38 Jahren trat er in eine Polemik mit den
Papisten, namentUch mit Ballarmine ein. „Er verfuhr
friedfertig, bescheiden und sanft, ohne Hohn, Hänselei,
Grimm, Hinterlist oder heimtückische Sprache, sodaß man
leicht sehen konnte, daß er kein verschmitzter und eigen-
sinniger Parteigänger, sondern ein äußerst eifriger Sucher
nach der göttlichen Wahrheit war." Er war mit einem
sehr scharfsinnigen Geist, einem glückhchen Gedächtnis,
einer großen Beredsamkeit, wie sie nur je ein Theologe
gehabt hat und einem sehr gelehrten und feinem Urteil
ausgestattet. Er war ein frommer, heiliger Mann, von
gleichmäßiger und ernster Haltung und besonders be-
merkenswert wegen seines geduldigen Ertragens von
Unbill. Er war außerordentlich gütig und freigebig, nament-
lich gegen junge arme Studenten. Er war außerordent-
Hch demütig, trotzdem er so hochbegabt und geschätzt
war. Bischof Hall sagte von ihm: „Nie sah ihn ein Mensch,
ohne Ehrerbietung zu empfinden, nie hörte ihn einer,
ohne das Wunderbare seiner Rede zu fühlen." Er war
320 Theologen.
es, der bei einer Bischofszusammenkunft die berühmten
ultra Prädestinations-Qiaubensartikel aufstellte, die so-
genannten „Lambeth-Artikel". Er heiratete in erster
Ehe die mütterliche Tante (o) von William Qouge (s.) und
zum zweitenmal die Witwe des Gelehrten Dr. Fenner
und hatte von diesen beiden Frauen acht Kinder. Es
wäre äußerst interessant, mehr über diese Kinder zu
wissen, namenthch über die von der ersten Frau, deren
Erbhchkeits-Chancen so hoch waren. Sie scheinen, nach
Middletons Satz, „daß sie sorgfältig erzogen wurden in
den Prinzipien der wahren Religion und Tugend", gut
geraten zu sein,* doch weiß ich unglücklicherweise nichts
weiter über sie.
S a u r i n , Jean (1677—1730, starb mit 53 Jahren). Diente in der
Armee als Kadett, doch der Beruf wurde ihm wider-
wärtig, und er verließ ihn, um Philosophie und Theologie
zu studieren. Er lebte fünf Jahre in England. Er war
ein bewunderungswürdiger Altertumskenner und Pre-
diger und lebte heilig und untadelig. Er heiratete und
hatte nur einen Sohn, der ihn überlebte.
(V.) ein hervorragender Rechtsgelehrter in Nimes, der nach
der Widerrufung des Edikts von Nantes Frankreich ver-
lassen mußte.
3B. Sie erhielten ebenso wie Jean von ihrem Vater eine ge-
lehrte Erziehung und waren von einer so bemerkens-
werten Beredsamkeit, „daß Beredsamkeit als erblich
in der Familie galt."
Der Kronanwalt Irlands, der wegen seiner Beredsam-
keit bekannt war, war ein Nachkomme dieser Familie.
U s h e r , James, Dr. der Theologie. Erzbischof von Armagh
(1580 — 1656, starb mit 76 Jahren). Zeigte schon als Kind
eine bemerkenswerte AnhängHchkeit für Bücher und
wurde, als er heranwuchs, ein großer Gelehrter. Er
wurde wegen seiner großen Erudition und wegen seines
weisen und edlen Charakters allgemein bewundert. Er
war ein erstklassiger Mann und spielte in vielen Ange-
legenheiten eine wichtige Rolle. Seine Konstitution war
guterhalten und gesund.
V. Arnold Usher; war einer der sechs Kirchenbeamten in
der Kanzlei des Lordkanzlers in Irland und ein Mann von
Talent und Wissen.
Theologen. 321
O. Henry Usher, gleichfalls Erzbischof vor Armagh, war
wegen seines Wissens und seiner Klugheit hoch ge-
feiert.
g. James Stanihurst; war dreimal Vorsitzender des Unter-
hauses in Irland, Archivar von Dublin und Referent in
der Kanzlei des Lordkanzlers. Wurde wegen seiner
Klugheit und seines Wissens hoch geschätzt.
o. James Stanihurst; war Philosoph, Historiker und Dichter.
B. Ambrose Usher, der in der Blüte seines Lebens starb,
war ein Mann von außerordentlichen Talenten. Er hatte
eine große Fertigkeit in orientalischen Sprachen erlangt.
(2 0.) Der Erzbischof wurde in seiner Kindheit von zwei blinden
Tanten unterrichtet, die die Bibel auswendig wußten und
es so zustande brachten, ihm daraus das Lesen zu lehren.
Geistreiche, standhafte Frauen!
James Usher v/ar daher ein bemerkenswertes Bei-
spiel von vererbter Fähigkeit, die sich mit körperlicher
Kraft vereinte, offenbar ein dauerhafter Typus. Unglück-
Hcherweise heiratete er eine Erbin — eine einzige
Tochter — die gleich vielen anderen Erbinnen eine Un-
zulänglichkeit der Fruchtbarkeit geerbt zu haben schien,
denn sie gebar ihm nur eine einzige Tochter.
Welch, John (1576 — 1623, starb mit 53 Jahren). Er war in seiner
Jugend liederlich und schloß sich Schmugglern an, aber
er bereute und wurde, als er heranwuchs, ein extremer
Puritaner. Das Fleisch an seinen Knien wurde „schwielig
und hart wie Hörn," weil er so viel kniend betete. Er
war sein ganzes Leben hindurch „schrecklich versucht"
und betete und stöhnte des Nachts. Seine Konstitution
war robust, und er ertrug große Anstrengungen. Er
heiratete die Tochter von John Knox* (s. oben) und hatte
drei Söhne von ihr. Der älteste wurde als Jüngling zu-
fällig erschossen.
(S.) Der zweite Sohn erlitt einen Schiffbruch und schwamm
zu einer wüsten Insel, wo er verhungerte und später tot
aufgefunden wurde. Die Leiche war auf den Knien in
einer betenden Stellung erstarrt, mit zum Himmel er-
hobenen Händen.
S. Josiah Welch, der dritte Sohn, war „ein Mann, den Gott
hoch begnadet hatte . . . und den man gewöhnlich den
G a 1 1 o n , Genie und Vererbung. '^l
322 Theologen.
Hüter des Gewissens nannte, da er ein außerordentliches
Talent besaß, das Gewissen der Sünder zu wecken und
aufzuscheuchen." Er war außerordentlich von Zweifeln
über seine eigene Rettung gequält. Starb jung.
W h i t a k e r , William, Dr. der Theologie, s. unter Nowell.*
o. Alexander Nowell,* Dr. der Theologie.
W i 1 k i n s , John, Dr. der Theologie, Bischof von Chester, s.
unter Dod.*
g. John Dod.*
W i t s i u s , Hermann, Dr. der Theologie (1636—1708, starb mit
72 Jahren). Kam in Friesland als Frühgeburt zur Welt
und war immer von winziger Gestalt, hatte aber große
intellektuelle Fähigkeiten. War Professor der Theologie
in Utrecht. Sein Ruhm war in ganz Europa verbreitet
Kurz bis zu seinem Tode konnte er leicht ein griechisches
Testament von kleinstem Druck bei Mondlicht lesen,
(g.) Ein äußerst frommer Geisthcher.
o. Der gelehrte Peter Gerhard.
(2s. 3s.) Seine Familie bestand aus zwei Söhnen, die jung starben,
und aus drei bemerkenswerten frommen und gebildeten
Töchtern.
Die Seniors in klassisclien Studien in Cambridge.
Die Stellung der Seniors in klassischen Studien ist, was ihre
Vollendung in klassischen Studien anlangt, von der gleichen Rang-
stufe, wie die der Senior Wranglers in Mathematik; was ich also
über die Strenge der Auswahl, den letzten Grad mit inbegriffen
(S. 15 ff.) gesagt habe, ist hier genau anwendbar. Ich nehme in
diesem Kapitel die Seniors in klassischen Studien vor und zwar
aus Gründen, die ich S. 214 auseinandergesetzt habe.
Die Examina für klassische Studien wurden 1824 eingeführt.
Von dieser Zeit ab bis zum Jahre 1869 entstanden also sechsund-
vierzig Listen, das Anfangs- und Endjahr eingeschlossen. In neun
Fällen davon sind zwei oder mehr Namen an die Spitze der Liste
als gleich an Verdiensten gestellt; es sind die sechsunddreißig
Namen von jungen Leuten, die deutlich die ersten in klassischen
Studien ihrer verschiedenen Jahrgänge waren. Diese Namen
sind die folgenden: Malkin, Isaacson, Stratton, Kennedy,
S e 1 w y n , Soames, Wordsworth, Kennedy, Lushing-
ton, Bunbury, Kennedy, Goulburn, Osborne,
Humphry, Freeman, Cope, D e n m a n , Maine, Lushington,
Elwyn, Perowne, Lightfoot, Roby, Hawkins, Butler, Brown,
Clark, Sidgwick, Abbott, Jebb, Wilson, Moss, Whitelaw,
Smith, Sandys, Kennedy.
Man wird bemerken, daß in diesen kurzen Reihen der Name
Kennedy nicht weniger als viermal vorkommt und der von
Lushington zweimal. Ich bringe die Stammbäume von diesen
und noch einigen, über die ich Einzelheiten erfahren habe und
deren Namen ich oben gesperrt bringe. Doch möchte ich gleich-
zeitig bitten, mich nicht dahin mißzuverstehen, als ob ich nicht
wüßte, daß auch viele der übrigen durch bedeutende Verwandte
ausgezeichnet sein mögen. Ich habe nicht Sorge getragen, weit-
läufige und peinlich genaue Untersuchungen anzustellen, da die
folgende Liste für meine Zwecke völUg genügt. Es ist '<"'^r, daß
21*
324 Die Seniors in klassischen Studien in Cambridge.
im allgemeinen Deszendenten als Verwandte fehlen müssen, da
der älteste Senior seinen Grad 1824 erworben hat und daher erst
etwa siebenundsechzig Jahre alt ist. Zum größten Teil ist die
Stellung, die den Söhnen zukommt, noch nicht endgültig fest-
gelegt, und die Enkel sind erst kürzHch geboren.
In meiner Liste ist kein einziger Fall mit nur einem be-
deutenden Verwandten. In vier Fällen finden sich zwei oder drei,
nämlich bei Denman, Goulburn, Selwyn und Sidgwick, in allen
anderen Fällen finden sich vier und mehr Verwandte.
Anhang
zu dem Kapitel die Seniors in klassischen Studien in Cambridge.
Von den 36 Seniors in klassischen Studien (die einge-
klammerten sind ausgeschlossen), die seit der Einführung der
Prüfungen im Jahre 1834 diese Auszeichnung erhalten haben,
finden 14 ihren Platz im nachfolgenden Verzeichnis. Die Familie
Kennedy hat den neunten Teil der Gesamtzahl der Seniors bei-
gestellt.
Bunbury, Edward M.; Senior 1833.
gV. Henry, erster Lord Holland, Kriegssekretär.
gR. Der Right Honorable Charles James Fox, berühmter
PoHtiker.
gB. Der zweite Lord Holland; PoHtiker und sozialer Führer.
s. Fox unter Pohtikern wegen der anderen Verwandten,
zu denen auch die Familie Napier gehört.
(V.) General Sir H. E. Bunbury, Komthur des Bathordens.
Butler, Rev. H. Montagu, Dr. der Theologie, Senior 1855;
erster Lehrer in Harrow.
V. Rev, Dr. George Butler, Dekan von Peterborough, vor-
her erster Lehrer von Harrow. Er war 1794 senior
wrangler, in einer Zeit, wo es für hervorragende Bedeu-
tung in klassischen Studien noch keine Zeugnisse gab.
Jedoch war das Amt, das er bekleidete. Beweis genug
für sein Talent auch nach dieser Richtung.
(Q.) Ein Mann von beträchtlichem Talent für klassische
Studien und von literarischen Neigungen. War Vorsteher
einer Schule in Chelsea.
B. Der Rev. George Butler; erster Lehrer am Liverpool
College, erster in klassischen Studien, Oxford.
Die Seniors in klassischen Studien in Cambridge. 326
B. Spencer P. Butler; barrister; wrangler und erster in
klassischen Studien in Cambridge.
B. Der Rev. Arthur Butler; erster Lehrer im Haileybury
College, erster in klassischen Studien in Oxford.
Denmann, Hon. George, Q. C. Parlamentsmitglied, Senior
1842.
V. Erster Lord Denmann; Chief Justice Queens Bench (s.
unter Judges).
G. Arzt, berühmter Accoucheur.
GN. Sir Benj. Brodie, Bartonet, hervorragender Chirurg (s.
Brodie in Naturwiss. und Mathematiker).
Q o u 1 b u r n , Henry. Senior 1835. Er war es, der die außer-
ordentliche Auszeichnung, die S. 21 beschrieben wird, er-
halten hat. Er starb jung.
V. Right Hon. H. Qoulburn, Chancellor of the Exchequer.
(B.) gleichfalls ein befähigter Gelehrter in klassischen Studien.
O. Edward Qoulburn, Sergeant at Law (vornehmster Bar-
rister des gemeinen Rechts). Ein Mensch von wohlbe-
kannter hoher Bildung und Talent.
OS. Rev. E. M. Qoulburn, Dr. der Theologie, Dekan von Nor-
wich; vorher erster Lehrer in Rugby; hervorragender
Prediger.
Hawkins, F. Vaughan; Senior 1854, einer der jüngsten zur
Zeit seines Examens, ist aber bekannt dafür, daß er eine
der größten Anzahl an Noteneinheiten nach dem Protokoll
erhalten hat.
V. Francis Hawkins, Dr. der Medizin, Sekretär des Col-
lege der Ärzte.
O. Edward Hawkins, Dr. der Theologie, Vorsteher des Oriel
College, Oxford.
O. Caesar Hawkins, Leibchirurg der Königin. Diese
Stellung (das blaue Ordensband) ist die höchste, die ein
Chirurg erreichen kann.
QB. Charles Hawkins, Leibchirurg Georg IIL
0. Haiford Vaughan, Professor in Oxford,
g. Sir John Vaughan, Judge; Just C. P. (s. unter Judges).
gB. Rev. Edward Vaughan von Leicester; kalvinistischer
Theologe.
gB. Peter Vaughan, Dekan von Chester; Vorsteher des
Merton College Oxford.
326 Die Seniors in klassischen Studien in Cambridge.
gB. Sir Chas. Vaughan, Außerordentlicher Gesandter in den
Vereinigten Staaten.
gB. Sir Henry Vaughan, nahm den Namen Haiford an, erster
Bart, der wohlbekannte Arzt Georgs III.
gN. Der Rev. Charles J. Vaughan, Dr. der Theologie, gleich-
zeitig mit anderen Senior von Cambridge 1838; hervor-
ragender Gelehrter; Erster Lehrer von Harrow; Erster
GeistHcher an der Temple Kirche; schlug zwei Bischofs-
sitze ab; die strenge Regel, die ich mir auferlegt habe,
nur diejenigen aufzuzählen, die einzige Seniors waren,
hindert mich, Dr. Vaughan einen eigenen Absatz zu
widmen.
Kennedy, Rev. Benjamin. Senior 1827. Viele Jahre hindurch
Erster Lehrer der Shrewsbury Schule; Professor für
Griechisch in Cambridge. In Shrewsbury erzogen, in
welcher Schule er mit 15 Jahren Primus war; mit 18
Jahren errang er den Porson Preis in Cambridge, ehe er
an die Universität kam, und mit 19 Jahren das Pitt Uni-
versitäts Stipendium.
B. Charles Rann Kennedy, barrister, Senior 1831.
B. Rev. George Kennedy, Senior 1834. Viele Jahre
hindurch einer der befähigsten Privatlehrer in Cam-
bridge.
B. Rev. William Kennedy, Schulinspektor. Errang 1835
den Porson-Preis, konnte sich aber nicht an den Prü-
fungen über klassische Studien beteiligen, da er nicht
den vorhergehenden, damals wichtigen, mathematischen
Grad erhalten hatte.
N. W. R. K e n n e d y , Sohn des Obigen. Senior 1868.
N. J. Kennedy, hat die Zeit für diesen Grad jetzt (1869) noch
nicht erreicht.
V, Benjamin Rann Kennedy. Es wird behauptet, daß er
ein vortrefflicher Gelehrter geworden wäre, wenn er die
Gelegenheit dazu gehabt hätte. Hatte ein beträchtliches
poetisches Talent (sein Gedicht auf den Tod der Prin-
zessin Charlotte in Washington in Irvings Skizzenbuch
zitiert). War Vorsteher der König Eduard - Schule in
Birmingham.
G. Ihr Mädchenname war Maddox, eine Dame von beträcht-
lichem intellektuellen und poetischen Talent
g. Hall, Kupferstecher Georg III. Sein Porträt findet sich
Die Seniors in klassischen Studien in Cambridge. 327
in der Vernon Galerie; war ein nicht unbedeutender
Mann in seinem Beruf.
g. liir Mädchenname war Giles; sie war die Tochter einer
französischen Emigrantenfamilie; sie hatte vortreffliche
Fähigkeiten, die noch von anderen Mitgliedern ihrer
Familie geteilt wurden, und zwar:
o. Rev. Dr. Hall, Vorsteher des Pembroke College in Ox-
ford; ein Mann von hohem Wissen in klassischen
Studien.
So. James Burchell. Unter Sheriff von Middlesex fünfund-
vierzig Jahre lang aktiver Judge am Sheriffs Gericht Ein
Mann von hervorragendem geschäftlichen Talent.
oS. William Burchell, äußerst erfolgreicher Geschäftsmann;
Begründer der wichtigen Gesellschaften, wie der ersten
Elektrischen Telegraphen - Gesellschaft und der Metro-
politan - Eisenbahn - Gesellschaft.
Lushington, Edmund. Senior 1832. Professor in Glasgow.
GV. James Law, Bischof von Carlisle, Schriftsteller.
(?B. Der erste Lord EUenborough Chief Justice of the King's
Bench (s. unter Judges).
B. Henry Lushington, vierter seines Jahrgangs in klassischen
Studien, Staatssekretär auf Malta.
B. Franklin Lushington, senior 1846.
B. Charles H. Lushington, Staatssekretär in Indien.
Die vier folgenden stammen aus einer zweiten Ehe,
sie haben das Lushington Blut, aber nicht das der Familie
Law.
O. Stephen Rumbold Lushington, Staatsrat, Gouverneur von
Madras, Schatzsekretär.
(O) General Sir James Lushington, K. C. B.
(O) Charles, im Zivildienst auf Madras, Mitglied des Rats.
OS. Charles Hugh, Staatssekretär in Indien.
Der Zweig der Lushington FamiHe, von welcher Sir
Lushington, Dr. des Civilrechts, der hervorragende ex-
Judge der Admiralitätsbehörde, abstammt, spaltet sich
von demjenigen, den wir eben betrachtet haben, von den
beiden Seniors aus gerechnet in der fünften Generation
nach oben ab. Auch dieser Zweig enthält eine beträcht-
liche Anzahl von Männern mit gehaltvollen Fähigkeiten
und nur sehr wenig andere. Innerhalb dreier Verwandt-
328 Die Seniors in klassischen Studien in Cambridge.
Schaftsgrade zu Sir Stephen Lushington finden sich elf
ausgezeichnete Männer.
Selwyn, Rev. Dr. WiUiam; Senior 1828, Professor der Theo-
logie in Cambridge.
B. Der Bischof von Lichfield, vorher Bischof auf Neusee-
land, 1831 zweiter in klassischen Studien.
B. Sir Jasper Selwyn, Judge, Lord Justice.
h. Miss Selwyn, hervorragend wegen philantropischer Ar-
beiten. (Krimkrieg, „Heim" in Birmingham.)
S i d g wi c k , H., Senior 1859.
B. zweiter in klassischen Studien.
B. Befähigter Kenner des Altertums. Senior der Privat-
lehrer im Merton College in Oxford.
GnS. GOES. und gfoES. Dr. Benson, erster Lehrer am Wel-
linton College ist, wenn auch entfernt, mit den Mr. Sidg-
wick, sowohl mütterücherseits wie auch väterhcherseits,
verwandt, da er der Cousin des ersteren sowohl im
zweiten als dritten Grade ist und Cousin dritten Qrades
des zweiten.
Wordsworth, Rev. Christopher, Dr. der Theologie, Bischof
von Lincoln, Senior 1830. Bezüglich seiner Verwandten
s. unter Dichtern.
O. Der Dichter.
V. Der Vorsteher des Trinity College in Cambridge.
2B. Vortreffliche Gelehrte, der eine Bischof von Dunkeid.
Ruderer.
Ich möchte, was ich über Qeisteseigenschaften geschrieben
habe, durch zwei kurze Kapitel über Muskeleigenschaften vervoll-
ständigen. Niemand zweifelt, daß sich Muskelkraft bei Pferden
und Hunden vererbt, doch ist die Menschheit so bhnd gegen Tat-
sachen und so von Vorurteilen beherrscht, daß ich häufig die Be-
hauptung gehört habe, Muskelkraft sei bei Menschen nicht erb-
lich. Ruderer und Ringkämpfer haben behauptet, ihre Helden ent-
stünden zufällig, sodaß ich es ratsam fand, über diese Materie
Untersuchungen anzustellen. Die Resultate, die ich gefunden
habe, werden noch eine Zufluchtstätte derjenigen ins Wanken
bringen, die darauf beharren, jeder Mensch sei nur eine unabhän-
gige Schöpfung und nicht in physischer, moralischer und intel-
lektueller Beziehung eine reine Funktion von Eigenschaften der
Vorfahren und äußeren Einflüssen.
Was die Ruderer anbelangt, so möge der Leser versichert
sein, daß sie kein unbedeutender Bruchteil der Gesamtheit sind,
keine bloßen Vagabunden und Verirrten neben denjenigen, die
zivilisiertere Wege gehen. Eine wahre Ruderpassion erstreckt
sich über zahlreiche Klassen. Wenn in Newcastle ein großes
Rudern stattfindet, stehen alle Geschäfte still, die Fabriken
werden geschlossen, die Läden sind gesperrt und die Kontore leer.
Die Anzahl der Menschen, auf die dieser Beruf eine gewaltige
Anziehungskraft ausübt, ist sehr groß, und ohne Zweifel befindet
sich unter ihnen ein großer Teil jener, die qualifiziert sind, in
diesem Fach brillante Erfolge zu erringen, und der Anziehung
nachgeben und ihr nachjagen.
Die Informationen zu diesem und dem folgenden Kapitel ver-
danke ich völUg Herrn Robert Spence Watson in Newcastle,
dessen Lokalkenntnis sehr beträchtlich ist und der starke Sym-
330 Ruderer.
pathien zu athletischen Vergnügungen hat. Herr Watson steht
selbst in kontinuierlicher Verbindung mit einer der ersten, ich
glaube fast der ersten Autorität in Bootssachen, einer Person, die
während des letzten Vierteljahrhunderts fast über jede Ruderer-
wettfahrt an die Zeitungen berichtet hat.
Die Liste im Anhang enthält die Namen von fast allen be-
kannten Ruderern, die sich während der letzten 26 Jahre pro-
duziert haben. Sie enthält auch einiges über die Ruderer auf der
Themse, doch sind die Informationen über diese nicht so sicher.
Die Namen sind nicht gesichtet und ausgesucht, sondern es wurden
die besten unter denjenigen gewählt, über die irgend welche ge-
wisse Daten erhälthch waren.
Es ist nicht leicht, die Ruderer zu klassifizieren, da viele von
ihnen selten, wenn überhaupt an Skiff -Wettfahren*) teilgenommen
haben, sondern Mannschaften bei Ruder-Wettfahrten zu zweien,
zu vieren oder sechsen gebildet haben. Ihre Leistungen wurden
jedoch von Herrn Watson und seinem Beisitzer geprüft und
kritisiert und in vier Klassen geteilt.
Ich habe die Namen der schwächsten in ( ) gesetzt und habe
ihnen das Beiwort „mittelmäßig" erteilt. Es sind Männer, die
entweder die Erwartungen, die auf frühere Leistungen gesetzt
wurden, enttäuschten, oder nicht oft genug gerudert haben, um
zu zeigen, welcher Taten sie wirklich fähig sind. Nicht völliges
Versagen ist eingeschlossen. Wenig Dilettanten können, unge-
achtet ihrer Fähigkeiten mit Männern dieser Gruppe wetteifern,
wenn sie von einem berufsmäßigen Mitglied beurteilt werden.
Der nächste aufsteigende Grad ist auch durch ( ) kenntlich
gemacht, doch ohne dem Namen eine quahfizierende Bemerkung
hinzuzufügen. Er besteht aus den regelmäßigen, zuverlässigen
Männern, die gute Ruderergruppen bilden.
Die beiden oberen Grade umfassen die Namen der Männer,
deren Namen ohne Klammern gedruckt sind, die ich also kurz ge-
sagt als „hervorragend begabt" behandle. Um einen Unterschied
zwischen diesen beiden Graden zu machen, füge ich zu den Namen
der Männer, die zu dem oberen Grade gehören, die Wort „Sehr
vortrefflicher" Ruderer hinzu.
Es lassen sich nur rohe Andeutungen darüber machen, in
welche Klasse meiner Tafel der natürüchen Gaben S. 33 die vier
Qrade fallen würden. Ich habe nur zwei Anhaltspunkte. Einmal
-*) Einzel-Ruderpartien. D. Üb.
Ruderer. 331
weiß ich, daß in der ersten Hälfte des Jahres 1868 der Tyne
Amateur Ruderer Klub, der die wichtigste Einrichtung dieser Art
für den Norden Englands ist, seit 15 Jahren existierte und im
ganzen 377 Mitglieder umfaßte, daß drei von ihnen, nach dem ver-
gleichenden Urteil von Liebhabern als Skiff Ruderer das Ausge-
zeichnete noch übertroffen haben, und daß der beste der drei als
ebensogut oder vielleicht noch etwas besser betrachtet wurde,
als der letzte der Brüder Matfin, der offenbar als „vortrefflicher
Ruderer" rangiert.
Der andere Anhaltspunkt ist die wohlerwogene Meinung der
Autoritäten, denen ich das Material für dieses Kapitel verdanke,
daß nicht 1 Mann unter 10 als Ruderer selbst zu dem niedrigeren
der beiden Grade, die in meinem Anhang in Klammern gesetzt,
gehören würde, und daß nicht 1 von 100 Ruderern Vortrefflichkeit
erlangt. Unter 1000 besitzt also nur 1 Mann die Qualifikation zu
einem vortrefflichen Ruderer.
Zwischen diesen beiden Anhaltspunkten besteht eine rohe
Übereinstimmung. Ein Rudererklub besteht teilweise aus
Männern, die bereits einer natürlichen Auslese unterworfen waren.
Es sind keine Männer dabei, die in bezug auf ihre Kräfte als Ru-
derer zufällig aufgegriffen wurden. Ein großer Teil ist ohne
Zweifel einfach aus der Gruppe derjenigen ausgehoben, die über-
haupt geneigt oder fähig sind, einem Klub beizutreten, aber es
muß auch immer eine beträchtliche Anzahl von solchen darunter
sein, die sich dem Klub nicht anschließen würden, wenn sie nicht
das Bewußtsein hätten, Neigungen und Gaben zu besitzen, die sie
für den Erfolg beim Wassersport qualifizieren. Der beste Ru-
derer von 377 Männer zu sein, die einen Ruderer-Klub bilden, ist
mehr als der beste von 377 zufällig zusammengerafften Männern
sein. Es wäre der Wahrheit entsprechender, zu sagen, daß damit
die besten von allen jenen gemeint sind, die einem Klub beitreten
können, d. h. die geneigt sind, es zu tun und wünschenswerte Mit-
glieder sind. Aus diesen Gründen (s. auch meine Bemerkungen
S. 13) ist es eine sehr mäßige Schätzung, wenn wir den Satz auf-
stellen, daß von 1000 Männern nur einer die Qualifikation eines
Ruderers hat.
Der „sehr vortreffliche" Ruderer repräsentiert meiner An-
sicht nach eine bedeutend engere Auslese, aber ich habe in der
Tat keinerlei Daten, auf welche sich eine Schätzung stützen
könnte. Viele Männer, die finden, daß sie keinen höheren Rang
als „Vortrefflichkeit" erreichen können, würden das unprofitable
332 Ruderer.
Betreiben von Ruderer-Wettfahrten unterlassen und sich regel-
mäßigeren und, wie manche sagen würden, ehrenvolleren Be-
schäftigungen zuwenden. Wir können uns nicht um mehr als einen
halben Grad irren, wenn wir die „vortrefflichen" Ruderer schließ-
lich noch in bezug auf ihre Ruderer-Fähigkeit als in Klasse F der
natürlichen Gaben fallend betrachten, während die „sehr vortreff-
lichen" Ruderer gut hineinpassen.
Ich beabsichtige nicht irgend welche Bemühungen zu machen,
die Verwandten dieser Gruppe zu analysieren, denn die Daten sind
unadäquat. Der Rudersport wurde in früheren Zeiten vergleichs-
weise wenig betrieben, sodaß wir nicht erwarten können, unter
den Ruderern mit Sicherheit auf Eigentümlichkeiten der Vorfahren
zu stoßen. Andererseits sind die erfolgreichsten Ruderer meist
einzelne Männer, und einige der besten haben keine Kinder. In
dieser Hinsicht ist es wichtig, sich der häufigen Trainings zu er-
innern, die sie durchmachen. Mr. Watson nannte mir einen wohl-
bekannten Mann, der sich für eine ungeheure Anzahl von Wett-
fahrten trainiert hat und der während jedes Training durchaus ent-
haltsam und von erstaunlicher Gesundheit war um dann, wenn die
Prüfung vorüber war, gewöhnlich zusammenzubrechen und, ohne
große Exzesse zu begehen, wochenlang in einen trunkenen Zu-
stand zu geraten. Das ist nur zu oft die Geschichte dieser
Männer.
Im Anhang finden sich nur drei Familien, von denen jede mehr
als einen vortrefflichen Ruderer enthält; es sind die Familien
Clasper, Matfin und Taylor, während die Gesamtzahl der Ver-
wandten des befähigsten Mitglieds jeder Familie 8 B. und 1 S.
beträgt.
Bei den FamiHen der Ruderer scheinen bis auf einen Fall, der
erwähnt ist, keine Wechselheiraten zu bestehen; in der Tat
herrscht viel Neid zwischen den rivalisierenden FamiUen.
Anhang zu dem Kapitel Ruderer.
„Ich habe nicht ausgesucht und ausgewählt, sondern einfach
alle besten Männer genommen, über die ich etwas erfahren
konnte." Zitat aus dem Briefe von Mr. Watson.
18 Männer, deren Namen gesperrt gedruckt sind, werden als
Beispiele vererbter Begabung beschrieben. Bei den 3 übrigen
ist es nicht der Fall.
C a n d 1 i s h , Chambers, 5 Clasper, Coombes,
Ruderer.
333
Cooper, Kelly, Maddison, 2Matfin,Renforth,Sadler,
5 Taylor, Winship.
C a H d 1 i s h , James, ein Mann von der Tyne, heiratete die
Schwester von Henry Clasper; hatte keine Kinder.
(B) Thomas, ein guter aber kein großer Ruderer. Er fun-
gierte stets in einer Mannschaftsgruppe. Unverheiratet.
(B) Robert, mäßig gut, hat nicht sehr oft gerudert.
Clasper, Henry, sehr vortrefflicher Ruderer. Ist das hervor-
stechendste MitgHed einer sehr großen und bemerkens-
werten FamiHe von Ruderern. Er war viele Jahre An-
führer einer vierköpfigen Ruderergruppe, und häufig be-
stand die ganze Besatzung, der Bootsführer mitinbe-
griffen, aus Mitgliedern der Familie Clasper. 8 Jahre
lang gewann die Besatzung die Meisterschaft auf der
Tyne. Sechsmal ruderte Henry Clasper als erster der
Gruppe und gewann die Meisterschaft auf der Themse.
Coombes erklärte ihn als den besten Gruppenführer, der
je gerudert hat. Bis zum Jahre 1859, wo er 47 Jahre alt
war, hatte er als Anführer bei Wettfahrten zu zwei oder
vier 78 mal gerudert, und seine Mannschaft hatte 54 mal
gesiegt. Er hatte sich auch 32 mal bei Skiff Wettfahrten
beteiligt und hatte 20 davon gewonnen, und war die
beiden einzigen Male, wo er sich an Wettfahrten in
Schottland beteihgt hatte, Sieger gebUeben. Fast alle
diese Wettfahrten hatten eine Ausdehnung von vier bis
viereinhalb Meilen. Er erfand den Outrigger (langes
schmales Wettruderboot) und war ein sehr erfolgreicher
Wettbootsbauer.
Die Familie Clasper
(Edward Hawks)
= Clasper ein =rr: .1
j K.hlen-
I bootsführer
Henry"
\ I \ \ \ I
(Wm.) (Edw) Robert Richard* John* (Thomas)
I I ertrank
John Andere
Hawks* (Noch jung)
Ein guter junge
Ruderer Kinder
Die mit * bezeichneten Namen bedeuten sehr vortreffliche Ruderer, die
in 0 sind gleichfalls im Text angeführt.
334 Ruderer.
S. John Hawks Clasper, sehr vortrefflicher Ruderer. Hat
mehr Skiff Wettfahrten mitgemacht als irgend ein Mensch.
Als er 76 solcher Wettfahrten hinter sich hatte, hatte er
50 davon gewonnen. Er hat Brüder, aber sie sind noch
zu jung, um ihre Talente zu zeigen.
B. Richard Clasper, sehr vortreffhcher Ruderer, bekannt
als „das kleine Wunder". War im Alter von 37 Jahren
nur 5 Fuß 2 Zoll hoch und wog 8 Stein 6 Pfund. Trotz-
dem war er vorderster Mann in der Besatzung des
Bruders und zwar ein selten guter. Er hat viele Skiff-
Wettfahrten mit erstklassigen Männern gemacht und ist
selten einmal geschlagen worden, doch ist er zu leicht,
um sich um die Meisterschaft zu bewerben.
B. John Clasper, sehr vortrefflicher Ruderer, ertrank als er
noch jung war (mit 19 Jahren). Er hat verschiedene
kleine Wettfahrten gewonnen und einen wichtigen gegen
einen Mann namens Graham und seine feine Art und
Weise und die vortrefflichen Leistungen (in Anbetracht
seines Alters) bewirkten, daß er als ein Ruderer von
außerordentlichen Versprechungen betrachtet wurde.
B. Robert Clasper, befähigter Ruderer.
(N) Sohn des obigen, ist ein guter Ruderer.
(B) William, hat nie anders als in einer Besatzung gerudert,
er ist kürzlich ertrunken.
(B) Edward, hat den Nachteil, ein Bein verloren zu haben.
(B) (Halbbruder) Thomas, mittelmäßig gut.
(o) Edward Hawks, ein guter Ruderer.
Der Vater der Brüder Clasper war ein Kohlenboot-
führer,
C 0 0 m b e s , Robert; sehr vortrefflicher Ruderer.
(S.) David, ein guter Wettruderer.
(B.) Themas, hat immer in einer Besatzung gerudert.
C 0 0 p e r , Robert.
(S.) Rudert gut, ist aber noch nicht alt genug, um sich an
Wettfahrten zu beteiligen.
M a d d i s 0 n , Antony.
(B.) James, ein guter Ruderer.
M a t f i n , Thomas. Unverheiratet.
B. William, unverheiratet.
Ruderer 335
Renforth, James; Meisterruderer von England. Unver-
heiratet.
(B.) Stephen; ein guter Ruderer, unverheiratet.
S a d 1 e r , Joseph. Unverheiratet.
(B.) Wilham. Unverheiratet.
Taylor, James. Sehr vorzüglicher Ruderer, der fähigste aus
einer bemerkenswerten FamiHe. Er hat 112 mal sich an
Wettfahrten beteiligt, allein und in Gruppen. 13 dieser
Fahrten waren Skiff - Wettfahrten , und er gewann 10
davon.
B. Matthew, ein guter Ruderer. (Er hat einen Sohn, der
ein gewandter Ruderer ist, aber noch zu jung für Wett-
fahrten.)
3B. Thomas, WiUiam und John, alle gute Ruderer; haben
nur in Gruppen gerudert. Alle unverheiratet.
Winship, Edward; sehr vortrefflicher Ruderer. Ist kein
Skiff - Ruderer, sondern ruderte stets zu zweien oder
vieren. Er gehörte zu der Besatzung, die 1854, 1859,
1861 und 1862 bei der Themse National Regatta den
„Champion Fours" gewann und den Champion Pairs der
gleichen Regatta 1855, 1856, 1860, 1861 und 1862.
(B.) Thomas; ein guter Ruderer, gleichfalls in Gruppen.
Ringkämpfer aus dem Norden.
Für die Informationen in diesem sowie im vorhergehenden
Kapitel bin ich Mr. Robert Spence Watson völlig verpflichtet.
Mit der Unterstützung eines gutinformierten Meisterringers hat
dieser Herr die Geschichte jener von den 172 Mann untersucht,
die entweder Erste oder Zweite in Carlisle oder Newcastle seit
der Einrichtung des Meisterringens an diesen Orten waren und
über die irgend etwas zu erfahren war. Das erste dieser Meister-
ringen fand 1809, das zweite 1839 statt.
Es ist außerordentlich schwer, die Leistungen der Vorfahren
der jetzigen Generation zu schätzen, da es in früheren Zeiten
kaum Preise gab. Die Wettkämpfe wurden einfach um der Ehre
willen veranstaltet. Wir dürfen nicht erwarten, die Begabung
der Vorfahren bei den Ringkämpfern besser beschreiben zu
können, als bei den Ruderern.
Ich füge noch hinzu, daß ich verschiedene Versuche gemacht
habe, Nachrichten über Ringkämpferfamilien in den Seedistrikten
von Westmoreland und Cumberland zu erlangen, jedoch ohne
jedweden Erfolg. Bei den jährlichen Zusammenkünften in Kewick
und Bowness scheinen keinerlei Protokolle aufgenommen worden
zu sein, und die Ringkampferfolge der früheren Jahre sind aus der
Erinnerung gekommen.
Mein Anhang weist achtzehn Familien auf, die zusammen
sechsundvierzig Ringkämpfer umfassen. Die Verwandten des
befähigsten Ringkämpfers der Famihe sind zusammengenommen
1 V., 21 P., 7 S. und 1 n.
Anhang
zu dem Kapitel Ringkämpfer aus dem Norden.
Blair, Matthew; gewann 1859 den Decies- Preis von New-
castle, 1862 Meister in Newcastle der Elf Stein-Männer.
Ringkämpfer aus dem Norden. 337
B. Robert; gewann 1857 den Decies- Preis in Newcastle.
B. Joseph; gewann 1861 den Decies -Preis; 1862 zweiter
Elf Stein-Mann in Newcastle und 1863 in Carlisle.
Daley, Charles; Meister 101/2 Stein, Newcastle 1839.
B. John, 2ter Zehn Stein-Mann Newcastle 1840 und 1842.
(B.) William; mäßig gut.
Ewbank, Noble; 1858, 1859, 1860 Meister in allen Gewichten
in Newcastle, 1859 Meister der Haumänner in New-
castle, 1858 Meister in allen Gewichten in CarHsle.
V. Joseph; Meister in allen Gewichten in Newcastle 1847.
(B.) Joseph; nur ein zweitklassiger Ringkämpfer.
Qlaister, William; Meister Newcastle 11 Stein 1850, 1851
Newcastle 2ter in all?n Gewichten, 1856 Carlisle 2ter in
allen Gewichten.
B. George; sehr gut.
Golightly, Frank; ein berühmter Ringkämpfer im letzten
Jahrhundert.
B. Tom; Meister von Melmerby.
G o r d o n , Robert; 1836 und 1846 in Carlisle Meister in allen Ge-
wichten, 1837, 1839, 1840, 1845 und 1848 2ter, 1846 Meister
in allen Gewichten in Newcastle.
B. William, ein guter Ringkämpfer.
(B.) Thomas; leidlich gut.
n. Robert Lowthian; Meister in leichten Gewichten New-
castle 1855 und 1860.
Harrington, Joseph ; Meister in leichten Gewichten in New-
castle 1844, 1853 und 1854. Meister in 11 Steinen New-
castle 1855, 2ter in allen Gewichten 1845 Newcastle.
B. Charles; Meister in leichten Gewichten Newcastle 1848,
2ter 1849.
S. James Scott.
Irving, George; Meister in allen Gewichten Carlisle 1827 und
1828.
S. George; sehr guter Leichtgewicht-Kämpfer.
Ivison, Henry; ein erstklassiger Mann, aber in früherer Zeit,
als die Konkurrenz weniger streng war als heute.
S. John; 2ter in allen Gewichten in Newcastle 1842, Meister
in 101/2 Stein Newcastle 1844; 2ter 91/2 Stein in New-
castle 1850.
S. Henry; 2ter leichte Gewichte Newcastle 1852, dito 2ter
Elf Stein-Mann 1856.
Galton, Genie und Vererbung. 22
338 Ringkämpfer aus dem Norden.
(S.) James.
Jamieson, James; Meister in Leichtgewichten Carhsle 1838.
Zweimal Meister in allen Gewichten im gleichen Jahre;
2ter llVo Stein Newcastle 1843 und 10y2 Stein 1845.
3B. Robert, William und George. Alle gute Ringkämpfer.
Sie gewannen alle Preise in Brampton, so daß die Ring-
kämpfe hier aufgegeben wurden. Sie forderten in Eng-
land nur vier Mann mit ihren Gewichten heraus.
Little, John; Meister in allen Gewichten Carlisle.
B. James, 2ter in allen Gewichten, Carhsle 1834.
Long, Rowland; 30 Jahre hindurch Ringkämpfer, gewann
nahezu 100 Preise.
B. John; der beste Ringkämpfer in Carhsle.
Lowthian s. Gordon.
Nichol, John; 2ter in allen Gewichten Carhsle 1832 und 1836.
(B.) James; ein guter, wenn auch kein erstklassiger Ring-
kämpfer.
Palmer, John; Meister in allen Gewichten in Carlisle 1851 und
Meister in Leichtgewichten im gleichen Jahre, ein sehr
ungewöhnlicher Erfolg.
2B. Matthew und Walter; Zwillinge, beide sehr gut; keine
Meister, aber häufig zweite bei großen Wettspielen.
Robley, Joseph; ein sehr guter Ringer.
B. John, ebenfalls ein guter Ringer.
S. William; 2ter in allen Gewichten 1848 Newcastle; Meister
Hochsteinwerfen 1852.
Robson, Thomas; Meister in aUen Gewichten 1857 Newcastle;
Meister 11 Steine 1858.
B. William, gleich gut.
Tinian, John; Meister in Penrith. Als Ringer, Boxer, Läufer,
Springer, Stockfechter und Fußballspieler hatte er nicht
seinesgleichen. War der größte Held in athletischen
Übungen, den England je hervorbrachte. „Wrestliana"
von W. Litt (der selbst ein vorzüghcher Ringer war)
Whitehaven 1823.
B. Job; kam fast seinem Bruder gleich; er besiegte WilHam
Richardson, der später 240 Gürtel gewann und Meister
war.
S. John, ein bemerkenswert guter Ringkämpfer.
S. Joseph; ein kräftigerer Mann als sein Vater.
Ringkämpfer aus dem Norden. 339
(2 S.) Die anderen Söhne waren gute Ringer, aber nicht so be-
merkenswert
Tweddell, Joseph; Meister 10 Steine Newcastie 1842; 2ter
dito 1841, Meister 111/2 Steine Newcastie 1843.
B. Thomas; Meister 10 Steine Newcastie 1841.
B. Richard, 2ter 111/2 Steine Newcastie 1841.
B. William; 2ter 10^/2 Steine Newcastie 1846.
Wearmouth, Launcelot; Meister in 11 Steinen Newcastie
1860.
B. Isaac; 2ter 91/2 Steine in Newcastie 1859.
22*
Vergleich der Resultate.
Wir wollen jetzt unsere zerstreuten Resultate nebeneinander
stellen, um sie zu vergleichen und um nach dem Qrade, mit dem
sie einander verstärken, zu beurteilen, wie weit sie die proviso-
rischen Berechnungen, die in dem Kapitel über die Judges nach
knapperen Daten aufgestellt wurden, bestätigen, und wo und
warum sie einen Gegensatz zu diesen bilden.
Die Anzahl der Fälle von vererbtem Genie, die ich in den
verschiedenen Kapiteln meiner Arbeit analysiert habe, ergeben
eine große Anzahl. Ich habe mich mit nicht weniger als 300
Familien beschäftigt, die ungefähr 1000 hervorragende Männer
umfaßten, von diesen wieder waren 415 berühmt, oder auf alle
Fälle so bekannt, daß sie es verdienten, an die Spitze eines Para-
graphen gestellt zu werden. Wenn es so etwas gibt, wie ein
entschiedenes Verteilungsgesetz der Begabung in Familien, so
muß es sich bei der statistischen Bearbeitung einer so großen An-
zahl von Beispielen manifestieren.
Wollen wir die Resultate vergleichen, die wir aus den ver-
schiedenen Gruppen hervorragender Männer gewonnen haben,
so wird es am bequemsten sein, die Kolonnen B der verschiedenen
Tafeln zu vergleichen. Die Kolonne B. gibt die Anzahl der be-
deutenden Verwandten verschiedener Grade an, wobei stets die
Voraussetzung gemacht wird, daß die Anzahl der Famihen in der
Gruppe, auf welche sie sich bezieht, 100 beträgt. Alle Ein-
tragungen unter B. haben also den gleichen gemeinsamen Maß-
stab, sie sind alle prozentual und gestatten einen direkten
Vergleich. Ich hoffe mich klar ausgedrückt zu haben: damit aber
keinerlei Mißverständnis möglich sei, will ich lieber ein Beispiel
bringen. So zählen wir nur 25 Familien von Theologen und in
diesen 25 Familien 7 hervorragende Väter, 9 Brüder und 10
Söhne. Um nun diese Ziffern zu den Prozentsätzen 7, 9 und 10
Vergleich der Resultate.
341
ZU erheben, müssen sie mit der Zahl multipliziert werden, die bei
der Division von 25 in 100 herauskommt, nämlich mit 4. Sie ver-
wandeln sich dann in die Ziffern 28, 36 und 40 und finden sich
auch so in der Kolonne B. S. 297 eingetragen, die ursprünglichen
Zahlen 7, 9, 10 erscheinen in der gleichen Tafel unter Kolonne A.
In der folgenden Tafel finden sich die Kolonnen B. der ver-
schiedenen Gruppen nebeneinander abgedruckt. Ich habe jedoch
Getrennte
Gruppen
Alle Gruppen
zusammen
Anzahl der Familien
von denen jede mehr
aiseinen hervorragen-
85
39
27
33
43
20
28
25
300
den Mann besitzt.
Totalanzahl der her-
vorragenden Männer
in allen diesen
262
130
89
119
148
57
97
75
977
Familien
T3 <U
3 "*-■
t/5
O)
c
c
^
a3
c
Berühmte und
<u
3
•-3
q3
tiJ CD
2 «
B.52
o
Q
c
:3
hervorragende
Männer aller
Klassen
B
B
B
B
B
B
B
B
B 1 C 1 D
Vater
26
33
47
48
26
20
32
28
31
100
31
Bruder
35
39
50
42
47
40
50
36
41
150
27
Sohn
36
49
31
51
60
45
89
40
48
100
48
Großvater
15
28
16
24
14
5
7
20
17
200
8
Onkel
18
18
8
24
16
5
14
40
18
400
5
Neffe
19
18
35
24
23
50
18
4
22
400
5
Enkel
19
10
12
9
14
5
18
16
14
200
7
Urgroßvater
2
8
8
3
0
0
0
4
3
400
1
Großonkel
4
5
8
6
5
5
7
4
5
800
1
Cousin
11
21
20
18
16
0
1
8
13
800
2
Großneffe
17
5
8
6
16
10
0
0
10
800
1
Urenkel
6
0
0
3
7
0
0
0
3
400
1
alle weiter entfernt
Verwandten
14
37
44
15
23
5
18
16
31
?
342 Vergleicli der Resultate.
Maler und Musiker in eine gemeinsame Künstlergruppe gebracht,
da ihre Anzahl zu klein ist, um die Mühe der einzelnen Betrach-
tung zu verlohnen. Diesen Kolonnen ist eine neuerliche Ko-
lonne B. beigefügt, die aus der Gesamtzahl aller Familien zu-
sammen gewonnen ist, mit der Absicht, einen allgemeinen Durch-
schnitt zu geben, und weiter habe ich dieser Kolonne, die ihr an-
gemessenen Kolonnen C. und D. beigefügt, weniger zum speziellen
Gebrauch in diesem Kapitel, als zur Bequemlichkeit des Lesers,
der vielleicht nach den verschiedenen Gesichtspunkten, die D. er-
möglicht, Vergleiche mit den anderen Tafeln anzustellen wünscht.
Die allgemeine Gleichförmigkeit der Befähigungsverteilung
unter den Verwandten in den verschiedenen Gruppen manifestiert
sich schlagend. Die hervorragenden Söhne sind fast unveränder-
lich zahlreicher als die hervorragenden Brüder, und diese wieder
ein wenig zahlreicher als die hervorragenden Väter. Wenn wir
die Tafel weiter abwärts verfolgen, kommen wir zu einer plötz-
lichen Abnahme der Zahlen im zweiten Verwandtschaftsgrad,
nämUch an Großvätern, Onkeln, Neffen und Enkeln; diese Ab-
nahme wird sichtbar beim Übergang zu Kolonne D., deren Be-
deutung schon S. 83 — 85 beschrieben wurde. Nimmt man die Ver-
wandten dritten Grades vor, so trifft man wieder auf eine plötz-
liche Zahlenabnahme, doch nehmen die direkten Cousins eine ent-
schieden bessere Stellung ein als die anderen Verwandten inner-
halb dieses Grades.
Wir bemerken ferner, daß ebenso wie die proportionale An-
zahl der hervorragenden Verwandten verschiedener Grade in
allen diesen Gruppen streng übereinstimmt, auch die Proportion
der Gesamtanzahl der berühmten Männer (415 an Zahl) eine
spezifisch allgemeine Übereinstimmung mit jenen Ziffern aufweist,
die wir aus der großen Unterabteilung von 109 Judges erhalten
haben. Es kann daher kein Zweifel darüber bestehen bleiben,
daß ein Gesetz der Verteilung von Befähigung in Famihen
existiert, oder darüber, daß es ziemlich genau durch die Zahlen
in Kolonne B. unter der Zusammenfassung „Hervorragende
Männer aus allen Klassen" ausgedrückt ist. Ich halte es jedoch
nicht der Mühe wert, ein Diagramm wie auf S. 84 aufzustellen,
das aus der Kolonne D. der umstehenden Tabelle abzuleiten wäre,
da wenig Zusammenhang zwischen den Eintragungen in C. be-
steht, mit deren Zuhilfenahme diese Kolonne kalkuliert worden
ist. Als ich meine Untersuchungen begann, versuchte ich in der
Tat, mir für C. reale und nicht geschätzte Daten zu verschaffen,
Vergleich der Resultate. 343
indem ich die Totalanzahl von Verwandten jedes Grades jedes
berühmten Mannes und ebenso jener, die hervorragende Be-
deutung erlangt haben, untersuchte. Ich quälte mich lange Zeit
mit dem Suchen nach Biographien, fand aber die Resultate zu der
aufgewandten Mühe sehr unproportioniert. Da außerdem an den
erhaltenen Resultaten immer Zweifel mögüch waren, gab ich die
Arbeit auf und begnügte mich mit der rohen, aber raschen Methode
der geschätzten Durchschnitte.
Es wäre ernstlich zu wünschen, daß Tierzüchter Tafeln wie
die meinigen über die Verteilung der verschiedenen hervor-
tretenden physischen Eigenschaften in Familien aufstellten. Das
Resultat würde weit mehr bieten, als die reine Befriedigung einer
Neugier; sie würden Konstante für Formeln ermöglichen,
durch welche, wie ich im nächsten Kapitel kurz zeigen werde,
die Gesetze der Vererbung, wie sie jetzt verstanden werden, aus-
gedrückt werden könnten.
Stellt man die Kolonnen B. der verschiedenen Gruppen ein-
ander gegenüber, so fällt einem als erste bemerkenswerte Eigen-
tümlichkeit die geringe Anzahl von Söhnen bei den Feldherren
in die Augen; es sind nur 31, während der Durchschnitt aller
Gruppen 48 beträgt. Diese Unregelmäßigkeit ist keine Anomalie.
Ich habe schon, als ich von den Feldherren sprach, darauf hin-
gewiesen, daß sie gewöhnUch ihre aktive Karriere in der Jugend
beginnen und, wenn sie überhaupt heiraten, meistens von ihren
Frauen getrennt im Militärdienst sind. Es verlohnt auch der
Mühe, einige spezielle Fälle herauszuheben, wo den Feldherren,
die eine schlechte Nachkommenschaft hatten, außerordentliche
Umstände im Wege standen, da die Totalziffer von 32, die ich
in meiner Liste anführe, zu gering ist, um auf diese Weise Re-
sultate von bestimmbarem Wert zu erhalten. So war Alexander
der Große fortwährend in entfernte Kriege verwickelt und starb
in frühem Mannesalter. Er hatte einen posthumenSohn, aber dieser
wurde als Knabe aus pohtischen Gründen ermordet. Julius
Caesar, ein außerordentlich liederlicher Mann, hinterließ einen
illegitimen Sohn von Cleopatra, doch dieser Sohn wurde als
Knabe aus politischen Gründen ermordet. Nelson heiratete eine
Witwe, die von ihrem ersten Gatten keine Kinder hatte und die
wahrscheinlich von Natur aus mehr oder weniger unfruchtbar
war. Napoleon I. lebte völlig von Marie Luise getrennt, nachdem
sie ihm einen Sohn geboren hatte.
Obgleich also die großen Feldherren wenig unmittelbare
344 Vergleich der Resultate.
Nachkommen haben, ist doch die Anzahl ihrer hervorragenden
Enkel ebenso groß, als die irgend einer anderen Gruppe. Ich
schreibe diesen Umstand der Superiorität ihres Schlages zu, die
einer ungewöhnlichen großen Proportion ihrer Verwandten her-
vorragende Bedeutung sichert.
Die nächste außerordentliche Eintragung in der Tafel ist die
Anzahl der hervorragenden Väter der großen Naturwissenschaft-
ler und Mathematiker im Vergleich mit deren Söhnen, da nur 26
der ersteren 60 der letzteren gegenüberstehen, während der
Durchschnitt aller Gruppen 31 und 48 ergibt. Ich habe bereits
versucht, diesem Umstände Rechnung zu tragen, indem ich ein-
mal zeigte, daß Naturwissenschaftler und Mathematiker viel der
Erziehung und dem Blut ihrer Mütter verdanken und daß zweitens
der erste in der Familie, der wissenschaftliche Begabung hat,
nicht annähernd so leicht hervorragende Bedeutung erlangen
kann als der Nachkomme, dem gelehrt wird, Wissenschaft als
Beruf zu ergreifen und nicht seine Kräfte in unfruchtbaren Spe-
kulationen aufzureiben.
Die nächste Eigentümlichkeit in der Tafel ist die geringe An-
zahl hervorragender Väter in der Gruppe der Dichter. Diese
Gruppe ist jedoch zu wenig umfangreich, um dieser Abweichung
viel Wichtigkeit beizulegen; es kann ein reiner Zufall sein.
Die Künstler bilden keine größere Gruppe als die Dichter, da
sie nur aus 28 FamiUen bestehen, doch ist die Anzahl der hervor-
ragenden Söhne hier enorm und ganz außerordentHch. Es sind
89, während der Durchschnitt aller Gruppen 48 beträgt. Was ich
über die Nachkommen großer Mathematiker und Naturwissen-
schaftler sagte, daß sie nämlich in der Wissenschaft mehr er-
reichen als ihre Vorfahren, gilt in hervorragender Weise auch für
die Künstler, denn der gutbegabte Sohn eines großen Malers oder
Musikers hat esleichter, eineBerühmtheitseinesBerufeszuwerden
als ein anderer Mensch, der die gleiche natürliche Begabung be-
sitzt, aber nicht speziell für dieses Berufsleben ausgebildet wurde.
Die große Anzahl von Künstlersöhnen, die hervorragend wurden,
beweist den streng erbÜchen Charakter ihrer speziellen Be-
fähigung, während der Leser, wenn er etwa den Bericht über die
Familie Herschel vornimmt, leicht begreifen wird, daß viele
Personen ausgesprochen künstlerische Gaben haben und doch
irgend eine andere solidere, regelmäßigere oder lukrativere Be-
schäftigung ergreifen.
Vergleich der Resultate. 345
Ich habe nun die Ausnahmen erledigt, man wird bemerkt
haben, daß es bloß keine Abweichungen von dem Gesetz sind,
das durch den allgemeinen Durchschnitt aller Gruppen aus-
gedrückt wird; denn, wenn wir sagen, daß wir auf je zehn be-
rühmter Männer, die überhaupt hervorragende Ver-
wandte haben, 3 oder 4 hervorragende Väter, 4
oder 5 hervorragende Brüder und 5 oder 6 hervorragende
Söhne finden, werden wir in 17 Fällen von 24 recht haben, wäh-
rend in den 7 Fällen, wo wir uns irren, der Irrtum in 2 Fällen in
weniger als 1 Einheit (die Väter der Feldherren und Literaten),
in 4 Fällen in 1 Einheit (die Väter der Dichter und die Söhne der
Judges, Feldherren und Theologen) und nur in dem einzigen Fall
der Söhne der Künstler in mehr als 1 Einheit besteht.
Die Abweichungen vom Durchschnitt sind natürlich im
zweiten und dritten Verwandtschaftsgrade größer, da die Anzahl
der Beispiele in den verschiedenen Gruppen im allgemeinen ge-
ring ist; da aber die Proportionen in der großen Unterabteilung
der Judges mit denjenigen des allgemeinen Durchschnitts außer-
ordentlich übereinstimmen, sind wir völlig gerechtfertigt, wenn
wir diese großen Durchschnittszahlen mit Vertrauen akzeptieren.
Das letzte und wichtigste Resultat muß noch erst heraus-
gearbeitet werden; es ist folgende Frage: wenn wir nichts mehr
über eine Person wissen, als daß sie der Vater, Bruder, Sohn,
Enkel oder ein anderer Verwandter eines berühmten Mannes ist,
welche Chancen hat diese Person hervorragend zu werden?
Kolonne E. auf S. 61 gibt uns die Antwort für die Judges, es bleibt
uns noch übrig zu entdecken, wie sich dieses Verhältnis bei den
berühmten Männern überhaupt gestaltet. Ich habe in jedem
Kapitel jene Daten, die ich besessen habe und die zu einer Kom-
bination mit den Resultaten in Kolonne D. geeignet sind, gegeben,
um diese nötige Berechnung durchführen zu können. Sie bestehen
in der Proportion der Männer, deren Verwandte hervorragende
Bedeutung erlangt haben, im Vergleich mit der Totalanzahl jener,
deren Verwandtschaftsverhältnis ich untersucht habe. Das all-
gemeine Resultat*) ist, daß genau die Hälfte der berühmten
*) Lord Chancellors, S. 65 24 von 30; Politiker unter Georg III. S. 116
33 von 53; Premierminister, S. 116 wenn nicht eingeschlossen in Politiker
8 von 16; Feldherren S. 158 32 von 59; Literaten S. 184 37 von 56; Natur-
wissenschaftler und Mathematiker S 210 und S. 215 65 von 83; Dichter S. 248
40 von 100 ; Musiker S. 269 18 von 42; Theologen S. 296 und S. 304 33
von 196; Philologen S. 324 14 von 36.
346 Vergleich der Resultate.
Männer einen oder mehrere hervorragende Verwandte haben.
Folglich erhalten wir die korrespondierende Kolonne E., wenn
wir die Eintragungen in Kolonne D. „hervorragende Männer aller
Klassen" durch 2 dividieren.
Der Leser mag vielleicht die Ehrlichkeit meiner Auswahl be-
zweifeln. Er erinnert sich vielleicht der Schwierigkeiten, die ich
in vielen Kapiteln besprochen habe und die darin bestehen,
passende Auswahlen zu finden, und er verdächtigt mich vielleicht
der Versuchung nachgegeben zu haben, mehr als den gebührenden
Anteil von günstigen Fällen aufgenommen zu haben. Ich kann den
Angriff nicht völlig in Abrede stellen, denn ich kann mich einiger
Namen entsinnen, die mir wahrscheinlich aufgestoßen sind, eben
weil sie durch die kumulierten Leistungen von zwei oder drei
Personen das doppelte oder dreifache Gewicht erhalten haben.
Ich finde es daher im Interesse der Wahrheit für nötig, mich auf
einige völlig unabhängige Auswahlen von Namen zu berufen; und
will zu diesem Zwecke die Heiligen oder welches immer die
richtige Bezeichnung für sie sein möge, des Comte-Kalender vor-
nehmen. Viele meiner Leser werden wissen, was ich meine;
August Comte, der „eine ReHgion der Menschheit" gründen wollte,
stellte eine Liste der Namen derjenigen auf, denen die mensch-
liche Entwicklung am meisten verdankt; er wies den wichtigsten
dieser Individuen die Monate zu, der nächsten Klasse die Wochen
und der dritten die Tage. Ich habe mich an dieser Stelle nicht
mit Comtes Doktrinen zu beschäftigen: seine Anhänger miß-
billigen den Darwinismus, und es ist daher nicht zu erwarten, daß
sie vielen Erörterungen dieser Arbeit freundHch gegenüberstehen,
die Unabhängigkeit des Zeugnisses, den sein Kalender für die
Wahrheit meiner Theorie bildet, gewährt mir also eine umso
größere Befriedigung. Andererseits kann niemand bezweifeln,
daß Comtes' Auswahl völlig originell ist; denn er war der letzte
Mann, sein ganzes Vertrauen in die öffentliche Meinung zu setzen,
welche er zu leiten bestrebt war. Jeder Name in seinem Kalender
wurde sicherlich mit skrupelhafter Sorgfalt gewogen, obgleich,
wie ich zu wagen behaupte, mit einer eigentlich etwas verrückten
Bilanz, ehe er an der Stelle eingetragen wurde, die ihm zuge-
wiesen war.
Der Kalender besteht aus 13 Monaten, von denen jeder 4
Wochen umfaßt. Die folgende Tafel bringt die Repräsentanten
der 13 Monate in Sperrschrift und die der 52 Wochen in gewöhn-
lichen. Ich fand es nicht der Mühe wert, auch noch die
Vergleich der Resultate.
347
Repräsentanten der verschiedenen Tage vorzunehmen. Die mit
einem * bezeichneten Namen sind in meinen Listen enthalten,
diejenigen, die ein t aufweisen, hätten darin figurieren sollen. Es
gibt im Kalender an 10 bis 20 Personen, über deren Verwandt-
schaftsverhältnisse wir gar nichts oder nahezu gar nichts wissen
und die daher aus den Listen ausgestrichen hätten werden müssen,
so Numa, Buddha, Homer, Phidias, Thaies, Pythagoras, Archi-
medes, ApoUonius, Hipparchus, St. Paul. Unter den übrigen 55
oder 45 Personen haben nicht weniger als 27 oder die Hälfte her-
vorragende Verwandte.
t M o s e s , Numa, Buddha.
tConfucius, Mahomet.
Homer, *Aeschylus, Phidias,
*Aristophanes, Virgil.
Aristoteles, Thaies, Pytha-
goras, Sokrates, Plato.
Archimedes, tHippokrates,
ApoUonius, Hipparchus, *Plinius
der Ältere.
* C a e s a r , Themistokles, *Ale-
xander, *Scipio, Trajan.
St. Paulus, tSt. Augustinus,
Hildebrand, St. Bernhard, Bos-
suet.
*Karl der Große, Alfred,
Gottfried, Innocenz III, St. Lud-
wig.
Dante, *Ariosto, Raffael,
*Tasso, *Milton.
Guttenberg, Columbus, Vau-
canson, *Watt, *Montgolfier.
Shakespeare, Calderon,
*Corneille, MoUere, *Mozart
Descartes, *St. Thomas von
Aquino, *Lord Bacon, *Leibniz,
Hume.
Friedrich der Große,
Ludwig XI., *Wilhelm der
Schweigsame, *Richelieu,*Crom-
well.
1. Ursprüngliche Theokratie:
2. Antike Dichtung:
3. Antike Philosophie :
4. Antike Naturwissenschaft
und Mathematik:
5. Militärische ZiviHsation :
6. Katholizismus :
7. Feudale Kultur;
8. Modernes Epos:
P.Moderne Industrie:
10. Modernes Drama:
11. Moderne Philosophie:
12. Moderne Politiker:
348 Vergleich der Resultate.
13. Moderne Naturwissenschaf- Bichat, *Qalilei, *Newton, La-
ten und Mathematik: voisier, Qall.
Es ist recht interessant, zu beobachten, wie genau die
Resultate, die sich aus Comtes Auslese ergeben, meinen eigenen
entsprechen. Ich bin daher sicher, daß wir nicht übertreiben,
wenn wir Kolonne D. der Tafel auf Seite 341 auf die hervor-
ragenden Verwandten, nicht der großen Gruppe der berühmten
und hervorragenden Männer, sondern der aus einer strengeren
Auslese entstandenen Gruppe der berühmten Männer allein be-
ziehen und dann unsere Kolonne E. berechnen, indem wir die
Eintragungen unter D. durch 2 dividieren.
Ich nehme z. B. die Chancen von Verwandten berühmter
Männer, hervorragende Bedeutung zu erreichen oder erreicht zu
haben, mit ISVo zu 100 für die Väter, 13Mj zu 100 für die Brüder
und 24 zu 100 für die Söhne. Oder wir rechnen, um diese und die
übrigen Proportionen in eine bequemere Form zu bringen, mit
folgenden Resultaten. Im ersten Verwandtschaftsgrade die Chance
des Vaters gleich 1 zu 6, die jedes Bruders 1 zu 7, die jedes Sohnes
1 zu 4. Im zweiten Grade ist die Chance jedes Großvaters 1 zu
25, jedes Onkels 1 zu 40, jedes Neffen 1 zu 40, jedes Enkels 1 zu
29. Im dritten Verwandtschaftsgrad verhält sich die Chance eines
jeden Mitglieds wie 1 zu 200, mit Ausnahme des direkten Cousins,
die sich wie 1 zu 100 verhalten.
Die große Anzahl hervorragender Nachkommen berühmter
Männer, darf nicht als der Ausdruck des Resultats ihrer Ehe mit
mittelmäßigen Frauen betrachtet werden, denn die durchschnitt-
liche Befähigung der Ehefrauen dieser Männer ist über-mittel-
mäßig. Ich bin nach der Lektüre sehr vieler Biographien, von
dieser Tatsache fest überzeugt, obgleich diese Überzeugung in
Widerspruch zu der gewöhnlich gehörten Meinung steht, daß
geistreiche Männer einfältige Frauen heiraten. Es ist nicht leicht,
meine Behauptung ohne eine beträchtliche Masse von Belegen zu
beweisen, die die Achtung zeigen, welche den Frauen einer großen
Gruppe berühmter Männer von deren intimen Freunden erwiesen
wurde; doch sind die beiden folgenden Argumente nicht be-
deutungslos. Zum ersten trifft der Mann die Dame, die er hei-
raten wird, gewöhnlich in der Gesellschaft seiner eigenen Freunde
an, und es ist daher nicht wahrscheinlich, daß sie eine einfältige
Person ist. Sie ist auch gewöhnlich mit einem von ihnen ver-
wandt und hat daher die WahrscheinUchkeit für sich, eine erb-
liche Begabung zu besitzen. Zum zweiten ist es eine bekannte
Vergleich der Resultate. 349
Tatsache, daß eine große Anzahl hervorragender Männer hervor-
ragende Frauen heiraten. Wenn der Leser die vorhergehenden
Kapitel durchsieht, wird er viele derartige Beispiele finden.
Philipp II. von Mazedonien und Olympias; Cäsars Liaison mit
Kleopatra; Marlborough und seine sehr befähigte Gattin; Hel-
vetius heiratete eine reizende Dame, deren Hand auch von Frank-
Hn und Turgot begehrt wurde; August von Schlegel widmete Herz
und Seele Frau von Stael; Neckers Frau war ein Blaustrumpf
reinsten Wassers; Robert Stephens, der gelehrte Buchdrucker,
hatte Petronella zur Frau; der Lord Siegelbewahrer Sir Nicholas
Bacon und der große Lord Burleigh heirateten zwei der höchst
gebildeten Töchter von Sir Anthony Cooke. Jeder weiblicher Name,
den ich in meinen Kapiteln über die Feldherren, Politiker und
Literaten nenne, gehört einer entschieden hervorragenden Frau
an. Sie stellen die Existenz einer Tendenz von „gleich zu gleich"
zwischen intellektuellen Männern und Frauen fest und machen es
sehr wahrscheinlich, daß Ehen berühmter Männer mit Frauen aus
den Klassen E. und D. sehr allgemein sind. Andererseits spricht
keinerlei Evidenz für einen scharf ausgeprägten antagonistischen
Geschmack, der Art, daß geistreichen Männern wirklich alberne
Frauen gefallen. Ein Mann kann sich ernster Mängel seines
Charakter bewußt sein und eine Frau wählen, die ersetzt, was ihm
fehlt, wie etwa ein scheuer Mann sich von einer Frau angezogen
fühlen kann, die keine anderen Verdienste hat, als eine Plauder-
tasche und gute Hausfrau zu sein. Ebenso kann ein junger un-
geschickter Philosoph dem ersten Mädchen, das Interesse für ihn
zeigt, mehr Intelligenz zumuten als es wirklich besitzt. Aber dies
sind Ausnahmen; daneben bleibt die große Tatsache bestehen,
daß befähigte Männer Freude an der Gesellschaft intelligenter
Frauen haben und lieber intelligente Frauen als mittelmäßige
heiraten, wenn sie nur solche finden, die auch in anderer Hinsicht
geeignet sind.
Ich denke daher, daß die Resultate, die sich in meinen Tafeln
unter der Rubrik Söhne finden, Ehen von Männern der Klasse F
und darüber mit Frauen zugeschrieben werden können, deren
natürliche Begabung durchschnittlich nicht unter Klasse B. und
vielleicht zwischen B. und C. liegen.
Ich will jetzt die Kraft der männUchen und weiblichen Ver-
wandtschaftsünien in der Weitergabe von Befähigung betrachten
und werden zu diesem Zwecke die tatsächlichen Ziffern in Pro-
zente umsetzen.
350
Vergleich der Resultate.
Als ein Beispiel für dieses Vorgehen können wir die Judges
nehmen. Wie man schon in der ersten Tafel bemerken kann, sind
hier die tatsächhchen Ziffern, die den spezifizierten Verschieden-
heiten des Verwandtschaftsgrades entsprechen 41, 16, 19, 1, was
die Summe von 77 ergibt; ich bringe sie jetzt auf diejenigen Zif-
Wirkliche Ziffern
3
•—>
<u
"o
c
<u
fl3
c
2
3
V. C
(U (U i_
lii
i-i
o
Q
n
:3
c
"o
x:
H
c
O)
E
E
«
CO
3
G + O +etc.
GV-|-GB4-etc.
g -f- 0 -j-^tc.
gV -\- gB -f etc.
41
16
19
1
19
4
10
3
12
5
6
2
18
7
9
0
20
12
9
4
12
3
1
0
13
4
3
0
4
2
16
0
139
53
73
10
Gesamtzüfern
77
36
25
34
45
16
20
22
275
Prozentsätze
•o
3
•->
c
a
x:
c
Zj
3
i_ 3
Ol 2 u
x: « ""
Q
(U
tn
C
:3
c
o»
x:
H
c
<u
E
E
w
tn
3
N
G+O+N+E
GV-i-GB+OS+NS
+ES
53
21
53
11
48
20
53
21
44
27
75
19
65
20
18
9
51
19
Totalsumme durch
die männliche Linie
74
64
68
74
71
94
85
27
70
g+o+n-f-e
25
1
28
8
24
8
26
0
20
9
6
0
15
0
73
0
26
4
Totalsumme durch
die weibliche Linie
26
36
32
26
29
6
15
73
30
Männliche und weib-
liche Linie
lUO
100
lUO
100
100
100
100
100
100
Vergleich der Resultate. 351
fern, die sie ausmachen würden, wenn ihre Totalsumme 100 er-
reichte, d.h. ich muItipHziere sie mit 100 und dividiere sie durch
77, wodurch sie sich in 53, 21, 25 und 1 verwandeln. Diese
Ziffern nun sind in der zweiten der beiden folgenden Tafeln ein-
getragen.
Man wird bemerken, daß das Verhältnis der gesamten Ver-
wandten durch die männlichen und weiblichen Linien in den
ersten fünf Kolonnen, nämlich bei den Judges, Politikern, Feld-
herren, Literaten, Mathematikern und Naturwissenschaftlern fast
das gleiche ist, nämUch 70 zu 30 oder 2 zu 1. Die Gleichmäßigkeit
dieses Verhältnisses ist ein Beweis für die Existenz eines Ge-
setzes, doch ist es schwer zu sagen, wovon dieses Gesetz ab-
hängt, da die Verhältnisse infolge verschiedener Variationen der
Verwandtschaft verschieden sind. So finden wir, wenn wir uns
auf die Verwandten zweiten Grades beschränken, die zahlreich
genug sind, um Durchschnitte zu zeigen, aus denen sich Abhängig-
keit ergeben kann, daß die Summe der Verhältnisse von G. O. N.
E. zu jenen von g. o. n. e. gleichfalls ein wenig mehr als 2 zu 1
beträgt. Die tatsächlichen Ziffern sind:
21 G. 23 O. 40 N. 26 E. = 110 im Ganzen
21 g. 16 o. 10 n. 6 e. = 53 im Ganzen.
Man kommt zuerst auf den Gedanken, daß die relativ ge-
ringe Anzahl in der unteren Linie nur bei den Verwandten vor-
kommt, die infolge der weiblichen Linie schwer zu erforschen
sind, und daß diese scheinbare Inferiorität in exaktem Verhältnis
zu dieser Schwierigkeit steht. So sind die Eltern der Mutter
eines Menschen ohne Ausnahme in seiner Biographie genannt;
folglich ist ein hervorragender g. nicht weniger leicht zu über-
sehen, als ein G., aber ein o. läßt sich leichter übersehen, als ein
O., und ein n. und e. viel leichter als ein N. und E. Die Lösung
jedoch, die diese Tatsachen an die Hand geben, ist nicht vöUig
zufriedenstellend, da die Verschiedenheiten in den wohlbekannten
Familien von Politikern und Feldherren ebenso groß zu sein
scheinen, als in den unbekannten Familien von Literaten, Natur-
wissenschaftlern und Mathematikern. Hieraus und ebenso aus
dem, was ich über die Theologen zu sagen habe, scheint der Schluß
zulässig, daß ich die hervorragenden Verwandten in diesen Graden
männlicher- und weiblicherseits mit ungefähr der gleichen Ge-
nauigkeit aufgestöbert habe.
Die einzig vernünftige Lösung, die ich zulassen kann, besteht
darin, daß neben einer inhärenten Unfähigkeit der weiblichen
352 Vergleich der Resultate.
Linie spezieile Formen von Befäiiigung weiterzugeben, aucli noch
die Tatsache besteht, daß die Tanten, Schwestern und Töchter
hervorragende Männer durchschnittlich nicht so häufig heiraten
als andere Frauen, weil sie in ihrem Familienkreis an eine höhere
Form der Kultur und an einen intellektuell und moralisch höheren
Ton gewöhnt sind als sie anderswo leicht finden, namentlich wenn
sie infolge ihrer geringen Mittel auf die Gesellschaft der Personen
in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft angewiesen sind. Anderer-
seits wird ein Teil von ihnen gewiß einen absprechenden, an-
maßenden Typus haben und daher für die Männer wenig an-
ziehend sein, während wieder andere infolge ihrer scheuen, son-
derbaren Art und Weise, die sich oft bei jungen talentierten Per-
sonen findet und die für die Ehechancen junger Frauen ungünstig
ist, gleichfalls keine Anziehungskraft ausüben. Zur Bestätigung
dieser Theorie sei gleichfalls darauf hingewiesen, daß wir mit
ihr erklären können, warum die Gruppe g. die gleiche Anzahl auf-
weist wie Q., da ein Mensch ebensoviel g. als G. haben muß,
während er nicht notwendig die gleiche Anzahl von o. n. e. und
O. N. E. hat. Da ich nun andere Informationen suchen muß, bin
ich gezwungen, diese Frage einigermaßen unbestimmt zu lassen.
Würde sich meine Kolonne C. auf Tatsachen statt auf Schätzungen
stützen, so würden mir diese Tatsachen die Informationen an die
Hand geben, die ich suche.
Bei den Dichtern und Künstlern ist der Einfluß der weibUchen
Linie ganz bedeutend geringer, als der der männlichen und hier
wird die Lösung, die ich angenommen habe, wohl noch angemes-
sener sein, als bei den vorhergehenden Gruppen.
Bei den Theologen stoßen wir auf eine ganz neue Ordnung
der Dinge. Hier ist das Verhältnis einfach das umgekehrte, denn
der weibliche Einfluß verhält sich zu dem männlichen wie 73 zu
27, während die ersten fünf Kolonnen das durchschnittliche Ver-
hältnis von 30 zu 70 aufweisen. Ich habe in dem Kapitel über die
Theologen schon ein so langes und breites über die Macht des
weibHchen Einflusses in bczug auf die Erziehung reügiöser An-
lagen gesprochen, daß ich nicht nötig habe, auf diese Frage wieder
zurückzuk' mmen. Was die vorausgesetzte Abneigung der weib-
Hchen Verwandten hervorragender Männer gegen die Ehe an-
langt, so muß bei den Verwandten der Theologen sicherlich eine
Ausnahme gemacht werden. Intellektuelle Befähigung und ein
gebildeter Geist ist für sie im Vergleich mit einem frommen Be-
kenntnis von geringer Bedeutung, und da die religiöse Gesellschaft
Vergleich der Resultate. 353
infolge der Gewohnheit, sich zu religiösen Zwecken zu versam-
meln, besonders groß ist, bietet auch die Notwendigkeit, einen
frommen Gatten zu wählen, für die nahe weibliche Verwandte
eines hervorragenden Theologen kein materielles Ehehindernis.
Die allgemeine Anschauung geht dahin, daß große Männer
bemerkenswerte Mütter haben. Ohne Zweifel verdanken sie dem
mütterlichen Einfluß viel, doch schreibt ihnen die populäre Mei-
nung einen Anteil zu, der ihnen nicht gebührt und der nicht glaub-
haft ist. Meiner Ansicht nach hängt dieser Glaube mit der Tat-
sache zusammen, daß große Männer gewöhnlich auch eine hohe
Sittlichkeit besitzen und liebevoll und ehrerbietig sind, da Gehirn
allein ohne Herz nicht genügt, eine hervorragende Bedeutung zu
erlangen. Solche Männer neigen von Natur zu außergewöhn-
lichen kindlichen Rücksichten und machen gern die guten Eigen-
schaften ihrer Mutter mit übertriebenen Lobsprüchen bekannt.
Es tut mir leid, daß ich nicht imstande bin, die einfache Frage
zu lösen, ob und wie weit Männer und Frauen, die Wunder an
Begabung sind, unfruchtbar sind. Ich habe jedoch gezeigt, daß
Männer von hervorragender Bedeutung, wie die Judges, es durch-
aus nicht sind, und es ist für meine Anschauung über die Zukunft
der menschlichen Rasse, die ich in einem folgenden Kapitel dar-
legen werde, wichtiger, die Fruchtbarkeit der hervorragenden
Menschen, als die des Genies festzustellen. Eine Reihe von
Schwierigkeiten besteht in bezug auf die Entdeckung, ob Genie
und Unfruchtbarkeit in Wechselbeziehungen stehen. Eine dieser
Schwierigkeiten und zwar eine sehr ernste besteht darin, daß die
Menschen sich weder über die hervorragenden Genies, noch über
eine Definition des Wortes Genie einig sind. Eine andere besteht
darin, daß die Menschen, die als Beispiele gewählt werden, ge-
wöhnlich der Antike angehören, oder doch vor so langer Zeit ge-
lebt haben, daß es oft unmöglich und jedenfalls sehr schwierig ist,
etu^as über ihre Familie zu erfahren. Eine weitere Schwierigkeit
liegt in der Tatsache, daß ein Mensch, der keine Kinder hat, für
seinen Beruf mehr tun kann und sich mehr dem öffentlichen Wohl
widmen kann, als wenn er welche hat. Ich glaube, daß ein sehr
begabter Mensch stets hervorragende Bedeutung erlangt; wenn
er aber im Kampf des Lebens durch die Bürde von Frau und
Kindern gehemmt ist, so kann man nicht von ihm erwarten, daß
er ebenso in der Front beharrt, als wenn er allein wäre. Er kann
den Lieblingsgegenstand seiner Studien nicht mit der gleichen
absorbierenden Leidenschaft verfolgen, wenn andere wichtige An-
G a 1 1 o n , Genie und Vererbung. 23
354 Vergleich der Resultate.
Sprüche an seine Aufmerksamkeit gestellt werden, wenn er häus-
lichen Kummer, Beängstigungen aller Art und kleinliche
Sorgen hat, wenn er jedes Jahr ein Kind bekommt, wenn periodisch
Kinderepidemien auftreten, wenn er die ständige Berufsplackerei
hat, die zur Erhaltung einer großen Familie nötig ist.
Noch andere Hindernisse stehen dem Hinterlassen von Nach-
kommenschaft in der zweiten Generation im Wege. Die Töchter
sind aus Gründen, die schon ein paar Seiten vorher angegeben
wurden, nicht so leicht zu verheiraten, wie andere Mädchen;
während die Gesundheit der Söhne durch Überarbeitung gefährdet
ist. Die Söhne begabter Menschen sind entschieden frühreifer
als ihre Eltern, was aus meinen vorhergehenden Kapiteln deutlich
hervorgeht; ich nehme mir nicht erst die Mühe, Fälle zu zitieren,
denn diese Frühreife ist eine normale Tatsache, analog der an-
deren, die bei Krankheiten und Fortschritten aller Art besteht und
die von Darwin nachgewiesen wurde. Das Resultat ist, daß das
frühreife Kind als ein Wunder angestaunt wird, das bedeutend
befähigter als Vater oder Mutter ist, da dessen oder deren Fähig-
keiten im gleichen Alter geringer waren. Das Kind wird nun
durch häusliche Einflüsse auf jede mögliche Weise vorwärts ge-
trieben, bis seine Konstitution ernsten Schaden genommen hat.
Soviel über die Schwierigkeiten, die sich in der Frage, die
uns beschäftigt, einem klaren Urteil in den Weg stellen. Es ist
sicherlich wahr, daß eine überraschende Anzahl der befähigsten
Menschen keine Nachkommenschaft hinterlassen zu haben schei-
nen; nach dem, was ich gesagt habe, sind wir jedoch gerecht-
fertigt, wenn wir einen sehr beträchtlichen Teil der angeführten
Beispiele auf andere Ursachen als eine inhärente Tendenz zur
Unfruchtbarkeit bei genialen Männern und Frauen zurückführen.
Ich glaube allerdings, daß ein großer Teil der Fälle diesem letztern
Umstand zuzuschreiben ist und stimme so weit mit Prosper Lucas
überein, daß ebenso wie Riesen und Zwerge selten fruchtbar sind,
auch Menschen von wunderbar viel oder wenig intellektueller
Kraft als von unzureichender Fruchtbarkeit angesehen werden
können. Andererseits stimme ich durchaus nicht dem Satz dieses
berühmten Autors über Vererbung ein, daß das wahre Genie un-
veränderlich isohert ist.
Es gibt noch eine andere vorherrschende Meinung, die mit
dem im vorletzten Absatz dargelegten Gedanken einigermaßen
übereinstimmt und die besagt, daß geniale Menschen ungesunde,
winzige Wesen sind, ganz Gehirn und keine Muskeln — daß sie
Vergleich der Resultate. 355
schwache Augen und eine armselige Konstitution haben. Ich
glaube viele meiner Leser wären über die Größe und die Qestalt
der Heroen der Geschichte, von denen in diesem Buch die Rede
ist, überrascht, wenn man sie alle in einer Halle versammeln
könnte. Ich würde es unternehmen, aus irgend einer Gruppe von
ihnen, selbst aus der der Theologen (s. S. 280) einen „Elfer"*) zu-
sammenzustellen, der es physisch nach jeder Richtung gegen
gleiche Auslesen aus zwei bis dreimal so großen Gruppen auf-
nähme, die zufällig und aus gleich wohlgenährten Klassen zu-
sammengestellt wären. Ehe ich anfing dieses Buch zu schreiben,
hatte ich begonnen, in meinen Notizen mir Bemerkungen über
die physische Begabung meiner Helden zu sammeln, und es tut
mir jetzt leid, daß ich diesen Plan nicht fortsetzte, doch findet sich
auch jetzt schon in den diesbezüglichen Kapiteln genug, um meine
Behauptung zu bestätigen. Ich leugne nicht, daß viele Menschen
von außerordenthchen geistigen Gaben eine hinfällige Konstitution
hatten, ich leugne nur, daß dies eine Begleiterscheinung essen-
tieller Art, oder selbst der gewöhnliche Habitus außerordentlich be-
gabter Menschen ist. Tatsachen aus dem Universitätsleben können
uns so gut wie andere als Beispiel dienen, und so will ich denn er-
wähnen, daß die besten wranglers und die Besten in klassischen
Studien häufig die besten Ruderer ihrer Jahrgänge gewesen sind.
Der Hon. George Denman, der 1842 Senior in klassischen Studien
war, war der Vormann der Universitäts-Ruderbesatzung. Sir
William Thompson, der zweite wrangler 1845, siegte im ScuU-
Fahren.*) Bei der allerersten Ruder-Wettfahrt zwischen den
beiden Universitäten, ruderten in einem der kämpfenden Boote
drei Leute, die später Bischöfe wurden und ein vierter in einem
anderen. Es sind die Studenten, die in zweiter und dritter Linie
kommen, die gewöhnlich schwach sind. Eine Versammlung leben-
der Größen in den verschiedenen Zweigen intellektueller Voll-
endung ist jedesmal ein Fest für meine Augen, so große, kräftige;
befähigt aussehende Wesen sind sie.
Ich nahm mir einige Mühe, das Sterblichkeitsgesetz in den
verschiedenen Gruppen zu erforschen und illustrative Kurven zu
formieren, um zu zeigen, ob an der Konstitution hervorragender
Menschen irgend etwas Abnormes sei; das Resultat ergab
klar, daß die begabten Menschen in zwei Kategorien zer-
*) Gruppe von elf Spielern beim Criquetspiel.
*) Kleines Boot für eine Person.
23*
356 Vergleich der Resultate.
fallen, in die sehr schwachen und die sehr starken. Die Kurve
der Sterblichkeit macht nicht eine einfache Biegung, sondern sie
steigt zu einem niedrigeren Kulminationspunkt an, geht wieder
hinunter und steigt von neuem zu dem Hauptbogen auf. Es ist
kein Kontinuum in der Regelmäßigkeit ihrer Krümmungen. Ich
schließe daraus, daß es unter den begabten Menschen eine kleine
Gruppe gibt, die schwach ist und eine reizbare Konstitution hat,
die bestimmt ist, früh zu sterben, daß aber der Rest aus Menschen
besteht, die ein kräftiges hohes Alter genießen können.
Diese doppelte Kulmination zeigt sich scharf in der Gruppe
der Künstler und deutlich in derjenigen der Dichter, aber sie zeigt
sich mit einer überraschenden Genauigkeit, wenn ich die 92
Menschen von bemerkenswerter Frühreife, über die ich Notizen
gemacht habe, herausgreife. Ihr erster Kulminationspunkt fällt
in das 38ste Lebensjahr, dann sinkt die Todesrate bis zum 42sten
Jahr; mit 52 Jahren hat sie wieder die Höhe erreicht, die sie bei
38 hatte, und sie erreicht ihr Maximum mit 64 Jahren. Die Sterb-
lichkeit der Menschen, die nicht hervorragend frühreif gewesen
zu sein scheinen, 180 Fälle im ganzen, beschreibt eine völlig nor-
male Kurve, die stetig zu einem Maximum von 68 Jahren auf-
steigt und dann ebenso stetig abfällt. Die Naturwissenschaftler
und Mathematiker leben am längsten, und die Häufigkeit früher
Todesfälle ist bei ihnen entschieden geringer als in den anderen
Gruppen.
Die letzte allgemeine Bemerkung, die ich zu machen habe, ist,
daß geistige Fähigkeiten und Gesichtszüge nicht in Wechsel-
beziehung zu stehen scheinen. Der Sohn kann seinem Vater ähn-
lich sein, indem er ein befähigter Mensch ist, aber daraus folgt
nicht, daß er ihm auch in den Gesichtszügen ähnelt. Ich weiß von
Fam.ilien, wo die Kinder, die nicht die Gesichtszüge ihrer Eltern
haben, deren Gemütsart und Fähigkeiten erbten, während die
übrigen Kinder gerade die umgekehrten Gaben besitzen. Als ich
die Porträts in der letzten National-Ausstellung betrachtete, war
ich außerordentlich über das Fehlen von Familienähnhchkeit be-
troffen, wo ich erwartet hatte, sie zu finden. Ich kann diesen
Punkt nicht ohne Illustrationen beweisen, der Leser muß mir
daher gestatten, seine Evidenz in einer eingestandenermaßen un-
vollendeten Form zu belassen.
Am Schluß dieses Kapitels möchte ich noch einige der Gruppen
herauszugreifen, die ich unterlassen habe zu besprechen. Die vor-
nehmsten Ingenieure sind eine Gruppe von Menschen von be-
Verjrleich der Resultate.
357
merkenswerten natürlichen Eigenschaften; sie sind nicht bloß be-
fähigte Menschen, sie besitzen auch ein merkwürdiges Talent
für phj^sische Ausdauer und Kühnheit, die sich mit klarer Einsicht
darüber verbindet, was ausgeführt werden kann und was nicht.
Ich habe Watt und Stephenson unter den Naturwissenschaftlern
aufgezählt, aber die Bruneis und die merkwürdige FamiUe Mylne,
die auf neun, wenn nicht zwölf Generationen zurückgeht — alle
befähigt und viele in ihrem Beruf hervorragend — sowie ver-
schiedene andere verdienen erwähnt zu werden. Ich sehe jedoch
keinen Vorteil darin, eine Auslese hervorragend begabter Inge-
nieure zusammenzustellen, denn ihr Erfolg hängt in einem sehr
starken Qrade von vorhergehenden günstigen Gelegenheiten ab.
Ist ein großes Ingenieur-Unternehmen einmal etabliert mit gut-
ausgewählten Männern an der Spitze jedes Departements, so ist
es leicht, den Namen und Kredit des begabten Begründers mehr
als eine Generation nach seinem Tode noch aufrecht zu erhalten.
Die Schauspieler sind eng untereinander verbunden, so daß
sie fast eine Kaste bilden, aber wie bei den Ingenieuren ist es
sehr schwer, die hervorragend Begabten unter ihnen von denen
zu trennen, deren Erfolg stark auf den Zufall der Ausbildung
zurückzuführen ist. Ich möchte jedoch nicht weiter gehen, ohne
eine Notiz über die Familie Kemble einzuschalten, die vor zwei
Generationen einen so großen Raum in den Augen der britischen
Welt eingenommen. Ihr Stammbaum zeigt die folgenden Per-
sonen :
Robert Kemble
Direktor einer Theater- Gesell-
schaft, tüchtig und geschickt,
war ein ausgezeichneter
Fallstaff.
I I
Sarah John
(Mrs. Slddons) Philip
Eine grosse Tragöde
Schauspielerin
Sarah Ward; Tochter des
Direktors einer Wander-Truppe.
Sie war streng und stattlich;
ihre Stimme hatte viel von der
Emphase, diedieStimmen ihrer
Töchter hatten. Tüchtig und
hübsch.
Stephen Frances Elisabeth Charles
Komiker (Mrs. Twiss) (Mrs.Whitelock) Schauspieler
Schauspielerin
Horace Twiss
X
Mary Frances Siddons
Vielversprechende
Schauspielerin
John Fanny
Unterstaatssekretär englo- (Mrs.
im Departement säch- Butler)
des Innern sischer Schau-
Philo- Spielerin
löge und
Autorin
Adelaide
(Mrs.
Sartoris )
358 Vergleich der Resultate.
Es wäre wünschenswert gewesen, Tatsachen über Vererbung
aus China zu erfahren, wo das Prüfungssystem bekannt streng und
weitreichend ist, und hoffnungsvolle Knaben sicher sind, von Stufe
zu Stufe zu kommen, bis sie die höchste Höhe erreicht haben, deren
sie fähig sind. Die erste Würde des Jahres erhält der „Chuan-
Yuan"; er ist der Senior - wrangler und gleichzeitig Senior in
klassischen Studien und geht aus einer Bevölkerung von 400
Millionen hervor. Sind nun die Chuan-Yuans je miteinander ver-
wandt? Das ist die Frage, die ich stellte und auf die mir ein
Freund, der eine hohe Stellung in China einnimmt, Antwort ver-
sprach, die mich aber bis zu dieser Stunde, wo ich diese Zeilen
schreibe, nicht erreicht hat. Ich rückte jedoch eine Frage über
diesen Gegenstand in der Hongkonger Zeitung „Notizen und
Fragen" (August 1868) und fand wenigstens einen Fall, wo eine
Frau, nachdem sie ein Kind geboren hatte, das ein Chuan-Yuan
geworden war, von ihrem Mann geschieden wurde und wieder
heiratete. Sie gebar ihrem zweiten Mann wieder einen Sohn,
der gleichfalls ein Chuan-Yuan wurde.
Ich hege das größte Vertrauen, daß wenn eine kompetente
Person die Frage nach der Vererbung von Anlagen sorgfältig in
China untersuchte, dieses Land Schätze von Tatsachen zutage
fördern würde. Doch stehen diesen Untersuchungen beträcht-
liche Schwierigkeiten im Wege, einmal die geringe Anzahl von
Qeschlechtsnamen in China und weiter die Notwendigkeit, auf
Perioden zurückzugreifen (und es gibt ihrer viele), wo die Kor-
ruption in China viel weniger verbreitet war, als dies heute der
Fall ist.
Die Aufzeichnungen über die Olympischen Spiele in der
Blütezeit Griechenlands, die die Hellenen sorgsam führten, er-
gäben sicherlich ausgezeichnetes Material über Vererbung; aber
sie sind leider nicht vorhanden. Doch finde ich in ihrer Ge-
schichte einen gelegentlichen Umstand, der wert ist, in Erinne-
rung gebracht zu werden. Es scheint, daß ein einziges Beispiel
einer verheirateten Frau bekannt ist, die es gewagt hat, wäh-
rend der Spiele zugegen zu sein, obgleich Todesstrafe darauf ge-
setzt war. Sie wurde aber entschuldigt, denn ihr Vater, ihre
Brüder und ihr Sohn waren alle Sieger.
Der relative Wert verschiedener Rassen.
Ich bin jetzt mit dem, was ich über die Verwandtschaft des
Individuums zu sagen hatte, zu Ende und gehe in diesem Kapitel
zu dem Versuch über, mein Thema zu erweitern und noch
Nationen und Rassen einer Betrachtung zu unterwerfen.
Jede langbestehende Rasse hat notwendig ihre spezielle
Tauglichkeit für die Bedingungen, unter welchen sie gelebt hat,
entsprechend der sicheren Wirksamkeit von Darwins Gesetz
der natürUchen Auslese. Jedoch interessiert mich gegenwärtig
nicht der größere Teil jener Tauglichkeiten, sondern lediglich
diejenigen, die in der einen oder anderen Form für eine hohe
Zivilisation vorteilhaft sind. Wir können mit dem Eintritt einer
Zeit rechnen, wo die Kultur, die heute spärlich und schwach und
noch weit oberflächlicher ist, als man ihr nachsagt, den Erd-
ball überziehen wird. Und dieser Fall wird sicherlich eintreten,
denn Kultur ist die notwendige Frucht einer hohen Intelligenz,
wenn sie sich bei einem sozialen Tier findet, und es gibt keine
deutlichere Lehre, die man der Natur vom Gesicht ablesen kann,
als die, daß das Resultat der Wirksamkeit ihrer Gesetze dahin
geht, Intelligenz in Verbindung mit Soziabilität hervorzurufen.
Intelligenz ist für ein Tier ein ebensolcher Vorteil als physische
Kraft oder irgend eine andere natürliche Gabe, und daher wird
von zw:ei Spielarten irgend einer Tiergattung, die in anderer
Beziehung völlig gleich sind, die intelligentere Spielart im
Kampf ums Dasein sicherlich den Sieg davontragen. In gleicher
Weise wird unter intelligenten Tieren die sozialste Rasse sicher-
lich den Sieg davongetragen, wenn die anderen Eigenschaften
die gleichen sind.
Selbst unter einer sehr mäßigen Form materieller Kultur ist
eine große Anzahl von Fähigkeiten, die „durch das Überleben
der TaugHchsten" und die reichliche Zerstörung der Untauglich-
3G0 Der relative Wert verschiedener Rassen.
keit im Verlaufe von hunderten von Generationen erworbea
wurden, ebenso obsolet geworden als seit der Einrichtung der
Eisenbahnen alte Postwagen-Gewohnheiten und Sitten; der ge-
ringste Versuch, sie zu erhalten, ist nutzlos; sie sind Hinder-
nisse und kein Gewinn für die Kultur. Ich werde etwas weiter
unten von diesen Fähigkeiten sprechen, jetzt will ich mich erst
den Eigenschaften zuwenden, die in einer kulturellen Gesell-
schaft nötig sind. Allgemein gesprochen sind es diejenigen, die
eine Rasse instand setzen, ein großes Kontingent zu den ver-
schiedenen Gruppen hervorragender Menschen, von denen ich
in meinen verschiedenen Kapiteln gesprochen habe, zu stellen.
Ohne so weit zu gehen, zu sagen, daß dieser sehr passende Prüf-
stein völlig einwandfrei ist, sind wir doch auf alle Fälle gerecht-
fertigt, wenn wir einen beträchtlichen Gebrauch davon machen;
ich werde mich also bei den Schätzungen, die ich im Begriffe bin
zu geben, danach richten.
Bei einer Vergleichung des W^ertes der verschiedenen Rassen
werde ich einen häufigen Gebrauch des Gesetzes der Abweichung
von einem Durchschnitt machen, dem ich für vieles dankbar sein
muß. Um nun die Zeit und die Geduld des Lesers nicht allzusehr
in Anspruch zu nehmen, schlage ich eine Voraussetzung vor, die
die Abgrenzung eines guten Teils der Erörterung fordern wird
und bei der der Leser erst verweilen soll, die aber in einer rohen
provisorischen Untersuchung zu keinerlei bedeutenden Fehlern
führen kann. Ich werde voraussetzen, daß die Intervalle
zwischen den Fähigkeitsgraden bei allen Rassen die gleichen
sind, d. h., daß wenn die Fähigkeit der Klasse A. einer Rasse der
Fähigkeit der Klasse C. einer anderen Rasse gleich ist, auch die
Fähigkeit der Klasse B. der ersteren derjenigen der Klasse D. der
letzteren gleich ist und so weiter. Ich weiß, daß dies nicht ganz
richtig sein kann, denn es wäre der Analogie zum Trotz, wenn die
Variabilität aller Rassen genau die gleiche wäre, andererseits ha-
ben wir aber guten Grund zu erwarten, daß der durch diese Vor-
aussetzung eingeführte Irrtum die Resultate aus freier Hand, für
die ich ihn allein verwenden will, nicht empfindlich berühren wird,
überdies werden die rohen Daten; die ich anführe, sogar die Be-
rechtigung dieser Methode zeigen.
Vergleichen wir denn die Negerrasse mit der Anglo-
sächsischen in Bezug auf jene Eigenschaften, die fähig sind Jud-
ges, Politiker, Feldherren, Literaten, Mathematiker, Naturwissen-
schaftler, Dichter, Künstler und Theologen hervorzubringen.
Der relative Wert verschiedener Rassen. 361
Wenn die amerikanische Negerrasse nicht von sozialen Un-
fähigkeiten beeinflußt wäre, würde ein Vergleich ihrer Werke
mit denen der Weißen in ihren verschiedenen Zweigen intellek-
tueller Bestrebungen, unter Bezugnahme auf die Gesamtzahl
ihrer respektiven Bevölkerungen die notwendige Information
gewährleisten. Wie die Dinge liegen, müssen wir uns mit
roheren Daten begnügen
In erster Reihe müssen wir uns erinnern, daß die Negerrasse
gelegentlich, aber sehr selten, Männer hervorgebracht hat, wie
Toussaint l'Ouverture, die unserer Klasse F. entsprechen; damit
ist gesagt, daß X. oder ihre Qesamtklassen über Q. hinaus unserer
Klasse F. zu korrespondieren scheinen, wobei sich eine Differenz
von nicht weniger als zwei Qraden und vielleicht sogar mehr
zwischen den weißen und schwarzen Rassen zeigt.
Weiter müssen wir in Betracht ziehen, daß die Negerrassen
durchaus nicht völUg Menschen entbehren, die imstande sind
gute Geschäftsführer, gedeihliche Kaufleute und anderes zu
werden, also Leute, die beträchtlich über dem Durchschnitt der
Weißen stehen, d.h. diese Rasse ist imstande nicht selten Menschen
zu stellen, die unserer Klasse C. oder selbst D. entsprechen. Man
möge sich erinnern, daß C eine Auslese von 1 aus 16 darstellt,
oder etwas mehr als die natürUchen Fähigkeiten, die ein durch-
schnittlicher Obmann eines Geschworenengerichts besitzt und
daß D. gleich 1 zu 64 ist, also ein Grad von Fähigkeit, der einen
Menschen sicherhch dazu bringt, im Leben erfolgreich zu sein.
Kurz gesagt, die Klasse E. und F. der Neger können im großen
ganzen als das Äquivalent unserer Klassen C. und D. betrachtet
werden, ein Resultat, das zu dem weiteren Schluß führt, daß der
durchschnitthche intellektuelle Zustand der Neger etwa um zwei
Grade tiefer ist, als der unsere.
Drittens können wir, wenn auch mit großer Vorsicht, die
relative Stellung der Neger in ihrem Heimatland mit derjenigen
der Reisenden vergleichen, die sie besuchen. Die letzteren brin-
gen ohne Zweifel das Wissen mit, das in einem zivilisierten Lande
üblich ist, aber dies ist ein weniger wichtiger Vorteil, als wir
geneigt sind anzunehmen. Ein eingeborener HäuptUng hat eine
so gute Ausbildung in der Regierungskunst erhalten, als nur
irrmier wünschenswert sein kann; er übt sich konstant in per-
sönlichem Herrschen und erhält sich in seiner Würde gewöhnlich
durch die Überlegenheit seines Charakters, die er täglich seinen
Untertanen und Rivalen gegenüber zeigt. Ein Reisender be-
362 Der relative Wert verschiedener Rassen.
kleidet in wilden Gegenden gleichfalls bis zu einem gewissen
Grade die Stelle eines Feldherrn und hat den Häuptlingen jedes
bewohnten Ortes gegenüberzutreten. Das Resultat ist bekannt
genug, der weiße Reisende behauptet sich ohne Ausnahme in
ihrer Gegenwart. Wir hören selten von dem Zusammentreffen
eines weißen Reisenden mit einem schwarzen Häuptling, wobei
der letztere sich als der bessere Mann erweist. Ich habe über
diesen Gegenstand oft mit kompetenten Personen gesprochen
und kann mich nur auf wenige Fälle besinnen, wo sich der Weiße
inferior zeigte, sicherlich nicht mehr als einem Durchschnitt tat-
sächlicher Differenzen von drei Graden zugeschrieben werden
kann, wovon der eine auf die relativen Fehler der einheimischen
Erziehung und zwei auf eine Differenz der natürlichen Begabung
zurückzuführen wären.
Viertens ist die Anzahl der Menschen, die wir dumm nennen,
unter den Negern sehr groß. Jedes Buch, das von Negerdienst-
boten in Amerika spricht, wimmelt von Beispielen. Auf mich
selbst machten diese Tatsachen während meiner Reisen durch
Afrika einen großen Eindruck. Die Irrtümer, die Neger in ihren
eigenen Angelegenheiten begingen, waren so kindisch und blöde,
daß ich mich oft meiner eigenen Art schämte. Ich glaube nicht zu
übertreiben, wenn ich sage, daß ihr c so niedrig ist als unser e,
was eine Differenz von zwei Graden ergeben würde, wie vorhin.
Ich habe keinerlei Kenntnis über die wirkliche Idiotie bei Negern,
ich meine natürlich jene Klasse von Idioten, die nicht auf Krank-
heit zurückzuführen ist.
Der australische Typus endlich, ist noch um einen Grad
tiefer, als der afrikanische Neger. Ich besitze ein paar brauch-
bare Daten über die natürliche Befähigung der AustraHer, aber
sie genügen nicht, um den Leser zu ihrer Betrachtung auf-
zufordern.
Der Durchschnitt der Flachlandschotten und der Bevölkerung
aus dem nördlichen England ist entschieden eine Gruppe höheren
Grades als die gewöhnlichen Engländer, denn die Zahl von In-
dividuen aus diesen beiden ersten Gruppen, die hervorragende
Bedeutung erlangt haben, ist weit größer, als wir nach der ver-
hältnismäßigen Zahl der Gesamtbevölkerung dieser Gegenden
hätten erwarten können. Die gleiche Superiorität zeigt sich deut-
lich bei einem Vergleich der Wohlhabenden aus der Masse der
Bevölkerung. Der schottische Arbeiter ist viel weniger ein
stumpfes Lasttier als der Engländer der mittleren Gegenden, er
Der relative Wert verschiedener Rassen. 363
macht seine Arbeit besser und „lebt sein Leben" überdies. Die
Bäuerin von Northumberland verrichtet alle Tage Feldarbeit,
ohne daß die Arbeit sie ruiniert, im Gegenteil, sie ist als Mäd-
chen auf ihre geleistete Arbeit stolz, und wenn sie heiratet, sorgt
sie gut für den Wohlstand ihres Heims. Es ist für mich überaus
peinlich, die schmutzigen armseligen Gesichter der Mehrzahl
der Individuen, namentlich der Frauen zu sehen, denen man in
London und anderen rein englischen Städten begegnet. Ihre
Lebensbedingungen scheinen für ihre Konstitutionen zu hart und
scheinen sie in Degeneration hinunterzustoßen.
Die befähigste Rasse, von der die Geschichte weiß, sind un-
zweifelhaft die alten Griechen, teils weil ihre Meisterwerke in
den verschiedenen Richtungen intellektueller Tätigkeit noch un-
übertroffen sind, teils weil die Bevölkerung, die die Schöpfer
dieser Meisterwerke hervorbrachte, an Zahl sehr gering war.
Von den verschiedenen griechischen Unterrassen war die Be-
völkerung von Attika die befähigste, und sie verdankt ihre
Superiorität ohne Zweifel in hohem Maße dem folgenden Um-
stände. Athen stand Einwanderern zwar offen, aber nicht unter-
schiedslos, denn sein soziales Leben war derart, daß nur sehr
befähigte Menschen daran irgend welches Vergnügen haben
konnten, andererseits hatte es für Menschen der höchsten Be-
fähigung und Kultur Vorzüge, wie keine andere Stadt. So schuf
es durch ein System einer teilweise unbewußten Auslese einen
prachtvollen Schlag menschlicher Tiere, der im Verlaufe eines
Jahrhunderts — nämlich zwischen 530 und 430 v. Chr. — die
folgenden 14 berühmten Menschen hervorbrachte.
Politikern und Feldherren :ThemistokIes (die Mutter war eine
Politiker und Feldherren: Themistokles (die Mutter war eine
Fremde), Miltiades, Aristides, Cimon (S'ohn des Miltiades), Pe-
rikles (Sohn des Xanthippus, des Siegers von Mycale). Literaten
und Wissenschaftler: Thukydides, Sokrates, Xenophon, Plato.
Dichter: Aesch3dus, Sophokles, Euripides, Aristophanes. Bild-
hauer: Phidias.
Wir sind imstande, eine ziemlich genaue approximative
Schätzung der Bevölkerung vorzunehmen, die diese Männer
hervorgebracht hat, da die Anzahl der Bewohner Attikas bereits
häufig untersucht wurde und die Kritiker sich endlich über die
allgemeinen Resultate so ziemlich geeinigt zu haben scheinen.
Es scheint, daß das kleine Gebiet von Attika zur Zeit seiner
höchsten Blüte (Smith: Klass. Geograph. Lexikon) weniger als
90 000 eingeborene freie Personen, 40 000 einwohnende Fremde
364 Der relative Wert verschiedener Rassen.
und eine Ackerbau und Handwerk treibende Sklavenbevölkerung
von 400 000 Mann zählte. Die erste Ziffer ist die einzige, die uns
hier interessiert, nämlich die 90 000 freien Einheimischen. An-
dererseits nähert sich die allgemeine Anschauung, daß eine Be-
völkerung sich im Laufe eines Jahrhunderts dreimal erneuert,
stark der Wahrheit und kann im gegenwärtigen Falle von uns
angenommen werden. Folglich haben wir mit einer Totalbevöl-
kerung von 270 000 freigeborenen Personen zu rechnen oder mit
135 000 Männern, die in dem genannten Jahrhundert geboren
wurden. Von diesen wieder wird etwa die Hälfte, oder 67 500,
das Alter von 26 Jahren überleben und ein Drittel oder 45 000
das von 50. Da 14 Athener berühmt wurden, ist die Auslese nur
1 zu 4 822 in bezug auf die erstere Abgrenzung und 1 zu 3214 in
bezug auf die letztere. Gehen wir auf die Tafel auf Seite 33
zurück, so finden wir, daß dieser Auslesegrad sehr gut der Klasse
F. (1 von 4300) und darüber des athenischen Volkes entspricht.
Andererseits hat man, da Q. ein Sechzehntel oder ein Sieb-
zehntel von F. beträgt, Grund anzunehmen, unter den vierzehn
einen aus der Klasse C. zu finden, wir begegnen unter den ge-
nannten 14 zufällig drei oder sogar vier aus dieser Klasse, Pe-
rikles, Sokrates, Plato und Phidias.
Versuchen wir jetzt, die Norm der Fähigkeit in Athen mit der
unserer Rasse und unserer Zeit zu vergleichen. V/ir haben keine
Männer, die wir Sokrates oder Phidias an die Seite stellen
können, denn die Bevölkerungsmillionen von ganz Europa haben
unter ihrer ganzen Zucht der nächsten 2000 Jahre nicht ihres-
gleichen hervorgebracht. Sie sind also zwei oder drei Grade
höher als unser Q., man könnte sie als I. oder J. einreihen. Aber
setzen wir einmal voraus, daß wir sie gar nicht einbeziehen,
sagen wir, irgend eine Laune der Natur sei damals gerade wirk-
sam gewesen und habe sie hervorgebracht, was sollen wir zu
dem Rest sagen? Perikles und Plato müßten wir meiner Ansicht
nach so einreihen, daß der eine unter den größten philosophischen
Politikern stünde, der andere wenigstens neben Lord Bacon. Sie
würden daher etwa zwischen unseren unklassifizierten X. stehen,
ein oder zwei Grade über G., sagen wir zwischen H. und I. Alle
übrigen, die F. des athenischen Volkes, würden über unserm
G. stehen, gleich unserm H. oder höher. Es folgt aus all dem,
daß die Durchschnittsfähigkeit der Athener bei einer möglichst
niedrigen Schätzung, doch noch um zwei Grade höher ist, als
unsere eigene, d. h. die Athener stehen um so viel höher als wir,
Der relative Wert verschiedener Rassen. 365
als die afrikanischen Neger unter uns. Diese Schätzung, die
manchen sonderbar erscheinen wird, ist durch die lebhafte Intel-
ligenz und die hohe Kultur der Gesamtheit des athenischen Volkes
bestätigt, vor der literarische Werke von einem weit strengeren
Charakter, als der Durchschnitt unseres Volkes schätzen könnte,
rezitiert und Kunstwerke ausgestellt wurden. Wogegen das Maß
an InteUigenz unserer Durchschnittsbevölkerung leicht mit einem
flüchtigen BUck auf das Schaufenster einer Bahnhofs-Buchhand-
lung gemessen werden kann.
Wir wissen und mutmaßen vielleicht noch mehr, warum
dieses wunderbar begabte Volk zu Grunde ging. Die soziale Mo-
ral wurde eine außerordentlich laxe; die Ehe wurde unmodern,
und man vermied sie; viele der ehrgeizigen und gebildeten Frauen
wurden ausgesprochene Kurtisanen und folglich unfruchtbar,
während die Mütter der heranwachsenden Bevölkerung aus einer
heterogenen Klasse stammten. In einem kleinen Küstenlande,
wo Ein- und Auswanderung ständig vor sich gehen und wo die
Sitten so ausschweifend sind, wie in der Zeit Griechenlands, von
der ich jetzt spreche, muß die Reinheit der Rasse notwendig
schwinden. Es kann uns daher nicht verwundern, wenn es auch
ein schweres Unglück für die Menschheit ist, daß die hohe athe-
nische Zucht abnahm und zuletzt verschwand, denn hätte sich
dieses Volk auf seiner ausgezeichneten Höhe gehalten, hätte es
sich vermehrt und über große Gegenden verbreitet, also inferiore
Völker verdrängt (was es leicht hätte tun können, da es von Natur
aus sehr fruchtbar war), so hätte es auch sicherlich für die
menschhche Kultur vorteilhafte Resultate erreicht und zwar in
einem Grade, der heute selbst die Kraft unserer Einbildungs-
kraft übersteigt.
Wenn wir die Durchschnittsnorm unserer Rasse nur um einen
Grad erhöhen könnten, welche gewaltige Veränderungen würden
wir damit erreichen! Die Anzahl der Menschen von natürlicher
Begabung, ebenso die hervorragenden Menschen unserer Zeit
würde notwendig mehr als zehnfach steigen, wie man aus der
vierten Kolonne der Tafel auf Seite 33 ersehen kann; denn wir
hätten 2423 solcher Menschen auf je eine Million, statt nur 233
wie heute; aber noch viel wichtiger für den Fortschritt der Kul-
tur wäre der Zuwachs an Intelligenzen noch höherer Ordnung.
Wir wissen, wie eng der Gang der Ereignisse von den Ideen
einiger berühmter Menschen abhängt. Wenn die erstklassigen
Menschen in den verschiedenen Gruppen nie geboren wären.
366 Der relative Wert verschiedener Rassen.
selbst wenn nur jene unter ihnen, die ich infolge ihrer vererbten
Begabung in diesem Buch behandelt habe, nicht existiert hätten,
wäre auch die Welt etwas ganz anderes als sie ist. Nun zeigt
uns unsere Tafel, daß die Anzahl dieser Menschen, die den
höchsten Grad an Intelligenz repräsentieren, dann in einem noch
viel grösseren Verhältnis anwüchsen, als diejenigen, von denen
ich gesprochen habe; so würden die Menschen, die jetzt in der
Klasse Q. stehen, siebzehnmal an Zahl gewinnen, wenn die
Durchschnittsfähigkeit des ganzen Volkes um einen einzelnen
Grad stiege. Wir ersehen aus der Tafel, daß ganz England
(natürlich im Durchschnitt der verschiedenen Jahre) nur sechs
Menschen im Alter zwischen dreißig und achtzig zählt, deren
natürliche Begabung die Klasse G. übersteigt; aber in einem
Lande mit der gleichen Bevölkerung, dessen Durchschnitt um
einen Grad höher wäre, gäbe es 82 solcher Männer, und in einem
andern, dessen Durchschnitt um zwei Grade höher wäre (wie ich
glaube, daß es bei den Athenern zwischen 530 und 430 vor Chr.
der Fall war) nicht weniger als 1355. Es ist nicht unwahr-
scheinHch, daß ein so begabter Schlag auch imstande ist, sich zu
halten, wie das richtig verstandene Beispiel der Athener ge-
nügend bewiesen hat und wie es auch durch das bewiesen wird,
was ich über die Judges dargelegt habe, deren Fruchtbarkeit
nicht zu bezweifeln ist, obgleich der Durchschnitt ihrer natürlichen
Begabung F. ist oder 51/2 Grad über unserem eigenen Durch-
schnitt und 31/2 Grad über dem allgemeinen Durchschnitt der
Athener.
Es scheint mir von höchster Wichtigkeit für die Wohlfahrt
der künftigen Generationen, daß die durchschnittliche Fähigkeits-
form der Gegenwart steigt. Die Zivilisation ist eine neue Be-
dingung, die durch den Lauf der Ereignisse den Menschen aufer-
legt wurde, genau so, wie in der Geschichte der geologischen
Veränderungen kontinuierUch neue Bedingungen den verschiede-
nen Tierrassen auferlegt wurden. Sie bewirkten entweder eine
Modifizierung der Natur dieser Rassen durch den Prozess der na-
türlichen Auslese, wenn nämlich die Veränderungen genügend
langsam und die Rasse genügend geschmeidig war, oder die Zer-
störung der Rasse, wenn die Veränderungen zu plötzlich oder
die Rasse zu unnachgiebig war. Die Anzahl der menschlichen
Rassen, die unter dem Druck der Anforderungen einer eindringen-
den Zivilisation zu Grunde gegangen sind, gibt uns eine furchtbare
Lehre. Wahrscheinlich hat sich in keiner früheren Periode der
Der relative Wert verschiedener Rassen. 367
Welt die Zerstörung irgend welcher Tierrassen über so weite
Gebiet erstreckt und erfolgt nie mit so überraschender Schnellig-
keit, als in unserer Zeit die Vernichtung der wilden Völker. Auf
dem nordamerikanischen Kontinent, auf den westindischen Inseln,
auf dem Kap der guten Hoffnung, in Australien, in Neu-Seeland,
in Van Diemensland wurden die Bewohner weiter Gegenden in
der kurzen Zeit von drei Jahrhunderten völlig hinweggerafft,
weniger durch den Druck einer kräftigeren Rasse, als infolge des
Einflusses einer Zivilisation, die sie nicht imstande waren zu er-
tragen, und auch wir, die vornehmsten Arbeiter am Werke dieser
Zivilisation beginnen uns unfähig zu zeigen, unserm eigenen Werk
die Stirne zu bieten. Die Bedürfnisse der Zentralisation, Kom-
munikation und Kultur verlangen mehr Gehirn und geistige Kraft,
als der Durchschnitt unseres Volkes besitzt. Wir haben ein
schreiendes Bedürfnis nach einem größeren Fonds an Fähigkeit
in allen Lebensberufen; denn weder die Gruppen der Politiker,
der Philosophen, der Handwerker, noch der Arbeiter sind auf der
Höhe der modernen Komplexität ihrer verschiedenen Berufe.
Eine ausgebreitete Zivihsation wie die unsrige umfaßt rrfehr In-
teressen als die gewöhnlichen PoHtiker oder Philosophen unserer
gegenwärtigen Rasse zu umfassen imstande sind, und sie bean-
sprucht mehr intelHgente Arbeit als unsere gewöhnlichen Hand-
werker und Arbeiter imstande sind zu verrichten. Unsere Rasse
ist überlastet, und sie scheint durch Anforderungen, die ihre Kräfte
übersteigen, in Degeneration hinuntergestoßen zu werden. Wenn
ihre Durchschnittsfähigkeit um ein oder zwei Grade stiege, wür-
den unsere neuen Klassen F. und G. alle Angelegenheiten des
Staates zu Hause und auswärts erledigen und zwar ebenso leicht
als unsere jetzigen F. und G., wenn sie in der Stellung von großen
Landedelherren fähig sind die Geschäfte ihrer Einrichtungen und
der Pächterschaft zu führen. Ebenso wären in gleicher Weise alle
anderen Klassen zu der Leistungshöhe emporgehoben, die das
neunzehnte Jahrhundert verlangt, wenn die Durchschnittsnorm
der Rasse stiege.
Wenn die Härte des Kampfes ums Dasein für die Kräfte eines
Volkes nicht zu groß ist, so ist seine Wirksamkeit gesund und
erhaltend, im entgegengesetzten Fall ist sie totbringend; ein Bei-
spiel dafür ist die dürftige, ärmliche Vegetation, die eine unsichere
Existenz nahe an die Sommerschnee-Grenze der Alpen führt
und etwas höher hinauf gänzlich verschwindet. Wir brauchen
so viel Rückgrat, als wir nur erlangen können, um den Ansturm
368 Der relative Wert verschiedener Rassen.
ZU ertragen, dem wir von nun ab ausgesetzt sind und so gute Qe-
hirne als nur möglich, um Maschinen zu ersinnen, die glatter und
ungehinderter arbeiten, als dies heute der Fall ist. Wir können
die Natur des Menschen bis zu einem gewissen Grade zu dem
Niveau emporheben, das neue Bedingungen seiner Existenz
fordert, und wir können auch bis zu einem gewissen Grade die
Bedingungen seiner Natur anpassen. Es ist klar, daß beide
Mächte in Bewegung gesetzt werden müssen, um seine Natur und
die Bedingungen seiner Existenz in eine möglichst enge Har-
monie zu bringen.
Je mehr sich die Welt mit Menschen füllt, umso verwickelter
gestalten sich auch die Verhältnisse innerhalb der Gesellschaft,
während die nomadische Tendenz, die sich noch bei den meisten
Barbaren findet, diesen neuen Bedingungen unangemessen sein
wird. Über den Grund der Unfähigkeit wilder Völker der Zi-
vilisation gegenüber herrscht unter den Schriftstellern, die sich
mit diesen Jäger- und Wandervölkern beschäftigen, eine unge-
wöhnliche Übereinstimmung. Sie erzählen uns, daß diese Völker
bei der Berührung mit einer vorgeschrittenen Kolonisation unbe-
dingt zu Grunde gehen. Sie sagen uns, daß die Arbeit dieser
Menschen weder konstant noch regelmäßig ist; daß die Liebe zu
einem unabhängigen Wanderleben sie hindert sich irgendwo zu
einer Arbeit niederzulassen, außer für kurze Zeit, wenn die Not
sie zwingt oder eine freundliche Behandlung sie ermutigt.
Meadows erzählt, daß die Chinesen die barbarischen Völker an
ihren Grenzen mit einer Phrase bezeichnen, die besagt: „Hin und
her, nicht fest." Und von einer gewissen Evidenz des Beweises
ist es auch, zu zeigen, wie tief Bohemiens-Gewohnheiten der einen
oder andern Art in der Natur der Menschen Hegen, die die meisten
Teile der Erde bewohnen, die heute von der anglosächsischen
und anderen zivilisierten Rassen besetzt sind. GlückHcherweise
ist noch Platz für Abenteuer vorhanden, und ein Mann, der die
Begierde eines abenteuerlichen schwärmerischen Geistes so stark
werden fühlt, daß er ihr nicht widerstehen kann, kann noch einen
legitimen Ausweg in den Kolonien, in der Armee oder an Bord
eines Schiffes finden. Aber solch ein Geist ist im großen ganzen
ein Erbstück, das mehr ungeduldige Rastlosigkeit und Flügel-
schlagen gegen Käfigstangen mit sich bringt, als Menschen von
zivilisierterem Charakter leicht verstehen können, und er steht
eigentlich im direkten Kampf gegen den modernen Teil unserer
moralischen Natur. Ist ein Mensch ein reiner Nomade, so braucht
Der vergleichende Wert verschiedener Rassen. 369
er nur nomadisch zu leben, und sein Instinkt ist befriedigt; aber
kein Engländer des neunzehnten Jahrhunderts ist ein reiner No-
made. Die meisten dieses Typus haben auch viele zivilisierte
Begierden geerbt, die notwendig verkümmern, wenn sie ein
Wanderleben führen, genau so wie die Wanderinstinkte ver-
kümmern, wenn sie daheim bleiben. Folglich hat ihre Natur Be-
dürfnisse, die einander widersprechen und nie befriedigt werden
können, außer durch den glücklichen Zufall einer ausnahmsweisen
Verkettung von Umständen. Dieser Widerspruch ist eine ernst-
liche Kalamität, und wenn die Abenteuerlust in der Natur unserer
Rasse bestimmt ist, auszusterben, so wird dies umsomehr zum
Glücke der Menschheit beitragen. Die sozialen Anforderungen
des englischen Lebens zerstören diese Lust ständig. Kein Mensch,
der nur stoß- und ruckweise arbeitet, ist heutzutage imstande sein
Leben zu erhalten; denn er hat keinerlei Chance im Wettkampf
mit einem ständigen Arbeiter auszuhalten. Wenn seine Natur sich
gegen dieMonotonie, die tägliche Arbeit, empört, wird erverführt ins
Wirtshaus zu gehen, unmäßig zu werden, vielleicht auch zur Wild-
dieberei und anderen ernsten Verbrechen; er verbannt sich selbst
aus unseren Grenzen. Im ersteren Falle ist er unfähig, ebenso-
viele Kinder aufzuziehen, als Menschen mit häuslicheren und der
Ehe geneigteren Gewohnheiten, im zweiten Falle geht sein Schlag
lür England ganz verloren. Durch diese ständige Vernichtung des
Abenteurergeistes in unserer Rasse, wird der handwerksmäßige
Teil unserer Bevölkerung langsam für seine Aufgabe erzogen, und
die primären Qualitäten des typischen modernen englischen Ar-
beiters bilden schon das Gegenteil des Nomaden. Was sie jetzt
sind, beschreibt Chadwick gut als „eine große Körperkraft, dii^
unter dem Kommando eines ständig vorausschauenden Willens,
einer geistigen Selbstgenügsamkeit, einer Unempfindlichkeit ge-
gen äußere irrelevante Eindrücke steht, was ihnen die fortwäh-
rende Wiederholung einer ermüdenden Arbeit, die „ständig ist
wie die Zeit", ermögUcht.
Es ist seltsam, wie unwichtig für die moderne Zivilisation
die einst berühmten, wie Vollblutnormannen aussehenden Typen,
geworden sind. Diese Gesichtsbildung, die wahrscheinlich bis zu
einem gewissen Grade mit der spezifisch normannischen Form
emer Abenteurernatur verbunden ist, ist für unsere Herrscher
nicht mehr charakteristisch und findet sich nur noch selten unter
G a 1 1 o n , Genie und Vererbung. 24
370 Der vergleichende Wert verschiedener Rassen.
den Berühmtheiten unserer Zeit; man trifft diesen Typus jetzt häu-
figer unter den unbedeutenden Mitgliedern hochgeborener Fa-
milien und namentHch unter den weniger bemerkenswerten
Offizieren der Armee. Die modernen Führer auf allen Wegen,
die zu hervorragender Bedeutung führen, sind von gröberem und
robusterem Schlag, eine Tatsache, von der man sich leicht aus
einer Photographiensammlung überzeugen kann; sie sind weniger
ungestüm und reizbar, aber mit weit mehr Rauheit und wirk-
licher Kraft ausgestattet. Das gleiche findet man bei der deut-
schen Bevölkerung Österreichs, diese Menschen sind anscheinend
von viel besserer Rasse als die Preußen, die so unansehnlich sind,
daß es unangenehm ist von Wien nordwärts zu reisen und den
Unterschied zu beobachten; doch scheinen die Preußen größere
moralische und physische Ausdauer zu besitzen.
Noch weit fremder als der nomadische Habitus ist dem
Qenius einer aufgeklärten Zivilisation die impulsive, unkontrol-
lierte Natur des Wilden. Ein zivilisierter Mensch muß tragen
und vorbeugen, seinem Geist müssen die Ansprüche des morgigen
Tages so klar gegenwärtig sein, als die des Augenblicks; des
Vergangenen wie des Gegenwärtigen. Unter den neuen Bedingun-
gen, die die Zivilisation dem Menschen auferlegt, ist dies die
schwerste, und diese ist es auch, die es andern als Ausnahmena-
turen unter den Wilden unmöglich macht in der Zivilisation zu le-
ben. Die Instinkte eines Wilden sind von bewunderungswürdiger
Übereinstimmung mit den Bedürfnissen seines Lebens, jeden Tag
ist er infolge vorübergehender Ursachen in Gefahr; er lebt von
der Hand in den Mund, in den Tag und für den Tag, ohne Sorge
für die Vergangenheit oder Fürsorge für die Zukunft; aber ein
solcher Instinkt ist im ziviHsierten Leben durchaus ein Mangel. Der
halbgezähmte Wilde, der unfähig ist, sich mit mehr Gegenständen
zu beschäftigen als direkt vor ihm sind, begeht fortwährend
aus bloßer Ungeschicklichkeit und Unfähigkeit Handlungen, die
ihm später schweren Kummer und Verdruß bringen. Seinem un-
disziplinierten Sinn für moralische Perspektive scheinen die nähe-
ren Beweggründe stets unvergleichlich größer, als andere von der
gleichen Wichtigkeit, die aber entfernter sind; wenn er also dem
Reiz des Augenblicks nachgegeben hat und andererseits die bit-
teren Resultate ihm später bewußt werden, ist der Mann ver-
drießlich, und seine frühere Schwäche bereitet ihm Gewissens-
Der vergleichende Wert verschiedener Rassen. 371
bisse. Es scheint kaum glaublich, daß er gestern getan hat, was
heute so verrückt, so ungerecht, so ungültig aussieht. Der neuge-
zähmte Barbar mit der impulsiven, unsteten Natur des Wilden ist
mehr als alle anderen Menschen vom Bewußtsein der Sünde
niedergedrückt, selbst wenn er das Glück hat mit einem besonders
edlen und liebevollen Gemüt ausgestattet zu sein.
Es ist nun eine richtige Behauptung und ein häufiges Thema
der MoraHsten vieler Glaubenslehren, daß der Mensch, wie wir
ihn finden, mit einer unvollkommenen Natur geboren ist. Er hat
erhabene Bestrebungen, aber sein Gemüt hat Schwächen, die ihn
unfähig machen seine edleren Vorsätze in Taten umzusetzen.
Er sieht, daß eine gewisse Art von Handlungen seine PfUcht und
sein Heil wären, aber seine Neigungen sind niedrig und wankel-
mütig und stimmen nicht mit seinem besseren Urteil überein.
Die ganze moralische Natur des Menschen ist von Sünde befleckt,
und sie hindert ihn die Dinge zu tun, von denen er weiß, daß
sie recht sind.
Meine Erklärung dieser scheinbaren Anomalie ist von einem
wissenschaftlichen Standpunkt aus vollkommen befriedigend. Es
ist nicht mehr und nicht weniger, als die Entwicklung unserer
Natur, welche unter dem Gesetz von Darwins natürlicher Aus-
lese oder infolge der Änderung der Sitten der Ahnen mit der
Entwicklung unserer moralischen Zivilisation noch nicht Schritt
gehalten hat. Der Mensch war gestern noch ein Bar-
bar, und man kann nicht erwarten, daß die natürlichen Nei-
gungen seiner Rasse sich schon seinem Fortschritt, der
neuesten Datums ist, angepaßt haben. Wir Menschen der gegen-
wärtigen Jahrhunderte, sind wie Tiere, die plötzhch unter neue
klimatische und Nahrungsbedingungen gesetzt sind, unsere In-
stinkte lassen uns unter den veränderten Verhältnissen in Stich.
Meine Theorie wird durch die Tatsache bestätigt, daß bei
MitgUedern alter Kulturen eine derartige Inkonsequenz zwischen
ihrer Natur und ihren moralischen Bedürfnissen weniger fühlbar
ist als bei Menschen, die erst kürzHch von der Barbarei bekehrt
wurden. Das Gewissen eines Negers ist über seine eigene wilde
impulsive Natur entsetzt, und so wird sie von einem Missionar
leicht gerührt, aber es ist kaum möglich das Selbstbehagen eines
soUden Chinesen aufzuscheuchen.
2 t*
372 Der vergleichende Wert verschiedener Rassen.
Nach meiner Theorie besteht der Sinn der Erbsünde also
nicht darin, daß der Mensch von einer hohen Stufe fiel, sondern
daß er in moralischer Kultur raschere Fortschritte gemacht hat,
als die Natur seiner Rasse folgen konnte. Meine Ansicht wird
durch den Schluß bestärkt, der sich aus jeden der vielen von
einander unabhängigen ethnologischen Untersuchungen ergibt,
daß die menschliche Rasse anfangs gänzlich wild war und daß sie
nach Myriaden von Jahren einer darauf folgenden Barbarei erst
ganz kürzlich ihren Weg auf den Bahnen der Tugend und Zi-
vilisation gefunden hat.
Einflüsse der natürlichen Befähigung der Nationen.
Ehe wir von den Einflüssen sprechen, die die natürhche Be-
fähigung und IntelHgenz der Nationen und Rassen bewirken, muß
ich den Leser bitten, sich klar zu machen, welche Gründe wir
haben, solche Einflüsse zu erwarten. Wie weit stimmt es mit
aller Analogie und Erscheinung überein zu erwarten, daß die
Kontrolle über die Natur der zukünftigen Generationen ebenso
stark in der Macht der lebenden ist, wie die Gesundheit und das
Wohlergehen des Individuums in der Macht der Behüter seiner
Jugend sind.
Wir sind außerordentlich unwissend über die Gründe, warum
wir existieren, wir hegen bloß das Vertrauen, daß das individuelle
Leben ein Teil eines größeren Systems ist, das eifrig vorwärts
strebt, Zielen entgegen, die wir nur undeutlich sehen oder die
uns auch völlig unbekannt sind. Verschiedene Affinitäten bringen
dieses Gesamtsystem vorwärts; die Gefühle, die Intelligenzen,
die Neigungen und die Begierden ungezählter Menschen, die ohne
Aufhören einander auf der Bühne des Lebens folgen.
Nichts scheint einer Rasse einen heiligeren oder außerordent-
licheren Charakter zuzuweisen, als den Famihen oder Indivi-
duen, aus denen sie besteht. Wir wissen, wie wenig die Natur
für das Leben der Individuen besorgt ist, wir haben gesehen,
wie achtlos sie mit hervorragenden Familien umgeht, wie sie sich
aufbauen, blühen und absterben, genau das gleiche kann man von
Rassen und der Welt selbst sagen; ebenso durch Analogie, das
gleiche für andere Schauplätze der Existenz annehmen, als
dieser bestimmten Planeten einer der unzähligen Sonnen. Un-
sere Welt scheint sich bisher nur unter dem Einfluß gedankenloser
Affinitäten entwickelt zu haben; aber schließHch ist der Mensch,
der langsam zu einem intelligenten, menschhchen, fähigen Wesen
heranwuchs, auf der Bühne des Lebens erschienen und hat die
374 Einflüsse der natürlichen Befähigung der Nationen.
Bedingungen tief verändert. Er ist bereits fähig geworden, für
seine eigenen Interessen in einer unvergleichlich weitsichtigeren
Weise zu sorgen, als in der alten prähistorischen Zeit der Bar-
barei und der Feuersteinmesser, er ist bereits fähig, nach der Er-
fahrung der Vergangenheit zu handeln, sich eng mit entfernten
Gefährten zu verbinden und sich für zukünftige Bedürfnisse ein-
zurichten, die ihm nur infolge seiner Intelligenz bekannt sind,
lange ehe er ihren Druck fühlt. Er hat einen großen Teil von
Zivilisation und Hygiene eingeführt, die in einem ungeheuren
Qrade sein eignes Wohlergehen und das seiner Kinder beein-
flussen; es bleibt ihm noch übrig, andere Kräfte in Bewegung zu
bringen, die andere natürliche Gaben seiner Rasse zur Geltung
bringen sollen.
Es hätte keinen praktischen nützlichen Zweck, wenn ich
die Resultate besprechen wollte, die für die Bevölkerung statt-
finden könnten, wenn wir uns wieder sozialen Einrichtungen zu-
wendeten, wie sie in Sparta existierten. Sie sind für das mo-
derne Gefühl so fremd und abstoßend, daß es nutzlos ist, irgend
etwas über sie zu sagen. Ich werde also meine Bemerkungen
völlig auf Wirksamkeiten beschränken, die schon jetzt tätig sind
und über die man ohne Zögern sprechen kann.
Ich werde Gelegenheit haben zu zeigen, daß gewisse Ein-
flüsse das durchschnittliche Heiratsalter verzögern, während
andere es beschleunigen, und der allgemeine Charakter meiner
Argumentation wird beweisen, daß auf die Durchschnittsfähigkeit
einer Rasse mittels dieser Einflüsse eine ungeheure Wirkung er-
zielt werden kann. Ich werde zeigen, daß die weiseste Staats-
kunst die ist, welche dahin arbeitet, das durchschnittliche Heirats-
alter unter den schwächlichen Klassen zurückzuhalten und es
unter den kräftigen zu beschleunigen; während zu unserem Un-
glück der Einfluß zahlreicher sozialer Wirksamkeit streng und
verderblich nach der genau entgegengesetzten Seite wirkt.
Eine Schätzung der Resultate des durchschnittlichen Heirats-
alters auf das Wachstum irgend einer Abteilung einer Nation ist
daher der erste Gegenstand, der eine Untersuchung erheischt.
Jeder Mensch ist bereit, einzuräumen, daß wir hier mit einem
Element zu tun haben, das sicherlich irgend ein fühlbares Resultat
hervorbringt, aber nur wenige werden die wirkliche Bedeutung
dieses Elements vorwegnehmen oder geneigt sein zu glauben,
daß seine Resultate einen so starken und unwiderstehlichen Ein-
Einflüsse der natürlichen Befähigung der Nationen. 375
fluß auf die natürliche Befähigung eines Volkes haben, als ich im-
stande bin zu zeigen.
Das durchschnittliche Heiratsalter beeinflußt die Bevölkerung
in dreifacher Beziehung. Erstens haben diejenigen, die jung
heiraten, größere FamiUen, zweitens produzieren sie in einer ge-
gebenen Zeit mehr Generationen, das Wachstum einer frucht-
baren Rasse, die sich „geometrisch" vermehrt, wie es tatsäch-
lich der Fall ist, würde daher am Ende einer langen Periode
durch die Gewohnheit früher Heiraten stark gefördert sein, und
drittens leben unter jenen Rassen, die früh heiraten, mehr Gene-
rationen nebeneinander.
Um das Gesamtresultat dieser drei Einflüsse zu erklären,
wird es das beste sein, zwei Beispiele zu wählen, die stark, aber
nicht außergewöhnlich auseinanderliegen. Nehmen wir zwei
Männer an, M und N, jeder etwa 22 Jahre alt, von denen also
jeder Aussichten hat, bis zum Alter von 55 Jahren oder noch 33
Jahre zu leben; und setzen wir weiter voraus, daß M sogleich
heiratet und daß seine Nachkommen, wenn sie das gleiche Aiter
erreichen, das Gleiche tun; daß aber N wartet, bis er Geld auf-
gespeichert hat und daß er erst mit ?>?> Jahren heiratet, d. h. also
11 Jahre später als M und daß seine Nachkommen seinem Bei-
spiele folgen. Machen wir weiter die beiden sehr gemäßigten
Voraussetzungen, daß die frühen Heiraten des Geschlechtes N
in der nächsten Generation in einem Zuwachs von 1^/^ zum Aus-
druck kommen und ebenso in der Produktion von 3% Gene-
rationen in einem Jahrhundert, während die späten Heiraten des
Geschlechts N in der nächsten Generation nur in einem Zuwaclis
von IV4 zum Ausdruck kommen und in 2^^ Generationen in einem
Jahrhundert.
Man wird finden, daß ein Zuwachs von W2. in jeder Gene-
ration, der sich im Verlaufe von 3% Generationen nach dem
Prinzip der Zinseszinsrechnungen anhäuft, etwas mehr als ^V^
des Originalbetrags ausmacht, während ein Zuwachs von I14
im Verlaufe von 2V2 Generationen kaum so viel als V* des ur-
sprünglichen Betrages ausmacht. Folglich wird der Zuwachs
des Geschlechts M am Ende eines Jahrhunderts im Verhältnis
von 18 zu 7 größer sein als der des Geschlechts N, d. h. es wird
mehr als 2% so groß sein. In zwei Jahrhunderten wird die
Nachkommenschaft von M sechsmal und in drei Jahrhunderten
15mal so groß sein als die von N.
Die Proportion, in der die Nachkommenschaft von M zu ir-
376
Einflüsse der natürlichen Befähigung der Nationen.
gend einer Zeit zu der Gesamtzahl der lebenden Bevölkerung
steht, ist noch viel größer als jene, da die Zahl der gleichzeitig
lebenden Generationen von M größer ist als die Nachkommen-
schaft von N. Der Leser wird keinerlei Schwierigkeiten
in der Schätzung der Resultate dieser Bedingungen finden,
wenn er damit anfängt, die Kinder und alle anderen Per-
sonen unter 22 Jahren wegzulassen, und wenn er auch
noch die weitere Voraussetzung macht, daß die Bevölkerung in
den folgenden Generationen in ihrer Anzahl stationär bleibt. Wir
sind in dem Falle von M dahin übereingekommen, 3% Gene-
rationen einem Jahrhundert zuzurechnen, was gegen 27 Jahre
pro Generation ergibt; denn, wenn einer aus diesem Geschlecht
22 Jahre alt ist, wird sein Vater (im Durchschnitt von vielen
Fällen) um 21 Jahre älter oder 49 Jahre alt sein; und wenn der
Vater bis zu 55 Jahren lebt, wird er das Eintreten des Sohnes
in das Mannesalter um 6 Jahre überleben. Folglich werden sich
während der 21 Jahre, die zwischen zwei Generationen liegen,
ein reifes Leben während der ganzen Periode und ein anderes
reifes Leben während des Zeitraums von 6 Jahren finden, v/as
für die Totalsumme an reifem Leben für das Geschlecht M eine
() + -27 , 33
Zahl ergibt, die durch den Bruch
oder
27
ausgedrückt
werden kann. Das Diagramm stellt den Verlauf dreier einander
folgender Generationen des Geschlechts M dar; die mittlere Linie
bezieht sich auf jene des Individuums, von dem ich gerade sprach,
die obere ist die seines Vaters, die untere die seines Sohnes. Die
punktierte Linie bezeichnet die Lebenszeit vor dem 22sten Jahr,
die Doppellinie die Durchschnittszeit zwischen seinem zweiund-
zwanzigsten Jahr und der Geburt seines Sohnes; die dunkle
Linie ist der übrige Teil seines Lebens.
22
5
22
Ein Zeitraum
von 27 Jahren
zwischen zwei
Generationen
6
6
5
=■
I^^^^^^H
5 22
1 22
22
28
^jHBI
Einflüsse der natürlichen Befähigung der Nationen.
377
Andererseits wird ein Mann aus dem Geschlecht N, das nicht
mehr als 2^/2 Generationen in einem Jahrhundert aufweist, wo
also 40 Jahre auf eine einzelne Generation kommen, nicht das
22ste Lebensjahr (im Durchschnitt vieler Fälle) erreichen, ehe
sein Vater stirbt, denn sein Vater wird 40 Jahre alt sein, wenn
sein Sohn geboren wird und stirbt mit 55 Jahren, wenn der Sohn
also erst 15 Jahre alt sein wird. Mit anderen Worten: in jeder
Periode von 18 + 15 + 7 oder 40 Jahren werden Männer reifen
Alters aus dem Geschlecht N nur 18 + 15 oder 33 Jahre leben,
so daß die Totalsumme reifen Lebens des Geschlechtes N durch
den Bruch ^Vio ausgedrückt werden kann.
18
15
22
Ein Zeitraum von
40 Jahren zwischen
zwei Generationen
18
15
ra.
Daraus folgt, daß die relative Bevölkerung, die aus den Ge-
schlechtern M und N hervorgeht, sich wie ^V27 zu ^V4o oder wie
40 zu 27*) verhält, was nahezu 5 zu 3 bedeutet.
Wir haben aus Bequemlichkeit unsere Rechnung unter der
Voraussetzung gemacht, daß die Bevölkerung stationär bleibt,
aber die Resultate unserer Berechnungen werden in allen Fällen
der Wahrheit nahekommen. Denn wenn die Bevölkerung wächst,
wird die größere Anzahl lebender Nachkommen der verringerten
Anzahl lebender Vorfahren das Gegengewicht halten, und das
Gegenteil wird eintreten, wenn die Bevölkerung abnimmt.
Kombinieren wir das obige Verhältnis von 5 zu 3 mit dem
vorhin erhaltenen, so folgt daraus, daß am Ende eines Jahr-
hunderts von der Zeit ab gerechnet, wo die Geschlechter M und
N mit der gleichen Anzahl anfingen, die Proportion des Ge-
*) Eine kurze Betrachtung des Diagramms wird zeigen, daß die frag-
liche Proportion unbedingt im umgekehrten Verhältnis zu den Intervallen
zwischen den Generationen stehen wird, die im gegenwärtigen Falle 27 und
40 Jahre betragen.
378 Einflüsse der natürlichen Befähigung der Nationen.
schlechtes M an reiten Männern viermal so groß sein wird, als
jene des Geschlechtes N, zehnmal so groß nach Verlauf von
zweihundert und nicht weniger als sechsundzwanzigmal so groß
am Ende von drei Jahrhunderten.
Ich hoffe, der Leser wird den schweren Urteilsspruch reali-
sieren, den diese Ziffern gegen alle Gruppen fruchtbarer Rassen
aussprechen, in denen es Sitte ist, die Ehe über das mittlere Alter
hinauszuschieben. Es ist eine Maxime von Malthus, daß die
Periode der Ehe hinausgeschoben werden soll, damit nicht die
Erde von einer Bevölkerung überschwemmt wird, für die an der
großen Tafel der Natur kein Platz ist. Wenn diese Doktrin alle
Klassen in gleicher Weise beeinflussen würde, würde ich an dieser
Stelle nichts darüber in der einen oder anderen Weise zu sagen
haben, denn sie würde kaum den Gegenstand berühren, mit dem
dieses Buch sich beschäftigt, aber da sie als Regel angeboten
wird, nach welcher sich der verständige Teil der Menschheit
richten soll, während der unverständige notwendig die Freiheit
hat, diese Regel zu mißachten, zögere ich nicht zu sagen, daß diese
Regel für die Rasse von großem Nachteil ist. Ihre Folge würde
sein, daß die Gruppe der Verständigen nach wenigen Jahr-
hunderten zu einer fast unglaublich geringen Anzahl gegenüber
den Unverständigen zusammenschmelzen würde. Diese Doktrin
könnte also den äußersten Ruin über den Menschenschlag einer
Gegend bringen, wo sie vorherrschen würde. Ich protestiere da-
gegen, daß man die befähigten Geschlechter in dieser Weise er-
mutigt, sich vom Kampf ums Dasein abzuwenden. Es mag furcht-
bar erscheinen, daß die Schwachen von den Starken zermalmt
werden sollen, aber es ist noch viel furchtbarer, daß die Ge-
schlechter, die am tauglichsten sind, ihre Rolle auf der Bühne
des Lebens zu spielen von den Untauglichen, Kränklichen und
Verzweifelten majorisiert werden sollen.
In vielen fernen Jahren wird vielleicht einmal die Zeit
kommen, wo die Bevölkerung der Erde innerhalb der Grenzen
der Anzahl und Angemessenheit der Rassen so streng gehalten
sein wird, wie die Schafe auf einem wohlgeordneten Heideland
oder die Pflanzen in einem Treibhaus; bis dahin wollen wir tun,
was in unserer Macht steht, um die Multiplikation der Rassen
zu fördern, die am tauglichsten sind, eine hohe und edle ZiviU-
sation zu erfinden und mit ihr übereinzustimmen; statt aus einem
irrigen Instinkt den Schwachen eine Stütze zu reichen, das Auf-
kommen kräftiger und frischer Individuen zu hindern.
Einflüsse der natürlichen Befähigung der Nationen. 379
Die lange Zeit des Mittelalters, die auf Europa gelastet hat,
ist, glaube ich, in einem sehr beträchtlichen Grade auf das Zölibat
zurückzuführen, das die reUgiösen Orden ihren Jüngern auf-
erlegten. Die sozialen Bedingungen der Zeit waren derartig,
daß, wenn immer ein Mann oder eine Frau eine vornehme Natur
besaß, die sie zu Werken der Barmherzigkeit, zur Meditation, zu
Literatur oder Kunst tauglich machte, sie keine andere Zuflucht als
den Schoß der Kirche hatten. Aber die Kirche entschloß sich,
das Zölibat zu predigen und streng zu verlangen. Die Folge
war, daß diese vornehmen Naturen keine Nachkommenschaft
hatten, und so brutalisierte die Kirche durch eine so merkwürdig
unweise und selbstmörderische Politik, daß ich kaum ohne Un-
geduld von ihr sprechen kann, den Schlag unserer Vorväter.
Die Kirche handelte genau so, als wenn es ihr beliebt hätte, den
rohesten Teil der Gemeinschaft allein zu Eltern der kommenden
Generationen auszuwählen. Sie handhabte die Künste, die
Züchter anwenden würden, die es heben grausame, bösartige und
stumpfe Naturen zu züchten. Kein Wunder, daß das Faustrecht
jahrhundertelang über Europa herrschte, es ist eher ein Wunder,
daß noch genug Gutes in den Adern der Europäer verblieb, um
sie fähig zu machen, die jetzige noch recht mäßige Höhe natür-
licher Moral zu erreichen.
Ein Rest dieses mönchischen Geistes haftet noch an unseren
Universitäten, die zu jedem Menschen, der derartige intellektuelle
Talente zeigt, daß es ein Vergnügen für sie sein müßte, ihn zu
ehren, sagen: „Wir stellen dir ein Einkommen von hundert bis
zweihundert Pfund jährlich zur Verfügung mit freier Wohnung und
verschiedenen Vorteilen in Bezug auf Kost und Gesellschaft, wir
geben dir das alles auf Grund deiner Befähigung. Nimm es und
genieße es dein Lebelang, wenn du willst; wir legen dir keine
anderen Bedingungen bezüglich der Fortdauer auf, als die eine,
nämlich, daß du nicht heiratest."
Die Politik der religiösen Welt in Europa äußerte sich auch
noch nach einer anderen Richtung und war hier von nicht weniger
grausamen Folgen für die Natur der künftigen Geschlechter.
Tausende von erstklassigen Denkern und Männern von politischen
Fähigkeiten wurden auf das Schaffot gebracht oder lange
Jahre ihres Mannesalters ins Gefängnis geworfen, oder sie
mußten als Emigranten in andere Länder flüchten. In jedem
dieser Fälle war der plötzliche Schlag für ihre übrigbleibende
Nachkommenschaft sehr beträchtlich. So machte die Kirche,
380 Einflüsse der natürlichen Befähigung der Nationen.
nachdem sie erst die vornehmen Naturen gefangen genommen
und zum Zölibat verurteilt hatte, eine andere Bewegung mit
ihrem ungeheuren Netz: diesesmal fischte sie im Trüben und fing
jene, die die furchtlosesten Wahrheitssucher und in ihrer Art zu
denken die Intelligentesten waren und daher die entsprechendsten
Eltern einer hohen Zivilisation gewesen wären. Der Schlag,
wenn es nicht eine direkte Unterbrechung war, den die Kirche
der Nachkommenschaft dieser Leute versetzte, war hart, die-
jenigen aber, die sie bei solchen Gelegenheiten bewahrte, um
die Generationen der Zukunft aufzuziehen, waren die Servilen,
die Gleichgültigen und schließlich die Stumpfen. Ebenso wie
sie, um meinen Ausdruck von vorhin zu widerholen, die mensch-
liche Natur durch das System des Zölibats, dem sie die Vor-
nehmen unterwarf, brutalisierte, demoralisierte sie sie durch ihr
Verfolgungssystem der Intelligenten, Aufrichtigen und Freien. Es
kann einem das Blut zum Wallen bringen, wenn man an den
blinden Wahn denkt, der die ersten Nationen der kämpfenden
Menschheit zu den Erben so haßerfüllter Ahnen gemacht hat und
der unsere Instinkte so erzogen hat, daß sie sich noch jetzt in
einem unnötig langandauernden Antagonismus zu den wich-
tigsten Forderungen einer stetig fortschreitenden Kultur befinden.
Infolge dieser angeborenen Unvollkommenheit unserer Natur, in
Bezug auf die Bedingungen, unter denen wir zu leben haben,
sind wir selbst heute noch fast ebenso durch das Bewußtsein
moralischer Unfähigkeit und Sünde gepeinigt, als es die ersten
bekehrten Barbaren waren, und tauchen uns in einen halbunbe-
wußten Selbstbetrug und Heuchelei als partiellen Zufluchtsort
vor den Anforderungen dieser Zivilisation. Unsere anerkannten
Leitsätze bleiben im Widerspruch mit unseren wirklichen Regeln,
nach denen wir handeln, und wir führen ein Doppelleben von
unfruchtbarer religiöser Sentimentalität und groben materia-
listischen Gewohnheiten.
Bis zu welcher Ausdehnung die europäischen Völker von
Verfolgungen getroffen wurden, läßt sich leicht durch einige wohl-
bekannte statistische Tatsachen ermessen. So wurde das
spanische Volk im Verlaufe der drei Jahrhunderte zwischen 1471
und 1781 jährlich um die Zahl von 1000 Personen an Freidenkern
entblößt; da durchschnittlich pro Jahr 100 Personen hingerichtet
und 900 während dieser Zeit eingesperrt wurden. Die tatsäch-
lichen Daten aus diesen drei Jahrhunderten sprechen von 32 000
auf Scheiterhaufen verbrannten Personen, von 17 000 en effigie
Einflüsse der natürlichen Befähigung der Nationen. 381
verbrannten (ich nehme an, daß die meisten von ihnen im Ge-
fängnis starben oder aus Spanien entflohen), und von 291000, die
zu Gefängnisstrafen von verschiedener Länge und anderen Bußen
verurteilt wurden. Es ist unmöglich, daß irgend ein Volk einer
solchen Politik Stand halten kann, ohne eine gewaltige Strafe in
der Verschlechterung seiner Nachkommenschaft zu zahlen, wie
es sich tatsächlich in dem Aufkommen des heutigen aber-
gläubischen unintelligenten spanischen Volkes zeigt.
Auch Italien wurde in früheren Zeiten von furchtbaren Ver-
folgungen heimgesucht. In der Diözese Como allein wurden viele
Jahre hindurch jährlich 1000 von den Inquisitoren verhört, und
300 wurden allein im Jahre 1416 verbrannt.
Die französischen Verfolgungen, bei denen die Engländer
einen großen Gewinn davontrugen, da die FlüchtHnge Industrielle
waren, waren von annähernd gleichem Umfange. Im sieb-
zehnten Jahrhundert gingen drei bis viertausend Protestanten
im Gefängnis, auf den Galeeren, bei ihren Fluchtversuchen und
auf dem Schafott zu Grunde. Die gleiche Anzahl wanderte aus.
In seinem bewunderungswürdigem Buch über die Hugenotten
beschreibt Smiles den Einfluß, den diese und die flämischen Emi-
granten auf England hatten, und zeigt klar, daß England ihnen fast
seine ganze industrielle Kunst und sehr viele der v/ertvollsten
wichtigsten Züge seiner modernen Bevölkerung verdankt. Frank-
reich hat noch eine andere Emigration von annähernder Wichtig-
keit, aber ganz verschiedener Wirkung durchgemacht, nämlich
die Emigration der Revolution von 1789. Es ist sehr lehrreich,
die Resultate dieser beiden Auswanderungen miteinander zu ver-
gleichen. Die protestantischen Emigranten waren befähigte
Menschen und haben zur guten Hälfte einen tiefen Einfluß auf
unsere Nachkommenschaft und unsere Geschichte gehabt. An-
dererseits waren die politischen Flüchtlinge durchschnitthch von
geringerer Kraft und haben kaum einige Spuren hinterlassen.
Es ist sehr bemerkenswert, ein wie großer Teil hervor-
ragender Männer aus allen Gegenden fremde Namen tragen und
Kinder von politischen Flüchtlingen sind, von Männern, die wohl
qualifiziert waren, wertvolle Eigentümlichkeiten des Blutes ein-
zuführen. Wir können nicht umhin über das ruhmvolle Schick-
sal eines Landes nachzudenken, das viele Generationen hindurch
die Politik aufrecht hielt, hervorragend wünschenswerte Flücht-
linge, aber keine andern, anzuziehen, und ihre Siedelung und die
Naturalisation ihrer Kinder zu befürworten.
382 Einflüsse der natürlichen Befähigung der Nationen.
Kein Land hat mehr Emigranten ziehen lassen als England,
aber ich bin mir nicht im Klaren, ob es bisher im ganzen bei
diesem Verfahren gewonnen oder verloren hat. Ohne Zweifel hat
es eine große Anzahl Familien von vollgiltigem Wert, nament-
lich Arbeiter und Handwerker verloren; aber als Regel gilt, daß
die fähigsten Menschen nicht zur Auswanderung neigen, sie fühlen
daß ihr Schicksal zu Hause gesichert ist, und obgleich ihr Aben-
teurergeist überwältigend stark ist, ziehen sie es doch vor, in
der hochintellektuellen und moralischen Atmosphäre der intelli-
genteren Kreise der englischen Gesellschaft zu leben, als sich in
die Selbstverbannung unter Menschen von insgesamt niedrigerem
Niveau des Geistes und der Interessen zu begeben. England hat
sich sicherlich durch Emigration einen guten Teil des Auswurfs
seiner Bevölkerung vom Halse geschaffen. Es hat einen Ausweg
für Abenteuer und Bohemiens-Naturen gefunden, die sich ausge-
zeichnet zur Kolonisierungeines neuen Lebens eignen, die man
aber in alten Zivilisationen nicht braucht, und ebenso wurde es
von einer großen Anzahl ungestümer Radikaler und dergleichen
befreit, Menschen, die entschieden befähigt, aber durchaus nicht
hervorragend sind und deren Eifer, Selbstvertrauen und ünehr-
erbietigkeit ihre anderen Eigenschaften bei weitem überwiegen.
Der starke Aufstieg neuer Kolonien und der Verfall alter Zi-
vihsationen ist, glaube ich, hauptsächlich auf ihre respektiven
sozialen Faktoren zurückzuführen, die in dem einen Falle die Ehen
innerhalb des tauglichsten Menschenschlags fördern und sie in
anderen Falle hindern. In einer jungen Kolonie ist ein starker
Arm und ein unternehmender Kopf das bestangemessene Glück
für einen verheirateten Mann, und da andererseits wenig Frauen
vorhanden sind, haben die inferioren Männer auch wenig Wahr-
scheinlichkeit zu heiraten. In einer alten Zivihsation sind die
Faktoren komplizierter. Unter den aktiven ehrgeizigen Klassen
haben nur die Erben von Vermögen die WahrscheinUchkeit früh
zu heiraten. Auf Widerstand stoßen namentUch die Männer der
Klassen C. D. und E. — ich meine jene, deren zukünftiges Schicksal
durch nichts, als ein gut Teil Selbstverleugnung und Mühe ge-
sichert ist. Es ist fast unmöglich, für sie guten Erfolg zu haben
und in der Gesellschaft hoch emporzusteigen, wenn sie sich schon
in frühem Mannesalter an eine Frau fesseln. Die Männer der
Klassen F. und G. sind unabhängiger, aber sie sind nicht an-
nähernd so zahlreich, ihre Nachkommenschaft hat also, obgleich
sie wesentlich wertvoller ist als die von E. oder D., viel weniger
Einflüsse der natürlichen Befähigung der Nationen. 383
Einfluß als jene auf die Norm der Nation im allgemeinen. Aber
selbst wenn die Männer aus den Klassen F. und Q. jung heiraten
und schließlich ihr Glück machen und Würden oder hohe soziale
Stellungen erlangen, werden sie von dem Ehrgeiz infiziert, der in
allen alten Zivilisationen im Schwange ist, Famihen zu gründen.
Die Resultate dieses Übels habe ich bereits beschrieben, als ich von
den Ehen der ältesten Söhne mit Erbinnen und der Unterdrückung
der Ehen der jüngeren Söhne sprach. Überdies herrscht gerade
unter den besten Männern des Landes die Tendenz, sich in der
Hauptstadt festzusetzen, wo die Ehen weniger fruchtbar sind
und die Kinder weniger Wahrscheinlichkeit haben am Leben zu
bleiben. Infolge dieser verschiedenen Ursachen ist in einer alten
Zivilisation die Fruchtbarkeit der befähigteren Klassen bestän-
digen Hemmungen ausgesetzt, während die Unbedachtsamen und
Nichtehrgeizigen am meisten Nachkommenschaft aufziehen. So
verschlechtert sich die Rasse allmähHch, wird in jeder folgenden
Generation für eine hohe Zivilisation weniger tauglich, obgleich
sie deren äußeren Anschein behält, bis die Zeit kommt, wo der
ganze soziale und politische Bau einstürzt, und ein größerer oder
geringerer Rückfall in die Barbarei stattfindet, während welcher
Zeit die Rasse vielleicht fähig ist ihre Spannkraft wieder-
zugewinnen.
Die beste Form der Zivilsisation in bezug auf den Fortschritt
der Rasse, wäre eine solche, in der das Leben nicht kost-
spielig wäre; wo das Einkommen hauptsächhch aus Berufs-
quellen und nicht aus Erbschaften herkäme, wo jeder Knabe eine
günstige Gelegenheit hätte seine Fähigkeiten zu zeigen und wenn
er eine hohe Begabung hätte, durch die liberale Hilfe von Stipen-
dien und Stiftungen, die er in früher Jugend erlangt hätte, in den
Stand gebracht wäre, eine erstklassige Ausbildung und Eintritt
in das Berufsleben zu erlangen, wo die Ehe so hoch in Ehren ge-
halten wäre, wie es bei den alten Juden der Fall war und wo der
Stolz auf die Rasse ermutigt würde (ich meine natürhch nicht das
unsinnige Gefühl, das heute unter diesem Namen geht), wo der
Schwache freundliche Aufnahme und Zuflucht in Zölibaten Klöstern
oder Schwesternschaften fände und wo schließlich die bessere
Sorte von Emigranten und Flüchtlingen aus anderen Ländern ein-
geladen und bewillkommet und ihre Kinder naturaUsiert würden.
Allgemeine Betrachtungen
Alle modernen Physiologen legen überzeugend dar, daß das
Leben jeder Pflanze und jedes Tieres aus einer ungeheuren An-
zahl subordinierter Leben aufgebaut ist, daß jeder Organismus
aus einer Anzahl elementarer Teile besteht, die bis zu einem
großen Ausmaße von einander unabhängig sind, daß jedes Or-
gan sein eigenes Leben oder seine Autonomie hat und sich von
anderen Geweben unabhängig entwickeln und reproduzieren kann
(s. Darwin, Domestikation von Pflanzen und Tieren, S. 368/69).
So wird das Wort „Mensch", wenn es richtig verstanden ist, ein
Eigenname für eine Menge, denn er setzt sich aus Millionen, viel-
leicht aus Billionen von Zellen zusammen, von denen jede ein
bis zu einem gewissen Grade unabhängiges Leben besitzt und der
Schöpfer anderer Zellen ist. Er ist ein bewußtes Ganzes, das
aus den zusammengesetzten Faktoren eines Schwarms gebildet
ist, welcher sich aus, wie uns scheint, unbewußten oder kaum
bewußten Elementen bildet.
In seiner bemerkenswerten Theorie der Pangenesis kommt
Darwin von diesem Ausgangspunkt zu zwei gewaltigen Schlüssen.
Er setzt erstens voraus, daß jede Zelle, die selbstverständlich ihre
individuellen Eigentümlichkeiten hat, ihrer Art eng entsprechend
zeugt, indem sie unzählige Keime oder „gemmules", wie er sagt,
verstreut, die im Blut zirkuheren und sich hier vermehren; in
diesem Anfangsstadium verbleiben sie, bis sie fähig sind sich zu
mehr oder weniger vollkommenen Geweben zu fixieren, worauf
sie sich zu regulären Zellen entwickeln. Zweitens macht er die
Voraussetzung, daß die Keime bei der Wahl ihrer Anhaltspunkte
einzig von ihren respektiven Affinitäten gelenkt werden und daß
folglich die wunderbare Struktur der lebenden Form sich unter
dem Einfluß zahlloser blinder Affinitäten und nicht unter dem einer
zentralen kontrollierenden Macht aufbaut.
Allgemeine Betrachtungen. 385
Diese Theorie, die von Darwin als eine „provisorische" vor-
geschlagen wird, und die sich eingestandenermaßen bis zu einem
gewissen Qrade auf bloße Hypothesen und sehr stark auf Ana-
logien stützt, ist — ob sie nun richtig oder falsch ist — von un-
geheurem Vorteil für jene, welche die Gesetze der Vererbung
suchen. Sie gibt einen Schlüssel zu allen bisher verschlossenen
Schranken für unser Verständnis der Natur der Vererbung, sie
vereinigt die mannigfaltigen Formen der Reproduktion, die man in
den weiten Reihen des organischen Lebens trifft, in den Kreis
eines besonders einfachen Gesetzes, und sie bringt alle diese For-
men der Reproduktion unter die gleichen Gesetze, die das ge-
wöhnUche Wachstum jedes Individuums beherrschen. Es ist
daher sehr ratsam, die Tatsachen der vererbten Anlagen von dem
Gesichtspunkt aus zu betrachten, den die Pangenesis uns gibt,
und ich will trachten den Leser dahin zu bringen, indem ich der
Reihe nach von Typen, von Naturspielen, von Stabilität, Variation
und Individualität sprechen werde.
G al t o n , Genie und Vererbung. 25
Typen.
Jeder Typus in einem lebenden Wesen läßt sich mit den
typischen Erscheinungen vergleichen, die man in verschiedenen
Beschreibungen von Ansammlungen findet. Es ist richtig, daß
das Leben eines Tieres bewußt ist und die Elemente, aus denen
es zusammengesetzt ist, scheinbar unbewußt sind, während im
Falle des korporativen Daseins einer Gruppe von Menschen
das Gegenteil stattfindet. Nichtsdestoweniger wird uns diese
Analogie von beträchtlicher Hilfe zum klaren Verständnis der
Gesetze der Vererbung sein, ohne uns bei der Art, in welcher
ich sie vorschlage, irre zu führen. Die Ansammlungen, die ich
im Auge habe, sind solche, die von keiner zentralen Autorität
geleitet werden und die ihre typischen Erscheinungen durch
die freien Handlungen der Individuen, aus denen sie sich zu-
sammensetzen, angenommen haben, wobei also jedermann von
seinem unmittelbaren Interesse geleitet wurde und seinen Platz
einzig unter dem Einfluß einer wählenden Affinität zu seinen
Nachbarn gefunden hat. Ein kleiner aufblühender Badeort ist
für unsern Zweck eine ebenso gute Illustration als irgend ein an-
deres Ding. Es ist oft kaum möglich, seinem Ursprung nachzu-
gehen. Zwei oder drei Häuser werden vielleicht zu Privat-
zwecken gebaut, sie werden zufällig leer; Ausflügler sehen und
mieten sie, sie rühmen die Lage und beleben die Nachfrage nach
weiteren Wohnungen. Andere Häuser werden gebaut, um dem
Bedürfnis entgegenzukommen; die Folge ist ein Wirtshaus,
Bäcker- und Schlachterwagen erscheinen täglich, der Postbote
und so weiter. Dann ist das Dorf im Aufschwung, und Kaufläden
beginnen sich zu etabüeren, junge Handwerker und andere wan-
dernde „gemmules" der engUschen Bevölkerung, die auf der Suche
Typen. 387
nach einem Ort sind, wo sie sich vorteilhaft niederlassen können,
kommen dazu, und so wird jede neue günstige Gelegenheit er-
griffen und jede Öffnung gefüllt, sobald sie oder sehr bald nachdem
sie existiert. Das allgemeine Resultat dieser rein selbsttätigen
Affinitäten ist, daß die Badeorte einander merkwürdig ähnlich
sind, selbst ehe noch ein spekulativer Baumeister sie betreten hat.
Wir können voraussagen, welcher Art Kaufläden sich finden
werden und an welcher Stelle, wir können selbst die Plakate und
Waren prophezeien, die in den Fenstern liegen werden. Und so
sehen wir, daß sie trotz zahlreicher individueller Eigentümlich-
keiten von einer streng gegnerischen Identität sind.
Der Typus dieser Badeorte ist sicherlich ein dauerhafter,
das menschliche Material, aus dem sie sich zusammensetzen,
bleibt sich ähnlich und ebenso die Bedingungen, unter welchen
sie existierten und die darin bestehen, die Bedürfnisse der durch-
schnittlichen englischen Ausflügler zu stillen. Daher wird der
Badeort immer seiner Art entsprechend weiterhecken. Er wird
das in der Weise tun, daß er nach dem Prinzip der Vermehrung
durch Teilung einen Ausläufer ausscheiden wird oder er wird es
wie die Polypen machen, von denen man auch ein Stück ab-
schneiden kann, das von da ab ein unabhängiges Leben führt
und sich zu einem vollständigen Tier auswächst. Oder, um sie
mit Wesen einer höheren Lebensstufe zu vergleichen, zwei Bade-
orte, die durch einige Entfernung von einander getrennt sind,
gewähren einander Material und Aushilfe zu einer dazwischen
hegenden LokaHtät.
Genau die gleichen Beobachtungen lassen sich über Fischer-
dörfer anstellen oder Fabrikstädte oder neue Niederlassungen
in der Wildnis oder ein Lager von Goldgräbern; jedes von ihnen
wird seiner Art entsprechend weiterhecken. Wenn wir uns mehr
stationären Gesellschaftsordnungen zuwenden, als unsere eigene
ist, werden wir zahlreiche Beispiele der reinsten Zucht finden,
so unterscheidet sich ein Hottentottenkraal oder Dorf von heute
durch gar nichts von denen, welche die ersten Reisenden be-
schrieben oder um einen unendlich größeren Sprung zu machen,
die Kenntnisse, die wir den ältesten Malereien Ägyptens ent-
nehmen, stimmen mit den Beobachtungen überein, die wir heute
an den Nachkommen jener Völker machen, die die Malereien dar-
stellen.
Betrachten wir jetzt die Natur der Hybriden. Setzen wir eine
Stadt voraus, die unter dem Einfluß zweier anderer untereinander
25*
388 Typen.
verschiedener entsteht, etwa unter dem Einfluß eines Badeortes
und einer Fischerstadt. Was wird das Resultat sein? Diese
spezielle Kombination ist gewöhnlich günstig, da die verschie-
denen Elemente in diesem Falle nicht interferieren, sondern ein-
ander eher unterstützen. Die Fischereiinteressen geben dem
Platz mehr Festigkeit als es die mehr ephemere Gegenwart von
Touristen allein vermag; das pittoreske Küstenleben ist gleich-
falls eine Anziehung für Fremde, und die Fischer sorgen für ihre
Nahrung. Andererseits gibt der Badeort den Fischern mehr ver-
schiedenartige Lebensbedingungen; die Fremden werden direkt
oder indirekt recht eigenthch mit Geldstrafen belegt für wohl-
tätige Zwecke, Straßen und dergleichen, und sie sind ihren Mit-
bürgern nicht unwillkommene Kunden.
Nehmen wir ein anderes Beispiel einer Hybride, das zu an-
deren Resultaten führt. Stellen wir uns einen unternehmenden
Fabrikanten in einer Stadt vor, die nicht weit entfernt von einem
beginnenden Badeorte hegt. Der Mann entdeckt die Vorteile der
dortigen Mineralien, Wasserkräfte oder Zugangsmöglichkeiten
und beschließt seine Fabrik -JOa \l^uuo^ ii/W -uaSaiJ^A nz uiq;jop
aussagen, was mit großer Sicherheit eintreten wird: entweder der
Ort wird als Badeort verlassen werden oder der Fabrikant wird
in der einen oder anderen Weise entfernt werden. Die beiden
Elemente widersprechen einander. Der Schmutz, der Lärm und
die rohen Arbeiter einer Fabrik sind der Bevölkerung eines Bade-
ortes nicht kongenial.
Die Moral, die ich im Auge habe, wird dem Leser klar
werden. Ich wünsche zu zeigen, daß, wenn ein wohlgebildeter
Mann in gutem Zustande eine ebensolche Frau heiratet und jeder
von ihnen in bezug auf seine natürlichen Gaben von reinem Blute
ist, daraus nicht schließlich folgen muß, daß eine hybride
Nachkommenschaft aus dieser Ehe entstehen wird.
Naturspiele.
Ich will die gleiche Metapher noch fortsetzen, um zu er-
klären, wie augenscheinUche Naturspiele, wie das plötzHche
Auftauchen eines Menschen von großen Fähigkeiten in einer ge-
wöhnlichen Familie, ensteht. Darwin stellt in seiner Pangenesis-
Theorie dar, daß „gemmules" von unzähliger Beschaffenheit,
die sich von den Vorfahren ableiten, im Blut zirkulieren und sich
Generation um Generation im Zustand von „gemmules" ver-
mehren, ohne sich zu Zellen zu entwickeln, da andere antago-
nistische „gemmules" übermächtig sind und sie in dem Kampf um
die Stützpunkte überwältigen. Jedes lebende Wesen hat also eine
große Anzahl von Fähigkeiten, die niemals Ausdruck finden, und
jedem sichtbar gewordenen Element stehen zahllose latente
gegenüber. Der Charakter eines Menschen ist vöUig aus jenen
„gemmules" gebildet, denen es gelungen ist, sich einen Stützpunkt
zu erringen; die anderen sind durch ihre Antagonisten über-
wältigt worden und gelten nicht; genau so wie die PoHtik einer
Demokratie von der Majorität ihrer Bürger gemacht wird oder
wie die parlamentarische Wahl irgend einer Ortschaft von den
dominierenden politischen Ansichten der Wähler bestimmt wird:
in beiden Fällen ist die abweichende Minorität machtlos. Stellen
wir uns jedoch vor, daß infolge der sehr starken Vermehrung
einer Wählerklasse, sagen wir der irischen Bevölkerung, die
numerische Stärke der schwächeren Partei allmählich zunimmt,
bis die Minorität die Majorität wird, so wird auch das politische
Gleichgewicht einen plötzHchen Umschlag oder eine Revolution
erfahren, und der Charakter des Wahlorts oder der Nation, wie
er in den gemeinschaftlichen Handlungen zum Ausdruck kommt,
wird sich völlig ändern. Diese Tatsache entspricht dem soge-
nannten Naturspiel. Um nun das Gleichnis noch mehr
390 Naturspiele.
unseren Bedürfnissen anzupassen, machen wir nocii die weitere
Voraussetzung, daß zwei Wahlflecken, von denen jeder eine
starke Minorität irischen Elementes enthält, von denen der eine
stets einen Whig und der andere einen Konservativen gewählt
hat, durch irgend eine Veränderung des Wahlsystems zu einem
einzigen Wahlort verschmolzen werden. Es ist klar, daß der
Whig und der Konservative teilweise einander lähmen werden
und daß die Vereinigung der beiden irischen Minoritäten eine
starke Majorität zur Folge haben wird, so daß sicherlich
ein Vertreter der irischen Interessen gewählt wird. Dieser
Fall entspricht genau jenem, wo ein Sohn ausgesprochene Eigen-
tümlichkeiten hat, die weder sein Vater noch seine Mutter in
einer freigewordenen Form besitzt.
Der dominierende Einfluß des reinen Blutes über Mischver-
bindungen wird ebenfalls durch das Gleichnis der beiden Wahl-
flecken verständUch; denn wenn jeder fertige und jeder an-
gehende Wähler in einem von ihnen, d. h. jedes Individuum männ-
lichen Geschlechts, Männer und Kinder, eingefleischte Radikale
sind, so wird der Eintritt einer solchen kompakten Masse die
getrennten politischen Gruppen des andern Wahlfleckens, mit den
sie zusammengewürfelt wird, überwältigen.
Es ist nicht wertlos, diesen Gleichnissen nachzugehen, die
nach der Theorie der Pangenesis völlig statthaft sind. Denn sie
geben unseren Anschauungen über Vererbung eine beträchtliche
Genauigkeit und bringen Tatsachen, die auf d^n ersten BHck
anormal erscheinen, in eine verständliche Anordnung.
Stabilität
Ich gehe jetzt dazu über, zu erklären, was ich unter Stabilität
der Typen verstehe und welcher Art die Veränderungen sind,
durch welche ein Typus einen andern ermöglicht. Stabilität ist
ein Wort, das wir der Sprache der Mechanik entnommen
haben. Es scheint ein taugUches Wort zu sein. Sehen wir ein-
mal zu, wie wir uns den Typus vorstellen müssen, wenn wir ihn
auf mechanische Vorgänge anwenden. Darwin zeigt in seinem
großen Werk „Die Entstehung der Arten", daß alle Formen des
organischen Lebens in einem gewissen Sinne ineinander um-
wandelbar sind, denn alle stammen seiner Ansicht nach von ge-
meinsamen Vorfahren ab; wenn daher A und B von C ab-
stammen, lassen sich die Abstammungslinien auch wieder von
A zu C hinauf und von C zu B hinunterführen. Aber die Ver-
änderungen sind keine unmerklichen Qrade; es gibt viele, aber
keine unendliche Anzahl von Zwischengliedern, welches ist nun das
Qesetz der Kontinuität, das durch eine Serie sprunghafter Ver-
änderungen befriedigt wird? Die mechanische Auffassung wäre
die eines rauhen Steines, der infolge seiner Rauhigkeit eine große
Anzahl natürlicher Flächen hat, so daß er auf jeder von ihnen in
„stabilem" Gleichgewicht verharren kann. Damit ist gesagt, daß
der Stein, wenn er gestoßen wird, ein wenig nachgeben wird,
aber wieder in einem geringeren Qrade nachgeben wird, wenn er
stärker gestoßen wird; in beiden Fällen wird er, wenn der Druck
zurückgezogen wird, in seine frühere Stellung zurückfallen. Wenn
aber der Stein durch eine kräftige Anstrengung gezwungen wird,
die Grenzen der Fläche zu überschreiten, auf der er bisher geruht
hat, wird er in eine neue Qleichgewichtsstellung stürzen, so daß
wieder das gleiche Verfahren wie vorher eingeschlagen werden
muß, ehe er von der Stelle gerückt und eine kurze Strecke vor-
392 Stabilität.
wärts gerollt werden kann. Die verschiedenen Stellungen
stabilen Gleichgewichts können als ebenso viele typische Hal-
tungen des Steines betrachtet werden, wobei die Typen halt-
barer werden, entsprechend der größeren Ausdehnung der
Grenzen seiner Stabilität. Wir sehen also klar, daß die Bewe-
gungen des Steines keine Verletzung des Gesetzes der Konti-
nuität bedeuten, obgleich er nur in gewissen, weit voneinander
getrennten Stellungen beharren kann.
Gehen wir zu einem andern Gleichnis über, das einem kom-
plizierteren Kräftesystem entnommen ist. Wir wissen alle, wie
es ist, wenn man in die Mitte eines großen Haufens gedrängt
wird. Der Haufen kämpft, stößt und bewegt sich hin und her in
seinem Bestreben, sich einen Weg durch irgend einen schmalen
Durchgang zu bahnen. Eine Stauung entsteht, jeder Mensch in
dem Gedränge stößt, die Masse ist bewegt, aber es findet kein
Fortschritt statt. Wenn ein Mensch durch eine große An-
strengung diejenigen, die vor ihm stehen, um einige Zoll vorwärts
bringt, erfolgt sicherlich wieder ein Rückschlag, und der end-
liche Fortschritt fehlt. Schließlich läßt die Stauung durch irgend
eine zufällige Kräfteverbindung nach, es findet eine Vorwärts-
bewegung statt, die Elemente des Haufens zerfallen in Kombina-
tionen von geringen Variationen, in wenigen Sekunden aber ent-
steht wieder eine andere Stauung, die nach einer Weile durch den
gleichen Prozeß behoben wird. Jede Bildung des Haufens, bei
der eine Stauung entstanden ist, ist eine Stellung von stabilem
Gleichgewicht und repräsentiert eine typische Haltung.
Man kann sich leicht eine allgemeine Idee von den Be-
dingungen des stabilen Gleichgewichts in der organischen Welt
machen, wo ein Element so mit einem andern verbunden ist, daß
eine ungeheure Anzahl unstabiler Kombinationen für jedes
existieren muß, das imstande ist, sich selbst Generationen um
Generationen unveränderlich zu erhalten.
Variationen.
Ich gehe nunmehr zu einigen wenigen Bemerkungen, die in-
dividuelle Variation betreffend, über. Die pangenetische Theorie
setzt voraus, daß die „gemmules", aus denen sich jede Zelle eines
jeden Organismus entwickelt, sich aus zwei Ursachen ableiten
lassen: einmal aus unveränderter und zweitens aus veränderter
Vererbung. In seinem Werk „Variation der Tiere und Pflanzen
unter dem Einfluß der Domestikation" zeigt Darwin klar, daß
die individuelle Variation ein etwas wichtigerer Zug ist, als wir
erwartet haben mögen. Es wäre eine interessante Untersuchung
zu bestimmen, wie stark die Konstitution eines Menschen durch-
schnittlich auf die unveränderten Gaben entfernter Ahnen zurück-
zuführen ist und wie stark auf die Akkumulation individueller
Variationen. Die pangenetische Theorie gibt ausgezeichnetes
Material für mathematische Formeln an die Hand, deren Kon-
stanten aus Durchschnitten von Tatsachen hergestellt werden
könnten, gleich jenen in meinen Tafeln. Die Tatsachen müßten zu
diesem Zwecke zusammengestellt werden, meine eigenen Daten
sind hierzu zu unbestimmt. Die Durchschnitte müßten sich auf
irgend ein einfaches physisches Charakteristikum beziehen, das
in seiner Eigenschaft unmöghch zu Irrtümern führen kann und
nicht den Zweifeln unterworfen ist, welche die Abschätzung von
Fähigkeit mit sich bringen kann. Ich füge noch hinzu, daß wir
nicht zu zögern brauchen, ob wir für diesen Zweck Durchschnitte
gelten lassen sollen; denn die Bedeutung und der Wert eines
Durchschnittes sind vollkommen klar. Er würde die Resultate
unter der Voraussetzung repräsentieren, daß die wetteifernden
„gemmules" von gleicher Fruchtbarkeit sind und ebenso daß das
Verhältnis der durch individuelle Variation affizierten „gem-
mules" in allen Fällen konstant ist
394 Variationen.
Die unmittelbare Konsequenz der pangenetischen Theorie ist
einigermaßen überraschend. Sie scheint zu zeigen, daß ein
Mensch völHg aus seinen eigenen und den Eigentümlich-
keiten seiner Ahnen aufgebaut ist und nur in einem unend-
lich geringen Grade aus charakteristischen Merkmalen be-
steht, die seit außerordentlich langen Zeiten in unveränderter
Form weitergegeben werden. Daraus würde folgen, daß bei
einem längeren Zeitabschnitt konstanter Bedingungen wenig oder
nichts daran gelegen wäre, welches die charakteristischen Merk-
male der ersten Vorfahren einer Rasse waren, da, der Typus
immer konstant vorausgesetzt, die Nachkommenschaft unfehlbar
von den Vorfahren neueren Datums gestaltet würde.
Der Grund, den ich eben dargelegt habe, ist leicht zu verstehen,
wenn einfache, obgleich unwahrscheinliche Ziffern zur Illustration
dienen. Stellen wir uns vor, um ein sehr einfaches zahlenmäßiges
Beispiel zu nehmen, daß ein Kind ein Zehntel seiner Natur infolge
individueller Variation erworben hat und die übrigen neun Zehntel
von seinen Eltern geerbt hat. Daraus folgt, daß seine beiden
Eltern nur neun Zehntel von neun Zehnteln oder rww von den
Großeltern des Kindes, tV(T¥ von den Urgroßeltern des Kindes usw.
als Erbe weitergegeben haben. Der Zähler des Bruchs wächst mit
jeder folgenden Stufe weniger rasch als der Nenner, bis wir zu
einem verschwindenden Wert des Bruches gelangen.*)
1) Die Formel ist wie folgt:
G = der Totalanzahl der »gemmules" ; die durch die Reihe der Vorfahren
unveränderten weitergegebenen = Gr, die übrigen = G (1 — r) würden
sich durch individuelle Variation ändern.
Von den Eltern Modifiziert durch individ«e«e
unverändert Variation
abgeleitet
Dann bestehen die .gemmules*
eines jeden Individuums aus Gr -j- G (1 — r)
Der Teil Gr, der sich von den
Eltern herleitet.besteht gleich-
falls aus zwei Teilen; nämlich Gr^ -|- Gr (1 — r) = G (r — r*)
Der Teil Gr^, der sich von den
Großeltern herleitet, ist zu-
sammengesetzt aus Gr' -f Gr^ (1 — r) = G (r^ — r')
Dieser von der n-ten aufsteigen-
den Generationen hergeleitete _
Teil setzt sich zusammen aus Gr""** * + ^^ ('" ~ •'")
= G(r°-r"-^ 0
Variationen. 395
Der Teil, den das Kind in unveränderter Form von all seinen
Ahnen über den fünfzigsten Grad hinaus erben würde, würde nur
ein Fünftausendstel seiner ganzen Natur ausmachen.
Ich sehe keine ernste Schwierigkeit, die einem Mathematiker
im Wege stünden, eine kurze Formel aufzustellen, die nach der
Pangenesis-Theorie die Zusammensetzung organischer Wesen
nach ihren ererbten und individuellen Eigentümlichkeiten aus-
drücken würde, und die uns, wenn einmal gewisse Konstanten
festgesetzt würden, Mittel an die Hand gäben, die durchschnitt-
liche Verteilung charakteristischer Merkmale einer großen Menge
von Nachkommenschaft vorauszusagen, deren Vorfahren uns be-
kannt sind. Das Problem müßte nach dem folgenden Prinzip
angepackt werden.
G besteht also aus Gr" + ^ unveränderten .gemmules", hergeleitet von
jenen Generationen, die weiter zurückliegen als die nte, -(- G multipliziert mit
der Summe der folgenden Serien, in der jedes Glied .gemmules' darstellt, die
durch individuelle Variation modifziert sind.
1 — r + (r — f'i) + (r2 — r^) + und + (rn — r" +^)= i — r° + ^•
Da r ein Bruch ist, der kleiner als 1 ist, (in dem angenommenen Fall
9
oben im Text betrug er TT^ und würde im allgemeinen sehr gering sein, aber
999
ich habe keine Idee wie gering) vielleicht so gering als tk^ oder eine Zahl, die
der Einheit noch näher kommt, so würde der Wert von r" +' verschwinden,
wenn n groß genug gewählt würde; in welchem Falle das Individuum als ganz
von .gemmules" abgeleitet betrachtet werden kann, die durch individuelle
Variationen nach der n'en Generation modifiziert wurden.
Man muß in Betracht ziehen, daß ich von Variationen innerhalb der
Stabilitätsgrenzen der Rasse spreche und nicht von den Fällen, wo die
Individuen Generation um Generation, wegen irgend einer Eigentümlichkeit
ausgewählt werden. In diesem Falle müßte ein neues Element eingesetzt
werden, insofern als der durchschnittliche Wert von r nicht konstant sein
kann. Im Verhältnis als die Abweichung von der mittleren Stabilitäts-
position wächst, muß man vernünftigerweise annehmen, daß die Tendenz der
individuellen Variation stärker zur angenommenen Position als von ihr weg-
führt. Die Behandlung all dieser Dinge scheint der Beherrschung durch
die Analysis zugänglich, aber wir brauchen eine Tatsachensammlung wie
Tierzüchter sie uns liefern könnten, um einige Schritte über die Region der
reinen Hypothese hinaus zu gelangen.
Die Formel zeigt auch wie viel durchschnittlich in der Natur eines
Menschen von einem gegebenen Ahnherrn ist, denn wenn wir den Vater
erste Generation nennen, den Großvater die zweite und so weiter, so würde
daraus folgen, da ein Mensch 2 " Vorfahren in der nte" Generation hat und da
die Formel zeigt, daß er nur Gr^ unveränderte „gemmules" von ihnen allen
zusammen geerbt hat, daß der Teil, der in dieser Generation von jeder Person
hergeleitet ist, soviel ausmacht als
(i)°-
396 Variationen
Das durchschnittliche Verhältnis von „gemmules", die durch
individuelle Variation unter verschiedenen der Geburt voraus-
gehenden Bedingungen modifiziert sind, läßt sich durch Beobach-
tung genau festlegen, während die Abweichungen von diesem
Durchschnitt nach der Theorie des Wahrscheinlichkeitsgesetzes
festgelegt werden können, auf das ich mich schon so häufig be-
zogen habe. In der gleichen Weise wäre die Proportion der an-
deren „gemmules" zu behandeln, die in einer unmodifizierten
Form weitergegeben werden; denn die Kinder würden durch-
schnittlich die „gemmules" in der gleichen Proportion erben,
wie bei ihren Eltern existierten; in jedem Kinde aber würde
eine Abweichung von dem Durchschnitt stattfinden. Die Tafel
auf S. 33 ist identisch mit dem speziellen Falle, wo zwei Formen
von „gemmules" zu betrachten wären und wo sie in beiden Eltern
in gleicher Anzahl existieren würden.
Wenn die Pangenesis-Theorie richtig ist, so könnte man nicht
nur die durchschnittlichen Eigenschaften der Nachkommen der
Gruppen A und B, A und C, A und D und jede andere Kombination
voraussagen, sondern auch die Anzahl jener, die in verschiedenen
Proportionen von diesen Durchschnitten abweichen würden. So
müßte die Nachkommenschaft von F und A durchschnittlich so
und so werden und solche Zahlen per MiUion aufweisen von
Klasse A, B, C, D, E, F, G usw. Die latenten „gemmules" ließen
sich in der gleichen Weise nach den freigewordenen charak-
teristischen Merkmalen vieler vorhergehender Generationen fest-
legen, und ebenso müßte sich die Tendenz zu Rückfällen in eine
frühere Form gleichfalls berechnen lassen. Mit anderen Worten:
die pangenetische Theorie bringt alle Einflüsse, die auf Ver-
erbung Bezug haben, in eine Form, die geeignet ist, Gegenstand
mathematischer Analvse zu werden.
Individualität
Ich füge zum Schluß noch einige Worte darüber hinzu, was
ich unter dem Ausdruck „Individualität" verstanden haben möchte.
Die künstUche Fischzucht ist so häufig in Büchern, Vorführungen
und Vorträgen behandelt worden, daß jedermann mit dem Vor-
gang mehr oder weniger vertraut ist Die dem Männchen ent-
nommene „Milch" wird den Eiern, die das Weibchen deponiert
hat beigefügt, worauf diese ihr Ansehen rasch ändern und ohne ir-
gend ein anderes Agens innerhalb eines jeden Eies die Entwick-
lung eines Fischembryos sich beobachten läßt. Die Eier können
seit vielen Tagen von dem Weibchen getrennt sein und ebenso
die Milch seit vielen Stunden von dem Männchen. Beide sind
daher völlig abgelöste Teile organischer Materie, die ihre
eigenen organischen Existenzen führen; aus den Verbindungen
dieser Teile aber entsteht gleich oder sehr bald nach ihrer gegen-
seitigen Berührung individuelles Leben. Wo aber war dieses
Leben während des langen Zeitraums, wo Milch und Roggen von
den Fischeltern getrennt wurden? Wenn diese Substanzen in der
Zwischenzeit im Besitze bewußter Leben gewesen sind, so
wurden die beiden Leben durch den Prozeß in eine „Individuali-
tät" verschmolzen, was eine contradictio in adjecto wäre. Wenn
keines bewußtes Leben hatte, so wurde das Bewußtsein durch
eine Operation hervorgebracht die unter menschlichem Einfluß
stand, wie er nicht größer sein kann Man kann auch nicht
sagen, daß das Ei schon immer lebendig war und die Milch nur
einen akzessorischen Einfluß hatte, denn die jungen Fische erben
ihre charakteristischen Merkmale in gleicher Weise von beiden
Eltern, und ebenso beweist eine große Anzahl anderer physio-
logischer Daten die Unhaltbarkeit dieser Hypothese. Daher ist
398 Individualität.
die Schöpfung neuen Lebens, so weit es sich um Fische handelt,
so uneingeschränkt im Bereich der menschlichen Kraft als die
Schöpfung irgend eines materiellen Produkts aus der Kombination
gegebener Elemente.
Setzen wir weiter voraus, der Fischzüchter habe in zwei
verschiedenen Gefäßen zwei Milcharten, die zwei verschiedenen
Lachsarten A und B angehören, und ebenso in zwei verschiedenen
Gefäßen zwei Arten von Eiern C und D. Dann kann er nach
seinem Belieben die beiden Fischsorten AC und BD oder die
beiden Fischsorten AD und BC entstehen lassen. Also nicht nur
die Schöpfung von Fischleben in einem allgemeinen Sinne, son-
dern auch die spezifischen Charaktere individuellen Lebens sind
uneingeschränkt in weiten Grenzen unter menschlicher Kontrolle.
Die Macht des Direktors eines Unternehmens für Fischzucht ist
von genau der gleichen Art als die einer Köchin in ihrer Küche.
Der Direktor und die Köchin brauchen beide gewisse Elemente
zur Bearbeitung; wenn sie sie aber einmal erhalten haben,
können sie je nach dem einen Fisch oder eine Mahlzeit nach
einem vorausbestimmten Modell anfertigen.
Physiologisch aber ist jede Zeugung der gleiche Prozeß,*)
daher sind also die Betrachtungen, die darauf aufgebaut werden,
was an den Fischen vorgenommen wurde, auch in gleicher Weise
auf den Menschen anwendbar. Die gesamte menschliche Rasse
oder eine ihrer Varietäten kann ihre Anzahl durch ein System
früher Ehen unendlich erhöhen, oder sie kann sich durch Zölibat
gänzlich vernichten; sie kann mittels Wechselheiraten ver-
schiedener Varietäten und Veränderungen in den Lebensbedin-
gungen neue menschliche Formen einführen. Daraus folgt, daß
die menschliche Rasse einen starken Einfluß auf ihre eigenen
zukünftigen Formen der Aktivität ausüben kann, und zwar einen
weit stärkeren Einfluß als irgend ein Individuum über seine
eigenen je haben kann, denn die Freiheit der Individuen ist eng
durch den Energieaufwand begrenzt, den sie zur Ausübung ihres
Willens benötigen. Sie können mit einer Viehherde auf einer of-
fenen Wiese vergHchen werden, wenn jedes Tier mit einem
elastischen Strick eng an einen Pflock gebunden ist. Sie können
nach jeder Richtung auf eine kurze Entfernung mit geringer An-
strengung grasen, denn die Schnur gibt anfangs leicht nach; aber
je weiter sie kommen, desto stärker ist auch die Kraft, die sie
*) s. die Ansprache des Präsidenten der Royal Society 1867 bei der
Überreichung der Copley-Medaillis an Van i^aer.
Individualität. 399
zurückzieht. Die äußerste Grenze ihrer verschiedenen Ent-
fernungen muß in der Distanz vom Pflock liegen, wo die Maximal-
leistung an Nervenkraft, die die chemische Maschinerie ihres Kör-
pers aufbringen kann, gerade dem Ausfluß an Energie gleich ist,
der nötig ist, um der Kraft des Strickes zu widerstehen. Nun
ist die Freiheit der Menschheit, als Ganzes betrachtet, bei weitem
größer, als die des einzelnen Tieres in unserm Bilde; sie kann
allmählich ihre eigene Struktur ändern, oder sie kann, um bei
dem Bilde zu bleiben, die Pflöcke selbst immer wieder bewegen.
So kann sie sie Schritt für Schritt nach vorwärts bewegen zu
neueren und besseren Weideplätzen über weite Gebiete, deren
Grenzen bisher noch unbekannt sind.
Die Natur ist schwanger von latentem Leben, und es steht
in der Macht des Menschen, dieses Leben hervorzurufen, in
welcher Form immer er will und in dem Ausmaße, das er will.
Wir dürfen uns nicht gestatten, jede menschliche oder irgend-
welche Persönlichkeit als etwas Übernatürliches zu betrachten,
das dem Stamm der Natur hinzugefügt ist, sondern wir haben sie
eher als eine Absonderung in neuer Gestalt von etwas, das
bereits existiert, aufzufassen, und als eine regelmäßige Konse-
quenz früherer „Bedingungen". Ebensowenig dürfen wir uns von
dem Wort „Individualität" irreleiten lassen, da aus vielen Tat-
sachen und Argumenten dieses Buches hervorgeht, daß unsere
Persönlichkeit nicht so unabhängig ist, als unser Selbstbewußtsein
uns veranlaßt zu glauben. Wir können jedes Individuum als ein
Etwas betrachten, das von seiner Ursprungsquelle nicht völlig
k^sgelöst ist, als eine Welle, die unter gesetzmäßigen Bedingungen
geformt, in einem unbekannten, unbegrenzten Ozean emporgehoben
wird. In allem menschlichen und wahrscheinlich in allem Leben
überhaupt ist ebenso ausgesprochener Zusammenhang, als Tren-
nung. Diese Betrachtung geht meiner Ansicht nach noch weiter
und befestigt die Meinung, daß die Konstitution des lebendigen
Universums ein reiner Theismus ist, und daß seine Aktivitätsform
als eine kooperative bezeichnet werden kann. Diese Betrachtung
führt zu dem Schluß, daß alles Leben in seinem Wesen eines
ist, aber verschieden, immer wieder variierend und auf einander
wirkend in seinen Manifestationen und daß die Menschen allen an-
400 Individualität.
deren lebenden Tieren gleich aktive Arbeiter und Anteilnehmer an
einem ausgedehnteren System kosmischer Aktivität sind, das die
Menschen nicht, geschweige denn die Tiere, fassen können. Diese
Betrachtung regt noch weiter den Gedanken an, daß vielleicht alle
Lebewesen mehr oder weniger unbewußt, zu der Manifestation
eines Lebens beitragen, das höher als unseres ist, in der Art
etwa — ich beabsichtige nicht das Bild zu weit zu treiben — wie
die individuellen Zellen eines komplizierten Tieres zu der Mani-
festation von dessen Persönlichkeit beitragen, einer höheren
Ordnung angehörig.
Anhang.
Die Abweichungen von einem Durchschnitt sind in der fol-
genden Tafel Quetelets mit 80 Graden angegeben; sie sollen nach
jeder Seite des Durchschnittes gelten und erreichen daher eine
Totalsumme von 160 Graden. Die achtzigste Abweichung ist so
außerordenthch groß, daß die Chancen, sie noch zu übertreffen,
(ob wir nun hinauf- oder hinuntergehen, je nachdem, welchen
„ , 5 000000 — 4999992 8
Fall wir wählen wollen), nur 1^^^^^^ = 10000
oder weniger als ein MilHontel beträgt. Das heißt, wenn gegen
eine Scheibe geschossen wird (s. Diagramm S. 27), wird aus einer
Million Schüsse, wenn wir den Durchschnitt vieler Millionen
nehmen, weniger als einer in einer größerer Höhe treffen als 80
Oueteletsche Grade über dem Mittel aller Schüsse, und eine gleich
geringe Anzahl wird tiefer treffen, als der 80. Grad unter dem
gleichen Mittel beträgt.
Kolonne M. gibt die Chancen eines Schusses, der in irgend
einen der gegebenen (80X2 oder) 160 Grade im ganzen fällt.
Kolonne N. repräsentiert die Chancen von einem andern Gesichts-
punkte aus. Diese Kolonne ist direkt von M. abgeleitet und zeigt
die Wahrscheinlichkeit eines Schusses zwischen einen spezifi-
zierten Grad und das Mittel zu kommen; jede Ziffer in N. besteht
aus der Summe aller Ziffern in M. bis zu dem fraglichen Grade
inclusive. So sehen wir in Kolonne M.. daß die Chance gegen einen
Schuß in den ersten Grad zu fallen (nach oben oder unten, je nach-
dem wir wollen) 0,025 225 zu 1 ist 0,025 124 zu 1 für den zweiten
0,0244 924 zu 1 für den dritten Grad, daraus folgt, daß die Chance
zwischen das Mittel und dem dritten Grade inkl. gegen einen Schuß
offenbar der Summe dieser drei Ziffern gleich ist oder 0,075 237,
eine Zahl, die in Kolonne N. bei Grad drei eingetragen ist.
G a 1 1 0 n , Genie und Vererbung. 3^
402
Anhang.
Tafel nach Quetelet.
Grad oder
Rang der
Gruppe
M
Wahrscheinlich-
keit die Gruppe
zu treffen
N
Summe der
Wahrschein-
lichkeit an-
gefangen
mit der
wahrschein-
lichsten
Gruppe
Grad-
nummern
M
Wahrscheinlich-
keit die Gruppe
zu treffen
Summe der
Wahrscheinlich-
keit angefangen
mit der wahr-
scheinlichsten
Gruppe
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
31
32
33
34
35
36
37
38
39
40
0.025225
0.025124
0.024924
0.024627
0.024236
0.023756
0.023193
0.022552
0.C21842
0.021069
0.020243
0.019372
0.018464
0.017528
0.016573
0.015608
0.014640
0.013677
0.012726
0.011794
0.010887
0.010008
0.009166
0.008360
0.008594
0.006871
0.006191
0.005557
0.004968
0.004423
0.003922
0.003464
0.U03047
0.002670
0.002330
0.002025
0.001753
0.001512
0.001298
0.001 110
0.025225
0.059349
0.075273
0.099900
0.124136
0.147892
0.171085
0.193637
0.215479
0.236548
0.286791
0.276163
0.294627
0.312155
0.338728
0.344335
0.358975
0.372625
0.385378
0.397172
0.408060
0.418070
0.4272.36
0.435595
0.443189
0.450060
0.456251
0.461809
0.466776
0.471199
0.475122
0.478456
0.481633
0.484304
0.486634
0.488659
0.490412
0.491924
0,493222
0.494332
41
42
43
44
45
46
47
48
49
50
51
52
53
54
55
56
57
58
59
60
61
62
63
64
65
66
67
68
69
70
71
72
73
74
75
76
77
78
79
80
0.0009658
0.0008024
0.0006781
0.0005707
0.0004784
0.0003994
0.0003321
0.0002750
0.0002268
0.0001863
0.0001525
0.0001242
0.0001008
0.0000815
O.00O0656
0.0000526
0.0000421
0.0000334
0.0000265
0.0000299
0.0000164
0.0000128
0.0000100
O.Ö000077
0.0000060
0.0000046
0 0000035
0.0000027
0.0000021
0.0000016
0.0000012
0.0000009
0.0000007
0.0000005
0.0000004
0.0000003
0.0000002
0.00000014
0.00000011
0.00000004
0.495278
0.496081
0.496769
0.497329
0.497808
0.498207
0 498539
0.498814
0.499041
0.499227
0.499380
0.499504
0.499605
0.499686
0.499752
0.499804
0.499847
0.499880
0.499906
0.499927
0.499944
0 499957
0.499967
0.499974
0.499980
0.499985
0.499988
0.4999912
0.4999933
0.4999948
0.4999960
0.4999969
0 4999976
0.4999981
0.4999984
0.4999987
0.4999989
0.4999990
0.4999991
0 4999992
Anhang. 403
Diese Kolonnen können zu zweierlei Zwecken benützt werden.
Der eine wäre eine Tafel auszurechnen, wie meine auf S. 33,
wo ich einfach 11 Queteletsche Grade in 1 zusammengezogen
habe, so daß meine Klassen A. und a. 11 Grade in Kolonne
N. entsprechen, meine Klassen B. und b. der Differenz zwischen
seinem 22. und 11. Grade, meine Klasse C. und c. der zwischen
seinem 33. und 22. Grade entspricht und so weiter.
Der andere Zweck ist, die Probe zu ermöglichen, ob eine
Gruppe von Ereignissen die gleichen allgemeinen Ursachen
hat oder nicht, denn ihre Klassifikation wird Zahlen hervor-
bringen, die denen in der Tafel entsprechen werden, wenn es
der Fall ist; im entgegengestzten Falle wird diese Übereinstim-
mung nicht stattfinden. Der Beweis wurde SS'. 29, 30 und 32 an-
gewendet. Die Methode, die bei diesem Vergleich angewendet
wird, ist leicht durch das folgende Beispiel zu verstehen, dessen
Ziffern ich Quetelet entnehme. Ich glaube, daß zwischen 1836
und 1839 in Greenwich 487 Beobachtungen der Rektaszension des
Polarstern gemacht und in den Publikationen des Observatoriums
eingetragen wurden, nachdem sie auf Präzession und Nutation
korrigiert wurden und nur noch den Irrtümern der Beobachtung
unterlagen. Werden sie nun in Klassen getrennt, in Abständen
von 0,5 Sek., so müßten die Ziffern jeder dieser Klassen sich wie
in Kolonne III S. 404 verhalten. Wir erhöhen sie in dem Ver-
hältnis von 1000 zu 487, um Dezimalen zu erhalten und sie so
mit den Ziffern in Quetelets Tafel vergleichen zu können und
tragen sie dann in Kolonne IV ein. Das zeigt uns, was schon
durch eine recht lange Erfahrung bekannt war, daß nämlich die
Chance für eine Beobachtung in die Klasse — 0,5 Sek. vom
Mittel zu fallen 150 zu 1000 beträgt, 126 zu 1000 beträgt in die
Klasse — 1,0 zu fallen usw. für den Rest. Diese Information ist
analog jener, die in Kolonne M. von Quetelets Tafel gegeben ist,
und wir gehen jetzt dazu über, Kolonne V, die Quetelets N analog
ist, aus Kolonne IV zu berechnen. Die Methode ist jedoch anders.
N war dadurch gebildet, daß die Eintragungen vom Durchschnitt
aus nach außen hin addiert wurden. Wir müssen auf dem
entgegengesetzten Wege arbeiten und von außen nach innen
gehen, da der exakte Durchschnitt nicht als genau bekannt
vorausgesetzt ist und weil auch diese Methode für uns bequemer
wäre, selbst wenn das Mittel genau festgestellt wäre. Wo immer
das Mittel nun liegen mag, ist die Chance 500 zu 1000 dagegen
daß eine Beobachtung auf einer spezifizierten Seite der Serien,
36*
404
Anhang.
IV
Ergeb-
nisse
X.
Ergeb-
lisseper
I
II
III
per lOOO
nach der
Er-
fahrung
V
VI
VII
VIII
IX
1000
nach der
Kalku-
lation
Zahl
derBe-
Die-
selben
Wahr-
schein-
lich-
Die zu
Nkor-
Aus der
Kalkula-
Differen-
zen ge-
Klassen
Umfang jeder Klasse
obach-
tungen
in
jeder
Klasse
unge-
rechnet
im Ver-
hältnis
487 zu
1000
keiten
abge-
leitet
aus der
Erfahr-
ung
re-
spon-
d leren-
den
Grade
Differ-
enzen
Korri-
gierte
Grade
tion ab-
geleitete
Wahr-
schein-
lich-
keiten
genüber
den
vorher-
gehen-
den Ko-
lonnen
sec.
Alle
unter
0
0
0.500
0.500 \
0.496/
4
— 3.5
— 3.25 bis -
-3.75
1
2
0.498
45.5
41.5
— 3.0
— 2.75 „ -
-3.25
6
12
0.486
35.0
10.5
35.0
0.486
10
— 2.5
— 2.25 . -
- 2.75
12
25
0.461
28.0
7.0
28.5
0.464
22
— 2.0
-1.75 . -
- 2.25
21
43
0.418
22.0
6.0
22.0
0.418
64
— 1.5
— 1.25 , -
- 1.75
36
74
0.344
16.6
5.4
15.5
0.341
81
— 1.0
-0.75 „ -
- 1.25
61
126
0.218
9.3
7.3
9.0
0.215
126
— 0.5
— 0.25 , -
-0.75
73
150
0.68
2.6i
6.7
2.5
0.063
152
Mittel
0.0
-t-0.25 , -
-0.25
82
168
6.6
163
-0.5
+ 0.25 , -
-0.75
72
148
0.100
4.0'
6.5
4.0
0.100^
174
_
-1.0
+ 0.75 „ H
h 1.25
63
129
0.248
10.5
8.0
10.5
0.247
112
_
-1.5
+ 1.25 , -
- 1.75
38
78
0.377
18.5
8.5
17.0
0.359
72
-h2.0
+ 1.75 , -
-2.25
16
33
0.456
27.0
8.5
23.5
0.431
40
+ 2.5
+ 2.25 , -
-2.75
5
10
0.488
35.5
30.0
0.471
19
Alle
1
2
0.500
0.500
10
über
487
1000
1000
sagen wir auf der minus- Seite liegen wird. Datier bestätigt
Kolonne IV, indem sie zeigt, daß keine Beobachtung außerhalb der
Klasse -3,5 Sek. liegt, daß es 500 zu 1000 (oder 0,500 zu 1,00) da-
gegen ist, daß irgend eine Beobachtung zwischen -3,5 Sek. und dem
Mittel liegt, 0,500 ist daher in Kolonne V gegenüber -3,5 Sek. einge-
tragen. Andererseits sind entsprechend IV nur zwei Fälle in der
Klasse -3,5 Sek. und zwar (500—2 =) 498 zu 1000, daß irgend eine
Beobachtung zwischen der Klasse -3,0 Sek. und dem Durchschnitt
liegt, in Kolonne V gegenüber 3,0 Sek. wird daher 0,498 einge-
tragen. In gleicher Weise (498—12=) wird 0,486 bei -2,5 Sek. einge-
tragen. Wir schreiten auf diesem Wege weiter,bis wir auf die Beob-
achtungen stoßen, die einen Teil der Durchschnittsgruppe bilden,
es sind 168. Unser Rest ist 68; genau genommen sollte er gleich
Anhang. 405
der Hälfte von 168 oder 84 betragen; wir können also schließen,
daß das Mittel etwas zu hoch gewählt wurde.
Eine Berechnung, die in genau der gleichen Weise von +3.5
Sek. ab, nach dem Mittel zu gemacht wird, führt auf der andern
Seite zu der Mittelgruppe, nämlich bei 100. Vergleichen
wir jetzt unsere Resultate mit Quetelets Kolonne N und sehen
wir, welchen seiner Qrade die einzelnen Ziffern in unserer
Kolonne V entsprechen. Die fraglichen Grade sind in Kolonne VI
eingetragen. Im Verhältnis, als diese Beobachtungen völlig mit
dem Gesetz der Abweichungen von einem Durchschnitt überein-
stimmen, werden sich die Intervalle zwischen den Graden in
Kolonne VI der Gleichheit annähern. Wie sie wirklich sind, zeigt
uns Kolonne VII. Wir können nicht erwarten, daß die beiden
extremen Grenzen Resultate von großer Sicherheit geben, da die
Anzahl der Beobachtungen zu gering ist, doch wenn wir nur den
Rest in Betracht ziehen, finden wir, daß das durchschnittliche
Intervall von 6.5 sehr allgemein zutrifft. Sehen wir jetzt zu,
welche Ziffern in den Klassen der Theorie nach gewesen wären,
wenn sie entweder von 2.5 (etwas weniger als 2.6, wie wir
übereingekommen sind) über dem Durchschnitt oder von 4 unter
dem Durchschnitt ausgehen, und wir Serien und Klassen kon-
struieren, die entsprechend Quetelets Graden ein gemeinsames
Intervall von 6.5 haben. Kolonne VIII zeigt, wie diese Klassen
wären; Kolonne IX zeigt die korrespondierenden Ziffern, die di-
rekt Quetelets Gruppe N entnommen sind, und Kolonne X gibt
die Differenz zwischen diesen Ziffern, die so eng mit den Ein-
tragungen in Kolonne IV übereinstimmen, daß kein Zweifel
darüber bestehen kann, daß die Irrtümer in den Beobachtungen
sich streng an das Gesetz der Abweichungen von einem Durch-
schnitt halten.
Es erübrigt mir, noch ein paar Worte über das Gesetz der
Abweichungen von einem Durchschnitt, oder über das La Place-
sche Fehlergesetz bei Beobachtungen, wie es gewöhnlich genannt
wird, zu sagen. Jedes variable Vorkommnis hängt von einer
Anzahl variabler Ursachen ab, von denen wieder jede gerade ver-
möge der Tatsache ihrer eigenen Variabilität, von anderen Va-
riablen abhängig ist. Man kann diesen Prozeß Schritt um Schritt
verfolgen, bis man nicht mehr weiß, wo man stehen bleiben soll.
Da nun der wirkHche Grund jeder dieser Ursachen ein variables
Vorkommnis ist, hat es einen Durchschnittswert, und daher be-
steht (ich verändere den Satz nur) in jedem Falle eine gleiche
406 Anhang.
Chance dafür, daß das Vorkommnis größer oder geringer als der
Durchschnitt ist. Nun wird versichert, daß es von untergeordneter
Wichtigkeit für uns ist, uns mit diesen geringfügigen Ursachen
mehr zu beschäftigen, als bis zur Festellung der Wahrscheinlich-
keit ihres Überschreitens oder Zurückbleibens hinter ihren ver-
schiedenen Durchschnittswerten, da die Chance daß eine größere
oder geringere Anzahl unter ihnen sich so verhält, in jedem gege-
gebenen Falle der den Rechnern wohlbekannten Chance ähnelt,
wenn man aus einer Urne, die eine ungeheure aber gleiche An-
zahl schwarzer und weißer Kugeln enthält, diese herauszieht.
Jede Kugel, die gezogen wird, hat die gleiche Chance schwarz
oder weiß zu sein, genau so wie jedes untergeordnete Vorkonnn-
nis die gleiche Chance hat, seinen Durchschnittswert zu unter-
oder zu überschreiten Ich kann hier nicht auf die philosophische
Seite dieser Ansicht eingehen; sie wurde von vielen Autoren be-
handelt und der Gegenstand ist noch nicht erschöpft.
Cournot hat eine Tafel zur obigen Hypothese konstruiert,
die in Quetelets „Briefen über WahrscheinUchkeitsrechnung" ab-
gedruckt ist, aber Cournot dehnt sie nicht annähernd so weit aus
als Quetelet. Die Tafel von Quetelet ist nach einem sehr ein-
fachen Prinzip gerechnet, dem Resultat von 999 Kugeln, die aus
einer Urne gezogen werden, die wieder weiße und schwarze
Kugeln in gleicher Quantität und ungeheurer Anzahl enthielt. Sein
erster Grad entspricht dem Fall, wo 499 weiße und 500 schwarze
Kugeln gezogen werden, sein zweiter 498 weißen und 501
schwarzen und so v/eiter, der achtzigste Grad entspricht dem
Fall, wo 420 weiße und 579 schwarze Kugeln gezogen werden.
Bei dieser allgemeinen Form der Resultate macht es bei so großen
Zahlen keinen erheblichen Unterschied aus, welches ihre wirk-
liche Anzahl ist. Der Wert der Grade ist selbstverständlich sehr
verschieden, aber man wird fast die gleiche Qualität der
Kurven erhalten, ob die Zahlen nun nach Quetelets oder Cournots
Tafeln genommen werden. Quetelet zeigt dies alles in seinem
Vergleich der beiden Tafeln.
Ende.
Namens- und Sachregister.
Seite
Abbot 304
Abingdon 145
Abinger 90
Abney 90
Abweichung von einem Mittel
(Deviation from an average) 21, 401
Adams 131
Addington 111, 144
Addison 184
Aschylos 249
Afrika XXV
Aikin 185
Aldborough 145
Alderson 21, 90
Alexander 159
Alibone 90
Alison 185, 234
Allegri 261, 272
Amati 261
Ameinas 249
Amerika 39
Ampere 21, 215
Anderson 234
Anlagen (ability) XI
Annesley 145
Antonius, Marcus 165
Arago 21, 216
Araros 250
Argental 227
Argyll 129
Seite
Ariosto 250
Aristokratie 88
Einfluß der Verleihung der
Pairswürde auf die Rasse 1 38, 383
Aristophanes 250
Aristoteles 216
Arnold 185
Arran 145
Arteveldt 132
Ashburnham 145
Athener 363
Atkyns 69, 90
Augustus 165
August II 174
Austen geb. Sarah Taylor. . 206
Australneger 362
Aylesford 146
Bach 261
Bache 230
Bacon .... 57, 217, 218, 364
Badile 270
Badius 204
Badeorte 386
Baillie 236
Barbauld 185
Barrington 146
Barry 22
Bassano 272
Bathurst 91
408
Namens- und Sachregister.
Seite
Batty 91
Beaufort 146
Beauvale 123
Bedford 117, 146
Bedingfield 91
Beer (Meyerbeer) 267
Beethoven 264
Bellini 272
Benda 264
Benson 328
Bentham 185
Bentinck 117
Beobachtungsfehler (errorsof Ob-
servation) Gesetz der XIII 25, 406
Beranger 246
Bevölkerung, Beschränkung der 378
Bezeichnungssystem für Ver-
wandte 49
Bernoulli 219
Berühmt, (lUustrious) Definition
von 10
Berwick 162
Best 91
Bickersteth 91
Bion 249
Birch 91
Bischöfe, die 281
Blackburn 91
Blackstone 91
Blair 336
Bohemetum 368
Boileau 186
Bolingbroke 117
Bonaparte 162
Bonheur 269
Bononcini 265
Bootsfahrten Oxford und Cam-
bridge 11, Ruderer (Oarsmen) 329
Bossuet 186
Bouillon, Duc de . . . 171, 177
Boyle 220
Bradshaw 101
Bramston 92
Brodie 94, 222, 325
Bromley 314
Bronte 182, 186
Brougham 37, 92
Brown-Sequard XVI
Browne 92
Brunei 357
Buckingham 121
Buckland 223
Buffon 223
Buller 92
Bulwer 180
Bunbury 324
Burchell .327
Burleigh 132
Burke's „Pairswürden" . . . 147
Burnet 92
Bums 246
Bushey-Park 10
Bute 118, 144
Butler 22, 324
Byron 260
Caesar 150, 164
Cagliari 272
Calderon 246
Cambridge, Prüfungen . . 12, 15
Seniors in klassischen Studien 327
Regatten 11
Camden . . . 92, 118, 142, 146
Campbell, Lord 92
Campbell, Thomas .... 92
Candiish 333
Canning 118, 144
Caracci 269, 273
Casaubon 204
Cassini 224
Castillo 275
Castlereagh 118, 144
Cavendish 224
Cecil 132, 217
Celsius 225
Chadderton 310
Namens- und Sachregister.
40»
Seite
Chadwick ....
369
Chamberlain . .
127
Champernoun . .
174
Champollion . .
187
Chancellors, Lords
55
Chateaubriand . .
187
Chatara ....
125
Chaucer ....
251
Chelmsford . . .
92
Chenier ....
251
Chinesen . . XVI,
XX,
358
371
Christen, Sündengefühl
302
Christine ....
168
Chuan-yuan . . .
358
Churchill ....
q9
Clarendon
92
Clarke Matthew .
305
Clarke Sir C . .
92
Clasper
333
Clive
. 92,
Ififi
Cockburn ....
9^
Colbert ....
133
Coleridge ....
. 92,
251
Coligny ....
166
Colonius ....
306
ColpeDPer
140
Como
381
Comte
346
Condorcet . . .
225
Cooke
132,
217
Coombes ....
334
Cooper, (Earl Shaftesbury) 93,
140
Cooper R. . . .
334
CoDlev
93
Corday
253
Cork
221
Corneille ....
252
Correeeio ....
274
Cottenham . . .
93
Cotton
317
Coumot . • . .
406
Cowley ....
130,
177
Cowper ... 93,
140,
143,
253
Seite
Cramond 92
Cranmer 282
Cranworth 93
Cromwell 133, 166
Curchod 202
Culverel 310
Cuvier 225
Cynaegeirus 249
D'Alembert .... 22, 42, 225
Daley 337
Dampier 93
Dante 347
Dartmouth 95
Darwin XVI, 1,227, 354, 384, 389, 391
Davy 228
De Candolle 228
De Grey, Earl 126
De Grey (Lord Walsingham) 93
Demagogen 46
Denison 69
Denman 69, 325, 355
Dibdin 263
Dichter 246
Anhang zu 249
Dieu, de 305
Disraeli 113, 118
Dod 306
Dolben 69
Donne 306
Doria 167
Dowdeswell 103
Downe 307
Draper 91
Dryden 254
Dudevant 175
Dudley 201
Dufferin 128
Dundas 113, 118
Dussek 265
Einfluß der natürlichen Be-
fähigung der Nationen . . 387
Edgeworth 187
410
Namens- und Sachregister.
Seite
Egmont 137
Eichhorn 266
Eldon 94, 119
Ellenborough 94, 119
Ellis 19
Emigranten 381
Engländer, aus dem Norden,
ihre Anlagen 362
Erbinnen 139
Erle 94
Erskine, Lord 94, 119
Erskine, E und R .... 307
Erstgeburt 87
Etienne 187
Eugen 167
Euler 229
Euphorion 250
Evans 307
Ewbank 337
Eyck 274
Eyre 94, 95
Pabrikant 87
Faustrecht 379
Feldherren 149
Anhang zu 149
Eigenschaften von .... 46
haben wenig Söhne . . . 343
Fenelon 188
Fenton 220
Feriol 225
Fielding 188
Finch 95, 140
Ficherdörfer 387
Fischzucht 397, XVI
Fitz Roy 128
Flüchtlinge 381
Floyd 124
Fontenelle 225, 252
Forbes 229
Forster 95
Fox 119
Francis 120
Seite
Franklin 230
Frauen, von bedeutenden
Männern 348
Lücken bei Namen ... 8
Mütter von bedeutenden
Männern 353
Einfluß von Müttern . 212, 298
Übermittlung von Fähig-
keiten G3, 352
Franzosen, Körperhöhe der . 29
Emigranten 382
Freeman XXIII
Fronsac 137
Fruchtbarkeit XXI
der Judges 83, 139
der Wunder an Begabung . 353
Frühreife, der Söhne von be-
gabten Menschen .... 354
früher Tod 355
Gabrieli 266
Galilei 280
Gallio 198
Gelee 274
Gemmules 389, 393
Genie, (genius) X
Generationen in einem Jahr-
hundert 375
GeofEroy 281
Gerhard 322
Gesichtszüge, nicht mit Ver-
erbung von Fähigkeiten ver-
bunden 356, 369
Gibbon 105, 108
Gilbert 207
Gillies 91
Gilpin ....... 308, 809
Glaister 887
Gmelin • . . 281
Goderich 120
Goethe 254
Goldoni 246
Goldsmith 181
Namens- und Sachregister.
411
Golightly 337
Gordon, Lady Duff .... 206
Gordon, R 337
Gouge 308
Goulburn 22, 825
Gould 96, 188
Gracchus 176
Grafton 144
Gramont 188
Grant 158
Grantharn 125
Grattan 120
Gregory 232
Grenville 120, 121, 144
Griechen 363
Grey 121
Grotius 181, 189
Grynaeus 278, 279, 310
Guilford 96
Guise 167
Gurney 96
Gustav Adolph . . . 151, 168
Guyse 312
Haiford 1C6, 326
Hall, Bischof 286
Hall 326
Hallam 189
Haller 232
Hamilkav 169
Hampden 105, 166
Hannibal 157, 169
Harcourt 96, 141
Hardinge 103
Hardwicke 96, 108
Harrington 337
Harvey 95, 232
Hasdrubal 169
Hatherley 107
Hatton 201
Haydn 266
Hawkins 325
Hawks 833
Seite
Heath 96
Heine 255
Heiratsalter 375, 382
Helvetius 191
Henley 96, 141
Henry 193, 312, 313
Herbert 96, 313
Herschel 233, 344
Herrscher, Eigenschaften von . 44
Hervorragend (eminent) Defini-
tion 5
Hewitt 96
Hiddersham 314
Hiller 266
Holland 119, 121, 144
Homel 283
Hook 256
Hooker 235
Hooper 315
Hornby 128
Homer 113, 121
Hospinian 315
Hotham 96
Hottentottenkraal .... 387
Hugenotten .... XXKI, 382
Humboldt 235
Hühner XVII
Hunter 236
Hutton 242
Huygens 236
Hyde 96, 97, 141
Hyder Ali 170
Idioten 24, 34, 362
Illegitime Nachkommen der
Judges 139
Indischer Aufstand .... 47
Individualitcät 397
Individuelle Variation . . . 393
Ingenieure 357
Inquisition 380
Intelligenz, natürl. Auslese der 359
der Tiere 35
412
Namens- und Saehiegister.
Seit«
Irländer XXIV
Wähler 390
Irving G 337
Irving W 191
Italiener 4
Ivison 337
Jaraieson 338
Jeffrej's, Lord 97, 141
Jeffrej's, Sir John .... 98
Jenkinson 113, 123
Jervis 98, 123
Jevrell 315
Jonson 246
Juden 4
Judges 54
Anhang zu 89
Junius 316
Juseieu 237, 238
Kalender, von Comte . . . 346
Karl der Große . . . 157, 165
Karl Martell 166
Karl XII 166
Kaye 22
Keating 98
Keats 246
Keisor 267
Kemble 357
Kennedy 326
Kenyon 141
Kimbolton 82
King 98, 123
Klassifikation, nach natürlicher
Begabung 13
nach Berühmtheit ... 5
Knox 316
Kleopatra 160
Königsmark 175
Krabben XIII
Kultur 39
Künstler 344
s. Maler 270
S«it«
Musiker 269
Schauspieler 357
Lamb 192
Lamb, (Visc. Melbourne) . . 123
Landseer 269
Langdale 91, 98
Lansdowne 123
Lasco a 317
Law 98, 327
Lawrence 98, 170
Lechmere 98
Lee 99
Lefevre 214
Legge 99
Leibniz 21, 239
Leicester 200
Leighton 317
Lessing 192
Lewis 104
Lifford 99
Lindsay 82
Linley 126
Linnaeus 239
Literaten 179
Anhang zu • 184
Little 338
Liverpool 123
Locke 98
Lombroso XI
Londonderry 123
Long 338
L'Ouverture 361
Lovelace 251
Lovell 99
Lowthian 838
Lucan 198
Lucas Prosper 354
Lunar Society 209
Lushington 57, 327
Lyndhurst 21
Lyttleton 67, 101
Lytton 18ü
Namens- und Sachregister.
413
Seite
Macaulay 22, 192
Macclesfield 101
Mackenzie 129
Maddison 334
Maddox 326
Mago 170
Maler 269
Anhang zu 271
Malthus XXI, 378
Manchester 100, 201
Mancini 167
Manners 101
Mansfleld 101
Marius 165
Marlborough ... 92, 150, 171
Marley 120
Martineau 206
Martyn 207
Matfin 334
Mathematische Prüfungen . 15
Mathematiker 214
Mather 317
Matthew . 318
„Männer der Zeit" .... 7, 9
Moritz von Nassau .... 170
Mazarin 167
Mazzuoli 274
Meadows 206, 368
Mede 291
Medici 41
Melbourne 123
Melville 118
Mendelssohn 267
Mensch 373, 384
Metastasio 246
Middleton's „Biographia Evan-
gelica« 281
Mieris 275
Mill 193
Million, eine 10
Milman 256
Milton 256
Mittelalter 379
Mirabeau 134
Mischverbindungen .... 390
Mischlinge, menschliche . . 64
Monsey 104
Montagu ....... 100, 101
Montmorency .... 166, 171
Moore 172, 247
More 135, 307
Mornington 131, 177
Mothe 188
Mozart 267
Muirhead 244
Murillo 275
Musiker 259
Anhang zu 261
Mütter, Einfluß von . . 212, 298
hervorragender Männer . . 357
s. Frauen
Mylne 357
Napier 120, 172, 239
Napoleon 150, 162
Nahrung, menschliche . . XVII
Nares 102
Nationale Portraits .... 356
Naturwissenschaftler und Ma-
thematiker 208
Anhang zu 215
Väter von 344
Mütter von 344
Naturspiele 389
Necker 202
Neger . . XXIV, XXV, 360, 371
Nelson . . 104, 123, 130, 153, 173
Nepotismus 41
Newton . . .
. 240
Nichol ....
. 338
Nicomachus . .
. 217
Nicostratus . .
. 250
Niebuhr . . .
. 193
Nomaden . . .
. 368
Normannen . .
. . X
XIII, 369
414
Namens- und Sachregister.
Seite
North . . 72, lOX 102, 123, 141
Northington 96, 141
Norton 128
„Notizen und Fragen" Hong
Kong 358
Nottingham ..,..,. 76
s. Finch.
Nowell 318
Oersted 242
0 esterreicher 370
Olympias 159
Olympische Spiele .... 358
Opie 90
Uranien, Prinzen von . . . 170
8. Moritz.
Oxford 130, 145
Orrery 222
Ostade 275
Overbury 98
Ovid 247
Pairswürde, ihr Einfluß auf die
Rasse 130
s. Aristokratie.
Palestrina 268
Palgrave 106, 194
Palmer. 338
Palmerston 123, 129
Pangenesis . XVI, 384, 389, 393
Parker, Hyde 158
Parker (Macclelsfield) 98, 102, 141
Parmegiano 274
Patteson 103
Päpste, die 41
Peel 123
Perabroke 200
Pengelly 103
Penzance 107
Pipin 166
Pepys („sein Tagebuch") . . 102
Pepys, Sir C 103
Perceval 124
Perikles 364
Seite
Persönlichkeit 399
Petronella 204
Petty 124
Pitt 111, 125
Phidias 364
Philipp von Mazedonien 159, 173
Philippus 250
Phillimore 57
Philoclees 249
Plato 364
Plessis 136
Plinius 242
Polarstern, Beobachtungen . 403
Politiker 109
Anhang zu IIG, s. 45, 131, 367
Pollock 103
Ponte 276
Pope 247
Porson 22, 194
Porta 242
Portland 125
Potter 276
Powis 103
Praed 257
Pratt 86, 10:5, 142
Premierminister 117
Prestley 309
Protestantische Flüchtlinge
XXIII, 381
Preußen 370
Ptolomäer IGD, 173
Puritanische Gesichtszüge . 302
Pyrrhus 162, 173
Quetelet XIII, 25, 401
Racine 257
Raffael 276
Raleigh 157, 173
Rabutin 199
Rastall 307
Raymond lOi, 142
Redesdale 124
Reeve 206
Namens- und Sachregister.
415
Reid .
Renforth
Ruf, als Beweis füi
Reynolds . .
Richelieu . .
Richmond
Ringkämpfer
Anhang zu
Ripon .
Riqueti
Rivet .
Roberts
Robertson
Robinson
Robley .
Robson
Robusti
Rolfe .
Roroanes
Romilly
Roper .
Roscoe .
Rossi .
Rousseau
Royal Instituti
Ruderer . .
Anhang zu
bei Universitäts-
fahrten . .
Runjeet Singh
Rüssel . . .
Ruysdael . .
Sadler . . .
Sage, Le . .
St. Beuve
St. John, Sir 0.
St. Leonards
St. Vincent
Salisbury .
Sandhurst
Sanzio . .
Säur in . .
Begabung
Wett.
Seite
234
334
36
104
136
119
336
336
108, 125
134
291
190
92
125
338
338
276
104
XX
104, 126
136
195
257
181
20
329
332
Ruder-
11
174
126
276
335
195
48
118
56
98
132
31
277
320
Seit«
Saussure 202, 243
Sachsen 174
Scaliger 43, 196
Scarlett 104
Schiller 247
Schlegel 196
Schmetterlinge XVIII
Schmuck 239
Scipio 150, 175
Schotten, Brustumfang von 29, 362
Schauspieler 35
Schriftsteller, Charakteristiken
der 180
Scott 104, 126, 142
Seeleute 447
Sequin 24
Selwyn 57, 328
Seneca 22, 197
Seniors in klassischen Studien
in Cambridge 322
Anhang zu 324
Sevigne 198
Sewell 104
Seymour 128
Shaftesbury 93, 104
Shakespeare 247
Shannon 222
Shelburne 126
Sheridan 128
Siddors 357
Sidgwick 328
Sidmouth 144
Sidney 72, 199
Singh Runjeet 174
Skeptiker . 300
Small 209
Smiles 381
Smith, Archibald 214
Soziabilität 359
Sokrates 364
Somers 104, 108
Sophokles 247
Soult 153
416
Namens- und Sachregister.
Seite
Spanier 380
Sparta 374
Speimann 105
Sport 12, 44
„Sport« der Natur . . . XVIII
Stabilität der Typen ... 391
Stael 202
Stanhope 125
Stanihurst 321
Stanley 128
Stephen 203
Stephens 203
Stephenson 243
Sterblichkeit 354
der Theologen 286
Stewart 128
Stowell 55, 66, 145
Strategie 64
Stratford de Redcliffe ... 118
Stuart 128
Stuart of Rothesay .... 129
Sutton 105
Suckling 173
Sünde 302, 370, 380
Swift 205,254
Sydney, s. Sidney.
Tabellen :
Brustumfang von Schotten 29
Einteilung der Menschen nach
ihrer natürlichen Begabung 33
Grösse von Franzosen . . 30
Sandhurst, Prüfungen . . 32
Mathematiker, Cambridge 18
Summe der Verwandtschaften
(nämlich der Tabellen I u. II)
Judges 58, 61
Politiker 113, 114
Feldherren .... 154, 156
Literaten 182, 183
Naturwissenschaftlern. Mathe-
matiker 210, 211
Dichter 247, 248
Seite
Musiker 260
Maler 270, 271
Theologen 296, 297
Vergleich aller Klassen . . 341
Talbot 105, 142
Talleyrand 46
Tasso 267
Taylor I 336
Taylor von Norwich .... 206
Taylor von Ongar 206
Temple 122, 129
Ten^in 226
Teniers 277
Theologen 280
Anhang zu 304
Thesiger 105
Thompson 214, 355
Thurlow 105, 130
Tierische Intelligenz .... 35
Tickel 127
Timur 158
Tinian 338
Tippoo Saib 170
Tizian 277
Titus 176
Tonstall 308
Torrington 96, 314
Tracy 90
Treby 105
Trevelyan 193
Töchter, nicht heiratende . . 354
Trevor 105, 181, 142
Trimnell 92
Trollope 207
Tromp 176
Trosse 294
Truro 56, 106
Turenne .... 151, 171, 176
Turner 106
TweddeU .339
Twisden 95, 106
Tyne Ruder Klub 281
Namens- und Sachregister.
417
Seite
Typen XIX, 391
Stabilität von 392
Usher .
Utopien
. 320
XXVI
Van Dyck 277
Variation XVII, 393
Vaughan 106, 326
Vecellio 277
Vega 257
Velde 278
Vergleich der beiden Klassi-
fikationen 36
Vergleich der Resu]tate . . 340
Verney 106
Veronese 279
Verwandte, Bezeichnungssystem
für 49
Vespasian ....... 176
Veyle, Port de 227
Vincent, St 130
Volta 243
Vossius 316
Wallace, A XX
Waller 96, 133, 167
Walpole .... 124, 130, 145
Walsingham 106
Walter 101
Warwick 201
Wasa 169
Watson 329, 336
Watt ' ... 244
Watts 290
Wearmouth 339
Wedderburn 142
Weißmann ....... XVI
Welch 317, 321
Seite
Weldon XIII
Wellesley 112, 130
Wellington ... 112, 154, 177
Westminster Abtei .... 40
Whewell 209
Whitaker 310, 322
Wigram 106
Wilberforce 131
Wilde 106
Wilkins 306, 322
Willes 106
Wilhelm der Schweigsame 150, 170
Wilhelm III 150, 157
Williams 94
Vvilmot 107
Winship 335
Witsius 322
Witt, de 137
WoUaston 245
Wolphius 315
Wood 107
Wordsworth 258, 328
Wranglera 15
senior 17
8. Mathematiker
Wyndham 107, 122
Wynford 108
Unbeständigkeit des Charakters 303
York 97
Yorke 108, 142
Young 257
Zellen, des Organismus . . 384
Zivilisation . . . 358, 371, 374
Ursachen des Verfalls . . 380
beste Form für die Rasse . 384
Zölibat 377
Druekfehlerberiehtigung.
Es soll heißen:
Seite 325: Denman statt Denmann.
„ 128: Hornby statt Hornbey.
„ 364: Thompson statt Thomson.
Band VI. Dr. Budolf Eisler, Grundlagen der Philosophie des
Geisteslebens. Preis geh. M. 7.50, geb. M. 9.—.
Band VII. Louis Couturat, Die philosophischen Prinzipien der
Mathematik. Deutsch von Privatdozent Dr. Carl Siegel, Wien.
Preis geh. M. 8.50, geb. M. 10.—.
Band XI. Jules Ladielier, Psydiologie und Metaphysik. Die Grund-
lagen der Induktion. Deutsch von Dr. Rudolf Eisler, Wien.
Preis geh. lA. 3.—, geb. M. 4.—.
Band XII. Abel Reg, Die Theorie der Phgsik. Deutsch von Dr.
Rudolf Eisler, Wien. Preis geh. M. 8.50, geb. M. 10.—.
Band XIII. J. M. Gugau, SittUdikeit ohne „Pflidit''. Mit Randbemer-
kungen Friedrich Nietzsches. Deutsch von E. Schwarz, Groß-
Lichterfelde. Preis geh. AV. 5.—, geb. M. 6.—.
Band XIV. E. D. Starbudic, Seligionspsgchologie. Deutsch von Fr.
Beta, Burg. Band I. Preis geh. M. 4.— , geb. M. 5.— .
Band XV. E. D. Starbuck, Religionspsgdiologie. Deutsch von Fr.
Beta, Burg. Band II. Preis geh. M. 4.50, geb. M. 5.50.
Band XIV und XV in einen Halbfranzband gebunden M. 11. — .
Band XVI. Wilhelm Ostwald, Energetische Grundlagen der Kultur-
wissenschaft. Geh. M. 5.—, geb. M. 6.—.
Band XVII. Henry Sidgwicii, Die Methoden der Ethik. Deutsch von
Dr. C. Bauer. Band I. Geh. M. 4.50, geb. M. 5.30.
Band XVIII. Henry Sidgwick, Die Methoden der Ethik. Deutsch von
Dr. C. Bauer. Band II. Geh. AI. 6.30, geb. M. 7.10.
Band XVII und XVIII in einen Halbfranzband gebunden M. 13.50.
Band XIX. Francis Galton, Genie und Vererbung. Deutsch von Dr.
0. Neurath und Fr. Dr. Schapire-Neurath, Wien. Geh. M. 8.50,
geb. M. 10.-, Halbfranz M. 11.-.
Daran schließen sich zunädist:
Band VIII u. IX. Budolf Goldsciieid, Höherentwicklung und Menschen-
Ökonomie. Naturwissenschaftliche und werttheoretiscfae Grundlegung
der Soziologie.
Band X. Guyau, Die Kunst als soziologisches Phänomen. Deutsch
von Paul Prina.
Als weitere Bände werden u. a. erscheinen:
Übersetzungen:
Giddings, Principles of Sociology;
Guyau, L'irreligion de l'avenir;
„ £ducation et h^r^dit^;
„ Les problömes de l'esth^tique contemporaine;
Lacombe, De l'histoire consid^r^e comme science;
Liard, La science positive et la m^taphysique;
Midiailowski, Soziologische Essays;
Schiller, Humanism;
Squillace, Le dottrine sociölogiche.
8 Der Verlag: s Die Redaktion:
Dr. Werner Klinkhardt Dr. Rudolf Eisler
Leipzig. Wien.
Verlag von Dr. Werner Klinkhardt in Leipzig
RUDOLF GOLDSCHEID
XXXVI, 218 Seiten. S\ Geh. 5 M., geb. 6 M.
WILHELM OSTWALD urteilt in den „Ännalcn der Natur-
philosophie" über das Werk des Wiener Soziologen:
„Den Lesern der Annalen ist Rudolf Goldsdieid längst kein Fremder
mehr, denn sie kennen seine Arbeiten, von denen eine jede durdi
die Ausgrabung und Freilegung eines neuen erheblichen Gedanken-
blockes gekennzeichnet ist. In der vorliegenden Sdirift glaubt
der Beriditerstatter das Bedeutendste zu erkennen, was
er bisher geleistet hat und vielleidit audi leisten wird. Denn
das, um was es sich hier handelt, nimmt die Denkarbeit eines ganzen
Lebens reichlich in Anspruch und ist gleichzeitig vielverzweigt und
mannigfaltig, daß es mehr als ein Leben ausfüllen kann.*
FERD. REINHOLD
Machs Erkenntnistheorie
Darstellung und Kritik
= 215 Seiten. Geh. 3 M. =
Wenn schon Mach nach seinen eigenen Aussagen kein philoso-
phisches System geben wollte, so ist es dodi angebracht, die AVach'sche
Philosophie einmal losgelöst von allem Beiwerk nach seinen Schriften
klar zur Anschauung zu bringen. Das war umsomehr nötig, als die
verschiedensten Auffassungen über die Philosophie Machs laut geworden
sind. Daher ist in diesem Buch der Versuch gemacht worden, möglichst
dokumentarisch das herauszuschälen, was man — in Begrenzung auf
die erkenntnis-theoretischen Grundlagen — als Machsche Philosophie
bezeichnen kann.